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Full text of "Der Hypochondrist, eine holsteinische Wochenschrift"

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Hypochondrif 


holfteiniſche Wochenfihrift 


von Herrn 


Zacharias Jernſtrupcn 
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Zweyte verbefferte undvermehrte —* 


— und Schleswig — 1271 ? * 
bey Joh. Henr. Cramer und Joach. Friedr. Hanſen 


1771. 


er 


3. 


* 
* 
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- 








Vorbericht | 
des Herausgebers. 






3 Ne Als ſich Herr Zacharias 
re Zernftup vor acht 
== Sahren durch Frieges 
riſche Aſpekten, die feinem Vaterlan⸗ 


=... Be ßrohten, genoͤthigt fah, feinen ge 


; 


a2 lieb; 


—F 


liebten Blättern des Hypochondri— 





ſten ein ſchleuniges Ende zu machen: 
ſo trat er mit ſchwerem Herzen vor 


den Helm ſeiner Vaͤter hin, und 
ſeufzte folgendermaſſen. | B 

D Helm des Königs Hiarno, 
meines vielgeehrten Ahnherrn! eis 
nen witzigern Kopf in der Jern— 
ftrupfcehen Familie haft du nie ge 
deckt, als der Kopf war, der ſich 
durch Sinngedichte auf den Thron 
au fehwingen wußte, Micht ohne 
Ehrfurcht betrachte ich deine eiſer— 
nen Lippen, aus denen manches 


Tchöne und ach! vergeffene Diftichon 


gefloffen ift, und deine Beulen, die 
zuhmlichen Maͤler von manchem 
Bider 








Biderfuffe des Schwerted. Den 
noch, o Helm! Helm! Cfeufzend 
gefte ichs), fo fehr mich zu jeder 
andern Zeit ein Labetrunf von dem 
Blute meines Feindes aus deiner 
Kalotte erquicken würde; fo fehwer 
fallt es mir, böte mir auch Odin 
feinen Meth, ja böthe er mir die 
unverfiegende Wafferquelle aus 
Mimers Hirnfchädel an, bloß dar 
um die Feder aus der Hand zu le 
gen, da der Hypochondriſt kaum 
anfängt, jenfeit8 der Eyder fein 
Gluͤck zu machen, und fo wie er 
ist da liegt, einem verftümmelten 
Torſo gleicht, den ich vielleicht nie 

a3 mehr 


- 





mehr werde ergänzen fonnen! Was 
wird mein Coufin Ohluf Jern⸗ 
ſtrup ſagen, daß er ſein griechiſches 
Blatt umſonſt ſoll geſchrieben ha— 
ben? Was wird nun aus meiner 
fo muͤh⸗ als empfindſamen Reiſebe—⸗ 
ſchreibung von Meldorp nach Ran⸗ 
ders? aus meiner Sammlung von 
Perſiſchen Gaſſenliedern, die un— 
ter der Regierung Schach Abas 
des Groſſen geſungen worden, und 
keiner Romanze etwas nachgeben? 
aus dem Fragment meines naͤcht— 
lichen Umgangs mit den Zwergen? 
aus meinen neuen Berechnungen 
in der geomantiſchen Punktirkunſt? 
aus 








aus dem Entwurf meines neuein⸗ 
zurichtenden Cabinettheaters auf - 
Ssernfiruphof? aus meiner ſehens⸗ 
würdigen und unerhörten Gebehr; 
denorgel ? Was wird aus allen 
übrigen Seltenheiten meines Mu⸗ 
feums, die ich mit ſo vielem Auf 
wande zufammengetragen habe, 
‚und mit denen ich durch den Hypo; 
hondriften mein Ssahrhundert zır 
erleuchten hoffte? Ach! wenn du 
aus dem ungeheuren Saale der 
Einherium auf deinen Urenfel her⸗ 
obichauft, mein Herr. und Ahnherr! 
glorwuͤrdiger König Hiarno! fieh, 
wie mein Herz bluter, und ent 
a4 ſchul⸗ 





fchuldige meine Seufzer! du warft 
ein Autor! denfe dic) an meine 
Stelle! 

Gluͤcklicher Weiſe, und beynah 
jo unbegreiflich, als ob dag Schick— 
fal des Herzogthums Holftein von 
der Anrede an den Ahnherrn Diarz 
no und an feinen Helm abgehan; 
‚gen hätte, verzog fich das Gewit—⸗ 
ter, che e8 gedonnert hatte: — 
aber leider ! zu ſpaͤt für den armen 
Hypochondriften! Herr Zacharias 
Jernſtrup hatte in feiner ſchriftſtelle⸗ 
rifchen Verzweiflung das Ende der 
Gefahr nicht abgemartet, und Die 
Seltenheiten feines Mufeums wa⸗ 

ren 





ren in Rauch aufgegangen, che 
ſich Jemand davon träumen ließ. 
Seäit Diefer traurigen Epoche 
ward des Hypochondriſten auf 
Ssernftruphof fo wenig erwähnt, 
als ob er nie in der Welt geweſen 
wäre. Man befürchtete, die alte 
Wunde wieder aufzureiffen; durchs 
gehends herrfchte ein tiefes Still, 
fehweigen, wobey Einer den An- 
dern von der Seite anjah, den 
Kopf fchüttelte, und die Achfeln 
zuckte. Endlich trug fich im Sahe 
1769 eine wundervolle Begeben; 
heit im Lager vor Choczim zu, wel 
che das ganze Nervenſyſtem unfers 
- as alten 





alten Freundes veränderte; und zu 
eben der Zeit (wie denn felten ein 
Gluͤck allein fommt), lief ein mer 
wuͤrdiges Schreiben von Herrn 
Hanfen in Schleswig, dem Ber 
Veger des Hypochondriſten, ein, 
welches der allgemeinen Freude ei 
nen neuen Schwung gab. Wor; 
inn Die wundervolle Begebenheit 
bejtanden, wird der Lefer aus dem 
Verzeichniß des Inhalts, oder, 
wenn er fo viele Geduld hat, aus 
dem Buche felbft, erfchen. Das 
Schreiben des Herrn Hanfen aber 
enthielt eine unerwartete Bitte um 
Handichriften zu einer neuen vers 

beiter- 


— 








beſſerten und vermehrten Aufla- 
ge des Hypochondriſten. 

Wie beneidenswirdig war 
Ssernftrup nach dem Leiden fo vie 
ler Sahre! Nicht nur beneidens: 
würdig durch den erftaunlichen 
Gluͤckswechſel, der fein Nervenſy— 
ſtem änderte: auch beneidenswuͤr⸗ 
dig Durch die erwuͤnſchte Gelegen— 
heit, die fich darbot, die Welt von 
allen diefen Wundern zu unterrich? 
ten. Dreyfach beneidenswirdig, 
hätte er fich den unerfeglichen und 
nie genug zu beweinenden Verluſt 
feines Muſeums nicht vorzumerfen 
gehabt! | 
2 Ehe 





Che man ſichs verfah, waren 
alle Federn im Gange. So ein 
unthätiges finftres Anjehen Jern— 
ftruphof furz vorher gehabt hatte, 
fo lebhaft ſah man es itzt. In Zeit 
von einem Jahre fand man fich 
mit Handfchriften und Berbefferuns 
gen dermaffen bereichert, daß die 
nerre Ausgabe, ungead)tet der grau—⸗ 
famen Zerfiöhrungen, welche ein 
Paar Kunftrichter von den neueften 
Grundfägen, wovon ım Werke 
ſelbſt nähere Nachricht ertheilt wird, 
mit ihrer Fritifchen Scheere ange; 
richtet hatten, fogarumdrey Blät- 
ter dicker erfcheinen fonnte, als die 
alte, Ich 


Sch tbergebe nun der Welt, 
nachdem ic) alles gefagt zu haben 
glaube, was der Herausgeber eis 
nes wichtigen Buchs, ohne die Bes 
fcheidenheit feines, Autors zu verle 
gen, fagendarf, die Miſcellan⸗Bio— 
graphie des Hypochondriſten. 
Geübtere Federn mögen unterfu; 
chen, od Jernſtrup ein Driginalfen, 
ohne original zu fenn? oder ums 
gefehrt, ob er originalfen, ohne ein 
Driginal zu ſeyn? oder drittens, 
ob er original und ein Original 
zugleich ſey? oder endlich, ob 
er feines von beiden ſey? Er 
felbft treibt die Demuth eines Aus 
tors fo weit (und dieß bittet er 

mich 





— —— — — — — 





mich ausdruͤcklich hinzuzuſetzen), 
daß er feinen Neidern gerne frey 
ſtellt, den zweyten Hypochondri⸗ 
ſten als einen bloßen Urceus des 
erſten zu verrufen, wenn ſie nur 
dagegen ſo billig ſeyn wollen ihm 
einzuraͤumen (was fie ihm ſchwer⸗ 
lich abftreiten fünnen), daR das, 
was für fie Urceus ift, für ihn, 
feit dem gefegneten Tage auf Jern⸗ 
firuphof, der aller feiner Hypo— 
chondrie ein Ende machte, him 
laͤnglich Amphora geworden fey. 


Inhalt 


Fu 
EEE RETTET TEST TH TE 
— 


Inhalt des erſten Theils. 


(Herr Zacharias Jernſtrup, der be: 
Fanntermafien zu befcheiden ijt, als daß 
er fi) etwas zueignen follte, was nicht 
fein ift, war Anfangs Willens, aus der 
zweyten Husgabe des Hypochondriſten 
alles wegzulaffen, was ihm von feinen 
Freunden zu der erfien Yusgabe war 
geliehen worden, theils um den Charak⸗ 
ter, theils um den Ton feines Werks 
deito fefter und gleicher zu halten. Er 
machte aber bald die Entdecfung, daß 
durch einen fo gewaltfamen Schnitt das 
Werk aufbören würde, das nämliche 
zu ſeyn, und daß er feinen $efern, anftatt 
einer neuen Ausgabe, ein neues Buch 
liefern würde; welches ihm fchon in 
Mückficht auf die Heren Dodsley und 
m nicht gleichartig feyn konnte. 

Er 


— nn nn 


Er begnügte fich alfo an einem mäffigen 
Schnitte, wovon man die Öejchichte 
im vier und zwanzigften Stücke nach 
lefen Fann, und bezeichnete die fremden 
Blätter in diefem Inhalt, mit Stern: 


chen, ) 
Erſtes Stüf. 


Einige charakteriflifche Züge von Steele, dem 
Erfinder moralifcher Wochenblätter; nebit 
einer kurzen Prüfung feiner Nachahmer. 3 


Urfachen von der Hnpochondrie des Berfaflers: 
eine Liebesgefchichte. 10 


Nachricht von einem biefigen Stadtpoeten, 
deffen Neujahrswünfche acht Schilling 
Foften. 18 

Zweytes Stuͤck. 

Betrachtung über die Nervenfranfheifen. 24 


Der Hppochondrift erfindet eine neue Curart 
derfelben. 28 


Be⸗ 


25 — 


—s 


m 


Befchwert ſich nebenher über Herrn Robert 
Whytt, Dr. 31 
Merkwuͤrdige Faͤlle. 47 
Drittes Stuͤck. 
Streitfragen uͤber den moraliſchen Sinn des 


Worts Liebe. | 56 
Eine Scene - aus dem DOtway zur Erläufe: 
rung. 61 


* > 
Fiebesantrag zweyer Frauenzimmer an den 
Hypochondriften. - 69. 74: 


Sprode Antwort des Hypochondriſten. 70. 75 >. 


Viertes Stuͤck. 

Cabinets⸗Entwuͤrfe des Hypochondriſten wider 
Die Univerſal-Monarchie des Muͤſſig⸗ 
ganges. 77 

Ein Buchladen für Kranke, in einem merk 
würdigen Briefe und Bericht des Herrn 
Maͤvius befprieben. 81 

b 2 Herr 


Herr David Maͤbins legt Ehre und Schande 
mit diefem Buchladen ein. 89 u.ff. 


Er geht davon. | . 99 


Fuͤnftes Stück. 


Einige Bekanntſchaften dis Hrpochondriften , 
die ans den Veraͤnderungen des Wetters 
herzuleiten find. 101 


Reiſebeſchreibung des Herrn von Schuwalitz, 


mit untermiſchten Liedern und Cantaten 


des Herrn Roſe, wie auch eingeſtreuten 
kritiſchen Anmerkungen des Herrn Ohluf 
Jernſtrup. 109 u. ſ. f. 


(Anm. Ein Unbekannter aus Altona bet mid 
nachher belehrt, daß die Nreifebefchreiz 
bung des Herrn von Schuwalitz von eis 
nem Ende zum andern lauter Plagiat if. 

Herr von Schuwalitz hatte uns mit feiner 
gewöhnlihen Gabe, einen Spaß zu mas 
en, vielleicht auch in der Abſicht fich 
mit des Pſauen Federn zu ſchmuͤcken, 
glücklich eingebildet, daß dieſe ſcharfſin⸗ 
nige Reiſebeſchreibung fein eignes Werk 

ſey. 


ſey. Sch hatte die Willebrandifchen 
Reiſen in’ langer Zeit nicht gelefen, und 
bemerfie daher den Betrug nit, ob ich 
gleich, wie man gefehen hat, die Aehn⸗ 
lichkeit der Methode gar bald wahrnahm. 
Sch bekenne demnach vor der ganten 
Welt, das die Keifeanmerfungen int 
fünften Stuͤcke des 3ypochondriſten 
wörtlich ja buchftäblic) aus den Kris 
fer des beliebten Seren YWWillebrands 
ausgefchrieben find, den ich wegen die 
ſes unwiſſentlichen Plagiats um Ders 
zeihung bitte. 3 . Jernſtrup.) 


Vorrede zum Hypochondriſten von einem 
grojen Bewunderer der Hamanniſchen 
Schreibart. 128 


Unterricht, dieſe Vorrede zu verſtehen, 135 


Sechſtes Stuͤck. 


Ein Gento vieler „deutjehen, lateiniſchen, eng⸗ 
lifchen Berfe, ingleichen Romanenbriefe, 
verliebte Enthuſiaſtereyen, verliebte Ge; 
dichte, verliebte Geſpraͤche, verliebte . 

b3 Ver⸗ 


a‘ 


— — nu — 


Derzierungen eines Cabinets, in dritte: 

halb Bogen: alles aus dem Liebesarhiv 

des jungen Jens Jernſtrup. 137 
* Siebentes Stüc. 


Lob der Scheinheiligkeit. a SEE 


Achtes Stüc. 


Ein monfiröfer Roman, beſtehend aus zwey 
Oden und zwey Elegieen. 196 


Erfie Elegie, als fie ſproͤde war. 197 
* Erfie Ode, als er nicht fchlafen Fonnte. 202 


* Zweite Ode, als fie in ihre Heimath zog. 


207 


Zweyte Elegie, als er zu fierben glaubte. 2ro 


” Meuntes Stück. 


Bon der Ehrlichkeit. | 215 
Dalanz 


ö— — — — — — 
— — — 


Balanz der Ehrlichkeit nach dem Kameralſtil 
und nach dem moraliſchen Stil. 218 


Ariſt und der Baron, ein Paar Portraͤtſtuͤcke. 
221 1.[.f. 


Patriotiſcher Entwurf einer Staatshaushal⸗ 
tungskunſt. 228 


Wird durch dent nenern Heroiſmus vereitelt. 
233 


Zehntes Stuͤck. 


Zacharias Jernſtrup findet Ben Johnſons 
Vim comicam bedenklich. 236 


Merkwuͤrdiger Caſus einer Stummen, die 
reden konnte. 269 
* Eilftes Stuͤck. 


Bon der guten Abficht der Schriftfieller. 292 
Anfhlag, wie eine Satire über fich felbft 
zu machen. 299 


b4 Zwoͤl⸗ 





*Zwoͤlftes Stuͤck. 


Unterſuchung, in wie fern das Wort Gluͤck 
einen Einfluß in die Sitten habe. . 307 
Wird mit einer Fabel aus dem la Motte 
beſchloſſen. 333 


Dreyzehntes Stuͤck. 
Sonderbare Gerüchte von Tialf und Braga. 


\ 338 
Zwiefaches Bragalivth. 340 


Der 


ſSypochondriſ 


Erſter Theil. 





Dersypoh..T. A 


; 
63 
2 


Ina 








be ln, 


RIZEE = 


= — — 
— — —— —0 











Erſtes © Stuͤck. 
Ai, cogitandum melior vt redeat fibi. 
ähi.- TER. 





; yichte tagt, Sir es eine 
Be der glüklichften Erfindun: 
gen in der Satire fen, die dem Geifte 
der Neuern Ehre machen, das kann 
. * U 2 mit 

*) Eſſay on Pope p. 205. 












4 — 


mit eben dem Rechte von der ſteeliſchen 
Erfindung behauptet werden. Der Ge⸗ 
danke, ſeinen muͤſſigen Mitbuͤrgern die 
Geſetze der Moral und des Geſchma— 
ckes wochenweiſe in Form einer Zei— 
tung vorzutragen, war ſchon an ſich 
ungemein gluͤklich, ob es gleich gewiß 
iſt, daß Steele nur von ohngefähr, 
und auf Beranlaffung eines andern Skri— 
benten feiner Zeit, darauf gerieth: al: 
lein feine Art, diefen Gedanken ausju: 
führen, bat etwas befonders merkwuͤr⸗ 
diges an ſich, und ſehr wenige Schrift: 
fteller,, die eine neue Bahn betreten ba= 
ben, fönnen fich rühmen, den Grad 
der Bollfommenbeit, deffen ihre Er: 
findung fähig war, fo glücflich, wie 
Steele, auf einmal erreicht zu. haben, 
daß es ihren Machfolgern Faum gelin; 
gen Fönnen, auch nur in Kleinigkeiten 
etiwas hinzu zu feßen. Die unzäbli: 
chen Geſtalten, die er feinen Lehren zu 
ge weiß; die mannichfaltigen Rot: 
en, die er fpielt; fein Witz En 

ich; 








5 


ſichten, feine Kenntniſſe, die Beur: 
theilungsfraft, womit er feinen Stoff 
der Gattung feines Vortrags anmißt: 
alles verdient und erhält die Bewunde— 
rung derer, die es ihm nachverfucht 
haben. Unter dem muntern Charafs 
tere eines Arztes, Aftrologen, Gerichts: 
herrn, Schwäßers und Dichters macht 
er fih zum Vertrauten feines Publi; 
fum, und unterhält dafjelbe mit der 
gelä gen Zunge eines alten Mannes 
in den allerwichtigften Pflichten des Le⸗ 
bens fo teizend, daß ein jeder mit Ber: 
gnügen herbey eilt, den artigen Greis 
plaudern zu hören, und am Ende mit 
tiefen Betrachtungen über fich ſelbſt ihn 
verläßt, die defto fchärfere Stacheln in 
der Seele zurück laffen, je unerwarz 
teter fie diefelbe trafen. Nicht Pacolet, 
fondern Genius Sofrates felbft fcheinet 
ihn unmittelbar mit feinem Hauche be; 
geiftert zu haben. 

Ich müßte alle Züge feines morali: 
ſchen Bildes iufamımenfaf en, wenn ich 

A3 





mei⸗ 


6 — — 

3 — 
meinen Leſern den ganzen Iſaak Bicker⸗ 
ſtaff Eſq. ins Gedaͤchtniß zuruͤck fuͤhren 
ſollte. Meine Abſicht iſt aber blos, ſie 
mit einigen ſeiner Vollkommenheiten 
wieder bekannt zu machen, um ihnen 
den Ausſpruch zu erleichtern, was man 
von einem wöchentlichen moralifhen 
Schriftfteller, der nach ihm sone, 
erwarten koͤnne. 

Diefe Abficht, ich aeftehe es, bat 
dieſesmal eine frenwillige Demütbigung 
zum Grunde, Cs würde mir vieleicht 
rühmlicher fenn, wenn ich felbft ein 
neues Kleid für die Sittenlehre ausfin: 
dig machte, und den Pfad eines Steele 
oder Addifon aus einem edlen Stolze, 
der fich auf die Verehrung ihrer Talen: 
te gründete, zu verlaffen wüßte: allein 
ich bin nur Zacharias Jernſtrup. Ge 
nug für mich, daß ich in der Wahlmei- 
ner Mufter nicht unglücklich gervefen 
hr 

Zwar, wie kann ich mir eine Wahl 
zur Ehre rechnen, die ich mit ſo u 

elen- 


—— 


* Er a 





7 


elenden deutſchen Skribenten gemein 
habe, mit Leuten, denen in irgend ei— 
nem Falle ähnlich zu feyn, eine wahr: 
hafte Schande if. Wo ift wohl ein 
hungriger, armſeliger Autor unter ung 
gewefen, der fich nicht erfühnet Bätte, 
auf den Fußtapfen eines Addiſon einher 


zu gehen? Wir Deutfchen find nie arm 


an abgefchmackten Schriftftellern gewe⸗ 
ſen: in keiner Gattung aber haben wir 
ſo abſcheuliche, als in dieſer, die den 
edelſten Abſichten, und der Ausbreitung 
alles deſſen, was groß, gut und ſchoͤn 
iſt, gewidmet ſeyn ſollte. Es iſt ſchwer, 
hier die Geiſſel der Satire zuruͤck zu hal⸗ 
ten. Kein Menſch, der den geringſten 
Funcken von Geſchmack und Ehrliebe 
beſitzt, kann ſich ohne Erroͤthen, ohne 
Zorn und Verdruß, des Haufens der 
Dummkoͤpfe erinnern, die ſich Deutſche 
nennen, und mit ihren ungeheuren Ban: 
den von Aberwilz dem ganzen Vater: 
ande Hohn forehen. Laßt es feyn, 
dag wir drey oder vier deutſche Autoren 

4 haben, 





8 


haben, deren Wochenfchriften unſern 
Nachbaren durch Ueberfeßung befannz 
ter zu werden verdienten: wer mird 
nicht wünfchen,, daß die übrigen in ewi— 
ger Vergeſſenheit tief in jenem Sumpfe 
verborgen lägen, in den fich ihre Bruͤ— 
der, die Dunfe von England, der 
Görtinn Dummbeit zu Ehren, und al: 
len braven $euten zum Iuftigen Schau— 
fpiele, metteifernd hinunter tauchten. 
Der Süngling! der Fremde! der Freund! 
der nordifche Aufſeher! noch ein paar 
andere! und dann eine Suͤndfluth von 
wöchentlichen Unwitz! welch ein Con: 
traft! Wer, ich frage noch einmal, 
kann fich enthalten, hier die Geiffel der 
Satire zu fehwingen? 

Dielleicht werden einige meiner $efer, 
deren Blut von etwas Fälterer Natur 
ift, als dag meinige, meinen Zorn uͤ— 
ber die ſchlechten Schriftfteller für aus; 
fchweifend halten, und einige Spuren 
meines hypochondriſchen Charafters dar: 
inn zu finden glauben. Sie werden 

fügen, 


— 
Bu 2 3 


passe: ser) 9 


ſagen, der Nutzen, den auch die ſchlech— 


teſte Wochenſchrift hat, uͤberwiege alle— 
mal ihren Schaden; und was die Ehre 
unſerer Nation betraͤfe, ſo duͤrfe ein 
Deutſcher itzt nicht mehr fo demuͤthig 
ſeyn die mittelmaͤßigen und ſchlechten 
Koͤpfe ſeines Volks dabey in Anſchlag 
zu bringen; uͤberhaupt, was man fuͤr 


unlesbar halte, koͤnne man ohne 


viele Umſtaͤnde nur ungeleſen laſſen: 


nichts fen leichter; man muͤſſe ein Hy⸗ 


pochondriſt oder ein Kunſtrichter von 
Profeßion ſeyn, um die Sache fo ernft: 
haft zu nehmen x. — Gut! meine 
Herrn, defto befjer für Sie, wenn Sie 
fo denken! | 
Weil ich aber, die Wahrbeir zu fa: 
gen, in diefem Punfte manchmal mir 
felber nicht traue; fo will ich aufrichtig 
mit meinen $efern reden, fie mit meiner 
ganzen Denfungsart ohne KHeucheley 
befannt machen, und ihnen alles, was 
fie von meiner guten und böfen Seite 


zu erwarten, haben, mit aller erſinnli⸗ 


45 chen 





Io 


chen Unpartheylichkeit voraus ſagen. 
Da ich mir in der Folge den Zeitvers 
treib machen werde, ihnen ihre Fehler 
nicht zu verhehlen, fo ift es billig, daß 
ic) ihren zur ſchuldigen Gegenvergel: 
tung auch die meinigen anzeige, 

Es mird ihnen für einen fo ernfrhaf: 
ten Shhriftiteller, als ich bin, etwas 
lächerlich fcheinen „ daß ich meine Hy: 
pochondrie einer dreytaͤgigen Liebe bey: 
meſſe, deren ich mich in meinen juͤngern 
Jahren ſchuldig gemacht. In der That 
iſt dieſe Liebe von einer ſo ſonderbaren 
Art, daß ich es fuͤr meine Schuldigkeit 
halte, ſie dem neugierigen Leſer nicht zu 
verſchweigen. Am erſten May 1743, 
da ich in mein fiebzehntes Jahr tret,-.. 
und die vorigen fechszchn Sabre unter 
der Aufficht meiner Baſe auf einem al: 
ten Landhauſe zugebracht hatte, kam ich 
zugleich mit dem Weſtwinde und den 
Manfäfern zwey Meilen davon zum er: 
fienmale in die Stadt. Den zweyten 
May nach meiner Ankunft mußte er 

ey 


u II 
bey einem alten Verwandten zu Mit 
tage bleiben, wo ich ein gewiffesjunges 
Sranenji mmer le. ws etiva zwey 
Fahre ifhger ſeyn mochte, als ich, und 
meine runden — meinen runden 
Haatbentel, und mein rundes Geficht 
mit einem fo fanften Laͤcheln betrachtete, 
daß ich nicht umhin Fonnte, ihr, als 
dem erften Frauenzimmer, das mich 
angelacht hatte, mein Herz zu ſchenken. 
Ich erröthete aus liebenswuͤrdiger 
Schamhaftigkeit, fo oft unfere Blicke 
einander aus der Tiefe der Bratenſchuͤſ⸗ 
ſel begegneten, und machte ihr bey mei— 
nem Weggehen eine tiefe Verbeugung, 
die mit einem Kopfnicken beantwortet 
wurde, Den dritten May ſahe ich fie 
wieder, und meine Augen hatten das 
Vergnuͤgen, ein ganzes Geſpraͤch von 
Zärtlichkeit, das länger als eine Pier: 
thelftunde dauerte, mit den ihrigen zr 
halten, wovon ich folgendes 5 stagment 
mittheilen will, Schönes Rrauenzim: 
wer, ſchien ich zu fagen, ich liebe fie, 

weit 


12 = 
weil fie lächeln koͤnnen: wollte der Him⸗ 
mel, daß ich die Mufik ihrer Stimme 
hören dürfte! — Guter Zacharias, 
VIER fie mir zu antworten, wir Maͤd⸗ 
chen find nicht dazu gebohren, daß wir 
reden follen: ſeyn fie zuftieden, daß ich 
lächeln Fann. — Nach einer Furzen 
Pauſe, weil eben der Teller herum 
ging, fehien ich folgendes zu verſetzen: 
Sie haben blaue Augen, rothe Baden, 
einen weiffen Hals, und feine Stimme; 
meine Bafe, fo eine gute Frau fie auch 
iſt, Scheint mir nicht halb fo liebenswuͤr— 
dig, als fie; ich werde fie ewig lieben, 
— Ich danke ihnen, war die Ant 
wort. — Uber ich will fterben, wenn 
ich mich des übrigen Theils diefer Un- 
terredung erinnern Fann. Kurz, ic 
war von ihrer Gefälligfeit duff ſerſt eins 
genommen, und fonnte die folgende 
Nacht, vor überfihwenglicher Zärtlich- 
feit, Dankbarkeit und Hochachtung, 
Fein Auge fchlieffen. So flanden die 
Saden, als der Morgen anbrach, " 


r 
ie 


ich zum Thee gerufen wurde. An der 
Zuneigung meiner Schönen zmeifelte 
ich Feinesweges. Ich war der Verfie 
cherung, die mir ihre artigen Augen ge: 
geben hatten, und zugleich meiner Ber: 
dienfte fo gewiß, daß ich mir die Nacht 
über vorgefegt hatte, ihr mein Herz 
feyerlich mit ein paar Worten am vier: 
ten May zu uͤberliefern: eine Sache, 
die mir zur Gluͤckſeligkeit meines fans: 
lebens fo unentbehrlich fchien, daß ich 
eher meine Anfprüche auf alles in der 
Welt, als auf diefes Frauenzimmer, 


. hätte aufopfern koͤnnen. Ich Fanı alfo, 


und fah — Himmel! was fah ich? — 
daß fie eben mit einem andern Narren 
aus meiner Nachbarfchaft getraut wurz 
de, Geſchwind eilte ich meinem Guͤt— 
chen, meiner Einfamfeit, zu, ummein 
feben, mit dem Horaz in der Hand, 


an einem Bache zu verweinen, und ent: 


ſchloſſen, nach diefem erfchrecklichen Zu- 


falle Zeit Lebens ein Hageftolz zu blei- 


ben, Dieſen letztern Punkt babe ich 


bisber 


14 — 
bisher redlich gehalten: ich ſtehe aber 
nicht dafür, daß ich bis ans Ende flande 
haft-bleiben werde, Denn alles zuſam⸗ 
men genpnäpen . bin ich doch wenig 
über vierzig Sahr alt, und es gehört 
ißt zur Mode, daß (ich Perfonen un⸗ 
gleichen Alters verheiratfen. Meiner 
Einfamkeit blieb ich nur drey Jahre treu, 
weil mie nach dem ‚Tode meiner Baſe 
auf einmal einfiel, meinen Kummer + 
dich Reiſen zu zerfireuen, wovon ich 
ein ſehr wichtiges Journal gehalten ba: 
be. Das ununterbrochene $efen, und 
meine, wenige Bewegung hatten mir, 
durch Hülfe meiner Dielanchofey, eine 
Hypochondrie zu wege gebracht, die mir 
unter allen Sandjunfern von meiner 
Nachbarſchaft noch ist ein vorzügliches 
Anfehen giebt. Ich würde vielleicht 
nicht einmal auf den Einfall gekommen 
feyn, ein Wochenblatt zu fchreiben, 
wenn ich dieſer Krankheit entbehren 
müßte, da fie mir zu einem fchönen T Ti⸗ 
tel fuͤr meine Blaͤtter verholfen hat. 
| — 


— 15 

Sich Babe nun alies, was zu einem woͤ— 
chenslichen Antor erfordert wird. Ich 
bin eigenſinnig, muͤrriſch, ein bischen 
eitel, eine Art von Philofopb, und 
nicht ganz unbeleſen. Meine Meyhnun⸗ 
gen gehen, ſelbſt in meinen heitern 
Stunden, von den Meynungen der 
Welt ab, und ich bin durch aͤuſſerliche 
Beziehungen fo wenig an die Kuecht: 
fehaft der Borurtheile gebunden, daß ich 
mich. felten ſcheue, eine Satire über 
folhe Dinge zu ſchreiben, die vielen 
andern gleihgältig, oder lobenswerth 
vorfommen. Da eine jugendliche ab: 
geſchmackte Leidenfchaft „auf meine fode . 
- tern Tage Unmuth und Traurigkeit ver: 
breitet hat; ifo war ih, um diefeibe 
ein wenig zu zerfireuen, gewiſſermaaſ— 
fen genöthiget, viel zu lefen: und mein 
befonderer Charakter bat mich auf if: 
fenfchaften von fo mancherlen entgegen 
gefeßten Gattungen geleitet, daß mein 
Pfarrer mich eben fo oft um eine Stelle 
aus dem heiligen An mus befragt, 
als 


16 zeag2 


als mein Bauer um einen Nechtsfpruch 
über eine Hufe Landes. Niemand iſt 
fi foungleich, alsich, niemand zerſtreu⸗ 
ter, alsich. Zuweilen rede ich inacht 
Tagen Fein Wort, laufe quer übers 
Feld, und erfchieffe meine Hunde die 
ich für Rebhuͤhner anſehe; zuweilen 
will ich mich durch ein ſanftes Lied aus 
dem Hagedorn, oder Gleim, erheitern; 
ich eile zu meinen Büchern, und erfin: 
de Hypotheſen mit dem Descartes. Bor 
einiger Zeit beluftigte ich mich vier Wo⸗ 
chen hinter einander mit meinen Freun: 
den, befüchte die Damen in meiner 
Nachbarſchaft, und war ganz der blü- 
hende artige Hypochondriſt. Kurz dar: 
auf meinte ich vier Wochen hinter eins 
ander Elegien über den Tod eines ruf 
ſiſchen Eichhörnchens, welches fchöne 
Augen, ‚eine weiffe Farbe, und Feine 
Stimme hatte, und mich an den Ber 
luft meiner theuren Geliebten erinnerte, 
der der Himmel viele glückliche Sabre 
in ihrem Cheftande verleiben wolle, 

obzwar 





17 


obzwar fie mich nach dren füffen Tagen 
zum Hypochondriſten und ißt auch zum 
Autor gemacht. Der Anblick einer 
Lachtaube verjuͤngt mich, und die ge: 
mahlte Roſe auf einer Tapete feheint mir 
felbft im Winter Ambrofia zu duften, 
weil fie eine Mehnlichfeit mit den Wan: 
gen meiner Öeliebten hatte. Wie himm⸗ 
liſch muß die wahre Liebe ſeyn, wenn fie 
fo ftarfe Wirkungen auf das Erz eines 
alten vierzigjäbrigen Hageſtolzen haben 
fann, der aus bloffer Einfalt und Uns 
ſchuld feiner&eele liebte, und die Reizun: 
. gen einer edlen Öegenliebe niemals em: 
pfunden hat! — Nichts ergößt mich 
fo fehr, als der Umgang mit jenen un: 
fterblichen Alten, die mein Herz fühl: 
bar und edel bilden, daß ich mich den 
Fehlern meines Charakters nie zum 
Machtheile meiner Nebengefchöpfe über: 
laffe, und die meinem Gefchmacfe eine 
gewiſſe Zärtlichfeit geben, welche alle 
Dergnügungen unendlich übertrifft, die 
ich mit je in dem Taumel der Welt haͤt⸗ 

Der Aypoch. 1. T. B te 


18 — 


te verfprecgen Fönnen, wenn ich auch in 
meinen $eben nicht hypochondriſch ge- 
worden wäre, Nichts ift im Stan: 
de, fagt Hume, das Temperament 
"po ſehr zu verbeffern, als das Stu: 
* Sum der Schönheit. Diefe giebt 
* unſern Empfindungen eine KR Bi 
“die den übrigen Mienfchen unbefannt 
* a ‚Sie zieht das Gemuͤth ausdem 
¶ Geraͤuſche und den Tumulte der Ge⸗ 
2 und des Cigennußes; fie 
* nn; das Machdenfen, und bringt 
” eine angenehme Schwermuth heivor, 
“ die unterallen Gemuͤthsbeſchaffenhei⸗ 
* ten am meiften zur Sreundfchaft und 

Liebe fähig ift, „, | 


dachricht. 
ss Here David Wilhelm Maͤvius, 


aus Angeln gebürtig, voreiniger 

Zeit in Erfahrung gebracht hatte, daß 
ich Willens waͤre, eine neue Wochen⸗ 
ſchrift drucken zu laſſen; ſo ging er zu 
mir heraus, um mir zu dieſem ar 
or⸗ 


— 19 


Borhaben feine ehrerbietigfien Wuͤnſche 
abzuftatten, und mid) zugleich um meis 
ne Beybülfe, in Anfehung einiger über; 
completen bey ihm fertig liegenden Deu: 
jahrswünfche,zu bitten, Er hatte naͤm⸗ 
lich feit verfchiedenen: Fahren das Mo: 
nopolium mit Verſen in unferer Stadt 
gehabt, und jedermann hatte fich ohne 
Murren gefallen laſſen, den einmal an: 
genommenen Preis zu bezahlen. Diefe 
güldenen Zeiten find vorbey. Ein ge: 
wiffer Maun ohne Damen und Ver: 
dienfte, ‚den ich noch) dieſesmal nicht 
nennen will, Tieß fich einfallen, die 
Stadt durch Profa ſowohl, als durch 
Reime, auf feine Seite zu ziehen, und 
den Herrn David Wilhelm Mävius 
auf eine unerhörte Art in feinen Ein 
fünften zu fehmälern, welches den Kre⸗ 
dit diefes Dichters nicht wenig in Abs 
nahme gebracht. Es Halfnichts , daß 
David Wilhelm Mävius feine Verſe 

befjer machte, als der Ungenannte. Die 
Stadt, die immer aufs Treue ſiehet, 
B 2 ſchien 





20 


fehien auf einmal mehr Geſchmack an 
der Profe, als an ſchoͤnen Gedichten, 
zu finden; und der Anonymus machte 
Profe, wie ich fchon gefagt habe, und Da⸗ 
vid Wilhelm Mävius machte Feine, 
Seine Bitte ging alfo dahin , ich möch 
te mein Anſehen anwenden, diefen nen: 
en Unfug öffentlich zu ruͤgen, und zur 
gleich den Reſt feiner Neujahrsgedichte 
anzufündigen. Neil ich aber von Ju⸗ 
gend auf gewohnt bin, Dinge von 
Wichtigkeit reiflich in Erwegung zu zie 
hen, ehe ich meinen Entfchluß faſſe; 
fo hieß ich ihn erft den folgenden Tag 
wieder Eommen, da er alsdann meine 
Mennung erfahren follte. Ich batte 
mich des Abends eben zu Tifche gefeßt, 
als diefe Schriftfteller beyde erfchienen, 
und mir erzchlten, fie hätten fich ver: 
glihen, meinen Ausfpruch über ihre 
Gedichte anzunehmen, und fi, wenn 
ich es für qut befände, indie Profe und 
Poeſie brüderlich zu theilen, damit die: 
fer Eleine Zwiſt nicht einmalin — 


fe 





— 21 


Göchfigefäßtliche Händel ausbrechen 
möchte. Mir. ſchien es daher am rath⸗ 
ſamſten zu ſeyn, eine Pruͤfung mit bey⸗ 
derſeits Neujahrsgedichten anzuſtellen. 
Und weil ich mich zum Gluͤcke eben be: 
Tann, daß Herr, Profefjor Gottſched 
- feine Oden duldet, die he gefungen 
werden koͤnnen, jo ftellte ich beyde Dich? 
ter an die Ecken des Tifches gegen eins 
ander über, und ließ erftlich einen jeden 
feine )de vor ſich, nachher aber bende 
wechfelsweife Strophe gegen Strophe 
bey der Mahlzeit abfingen. Hier zeig: 
‚te fihs num aar deutlich, daß die Berfe 
des Ungenannten fhlechterdings Feine 
Ode genannt werden Fonnten: denn 
auff er der Unreinigkeit feiner Reime, 
und des Mangels an Zierlichfeit in den 
Redefiguren, fanden fich in den home: 
genen Zeilen groffe Fehler wider die 
Laͤnge und Kürze des Sylbenmaaſſes, 
welche verurfachten, daß die Melodie 
bald in der Mitte des Verfes abfchnap: 
pte, bald über den ganzen Vers hinaus 


D3 ging, 





ging, und durchs Brummen im Gange 
gehalten werden mußte, folglich unmoͤg⸗ 

lih etwas Schönes heraus kommen 
konnte. David Wilkelm Mävius hin⸗ 
gegen war fehr glücklich geweſen, und 
man Eonnte fowohl aus dem Majeſtaͤ⸗ 
tifchen und Flieſſenden, welches feinen 
Verſen eigen ift, als der Nichtigkeit 
feiner Füffe und Reime hinlaͤngli— ab⸗ 
nehmen, daß er allein zum Dichter ge⸗ 
bohren ſey. Hingegen muß ich auch 
aus Liebe zur Gerechtigkeit geſtehen, 
dag er-in der Proſe weit unter dem Un: 
genannten befunden wurde, ch ent: 
fhied alfo die Sache dahin: dap Mir 
vius Fünftig ganz allein in der Stadt. 
das Gebiet über die Poefie, der Unge: 
nannte hingegen die Profe zu feiner 
Handthierung behalten follte, und ver: 
forach dem erfiern, zur Erſetzung fei- 
nes Schadens, daß ich den Termin der 
Neujahrswuͤnſche bis Anfangs Februar 
verlängern wollte, worauf beyde ver: 
gnuͤgt ihren Abſchied nahmen. Um * 

au 


u 28 


auch die Stadt wegen Biefer Verlän: 
gerung des Termins fchadlos zu halten, 
willige ich darein, daß das Stück fünf: 
tig nur acht Schillinge fofien foll. Herr 
Maͤvius mußte mir, che er wegging, 
auf feine Ehre. verfprechen, daß er nie: 
mals mehr’ fodern wollte. Und weil 
ich weiß, daß die Ehre diefes Dichters 
zuweilen ein wenig problematifch ift; 
fo bitte.ich mir. von denen, die fich in 
dieſem Punkte kuͤnftig über ihn follten 
zu beklagen haben, eine kleine Nach— 
richt aus, damit ich ihn exemplariſch 
dafuͤr beſtrafen koͤnne. 


Zacharias Jernſtrup. 





24 
A u eV Zr 
Zweytes Stüd. 


opiferque per orbem 











Dicor 








“ . OVID. 








> 6 ich vor etwa dreyßig Jahren, 
da mir der Zufall mit meiner Ge: 
liebten aufgefchwollne Augen, eine 
afchgraue Gefichtsfarbe, einen kurzen 
Athem, und eine rohe Bruft zuzog, 
über die Wirfungen nachdachte, wel: 
che die Eindrücke der. Seele in dem 
Körper hervorbringen: ſo wurden zu: 
förderft die Nerven der Gegenftand 
meiner Betrachtungen. Ich fand, daß 
die Merven Fortfeßungen der marfig- 
ten Subſtanz des Gehirns find, und 
trug daher Fein Bedenfen, weiter zu 
fihlieffen, daß fie durch die Gefäffe er: 

naͤhrt 





——— — 25 


naͤhrt würden, die ſich in der Fortfes 
tzung der feinern Hirnhaut (pia mater,) 
welche die Nerven umgiebt, ausbrei— 
ten, fo wie das Gehirn von den Puls: 
adern der feinern Hirnhaut feine Nah: 
rung empfängt. Nas mich in meinen 
Dermuthungen beftätigte, waren die 
Phonomene, die fich ben einer Der 
wundung, Entzuͤndung, Vereiterung, 
oder andern Verletzung des Gehirns 
aͤuſſern, welche ſaͤmtlich ein Leiden in 
den uͤbrigen Theilen des Koͤrpers, Zit— 
tern, Erbrechen, Zuckungen, Laͤhmun— 
gen und dergl. nach ſich ziehen. Es 
herſcht demnach in den verſchiednen 
Theilen des menſchlichen Koͤrpers eine 
Sympathie oder allgemeine Ueberein— 
ſtimmung vermittelſt der Nerven, die 
ihren Urſprung in der markigten Sub— 
ſtanz des Gehirns hat. | 
Ich ſtieg immer hoͤher zur Quelle 
auf. Die Veränderungen, die nach 
der Drdnung der finnlichen Eindrücke 
in unfter Seele geſchehen, bleiben nicht 
— in 


26 mu 


in derſelben, ſondern pflanzen fig! 
abermals vermittelft der Ner— 
ven, durch den Körper fort, Traurigkeit, 
Kummer, oder Furcht vermindern die 
Abfonderung des Speichels, verderben 
den Appetit, und verurfachen manch» 
mal den Duchfall. 

Bon den Unterfuchungen der Som: 
pathie in den Theilen eines Körpers 
fhritt ich fort zur Betrachtung der 
Sympathie eines Körpers mit dem an: 
dern. Hippokrates bat bemerft, daß 
der unerwartete Anblick einer Schlange 
das Geſicht erblaſſen macht. Der An⸗ 
blick einer angenehmen Speiſe erregt 
bey einer hungrigen Perſon einen unz 
gervöhnlichen Zufluß der Säfte, Gaͤh— 
nen, Brechen, Augenkrankheiten find 
oft anftecfend,. 

Hier blieb ich ſtehen, einige Folge 
rungen zu machen, dte fich mir von ſelbſt 
darbothen. Diele Trauerſpiele, urs 
theilte ich, erregen Traurigkeit, Schre⸗ 
den, und Furcht zugleich: fie Fönnen 

alfo 


— m 27 


a DE. .„. 

alfo sie Abfonserung des Speichels ver⸗ 
—— ſie ie koͤnnen den Appetit ver 
derbei Finnen den Durchfall ver⸗ 
— O wie bewundernswuͤrdig 
iſt die Natur dem Beobachter, dem es 
gelingt, fie in ihrer Werkſtatt zu be: 
lauſchen! Geiſter wirken vermittelft 
ſinnlicher ‚Eindrücke in Andre Geiſier; 
dieſe andern Geiſter wirken vermittelſt 
der Nerven in den Koͤrper, es entſte⸗ 
hen Unordnungen in der Maſchine, die 
ihren Grund in den Wirkungen der 
Geiſter auſſer uns haben ; Buͤcher find 
Wirkungen der Beifter auffer ns: 

und Bücher bringen Beränderungen in 
unfern ‚Körper vermittelſt der Nerven 
hervor, : 

Pur ein Schritt "war mir zu der 
oroffen Entdeckung noch übrig: und ich 
that ihn, Boerhav erzählt von einer 
convulfisifhen Nervenkrankheit, von 
der die jungen Knaben und Mädchen in 
dent Armenhauſe zu Harlem durch das 
bloffe Anſehen eines damit behafteten 

Pa: 


28 — na 


Patienten befallen wurden. ‚Er ließ 
in das Zimmer, wo die Kinder gegen 
waͤrtig waren, einige Kohlpfanuen mit 
gluͤhenden Kohlen ſetzen, in welche ei: 
ferne, befonders geformte, Hacken ge⸗ 
legt wurden. Darauf befahl er, man 
folle, weil alles vergeblich wäre, und 
er fein ander Mittel wiſſe, dem erften 
Knaben oder Mädchen, welches diefen 
Zufall befäme, den Arm entblöffen, 
und in denfelben mit einem diefer glü: 
henden Hacken ein Loch bis aufdie Kno— 

chen brennen. Was geſchah? Die Kin; 
der, die fi vor den graufamen Mit: 
tel entfeßen, richteten ihre ganze Auf: 
merkſamkeit auf die Kohlfeuer und auf 
die glühenden Hacken, und indem diefe 
Vorftellung bey ihnen die Borftellung 
der convulfivifchen Mervenfranfheit 
verdunfelte, wurden fie alle friich und 
gefund. Man wird aus der Folge 
feben, welchen Gebrauch ich in der Eur 
meiner $ectüre: Krankheiten von diefer 
merkwürdigen Erfahtung gemacht habe. 

Ich 





29 


Ich war nun mit meinem Syſtem 
fertig. Die Seele, die Seele iftes, 
welche durch Mittel geheilt werden muß, 
die Fein Difpenfatorium emhält. 

Man Fan fich leicht vorftellen, daß 
ich nach einer ſolchen Entdeckung nicht 
anſtand, mich in den Schriften der 
Aerzte zu erkundigen, ob etwa vor mir 
jemand auf ihre Spur gerathen ſeyn 
moͤchte. Aber vergebens. Hippokrates 
kannte die allgemeine Sympathie des 
Körpers nur wenig. Galenus handelt 
zwar von den Krankheiten, die durch 
die Uebereinftimmung entftehen, an eis 
nem befondern Orte: er ift aber fo ent: 
fernt, dieſe Zufälle von den Nerven 
herzuleiten, daß er alle Kopffchmerzen 
ohne Unterfchied den Dünften des Ma: 
gens zufchreibt. Die folgenden Schrift: 
ſteller, fogar noch Vernelius und Sen; 
nert, fcheinen nicht vielmehr zu thun, 
als daß fie das, was Galenus hieruͤber 
gefagt, ſchlechthin abſchreiben. An⸗ 
dreas Laurentius, der um das Jahr 

ag 1600 


30 — 


1600 fihrieb,, ſucht die Urfachen bald 
in den Interooſtal-Nerven, bald inden 
Nieren, bald anderswo, nur da wicht, 
wo er fie zuerfi haͤtte fuchen follen, in 
den Hirnne Em Safpar Bauſinus 
leitet die Uebereinftimmung dev Dlafen: 
Löcher mit den untern Theilen des Bauchs 
von der Verbindung der Vena epiga- 
ftrica,. und mammaria. ber, Riolan, 
der. in der Mitte des fiebzehnten abe: 
hunderts lebte, hat bey.aller feiner Ger 
iehrſamkeit die Lehre von det Sympa⸗ 
thie doch nicht ‚verbefi ert, Riverius, 
fein. Zeitgenoffe, ſchreibt die ſympathe⸗ 
tifchen Zufäße fünf Urfachen zu: unter 
fünfen, ‚follte man denfen, wird doch 
wohl eine. die wahre fen,  umfonfi, 
Riverius entdecfte fie nicht. Sie war 
einem gemwifjen Dorf herren vorbehal: 
ten, den ich nicht zu nennen ‚brauche, 
Sch babe nicht ohne Lächeln gefehen, 
wie nahe. viele gelehrte Maͤnner der 
Wahrheit geweſen ſind, ohne auch nur 
einen Verdacht davon gehabt zu bang 

a 





31 


Da ich die Gefchichte meiner Entöe: 
fung beruͤhre, kann ich nicht umbin, 
mic) über Herin Robert Whytt Dr, 
öffentlich zu beklagen, der mein Ver— 
trauen auf eine unerhörte Weiſe gemiss 
braucht bat, Ich war ſo offenherzig, 
als ich ihn auf meinen Reiſen in Eden: 
burg/ kennen lernte, wo ich ihn bey 
einem meiner Zufaͤlle zu Rathe ziehen 
mußte, mich verſchiednes gegen ibn von 
meinen Beobachtungen und Urfachen 
Jane zu laffen, und ihm ſogar niet 
apiere, welche die umftändlicheren 
—— enthielten, zur freund— 
lichen Durchſicht mitzutheilen, ſo doch 
il nie —— wuͤrde, wenn 
orausgeſehen haͤtte, daß Herrn 
SA Whptt Dr. die Luft anfom; 
men koͤnnte, Jh mit meinen Federn zu 
ſchmuͤcken. In welche Beſtuͤrtzung ich 
aber gerathen ſey, der ich einige Jahre 
nachher die wichtigſten meiner Geheim⸗ 
niſſe von ihm in mehr als einem Buche 
verrathen, und meiner ſo ‚wenig daben 


Hrn ge: 


32 —— 


gedacht fand, als ob ich nicht in der Welt 
waͤre, mag der geneigte Leſer ſelbſt be: 
urtheilen. Ich behalte mir vor, hier— 
uͤber kuͤnftig ein Wort mehr mit dem 
guten Schottlaͤnder zu reden, und fuͤh— 
re es hier in keiner andern Abſicht an, 
als meine Ehre vorlaͤufig zu retten, und 
die Leſer bey einer etwanigen Unterſu⸗ 
chung in Stand zu ſetzen, uͤber unſer 
beider Verdienſte ein unpartheyiſches 
Urtheil zu faͤllen, und einmal von dem 
verhaßten Vorurtheile zuruͤck zu kom— 
men, daß die nuͤtzlichſten Erfindungen 
bey den Auslaͤndern zu Hauſe gehoͤren, 
da ſie doch auch wohl zuweilen in einem 
Dorfe des Herzogthums Schleswig ih: 
von Urfprung gehabt haben mögen. Sch 
Fönnte bier Anlaß nehmen‘, eine nicht 
gemeine Vergleichung, die ich zwiſchen 
den Wanderungen der menfchlichen Er: 
findung von Norden nah Süden, und 
den Wanderungen der Cimbrer und An: 
gelfachfen nacy Calcedonien und Sri: 
tammien angeftellt babe, einzurücken: 

allein 





33 


allein ich. eile zur Sache, und. wähle 
meine neuefien Erfahrungen aus. 

Ben der Beſchaffenheit der Nerven 
koͤmmt zuerſt die zu groſſe Empfindlich— 
keit des Nervenſyſtems, und hiernaͤchſt 
eine ungewoͤhnliche Schwaͤche deſſelben, 
ein verderbtes oder wiedernatuͤrliches 
Gefuͤhl, in Betrachtung. Hiebeh iſt 
wohl zu beobachten, daß/ fo wie die 
Nerven in vielen Körpern ganz verfchied: 
ne Arten des Gefühls haben, fo aud) 
das Gefühl von dennämlichen Nerven . 
in unterſchiednen Körpern oder in einem 
Körper zu manchem Zeiten fehr verfchie: 
den fey, da es bald mehr bald weniger 
feharf oder ſtumpf, und bisweilen wie: 
dernatürlich und verderbt ift. Diefes 
ift. die Lirfache, warum die Wirkungen 
der nämlichen Dinge auf die nämlichen 
Nerven und Theile fo gar fehr verfchie: 
den ſind. Ich habe. Maunsperfonen 
gekannt, deren Merven fo zärtlich und 
leicht zu bewegen waren, daß eine bu: 
Folifche ZTirade von Herrn — in ihnen 

Desypodh.ı.Tt. C Ans 


34 — 


Anfälle von convulfisifchen Zuefungen 
heworbrachte. Ein Srauenzimmer, 
fagt man befam, da fie die beliebten 
Gedichte der Venus Eryeina 
gefungen zum erfienmal las, fonleich 
heftige Obnmachten, in denen man fie 
kaum von einer wirklichen Todten un— 
terfcheiden Fonute, Ein unverheiratbe: 
tes Frauenzimmer, drey und-zwanzig 
Jahre alt, empfand den Augenblick, 
nachdem ihr Liebhaber fie auf eine an: 
genehme Art mit einer Anafreontifchen 
Dde, worinn fie von einer Biene am 
Halſe geftochen ward, überrafcht hatte, 
einen groffen Schmerz und beftiges Ju: 
cken an dem verleßten Orte, am Kopf 
und im Gefichte, welche Theile zugleich 
mit dem Arme und der Hand, womit 
fie die Ode bielte, ſteif wurden und 
aufichwollen. 

Der unterfchiednen Empfindlichkeit 
der Nerven muß man auch größtentbeils 
den Lnterfchied in der Gefchwindigfeit 
des Pulſes bey gefunden Perfonen zu: 

| fchrei; 


— 35 


Schreiben. Ein unlängft verſtorbner hie: 
figer Arzt erzählte mir, daß cine feiner 
Kranken, bey völliger Geſundheit, da 
fie einige Seiten wißiger Einfälle in 
der befannten Sammlung diefes Na— 
mens gelefen hatte, nicht mehr als 38 
oder 40 Pulsfchläge in einer Minute 
gehabt. Und ich Eenne ein junges Frau: 
enzimmer, bey der man in einem Fie 
ber, welches ihr der Lucifer meines wer: 
then Freundes in order: Dietmarfen, 
mweiland Hrn D. Hudemanns, zuzog, 
in einer Minute auf 180 Pulsfchläge 
zählte, und fie war damals fo fehr mit 
den heftigften Zufammienfahren und Zit—⸗ 
tern befallen, als ich es je in meinem 
eben gefehben. Sa ihr Herz war der- 
maſſen reizbau, daß, nachdem die Hef: 
tigfeit des Fiebers fich Schon ziemlich 
vermindert hatte, ihr Puls Hey der 
blofjen Erwähnung diefes vortreflichen 
Heldengedichts fo geſchwind wurde, daß 
ich die Schläge ſchwerlich zählen Fonnte, 
Doch fand ich nach wiederholten Ver: 

& 2 fuchen, 


36 —— 


ſuchen, daß deren etwa 220 in einer 
Minute ſeyn mochten. Wan lernt zus 
gleich aus dieſer ſchoͤnen Erfahrung was 
ein feuriger Geiſt noch in unſern Zeiten 
fuͤr Eindruck auf das Herz ſeiner Leſer 
und Leſerinnen machen koͤnne, und wel— 
chergeftalt das Genie (erwaͤhntes Frau: 
enzimmer gilt im der ganzen Nachbar; 
fchaft für ein recht groſſes) nur durch 
Genie engündet werde. 

Folgende Symptomen find mir bey 
der zu groſſen Empfindlichkeit der Mer: 
ven am häufigften vorgekommen. 

Herumziehende Schmerzen, Fram: 
pfigtes Zufammenzichen, und. plößlis 
che Empfindungen von Hiße und Kälte 
in den Muffeln und äuffern Theilen des 
Körperse — Julius Cafar, ein pos 
litifches Schaufpiel. 

Mangel des Aperits, oder zu groſſer 
Hunger mit Schwachheit verbunden, 
Auffchwellen, Brummen der Gedaͤrme 
und Miedergefchlagenbeit: — Tarquiz 
nius, ein politifches Schaufpiel. 

Schlaf: 





37 


Schlafloſigkeit, SKeämpfe, Zucun: 
gen, heftige Schmerzen im Magen und 
den Gedaͤrmen, der hyſteriſche Knoten 

im: Halſe: — Pelopidas, ein politi— 
—* Schauſpiel. Schon wieder ein 
politifches Schaufpiel! » Man follte 
faſt auf die Gedanken geratben, daß 
bey diefen Schaufpielen die Politick auf 
der einen Geite verlichre, was fie auf 
der andern gewinnt: befonders, da die 
angeführten. Zufälle alle von der Art 
find, daß ſie die gefährlichften Folgen 
haben Fünnen. Doch will ich meine 
unvorgreiflihe Meynung Niemanden 
aufdringen, am wenigſten aber den 
würdigen. Herrn Verfaſſer dadurch ges 
faͤhrdet wiſſen, «als deffen Ehre allzufeft 
gegründet ift, als das ihr, "wegen ei; 
niger nicht vorbergefehner Folgen ferner 
Trauerſpiele, Abbruch geſchehen koͤnnte. 
Ein krampfigter Steckfluß in der kun: 
ge, als Herr Ohluf Jernſtrup die mo: 
ralifchen Mlerandriner und Oden deg 
Herren von Br : - ch ablas, 


> eg Herz 


Herzklopfen und andre unorbdentliche 
Bewegungen nebſt den hyſteriſchen Mar 
gel. Dieſes ſonderbare Symptoma 
aͤuſſerte ſich bey einem etwas bejahrten 
Fraͤulein, als ſie unvorſichtiger Weiſe 
die Trauer- und Leich-Rede auf 
Franciſcum den Erften von dem 
fehr ehrwuͤrdigen Vater, Heren Petro 
Obladen in Schwaben, zur Hand nahm. 

Verwirrung des Verſtandes und Ras 
ferey fand fich ben einem wohl verdien: 
ten Cantor und Küfter in der Sandfchaft 
Angeln eim, als er den auferftand- 
nen Meßias, ein ſonſt ganz unver⸗ 
werfliches Heldengedicht meines ober: 
waͤhnten Freundes, kritiſch ſtudiren 
wollte; ſo auch Entzuͤndung einer Man⸗ 
del am Halſe, eine beſchwerliche Dy⸗— 
ſurie, heftiges Jucken zwiſchen den 
Zeen, ein ſtarker "Schmerz um den uns 
tevn Theil des Brufibeins u. ſa w. Mie 
hat ein Heldengedicht fo viele auffer: 
ordentliche Zufälle auf einmal hervor: 
gebracht, 

Es 





39 


Es giebt einen Nervenhuſten, von 
dem.ich bier etwas umftändlicher reden 
muß, weil er mir zu einigen befondern 
Beobachtungen und Erfahrungen An: 
laß gegeben hat. 


Ein Mädchen von vierzehn Jahren 
überfiel im Sjenner 1769. nachdem fie 
fih. an einer Privat - Vorftellung der 
Iphigenia erfälter hatte, eines Traus 
erfpiels, worinn mein Freund Hude: 
mann Bat verfuchen wollen, wie man 
das Herz der Zufchauer durch einem 
weislich angelegten Troft weit fichrer 
‚in allerley Arten des tragifchen Schau: 
ers verfeßen Fönne, als durch das ent, 
gegengefeßte Mittel, (nur fehade, daß 
er die Sache zu weit trieb ), überfiel, 
fage ih, ein trocfner Huften, der drey 
Monathe anbielte. Ich babe zu ver: 
ſchiednen Zeiten im Februar und März 
folgende Verſuche häufig miederhofe, 
um die Natur diefes ungewöhnlichen 
Huftens etwas beffer zu entdecken, 


C4 Wenn 


40 — 


Wenn fie rüclings quer über dem 
Bett fo lag, daß ihre Beine über Iphi⸗ 
geniam herunterhingen; fo war ſie gaͤnz⸗ 
lich. vom Huften frey. Er befiehl fie 
aber augenblicklich, wenn fiesaufgerich: 
tet ſaß und Iphigeniam zu Öefichte, be: 
Lat, 
Saß fie aufgerichtet, im Bette oder 
auf den Fußboden, fo daß die Schen: 
fel in einer horizontalen Lage über Iphi⸗ 
geniam ausgeftrecket waren, ſo huſtete 
fie nicht. 

Wenn ſie im Bett ſaß, und die bei⸗ 
den Fuͤſſe, fo nah als fie Eonnte zu den 
Schenkeln hihanzog, dergeftelt, daß 
ihr, von unten auf etwas von obiger 
nia.in die Augen fiel; fo wurde fie mit 
dem Huften und Schmerz in der Bruſt 
befallen. 

Knieete fie eutweder auf die Erde, oder 
auf das Bett nieder, daß der Sehe— 
ſtrahl gerade auf Iphigeniam traff fo be: 
Fam fie gleich den Huſten und den Schmerz 
in der Bruſt. 

Lag 


— 41 


ag ſie dergeſtalt auf dem Rücken, 
dag der Kopf und die Schultern ein we; 
nig niedriger als der Leib waren, und 
man brachte Iphigeniam mit ihr in eine 
Parallel⸗Line gegen das Geſicht zu; 
ſo huſtete ſie ohn Auf hoͤren eben ſo ſtark, 
als ſie in einer —— ten eier 
gehuſtet hatte. — Nast | 
" Henn fie im Sitzen ee ihre 
Fuͤſſ e wogerecht auf Johig⸗niam ſtellte, 
ſo war ſie weder engbruͤſtig, noch em: 
ſie eine Neigung zum Huſten, 
den Schmerz ig der Bruft, Sie 
aber augenblicklich an anauf Hör: 
i zu ‚buften, ſo bald fie abſetzte. Ihr 
uls ſchlug 130 mali in einer Minute, 
wenn fie ihre Füffe ſitzend auf Jphige⸗ 
niam ſtellte, und 120 bis 125 mal, 
wenn. ſie darauf ſtand. _ Co bald fie 
den Bug zurüch;og,. und auf den Fuß: 
boden, trat, ſo kam ‚gleich der Huften 
wieder, und die Pulsſchlaͤge vermehr⸗ 
ten ſich bis auf 200 in einer Minute. 


ni € 5 Wenn 


42 — 


Wenn man, indem man Iphigeni—⸗ 
am bald. nach hinten bald nach vorn ums 
Eehrte, und die wenige Hiße des einen 
Erdes durch die noch wenigere Hißedes 
andern vollends abfühlte, fo Fam der 
Huften heftiger als jemals wieder; und 
ob fie gleich bald hernach ihre Fuͤſſe be— 
fagter maflen ruhen lieg, und fi von 
ihrer Entfräftung etwas erbolte, fo 
blieb doch der rum ſchwach und unre⸗ 
gelmaͤßig. 

Wenn man einen Fuß der Krauken 
von Iphigenia abſchob, ſo konnte man 
den Huſten nicht verhindern, ungeach: 
tet. man den andern Fuß fo ftellte, daß 
leßtere theils vom Fuß theils von der 
Schürze binlänglich bedeckt war. 

Wenn ein Fuß von Iphigenia zu: 
rückgezogen wurde, und man die 
Bloͤſſe mit einer Hand der Patientin 
zu decken fuchte, fo ward nad) wie vor 
gebuftet. So bald aber beide Füffe aufs 
geftelit wurden, war gleich alles in det 
bejten Ordnung, 

Wenn 





43 


Wenn man der Kranken, zu der Zeit 
da fie im Bette lag, Iphigeniam unter 
die Decke ſchob, fo Fam nicht allein der 
Huften fondern die Geſchwindigkeit des 
Pulſes vermehrte fih von go Schlägen 
bis über 180 in einer Minute, 


Alle diefe Verſuche wurden vom drit: 
ten Sebruar bis achten März oft wie; 
derholt: ich fand aber einige Zeit her: 
nach in Anfehung einiger der oben ans 
geführten Zufälle folgenden Unterſchied. 


Den erften und vierten April wurde 
fie, wenn fie quer über dem ‘Bette mit 
dem Kopf auf einem Küffen lag, und 
die Beine halb über Iphigeniam hers 
abhängen ließ, plößlich vom Huften 
befallen. She Puls wurde fo geſchwind, 
daß ich die Schläge nicht zählen Fonnte: 
gewiß aber Fonnten ihrer nicht weniger, 
als 13 oder 20 in 5 Secunden, ſeyn. 
Wenn man bingegen ihre Fuͤſſ e in die 
Hoͤhe hob, und mit einem maͤßigen 
re auf Iphigeniam Binftellte, 

ſo 





44 


fo hörte: der Huſien n gleich auf, und ich 
zählte eine Minute nachher nur ro Puls: 
ſchlaͤge ins Secunden. 

Da man den vierten April, zu * 
Zeit als Patientin im Bette lag, Iphi⸗ 
Br unvermerft neben ihr: niederleg⸗ 

‚fo fand ſich der Huſten ein. Ihr 
— wurde ſchwach und ſchlug wenig: 
ſtens 20 mal in 5 5 Gecunden. Sie hat: 
te auch feit, iz: n von den vielen Ber: 
füchen meht Befchwetung und Schmer; 
in der Bruſt; und die Empfindung des 
Erſtickens war am größten, wenn. der 
Verſuch unvermuthet angeſtellt wurde; 
Es geſchahen alsdann 96 Pulsſchlaͤge 
in einer Minute, da man ſonſt zu der 
Zeit, wenn fie Iphigeniam nicht ge— 
ſehen hätte, nur go zählte, Ihre Haut 
aber war nach einer. jeden Betaſtung 
derſelben Eaft und trocken anzufuͤhlen, 
fie hatte ſtarken Duft, und ihr Appe—⸗ 
tit war ſchlecht. Es iſt anzumerken, 
daß der Huſten feit dem Anfange der 
Krankheit beftändig trocken warı 

| Don 





45 


WVon dem zwanzigſten Jenner an bis 
zum fünf und zwanzigſten Maͤrz wur: 
den eine Menge Mittel ohne Wirfung 
verordnet gr Er Brechmittel/ blaſen 
ziehende Mittel, ein Fontanell zwiſchen 
den Schultern, die Fieberrinde, das 
Zinnpulver, Rhabarber mit Calomel, 
Pillen von Mohnſaft und der Alfa 
foetida,' ein Bolus von Theriack mit 
dem Kampfer und dem Baldrian. Als 
die Aerzte endlich erkannten, daß ihre 
Kunft eitel,wäre, fo legteich ſelbſt Hand 
ans Werk, wie folgt. Den neun und 
zwanzigften Maͤrz ftellte ich zuerſt eine 
Vorlefung des feurigen Lucifers an, 
fonnte aber innerhalb drey Wochen 
faum einige 100 Berfe zu Ende brin- 
gen, weil der jählinge Uebergang von 

roſt auf Hiße ftarfe Convulfionen mit 

Schrecken hervorbrachte. Jeder Vers 
des Lucifer war einer von den glühen: 
den und fürchterlichen Hacken in der 
Kohlpfanne zu Harlem, deren bloffer 
Anblick fchon Zuckungen erregte. Ge⸗ 

rg gen 


46 — 


gen Ende des April fing ſich der Schmerz 
in der Bruſt und die Empfindung des 
Erſtickens zu vermindern an: die Kranz 
fe, die vor Schrecken erfiarrte, wenn 
fie den $ueifer nur nemen hörte, fing 
an bey der Annäherung der harmlofen 
Iphigenia weniger zu leiden, konnte 
fie fogar feitwärts mit einem halben 
Blicke anfehen, und in einiger Entfer- 
nung zu ihren Füffen dulden, Den 
zwey und zwanzigften May, da zur 
echten Spbigenia, zur Lincken Lucifer 
in aller Seübe vor ihrem Bette aufwar: 
tete, fand fich ein gelinder Schweiß mit 
wenigen Huften ein; und ein paar Ta: 
ge darauf blieb der Huſten gar aus. 
Doch fpürte man feit diefer Zeit einige 
Merkmaale an ihr, wie an wafferfcheu: 
en Derfonen, fo oft fie fich einem Buche. 
näherte, das die Aufſchrift Tranerfpiel 
oder Heldengedichte führe: der Huſten 

aber bat fich gänzlich verlobren. 
Da ich es von jeher für eine fehr un: 
edle Denfungsart gehalten babe, etwas 
utes, 





47 


Gutes, das man thun Fann ud thun 
fol, nur halb zu thun; fo werde ip 
fortfahren, meine Heilungsart mer 
wuͤrdiger Mervenfranfheiten und bypo⸗ 
chondriſcher Zufälle, in fo fern fie aus 
einem fehlerhaften Regime im Leſen ent: 
fichen, offenberzig zu. befehreiben und 
gemeinnüßig zu machen. 

1. Ein junger hoffnungsvoller Kunſt⸗ 
richter, dem, mie ich nachher erfuhr, 
die traurige Befchreibung von den ver⸗ 
b en Korintbierinnen in der Medea 
des Euripides allzu gräßlich und uns 
verdaulich gewefen war, befam zu An⸗ 
fange des Septembers 1766 in dem 
Mafjeter und den Schlafmuffein eine 
abwechfelnde Bewegung, von der man 
feine Urfache angeben Fonnte, als daß 
fie durch Leſen eines Buchs, deffen Ti: 
tel man vergeſſen hatte, entſtanden war. 
Wenn der Kranke die Zähne in der un: 
tern Kinnlade flarf gegen die in Ber 
obern, durch eine fregwillige Zuſam⸗ 
menziehbung des Iemporal- Mufkels 

| und 


48 ee 


und Mafferers preßte; fo war die con: 
vnlſiviſche Bewegung? diefer Muffeln 
nicht ſo merklich, fondern der Zufall 
fihien bloß einer von denen zu ſeyn, die 
allen groſſen Kunfteichtern gemein find: 
eben fo, wenn erim Öegentheil durch 
eine Bewegung, gleich der gahnenden 
Bewegung eines Kunftrichters, dem 
die Einfalt oder Unwiffenbeit feines Au: 
tors ans Herz gebt, die untere Kinn: 
lade, fo weit er konnte, herunterzog⸗ 
und durch die anhaltende: Wirkung der 
dazu gehoͤrigen Muſ keln In dieſer Stel: 
fung erhielt, jo waren der Schlafmuz 
feel und Mafferer abermals von Zu: 
cEungen frey. Sch errieth alsbald, dag 
bier der Eckel eines feinen Geſchmacks 
zum Grunde liegen müffe, und ber 
ſchloß zu dem Harlenifchen Mittel mei— 
ne Zuflucht zunehmen. Nichts ſchien 
mir in folcher Abſicht beilfamer zu ſeyn, 
als eine Stelle im Noah, die der er— 
findungsreiche Verfaſſer, feiner Ges 
gemäß, aus dem PR in 

ein 


— 49 


fein Original verwebt hatte, Ich hub 

an: 
Ob ein gebohrner Sohn. des Olym⸗ 
pus mein Gaſt fen, fo dacht er, 

Will ich bald willen; befiehlt dann 
einen von feinen Öcfengnen 

Abzuwuͤrgen, und ihn in dem fie: 
denden Erzte zu-Fochen. 

Mit der abſcheulichen Speife befleckt 
er die feftlche Tafel, 

Schnitt von den. menfchlichen — 
keln, und bat uns zu eſſen. 
under! 

Hier zog fich der Temporal: Muf Felmit 
dem Maffeter zufammen; ich fing an zu 
hoffen, und las weiter; 

Blut floß unter dem Schnitt hervor, 
die gekocheten Glieder lebten, — 

Der Untere Kinnladen und, der obere, 
die vorher flarf zufanmen gepreßt wa: 
ren, fielen auf einmal aus einander, 
und es erfolgten Zucfungen, 
Ein ächzend Gewein ertönt aus den 
dampfenden Schüffeln. 
Der Hypo. 1.T. D Der 








50 


Der Mafleter unddie Schlafmuſkeln be; 
wegten fich gewaltig. 
Hydern flogen und Amphisbänen auf - 
ledernen Flügeln 
Ueber dem Tiſch in Knoten gefchlun: 
gen, unflätige Bracken 
Sprangen von unten herauf, und heul: 
ten aus drenfachen Schlunde. 
Der Kranke that einen Schrey, biß 
beide Kinnladen zufammen, und fah 
Eunftrichterlich = wütend, aber zugleich 
erfchrocfen aus den Augen. Ohne 
mich irre machen zu laſſen, fuhr ich be: 
ftändig fort: 
Zitternd und blaß ſprang Sichar vom 
Srtuhl auf, und hofte zu fliehen; 
Aber die Hunde befeßten die Thüren; 
die Schlangen und Hydern 
Wunden um feinen Arm ſich und fei- 
ne Schenfel, ihm felber 
Spitzten fih Fauft und Hand’ in 
Schlangenföpfe, der Körper 
Dehnte fich Ianglinigt, mit Fupferz 
nen Schuppen bepanzert, 
Bis 


— 51 


Bis die Menſchengeſtalt in der Am— 
pphisbaͤne verſchwindet. 

Aber der viehiſche Schwarm von 

| Hyaͤnen und Amphisbaͤnen 
Warf ſich in Sichars Zimmer und 

Baͤder und uͤppige Gaͤrten: 
Eckel, Geſtank und Grauen erfüllt 
ten die Kammern der Geilheit. 
Eine lebhafte Befchreibung! zitternd 
und blaß fprang auch mein Kunftrichter 
vom Stuhl auf, und hofte zu fliehen: 
aber ohne eben eine Hyder zu fenn, wand 
ich mich fo nachdrücklich um feine Arme 
uud drohte von vorm anzufangen, daß 
er mit groffem Gewinner vor meine 
Fuͤſſe hinſank, und alle die Mannich- 
faltigkeit von Zuckungen, die bald im 
Maffeter, bald in den Temporalnınz 
ffeln, bald in beiden Kinnladen zus 
gleich kurz vorher ein fo hurtiges Spiel 
gemacht harten, augenblicklich ein er- 
wuͤnſchtes Ende nahm. Er Eonnte nun 
den Euripides wieder anfchauen, und 
a mir, daß fein Maffeter Unrecht 
D 2 gehabt 


52 — 


gehabt haͤtte, einer ſolchen Kleinigkeit 
wegen, die der epiſchen Tirade keines— 
weges zu vergleichen war, mit den Tem: 
poralmuffeln in Streit zu gevathen. 


2. Hyſteriſche Obnmachten mit Zus 
Fungen. — Eine gute warme Ode, 
vornämlich wenn eine Dofe Antiftro- 
phen darunter gemifcht ift, thut die ber 
ften Dienfte: ich pflege die Meiſterſtuͤ— 
cke unfers deutfchen Pindar, die ein 
Werk des Fühnften und mühfamften 
Enthuſiaſmus find, mit Nutzen bey: 
zubringen. 


3. Ein heftiger Schmerz und Krampf 
in * Magen. — Unter allen ſpaͤter 
befannt gewordenen Schriften weis ich 
noch immer Fein wirffameres Mirtelzur 
Reinigung des Magens, als gemifle 
Schilderungen, wovon man das 


Recept in den Berlini Litteratur⸗ 
briefen findet; falls nicht et Spe⸗ 
zereyen, welche vor Furzem d iticker 


und Antikriticker uͤber ihre witzigen 
Streit⸗ 


— een 53 
Streitfcehriften ausgeftreut haben, die 
nämlichen Dienfte thun. 

4. Knfterifche oder von Blähungen 
herrührende Kolick. — Da diefe Krank: 
heit gewöhnlich aus dem Leſen Eritifcher 
Schriften, Theoricen der ſchoͤnen Wiffen: 
fihaften, wie man fie heutiges Tages 
macht, und anderer dahin einfchlagen: 
der böfer Materie erzeugt wird: fomweis 
ich ihr nichts beffers, als ein anhalten; 
des Leſen eben diefer Schriften, jedoch 
mit Eluger VBermifchung und Abwech— 
felung, entgegen zu feßen; und zwar 
zufolge der bewährten Anmerkung eines 
Gelehrten, der fein Arzt war, naͤm— 
lich, dag Giftund Öegengiftfich fchwer: 
lich zuverläßiger unter einander aufreis 
ben, als fhlechte Kritick und fchlechte 
Antikritick. | 

5. Nerven: oder fpafmosifches Aftb: 
ma, — Alle Opiate, als da find A— 
bendzeitvertreib, Vergnuͤgen auf dem 
Kanapee, fo auch verfchiedne neuere 
tuftfpiele u, d. gl. find gut zu gebraus 

D 3 chen, 


54 rue 


chen. Daß auh Wochenſchriften hieher 
gehören, uͤbergehe ich aus gewiſſen 
Urfachen mit Stillfehweigen. 

6. Herzklopfen. — Die: bittern 
Mittel find die vorzüglichften. Wer 
es aushelten kann, der wähle fich unter 
den neueften Heroiden, befonders wenn 
fie ins Deutfche überfegt find, diejeni— 
gen, die am ſchwerſten beruntergehen. 

7. Deriodifche Kopfichmerzen. — 
Deriodifche Schriften. 

8. Diedergefchlagenheit. — Froͤh— 
liche Gedichte, Freuden, meines Ba: 
ters Fabeln und Erzählungen, das 
Strumpfband, das gelehrte Gefpenft, 
Leipzig nach derMoral u. ſ. w. Es koͤm̃t 
bloß auf eine Eleine Erfehütterung wer 
Milz an, 

9. Hypochondrie. — Bey Heilung 
diefer Krankheit, fagt Montanus, 
faun man nicht einen Monath, oder 
ein Jahr, tie in andern Krankheiten, 
vorausbeſtimmen, ſondern man muß 
das ganze Leben durch damit zubringen, 

dag 


Bee 55 


daß man ziveilen heilt, zuweilen vor: 
baut. Man begreift aljo leicht, daß 
hier mit einem oder einigen Büchern 
nicht viel auszurichten fen, fondern daß 
eine ganze Bibliotheck erfordert werde, 
um fie von Grund aus zu heilen; und 
doch ift Muͤh und Arbeit gar oft un 
fonft, wie ichs leider! an Niemanden 
mehr erfahre, als an mir ſelbſt. Ah! 
la belle Muette ! ch hätte diefes ver= 
wünfchten Malums nicht erwähnen fol: 
len. Luft! Luft! Luft! muß ich mit 
jenem König Alfonfo ausrufen: 

Draw me a River of falfe Laver’s Tears 

Olean thro’ my Breaft! Let Virgin’s 


fish unon me, 
Forfaken — their Sighs are preci- 


Let Pe al fish. No Wind? no coo⸗ 
ling Air? 
Fletcher. 





v4 Drit: 


m 
EN HH HE HH 
Drittes Stüd. 

Jamı te — iam proterna 


Fonte petet Lalage maritum! 
HOR. 











& ift nicht lange, daß mir von H** 
aus ein neues Trauerfpiel in der 
Handfchrift zugefchieft wurde, daß ich 
dem Berfaffer meine und meiner Freun— 
de Meynung darüber eröffnen moͤgte. 
Eben, da ıch. es erhielt, hatte ich ein 
paar alte Bekannten bey mir, denen 
ich fogleich eine Freude damit machen 
wollte, und daher die ganze Tragödie 
mit aller bRE Biegſamkeit der Stimme, 


die ich im Vermoͤgen hatte, ununter— 


brochen ablas. Nach Endigung deſ— 
ſelben ſahen die beyden Herren ſich ge⸗ 
dankenvoll an: 

Nun, 





57 


” Yan, was fagen Sie dazu Pe —7? 
Sol was ſagen Sie dazu, Herr — ? 
Mir kommt es vor, fiefich ihnen in 
die Rede, als ob diefe are weit 
ruͤhrender ſeyn wuͤrde die Dame, 
die hier die Hauptrolle fhich ‚ feinen fo 
feyerlichen Eharafter haͤtte, ſondern 
mehr, als ein junges —2 Frau⸗ 
enzimmer, voll verliebter Emfindung 
und Zaͤrtlichkeit für ihren Gemahl, mit 
einem Worte, als ein recht warmes, 
fenriges Mädchen gefchildert würde: 
dadurch wuͤrde die Gituation im Ges 
fängniffe natürlicher werden, und der 
Zufchauer ein.gewiffes Lächeln, welches 
man über die Handlung einer fonft fo 
weinerlihen Derfon nicht wohl bergen 
fan, nicht blog unterdrücken, fondern 
in ein ſehr freudiges Zujauchzen ver⸗ 
wandeln. — 
“ Bravo! rief mir der Freund zur 
+ rechten Hand zu, Gie find mein 
“ Mann! es Teben die Tafterhaften 
“ Charaktere! Sch halt es mit Shaf: 
D5 108; 


58 





tesbury ein tugendhafter Charakter 
ift auf der Bühne ein Unding, war: 
um denn eben tugendhaft? — 

" Hm! (fing der andre Freund mit 
einem gelinden Kopfichütteln an) 
ich für meine wenige Perfon begreife 
noch garnicht, warum der Dichter 
durchaus son den Zeugniffen aller 
Geſchichtſchreiber hätte abgeben, und 
die Dame lafterhaft machen follen. 
Mir deucht, es heißt zu weit geben, 
wenn man eine Derfon blog desmes 
gen auf der Bühne nicht dulden will, 
weil fie. nicht laſterhaft iſt; auch weiß 
ich mich nicht zu erinnern, daß irgend 


‚ein Kunfkeichter diefes jemals be: 


bauptet babe, oder er würde wahr: 
haftig Mitleiden verdienen, Nicht 
wahr, Herr Jernftrup? „ — 


Sch hatte es nöthig, durch diefe Fra: 


ge aufgeweckt zu werden: denn ich konn⸗ 
te von meiner Verwunderung und De: 


jtür: 





59 
ſtuͤrzung gar nicht wieder zu mir feldft 
fommen, daß meine Anmerkung einer 
folhen Auslegung fähig gewefen war, 
Diefe Männer, dachte ich, müffen we; 
der von der Tugend, noch von der Lie— 
be, uoch überhaupt —** Leiden⸗ 
ſchaften den geringſten Begriff haben: 
iſt es nicht wunderlich mit uns Men— 
ſchen, daß wir ſelten eine Sache in dem 
rechten Geſichtspunkte faſſen, und ge⸗ 
meiniglich in unſern Urtheilen auf das 
Aeuſſerſte verfallen? 


Ich halte die Lebhaftigkeit der Em⸗ 
pfindungen, und ſelbſt die Leidenſchaf— 
ten fuͤr eines der groͤßten Geſchenke, 
die mir die Natur verliehen hat, und 
würde es einer geliebten Gattinn ſchlech⸗ 
terdings nicht verzeihen koͤnnen, wenn 
ſie mich mit derjenigen ſteifen Gleich— 
muͤthigkeit, dieſer kalten ernſthaften 
platoniſchen Neigung, lieben wollte, 
die einige unſerer Skribenten ſo gerne 
fuͤr wahre Tugend ausgeben moͤgten, 
| und 


rs 


beym Otway zu fompatbiren. 





60 — 


und die auf unſerer Buͤhne fo viel mo: 
notonifche, romanhafte, einem zarten 
Geſchmacke unleidliche Charaktere her: 
vorgebracht hat; und dieß aeht bey mir 
fo weit, daßich auch daß fchönfte Frau: 
enzimmer nit heirathen würde, (falls 
ich mich jemals dazu entfchlieffe ) wofern 
ih nicht im Voraus überzeugt wäre, 
daß fie, ben der Mechtfchaffenbeit und 
Reinigfeit ihrer Seele, alle die edle 
Hitze des Geblüts befäffe, die ich die 
geläuterte Wolluſt eines tugendhaften 
Herzens nennen mögte, teil fie fat 
alle Tugenden und Gluͤckſeligkeiten des 
Menfchen in ihrem Gefolge hat. Die 
Engländer haben diefe rechtmäßige ve- 
ram voluptatem, von der ich rede, 
mit den allervortreflichfien Zügen von 
der faljchen und laſterhaften zu unter: 
fiheiden gewußt. Es ift füß, ausneh— 
mend füß, mit den Hufwallungen der 
Monimia, der unfchuldigen Monimia! 


Mont; 


——— 61 


Monimia. * Caſtalio, ich denke daran, 
was wir gethan haben; die himmliſchen 
Mächte waren gewiß heute erzuͤrnet. Wie 
wir bey der Eeremonie fiunden, und deine 

. Hand feyerlich mit der meinigen verbuns 
den Mar, und der gute Prieſter die heili— 
gen Worte ausſprach; fo ſchwoll mein Herz 
auf, ich Fonnt es nicht ausfichen, Thraͤnen 
uͤberſchwemmten meine Augen, und Zifs 
tern ging durch meine Seele: was mag 
das bedeuten? 


Caſtalio. O, du bift lauter Zärtlichkeit, 
Empfindung und Anmuth, wie die ſyupa— 
thetifche Natur! Oft, menn eine tranrige 
Gefchichte erzehit wurde, babe ich deine 
Fleine Brüfte von fanftem Mitleiden ſchwel— 
len, auf: und niederfieigen, und fi), wie 
ein fierbender Vogel, lanafam wieder bes 

‚ben fehen. Aber ist verbanne die Furcht, 

denke nicht mebr an Gefahr, denn bier in 
meinen Armen iſt Sicherheit — laß fie 

dich 
* The Orphan or the unhappy mar- 
riage, Act. 3, 


62 — — 


dich empfangen — der Himmel iſt itzt 
eiferſuͤchtig. — Wahrlich! fie iſt zw gut 
für irgend eine ſterbliche Kreatur! — Ich 
koͤnute wild aufſchwaͤrmen, u. ſ. w. 


Hierauf folget im vierten Act 
* die ſchreckliche Kataſtrophe, die zu 
.* den fürchterlichften Folgen vorberei— 
a 
Monimia. Sch Fomme, ich fliege in die 
Arme meines angebeteten Caftalio, des 
Herren meiner Wunfche. Mögte jeder Mor: 
gen wie Diefer beginnen, und unfere Liebe 
fich mit unfern Tagen erneuern! Nun hoffe 
ich , wird mein Caſtalio nicht mehr an meiner 
Zärtlichkeit zweifeln (ſieht ibn fchmach: 
tend an.) | 
Caſtalio. O ich zweifle gar nicht, daß du 
— ah! | 
Monimia. Wie? ſprich! iſt dir nicht wohl, 
Caſtalio? komm, lege dich an meine Bruſt, 
und fage mir, wo der Schmerz fißt. 
Caſtalio. Er fist hier, er figt in meinem 
Kopfe, er fit in meinem Kerzen, er fißt 
allent⸗ 


Es onen Du 2 5 2 
allenthalben, er wuͤtet, mie cine Raſerey, 
und ic) muß mich wundern, wie meine Ber: 
nunft es aushalten Fann! Nein! erfiaune 
nicht, Monimia, der Sklave, den du in 
meiner Brufi fefigehalten zu haben glaubteſt, 
ift ein Rebell geworden, bat feine Feſſeln 
zerrifien, und mandelt itzt darinn umber, 
wie ein Monard). f | 

Monimia. Bin ich denn dein Weib nicht? 
deine geliebte Monimia? Einmal war ichs, 
oder ich habe feltfam geträumt. Was fehle 
meinem Gemahl, meiner Liebe? — 


Caſtalio. Wie auch dein Traum gewefen iſt, 
deine mwachenden Gedanken haben es nie gut 
mit Caſtalio gemeynt. Nichts mehr von 
den Künften deines Geſchlechts, Monimia: 
fie find alle vergebens, ich bin nicht mehr 
das biegfame Werkzeug, das nachgebende 
Geräth deiner Hände, das du aus mir ge: 
macht hattet; ich kenne mein Anrecht bef: 
fer, — ih bin ein Mann, fol; auf die 
Würde meines Geſchlechts, und will nicht 
zum Sflaven gemacht werden. | 

Moni: 


64 — 


Monimia. Fuͤrchte es nicht, gewiß mein 
Gemuͤth ifi ſanft, ich will immer vein ge: 
borfames Weib bleiben, niemals über die 
Schranken meiner Pflicht fchreiten, und flets 
deinen Willen für mein theuerſtes Geſetz 
halten: glaube mir, mein ie nie 
will id — 

Caftatio. Kein, Madam, nie follen Sie! 
bey jenem glänzenden Himmel! du follft 
nicht! Den ganzen Tag hindurch will ich dein 
Tyrann ſeyn, und in der Nacht dic) verlaf 
fen ; bis ich dich durch Kummer und Elend 

zu einer nichtswürdigen Dienerinn meines 
Hauſes herabgedemuͤthiget habe. Ja, und 
wenn ich noch eine ſolche Creatur, wie du 
biſt; im Hauſe habe, ſo ſollſt du die Un— 
terhaͤndlerinn meiner Wolluͤſte ſeyn: ſo, ſo 
haſt du mich beleidigt! 

Monimia. Nicht mehr! oh! tödte mic) 
hier, oder nenne mir meine Beleidiqung. 
Eher verlaffe ich dich nicht , fondern ich will 
dir auf diefen Knieen von Morgen bis A— 
bend folgen, bis fie durchgraben find, und 
an dir bangen, mie ein ertrunfner Körper. 
Eafialio! — Caſta⸗ 


mm 65 


Eaftalio! o wie oft hat er betheuret, die 
Natur follte fih verwandeln, und Sonne 
und Sterne verfinſtert ſeyn, ehe er feine Ge 
luͤbde brechen wollte. Heran denn, Zer— 
rüttung! Sonte, verliere.dein Licht, und 
Sterne, traͤufelt fierbend vor Sammer anf 
die Erde herab, denn mein Eaftalio ift 
falſch geworden, falſch ift er geworden, 
wie der Wind, das Waſſer, oder das Wets 
ter, graufam, wie Tieger über ihrer zit: 
ternden Beute! Ich fühle ihn in meinem 
Herzen, er gerreige mein Innerſtes, und 
trinkt mit jedem meiner Seufjer mein 
Blut! — | 

Wer die Liebe blos als ein poeti: 

fches Kunftwort, oder als ein Gewer: 
be, eine Art von Handelfchaft, oder 
als eine Schandthar fennt, der Fann 
fi von der Schönheit und richtigen 
Zeichnung diefer Tiraden, die durch die 
Abfonderung von ihrem Ganzen einen 
‚groffen Theil ihrer Wirkung verloren 
baben, durchaus. Feinen Begriff ma: 
hen. Man müßte erfi ein gewiſſes 

Der Hypoch. 1. T. E Leeres 





66 


Seeres in feiner Seele ausfüllen, und 
das fteht nicht in der Macht eines Wien: 
fchen, am wenigſten eines hypochon— 
drifehen, Gott bat uns Leidenfchaften 
geneben, daß wir uns durch biefelben 
einen Himmel auf Erden machen follen, 
wenn wir fie auf den rechten Gegen: 
ſtand Ienfen. Seine einzige ift uns 
vergebens mitgetheilt, fie haben in dem 
Herzen eines vechtfchaffenen Mannes 
allefammt ihren edlen wahrhaften Ger 
brauh, und finden ihr Gift erſt bey 
gewiſſen Gefihöpfen, die aufgerichter 
einher gehen, als wenn fie Menſchen 
wären, im Grunde aber zu den Thie— 
von der Erde gehören, die von dem, 
was ſchoͤn und gut ift, Feine meitere 
Empfindung haben, als in wie fern der 
förperlihe Sinn fie ihnen mittheilen 
kann. in wirdiger Mann kann durch 
feine Seidenfchaften auf Abwege geleitet 
werden; er wird aber bald feinen Feb: 
ler merken, zu der Vernunft zurückfeb: 
ren, und fich eben dadurch von dem 

elen: 


elenden, gedankenloſen, lafterhaften 
Thoren ‚dem Wolluͤſtlinge, auf eine 
ſehr vorzuͤgliche Art unterſcheiden. 


Milton, dieſer ungemeine Dichter, 
der mit der wahren Beſchaffenheit der 
göttlichen Werke zu wohl befanut war, 
als daß er fie durch erzmwungene und 
beuchlerifche Sophismen haͤtte herun— 
"zer ſetzen ſollen, Bat dieſer Materie eine 
ſehr ſchoͤne Stelle in feinem verlornen 
Paradies gewidmet, die ich, wegen 
ihres vortreflihen Nutzens für unfere 
feyerlichen dramatifchen Dichter, (denn 
mit denen habe ich es hiet eigentlich zu 
tbun) Bier beyfügen will, 


Heil dir! ehliche Liebe! geheimnißreiches 
Geſetze! 
Wahre Quelle der Nachkommenſchaft des 
Menſchen, du einzges 
Eigenthuͤmliches Gut im Paradieſe, wo 
alles 
Auſſer dir ſonſt ET ‚war; 
MEN * 





68 
Wurden durch dich von den Menfchen ver: 
bannt, in den Heerden der Thiere 
Umzuſchweifen. Durch) dich gerecht und 
rein und vernünftig, . 
Wurde die theure Verwandtſchaft erfi von 
Sohn und von Dater 
Und von Bruder bekannt. Fern fey es, 
daß ich dich Suͤnde 
Nenne, viel minder dich tadle, dich, o 
du befiäudige Quelle 
Aller häuslichen Freuden! Rein iſt dein 
Lager, für heilig ' 
Ward es beitändig gehalten von Patriar— 
den und Frommen. 
Ihre guldenen Pfeile gebraucht hier die Lies 
be, bier leuchtet „ 
Ihre beftändige Lampe, bier ſchwingt fie 
die purpurnen Flügel, 
Herrfcht und beluftigt fich bier u. f. w. 
4 Gef. S. 168.d.n. deutf. Ausg. 
Da ich meine Leſer nun auch in die: 
fem Hauptpunfte mit meinem Charakter 
befannter gemacht habe; fo denfe mar 
wie ich erſchrack, als ich vor einigen 
Tagen 


——— 69 


Tagen einen tiebesbrief von einer alten 
Witwe erhielt, die fich in den Kopf ges 
fegt ‚bat, mit aller Gewalt einen Hy: 
pochondriften zu heirathen. Um der 
gleichen Fünftigen Unfällen auf mein 
Herz vorzubeugen, und allen fernern 
Siebesbriefen alter Matronen, die ich 
mir durch meine fehönen Eigenfchaften 
zuziehen Fönnte, auf einmal Einhalt zu 
thun, will ich diefes Schreiben der Wit: 
we (fo wenig ich auch fonft geneigt bin, 
meine Correfpondenzen drucken zu laſ— 
fen) bier. öffentlich einrücfen, und das 
Refponfum, das ich ihr in Donnerwor⸗ 
tem zurück fehiefte, zum Schrecken der 

verführerifchen Welt hinzu fügen. 

‚Herr von Jernſtrup, 

et) fehe aus Ihrem eriten Blatt, daß Sie 
— unverheirathet, uͤber 40 Jahr alt ſind, 
and feine Mittel beſitzen. Allem Anfehen nach 
werden Sie fich bey dieſen Umfläuden wenig 
um die Ihorheit befümmern, welche man 
Liebe nennt, und das ift eben meine Sache! 
Sollen Sie Partie mit mir machen, fo heiratbe 
E 3 ich 





70 — 


ich Sie. Ich gontire hypochondriſche Leute, 
und ich habe ſelbſt Bapeurs. Mein Alter wird 
ſich ziemlich viel höher als Fhres belaufen, ich 
bin eine Witwe, ich bin von gutem Adel, 
habe ein paar ſchoͤne Laudſitze, kann, Trotz 
Ihnen! murren, und habe meinen Kopf-für) 
mich, das koͤnnen Sie mir glauben! Ohne 
Umftände, wollen Sie mich haben? Sch bin 


Shre 


Antwort. 5 

Gnaͤdige Frau, J 
12: wern Sie zwanzigmal aͤlter waͤren, ale’ 
Sie find, fo wollte ich Sie nicht heira— 
then, das Fünnen Sie mir glauben! Nicht, 
wern Sie alle Landſitze der Welt beſaͤſſen, das 
koͤnnen Sie mir and) glauben! Ihre Gnaden 
werden dieſen hypochondriſchen Korb hoffent, 
lich ungemein wohl kournirt finden, da Sie 
eine Freundinn der Hypochondrie find, und 
Vapeurs haben. Mein, Madame, laſſen 
Sie uns bey unfern ehren lieber allein 'murs 

en, als in Gefellfchaft. Mein Herz ift zu 
ſeht an die kleine Stumme — Te 
14 


dienfiwillige ** 





71 


Sie willen, ale daß ich ihr folchergeftalt 
untreu werden koͤnnte. Uebrigens aber bin ich 
mit dem tiefften Reſpect x. 

Eben da ich dieſen Brief hier einruͤcke, 
erhalte ich ein anderes verliebtes Schrei: 
ten von einem jungen Fräulein, wel 
ches mich ſehr in Verlegenheit ſetzt. Was 
ſoll ich dem guten Kinde antworten? 
Soll ich heirathen? ſoll ich ein Hage: 
ſtolz bleiben? Was ſoll ich thun? O 
daß ich nie angefangen haͤtte zu ſchrei⸗ 
ben! die ganze Welt wird mich lieben 
wollen! Seitdem ich geſehen habe, wie 
meifterhaft mein Neffe Jens, Ber 
artige Schalk!; die Liebe zu jpielen weiß, 
ſeitdem iſt mir alle Hoffnung vergan- 
gen, daß ich mich je wieder mit eini: 
gem Glücke in diefes Feld werde wagen 
koͤnnen; man mag mir aiauben, oder 
nicht, ſo iſts doch gewiß, daß ein jur 
gendliches heitres Gemuͤth weit gefchick 
ter zu diefer angenehmen Empfindung 
ft, als die. Hypochondrie eines Man- 
nes, der den funfzigen nahe geht. Zwar 
w E4 haben 


C 


72 — 


haben wir Jernſtrupe beſtaͤndig vie— 
le Vorzuͤge von dieſer Seite gehabt; 
wir haben die ſchoͤne weibliche Natur 
in ihrer geheimſten Werkſtaͤtte belauſcht; 
wir kennen die ihr ganz eigenen Tugen⸗ 
den und Mängel, und mwiffen, wieman 
felbft von ihren Schwachbeiten Gebrauch 
machen foll; wenige Mannsperfonen 
koͤnnen ſich einer fo feurigen Standhaf: 
tigfeit rühmen, als wir; wenige wiſ— 
fen den Werth des Vergnůgens ſo zu 
ſchaͤtzen, als wir! Aber die Runen! 
die Runzeln! Wenn Meffe Jens mir 
ein gutes Recept wider die Runzeln, 
und befonders wider gewiſſe Runzelm, 
die innerhalb der Stirne fißen, mit: 
theilen Fönnte; wenn er mir feine Ju— 
gend und feine Muſ⸗ leihen wollte; wenn 
er mir ein folches Mädchen zu nennen 
müßte, wie fein Mädchen ift: fo würde 
ich auch vielleicht verfuchen,, 
Antiquo me includere:ludo, 
Es ift gar zu reizend, die beyden 
geutchen benfamen zu feben, wie ihre 
Blicke 


— 73 


Blicke fich einander begegnen, tie fie 
mit einander fcherzen, wie fie mit zärt: 
Jichen Einfällen, den bons mots des 
Herzens, fpielen, wie ihnen das Herz 
fihtbar bis an den Hals ſteigt! O auter 
Neffe Jens! was fürglücliche Aus: 
fihten haft du! vielleicht überrafche ich 
ihn einmal vor feinem Schreibpulte, 
wo die geheime Liturgie feiner Liebe ver- 
fchloffen iſt. Dann foll er mir fchon 
wider feinen Willen erlauben, mein 
Blatt mit feinen tiebesbriefen und Ber: 
fen aufzubeitern, Der lofe Bogelfchreibt 
gut, er ift ein Poet, ob erfich gleich 
noch nientals hat drucken laffen, und 
fein Mäschen — o Phöbus, was für 
eine Grazie ihres Gefchlechts ift fie! 


‚Hier ift der Liebesbrief des jungen 
Srauenzimmers, und meine feltfame 
Antwort, die mich viel unglimpflichen 
Kritiken der -Stußer und Stußerinnen 
ausjeßen wird. ber wer. Fann fich 
beiten? Es thut einem Hypochondri— 

E5 ſten 


74 — 


fien gar zu wohl, wenn er ſich ein. we⸗ 
nig fo bröbe geberden Eann, 


den dritten * 
Se muſſen ein drolligter Mann feyn. Wie? 
mein * Sie unterſtehen ſich, den 
enthuſiaſtiſchen Ton unſerer deutſchen Sitten— 
richter zu tadeln, und mit Iſaak Bickerſtaff 
ein Menſch zu bleiben? Da haben Sie mein 
Herz! Wenn Sie weniger ſchnakiſch wären, 
fo wollte ich nich wohl Büten, Ihnen diefen 
Brief zu ſchreiben. Es wäre ein Hauptſpaß, 
wenn wir. uns heiratheten: deun, die Wahr 
heit zu ſagen, ob ich gleich nur ein Landfraͤu⸗ 
lein bin, ſo bin ich ind ſehr paßionirt gegen 
die ſchoͤnen Geiler. Wie geſagt, ich gebe 
Ihnen mein Herz, geben Sie mir Ihres zur 
rück, und wir wollen treflich über einandı 
lachen. Lachen ift meine Sache: aber darum 
bin ich doch, wie man mir jagt, Fein uͤbles Maͤd— 
chen. Sechszehn Fahr alt, eine feine Gr 
ſtalt, cin gutes Herz, ein’ artiges Guͤtchen, 
das hoffentlich nichts fihlechter, als Ahres, 
feyn wird: ‚geht Ihnen das alles an, ſo bi 


BE 
| | die Sheige. J 
oh 9 Ant: 


u 


"Antwort. 


* RN Fraͤulein, 
sahen Sie ein zartes, wallendes, — 
und unſchuldiges Herz? Getrauen Sie ſich, 
ſo ſuͤß zu lächeln, „wie meine erſte Geliebte? 
Koͤnnen Sie reden, recht geiſtreich recht frey, 
recht ohne Zwang Verſtellung oder Eitelkeit, 
offenherzig, aufrichtig und anmutbig reden? 
Haben Sie auch Luft, zuweilen ein. Wenig mit 
mir Alten zu taͤndeln, ſchnell Ihre Arme 
ſchalkhaft um meinen Nacken zu ſchlingen, 
ſchuell auf meinen Schooß zu huͤpfen, dann 
wie ein zartes Taͤubchen an meinem Buſen zu 
ruhn, dann mit mir durch die Hecken des 
Gartens zu laufen, mich zu fangen, mich mit 
Roſenbaͤndern zu feſſeln, und wenn ich Sie 
hinter dem Buſche erhaſcht habe, mit einem 
Kuſſe aufzuſpringen, und dem ſchalkhaften doch 
ehrlichen Zacharias ſchnell zu entfliehen? Wird 
der Puls Ihnen ſtaͤrker ſchlagen, Ihr Auge 
lachender werden, Ihre Wangen zu gluͤhen 
anfangen, wenn Sie mich von Ferne kommen 
— — Sie? ſpielen Sie das Clavier? 
Und 





76 REIT. 


Ä 


Und noch eind. Iſt Fhre Taille ſchlank, Ih— 
ve Bruſt weiß, Ihre Mine redend, Ihr Au: 
ge gewoͤlbt, Fhre Stirne erhaden, Ihr Mund 
Fein, roth und zart? So wars bey meinen 
erften Geliebten! Taille! Bruft! Auge! Mund! 
alles war vollkommen! o daß fie eine Sirame 
gehabt hätte! 


Gnaͤdiges Fräulein, 
Ihr 
unterthaͤniger Diener und Verehrer, 
Zacharias Jernſtrup. 


Vier⸗ 


77 
EHRE α 
Viertes Stuͤck. 





—— Vitanda eſt improba Siren 


Deſidia 





— N — 


HORAT. 





uͤßiggang ift der Urquell des Le: 

bels, der Bater, Freund und 
Tyrann der Boͤſewichter und Thoren, 
der Erbfeind des Parrioten und unbe: 
fleeften Mannes. Beelzebub hatte ihn 
heimlich mit der Einbildung gezeugt, 
lange vorher, ehe die Sünde aus fei: 
nem Haupte entfprang. Er feßte den 
Erfigebobrnen, da er im die finftern 
KHerrfchaften des Drcus eintrat, zum 
Regenten über die eine Hälfte der Ober: 
welt, und gab der Sünde den Zepter 
über die andere. Hier fißt er auf fei- 
nem gepolfterten Throne, der Dumm: 
heit 


78 aan re zu 


heit, feinem Weibe, gegen üser,"sie, 
nach einer lange vorher beftimniten Hat: 
menie, mit ibm in treuer Gedanfen; 
loſigkeit gaͤhnt. Wenn er geſchlum⸗ 
mert hat, ergoͤtzt ihn die Jagd, er haſcht 
Muͤcken, zertritt Ameiſen, ſpießt Flie— 
gen, oder laͤßt Miſſethaͤter hinrichten, 
reibt ſich die Augen, und lacht. Zu⸗ 
weilen, wenn er nicht ſchlafen kann, 
ſchreibt er Staatsentwuͤrfe, Sprach— 
fünfte, Wörterbücher, Beyträge, 
Journale, oder Verſe. Zumeilen thut 
er gar nichts, und murrt uͤber ſich ſelbſt. 
Es ift mir, die Wahrheit zu fagen, 
ſchon lange ein Dorn in den Augen ge: 
‚werfen, daß der würdige David Wil: 
helm Mävius zu der Fahne diefes Un⸗ 
geheners geichworen hat: Denn die 
Stadt mag fagen, was fie wolle, ein 
Stadtpoet ift darum, weil er Lorbeern 
am Kopfe hat, noch gar nichts beſſer, 
‚als ein Muͤßiggaͤnger. Wirklich wuͤr⸗ 
de ich mich noch fange über Herr Mi; 
vins geärgert haben, wenn es mirmicht 
glück 


“w 


sn —2 — 7 9 


⸗ 


gluͤcklicher Weiſe eingefallen waͤre, daß 
es nur von mir abhinge, dem ſchaͤnd⸗ 
lichen, unverzeihlichen und hoͤchſt firaf 
baren Laſter, dem ſein zwar groſſes Ge⸗ 
nie ſo uͤber alle Maaſe ergeben iſt, ſeinem 
Muͤßiggange, ſo bald ich ſelbſt wollte, 
ein Ende zu machen. 
Da wir Wochenblatt⸗ Schreiber aus 
keiner andern Urſache auf die Welt ge— 
ſetzt worden, als den Misbraͤuchen, 
die unter unſern armen Nebenmenſchen 
im Schwange gehen, mitleidig abzu— 
helfen, und unſere Entdeckungen zum 
Mugen der HerrenLiebhaber und Kun: 
den gemein zu machen; fo bin ich une 
verzüglich bedacht gewefen, meine Be: 
obachtungen und Erfahrungen von den 
Mervenfranfheiten, die ich im 
zweyten Stuͤcke offenherzig mitgetheilt 
babe, ganz und gar gemeinnüßig, und 
zugleich den Herrn Mävius zum brauch: 
baren Mann zu machen, welches letztere 
mir wohl niemand zutrauen würde, 
wenn das Gerücht es nicht bald deutlich 


genug 


80 a 





genug beftätigen müßte. Sch babe ihn 
mit einem anfehnlichen Buͤchervorrathe 
nach Hamburg gefchieft, um in dieſer 
groffen Stadt einen Buchladen für 
Kranfe anzulegen, und nachher weiter 
in den benachbarten Städten, befons 
ders auf den Jahrmaͤrkten, damit her— 
um zu ziehen. Herr Mävius meynte, 
die Geftalt eines Zahnarztes würde ihm 
ein gröfferes Anſehen verfchaffen, als 
wenn er fich fchlechterdings für einen 
medicinifchen Buchhändler ausgaͤbe; 
und ich habe ihm nicht allein darinn ſei— 
nen Willen gelaſſen, fondern ihm auch 
den ungenannten profaifchen Schrift: 
ftellee, von dem ich im erfien Stücke 
geredt habe, zum Narren mitgegeben, 
Es find num vierzehn Tage, dag fie abs 
aereifet find. Von Hamburg geben fie 
über Altona und Glückftadt zurück, um 
vor Ausgang der Domzeit in Schles- 
wig einzutreffen, und alsdann weiter 
fort über die Belten zu ſetzen. Ich wer: 
de meinen $efern, fo wie mir Mävius 

feinen 


feinen Bericht abftatten wird, täglich 
vollftändige Nachricht von diefer wich: 
tigen Expedition mischeilen , die in An⸗ 
fehung des jeßigen Zuftandes von Eur 
ropa von fehr merfwürdigen Folgen ſeyn 
—— 
* 


Dienſie den 12. Jan. fruͤh um 
neun Uhr. | 


ER muß die Poft aus Hamburg 
ankommen; fie wird mir hoffentlich 
Briefe vom Hrn. Mävius mitbringen, 
Hr. Mävius macht. mir die Zeit ziem⸗ 
lich lang. Ich bin hoͤchſt begierig, zu 
erfahren, wie die Medicin anfchlägt; 
und wehe Hrn. Maͤvius, wenn er mei: 
nem Berhaltungsbefehle nicht: aufs 
pünftlichfte nachlebt!  — Dhne- des 
unausfprechlichen Nutzens zu gedenken, 
den dieje Erfindung in der Arzeneywiſ—⸗ 
fenfchaft baben muß, welche dadurch 
um ein ganzes groffes Gebiet erweitert 

Der Hypoch. x. T. F wird, 


82 Drerumun: 


wird, iſt fie auch in der Politik und 
Gottesgelahrtheit von aufferordentlicher 
Wichtigkeit, Der Staatsmann kann 
diefes Arkanum brauchen, um hinter 
die verftechteften Abfichten der Bedien⸗ 
ten zu fommen; der Öottesgelehrte, 
um die Grundfäße der Gemeine zu er— 
forfchen, und die —— zu be: 
teichern. 

Ich enthalte, ‚mich ‚mit Borbedacht 
einer genauern Zergliederung meiner 
Erfindungen, und bin zufrieden ‚daß 
ich einigen Flugen Köpfen nur einen 
Wink gegeben babe, dem % weiter 
nachdenken ce 


Abends um fieben Uhr 
Der Brief iſt da! ein Original! ein 

Brief, wie ich ihn mir von David Wil⸗ 
helm Mävius niemals verſprochen haͤt⸗ 
te. Die Sache geht allerliebſt von 
ſtatten; ſchon ſo viele, ſo viele! — 
Doch ftilte! ich will den ganzen Brief 
vr: Er 

“4 Hoch⸗ 





a Obchwohlchohne Freund! 


(Er hätte wohl Gönner ſetzen koͤnnen, der gu— 
te Mann, wie es ſich fuͤr einen Poeten geziemt.) 


Be fit, »quod eito fit, ſagt ein 
Y gewiſſer lateinifcher Autor claf- 
“ ficus, deffen Name mir entfallen ift; 
“und will damit fo viel zu verſtehen 
“geben, als man müfe, wenn man 
* ein gutes Werk vorgenommen hat, 
hurtig damit zum Ziel fchreiten, wel: 
des ic) vorißt fo verdeutſchen möchte: 


—E Weun du was thun wii, thus geſchwind; 
u Wer gar zu laugſam eilt, faͤhrt blind. 


wobey ich zugleich eine kleine Hin— 
* ſicht auf die bekannte Sentenz, fe- 
“ ftina lente, gehabt habe. 

Ich bin in ‚anfjerordentlicher Ge— 
ſchwindigkeit, fo viel es die Befchaf: 
“+ fenheit ‚eines. Srachtwagens zuldgt, 
“ nach Hamburg abgegangen, und fo: 
“wohl ich, als mein College, der 
* Merra wie ihn Em, Hochwohlgeb. | 

7 52 zu 


* 
* 


* 
* 


— 
* 


* 
* 


N 
= 


zu nennen belieben, haben uns tn: 
terweges forgfältig gehuͤtet, "dag 
Geld nicht unnüg zu verthun, fo un: 
verfchämt die Wirthe auch foderten, 
warum? weil ich meinen Freund 
immerhin eine viertel Meile hatte 
voraus laufen laffen, um das Logis 
und die Bewirthung zu bedingen: 
Am Sonnabend ließ ich das Theater 
auf dem groffen neuen Markte auf: 
fchlagen, ritt mitnieinem Zahnkranze 
um den Hals durch die Gaſſen, und 
lich die fämmtlichen Zufchauer durch 
meinen Darren, denich Peter Squenz 
genannt habe, feyerlich gegen den 
Montag zu meinem medicinifchen 
Vorrathe einladen. Am Montage 
ftanden wir zum erftenmaleäus. Und 
hier, Hochwohlgeb. Herr (fi quid 
eft in me ingenil, quod fentio 
quam fit exiguum, zu Deutfch: 
wofern ich Genie befiße, welches 
viele Leute für eine Kleinigkeit halten 


wollen, vid. Cic. opera omnia 
"Tan. 


4 
‘4 
‘4 


“ 


#- 


u 


4 


T. UL p. 246. edit. nouifl. Erf. 
1539. ap. Selwich. et hered. in 
12mo.) fo muß id) von mir felbft 
fagen, daßich durch meine vortrefli; 
chen Anftalten, durch meine fchöne 
feibesgebehrden, durch den anftäns 
digen und edlen Ton meiner Stimme, 
und vornehmlich durch die herzrüh: 


‚rende Gabe der Beredfamfeit, die 


mir eigenthümlich ift, an diefem ein: 
zigen Tage mehr Grofjes auf dem 
neuen Marfte ausgerichtet habe, als 
viele andere in einem langen Zeit: 
taume von Jahren gethan hätten, 


ob ich mich gleich befcheide, daß Pe: 


ter Squenz durch feine lieblichen 


Manieren nicht wenig dazu benge: 
tragen haben mag. Nachdem ich die 
unfchäßbare Verſammlung, die ich 
vor meiner Bühne im groſſem Ges 


“dränge ſtehen ſah, fammt und fon: 


ders nach Standes Gebühr angere: 
det, und von meinem, Borhaben, 
wie auch der innern Befchaffenheit 

| 53 "und 


und Wirkung meiner Arzeneyen un: 
terrichtet hatte; fo fürchte ıch zwanzig 
dunkle Köpfe aus dem Haufen aus, 
an denen ich mein Probeſtuͤck machen 
wollte. Ich erfundigte mich nach 
der Urſache ihrer finftern Gemuͤths— 
art; fand aber, daß die wenigſten 
eine gruͤndliche Urſache angeben konn— 
ten, ſondern alle darinn uͤberein fa- 
men, die Krankheit ſey von den Aerz⸗ 
ten für unheilhar ausgegeben wor— 
den, Ich fragte fie ferner, feit 
wann fie zum letztenmale gelacht hät: 
ten, und erfuhr, daß die meiften 
fich dieſer Zeit gar nichtmehr erinnern 
fonnten. - Hierauf mim ließ ich mei: 
nen Peter Squenz hervor treten), 
und ein Mährchen aus dem Nimrod 
declamiren, meiches nicht nur bey 
den 20. Patienten, fondern ben der 
ganzen Verſammlung, fo weit 
das färfite Auge, das in der 
Mitte ftand, reichen fonnte, 


ein fo erfchreekliches Gelächter verur: 


“ achte, 


#4. 
WTE 
[24 
44 
d4- 


u 


u 87 


ſachte, daß mir angft und bange 


wurde, und ich es nicht wagen noch: 
te, (quod dietum fit venia tua, 
welches Hochdiefelben gnädigft ercus 
firen werden ) nad) Dero Vorfchrift 
die Dofin mit einigen Alexandrinern 
aus der Schwarzias zu verftärken. 
Weil ich von der heftigen Erſchuͤt— 
terung der Nerven und der Altera— 
tion des Gebluͤts, ſo dieſe Operation 
mit ſich brachte, uͤble Folgen befuͤrch⸗ 
tete; ſo wechſelte ich ſelbſt mit einem 


von meinen Neujahrswuͤnſchen ab, 


worauf das Gelächter allmaͤhlig ab: 
nahm, und fich zu einer fanften an: 
daͤchtigen Melancholie anzulaffen 


schien, als ich geſchwind inne hielte, 


um die Gemuͤther in Gleichgewicht 
zu ſetzen. Hierauf ſtellte ich meinen 
Zuhoͤrern die ausnehmende Wirkung 
meiner Arzeneyen nochmals vor Au: 
gen, und meine Rede fchloß fich mit 
einem: Es lebe der bewun— 
2 a Adept! der A— 

54 “Dept 





“u dept aller Adepte! das Mon 
“ firum unter den Adepten! 


U Patria et, vbicunque bene eſt. 
Wo das Berdienft gut wird erkannt, 
“ Da wahl ich mir mein Vaterland; 


“ möchte ich bennab mit jenem Heiden 
+ auseufen, der lange fo viel Urfache 
“ nicht haben konnte, diefes vorzuge 
“ben, als ich und Peter Squenz. 
* Gott fegne Hamburg und feine Pa: 
* tienten! es ift Schade, daß ich es 
“ fo.bald verlaffen fol! Ew. Hoch⸗ 
* wohlaebohrnen werden aus der Bey⸗ 
lage erfehen, wie man mich die wer 
 nigen Tage über, da ich daſelbſt aus: 
*’ geftanden, mit Ehre und Wohltha: 
‘“ ten überhäuft, und meine: Gegen: 
“ wart nicht hur inter priuatos pa- 
“ rietes, (zwiſchen vier Wänden ) 
“ fondern auch an vielen öffentlichen 
* Orten, als da find Caffeehäufer, 
“ Weinhäufer, Chocoladehäufer, Spiel: 
haͤuſer ꝛc. verlangt habe, worinn ich 

| * Billiger: 


‘4 billigermaaſſ en nicht umhin gelonnt, 
zu willfahren. 

Ich empfehle mich Dero hohem 

# ‚Woplwollen, und erſterbe in tiefiter 

9 Ebrfurcht 1% | 
ERREGT Ge 


Unterhäni iger Bericht von einigen 
‚merkwürdigen Curen. 


Here" eichnamsgefchworner Dtſch. 
aus Halle im Magdeburgifchen, ein 
Mann won 30, Jahtren, lag in einem 
hitzigen Fieber, bey dem er entzuͤndete 
Augen und ein fo heftiges Phantaſi ren 
hatte, daß man ihn nicht im Bett hal⸗ 
ten konnte. Ich hoͤrte ihn waͤhrendes 
Phantaſirens von einem kleinen Licht 
und einem groſſen Licht, von Poeten 
am Anfang der Tage, und dem Diebe 
am Ende der Tage, am meiſten aber 
von Kloͤtzen auf hölzernen Baͤnken, de: 
ren Ohren Gewalt! ſchreyen ꝛc. durch 
einander murmeln; und ein ficentiat, 

ik det 


* 


go — 


ber vor dem Bett ſtand, ſagte mirleiſe, 
daß Patient den Abend vorher die Rhap⸗ 

ſodie in kabbaliſter Proſe geleſen habe, 
die in der von Em. Hochwohlgebohrnen 
mir hochgeneigt mit verordneten Kran⸗ 
kenbiliothek Sub Litera H. befindlich iſt. 
Da mich nun beſagte Rubrik auf das' 
Recipe Sub Litera Z. nro: 54. verwies, 
und ich an letzterwaͤhntem Orte ein Stuͤck 
von der im Sande Hadeln hochberuͤhm⸗ 
ten Gazette litteraireantraff, foerman: 
gelte ich nicht, felbiges Blatt mit dem 
Hut unter den Arme und allem'erfor- 
derlichen Anſtande Tangfam und ver: 
nehmlich abzulefen. Es fand fich bier: 
auf zu meiner Bermunderung bey dem 
Patienten ein Anſatz von Schlafſucht 
ein, wobey fih etwas Geltfames in 
dem Gefichte deffelben äufferte, ſo ich 
wohl eher bey Perſonen, welche ſich be: 
auem machen wollen, (fitvenia verbo), 
wahrgenommen babe, und'dieih Ew. 
Hochwohlgeb. nicht beffer zu befchreiben 
TRBT als wenn fie fich eine Perfon 

vor: 


_ 





vorzuſtellen gelieben, aus deren Anſe⸗ 
hen man nicht mit voͤlliger Gewißheit 
errathen kann, ob ſelbige weine, oder 
aber lache. Ich wiederbolte das Mit: 
tel bey jedem-lucido interuallo; und 
weil ich merkte, daß die Augen immer ſtaͤr⸗ 
ker entzuͤndet waren, je oͤfter ich las: 
fo errieth ich, daß ich das Mittel Sub 
Litera K:nro, 1, zur Hand nehmen müf 
fe; worinn sich mich auch keinesweges 
betrog, indem Patient fogleich bey allen 
Grazien und Veneribus austief, daß 
er fich erquickt fühle, daß er fich auffer: 
ordentlich erquicht fühle, und daß er 
fich der Leichnamsverweſung nun nach 
wie vor. annehmen wolle: wozu ich ihm 
denn von Herzen Glück wünfche, 

Frau, — von 23. Jahren, wurde 
an einen Sonnabend den dritten Tag 
nach ihrer erfien Miederfunft, als fie 
ein Gluͤckwuͤnſchungs-Gedicht auf die: 
fe fröhlige Gelegenheit von dem welt⸗ 
befannten Heren Stadtpoeten W. ges 
leſen hatte, ſo Ew Hochwohlgeb. ver: 
| muth⸗ 


02 bene unsern 


mutblih in den äffentlichen Blättern 
zu Öefichte gefonmen feyn wird, von 
einem Falten Schauder befallen, wor 
auf fie Hiße befam, und in Schweiß 
gerieth. Sie fing bald an, fi vor 
dem Tod zu fürchten, und nachdem fie 
einige Anfälle von einem befchwerlichen 
Drbemholen gehabt, befam fie eine 
hyſteriſche Ohnmacht, ben welcher aber 
der Puls nicht verändert wurde, ohn—⸗ 
erachtet das Othemholen fo ſchwach 
war, daß man es kaum merfen fonnte, 
Unter diefem Anfalle, der faftfünf viers 
thel Stunden dauerte, feufzte und win⸗ 
felte fie öfters, und hatte abgebrochne 
Verſe im Munde. Gie nannte auch 
den Namen des Poeten, und machte 
Bewegungen mit den Händen, wie die 
Sterbenden zu machen pflegen, als ob 
fie etwas zerreiffen wolle. Ich erins 
nerte mich fodanı des Univerfal: Mit: 
tels, welches Em. Hochwohlgeb. mir 
für folche Fälle anvertraut haben, und 
befahl, Sämtliche Eremplare, die im 

FIR | Haufe 


— 93 


Haufe zu finden wären, drey vierthel 
Stunden lang in heiſſem Waffer zu fie: 
+ fie darauf in fo viel länglichte 
uͤcke, als Verſe waren, zu zerfchnei: 
den; rollte jie dann Angefichts der Frau 
Parientinn- in kleine Kugelchen zuſam— 
men, und prellte felbige, da in derglei— 
chen Krankpeiten gar viel, 160 nicht 
das mehrefte, auf die Sympatbiam an: 
fommt, dem Herten Verfaſſer mit mög. 
lichfter Behendigfeit vor die Stirne, 
an die Nafe, hinter die Obren u. f. w. 
Etwa zehn Verfe mochten auf ſothane 
Art beygebracht ſeyn, als ich eine un: 
erwartete Heiterkeit in den Augen der 
Frau Patientin: erblickte, welche bald 
von einer aumuthigen Roͤthe, und fol: 
gends auch von einer gewünfchten Ge: 
fundheit begleitet ward. >28 
Mademoiſelle — eine, vollblůtige 
fette und ſehr liebenswuͤrdige Jungfrau 
von 19. Jahren, war drey Wochen vor 
ihrer Hochzeit nach Leſung eines Buchs, 
welches fie Caquet-Bonbec nannten, 
mit 


68 Ess 


mit einem frarfen Vervenzittern, fo 
vermutblich aus Aergerniß entſtande 
befallen worden. Ich ward unge 

zu Rathe gezogen, fand es aber bed 
lich, mich fo kurz vor ihrer Hochzeit, 
Cfie heirathet einen alten Herrn, der 
ein Grofirer ift) , in eine meitläuftige 
Cur einzulaffen , weil ich mir von dem 
Dergnügen der bevorfiehenden Ehevers 
bindung fehon an ſich ſelbſt die erwuͤnſch⸗ 
teften Folgen verſprach; bin auch fo 
glůͤcklich geweſen, mich in meiner Muth⸗ 
maſſung nicht betrogen zu ſehen, immaſ⸗ 
ſen mir geſtern, als den fuͤnften Tag nach 
der Hochzeit, die Hausjungfer geſagt hat, 
daß ich mich fernerhin nicht zu bemuͤhen 
brauche, weil ihre junge Frau ſich durch 
Leſung eines groſſen Autors, mit Namen 

Boccaz, erleichtert finde. 

Vorigen Dienſtag ward ich nach 
Jardins Caffeehaus gerufen. Ich 
fand daſelbſt zween Domherren, einen 
Officier, einen jungen Arzt, ein paar 
Stuger, ‚einen finftern Mann, der in 
der 









95 


der Eike ſaß, einen Landjunker, und 
drey Igrifche Dichrer,, die meine Künfte 
zu fehen verlangten. Sch las die Nacht— 
gedanfen des Herrn Canonicus Jacobi 
aufs zierlichſte vor. Die Domherren 
entſchliefen, der Officier runzelte die 
Stirne, der junge Arzt nahm Schnupf: 
toback, die Stußer fangen , der finſtre 
Mann fprang auf, und ſteckte mir einen 
touisdor in die Hand, der Landjunfer 
niachte einen Bärentanz, und die lyri⸗ 
fchew Dichter fchlugen ein lautes Ge: 
lächter auf, Die Domberren erweckte 
ich. mit einem Recept aus Loofts Koch: 
buch, dem Officier las ich, ein Aben⸗ 
theuer aus der Biographie der groffen 
Helden vor, dem Arzt gab ich eine Pri: 
fe aus St. Lorenzos Horndoſe, den 
Stußern fang ich. ein Hirtenlied von 
Kunzen, dem finftern Maun declamirte 
ich zur fchuldigen Danffagtng den Ge: 
fang auf den heiligen Hippolytus, dem 
Sandjunfer ein Kapitel aus Döbels Jaͤ⸗ 
gerpraktika, und den drey lyriſchen 
RR Dich: 





96 


Dichter eine fenrige Ode ans den Ham⸗ 
burgifchen Beträgen; worauf ich ein 
allgemeines Plaudite! (zu deutfch: 
laßt den Teller herum gehen ) erbielte, 
— Die andern Euren von diefer Art 
werde ich mündlich erzehlen. 

Am Mittewoch machte ich die Probe 
mit dem erften und dritten Stücke des 
Hypochondriſten, welche ich auf allen 
Öffentlichen Märkten ablaß. Auf dem 
neuen Markte bey der Hauptwache ent; 
fiand ein Gefchrey; der Verfaſſer muͤſſe 
weder den Lockvogel, noch die Toiletten 
gelefen haben, und David Wilhelm 
Maͤvius ſelbſt ward, zu meiner nicht 
geringen Befremdung ein Dummkopf 
genannt. Ein Officier trat hervor, 
und wünfchte, den Autor auf dem Ham: 
burgev Berge zu haben. Auf dem Gän: 
femarfte ward ich ausgelacht, vermutb: 
lich, weil Peter Squenz mit zugegen 
war. Auf dem Zeughausmarkie liefen 
die Leute davon, weil eben eine Execu⸗ 
tion gefhab. Auf dem Pferdemarfte 

je fchrien 


— 97 


fhrien die Stußer, der Verfaffer wifje 
nicht zu leben, und von der Kunft zu 
lieben müffe er gar nichts verftehen, Am 
Hopfenmarkte ward ich mit einem grof: 
fen Huffab! verjagt. Am Schweine: 
markte Flagte man, das Blatt wäre zu 
fein gefchrieben. Am Schaarmarfte 
sifchte man fich in die Ohren, der Nutor 
habe gefährliche Abfichten,; und am 
Berge, wo die Posten wohnen, fand 
man die Satire zu fade, den Stil zu 
ungleich, den Rechtsſpruch über Mä: 
vius fehr vernünftig, glaubte aber pro: 
phezeiben zu Eönnen, daß fich das ‘blatt 
nicht erhalten würde, weil der Verfaf: 
fer, allem Anfeben nach, felbft Fein 
Poet jey. 
Ich bin vt in litteris etc. 


1 ae u >= 


Mittwochs, den 20. Januar. 


Herr Mävius hat mirans Gluͤckſtadt 
gefchrieben, er wolle mir die Kranken: 
Der Hypoch. 1. T. G liſte 





98 — — 


liſte von Altona und Gluͤckſtadt, auf 
der Durchreiſe nach dem Schleswiger 
Dom, am Freytage ſelbſt einhaͤndigen. 
Sch danke Ihnen, lieber Herr Maͤvius; 
Sie haben Ihre Sache ſehr wohl ge— 
macht; ich werde ſchlafloſe NRaͤchte ha⸗ 
ben, bis ich Sie ankommen ſehe. O 
Goͤtter! haͤtte ich das jemals gedacht, 
daß ich ein fo nuͤtzlicher Mann im Staa: 
te werden würde! Gewiß, dieſe Erz 
findung wird mich unflerblich machen, 
mit ehrerbietigem Schauer werden die 
Enfel meinen groffen Dramen nennen, 
und marmorne Denkmäler werden dem 
Wandrer fagen: + 

Groß war er, zärtlich, weife, gut, 

ZTieffinnig, ftol;, ven edlem Blut: 

Tritt ſanft! die heilge Aſche ruhe! 


Sreytags Morgens, den 22. Jan. 


Nun muß er kommen, es Fann nicht 
fehlen. Meter, gefchwind feht einmal 
aus, ob der Wagen koͤmmt. — Die 

vers 


er 09 


verwuͤnſchten Frachtwagen zaudern gez 
waltig. — Wie wunderbar iſt das 
menſchliche Herz! wie wird es von ſei— 
nen Leidenſchaften herum getrieben! das 
Herz klopft mir, der Puls ſchlaͤgt ge— 
ſchwinder, der Athem iſt kuͤrzer. — 
Peter! zum Henker! guckt doch heraus, 
ob der Wagen koͤmmt. Wie er da ſteht, 
als ob er Bley an den Fuͤſſen haͤtte! 


Nachmittags, um drey Uhr. 

Ich bin verloren! ich bin zu Grunde 
gerichter! "Tod und Schande! Der Da: 
vid Wilhelm Mävius ift mit den Gelde 
und den Bürgern davon gegangen, Der 
Elende, fein Narr, ift den Augenblick 
angekommen, und weint, daß er ber 
trogen worden, O gottlofer, fchänd: 
ficher David Maͤvius! O meine Me: 
diein! meine Eoftbare Medicin! Wie 
bedaure ich den Schleswiger Dom! — 
"Und o! meine Fofibare Medicin! 


wi 


iss 62 Fünf 


100 
SC an 0 >20 32 Don Pa 22 Bann Sn en 2 
Fünftes Stüd. 
Super alta vectus Atus celeri ratemaria! 


Vadit, fremit, et refringit virgulta pe- 
de vago. 





CATVLLVS. 





O⸗ ich mich gleich aus Ehrerbietung 
fuͤr die Welt, der, ſo viel ich 
weiß, mit den beſtaͤndigen Ausbruͤchen 
meiner Hypochondrie nicht viel gedient 
ſeyn kann, nur allzu ſehr bemuͤhe, eine 
lachende Mine anzunehmen; ſo bin ich 
doch eben itzt und faſt immer der aͤrgſte 
und unruhigſte Hypochondriſt, den man 
ſich denken kann. Die Luft! o weh! 
und die Bruſt! und das Blut! und der 
Magen! und die Elaſticitaͤt meines 
Nervenſyſtems, Himmel! die mich 
itzt wegſprengt — welch ein Sprung! — 

Meine 


— — 101 


Meine Leſer moͤgen froh ſeyn, daß ich 
nur ſelten in der boͤſen Stunde ſchrei⸗ 
be — 

Dieß versbünfchte uebel der Liebe, 
zu dem weiter kein Zuſatz fehlt, um 
mich vollends zu toͤdten, als das Zip: 
perlein, ſuche ich mir fo gut zu zerftreus 
en, als mönlich it. So bald ich den 
Suͤdwind und regnichtes oder neblich: 
tes Wetter im Calender wahrnehme; 
fo laſſe ich meine drey nächften Nach: 
barn, Herrn Jeoffry, den Britten, 
Herrn Schuwalitz, den Ruſſen, und 
Herrn Obluf Jernſtrup, zu mir bitten; 
dren Edelleute, die wenigftens eben fo 
bnpochondrifch find, als ich, und fich 
durch nichts weiter von mir unterfchei: 
den, als daß fie niemals geliebt haben. 
Wenn das Wetter fich wieder aufklärt; 
fo gehen wir auseinander, und ich genieffe 
die Gefellfhaft der Herren Palnatofo, 
eines jungen Dfficiers, und Roſe eines 
jungen Poeten. Ben ftarfem Unge: 
witter, Donner und Blitz erfreut mich 

G 3 Herr 





162 


Herr Naumann, der Tragödienfchrei 
ber, mit feiner wertheften Gegenwart , 
und beym Aufſchwellen der See Herr‘ 
Man, ein alter franzoͤſiſcher Handels; 
mann und Dolitifer. Itzt babe ich die 
Herren Jeoffry, Roſe, Schumaliß 
und Sernfirup bey mir, undich wünfch: 
te meinen $efern das DBeranügen, daß 
fie uns einmal beyſammen fehen koͤnn— 
ten. Auch ermangle ich nicht, dem 
feeundlihen Herrn Fabeldichter Stoppe 
nachznahmen, und Biefelben allerfeits, 
ben mäßigen Stunden, zu mir einzu: 
Inden, nicht zwar, daß ich ihnen einem 
neuen Parnaß oder Eättler, ſondern 
vielmehr die Phyſiognomie und traurige 
Figur von drey Hypochondriſten, er— 
gebenſt darſtellen moͤge. Wenn das 
Malum uns angreift, ſo ſehen wir uns 
grimmig an, ruͤmpfen den Mund, ver: 
zuefen die Arme und das Geficht, oder 
halten ein Furzes oft abgebrochnes Ge: 
fpräch, obngefehr in dem folgenden 
Geſchmack: 

Zach. 


— 103 


Zac. Jernſtrup. Io fißt es 
ihnen, Herr Seoffiy? 

Jeoffry. Oben am Hals, wie 
ein Stuͤck Pudding oder Koftbeef, Herr 
Zacharias. 

Shuwalis. Ey! en! was ma: 
chen Sie da für ein Geſicht, Herr 
Ohluf! 

Ohluf Jernſtrup. Ein hopo— 
chondriſches, Herr Schuwalitz! — 

Tutti. Ein boͤſer Wind! eine ar: 
ge Luft! ein haͤßliches regnichtes Wet— 
ter! Behuͤte uns der Himmel für Oft: 
wind! | 
Dhluf. Theurer Herr Roſe, Ba: 
ben Sie nicht irgend ein Lied auf den 
hieſigen Zephyr zur Hand? 

Tutti. Sa, theurer Herr Roſe, 
wenn Sie das haͤtten! — 

Roſe. Ich bitte um Verzeihung, 
ich mache nie Lieder auf den hieſigen 
Zephyr, aber wohl auf den hieſigen 
Weſtwind. Inzwiſchen thut es mir 
en leid, m ic) nichts zu mir ge 

64 ſteckt 


104 —— 


ſteckt habe, als eine moderne Ueberſetzung 
eines gewiſſen Liedes von Horaz, die allen⸗ 
falls nichtohne Wirkung ſeyn wuͤrde. 

Zacharias. Was nennen Sie ei— 
ne moderne Ueberſetzung? 
 Mofe. Eine ſolche, worinn das 
Uebliche des alten Dichters in das Ueb— 
liche unfrer Zeit verwandelt wird, Ich 
mache meine Ueberſetzungen nie anders, 
fo wie ich auch Fein altes Inrifches Ge: 
dicht anders als in ungleiche Stangen 
— 

Tutti. Was koͤnnen Sie dazu fuͤr 
Urfachen haben? 

Noſe. Eine gute Anzahl, die aber zu 
weitlaͤuftig herzurechnen ſind. Wollen 
Sie das Lied hoͤren? 

Tutti. Otheurer Herr Roſe, wenn 
Sie die ee haben wollten! — 

Roſe. Moderne Ueberfegung 
der fechszehnten Ode des erjten 
Buchs. 

O Schoͤnſte! ſchoͤner, als Cythere! 
Ohluf. 





105 


Ohluf. Um Vergebung, daß ich 

Ahnen ins Wort falle, ch dachte, 
Cythere gebötte nur zu dem alten Lieb: 
lichen. 
Hofe Um Vergebung, Cythere 
ift immer üblich, Wir müffen die My— 
thologie, die eine Schöpfung für die 
Imagination ift, nicht mit dem poli: 
tischen Coſtume vermechfeln. Iſt fonft 
etivas zu erinnern? 

Tutti. Laſſen Sie fich nicht ftöh: 
ren, Here Rofe, 

Roſe. 

O D Schönfte! ſchoͤner, als Cythere! 

Schilt deine Roſenlippe noch? 

Gib nur (o daß es nie von mir geſungen 

waͤre!) 

Gib das verwuͤnſchte Lied dem Schneider 

oder Koch, 
Daß in der Werkſtatt es die Scheere, 

Und auf dem Heerd, der immer fürſilich 

ro), 

Am Schenkel des Safans, das Feuer es 
verschre. 
65 Der 


106 nr 





Der Schönen Zorn ift fürchterlich! 
Gleichguͤltiger, und minder fheu, ſeh ich 
Kroaten und Koſacken wuͤten, 

Und Graf Tottleben Brand und Hunger 
noch gebiethen: 
Es iſt mir nicht jo fuͤrchterlich! 


Unanfgehalten ſtuͤrmt ver Schönen ſtaͤrkre 
Stimme, 

Sobald der Zorn fie laut gemacht. 
Der Nordteind brauſt, der Donner Fracht, 
Der Fels erliegt der Wogen Grimme, 
Die Ceder finft, die Eiche bricht, 
Die Erde bebt, und Niemand * fpricht : 
Die Schöne nur verfiummet nicht. 


Sm Scherz ſchuf Jupiter das zärkliche 
Geſchlecht: 
Nicht ſelten hat es ſich geraͤcht. 
Er 


* Herr Roſe ſcheint hier ſans comparai- 
ſon mit dem Worte Niemand zu 
ſpielen, wie Homer mit dem Wors 
te Odyſſeus. 








107 


Er gab der Hebe Heiz den buhlerifchen 
Waͤngen, 

Den Augen feiner Blitze Glut, 

Dem Eleinen Kopf ven Wig der Schlangen, 

Der Bruſt des Haͤcchens [wachen Much, 
Dem zarten Mund des Löwen Wuth. 


* 


— Maͤnner, ſcheut den Zorn der Schoͤnen! 

Umarmen möge ihr fie, nicht hoͤhnen: 

Ich fag es noch einmal, ihr Zorn ift fuͤrch— 
telid. 

Sch fah ein holdes Weib, dem Helena 
kaum glich; 

Sie höhnte der Gemahl kurz nach dem 
Morgenſchiafe: 

Ein Paris kam zu ſeiner Strafe; 

Und ach! der Mann erhenkte ſich! 


Warum mußt ich zum Zorne dich ent 


flammen? 
ß Barum) o Meizende, veriehße dich mein 
ETRIIT 35711 6.00 2 


Ich Thor! um m one es zu damen; | 
her Mit 


108 kei minor 


Mit Zitfern der zu flehn, der mein zu kuͤh⸗ 
ns Spiel 
Ep ſehr und fo gerecht misfiel! 


Ach! Alerſchoͤnſte! blick in milder Guͤte 

Verſoͤhnt auf mich herab! 

Gib mir dein Herz —— ** einſt mir 
gluͤhte, 

Als ich mein Herz, (es war ſtets dein), 
dir gab! 

Darn weh dem Srerler, deffen Lich 

Mathildens Stira in Runzeln zieht: 

Dann tönt nur wider ihn mein Lied. 


Wir fühlten uns famt und fonders 
nach diefer Borlefung einige Unzen leich: 
ter ums Herz, und Herr Schumwaliß 
konnte fich nicht enthalten, ihm mit 
einem lauten Sfuche nad) feiner Art: 
daß dich der Kuckuck, Junge! daswar 
mir ein Lied, wie ein lirtanifches Dai: 
no! auf. die Achſeln zu Flopfen, als 
wenn er ibn gleih hätte zermalmen 
wollen. 

Here 


? —— 109 


Herr Schumaliß hat gereiſt, es iſt 
eine Luft, ihn feine Reifen erzehlen zu 
bören, und befonders Fann mean viel 
Nutzen aus feinen Anmerkungen ziehem. 
Wenn wir alſo nichts beſſers zu thun 
wiſſen, und der heftigſte Paroxiſmus 

voruͤber iſt; ſo bitten wir ihn, uns et⸗ 
was aus feinem geſchriebenen Reiſejour⸗ 
nal vorzufefen; ich wechsle zuweilen mit 
dem meinigen ab, und Ohluf Jernſtrup, 
der ein groffer Kunftrichter ift, ftelle 
Betrachtungen über unfern Stil an, 
indeg Hr. Jeoffry, zu jeder Vortheil— 
haften Befchreibung der Nationen, die 
Eeine Engländer find, fein fneer macht, 

Sch halte es für Feine meiner gering: 
ften Gefälligfeiten gegen meine Lefer, 
daß ich fie heute mit einigen Foftbaren 
Merfwürdigkeiten der fchumalißifchen 
Meife unterbalte, meil nicht ein jeder 
ein folcher Scythe ift, daß er derglei: 
chen tieffinnige, gemeinmüßiae Beo— 
bachtungen über Völfer, Länder und 
Gebräuche anıtellen Fönnte, Um aber 
— auch 


110 — 


auch. hierinn das Angenehme mit dem 
Nuͤtzlichen zu verbinden, eine Pflicht, 
deren die Schriftfieller nicht genug ein; 
gedenf feyn fönnen, wenn man anders 
dem alten Horaz glauben will, der fi) 
gewiß daranf verfland, ober gleich Fein 
Wochenblatt gefchrieben Bat; fo will 
ich auch die Eſſentia amara das ift-fri- 
tifche Anmerkungen des Herrn Ohluf 
Jernſtrup, und zu gehöriger Zeit ein 
ge Tropfen vonder Eſſentia duleis des 
Heren Rofe darein mifchen, Alſo nur 
angefangen, mein Herr Schumalig! 
Nichts ſey Ahnen zu wichtig und ge 
beim, was Gie vor Ihren Freunden 
verbergen möchten! 


Reiſebeſchreibung. 

Die Begierde, den groͤßten Theil 
des hollſteiniſchen Landes zu beſehen, 
hat es verurſacht, daß ich von Kiel nach 
Itzehoe gereiſet bin. Es iſt gewiß die— 
ſes nicht der anmuthigſte Weg geweſen. 
Das Staͤdtchen aber, welches gleichſam 

die 
— 


” 





Ill 


die Grenze zwifchen der Köckerichten 
Geeſt und der ebenen Marfch ift, hat 
etwas reizendes in den umliegenden Ge: 
genden. — Ich Din von bier durch die 
anmuthige Kremper : Marfch, auch 
durd) das Städtchen Krempe, welches 
mit einer unveraleichlichen Kirchthurm⸗ 
fpiße -pranget, . nach Gluͤckſtadt gereis 
fet. — Von Gluͤckſtadt bat mich ein 
bolifteinifhes leichtes Fuhrwerk über 
den Stöhrfluß durch die Wilfter-Marfch, 
durch St. Margarethen über Bruns—⸗ 
büttel, durch die Ditmarſch, über Mel; 
dorf, durch das Städtlein Hende, über 
den Eiderfluß bis in Friedrichfiadt ae: 
führt, - ch befenne fehr gerne, daß 
ich ohne angenehnie Gefellfchaft diefen 
eg nicht oft zu reifen wünfche, und 
überhaupt hat mich diefe Gegend allbier 
herum nicht fonderlich ergößt. Denn 
da ich diefe Reife in den heiffeften Som- 
mertagen verrichtet, und faft Eeinen 
einzigen Baum, mithin auch menig 
kuͤhlenden Schatten, gefunden habe, 

jo 


112 man > ern 


fo ift mie zu Muthe geworden, als ob 
ich über die Lüneburger Hende reiſete. 


Anmerkungen son Ohluf Jernſtrup. 


Wenn Sie mir erlauben wollen, 
Herr von Schuwalitz, man haͤtte wohl 
einige Nachricht erwarten Fönnen, was 
Sie unter dem hollfteinifchen feichten 
Fuhrwerk verſtehen, ob esein Kahn ges 
weſen ift, oder ob Sie auch Pferde und 

gen zu Hülfe genommen haben, um 
ſowohl über den Stöhrfluß, als über 
Meldorf durch das Städtlein Heyde zu 
gelangen. Solche Fleine Erflärungen 
haben ihren weitläuftigen Nutzen, wie 
Sie wiflen; vornehmlich bier, wo Sie, 
allen Anſehen nach, von einer Fähre 
reden, Ferner möchte es feheinen, als 
ob der Weg an der Linbequemlichfeit 
Ihrer Reife ſehr unfchuldig gemwefen, 
da Sie diefelbe in den heiffeften Som: 
mertagen vorgenommen } denn wo ich 
nicht irre, fo würde es Ihnen, ben der 
Ihnen vo ganz, eigentbümlichen Hitze 
Ihres 


——⸗ 113 


Ihres Gebluͤts, in jedem andern fan: 
de eben fo gegangen feyn, wenn Ih— 
nen nicht etwa ein garungeheurer Schat 
ten aufgeftoffen wäre: Aber ich bitte, 
laſſen Sie uns weiter hören. 


| Reifebefchreibung. 

Die Bürger in Friedrichftadt zieren 
auf hollänsifhe Weife fich mit Schlaf: 
rocken. Die Infulaner von Sylt und 
Foͤrde u. ſ. f. finden fich oft zu Huſum 
ein, und machen in ihren Kleidungen 
einen Redoutenmäßigen Aufzug. Schless 
wig ift ſehr weitlaͤuftig, und eben nicht 
fonderlich regelmäßig gebauet. Doch 
wird diefes durch die umgängliche Le— 
bensart der Einwohner, auch durd) die 
angenehmen Gegenden, erfeßt, Die 
Begierde, bald nach Copenhagen zu 
kommen, bat den Wunfch, allbier län: 
ger zu bleiben, befiegt; aber ein kleines 
Ebentheuer hat bey äuff erlicher uner⸗ 
traͤglicher Sonnenhiße mein inneres 
Feuer in etwas gedaͤmpft. 

Ser Hypoche 1. DD. An⸗ 





114 — 





Anmerkung. | 
Sch habe mich oft gewundert, wie 

e3 möglich gewefen, daß Herr Schu 
waliß, als ein Ruſſe, fich zu einer fo 
heitern, ſanftanmuthigen Schreibart 
hat ausbilden koͤnnen, als ob er aus 
den fetten Fluren Meflenburgs, und 
nicht vielmehr in den rauben Kurhifchen 
Wuͤſten, gebürtig wäre, Beſonders 
freue ich mich über das- innere Feuer, 
welches ich bey jeder Gelegenheit in ihm 
wahrnehme, ob es mich gleich verdriegt, 
dag dieß Feuer duch Aufferliche uner— 
trägliche Sonnenbige zumeilen in etwas 
gedämpft wird. Ich würde mir noch 
in aller Eile eine Befchreibung von den 
Friedrichsftädter Schlafröcen ausbit: 
ten, wenn mich nicht ein inneres Feuer 
verzehrte, zu erfahren, was doch das für 
ein Ebentheur fen, wovon Cie reden, 


- Reifebefchreibung. 
Sch ſehe im Geift Eure Begierde, 
mein Schickſal zu erfahren, ich werde 
euch 


— 115 


euch aber nicht felbft die Gelegenheit 
ſchaffen, meiner zu ſpotten; auch er⸗ 
innere ich mich, gleich nach meiner er— 
Vorleſung, verſichert zu haben, 
Euch nicht mit Ebentheuern zu unters 
halten, Diefes aber hudgt Ihr wiffen, 
daß von Schleswig nach Flensburg uns 
terſchiedliche Wege fuͤhren; der eine 
geht durch eine der fetteſten anmuthig— 
ſten Gegenden von ganz Deutſchland, 
und dieſes vortreffliche Ländchen wird 
Angeln genannt. (Ihr werdet uch 
erinnern, daß Herr Maͤvius aus An: 
geln gebürtig ift.) Der andere führer 
über eine verwünfchte, Heyde, welche 
niemals unerträglicher ift, als wenn 
die Sonne in den heiſſen Sommertagen 
in den Bormittagsftunden dem Wan— 
dersmann faR den Scheitel durchbohret. 
Welchen Weg von beyden ich gereiſet 
bin, moͤget ihr errathen. Ich bin in⸗ 
zwiſchen innerhalb 6 Stunden von einem 
Subrmann, welcher auffer feinem Ges 
fiht wenig menfchliches an fich hatte, 
Au. Bus gebracht. 
22 Es 





116 —— 


„ Es war nicht möglich, von dem 
* Seren Reifebefchreiber herauszubrin: 
“gen, was für ein Ebentheur er ei- 
“ gentlih gehabt babe, und da wir 
’ nicht errathen Fonnten, welchen Weg 
“ oon beyden er gereifet fen; fo zuckte 
* er die Achfeln über uns, und ging 
weiter. Folgen nun die Reifean- 
* merfungen zum Gebrauch der reifen- 
“ den Jugend. 

1. Es ift niemand zu rathen, ohne 
dringende Gefchäfte in den Jahrszeiten, 
da die Witterung regenhaft und das 
Erdreich locker ift, in den Hollſteini— 
ſchen, insbefondere aber inden Marfch: 
ländern zu reifen. 

2. Die bollfteinifchen Anzeigen von 
Merkwürdigkeiten werden in Glückftadt 
wöchentlich ausgegeben. 

3. Das Auffenwerf von Glücftadt 
verdient wohl beobachtet zu werden. 

4. Weil man auf der Reife von Frie— 
dricheftadt nach Hamburg beftändig eine 
Nacht unterwegs zubringen muß; E 

i 


BR 
— 








117 
iſt ſehr rathſam, ſich zu gewiſſen Jahrs⸗ 


zeiten auf dieſer Reiſe eines ſogenann⸗ 
ten Advokatenſtuhls zu bedienen, und 
ſich darinnen gegen die unfreundliche 
Witterung zu beſchuͤtzen. 

5. Es gehört zum anmuthigen Zeit: 
vertreib in Flensburg, daß man in den 
Wintermonaten auf dem Stadtweins 
keller die artigften Gefellfchaften antrifft. 

6. Wer eine Geſellſchaft und junge 
Fuͤſſe hat, kann ſich einen angenehmen 
Spatziergang von Krempe nach Gluͤck⸗ 
ſtadt machen. 

7. Man nehme zwiſchen Rendsburg 
und Schleswig das Mittagsbrodt in 
der Feldſcheide zu ſich: es iſt auſſerhalb 
unterwegs wenig Troſt. 

8. Drey Meilen von * *ifteine Poft: 
balteren. Wehe dem, der bier einen 
hungrigen Magen und leeren Beutel 
hat! 

Aber wie wird mir? Welche Trau⸗ 
rigkeit Überfälle mich urplößlih? Der 
Be Es ift das Malum! O Rofe! 
\ H 3 Roſel 


Roſe! finge mie sas litthauiſche Daino; 
wie du es nach der Melodie Daß du 
mein Schäßchen bift eingerichtet 
haft! Kofe fang, da indep Herr Schu: 
waliß, wie König Saul aufeiner wolk 
nen Tapete, mit einer fauren Mine fein 
geibftüc anhoͤrte. 


Litthauiſches eg: 
Sch hab itzt aufgefage 
Mei'm Meütterlein, 
Igßt in der Hitz — 
Des Sommerlein. 


Such, Muͤtterlein, dir nur 
Ein Spinnerlein, | 
Spinnerlein Hein, — — 
Und Weberlein. | 


Sch habe fponnen guug 
Das Flächfelein „io 
“ Gnug auch gewirft — 
Das Leinwandlein. 


—— 119 


Ich habe gung gehorcht 
. Heim Muͤtterlein; 
SG' horchen muß id — 

je * —— mein. 


J ach * mein Kränzlein klein 
Von Raute grün, 

Fallen wirſt du — 

BVom — 


sh hr, o mein’ Haarfi echtlein 
Bon Seide grün, 

Flittert nicht mehr — 

Im —— 


du mein Haͤnbelen RE? ?. 
Mein Hanbelein * 

Raſſeln wirſt du — 

Im Windelcin. 


Euch, v mein’ Haarflechtlein, 


Er Und X Kranzlein 9— 
8 Sag ich, Abel — 


u Mit Thränelein. TI | 
| 24 ©! 





120 


So! rief Herr Schuwaliß ſchier ver⸗ 
zuckt aus, das half gewaltig; und nun, 
ihr Herrn! will ich euch einige Nach⸗ 
richten von den Unbequemlichkeiten einer 
Reiſe mittheilen, da doch dieſe Materie 
leider! nur allzuwenig bekannt iſt. Er 
erfuͤllte ſein Verſprechen mit folgenden 
ſatyriſchen Ausdruͤcken: 

Ein grober Fuhrmann, welcher, 
wie es in vielen Laͤndern gebraͤuchlich iſt, 
keine Bierſchenke vorbeyfaͤhrt, ohne 
wenigſtens auf eine halbe Stunde bin: 
einzugeben, und fich zuberaufehen, wäh: 
render Zeit aber feine Reifende der Wit: 
terung unbarınberzig zu uͤberlaſſen, ift 
dasjenige, welches ihr, bald nach eu: 
ver Ubreife, zu eurem inniglichen Ber: 
druffe werdet erfahren müffen, 

Eure Sittenlehren werden bey einem 
Trunfenbolde zum Spott; und wenn 
ihr einen gerechten Eifer gegen diefes 
Unmefen mollt fpüten laſſen; fo werdet 
ihr auf fleinigten und übeln Wegen die 
Rache eines Zügellofen empfinden mu: 

| | fen, 





121 


fen. So ift die Befchaffenheit eines er— 
fahrnen Fuhrmanns. Erlebt ihr das 
Ungluͤck, einen Poſtknecht zu erhal⸗ 
ten, welcher eine beſſere Gemuͤthsart 
beſitzt; ſo iſt er gewiß ſowohl in den 
Wegen, als in den Gebraͤuchen, 
unerfahren. Und da habt ihr euer Glück 
zu rühmen, wenn er euch nicht aufı ei: 
nen Weg bringt, welcher feinen Ausgang 
in einen Moraft nimmt, darinn Wagen 
und Pferde ftecken bleiben. Wehe euch, 
wenn über dem Irrthum eures Fuͤh⸗ 
rers die a herein —*— 


IK Een 


J oͤftrer eure — ri, 

Das Vorſpiel von den Verdrieglich: 
Peiten, welche auf euch warten, wird 
darinn beftehen, daß bald ein widri— 
ger Wind, bald die Saumfelig: 
Feit des Shiffers, noch öfterer 
aber deffen eigennüßige Abfichten von 
8 Tagen zu 8 Tagen eure fo fehnlich ge: 
wünfchte Abreiſe verzögern wird, So 

ud 25 bald 


122 —— 


bald ihr nun aber endlich die volle See 

werdet erreicht haben; ſo wird euch der 
rauhe Ton eines Schiffers, welcher 
nunmehro ein unumſchraͤnkter Sultan 
geworden iſt, mit gebieteriſchen Geber; 
den von einer Stelle des Schiffes zu der 
andern jagen. Denn der kleine Mo: 
narch feßt in ſeinen Gedanken zum vor 
aus, daß euch alle Gebraͤuche des 
Scife fhon müflen befannt geworden 
ſeyn. 

Vor Aergerniß, uͤber die — 
der unvernuͤnftigen Schiffer, konnte 
der Herr Reiſebeſchreiber kein Wort 
mehr herausbringen: es halfalſo nichts, 
weiter in ihn zu dringen; die Hypo⸗ 
chondrie überfiel ihn zu gewaltig, und 
Gedanfenvoll fahen wir einander am, 
als wenn wir die Minen aller Fubrleute, 
Poſtknechte und Schiffer von Europa 
auszuftehen gehabt hätten: | 

Bis ung endlich der magifche Herr 
Roſe, durch folgende auf Jernſtruphof 
ſehr beliebte Kantate, die er Doktor 

Swifts 


—— 123 


Swifts Cantate nennt, aus unſrer 
—5 aufweckte. 
Andante. 
Bit du ein Finger Muſiker ſeyn: 
Allegro. 
Schiebe deinen Melodeyn Meisten, Me⸗ 
lodeyn 
Saft binfehlupfende Woͤrter ein, 
* Andante. 
De ai Pegaſus rennt feine Bahn 
a 3 Allegro. 
4* Sanft gallopirend bergan 
5 Andante. 
Sanft bald im Paß mit leichtem Huf. 
Bald Cavalcaden tausend beraab 
Dergab , bergan, bergüber! 
Allegro. 
Nie rannt er je bergan bergab 
Im rumpelnden rumpelnden rumpelnden 


FTrab. — 
An⸗ 


Man kann dieſe Kantate nach Arnes 
Compofition in Swiſts Werken 
ſingen. 








124 


Andante. 
Harmoniſche Mufen fliehen ud 
Vor bäurifcher heulender Dudelſack-Muſick. 
Auch ſpanne nicht der langen Woͤrter Schwanz 
In quickende ſchnaubende Cadam. 
Adagio. 
Horch langſam ſchwebt der Geigenftod! 
Allegro. 
Horh! Tantankantantivi! tantantantantivi! 
Preſto. 
Preſto! Preſto! Preſto! Preſto! Preſio! 
- Largo. 
Horch! zitternd! fhütternd! rüttelnd! ſchuͤt⸗ 
telnd! 
Wo Hoffnung Hoffnung war, 
Se bittrer Schmerz! 
Allegro. 
Fleuch! fleuch! 
Fleuch keck! fleuch wolkenwaͤrts! 
Schwaͤrme! laͤrme! ſchwaͤrme! laͤrme! 
Ueber Hals, über Kopf, 
Ueber Hals, über Kopf, ſchwärme! 
Ueber Hals, über Kopf, 
ueber Hals, über Kopf, lärme! — 
n⸗ 





125 


Andante. 

Nun kreuch! ſchleich! 

Adagio. 

Schleich und kreuch! 

| Andante, 
Sieh, ſieh! Lalage, Lalage ſtirbt! 
Stirbt! ſtirbt! ſtirbt! ſtirbt! ſtirbt 
Adagio. 
Stirbt! 
Andante. 
Jan särtlihs Auge 
Adagio. 
Weint und ſchlaͤft, 
ne Schlaͤft und weint, 
Re Weint und ſchlaͤft! 
h — _ Allegro. 

D weh! o meh! o meh! 

D weht o weh! o meh! 

Vielleicht unterhalte ich meine $efer 
ein ander mal mit der fehumalißifchen 
allgemeinen Erinnerung für unerfabr: 
ne Neifende, da alles, was diefer tref— 
flihe Mann fchreibet, fo faßlih, er: 
haben, ‚und doch gemeinnügig gefagt ift, 

— daß 


126 —— 

daß ich, von Keißlern und Uffenbachen 
bis Neukirch und Nemeiz, herunter, 
keinen einzigen Reiſebeſchreiber mit ihm 
zu vergleichen weiß, wenn es nicht et⸗ 
wa der beruͤhmte Herr Willebrand ſeyn 
follte. * Zwar weiß ich wohl, und ich 
babe eg den Leſern auch nicht verhohlen, 
dag mein Coufin Ohluf diefen wackern 
Rufen zuweilen etwas firenge beurz 
theilt: allein Here Obluf mag. mirs ver; 
zeihen, daß ich an ihm felbft, bey aller 
feiner Kunſtrichterey, U. noch ſehr viel 
auszufegen finde. Ob es gleich gewiß 
ift, Here Ohluf, daß Ihr ein ſehr gu: 


tes Genie ſeyd; fo ſchweift Ihr doch, 
meiner Meynung nach, ziemlich auf die — 


unrechte Bahn aus; Eure Schreibart 
ift holpericht, mit Anthitheſen, unge: 
beuren Wortfügungen,  dunfeln und 
unbegreiflichen Anfpielungen überladen;, 
| F alle 
* Johann Peter Willebrands hiſtoriſche 
Berichte und praktiſche Anmerkungen 

auf Reiſen. Neue vermehrte Aufla⸗ 

Be; sw. Leipzig 1769. 


— 
44 





127 





alle Eure Züge find zwar fein, und für 
den Kenner auserlefen: aber, werther 
Coufin, Euer gepriefener Lieblingsau⸗ 
tor, der Mann. der fofratifchen Denk: 
würdigfeiten. iſt, mit Erlaubniß, fo 
ein Driginal! wie es nicht Zween auf 
einmal ſeyn Dürfen. 

Es iſt ein wahres Gedankenfeſt für 
wich daß alle meine Freunde ‚fie mö: 
gen mit mir verwandt feyn, oder nicht, 
entweder Autoren find, oder Autoren 
werden, Geitden ich den Hypochon⸗ 
driſten fehreibe, find alle ihre Federn 
geſchaͤftig, und Herr Obluf felbft, der 
‚den Mufen ein Geluͤbde gethan hatte, 
feine Liebe zu ihnen niemals bekannt zu 
machen, fchreibt Borreden und griechis 
ſche Wochenblätter. Don den legtern, 
die in ihrer Art Driginale find, will ich 
meinen $efern Fünftig ein paar Proben 
geben: bier will ich eine Vorrede von 
ihm einruͤcken, die er mir in der Abfiche 
gegeben hat, . daß ich fie vor den erften 
FR: des Hypochondriſten feßen follte, 

wel⸗ 





123 


welches aber auf den Ausfpruch meiner 
Leſer beruhen foll. Sch weiß nicht, wie 
er auf den Einfall gekommen ift, fo viel 
Vorreden zu fchreiben; vielleicht hat 
ihn der Herr von Bar darauf geholfen, 
der ung in zwey artigen Bändchen Ichtr, 
daß Fein gutes oder fihlechtes Buch in 
der Welt fey, mozu fich nicht ein Epi: 
graph machen lieffe, Dem ſey wieihm 
wolle, bier ift eine von feinen Vorre— 
den, nänlich die zum erftien Bande des 


Hypochondriſten. 


Neues in Geſtalt einer Vorrede 
von einem Kunſtrichter, der nicht 
Quinctilius Varus heißt. 

Es iſt gut, edel iſt es, mit dem Ver— 
faſſer folgender Sibyllenblaͤtter, deren 
Wind fie ohne Beyhuͤlfe des Orakels 
gegen die vier berüchtigten Gegenden 
ausftreuen wird, über den Verfall der 
Wochenfchriften zu weinen, aber Na: 
tur iſt es, zu lahen, wenn man die 
deutſchen Schildträger des enalifchen 

Mikes, 


GEREHWRZESTIIEN 
ua 129 


Witzes, die fich Ajaxe nennen, weil fie 

mit ihren ungebeuren Steinen wider 

die Ehre eines Heftors, Steele und 

Addiſon zielen, beym Aushohlen fallen 

fiebt, denen fein Apollo zu Hülfe koͤmt. 
106 dünring eferavudy — 

— nude woswcev AroAwv, 
Holbein, ‚der Schweizermaler, zeich: 
nete einen Deutfchen, der fich bald in 
der rechten, bald in der linken Seite 
fißelte, daß ihm vor Sachen der Bauch 
fohütterte, und ein englifcher Epigram: 
matiſt würdigte die deutſche Figur eines 
Sinngedichts: 

Vter eſt inſanior horum? 

Haͤtte der Englaͤnder die Figur vorge⸗ 
ſtellt, und der Schweizer das Sinn⸗ 
gedicht gemacht (denn Schweizer ſind 
Deutſche): ſo wuͤrde die Allegorie ein 
Goͤtzenbild von Iſaak Bickerſtaff ſeyn, 
mit dem die groteſke Iſis ſelbſt nicht zu 
vergleichen wäre. So bald der Deut: 
fhe den Dritten von jenem feltfanen 
Pferde, aus defien Huf eine Silber: 
Der Hypoch. 1. T. J quelle 


— 


130 — 


quelle entſpraug, auf uns herab ſchau⸗ 
en ſieht, es ſey nun, daß er nach Profe, 
oder der Sprache der Goͤtter ausſtreift; 
ſo beſteigt er ſeinen eignen entkraͤfteten 
Hyppogryph, 


imitatorum pecus! 


nach der ironiſchen Stelle des Arioſt: 


‚Allor che fempre I’ Ippogrifo il tenne 

Sopra il mare, e terren vide di rado; 
und dann, Teider! zu früh: 

Cade a terra il cauallo, e il Caualiero, 


Der Verfaſſer hat das umgekehrte Fern: 
alas der Entſchutdigung vor das 
Auge des Leſers gepflanzt, um den Ge— 
genſtand ſeiner Nachtwachen, und die 
Schrauben, womit er dieſen Gegen— 
ſtand zum Springen bringt, drey Ru— 
then weit zu entfernen. Das Raͤthſel 
ift leicht aufzulöfen. Young räth eine 
Are der Nachahmung an, die mit dem 
Urbilde fireiter, und mein Liebling, der 
wahrhaftig fcharffinnige Herr Hamann 
hat nach dieſem dioptrifchen Verſuche 

ein 


— 131 


‚ein Klaggedicht an ein Frauenzimmer 
auſſerhalb Landes angeſtimmt, worüber 
die Felſen unſerer Wangen ſich regen 
moͤgten! Der Hypochondriſt lenkt et: 
was tiefer ſeitswerts in den Schatten 
ein: er kann ſagen, daß er nachah— 
me, ohne daß Jemand es ihm glaubt, 
wenn er auch mit tauſend Zungen re— 
dete: | 

— era ror dwue Jeog neyedos re Binv- 

TE HU MIYVUTNV. — HOMER. 
daß er ſich aber in die dunkle Ferne der 
Hypochondrie verbirgt, um den Blick 
des Leſers nicht zu ſchmerzhaft zu 
öffnen, davon bat Mofchus die Ur— 
fache angegeben: 

Ovx ederw Fepos juey" Emei ronaw' ühıog 

orrY. | 
Es thut wohl — man glaube der 
emſigen Erfahrung eines Kunftrichters, 
der Nachtftücke liebt, - 

"Avınz unrs upuos, y0 dus aus 
| Sœpuvei. AMOSCBRVS. 
Unſre Schoͤnen moͤgten ſich in ihrem 

2 wols 





132 


wolluͤſtigen Groll wider die Runzeln 
eine Warnung geben laſſen, daß das 
glatte, leere und unbaͤrtige Antlitz ihrer 
Kleinmeiſter nicht immer ihren Ermwar: 
tungen entſprechen Fönne; dag man aber 
Leute mit Baͤrten und krauſen Stirnen 
gefunden habe, die den Grazien etwas 
mehr, als Weihrauch oder Salz, opfer⸗ 
ten. Wäre der Hypochondriſt mit ver: 
ſtaͤrktern Zügen die Maffe eines Trau⸗ 
erfpäels; fo würden ihm weder die Gott— 
heiten der foge, noch das menfch 
fichere Parterre, noch die Buch laͤ— 
den erlauben zu lächeln: aber Steele 
konnte fich fein mürrifches Gtillfchwei: 
gen in einer Gefellfchaft der Schwärmer 
vorwerfen lajfen, ob er ſich gleich einen 
Schwaͤtzer nennt: * 
Dum tacet, clamat. 

Wuͤrde er ſonſt in dieſe panegyriſchen 
Schwuͤnge auf die Gegenfuͤßler ſeines 

Titelblatts ausgebrochen ſeyn? 
Silence is fometimes more ſignificant 
and fublime, than the moft noble and 
moft 





moſt exprefiiue Eloquence, and is on 
many Occafions the Indication of a 
great Mind. 
THE TATLER, Vol.4.Pa8. 78. 
Man wende den Fall um, und das 
Motto handelt vom Hypochondriſten. 
ch würde die Beſtandheit des Cha⸗ 
vafters in affen Organen und zerftückten 
Gliedmaaſſen eines wöchentlichen Au— 
tors dulden fönnen, wenn erindire- 
cte fire feine Zeit fehriebe, und mit ei: 
nen behenden Seiteafprunge zwey Jahr⸗ 
taufende herunter in das Alterder Örie: 
chen auswiche. Hier würde er die bufte 
des Geſchmacks mit dem ſanfteſten Fin: 
gerdruce, oder dem gelindeften Meif: 
ſelſchlage zu der feften Beſtimmung des 
fimplex und vnum unfers Horaz aus 
bilden Fönnen. Sch felbft, ohne ein 
Michel Angelo oder Dhidias zu feyn, 
habe mich an diefe Bildhauerarbeit ge: 
wagt, die man vor manem Schreibe: 
pulte finden kann. Den Befchluß mei- 
ner Vorrede machen folgende Zeilen aus 
u u deim 





134 


dem Marot , die zur Grabfchrift vn 
Verfaſſers dienen koͤnnen: | 


Viateug, ei defloutz gift un foleil: 
A quoi tient-il que ne meines long, 
dueil; | 
Quand tu entens fa vie. Baer ? 
N’as tu encor entendu, renomee 
Par les Climatz quifon renom infigne 
Va publiantä voix,trompe etbucceine? 
Si as pour vray: mais fi grande eft 
la gloire | 
Qu’en as ouy, que tu ne le peulx 
croire. | 


* wm 

Va lire done ( pour en eſtre aſſeuré) 

Ses beaulx efcritz de ftyle meſuré: 

Lors feulement ne croyras fon hault 
prix, 

Mais apprendras, tant fois tu bien 


appris. 
Sitefera fon bruit tout v eritable 7 


Et la grandeur defes faitz proufhita- 


ble, 
zu: 


— 
— — 155 


Zugabe von Zacharias Jernſtrup. 


Allen wacern | Leſern zu gefallen, die 
dieſe u yergleichliche Vorrede nicht ver: 
ftehen konnen, merfe ih an, 


J. Daß Hr. Ohluf die Nachabmer 
des Steele und Addiſon als elende Streis 
ter anſieht, die, anſtatt die Ehre ihrer 
Originale durch ihre Kopien zu erheben, 
derſelben gerade am nachtheiligſten ſind; 


2. Daß’ es nichts weiter, als eine 
lobenswuͤrdige Befcheidenbeit, vom mir 
fen, wenn ich mid) einen Nachahmer 
des Bickerftaffs nenne. 

3. Daß’ es einem Suhehönsfirken } 
- der eih Wochenblatt ſchreibt, erlaubt 
bleibe, zu ſcherzen, ohne dadurch wider 
feinen Charakter zu verfioffen, 

4. Daß Hr. Ohluf zu feiner eigenen 
Erbauung an einem fliegenden Blatte 
arbeite, welches die Farbe der griechi— 
{hen Jahrhundert annimmt, und bloß 
ein mimiſches Spiel ſeines Witzes iſt. 


J 4 5. Daß 


ae 





I 36 


5. Doß Hr. Ohluf meinem- Bhnfi: 
ſchen oder moraliſchen Tode mit Schmer⸗ 
zen entgegen ſehe, um mir eine franz 
zoͤſiſche Grabſchrift von alter Orthogta⸗ 

phie ſetzen zu koͤnnen. | 


Wie leicht ift mir das Herz, daß ich 
meinen Leſern auf dieſe Art eine Idee 
von dreyen der wunderbarſten Maͤnner 
gegeben habe, von denen man je in ei— 
ner Wochenſchrift leſen kann. Kuͤnftig 
werde ich nach eben dieſer praktiſchen 
Methode die Charaktere meiner uͤbrigen 
Freunde auszumalen ſuchen, um nichts 
vorbey zu laſſen, was man von einem 
guten Nachahmer des Addiſon erwarten 
koͤnnte, teil es ein Werk ohne Exem⸗ 
pel ſeyn wuͤrde, eine Wochenſchrift zu 
finden, deren Verfaſſer nicht eine Menge 
von ſeltſamen Freunden gehabt. 





Sechs⸗ 


* L 
F 


— 137 
— 
Scqan Stuͤck. 





be m EUEME Mn TIB 
fl 4 Ryst i e r ihr 2 Ds 





er 
Vorlaͤufige Nachricht. 


Leute erhalten meine $efer sie erſte 
+ Sammlung von den Verſen und: 
iebesbriefen meihes Neffen ; die ich int: 
dritten Stürfe gewiſſermaaſſen ver: 
forechen hatte. Als ich juͤngſt nicht 
einfchlafen konnte, hörte ich bey der 
angenehmen Nachtftilie, die durch den 
filbernen : Glanz des Moudes eine ges 
wiſſe Feyerlichkeit angenommen hatte 
an der andern Seite des Hauſes auf 
einem Eckzimmer eine fehr angenehme 
un blafen; ich vrmuthete gleich, gu 


x 





138: 


es der zärtliche Juͤngling/ der Schäfer‘ 
von den Serafteupifchen Fluren, ſeyn 
müßte, ob. es mich gleich befremdete, 
ihn noch ſo ſpaͤt zu hoͤren. ch glaube 
nicht, dog Quanz felbft jemals ſchoͤner 
geipielt- hat, als er den Abend fpielte. 
Er fiel aus, den rauheſten und widerſiu⸗ 
nigſten Tönen, die gegen einander zu 
ftreiten ſchienen, plöglich in eine recht 
entzuͤckende Melodie, und fchleifte jeden 
fanften zärtlichen Ton mit einer fo un: 
gemeinen Anmuth, daß ich, fo wie ich 
im Bette lag, vor Bergnügen: bäpe) 
zerſchmelzen mögen. Dann braufte e 
wieder niit dem gaitzen Nachdrucke feiner 
verliebten Berzweiflung,' und mit fo‘ 
mannigfaltigen Laͤufen, Zungenfchlägem 
und Bebungen, in die Tiere herunter,» 
daß ich mic) zuweilen indie phrygiſchen 
Waldungen der Goͤttinn — entriſe 
en glaubte, 


Vbi eymbalum fonät vox, * tym- 
pana reboant, . 

Tibicen vbi canit Phryx curuo graue 
calamo, 


s Vbi 


Vbi capita: Maenades vi iaciunt he- 


„derigerae, 
Vbi fdera fancta acutis vlulatibus i 
w agitant. 
CATVLL. 


&s war * möglich, bei einer fo leb⸗ 
haften: — zu ſchlafen; ich ſtand 
auf,/ ſcherzte mit ihm uͤber ſeine 
ſuͤſſen — welches ihn fo aufge 
räume machte, daß er mir aus eigner 
Bewegung ein kleines Buch aus ſeinem 
Pulte brachte, worinn alle feine Briefe 
und Verſe, nebſt den Antworten ſeiner 
Daphne, in chronologifcher- Folge auf 
ferordentlich fauber abgejchrieben was 
ren. Es war in dem Eleinften Duodez, 
und in fchwarzem Atlas mit Gold durch: , 
wirft eingebunden. Inwendig am Ran⸗ 
de der Blaͤtter, wozu ſehr feines Der: 
gament genommen worden, war Laub: 
und Muſchelwerk, nebft dem ‚ganzen Ä 
Kriegsgeräthe der Göttinn von Amas 
ehunt, gezeichnet; viele Zeilen. waren 
mit goldenen Linien unterftrichen; und. 
gewifl e ftarfe Ausdrücke auf fo mancher: 

ley 





140 en 


ley Art bald roth, bald blau, bald gruͤn, 
bald mit Gold bemalt, daß es völlig 
das Anſehen einer fhönen Moͤnchsſchrift 
aus den vorigen Jahrhunderten hatte, 
Die Briefe ſelbſt hauchten eine recht cn: 
tulliſche Zaͤrtlichkeit, und waren auf eine 
ſo beſondere und gute Art verbunden, 
daß ich mich wundere, wie noch kein Ro⸗ 
manſchreiber auf dieſe unſchaͤtzbare und 
nie genug zu preiſende Brief- und Mo— 
nofogen: Methode — iſt. 


Ich freue mich immer, wenn ich jun: 
ge seute ſehe, die ein, edles umd zärtliz 
ches Herz haben. Edelmuth, faat ein 
berühmter Engländer, ift die wuͤrdigſte 
Eigenſchaft der Seele, fo wie die Liebe 
ihr ſchoͤnſter Affekt; indem die Teßtere 
ganz allein beftimmt ift, einzelne Men: 
ſchen gluͤcklich zu machen, beſchaͤftigt 
ſich die erſtere, ihren milden Ausfluß 
uͤber die ganze Welt zu verbreiten. Man 
wird ſich alſo nicht wundern duͤrfen, 
daß ich ſo gerne davon rede. 


Nichts 


ee 141 
Nichts iſt phantaſiereicher und von 
mehrern Einfaͤllen, als die Liebe: we⸗ 
nigſtens iſt es die Kebe meines Ne fen 
Es ift ein-groffes Vergnügen, die? Ber: 
zierungen des Zimmers zu betrachten, 
in welchem er fein Siebesarchiv verwah⸗ 
ret. Oben über feinem Schreibpulte 
ift eine artige Sammlung von Con 
chylien, nebft gefchnißten Liebesgättern 
and eypriſchen Gruppen. Das Pult 
ſelbſt ift aufder einen Seitevom Schranz 
fe mit einer Benus Anadiomene, auf 
der andern mit einer Venus Victrix 
gemalt. Zur Rechten ſteht ein Klavier 
von Satyrn getragen, aufdeflen Deckel 
Dryaden, Grazien und Napdentanzen. 
Zur Linken ſteht ein Eleiner Büchervor: 
vath, worinn die beften Schriftfieller 
der Siebe gefammelt find, die nachihrem 
verfchiedenen Inhalte mit ihren Bän- 
den einen fo bunten Zierrath machen, 
daß man auch ohne Tirelausdem Stem: 
pel beynahe errathen Fann, wovon fie 
handeln, Anakreon und Gleim ;. E. 
find 





142 — — 


ſind in roſenfarbner Seide gebunden, 
und auf dem Ruͤcken werden Rofenfnei- 
pen, Köcher und Pfeile gejeben. Des 
Mufäus Hero und Leander hat eine 
biäffere Roͤthe und zerbrochene Pfeile; 
Chaulieu, Greffet, Hagedorn, Weiſe 
1. ſ. wiitragen grüne Uniform, Rohr— 
flöthen undtauten; Ovid und Bernard 
fchwarzen Sammer, und antife Volu— 
mina, u. |. m. Unter dem Spiegel 
hängt eine kleine Kapfel, welche, wenn 
fie geöffnet wird, das Miniarurgemäl: 
de feiner reizenden Daphne enthält, und 
gemeiniglic vor unheiligen Augen vers 
fchloffen ift. "Rund umber im Zimmer 
fieht man einige fchöne Liebesgemälde 
von Guido Reni, nebft einigen der be- 
ften verliebten Kupfer von Strange, 
Es ift Zeit, das ich die Briefe felbft 
mittheile. Die Zufüße meines Neffen 
zu feinen riefen, welche Unterhaltuns 
gen mit fich felbft heiſſen konnen, find 
mit gröfferm Drucke bemerft worden. 


Erſter 


ee 3143 


Erſter Brief. 
mein undergleichliches Mädchen! wie 
zittert mein Herz vor Entzuͤcken in mir, 
da ich Ihnen dieſen erſten Brief fe hreiben darf! 
Liebſte, theureſte, beſte Schoͤne! was ſoll ich 
Ihnen ſagen? Ihre Silberſtimme, mit der 
Sie mir ſo naiv erklaͤrten, daß ſie mich lieb— 
ten, tönt noch mie Muſik in meinen Ohren; 
Muſik find meine Gedanken; was ich vede, 
wird Muſik, und mein Herz huͤpft nac) einen 
gefchwindern Takte. Es ift unmöglich! ob 
ich Sie gleich weit über alles, was Sie fich 
vorſtellen Fönuen, liebe, fo kann ih Sie doch 
nie genug lieben. Sie, die zartefle, anmu— 
thigſie, ſanfteſte und edelmüthiafte Schöne, 
Sie, die verfchönerte Natur in weiblicher Bil- 
dung, eine sechte Grazie ihres Geſchlechts — 
und die Meinige! — O wenn mein Blicf an 
Ihrem Munde , Ihren Nofenwangen, ihren 
holden Augen hängt; wenn ich höre, wie an- 
muthig Sie reden, wie alles, was Sie fagen 
und thun, ein Ausdruck der edelften fchöniten 
Seele ift: was geht dann alles in meinem Ders 
zen vor, mas Feine Feder befehreiben, Fein 
| Mund 


Wh 


144 en 


Mund ausſprechen kann! — Und iſt es wahr, 
daß Sie mit dieſen Reizungen Ihres Koͤrbers 
und Ihrer Seele ganz, uneingefchräuft Sie 
‚Meinige find? — Zuͤngling, verjage den 
fiolzen Traum! fürchtet du nicht, DaB die 
Welt beneiden wurde? — 


Sch Eonnte nicht mehr fchreiben: es 
fiatterte mir vor den Mugen, — ge⸗ 
fhwind das Siegel aufgedruͤckt! ge⸗ 
ſchwind weg mit dem Briefe! und dann, 
Herz! dann ſey ruhig! 

Es iſt unmoͤglich, ob ich Sie 
gleich weit uͤber alles, was Sie 
ſich vorſtellen koͤnnen, liebe, ſo 
kann ich Sie doch nie genug lie— 
ben. — Wahr! beym Himmel! Es 
gehört ein Reichrbum der Empfindung. 
dazu, alle ihre Vorzüge zu lieben, 

More er. moft fair, full of theliving 

ıre, 
Kindled above, unto the Maker.near; 

No Eyes, but Joy s, in which all Po- 

wers confpire, 
That to the World nought elfe be 
counted dear, 
Thre 


Ya ——— 145 


Thro” your bright Beams doth nor the 
blinded Gueft 
Shoot out his Darts to bafe Affe- 
etion’s Wound, _ 
But Angels come to lead frail Minds to 
reft 
In chafte Defires, on heavenly Be- 
auty bound. 
You frame my Thoughts, and faf hion 
me within; 
You ftop my Tongtie, and teach my 
| Heart to fpeak; 
You calm the Storm that Paffion did 
’ begin, 
‚Strong thro’ yourCaufe, but ne your 
Virtue weak. 
Dark is the World, where yonr Light 
fhined neyer; 
Well is he born, that may behold you 
ever! ; 
SPENSER. 


RR 
3 


Der Hypoch. x. T. K Eine 





146 — 


Eine rechte Grazie Ihres Gr 
ſchlechts: 
Qualis Idalium colens 
Venit ad Phrygium Venus 
Iudicem 














Floridis velut enitens 
Myrtus Aſia ramulis, 
Quos Hamadryades Deae 
Ludicrum ſibi roſcido 
Nutriunt humore. 
Talis in vario folet 
Diuitis domini hortulo 
Stare flos Hyacinthinus, 








— 4 














Ore floridulo nitens 
Alba parthenice velut 
Luteumue papauer. — 
| CATVLL. 
D wenn mein Blick an Shrem 
Munde, Ihren Rofenwangen, 
Ihren bolden Augen u 





147 


— Sch ſah Sie im vorinen May auf 
einer Raſenbank in er Grotte ſchlum— 
mern. 


Sie fihlief, und mweit und breit 

Schlug jede Dlam ihr Haupt sur Erden 

Aus mispergnägter Traurigkeit, 

Don Dadhuen nicht geſehn zu wurden; 

Sie fölief, und weit md breit 

Erſchallten Feine Nachtigallen, 

Aus weiſer Furchtſamkeit, 

Ihr minder zu gefallen, 

Als ihr der Schlaf gefiel, 

ls ihr der Traum gefiel, 

Den fie vielleicht ige traͤumte, 

Don dem, ich hoff «8, träumte, 

Der ftaunend bey ihr fand, 

Und viel zu viel empfand, 

Um deutlich zu empfinden, 

Um noch es zu empfiuden, 

Wie viel er da empfand; 

Ich ließ mich fanfte nieder, 

Ich ſeguete, ich kuͤßte fie, 

Ich ſegnete und kuͤßte wieder, 

Und ſchnell erwachte fie. | 
KR 2 Schnel 


148 nn. 





Schnell thaten fih die Augen auf. 
Die Augen? — Dein! der Himmel 
that ich aul 


Leſſing. 
Fuͤrchteſt du nicht, daß die Welt 
dich beneiden wuͤrde? — Ge— 


wiß! die Welt, die ich nicht beneide, 
de groſſe Welt würde mic) beneiden, 

Weunn Könige bey folgen Freuden 

Ihr Aug’ am Pomp der Höfe weiden: 

So will ich nicht ihr Glück beneiden! 

Sie follen nicht mein Mädchen ſehn, 

Sonſt würden mich die Könige beneiden, 

Berauſcht von mehr als Götterfreuden, 

Will ich den Himmel fich rings um mich 

drehn, 

Will ich in meinem Arm — mein Mid: 

chen lächeln fehn. 

Alles, was die Schöne fpricht,, ihre 
Art zu handeln, ihre Gedanken felbfi 
will ich aufjchreiben, und mich daran 
laben. Nenn ich fie nicht ſehen darf, 
fo will ich mir doch das zueignen, mas 


ihr 


en urn sun rn a 149 


ihr nichtmehr gehoͤrt, ihre Worte, die 
in der Luft an meinen Ohren herum 
ſchwaͤrmen, ihre Blicke, die mir wie: 
tiebespfeile vor den Augen blißen, und 
jede Mine, die ihren Wangen entwifcht, 
Sie foll vor mir ſchweben, und ein 
neues Weſen auf dem Papiere anneh: 
men, fich vervielfältigen, um unend: 
lich mein zu feyn, und wenn ich fchlafe, 
fo will ich ihr wertbes Bild im Trau⸗ 
me erhaſchen. 


Nocturnis ego fomniis 
lam captam teneo; iam volucrem 
ſequor 
Te per gramina 
Campi, te per aquas, cara, volu- 
biles. 


Die füffe Muſick ihrer Stimme, 
wenn fie am Klaviere fingt! O Venus 
Apbroditel als Jens Sernfirup, jener 
glücklichfte unter den Amorn, der Amor 
in Daphnens Klavier, war, der ihre 


Melodien erft ganz Teife nachhallte, 
83 dann 





s50 —— 


dann kuͤhner unterbrach, dann! dann 
den toͤnenden Pfeil in Harmonien ge 
taucht von der Silberſaite abdrücte: 
D mehr als Venus Aphrodite! Venus 
Urania! noch Sinen folchen ‘Dialog der 
Entzuͤckung! nur Einen! | 
So hub, nach mancherlen unſchluͤſ— 
figen namenloſen Phantafien ihrer klei— 
nen runden Singer, ab! tie fie.an den 
innerſten Saiten meines Herzens huͤpf— 
ten! fo hub Daphnens füffe Stimme ans 
Sch will nicht lieben! 
So hallte der unfichtdare Amor im Clas 
viere ihr leife nach: 
Sie will nicht Tieben! 
So fuhren wir fort, und noch wußte 
Daphne nicht, wer die Stimme zwi— 
fhen den Saiten war, die ihr nach- 
hallte: | | 
Daphne. 
Die Lieb hat Schmerzen: 
Ich will nur ſcherzen! 
Amor. 
Sie will nur herzen! | 
Daph⸗ 





151 





\ 


Daphne. 
Sucht andre Herzen, 
Der Liebe Schmerzen: 
Ich will nur ſcherzen; 
In meinem Kerzen 
Iſt ja Fein Raum für euch! -_ 
Umor. | 
Sn ihrem Herzen 
Iſt doch wohl Raum für euch! 
Daphne. 
Zönt , meine Sximme zu begleiten , 


Ein Gott aus ie u Silberfaiten ? 


Am 

Befeelt RR Mund I Goͤttinn euch 

Zu Tönen ‚ ihren Tönen gleich? 

IBeide. 

O Wander, Zaubereyen gleich: 
Daphne. 

Wo aber, ach! wo biſt du, Stimme? 
Amor. 

Im Tanz der Saiten tanz ich Stimme! 


Huͤpf auf mit der zitternden Sait', und 
ſchwimme 
Im Strohme deiner Hand daher! 
Nun rathe, wer ich bin — 
K 4 Daph⸗ 


AMA 





152 


Eee“. 
ch! wer? 
J or. 

Ich Fonime fernher über Meer. 

Wellen, die fich jagen, 
Haben mid) getraoen: 
Eine Berlenmufchel war mein Wagen. 
Mathe, wer ich bin — 
Daphne. 
Ach! wer? 
Amor. 

Auf Sonnenitrahlen flatt’r ich her. 
Meines Flügels Düfte 
Tränfeln durch die Lüfte: 

Doch ihr, Mädchen, nennt fie Nofendüfte. 
Rathe, mer ich bin — 

Daphne. 
Ach! wer? 
Amor. 

Mein Rüftzeug ift ein Köcher , ſchwer — 
Schwer von goldnen Pfeilen, — 
Nfeilen, die ſchnell eilen, — 

Eilen, ſchnell dein Herz mit mirzutheilen. 
Du haft mid — 

Daph—⸗ 





153 


Daphne. 
Ach! wer bift du? wer? 
Ahi! ich bin verlohreu! verlohren! 
| Beide 
Ein Goͤtterknabe, neugebohren, 
Stemmt au die Sait' ein Fleines Knie 
Spannt fie in Bogen! Ahi! abi! 
.. Daphne. | 
Pfeile, die mein Herz durchbohren, 
Fliehn von der Sehn! Ich bin verlohren ! 
Abi! ich bin werlohren! verlohren! . 
Du aber, Kuabe, lachſt! Abi! 
Daphne und Amor. 
So ſiegt die Gottheit Harmonie! 


Ich erhalte keinen Brief? — 
Brief? Wie iſt das mit der Schoͤnen? 
Will ſie mich hintergehen? Ich muß zu 
ihr; und haſſen will ich ſie, wenn ſie 
ſich nicht rechtfertigen kann. 

O Goͤtter! nun iſt es gewiß! nun 
bin ich der glaͤcklichſte unter allen Sterb: 
lichen. O ich finge! ich ſchwaͤrme! ich 
fliege aus mir ſelbſt, aus dieſem traͤgen 

K5 Koͤr⸗ 


154 —z 


Körper heraus, der meiner nicht werth 
ift, wenn ein einziger Blutstropfe dar; 
in wallt, der nicht: von Liebe glüht. 
Ein Kuß! ein Kuß! — 


Unruhig und von Ungeduld umher 
getrieben, ließ ich mir meinen Baiar—⸗ 
do aus dem Gtall bringen, und das 
edle Pferd eilte mit. mir fo fehnell, als 
wenn die Liebe ihm ihre Flügel geliehen 
hätte, fo leicht, als wenn es auf Wol: 
Fey liefe, nach dem Garten meiner Ge- 
bieterinn,. Kaum hatte ich dig Garten: 
thuͤre geöffnet, als ich hinter einer He: 
cke bey dem Fleinen Forellenbache ein 
Geräufch hörte, wie wenn Jemand er: 
fehricke, und Furz darauf — D mein 
fchwellendes Herz! was fühlteft du bey 
dem Anblicke? — die fchönfte Blume 
des Gartens in ihrem Liliengewande 
bervorfchimmern fah. Allerbeſte unter 
den Schönen! werden Sie mir meine 
Ungeduld verzeihen, Kiebſte! Liebſte! 
werden Sie? — 


Sie 





155 

Sie überfallen mich, Jernſtrup! — 

Ein Ueberfall der Liebe. Koͤnnen Sie ver— 
langen, das meine, Seele ist ruhig ſeyn (ou? 
Vebertreiben Sir Ihre Soderungen nicht, mein 
ſuͤſſes Mädchen! erinnern Sie ih, daß Sie 
es mit einem fehr ſchwachen Juͤuglinge zu hun 
habe, der nur,gin halbes Leben beſitzt, wenn 
Sie ihm fehlen, weiber ſchlechterdings nur in 
Ihnen lebt, athmet und empfindet. 

Mir deuht, Sie reden wie ein Roman: 
aber ich ſtelle mir wor, die Liebe hat bey euch 
Leuten immer ihre Schaͤferſprache. Sagen 
Ste mir nur, was Sie wollen? 

Bas ich will? Ihr Herz! Ihre Briefe! — 
Säfte, Sie werdin mir doc nicht dieß Labſal 
verfagen wollen ?—— Shren Kuß — 

Gewalt! Srevler! Sie unterſtehen fih --- 

Und nod) einen; Allerliebſte, und noch eis 
nen —- Ich wellte mich cher muͤde zählen, 
als zu kuͤſſen aufhören. ---- Allerlichfies Maͤd⸗ 
en! ach! mein, mein Mädchen! -o Himmel! 

‚Gehen Sie, Jernſtrup! ich bitte Sie, fie 
ber Jernſtrup, geben Sie! warum kanꝛen Sie 
her? 

Ver⸗ 


# 


156. — 


Verſprechen Sie mir, daß Sie mir fchrei- 
ben wollen, und alles foll gut ſeyn. 

Sch habe es Ihnen verfprochen; verlaffen 
Sie mich, mir Fönnten belauſcht werden. 
Gute Naht, Jernſtrup! Sie follen morgen 
meinen Brief haben, ift das nicht genug? O 
es iſt mebr, als ich irgend einer Mannspers 
fon auf der Welt einräumen wollte. —— 

Noch ein einziges Küfchen — Engel wie 

reden Sie? — 3 

O mein liebfter Jernſtrup, Sie haben, 
ie ich ist febe, zu viel Macht über mein 
Herz: verlaffen Sie mid, Sie hätten nicht - 
fommen follen. Gute Nacht, mein Geliebter! 
morgen follen Sie meinen Brief haben. 

Und fo flog ich, wie ein Zephyr, von 
ihrem fehönen Halſe. — Theuerfte, 
was ich fchreibe, wird die Sprache der 
Götter! 

Auf Daphnens erſten Ruß. 
Als ich, Seliger! den erfien ihrer Kuͤſſe 

Durch Bitten halb, und halb durd) fanf: 

ten Zwang, erwarb: 

Was war mir, daß ich nicht vorFreuden farb? 

So voll Ambroſia! o fo nektariſch ſuſſe 

n 





157 


Und — Wonne! Wonne! Wonnel —- 
der Erfiling ihrer Kuͤſſe! 

D Götter, hätt’ ichs je geglaubt? 

Ein Kuß, erquickender, als Cyhperns Neben, 

Und wuͤnſchenswuͤrdiger, als Keben, 

Ein folcher Kuß, nicht ganz geraubt, 

Und auch nicht ganz gegeben ! 

Zwar fcheiterte, zu voll von Lich’ und von 

Verlangen, 

Mein Mund an ihren Purpurwangen; 

Ganz hingeriſſen, wie von einem holden 
Traum / 

Erkannt' ich ihre Lippen kaum: 

Allein die Kuß⸗ und Liebesgoͤtter, die wie 
auf einem Waftenplag, 

Geruͤſtet mit dem Kußgefaͤß in dichten krie— 
gerifchen Schaaren, 

Um ihren Mund verſammelt waren, 

Eröffneten für mich der Lippen ganzen Schatz: 

In dieſem Einen Kup enpſam ich tauſend 
Kuͤſſe, 

Voll von Äh Ar ai Ban 
‚ füge! 


Dad), 


158 — 


Doch, Venus, wenn ſie nun, die edelſte 

der Schoͤnen, 

Mit zauberiſchen Silbertoͤnen, 

So tonreich ---- ach! fo ſchmelzend fuͤr mei⸗ 
ne warme Seele, 

Wie ihrer Freundinn Lied, das Lied der 
Philomele, — 

Wenn ſie nun, Venus, zu mir ſpricht: 

Ichliebe dich, mein Juͤngling, zweiſſe nicht! 

4 Dein Herz iſt meiner werth; es auhtreu 
4 edler Triebe, 

u nd Fennt Fein Gluͤck, als meine Liebe; 

Danimm siein Herz; es ſoll ganz dein, 

Ganz nur für dic) Empfindung fegu ! 

Nimm meinen Kuß, nimm mid -— 5 
Und wenn fie dann, o Liebe! 

Die ſchoͤnſten Nektarlippen auf meine Lippen 
druͤckt, 

Und mich begeiſtert, mich zu ſehr entzuͤckt, 

Und ich an ihren Buſen finfe, 

Und deinen, deinen Tod aus vollen Kel— 
chen trinfe: | 

O! —— laß mich dann, beraufcht von allen 
dieſen Zügen, 

Cytherens Königin! nicht ganz —— 


ne 159 


Erwecke plöglich mich durch deines Amors 
Spiele, 
Daß ich den Kuß noch lebend fühle! 


An meinen Sernfirup. 
—9 Liebe hat ihre Pedantereyen, jagt meine 
Mutter, fo gut, wie die Gelehrſamkeit. — 
Ich habe ihr unter allen ihren Sprüchen dieſen 
am wenigiten geglaubt: Sie hat aber Recht, 
ich verfichere Sie, Jernſtrup! Dieß iſt der dritte 
Briefbogen, den ich anfange, und vermuthlich 
eben fo wenig vollenden werde, wie die beyden 
erſiern. Warum kann ich nicht fehreiben ? — 
Ruchloſer! Sie haben mic) aus meiner Faflung 
gebracht. Vorher [waste ich, lachteich, fpielte 
ich, fehrieb ih — Ärger, als Tante Grete. — 
Jetzt, fagen Sie mir , was haben fie mit mir 
vorgenommen? wie feltfam! wenn das wirk: 
lien Liebe ift: fo bin ich ſehr übel mit der 
Eiche zufrieden. 

"Deefle de Cythere, je cherche la foli- 
tude, les jeux de mes compasnes ne me 
plaifent'plus. Jaime peutetre. Ah! Si 
Taime quelqu'un, ce ne peut-&tre que 

Daph- 





160 


Daphknis. Erinnern Gie fih diefer Stelle, 
min Daphnis? — wollte ich fagen, mem 
Jernſtrup? — 

tun aber möchte ich wiſſen, warum ich dieſen 
Drief ſchreibe. Seh lachte geſtern, da ich den 
Sforigen erbielt, überlaut; es Fam mir zu 
drolligt vor. Es ift doch wunderlich, dachte 
ich, daß man ſich Briefe fehreiben muß, wenn 
man liebt. - Kan er mir. nicht gur feyn, ohne 
mir cs zu ſchreiben? Wie? wenn er es aber ver: 
ſchwiegen hätte — Himmel! (und hier mußte 
ich feufjen: warum das, Sernfirup ?) wie leer 
und finfier würde «5 in meinem Herzen ſeyn! ⸗ 
Und ich legre Ihren Brief, ohne es zu wiſſen, 
an mein Herz. 

Daß ih Sie nicht recht lieben fann ‚ das 
deucht mir, iſt wol gewiß: denn ic) erſchrecke 
immer, und werde roth, wenn ich fie Fonumen 
fehe. Warum follte ich aber vor Ihnen er: 
fehreiken, wenn ich Sie liebte? Meinen Bater 
liche ich doch ſicher: aber ih ſchwoͤre Ihnen, 
daß ich nie roch werde, wenn ich ihn ſehe. 

Vielleicht haſſe ih Sie gar, ohne es zu 
willen. —-- Fürwahr! nun ijiderSinoten gelöft! 

So 


161 


So iſts, Füngling, ich haffe dich ---- meg von 
mir! Des Ärgerfe mich in der Seele, als Sie 
mich geftern Abend fo oft kuͤßten! Wenn es ein 
einzigesaral gemefen wäre , ſo würde ich nichtg 
dawider haben. Aber fo oft! Sich vergaß dag 
Zählen darüber. 

Triumphiren Sie nicht über mich, ich bitte 
Sie! Meynen Sie, daß diefer Brief etwas be: 
deutet. Ich weite mie Ihneu, warım Sie 
wollen, daß man ſich auch ſchriftlich jagen Eönne, 
man haſſe fich. 

Geben Sie! ich Fann Sie nicht ausfiehen. 
Am allerwenigfien, wenn eg wahr feyn follte, 
daß ich Sie liebte. Wie wurden Sie auffchwels 
len! Stoljer! wenn mein Wort etwas gilt, fo 
fhmeichle Div nicht mit meiner Liebe. Ich 
wüßte doch nicht, was an Fhnen eben fo liebens⸗ 
würdig ſeyn follte. 

Da haben Sie meinen Brief: und nun er⸗ 
Elären Sie ihn, wie Sie wollen. 

An mein Mädchen. 
N as find Sie! das follen Sie bleiben! Sie 
bleiben! Sie mögen mich lieben, oder 
haffen. Denn ob ich gleich Ihre Gründe für 
Der Hypoch. 1. T. 8 wich⸗ 


162 — — 


wichtig erkenne, und erſt itzt, ſo deutlich, wie 
des Tages Licht, einſehe, daß meine Liebe zu 
Ihnen Haß geweſen iſt, ſo hoͤren Sie darum 
noch nicht auf, mein Maͤdchen zu ſeyn. Ich 
haſſe Sie, das iſt nicht mehr zu leugnen: aber 
Niemand ſoll ein Recht dazu haben, als ich, und 
darum ſind Sie mein. 

Weil die Sache alſo ausgemacht iſt, fo Fönnen 
wir unſere Rolle ein wenig anders ſpielen. Sie 
ſollen mich dieſe Woche nicht ſehen: ich will 
mit meinem Vetter nad) L. reifen, und die gauze 
Zeit über nicht mehr an Sie denken. Was 
wollten Sie aud) an mir fehen ? Sie lieben mich 
ja nicht; ich möchte auffchwellen, und über’ 
Sie triumphiren. 

O ſuͤſſe, reigende unſchuld! welch ein Kleinod 
bift du in der Bruſt eines jungen Srauenzims 
mers! Was it göttlicher, als ein edles zaͤrt⸗ 
liches und unfhuldiges Herz! Was hat der 
Himmel unter allen jeligen Geiftern vorzüg; 
lichers, als ein zartes Gefühl von dent, was 
edel und gut ift, als eine unbefleefte Zuneigung 
und reine Begriffe? Engel werden weiß geklei— 

det, 


Pr nun 





163 


det, weil Fe unſchuldig find, und meine Göts 
tin iſt die Lilie unter den Schönen. | 
Flieſſe, ich will dich nicht aufhalten, flieſſe, 
angenehme Frendenthraͤne! Ach! follte ichs 
nicht empfinden, daß dieſe Schöne die Mer 
nige ift? ö 
Dich bin ewig Ihr 
aͤuſſerſt verliebter Jernſtrup 
An meinen Jernſtrup. 
Calls wahr, mein Jernſtrup? Sie wollen 
9 nach L. reiſen, und mich nicht ſehen? Faſt 
moͤchte ich weinen! Sie ſind kaltſinnig gewor⸗ 
den, ach! ſonſt wuͤrden Sie mich nicht ganzer 
acht Tage verlaſſen wollen; und warum, beſter 
Jernſtrup! Gott! ich liebe Sie ja uͤber alles 
in der Welt, das konnten Sie ja wohl merken, 
ob ich Ihnen es gleich nicht ſo deutlich ſchreiben 
mochte. Ach! wie koͤnnte ich Sie haſſen: 
wollte Gott! dag Sie mein Herz weniger einge: 
nommen haͤtten, als Sie es --—- das betheuve 
ich Ihnen, und nun glauben Sie mir ---- zu 
ſehr, zu fehr! eingenommen haben. Darum 
reifen Sie nicht nach L. Geliebteſter meines 
2 t2 Her⸗ 


ne 


’“ > 





164 


Herzens! reifen Sie nicht! Ich würde Franf 
werden, und Gie würden mich blaß finden, 
wenn Sie wieder kaͤmen. Kranke Leute mögen 
Sie aber nicht fehen, wie Sie einmal fagten, 
weil Sie zu mitleidig dabey werden. Wollen 
Eie denn diefen Nachmittag zu mir fommen? 
wollen Sie, mein lieber Jernſtrup? Sehen 
Sie einmal, ich nenne Sie meinen lieben Fern: 
firup, und Sie wolltennach 2. reifen! Wenn Sie 
um drey Uhr nicht da find, fo werde ich Fran. 


Dun folgt eine traurige Scene. 
Werde ich das Herz haben, fie mir auf 
diefem Papiere wieder ins Gedächtniß 
zu bringen? O Sernftrup! o Böfewicht ! 
was haft du gerhan? und der Himmel 
weiß es, meine Meynung war doch nicht 
böfe ! 


ch hätte um drey Uhr Fommen fol: 
len, und Fam um fünfe. Hinc illae. 
lacrymae! Meine Schöne war unpaͤß⸗ 
lich; Sie hatte in dem erften Schrecken, 
da fie fo lange gewartet hatte, vermu: 
thet, 


thet, es fen Ernſt mit mir, und diefer 
Gedanke hatte ihr Herz angegriffen. 
Man lieg mir herunter fagen, Fräulein 
P. fen Frauf, fie bate diesmal um Ent: 
ſchuldigung. 


Sage nur, gute Liſette, ich muͤßte ſie noth— 
wendig ſprechen; ich wollte mich augenblicklich 
wieder beurlauben; ich kaͤme in Geſchaͤfften. 

Das Fraͤulein kann heute keine Geſchaͤffte 

anhoͤren. 

So frage denn, wann ich wieder kommen 

| foll. --- —-- 

Wann Sie belieben. Man bat Sie um dren 
Uhr erwartet; um fünf ift es zu ſpaͤt zu Ge⸗ 
ſchaͤfften: das Fräulein wundert fich über Ihre 
Langſamkeit. Sie glaubt, es fey mit Fleiß fo 
von Ihnen angelegt worden; fie will Sie heute 
nicht fprechen. 

Ich gehorche ihren Befehlen, fage das, ifefte. 
Iſt vielleicht font Jemand oben ? 

Niemand, als der junge ---- aus ---- — - 

Was? der Narr mit den rothen Abfägen , 
der vor zwey Fahren --—-- Mache meinen 

3 Reſpekt 


Tv a € 
Er 0 4 
rs 





Nefpeft an das Fräulein. Iſt cr —* al⸗ 
lein bey ihr? 6 

Sa. * 

Meinen Reſpekt an das Sräufein: ich wuͤrde 
den Augenblick fortreiten. 

Das Fräulein fagt, Ste möchten nur — 
kommen: die Kopfſchmerzen wären ein wenig 
vorüber gegangen. 

Deinen Reſpekt an das Sräufein! id werde 
nicht kommen. 

Das Fraͤulein laͤßt Sie recht ſehr bitten, 
nicht wegzureiten. | 

Meinen Reſpekt, fageich, an das Fräulein. 
Sie weiß zu fehr gelegener zeit Frank zu wer’ 
den. Adieu, Kifette. 

Here von Jernſtrup! Herr von Jeruſirup! 
Sch foll Sie um Gottes willen bitten, nicht 
wegzureiten. Das Fräulein bat Ihnen Dinge 
von der aͤuſſerſten Wichtigkeit zu ſagen. 

Das Fräulein bat Geſellſchafft: ich till 
fienicht fiören; ich will lieber fterben, als bin: 
auf Fommen. Meinen Reſpekt, und nun 
dien, Lifette. 

D meh! 


l 





167 


D weh! gütiger Himmel! mußte ich 
das erleben ! Falſche! Flatterhafte! 
Ha! wie mir das Herz im Leibe zittert! 

Kaum war ich zu Haufe, als ich ihr 
folgenden Brief ſchrieb: Faum mar der 


Brief verfiegelt, als ich folgenden von 
ihr erhielt. 


An das Fräulein By. 
" das muß ich geſtehen! Sie haben ein 
artiges Spielmit mir vor. Co naiv, 
mein Fräulein, und — ſo ein bischen falſch? — 
Ey, ey! es iſt mir lieb, daß ich nun weiß, wer 
Sie beſuchen darf, wenn Sie Kopfſchmerzen 
haben. Von mir keine Viſiten mehr! Nein, 
bey allen Heiligthuͤmern der Liebe! von mir 
nicht! Verwuͤnſchte Liebe! Abſchenliche Liebe! 
Du Tyranninn meines Herzens! peinige mich 
nur: ich will Sie doch haſſen, Untreue, Sie 
haſſen! Das iſt mein Ernſt, ſo wahr — — = 
aber was wollte ich mir die Muͤhe gebea, Ih⸗ 
rentwegen zu ſchwoͤren? Sch bin 
| Ihr 
gehorſamer Diener Jernſtrup 
t4 An 





168 


An Herren Sernftrup. 
aan Sie mir nicht mehr unter die Augen! 
Reifen Sie nach L. mein Herr, es ift Fein 
Menfh, der Sie halt. Sie wollten Fünftige 
Woche wieder fommen: wenn cd Ihre Ges 
fchäffte erfordern , jo übereilen Sie ſich unfernt: 
wegen ja nicht. Es iſt allerley in dieſer Stade 
zu ſehen; wie man ſagt, auch viele huͤbſche 
Geſichter. Verzeihen Sie mir, daß ich Ihre 
Abſchiedsviſite nicht annehmen konnte: wenn 
man um drey Uhr gebeten wird, jo koͤmmt 

man um fünf Uhr zu fpät. 

| Ihre Dienerinn 

P. 

An das Fraͤulein P. 
br Sie es nicht! Ob ich gleich nicht 
nach ’ 8. reifen werde (denn das hatte 
ich nur fo obenhin gefchrieben ), fo werde ich 
doch Ihre Augen durch meine Gegenwart nicht 
beleidisen. Sch weiß doch wohl, daß Sie 
mich haffen; und der Himmel ift mein Zeuge, 
ich verdiene es nicht. Der Himmel weiß, daß 
ih Sie zärtlich, o überfchwenglich en 
iebte. 


169 





liebte. Sie waren die Freude und der Stel; 
meines Herzens; ich Fannte Feine Ruhe, als 
die ic) in Fhren allzureizenden Augen fand, umd 
firich von dem Tage am, da ich Sie gefehen 
hatte, iede Minute aus meinem Leben aus, 
die nicht mit Ihnen befchäftigt war. Sie 
lieben mich nicht mehr, vder vielmehr, Sie 
haben mich niemals geliebt. Wehe mir ! daß 
ich Sie nicht vergeffen kann: wie wenig haben 
Sie ein fo treues Herz verdient, als das Herz 
Ihres | 
| Jernſtrup. 
N.S. Ich vergaß, Ihnen geſtern das Miniatur: 
gemaͤlde wieder zu geben, das Sie mir 
einmal ſchenkten. Wenn Sie es erlau— 
ben wollen, ſo werde ich es Ihnen morgen 
perfönlich abliefern. 


An Heren Sernftrup, 
h will das Miniaturgemälde nicht wieder 
I haben; meiner eigenen Rache wegen will 
ih es nicht. So oft Sie e8 betrachten, fo 
follen Sie an das Original denken, und iede: 
mal eine neue Folter in Ihrer Seele leiden, 
!5 daß 





dab Sie das allerzärtlichfte Frauenzimmmner, was 
icmals gelcbt hat, uud ganz nur für Gieges 
Schaffen zu ſeyn ‚glaubte, fo gefränft haben, 
Was ich befuͤrchtet hatte, iſt geſchehen; ich 
bin krank, ſehr krank, — o Jeruſtrup! viel⸗ 
leicht werden Sie nicht lange Urſache haben, 
vor mir zu fliehen , wie getern Abend. Iſis 
wahr, daß Sie nicht nach L. reifen wollten? 
Yus welcher Urſache ſchrieben Sie mirs 
denn? ⸗Doch wie ich frage, ich T Thoͤrinn! 
wollte ich Ihnen nicht gleichfalls rinbilden, 
das der Narr aus --— —-bey mir wäre! Ich 
dachte Sie für Ihren ſpaͤten Beſuch ein wenig 

zu kraͤnken, weil Sie mir jo viel Unruhe ge 
macht hatten: aber guter Himmel! ich ver⸗ 
muthete nicht, daß Sie ſo fertig ſeyn wuͤrden, 
meine Befehle anzunehmen. O gewiß! Sie 
kdunen mich nicht lieben, die Sache iſt gar zu 
klar: wuͤrden Sie wohl den Augenblick ohne 
weitere Erkundigung fortgeritten ſeyu? — 
Nir wird ſehr uͤbel. Es iſt wahr, Jernſtrup, 

ich bin kraͤnker, als ich ſeyn ſollte, und ſchaͤme 
mich, die Urſache zu willen. Leben Sie wohl: 
ich bin doc) nicht mehr Shore P. 
In 


171 





| 


An Fräulein P. | 

—— — Theuerſte — meinem 

Herzen theuerer, als Fuͤrſtenthuͤmer und 
Schaͤtze der Welt! Ach, Allerliebſte! verzeihen 
Sie mir! verzeihen Sie mir — Fußfaͤllig will ich 
Sie darum bitten, und mich ſelbſt verdammen, 
daß ich Schuld an Ihrer Unruhe — mie kann ich 
den Gedanken dulden? — Gott! an Ihrer 
Unpaͤßlichkeit bin. Schaͤndliche Eiferſucht! 
wie ſie mein Herz zerriſſen hatte. Ich dachte 
nicht an dieſe Folgen, ich wollte durch meine 
Saumſeligkeit nur das ſuͤſſe Vergnuͤgen ge— 
nieſſen, Ihre Ungedult ein wenig rege gemacht 
zu haben; und die Reiſe nach L. war, wie Sie 
ist beym erfien Anblicke bemerken werden, ein 
blofer elender Scherz: elend, das gefiche 
ich gerne, da er meine wahre Meynung fo ives 
nig verrietd. O wie liebe ih Sie! wie un: 
ausſprechlich! Ich muß zu Ihnen; zu den Fuͤſ⸗ 
fen Ihres Bettes will ich liegen, und uͤber Sie 
beten, und mich nicht von der Stelle bewegen, bis 
ich Sie wieder aufblühen ſehe, und neuen Fruͤh⸗ 
ling um mich herum empfinde. Allerliebſtes 
Mad: 





172 


Mädchen! — Hurtig den Brief geilofen, 
und zu Pferde! . 


as foll ich ſohen ? Ich wollte 
ſchneller, als Amors Pfeile, zu meiner 
ve Hälfte binfliegen: aber Scham 
und Verwirrung bielten mich zurück 
Mit welchem Angefichte Eonnte ich nach 
einem folhen Berbrechen vor fie treten: 
ich hätte denn wie ein Mifferhäter Ab: 
bitte thun tollen; und dazu warich zu 
ſtolz. Denn alles genau genommen, 
dachte ich, war die Schöne nicht felbft 
Schuld, daß die Sache fo weit gefom: 
men war? Hatte fie mich nicht vorfeßlich 
eiferfüchtig gemacht ? Verſtehen die 
naiven Mädchen feinen Scherz? Mit 
einem Worte, fo wie ich dem Haufe 
näher Fam, fo verſchwand auch meine 
Reue, und ich entfchloß mich, troßig 
zu thun, und fie zu dem Öeftändniffe zu 
bringen, daßich der beleidigte Theil ſey. 
- Ein glücklicher Einfall! D du eitler Jens 
Sernfteup! — 


Wie 


— — 173 


Wie ſchlug mir das Herz, als ich 
ins Zimmer trat. Das angenehme 
Kind batte ſich eben ankleiden laſſen, 
um mich als einen verirrten und bußfer— 
tigen neuen Liebhaber zu empfangen. 
Die Freude uͤber meine Ankunft blickte 
wider ihren Willen aus ihren Augen, 
ſie bemuͤhte ſich vergebens, ihre Liebe 
hinter ihren theils unwilligen, theils 
bekuͤmmerten erroͤthenden Wangen zu 
verbergen: ich ſahe aber auch deutlich, 
daß ſie meinetwegen gelitten hatte. 
Spectabat terram, terram ſpectare de- 

cebat; 
Moefta erat in vultu, moefta decen- 
' ter erat. P 
— OVID. 
Da haben Sie meine Hand. Wenn Sie 
gefichen, daß Sie gefehlt haben, fo will ich 
Ihnen vergeben, und wieder gefund werden. 
Ich habe — ic) habe ---- (mit Stottern) 
die Sache zu weit getrieben. Be“, 

Zu weit getrieben? Habe ih Ihnen Ur: 
fache gegeben — --- 

= Der 


174 


Beruhigen Sie fich, meine Liebe. Wenn 
fie nur gefund werden ** ſo ſoll alles ver⸗ 
geſſen ſeyn. 

Was? waren Sie nicht der erſte, der — 

Wie? nein! das waren Sie! Das werden 
Sie mir einraͤnmen! -— 

Scherzen Gie, Sernfirup? —- Ich dachte, 
Sie kamen, Abbitte zu thun — 

Abbitte? — Unmöglih! Sie haben mich 
ja eiferfüchtig gemacht. Sie werden nicht 
leugnen, daß Sie die erſie Beranlafung gaben.’ 

Schrieben Sie nicht, Sie wollten mich in 
acht Tagen nicht fehen? Kamen Sie nicht 
zwey Stunden zu ſpaͤt, und lieffen mich in der 
empfiudlichſten Unruhe von der Welt, weil 
ich nicht wußte, was ich aus Shren Drohun—⸗ 
gen machen follte ? 

Lieſſen Sie mir nicht fagen, Sie Fünnten 
mich nicht annehmen, weil Jemand anders, 
ein folder Jemand! — bey Ihnen wäre? 

[ Sollte ich darüber nicht 
zuͤrnen? 

Deo, 1 Sollte ich das nicht em» 
U pfinden? un 

Sie 





275 


Sie trotzen, Jernſtrup, ich fehe, Sie tro: 
gen: gewiß, ich liebe Sie mehr, als Cie 
mid. > 

Sagen Sie das ja nicht, mein gufes Kind: 
wenn ich Sie nicht mehr lichte, fo Mürde ich 
nicht den erfien Schritt gethan haben. 
Falſch! grundfalſch! verlaflen Sie mich, 
Trotziger, Ihre Handlungen ſtimmen fehr 
ſchlecht mit Ihren Briefen überein. 

Wie Sie befehien: aber ich bin nicht ehr- 
lid, wenn ih Sie nicht in dem Innerſten 
meines Herzens liebe. Weil Sie es aber 
haben wollen, fo will ich Sie verlaffen. Leben 
Siem! 

Und fo ftellte ich mich, als wenn ich 
weggehen wollte: ich bebte aber vor 
Surcht, daß fie mich etwa nicht zurück 
rufen möchte. Das find die verwuͤnſch⸗ 
ten Capricci der Liebe! Go wäre ich 
beynab in meine eigne Nee gefallen. 
Kaum aber war ich ganz erblaßt zur 
Thuͤre heraus getreten, als ich die ge; 
brochne Stimme meiner Schönen bins 

127 ter 


176 —— 


ter mir hoͤrte, die mit naſſen Augen auf 
mich zu kam, und mich halb freundlich, 
halb wehmuͤthig fragte, ob ich im Ernſt 
gehen wollte? Laͤnger konnte ich mich 
nicht halten. 


O mein Engel, (und hier fiel ich ihr wei— 
nend um den Hals) o beſte, zarteſte, anmı: 
thigſte kleine Zauberinn! wie entzuͤcken Sie 
mich! Wie unendlich liebe ich Sie! Welch ein 
Herz! welch eine Seele! und ſolch ein ſchoͤ— 
ner Leib! ſolche Augen! folche Yurpurmangen! 
folh ein. Schatz der auserleſenſten Schoͤnhei— 
ten! Wie glücklich bin id! Wie unbefchreibs 
lich glücklich bin ich! O fagen Sie, fagen 
Sie, daß Sie mich lichen, und anbeten will 
ich mein himmlifches Mädchen! 

Allerlicbfter Jernſtrup! follte ih Sie nicht 
lichen, mein Befier ? Wie koͤanen Sie mir die 
Frage thun? Sie fehen mein Schwaͤche: ich 
hätte Sie follen geben laffen. Sie haben mid) 
auf die Prode fielen wollen; ich bade mid) 
verrathen, Jernſtrup; aber wie hätteich mich 
vor Ihnen verbergen Fönnen ? 

| Auf 


— 177 


"Auf folche Art endigte fich diefer klei⸗ 
me Zwift, und nie war unfere Liebe fo 
feurig gewefen. Freude und Heiterkeit 
ftrömte aus der Fülle unfers Herzensi in 
alle unfere Blicke und Worte hinüber: 
eine Umarmung folgte der andern, und 
fie ſelbſt würdigte mich freymwillig ihres 
neftarifchen Kuffes. 
Qui modo faeuus eram, fupplex vltro- 
que rogaui, 
Oſcula ne nobis deteriora daret. 
Rifit, et ex animo dedit optima: qua- 
lia poflent 
Excutere irato tela trifulca Ioui. — 
Haec quoque, quam docui, multo me- 
liora fuerunt,, 
Et — viſa eſt addidiciſſe noui. 
oVvID. 


Holder Tag! der den Streit der zaͤrt⸗ 

lichften Siebe auf diefe reizende Art en: 
digte: fey mir, fo lange ich. lebe, ein 
Feſt, an dem ich das Glück der Gifer- 
ſucht, ohne welche ich vielleicht nie diefe 
Der Hypoch. 1. T. M ſtar⸗ 


178 — 


ſtarken Regungen ihrer Bruſt erfahren 
haͤtte, mit neuen Freuden erneuere. Die 
Materie iſt neu, das Gluͤck der Er 
ferfucht: Amor feloft mag mich begeir 
ſtern, fie zu feiner Ehre zu beſingen. 


Das Gluͤck der Eiferſucht. 
Sr feyft du meinem Herzen, 
Du Gott beneidenswerther Schmerzen, 
Und ſuͤſſer, ſuͤſſer Luft! 
In deinem Ernft, in deinen Spielen 
Laß mich dich allgewaltig fühlen, 
Du König meiner Bruftl_ 


Ich will ja gern vor dir zerflieſſen, 
Gern Thränen deines Grams vergieſſen, 
Und gluͤhn, ach! innig glühn! . 

Vor deines Amathuns Altären 
Willich mit Ziitern dich verehren, 
Und deinen Wagen ziehn. 


Und von Entzücen hingeriſſen 
Will ich auch deine Wunden Füffen, 
Sie willig bluten fehn: 4 

A Nur 


m 179 


Nur lafie dieſe neuen Senden — 
O dieſe grenzenlofen Freuden! 
Noch ie Air entſtehn! 


So un au ——— Maͤdchens Wangen 
Mit ausgeſdhnten Blicken hangen, 
Errdthen, zärtlich flehn, 

An ihrem holden Buſen weinen, 
So in den innerſten Gebeinen 
Dich fühlen, und vergehn! 


Geſecauet fenfi du meinen Herzen 
Du Gott beneidenswerther Schmerzen, 
‚Und milder Eiferſucht! — 

Und ihr, ihr, der Berföhnung Kuͤſſe, 
Gefegnet! Heil mir! ah! wie ſuͤſſe 
IR kurzer Schmerzen Frucht! | 


NE Venus unter Myr chenbaumen 
Einſt in phantaſtiſch-wilben T Traͤumen 
Die Eharis Thalia 
Den Sohn der Myrrhe zu erfreuen, \ 
Dit, allen ihren Taͤndeleyen 
J — reizen ſah: | 
(ae M 2 Sab, 


180 — 


Sah, wie ſie ist ihn an fich druͤckte, 
Itzt wegfloh, laͤcheind auf ihn blickte, 
Itzt — ihn umarmen ſah, 
Zu viel der jugendlichen Triebe! 
Zu viel! Ach! Königinn der Liebe, 
Sprich, was empfandfi du da? 


Sie wollte ſchreyn, vorSchmerzen ſchreyen, 
Da flohn die Fühnen Gaukeleyen, 
Und nun erwachte fie: | 
Ah! mein Adonis Fann mic) haſſen? 
Um eine Nymphe mich verlafien? 
“Mich! — faͤlſcher Juͤngling, flieh! „ 
Er aber ſchwur, und ſeufzt und flehte, 
Da weinte Venus, Purpurröthe 
Umfloß ihr Angeſicht. 
“Mich hatte Phantaſus getaͤuſchet; 
Thu, was die Rache von dir heifchetz 
“Yur, Züngling , fleuch mich nicht! „, 
Nie hatte Venus mehr empfunden, 
Nie öffneten die frohen Stunden 
Solch einen goldnen Tag. 
Sie beiligte vor allen Bäumen 
Den Myrthenwald, der Liebe Träumen, 
Und ſetzt' ihm Paphos nad. 
Sieben⸗ 


181 
EHE HEHE HH TE RT HF Ze 
Siebentes Stud. 


Me; heiſcht der Himmel ſelbſt, das nicht ein 


Heuchler kann? 
3aller. 





underliche Hypochondrie! was 
biſt du fuͤr eine zweydeutige 
Lehrerinn? Durch deine Eingebungen 
ſieht man Dinge, die man niemals ge— 
ſehen hat. Ein hypochondriſches Auge 
iſt wie ein Auge in der Nacht: alles 
koͤmmt ihm ſchwarz vor; oder, daß ich 
mich witziger ausdruͤcke, es iſt wie eine 
gewiſſe Art Fernglaͤſer, die alle Gegen— 
ſtaͤnde, verkehrt zeigen. So bald nur 
der Hypochondriſt irgend eine Sache fuͤr 
ein Laſter anſieht, — und dazu iſt ihm 
ſeine Krankheit ſehr leicht behuͤlflich, — 


182 — — 


fo bald ſieht er alles andere auch für fa: 
fter an. Denn ich hatte, Hochzuehren⸗ 
der Lofer, — ich will es nicht leug— 
nen, ob — gleich meinen Aufſatz nun 
anders fehäße, --- ich hatte, ſage ich vor 
furzem den ſchwermuͤthigen Gebanfen, 
dir die Scheinheiligfeit als ein fchänd: 
liches Laſter abzubilden, und beynahe 
hätteft du diefe Abbildung zu Iefen be 
kommen. Wänfche mir Glück zu der 
itzigen heitern Stunde, da ich, ein beſ— 
feres Thema erwaͤhle. Die Schein⸗ 
heiligkeit ift eine veizende Tugend, und 
zwar von Denen, die der menfchliche 
Verſtand hervorgebracht hat, eine der 
nuͤtzlichſſen. Siehe, mit diefem Sage 
will ich dich heute unter/ uften, Sch 
bin heute gänzlich überzeugt, daß mein 
Sag wahr ift, und wenn du, gütiger 
Leſer, etwa noch ein wenig daran zweir 
feiteft, fo hoͤre, ich bitte bil, bir mir 
fleiſſig zu. 


J. Hält 


— 183 


1. Hält nicht die Scheinheiligkeit 
das Gemuͤth von vielen bofen Dins 
gen zuruͤck? Glaube mir, es find 
Spotiwögel, durchtriebene Spottoögel, 
die es nur für Tändeley, oder für 
gebensart halten, wenn du die Pflich: 
ten der, Öottfeligfeit wie ein Tage: 
werk verrichteft, und gewifle Stunden 
ausfeßeft, da dein Prunfzimmer von 
lauten Gebeten teiederfchallet, obgleich 
dein Herz die ganze Zeit über ungeruͤhrt 
bleibt, Cine folche Berfaffung der 
Seele, belieben einige zu fagen, fey 
von der wahren Öortfeligfeit weit un: 
terſchieden. Allein erſchrick deswegen 
nicht. Jener Athenienſer urtheilte ganz 
anders, als ſeine Gemahlinn, die ihn 
bewegen wollte, einen verliebten Juͤng⸗ 
ling zu toͤdten, welcher ihre Tochter auf 
der Straſſe gekuͤſſt hatte. Was mot: 
len wir mit unſern Feinden anfangen, 
ſagte der Grieche, wenn Leute, die uns 
lieben, eine Ahndung befürchten müfs 
kn? Eben fo Fönnte man fagen: Was 
- MA wollen 


134 —— 


wollen wir mit den Deiſten und Frey⸗ 
geiſtern anfangen, wenn wir diejenigen 
ſchmaͤhen wollen, bey Denen Die Ucbuns 
en der Reſigion mechaniſch geworden 
find? Mögen fie doch muͤrriſch und ver: 
drießlich thun: es ift ein Beweis, daß 
fie nicht mit der böfen Welt zufricden 
find, und ein Anlaß, ſich von derfelben 
immer je mehr und mehr abzuzichen, 
Mögen fie doch die allerfchändlichften 
Dinge unternehmen: fie halten doch 
wenigftens in denjenigen Stunden, da 
fie mit Gott reden, inne damit, und ihr 
heiliges Geſchaͤft e iſt alſo allemal vor— 
theilhaft fuͤr die menſchliche Geſellſchaft. 
Der zweyte Nutzen der Scheinheiligkeit 
haͤngt mit dem gegenwaͤrtigen genau 

zuſammen. Denn 
2. iſt die Scheinheiligkeit ein gutes 
Mittel, dem Müll iggange Grenzen zu 
feßen, und die Grenzen des fanftern 
Vergnuͤgens zu erweitern. Wie viele 
Frauenzimmer, die das groſſe Stufen— 
jahr bereits erreicht u die num nicht 
mehr 


ar 7 385 


mehrin Gefellfchaften glänzen, und ach! 
Feine Eroberungen mehr machen, ---- 
würden nicht in einer unfeligen Gedan: 
£enlofigfeit in ihrem Haufe herum wan: 
dern müffen, wenn fie ihre fromme Ars 
beit nicht hätten? Diefe allein fhüßt fie 
für Muͤſſiggang und für allen Folgen 
deffelben, Ich kann es der Frau Antonia 
Eubach bezeugen, feit dem fie älter und 
folglich mehr heiliger geworden ift, feit 
dem find die Leute viel ficherer vor ihr, 
als fonften, da fie noch mehr Müffig: 
gängerinn war. Anftatt, daß fie da: 
mals drey Stunden des Tages dem Ge: 
bete, und neun der Verleumdung wid: 
mete, fo betet fie ißo neun, und ver: 
leumdet nur drey Stunden, Ihre 
Arbeit iſt zwar alſo noch dieſelbe, naͤmlich 
beten und verleumden; allein die Wag— 
ſchaale hat doch itzt ihren Stand 
verändert. 

Ich wollte fangen, daß die Scheinhei: 
ligfeit auch die Örenzen des Bergnügens 
erweitere, Freylich, mein werthefter fe: 


6 @ nr 


fer, wenn du dir das nur recht vorftelfen 
koͤnnteſt! Ach! dus ift gar ein überaus 
fanftes und unbefanntes Vergnuͤgen, 
von tedermann für fromm gehalten wer: 
den, umd doch in feinem Herzen über 
die Schlachtopfer lachen, die man heim? 
lich dem Neide und der Begierde zu 
fhaden darbringt. Beynahe ift es noch 
fanfter und naiver, als das Vergnuͤgen 
des Riefen, der zu feiner Augenweide 
feine Wohnung mit den Gebeinen derer 
auszierte, die er erfchlagen ‚hatte. 1 
3. Der ſchwaͤchſte Berftand if 
Weisheit, fo bald er durch die Schein⸗ 
heiligkeit geadelt ift. Laßt den Schein: 
heiligen noch fo viel Unfinn ausbrüten, 
er wird immer Beyfall und Lob erha— 
ſchen; da hergegen ein anderer, der nur 
Religion im Herzen und nicht im Munde 
hat, genöthiget ift, Vollkommenheiten 
zu zeigen. Die Handlungen des leßtern 
müffen fich blos durch die gefunde Ver: 
nünft empfeblen, und was er fagen will, 
muß er vorhes wohl überlegen ; * 
e⸗ 


———— —— 


beſchwerlich iſt das! Jener ſiegt durch 
eine Mine und durch) einen Spruch. 


Auf meinen Seifen habe ich ein fand 
angetroffen, darinn es uͤberaus viel 
Scheinheilige gab. Wer da nun ber dem 
Geſpraͤche irgend eines frommen Man— 
nes nicht recht bereit und willig ſchien, 
die Weisheit, die von ſeinen andaͤchtigen 
tippen floß, mit ehrerbietigem Ohre und 
ſtarrem Auge aufzufaſſen, der lief eben 
ſo ſehr Gefahr, fuͤr einen Veraͤchter der 
Religion angeſehen zu werden, als ein 
Muſelmann fuͤr einen Veraͤchter des 
Eorans gehalten wird, der ein Stuͤck 


Popier an der Erde liegen fieht, ‚uns 


- folches nicht geſchwind und ehrerbietig 
aufhebt: er kann ja nicht wiſſen, ob das 
Papier nicht ag einige Saͤtze aus 
dein Koran enthält! 


4. Die Scheinheiligkeit macht aus 
— Koͤpfen artige Leute. Vielleicht 
klingt dieſer Satz ein wenig parader, und 
ich befuͤrchte, daß einige juſt das Gegen: 

theil 


188 —— 


theil glauben; ich muß ihn alſo beweiſen. 
Zwar bin ich eigentlich nicht geſonnen, 
den Nutzen der Scheinheiligkeit weiter, 

als aufs gemeine Weſen, auszudehnen: 

allein, ich kann es doch nicht laffen, etwas 

weniges von dem Einfluſſe, den diefelbe 
in unfern Tagen in den priefierlichen 
Stand bat, beyläufig zu berühren. Es 
ift eben noch nicht fo gar lange her, daß 
es unter den Geiſtlichen fo recht finftere 

Koͤpfe gab. Sie predigten die Lehren 
der Tugend und des Chriftenthums mit 
einer Art von Ueberzeugung, die aufler 
ihr felbftnicht viel aefälliges hatte. Aber 
gedanfe fen es Rranfreih! wir haben 
galantere Zeiten. Mir dürfen des 
Sonntags nicht befuͤrchten, daß wir die 
Feinheit der Lebensart, die wir die Woche 
uͤber in Geſellſchaften gelernt haben, 
durch Anhoͤrung einer Predigt wieder 
verlernten. Es giebt itzt eben ſo viel 
geiſtliche als weltliche Petitsmaitres, 

und zwar ſolche, die es nicht etwa nur 

in uichen Zuſammenkuͤnften, ſon— 

dern 





189 


dern auch auf der Kanzel, find. Sch 
bitte, wie artig ift es nicht, wenn der 
Redner am diefer heiligen Stelle feine 
bons mots macht! es verficht fich, 
fromme bons mots. — Sehet da, ein 
formlicher Stuger im ſchwarzen Kleide! 
Selbſt von den ernfthafteiten Din: 
gen fpricht er fo zierlich und behutſam, 
dag uns, wenn wir Scherz verfichen, 
eben fo gar bange dafiir nicht werden 
darf, Wie Fünftlich- weiß er nicht die 
captationem beneuolentiae zu ma: 
chen! und ey! wie fchön, wie ſchoͤn kann 
er nicht tbun! — 
Neulich hörte ich in Lübeck einen fol; 
chen verwandelten Stußer mit dem lieb: 
lichſten Accente, ſo ſuͤß und holdfelig, als 
ober mit ſeiner Doris den Schaͤfer 
ſpielte, von der Ewigkeit der Höllenftra; 
fen reden, und er nahm fih, wie leicht 
zu denfen, wohl in acht, daß niemanden 
das Herz klopfte. Michtsdeftoweniger 
entfchuldigte er fich in der Anwendung, 
daß er von einer fo trockenen Materie 
babe 





190 


habe reden, und die Gemüther der Ans 
wefenden fo erſchtecken muͤſſen; er würde 
es nicht gethan haben, ſetzte er hinzu, 
wenn Diefe Lehre nicht eine der wichtig⸗ 
ften -ın unferın Glauben wäre -—- Der 
Mann war nicht ſcheinheilig, werden 
einige: meiner Leſer ſagen. Gut! er 
ziebenur feinen ſchwarzen Rock aus, 
und ich will meinen Leſern beypflichten. 
5. Durch nichts gehet die Befoͤrde⸗ 
rung der Tugend und die Ausrottung 
des Laſters gefchwinder von flatten, ala 
durch Die Scheinheiligfeit, Es giebt 
$eute, die viel fireuger find, als-mein 
obiger Prediger „und die uns auf dem 
Wege zur Tugend und zur Gluͤckſeligkeit 
mit ihren traurigen Borfchriften algus 
Lange aufhalten, . Sie fagen, es werde 
gar viel erfordert, um ein Freund Got: 
tes zu ſeyn, und es fen feine leichte Cache, 
fih allemal in diejenige Verfaſſung zu 
feßen, und fi darinn zu erhalten, die 
man haben muß, wenn man den Abſich⸗ 
ten feiner Beſtimmung in.allen rg 
k e⸗ 





—— 191 


Genuͤge thun wolle. Aber fo viele Sor⸗ 
gen hat man bey der Scheinheiligkeit 
nicht. Sie hat blumenreichere Pfade, 
auf welchen ihre Lieblinge ſchnell und 
ohne Hinderniß einher gehen koͤnnen. 
Mit ſeiner Tugend und: mit feiner Got: 
tesfurcht ein-wenig zu fehimmern ; Arnds 
wahres Chriftenthum mit einem vergol: 
„deren Schnitte ‚hinzuftellen ; ein geift: 
liches Lied ſelbſt zu verfertigen; eine 
‚verlorne Schuld ad pias caufas zu ver: 
machen; die-Prediger fleifjig zu fich ein 
‚zuladen, um zu zeigen, wie lieb man die 
Knechte Gottes habe; ein paar Geufjer 
über die böfe Welt zur rechten Zeit an 
zubringen ꝛc. das find ja doch, deucht mir, 
‚eben fo gar fhwere Künfte nichts und 
‚gleichwol find fie binlänglich, uns den 
‚Damen der Tugendhaften und From⸗ 
men zu verichaffen : mithin iſt es gewiß, 
‚daß wie durch die Scheinheiligfeit fehr 
geſchwinde zu. unferm Ziele gelangen. 
6. Ein Mann, der nicht ſcheinheilig 
iſt, koͤmmt nicht leicht zu Ehren und - 
IE zu 


5 1 


192 — 


zu Brodt, und umgekehrt. Ein Thor 
biſt du, wenn du es hierinn verſiehſt. 
Du kennſt ja den ehrlichen Heinrich Tho— 
maſius? Laß dir fein Beyſpiel zur Ber: 
befferung deines Zuftandes dienen. Du 
weißt es; er ift ein wahrer Verehrer 
Gottes, ein guter Ehrift, ein quter Buͤr⸗ 
ger, ein treuer Ehemann und ein lieb- 
reicher Vater, Er bat zween Soͤhne 
erzogen, die dem Staatejnüglich find, 
und er läßt Feine Gelegenheit vorbey, 
das Glück eines Menfchen zu machen. 
Alle wiffen das von Thomafius. Hilft 
es ihm aber, auffer dem Bischen Bey: 
fall feines Herzens, nur im geringften 
etwas? Erhaͤlt er eine beträchtliche Eh: 
renftelle? Wein, denn fo bald die Re 
de von ihm ift, fo bald heißt es: Mur 
ift es Schade, dag Thomafius, — — 
bier zuͤckt man die Schultern, indem 
man, aber Hott Eennt fein Herz! 
hinzuſetzet. Diefes wirft alles Gute, 
das der Mann fonften an fich bat, über 
den Haufen, Heinrich Thomafius bleibt 

figen, 





193 


fißen, und das mit Recht: warum ei: 
fert er wider den Pietifmus? warum 
ift er nicht fcheinheilig ? 

Sch weiß wohl, es giebt uͤberkluge 
Leute, die es allemal unanjtändig fin: 
den, wenn man in irgend einer Sache 
aus intereßirten Abfichten bame 
delt. Allein diefe Leute fchmecfen nach 
der Studierftube, und fennen die Welt 
nicht. Bey unfern Eleineen Hand: 
griffen lernen wir erfi die Nichtigkeit 
unfrer Theorien erkennen. Freplich, 
dem Heren Marcus, der fich von Su: 
gend auf zu guten Grundfäßen gewöhnt 
hatte, ward es im Anfange ein wenig 
ſchwer, fich in die recht feinen Hand: 
griffe zu finden. Aber Herr Marcus 
wurde bald von feinem Irrthume ge: 
heilt, da er in die groſſe Welt Fam. 
Der Gebrauch, den Kopf zu hängen, 
der damals herrfchte, machte den feini; 
gen fo biegfam, wieein Schilf; er nann- 
te den wackerſten Mann, der es nicht 
auch that, einen Freygeiſt, bielt Feine 

Deräypohb.ıT. N Ge; 


Gemeinſchaft mit irgend einem, der et: 
wan einmal lachte, fondern die Chefs 
der Scheinheiligfeit waren allein feine 
Freunde, und — Marius fprang vom 
Poſten eines elenden Schreibers empor 
zur Würde eines wohlgebohrnen Finanz 
rathes, die ihm itzt jährlic) taufend 
Thaler einbringt. Wie? verlohnte fich 
diefes nicht der Mühe? 

Das ift eben die Quelle alles unfers 
Misgefchides in der Welt, das mir 
unterrichtet werden, lieber rechtfchaf: 
fen, als Flug zu ſeyn, lieber nach den 
Worfchriften der Tugend, als den 
Umftänden der Zeit gemäß, zu han: 
dein. Ein Quentchen Klugbeit ift befs 
fer, als ein Pfund Verftand, Unter 
tauiendmalen wird gewiß kaum einmal 
gefragt: was man gethan habe; fons 
dern vielmehr wie, und mit welcher 
Grace man etwas gethan habe. 

Wenn freylich unfer Herz allemal 
mit der eigentlichen Abficht unfers Les 
bens bejchäftiger wäre; fo würden wir 

weder 


— 385 


weder bey unferer Arbeit, noch bey 
unferm Vergnügen, ein fcheinheiliges 
Weſen zeigen dürfen, Unſere Tugend 
wäre immer für fi ch felbft Türge. Al⸗ 
lein dergleichen Foderungen ſind in einer 
Welt, die die Beſchaffenheit der gegen: 
waͤrtigen bat, ſchon laͤngſt für Grillen 
erfläret worden. Unſer geben ift ein 
Zufanmenhang von Gutem und Boͤſem. 
Wenn wir alfo nur die einzeln Theile def: 
felben fo zu mifchen wiflen, daß im Gan; 
zen etwas Vortheilhaftes für ung ber; 
auskoͤmmt, fo haben wir Löblich ver: 
fahren, und wir find weiſe. Saft uns 
alfo fcheinheilig fenn, meine a 
fürwahr,, es ift die leichtefte Art, 
Brod und zu — zu kommen. 





196 
Eee 
Achtes Stud. 


Als er eine vorragende Höhe von der geheimen 
Natur entdedt hatte. 





Bobmer. 





ch theile meinen fefern ein Fragment 

der Öefhichte Eupbemons und 
Eynthieng mit, denn ihre Gefchichte 
ift hold undlieblich; und, was mir vor 
züglich daran gefällt, fie ift glaubwürdig: 
ich babe fie von Euphemong Bruder, 
mit dem ich auf Reifen gemefen bin, in 
Manufript erhalten; die Ehrlichkeit 
blickte ihm aus den Augen, und er bat 
mir oft förmlich verfichert, daß er fich 
niemals erlauben würde, etwas von feis 
nem Bruder zu fchreiben, was nicht 
wahr wäre. — Euphemon mar ein 
Dichter, und liebte Cynthien, ein Mid: 
chen, 


— 197 


chen, das zu ihrer Zeit alle andere Schoͤn⸗ 
heiten in R*** übertraf. Die unver: 
gleichliche Eyrithia war, wie leicht zu 
erachten, fpröde, und blieb ben feinen 
Seufzern lange genug taub. Ein Poet, 
der erobern will, hat in feiner Ruͤſtkam⸗ 
mer fo viel Örazien, Neftar, Frühlings: 
weſte, Pfeile, Tächelnde Blicke, Gräber 
und andere Mafchinen in Bereirfchaft, 
daß er den verborgenen Weg zu dem 
Herzeneiner Schönen gemeiniglich leicht 
findet. Er fing feine Operation mit fol 
gendem Gedichte an. 


| Unruhen der Siebe. 


——— Haerent infixi pectore vultus 

Verbaque: nec placidam membris dat 
cura quietem, 

VIRGIL.- 


Entfleuch, der. Trauben Gott! ruh, vormals 
frohe Laute! 
Kein Luſilied ſchutzt vor ihr, vor Cynthien Fein 


Wein. | | 
R 3 Ich 


198 —— 


Sch trank den Unmuth for. Sie Fam. 
Mein Ange fchaute: 

Und mir entfiel das Glas, und Liebe nahm 
mic) ein. 

Schon Fang mein feufzend Spiel. Au: 
tiorpheiſch ſchreckte 

Das Spiel fie ploͤtzlich weg. So ſchuͤch, 
tern wuͤrden nie 

Dianens Nymphen fliehn. Sie floh. Tief— 
ſchauernd ſtreckte 

Ich meinen Hals umher, doch — ich ver⸗ 
mißte fie. 

Vom Dichterzorne voll klang itzt die Laute 
wieder, 

Ich hoͤhnte Cynthien, und trotzte Lieb und 

uß, 

Und donnerte Den Gott aus Knidos vor 
mir nieder, 

Und fuͤhlte — was? — daß ich ſie ewig 
lieben muß. 

Die Stolze liebt mich nicht, nur ich weiß 
dieſe Zuͤge, 

Dieß ——— nicht gelaſſen anzuſehn; 

Nur mich —— des blinden Knaben 


— Mi ich hin, und meine Lippen 
| fiehn. Phi⸗ 





199 


Philoſophie und Gram die ihr den Clever 
landen 

&eduld, Einfiedeley und Abentheuer gabt! 

Entreift durch eure Kraft mich dieſes Maͤd⸗ 

Ri chens Banden, 

Und ſchenket Weisheit mir, — wenn ihr 
fie felber habt. 

Schweig, Laͤſtrer! denn fiefömmt. Rauſcht 

ehrfurchtsvoll, ihr Blaͤtter, 

Verſtumm, des Uhu Lied! Weſt, fäufle 
ſanft! fie Fömme, 

Stolz, tie des Zeus Gemahl, die Koͤni⸗ 





gin der Goͤtter, 
Hold, wie Cytherens Mund / der ſich in 
Nektar ſchwemmt! 
Wie ſchlaͤgt mein liebend Herz! Mit 
geſtrecktem Arme 
Ganz Gluth / ganz Zärtlichkeit, ſhleich ich 
mich hin zu dir. 
Ah, Cynthia, befrey, befrey mid von 
| dem Harıne, 
und laͤchle Freundlichkeit, und fühl ein, 
mal mit. mir. — 


R& Scchyu 


200 ——— 


Schon tritt ſie naͤher her, ihr Auge ſieht 
mich zittern, 

Errdthend fieht ſie mich, ſo a fah fie 
nie — 

Ach! Neizendfte! mein Herz — — Steig 
ſchwarzen Ungewittern 

Umwoͤlkt ihr Auge ſich, und mare flie⸗ 

bet fie. 

Unmenfchliche, du fliehſt! un fe die 
treufte Liebe ? 

Fliehſt fie, da du fie ſchufſt? ficht ie “ da 
fie dir gluͤht? 

Erklaͤrt ich mich zu ſchwach? Bleib! meine 
zarten Triebe 

Lehr ich dich noch einmal — doch nein! 


die Sproͤde lit — I 
Die ihr ein weiches Herz in eurem Vuſen 
traget, 


Nach meinem Schmerze 4 der Liebe 
| Schmerzen ab; ”. 
Und wenn ihr Gräbern nicht ein * 
Ach! verſaget, 
So klagt um mein Gebein, pe weinet 
auf mein Grab. 
* Ich 


en 261 


Ich weiß nicht, war es wirklich 
zuͤngferliche Kaͤlte, oder war es ein 
bischen Stolz, (denn Cynthia ſtamm⸗ 
te aus einem vornehmen reichen Hauſe, 
und Euphemon hatte auſſer feinem Ita: 
men" und feinen Verſen weder Titel 
noch Guͤter;) oder war es Wolluft, 
den armen Dichter fchmachten zu feben; 
oder war es eine andere Urfache, daß 
dieſesmal der Angriff fehlſchlug. Mein 
Buch giebt hievon nicht die geringfte 
Nachricht; die Gründe einer folchen 
Unvollſtaͤndigkeit foll der geneigte. Sefer 
in der Folge noch erfahren. Euphe— 
mon wußte fich indeffen darein zu fchi- 
fen, und weit gefehlt, daß er geſtor— 
ben wäre, wie er in den vier legten 
Zeilen feines Gedichtes verfpricht, fo 
gebot er den Mufen von neuem, ihn zu 
begeiftern, und dem. Saitenfpiele, zu 
fallen. ch irre mich, er hatte nichts 
mehr mit Grazien und Mufen zu thun. 
Es war ihm von ohngefaͤhr eingefallen, 
Cynthia möchte fich vielleicht. lieber ei⸗ 
ER 2 Sr 


202 ee 

nen Engel, als eine Grazie, uen⸗ 
nen laffen, und fogleih wurde feine 
Laute mit andern mythologiſchen Blu: 
men befrängt. Er veränderte auch aus 
weiſer Sorgfalt die Füffe feiner Berfe, 
und fiehe da — doch wir wollen erfi 


bdie Verſe felbft hören. 


Sefang an die Yacht. 


Und machen ihrer Glut zum oͤftern eine 
Bahn 
Auch durch die Wellen ſelbſt — 
Opitz. 


Traurige Nacht, du koͤmmſt, 
Ach, du koͤmmſt ſchon wieder, 
Lange, traurige Nacht! 

Weh mir! dein Flügel rauſcht 
Wie der Fluͤgel des Todes. 


Sbchreckniſſe ruhn auf ihm, 
Traͤume voll Verzweiflung, 
Gram und Marter und Tod. 

Wilder iſt Cynthia, 


i edſee. 
| Als die braufende Nordſe 2 


— — 203 





Aber — o Eynthia! 
Sieb mir Freud’ und Leben, 
Sieb mir Welten in dir. 
Barum, Natur, Natur, 
Warum fehufft du mich zärtlich? 


Licht mic) nicht Cynthia, 
Haß ich deine Milde, 
Daß du zärtlich mich ſchufſt; 
Hauch ihr Gefühl für mich 
In bie himmliſche Seele. 


Sag ihr, ein edles He 
Ohne fanfte Liebe 
Sey ein Aug in der Nacht; 
Sag ihr, es ſey ein Stern 
Unter dickem Grmölfe. 


Lieblich ift ihr Geſpraͤch, 
Wie der Rachtviole Fi 
Halfamträufelnder Duft; 
Svpraͤch fie von — 
dann fuͤhlt ich den Himmel. * 
r 


204 


Bird’ ich lachend erdulden.. 








Aber ich fühle Todt 
Schwarz, ie dieß Gefilde, 
Herrſchet Truͤbſinn in mir. 


Pruͤft fie vielleicht mein Herz ? — 


Prüf es, Cynthia! pruͤf es. 


Himmel, geboͤt fie mir, 
Elend zu erdulden: 
Lachend ſtuͤnd ich es aus; 
Schreckliche Todesquaal 


Tauſend bey Tauſenden 


Schaun die Geiſterſe elen 
Aus den Sternen herab: 
Segnet, ihr himmliſchen, 
Dieſen Eugel der Erde. 


Zeiget der Schatten dir, 
Cynthia, dein Bildniß: 


O da ſiehſt du auch mich! 


Ueberall, wo du gehſt, 


Geht mein Genius mit dir. 


Hoͤreft 





208 


Höreft du ein Geſeufz, 
Wie wenn Menſchen ſterben: 
Daß koͤmmt, Schoͤnſte, von mir; 
Guͤtige Winde wehng 
Hin zu deinem Gemache. 


.  Seufjer, erweicht fie doch, 
ESprecht: " u lich Euphemon, 
+ Der fo zärtlich dich liebt; 
 Zärtlihd, wenn auch der Tod 
Andern Himmeln ihn weihet. 


4 Zörtlich wird dann fein Blick 
„Dir noch einmal lächeln, 
4 Und dann ift er nicht mehr! 
4 gächelnd umarmt er dih 
In den Schauern des Todes. 


— — — 


Vor einiger Zeit gehe ich einmal auf 
die Jagd, und da finder es Frau Kuni- 
gunda, die Hausbälterinn, für gut, drey 
oder vier Bogen mitten aus diefer Ge; 


ſchichte 


206 nn 





fehichte herauszureiffen, und folche zum 
Umfchlage einiger Pafteten anzuwenden. 
Unfer Herr, hatte fie gefagt, die drey 
oder vier Bogen herausteiffend, wird 
das alte Papier doch nicht mehr brau: 
hen! — Es thut mir alfo Teid, dag 
ich meinen fohönen Leſerinnen nicht fas 
gen kann, wie lange eigentlih Cynthia 
ihren Anbeter noch habe feufzen laſſen. 
Gnug, fie war zulebt gütig geworden. 
Aber follte man fichs wunderlicher vor- 
ftellen Fönnen, ihr Onkel, bey dem fie 
fih aufbielt, ein firenger Mann, war 
unvermuthet binter diefe Liebe gefom: 
men, und fie follte doch ein Geheimniß 
ſeyn. Er fohrieb an die Mutter der 
Schönen — hundert Meilen wohnte 
die Mutter von R*’* — und Eyntbia 
erhielte Befehl, wieder zu ihrer Mutter 
zurück zu Fehren. Wie fih Euphemon 
hiebey verhalten habe, davon giebt fols 
gende Ode Unterricht. 


Obe, 


Ode, 
als Cynthia in ihre Heimat zog. 


Acriter elatrem ? 


207 





Seilicet, vt non 


Hor, 


Kun, Juͤngling, welche finfire Höhle 
Wird Fünftig Deine Wohnung feyn! 
Zu ſtark iſt dieſer Schmerz, o Geile, 
Zu ſtark, mein zitterndes Gebein! 
Da geht ſie hin! — ach, ihre Blicke! 
Ach, Aermſter, ſie iſts ſelber — ſie! — 
Sprich, warum ſterb ich nicht, Geſchicke? 
Was nügt mir Leben ohne fie? 





Ach !ihr ſeyd todt, ihr holden Stunden -— 
Doch, fehön im Tod, fankt ihr insg Grab; 
Ihr ſankt, mit Roſ' und Myrth' umwunden, 
Ins Meer der Ewigkeit hinab. 

Lebt auf, ihr Stunden! ſeyd, ihr Scenen! 
Ein Gott hat mich mit ihr vereint! — 
Kehrt wieder mit den Freydenthränen, 
Die ich an ihrer Bruſt geweint, 


Hier 





208 
Hier bang an diefer Wand, o Laute, 
Und fpiele Feine Lieder mehr; | 
Du ſchallteſt nur für die Vertraute, * 
Und-nun — nun ſchalleſt du nicht mehr. 
Zwar lacht der Sohn des Himmels wiedet, 
Der Lenz, mir aber lacht er nicht; 
Zur Luſt ſtieg er zur Welt hernieder, 
Er ſcheut ein trauriges Geſicht. 
Dort gebt ſie noch! — nur Augenblicke: 
Und dann, dann feh ich fie nicht mehr! — 
Iſt das mein Loos? — o täufchend Glüde, 
Wie ſtuͤrmſt du gegen mid) daher! 
Ich habe doch nicht viel begehret, 
Nicht Ehr' und Gold: ich bat um fie! — 
zu ftolzer Wunſch, den ic) ernähret, 
Du warſt zu groß: ich bat um fie! -—- 
Willſt du fie mir noch einmal geben — 
Ach, diefe Hoffnung iſt zu ſchoͤn! — 
Ach, dann leb' ich mein ſuͤſſes Leben 
Dir, Liebe, dir und Cynthien. 
Dein Lob will ih. dann frober fiammeln, 
Und frober tönt ibr Lied darein; 
Daun wirft du unfre Thränen fammdn, 


Die wir für dich der Freude weihn. 
er⸗ 


eurer , 209 


Vermuthlich werden sie $efer nun 
wiſſen wollen, ob die Liebe diefer Leut⸗ 
chen noch glücklich geworden fey, oder 
nicht. Das erfte ift geſchehen. Allein 
wie Euphemon feine Goͤttinn in ihrem 
Baterlande aufgefucht, wie er erft durch 
taufend Unglücksfälle, zu fand und zur 
See, diefes Ziel erreichet,, und. wie er 
fich endlich mit ihr vermäßft, und eine 
mit dren Söhnen gefegnete Che geführt 
bat, das alles war freylich ſehr ſchoͤn 
und ruͤhrend zu leſen; ic) kann aber, 
wegen des verdrießlichen Zufalls mit 
den Paſteten, nichts davon ſagen, und 
meine Leſer moͤgen daher allenfalls dieſe 
Lücken aus vielen andern ſchoͤnen Ritter: 
büchern ergänzen, - Itzt wollen wir uns 
ſeinem Sterbebette naͤhern: denn bis 
hieher, ſo wollte es das Schickſal, durfte 
meine Kunigunda ihre grauſamen Haͤn⸗ 
de nicht ausſtrecken. Vielleicht bekoͤmmt 
das Fragment dieſer Geſchichte noch ein 
recht feyerliches Anſehen durch dieſe 
Scene 

v0 1. T. O Der 





210 


Der 
ſterbende Euphemon und ſeine 
Cynthia. 
Tlerö, runs, mans, word, mans, wand, 
Soph. Philoct. 
Euphemon. 
Das Grab erſchreckt mich nicht. Laß Staub 
den Koͤrper decken: 
Er ward aus Staub gemacht, und iſt zum 
| Staub’ erſehn. 
Für dich nur, Cynthia, - wird mir dag 
Grab voll Schrecken: 
Ich foll aus deinem Arm in andre Web 
ten gehn! 
Cynthia. 


Euphemon! — 
Euphemon. 


Cynthia 
Cynthia. 
Euphemon 


Euphemon. 
ph 


Cynthia. 





211 

A Ach! wehe! 
Euphemon. 
Cynthia. 
Euphemon. 
Cynthia. 
ya kuphemon. 
Pi Eynthia. 


Euphemott. 
Soll ich dich laſſen? 


Cynthia. 


| Euphemott. 
Dich nicht mehr fehn! 
ECuynthia. 





212 


Euphemon. 
die ich ſo gerne ſehe! 


Cynthia. 
Ach! Ach! 


Euphemon. 
Mir wird — 


Cynthia. 
Ag! Ach! 
Euphemon. 
ganz dunkel! Ach! O! Ach! 


— — — 


Sie fährt betaͤubt zurück, ſtuͤrzt ſprachlos 
auf ihn nieder! — 

Von Furcht und Phantaſie ward doch ihr 
Blick getaͤuſcht: 

Sein Auge brach noch nicht, nur auf die 
Angenlider 

War Serlenfchmerz geprägt, Scham, den 
die Liebe heiſcht. 

Sie 


— 213 


Sie aber ſtuͤrzt dahin! ihr Geiſt will auch 
da ſchweben, 

Wo ihr Geliebter iſt, will auch Euphemons 
Gluͤck. 

Judeß umarmt er ſie, und ruft ſie ie in das 
Leben, 

Und ruft mit einem Kuß den fieh nden 
Geift zuruͤck. I 


— —2 


Euphemon. 
Hein, Cynthia, zu viel! 9 fürchte deis 
nen Kummer! 
Der Kummer firaft nur ung, den Tod 
erſchreckt er nicht. 
Dieß Leben — ah! was iſts? — des 
Todes Vorfpiel, Schlummer! 
Pflicht, dag wir eben, ac)! und daß wir 
ſterben Pflicht. 
Sieh her! mein Innerſtes if ganz für dich 
zerriſſen! 
Wie wallt mein zaͤrtlich Herz nach deinem 
2 Herzen hin! 
* 283 Noch 








214 


Noch einen fanften Kup! — o fühls an 
meinen Küflen, 
Daß ich im Tode ſelbſt noch dein Euphe— 
! mon bin. 
Zerfließ , mein Geift, zerflich in Küß und 
in Entzuͤcken! 
O du Unfterblichkeit ! mie bift du mir fe 
nal) ! 
Umfaß mid, laß mid dich an meine 
Secle druͤcken! 
Erhebe dich mit mir! 
Cynthia. 
BR Ah! 
Euphemon. 
ha! 
Cynthia. 
ha! Ab! 
Guphemon. 
Ah! ha! 





® 
- 


Keunle 





215 
ee 
Neuntes Stüd. 





O ciues, ciues quaerenda pecunia 
primum efb, 
Virtus poft nummos. 
HORAT. 








E⸗ gehoͤrt mit zur heutigen Mode, 
ein ehrlicher Mann zu heiſſen. Wo 
wir uns hinwenden, rauſchen uns ehr⸗ 
liche Männer entgegen; die zweydeutig⸗ 
ften Wohnungen erfchallen von diefem 
Namen, und dennoch Flaget die Welt, 
daß die Ehrlichkeit ausfierbe. 


Sch glaube zwar, dag fich aus diefem 
MWiderfpruche fehr viele Folgerungen 
ziehen laffen, und die Moraliften wer— 
den nicht ermangeln, uns mwenigftens 
den Werth der Ehrlichfeit daraus be: 


24 greif⸗ 


216 — 


greiflich zu machen, da ein ieder ſich 
mit ihrem Namen ſchmuͤcken will, 

Allein mir ailt es alles gleich, welche 
Schlüffe andere machen. Ich bin zur 
frieden, wenn ich nur Alauben darf, 
daß die Ehrlichkeit, fo wie foiche von 
den Sittenlehrern befchrieben wird, im 
gemeinen Leben eine ſehr unbrauchbare 
Tugend ift, und daß ein ieder Menfch 
‚genöthiget wird, nach dem Maaſſe, als 
er mehr oder weniger mit der Welt in 
Verbindung fteht, auch feine Ehrlich 
feit michr oder weniger auszudehnen, 
einzufchränfen, anders zu beffimmen, 
furz, fo einzurichten, wie es fein iedes- 
maliger Vortheil erfodert. 

Die Kameralwiffenfcheft, welche mit 
andern Wiſſenſchaften dieſes gemein hat, 
daß ein deutſcher Profeſſor iede Meſſe 
ein neues Buch daruͤber ſchreiben kann, 
hat doch etwas eigenes, wovon noch 
kein einziger politiſcher Schriftſteller, ſo 
wie es die Wichtigkeit der Sache er: 
fodert, gehandelt hat. 

Man 





Man bat nämlich, wie ich zuver⸗ 
läßig weiß, in derfelben die Ehrlichkeit 
nach allen ihren Berböhungen und Der: 
tiefungen ausgemeffen. Man hat die 
feinften Schattirungen durch eigene 
Ausdrücke bezeichnet, und daraus ift 
eine allgemeine Sprache entftanden, 
welche, wie die Zeichen der Freymaͤu—⸗ 
rer, feinem von der Zunft unverfländ: 


| lich iſt. 


Ich nn mir viele Mühe ssacen, 
diefe Sprache aus;ufundfcpaften. Al 
lein felbft an den Orten, wo fonft —* 
Geld alle Nachrichten zu erhalten ſind, 
war man ſo geheim damit, als in vie— 
len Gerichtsſtuben mit der Sportel— 
taxe. Was ich alſo meinen Leſern da— 
von mittheilen kann, ſind einige we— 
nige Brocken, welche ich, wie mein 
lateiniſcher Verwalter fein rebus fic 
ftantibus, nur zufällig gefammlet habe. 
Hier ift alles, was ich davon weiß.’ 


25 Kamerak 





218 


Kameralſtil. 


Mit dem Kerl iſt nichts anzufangen. 
Ein gefaͤhrlicher Mann. 
Ein ehrlicher Mann. 


Ein guter ehrlicher Mann. 
Ein kluger Mann. 
Er iſt blind. 


* Er verſteht den Handel, 
Ein ehrlicher Kerl. 
Ein braver Kerl. 
Ein feiner Kopf. 
Ein verzweifelter Kerl, 
Ein groſſer Mana. 


— 219 


‚wahre Bedeutung. 


Ein wahrhaftig ehrlicher Mann. 

Er leidet durchaus Feine Schelmftüce. 

Er ſtiehlt nit, aber er läßt auch fünfe 
gerade feyn, 

Ein Dummkopf. 

Er kennt feinen Vortheil. 

Erlauben Sie, daß ih Madame mit ci- 
ner geringen Tabatiere qufwarte. 

Ein Betrüger. 

Er kann ſchweigen. 

Im Nothfall bricht er ein. 

Er verficht ſich auf Raͤnke. 

Wird er betroffen, fo wird er gehangen, 

Gute Nacht, Juſtitz! 


Vor 


* ⁊ 
220 Be | 


Vor langer Zeit wurde die Frage 
aufgeworfen: Ob ein ehrlicher Mann 
im Unglüce nicht mehr Achtung ver: 
diene, als ein glüdlicher Betrüger ? 
und mit Rechte Iachete man den armen 
Sünder aus, welcher fo Findifch fragen 
Fönnen. Ein ehrlicher Dann im Un: 
glücke! welcher lächerficher Gedanfe! 

Uber die Frage verdient ‚eine ernft- 
liche Erwägung: Ob nicht überhaupt 
ein Betrüger dem Sande nüßlicher fen, 
als cin ehrlicher Daun? Weiles noch 
hie und da einige muͤßige Köpfe giebt, 
welche allen ihren Scharffinn anwen: 
den, den "Betrüger, als dem Publifum 
ſchaͤdlich, vorzuftellen. Dank fen es- 
dem innern Gefühle, der Fräftigen Re: 
aung des Herzens, und der allgemeinen 
Uebereinflimmmung der. Welt, welche 
den größten Theil der Menfchen wider 
die falfchen und blendenden Schlüffe 
diefer Irrgeiſter in Sicherheit ftellt. 
Man müßte den guten Arift, der nichts 
weiter, als ehrlich, ift, und den wackern 

Herrn 





221 


Herrn Baron von Kreuzheim, Amt: 
mann zu * den unvergleichlichen 
Mann, nie gegen einander gehalten 
haben, wenn man über diefe Frage 
lange zweifelhaft fenn wollte. 
Mur ein Paar Minuten, guter. ehrr 
licher Ariſt! ---- Sie verzeihen esdoch, 
dag wir Sieüberfallen! -—-- Gie find 
ein fo lieber Mann; aber allzu ftille 
leben Sie, wenn Sie es mir erlauben 
wollen. ---- Woher den immer die groß; 
fe Abneigung gegen die Welt? -—- D, 
wenn Gie es nur wüßten,: man wollte 
fih Ihnen fo gerne mittheilen, ---- 
wenn Sie fid) nur ein Flein wenig -- -- 
Im Ernfiel redete Ihr Herr Vater 
nie mit Ihnen von der groffen Welt? 
Sie ift fo böfe nicht, Arift, als Sie 
vielleicht denken; und über diefes immer 
zu Haufe zu fißen ---- ---- 08 macht 
gewiß einen diefen Kopf. Aber wie 
ich ſehe, fo find Sie bier artig einge: 
richtet. -- Srenlich, das. Drächtige 
fehlt. allein ich finde doch fo etwas 
if ge⸗ 





222 


gefallendes, fo etwas von Geſchmack. 
— er hätte das aus Ihrer Fraufen 
Stirne leſen follen? ---- Guter Alter! 
ich fcherze zumeilen ein wenig. --- Das. 
Sachen ift ja doch eben nicht allezeit Suͤn⸗ 
de, ---- = He! was gilts, ich brin: 
ge die Falten weg? ---- Gie Fönnen 
in Wahrheit lächeln? Sa, ja, Sie 
find mir wohl auch ein Bogel --— —— 
Sch will mich fchon hüten, Gie unter 
unfere Schönen zu bringen. === --- Gt! 
St! daß Ihre Frau ung nicht hört --- -— 
Sie follten mich dauern ---- ch weiß, 
Ihr Kinderchen liebt Euch einander. — 
Deſto ſchlimmer fuͤr Sie Ariſt. Die 
ehelichen Frauen verſtehen noch weni: 
ger Spaaß, als die ehelichen Män: 
ner, u Allein ich erftaune: Gie 
haben nur taufend Thaler Einfünfte? -- 
Es ift wahr, davon koͤnnen Gie feine 
Eauipage halten, oder Sie müfjen den 
gelehrten Kerl bey Ihren Kindern ab: 
fchaffen. -—- -—- Es heißt, Sie thaͤ⸗ 
gen den Armen viel Gutes, Bon * 

end 





223 





fens Thalern Armen viel Gutes thun, 
und felbft nicht einmal eine Karoffe hal: 
ten --—- das ift mir zu hoch! ---- Aber 
wir ftörten Sie ---- wahrhaftig, es ift 
mir leid! —-O! bleiben Gie im fe: 
fen — Wir wollen zuhören. --- Was 
lefen Gie denn da für artige Sacdhıen?-- 
Monteskfieu Buch von den Ge: 
ſetzen! — Mein Gott! leſen Sie 
folh Geihwäß? ---- Vehmen Gie 
diefes! -——- Es ift Doͤhlerns pro: 
ceſſualiſche Daufefalle, --- Das 
waren num wicder-ein paar rechte ober: 
richterliche Runzgen! --- Mein, bey 
meiner Seele! Xrift, ich babe Gie 
nicht Fränfen wollen. Die ganze Welt 
weiß es, daß Sie ein guter ehrlicher 
Mann find, und man fagt, daß Sie 
einen demütbigen Klienten einen Be— 
trüger genannt, weil er Ihr Votum 
erfaufen wollen. —-- lim Gottes wil- 
lien! -— fo fehen Sie mich nicht fo 
drohend, oder, wenn Gie lieber wol 
len, fo ängftlich nicht an, == Gfaube 
28 > ich 


224 — 


ich denn etwa folche Plaudereyen? — 
Dieſe Ausſchweifung von Ihnen waͤre 
ja gar zu luſtig. ⸗Nur das habe 
ich wohl gehoͤrt, und halb und halb 
geglaubt, daß Sie den Parteyen, wenn 
ſie arm geweſen, die Gebuͤhren ge— 
ſchenkt. — ch habe das fo hingehen 
laffen, obgleich jemand die Anmerkung 
machte, daß Sie ein wenig unverant- 
wortlich gegen Ihre Nachfolger han— 
delten,: daß Sie die Bedienung vers 
ringern, oder twenigfiens die. Bauern 
—— — — 

Geſchwind Eau de Luce! — Das 
wir ein’ unerträglicher Kerl. Gott! 
wenn ‚die Welt voller Ariften wäre, 
man müßte ſich vor langer Weile er— 
haͤnken. Alle feine Schritte nach ges 
nau erwogenen Grundſaͤtzen wohlbe⸗ 
daͤchtlich abzumeſſen, in allen Dingen 
ſo gar den boͤſen Schein zu vermeiden; 
ſein Gewiſſen zu dem einzigen Richter 
ſeiner Gedanken und Handlungen ans 
zunehmen, und dem firengen —7 

us⸗ 


— 225 


Ausfpruche deffelden alle Borfpiegelun: 
gen der Welt und feine liebften leiden: 
ſchaften aufzuopfern; den Leidenfchaf 
ten der Groſſen aus Menſchenfurcht -- -- 
So albern, fo buntfchädig fieht es in 
einem Ariftifchen Kopfe aus, und fo 
langfam — — 

Ha, untertbäniger Diener, Herr 
Baron, wie bin ich ungeduldig, Gie 
zu feben! — Schnellten Sie den ver: 
fluchten Juden? — — Ich gönne es 
ihm herzlich. — Tauſend Thaler mußte 
er ausgeben ? -- Die kann er tragen. --- 
Sch böre der Muͤhlenproceß ift vor: 
bey, — Bravo! Es wäre Sünde 
gewefen, hätte der Müller nicht gez 
wonnen, er ift fein Si; -——- -- — Die 
DBanern: werden ein wenig fchrenen; 
aber man darf nur ein paar beym Aer— 
mel nehmen und aus der Thüre werfen, 
fo ſehen fie, dag man fich nicht fürchtet. 
Sch balte es mit Ihnen: Der Bauer 
muß Friechen, ſonſt langt ser uns über 
den Kopf; und hat er Geld, fo ift er 

DerAypod.ıT. Y keck. 





fe, — In Punkto der Brandgel: 
der! --- Zwölf pro Eent find angeboten, 
und das Pfand iſt fiher. -- Haba! 
ich verftehe Sie. --- Scheuen Sie fi 
vor dem nicht? — Wir Ichreiben den 
2gten -—- Merken Sie, was ich fagen 
will? --- Den fann der Caſſirer firre 
machen. --- Sie follten doch Ihr Ge: 
fpann und Ihre Karoffe bezahlt haben. 
Sie foften --- af fehen: Dem Satt: 
lee zogen Sie die Hälfte ab — Doch 
nahe an taufend Thaler, -—- -—- Wenn 
das dicke Pachterweib nur ſterben woll⸗ 
te! — ‘Ben meiner Seele, der Mann 
müßte mit den Gtieffindern theilen, 
wenn Sie ihm nicht durchhelfen. — 
Sie — der Amtsfchreiber --- unter 
taufend Dufaten koͤnnte er nicht ab 
£ommen. Es leben die taufend Dus 
Faten! und Ihr Mädchen! — Der 
Teufel, Baron, wie ftach fie auf dem 
legten Ball vor den andern hervor! 
Die Juwelen waren prächtig — Aber 
nicht viele folcher Thierchen, mein quter 

Baron, 





227 


Baron, oder Sie müffen Ihre Dörfer 
ordentlich ausplündern, --- --- 

Nun darf ich es nach diefen beyden 
Gemälden ficher auf der Wahl meiner 
Leſer, und insbefondere meiner höchft: 
gefchäßten Leſerinnen beruhen laſſen, 
wem fie den Borjug geben; einem ch: 
renveften, fteifen, ordentlichen Arift, 
der voller Ehrlichkeit, aber auch von 
Herzen Fläglich iſt; oder einem Fühnen 
tanfchenden Baron, der nur die Finger 
aufheben darf, um Geld zu fammlen, 
und der das Gefammlete fo großmüthig 
zu verthun weiß, Sch vermuthe nur 
gar zu fehr, daß einige meiner geferinnen 
feldft ihren geliebteften Grandifon ges 
gen meinen Baron umtaufchen möchten, 

"Aber es ift Zeit, aus einem andern 
Tone zu reden. Cine fürchterliche 
Schaar fleeitbarer Politifer zieher mit 
grauenvoller Majeftät wider mich ein: 
her. --- Ich weiß alles, meine Herren, 
was Sie anzubringen haben. Darf 
ich alfo nur fragen: Ob niche der böch: 

P 2 fie 





228 


fte Gipfel der Staatshaushaltungskunſt 
erreicht ift, wenn die ganze Maſſe des 
Vermögens eines Staats in Bewegung 
gebracht wird, fo dag alles cireuliret, die 
Fleinen Theile die groffen, und die grof 
fen wieder die Fleinen Theile wechſels— 
weife unterfiügen, erhalten und erwaͤr— 
men? Müffen nicht in diefem glückliz 
chen Zuftande, welchen uns von Anz 
fang der Welt ber die Projekte aller 
Projeftmacher verfprochen haben, Die 
Künfte, die Wiflenfchaften und der 
Fleiß blühen? Muß nicht der Staat 
dadurch aus diefer fchimpflichen Träg- 
beit geriffen werden, welche die Unwiſ— 
fenheit mit ihrem fehrecklichen Gefolge 
zur Begleiterinn bat? Muß nicht — 
ja, was muß nicht alles? Aber, wieder 
auf meinen Baron zu kommen, fann 
denn nicht fo ein einziger Baren auf. 
zehn Meilen inder Kunde alles in Bewer 
gung bringen? Und wenn nur auf iede 
zehn Meilen ein Baron gefeßt würde: 
wäre alsdann nicht für das ganze fand 
geforget ? Es 


Es ift eine ewigfefte Wahrheit, daß 
es den Bauer gleich viel ailt, ob er 
reich oder arm iſt, wenn er nur dasjer 
nige eſſen und trinken kann, was fein 
Vater ag und trank. Hat er mehr, fo 
verſchließt er es in ſeinen Kaſten, und 
bringt es aus dem Umlaufe. Aber nun 
kommen Amtmann, Amtsverweſer, 
Amtsverwalter, Amtsſchreiber, Land⸗ 
voigte, Landſchreiber, Hausvoigte, Kirch⸗ 
ſpielvoigte, Amtsvoigte, Schultheiſſen, 
Sekretaͤrs, Gevollmaͤchtigte, Schreiber, 
Amtsbothen, und mit einem malefehen 
die Eofibaren Metalle, welche mit fo 
faurer Mühe aus dem Eingeweide der 
Berge, und gewiß nicht in der Abfiche 
gegraben worden, daß fie in einer groß- 
väterlichen Bauerlade von neuen vers 
roſten follten, wieder das Licht der 
Sonne. Alles lebt. Alles bat geplün 
dert. Alles iſt reich. Die Fabrifanten 
ſtuͤrzen ſich haufenweiſe herzu, um die 
hochwohlgebohrne, wohlgebohrne, hoch⸗ 
edelgebohrne, hochedle, wohledle, edle, 

P3 vor⸗ 


230 —— 


vornehme und großachtbare Welt zu 
zieren und zu ſchmuͤcken. Die Kauf— 
leute, die Vormuͤnder der Nation, ſehen 
ihre Waarenlager ſchleunig ausgeleeret, 
welche eben fo ſchleunig wieder ange 
fuͤllet werden. Die Handlung und die 
Schiffahrt blühen. Der Bauer, dur 
die Abgaben angefpornet, arbeiter ſchon 
im folgenden Sabre hurtiger , feine 
Erndte ift gröffer, folglich auch der 
Raub beträchtlicher, und in eben der 
Maafle wird auch der luxus und der 
Umlauf des Geldes und. der Waaren 
ſtaͤrker. So geben wir denn mit far: 
fen Schritten zu dem Punkte unferer 
Dollfommenbeit, von den Nachbarn 
beneidet, bis wir endlich, weil die Un: 
beftändigfeit auch Reiche und Laͤnder in 
ihrem Gluͤcke verfolgt, und wenn unfre 
kluͤgelnde Enfel vielleicht die gefunden 
Grundftüßen ihrer Bäter verlaffen, wie: 
der in unſer erftes Michts zurück fallen. 

Sch babe für meine Leſer zu viele 
Zärtlichkeit, als daß ich, fo fehr * 

au 





231 


auch fonft in meinen hypochondriſchen 
Stunden dazu geneigt bin, fie durch 
eine traurige Befchreibung einer Re: 
publik beunrubigen follte, welche aus 
Iautee Ariften beftünde. Man darf 
diefe Gefchöpfe nur anfehen, um ein 
Fieber zu befommen. Sch werde alfo 
mit mehr Nußen noch einen Einwurf 
beantworten, der mir gemacht erden 
könnte, 

Man toird vielleicht fagen, es ftüns 
de doh nur Ein Baron und feine 
Feine Geſellſchaft aus einem Di: 
ftrife von zehen Meilen in der Runde, 
nach meinem Plane, zu füttern. Als 
lein man muß mich wohl verftehen. Ich 
will meinen Baron nurgebrauchen, dem 
Bauer das Leberflüfiige abzunehmen. 
Was er ohnehin verlieren muß, ift ſchon 
abgerechnet. 

Sie, mein Herr Pfarrer, Eönnen 
alfo die zarten Pfingftlänmer, welche 
Sie durch eine freundliche, holdſelige 
und fanftmätbige Ermahnung den Ih⸗ 

P4 rer 


rer Weide anvertrauten Schafen, als 
ein aufierordentliches Merkmal der finds 
lichen Liebe negen ihren Hirten, jäbr: 
lich zu liefern auferleget haben, richtig 
erhalten. Den Herren Kerzten ficht 
es frey, nach wie vor, bey dem Bauer 
ihre gefchabte Kreide anzubringen, und 
wenn die Heren Advokaten nur fonft 
meinem Baron micht zu läftig fallen; fo 
verfpreche ich in feinem Namen, dag 
alfe gütliche Vermittelungen unter den 
Parteyen gewiffenkaft vermieden wer: 
den follen, es reäre denn, daß eine Par⸗ 
ten den Vergleich aufferordentlich hoch 
bezahlen wollte. 

Kurz, es foll die alte Wahrheit un: 
gekränft bleiben: Der Bauer er 
nührt uns alle Welch ein Reich: 
thum liegt in diefen Worten! Sch fehe 
die ganze Stadt in einem regen Tumuk 
te. Ein jeder huͤpfet mit dem Antheile, 
welcher ibm, zuweilen erft durch die 
dritte und vierte Hand, von der allge: 
meinen Beute geworden ift, voller Freu: 

de 


— 233 


de in feine Wohnung, Der Bauer, 
dumm und Betrüger zugleich, hat an 
feiner Seite einen Städter vervortheilt. 
Er frohlockt über feine Liſt, und fällt 
einem andern GStädter in die Hände, 
welcher ihn wieder aussieht. So ge: 
wiß iſt es, daß die Natur in uns allen 
der Saamen — — Wie gerne mög: 
te ich meine Gedanfen frey heraus fa: 
gen, ‚wollte man mich nur nicht fteiniz 
gen! — Uber, wie es mir auch geben 
möchte, ich würde rund heraus beken⸗ 
nen, und behaupten, daß der Fühnfte 
Räuber allein "feine Beſtimmung er. 
reicht habe, wenmich nicht einen ganzen, 
und zwar den anfehnlichften, Stand 
jedes europäifchen Staats gewahr wuͤr⸗ 
de, und fehen müßte, daß er eben durch 
feine gänzliche Entfernung von allem, 
was eigennüßig heißt, zu diefer hohen 

Gtaffel der Würde gelangt ift. | 
Mir Fühnen Blicken, welche Chrer: 
bietung und Furcht zugleich erregen, 
—— er ſich an den mit dem Blute der 
P5 Feinde 


234 — 





Feinde beſpruͤtzten Schild ſeiner Ahnen, 
ſtolz auf ihre Tugenden, und ſtolzer 
noch, daß er fie übertreffen Fantı. Sein 
F es Herz erhebt ihn über die gemei⸗ 
Sphäre, und mit dem Mitleid eines 
Helden fhauter auf die kriechenden Ju⸗ 
feften herab, welche aus der Erde ihre 
Nahrung faugen. - Fern von Weich; 
lichfeit und thörichter Pracht, verlangt 
er von der Natur nicht mehr, als die 
äufferfte Nothdurft; zufrieden, daß 
Lorbeern für ihn wachen. Aber diefe 
liebreiche Mutter beftimmt ihm mit miß 
der Sorgfalt die Sklaven, deren thie⸗ 
riſche Beihäftigungen ihren wuͤtdigern 
Soͤhnen neh mehr, als das Unent 
behrliche, verfchaffen müffen. Itzt winft 
ihm die Ehre ins Schlachtfeld. Schon 
züdt er fein Schwerdt, den trägen 
Bürger zu vertheidigen, der nur zu ers 
werben, aber nicht zu flreiten, gelernt 
bat. Schon —— 
Himmel! follte ich geirrt haben? foll: 
te mir das begegnet feyn, was fo vielen 
begeg: 


— — 235 


begegnet iſt, welche über wichtige Wahr⸗ 
heiten Syſteme geſchrieben, und der 
Kette meiner Schluͤſſe ein kleines Glied 
fehlen? — Himmel! ſollte wirklich 
der ehrliche, der uneigennuͤtzige Mann 
den Vorzug verdienen? o! ſo erhalte 
dieſen auserwaͤhlten Stand, welcher dem 
allgemeinen Verderbniſſe nur allein ent 
gangen iſt, in aller ſeiner Lauterkeit. 
Lehre deine Söhne, die Fuͤrſten der Er: 
de, die Urfachen, warum die Liedlinge 
des Nachruhms niemalen ihre Hand mit 
unedlem Geminne beflecft haben, und 
daß das unträglichfte Mittel, "fie in 
diefen erhabenen Gefinnungen zu befe: 
fiigen, darinn beftehe, daß man ihnen, 
fo wie es von undenflichen Zeiten im 
Gebrauch gewefen — — ja, ja, die 
Hände wohl binde, 


a4, 








Zehntes 


236 
Ba a a 2 nn 
Zehntes Stüd, 





— — egregü mortalem altique filenti, 


HOR. 





s mag alles wahr feyn, was Iſaak 

— Bickerftaff von dem alten Knaben 
Den Sonfen fagt, als: daß er einen 
Rath, einen Stuser, einen Hofmann, 
oder einen Bürger, jeden nad) feiner 
Art, veden zu laffen, und fie genau zu 
charafterifiren wiffe, ohne feine Zuflucht 
zu ihrer Tracht, Hut und Degen, Pas 
rucke und Schub, oder dergleichen Dinz 
gen zu nehmen, die in jeder Trödelbude 
feil find; daß feine Stücke allemal die 
Fragen aushalten, was der und jener 
Charakter auf der Bühne fage, was 
für Urfache er hatte, ſich um dies oder 
das 


— — 237 


das zu bekuͤmmern, wie es zuging, daß 
Jener, der immer unter Leuten von die— 
ſer und keiner andern Claſſe gelebt hatte, 
nun auf einmal gleich Perſonen von 
einer ganz verſchiednen Lebensart ſpricht; 
daß Jonſon ſogar eine ganze Reihe von 
Charaktern aufzuſtellen wiſſe, die bey 
einerley Zweck, z. E. ihren Geitz zu bes 
friedigen, dennoch alle in ihren Mitteln, 
dazu zu gelangen, und ſogar in der Art, 
ihre Begierde zu aͤuſſern und auszu— 
druͤcken, von einander abweichen, 
u. ſ. w. — Das alles mag wahr oder 
nicht wahr ſeyn: fo viel weis ich, mein 
Mann iftBen gewiß nicht! Die größte 
Beruhigung meiner bypochondrifchen 
Wallfahrt war der Gedanfe, daß ich 
mit meiner Stummen vielleicht hätte 
glücklich Teben Fönnen; ich glaubte an 
ihr ein Herz obne falfıh zu bemerken, 
und zmeifelte Feinesweges, daß die 
Liebeserklärung ihres Kopfnickens aufs 
richtig war, wenn gleich ein misgünfti: 
ges Schieffal fie verhinderte, mir. deut; 

lichere 


238 TE 


lichere Beweiſe ihrer Zuneigung zu ge: 
ben; es war füß, ausnehmend ſuͤß für 
den ehrlichen Zacharias, fich mit der 
Vorſtellung zu fehmeicheln, daß es ihm 
ſchon in feinem fiebzehnten Jahr geluns 
gen fen, eine Eroberung zu machen, 
um die ihn die Welt würde beneidet 
haben, wenn es ihm erlaubt gemwefen 
wäre, die Früchte davon einzuerndten, 
Aber ach! two ift der goldne Traum ißt? 
Graufamer Ben Jonſon! Eonnteft du 
feinen andern Charäfter finden, deine 
Milz zu erleichtern, als gerade den eins 
zigen Charakter unter der Sonne, der 
Jernſtrups Seele entzücdte? Wie? 
wenn auch meine Stumme eine foldje 
Epicöne, eine falfche verwünfchte. Here 
geweſen wäre, wie die Stumme deines 
armen Morofe, oder foll ich ihn lieber 
Sernftrup den Erften nennen? Wo ift 
ein Seher, der mir diefen unglüclichen 

Zweifel beantworte? 
Du wirft dich vermundern, mein gut 
berziger Leſer, was mich auf einmal fo 
trau⸗ 


— 2309 


traurig mache; du kennſt vielleicht keine 
Epicöne, feinen Moroſe auf Erden, ja 
auch Ben Jonſon felhft mit famt feinem 
Waarenlager von Charaktern nicht: 
Wie Heneide ich dich! vor acht Tagen 
war ich auch fo unmiffend, als du. Aber 
nimm bin und lies! lies die Schand— 
ſcene, womit mir der dienftfertige Ueber 
fegee (daß ihn der Kufuf! mit 
Herrn Schumaliß zu reden) der Roſe, 
vorgeftern Abends aufwartete, Ach! 
meine alte, meine einzige Geliebte! ift 
es denn wahr? hätteft du wohl eine 
Epicöne feyn Eönnen? O nein! nein! 
ich will meinen Packen fträuben, und 
mich mit Unglauben waffnen! 


Moroſe, und ſein Stummer 
Moroſe. 


Saoll ich denn nicht, anſtatt dieſes 
hohlen Steckens, noch eine beſſere Me⸗ 
thode ausfindig machen koͤnnen, meine 


240 — — 


Bedienten der Muͤhe zu ſprechen, dieſe 
meine Ohren aber des Misklanges ihrer 
Worte zu uͤberheben? Laß ſehen. Alles 
Reden, auſſer meinem eignen, iſt mir 
zuwider, iſt mir verdrießlich, beſchwer— 
lich, unertraͤglich. Wie, Burſche! ſollt 
es nicht moͤglich ſeyn, daß du mir durch 
Zeichen antworten koͤnnteſt, und ich 
dich verſtuͤnde? Sprich nicht, wenn ich 
dich frage. Du haſt den Kloͤppel vor 
der Thuͤr abgenommen, wie ich dir 
hieß? Antworte mir nicht mit Worten; 
ſondern fchweigend, --- Sehr gut! falls 
du damit Ja! fagen willft. -—- Du haft 
auſſen an die Thüre einen guten dicken 
Polſter oder eine Madrage befeftigt, 
daß fie mit ihren Dolchfnöpfen, oder 
wenn fie mit Steinen anpochen, Feinen 
Laͤrm machen? —- Nur mit dem Fuß 
ausgefragt, fallsdu Ka! fagen will. -- 
Sehr!gut! So wird fürdie Beſcheiden⸗ 
heit eines Bedienten, und für die Wuͤr— 
de und. Ueberlegung des Herrn zugleich 
geforgt. — Du bift auch bey Cutbrard 
dem 


— 241 


dem Barbier gewefen, daß er Fommen 
foll? --- Our! Und er will gleich Bier 
feyn? ----Untworte mir mit dem Fuß, 
falls du Ja! fügen willſt: foll es aber 
Mein! heiſſen, fo fchüttle den Kopf, 
oder zuck die Achſeln. --- Go! --- die 
Herren Spanier und Staliener befinden 
fich bey diefer Etiquette gar fehr wohl; 
fie ſtimmet mit einer weifen und nuͤch— 
teren Gravirät vollkommen überein, 
und ift aufferdem auch elegant. -—- Wie 
lange wird Eutbrard ausbleiben ?- -— 
Steh! Wenn eine Stunde, bebe die 
ganze Hand auf; wenn eine halbe 
Stunde, zwey Finger; wenn eine Bier 
telftunde, einen Finger, --- Gut! Eine 
baibe Bierteltunde! Sehr que! —— 
Und haft du ihm einen Schlüffel gege: 
ben, daß er ohne Pochen einfommen 
Fann ? --- Öut! --- Uns iſt das Schloß 
heut gefihmiert worden? und die Kies 
gel? — Gut! --- Und find die Ueber: 
züge an den Treppen allenthalben, wie 
fihs gebührt, in gutem verwahrlichen 

Der Hypoch. 1. T. N Stan: 


Stande? daß das Hol; nirgend vor 
guckt? --- Sehr qut! --- Sch febe, ducch 
viele Lehren und anhaltende Uebung 
kann man zum Zweck kommen. -- Geh 
ein wenig bey Seite; --- Der Großtürd 
iſt in diefer unvergleichlihen Kunft ganz 
betwundernswürdig 5 er übertrift hierinn 
alle Botentaten der Erde: lauter Gtums 
me zur Aufwartung! duch Stumme 
werden feine Befehle ausgerichtet! ja 
felbft im Kriege, wie man mir gefagt 
bat, und auf feinen Maͤrſchen, giebt 
man feine Ordres ftillfchweigend durch 
Zeichen aus! Eine ausnehmende Kunſt! 
Ich bin oft berzlich beſchaͤmt, und ich 
aͤrgre mich, daß die chriftlichen Fürften 
fih in einem fo wichtigen Puhfte der 
Gluͤckſeligkeit von einem Barbaren über: 
treffen laffen. Wenigftens will ich diefe 
Gtückfeligfeit in meinem Haufe einzu— 
füßren wiffen, — (Ein Poſthorn wird 
vor der Thür gehört). Wie nun? Oh! 
ob! welcher Ruchlofe , welches Unges 
heuer vom Menfchen ift das? Guck * 





2243 


of! ESchneid ihm die Köhle ab! die 
Kehle ab! welcher Morder, welcher Hol: | 
lenhund, Meicher Tenfel Tann das feyn? 

Der Srumme Es if eine Siaf⸗ 
ferte vom Hofe — | 

Moroſe. Weg, Bube! mußt du 
dein Horn auch blaſen? 

Stumme. Ach Herr, es iſt ein Bor 
the vom Hofe, der fügt, daß er bey 
Todesfirafe augenblicklich mit Ihnen 
fprechen muß. 

worofe Ben Todesftrafe, halts 
Maut! 


Truewit, Morofe, Cutbrard. 
Truewit. Um Vergebung, Sir, 
ich bin hier fremde: iſt ihr Name Herr 
Moroſe? — Fiſche! fauter Pythagoraͤer! 
Seltſam Was ſagen Sie, Sir? Gar 
nichts? Iſt Harpokrates hier bey Ihnen 
eingekehrt? Nun denn, Sir, ich will 
Sie fuͤr den Herrn vom Hauſe nehmen; 
es wird auf eine ganz Probe an⸗ 
2 kom⸗ 


244 — 


kommen, Sir. Ihre Freunde bey Hofe 
empfehlen ſich Ihnen, Sir —— 

(Mor. O Menſchen! o Sitten! hat 
man je eine ſolche Unverſchaͤmtheit ge— 
fehen‘ ) 

Truew. Und find Shrentwegen 
fehr beforgt,, Sit --- 

Mor. Weſſen Bube feyd Ihr? 

Truew. Mein eigner: Ihres glei- 
hen, Sir —- 

Mor. Hol mir meinen Degen! 

Truew. Hier diefe Hälfte meines 
Dolchs in deine Nibben, Kerl, wenn 
du es thuft! und diefe andere für Gie, 
Sir, wenn Gie fich regen! Seyn Sie 
rubig, ich befehle es ihnen im Damen 
des Königs , und hören mich aus. — 
Man fagt, Sie wolten fich verheira: 
then? verheirathen! verſtehen Sie mich, 
Sir? 

Mor. Und was denn, Tölpel? 

Truew. Kurz, Sir, Ihre Freunde 
wundern fich über Ihren Entſchluß um 
jo 





— — 24 


ſo viel mehr, da die Themſe ſo nah iſt, 
daß Sie ſich ohne viel Umſtaͤnde er— 
ſaͤufen koͤnnen; oder die Londoner Bruͤ— 
cke, wenn ſie lieber von oben herab ſe— 
geln; oder der fchöne hohe Thurm Bow, 
um fich den Hals zu brechen; oder Gt, 
Pauls Thurm, der noch höher ift; oder 
wenn Sie es näher am Haufe und für: 
zer haben wollen, ein Föfiliches Erkfen— 
fter ihres eignen Haufes, das nach der 
Strafe hinaus gebt; oder ein Balken 
in befagtem Erker mit diefem Stricklein, 
welches Ihre Freunde Ihnen ſchicken, 
Sie liebreich erſuchend, die Gravitaͤt 
Ihres ehrenfeſten Schedels angeſchloſ— 
ſenem kleinen Knoten ja lieber als dem 
Ihnen gar nicht wohlanſtehenden Ehe— 
bande anzuvertrauen; oder wenn Sie 
auch das nicht wollen, daß Sie eine 
Doſe Queckſilber zu nehmen belieben, 
und ſtille wie eine Maus von hinnen 
ſcheiden: mit einem Worte, das Sie 
bey weitem viel kluͤger thun, uͤber alle 
Berge zu gehn, * dem Irrwiſch, Ehe, 

. 3 ſo 





246 — 


fs unbeſonnen, fo albern, fo thoͤricht nach⸗ 
sulaufen! Ach meh Ihnen, Sir! fönnen 
Sie jemals heffen, in unfern Tagen ein, 
züchtiges Weib zu finden ? zu einer Zeit, 
da es täglich fo Biel Mafferaden, Schau: 
fpiele, Puritaner: Predigten, toile Leu⸗ 
te, und andere aufjerordentliche Dinge, 
oͤffentlich und zwiſchen vier Wänden 
zu ſehen giebt? Haͤtten Sie zu Koͤnig 
Ethelreds oder Edwards des Beken— 
ers Zeigen gelebt: jo möchten Sie viel 
leicht in irgend einer falten Dorf huͤtte 
fo ein Weib guter Art angetroffen ha⸗ 
ben: damals wäre ein froſtiges einfaͤlti⸗ 
ges Ding ſchon noch mit einem Manne 
zufrieden gewefen. Aber itzt! Eben 
fo lieb würden unfere Weiber fih mit 
einem einzigen Beine, oder einem eins 
zigen Auge begnügen laſſen! Ich will 
Ihnen alle die traurigen Folgen erzäbs - 
ion, Eir, die Shen von einer Frau 

bevorſtehen. 
Mor. Guter Sir! haben ich je eis 
pen oder einige Ihrer Freunde um ihr 
fand 


z— 247 


Sand betrogen? ihre Höfe gekauft ? ihre 
verpfändeten Aecker an wid gezogen? 
mich. ihnen zum Machtbeil ihrer Erben 
aufgedtungen ? oder ihre "Betten beſu— 
delt? wodurch babe ich das um fie ver 
dient? 

Truew. Meines Willens durch 
nichts, Sir, als daß Sie heirathen 
wollen ¶ 

Mor. Wie? hätte ich einen Men: 
ehelmord wider Ihren Vater angeſtellt, 
ihre Mutter entehrt, ihre Schweſtern 
geſchaͤndet — 

Truew. Sch braͤchte Sie ums fe 
ben, Sir, ich erdroſſelte Sie, wenn 
Sie das hätten — 

Mor. Wie? Sie thun mehr, aß 
das! Was Gie mir ist thun, Sir, w&; 
re für die größten Schandthaten, die 
man ſi ch auszuſprechen fuͤrchtet, zehn⸗ 

fache ja hundertfältige Strafe — 

Truew. Ad Sir, ich bin nur ein 
Bothe; ich erzähle Ihnen nur, was 
Sie wiſſen müffen, Es feine, Ihre 

Q4 Freun⸗ 


248 —— 
Freunde ſorgen für die Wohlfahrt Sb: 
rer Seele, Sir, und fuchen Ihnen die 
Gefahr vorzuftellen (meinentwegen md 
gen Sie thun, was Sie wollen: ich 
überrede Sie zu nichts), die Gefahr, 
fage ich, die aroffe Gefahr, daß etwa 
Ihre Frau acht Tage nach der Hochzeit 
mit einem Bereiter davon laufe, oder 
mit dem franzöfifchen Seiltänzer, ‘oder 
mit einem Tanzmeifter, oder Fechtmei— 
fter, verftehen Sie mich wohl, einem 
Fechtmeifter, der die Waffen zu führen 
weis — Alsdenn iſt esnicht die Schuld 
ihrer Freunde. Die haben dann ihr 
Gewiſſen befreyt, da fie Ihnen durch 
mich fiir itzt wie für immer voraus fa: 
gen, und begreiflich machen, was ge— 
fcheben kann. Faffen Sie fih, Sir, 
halten Sie fiandhaft aus: denn ich 
muß und will Ihnen die Unalücksfälle 
befhreiben, denen Sie ausgefeßt find, 
Iſt Ihre Frau ſchoͤn, jung, bluͤbend: 
nie hat eine Confeetſchuͤſſel mehr Fliegen 
an fich gezogen: alle gelbe Roͤcke und 

groſſe 


—— 249 


groſſe Bandſchleifen in der Stadt wer: 
den zu Ihnen eilen. Iſt ſie haͤßlich, 
verwachſen: gut, fo läuft fie dieſen nel: 
ben Roͤcken, diefen Bandfchleifen nach, 
und da hilft nichts: es muß gekauft 
werden, Sir, Iſt fie reich, Haben Gie 
die Mirgift, nicht die Frau, geheirather: 
dann will fie das Haus regieren, und 
herrfchen, wie eine Wittwe, Iſt fie 
vornehm: alle ihre Berwandten find fo 
viel kleine Thrannen des Chemanns. 
Iſt ſie fruchtbar, lebhaft wie der May, 
ungleich wie der April: nun, ſo hat ſie 
ihre Aerzte, ihre Wehmuͤtter, ihre Am— 
men, ihre Luͤſternheiten von einer Stunde 
zur andern: und follte fie nach dem 
Foftbarften Jecferbiffen lüftern, den nur 
ein Mann darbietben kann; fie muß 
ihn haben. Iſt fie gelehrt: Eein Pa: 
pagoy ſchwatzt unaufbörliher, Fein 
Reichthum ift reich genug, um für die 
Menge von Gäften zuzureichen, die gez 
beten ſeyn müffen, die gelehrte Frau 
Griehifh und Latein veden zu hören; 

2 ja 


250 — 


ja der Mann muß ihr gar feine Auſ— 
wartung anf Griechiſch und Latein ma: 
chen, wenn er mit ihrem hoben Beyfall 
beehrt feyn will, Iſt fie eine Purita 
nerinn: buy, mein Here Stummer, fo 
entfchlieffen Sie fich, alle ſchweigende 
Brüder drenmal in der Woche zu be 
wirthen, die theure Schwefterfchaft fein 
die Hunde herum zu füllen, die ganze 
Cleriſey mit Knechten, Mägden, und 
Kindern zu füttern, und zur Danffas 
gung die erbanlichfien und endlofeften 
Reden von nuritanifchen Hebungen, und 
puritanifchen Gingen, und puritani- 
fchen Eatechifiren zu hören, ja fogar zu 
bezahlen, um nur der heiligen Fran Fein 
Aergerniß zu geben, die Gie an Leib und 
Seele betruͤgt. Der Angſtſchweiß bricht 
Ahnen aus, Sir? D das ift noch nicht 
die Hälfte: Inzwiſchen haͤngt es immer 
son Ihnen feloft ab, was Gie hun 
wollen (mie ich ſchon vorher erwähnt 
habe). Sch komme nicht, Sie mit Ge— 
walt zu überreden: ferne fey es von mir! 

(der 








251 


Cder DBediente will wegſchleichen). 
bey meiner Treu, Herr Bedienter, wenn 
Ihr von der Stelle gebt, es wird Pruͤ— 
gel regnen! | 

Mor. Omas bab.ich gefindigt! was 
hab ich gefündigt! - | 

Truew. Gefest, im Gegentheil, 
Eie lieben Ihre Frau, noch mehr, Sie 
beten fie an: welche Marter für Sie 
ſelbſt, Sir! wie wird fid) das holde 
Weibchen an dem Fläglichen Zuftande 
ihres winfelnden Eheherrn ergößen ? 
Sie werden nicht bey ihr fchlafen dürfen, 
wenn 5 ihr nicht gefällt; dern wie 
dürfte ſie ihre LieblichFeiten, ihren fchlan; 
fen ſchoͤnen Leib verderben! es fendenn, 
daß fie es etwa einmal aus Gefälligkeit, 
bloß für ein Paar Juweelchen, etwa fo 
für eine Fleine Schnur Derlen nebenher 
erlaubte, Das Vergnügen einer jeden 
halben Stunde mug ihr, wie nach Ber 
Taxordnung, abgekauft, jede Gefälligs 
keit, wie in den guͤldnen Tagen der. Che: 
werbung, mit dem Schweiß Ihres Ag: 


geſichts 


2 


252 ee 


gefichts erft erhuldigt werden, Sie 
müffen ihr fo viel Bedienten halten, als 
ihr Herz gelüftet, fo viel Gefellfchaft, 
als ihr genüger: Sie ſelbſt aber, der 
untertbänige Herr vom Haufe, daß Gie 
fih nur nicht unterfangen, einen Freund 
ohne Bewilligung der gnädigen Dame 
anzunehmen! Auch nicht einmal, wenn 
er das Glück haben follte, der gnädigen 
Dome zu gefallen. Denn defto mehr 
wird fie, alle unnöthige Eiferſucht zu 
vermeiden, ihn zu haſſen feheinen; oder 
fie wird lieber gleich zuerit eiferfüchtig, 
und läuft is der Wuth (mer kann einer 
fe artigen Fran, die fich aus Zärtlichkeit 
übereilt, etwas wehren?) zu einer ihrer 
getreuen Freundinnen oder Berwandtin: 
nen in der Gegend der hohen Schule, 
wo fie fich in der Kunſt, Briefe zu ſchrei⸗ 
ben, Bediente zu beftechen, Kundfchaf: 
ter zu gewinnen u. ſ. w. unterrichten läßt. 
Während ihres dortigen Eriliums muß 
fie bald ein reiches Feyerkleid für Petri 
Stuhlfeyer, bald ein neues für die hei— 
| lige 


— nenn 253 


lige Faſtnacht, bald ein noch prächtige: 
res für Afchermittwoche haben; fie muß 
mit Silber bedient werden; ihr Zimmer 
muß vollauf von Kammerdienern, La= 
Fayen, Pförtnern und andern faufbor 
then feyn; Stickerinnen, Juwelirer, 
Pusmacherinnen, Naͤtherinnen, Feder: 
ſchmuͤcker, Parfumeuͤrs, und was dem 
anhaͤngich iſt, uͤbergeh ich mit Still— 
ſchweigen. Ob unterdeſſen die Aecker 
ſchmelzen, oder ein Stuͤck Wieſenwachs 
nach dem andern in goldne Kleider um— 
geſetzt wird, oder der Seidenhaͤndler fuͤr 
ſeinen Sammt ganze Hoͤlzungen um 
haut: das iſt nicht ihre Sorge. Was 
kuͤmmert ſies, wie viel ihre Eitelkeit 
koſte? kann ſie nur einen Pagen oder 
ſonſt ein Milchbaͤrtchen kuͤſſen, kann ſie 
nur als eine Staatsdame leben, alle 
Neuigkeiten, alles, was zu Bath, alles 
was beym Pferderennen zu Salisbury, 
alles was bey Hofe, bey der letzten Luft: 
reife des Königs vorging erfahren; kann 
fie nur Poeten und Schriftfteller kritiſch 

Bit | gegen 





254 


gegen einander abwägen, und Über den 
Stil richten, Daniel gegen Spenferz 
Decker gegen Jonſon prüfen, will man 
ihr nur nicht den Witz ſtreitig machen; 
uͤber die Zaubereyen der witzigen Koͤpfe 
zu entſcheiden, allenfalis auch wohl eini⸗ 
ge Knoten der Polemik oder fo ein Bros 
blem aus der hoͤhern Mathematik bey: 
käufig aufzulöfen, in Religionsfachen 
dem Nachbar zur Rechten, in Staats: 
fachen dem zur Linken, in Zivendeutigfeis 
ten dert voh hinten zu anmworten = 

Mor O! o! -- 

Truew. Ich fage nichts, Sir, ale 
was fih auf die Erfahrung gruͤndet. 
Dann kommen noch die faubern Gänge 
zu dieſem oder jenem Beſchwoͤrer, dieſer 
oder jener alten Heye, wo die erſte Frage 
lautet, wie bald der Gemahl ſterben 
wird, die zweyte, ob der Buhler ſie 
liebt, die dritte, ob ſich nach ihm ein 
neuer Liebhaber, und nach diefem neuen 
tiebhaber wie viele andere neue Liebha⸗ 
ber einfinden werden; ferner wer in 

ihrer 


u 


— 255 


ihrer Familie die vorzüglichften Kuppler⸗ 
Talente habe, Knecht oder Magd; wie 
nicht weniger, welchen Rang ſie bey der 
naͤchſten Aſſemblee behaupten werde— 
Jede Antwort wird Punkt fuͤr Punkt 
niedergeſchrieben; die heiligen Prophe— 
ten weiſſagten nicht zuverlaͤßiger; und 
er kann uns buͤrgen, ob fie nicht ſelbſt 
auf den Einfall geräth, eine heilige 
Prophetinn zu werden: — 
Mor. Trauteſter Herr, ſind Sie 
bald fertig? haben Sie ihr volles Maag 
bald über mich ausgegoffen? Sch ſchwoͤ⸗ 
te Ihnen, fein Tropfen ihres ungeben: 
ren Wortſtrohms foll bey mir umkom⸗ 
men. Ä 
Truew. Gleich, Sir; Dann eile 
fie nach Haufe, daß ihr der Kopfraucht, 
naß von Schweiß, und Franf von Duͤn⸗ 
ften, daß fie zu Fuß bat geben müffen, 
kiegt einen Monath lang im Bett; ihre 
Haut abzumerfen; erneuert fichin Efels; 
mild, und glämt wieder von Firniß⸗ 
leben Sie wohl, Sir. — Eins hatt 





256 


ich noch vergefien. Es Fünnte fich für 
gen, daß Ihre Auserwaͤhlte fich vor der 
Hochzeit zu einer andermweitigen Lieber: 
gabe auf Diferetion verftanden hätte, 
wie es gewiſſe Fluge Wittwen giebt, die 
vor der zweyten Ehe ihre Erbfige bey ei⸗ 
nem guten Freunde deponiren: oder wenn 
fie esnoch nicht getban hat, ſo kann fie es 
vielleicht an ihrem Hochzeittage, oder 
in der Nacht vor ihrem Hochzeittage 
thun — Man Hat eher dergleichen 
Dinge in der Welt gehoͤrt, ich beſcheide 
mich, Ihnen Feine unmoͤgliche Dinge, 
keine Hirngeſpinſte vorzutragen — Und 
nun empfehle ich mich Ihnen aufs ſchoͤn—⸗ 
fie. Ich bin ſo frey, dieß Stricklein, 
als ein geringfuͤgiges Andenken, Ley 
Ahnen zurück zu laſſen. Adieu, mein 
Herr Stummer! 

Mor, Geſchwind! führe mich auf 
meine Kammer! Erſt fehließt die Thüre 
ab! DO fchließt die Ihüre ab! fehließt 
die. Thüre ab! kommt er fchon wieder? 


d 
5 a8 — pr 





257 


Eutd. sh, Sit, der Barbier, 
Mor. O Bariſcheerer, Bartfcheerer, 
Bartſcheerer! bier hab ich einen Gur— 
gelfcheerer gehabt! hilf mir in mein 
Bett, und heile mich mit deinem Rathe. 


— — — 


Cutbeard, Epicöne, Morofe, 
Stummer. 


Morofe Willkommen, Cutbears, 
komm mit deiner fehönen Bürde etwas 
näher heran, und. ſag ihr leiſe ins Ohr, 
daß ich ſie erſuche die Maffe abzuneh⸗ 
men; — Sp! — Iſt die Thuͤre ver⸗ 
ſchloſſen? — Schon gnug! —-- Nun, 
Cutbeard, nach der Ordnung, die ich 
in meinem Hauſe eingefuͤhrt habe, hebe 
ich denn an, dich alſo zu befragen. — 
Wie ich vorausſetze, Eutbeard,, fo iſt 
Diefes junge Franenzimmer diejenige, 
die du für mich beforgt und herbeyge: 
fchafft haft, in der Hoffnung, fie werde 
mir in der Stelle und Perſon einer Frau 
Der Hypoch. 1. T. R an⸗ 


258 e>> 


angemeffen fenn ? Antworte mir bloß mit 
den Fuß, falls du Sa! antworten willfi.-- 
Sehr gut, Eutbeard; fehr gut: —-- Sch 
feße ferner voraus, Cutbeard, du bar 
beft dich vorläufig mit ihrer Geburt, 
Erziehung, Gemuͤths⸗ und Leibesbefchaf? 
fenbeit gehörig befannt gemacht, indem 
du fie ſonſt nicht zur Beſtaͤtigung deiner 
Wahl in einer fowichtigen Angelegen: 
heit, als Ehehaften find, hieher geführt 
haben würdeft dies feßeich voraus, Cut⸗ 
beard. Antworte mir nur mit dem 
Fuß, falls du Ja! antworten willft, -- 
Sehr gut, Eutbeard, fepr gut, -- Geh 
num ein wenig bey Seite, daß ich ihre 
Gaben näher unterfuche. (Er gebt 
um Epicönen herum, und be 
trachtet fie) Sie ift über die maaf 
fen ſchoͤn, und hat eine bejonders gute 
Mine; eine angenehme Zufammenfe: 
tzung oder Harmonie der Öliedmaffen; 
die Temperatur ihrer Schönbeit ſtimmt 
völlig mit dem Gublimat meines Ge: 
blüts überein, Der Schelm von Eur; 

beard 


beard hat ihr Weufferes treflich nach mei: 
nen Bedürfniffen zu beurtheilen gewußt? 
und nun will ich ihr Inneres unterfu: 
chen. Kommen Ste näber, fehöne junge 
Dame: laſſen Sie fih mein Betragen 
nicht befremden, obgleich es Ihnen der 
Seltenheit wegen etwas fonderbar vors 
fommen möchte. (Sie neigt fich) --- 
Dein, Lady, Sie dürfen fprechen, wenn 
gleich Eutbeard und mein Bedienter 
nicht darf: denn unter allen Arten des 
Schalles hat die füfle Stimme der 
Schönheit allein das gehörige Maas 
für mein Paar Ohren. Sc erfuche 
Sie, berichten Sie mir, Lady; aus den 
Funken zweyer Augen, die fich zum er: 
ftenmale einander begegnen, fell, fagt 
man, die Liebe bervorfpringen; berich: 
ten Sie mir, ich erfuche Gie, empfinden 
Sie bey diefem erften Anblick diefer 
meiner Augen irgend etwas Nehnliches? 
empfinden Sie irgend etwas aus irgend 
einem fichtbaren Theile meiner Perfon 
plöglich in Sie hervorfpringendes ? be, 
# R2 $adn? 


260 — 


Lady? — (Sie neigt fh). —- 
Ach, Lady, dieſe Antworten fiummer 
Verneigungen find zu wenig hofiſch, zu 
einfach für Perfonen von unferm Range, 
Sch bin an Höfen erzogen worden, und 
diejenige, die meine Frau feyn foll, muß 
eine vollfommen hoͤfiſche, und, daß ich 
fo rede, Fühne Lebensart befißen, Koͤn⸗ 
nen Gie fprechen,, $ady? ? 
Epicöne (mit fanfter Stimme). 

Urtheilen Sie, ich erfuche *— 
Mor, Was fagen Sie, fady? Re⸗ 

den Sie aus, ich erſuche — 

Epic. Urtheilen Sie, ich erfuche- — 
Mor. Ben meiner Treu! eine recht 
himmliſche Sanftmurh! Aber hat die 
Natur Sie fähig gemacht, Lady, fich 
nach Art diefer beiden Leute, die ich 
durch Unterricht und Uebung gebildet 
habe, vorkommenden Salls auf die bloß 
ſtillſchweigende Erwägung meiner Wil- 
lensvermögen einzufchränfen, und ftart 
fih dem Vergnügen Ihrer Zunge zu 
überlajien, welches das Hauptvergnügen 
eines 


ASEIARERTEE 261 





eines Frauenzimmers zu ſeyn pflegt, 
ſich mit den Antworten, die man ver - 
mittelft der Öebehrdenfprache ausdruckt, 
zu begnügen, fo lange nänlich meine 
mündlichen Worte mie Ihrer perſoͤnli— 
chen Borftellung von der Bedeutung 
derfelben übereinftimmen? --- (Sie 
neint ſich). --- Unvergleichlich! Ueber: 
menfechliche Bollfommenbeit ! wenns 
nur möglich wäre, daß Sie fich fo bis 
‚an She Ende gleich: bleiben Eönnten! 
Gib dich zufrieden, Cutbeard, dein Glück 
iſt gemacht! wie du mich gemacht haft, 
fo will ich dich wieder machen : anges 
nommen, daß diefe übergroffe Gluͤckſe— 
ligkeit fortdaure., Doc ich will die 
Schöne noch näher verfuchen. -- Theure 
tady, ich bin zwar Fein  eigentlicher 
Hofmann, aber doch ein höfifcher Mann, 
wie ich bereits gefagt habe, und meine 
Ohren bungern und durften nach ange: 
‚nebmen und wißigen Linterhaltungen, 
niedlichen Einfällen, ſchalkhaften Spot: 
teregen, und muthwilligen Eleinen 
| — Schwaͤn⸗ 


62 — — 


Schwaͤnken von den Lippen derjenigen, 
die ic) zur Geſpielinn meiner Ruheſtun⸗ 
den auserleſe. Die Damen am Hofe 
ſehen es allemal als einen Schandfleck 
für ihren Witz und ihre hoͤfiſche Lebens: 
art an, wenn fie durch ihre Replifen 
eine Mannsperfon nicht auf die Spur 
bringen Fönnen, ihnen durch alle Fächer 
den Hof zu machen: ift einmal ein ga: 
lantes Gefpräch aufs Tapet gebracht, 
fo fchieben befagte Damen niit ihren 
Materialien immer nach, immer nach, 
damit es der Manusperfon nie an Ge: 
legenheit gebreche, fich auch feinerfeits 
in einem vortheilbaften Lichte zu zeigen. 
Werden Sie aber, Lady, fich von dieſen 
Damen darinn unterfcheiden koͤnnen, 
daß Sie alle dietebhaftigfeiten, die jene 
Affectiren, um für wißig, gelehrt, ver— 
ſtaͤndig, und beiſſend gehalten zu werden, 
mit Stillfchweigen unterdrücken? Wer: 
den Sie geneigt fenn, fich an ihren Rei: 
zungen bloß in dem füllen Bemwuftfenn 
Ihrer Tugend zu vergnügen, anftatt der 

Welt 





263 





Welt eine Heroldian Ihrer eignen un: 
vergleichlichen Eigenfchaften zu werden? 
Epie. Sonft follt es mir leid ehun-- 
Mor, Was fagen Sie, Lady? Gute 

$ady, reden Sie aus -- 
Epic. Sonſt follt es mir leid ehun -- 
Mor, Dieß Leidthun erfuͤllt mich 
mit Freude. O Moroſe! du biſt der 
Gluͤcklichſte unter allen Menſchen! Bitte 
den Himmel, dich in Schranken zu hat; 
ten! Ich will fie noch ein einzigsmal 
unterfuchen, und es foll die feinfte und- 
delicatefte Linterfuhung ſeyn, die man 
je mit einer Schönen vorgenonmen bat, 
Hören Sie an, fehöne Lady. Auſſer 
demjenigen, was ic) Ihnen bereits ge 
fagt habe, wuͤnſche ich noch, daß die, 
die mit mir an einem; gemeinfchaftlichen 
Ehejoch ziehen foll, die erfie und vor— 
nehmſte in alfen Moden fey, oder um. 
mic) deutlicher zu erflären, daß fie die 
neueften Moden wenigftens vierzehn 
Tage früher, als irgend eine Hofdame, 
age; daß fie einen Staatsrath von 
Ri - Schrei: 


264 a zum 


Schneidern, feinwandsframern, Spi: 
Genhändlerinnen und Stieerinnen um 
fich ber habe, daß ſie zweymal des Tages 
Derfammlung mit gedachtem Staats: 
rath halte, um die neueften M achrichten 
aus Frankreich einzuziehen; und dann 
hervortrete, wie die mannichfaltige Ma: 
tur, noch mannichfaltiger durch die 
Kunft, ihre nacheifernde Dienerinn, 
Dieg ift der Wunfch meines Herzens. 
Wie aber, Lady, wie wollen Sie, bey 
der Ihnen eignen Sparfamfeit Ihrer 
Stimme, im Stande feyn, die ver: 
ſchiednen, doch nöthigen, Anweifungen 
zu geben? Anweiſungen zu diefer oder 
jener Schnuͤrbruſt? Anmeifungen zu 
Yermeln? Anweifungen zu Saͤumen? 
Anweifungen zu diefem Schnitt und 
jenem Gtih? Anweifungen zu Sticke— 
reyen, zu Spißen, zu Obrgebenfen, zu 
Schleifen? Anweifungen zu Halskraus 
fen, Bouquets, Guͤrteln, Fächern, 
Schleyern, Handſchuhen? He? was 
ſagen Sie, Ladd ? 
Epic. 





265 


Epica Das will ich Ihnen überlaf: 
fen, mein Here —-- 
Mor. Wie, Lady? eine Note hoͤ⸗ 
her, wenn ich bitten darf. 
Epic. Sch überlag es der Weisheit, 
und Jen: Er 
Berwundernswhrdiges Ge: 
fhöpf \ Sch will fie nicht länger in Zwei— 
fel und Unruhe laffen, nein, fo fehr 
will ich wider. diefe himmlifche Einfalt 
nicht fündigen! ---- Sch will nun. fo 
fühn fenn, Lady, auf diefe füllen Lip⸗ 
pen das Giegel zu drücken, daß Sie 
mein find. --- Qutbeard, ich fhenfe 
dir die Hausmiethe! danfe mir nicht, 
oder danfe mir nur mit dem Fuß — 
Sch verfiche, was du fagen mwillft: fie 
ift arm, und ihre Verwandten find ge: 
ſtorben. Allein ich bin zufrieden. Sie 
bat mir eine reiche Morgengabe in ib: 
rem Stillſchweigen mitgebracht, Eut: 
beard; und eben weil fie arnı ift, Eut: 
beard, wird fie eine defto zärtlichere und 
geporfanere Grau fenn, Cutbeard. Geh 
R 5 nun 


266 —— 


nun deiner Wege, und hole mir gleich 
einen Pfarrer mit einer leiſen und fanf: 
ten Stimme, der uns einfegne; bittihn 
zugleich, daß er nicht zu viel Norte 
mache, und fich möglichft kurz fafle. 
Geſchwind, Eutbeard, doch one Ge: 
raͤuſch. -— Kerl, führe deine gnaͤdige 
Frau ins Speifezimmer: börft du? Hier 
diefe, deine ikige anädige Frau. --- DO 
mein Himmel auf Erden! wiewerde ich 
nun an meinem unverfchämten Neffen 
geraͤcht ſeyn! an ihm und feiner ganzen 
Kabale, mid) vom Heiratben abzufchre: 
een! Noch in diefer Nacht will ich 
einen Erben zeugen, und den Schurken 
aus meinem Herzen verftoffen, alseinen 
Fremdling. En ja! er mußte fich 
Knighten laffen! er mußte mir fein 
übern Kopf wachfen! fein Titel follt 
alles gut machen! ıc. 

Morofe, Epicöne, Pfarrer, 

Cutbeard. | 

Morofe Gum Pfarrer.) Sit, 

Gier ift ein Roſenobel für Sie, und noch 


einer 





267 


einer fir Ihren Schnupfen. Erfchres 
een Sie nicht vor dieſem Merkmaale 
meiner Güte. Es ift billig, daß wir 
dem Gluͤck, welches uns eine ziwiefache 
Gunſt erweift, eine ziwiefache Grfennts 
lich£eit bezeigen. „ Ihre Erfältung ift 
zwar eine Ungemächlichfeit für Sie, 
aber fein gemeiner Troft für mich. 
"Pfarrer. (Er ſpricht, ais ob er 
den Schnupfen hätte.) Ich danke Em, 
Herrlichkeit. So für mid auch, itzt. 
Mor. Was fagt er, Eutbeard ? 
Cutbeard. Er fagt, Drefio, Sir! 
wenn Em. Herrlichkeit ihn wieder braus; 
chen, Eaun er wieder damit aufivarten, 
Er zog fich diefe Erfältung ducch fpätes 
Aufjißen zu, da er Rundgefänge mit 
Quchwebern aus Flandern fang. 
Mor. Nicht mehr davon: ich dan- 
fe ihm, 
Pfarr. Gott fegne Ew. Herrlich: 
feit, und. gebe Ihnen viel Freude mit 
Ihrer Schönen Vermaͤhlten. Umh. Umh. 
ze Mor, 


268. gr 


Mer. O! 0! halt, Cutbeard/ laß 
ihn. einen, halben Nobel zurückgeben, 
Es iſt Guͤte, Wohlthaten zu vergeltem, 
aber es ift Gerechtigkeit, Beleidigun— 
gen zu ſtrafen. Ich⸗ wills fo abe. 
Wasfagter? 7 _ 

Eutb. Er kann nicht wehfein, Si, 

Mor. Er muß wechfeln. r 

Cutb. Hufte noch einmal, cbeyſ) 

Mor. Was fagt er? — 

Cutb. Er will feinen Reſt auchuſten. 

Pfarr. Umh. Umh. Umh. 

Mor. Weg, weg mit ihm! halt ihm 
das Maul zu: Weg mit ihm! Ich ver; 
gebe ihm, 

Epicöne. Ep Sie fich, Herr 
Morofe, dag Sie einem Kirchendiener 
ſo unanſtaͤndig begegnen! 

Mor, Wie? 

Epic. Es würde eine Schande für 
Ihre Gravitaͤt, oder Ihre hoͤfiſche Le⸗ 
bensart ſeyn, wie Sie es nennen, ſo 
was nur einem Matroſen zu biethen, 

ge⸗ 


—— 269 


geſchweige/ einem Manne in einem fo 
ehrwuͤrdigen Kleide; 
- = Mor. Sie koͤnnen alfo reden? 
Mor. Laut reden? meyne ich, 
Epic. Ohne Zweifel, Sir. Was! 
bildeten Sie fich ein, eine Statue ge 
heirarhet zu Baben? oder eine Mario— 
nette ? eine von den framzöfifchen Pup⸗ 
pen, welche die Augen nach Stahldrat 
beivegem? oder etwa ein unfchuldiges 
Ding aus dem Hofpital, das die Hände 
fo. hält, und ein ſchiefes Maul macht, 
und euch angafft? 
* Mor. O Linbefcheidenheit! ein of 
fenbares Weibsbild! Was? Cutbeard! 
Evpic. Nur nicht mir Cutbeard ge- 
zanft; Sir, Das koͤmmt zu ſpaͤt. Sch 
geſtehe, es ift nicht völlig fo fittfam ge: 
fprochen,, als da ich für ein Mädchen, 
und weiter nichts, galt; Ich hoffe aber 
aus diefer Gittfamfeit ein gewiffes Er: 
was zu machen, das dem Anftande und 
den Rechten einer Frau gemaͤß iſt. 
Mor. 





270 


Moroſe. Sie kann reden! 

Epic. Ganz gewiß, Sir. 

Mor. Was? Schurke! keine von 
meinen Hollunfen bier? Wo iſt der 
Spitzbube Eutbeard ? 

Epic Sprecht zu ihm, Freund, 
fprecht zu ihm. Ich will von folchen 
gezwungnen unnatürlichen Stillfchweis 
gen in meinem Kaufe nichts wiſſen. 
Was! in einer Familie, woich regiere? 

Mor. Sie regiert fehon! Sch habe 
eine Denthefilca, eine Semiramis ges 
heiratbet! habe meine Freyheit ancinen 
Spinnrocken verkauft! 


Truewit tritt auf. 
Truewit, Woift Here Morofe? 
Mor. Der wieder da? So behüte 

mich der Himmel! 

Truew. Sch wünfhe Ihnen viel 
Vergnügen, Miſtriß Epicöne, zu Ihrer 
ebrbaren und würdigen Eheverbindung- 

Epic. Ich danfe Ihnen, Here 
Truewit, für Ihren freundfchaftlichen 
Wunſch. Mor. 





271 


Mor. Auch Bekfanntfchaften hat fie! 

Truew. Der Himmel fegne Sie, 
Sir, und verleihe Ihnen mit Ihrer 
fhönen Auserwählten taufendfaches 
Vergnügen, Vorher war ich Ihnen 
ein Nachtvogel, eine Eule: ißt aber 
komme ich als ein Bothe des Friedens, 
eine fanftmüthige Taube, und bringe 
Ihnen die fröhligen Gluͤckwuͤnſche aller 
befannten und unbefannten Sreunde ya 
der feyerlichen Handlung diefer gefegs 
neten Stunde, | 

Mor. Was für einer Stunde, Sir? 

Truew. Der hochzeitlihen, Sir. 
Sch lobe Ihre Entſchloſſenheit, dag 
Sie, ungeachtet aller der Gefahren, die 
ich Ihnen im Ton eines Nachtraben 
weiſſagete, dennoch ihren Gang ftand: 
haft fortgingen. Es zeigt Weisheit 
in Ihren Zwecen, und Seftigfeit in 
Ihren Unternehmungen an, daß Sie 
ſich durch Fein linkes Gefrächze irgend 
eines Unglüsfs; Propheten irre machen 
liefen, 
| Mor 


272 — 


Mor, Woher haben Sie immer: 
mehr fo viel erfahren! 

Zruem. Wie, fonnten Sie jemals 
hoffen, Sir, da Sie Ihr Geheimniß 
einem Barbier anvertrauten, daß es nicht 
flugs in der ganzen Stadt bekannt wer— 
den wuͤrde? Eben ſo gut und beſſer 
haͤtten Sie es dem Canal, oder der 
Baͤckſtube, oder der Leibwache, die dem 
König folgt, anvertrauen koͤnnen. 
Konnte Ihre Öravität das alte gemeine 
Sprichwort ve rgeſſ en, lippis et ton- 
foribus notum? Gut, Sir, verzeihen 
Sie fih num Ihren Fehler felbft, und 
laffen Sie Ihre Heirath fein, wie fichs 
gebührt, Ihren Fretinden anfagen. Es 
werden ohne das bald drey oder vier 
Damen von der aroffen Welt mit ihrem 
Gefolge von Liebhabern und Befannten 
zum Befuch anbero fommen. 

Mor. Verriegelt meine Hausthuͤren! 
verriegelt meine Hausthuͤren! mo find 
alle meine Schmarotzer? meine Freß⸗ 
maͤuler verriegelt meine Hausthuͤren, 
ithr Boͤſewichter Epic. 





273 


. Epicdne Der ift ein Boͤſewicht, 
der fich unterfiebt, es zu thun. Saft 
fie mir offen, alle offen! Sch will den 
feben, der nur eine Mine macht, fie zu 
verfchlieffen. Soll ich meine Freunde 
ausjperren, und mir das Vergnügen 
Ihres ehrenvollen Beſuchs entziehen? 
Mor. O mehr als amazonenmaͤßige 
Unverſchaͤmtheit! — 

Truew. Mein wahrhaftig, hierin 
fpricht fie die Wahrheit, und wie mich 
duͤnkt, fpricht fie weit verfiändiger, als 
Sie, Sir. Wollten Sie gleich diefen 
Augenblick ins Bett fleigen, wie? am 
hellen Nachmittage? Ein Mann von 
ihrem Anfeben und ehbrwürdigen Haaren 
ſollte eine feyerlihe Handlung mit etz 
was mehr Anſtand begeben, und fich 
dem heiligen Ehebett nicht wie ein 
Stadtbulle oder Ziegenbost nahen, folfte 
die gehörige Zeit abwarten, und alsdann 
mit Ehrfurcht und Schauser dahin 
treten, Laſſen Sie den Tag Ihrer Hei— 
rath dem freyen gefelligen Vergnügen, 

Der Hypoch. 1. T. S dem 


dem Schmaufe, der Mufick, dem Tan: 
ze, und muntern Öefprächen gewidmet 
feyn: wir wollen alles geniefjen, was 
zur Glückfeligfeit und Pracht einer fol- 
chen Hochzeit erforderlich ift. 

Mor. O Marter! o meine Foltern! 

Truew. Pfuy, Sir, wenn Sie fich 
in diefer erfien Stunde fo ungeduldig, 
eigenfinnig, mürrifch gebebrden, mit 
was für Troft, mit was für Hoffnung 
kann diefe junge Vermaͤhlte in eine fo 
weite Zufunft hinausfchauen. --- 

Mor Als mich Unglücflichen er: 
wartet! Trauter Herr, geben Sie, und 
laſſen Sie dieß Frauenzimmer das ihrige 
ſelbſt thun. 

Truew. Ich habe das meinige ge: 
than, Sir, ich bin fertig. 

Mor. O der verfluchte Barbier! 

Truew. Ja mohl, ein verwünfch 
ter Boͤſewicht! darinn haben Sie 
Recht, Sir. 

Mor. Des Quackſalbers Colombi; 


fein Menfch bier mit der Cithar 
babe 


en u. Hanne 275 


babe ich geheiratet! eine Plage über 
alle e Plagen: 

Truew. Sa alle zehn agypriſche 
Plagen. 

Mor. Rache! Rache! 

Truew. So iſts recht, Sir! Noch 
ein paar Fluͤche mehr, Sir. Sie koͤn— 
nen ihm nicht zu viel Unglück auf den 
Hals wünfchen. Winfchen Sie ihm, 
daß er die Seuche, die eran andern cu; 
riet, zehnfach felbft erhalte und nie cus 
rire! daß ihm, wenn er andrer Leute 
Haare auf kraͤuſelt, ſeine eignen vom 
Kopf fallen! oder daß er eines Stutzers 
Haarlocke ſenge, und der Stutzer ihm 
mit dem Schnabeleiſen die Augen aus⸗ 
hacke! 

Mor. Nein, laß den Elenden mit 
beiden Augen ſehen, wie elend das E— 
lend ift, das ich ihm anwuͤnſche. Daß 
ihn der Grind verfolge! * 2c. Daß feine 
Wärmpfanne auf-ewig erfalte! 

82 Truew. 
Her Roſe hat hier die Fluͤche ein wenis 
abgekuͤrzt. 





276 


Truew. Und ewiger Froftin feinen 
Unterleib fahre! 

Mor. Daß er niemals wieder Se 
er ſehe — 

Truew. Als im Tattatus! 

Mor. Daß ſeine Scheeren verro— 
ſten, und ſeine Kaͤmme in ihren. Suf: 
terälen vermodern! 

Truew. Ein erfchreeliches Un 
alu, was Gie ihm da wünfchen! —- 
Daß er die Gabe verliehre, — in 
Papier auszufchneiden --- 

Mor. Daß er vor — ſei⸗ 
ne Schwänmte ftatt Brod verſchlinge — 

Truew. Und Theriak trinke, ſeinen 

Durſt zu loͤſchen! und wohl bekomm 
ihm die Mahlzeit! 

M or, Oder aus Mangelan Brod-- 

Truew. Obrenfchmatz effel — Ich 
win Ihnen helfen, Sir. — —R daß 
er ſich ſelbſt die Zaͤhne ausreiſſe, und ſie 
an ſeinem Drat aufreihe! 

Mor. Oder feine Hohlzaͤhne zu Pul 
ver ſtoſſe, und ſich Brod daraus backe — 

Truew. 





217 





Truew. Das ift, daß er fih Mehl 
aus den Mühlfteinen mahle. --- Daß 
es ihn an Geld fehie, fein Schild zu 
überrünchen —- 
Mor, Laſſen Sie es nur gut feyn; 
ich vergaß mid) —- 
Truew. Oder Niemand ihm Cre⸗ 
dit auf einen Kamm gebe — 
Mor: Micht mehr davon, Sir --- 
Truew. Oder wenn er aus Ber: 
zweiflung feine Glaͤſer zerbricht, daß er 
verzweifle , jemals wieder andre zu 
Faufen -- 
Mor. Sch bitte Sie inftändig, vers 
| ſchonen Sie mich -- 
Tru ew. Oder daß nur Schorftein: 
feger ihm ihre Bärte anyertrauen --- 
Mor. Sir --- 
Truew. Dder daß er —— 
einem Kohlengraͤber den Hals abſcheere, 
und doch gehenkt werde --- 
Mor. Ich vergebe ihm, wenn Sie 
—* nur —— wollen. Sir --- 
| S3 Daw, 





278 





Dam, Morofe, Truemit, Haughty, 
Gentaure, Mavis, Trufiy. 


Daw. Hieher, Madam. 

Mor. Odie See bricht uͤber mich ein! 
noch eine Waſſerfluth! eine Suͤndfluth! 
Ich werde in Geraͤuſch erſaͤuft werden! 
die Wellen ſchlagen bereits an mein 
Ufer. Ich fuͤhle ein Erdbeben in mei— 
nem Eingeweide. 

Daw. Gluͤck zu, meine ſchoͤne Ge— 
bieterin. 

Mor. So! hat ſie auch ihre Anbeter! 

Dam. Ich babe einige Damen ber: 
gebracht , Sie zu ſehen, und kennen zu 
lernen. Mylady Haugbty ; Mylady 
Centaure; Miftrig Dol Mavis; Mi: 
ſtriß Truſty, Mylady Haughtys Ge: 
fellfchafts : Dame --- (Epteöne kuͤßt fie 
nad) der Reihe, tie fie ihr vorgiftellt 
werden.) Wo ift Ihr Bräutigam? 
lafien Sie ihn herfommen. Kann er 
Fein Geraͤuſch nicht vertragen ? Fuͤhren 
Sie mich nur zu ihm. 

Mor. 





279 


Mor. Welcher Nomenclator iſt das? 

Truew. Sir John Damp, Sir, 
ein gehorfamer Diener *) von Ihrer 
Frau Gemahlinn. 

Mor. Was? ein Knight, und mei: 
ner Frau gehorfamer Diener? O fo ifts 
um mich gefchehen, wenn fie folche Dies 
ner hat. 

Truew. Saufen Sie nicht, Sir, 
MWahrhaftig, Sie müflen die Damen 
Füffen. Dicht doch, Sie werden die Ge— 
fellfchaft nicht verlaffen? Sehen Sie, 
man fucht Sie auf. . 

Haughty. Wirklich, Here Morofe, 
wollten Sie fih fo in der Stille ver: 
heirathen, und uns alle, ihre quten 
Freunde, nichts davon wiſſen laſſen? 
Nun gut, ich will Sie füffen, fo viel 
Urfache ich auch babe, auf Sie zu 
ſchmaͤhlen. Sie erlauben mir doch, Mi: 

S4 ſtriß, 

*) Servant bedeutete zu Jonſons Zeiten 
einen Cicisbeo. Die Antwort iftin der 
Urberfegung anders eingerichtet, Roſe. 





firiß, daß ich nich einer honetten Fami— 
liarität mit Ihrem Manne bediene ? 

Epic. Sie erweifen mir die größte 
Ehre, Madam, daß Sie ihn Ihrer Ge: 
fälligfeit würdigen. Ich rechne es ihm 
und mir für feine geringe Gnade an, 
daß Sie ung junges Paar auf eine fo 
angenehme Art haben überrafchen wollen. 

Mor. Complinienten! Complimenten! 

Epic. Mein Freund da, Sir Dam, 
mag es inzwifchen verantworten, daß er 
uns nicht einen Fleinen Winf hat geben 
wollen, Sie etwas geziemender zu em— 
pfangen. 

Haughty. Wozu denn das, Miß— 
ſtriß Morofe? Esift viel beſſer, daß wir 
Ihnen einen Theil der Beſchwerde abneb: 
men, als daß Sie fie allein tragen. 

Mor. Sch merke, ich merfe! Und 
fie wird die Beſchwerde ſchon von euch 
tragen lernen, wenn fie es etwa noch 
nicht gelernt hätte. 

Zaugbty. (zu Eentaure heimlic) ) 
Das ift alfo die ſtumme — ? 

en⸗ 





281 


Centaure. Geweſen! Sie hat feit 
der Einſegnung ihre Zunge wieder ge: 
funden, wie uns Here Truewit berichtet. 

Haughty. DO Herr Truewit, Ihre 
Dienerinn, Was für eine Art von Ge: 
fchöpfen ift unfere Braut? Sie fpricht, 
duͤnkt mich, 

Truew. Gewiß, Diadam, glauben 
Sie mir, fie ift eine Dame von der be: 
ſten Lebensart, und einer ſehr guten 
Herkunft. 

Haughty. Und Jack Daw fagte 
uns, fie Fönne nicht ſprechen. 

Truew. Eine fleine Intrigue, 
Madanı, zwifchen Sir Dauphine und 
einigenvon ung, un fie dem alten Murr⸗ 
kopf, ſeinem Oheim, anzuheften: aber 
ſie iſt eine Frau von ungemeiner Frey⸗ 
muͤthigkeit, und hat einen aufferordent: 
lich glücklichen Witz. Sie werden fie 
taufend Spaß mit Herr Daw vorneb: 
„men ſehen, ehe es Macht wird. 

Haugbty. Und er befehrieb fie uns 
o, daß wir uns luſtig uͤber ſie gemacht 
Mn. 5 Truew. 





282 


Truew. Der fchlauefte Kopf, Ma: 
dam, ift oft derjenige, der am erſten ger 
fchnelft wird. Ich verfichre fie Madam, 
Sie können fih über fie nicht Tuftig 
machen. 2 

Haugbty. Defto beffer. Wir wol: 
len fie in unfere Zufammenfünfte aufneb: 
men. Wenn fie Wiß hat, fo follfie eine 
von uns ſeyn: nicht fo Centaure? Sol: 
len wir fie nicht aufnehmen? 

Eentaure Allerdings, Madam, 
und Mavis und die neue $ady follen 
fih mit einander meſſen. 

Truew. 9, Miſtriß Mavis! Sa, 
fo verliehrt Miftrig Morofe. 

Mavis. Das wird fich erft zeigen, 
wenn es zur Probe koͤmmt. 

Haugbty. Mur fegen Sie ihr nicht 
zu hart zu, Mavis. 

Mavis. Fürchten Sie nichts, Madam. 

Morofe. Gtlücfeliger Augenblick! 
Wollte der Himmel, daß fte fich fo bis 
an ihr Ende einander in die Obren 
zifchen müßten! | 

Truew. 





283 


Truew. "Unterdeffen, Madam, 
Fönnten Sie mir helfen, den Mann ein 
wenig aufzuziehen. Sie fennen feine 
Schwachheit: reden Gie mit ihm von 
den Hochjeit: Ceremonien, oder fodern 
Sie das Brautgebuͤhr Ihre Hand 
ſchuhe, oder — — 

Haughty Ueberlaſſ en Sie mir das. 
Centaure, Sie ſollen mir helfen, Herr 
Bräutigam, wo ſind Sie? 

"Morsfe O das Wunder war zu 
greB, um lange zu dauren. 

Haughty. Wir künbierfeineröige 
Falu⸗ kein Wahrzeichen von einer Braut: 
wo find unſere Schleyer und Handſchu—⸗ 

pe? Nun, machen Sie bald. Sie wer: 
den uns doch das Colorit Ihrer Braut 
‚zeigen? He, wo find die Bildniffe des 
jungen Brautpaars? 

Centaure. Je doch! Madam, er 

hat keine malen laſſen. 

Morofe. Hätte ich Ew. Gnaden 

Leibmaler gefannt, fo hätte ich ihn brau⸗ 
‚gen, wollen . 


u Haugbtn. 





DBA >- re 


Haughty. Da find Sie angefom- 
men, Centaure, bey meiner Ehre! 
Aber hören Sig, Here Morofe,: Sie 
follen mit Ihrem Scherze nicht fo davon 
laufen. Gie, der Gie von der Milch 
der Höfe bis zu ihren feinften ecfereyen 
gefofier haben! Gie, von der Wiege 
her ein Hofmann, und verfehen es in 
einem.fo unenfbehrlichen Umftande! laf 
fen ihre Hochzeit gerade deſſen erman: 
geln, was doch die Seele aller Hoch- 
zeiten ift! hätten Sie. nur wenigſtens 
Ihren eignen Vortheil erwogen! was 
für eine Menge von Silbergefchirr, was 
für Gefchenfe, und vornaͤmlich, was 
für Freunde haben Sie nicht aus lauter 
Eigenfinn eingebüßt! 

Morofe Madam — 

Haughty. Nehmen Sie mir das 
nicht-übel, Sir, ich kann Ihr Verſe— 
hen unmöglich gut heiffen. Wie? Gar 
nichts, Feine Handſchuhe? keine Strumpf⸗ 
baͤnder? keine Schleyer? fein Hoc: 
zeitskarmen? keine Maſken? 


— — 285 
Daw. Das Carmen, Madam, 
ſoll nicht ausbleiben, dafuͤr laſſen Sie 
mich ſorgen; ich habe ſelbſt auf eins an 
gefangen, Wellen Sie es hören? 
Haughty. Sa doch, - ber damit, 
guter Jack Dam. 

Moroſe. Befehlen Ew. Gnaden 
etwa ein Cabiuetchen für ſich und Ih— 
ren Freund da? Wählen Sie fich eins; 
mein ganzes Haus iſt zu Ihrem Befehl. 
Sch weis, daß Ew. Gnaden heute in 
Ihrem Element find, und das Scic: 
fal bat gewolft, daß die Reihe auch an 
mich fommen follte. Es würde mich 
ſchmerzen, wenn ich Schuld wäre, daß 
es Ew. Önaden bier an irgend einer 
Bequemlichkeit fehlte, Sch erſuche, ich 
beſchwoͤre Sie — 

Epicoͤne. Gehen Sie, Sie ſind 
ein unhoͤflicher Braͤutigam. Muͤſſen 
Sie Standsperſonen auf dieſe Art an— 
fahren? 

Centaure. Was das fuͤr ein gro⸗ 
ber Menſch iſt! 

Truewit. 





286 


Truewit. Bey meiner Ehte! Gie 
verdienten, daß man Ihnen die Hörner 
über die Ohren zöge. Verſtehen Sie 
mich reht, Sir. Ich fage dieß bloß, 
um für die Damen zu antworten, nicht 
in geringften, Sie zu beleidigen. 

Moroſe. Iſt der ihr Klopffechter, 
$adics ? 

Truewit. So wahr ich Iebe, wenn 
Sie noch ein einziges folches Wort fpres 
chen, fo nehme ich Ihnen Jore theure 
Braut beyfeite, und trinke Ihnen eins 
zu, daß Ihnen Hören und Sehen ver: 
gehen fol. Verſtehen Sie mich nun? 
fernen Sie Ihre Freunde beſſer Fennen, 
und begegnen ihnen bö flicher, 


Die vorigen. Clerimont, Dauphine, 
la Soole, Otter, Mrs. Dtter. 


Elerimont. Mit Ihrer Erlaubniß, 
meine Damen. Brauchen Sie Muſik? 
Sch habe Ihnen hier ein Gemengſel 
von allerley Inſtrumenten gebracht, 

Spielt 


— 287 


Spielt auf, ihr Herren, gebt uns ein 
Tutti, (Muſit durch einander). 

Mor. O Gemalt! Gewalt! Ge: 
malt! Gewalt! Wie fie meine armen 
Ohren zerarbeiten! Wie fie Fragen und 
ziehen! Eine ganze Sägemüphle ift nicht 
unausjtchlicher! 

Elerimsnt. Sie irren fih. Was 
Sie bier hören, iſt weiter nichts, als 
Haar, Calfonium, und Därmer, Ich 
kann Ihnen das Recext geben. 

Truew. Stille, Jungens. 

Clerimont. Spielt fort, ſage ich. 

Truew. Stille, ihr Schurken. --- 
Sie ſehen, Sir, wer Ihr Freund nun 
iſt. Faſſen Sie Herz, ſeyn Sie ſtand— 
haft, wie ein Märtyrer. Vereiteln Sie 
die Bosheit dieſer Leute durch Ihre 
Geduld. Es iſt ja nur ein Tag: waͤr 
ich an ihrer Stelle, ich wollte ſtandhaft 
aushalten. Sollt ein Eſel mich an 
Muth uͤbertreffen? keinesweges! laſſen 
Sie die Ohren nicht ſo hangen: Sie 
verrathen ihre Schwaͤche, und Jene 

werden 


288 ——— 
werden nur uͤbermuͤthiger. halten Sie 
aus, wie ein Mann, wie ein Held! --- 
Schauen Sie einmal an, Sir, was für 
eine unverhoffte Ehre Ihnen hr Neffe 
erweilt. Da bringt er uns einen koͤſt— 
lichen. Hochzeitfhmans, und das Feft 
defto anfehnlicher zu machen, fogar einen 
BorfchneidervonStande, Seren laFoole, 
wie auch die liebenswuͤrdige Mrs. Otter, 
die den Trupp ſchließt. 

Mor. Iſt diefe Gorgo, diefe Mer 
dufa geRonmen? Derbergt mich! ver 
bergt mich! 

Truew. Sch ſtehe Ihnen dafuͤr, 
Sie ſollen von ihr nicht verwandelt wer: 
den, Sir. Gehn Sie ihr hübfch dreift 
unter die Augen. Thun Sie mir den 
Gefallen, unterhalten Sie Mrs, Dtter 
manierlich, und führen Sie Ihre Öäfte 
herein. Sie wollen nicht ? Önädige 
Braut, wollen Sie die Damen herein 
nörhigen? Ihr Bräutigam iftfo blöde -- 

Epicöne. Iſis Ihnen gefällig, 
Madam? -— 

Haughty 





239 


Haugbty. In Ihrer werthen Ge; 
ſellſchafft, Madam -— 

Epicöne. Freund Daw, ich brau— 
che Ihnen nicht zu fagen, daß Sie Ihr 
Amt verwalten —- 

.. Dam. Mit dem größten Vergnuͤ— 
gen, Ihrer Befehle gewürdigt zu wer 
den, meine fchöne Öebieterinn --- 

Centaure. Wie hat Ihnen ihr 
er gefallen » Mavis? 

Mavis. Ueber die maßen wohl. 

- Ms. Dtter. Diefer Plag gebührt mir. 

Mavis. Um Bergebung, Mıs.Dtt. 

Mrs. Dtter. Ey was! ich bin 
eine Collegiatinn! 

Mapvis, Aber Sie halten ißt Eeine 
Eikung. 
> Mrs, Otter. Ich behaupte das 
Gegentheil. 

davis. Wir wollen dieſe Strei— 
tigkeit ein andermal ausmachen, 

Clerimont. Ich wuͤnſchte, Sie 
hätte noch ein wenig länger gedauert --- 
Truew. Sa, und daß die Herolds: 
kammer hätte enticheiden muͤſſen. 
Der Hypoch. 1.T. T Otter. 


290 — 


Otter. Ich habe meinen Bullen, 
meinen Bären, und mein Pferd *) 
ganz fachte, ganz fachte mit mir ge= 
nommen, und drauffen find die Trom: 
peten, und die Keffelpaufen, ihr Herren! 
( Muſik von Trompeten und Pauken). 

Mor. D! ol ol 

Otter. Und wir wollen Beute ein 
Trantrara haben, wie brave Dritten! 

Modtnl.ot *° 

Alle, Immer berein, immer ber: 
ein, immer herein. 





. Um Sie nicht länger in der Unrube 
zu laffen, mein allertheuerjter Herr von 
Jernſtrup, was aus dem armen Morofe 
geworden ſeyn möge, da ich weis, tie 
mitfüihlend Ihr funftes, gutes, aller; 
zärtlichftes Herz für die Leiden Ihres 
Naͤchſten ift: fo brech ich bier ab, und 
fage Ihnen mit dürren Worten, daß 
die 

MLeibwoͤrter, die auf hen Trunf anfpielen, 
Rofe, 





291 


die unvergleichliche Epiroͤne, die Blu: 
me der fiummen Schönheit, und die 
Bewunderung der Eollegiatinnen ---- 
ein junger Page gewefen, den Neffe 
Daupbine, in der beften Aöficht von 
der Welt, feinem ernfihaften und aller: 
bedächtlichften Herrn Oheim antrauen 
laffen, um ihm einen kleinen Vorſchmack 
von den zwar gefelligen, doch fehier zu lau: 
ten, und in der Folge nicht allerdings er: 
fprieglichen Ergößlichfeiten des Gottes 
Hymen zu geben. Man braucht Fein No⸗ 
tarius zu ſeyn, um zu wiſſen, daß ein Ehe⸗ 
pact, wo zwey Mannsperſonen an einan⸗ 
der copulirt werden, den Rechten nach 
nicht guͤltig ſeyn koͤnne; und ich wuͤrde die 
gluͤckliche Imagination meines allerge⸗ 
liebteſten Herrn von Jernſtrup zu beleidi: 
gen glauben, wenn ich weiter etwas hin⸗ 
zuſetzte, als daß ich Sie zehntauſendmal 
umarme, und in hoͤchſter Eile beharre 


hr 
Sieber Roſe. 
T2 Eilftes 


292 
HÄTTE TH TEE THE TE 
Eilftes Stud. 


Moi, la plume à la main, je gowrman- 
de les vices, 

Et gardani pour moi - meme une jufle 
rigueur, 

Je confie au papier les — de mon 
coeur. 





BOILEAV. 








J 


in auswaͤrtiger politiſcher Schrift: 

ſteller, der gerne die Wahrheit 
ſagt, und, wenn ich ihn nach ſeinem 
Klageton beurtheilen darf, ein Hypo⸗ 
chondriſt ſeyn muß, nennt es“ cin be; 
“ trübtes Uebel unter der Sonne, und 
“ einen Kammer, welcher ewig zu De: 
klagen ift, daß man den Menfchen 
*diejenigen Wahrheiten, welche fie 
“eigent—⸗ 


En en ee 203 
+ eigentlich angehen, und deren Kennt 
” niß ihnen am allernoͤthigſten ift, nicht 
jagen darf noch Fan, weil fie es 
” nicht leiden koͤnnen noch wollen, etz 
* was davon zu.bören. Man fage 
*“ mir, ja man füge mir doch, feßt 
* Biefer Schriftfteller hinzu, wer wohl 
“ in der Welt gegen diefes Uebel eini- 
” gen Rath zu ertheilen wife? „, 

Will mein Autor, den ich fonft aus 
verfchiedenen Lirfachen wahrhaftig hoch: 
ſchaͤtze, blos Sefer und Zuhörer für feine 
Mahrheiten haben; fo Fönnte ich ihm 
mit einem Hausmittel dienen, welches 
ich wider das Liebel, worüber er ſeufzt, 
allemal bewährt gefunden Babe, und es 
fiher anrathen Fann: daß man naͤm— 
lich fo fchreibe, und fo rede, daß ein 
jeder ung zu leſen und anzuhören Ver: 
gnügen finde. 

Hat aber der Autor fragen wollen, 
wer ein Mittel anzugeben wiffe, daß 
die Menſchen diejenigen Wahrheiten, 
welche fie angeben, und welche man 

3 ihnen 


294 A 


ihnen verſteckt oder dürre zu verftehen 
gegeben hat, auf fich deuten, und ſich 
beſſern möchten; fo befaſſe ich mich nicht 
mit der Eur: denn diefes Uebel ift un: 
beilbar. | 

So viel Bann ich einfehen, die Welt 
würde von vielem elenden Gefchwäge 
befreyet werden, wenn fein Autor mehr 
mit feiner guten Abficht großprablen 
dürfte. So lange diefe Musflucht für 
gültig angenommen wird, fo ift fein 
Zügel für fchlechte Schriftfteller,; und 
was mwürden denn die Leſer immerhin 
daben verlieren, wenn fie gleich voraus 
müßten, der Autor babe nicht an fie 
gedacht? 

Keine Schriftfteller würden fih mes 
niger über mich zu befchweren haben, 
als die fogenannten patriotifchen. Sch 
fann es auf-Cavalliersparole verfichern, 
daß fie, fie mögen gut oder ſchlecht ſeyn, 
zwar mit fortreiffender Neugierde gele: 
fen, aber felten verftanden, und noch 
feltener, oder, daß ich nichts zurüc 

laffe, 


—— 295 

* 
laſſe, niemals befolget werden. Keine 
Erndte iſt armſeliger, als die ihrige. 
Ja, wenn die Groſſen ihre Traͤume 
niederſchreiben wollten, daß waͤre ſo 
eine Sache! 

Wie redlich ich an meinem Theile es 
mit der Welt meine, das kann man 
daraus ſchlieſſen, daß ich im Begriffe 
ſtehe, einen ungeuren Quartanten, 
den ich von den Tiſchreden meiner Baſe 
geſammelt, und den ich in der beſten 
Abſicht von der Welt zum Drucke be 
ftinnme hatte, dem Feuer aufjuopfern, 
und fo gar nicht einmal diejeninen zu 
verfhonen, welche fie in dem leßten 
halben Fahre ihres Lebens geführet hat. 

Wenn idy Eünftig etwas fchreibe, fo 
foll das Beyſpiel des Montagne meine 
Richtſchnur feyn. Er fchilderte fich ſelbſt, 
und ich will mich an meiner eignen Thor: 
heit, ohne Rücficht auf andere‘, ber 
Iuftigen. Koͤmmt denn etiwa ein fchlet- 
hender DBerleger, und lächelt mich 
freundlich an, nun ja! fo foll er mein 
Ta Werk 





205 


Werk haben, und ich verlange zur Er: 
Fenntlichfeit nur die Freyheit, auch zus 
weilen tiber ihn und über feine Käufer 
zu lachen, 

So weit hatte ich gefchrieben, als 
meine Kranfbeit heftig anfigter Was 
habe ich nicht ausgeftanden! In langer 
Zeit feinen vernünftigen Menfchen fpre: 
chen zu Fönnen; die sanze Weltfür Tho— 
ren und fich für den größten zu halten; 
immer zu murren, und nie einen heiz 
tern Gedanfen zu haben. Gott 
bewahre einen jeden Menſchen vor der 
Hypochondrie, und vor einer dreytägis 
gen Liebe! | 

Das ärafte ift, ich weiß nunmehr 
nicht, was ich eigentlich babe fehreiben 
wollen, und wie ich einen vernünftigen 
Schluß zu meinem Anfange finden fol. 
Mein Leſer Eönnte twohlgaraufden Ein: 
fall dabey gerathen, ich follte alles, 
was ich gefchrieben habe, wieder aus: 
ftreichen. Doch ich will fo Tieblos nicht 
urtheilen. 

Mein! 





— 





297 


Hein! fo wenig ich eitel bin, (ich 
till den Punkt von meinem Adel, wie 
billig und Herfonimens iſt, ausnehmen:) 
fo. fühle ich mich doch zu ſehr, als daß 
ich eine Zeife ausftreichen follte, die ich 
einmal zu fehreiben mir die Mühe ger 
macht babe: und den zweyten Gedan— 
fen dem erften vorzuzichen, Balteich für 
eine Schwachheit, welche nur einem 
Schüler zu verzeihen fteht. 

In der Berlegenheit, worinn ich 
mich wegen eines Schluffes befinde, 
will ich mic) ein wenig mit meinen qu: 
ten Freunden, den Gatirenjchreibern, 


unterhalten. 


Ich habe fehr oft, und jedesmalfehr 
ernſtlich, über die Urſache nachgedacht, 
warum Dentfchland, dem doch, wie 
die Erfahrung lehrt, ist mehr als je: 
mais damit gedient wäre, fo wenig gu: 
te Satirenſchreiber habe, obgleich fo 
viele junge Schriftftelfer, bey ihren er: 
ſten Verſuchen, fich in diefes Feld wa: 
gen; und ich finde, daß eben die Urfache 

ı.5 uns 





298 


uns der Satirenſchreiber beraubt, die 
uns um alle Trauerfpieldichter bringt. 

Man fordert nämlich von den jungen 
Anfängern zu viel, und macht ihnen 
dadurch die vieleicht an fich ſchon fchwer 
ve, die wichtige, die unfchaßbare Kunft 
zu lachen noch ſchwerer. 

Ich will es zugeben, weil ich nicht 
Luſt habe, mich mit der ganzen Welt 
herumzuzanken, daß das Leſen ſinnrei— 
cher Werke, und der Umgang mit dem 
feinern Theile der Welt, demjenigen 
Skribenten, welcher ſich vornimmt, die 
Sitten zu malen, zu einer Fertigkeit in 
der Zeichnung, zu einem lebhaften Co— 
lorit, uud beyfaͤllig zu einer edlen Idee 
verhelfen kann. Aber wie oft wuͤrde 
nicht, jenen Vortheil vorausgeſetzt, in 
Anſehung des letztern, die groſſe Unbe— 
quemlichkeit für meinen Freund, den 
Satirenfihreiber , urücfbleiben,, daß 
ihm bier eine feine Bemerkung, ein 
Souper, dort ein beiffender Zug, fünf 
ouisd’or die er zum Behuf feiner Be; 

obach: 





obachtungen verfpielen müffen, gefoftet 
babe? Und wenn er denn endlich zur 
Ausführung fohreiten will, fo wird gleich: 
wohl allemal noch ein vieles mangeln, 
das der Gittenmaler aus feinen eigenen 

Vorrathe hinzu thun muß. 
ft nun das wahr, welches ich fehr 
geneigt zu glauben bin, weil darauf 
Alles beruht, was ich vorzutragen habe; 
fo find Bücher und Welt ja nur Hülfs- 
mittel, und zwar folche Hülfsmittel, die 
nicht für einen ieden zu erhalten ftehen, 
und am Ende den Schüler noch nicht 
zur Bollfommenbeit der Kunft führen. 
Treten Sie nunmehr heran, junge 
mutbige Schriftiteller, und er: 
lernen mein Geheimniß, oder vielmehr 
das Geheimniß derjenigen Kunft, zu 
welcher Sie ein fo ftarfes Jucken fühlen, 
Sie müffen recht lebendig überzeugt ſeyn, 
daß Sie unter allen Narren den erften 
Rang haben, und daß Feine Thorheit 
in der Belt ſo greß iſt, wobon Sie 
nicht den Saamen in Ihren Buſen 
) tragen. 





tragen. Hat fih dieſe Wahrheit nur 

bey Ihnen in Kraft und Leben verwans 

delt; fo iſt nur übrig, daß Sie fich 

felbit wohl kennen fernen, welches 

befonntlich eine leichte Sache iſt, und 

2 fie fodann fih ſelbſt ſchil— 
ern. 

Rabſener, bat uns den Weg ge 
bahnet. Er fagt, obgleich in einer an: 
dern Abfiche: die Narren fehen, mie die 
Menſchen, alle einander aͤhnlich, nur 
einige Züge verändert das Klima. Die: 
fer Spur wollen wir folgen; aber wir 
wollen unfere Entdeckungen weiter trei— 
ben, und, freuen Sie fih! diefen grof 
fen Mann weit, weit hinter uns zurück 
laſſen. 

Sehen ſich alle Narren einander ähn: 
lich; fo muͤſſen fih auch alle Menfchen 
einander ähnlich fehen, weil alle Mens 
fhen Thoren find. Ein Dann alfo, der 
fein eignes Herz Fennt, der Fennt zu: 
gleich beynahe die ganze Welt. Er 
findee in fich die Anlage zu allen Thor: 

heiten. 


— ESEL 
beiten. Sollte er nun nicht, nach genau 
angeftellten und oft wiederholten Bez . 
obachtungen über fich felbjt, wiſſen koͤn⸗ 
nen, was in der Geele eines andern 
vorgeben muß, welcher ihn einmal feine 
Hauprleidenfchaften bat ſehen laffen? 
Müste nicht feine Cinbildungskraft 
über alle Maaſſen eingeſchraͤnkt fern, 
wenn er, nachdem er einmal in ſich den 
Samen dieſer oder jener Thorheit ge: 
funden bat, und mit ihrer eigentlichen 
Natur befannt geworden ift, fich die: 
felbe nicht in derjenigen Höhe abmalen 
koͤnnte, worinn fie bey einem Menfchen 
fenn muß, der ganz und gar ihr Sklav 
ift, und wenn er nicht alle Örade be; 
zeichnen Fönnte, in welchen die Thorbeit, 
die der Gegenftand feines Nachdenfens 
ift, unter verfihiedenen angenommenen 
Umftänden und Vermiſchung mitandern 
Thorheiten erſcheinen wird ? 

“ Vielleicht bin ich duch Erempel faß: 
licher. Sie wollen Die Eitelkeit im 
höchfien Grade ſchildern. In feinem 
—XR gluͤck⸗ 





glücklichern Augenblicke koͤnnten Gie 
diefen Vorſatz fallen. hr Verleger 
bringt Ihnen eben ißt Ihr neueſtes 
Werk. --- Ißeld) ein Meifterftück des 
menfchlihen Witzes! — Sie treten 
zum Spiegel. — Belt, erkenne die 
Groͤſſe deines g geöffern Swifts! --- Sie 
fächeln. -- Sa, fie erkennt fie, die ſonſt 
undankbare Belt, die Verdienfte ib» 
ves groflen Satyrs! — Sie nehmen 
eine Priefe Toback. —- Und die Kunfts 
richter, das Schrecken gemeiner 
Schriftfteller, mit welcher Ehrerbietung 
werden fie meinen Namen nennen. --- 
Das Unterfinn war noch ein wenig zu 
flach --- fo! fo! ift es recht! -— Sie ha: 
ben mein Stück auch gelefen, witzige 
Doris! -- Den Schlafrocf ein mei 
mehr übergefchlagen! —- Ha! bh 

Doris, Sie feherzen nur mit on 
Diener, nur Kieinigkeiten, fo eine Grille, 
es war ein Verſuch, die Fünftigen 


Stuͤcke -- -—— 
| Ganz 


— —⸗ 303 


Ganz vortreflich! nur geſchwind den 
Schlafrock herunter — die Weſte her! 
tackay --- wie fo langſam! Beſtie, ſchon 
ift es neun, und um 12 Uhr foll der 
Junker nad Hofe. --- Srifeur! Hola -- 
Ben dem Himmel und bey deinem fe: 
ben, Friſeur, laß fein Haar fich unrecht 
kruͤmmen, noch einmal bey allen Ele: 
menten, erfchöpfe heute deine Kunft. —- 
Hier ift Degen, Uhr und Tabatiere, 
und bier der groſſe Spiegel. 

Vortrefliches Meeifterftück der 
+ bildenden Natur! Nie ſahe die Welt 
” einen fehönern Süngling --- Elende 
“ Gtußer, die ihr um Toiletten ſchwebt, 
* die Hände fügt, und um Öunft ber: 
* telt, weicht meinem Schatten, Sch 
* komme als Sieger. Nur nicht fo 
“ſproͤde, ihr fhönen Kinder, ihr habt 
+ Karln noch nicht gefeben, den ſchoͤnen 
“ Karl, und feinen leichten majeftäti- 
* ſchen Gang, und feine blißende Au—⸗ 
* gen, und feine bezaubernde Mienen; 
"noch habt ihr die fanfte Stimme nicht 
x dd ge⸗ 


304 [na — — 


gehoͤrt, wenn er euren Werth erhebt, 
damit ihr den feinigen fühlen möget. — 
Wie ſie dahin ſinken, die fchönen 
Kinder, und ſchmachten! -- Aber fie 
* follen dahin finfen und ſchmachten, 
und Karl wird im Triumph auf fie 
* herab fehauen. --- ,, 

Sehen Sie, meine Herren, fo ge 
ſchwind wurde ein junger eitler Stußer 
fertig. Da rollt er ſchon nach Hofe, 
drängte fich zu, und wird ausgeziſcht. | 
Wer gab aber den Stoff dazu? Wer 
anders, als der Fleine eitle Gelehrte, 
der fein Werk lieſet, und vielleicht igt 
auch. --- Doch ich bin Fein Ungluͤcksbote. 

Verſprechen Sie mir, dag Sie in 
Zufunft;.auch felbft alsdann, wenn Gie 
Bücher und Welt zu Hülfe nehmen 
wollten, weil diefe doch einmal in gutem 
uf fliehen „ eine Bahn nie ganz ver: 
laſſen wollen, worauf Sie die Natur 
ſelbſt verweiſet. Werden Sie alsdanır 
Ihre Leſer nicht beſſern; ſo werden Sie 
wenigſtens ſie auf eine vernuͤnftige 

Weiſe 


* 


* 





Weiſe beluftigen, und Sie werden alle: 
mal die nad) Ihrem Tone geftimmte 
Saite des menfchlichen Herzens treffen, 
ohne daß Gie ihre Zuflucht zu elenden 
Anfpielungen nehmen dürfen, melche 
niemand erklären Fann, welcher nicht die 
Mährchen der Stadt weiß. 

Da es zufpät ift, fo ſehe ichs erft ein, 
daß ich meine Geheftuniffe nicht vorden 
Ohren der Welt follte geprediget haben. 

Was wird anders daraus entitehen, als 
daß meine $efer Fünftig, wenn ich einen 
Gecken fihildere, ausrufen: Diefer Narr 

hier iſt der Herr Verfaſſer ſelbſt. Ich 
muß es mir gefallen laſſen. Allein follte 
die Höflichkeit Einiger unter ihnen fic) 
fo weit erſtrecken, daß fie Gefellfchaft 
mit mir machen wollten; fo mödte ich 
nur bitten, daß Fein Narr den Entſchluß 
faffen moͤchte, meinem freundlichen Rathe 
zu folgen, der nicht in hoben Grade 

Narr ift. Denn die todten Gliedermän: 

ner, welche nur die Gewaͤnder der 

Driginale tragen, die unfeligen Mittel: 

Der Hypoch. . & —— din⸗ 


306 — 





dinger, welche gar keinen beſtimmten 
Charakter haben, ſondern ſich alle Tage 
nach den Models umbilden, mit denen 
fie umgehen, find mir eben fo unaus— 
ſtehlich, als die mittelmäffigen Poeten, 
die weder gut noch fchlecht find, und ge: 
meiniglich nur demjenigen Dichter nach: 
äffen, welcher das Unglüc bat, ihnen 
zuletzt in die Hände zu gerathen. 


Zwoͤlftes 


307 
EEE T 
Zuviftes & 





— Was iſt der Menſch? was ſoll er auf der 
Welt? 
Er iſt der Allmacht Werk, die liebreich ihn 
| erhalt. 
Unſterblich ift fein Geift, und foll zu Seligkeiten 
In diefer Welt der Muͤh durh Tugend fi ch 
bereiten. 
Sellert. 








MM hat in unfern Tagen die wich⸗ 
tige Frage aufgeworfen, *) in 
wie ferne die Sprachen einen Einfluß, 
in die Sitten und in das moralifche 
Verhalten eines Volkes hätten? und 
man bat durch die dariiber angeftellten 
Unterfuchungen dargethan, daß gewiſſe 

2 Dei 


*) Eine Vreisfrage der Fönigl. Afademie 
der Wiſſenſchaften zu Berlin. 





368 


Benennungen und Redensarten in. der 
gewöhnlichen Sprache eines Volkes dem 
taufe der Wahrheit und der wahren 
Tugend unter demfelben eben fo nad): 
theilig und binderlich wären, als jene 
böfe Gewohnheiten, welche wie ein wil: 
der Strom die Menfchen mit fich ins 
Verderben mit einer unaufbaltbaren 
Gewalt hinreiſſen. Wenn: man aber 
von irgend einem Worte diefe Anmer; 
kung machen fann, fo ift es gemiß vor: 
züglich das Wort Glück, welches die: 
fem Schicffale unterworfen if. Von 
unferer erften Kindheit an hören wir 
diefen bezaubernden Ton, Er erſchallt 
gemeinigfich bey Dingen, die glänzend 
find, und die unfern Sinnen und Leiden— 
fchaften ſchmeicheln. Allmaͤhlig machen 
wir uns davon einen fehr vortheilbaften 
Begrif. Wir werden aufmerfjam 
darauf, und gedenfen une, fo oft wir 
das Gluͤck nennen hören, etwas groffes, 
wichtiges und begehrungsmürdiges. 
Wir hören von denjenigen mit einer ge: 

, wiflen 


* 





wilfen Hochachtung, bisweilen mit Ent: 
zückung, mehrentheils aber mit gewiſſen 
Merfmalen der Eiferfucht und des Nei⸗ 
des: reden, die nach der Sprache der 
Welt ihre Glück gemacht haben, 
Wir fehen, daß diejenigen, welche das 
Glück erhoben hat, allenthalben ange: 
fehen und vor andern geachtet find. 
Kein Wunder demnach, daß wir uns 
von dem Glücke ſo prächtige Vorftel: 
Iungen machen! Diefes Bild hat fich 
in unſer noch weiches Herz zu einer Zeit 
aufs tieffte eingeprägt, da wir noch den 
‚wahren Werth und die innere Befchaf: 
fenbeit der Dinge nicht Fannten. Wir 
hatten diefe unrichtigen Begriffe ſchon, 
da wir noch Feiner beffern fähig waren⸗ 
Unterdefjen regte fich in unfern noch 
jungen Herzen das Verlangen, glücklich 
zu werden, ehe der Verftand ung ber 
lehren Fonnte, was wir eigentlich be- 
gehren und fuchen follten. Diefer zarte 
Keim der Selbftliebeentwickelte fih, und 
ſchug in Begierden und Neigungen 

U 3 aus: 





310 





aus, Unfere Begierden und Neigungen 
fanden frühzeitig ihre Nahrung in den 
Dingen diefer Welt, und fie wurden 
täglich ftärfer und heftiger, Nunmehro 
erhob fi auch nach und nad) die Ver: 
nunft; es zeigten fich bey uns die erjten 
Sproffen menfchlicher Gedanken. Die 
Religion bemerkte diefe vortheilhafte 
Augenblicke, und fie eilte, um die erfte 
Anlage zu unferer Glückfeligkeit zu ma: 
chen. Sie ward unfere gütige und müt: 
terliche Lehrerinn, fo bald fie nur fand, 
daß wir einigermaaffen ihren liebreichen 
und heilfamen Unterricht verftehen koͤnn⸗ 
ten. Allein wie wenig Eindruck macht 
fie auf ung, die wir. bereits an diefe 
fchimmernden Blendwerke der Sinnen 
zu ſtark gewöhnt fi find! fie die uns von 
ferne in einem reinen, aber für unfern 
blöden Geift zu matter tichte ein — 
voller Herrlichkeit zeiget! 

Deſto noͤthiger iſt es, daß wir ißt 
diefe falfchen Strahlen, mit welchen die 
Einbildung und der Wahn eitler Men: 

ſchen 


— 311 


ſchen die Gluͤckſeligkeit umgeben hat, 
von ihr abſondern, und daß wir ſie in 
ihrer wahren Geſtalt betrachten: gleich 
den Sternſehern, welche ſich gewiſſer 
Glaͤſer bedienen, wodurch ſie die Plane⸗ 
ten ohne die von der Sonne und den 
Duͤnſten entlehnte Strahlen als finſtere 
Koͤrper in ihrer eigentlichen Geſtalt er⸗ 
blicken; aber durch eben dieſe Sehroͤh⸗ 
ren den eigenthuͤmlichen und nie ver 
loͤſchenden Glanz der Sonne und Fir: 
fterne erkennen, ben fo werden: wir 
duch den Benftand der Vernunft und 
der heiligen Offenbarung die wahre und 
ächte Glückfeligfeit von derjenigen un: 
terfcheiden Fönnen , welcher blos die 
Sprache der Welt diefen- glänzenden 
und verführerifchen Namen beygelegt 
hat: Wir werden die Waage des Hei- 
ligthums in die Hand nehmen, und auf 
derfelben die verfchiedenen Güter ab: 
wägen, Daun werden mir einer ieden 
Art derfelben ihren wahren Werth be: 
ſtimmen, und diejenigen von den ächten 
| 44 richtig 


312 — 


richtig abſondern koͤnnen, die wir zu 
leicht befunden haben. 

Laſſet uns mit denen, welchen die 
Sittenlehre des Evangeliums, und ins— 
beſondere das Gebot von der Verleug— 
nung, zu firenge vorfömmit, nach der 
größten Billigkeit handeln, und inden 
wir die ächten Güter von deu undchten 
unterfcheiden wollen, von ihnen felber 
die Merkmale dazu entlehnen. Laſſet 
uns nach folchen Grundfägen den Aus: 
fpruch thun, die fie felber annehmen. 
Laſſet ung alle Arten der Güter durch: 
gehen, und nachforfchen, warum mir 
ihnen den Namen der Güter belegen. 
Wir werdet befinden, daß es lauter 
folche Dinge find, die etwas an fich ba: 
ben, das mit unfern Wünfchen überein: 
fiimmt, das unfern Neigungen gemäß 
ift, und uns eben dadurch, indem es 
unfre Begierden vergnügt, als etwas 
Gutes verfömmt; Und es ſey ferne von 


- uns, daß wir blog desivegen etwas ver: 


werfen, oder für boͤſe halten follten, 
| weil 


teil es die Begierden unfers Herzens 
nähret und fättiget. Ein heiliger Apoftel 
bat geſagt, daß alle Kreatur Gottes 
gut, und daß an ſich nichts verwerflich 
fen; aber er feßet hinzu: fD «8 mit 
Dankfagung empfangen wird. Die 
Gefchöpfe, ich nehme feläft diejenigen 
nicht aus, welche von eitlen und fleifch: 
lihen Herzen am meiften zue Sünde 
gemisbraucht werden , die Gefchöpfe 
find an fich alle insgefammt vortreflich. 
und gut. Sie find an fich bemwunderns: 
würdig gebauet und gebildet. Nicht 
nur der Himmel, nicht nur die Sonne 
und die unzählbaren Heere von Sternen 
erzehlen die Ehre Gottes, und find 
Herolde feiner Allmacht, Güte und 
Weisheitz nein, auch die Erde, und 
alles, was fie aus ihrem unerfchönfli: 
chen Schooffe hervorbringt , ift voll von 
Merkmalen der Güte des HErrn. Es 
find Gefchöpfe eines Wefens, das feine 
Luft im Wohltbun finder, und Gaben 
eines Vaters, der feinen Kindern mit 
ö Us vollen 


314 — 


„ollen Händen täglich neue, täalich man: 
nigfaltige Beweiſe feiner Liebe giebt, 
"Fa, ich fage noch mehr. Der allerwei: 
jefte Schöpfer hat fo gar in unfere Her—⸗ 
zen ein Berlangen nach diefen mancher: 
icy Schäßen der Natur gelegt, und er 
Hat den Menfchen den Verſtand gege- 
ben, der fie die Kunft gelehrer hat, diefe 
Werke feiner Hände zu ihrem Unter⸗ 
Halte, zu ihtem Vergnügen, und zur 
Verſchoͤnerung diefes Lebens zu gebrau⸗ 
chen und gefchicft zu machen. Kein Pro: 
phet, Fein Apoſtel, felbft der göttliche 
Menfchenfreund nicht, bat je das Ver: 
gnuͤgen, das uns diefe an fich vergäng- 
lichen Güter geben, verworfen, oder 
verdammt. Der Erlöfer bat, da er auf 
die Welt Fam, um derfelben die aller: 
vollfommenfte Religion zu predigen, we: 
der die erfie Schöpfung, noch die Ber: 
faffung unter den Menfchen, geändert. 
Er bat alle Gefchöpfe in der Natur 
gelaſſen; er hat fie nicht vernichtet, ja, 
er hat fie nicht einmal verbeffert. Seine 


e⸗ 


Neformation erftreckte ſich allein aufs 
menfchliche Herz. Hat er aberdie Liebe, 
die wir zu ung felber tragen, verdammt? 
Hat er befohlen, fie, oder die Begierden 
zu den fihtbaren Gütern, ausjurotten ? 
Oder bat er nicht vielmehr verlangt, 
daß wir vor allen Dingen nur unfre 
Seele und unfre Begierden Heiligen, 
fie nicht ſowol ganz und gar ablegen, 
fondern vielmehr diefelben nur mäßigen. 
und einfchränfen follten? Alle Kreatur 
Gottes ift gut, und nichts, was Gott 
'erfchaffen hat, ift an fich verwerflich: 
aber es mug mit Dankſagung empfan- 
gen werden. Die Religion muß diefe 
‚Güter heiligen, Indem fie ihren rechten 
‚Gebrauch lehrer, und alsdann erft find 
fie im der Tu Güter, Dieſes werde 
ich meinen Leſern noch etwas deutlicher 
machen. ng? 
Mar nennt Sasjenige gut, was uns 
ein Vergnuͤgen macht, und in fo weit 
-ieret man nicht. Man bäle dagegen 
— fuͤr boͤſe was uns misver⸗ 


gnuͤgt 


316 — 


gnuͤgt macht: auch Sarinn hatman Recht. 
Woferne man demnach feine Schäße, 
feine Ehrenftellen und feine guten Tage 
fo anwenden würde, daß fie uns wirf 
lich vergnuͤgter und zufriedener machten, 
jo mürde man mit Recht diefe fo fehr ge: 
ſchaͤtzten Dinge fuͤr Guͤter halten, und 
dieſes wuͤrde alsdann in der That ge: 
ſche ben, fie würden Quellen des Ver— 
guügens für uns werden, wenn fie ung 
zur Liebe und zur Begierde nach der 
Bereinigung mit dem Geber und der 
Duelle aller diefer- und jener noch voll: 
fommnern Gaben reizten. Alsdann 
wuͤrden diefe geliebten Dinge, über de: 
ren Vergänglichkeit man fo oft flager, 
ihre Natur gleichfam ändern, Sie wuͤr⸗ 
den ung in den Beſitz einer unmandel: 
baren Gtlückfeligfeit und eines ewigen 
Vergnügens feßen. Sie würden wah: 
re Güter ſeyn, von dem Augenblicke 
an, da wir fie, nach der Ermahnung 
des Apoftels, mit Danckſagung em: 
ſezen- und theils durchs Gebeth, 
theils 








317 


theils durch einen Öchrauch, der ganz 
nach der Vorſchrift des göttlichen‘ Worts 
eingerichtet ift, beiligen würden, 
‚Diefer Grundfaß des Evangeliums 
ift der Bernunft fo gemäß, daß ich mich 
ganz ficher auf das Zeugniß meiner fe: 
fer berufen darf, Keiner unter denfel: 
ben wird den für glücklich Balten, der 
nur einen Tag lang feine Neichthümer 
befißt. Keiner wird denjenigen benei- 
den, welcher nur eine Woche lang auf 
einer erhabenen Ehrenftufe und nahe an 
dem Throne des Fürften ſteht; undalle 
werden bey einem Wohlleben traurig und 
misvergnügt feyn, auf welches, nadı- 
dem es nur wenige Stunden gedauert, 
ein beftändiger Mangel und eine firenge 
Dürftigfeit folgen ſollte. Aber eben 
diefes mwiderfährer den Reichen und den 
Groffen der Erde, wenn fie ihre irdifche 
Glückfeligkeit nicht fo anwenden, daß 
fie zugleich durch den Beſitz und Genuf 
derſelben gereizt werden, ihre Begierde 
zu Gott, dem allervollkommenſten und 
aller⸗ 





318 


ollerhöchften Gute, zu erheben, und 
wenn fie nicht durch ihre Gottesfurcht 
fich vor dem Misbrauche diefer gefchäß: 
ten Dingeverwahren, als wodurchibnen 
alle diefe Dinge gefährlich, fhädlich, und 
Quellen von unzähligen Arten des Ber; 
druffes und Misvergnügens werden, 
And wie Fönnen ihnen ihre äufferlichen 
Vorzüge eine wahre Zufriedenheit und 
Beruhigung verfchaffen, fo lange fie 
gewiß vorher feben Fönuen, daß fie die- 
jelben ganz unfeblbar im Tode verlieren 
werden, ohne zugleich die gegründete 
Hoffnung zu haben, von dem unverän: 
derlichen und unfterblichen Gotte andere 
und danerhaftere Güter dafür zu erlan: 
gen? Aber diefe Hoffnung würden fie 
alsdann haben, wenn fie durch den Ger 
nuß der mannigfaltigen Gaben Öottes 
früßgzeitig zu ibm wären gezogen werden, 
Diefes find die Grundfäße, nad 
welchen man in der Welt einige Dinge 
gut, andere aber böfe nenne. Man 
verlangt von jenen, daß fie ung ein 
Ver⸗ 


—— 319 


Vergnuͤgen machen, daß fie unſere Be- 
gierden ftillen follen; man verabfchener 
hingegen alles alsböfe, was uns misver⸗ 
gnügt und elend macht. Man fleeicht fo 
gar diejenigen Dinge aus der Reihe der 
Güter aus, die uns nach einem Furzen 
Bergnügendeftomehrliintuftverurfachen 
Wie leicht wird es uns nunmehro 
nicht werden, das, mas man Gluͤck 
nennet, oder was man in der Sprace 
der Welt zur Gluͤckſeligkeit rechnet, nach 
diefen allgemein angenommenen Merk 
malen zu beurtheilen. Ich babe oben 
gefagt, dag man überhaupt mit deu 
prächtigen Namen des Glücks alle vie 
jenigen Dinge bezeichne, die unfern Lei— 
denfchaften fehmeicheln. Weiche Thor: 
heiten Fönnte ich bier nicht zur Schande 
des menfchlihen Herzens aufdecken! — 
Man erinnere fih nur der naͤrriſchen 
Wuͤnſche, welche erhißte Leidenfchaften 
in dem menfchlihen Herzen zeugen, 
und man bedenfe nur diefes einzige, daß 
ein Menfch fih alsdann für gluͤcklich 
halte, ° 


320 — 


halte, wenn er das erlangt hat, wor⸗ 
nach er ſo heftig ſtrebte, und was er 
niit einer brennenden Begierde Tag und 
Macht begehrte, Laſſet uns nur in die 
Sabre unfrer Jugend zurück geben. Ich 
vede nicht von diefen Tagen der Kind: 
heit, da unfer Verftand in einer Art 
der Dämmerung lag, da uns Finfter: 
niffe ummebelten, und da unfre Geele 
in ihren Urtheilen und Schlüffen eben 
fo oft firauchelte, als unſre noch ſchwa⸗ 
hen Fuͤſe. Wenn mir uns damals 
über Spiele und Luſtbarkeiten freuten, 
die uns ißt ſehr thöricht vorfommen; 
mein wir uns für glücklich ſchaͤtzten, fo 
oft man uns folder Dinge gewährte, 
die wir ißt, auch nur heimlich zu wuͤn—⸗ 
ſchen und zu begehren, uns ſchaͤmen: 
fo müffen wir bedenfen, daß wir, als 
Kinder, Eindifch gedacht, gewuͤnſcht, 
uns findifch gefreuet und betrübt haben. 
Sch rede von diefen Jahren, da wir 
das, was findifch ift, fchon laͤngſt fol 
ten abgelegt haben, Sch rede von den 
| — laͤcher⸗ 


— 321 


laͤcherlichen Wuͤnſchen der Juͤnglinge, 
der Männer, ja ſelbſt von den Thor 
beiten der Greif. Man ftelle fich zu: 
erft einen Juͤngling vor, der einen Plan 
von feinem Gluͤcke entwirft. Welche 
Thorheiten an diefem eder jenem Orte, 
bey diefer oder jener Derfon, die man 
zu feinem Abgotte macht, in diefen oder 
jenem Stande, in diefer oder jener Fu: 
milie — welche Thorheiten, fage ich, ftes 
ben nicht unter dem ſchimmernden Titel, 
fein Gluͤck zu machen, in diefem 
Entwurfe! beunrubigen ihn nicht Tag 
und Nacht mit füffen täufchenden Traͤu⸗ 
men! verleiten ihn nicht zu Fühnen und 
nicht felten gefährlichen Unternehmuns 
gen! — In dieſem Alter, welches 
insgemein ein Spiel der widrigiten Leis 
denfchaften ift, bauet man prächtige 
Schloͤſſer auf Sand, auf einen falfchen 
und betrüglichen Grund, Man macht 


groffe Anfchläge, und wagt ih, um _ 


diefes dem, bethörten Herzen ſchmei⸗ 
chende Glück zu fuchen, auf die für: 
Der Hypoch. I. T. £ mifche 


322 ee 


mifche See, und da man es durch die 
Tugend in feinem Baterlande finden 
koͤnnte, fo reiſet der junge Thor bis: 
weilen felbjt nach neuen Welten: Wie 
glücklich würdet ihr ſeyn, ihr Juͤng⸗ 
linge! wenn ihr euch dem Unterrichte 
der wahren Weisheit uͤbergaͤbet, und 
fruͤhzeitig eure Herzen der wahren Got: 
tesfurcht oͤffnetet! Sie wuͤrde euch auf 
die Wege der wahren Gluͤckſeligkeit füb- 
ren; fie würde euch frühzeitig mit un- 
‚vergänglichen Gütern bereichern, und 
indem fie eure Fülle auf dem Pfade der 
Tugend erbielte, fo würde Gott Wohls 
‚gefalten an eurer Seele babenz- der Ur: 
heber des Glücks würde euch ein dauer: 
haftes Glück bereiten, und in euren ei- 
genen Herzen würde aus dem innerften 
Grunde eines ruhigen und unbefleckten 
Gewiſſens eine nie verfiegende Quelle 
von. Wonne und Zufriedenheit jich über 
euer ganzes Leben ausbreiten, Allein, 
fo lange ihr blos euren erhitzten Leiden; 
ſchaften folget, fo lange ibr, voneitlen 

Begier⸗ 


Begierden betböret, euch felber ein 
Gluͤck erträumet, und ohne Gott glück 
Lich werden wollet; fo gilt von euch der 
Ausfpruch des Weifen: Die Anſchlaͤge 
werden zunichte, wo nicht Rath iſt. 

Wie gluͤcklich wären wir, wenn wir 
mit dem reifern Alter anfingen, aufein 
wahres und dauerhaftes Glück zu den: 
fen! Allein, lafiet es uns aufrichtig 
geiteben, die mehreften vermeiden nicht 
fowohl die Thorheiten der Jugend fel- 
ber, als nur den Schein des $ächerli: 
chen, welches diefelben mit fich führen, 
Eine gemwaltfame Begierde nach einer 
übelverftandenen Ehre bemeiftert fich 
unfrer gemeiniglich im männlichen Alter, 
und, von ihrem Ölanze verblendet, be; 
muͤhen wir uns, gefährliche Höhen zu 
erfteigen. Wir opfern diefem Traume, 
der uns fo ganz einnimmt, unfre Rube, 
unfre Kräfte, und die Hälfte unfers 
Lebens auf; unftreitig aber aus Feiner 
andern Urfache, als weil wir glauben, 
dag wir Alsdann ſehr glücklich ſeyn wuͤr⸗ 
6: #2 den, 





324 


ben, wenn wir diejenigen Ehrenſtufen, 
und denjenigen Gipfel erreicht hätten, 
auf welchem wir andere mit neidifchen 
Augen ftehen ſehen. Daher Eömmtes, 
dag man die Pflichten feines gegenwaͤr⸗ 
tigen Standes und Berufes verfäunft, 
weil man unzufrieden damit iſt. Um 
diefes Gluͤcks willen, das man fich als 
fo vollfommen vorftellet, macht man fich 
die vortheilhafteften Musfichten , finnet 
auf nichts, als auf Mittel, die uns in 
den Befiß diefer Herrlichkeit feßen follen, 
und Fampft wider die Hinderniffe, die 
fih uns von allen Seiten entgegen ftel- 
len. Unter fo eitlen und unnügen Bes 
mühungen übereilt uns das Alter, da 
wir auf der einen Seite faum den 
Grurd zu unferer eingebildeten Glück; 
feligfeie gelegt, und auf der andern 
in unferm eigentlichen Berufe nichts 
gethan haben, was des Lebens würdig 
wäre. Dann erft kommen wir einiger: 
maaffen zu uns felber, und wollen das 
geben genieffen, das wir verfhwendeten, 

und - 


ee 


samt 825 


und diejeninen Kräfte zur Musrichtung 
unferer Pflichten anwenden, die wir 
nicht mehr haben. Und was fage ih? 
Vielleicht befigen nur wenige Greife 
Weisheit und Stärfe genug, um fo 
edelmüthig, als jener Greis am Hofe 
Davids ,, der rechtfchaffene Barfillai, 
diejenige Ehre und dasjenige Wohlle: 
ben, das Paläfte anbieten, zu verachten. 
Denn wie viele gibt es wol, welche voll: 
Fommen den irrdifchen und eitlen Nei⸗ 
gungen, bey einem gefunden Körper und 
noch regen Kräften, abfterben, und wel: 
che mit dem Apoftel fagen Eönnen: Ich 
fterbe täglich "— Ihr blendenden Herr: 
lichkeiten, ihr vergänglichen Schäße dies 
fer Welt, rührer mich nicht mehr! — 
Meine Begierden find für die Tugend 
und für den Himmel! — Ich fehe nur 
‚auf das Unfichtbare und Unvergaͤng⸗ 
fihe! — Ich ftrecfe meine Hände am 
Ende meiner faufbahn nach der Krone, 
die mir angeboten wird! — Sch lebe 
bereits im Himmel! — 

%z Soll 


326 





Soll ih itzt um darzuthun, was für 
ſchwankende Begriffe wir vom Gluͤcke 
Haben, die verfihiedenen Stände der 
Welt durchgehen? Soll ich zeigen, daß 
fich faft ein ieder derfelben einen eigenen 
Gögen macht, und verehret? Soll ich 
bemerken, daß die Mächtigen ihre 
Stückfeligkeit nach der Menge und 
Gröffe der Provinzen, die fie erobern, 
und beherrfchen , abwägen? daß die 
Hofleute die Gunft der Götter diefer 
Erde für ihe hochſtes Gut halten? daß 
der Selehrtenach einem groffen Namen, 
der Kaufmann nach Reichthum geizet; 
alle Menſchen aber fich ein Leben wuͤn— 
ſchen, das ihren Leidenfchaften Genüge 
thut? Auffer Gott und auffer den Pflich- 
ten, die er uns vorgefchrieben hat, be: 
reiten wir allemal unfer Unglüc, indem 
wir unfer Gluͤck bereiten wollen. Oft treis 
ben wir unfre Tborheit fo weit, daß wir 
unfve Wohlfahrt blos auf die Ruinen 
unſrer Unſchuld, und auf die Truͤmmern 
der Tugend und des Gewifjens bauen. 

| Ein 





327 


Ein Verräther des Vaterlandes, eitt 
Dieb und ein Mörder, find unftreitig 
verabfeheuungsmwürdige Öegenftände in 
unfern Ei Aber wenn wir, um 
unſre Begierden zu vergnügen, und ein 
kurzes Gluͤck zu erhalten, die Wohlfahrt 
unſrer Brüder dem Durft nach Ehre, 
ihe Vermögen dem Geize, oder eine 
fremde Unſchultz unſern Luͤſten aufopfern: 
begehen wir nicht alsdann aͤhnliche 
Verbrechen? Verbrechen, die nur einen 
andern Namen haben? Suͤndigen wir 
nicht wider die heiligſten Pflichten der 
Natur, und wider die gerechteſten und 
billigſten Geſetze Gottes? verwunden 
wir nicht unſer Gewiſſen? beflecken wir 
nicht die Ehre, die wir als Chriſten ha— 
ben ſollten fangen wir nicht eine Re— 
bellion in der Stadt Öottes an? tödten 
wir nicht unſern Nächften? ---- Uns 
gleichmol halten wir uns für glücklich, 
wenn wir nur unfee Wuͤnſche erfüllt fe: 
ben, unbefümmert, od die Mittel dazu 
gerecht oder ungerecht, gut oder böfe ge: 
weſen find. 4 Was 


328 — 


Was iſt es aber, das uns verleiten 
kann, uns von der erhabenen Wuͤrde, 
die wir als Menſchen, noch mehr aber 
als Menſchen, die zu einer ewigen 
Dauer erſchaffen ſind, das iſt, als 
Chriſten beſitzen, zu ſolchen nichtswuͤrdi⸗ 
gen Kleinigkeiten, ja zu ſolchen fchimpf: 
lichen Nusfchmeifungen zu erniedrigen ? 
Was ift es anders, als das beraufchende 
Vergnügen, das mir in diefen fichtba: 
ren Dingen zu genieflen glauben, nies 
mals aber wirflich darin antreffen ? 

Meine Lefer mögen nunmehro felbft 
von diefen Arten des Gluͤcks, die ich 
befchrieben habe, und die uns unfte 
Sinnen und unſre verfebrte Einbil— 
dungskraft fo groß abbilden, das Urtheil 
fällen ,. ob fie wol diefen Namen nnd 
diefen glänzenden Rang verdienen, wel: 
chen man ihnen in der Welt insgemein 
beyleget ? Sie mögen den Ausſpruch 
thun, ob felbige unferm unfterblichen 
Geifte eine wahre Glückfeligfeit gewaͤh— 
vn? Wie? follte uns ein Gluͤck beru: 

higen 


ne 329 


higen können, das nur in einem Tumufte 
von Freuden. befteht, der auf eine Zeitz 
lang unfre Ginnen füllt, endlich ader 
plößlich verfchwindet, und uns nichts 
weiter zurück läßt, als das leere Anden 
fen, daß wir es einmal genofien haben, 
und die unruhige Sehnfucht, es wieder 
zu genieffen? Sollte das ein wahres 
Glück ſeyn, welches gewiſſe finftere und 
fhwermüthige Lehrer zwar prächtig be⸗ 
fchrieben, aber felber nie erlangt, oder 
geſchmeckt haben? Sollte das ein wah: 
res Glück ſeyn, wenn man die Welt, 
feine Gefchäffte und feinen Stand- ver: 
Laßt, fih in Einsden und Wüfteneyen 
begiebt, um da dem Umgange mit Gott 
obzuliegen? Die Religion Jeſu ſtellet 
uns, indem fie uns zur wahren Ruhe 
leiten will, Feine folche, nach den gegen 
wwärtigen Umftänden unmögliche, Gluͤck⸗ 
jeligfeit vor; fie richtet fid) vollEommen 
wach unfrer Natur, nad) den Umftänden 
der Welt, und nach unfern gegenmär- 
tigen unvollkommnern Zuftande, Gie 
| 5 vers 


339 —— 


verheißt uns auch keinen ununterbroche⸗ 
nen Genuß von Freuden. So lange 
wir in dem Lande der Unbeſtaͤndigkeit 
leben, iſt dieſes nie moͤglich, und ſelbſt 
unſre angenehmſten Empfindungen 
wuͤrden aufhoͤren, es zu ſeyn, wenn wir 
nicht zuweilen durch widrige Zufaͤlle 
einen neuen Geſchmack an unſerm Ber: 
anünen erlangten: nicht anders, als wie 
etwan: Krankheiten den Genuß einer 
beftändigen Gefundheit erft recht ſchaͤtz⸗ 
bar E mache n. 

Ich verſtehe alſo unter der wahren 
Gluͤckſeligkeit eine ſolche, die unſre 
vernuͤnftige und durch die Tugend ges 
laͤuterte Begierden vergnügt, oder ftillf, 
und die Die Kräfte ſowol unfers Geiſtes, 
als unfers Körpers, erquickt und flärz 
ket. Alle Güter, die fich hierauf nicht 
beziehen, haben ihren Werth blos von 
der Einbildung der Menfchen; an fich 
felder find fie nicht vollfommner,als andre 
Dinge. Sie verfchwinden mehrentheils 
ſchon unter dem Genuſſe. Man erin: 

nere 


—— 331 
nere ſich an alle Arten des ſinnlichen 
Vergnuͤgens, deren man je theilhaft ge 
worden iſt: ift es uns nicht: nach dem 
Genuffe derfelben als Träumenden er—⸗ 
gangen, die ein Geraͤuſch aus einem 
ſuͤſſen Spiele ihrer Phantafie erweckt 
hat? denn die wenigften derfelben mer: 
den ja fo regelmäßig und unfchuldig 
unfer Theil, daß fie nicht Neue in der 
Seele, Brandmale im Gewiffen, und 
gemeiniglich auch Schmerzen in unferm 
Körper zurück laſſen ſollten; ich will 
nicht der Bitterfeiten der-fchmerzbaften 
Schaam gedenken, welche mit dem un: 
ordentlichen Genuffe der Ergoͤtzlichkei⸗ 
ten und fündlichen Wohllüfte verfnüpft 
find. 

Mit dem allen, was ich ißt von der 
Unvollfommenbeit der Güter diefer Welt 
gefagt habe, behaupte ich nicht, als 
ob diefelben gar Feine Güter wären. Sie 
find, wie ich Anfangs bereits bemerkt 
habe, allerdings Güter, welche uns 
die — eines vaͤterlich geſinnten Schoͤ⸗ 

pfers, 





337 


pfers, ſowol zur Beförderung und Er: 
leichterung unferer Abfichten, als auch 
zur Erquickung unfers Geiftes, in die: 
fer Welt der Mühe darreichet. Man 
trachte immer durch erlaubte und ger 
rechte Mittel nach Reichthum; man 
behalte immer feine ererbten oder erwor: 
benen Güter: aber man befiße fie als 
ein Weifer, und höre daben auf die 
fchreyende Stimme des Mangels; man 
befiße fie fo, als wenn man fie nicht 
befäffe, mit vollfommner Berleugnung, 
und allezeit bereit, fie nach dem Willen 
des Gebers freudig zu verlaffen. Man 
behalte feine Ehrenftellen, und das An— 
feben, das uns Gott unter unfern Bruͤ⸗ 
dern gegeben hat: aber man werde nicht 
ſtolz; man misbrauche daffelbe nicht 
zur Verachtung und Unterdrücfung der 
Miedrigen, und ahme der Demuth des 
görtlichen Menfchenfreundes nah. Man 
genieffe immer feine guten Tage, die 
uns der Himmel verleiht: aber man 
denfe zugleich an jenen groſſen mn 

Zu⸗ 








* 333 


Zukunft. Man kann alle dieſe Arten 
der zeitlichen Gluͤckſeligkeit erwerben, 
behalten und hoch achten: aber man 
vergeſſe dabey niemals, daß es, ihrer 
Natur nach, irdiſche und vergaͤngliche 
Dinge ſind. Man bedenke allezeit, daß 
wir nicht um dieſes kurzen Lebens wil; 
len gebohren find, und dag Gott das 
größte und beftändigfte unter allen Gü: 
tern ſey. Bey einer folchen Berfaffung 
unfrer Seele werden wir uns gewiß 
über alle die Fleinern Unzufriedenen bin: 
weg fegen Fönnen, deren thoͤrichte Wuͤn⸗ 
ſche den Himmel fo oft ermüsden, Mir 
fällt hiebey eine Fabel des Herrn de la 
Motte ein, die ich meinen Gedanfen 
noch beyfügen will, 

+ Ein Elender, der feine Blicfe und 
Wuͤnſche ftets auf die Umftände an⸗ 
* derer richtete, und fich dadurch felbft 
* unruhig machte, ermüdete unaufs 
“ hoͤrlich den Himmel mit feinen Kla: 
“gen. Jupiter, der feiner laͤngſt über: 
“druͤſſig war, beſchloß endlich, ihn zu 

⸗⸗ be: 


334 





‘ befriedigen. Er rückte ihn durch die 


+4 


— 


Wolken in das groſſe himmliſche 
Vorrathshaus, wo das Gluͤck und 
Ungluͤck der Menſchen von dem 
Schickſale in Ballen gebunden, 
und nach den unterfchiedenen Stäns 
den des Lebens in Ordnung geſtellt 
war, Hier fprach Jupiter zu dem 
Misvergnügten: Du haſt zwar durch 
dein verwegenes und undankbares 
Murren mehr meinen Zorn, als meis 
ne Gnade, verdient; doch will ich 
dich, wo es möglic) ift, befriedigen, 
Waͤge und erwähle dir einen vou die: 
fen Ballen, Aber, ich will dir vor: 


her jagen, daß die leichteften die bes 


ften find ; denn das Unglüd ift fchwer, 
Der Dann, voller Freuden über diefe 
gegebene Erlaubnig, bob den erften 
und größten Ballen, der für die Kö: 
nige beſtimmt war, und in welchem 
quälende Sorgen, unter den Scheine 
einer glänzenden Pracht, verborgen 
lagen. Wahrhaftig! fprach er, des 

“Man: 


—— 335 


Mannes Schultern muͤſſen ſehr ſtark 
seyn, der ihn tragen foll: ich ver: 
fange nichts davon, Er verfüchte 
“ den andern, der den erfien Miniſtern 
beſchieden war, Allein, auch) diefem 
hatten theils. die ehrgeizigen Begier⸗ 
“den die Angſt, die Abmattung; theils 
“der Verdruß über fehlgeſchlagene An- 
’ fchläge, und Furcht vor Ungnade, ein 
* ‚fofchweres Gewicht gegeben, daß er 
“ fichnicht. enthalten konnte, auszuru⸗ 
fen: Ungluͤcklich find die, denen dieſe 
bLaſt beſtimmt iſt! Er ging von einem 
zum andern, und wog taufend, und 
“ abermal tauſend. Aber erfand fie alle 
“zu ſchwer fürfih. Einige wegen der 
* nterwärfigkeit-, andere wegen der 
¶ Einfhränfung, noch andere wegen 
’ der ungefätteten Begierde, andere 
* wegen der Hoffnung, wiederum an: 
“dere wegen der Furcht, und andere we- 
gen deſſen, was die Welt Bergnügen 
nennt. Guͤtiger Gott! ſprach er, ift 
denn nirgend etwas, das erträglich 
BG ‘wäre? 


—* ——— 


336 —— 


waͤre? Doch — hier iſt ein Bündel, 
der weit leichter zu heben ift, als alle 


' übrige. Freylich, fagte Jupiter, würs 


de er leichter ſeyn; aber der, welcher 
ihn. itzt trägt, kennt feine eigene 
Gluͤckſeligkeit nicht, und diefe Unwif 
fenheit verurfacht alles Gewicht. O 
Dummpeit! rief der Mann, ich flehe 
dich, gieb ihn mir: ich werde fo 
thöricht nicht feyn. Nimm ihndenn 
bin, antwortete Jupiter, denn es ift 
in der That dein eigener, und tadle 
ven nun an die Vorſehung nicht 
mehr. „, | 





. 337. 


a 1 X 


Drehyzehntes Stuck. 





Nu man tkefzi lutur thikia utruligur ok 
undarligur , met hoerri lift edur vel 
flikt ma verda, at fülin metti tömd 
verda til fua mikils fiotleika, at ecki 
vetta ma fordazt ras the/s manns ok 
[kiotleik, er fialnar hefer a fotum [er, 
that [em jördu fylgir. 


Speculum regalep. 82. 


EEEIER SESEDCF ST ES uU SDEERERN WITT ET DIE ST STD 
nn — — — —— — — — — 





OGœ ch empfehle meinen Leſern, die an 
x der Hypochoudrie krank liegen, 
den Eisgang aux Patins: eine fehönere 
Vebung giebt es auf der Welt nicht, 
Wer mirs nicht glauben will, der leſe 
hier zwey Dithyramben, die einesfehr auf 

Der Hypoch. 1.T, Y ſeror⸗ 





338 


ferordentlichen Urfprungs feyn müffen, 
wofern die Gerüchte alle wahr find, 
welche von ihrem Verfaſſer im Lande 
herumgehen. Mach einigen, ift er der: 
jenige berühmte Tialf, der vor ohnger 
fähr anderthalb taufend Jahren unter 
Anführung des Östtes Braga die Kunft 
der Schrittfehuhe zur Vollkommenheit 
gebracht, und dafür befanntermafien - 
von den Göttern in Asgaard die Unze 
fterblichfeit zur Belohnung erhalten: 
doch unter der Bedingung, daß er von 
Zeit zu Zeit auf die Erde herabfteigen, 
und die Erfindung des Eisganges unter 
den Menfchenfindern gemeinnüßiger 
machen foll. Er bält fi gewöhnlich, 
jagt man, in Holland auf, wo er groß 
fe Kolonien von Eisgaͤngern angelegt 
Katz von Holland pflegt er über Ham: 
burg nach Dännemarf und Norwegen , 
feiner Heimath, nach Schottland, nad) . 
Irland, nach England zu gehen; ja 
vor zwey Jahren erjehien er fogar in 
Spanien aufdem Eifez und in Frank 


- reich 


m 339 


reih iſt nun die Patinage fo menig 
etivas ungewöhnliches, dag man von 
dorther naͤchſtens einer Comédieè liri- 
que, les Patins genannt, entgegen⸗ 
ſieht, welche den Sabote nichts nachge⸗ 
ben wird, wo ſie ihr nicht gar vorzuzie⸗— 
hen iſt. Nach Andern (und beide 
Parteyen fcheinen mir den Traditionen 
ihrer Vorfahren ziemlich ftarf anzuhan⸗ 
gen), ift er nicht Tialf, fondern Ber 
Erfinder Braga felbft: und se Beftätir 
gung ihres Glaubens berufen fie ſich 
auf die wunderbaren Gefänge, die man 
zuweilen bey ſtillen Abenden auf dem 
Eife von ihm hertönen hört, und deren 
Urheber, mit allem Reſpekt vom os 
tun Tialf gefprochen, unmöglich ein 
Anderer, als Braga, feyn koͤnne. Ich 
bin fo glücklich gewefen, im vorigen 
Devember, als mich ein Volk Rebhuͤ⸗ 
ner in aller Frühe aus den Federn ges 
itte, deu erfien dieſer Öefänge 
deutlich zu hören, worauf ich, eine 
halbe Stunde nachher, jenen Wunders 
2 mann 





2340 — 


wann auf dem groſſen LSee, der an 
einen ſchoͤnen Luſtwald ſtoͤßt, einſam 
und laͤchelnd hervorſchweben ſah. Den 
andern brachte mir Herr Ohluf, der, 
wie er mich verſichert, in ſeinem Leben 
nichts gehoͤrt oder geleſen hat, was mit 
dieſen Oden zu vergleichen waͤre, nicht 
einmal bey den Franzoſen, die es doch, 
ihrem eignen unverdaͤchtigen Zeugniſſe 
zufolge, unter allen Nationen in der 
Lyrik am weiteſten gebracht haben. 


— —— * 


Fa du noch immer an den Gluten des 
Kamins, und ſchlaͤfſt 
Scheinbar denfend ein? Werfen dich der 
filberne Reif 
Dis Decembers, o du Staͤdter! nicht 
auf? 
Nicht die Geſtirne der kriſtallnen 
See? 


| Lachend 





* 341 


Lachend erblick ih dich am Feuer, in des 
Wolfes Pelz, 
Bluͤtig noch vom Bley, welches dein 
entſcheidender Blick — 
In die Schlaͤfe des Eroberers laut 
Blitzte, daß nieder ins Geſtraͤuch er ſank. 


Auf denn! erwache! der December hat noch 
nie jo ſchön, 
ie fo fanft, wie heute, über dem Genlde 
gefirabit! 
Und Die Blume von dem nächtlichen Froſt 
Glaͤnzte noch niemals, wenn es tagte, 
fo! 
Neide mich! Shen ı von dem Gefühle der 
| Geſundheit froh 
Hab ih, weit hinab, weiſſer am Geflade 
gemacht 
Den bedeefenden Kriftall, und geſchwebt 
Eilend im Fühnen Dithyrambentanz! 


Unter dem fluͤchtigeren Fuß, von dem geichärf: 
ten Stahl 
Leicht beflügelt, ſcholl ſchnelleres Getone 
der Bahn. 
93 O 








ä 


342 * 


o wie — der Himmel! Mein 
Bild 
Eile’ in den Fluten, wie ich eilte, fort. 


Aber nun kam an dem Olympus der erhabne 
Mond 
Wolkenlos herauf, nahte die Begeiſtrung 
mit ihm, 
O wie truuken von dem Mimer! Ich ſah 
Fern in den Schatten an dem Dich— 
terhayn 


Braga! Es toͤnet' an der Schulter ihm Fein 
Köcher nicht; 
Aber unterm Fuß tonete wie Silber der 
Stahl, | 
Da er eilend aus der Nacht in den 
“ Glanz 
Schwebt', und mir leife den Kriftall 
betrat. 


Sing! Es umkraͤnzete die Schlaͤfen ihm der 
Eiche Laub! 
Sing es, Bardenſang! Schimmernder 
bereifet war ihm 
Der 





343 


Der befchattende Glaforifche Kranz! 
Golden fein Haar , und wie der Kranz 
bereift. 
Feurig beſeelet' er.die Saiten, und die Echo 
hallt's: 
Denn Mundſtringa ſcholl! Tapfere belohnte 
fein ed u, 
Und den Weilen F Don den Ehren 
Walholls 
Rauſcht' es in freudigerem Rythmus 
her. 
Ha! wie ſie blutet' und den Adler von dem 
Felſen rief, 
Seine Lanze! Sangs, ſchwebete daher des 
Gefangs 
Dithyrambiſche Bewegung, ist ſchnell, 
Langſamer jetzo mit gemeßrem Schwung. 


Schlaget, ihr Adler, mit den Fittigen, und 
haltet Mahl! 
Trinket warmes, Blut! Sands, ſchwebete 
daher des Geſangs 
Dithyrambifche Bewegung! So ſchoͤn 
Schwung fih Apollo Pataraͤus nicht! 
24 Kid 





344 


Leichtre Spiele der Bewegungen begonn er jest, 
Feichtern Barbenton. Lehre, was ich finge, 
den Hayn. 
An dem Hebrus, wie der Grieche das 
träumt, 
Ueber der Woge von Krillall erfand 


Dieſe Beflügelung des Stahls, die den Sturm 
ereilt, 
Thrazens Orpheus nicht! eilete mit ihr anf 
dem Strohm 
Zu Eurydice nicht hin! Des Walholls 
Saͤnger, umdraͤnget von Einherion, 


Ich, der Begeiſterer des Barden und des 
Skalden Ich, 
Toͤn's, Mundkringa, laut! hoͤr es, du am 
Hebrus! erfand 
Vor der Lanz und vorm Sturme vorben 
Siegend zu ſchweben! Und den ſchoͤnen 


Sohn 
Sifia lehrt' ih es! Wie blinken ihm fein 
Fuß und Pfeil! 
Lehrt's Tialfe, den Feiner in dem Faute 
vorat, 


Wie 





—— Be 
Wie des zaubernden beſeeltes Phantom *), 
Toͤnte! Da roͤthete der Zorn Tialf! 
Lehrt' es den tapferſten der Könige des hohen 
Nord, | 
Harald! denne floh Ruſſiens Elifif vor 
ibm! 
O ihn hätte Wanadie nicht geflohn! 
Thörimat --- Ep fang er und ent 
flug! Sein Kranz 





Rauſcht', als von Weſten, und es wehet' ihm 
das goldne Daar! 
Seiner Ferſe Klang fernte ſich hinab am 
Gebirg, 
Bis er endlich in ver Düfte GemöfE 
Unter dem Hauge des Gebirgs ver: 
ſchwand. 


95 II. 


Tialf, erzaͤhlt uns die Edda, konnte im Eis⸗ 
lauf nur von einem gewiſſen Geiſte, der 
Gedante heißt, uͤbertroffen werden. 


3, Jernfirup. 


w 
AS 
N 
= a. 


Wie das Eis hallt! tone nicht wor! ich dulde 
"das nicht! | 
Wie der Nacht Hauch glänzt auf dem fie: 
henden Strohm!“ —D 
Wie flieget du dahin! amt ai ſchnellem 
Flug 
Scheuchſt du die Grazie weg! 
4 Sie ſchwebt ſchon nach! Bardenliedertanz 
Haft Pfeile, wie Oendurdis Bogen he ie 
- entflichn ! 
Wie rauſchet ihr Gefieder! Ereile ie 
vor mir! 
u Die Grazie ſchwebet ſchon nach! ” 
Pfeilſucher, reize fie nicht! Verachtet kehrt 
ſie nicht um! 
Ich ſeh es, halt nun, ich ſeh es, ſie sürnf: 
Das Woͤlkchen Laut o 
Donnert ſchon auf ihrer Gtirne. 
„Sieheſt du, fie fommen bey dem Felfen herum 
In dem. hellen, Dufte des fhönften der 
Decembermorgen? 
Wie ſchweben fie daher! ⸗ ſoll 
Mir Hlina Die Zuͤrnende. 
Wer 


* ‚1 
— 1 
— F 
—8* 


seen 347 


Wer ift es? wer kommt? wie verfchönen fig 
Den fihönften ver Dreembermorgen ! 
Sa, rede, du Beleidiger der Gragie, 
Der find ſie, die daher in den weiffen 
Duͤften ſchweben? 


u Bie des Telyn as Lenzgeſang aus der Kluft 
zuruͤck, 
Toͤnt unter ihrem Tanze der Rift! “ 
“Biel find der Schuber um den leid: 
ten Stuhl, 
“Der anf Stählen, wie von ul f 
ſchlupft.“ | 


And fie, die, in Hermelin gehullt, 
Auf dem eilenden Stuhle ruht, 
Und dem Juͤngling horcht, der hinter ihr 
Den Stählen der Ruhenden Flügel giebt? 


u m des Maͤdchens willen beleidigt' ich 
v Die Örazie; drum verſoͤhnt fie mir fie, 
“De Jungling liebet das. Mädchen, 
fie liebet ihn: 
u Sie feyern heute des erſten Kuſſes 
Tanz, 4 


13 — » 
“u O 


348 pemBe= ' 
O du, die im Hermeline aehült, 
Und du mit dem Silberreif in dem ſchwar— 
zen Saar, 
Bir tanzen ihn auch, den Bardenlieders 
tang!! wri | 
| Und feyern euer Feſt mit ud 1... ı. 
A Willkommen uns! Ihr tanztet ihn ſchoͤn 
Am ſaͤuſelnden Schilf herab! 
Nur Ein Geſetßz: wir verlaſſen nicht 
eh den Strohm, 
Bis der Mond am Himmel ſinkt.“ 
Weit iſt die Reiſe zum Ball, 
Der mit dem finfenden Monde beginnt: 
Ihr müßt euch ſtaͤrken. Die Laufcherinn 
hier 
Liebt fluͤchtigen Stahl. 
Du Schweber mit der blinfenden Schaale 
dort, s | 
"Den der Burgundionen Urahn Eelterte, 
Den! und die Schaale voll bis zum 
| Rand herauf! 
Sm Fuge geſchwebt! Doch Erin 
Tropfen röthe den Strohm ! “ 
So 


BET 349 


So rund herum und dann der Hörner Schall 
Tach alten Brautgeſanges Takt! 
Zu diefen Bragas twiedererfundnen Reihn 
Huf gefiirntem Kriſtall! 


Ihr Tänzer dort auf dem hellen Kriſtall 
"Nach Bragas Fluͤgelſchwung! 

Was huͤllet ihr euch in Autipodendampf, 

Wie in Wolfen, ein? 


4 Werft hin das Rohr aus dem Nofenbufche 
gewählt! 
4 Werft hin des Meeres Schaum! 
u Könnt ihr gegen euch über den Frei 
fenden , ſchlaͤngelnden, 
4 Borfchieffenden Reihn aus der Wolke 
ſehn?“ 


Er ſangs, und das blonde Mädchen glitt 
In der Mitte des Strohms; die Hörner 
toͤnten hinter ihr ber. 
An den beiden Ufern eilten veran die Be; 
gleitenden , 
Und wogen fich leicht auf der Schärfe 
des Stahls. 


Wie 


350 —— 


Wie glatt iſt der ſchimmernde Froſt! Schall 
dort umher 
In den Felſen, nicht hier mit dem Strohm 
hinab! 
Han droben im Walde, verwuͤftendes 
Beil! | 
Sie ſangens, und lehnten ſich rechts an 
den wärmenden Strahl. 


D Dahn des Kriſtalls! Eh fie am Hufe das 
Eifen ſchaͤrft, 
Eh fie mit dem Eisfporn waffnet den 
Wanderer, 
Erfiarr , evfiarre die Cyklopenhand! 
Sie fangens, und lehnten fih links an 
die leiſere Luft. 


Sie fangen der Eisgangslieder noch viel: 
Bon Zephyrus, dem Zeriöhrer, ah! 
Wenn die Blume des nächtlichen Froſtes 
welkt! | 
Von der Tuͤcke des verborgnen warmen 
als, | 


Da 


— 351 


2 der Biüedie Juͤngling fanf! Er * 
ſich herauf, ſein Blut 
Faͤrbte 4 Kryſtall: dann ſank er nieder, 
und ſtarb! 
Von dem Orkan, der in Schwindel ſie 
ſchleudert vor ſich her 
Am vorüberfliegenden Felſeng eſtad 
hinab! 


Schnell, wie der Gedanke, ſchwebten ſie in weit— 
umkreiſenden Wendungen, 
Wie die Rieſenſchlange Midgaards im 
Ocean ſich waͤlzt! 
Von — ——— —— Winelde erſtem 
Tritt auf dem Teich 
Am Hiacynthenbeet. Klein war ihr 
Fuß, und blinkend ihr Stahl. 


Sie hatten des Stahles Band mit füberflodis 
A gem Laube 

5 und rothgeſprengten fliebenden Fiſchen 

ni geſtickt. 

Sie fangen es, itzo dem Wiederhall der 
[F Wälder zu, 

B Itzo den Trümmern der alten Burg. 


| Sie 





” | i. * 7 
352 [u 


Sie tanzten * Strophen und autiſlnophen, 
Ruhten ſelten Epoden aus. 
Sie tanzten den ganzen Pindar durch: 
Da ſank, ad) wich zu früh! Der Mond 
om Himmel herab. 


Sie Famen zum regelvcichen Tanz 
Im Wachslichtfaal 
Vor dem lärmenden Kamin, 
Und Hlina vor feinem Spiegel an. 


Sie fofieten wenig mit ſtolzem Zahn 
Vom regelreichen Tanz. 
Sie fihliefen die ganze Nacht, den Tag 
dazu 
Gefunden Schlaf. 





r | 
Der 


Hypochondriſi 


holſteiniſche wochenſchrift 


von Herrn 


Zacharias Jernſtrup. 
Zweyter Theil. 





Zweyte verbeſſerte und vermehrte Auflage. 











Bremen und Schleswig 
bey Joh. Henr. Cramer und Joach. Friedr. Hanſen. 
| 1771 


PER WER UN 





RZ Pr RR 
ED aa a Se a a a ne 223 


Anhalt des zweyten Theile. 


* Vierzehntes Stück, 

* Einfluß des Geſchmacks auf die innere. 
Schönheit des Srauensimmers. ©. 355 

* Ein page Worte von Fräulein **, die fi 
mit einem Seufzer des” Hypochondriſten 
endigen. 369 
Nachricht, daß Herr David Wilhelm Maͤvius 
auf Jernſtruphof glücklich wieder ange: 
langt, und ehrlich ſey. 377 


*Fuͤufzehntes Stück, 
Ode auf des Königs Geburtsfefi 1762. 379 


* Sechszehntes Stüc. 


Die Tugend iſt keine Furie, ſondern eine ſehr 
ſanfte und liebenswuͤrdige Matrone. 384 
Geſellſchaftliche Satiren uͤber ſich ſelbſt 
fuürs Ftauenzimmer, nebſt einem Probe⸗ 
ſtuͤck dieſer Erfindung, welches gut aus: 
fällt. 398 

"2 Sich; 





Siebzehntes Stüd. 


Lyriſche Empfindungen über die Allgegenmart 
Gottes. 459 

Ein Ehor von abgeſchiedenen ſeligen Geiſtern. 
414 


*Achtzehntes Stuͤck. 
* Gefpräh des * Hypochondriſten über die 
Schönheit feiner Blätter. 417 
* Charitina von Iſſoph, ein Portraͤtſtuͤck. 422 
Jernſtrups allzubittre Satire über fich 
ſelbſt. 441 
Schreiben von Herrn Arthur Jeoffry Eſq. an 
Herrn Zacharias Zernftrup Eſa. So 
gut als aus dem Englifchen überfegt. 443 


+ Meunzehntes Stüd. 
Juͤdiſche Hymne an dem Laubhuͤttenfeſt zu ges 
“ brauchen. 450 
Zwanzigſtes Stuͤck. 


Herrn David Maͤvius Erfindung, unter der 


Serviette zu ſchreiben. 465 
Ti ſch⸗ 


Tiſchreden Sr. Gnaden Herrn Ohluf Jern⸗ 
firup, geſammelt von einem unterthaͤni— 
gen Verehrer D. W. M. aus Anselm, 
— 

Letzte Worte des Herzogs an 


— Sohn. 469 
2. Tiefſinnige Bemerfungen über die Kennt: 
niß des Menfchen. 470 

3. Paradoxe Bemerkungen eines Philans 
thropen. 471 

4. Noch mehr Paradorie. 473 


5. Gefpräch eines gewiſſen Biſchofs von 
Florenz mit einem gewiſſen Kardinal. 475 
6. Audienz Königs Opoccu des Feuerfars 
bigten , nebft Herrn Ohlufs Bemerfun: 
gen über einen Mangel der Reiſebeſchrei⸗ 
bungen. 476 
7. Vom Unterſchiede ber höhern und fchö: 
nen Wiflenfehaften. Herr Ohluf geräth 
in Zorn. 48 
8. Herr Obluf macht nur wichtige und ge: 
meinnügige Bemerkungen und preiſt 
Machiavells Princeps am. 496 


* 


3 * Ein 





* Ein und zwanzigfies Stuͤck. 


* Pier Idyllen. 498 
Hymne an den Map: 317 


Zwey und zwanzigftes Stüd. 
Unterredung über Klopſtocks Meſſias. 320 
Drey und zwanzigftes Stuͤck. 


Drientalifcher Wechfelgefana, im gelobien fans 
de su gebraud)en. 548 


Bier und zwanzigftes Stüd. 


Hochgericht über ven Hypochondriſten. 561 
Erfie Decurie der Rofifchen Ueberfegungen. 566 
Scenen aus einem Luftfpiele von Gay, (nach 
einem dialogifchen Plane überfegt,) wor: 
inn gleichfalls Hochgericht gehalten 
wird. 568 
Gays Vorbericht zum What d’ye call it, 
einer Tragifomipaftoralfarce. 610 


Fünf 


[> 2 = u og 


F uͤnf und zwanzigftes Stüd. 


Jernſtrup hat vom goldnen Apfel IJduns ges- 
koſtet. --- Ecce inter pocula quae- 
runt Romulidaefaturi, quid dia poë- 

mata narrent. 626 


Per 6 
Sechs und ——— Stuͤck. 


Geſetz buch der Gelehrtenrepublif in 
Deutjchland. 629 


Sieben und zwanzigftes Stuͤck. 


Jernſtrup hat die Gabe, aus der Haut zu 
fahren. 668 
Fährt nach Choezim, und fi ieht Bomben fpie- 
len. Wird durch eine Stimme aus den 
Laufgräben nach Daufe gejagt, 669 
Empfindfames Schreiben des Heren von 
Schuwalitz, aus dem Lager vor Chocs 
zim. (Es fommen in diefem Schreis 
ben einige Fleine Beleidigungen der Der 
cence vor, die aber, wie billige Lefer 
leicht einſehen werden, von der empfind⸗ 
4% famen 





ſamen Delicateſſe unzertrennlich 


find.) 672 
Herr Zacharias Jernſtrup entſchließt fi, kei⸗ 
nen Korb mehr zu geben. 696 


Ladet Die Leſer des Hypochondriſten auf 3J 
Hochzeit ein. 


Enpßelt ſich ſtillſchweigend. Eben J 
Letztes Stüd. 
Hymen, oHy menaee Hymen. —— 0 
Hymenaee! 


Noſa⸗Maͤpviſche Beſchreibung des großen 
. Hochzeitmaales auf Jernſtruphoſ bey 
"der dafelbft gefeyerten jmiefachen Ber; 


nmaͤhlung 1770. 701 
Sfolien beym Brunnen des Lachens geſun⸗ 
gen. en 726 
Ende, j | 


Zur27| | ' Der 


Hpronondriit 


Zweyter Theil, 





Der Hypoch. 2.T. 3 


















Eee . FARRAR 
— A rag & * ERS 


Br u Mk 


— — — — — — nn — — — 


m 





Vierzehntes Stud. 





‚Donna, fe pur tal nome a ie convienfi, 
‚Che non. [omigli tu cofa terrena — 

Fa ch’io fappia chi fei; fa ch’ionon erri 

Nel onorarti. — TASSD, 

Holdfeliges Frauensimmer, woferne man Ihnen 
anders diefen Namen geben darf, und Sie fein 
bloſſer Erdſchwamm find, laſſen Sie mic hören, 
was Ihre ſchoͤnen Augen mir fagen wollen; laſſen 
Sie mih hören, ob ich auch Urfache habe, Ihnen 
alle diefe tiefen Reverenze zu machen. 





Ä Mer ehemalige Geliebte, die fo 
artig lächelte, und Feine Stim: 

me hatte, ift nicht die einzige in 

‚ihrer Art. Um das Andenfen diefes 

guten Kindes in meiner Seele recht. oft 

| 2 zu 











356 


zu erneuern, und mir fo viel Gedanken: 

-fefte zu machen, als meiner Hypochondrie 
zuträglich fi find, gebe ich gemeiniglich d die 
Woche ein paarmal in die Stadt. In 
allen Geſellſchaften, in die ich etwan 
komme, 


Erblick ich reizende Statuͤen, 

Die, iedem, ders nicht glaubt, zum Trutz, 
Durch Laͤcheln, Eſſen, oder Putz 
Schnell die Bewundrung an ſich ziehen. 
Bisweilen reden ſie ſo gar, 

Und uͤbertreffen meine Schoͤne; 
Wovon? ja das vergißt man zwar: 
Allein es ſind doch wirklich Toͤne. 

Ein deutliches O ja! und Wie? 

Ein lautes I Herr Jemini! — 
Das find doch wirklich Mdenfchentöue. 


Woher diefe Gabe der Stummheit, 
oder diefes Mittelding von Stummheit 
und Sprache, und dann diefe Rauhig— 
feit der Sitten, die mehrentheils damit 
verfnüpft iſt? — Denn es verfteht fich, 
daß ich mir nicht immer Gedanfenfelte 

mache, 


7: une era | 357 


mache, und daß ich eigentlich die witzi⸗ 
gen, gefitteten Srauenzimmer höher, als 
die Statuen, ſchaͤtze. — Hat vielleicht 
die Natur ihre fchänften Kinder ein we⸗ 
nig verwahrlofer? Hat fie unferm Ger 
fchlechte mehr Einfichten, mehr Gefühl, 
mehr Liebe zur Tugend, mehr Anftand 
und Würde zu handeln, oder zu fpre: 
Ken, mit einem Worte, mehr Vorzüge, 
als dem ihrigen, gegeben? Oder grün: 
den fich ihre Fehler in dem Mangel der 
Erziehung und des guten Öefchmacks ? 
Das erſte Fann man nicht fagen. 
Vielmehr hat das ſchoͤne Geſchlecht, 

— in allen denjenigen Kraͤften, 
die das Herz angehen, die die Wangen 
mit Blut, und die Augen mit Thraͤnen 
fuͤllen, groſſe Worzuͤge vor dem andern; 
und das, was wir Maͤnner, auch in an- 
dern Dingen, oft nicht anders, als 
durch eine langwierige Arbeit, erreichen, 
ist bey den Frauenzimmern gemeiniglich 
. das ÜWerf der Natur. Ihre Verven 
find zärter, ihr Geblüt iſt duͤnner, ihre 
33. Ein: 


‚358 — * 


Einbildungskraft ift fluͤchtiger und de: 
licater, und ihr Witz ift viel artiger und 
naiver, als der unftige, Die Freude, 
die Dankbarkeit, das Mitleiden, die 
Siebe, die Freundfchaft, die Gutherzig— 


keit, und alle die fanftern Empfindun: 


gen, die eine menfchliche Seele ſchmuͤ⸗ 
efen, laſſen fich bey ihnen viel Teichter 
erwecken, als ben den Mannsperfonen. 
Woher denn jene Blödfinnigen und jene 
Kantippen, von denen es in allen Haͤu⸗ 
fern wimmelt? Der Mangel der Erz 
ziehung, und der Mangel des Ge: 
ſchmacks, einer Sache, die im Grunde 
nur ein anderes Wort für Mangel der 
Erziehung ift, — das allein. find die 
Urfachen der Fehler, die wir an unfern 
Schönen bemerfen. ft es nun nicht 
Fläglich,, daß die guten Talente der Na: 
zur, welche das ſchoͤne Gefchlecht befißt, 
nicht beffer angewandt werden ? Zu 
was für einem Enthuftafmus von Zärt: 
Yichfeit, von Menfchenliebe ꝛc. würden 
fich nicht diefe ı a guten Eigen: 

ſchaf⸗ 


— 359 


(haften ausdehnen laffen, wenn Kunft 

und Fleiß das ihrige dazu bentrügen! 
Freylich, Geſchmack von Frauenzim⸗ 
mer fodern, ein Ding, davon man, um 
verſtanden zu werden, erſt noch eine Er⸗ 
klaͤrung geben muß, heißt gewiſſer⸗ 
maaſſen uͤber uns ſelbſt ſpotten, da unſer 
eigenes Geſchlecht in dieſem Punkte 
zuweilen eine ſo ſehr armſelige Figur 
macht. Man glaubt gemeiniglich, man 
muͤſſe ein Gelehrter von Profeſſion ſeyn, 
um einen Beruf zu Erlernung der ſchoͤ⸗ 
nen Wiflenfchaften zu haben, und man 
kennt alfo den Nutzen und die Wuͤrde 
derſelben nicht in ihrem ganzen Linz 
fange 5; fondern nur dem Buchftaben 
nach. ber was. fage ih? Die Ge: 
lehrten von Drofeffion find oft felbft die 
allergefchmaefiofeften + wie will‘ man 
denn mit gutem Erfolge von einem An⸗ 
baue des Gefchmads fürs Frauenzim: 
mer handeln? Schlimm genug! Bar 
“teuer, Schlegel, Rammler, und noch 
emige andere fchreiben und fchreiben; 
34 aber 


360 —— 


aber wer lieſet ihre Werke? Man weiß 
nicht, und man will es auch nicht wiſſen, 
was fuͤr groſſe Dinge, durch Huͤlfe der 
ſchoͤnen Kuͤnſte, von jeher ausgefuͤhrt 
wurden. Sind ſie nicht von jeher das 
allgemeine Mittel geweſen, Recht und 
Ordnung zu erhalten, Wahrheit und 
Tugend zu befoͤrdern, und uͤber alles 
Ernſthafte und Strenge eine gefaͤllige 
Anmuth zu verbreiten? Hat nicht die 
Religion ſelbſt ihnen allemal einen vor- 
züglichen Theil ihres Anſehens zu dan: 
fen gehabt, und ift nicht ein iedes Land, 
in welchem der Geſchmack berrfeht, im: 
mer dreymal gefitteter, als ein anderes, - 
darinnen die Mufen Sremdlinge find? 


zu Völfern, melche thierifch lebten, 

Kam durch fie wieder Menfchheit her; 

Der rauhe Wald erſchrack, Fels und Gebirg’ 
erbebten, 

Und Wuth und Unſinn war nicht mehr. 


Gelinder 





Gelinder foß der Dad), die faufendjährgen 
r ‚Eichen 
Begonnen einen Tanz, fo bald ihr Spiel 
| er „ erklüng ; | 
Zahm kroch der Tieger aus den Straͤuchen, 
Und horchte lieblichen Geſang. 
Dir, Orpheus, gaben ſie die Leyer, und 
der Wilde 
Empfand den Ton, empfand der Leyer füf e 
Kraft; -» 
Sein Jauchzer ſcholl mit ihr durchs 
00 thraeifche Gefilde, 
Luft ſchmelzte feine Seel, und — er ward 
tugendhaft. — 


Eben fo kam mit der Liebe zur Dicht: 
Funft, und zu den übrigen fehönen Wiſ— 
fenfchaften, die Artigkeit der Sitten 
riach Athen und Rom. ber wir brau: 
chen nicht fo weit auszuhohlen. Man 
kann vielleicht ficher behaupten, daß die 
Härte der deutfhen Sitten fich ju ver: 
lieren angefangen habe, feitdenn der 

35 Ge: 


362 — ra 


Geſchmack auch zu uns herüber gefom- 
men if. Ich will damit eben nicht 
ſagen, daß wir viel Geſchmack haben, 
und dag wir fehr artig find; denn fonft 
würde ich diefes Blatt nicht fchreiben 
dürfen? ic) rede nur-von einem -Fleinen 
Theile gefitteter und vernünftiger 
Deutfchen, deren edelmüthige Hands 
lungen mich entzuͤcken, und die das, 
was fie find, unftreitig durch die fche: 
nen Wiffenfchaften find. Es ift gewiß, 
die Kunſt bat keinen folgfamern Schuͤ⸗ 
ler, als den Berfiand, wenn das Herz 
erſt gebeflert it. Dan Fann zwar einen 
fehr übeln Geſchmack, und doch daben 
ein gutes, rechtichaffenes Herz beſitzen; 
allein, wer einen fehr feinen Geſchmack 
hat, der hat niemals, oder, wenn ich 
mich recht behutſam ausdrücen foll, 
felten ein boͤſes Herz. Ich berufe mich 
auf die Erfahrung. Die größten 
Genies find allemal auch die größten 
Menfchenfreunde geweſen. Setzet hun: 
dert Staatsmaͤnner: ihr werdet wenig: 

fiens 


363 


ftens zehn Tigellinen Sarunter finden. 
Hundert Advokaten; : darunter ſind 
vielleicht vierzig. Rabuliſten, u. ſ. f. 
Aber von Dichtern und beruͤhmten 
Schriftſtellern zu urtheilen; ſo giebt 
es, Deutſchland und Frankreich zuſam⸗ 
men genommen, vielleicht nur -- hm! --*) 

Das Frauenzimmer, ein Geſchlecht 
welches ordentlicher Weiſe einen vor: 
züglichen, natürlichen Hang zum Guten 
hat, follte fih alfo aus diefen Gründen, 
und dann auch insbefondere der Bor: 
theile wegen, die es im Heufferlichen 
dadurch gewinnt, nichts fo fehr, als den 
Geſchmack, empfohlen feyn laſſen. Durch 
nichts, als durch ihn, Fann e3 die Ab: 


*) Nehmen Sie mir nicht übel, Herr * 
Jernſtrup, daß ich hier die alte Lesart 
ein wenig verbifiere. Seit 1762 haben 
bie deutſchen Staatsmaͤnner, Advoca: 
ten und — wisine Köpfe grofe 
Schritte zur Vollkommenheit ihrer 
Nachbarn gethan -- hm! 3. Jernſtruy. 





364 


fihten feiner Beftimmung fo würdig, 
und fo ganz erfüllen. Durch ihn lernt 
es von allen Dingen richtig urtbeilen; 
es entdeckt durch ihn die Schönheit der 
Tugend in ihrem vollen, mittäglichen 
Glanze, und die Haͤßlichkeit des Laſters 
in feiner fchwärzeften Geftalt. Gellert 
nennt den Geſchmack eine zarte, ge— 
“ fhminde und treue Empfindung alles 
” deffen, wos in den Werken des. Geis 
” es, fowohl in einzeln Gedanfen und 
* Ausdrücden, als überhaupt in dem 
* ganzen Baue des Werfs, richtig, 
” ſchoͤn, edel, harmoniſch; und, auf 
* ver andern Geite, alles deffen, was 
’ fehlerhaft, was matt, mas Findifch 
mas übentheuerlich und mishällig tft. 
¶ Diefe feine Empfindung, feßt er bin: 
“zu, die in dem erjten Kalle von einem 
geheimen Dergnügen, und im andern 
son einen geneimen Unwillen beglei: 
tet wird, diejer gute Geſchmack wird 
uns durch den Gebrauch fo narürlich, 
“ dag wir ihm nicht allein in unfern 

Schrif—⸗ 


neuem a 305 


* Schriften, fondern auch in unfern 
“+ -Gefprächen und Handlungen, folgen, 
“ Sein Einfluß breiter fich nicht nur 
“ über unfere Art zu denfen, fondern 
"auch über unfern ganzen Charakter, 
“aus, „ Man Fann hieraus fehen, 
daß nur eine lebhaftere, finnliche Kennt: 
nig der Tugend und des Laſters, die 
wir mehr duch Gefühl, als durch 
Tiachdenfen , erlangen, und dann die 
Beobachtung unferer Pflichten Ein 
Werk feyn Eönne, da fonft unfere Theo: 
rien, wie die Erfahrung lehrt, nicht 
immerihre Wirfung thun. Ueberhaupt 
davon zu reden, fo haben die beften 
Grundfäße, und die beiten fpeculativi; 
fehen Unterfuhungen, zwar alle ihren 
groffen Mugen; aber felbft der ift nur. 
klein gegen die Bortheile, die ein Schrif— 
ſteller von Geſchmack dem Reiche der. 
Tugend leifter, Ich lefe einen ftrengen 
Beweis, daß das Mitleiden eine Tu⸗ 
gend fey. Ich fehe, die Säge haben, 
ihre Richtigkeit, und an der Art zu 

ut ſchlieſ⸗ 


* 





366 





fchlieffen ift nichts auszufeßen. Ich lobe 
alfo den Dbitofopb „und — mache fein 
Buch zu. Uber ein Mann, der Geift 
und Big bat, ‚preifet mic dieſelbe T Tu⸗ 
gend mit einem ruͤhrenden Tone, oder 
mit einem wohlgewaͤhlten Bilde, an; 
er beſchreibt 
Die ſchoͤnen, mitleidsvollen Zähren, 
In welchen Daphnens Auge ſchwimmt, 
Wenn Traurige, die Noth und Alten 
Frünmet, 
Sich laͤchelnd zu ihr nahn, und — Troſt 
begehren: 


So gleich fuͤhle ich etwas, das eine 
groͤſſre Kraft hat, und das lauter 
ſpricht, als die Stimme von zwanzig 
Beweiſen. Ich ſehe ißt das Mitleid in 
feiner Tiebenswürdigften Geftalt; mein 
Herz fängt anzu klopfen; ich wünfche, 
Daphne zu ſeyn, und ich entſchlieſſe 
mich, ſelbſt Wohlthaten auszuuͤben. 
Ich weiß wohl, ich laufe bey einigen 
Muͤttern Gefahr, vielleicht als — 
a 


— 367 
daͤchtiger Sittenlehrer ihrer Töchter anz 
gefehen zu werden, zur Zeit, da ich das 
Sefen der Bücher und den Geſchmack 
für ein ſicheres Mittel, die guten Sitten 
zu befördern, ausgebe; weil die Res 
densart: fie hat Sefhmad! ge: 
meiniglich fo viel heißt, als: fie ift 
ut in Romanen bewandert. 
{lein, diefe Damen werden es ja wohl 
eben ſo gar boͤſe nicht meynen, zumal 
wenn ich ihnen verſichere, daß ich die 
leichtſinnigen und unverſchaͤmten Skri⸗ 
benten von Herzen verachte, die mit ih— 
ren Blaͤttern, ſo witzig und poetiſchgut 
ſie auch etwan ſeyn moͤgen, die Tugend 
nur im geringſten beleidigen, und eine 
junge Seele verführen, Denn es ift 
wahr, von einem Mädchen, das, wenn 
fie ja Romanen leſen will, Feine Clariſ⸗ 
fen und Grandiſons Tiefe, — Werke, 
fie welche das Wort Roman, nach dem 
gewöhnlichen Begriffe, beynahe der 
größte Schimpf iſt — kann man nichts 
gewiſſ ſers verm then, als daß ſie, uͤber 
J der 





368 
der Heldinn ihres Romans, Fi eine 
folche Heldinn wird, 


Dis Vaters Haus ficht diefe sei dann 
Fuͤr ein bezaubert Schloß, ſich fuͤr gefan: 
gen, an. 
Manch ſtiller Seufjer fpricht alsdann: 
Ach, welcher Juͤngling wird von allen 
Zaubereyen 
Mich armes Maͤdchen doch befrehen! 
Ein Narr von Juͤngling kommt alsdann, 
Und hilft ihr von den Zauberchen. 
Sie läßt hierauf zur Mitternacht 
Bon hohen Fenſtern ſich hernieder, 
Steigt über Mauern hin, und itzt — itzt 
muß ſie wieder 
Durch einen breiten Fluß, an den ſie 
nicht gedacht, 
Und alles dieß warum? warum ſo viel 
Gefahren ? 
Um eine Raſerey der Welt zu offenbaten, 
Die ihe Zeit Lebens Schande macht. *) 


Es 
*) Rach dem Nichardfon. 


on nenne 369 


Es ift alfo gewiß, junge Frauenzim: 
mer müffen in der Wahl ihrer Bücher 
allerdings behutfam ſeyn. Eben des: 
wegen, weil-fich ihre Einbildungsfraft 
leichter, als die unfrige, befeuren läßt, 
und weil die zarten Seiten ihres Herz 
zens plößlih, und bey dem fanftefien 
Sclage, getroffen werden, eben des; 
wegen Eönnen fich ihre Sitten durchs 
Sefen fo fehnell verfchlimmern, als ver; 
feinern, und fie follten daher immer 
nur eine Sammlung der vortrefflichften 
Bücher, oder, noch beffer, fie follten 
die ganze Erziehung der jungen Fraͤu— 
lein * * haben. Gehr gerne möch 
te ich meinen $eferinnen, um ihnen eine 
Neigung zum Gefchmacke beyzubringen, 
einige Züge Diefes einnehmenden Bil 
des entwerfen, wenn ich nur Sräfte 
genug dazu hätte, Gaͤbe es lauter fol: 
che Frauenzimmer: welch ein Glück 
für die menſchliche Geſellſchaft! 


DerAyyoh.2.T. Aa Bey 


376 — — 





Bey ſo viel Reizen, die hier ſtrahlen, 
Was fol ich da zuerſt, zuletzt für Meise 
malen? — 


Umfonft, ich nehme mein Wort wieder 
zurück; ich würde doch, auch durch den 
Fleinften Schattenriß, tadelhaft werden. 


Kann ich mit Farben Worte malen, 
Die mehr Mufif, ald Worte find? 
Die wie ein Lied der Mufen find ? 
Kann ich Die Grazie des feinen Ausdrucks 
malen, 
Der aus dem Herzen koͤmmt, und iedes 
Herz gewinnt? 
Weiß ich, mit welcher Kunſt fie die Idee 
behandelt, 
Wenn, was ihr Mund berührt, ſich ſchnell 
in Gold verwandelt ? 
Iſt nicht die Tugend immer fehön? 
Und doch weiß fie fie zu erhöhn! — 
Wie offen ift ihr Herz! wie voll von der 
Degierde, 
Zu thun, was Menfchen frob, was Menſchen 
gluͤcklich macht! — 
O 


— — 





371 


D Maja, deren Bild die Erde ſchoͤner 
macht, 
Du haͤtteſt fie nicht ganz, der Seele feltne 
Zierde: 
Haͤtt' einſt Apoll dir nicht gelacht. 
Er aber lachte dir in froher Muſen Kreife, 
Als dugebohren wardfi, entzüucfendes Gefühl 
Für alles Schöne zu; drum dachtſt du früher 
weiſe, 
Und lernteſt holdes Saitenſpiel; 
Und lernteſt Zaͤrtlichkeit, und fuͤllteſt deine 
Be 22 
Mit ieder hohen Tugend an, 
Aus freyer Wahl, und doch, als obs ein 
Gott beföhle, 
Mit ieder hohen Tugend an, 


Sch muß meine Leſer, diefer -Eleinen 
Ausfhweifung wegen, um Verzeihung 
bitten, weil ich darinnen nichts ſage, 
als was fie bereits wiffen, da das Fraͤu⸗ 
lein ** von einem ieden für die Zierde 
unfter Stadt gehalten wird, Es ift 
indefjen doch immer angenehm, von ei: 

Yaz ner 





22 
En Wr 


ner liebenswuͤrdigen Sache ein bischen 
zu ſchwatzen. Wenigſtens kann man 
ſich doch durch meine Verſe daran erin— 
nern, daß ein Frauenzimmer von Ge— 
ſchmack, die tugendhaft iſt, nahe an 
den Engel grenzt: da hergegen gewiß 
keine groͤſſere Kleinigkeit, als eine blos 
glaͤnzende Puppe, in der ganzen Schoͤ— 
pfung anzutreffen iſt. Ihr werdet, zum 
Exempel, ganze Heere kennen, deren 
Begriffe nicht über eine Copffüre, oder 
über ein paar franzöfifche Phraſes geben. 
Aber noch viel mehrere werdet ihr fen: 
nen, die fich groſſe Airs in Gefellfchaf: 
ten zu geben wiſſen, und deren Geſpraͤ— 
che euch ein paar Stunden entzücen, 
weil ihr in der Erwartung ſeyd, von 
einem fihönen Munde fchöne Sachen zu 
hören; allein ich heiffe nicht Sernftrup, 
wenn es euch möglich ift, das, was fie 
euch in denfelben ziwo Stunden fügten, 
zu Haufe zu wiederbhoblen, und daben 
zu denfen. 


Sch 





313 

Ich will mit dem allen garnicht fagen, 
daß ein Frauenzimmer gelehrt fenn muͤſſe. 
Ein gelebrtes Sranenzimmer par excel- 
lence, und ein Srauenzimmer nach der 
Mose/fi nd die beiden äufferfien Enden des 
weiblichen Gefchlechts. Der Pedant 
ſelbſt iſt nicht ſo laͤcherlich, als ein Frau⸗ 
enzimmer, das pedantiſiret. Ja, ich 
behaupte, daß die gelehrten Schoͤnen, 
die gar nichts von der Haushaltungs: 
kunſt und von allen den Befchäfftigun: 
gen verftehen, die ihre Gefchlecht unter: 
fcheiden, eine viel fchlechtere Figur ma; 
chen, .als die, welche ſich auf weiter 
nichts, als auf die Tadel und den Kuͤ⸗— 
henzettel, verſtehen. Ueberhaupt gebt 
es den gelebeten Srauenzimmern bey 
ihrer Gelehrſamkeit gemeiniglich, wie 
allen Gelehrten; fie haben nur einen 
halben Gefhmaf, und kennen die 
Welt nicht. Alles, was fie vorbrin: 
gen, wird Affectation, oder ein geborg: 
ter Wis, feyn, weil fie den Umgang 
vernachlaͤßiget haben, Die Geſchwin⸗ 
+ Yan dig: 





374 


digkeit, das Verhalten der Menfchen 
wahrzunehmen, und den guten Ton des 
Wohlftandes, oder der febensart, Fann 
man nicht aus Büchern, fondern aus 
dem Umgange, lernen. Inzwiſchen 
ift es mit dem Umgange allein nicht 
ausgemacht. Selbſt ein Frauenzinimer 
von Berftand, das unbelefen und ohne 
Geſchmack ift, muß bey alle dem gu: 
ten, gefellfchaftlichen Tone, den fie etz 
wan hat, im Angefichte wißiger und 
belefener $eute, doch immer ein gewiſ— 
fes Mistrauen in fich felbft feßen, wel 
ches allem, was fie fpricht, oder ums 
ternimmt, ein uͤbles Geſchick giebt; oder 
fie muß zum meniaften eine Art von 
Schuͤchternheit empfinden, die nicht 
ſowohl andern verdrießlich, als ihr 
felbft ſchmerzhaft ift. Es kann ein Frau: 
enzimmer diefelben Talente, dieſelben 
Meize, diefelbe Gemütbsart, und dies 
felbe Tugend befißen, die ein anderes 
befist; allein diefes gefällt, und ienes 
nicht, Warum? die Art und Weiſe, 

wie 


— 375 


wie ſie handelt, ihre Laune, und alles 
das, was man das aͤuſſerliche Betra⸗ 
gen nennt, hat einen Anſtrich von Ge: 
ſchmack, den das Bezeigen der erftern 
nicht hat. 

Wenn der Geſchmack bey dent ſchoͤ⸗ 
nen Geſchlechte allgemeiner wuͤrde; ſo 
koͤnnte das einen groſſen Einfluß in die 
Zunft der gefchmacklofen Mannsperfo: 
nen haben. Denn ein artiges, ges 
fehicftes Srauenzimmer würde fich doch 
allemal lieber mit einem edelmuͤthigen 
und geſchickten Manne verbinden, als 
mit einem Junker Weſtern, uͤber deſſen 
Auffuͤhrung fie heimlich einen gewiſſen 
Unmillen fühlen muß. Wie Fann fie 
mit ihm zufrieden feyn, wenn fie ih 
verachtet? 

Es iſt wirklich zu verwundern, daß 
man bey Erziehung der Toͤchter an das 
alles nicht denkt. Wo ſollen hernach 
die guten Ehen herkommen? Schön: 
heit und andere Dinge find gemeinig— 
lich der Grund unferer Wahl, Zreys 


Aa 4 lich, 


370 — 


lich, fo fehr Hageftolz bin ich noch nicht, 
daß ich vor einem reizenden Gefichte 
ausmweiche; allein es ift nur Schade, 
daß Tugend und Schönheit einander 
fo felten begegnen. Begegnen fie ein⸗ 
ander, fo ift. es ein Schauſpiel fuͤr hoͤ— 
here Weſen: denn alsdann theilet die 
eine der andern ihren Glan; mit. Aber 
da das fo felten gefchiehet, fo giebt ein 
vernünftiger Manu einem Frauenzints 
mer von mittelmäßiger Geſtalt bey 
einer glorwürdigem Geele allemal den 
Vorzug vor einer bloffen Schönheit. 
Vermindert nicht ein. iedes Jahr die 
Eörperlichen Annehmlichfeiten eines 
FSrauenzimmers, und mußfie nicht aljo 
alle Jahre weniger liebenswuͤrdig wer— 
den, falls das Wachsthum der Ans 
nehmlichkeiten des Herzens nicht. die 
Abnahme der erſtern erfeßt ? Lieget nicht 
in der Erwartung einer Sache allemal 
mehr Vergnügen, als im Öenuffe ſelbſt? 
So bald ich alfo von einem Frauenzim: 
mer nichts mehr zu erwarten weiß, als 

7 daflels 


— 





377 


daſſelbe freundliche Ja! uns Wie? 
das ich ſchon einige Jahre fenne; fo 


bald werde ich, auch bey ihrer größten 


Tugend, mit einer, Art von Verdruß 
auf das Gluͤck ihres Beſitzes herab fe- 


‚ben. Sf fie aber im Stande, ihrer Zaͤrt⸗ 
fichfeit immer eine neue delicate Beu- 


gung-zu geben; fo erhält fie meine Liebe 


in det angenehmften Flamme Doch 
nad) einer ſolchen Örazie werde ich mohl 
‚noch lange vergeblich ausſehen müffen, 
‚und weil das Fraͤulein * "ausdrücklich 

geſagt hat, daß fie feinen hypochondri⸗ 
ſchen Mann heirathen wolle,.fo werde 
ich wohl ein Hageſtolz bleiben. 


Nachricht. 


N; Sch habe das Vergnuͤgen, meinen 


$efern zu melden, daß Herr David Wil— 
heim Mävius glücklich wieder auf ern: 
firuphof angelangt fey, und an dem von 
Herrn Squenz vermutheten-Unterfchleif 
ra unfchuldig erfunden wor: 
| Aa 5 den. 


378 — 


den. Die Sache laͤßt ſich gewiſſer Ur⸗ 
ſachen wegen nicht gut oͤffentlich erzaͤh⸗ 
len, verhaͤlt ſich aber kuͤrzlich ſo. Herrn 
Maͤvius neue und beneidenswuͤrdige 
Curart machte Aufſehen; man glaubte 
keine Zeit verliehren zu duͤrfen, ſich ei— 
nen fo gefährlichen Rival von der Sei— 
te zu fehaffen; es ward ihm unter der 
Hand etwas — geſteckt — — Kurz, 
Herr Maͤvius hielt es für rathſam, fich 
in Sicherheit zu feßen, ging heimlich 
nah — wo Niemand feicht hingebt, 
und verfchwieg den Ort feines Aufent: 
halts ſowohl feinen Kunden, als feinett 
vertrauteften. Freunden, unter denen 
denn auh Herr Squenz war, Mehr 
darf ich nicht fagen. Genug, Leſer, ich 
bin herzlich erfreut, daß er wieder da, 
und vornämlich, daß er ehrlich ift? 


3. Jernſtrup. 








* Fünf 


379 
BL a am a Dan lan Zn 2 2 
+ Sunfsehntes Stuͤck. 





ODE 


auf ö 
des Königs Geburtsfeſt. 
1762, 


Sir eure Häupfer vor den Eroberern, 
Ihr Koͤnigsſtaͤdte! — ſeyd nicht 
| mehr ſinkt herab, 

Ihr Berge, daß der Siegeswagen 

Freudiger über die Ebne donnre. 


Sie fommen, Heil uns ! ſehen and 
fiegen! — Heil 
Den Ueberwindern! — göttlicjes Lob ertönt 
Bon allen Lippen, alle Hände 
Bauen Trophaͤen; indeß die Feufche 


Jungfrau 





380 


 Sungfrau der Helden Wege © mit Alien 
Beſtreut. Trophäen f hertlicher Siegs⸗ 
geſang, * 
Seyd ewig, daß die Zeit der Tapfern 
Kunftige Welten zur Ehrfurcht reise. 


Und wär’ auch einer, welchen Germaniens 

Derwäftiung ſchmerzte; welcher ſich durch 
Geſez 

und Teicheit orbetn fräß: FÜR Name 

Geht, wie das. einſame Lied, verlohren, 


Das mit ihm Frieden liebt } hin 4 g} 
Wenige, 

Nur Freund' eraöget, * mnmbe— 
ſchalt, 

—* ewigq, daß vie Zeit der Tapfern 

Kuͤnftige Welten zur Ehrfurcht reize. 


Welch cine Gottheit öffnet die Scan’? -- 
ih ſchau 
Ins Land der Enfet! — fehe Fabrhunderte 
Und ihr Gefchäft" entwickelt — Mufe, 
Stuͤrm' indie Saiten: ih ſeh, 
ih ſehe! — 
Noch 


ne: 881 


Roc Fame Europens Kriegern der Hofer 
| eerd, 
Venn Kriegern: © aber ein Menfchen: 
freund, 
"Dem Blutdutſt gram, die ganze groſſe 
Seel in der Mine, die goldue Leyer 


In feiner Hand, ein Weiſer und Den 
ſchenfreund 

Tritt auf, die Waͤhrheit redet aus ihm. 
“4 Genug, 

Genua, o Volk, haft du der Mordſucht 

u Stlaviſch geopfert! fie find geſtorben; 


gie donnern nice mehr! — Neiffet die 
- Senpebanm, 
| Ihr Sklaben Einer, einer ſchuf Gluͤck⸗ 
19 liche, 
nd Mar en er, der fi ch und ſeinen 
“Kindern Die Thraͤne Der Freud' 
erlaubte. 


In feiner Rechten wog er — dich ab, 

u I Fieines Leben, gegen die Emigkeit — 
Der Menfchen Blut, in. feiner Linken 
4Grgen die Wonne des ſuſſen 


Friedens. m. 
| Die 


382 nme mare au 


Die Enkel horchen, ſchauen Verwunderung 

Umbher, und fchmweigen. Aber. die goldne 
Leyr 

Toͤnt fort: + Iſt der Erobrer groͤſſer, 

“Oder der Vater des Daterlandes ? 


„Ach! Blut des Mordes, ſchreye! — Sie 
hätten gern 


Mit Einem Re Europen zerhaun: 
tol; 


War Ungtüd werth, mit fchwerer Serfe 
Trat es der Wüthriche folgen Naden. 


Huldvoll kam Gottes Stimme zu Frie⸗ 
drichen, 

“Als einſt des Todes (höhere Engel fih 

„Ihm näherte: zwar, Friedrich, alle 

“Himmel verlangen Dich, meinen 
Beſten; 


“nd du bringſt neue Strahlen in den Bezirk 

u Des Lichts, das droben glaͤnzet. Allein — 
mich flehn, 

Die Hände ringend, Myriaden — 

“geh und begluͤcke dein Volk: es 


würde 
Itzt 





383 


7 ent zwiefach jammern! Lebe, Geliebteſter, 
“Sey deines Volkes Stüge, da nun Gefahr 
Ihm droht; bis fpätes Alter deine 
4Scläfe mit Silber bedeckt.“ — — 

Und Alle 


Empfinden fhöner , lernen durchs Saiten: - 
| ſpiel 

Die — Unſinn verwandelt 
ch 


In fanftes Laͤcheln, — dann in Zaͤhren 
Schmelzender Freude, den unſern 
aͤhnlich: 


Bis Alle dankbar gehn, und Altaͤr' erbaun, 
Dem heilgen Namen — —-- Brüllendes 
Kriegsgeſchrey 

Schreckt meinen ruhigen Geſang, und 
Laͤßt das Geſichte mich nicht vollenden, 


Sechs⸗ 


334 
u u u 2 ee ae a 2 


*Sechszehntes Stüd. 





Toujours par quelgue endroit les Hom- 
mes [ont Enfans. 

Les Pieillards, les Heros, les Sages, les 
Savans, 

Ont leurs Hochets divers, & bienheu- 
reux le Sage, 

Qui nous montrant le fien en fait un 
‘bon ujage. 

EPITRRS DIV. 








sy R es ein Unglück für die Men: 
fchen nennen, daß die Moral, 
oder die Behandlung unferer Pflichten 
ſehr oft folchen Derfonen in. die Hände 
fälle, welche eine iede Sache blos von 

ihrer rauhen Seite betrachten ? 
Man würde mir vielleicht gerne ver: 
ftatten, diejenigen anzuflagen, welche 
y die 


ur 





385 


die Tugend fo bequem machen, daß alle 
Lafter und iede Schooßfünde mit ihr in 
Vertraulichkeit ſtehen koͤnnen. Allein 
fehader denn derjenige Lehrer nicht eben 
fo ſehr, welcher den Dfad der Tugend 
mit lauter Dornen und Difteln beivach: 
fen läßt? Es entſtehen daher die fürchter: 
lichen Begriffe von der Tugend, wel 
che ihrer Ausbreitung fo viele Hinder: 
nifle in den Weg legen. Wir fehen 
nur Bürden und Laſten, wo wir blos’ 
die reinften und unerfchöpflichen Quel; 
len des Vergnügens und der Glückfe- 
ligfeit gewahr werden follten. Umfonft 
mag der Weife durch fein lehrendes 
Beyſpiel, und bey einem beitern Laͤ— 
cheln die Wahrheit predigen, daß die 
Tugend Feine ftörrifche Auffeberinn, 
fondern eine angenehme Freundinn ift; 
daß fie die Menfchen fo nimmt, wie fie 
find, und fie nur lehret, durch den ver: 
nünftigen und richtigen Gebrauch ihrer 
geidenfchaften fich glücklich zu machen. 
Gegen Einen Weifen werden fich hun⸗ 
Der Hypoch. 2,T. 5b dert 


386 —— 


dert Timons finden, welche dieſe Quel: 
le unferee Gluͤckſeligkeit verdächtig mas 
chen, und duch Beweiſe, welche felbft 
ich zu widerlegen nicht mürrifch genug 
bin, darthun wollen, daß die Leiden; 
fchaften nur Zeugniffe von unſerer 
Schwachheit, aber feine Werkzeuge zu 
unferm Gluͤcke, feyn koͤnnen. Mit ans 
dern Worten feheinet mir diefes fo viel 
zu fagen, daß der Schöpfer in der An: 
lage zum Menfchen einen andern Ge: 
danfen gebeget , als er wirklich ausger 
führet hats 

Frehylich ift die Natur ihrer Sache 
zu gewiß, als daß fie fih durch Ger 
fchiwäßg follte irre machen laffen. Die 
Menfchen werden, troß allen Moralis 
ſten, immer diefelbigen bleiben; fie wer: 
den eben die Handlungen, nur viel: 
feicht unter einem andern Namen, und 
höchftens mit gewiſſen Feyerlichkeiten, 
vollbringen, als fie, dem Antriebe der 
Natur überlaffen, vornehmen würden. 
* mitten in ihren unſchuldigſten Er- 


gößlich: 


* 


— 387 
göglichfeiten wird fie ein Geift der 
Schwermuth, durch uͤbelverſtandene 
Syſteme Serben geführt, verfolgen, 
welcher fie ihr Bergnügen nur zur Half 
te fchmesfen läßt, Die munterſten une 
ter ihnen werden dieſes befchwerlichen 
Begleiters müde werden, fich mit Ge 
walt von ihm reifen, und in eine Züs 
gelloſigkeit gerathen, die ihr Ungluͤck 
macht, und fie der menſchlichen Geſell⸗ 
fchaft als Ungeheuer darſtellet. 

Sch bin nicht der erfie, welcher ge: 
wuͤnſcht hat, daß die DBertrauten und 
Lieblinge der, Natur, die wahren Phi- 
lofopben, fih bemühen mögten, uns 
eine Tugendlehre zu liefern, von der 
man mit Recht fagen £önnte, daß 
fie fih auf die Einrichtung und Natur 
des Menfchen geündete, Die Tugend 
würde alsdenn durch ihren eigenthünnliz 
chen unerborgten Reiz weit mehr Ber: 
ehrer finden, als fie bisher durch die 
tragikomiſche Mafke tugenöhafter Men: 
fchenfeinde hat erhalten koͤnnen. 
| DU 2 m. oh 


388 — un 


Man erlaube mir, von dem, was 
ich allgemein geſagt babe, eine Ans 
wendung auf die Pflicht der Selbſter— 
kenntniß zu machen. Unter allen Pflich- 
ten, welche die GSittenlehre den Wien: 
fchen einfchärfet, ift diefe diejenige, wo: 
für fich die Dienfchen am meiften ſcheu— 
en; und nach jenen traurigen Vorur— 
theilen, welche man dem Mienfchen von 
dem Menfchen beybringet, nach der Art, 
wie man uns anführet, unfere Neigun— 
gen und Handlungen zu beurtbeilen, 
mag e8 auch eben nicht gar zu anges 
nehm ſeyn, fich in einem Hoblfpiegel 
zu befchauen, und das natürlich gute 
Geficht in das feheuglichfte Bild ver: 
wandelt zu fehen. Allein welch ein 
fruchtbarer Baum bendes der Erfennt: 
niß und des Vergnuͤgens ift nicht dem 
Weifen diefe als fo fehr unangenehm 
befchrieene Erforfchung feiner felbft! 

Sch muß es geuͤbtern Federn, als der 
meinigen, überlaffen, der Welt Bor: 
fchriften zu geben, wie man ſich u der 

ruͤ⸗ 


Poren run 389 


Prüfung feiner feldft verhalten müffe, 
wenn man daraus allen Mugen ziehen 
till, welcher dem nachdenkenden Weifen 
daraus erwächfet. Mein heutiger Bors 
wurf ift nur, das fchöne Geſchlecht mir 
verbindlich zu machen, und demfelben 
aus der Selbſterkenntniß, wofuͤr es ſich 
ſonſt ſo ſehr fuͤrchtet, ein Mittel herzu— 
leiten, ſich und andern in Geſellſchaften 
das groͤßte Vergnuͤgen und die reichſte 
Abwechſelung darinn zu verſchaffen. 

Es iſt ausgerechnet worden, daß die 
Welt ſchon 5711 Jahre geſtauden hat. 
In aller dieſer Zeit, wenn man etwa 
die Jahre der Barbarey uud der Träume 
abziehen will, deren Anzahl der Magiſter 
Stephan genau anzugeben weiß, hat 
das liebe Franenzimmer Bänder auser: 
ſehn, Schleifen gelegt, Sontangen beur: 
theilt, das Schooßhuͤndgen geliebfofer, 
mit dem Liebhaber gezanft, über den 
Mann gelacht, die Magd fortgejagt, 
Karten gefpielt, die Nachbarinn vers 
leumdet, ſich serun. und Romane ge 

Bb3 leſen. 





399 


Iefen. Man wird am Ende doch alles 
müde, und vielleicht rührt der Lieber: 
öruß, welchen man in den Augen der 
jungen Fran Finanzräthın von Z** 
Viefet, nicht fo fehr von ihrem ehrenfeſten 
Gemahl ber, als weil ihre Geele der 
Puppenfpiele müde ift „womit fie fich 
täglich befchäfftiger. 


Wie? wenn man alfo anfinge, in den 
Geſellſchaften Erzehlungen von feinen 
eigenen Thorheiten zu machen? wie reis 

end würde dadurch nicht die Pflicht der 
Selbfterfenneniß werden! wie vieleneue 
Materie zum Lachen würde man nicht 
erhalten! täglich. nene Scenen, täglich 
neue Entdeckungen! Man würde für un: 
wißig gehalten werden, wenn man zu 
den Fehlern anderer fchreiten wollte. 
Die glücklichfte Eiferfucht würde den 
Geift des fehönen Gefchlechts beleben. 
Eine iede Schöne würde fich als die 
größte Tharinn abmalen wollen, um den 
Hauptzweck zu erreichen, her vorzu⸗ 


ſtechen. 


ſtechen. Man würde gefallen wollen, 
und deswegen fi ſich lächerlich machen, 
In einem meiner vorigen Stücke ha: 
be ich den jungen Setyrenfchreibern als 
ein Mittel, in ihren Satypren glücklich 
zu feyn, ‚angerathen, fich ſelbſt zu ſchil— 
dern, und ich bin feit dem nicht ohne 
Sucht, daß die Helbgelebrten, welche 
alte Dinge fehief anfehen, von meinem 
Vorſchlage reinen Gebrauch machen möz 
gen, wofuͤr mir ſelbſt die Haut ſchaudert. 
Aber das Frauenzimmer? — Hier bin 
ich vor einer falfchen Auslegung ficher. 
Es denft zu richtig, weil. es blos ver: 
nünftig denkt; überdem habe ich bereits 
eine Drobe gemacht, wodurch ich.in mei⸗ 
nen Gedanken ſehr beftärft worden bin. 
Ich befand mich, vor einiger Zeit 
nebft einem meiner Nachbarn in H** 
in einer groſſen vermifchten Gefellfchaft.. 
Die Wirthinn hatte uns bereits beym 
Spiel unfer Geld abgenommen; mir- 
hatten. dafür umfonft: ſoupirt; alle 
Staats: und Welthändel weren von ung. 
Bba ge⸗ 





392 


gefchlichter; für alle Töchter der Nach: 
barfıhaft hatten wir Männer ausges 
fucht; für die Tochter des Hauſes ſetz— 
ten mir die Wahl eines Bräutigams, 
aus bewegenden Urfachen, bis meiter 
aus; wir hatten Bewunderungs Raͤth— 
fel: Sprühmwort: und Pfandfpiel durch: 
gemacht ; iede Gelegenheit war ver: 
braucht, wobey der Wis der fehanlen 
Köpfe auszuduften pfleget. Alles fühlte 
die Saft der langen Weile, und zum 
Unglücfe war es noch zu zeitig, als daß. 
bonette feute, ohne Schande, aus ein: 
ander gehen und in ihren Häufern gäh: 
nen koͤnnten. 

Sch unterwand mich, der Gefellfchaft 
demuͤthig vorzufchlagen,, ob nicht ein 
ieder von uns eine Erzehlung von der 
größten Thorheit machen wollte, die er 
in ſeinem Leben begangen hätte. Keiner 
hatte das Herz, bey diefem Vorſchlage 
den Mund zu öffnen, Endlich fagte die 
alte Bürgermeifterinn L****, welche 
durch die bunte Kleidung befannt iſt, 

womit 


*. 


ner 303 


womit ſie ſich verjuͤngt · Herr von Jern⸗ 
ſtrup, es ſcheinet, Sie halten ſich uͤber 
uns auf? — Keinesweges, Frau Buͤr⸗ 
germeiſterinn, erwiederte ich mit einer 
ſteifen Verbeugung, aber ich vermuthe 
ganz gewiß, daß wir durch die Aufmerk⸗ 
famfeit auf ung felbft --- 

Sch hatte mich bey dem Neverenz fo 
tief gebücket, daß mir beynahe die Pa: 
ruͤcke abgeglitten wäre. Die ganze 
ſtumme Gefellfchaft fchlug ein wildes 
Gelächter auf, und diefe lächerliche Ca: 
taftrophe gab Anlaß, daß man, ohne 
meine Gründe zu verlangen, aus freyen 
Stücken einwilligte, man follte die 
Probe machen. Hier feßte es nun neue 
Schwierigkeiten, wer zuerft anfangen 
follte, Ich erbet mich dazu; aber man 
fehlug mich aus, mit dem tröftlichen Zu: 
faße: ich wäre bekannt genug. Endlich 
erbarmte fich mein Nachbar über uns, 

* Man fennt mich, “ fing er an, ” 
* unter dem Namen eines fchmwindlich: 
* ten Projeftmachers,. Allein, was ich 

Bbs "u 





394 


* zuweilen für Schickſale mit meinen 
Projekten gehabt, habe ich iederzeit: 
* forgfältig zu verbergen geſucht. Die 
“ folgende Gefchichte at mich am mei: 
““ fen verwiret gemacht, 
In meinem zwanzisften Sabre war 
* ich zwar ſchon Beſitzer eines ber 
* trächtlichen Edelhofes, und ich hätte 
+ gar fuͤglich meine Lebenszeit, wie 
* meine Nachbarn, mit Schlafen, 
Eſſen und Pfeifen zubringen koͤnnen. 
+’ Alien mein Ehrgeiz tricb mid) an, 
«ach der Hauptftade meines Vater: 
landes zu ziehen, und eine Zeitlang 
am Hofe zu ſchimmern. Kaum war 
“ ich da, als ich über den Mißbrauch 
* erftaunte, welchen man dafelbftvon 
don Mienfchen machte. Ich fahe in 
* jedem Haufe, es mogte vornehm 
* feya, oder nur fo feheinen wollen, 
* ein Dutzend der fchönften und wohl⸗ 
gebildeten Kerls in trägem Muͤſſig⸗ 
“ ange leben, zu einer Zeit, da die 
Armee fich mit ausheimifchen Bas 

99: 


* 


“4 


44 


‘6 


4“ 


en 395 


gabonden vollſtaͤndig machen, und 
“für diefe unfichere Leute groffe Sum: 
men aufferhaib Landes ſchicken muß: 
te. Der Ackerbau und die nuͤtzlich⸗ 
fien Handwerke wurden unterbro: 
chen, weil die Arbeiter nicht mehr 
thörigt genug waren, im Schweiß 
ihres Ungefichts ihr Brodt zu ver: 
dienen, welches fie in icdem großen 


-Hanfe mit ungleich geringerer Bez 


muͤhung erhalten Eonnten, Hier 
glaubte ich mich unfterblicy zu ma— 
chen, Ich machte ein Drojeft be; 
kannt, man follte die Anzahl der zu 
haltenden Bedienten nach den ver— 
ſchiedenen Klaſſen der Unterthanen 
feſtſeten, eine gute Kopfſchatzung 
auf ieden Bedienten legen, der zu 
andern ſchweren Handarbeiten Kraͤf⸗ 
te und Geſundheit haͤtte, keinen 


Bedienten von dieſer Schatzung 


ausnehmen, als welcher Schwach: 
heits halber kein Handwerk, oder 
den Ackerbau treiben koͤnnte, und 


“endlich 


396 —— 


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* 


endlich iedem, dem zween Bediente 
zu halten erlaubt würde, auflegen, 
einen alten nicht mehr dienftrüchti- 
gen Soldaten aufjunekmen , und 
ihm Zeitlebens einen anftändigen 
Unterhalt zu verfhaffen. 
Mein Projeft ward mit aller 
Feyerlichfeit ad acta geleget. Ich 
fchmeichelte mir aber, daß, wenn 
ich nur felbft den erften Schritt 
machte, alle übrige Patrioten mir 
folgen würden. Ich gab alfo mei- 
nen beyden Bedienten ein Stuͤck 
Geld, um ein Handwerf zu erler: 
nen, und nahm ein paar Leute in 
meine Dienfte, melche vermachfen 
und der Republik zur faft waren. 
Wenn ein junger Gelehrter zum 
erfienmale etwas fchlechtes fehreibt 
und ausgepfiffen wird, fo geräth er 
in Wuth, und fehreibt Unfinn. Da 
ich merfte, daß mein Beyſpiel Feine 
Nachfolger hatte, vielmehr ein ieder 
fih über mich luſtig machte, fo 
“wollte 


. — 


u 77 


[2 


44 





397 


wollte ich meines Theils den erlits 
tenen Schimpf durch eine noch 
gröffere Uebereilung rächen. 


* Ich ließ eine Abhandlung drus 
Een, worin ich den Vortheil des 


Staats bewies, wenn feine Manne: 
perfonen zu $aquays dürften ange⸗ 
nommen werden, fondern ein teder 
genöthiget wäre, zu den für einen 
Laquay vorfallenden tinerheblichen 
Verrichtungen Mädchens zu ge 
brauchen. Um meinen $ehren ein 
defto gröfferes Gewicht zu geben, 
ließ ich von meinen Eute zwo frifihe 
breitſchultrigte Dirnen Fommen, 
gab ihnen die gefallende Kleidung 
einer Schäferinn, nach dem 
neueften Gout, welchen ein vorneh: 
mer Keifender ganz Fürzlich einges 
führer hatte, pflanzte fie in diefer 
Pracht hinten auf die Kutfche, und 
machte in folchem Aufzuge bey allen 


Bornehmen die Nufwartung. Am 


folgenden Tage wollte ich wieder 
"Staat 


398 — 


4“ 


Staat machen, aber ich fuhr nur 


" zwo Gaſſen, als ich mich ſchon von 


zZ 
[7 
ds 


2 


allen Seiten von dem zuſammen 
gelaufenen Poͤbel umringt ſahe. 
Die Pferde wurden angehalten, die 
Kutſche zerbrochen, und die armen 


Schaͤferinnen ⸗ ich weiß ihr Schick—⸗ 


ſal nicht genau, nur ſo viel weiß 
ich, fie wurden ins Gefaͤnguiß ge— 
führet, und mir Saugrren auf 
erleget. E 
* Diefes — ter mußte ich de 
Zorne einiger jungen Damen in x 
Stadt verdanken, welche die Folgen 
meines erjten Vorſchlags beſſer 
uͤberlegten, als ich, und mein zweyh⸗— 
tes Projeft nur zu einem Vorwan—⸗ 
de gebrauchten, ihre Rache an mir 
auszuüben. Sie hatten gemille 
Leute aufgebracht, mit denen ſich 
nicht fcherzen läßt, und mir wur: 
den, daß ich Mädchens zu Bedien: 
ten genommen hatte, Abfichten bey: 
gelegt, welche fich zu der Unſchuld 
“eines 


——m 399 





“ eines zwanzigjähtigen Landjunkers 
* foumreimten. Es ward ein foͤrm⸗ 
+ ficher Proceß über mich verhängt, 
aber, zum Erſtaunen meiner Ber: 
* folgerinnen, eben dieſes errettete 
+ mich, Der Präfes des Gerichts 
fand die jüngfte meiner Schäfer 
“ rinnen fo artig, daß er fie feines 
Schutzes würdigte, und mie die 
Freyheit gab, ohne Gefolge eine 
" Stadt zu verlaffen, ıborin man 
* meine guten Abfichten zu fchlecht 
belohnt hatte, 

Mein Nachbar hatte noch nicht das 
legte Wort ausgefprochen, als fchon die 
junge Maja, die Tochter eines befann: 
ten ticentiaten, fich erhob, und miteiner 
Naivitaͤt welche felbft einen Hypochon⸗ 
driſten aus feiner Lage zu bringen ver 
mögend wäre, die Öefellfehaft anredte: 

Wie Sie mich bier fehen, ich bin 

+ eine Fleine Narrinn, Ich werde von 
“ einem Juͤnglinge geliebt, über def: 
fen Verdienſt niemanduftreitig ift, 
ir; nnd 


8 


* 


* 


400 


44 


s“ 


— — — — — 


und woruͤber wenigſtens ich mit 


meinem Herzen laͤngſt einig geweſen 


bin, Er®giebr mir den Vorzug vor 
meinen Gefpieliunen , denen der 
Spiegel eben fowol, als mir, die 
Verſicherung ertheilet, daß fie Die 
fchönften find. Ich fühle das ganze 
Gewicht diefer Schmeicheley , und 


„zugleich den ganzen Werth meines 


‘if 


ui 


Liebhabers. Dennoch hindert mich 
mein jüngferlicher Stolz, einen Lieb: 
haber glücklich zu machen, der meine 
Wuͤnſche ausmacht, und feiner Liebe 
ein Opfer zu bringen, welches die 
Zugend heiligen würde, D, wie oft 
hat diefer mein Arm gezittert, wenn 
feine fanfte Hand die meinige drück 
te, und gleichwol --- eine gezwun— 
gene Sprödigfeit --- nur eine Freun⸗ 


“ Binn --- der Name der Liebe --- 


Eine fanfte Röthe, als wenn der 


junge Morgen lächelt, hatte fich bey die: 
fen legten Worten, welche fie ſtammlend 


und 


unvernehmlich bervorbrachte, tiber 
die 


— 401 


die Wangen der liebenswuͤrdigſten 
Schwaͤtzerinn verbreitet. Wir alle, und 
ſelbſt die Schönen in unſerer Geſell— 
ſchaft, waren von ihrem Reiz eingenom— 
men, als ſie vollends unſere ganze Auf— 
merkſamkeit auf ſich zog, da ſie ſich dem 
Hamilton naͤherte. Sie, mein Herr! 
redete fie ibn an, “haben ſeit zweyen 
Jahren meiner Unbilligkeit nachge⸗ 
ſehen. Ich uͤberlaſſe es Ihrem Her— 
zen, ob das Geſtaͤndniß, welches ich 
vor dieſer Geſellſchaft abgeleget babe, 
Ihnen Genugthuung verſchaffen 
kann. | 

Der junge Mann warf ſich in einer 
Verwirrung und mit einer folchen ent: 
zückenden Freude vor ihr auf die Knie, 
welche uns in die angenehme Erwar— 
tung feßte, den Ausdruc der größten 
Zärtlichfeit in der wahren und unge 
fünftelten Sprache der Natur zu hoͤren. 
Allein eine fchnarrende und faſt mannz 
liche Stimme, welche unvermuthet er: 
ſcholl, ließ uns diefes Glück nicht ges 
Der Hypoch. 2. T. ee nief 


8 


* 


Rn 





402 


nieffen. Es war die Stimme der Jung— 
fer &ille, deren Vater ein reicher Tuch⸗ 
haͤndler iſt. Sie drang ſich mit eini— 
gem Ungeſtuͤm, der ihr ſehr natürlich iſt, 
hervor, ftieß den Hamilton, welcher 
noch immer auf den Knien lag, bey 
Seite, und fagte zu der Maja: Ä 
„Sie, mein liebes Kind, wiffen, 

“ wie ich merke, Ihre Thorheit gut 

"zu machen. Aber, glauben Sie 

denn, daß Sie die einzige find, 

* gelche gereizet, und von ihren Mei: 

*" zungen in langer Zeit FeinenBortheil 

gezogen hat? Es find nur wenige 

* Srüblinge verftrichen, da der Na: 

* me der fchönen Lille unter iedem 

’ fchattigten Baume aus dem Mun— 

* de unfeter irvenden Ritter erfcholl, 

“ Alles, was einen Federhut trug, 

“und wer ein Paar meiffe —*— 

* Struͤmpfe aufbringen konnte, mach: 

* te mir Aufwartung, Sch kann nicht 

„ ſagen, daß ich mir unter den krie— 

“ chenden Schmeicheleyen gefiel, * 

dd e 


* 


7 


—— 403 


che man mir machte, Allein, das 


“ ganze Wurmgeſchlecht, welches fich 


‘4 


44 


⸗ 


* 


⸗ 


* 


4 


4 


4 


Männer nennt, vor meinen Fuͤſſen 
zu ſehen, und über daffelbe als Ty: 


rannin zu berfchen, ‚die Freude, lie; 


be Maja, fehien mir ein wenig dans 
erhafter als wenn Sie koſtbar ae 
gen Ihren Hamilton waren, und 
zwo Minuten darauf insgeheim ihre 
Thorheit beweinten, Unmoͤglich 
wäre es mir gewejen, eine Manns: 
perfon würdig gnug zu halten, um 
mit  derfelben mein Schickſal zu 
verbinden. Weber ihr ganzes Gez 
fohlecht zu lachen, dazu fehien es 
mir bequem; allein, daß fie über 
mich berrfchen follte, — Himmel! 


‚ich hätte dem die Augen ausgefraßt, 


welcher einen folchen Gedanken mie 
nur von ferne zeigen wollen! War 
ich aber nicht eine, Thoͤrinn? — Sch 
bin die Fabel der. Stadt geworden. 
Sch babe manchen Gecken beleidiz 


“get, Aber a ‚bat fich zu rächen 


e2= “ge 


404 no 


gewußt, und meine Freundinnen 
“ haben redlich dazu beygetragen. — 
“ Noch habe ich wenig von meiner 
* Schönheit verlohren, und gleichwol 
fängt manfchon zugäßnen an, wenn 
“ ich fuotten will, --- Iſt es auszus 
techn? Dein, wahrhaftig! ich) wer: 
* de wich rächen, Sch will den erfien 
“* den beften dummen Kerl heirathen, 
* und den todt quälen, und fo den 
* zwenten nehmen, und wieder todt 
“ quälen, und fo lange nehmen und 
* quälen, bis ich meinen Manır finde, 
“ yoelcher auch mir den leten Liebes⸗ 
“ dienſt erweiſen Fann. „, 

Hier hielte ſie inne. Mit wilden 
Blicken, welche die Wuth fürchterlich 
machte, irrete fie unter der Geſellſchaft. 
Wo -ift der Dortor Saft geblieben? 
tief fie endlich mit halber Verzweifelung 
aus. — Cr hat fich fo eben weggeſchli— 
chen, Sungfer file, erwiederte ich ger 
laſſen. --- Weggefchlichen ? ſchrie fie, 
der E “ hatte auf ibu ger 
münzet. | ie 





405 


Die arme Sungfer Lille! Ich haͤtte 
ihr gerne mein Beyleid bezeiget; fie ſchien 
aber ihres Schickſals ſo gewohnt zu 
ſeyn, daß fie wenige Augenblicke dar: 
auf mit einem geruhigen Geficht uns 
fragte: 0b es denn nicht gewiß fey, 
was fie iederzeit behauptet, daß alle 
Männer Eriechende Ungeheuer waͤren? 
Eie hatte noch vieles aufihrem Herzen; 
aber die blühende Sara nahm das Wort 
auf, Das liebe Kind, das mit allen 
Reizen einer volffonmenen achtzehnjäb: 
rigen Schönheit branget, bat von einer 
alten Bafe, welche im vorigen Jahr— 
hunderte die Stußer verrückt machte, 
die Kunſt gelernt, die Anmuth der Natur 
duch gezwungene Geberden zu zerniche 
ten, Gie fpricht leife und mit gebroche: 
nen Worten alle die ſchimmernden Koft: 
. barfeiten nad), welche ihre alte Baſe ihr 
vorſaget. Nach einen dreymaligen 
Neigen, und nachdem fie den Mund 
wohl zugefpißt, fing fie an zu hfpeln: ⸗ 
Ich — bin- aud — eine Eleine 

| &cz Naͤr— 





406 


Närrinn Das arme Mädchen wurde 
aber bey diefen Worten fo betroffen, daß 
es keinen Laut mehr vorbringen Fonnte. 
Eine alte ehrwuͤrdige Matrone, welche 
ſich in unferer Geſellſchaft befand, ri 
fie noch aus ihrer Verwirrung, indem 
fie ung erinnerte, daß es Mitternacht 
geworden, Gie nahm darauf Sarchen 
bey der Hand, und ich hörte, daß fie 
ihr leife ins Ohr fagte: Keine Naͤr⸗ 
rinn! Sie find ein ſchaͤtzbares Frauen⸗ 
zimmer; aber bie Baſe und das Zier— 
liche muͤſſen abgeſchaft werden. 

So endigte.fich unfere Gefellfchaft, 
und ich ging mit der größten Zuftie 
denheit zu Haufe, daß ic) zu der Ber: 
einigung zwoer Perfonen etwas beyge: 
tragen hatte, welche die Siebe. felbft für 
einander beftimmt zu baben fchien. 
Könnte ich viele foldyer Erempel, als 
die Gefchichte von der Maja, aufwei: 
fer, fo würde ich’ Feine Urſache haben, 
zu zweifeln, daß mein Vorſchlag, die 
lange Weile zu verkürzen, nicht in * 

e⸗ 


—— 407 


Geſellſchaften ſollte eingefuͤhret werden. 
Darum aber gebe ich die Hoffnung nicht 
auf, Beofall zu finden. Hat meine Er— 
findung keinen andern Werth: ſo hat 
ſie wenigſtens den Werth der Neuheit, 
und der iſt eben ſo ſchlecht nicht. 

Ja, weil es der Hamiltons ſo 
wenig giebt, ſo moͤgte ich ſogar, in dem 
Falle, daß mein Vorſchlag angenom— 
men werden ſollte, das ſchoͤne Geſchlecht 
bitten, die Erzehlungen nur in Gefell: 
fchaften von lauter Frauenzimmer ſtatt 
finden zu laffen, und dag man fich auf 
diefe Weife die Zeit verkürzet, aͤuſſerſt 
geheim zu halten. Die Thorheiten der 
Damen find zwar mennigfaltig ; mer 
aber fo billig ift, als ich, und ſelbſt Feine 
Frau bat, der wird mir einräumen, daß. 
diefe Thorheiten nur vorüberraufchend 
und von feinen beträchtlichen Folgen 
find. Kaͤme es aber aus, daß man ſich 
mit deren Erzehlung ergößte, wuͤrden 
alsdann nicht die Affen des Frauenzim; 
mers, die Männer, ebenfalls von fich zu 
| Er ers 





408 


erzehlen anfangen? Die leeren Hoflente, 
alle gepuderte Köpfe, die windigten 
Herzte, die geiftlihen Stußer, alle De: 
danten, denen es einfällt, galant zu 
thun, --- welch ein Geräufch, was für 
Lermen! Sch muß den Vorhang fallen 
laffen. Was würden die Nar— 
ten nit von fih ausjireuen! 


* Sieb⸗ 


409 
ann nn 2 "m u en > 22.2503 
re ER Stuͤck. 





Wem wollt ihr Gott nachbilden? Oder mad 
für ein Gleichniß wollt ihr ihm richten? 
Jeſ 40, 18. 











GDTT. 
Hymne der Engel. 
Ein Erzengel, 


Kain: — Geifterfchaaren, 
und die fieben Geifter feines Throns, 
Und die Bothen feines Ihrons, 
Die, die vom jmaragdnen Bogen 
Unter Donnerſtimmen, unter Feuertvogen 
Huf der Some Strahl durch Er weite Leere 
fahren, 
Und 


410 — 


Und die, die ihr Angeſicht 
Vor des Thrones Licht 
Mit zween Fluͤgeln decken: 
Hallelujah! Hallelujah! 
Fallt nieder, fallt nieder, und betet ihn an! 
Und mit hohem heiligen Graun, 
Den Unendlichen anzuſchaun, 
Betet ihn an! 
Chor 

der Seraphim und Cherubim. 

O unerſchoͤpficher Quell von Bewunderung! 
O Gott! o Vater! o ewiger guter Geiſt! 
Gott! Jehovah! wir zerflieſſen 
Iu Wonn, in Wonn, Heil und! — und in 


Entzücen! | 
ind in beiligem Grau, t. 
Dich Unendlichen anzufchaun, ER 
Zerflieſſen wir! u 


Ein Erzengel. 
Der Flügel Klang, 
Und der Pofaunen Klang , 
Und das Getoͤne der Sonnen und Erden, 
Welche dort vergehn, dort find, dort werden, 
— Erſchall 





411 


Erſchall in unfern Gefang ! 

Betet ihn an! . 

Hallelujah! Hallelujah! 

Fallt nieder, fallt nieder, und betet ihn an! 


Der erſte Engel. 

Nicht auf dem Slammenthrone, 

Den ein kryſtallnes Meer umſchleußt, 
Nicht iſts im Aether, da ich wohne, 
Noc wo der Brunn des Tages Ruß: 
So ſpricht der Herr, ich bin Fein endlicher Geift. 
Sucht nicht im Mittelpunft der Dinge, 
Noch an der Grenze des dunkeln Nichts, 
Noch in den Etrahlen des Lichts 
Den Bater aller Dinge, 

Der zweyte Engel. 

Gott iſis, der Erd und Himmel erfuͤllt, 
Die Unermeßlichkeit Er, und die Natur fein 
2 Br... 

Der dritte Engel. 
Ich eile Durch der Himmel Himmel 
Bis an die legten Thore der Welt, 
Durchforſch den Dunſtkreis, die Erde, des 
Oceanes Gewimmel, 
Den ausgeſpannten Aether, fein Zelt, 
Tauch 





412 


Tauch in den Blig mein Gewand, und flieh 
mit Ungewittern 
Tief in die Kluͤfte der alten Nacht, 
Sch Embryonen, die bier lang gewacht, 
Entwickelt in der Morgenroͤthe Baͤchen zittern, 
Schau ehrerbietig um mich her, 
Und two ich hingeſchant, war Er. 
Chor. 

Heil dir, der GSerashim Heer! 
Heil die! der Eherubim Heer! 
Wo wir Hinfcheun ,„ iſt Er! 
In unſers Geis hohem Gefühl, 
Wenn wir bey Lied und Saitenſpiel 
Don ſeinen Betrachtungen gluͤhn, 
Da ſchauen wir ihn. 
Heil uns! wir ſind, und fuͤhlen durch ihn! — 

IL — 


7 * 


Lied des Menſchen. 


Ch? darf ichs wagen, fie zu denken, 
Fi Ds Ewigen Ullgegenwart? 
Suͤnder, wende den Blick, 
Wend ihr, Sünder, zuruͤck! 
Ach! gerne wagt Ihe, fie zu denken, 
Aber mein — erſtarrt. 





Las Engel jauchgen, Ihn zu feben; 

Mich niedern Menſchen ſchreckt fein Licht, — 
Herr, mein Richter und Gott! 
Hier im Dunkeln iſt Gott! 

Wo feine Schauer mich umwehen, 
Denk ich ihn — verflumme nicht! 


Des Menfchen Genius, 
Wenn fih die Himmel erfreun, 
Sp zittert der Menſch, der Sünder! alfein, 
Unfeliger Sterblicher, zittre nun, ? 
Fuͤhl deine Schmach, o aͤrmſte Ereatur! 
So hoch von Gott erhoben, 
Sp tief geſunken; nein! du ſollſt den Schöpfer 
nicht Toben! 
Greif in dein Herz, fen fühn, 
Dich von der Erd hinaufzuziehn, 
Zerknirſche dein Gebein, 
Dann finm ins Saitenfpiel der guten Geifter 
ei. | < Bus 


— —— — 


Bern > Ein 


414 
Ein Chor 
von abgefchiedenen feligen Öeiftern, 


eilig, beilia, heilig ift Gott! + 

Schaut! — feht der Sonnen Tanz, 
Wie fie finelen in Gottes Glanz! | 
Horde! — Hört der Sphären Melodie! 
Das ift Gottes Harmonie: 
Er rübrte fie an: da erflangen fie. 
D Haft uns die Hymne der Schöpfung 

begleiten! 11G | 

Greift in die regen zitternden Saiten! 
Heilig, heilig, beilig ift Gott! 
Mitten unter uns ift Gott! 


Der erfte Geift. 

Als ich ein Sterblicher war, 
Bekraͤnzt ich mit Roſen mein Haar, 
Und menfchliches zartes Gefühl 
Floß in mein Caitenfpiel. 
Mas Menfchen und Engeln gefällt, 
Sang ich, und entzückte die Welt. 

Heil 





415 


Heil fen den frohen Stunden! 
Der Schönheit einge Harmonie 
Hab ih ſchon damals empfunden, 
Und ward ein Dichter durch fir. 


— Der zweyte Geiſt. 
Sch mahlte die Natur, 
Belaufcht” und bafchte den Lenz auf feiner 
geldnen Spur, 
Mich liebte der Welt, und der Gerchen Heer, 
Und Nachtigallen fangen, wenn ic) ſaus, ‚um 
. mid) ber. 
FH fang, wie ich empfand, 
Und ſtarb den Tod fürs Vatterland. 


Der dritte Geift, 

Zrüb und ſchmerzhaft floß 
Das Leben meines Leibes dahin: 
Aber meine Seel ergoß 
In füffen Liedern zum Himmel fih bin; 
Ganz Seele war ich auf der Unterwelt, 
Wie ich fie über Sternen bin. 
Wie eine Blume, die der Schnitter faͤllt, 
So duftet ih mein dichtriſch Leben, 
Don Geiftern meiner Yieder umgeben, 
zum Himmel, meiner Heimath, hin. 


Der * 





416 





Der vierte Geift. 


Ich, Klopſtocks Hälfte! — 
Aber wenn er nun zu uns koͤmmt, 
Wenn er koͤmmt, von Sterblichen bewrint, 
Umarmt von mir, und von uns allen 
Mit Freudenzaͤhren uwarmt; 
Dann find wir AM ein Lied! 
Er rührt die Saiten, wir erfünen 
In iedem Atherifchen Schwung. 


Alle. 


Laßt die Poſaunen des Himmels erſchallen! 
Von Abend bis Morgen ſie hallen! 
Vom Aufgang bis zum Niedergang! 
Bringt alle Stimmen, alle Stimmen 
Ju Einen heiligen Geſang. | 
Heilig, heilig, heilig it Gott! 
Lobt ihn, bringt ihm Dank! 

Heilig iſt unſer Gefang. 








Acht⸗ 


417 
Fan Fan u a San ae Sm aan a 2 
*Achtzehntes Stuͤck. 





DVDes Reines [ans couronnes 

’ Font ron ‚gir Ih Fortune, en meritant des 
trönes; 

Quand vous reprefentez, o ——— les 
vertus. 

Les peintres n’ont pas tort, ces honneurs 

u. vous font düs. 

EIER “BAR. 





BETEBEETBETT. Du Te 





ch habe mich geirrt, das fchöne 
Geſchlecht in unferer Stast beftebe 

nicht aus lauter folchen Gefchöpfen, 

Die nur durch Lächeln oder Putz 
Der Männer Augen an fich ziehen, 
wie ich es mir einbildete, als ich das 
vierzehnte Stück ſchrieb. Vor 
ein Paar Tagen fam ich von ohngefaͤhr 
Der Hypoch. 2.T. DD» in 


418 ——— 


in ein Haus, das ganz voll von bluͤhen⸗ 
den witzigen Maͤdchen war, und der An— 
blick ſo vieler ſuͤſen Kinder machte, 
daß ich beynahe alle Hypochondrie ver— 
lohr. Die eine ſpielte eben auf dem 
Klaviere, die andere ſang, die dritte 
naͤhte, die vierte — las den Hypo— 
chondriſt. Es iſt, auch bey Frauenzim— 
mern, wider meine Gewohnheit, viel 
Ceremoniel zu beobachten, ſo groß auch 
ſonſten die Ehrerbietigkeit iſt, die ich 
fuͤr ſie habe, und zum Gluͤck fand ich in 
dem Bezeigen dieſer Schoͤnen eben die 
Freymuͤthigkeit, mit der ich mich ihnen 
naͤherte, wodurch wir den bald in ein 
Geſpraͤch geriethen, als ob wir uns 
ſchon ſeit langer Zeit gekannt haͤtten. 
Was glaubt man wohl, an welche ich 
mich fo. gleich addreffirte? Das ift leicht 
zu rathen, an die Leſerinn. “ Was lefen 
"Sie denn da für artige Sachen, 
“ fhöne Mamfell? ,„, Es ift der Hy: 
pochondrift, fagte die Fleine Brunette, 
ein vortrefflihes Blatt! — War a 
Nds 


— 419 


Antwort nicht genug, die ganze Geſell⸗ 
ſchaft fuͤr witzig zu halten, wenn ſie es 
auch nicht geweſen waͤre? Beynahe haͤtte 
ich mich, zumal da die andern ebenfalls 
ihre Lobſpruͤche hinzufuͤgten, entdeckt, 
und ich haͤtte hier gewiß mehr Urſache, 
als Gellert bey feinem Holzbaner, dazu 
gehabt. Ich that es indeffen nicht, ver: 
muthlich, um das Vergnuͤgen des un: 
erwarteten Benfalls, den ich ißt erhielt, 
noch ein Weilchen in ber Stille zu ent: 
pfinden, und den lauten Ruhm, den ich 
hernach einzuerndten hoffte, deſto voll: 
ftändiger zu machen. ber wieder auf 
den Hypochondriſten zu Eommen, fo be: 
fragte ich die eine Schöne um den ns 
halt diefer Blätter, 


Die Schöne. Wenn diefer hypochondriſche 
Mann nicht auf alles Frauenzimmer, ohne 
Unterfchird, fatyrifirte, je wuͤrde ich mit 
feinen Sticheleyen fehr zufrieden fen. Es 
it wabr, man beurtheilt uns gemeiniglich 
nur nach unferer aufferlichen Seite, ich weiß 
nicht warum; und das mag wol den Dy: 

ur Dd2 pochon: 


420 en 

pochandriften verdrieften; denn, die Wahr; 
heit zu fagen, es verdriegt mich ſelbſt. Man 
ruͤhmt, habe ich einmal irgendwo gelefen, 
einen Windhund wegen feiner Geſchwindig— 
keit, nicht aber wegen ſeines Halsbandes; 
einen Falken wegen feines Fluges, nicht 
aber wegen der Haube und wegen ver Schels 
len. Warum fehäst man denn ein Frauen; 
zimmer nichtrauch wegen der innen Gaben? 


Sch. En, fhönes Kind! Gie haben fo gar 
den Montagne gelefen? Gewiß „er hätte 
Ihnen zu Gefallen, ein anderes Gleichniß 
gewählt, wenn er vorher gefehen hätte, 
daß ein jo ſchoͤner Mund feine Sprüche der. 
einft herfagen würde, 


Die Schöne, So will ich denn, Ihnen und 
meinem Gefchlechte zu Gefallen, lieber fa: 
gen, daß ein artiges Frauenzimmer, die 
es nur durch ihren Putz und durch eine fies 
gende Mine ift, der fürklichen Dame auf 
der Bühne gleicht; fie muͤſſen beyde hinter 
dem Dorhange betrachtet werden, wenn 
man fie genauer Fennen fell, 

Ich. 


— 421 


Ich. Dieß Gleichniß iſt allerliebſt. Ich glau— 
be, ich werde wieder jung, wenn Sie mir 
Erlaubniß geben, Sie oft zu ſehen. Koͤnn— 
te man aber nicht auch fagen, der Diamant 
habe zwar allemal feinen Werth in ich ſelbſt, 
allein vie Faſſung muͤſſe ihn erſt glänzend 

machen? Ich wuͤrde dann, wenn ich juͤnger 
waͤre, als ich bin, Ihren innern Gaben 
zwaͤr alle Gerechtigkeit wiederfahren laſſen; 
aber unter der Faſſung wuͤrde ic) dieſe wohl, 
gewaͤhlte Blume auf ihrer Stirne, dieſes 
glaͤnzende himmelblaue Rollen in Ihren 
Augen, dieſes ceythereiſche Lächeln, und 
alle die Annehmlichkeiten verfiehen, die den. 
Werth Ihrer Perſon fo fehr erheben. Dach 
Sie werden ganz ernſthaft, wie ich merke, 
und frenlich meine Einfälle und meine Run: 
zeln widerfprechen fih einander. Sch muß 
mich wieder zu Ihrem Hypochondeiften wen⸗ 
den. Sind auch) zuweilen Gedichte unter: 
den Aufſaͤtzen dieſes Schrfftficherg 2 


Die Schöne, Faſt zu viele, Einige find, 
wie es heißt, Arbeiten feines Neffen. Ich 
Ddy möchte 


4° —— 


moͤchte wol wiſſen, ob das nur eine Erfin— 
dung des Autors iſt, oder ob er wirklich 
einen folchen Neffen bat? 


Sch. Der Autor ift vermuthlich — — 


D verzweifelt! da unfer Geſpraͤch 
recht intereffant für mich wurde, Flopfte 
ein Freund an die Thuͤre, der mich bat, 
ihm eilends zu folgen, weil er mir Dins 
ge von Wichtigkeit zu fagen hätte. Ich 
mußte mich alfo gefchwind empfehlen. 
Unterwegens erfuhr ich von ihm, da 
die Erziehung, die diefe Fleinen Schoͤ— 
nen in diefem Haufe aenöffen, das Werk 
der großmüthigen Eharitina von 
Iſſoph wäre, einer Dame, die, weil 
fie ſelbſt Feine Kinder habe, fich die 
Freuden einer Mutter dadurch erfeße, 
daß fie von Jahren zu Fahren die Tech: 
ter vieler Andern erziehen laſſe. Gie 
giebt ihnen, wie mir mein Freund fag: 
te, Tiſch, Wohnung, Kleidung, und 
läßt fie im Nähen, im Franzöfifchen, 
im Tanzen und in allen fchönen Wiffen: 

ſchaf⸗ 


— 423 


ſchaften unterrichten. Ob ich nun gleich 
ſchon vieles von den reizenden Eigen— 
ſchaften dieſer Dame wußte, ſo war 
mir doch dieſer Zug noch unbekannt ge: 
blieben, und ich konnte nicht umhin, 
u desfalls in meinem Herzen alle die 

emunderung zu widmen, die man eiz 
ner fo großen Seele ſchuldig ift. Biel: 
leicht babe ich einige Leſer und Leſerin— 
nen, die eben fo, wie ich, denken, und 
ich hoffe daher, daß es insbefondere 
denenjenigen, die nicht die Ehre haben, 
diefe liebenswürdige Dame zu kennen, 
‚nicht unangenehm feyn werde, wenn 
ich ihnen heute einen Eleinen Abriß von 
ihrem vortrefflichen Bilde vorlege, 

Sch will feinen Charafter aus der 
ſchoͤnen Natur zeichnen, fondern mich 
getreu an das Driginal halten, welches 
ich copiire. Sch werde zu dem Ende 
nicht nöthig haben, Funftreich zu feyn; 
ich darf nur das fagen, was ich em: 
pfinde. Es ift möglich, daß mich bieben 

die BERN innten für einen Schmeich— 
* d 4 ler 


424 — 


ler halten: ich verfichere fie aber, daß 
ich Charitinen Feine Lobrede ſchuldig 
bin. Zwar, weil der hohe Nang fä- 
hig ift, fowol den Tugenden als den 
gaftern derer, die fie ausüben, eine er- 
höhte Geftalt zu geben, und weil es 
alfo für einen Skribenten immer Klug: 
heit ift, die Fehler einer "vornehmen 
Perfon eben fo fehr zu verbergen, als 
die vornehme Perfon felbften Urſache 
dazu hat; fo Fönnte man leicht eine icde 
Schilderung von Perfonen vom Stande 
für verdächtig halten. Allein ich weiß 
nicht, ob es nicht unbillig ift, daß des: 
wegen über den Ruhm eines: Privat- 
mannes ein guͤnſtigeres Gefchief wachen 
fol. Laßt die Skribenten redliche Leu⸗ 
te feyn, und fie werden von unrühm: 
lichen Groffen ſchweigen; von ruͤhmli⸗ 
chen aber muͤſſen fie reden Dürfen. 
Das ift freplich eine fchwere Sache, zu 
jagen, wer Ruhm verdiene: denn fie 
iſt wenigftens eben fo fehwer, als den 
Schein von dem Werfen zu trennen. 

Tau⸗ 


—————— 425 


Tauſend gute Handlungen, die wir 
von einem Menſchen ſehen, uͤberreden 
uns ohnfehlbar, daß dieſer Menſch 
ſelbſten gut ſey; aber wer kennt den 
Grund feiner Handlungen? Indeſſen 
iſt es auch gewiß, daß unſre Urtheile 
oft eben ſo betruͤglich ſind, als das Ge: 
wand, in welches ſich die menfchlichen 
Handlungen verhülfen. Sehr viele fu: 
hen dadurch) Proben ihres Wiges an 
den Tag zu legen, daß fie den Werth 
der vortrefflichften That zunichte ma— 
chen. Aber diefe Herren find, deucht 
mir, nicht die Flünften, Wo ich nicht 
irre, fo gehört nur ein wenig Smagina: 
tion dazu, um aus der Quelle unfers 
eigenen Herzens alle die Abfichten Ber: 
zuleiten, welche wir gern mit den Hands 
lungen Anderer verknüpft fähen. Und 
follte fichs nicht auch öfters zutragen, 
daß wir die ſtarken Kräfte eines Geiſtes 
‚zu keck nach dem Maaßſtabe unfrer Flei: 
nen Seele abmeſſen? Dieß thun, glau: 
beich, die mehreften, ohne daß fie böfe 

Dd5 das 





426 


dabey denken. Der Dame des Königs 
in Preufjen, z. E. Fönnte zum Probier: 
feine dienen. Nach dem einftimntigen 
Urtheile des größten Haufens thut die: 
fer Monarch alles aus eigennüßigen Ab⸗ 
fihten. Worum fallt man aber diefes 
Urtheil? Weil fein Geift über die 
Sphäre unferer Kräfte zu fehr erhaben 
ift, als daß wir ihn mit unfern Ideen 
verfolgen koͤnnten. Es gehört eine Fuͤl⸗ 
Ie von Weisheit dazu, um die Quellen 
feiner Entwürfe auezufpäben, fo wie 
feine Verehrer einen Enthufiafmus von 
Einbildungskraft und Empfindung ha: 
ben müffen, um diejenige Saite des 
Ruhms zu treffen, die mit feinen Ver: 
dienften harmonifch ift. Deswegen find 
nur einige Genies fo glücklich geweſen, 
ihre Mufe bis zu feinem Ruhme zu be: 
geiftern, und zwar denfelben nicht etwa 
höher oder niedriger auszudrücken, fon: 
dern ihn allemal in gleicher Gröffe, aber 
mit verfchiedenen Farben, und in man: 


cherley Lichte zu zeigen. 
| Doch 


— 427 





Doch ich wollte von der glorwuͤrdi— 
gen Charitina von Iſſoph reden, von 
einer Dame, die das’ Gefchäffte der 
Großmuth, welches mich zu ihrem Lo⸗ 
be weranlaßt, unfireitig am menigften 
aus Eigennutz beginne. Es zwinge 
ſich immer das Lafer, die Geftalt der 
Tugend anzunehmen, fie behält doch 
eigene feine Züge, die nur die Würde 
ihrer Vertrauten ausmachen, und die 
ein fcharfjichtiges Auge von dem Gepraͤ⸗ 
ge des Betrugs und der Nachahmung 
unterſcheidet. Koͤnnte Charitina ſtolz 
ſeyn, ſo waͤre ihr Stolz wahrhaftig der 
edelmuͤthigſte, der je in eine erhabene 
Seele gefommen ift: Sch will fünf: 
tige Thränen ftilfen, und noch als: 
“* dann nüßlich feyn, wenn mein vol⸗ 
‘* fendeter Geift in höhern Sphären 
“ waller! Allein, dieſes ift es nicht, 
denn ihre Befcheidenheit redet ihr das 
Wort. Diefe Eigenfchaft ift fo fehr 
die ihrige, daß ich felbft dadurch, dag 
ich ist öffentlich von ihren Borzügen re: 
de, 


428 — 


de, derſelben zu nahe zu treten glaubte, 
wenn ich der Tugend durch mein Ges 
mälde nicht einen oder zween Verehrer 
mehr zu verfchaffen gedächte. 
„Und wer hätte wohl eine fo. fuͤhlloſe 
See, die alles Einflufes unfähig 
wäre, den ein Herz voll Großmuth und 
Menfchenliebe zuweilen auch in die wil- 
deſten Gemuͤther hat! Charitina beſitzt 
ein ſolches Herz. Die Vorſehung 
ſcheint ihr nur deswegen eine hohe Ge— 
burt gegeben zu haben, damit die Guͤte 
ihres Herzens einen deſto ſchoͤnern 
Schmuck haͤtte. Ich weiß wohl, man 
haͤlt es gemeiniglich fuͤr Schuldigkeit, 
wenn man Perſonen vom Range irgend 
eine loͤbliche Handlung unternehmen 
ſieht. Sie ſind im Stande, ſagt man, 
das zu thun, und es iſt alſo gewiſſer— 
maaſſen ſchon deswegen ihre Pflicht. 
Der Satz faßt viel wahres und nuͤtzli⸗ 
ches in ſich; er muß aber beftimmter 
ausgedrückt werden, Es giebt Fälle, 
da das, was Pflicht zu ſeyn feheinet, 
| das 


Alpe 





J 429 


das ehrwuͤrdigſte Verdienſt iſt. Iſt nicht 
die Tugend um ſo viel goͤttlicher, je 
mehr fie Hinderniſſe zu beſtreiten findet? 
Und eine Perſon von Stande, — mit 
welch einer Menge von zweydeutigen 
Weſen iſt ſie ‚nicht meiftentbeils umge⸗ 
ben?’ mit wie viel ſchalen Köpfen? mit 
wie viel elenden Schmeichlern , dig ihre 
Ohren vor allen andern guten Influen⸗ 
zen verfiopfen ? Der Wohlftand gebie⸗ 
tet: ihr, Aufivartungen anzunehmen, 
die ihr zuweilen ſehr verhaßt ſind; ſie 
Ir länger fpeifen, als fie. bungert, 
ie fie bat bey dem Lieberfluffe, der fie 
giebt, wenig Gelegenbeit, die Be: 
dürfniffe einzelner Perfonen zu erfor: 
fchen. Das, was man vor ihren Yu: 
gen thut, ift nicht: Liebe; man iſt es 
ihrer Würde fehuldig, und ihre Perfon 
kann fich alfo deffen nicht annehmen. 
Alles Vergnügen, das ihr gemacht 
wird, bezieht fich auf das Vergnügen 
oder das Intereſſe derer, die es machen. 
Die wenigften reden fo, wie fie denen, 
, fon; 


439 en 


fondern wie fie beurtheilt feyn wollen, 
Alles it Masferade um fie herum, — 
Wenn eine Perfon, die in folchen 
Umftänden ift, Feine Hinderniffe Ruder, 
allemal ihrer Tugend gemäs zu Handeln, 
fo weiß ich nicht, wer mehr daran ver; 
hindert werden koͤnne. Iſt aber eine 
Seele fo groß, daß fie dennoch durch 
diefe Schwierigkeiten hindurch bricht, 
fo verdient fie eben das, was Houng 
von der Gräfinn Salisbury ſagt, alles, 
auffer der Anbetung — — 
Charitina hätte ohne Zweifel diefe 
Gröffe, wenn fie unter ähnlichen Um: 
ftänden wäre, Bey ihr aber ift es noch 
ein Glück, daß der vorzüglichtte Theil 
ihrer  Gefellfehafter und Gefellfchafte: 
rinnen auch edelmüthige, und folche 
Leute find, die fie vielmehr in ihren 
glorwuͤrdigen Gefinnungen unterhalten, 
als davon abziehen. Daher koͤmmt es, 
daß fie der Pflichten ihrer Beftimmung 
iederzeit eingedenf iſt. Sie begrenzt 
ihre Menfchenliebe nicht mit Falten und 
- um 








— 431 


unfruchtbaren Wuͤnſchen, ſondern ſie 
fuͤhlt ſelbſt alle die Widerwaͤrtigkeiten 
ihres Naͤchſten. Sie reicht dem Un— 
gluͤckſeligen huͤlfreich die Hand, und 
vermehrt, wo es ihr moͤglich iſt, ſelbſt 
die Wohlfahrt des Gluͤckſeligen; ja 
vielleicht breitet ſie zuweilen ihre Gut 
herzigkeit ſelbſt uͤber die Vorſchrift ihrer 
Pflichten aus. Sie unterſucht nicht 
genau, wer ihre Milde verdient. Die 
Ausbruͤche ihres Herzens ſind wie der 
Thau des Morgens: er befruchtet den 
Acker des Redlichen, und die Gefilde 
des ſtraͤflichen Mannes zugleich. Sie 
handelt ſelbſt gut: deswegen vermuthet ſie 
nicht leicht, daß iemand boͤſe handle. Sie 
iſt geneigt, den Menſchen immer von 
ſeiner beſten Seite zu betrachten, und 
ihre Fehler ſind alſo ſelbſt liebenswuͤr⸗ 
dig. Ein gewiſſer Herr von ** erzehl- 
te mir neulich, daß ihr Rabener desme: 
gen misfallen hätte, meil er den Adel 
mit allzufchwarzen Farben abfchilserte. 
Aber der Herr von * * hatte ihr geant: 

wor: 








432. 


wortet: Madame, die Thorheiten ei: 
niger von meinen Ordensbruͤdern gehen 
über die Einbildungskraft einer gutge— 
fi innten 
— vobleſſe oft un titre 
qu’on donne 
A quiconque a propos fait valoir fa 
perfonne; 
Mais que nos jeunes foux, ni nos vieux 
fcelerats- 
Ne me detournent point de wi 
fur les pas 
De ces hommes d’honnenr 


So menfchenfreundlich denkt fie ben ei: 
ner ieden Sache. Ein weiſes und uns 
fchuldiges Weſen, das fich in allen! ih: 
ven Geſinnungen aͤuſſert, iſt eine Aus 
zeige ihrer veinen Abfichten, Sie weiß, 
daß fie einen würdigen Gemahl Bat, 
und beftrebt fich daher, ohne daran zur 
denken, ihm zu gefallen, und fih um 
ihn verdient zu machen. Wenn man 
zweifelt, daß es gewiſſe Halle giebt, da 
man 





— —— 








433 


man die Frucht eines Gemuͤthes, wel: 
ches von zarten Requngen voll ift, von 
der Arbeit eines Menſchen zu unterfcheiz 
den weiß, der aus Nebenabſichten gut 
handelt, fo darf man nur ihre Hand: 
lungen wahrnehmen, Diefe — 
niemals einigen Zwang, ſondern flieſ— 
ſen natuͤrlich aus der Veranlaſſung her, 
wodurch ſie hervorgebracht worden. 
Ich muͤßte mich ſehr irren, wenn 
nicht die ſchoͤnen Wiſſenſchaften durch 
. ihre holden Einfluͤſſe dieſes Herz fo vers 
edelt, und zu einem fo feinen Gefühle 
‚alles defjen, was gut, wahr und groß 
ift, ausaebildee hätten. ch babe in 
einem meiner Blätter gefagt, daß das 
Vergnügen, das wir in den Werfen 
des Geſchmacks empfinden, ein allge: 
meines Bergnügen an der Bollfommen; 
beit in unferer Seele entflamme, und 
Charitina beweifet es durch ihr Bey: 
fpiel. Sie befißt den feinften Ge 
ſchmack, und die Kunft, von der Em; 
pfindung des 5* den beſten ſittli⸗ 


Der Apoch. 2. T Ee chen 


434 En 


chen Gebrauch zu machen, In der 
Muſik Eennt fie ieden fchmelzenden Ton, 
der das Gemuͤth in Flammen ſetzt, und 
fpielt das Klavier felbften vortreflich. 

Sie malt fehr (hin, Die Feinheiten 
der Dichtkunſt kennt fie bis zur Kritik, 

und fie weiß fogar alle charafteriftifchen 
Eigenfchaften anzugeben, die diefen Au: 
tor von jenen unterjcheiden. Ich habe 
Briefe von ihr gefehen, die unnachahm— 
lichfchön waren, und die ihre Stärfe in 
der Dichtfunft und Kritif zur Verwun— 
derung an den Tag legten, Mur mögte 
ich wünfchen, daß die franzöfijche Lit: 
teratur feinen andern Werth bey ihr 
hätte, als den man derfelben zugeſtehen 
muß, und daß ihr auch einige unferer 
deutfchen Werfe befannter wären. 

Bey allen diefen Vorzuͤgen würde 
Charitinen unftreitig etwas wefentliches 
fehlen, wenn fie damit fchimmern wollte, 
und wenn fie nicht diejenige liebensmwür: 
dige Eigenfchaft zugleich befäfle, deren 
ich vorhin fchon erwehnt habe, die ans 

mutbige 


— 435 


muthige Beſcheidenheit. Groſſe Ei— 
genſchaften beſitzen, und ſich dieſes Ber 
ſitzes bewußt ſeyn, ſind Dinge, die nicht 
leicht von einander koͤnnen getrennt wer: 
denz aber derjenige hat eine groſſe Ei: 
genfchaft mehr, der zugleich weiß, daß 
alle unfre Vorzuͤge nur wegen der Art, 
wie wir fie anwenden, fchäßbar find. 
Man bat bemerft, fagt ein gewiſſer 
Schrififteller, dag ſowohl die Mahler 
als die Bildhauer alle Tugenden unter 
weiblichen Bildungen vorftellen ; allein 
woferne eine unter allen diefes Gefchlecht 
verberrlichet, To ift cs die Befcheiden; 
beit. Ich möchte hinzufegen, woferne 
eine unter allen eine vornehme Perfon 
noch vornehmer macht, fo ift es diefelbe, 
Sie erhebt den Glanz der Tugend, wie 
der Schatten ein Gemäßlde. Ohne fie 
erregt felbft die Schönheit Unwillen, 
und der, den auch Feine Schönheit rührt, 
läßt fich durch fie überwinden, Von ihr 
wird die fanfte herablaffende Mine der 
Freundlichkeit gebildet, die die Ehrer: 

Ee2 bietung 


436 —— 


bietung der Niedrigen beſeelt. Sie iſt 
eine Vertheidigerinn der Unſchuld, und 
giebt der Verleumdung Fein Gehör. 
Der erbärmliche Witz, der fo gerne tri- 
umpbiren möchte,undfich Satyrenennt, 
indem ex die Fehler und Schwachheiten 
Anderer boshaft aufdeckt, verfiummt 
eben fo vor ihr, wie der Mund des 
Schmeidhlers. Eine erhabene Seele 
kann zwar ihre Groͤſſe empfinden, wie 
ich ſchon gefagt babe, ‚aber die Defchei: 
denheit lehrt fie mit diefem Gefühle zu- 
frieden zu feyn, und die eitlen Lobſpruͤche 
zu verachten, die ihr der Thor macht. 
Das ift die Urſache, warum Charitina 
ſich lieber an denjenigen Eigenfchaften 
vergnügt , die fie an andern erblict. 
Die Befcheidenheit bringt bey. ihr felbft 
die Titel ihrer Ahnen in Vergeſſenheit, 
und preifet ihr das als die höchfte Ehre 
an, den Namen einer Chriftinn zu 

führen. BEN aDE se 
Doc) ich erwaͤhne einer Eigenfchaft, 
die Charitinens größte Zierde iſt, und 
vi | die 





437 


die ich alfo billig zuerft hätte bemerken 
ſollen. Vielleicht bat mich der Gedanke 
zuruͤck gehalten, daß die. Religion in 
unfern Tagen beynabe fo verächtlich 
geworden ift, daß man es für einen 
Sehler wider den Wohlftand kalt, wenn 
man Perfonen von Stande oder von 
greifen Talenten diefelbe beymißt. --- 
Dod) nein, eben deswegen ift es Ruhm, 
Religion zu haben. Gehört nicht eine 
gewiſſe Höhe des Geiftes dazu, um ſich 
über die Lirtheile der Welt hinwegzu— 
fegen , und eine Entfchloffenbeit, Lieber 
den Derdacht einer gemeinen Denkungs⸗ 
art wider ſich zu erwecken, als die Stim⸗ 
me Gottes und des Gewiſſens bey fich 
zu erfticken? Hat aber eine Perfon von 
ange fich einmal in diefe Entſchloſſen⸗ 
heit gefegt, fo werden die Bemühungen 
der Thoren, fie irre zu machen, gewiß 
von ſelbſt aufhören. Was der gering= 
fte zu freye Gedanfe bey dem Anblicke 
eines fehönen, aber tugendhaften Sraus 
enzimimers it, das iii die Mine des 

Eez Spoͤt⸗ 





438 


Spötters in Gegenwart einer Perfon 
von Stande, die Religion bat. Beyde 
find von feinen Folgen, und verlieren 
ihre Kraft, fobald fie entfichen. Ich 
fage noch mehr, der Spötter wird im 
Gefichte derfelben aufmerffam auf die 
Religion werden, und endlich Geſchmack 
daran finden. Denn vorausgefest, daß 
die vornehme Derfon Berfiandeskräfte 
genug hat, um durch das, was fie un: 
ternimmt, auch die Aufmerkſamkeit des 
Weiſen zu erregen, fo ift es bennabe 
unbegreiflich,, dag man den Werth der 
Religion alsdann nicht erfennen, und 
die Andacht liebenswuͤrdig finden follte, 
wenn man dicfelbe Perfon, in deren 
Gewalt es ſteht, fich alle Wolluͤſte die: 
ſes Lebens zu Nutz zu machen, ſich fol: 
cher freywillig entfchlagen, und mit den 
unfichtbaren Gegenftänden des Him— 
mels befchäfftigen ſieht; wenn man 
ſieht, daß ihre Seele öfters fterbliche 
Gegenden gleichfam verläßt, fich ihrem 
Geburtsorte nähert, und jenfeits den 
Wolfen ihre Nahrung ſucht. 
Charis 


pe mer 439 


Charitina hält bey diefen Geſinnun⸗ 
gen die Religion fo wenig für eine Fein: 
dinn oder Störerinn des Bergnügeng, 
das ihr die Welt anbietet, daß fie viel: 
mehr alle Ergößlichkeiten derfelben ohne 
den Beſitz der Freude in Gott ge: 
ſchmacklos und Mangelhaft findet. Da 
fie aus einem Haufe entfpreffen ift, wel: 
ches fich von jeher durch den Dienft 
Gottes eben fo glorreich,, als durch an: 
dere Borzüge, gemacht hat; fo gereicht 
es ihr zu einem befondern Ruhme, daß 
fie die Eindrücke ihrer gottfeligen Er: 
ziehung beftändig bey fich hat wirken 
lafien. Es ift nicht nur jederzeiteine 
ihrer Hauptbemühungen gemwefen, in der 
Erkenntniß ihrer Pflichten zu mach: 
fen, fondern fie ift auch aufs lebhaftefte 
überzeugt, daß fie Gott deswegen in 
einen hoͤhern Stand gefeßt hat, damit 
ihr DBezeigen einen vortheilhaften 
Einfluß auf diejenigen haben möge, die 
die Ehre haben, fie zu Fennen, 


Ee4 — 





‚449 


Ihren innerlichen Gottesdienft hält 
fie aber nicht fir hinlaͤnglich; er ift ihr 
vielmehr der ftärffte Antrieb zum oͤffent⸗ 
lichen, Sie erfcheint in den Berfamm: 
lungen der Chriften mit der feyerlichften 
Ehrerbietung, und voll von dem Gefüh: 
le und der Gegenwart deffen, dem fie 
das Opfer ihres "Herzens darbringt. 
Hier auffert fie recht fichtbar ihr Ders 
langen nach den Gütern des Heils, die 
auch für fie der Grund aller Hoffnung, 
und die Duelle aller Gluͤckſeligkeit find, 

Diefe Denfungsart und diefe Hand: 
lungen der Öottesfurcht find der Grund 
ihrer freudigen Gemuͤthsart. Ein Herz 
das fo unſchuldig ift, als die Tachende 
Natur in ihren mannigfaltigen Ergoͤ— 
tzungen, Fann faft nicht anders denfen. 
Zufrieden mit den weifen Führungen 
feines Gottes, Überläßt es den peini: 
genden Kummer und die niederfchlagen: 
de Traurigkeit denenjenigen, die went: 
ger Urſache baden, fich alles Gute von 
Gott zu verfehen. Daher ift Chariti: 


na 





—— 441 


na: felten misvergnuͤgt. Keine niedri—⸗ 
ge Sorge, die ſich gar oͤfters auch in 


ein Herz ſchleicht, das Purpur deckt, 


umwoͤlkt den reinen Himmel ihrer Seele, 
Aber was koͤnte ich nicht noch alles 
von einer Dame ſagen, die die Ehre 
unſerer Zeit ift, wenn es mir die engen 
Grenzen diefes Blattes erlaubten! 


Elle füt refervee fans doute pour les 


cieux, 
Un — tres heureux en embellit la 
Ber terre. 


Anhang 
einer Satire über mich felbft. 
Nach Anleitung des ſechszehnten Stücke. 
Alerliebſter rn — 


Se Ya e u ih einen 
Brief von Heren Jeoffry dem 
Britten, der mir fo intereffant ift, daß 
ich meine, Satire hier abbrechen muß. 
Ge 5 Die; 


— 


442 er 


Diefes thue ich ungern, weil meine 
Freunde und Anhänger daraus feblieffen 
möchten, man fönne in den Satiren 
über fich felbjt nie zu kurz fenn: allein 
wenn aus Einem Bogen nicht wieder 
anderthalb werden follen, wie mir fchon 
ein paarmal wiederfahren ift, fo muß 
ih mich dießmal noch fehonen. — 
Man wird aus dem ‘Briefe meines 
Freundes abnehmen fönnen, warum er 
eben bier feinen Plag finder. Die un: 
angenehme Anfpielung auf unfer theures 
Publikum am Ende. feines Briefes ber 
halte ich mir vor, in einem meiner fol- 
genden Stuͤcke nah der Strenge zu 
rächen, 


Schrei⸗ 


— 443 


Schreiben von Herrn Jeoffry Eſq. 

an Herrn 3. Jernſtrup Cha, 

So gut als aus dem Engliſchen uͤberſetzt. 

NM -— den Sten April 1762. 
er, | 


Se⸗ haben Wunderdinge mit ihren 
beyden Stuͤcken von der Seldft: 
erfenneniß gerhban. Die Satiriker im 
Schreiben, die Satirifer im Umgange 
nehmen ißt alleihre Driginale aus ihrem 
eigenen Bufen, und verfchönern fie nur 
mit den Zügen, die fie bey andern finden, 
Die Stußer felbft find unerfehöpflich 
an Witz neworden, denn fie dürfen wies 
der von fich feldft veden, fie dürfen Hofes 
davon reden, und fein Menfch darf eg 
ihnen übel nehmen. Das fehöne Ge: 
fchlecht wird nie mehr über Zeitvertreib 
klagen; es wird den Echsoshund und 
den Fächer weglegen, und mit fanftem 
Lächeln eine Satire über fich felbft ma: 
chen, um doc) etwas zu erzehlen. Das 

ift 


Hi 


444 


it She Werk, mein theurer Freund! 
Die verguüge ich mich an ihren uns 
fterblichen Thaten! 

Ich war geftern zu der Wittwe ** 
gebeten, einer Ihrer unbekannten Cor: 
tefpondentinnen, wie fe fich nannte; 
wo ich eine zahlreiche Geſellſchaft antraf, 
weil es ihr Geburtstag war. Wie tie 
gegeffen hatten, die Spieltifche zurecht 
gefest waren, und wir andern, die wir 
nicht fpielen wollten, im Saal herum⸗ 
gingen, und bald bie bald da eine linter; 
redung einleiteten 5; fo zog mich die 
Wirtwe ans Fenſter, und redete mich 
foigendergeftalt an: Was macht ihe 
guter Freund Jernſtrup? Iſt er nicht 
ein wenig unruhig, daß er von der 
Fraͤulein, die ihm den tiebesantrag ge 
than, noch Feine weitere Nachricht ex: 
halten bat? Er denft wohl nicht, der 
ehrliche Dann, daf ic) diefes Fräulein 
bin? -- Wie, Madam? --- Frenlich, 
mein Herr! —- Sch ſehe, Sie erftaunen: 
aber Sie follen noch mehr wiſſen, denn 


ich 








445 


ich verlange Ihren Rath. Kurz, Herr 
Jeoffry, ich babe mich, fo viel die Des 
licatefje: meiner Empfindungen erlaubt, 
nach; den Regeln des Hypochondriften 
und nach feiner Beantwortung meines 
Briefes geprüft, ich habe mich felbft er; 
fannt; und gefunden, daß ich nie. einen 
andern. heirathen werde, als ihm Leb⸗ 
haft, tändelnd, zärtlich — Ich muß 
Ihnen geſtehen, mein Herr, es beingt 
meiner »Delicateffe..einen ſehr hohen 
Begriff von dem Fähigkeiten Ihres 
Freundes bey, daß. er fo fehrauf.diefe 
Eigenfihaften  dringts ich Hoffe, ich 
will ibn befriedigen.‘ Aber , werden 
Sie fagen, Sernftrup erwartet ein 
Fleines fechszehnjähriges Fräulein in 
mir zu finden, und ich bin etwas alt, 
and eine Witwe --- Dofjen! um defio 
lieber werde ich ibm fenn. Geben Sie 
mir nur Shren Rath, wie ich es an: 
fange, mich ihm mit Beibehaltung 
meiner Delicateffe zu entdecken,  --- --- 
Sch machte eine ungefchiefte Wendung, 
Sn um 





446 


um von ihr abzufommen, weil ich alle 
Augenblicke fürchtete, day fie mir felbft 
eine Liebeserflärung machen mischte, 
und danfte dem Himmel, daß ein Paar 
Stußer fo eben heran traten, mich von 
ihrer Delicateffe zu befteyen. Hat man 
je eine folche Coquette geſehen? Glück 
licher Zacharias! welche Croberungen 
machen Sie! 

Kaum hatte ichmich in der äufferften 
Verwirrung von ihr losgemacht, als 
mich Jemand beym Aermel zupfte, der 

eine Schreibtafel in der Hand hatte, 
und mich bat, eine Satire über dieganze 
Geſellſchaft anzubören, die er gleich ißt 
niedergefihrieben hätte, Es iſt das 
größte Meifterftück, fprach er, das ich 
iemals gemacht habe: unter dem Scheir 
ne, als ob ich mich felbft charafterifiren 
wolle, charafterifive ich die Gefellfchaft, 
welches meiner Satire Wahrheit und 
zugleich Abmwechfelung giebt, da ich mich 
nach den verfchiedenen GSubjeften, die 
ich vorftelle, von verſchiedenen .. 

babe 





447 


babe malen fönnen, Diefes Geheimniß 
habe ich Ihrem Freunde zu danfenz 
und ich weiß ihm meine Danfbarfeit 
nicht befier zu bemweifen, als dag ich 
ihm meine Arbeit darbiete, fie in fein 
‚Blatt einzurücken. Nächftens werde ich 
ein Fritifches Werk im Geſchmack des 
Batteur, eine Einfhränfung der 
Satire auf fih felbft, abfaſſen, 
welches ich ihn, als dem Erfinder diefer 
Kunſt dediciren will, Aber erft hören 
Sie meine Satire, -- Sch antwortete ihm 
ganz kurz, er möchte die Meynung des 
Hypochondriſten wehlnichtrecht eingefe: 
ben haben, ich zweifelte ſehr, daß Mafter 
Jernſtrup von feiner Arbeit Gebrauch) 
machen werde, da ich wüßte, daß er Feine 
Beytraͤge annehme, -- Go geben Gie 
ihm denn dieſes Berzeichniß von Perfo: 
nen, die fich felbft erfannt haben; mein 
Gott! Sie dürfen es ja nur anhören. 
Ich wußte mich nicht von ihm zu vers 
- ten, und hörte; iz 


Ren. Den 


448 — 


Den ıdten März erfannte ih mich 
ſelbſt, und Jungfer B. erkannte fih auch 
ſelbſt, und ſo erkannten wir uns beyde, 
und ſo erkannte ſie mich, und ſo erkannt 
ich ſie —— Ma ———— 4 

Ich wollte nicht länger hören. Mit 
zornigen Augen fprang ih vom Stuhl 
‚auf, und. rief: Behalten Sie Ihre Ber: 
zeichniffe fir fich, mein Herrz koͤnnen 
Sie einen ehrliebenden Mann mit diefer 
fchändlichen Verdrehung fittlicher De: 
griffe unterhalten? Und Sie fchämen ſich 
nicht, diefe Bosheiten auf die Rech: 
nung eines Mannes zu fchieben, der die 
edelſten Wahrheiten unter. der Geſtalt 
einer leishten Ironie zu lehren befliſſen 
ift? Sie bringen mir eine fehr mittel: 
maͤſſige Meynung von Ihrem Verſtande 
bey, mein Herr; ich wuͤnſchte, daß ich 
nicht —* ſetzen dürfte, auch von hr 
rem Herzens „Und hiermit verließ ich 
ibn, der wie vom Donner. gerührt war, 
daß er feine Satire und fein Berzeich 
niß umfonft follte gemacht haben. R 

a8 





449 


Das iftes, Gir, was ich mir vor: 
genommen hatte, Ihnen nach meiner ges 
ftrigen Bifite zu fchreiben, Zürnen Sie 
nun, wenn Sie belieben, auf den fal: 
fhen Patriotifmus 


Ihres 
redlichen Freundes und gehorſamen 
Dieners 


Arthur Jeoffry. 


"Deräypoh.2.T. Bf Neun: 


450 
Ba nn 1 7 
* Meunzehntes Stück. 





"Om In Puma yırın Ton de ngy ardees, 1 
gomer. 
Alles Fleifch vergeht wie Hen. 








ENa die Suden heute anfangen, ihr 

Hüttenfeft zu begeben, fo — —- 
doch, Leſer, warum foll ich mir die Naͤ— 
gel wegen eines geſchickten Ueberganges 
zerbeiffen, da du ja auch ohne Leber: 
‚gang nur leſen darfſt? 


Laubhuͤttenhymne. 
Ein Vorſaͤnger. 
Lobet, ihr Völker, den Herrn mit Srob: 
locken, der Gibeon werde 
Sauter Wonn' und Gelang, zur Ehre des 
Gottes der Götter, 
Erſtes 


—— 451 


Erfies Chor. 
Jauchzet, da koͤmmt ex, der Tag des Fand: 
zens! vom Aufaang der Sonne 
Dis zum Niedergange jauchzt! — Mit freu—⸗ 
debeflammendem Antlig 
Steige er von Oſten herauf! — Frohlockt, 
ihr Gefilde, dem Emgen. 
Zweytes Chor, 
Feyert, die Zeit des Geſangs ift erfchienen! 
Frohlocket, ihr Lauben! 
Ale Hügel, frohlockt mit Gibeon! — fiol: 
zes Gebirge, 
Sing’, und jauchze: du biſt zum Paradieſe 
geworden. 
Borfänger. 


Wer iſt wie Gott, der Iſraels Gott if, 
fo groß und jo guͤtig? 
Erfies Chor. 
Hoch iſt fein Thron, er umſpannt mit feis 
ner Rechten die Himmel, 
Aber er ſiehet herab auf den Niedern, den 
Armen im Stande, 


Ff2 Zwey⸗ 





45% 
Zweytes Chor. 
Siehet herab, und erhebt ihn, und fert 
den Armen im Staube 


Neben die Fürften des Volks, den Geringen, 
den Armen im Staube. 


Borfänger 
Als wir Aegypten entflohn, da fahn wir 
des Ewigen Treue, 


Unfer Führer war er, war Jehova, der Ja: 
kob erlöfte. 


Erſtes Chor 
Sriedlich fehante das Meer — mir ka— 
men! — es ſchaute Verwundrung 
Um ſich, und floh! der Jordan vergaß, als 
wir Famen, zu frönen. 
Berge büpften vor Luft, mie die huͤpfenden 
Laͤmmer; wie junge 
Schafe, das glänzende Thal und die lieder: 
reichen Gefilde. 


Zweytes 





453 





Zweytes Chor, 
Sprich, was war dir, du Meer, daß deis 
ne bruͤllenden Wogen 
Plöglich verfiummeten? und dir, dag du ſtandſt, 
du furchtbarer Jordan? 
Warum huͤpftet ihr, gleich den Laͤmmern, 
ihr blumichten Berge? 
Und du glänzendes Thal? und ihr. liederreichen 
Gefilde? 


Vorſaͤnger. 


Gluͤcklich vollbracht er ſein Werk, der ſtarke 
Helfer in Juda, 
Sieg und Ehre behielt die Rechte des Gottes 
der Goͤtter. 
sun Feſte dem Herrn, dem Gewaltigen, 
feyert dem Guten. 


Erftes Chor, 


Aus der Wuͤſte heraus, durch aſeme, 
traurige Wege 
Hat er Juda gefuͤhrt, er umſchwebte mit 
Flügeln der Liebe 
5f3 Sein 





454 


Sein geheiligted Volk, wie ein Adler wit 
ſchuͤtzenden Flügeln 

Seine Jungen umfihwebt, und trugs auf den 
Slügeln der Liebe. 

Feyert Sefte dem HErrn, dem Sevaltigen ’ 
fenert dem Guten. 


Zweytes Chor. 


Naͤhrendes Honig entfloß — fonft hätten 

wir müflen verſchmachten! — 

Honig den Steinen, und Del den Selfen im 
Fläglichen Lande. 

Schnell entwinkt' er den Gram, er gab uns 
Laͤmmer und Widver, 

Gab uns Weizen und Moſt, bis wir Kangans 
Schaͤtze beſaſſen. 

Feyert Feſte dem HErrn, dem Gewaltigen, 
feyert dem Guten. 


Vorſaͤnger. 


Heil uns! nun athmen wir Gluͤck, num ſind 
wir wo Honig und Milch fleußt! 


Erſtes 


— Erſtes Chor. 
— Kanaan, himmliſches Land, ſey geſegnet, 
Ueberfiuß kommt uns 
Kon dem Acker zur Teun', und zur Kelter von 
den Gebirgen. 


Zweytes Chor. 
Seh geſegnet, o Land, du Fuͤllhorn der 
Herrlichkeit Gottes, 
Zeige der ewigen Macht, wie lieblich find deine 
Gefchenke 


Vorſaͤnger. 
Zrejſet den Geber, den HErrn, aus ſeiner 
Tiefe des Reichthums 
Quellen die Himmel hervor, und die Erde 
mit ihren Gewaͤchſen. 


Erſtes Chor. 
Preiſet, ihr Volker, den HErrn, den grof: 
ſen Ernaͤhrer, wir leben 
Alle son ihm, der Menſch nnd das Vieh, und 
die Thiere des Waldes. 
Schaut, fein Fußtritt iſt fett, fein glänzender 
Fußtritt —* 
Garbenvolle Gefild', und luſtige Thaͤler und 
Huͤgel. | 
J Ff4 Zweytes 


456 — — 


Zweytes Chor. 


Gott, du kroͤneſt das Jahr mit Gedeyhen, 
die Erndte mit Segen. | 
Bring doch, du Geber , o Gott, bring —— 
dem kuͤnftigen Jahre! 
Saat und Erndte find dein! Befeuchte die 
Erde mit deinem 


Thau des Himmels, und gieb uns immer 
Erndten voll Freude. 


Vorſaͤnger. 
Heilig, heilig iſt Gott, der Vater der En— 
‚gel und Menſchen, 


Alle Lande find voll von der Ehre des Gottes 
der Götter. 


Erftes Chor. 


Heilig, heilig ift Gott, der Vater dern: 
gel und Menfchen , 
Alle Sande find voll von der Ehre des Sokiet 
! der Götter. 


Zweytes 


— 17% 





Zweytes Chor. 


Heilig, heilig iſt Gott, der Vater der En: 
& gel und Menſchen, 
Alle Lande find voll von der Ehre des Gottes 
der Goͤtter. 


Vorſaͤnger. 


Siche, wir kommen zu dir, zu dem Hrili: 
gen, unſerm Erlöfr, 
Ind wir beten di) any, dich, HErr! HErr! 
„. Jo. lange wir leben, 


Erſtes Chor. 


Gott it der HErr, den beten wir an, fonft 
| keinen in allen 
Himmeln ale ihn, in dem Meer’, und unter 
„der Tiefe des Meeres 
* Keinen, vor ihm nur zerſchmilzt die fehauerns 
de Seel’ in Entzuͤckung. 


Zweytes Chor. 


Warlich, ihr ſlehet umſonſt zu Hügeln, 
umſonſt zu Gebirgen, 
315 Und 


458 — 


Und zu Meeren umſonſt; wir haben Feinen 
Erbarmer, 

Reinen Helfer, als Gett! von Alters be ift 
ers geweſen. 


Vorſaͤnger. 


Bringt, bringt Ehr' und Triumph dem 
J maͤchtigen König der Ehre. 


Erſtes Chor. ih 
Wem gebühret Triumph? Ber ifi der Kb: 

nig der Ehre? 

Er iſts, der HErr, der die Himmel umfpannt, 
der allıs vollendet, . 

Alles herrlich und groß vollendet, ohne Gehuͤlfen! 

Hrächtig, wir Libanon, iſt er, doc) feine Gnad' 

\ ift wie Carmel, 

Wie nach dem Regen das Gras it, wie lieb— 
licher Morgenthau glänzet 

Auf dem Krane: fie lacht in die Seel uns 
ewiges Leben. 


Zweytes 





x 459 
Zweytes Chor. 
Wem gebuͤhret Triumph? Wer ift der Kö⸗— 
nig der Ehre! 
Er iſts, der HErr, ver fein Wort und fein 
heilges Zeugniß beftätigt; 
Der zu Jeruſalem ſpricht: ſey bewohnt! zu 
den Staͤdten in Juda: 
Seyd gebauet! — Er wills, und Wüſten 
ſind luſtige Hayne, 
Meere vertrocknen: er wills! — Das iſt der 
Koͤnig der Ehre. 


Vorſaͤnger. 
Mache den Heiden dich kund, laß deinen 
herrlichen Namen 


Offenbar werden dem Volk an den legten En 
den der Erde. 


Erfies Chor. 
Daß du den Himmel doch, HErr, zerriſſeſt, 
und ſichtbar hernieder 
Fuͤhrſt! es zerflöffen alsdann vor dem flam— 
| nienden Antlitze deiner 
Herrlichkeit alle Gebirg', und die Heiden muͤß— 
ten dann zittern. 
Zweytes 


460 —— 


Zweytes Chor. 
Herr, das thatſt du vorden: da zerriſſen 
die bebenden Himmel! 
Sichtbar fuhrſt du herab: da erfloſſen die 
Berge! da zagten 
Ale Völker, vd fahn Die fammende Her 
lichfeit Gottes. 


Borfänger. 
Wennuns Angſt ift, fo hilft er, Gott hört 
die Stimme des Fleheus. 


Erftes Chor. 
Angſt des Todes umgab und, das ganze 
Schrekken der Hölle 
uhr in unfer Gebein, wir wollten versagen, 
und ſchrien: 
Ach! Gott hat uns verlaſſen, der HErr hat 
unſrer vergeſſen. 


Zweytes Chor. 
Aber der Ewige ſprach: kann eine Mutter 
auch ihres 
Kindes vergeſſen, und wird ſie ſich uͤber den 
ſchreyenden Saͤugling, 
Den 


———— 461 

Den ſie gebohren hat, nicht erbarmen? — 
on Do ob fie deſſelben 

Auch vergaͤſe: ſo will ich doch * mein 
Volt nicht vergeil en. 


—— 


Lobet, ihr Frommen ‚den HErrn, und dankt 
* Sn des GE 


+ % u F 


ket ihm * 


Erſtes Chor. 

Dankt von Herzen dem HErrn, er iſt freund: 
| lich, jo fage der Sromme, 
Iſrael ſag es, der HErr iſt freundlich, und 

voller Erbarmung. 


Zweytes Chor. 
Aaron, des Ewigen Knecht, und wer ſein 
Zengniß verehret, 
Sage, wir danken dem HErrn, er iſt freunds 
lich, voll Wahrheit und, Gnade. 


Ber: 





462 


Borfänger 


Hilf uns ferner, o HErr, laß woblgelin- 
gen, Hofanna! 


Erſtes Chor. 


Hilf uns ferner, o HErr, laß wohlgelins 
lingen, Hoſanna! 


Zweytes Chor. 
Hilf uns ferner, o HErr, laß wohlgelin— 
gen, Hoſanna! 
Vorſaͤnger. — 
Das find Tage, die Gott macht, wohlauf! 
es follen Ach alle 
Hände regen, o Volk, und alle Lippen froh: 
locken. 


Erſtes Chor. 
Schmuͤcket das Feſt mit Mayen bis an die 
Hoͤrner des Altars, 
Me Baͤume find froh, und alle Zweige der 
Bäume. 
Zweytes 





463 


Zwentes Chor. 
Singt vom Siege des HErrn in den Hit: 
ten der Frommen mit Sreuden, 
euftoll auf. Gibeons Höh vom Siege des 
we Gottes der Götter. 


, Vorſaͤnger. 
Dantet dem HErrn, Halleluja, die Huld 
des Hoͤchſten iſt ewig. 


Erſtes Chor. 
Danket von Herzen dem HEtrn, er in 
freundlich, fo fage der Fromme, 
Iſrael fag es, der HErr iſt freundlich, und 
voller Erbarmung. 


Zweytes Chor. 
— des Ewigen Knecht, und wer fein 
Zeuguiß verehret, 
Sage, wir danken dem HErrn, er ift freund: 
ich, voll Wahrheit und Gnate. 


Borfänger. 


Halkeuja dem HErrn! mit taufend Zungen 
Hoſauna! 


Erſtes 





464 


Erfies Chor. 
Halleluja dem HErrn! mit taufend * 
— 
Zweytes Chor. 
—— dem HErrn! mit tauſend Zungen 
Hofanna ! 
Dorfänger. 


Sauchzet, ihr Himmel, der — hats 
gethan, rufs, Erde, hinunter 
In die Hölle, frohlockt, ihr Gefilde, froh— 
locket, ihr Berge. 


— 


Erſtes Chor. 
Sagts, der Ewige, herrſcht! ihr Myriaden, 
froh ocket! 
Jauchzet ſein Lob, denn Gott iſt König, froh: 
lock dt, ihr Himmel, 
Morgenflern yanchze du nach! der HErr der 
Ewige herrſchet! 
Zwentes Chor. 
Seyd, fend lauter Gefang, ihr Mopriaden, 
| frohlocket! 
Groß iſt ſein Name! — ſo ſchallts in allen 
Himmeln, die Sterne 
Gottes toͤnen darein, und der Seraphim 


goldene Harfen. 
Zwanzig: 


Mn ee EEE EEE 


465 
Le Se me ασα 


Awanzigftes Stüd. 


Then he would talk: good Gods! how 


he would talk! 
I LEE. 





(8 ich meine Betrachtungen über den 

Müffiggang abfaßte, glaubte ich 
nicht, daß ich fo glücklich feyn würde, 
in dem Wirbel von Blattſchreibern, die 
ich in Bewegung gefeßt habe, auch 
Heren David Mävins fich herumdrehen 
zu fehen. Ich fiße geftern mit meinen 
Vetter Obluf und einigen Gelehrten 
aus der Dachbarfchaft zu Tifche , höre 
mit vieler Aufmerkfamfeit an, mas 
Dhluf, den meine $efer als einen groſ— 
fen Bemerfer Fennen, für Bemerkun⸗ 
gen macht, und efje meine Kapaunen= 
Der Hypoch. 2. T. Gg keule 


— 


466 »— 


keule dazu: zufaͤlliger Weiſe nehme ich 


in der Naͤhe eine Serviette wahr, die 
ſich hurtig hin und her bewegt, und mei— 
nem theuren Herrn Maͤvius zugehoͤrt, 
der mit ſtarrem Blick unbeweglich nach 
der Wand hinſieht. Da ich nicht er: 
rathen konnte, was ihn beſchaͤftige; 
ſo wagte ich, ihn mit einem leiſen: 
Freund, was machen Sie da? 
zu unterbrechen. Der gute Wann — 
wollte lange nicht mit der Sprache ber: 
aus: —- zuleßt zeigte er mir eine 
Schreibtafel, die er unter der Ser: 
viette hielte, und worin er, wie er 
mir geftand, die Tiſchreden des Herrn 
Ohluf Jernſtrup aufzuſchreiben pflegte. 
Wer ſich über eine fo unverhoffte Eut⸗ 
deckung freute, der war ich. Kaum 
hatten ſich die Gaͤſte empfohlen, ſo nahm 
ich meinen geſchwindſchreibenden Aku— 
ſtiker an die Seite, und begehrte von 
ihm, mir alles zu zeigen, was er von 
Ohluf Jernſtrup geſammelt hätte, Er 
antwortete mir fü, -— Es ijt ſchon 

* fange 


* - 


ri 





497 


fange, daß ich Hoch Dero gnädigen 


* Seren Better, als ein Ehrenmitglied 
de Dublicum verehre, welches Er 
“ganz überfieht, und weiches ſtolz dar: 
auf feyn müßte, wenn er fich zuweilen 
“unter den Haufen der Schriftiteller 
“herab begeben wollte, Die es bewun⸗ 
“dert. *) Ben diefen demüthigen Ge: 
 finnungen meines fchuldigften Reſpekts 
“iſt mir eingefallen, was ich meines gez 
“ringen Orts meinen Kameraden, die 
"man das Publifum nenne, für einen 
"wmausfprechlichen Gefallen ermeifen 
+ eönnte, wenn ich felbiges auch nur 
Such einige von den vielen Brocken, 
“ die diefem hohen Munde quafr aliud 
“agenti über Tifch entfallen, zu erqui⸗ 
*. en im Stande wäre, Ich habe alfo 
“nicht ruhen Eönnen, bis ich nach derje: 


Gg 2 “nigen 


*) Herr Maͤvius ſcheint die ſcharfſinnigen 
Briefe über das Publikum gelefen 
zu basın, wo einem Hofmanne das naͤm— 
liche Compliment, und mit den nämli- 
en Worten, gemacht wird, 





468 


“nigen Methode, fo Ihre Gnaden heute 
“on mir entdeckt haben, einen kleinen 
Schatz von Tiſchreden zuſammen gear: 
“beitet haͤtte, den ich Ihnen hiemit un: 
*terthänigft überreicht haben will, Es 
“ ſoll mir eine unermeßliche Freude feyn, 
*und ich werde es zeitlebens mit dem ehr: 
“ furchtvolleſten Danfe erkennen, wenn 
“Sie, gnädiger Herr, mit vorgängiger 
“Einſtimmung Dero Herrn Vetters, 
einen beliebigen Gebrauch davon zu 
* machen, und meiner daben in Gnaden 
"zu gedenfen geruhen wollen ?’— Nach— 
dem ich nun die vorgängige Einftim: 
mung meines Herrn DBetters glücklicher 
Weiſe erhalten, fo bereichere ich heute 
den Hnpochondriften mit den 


Tiſch⸗ 


— Wi * 


— 469 


Tifchreden 
St. Gnaden Heren Ohluf Jernſtrup 


sefammelt 
von einem unterthänigen Verehrer 


D W. IM. aus Angeln. 





Am 4 un. 1769. 


| Als der Herzog Sforzia alt geworden 
war, und nun ſein Ende heran— 
nahen fuͤhlte, ſo gab er ſeinem Sohne 
Franceſco Sforzia drey Lebensregeln, 
die dieſer ſehr ſorgfaͤltig in feinem Ge— 
daͤchtniſſe aufbewahrte. Die erſte war, 
daß er Feines andern Mannes Frau bes 
rühren folle. Die zwente, daß er einen 
gewiffen Diener, der lange im Haufe 
gedienet hatte, nicht ſchlagen, fondern 
unverzüglich demfelben feinen Abfchied 
und verdienten Sohn geben ſolle. Die 
dritte und leßte, daß er Fein Pferd reis 
ten folk, welches bintenausfihlage, oder 
Ög3 dje 


470 ——— 


* 


die boͤſe Gewohnheit habe, feinen Reu— L 


ter abzuwerfen. — Der alte Sforzia 
wollte damit zu verfiehen geben, daß 
wir uns vor allen demjenigen hüten und 
in Acht nehmen follen, was uns kinder: 
lich, oder in der Folge ſchaͤdlich, wer: 
den kann. Denn nichts ift ung hinder: 
licher, oder in der Folı ge ſchaͤdlicher, als 
was wir nicht achten. 


Am 6 Sun. 1769. 


Hey der Kenntnig eines Menfchen 
find drey Punfte zu beobachten: wie er 
im Umgange mit feines Gleichen, mit 
Dornehmern, Herr Mävius, oder mit 
Mäcenaten, und mit geringern oder 
gleichgültigen Perfonen zu handeln ge: 
wohnt ift. Ein vierter Punkt ift, wie 
er handelt, wenn man ihn nicht beob: 
achtet; diefer ift der wichtigfte, Scha— 
de nur, daß man nichts davon weis. 
Ich habe Leute gekannt, die ich lieben 
vun wenn fie bloß mit mir * thun 

atten; 


—* 471 


hatten; bey andern fand ich ſie entwe⸗ 
der grob oder kriechend. Haͤtte ich mit 
ihnen uͤber den vierten Punkt zur Er— 
klaͤrung kommen koͤnnen, ſo waͤre das 
Wunder vielleicht bey weitem ſo groß 
nicht geweſen. 

Glaubt mir, Neffe, begegnet Jeder— 
mann mit einer gewiſſen Hochachtung. 
Es iſt beſſer, einen Narren mein Herr 
zu nennen, als ihn zu veranlaſſen, daß 
er feinen Herrn für einen Narren halte. 
Kein Verdienſt leuchtet fo belle, daß 
wicht ducch den Anfchein des Stolzes 
verdunfelt wird. Man haͤlt dafuͤr, dag 
“derjenige fich ſchon ſelbſt für fein Gu—⸗ 
‚tes bezahlt mache, der ſich etwas dar; 
auf einbilder, 


Am ır. Fun. 1769. 


Sch babe einmal von einem Manne 
gehört, der folgende Marime hatte, 
Wenn ich gut von Jemanden reden fol, 
fagte er, fo muß es hinter feinem Ruͤ— 

Ken ſeyn, und wenn ich Jemanden et: 
| 6934 was 


472 — 


was hartes zu ſagen habe, ſo ſag ichs 
ihm unter die Augen. Eben der Mann 
hatte viele eigne Meynungen, die ich 
fobald nicht vergefien werde. Cr pflea: 
te von fich zu rübmen, dag er feinen 
Menfchen nah dem Stempel fchäße, 
den das Glück auf ihn geprägt habe, 
und daß er den Mann höher achte, den 
Gott, als den, welchen die Heroldss 
fammer gemacht. Um ein vollfom; 
mener Feind zu ſeyn, fagte er ferner, 
thut man wohl, dag man die farve 
eines vollfommenen Freundes vorneh: 
me: bift du ein Hahnrey, dein Freund 
bat Schuld, denn dein Feind darf dir 
nicht nahe kommen; wirft du betrogen, 
dein Freund betrog dich, denn deinem 
Feinde hätteft du nicht getraut; haftdu 
deinen guten Namen verlohren, dein 
Freund hat dich verläumder, denn deiz 
nem Feinde glaubt Niemand, Aus 
diefer Urfache wähle ich mir meinen Auf: 
enthalt da, wo ehrliche unverhohlne 
Barbaren berrfcht, wo ein Menſch dem 

andern 





473 


andern auf eine edle Art, wie Löwen 
und Tieger, nicht wie Erocodile, auf: 
frißt, und wo der Teufel weiß gemahlt 
wird. — Wider diefe letzte Marine 
habe ich jedoch einige Zweifel, die bier 
augeinander zu fegen mich zu weit fü: 
ten würde, 


Am ı7. Sum 1769, 


Vor zwanzig oder dreyßig Jahren, 
da ich etwas jünger war, als ich jeßt 
bin, nannte man mich nur. den para= 
doren Sernfirup. Die Demonftratio: 
nen in der Philofopbie ſah ich z. E. für 
Satiren auf den Verſtand des Leſers 
an, und behauptete, wenn das Theo— 
rema ſeine Richtigkeit haͤtte, ſo wuͤrde, 
(in hundert Fällen gegen einen,) im 
Kopf die Prämiffen, wovon es die 
Schlußfolge wäre, von felbft ausfindig 
machen. Eben fo, da mich einer mei: 
ner Freunde fragte, was ich Pbilofo: 
phiren nennte, trug ich Fein Bedenken, 
ibm folgendermaßen zu antworten. 


G85 Phi⸗ 


a4 —- 


Philoſophiren, fagte ich, heißt gewoͤhn⸗ 
lich nichts weiter, als: Worte, die in 
der Sprache ſind, bald ſo, bald anders, 
erklaͤren, ohne ſich darum zu bekuͤm⸗ 
mern, was der Mann, vielleicht ein 
eh fchaler Kopf, der fie zuerſt brarich⸗ 

ſich dabey dachte, oder zu unterſu— 
En ob fie überhaupt in der Sprache 
feyn follten. Wer ſich, fuhr ich fort, 
von feinen Begriffen, den gangbarfich 
fowol als den verftecfteften, Rechen— 
ſchaft giebt; bey jedem Gedanken fragt, 
durch welche Reihen von eignen oder 
entlehnten (und entlehnt find die mei: 
fen), er daranf gerathen fey; was die 
Zeit, die Gefellfehaft, die Sprache, 
worinn.er lebt, für Einfluß auf feine 
Ueberzeugung habe; wer das, was er 
einem Vorrathe von reifen Erfahrungen 
zu danken hat, fleißig von dem abfons 
dert, was fich ihm ununterficht aufge⸗ 
drungen; wer nicht zu wiſſen traͤumt, 
was ihm zu wiſſen unmoͤglich iſt; wer, 
ehe er nach Wahrheit forſcht, zuerſt 


unpar⸗ 





425 


unpartheyifch über das Maas nach: 
forfcht, womit er diefe Wahrheit meſ— 
fen will, d. i. über feinen eignen Der: 
ftand; mer felten entfcheidet, und im: 
mer prüft: der Fan zwar ſehr unwiſſend 
feyn, mir aber heißt er ein Philoſoph. 


Am 20. Yun. 1769. 


Ein gewiſſer Biſchof von Florenz, 
ich babe vergefien, welcher, fagte zu 
einem gemwiflen Kardinal: Was der 
Menſch in der Welt hat, ift Geld, 
“ Leib, und Seele; das Geld neh: 
‘U men ihm die Advocaten, den $eib 
“ plagen die Aerzte, und die Geele 
“ ſteht unter der Zucht unferer Pfaf: 
fen.“ Der Kardinal verfeßte: 
+ Eben darum, Herr Bifchof, feht 
“ hr auch fo wenig Advocaten, die 
für fich felbft rechten, fo wenig 
Aerzte, die Arzney gebrauchen, und 
* fo wenig Dfaffen, die fich auf ihre 

Seele  befümmern. 7 — Das 
mag nun wohl in Florenz wahr gensefen 
. feyn, 





470 


jeyn, aber nichtwahr, Herr Doktor -- ? 
Herr Ober: und Landgerichts-Advocat --, 
auf unſre Zeiten und Gegenden pafit es 
gar nicht! 


. Amer. Sun. 1769. 


Der? — D! da ift König Opoceu 
ein ganz andrer Mann! — thun Gie 
doch den Herrn da den Gefallen, Herr 
Rofe, und lefen Sie Ihnen die Nach: 
richt vom Könige Opoceu vor, die Sie 
uns letzthin aus dem Dänifchen über: 
feßt haben. — Herr Roſe las. 

„ nfre Bothen befchrieben uns 
Opoceus Perfon faft als ein Unge— 
* heuer. Er war länger, als irgend 
“Jemand von feinem Volke; nicht 
ſchwarz, welches die Leib: und Lieb: 
* Jingsfarbe auf Öninea ift, fondern 
 voth; hager vom Leibe, als ob er die 
* Schmwindfucht hätte; feine Hände 
+ und Füffe noch einmal fo lang, als 
“ fie nach Proportion hätten ſeyn fol: 
“en, Unſre Bothen verſicherten 

“uns, 


pn ur 477 


“aus, fie hätten ihm nicht ohne 
« Grauen anfeben Fönnen; und das 
“ halten die Schwarzen für etwas 
“Groſſes, das Ehrfurcht verdient. ” 

“ Es war uns nicht leicht, einige 
“ yon unfern Accraern zu überreden, 
daß fie nach Aſſiante gingen, da 
“ fie fich doch gerne nach Am — 
fehicfen ließen, und einige fogar mit 
* unfern Bothen freywillig dahin lie: 
“ fen, wenn fie gleich nichts da zu 
thun hatten. Wenn wir fie frag: 
“ ten, warum fie fo ungern zu Opoccu 

* gingen, fo erzählten fie uns von 

Opoecus Tyranney, der faft in 
jeder Stunde des Tages, ja zuwei— 
* Ten gar mitten in der Nacht, den 
“Leuten die Köpfe abfchlagen lieffe, 
“ Einer verficherte mich, er habe drey 
“ und fiebzig Menfchen gezählt, die 
* innerhalb zwölf Stunden, oder von 
Aufgang bis Untergang der Sonne, 
wären ermordet worden; und fo 

’ ginge es täglich, manchmal meh: 
| “ rern 


2 


* 


« 


* 


* 
* 


* 


473 


ren, manchmal wenigern: ſie 
Accraer aber waͤren nicht gewohnt, 
ſo viele Ermordungen zu ſehen, 
kein Eſſen wollte ihnen in ſo einem 


Lande ſchmecken, und ſie ſehnten 


ſich nach dem Tage, da ſie von dort⸗ 
her wieder abgefertigt wuͤrden. Alle 
Todtenkoͤpfe werden in der Naͤhe 
von Oporcus Wohnung hingewor⸗ 
fen, wo man deren cine fo unge 
heure Menge findet, daß Fein Re 
fie zahlen fon, * 

¶ Opoccu giebt Audienz vor feinem 
Haufe, unter einem groſſen goldnen 
dickbelaubten und vieläfligen Baus 
me; fein Thron ijt ein Goldklum⸗ 
pen, den acht Männer mit, Steis 
cken und einer durchgefiecften Stans 


ge heraus und wieder bineintragen 


muͤſſen, nebft einem golänen Be⸗ 
cken, worauf er die Fuͤſſe feßt, feine 
Aufwärter muͤſſen ihn zweymal des 
Tages mit Unſchlitt über den ganz 
zen Leib bekleiſtern, und darauf wie 


"auch 





419 


+ ud in die Haare etwas feinen 
Goldſtaub ſtreuen: fo giebt er 

* Yudienz, | 
Wollte ein Maler den König 
Opoceu abbilden, fo müßte er ihn 
auf ſeinem Throne malen; von fei: 
nen Staatsbedienten umgeben; über 
4 den ganzen Leib von Goldſtaub glän: 
 zend; den Hut mit einer goldnen 
. Schnur und weiffen Feder geziert; 
Agrien N reihenweiſe um den Hals, 
” die Arme, die Beine und den 
Leib herumgeſteckt; ein Gürtel 
“von Goldſtuͤcken mit Taffent gefüt 
tert um die Mitte feines Leibes gez 
“ bunden; hundert Kläger und Ver: 
* Flagte auf ihrem Ingefichte zur Erde 
“vor ihm ausgeſtreckt; zwanzig 
* Scharfrichter mit Säbeln, Sie mit 
Hinrichten diefer hundert Kläger 
“ und 


* 


M Agrien find bunte Steine, die, auſſer 


dem Könige, nur der fragen darf, dem 
* Koͤnig ein Geſchenk davon gemacht 
af. 


.. 480 — 


“und Verklagten beſchaͤftiget find; 
* andere Scharfrichter, die warten, 
* bigdieerften Scharfrichter ihr Stuͤck 
““ Arbeit vollendet haben; und zuleßt 
* müßte er ung die Ausficht auf den 
* Daß malen, wo die Köpfe der fo- 
genannten Mifferhäter liegen, 
* Man möchte mir vielleicht bier 
* den Einwurf machen, daß der 
“ Sinrichtungen, genau gezählt, 
“ nicht hundert, fondern nur funfjig, 
+ fenn Fönnten, weil von Parten und 
* Gegenpartey erft die halbe Sum: 
* me abgeht, ehe es zum Hinrichten 
“ fömnit: allein es ift zu willen, daß 
“der Affiantifche Mifantrop Opoceu 
“ die Unjchuldigen mit den Schuldt: 
“ gen abthur; da die Partenen, die 
etwas wider einander haben, ihre 
* Sache nicht freymwillig vor den 
“ Thron bringen; daß Opoceu der 
“+ Große fie überall in feinen Laͤndern 
„herbeyholen läßt, ihre Händel erft 
‘ wohlbedächtig und weislich anhört, 
und 


— 


% 


451 





* 


⸗ 


und dann beiden Parteyen, um 
die genaueſte Unparteylichkeit zu 
beobachten, mit einander die En 
abbauen läßt. 
“Sp oft Opoceu Borben oder 
“ Gefandte von den Europäern bey 
+ fich bat, fo müffen fie zugegen fa; 
“ um fein Richteramt mit anzufehen: 
denn er hält mit mehr als koͤnig⸗ 
“ licher Hoheit der Seele dafür, je 
“ emfiger der Sandesvater das Hin— 
richten verwalte, deftomehr verdie; 
“ne er den Ehrennamen des Großen. 
Wenn -alles vorben ift, fo em— 
“ pfiehlt erdiefen Bothen, in dem Be⸗ 
richte an ihre Herren ja keinen Um⸗ 
“ ſtand zu übergeben, der ihnen einen 
* Begriff von ſeiner Groͤße beybringen 
“ Ffönne. Niemand darf bey Lebens: 
“ ſtrafe fehlechtweg Opoceu fagen, fon; 
dern der Höchfle, der Feuerfars 
 bigte ıc. 
Folge nun eine Abfchieds : Audienz, 

und Unterredung  Bailhen Opoccu, Kö: 


Der Hypoch. 2. T Hh nig 


4‘ 


Sn 


⸗ 


4 


* 


* 


4 


Sn 


= 


d 


R 


' 482 — 


nig von Aſſiante, und einem Bothen 
der daͤniſchen Compagnie, der Roy 2 
heißt. 

Die Titulatur, die in dieſer und als 
fen übrigen Unterredungen beobachtet 
wird, ift aus der Neger : Sprache bey: 
behalten; und Noy, der uns Dänen 
die Erzählung in portugiefifcher Epras 
che machte, bediente fih der Worte 
Sennor el Re, und Sennor Mofßs, 
d. i. Herr König, und Herr Zunge, 

Noy hatte dem Opoccu durch einen 
feiner Leib :Sflaven fagen laffen, daß 
er nun gerne wieder zu feinen weißen 
Herren zurückreifen möchte, die fonft 
auf ihn zürnen würden, mern er fich 
länger in Affiante aufbielte, liege alfo 
fragen, ob es dent Könige gelegen waͤ— 
re, daß er am folgenden Morgen feinen 

Abſchied nehmen möchte. Opoceu ant— 
wortete er koͤnnte kommen. Nachdem 
Noy 


) Noy war ein Neger aus Akra, der in 
Geſchaͤften gebraucht ward. 





483 
Noy um ſieben Uhr des folgenden Mor: 
gens in den innerfien Vorhof vor Opoe⸗ 
cus Wohnung war geführt worden, 
ſah er Opoccu bereits in vollem Putze, 


nämlich mit einigen Pfunden Goldftaub 
beftreut, der ihn alfo anredcte, 


Opoceu. Here Junge, bift du bey dem Ca: 
buſier (Oberprieſter), dem ich befohlen bat; 
te, Dich und deine Leute in fein Haus auf: 

zunehmen, wohl bewirthe: worden? 


Noy. D ja, Herr König. Ich und die Meis 

nigen haben Feinen Mangel gelitten, 

Opoceu. Herr Zunge, du bift nur fechg 
Wochen hier gemefen ; ich habe dic) lieb ges 
wonnen, und ich wuͤnſchte, dag du noch 
länger bier bleiben Fonnteft, um etwas mehr 
von meiner Größe zu fehen, damit du eg 
deinen weißen Herren erzählen koͤnnteſt. 
Haft du je meines Gleichen gefunden? 

Noy. Herr König, niemals! Deines Gleis 
chen ift nicht auf Erden. 

Opoecu. Darinn haft du Recht, und Gott 
im Himmel ift nur wenig gröffer,; als ich. 

Hh 2 Nie⸗ 


F 


484 — * 


(Niemand, ſetzt der Autor hinzu, wolle ſich 
über den Hochmuth eines aufgeblaſenen Ne; 
ger:Königs ärgern. In Europa Gottlob! 
denft man fehr viel befcheidner.) | 

Noy. Ich habe viele Könige in der Welt ge 
feben; aber dir würden fie nicht gleicy wers 
den, wenn fe auch auf einen Haufen zus 
fammen getragen würden. 

Opoccu. Herr Junge ich will dir zu trinken 
geben. Sollteſt du wohl glauben, daß ich 
fo gut Wein und Bier habe, als deine 
weiße Herren? 

Noy. Hear König, alles in der Welt ifi 
dein, und du Fannji es Haben. | 
Dpoceu befiehlt einem feiner Leute, 

eine Flaſche Engliſch Bier zu bringen, 

Der Bringer vergißt den Stabldrat 

vom Stöpfel abzuziehen. Opoccu will 

die Flafche in den Mund fchieben, und 
fticht fih am Stahldrat: er fieht den 

Sklaven ergrimmt an, — giebt fie 

ihm zuruͤcke. — Diefer nimt den Drat 

ab, Opoceu trinkt auf Noys Gefund: 
beit, Es wird Noyen ein Stuhl ge: 
feßt, 


Szenen 485 
feßt, Noy ſetzt ſich, nimt die Flaſche 
aus Opoceus Hand, und trinkt auf ſei— 
ne Gefundheit. Opoceu nimt fie ihm 
wieder, haltfie gegen den Tag, und faat: 
Opoccu. Herr Zunge, dir trankſt nur wenig. 
Noy. Herr König, ich darf nicht mehr. 

Ich merke ſchon, daß es mir zu Kopfe ges 
fliegen ff. — 
Opoceu. Herr Junge, nicht das Bier macht 
dich betrunken, ſondern mein Antlitz, wel, 
ches Jedermann trunken macht, der es ſieht. 
Noy. Das iſt wahr Herr König. Denn eis 
nie ganze Flaſche Brantewein, die ich in 
den Packhaͤuſern meiner weißen Herren 
mehr als einmal ausgetrunken habe, hat 
mich nie ſo — vergnuͤgt gemacht, als ich 
dieſe Zeit uͤber geweſen bin, da ich dein 
Antlitz geſehen habe. 
EEine uͤbertriebne Schmeicheley! 
Eben dieſer Noy und die andern Accra; 
er beklagten fich, fie hätten die ganze 
Zeit über befiändig Mangel an Appetit 
gehabt, und fie waren wirklich ganz 
mager, als fie heimfamen. Was muß 
53 den 





486 


den Groffen nicht alles aefagt werden, 
wenn fie es fchön gefagt finden follen!) 
Opoccu. Herr Junge, vergiß nicht, deinen 
tweißen Herren von diefer Deiner Uhfchiedss 
Heköftigung und andern Herrlichkeiten zu 
erzäplen, und fage ihnen, daß ich auf El— 
mine und fechs Fleinern Forts dreymal im 
Jahre alle Packhaͤuſer ausgeleert (ausge: 
Fauft) habe: fo ſollen auch die Packhaͤuſer 
deiner Herren dreymal im Fahre ausgeleert 
werden. Meine Leute follen nicht fern, 
wie vie elenden Afimer, die erfi ein paar 
Tage berumgehen und Dingen, ehe fie et— 
was Faufen, Zeige ihnen die Derter, mo 
die Seeteufel *) ans Land fieigen, damit 
fie fih hüten, dahin zu kommen: denn ic) 
babe meine Unterthanen lieb, und Fann fie 
auf andere Urt brauchen, *"). . — 
Und damit hatte die. Audienz ein 
Ende. Noy war beurlaubt, und ging 
nad) 
*) Die Menfchenränber, melde auf den 
Sklavenhandel ausgehen. 
=) Wie die Ausſicht aufden Schedelberg lehrt. 





487. 
nach Haufe. (S. Tilforladelig Efter: 
retning om Kyſten Guinea red &. F. 
Römer 9.190. f.) - 

Anmerkung von Herrn Dh 
uf Sernfirup. Wenn die Reifebe- 
ſchreiber, ſtatt ihrer unbeſtimmten Ur: 
theile uber Menſchen und Sachen, et: 
was mweniges von den Menfchen und 
Sachen, die fie geſehen haben, anfchaus 
lich machen, irgend ein Fleines Gefpräch, 
eine Gebehrde, einen Nebenunftand, 
wie der.obige von den Todtenföpfen und 
den hundert Klägern und Verklagten ꝛtc. 
irgend ein feines Sentiment bey gewif- 
fen Beranlaffungen, wie z. E. Opoccus 
Liebe gegen feine Unterthanen, irgend 
einen warmen Ausbruch der Natur, wie 
z. & Opoceus Betrachtung über feine 
eigne Gröffe, und mas dergleichen 
mehr iſt, gütigft mittheilen wollten : 
fo wüßte ich nichts, was ich einer Rei: 
febefihreibung vorziehen möchte. Aber fie 
haben gemeiniglich ganz andere Abfichten, 
die in ommerg Abſichten, aſtronomiſche 


b4 Abfiche 





438 


Abſichten, Cabiner-Abfichten ꝛc. einges 
theilt werden Finnen, und alle fehr vor: 
trefflich find, wenn gleich der Menſch 
nur zufällig — in Betrachtung 
koͤmmt. 


Am 26. Jun. 1769. 


In einem oͤffentlichen Blatte hat 
man vor kurzem die Sprachkenner auf 
gefordert, ein Wort zu finden, welches 
den Unterſchied der Poeſie und Dered- 
ſamkeit von den andern Wiſſenſchaften 
oder Künften etwas beftimmter und fürs 
zer ausdrücte, als cs Surch fhöne und 
höhere Wiffenfchaften ausgedruckt 
wird. Das Blatt ſcheint mir fonder: 
bar raiſonnirt zu ſeyn. Sch will Ihnen 
doch faren, worauf es nach des Ders 
faffers Meynung anfömmt. 

Kunft, fpricht er, unterfcheidet fich 
dadurch von Wiffenfchaft, daß fie eine 
ausuͤbende Geſchicklichkeit erfordert. 
Aber jede Kunſt ſtimmt mit jeder Wiſ— 
fenfepafe darin BR, daß fie ihre 

Grüns 





489 
Stände und Urſachen, ihre allgemeiz 
nen Begriffe bat. Wer zu dieſen hin: 
auffteige, findiet nicht die Kunft, fon: 
dern. ihre Wiſſenſchaft. Es ift alfo ir: 
tig, wenn man die Künfte den Wiſſen⸗ 
ſchaften entgegen ſetzt: denn alle Kuͤn⸗ 
ſte ſind zugleich Wiſſenſchaften. Poeſie, 
Beredſamkeit, Geometrie, Aſtronomie 
u. ſ. w. find Kuͤnſte oder Wiſſenſchaften, 
je nachdem man ſie entweder ausübt, 

oder ihre Grundbegriffe entwickelt. 
Eigentlich, fährt er fort, ſollte man 
in einer Kunft dreyerley unterfcheiden : 
ihre Ausübung, ihre praftifrhen Be: 
merfungen , und ihre Wiſſenſchaft. 
Henn man den mittleren Theil die 
Kunde nennen wollte; fo wäre, z. E. 
in der Poefie oder Geometrie, die Aus; 
übung die eigentlich fo genannte Kunft, 
die Kenntniß der Handariffe, Regeln, 
Beobahtungen, auch wohl die Hiſto— 
rie der Kunft, und was fonft dahin ge: 
hört, ihre Kunde, und die Zurich 
führung beider auf allgemeine Begriffe 
ihre Binenihaft Alle Genies 
Hh 5 be⸗ 


490 sone namen 


befißen den erfien und, infofern es die 
Gränzen  menfchlicher Einficht verftatz 
ten, auch den letztern diefer Theile: 
um den mittleren befümmern fie fich fel= 
ten, Shakeſpear war ein groffer Mei: 
fier in feiner Kunſt, und ein pbilofos 
phifcher Kopf vom erften Nange, aber 
die Kunde oder Theorie feiner Kunft, 
war ihm unbekannt. Der Maler Ri- 
hardfon und der Maler Mengs ſi nd 
tieffinnige Philoſophen. 

Die Eintheifung in höhere und 
niedrigere Wiffenfchaften, heißt es 
weiter, ift eine Objectiv: Eintheilung, 
und deswegen nicht brauchbar. Den 
Rang menfchlicher Wiffenfchaften ‚ber 
ftimmen nicht die Gegenftände, fondern 
die Kräfte, die dazu erfordert werden: 
Dieſe Fönnen bey niedrigen Gegenftän: 
ben eben fo hoch gefpannt feyn, als bey 
hoͤhern. 

Etwa gruͤndlich? ſchwer oder leicht? 
viel? wichtig? gemeinnuͤtzig? Alle dieſe 
Fragen geht der Raiſonneur nach der 
Reihe durch. 

Gruͤnd— 


— 491 


Gruͤndtich, ſagt er, iſt jede Wiſ— 
ſenſchaft: in jeder Wiſſenſchaft giebt 
es eine Tiefe, worinn ſich der gruͤnd⸗ 
liche Kopf umfeben kann. Die fpecula: 
tive Muſik iſt eine gründliche Wiffens 
Schaft, fo auch die fpeculative Poetik. 
Will man aber durch Gruͤndlichkeit nur 
den Grad der Gewißheit andeuten, fo 
wiffen wir, daß Evidenz der Meta: 
phyſik nicht eiguer ſey, als der fpecula: 
tiven Poetik. Die einzige gründliche 
Wiffenfchaft im ſtrengſten Berftande ift 
die Mathematik; und auch diefe nur, 
infofern dasjenige als wahr ange: 
nommen worden, wodurch die Fol: 
gerung wahr wird. Die angewandte 
Mathematik hingegen ift nicht mehr 
oder weniger gründlich, als alle andre 
Miffenfhaften — Chen fo verhält 
es fi mit dem, was Hlembert durch 
fciences exactes auszudrücken fucht. 
Auf Univerfiräten nennt man die 
fhönen Wiffenfchaften oft zum Unters 
fchiede der Facultaͤts-Wiſſenſchaften die 
leichten. Was dem Genie leicht 
wird, 


492 ei nn 





wird, kann den mittleren Köpfen ſchwer 
genug werden, Eulern ift die Aufl 
fung eines für viele Herrn von der Uni: 
verfität unauflöslichen Problems leicht. 
Allgemein leicht iſt allgemein fchlecht. 

Reelle! die fich mit Sachen, nicht 
mit Worten, beſchaͤftigen. Wieaber? 
find nicht felbft Worte, felbft Töne, 
Sachen, wenn man fie als Sachen 
anmendet oder betrachtet? Gind bie 
Gegenftände der Fünftlichen Nachab: 
mung, Erfcheinungen, Wirkungen, 
Empfindungen ꝛc. find die nicht Ga: 
chen? 

Dder will man unter Reel nur das 
verfiehen, was man fonft Wichtig 
oder Ge meinnüßig nennt : fo 
koͤmmt auch hier eine Fleine Frage vor. 
Redet man von der Staatswichtigfeit, 
von dem, was in einem Staat gemein 
nüßig ift, oder von dem, was über: 
haupt für die menſchliche Seele, für 
ihre Bedürfniffe, ihre Nahrung, ihr 
Wachsthum, ihre Fortdauer, wichtig 
und gemeinnüßig wird oder werden 

kann? 





493 


kann? Wo ift die Sflavenfeele, die 
den Nußen einer dem Keiche der Ideen 
wichtigen Entdeckung, Beobachtung, 
Ausfiht, oder Empfindung, nach feis 
nem andern Maafe berechnet, als dem 
Maaß der Politil? Fern fen ein fo 
unwuͤrdiger Gedanke ſelbſt von dem 
guten Buͤrger! am meiſten fern von 
dem Gelehrten! 

Anmerkung von Herrn Ohluf 
Sernftrup. Mesdames und meine 
Herrn, Gie werden nun neugierig 
ſeyn zu erfahren, was Sch über diefe 
Sache denfe, Und fo fage ich Shnen 
denn, daß ich alle Hochachtung für 
einen Vers habe, daß ich auch wohl 
ſelbſt manchmal einen Vers mache, wie: 
wohl ich geſtehen muß, daß ſie mir im 
Deutſchen nicht ſo gut fließen wollen, 
als im Griechiſchen: aber zugleich fa: 
ge ich Ihnen, daß ich auf der Welt 
nichts jo fehr deteftire, als wenn. mar 
von Kleinigkeiten mit einem Air d’im- 
portance fpricht, Und Verſe find 

Klei⸗ 


a — 


Kleinigkeiten, ſage ich Ihnen, und 
ſollte ſie auch Julius Cafar feibſt gemacht 
haben.’ Kleinigkeiten find fie, fo ge 
wiß, als ein Jagd-Codex oder eine he: 
raldifche Deduction Feine Kleinigkeit 
iſt! Was? Haben nicht fogardie Frans - 
zofen, die;fich doch unter allen Natio— 
nen am meiften auf ihre Verſe einbil: 
den, für Poffen und Verſe nur Ein 
Wort? Was find denn Verſe? möchte 
ich fragen. Chanfons! Und was find 
Chanfonsmacher? Fa, was fi ind fie, 
als — Poffenreißer! 

Hiezu koͤmmt noch eine Betrachtung, 
die ich für ſehr ernfthaft halte. Ei 
“ gennutz, Mangel an patriotifchen 
“ Gefinnungen, und $urus haben ge: 
* macht, daß der größte Theil der 
* Menfchen übermäßig arbeiten muß, 
“ um die nothwendigen Beduͤrfniſſe zu 
’ erlangen ; zu diefem größten Theile 
* der Menfchen gebören,, mit einer 
 feltnen Ausnahme, diejenigen, die 


“der Kiel, einen Vers zu machen, 
dd am 


inne 405 


“am gewoͤhnlichſten anzumandeln 
“pflege. Was werden aber die fagen, 
“ wenn fie in ein Amt fommen, wo 
“ man nicht mehr auf Kofen tritt, mo 
* Arbeit, Mühfeligfeit, Lingerechtig: 
“ feit, und ein ganzes Gefolge ven 
Uebeln fie empfängt? Wer unter 
“ den Weichlingen biethet ſich wohl 
“an, dem Staat zum Beſten zu ei: 
* nem Poften zu gehen, wo die Wir: 
“ terung rauh, und der Arbeit viel 
“ iſt?“ Dünfen fih nun ſolche unnuͤ⸗ 
tze Muͤſſiggaͤnger und Chanſonsmacher 
vollends berechtigt, von ihrer brodtloſen 
Kunſt eben ſo wichtig zu denken, als 
etwa ein Schatzungsmeiſter, oder ein 
Inquiſitionsrath, oder ein Fiſcal von 
der ſeinigen denken moͤchte: ſo frage 
ich Sie, und haben Sie die Gnade, 
Mesdames, mir darauf zu antworten, 
wenn Sie koͤnnen, ich frage Sie, ob 
nicht — — bier unterbrach ein ſtarker 
Schlucken, zu dem noch einige Pers 
ven; Zufälle fliegen, die groffe Frage, 

zum 


’ 
— 


495 —: 


zum Leidweſen der geſammten hohen 
Geſellſchaft, die fich eine der tiefſinnig— 
ſten Difeuffionen verfprochen hatte; und 
Herr Ohluf Jernſtrup ward genöthigt, 
urplöglih dem  Schlafgemach — 


eilen. 
En 30. Sun. 1769. 


Was man fo ſehr an Machiavellis 
Fuͤrſten auszuſetzen finde, mörhte ich 
doch willen! Machiavelli wollte zeigen, 
was für eine Art von Politik ein Gene: 
ral oder Fuͤrſt zu beobachten babe, def; 
fen Abſicht ift, Länder zu erobern, und 
eroberte Länder zu behaupten, Er war 
nicht willens, von der Moralität diefes 
Zwecks, fondern von den Mitteln, die 
zu demfelben binführen, zu bandelnz 
und diefe Mittel find feine andre, als 
die man inallen Büchernvom Krieges 
metier, und noch mehr in allen 
Handlungen groffer Eroberer antrift. 
Santa Erur, Feugnieres, u. a. find 
niemals getadelt worden, daß ſie aus 

der 


ne en 497 


der Zerfiörung des menſchlichen Ge; 
ſchlechts eine Wiſſenſchaft machen; in 
jedem Eroberer wird der General auf 
das ſinnreichſte von dem Menſchen un— 
terſchieden; und eben fo laͤße ſich auch 
von dem Principe des rechtfchaffenen 
Machiavelli jagen, daß es das nüß- 
lichfte Lehrbuch für einen Menfchen fen, 
der den erhabnen Beruf in fich fühle, 
auch ein folher Principe zu merden, 
wie der Herzog Borgia war. Auf die 
nämliche Art getraue ich mir auch den 
Mandevil zu vertheidigen. Hören Sie 
nur an, Fräulein --- Dod Sie gaͤh— 
nen. Ich bitte um Verzeihung, daß 
ich eine fo trockne Materie berübre: ich 
bin heute zu nichts vecht aufgelegt, als 
zu wichtigen und gemein nüßigen 
Anmerkungen. 
Sp weit Herrn Ohluf Jernſtrups 
ZTifehreven. 





Der Hypoch. 2. T. Ji Ein 


498 
DS a 


* Ein und zwanzigſtes Stuͤck. 


— — — aeno rariſſuma noſtro 
Simplicitas. 


OVID. 








Id yllen 


— — — 


Erſtes Idyll. 


Philen und Menalk. 
Menalk. 


De— den Amynt, der Pan der Flaur, 
gelehrt, 
Amynt, von deflen weifen Sprüchen 
Mein Vater fagt, daß fie an Werth dem 
Gold gealichen : 


Mann, 


———— 499 


Mann , den die ganze Flur verehrt: 

Der du die Wahrheit liebſt, die ſchoͤne Wahr 
heit kenneſt! — 

Sag mir einmal, Philen, was du das Beſie 
neuneſt: 

Der Liebe ſauftes Gluͤck! Geſundheit! Freund— 
ſchaft! Gold! — 

Wofuͤr entflammt dein Herz am meiſten? für 
die Blume 

Elyſiens vielleicht, fuͤr treue Freundſchaft? — 

Hold 

Und lieblich iſts, wenn, ihr zum Ruhme, 

Zwo Seelen für einander gluͤhn, 

Ganz Freundſchaft ſind, ganz für einander 
glühn, 2 

She Innerſtes einander offenbaren, 

Des Lebens Müh, ja Todsgefabren 

Dabey vergeſſen. — Dover ſchafft 

Vielleicht des Leibs Geſundheit mehr Ent 
zͤcken, 

Des Leibs, den Muth am Geiſt und weiſe 
Sinnen ſchmuͤcken? — 

Und wie empfindeſt du der Liebe ſanfte Kraft? 

Ein ſuͤſſes, zartes Mädchen lächelt 

“7 we Dog 


500 — 


Doch dreymal lieblicher, als jene Nofe lächelt, 
Die, ſieh einmal ! dort Zephyrs Flügel für 
helt. 

Wir, oder nimmt der Wunſch dich cin, 

Die reichften Heerden zu befigen, 

Um Andere durch fie für Mangel zu beſchuͤtzen? 
Denn ſchmerzhaäft ift des Mangels Bein! — 
Sprich, Freund, was wird das Beſte feyn? 


Philen. 
Wir waͤgen oft, mein Hirt, zu kuͤhn anf 
falfcher Wage 
Das, was die Hand der Götteruns befchehrt; 
Doch hat Gefundheit wohl den allergrößten 
Werth: 
Mich ſchreckt, mich ſchreckt noch Lykons 
Klage, 
Sein Her; war freudenleer, leer alles Gluͤcks: 
am Tage, 
Durd) fieben langer Fahre Lauf 
Fleht' cr am Tag’ um Kuh der Nacht; er 
fichte Ä 
Des Nachts um Wiederfehr der fernen 
Morgenröthe: 
Erſt jüngft nahm ihn das milde Grabmal auf. — 
Hernach, 


4* 


en. 501 


Hernach, Menalf, nenn ich es Gluͤck und 
Freude, 
dein Bich auf meiner eignen Beide 
Im ferten Kleee graſen fehn, 
Mit meinem Ueberfluß auch Andre ſaͤttigen, 
Und nicht den ſuͤſſen Becher miſſen. — 
Und dann iſis Seligkeit, bey Freunden, 
Freund! bey dir, 
Des kurzen Lebens Frucht genieſſen, 
Froh ſeyn, und laden! — — Doch, ver: 
zeih, o Schaͤfer, mir, 
Ich wuͤrde jedes Gluͤck nur als im Traum 
empfinden, 
Und wie ein Traum wird’ es verſchwinden, 
Wenn fie, durch die ic) leb' und bin, 
Wenn mir die ſchoͤne Daphne fehlte; 
Wenn meine Daphne nicht des andern Glide 
Gewinn 
Durch ihren Werth erhoͤb, durch ihren Kuß 
| befeeite. 


u z Zwey⸗ 


502 ER, 
Zweytes Idyll. 


Philen und Daphne. 


Km Daphne, wel ein goldner Tan! 

Komm, Bifte, fere dich mit, mir an 
einem Bad. n 

Kir haben lange nicht der Flöte holde 
Scherze 

Verſucht; gefaͤllt es dir, ſo ingen wir ein 
Lied, 

Ein Mechſellied dazu, das ſanfte Liebe gluht, 

Und zaͤrtlich iſt, ſo wie bein Herze. 

So ſprach Philen. Die ſchoͤne Daphne ging 

Mit ihm, fein treuer Arm umfing 

Die Liebenswirdige. Sie fangen; 

und alle Wipfel wurden fill, 

Nur Zephyr trieb fein gaufelnd Spiel: 

Selbſti Philomele ſchwieg, und horchte, ganz 
Gefüuhl, 

Und horchte froͤhlich, was ſie ſangen. 


Philen. 


— 503 


Philen. 
O ſchoͤner Tag! wie mild iſt Zephyrs Hauch! 
er lockt | 
Die Schäfer auf die Flur, das ganze Thal 
frohlockt; 
Allein wenn Daphne ſingt, dann erſt erheb' 
ich ihn: 
Er bringt ihr ſuͤſſes Lied vors Ohr der Got: 
ter bin. 


Daphne. 
Schoͤn iſt der klare Bach, er rollt 
Die kleinen Wellen uͤber Gold | 
Usd taufend Blumen hin. Allein fingt ihn 
Philen, 
Dann iſt der Bach erſt wunderſchoͤn: 
Denn was Philen beſingt, wird ſchoͤner noch, 
als Gold. 


Philen. 
Oft ſitzt Menalk an einem Waſſerfall, 


Sein Lied vom Pan crtönt, am Felſen tönts 
zurück ; 


Gig Ich 


504 — 


Ich aber reis’ ihn auch, den frohen Wieder⸗ 
heit: 
Er nennt mir Daphnen; beſſres Gluͤck! 


' Daphne. 
Stolz; ahmt der Wicderhall Philens Ge 

fänge nach; 

Doch wenn der Hirten Bruſt vor Freuden 
uͤberſſießt, 

Sp bin ich ſtolzer noch: ich ſage ſtill dem 
Bach, 

Daß mein Philen der beſte Schaͤfer iſt. 


Philen. 
Todt iſt die Flur, der Feng iſt todt, 
Es trauren Hirt und Heerd', und Be 
find die Euter; je 
Doh Daphne fümmt, ſchoͤn, wie das Mor: 
genroth: 
Und Lenz und Flur erwacht, des Hirten Aug' 
iſt heiter, 
Der Heerd entflieſſet Milch, und Laͤmmer 
werden fett, 
Und Korn und Obſt und aller Wuchs aeräth. 
Daphne. 





505 


Daphne. 
Suͤß iſts, und alles fühlt Entzuͤcken, 
Wenn, nach des Winters Traur, der frohe 
Lenz erwacht, 
Die Sonn am Himmel wieder lacht: 
Doch dich, Philen, nach langer Nacht, 
Am Morgen wieder zu erblicken, 
Iſt fuͤſſer, als das Licht des Tages zu erbli— 
cken. 
Mehr, als den ſchoönſten Tag des Fruͤhlings 
zu erblicken. 


Philen. 
O du mein Glück, mein Stolz, o Herz 
voll ſanfter Milde, 
Ans dem ſich lauter Fremd ergießt! 
Dein Kuf iſt mir, was lechzendem Gefilde, 
Was Morgeuthan den duͤrren Wieſen iſt. 


Daphne. 
Du beſter Hirt, wie eb’ ih dich! 
Ach, unaus ſprechlich iteb’ ich Dich! 
D Herz, aus den fi) lauter Freud’ ergieft. 
Dein Kuß iſt lieblicher, als Moſt und Honig ift. 
Jis Drit—⸗ 





506 





Drittes Idyll. 


Philen. * 


5 da, Menalk! du ruheſt hier 

Am ſchattigten Gebuͤſch', indeß ſich 
deine Heerde 

Zerſtreuet? Was für Gram, Menalk, was 
fuͤr Beſchwerde 

Drücke deine Bruſt? — Gewiß hat Liebe dir 

Die Stirne ſo gefurch't! Ich hoͤr auch deine 
Flote 

Nicht mehr ertoͤnen, ſchon ſeit vielen Tagen 

| nicht. 

Wie, junger Schäfer , Purpurroͤthe 

Umfließt dein weinerlih Geſicht! 

O ſchaͤme dich der füllen Triebe nicht, 

Der Triebe, die fih auch im Götterherzen 
regen: 

Tan felber laͤchelt oft den Nymphen gütig zu. 

Dergebens, Freund, arbeiteſt du 

Dem Strome der Ratur entgegen. 

Durch Liebe wird fi deiner Flöte Klang, 

Und dein anmuthiger Geſang 

Ber: 


namen 507 


— in dein Herz koͤmmt durch ſie 
ſchoͤnre Milde. 


Oed' und verſengt iſt das Gefilde, 

Wo Liebe nie geherrſcht: kein balſamreicher 
Duft 

Entflieſſet da der Blum’; und herbe find die 
Reben: 

Geſchmacklos iſt ihr Saft, er perlt nicht 
Freud' und Leben. 

Da reift kein ſuͤſſes Obſt; Erin Lamm ſpringt 
da; die Luft, 

Die daher koͤmmt, führt Gift auf ihren 

Schwingen. - 

And wo die Liebe herrſcht, da blühen Hayn 
und Flur, 

And fireun Geruͤch' under; die Nachtigallen 
fingen 

Ihr himmliſch Lied daſelbſt; ganz Freud’ iſt 
die Natur. | 

Sey mir gefegnet, holde Flur, 

Mein vaͤterliches Thal! Hier iſt der Liebe 
Spur! 


Sir 


vie, ——— 





508 EDITED. 


Sie hat bier oft verweilt: drum feh ich 
dort Getraide; 

Drum rieſelt hier ein Silberbach; 

Drum ſeufzt der Wiederhall verliebten Flöten 
nach; 

Drum baucht die Blume Scherz und Freude. 

Sieh rund umbır, Menalk, wie glaͤnzet ver 
datur 

Und muntrer Arbeit Frucht! mie fühle ſich 
dieſe Flur! 

Menalk, das iſt der Liebe Spur! 

Denn iede Blume duftet Freude. 


Die Lieb’ ergöget allemal, 
In ikrem Eraft, im ihren Scherzen 
Gefaͤllt ſie jugendlichen Herzen. 
Sie lagre ſich in ein beblaͤmtes Thal, 
Und lehr' am Bach im Schaͤferkleide 
Die Heerden und die Hirten Freude: 
Der führe nicht ſchnell der Liebe Sid? — 
Itzt leitet fie, anf vngebahnten Wegen, 
Den Manderer zur ſchoͤnen Braut zurüͤck; 
Er weiß, die Theure blickt ibm ſchmachtend 
fon entgegen, 
(Die 


{Die Liebe flüfterts ihm ins Ohr) und eilt 
und firengt | 

Sich au! und ſieht ſie nun! — fie, die ihn 
treu umfaͤngt. 


Verhoͤllt in loſen Fruͤhlingsweſten, 


Laͤdt ſie zuweilen auch in einen ſtillen Hayn 

Ein paar Verliebte zärtlich ein. 

Da ſchuͤttelt fie von bluhtenvollen Aeſten 

Vertraulichkeit und Spiel und Scherz 

Herab in der Verlichten Herz, 

und traͤgt alddann auf pfeilgeſchwindem Flügel 

Gefpräch, Vertraulichkeit, und Kuß und Spiel 
und Scher; 

Weit uͤbers Meer und über ferne Hügel. 

uch zeigt fie oft ein wenig Grauſamkeit, 

Und gießt in eines Juͤnglings Seele 

Die Schmerzen ihrer Philomele, 

Treibe ihn an einen Fels, und nähre fein 
ſtummes Leid: 

Dis, wenn fie gütig wird, fie plößlich allen 
Kummer 


- Dem Jünglinge benimmt, und ihm in ſanf— 


tem Schlummer 


[a 


„JR 


> Be 1 


510 — 





In blendender Geſtalt erſcheint, und an der 
Hand | 

Das raſche Maͤdchen führt, das er ſo ſproͤde 
fand. * 

Der Juͤungling wacht dann auf, voll Hoffnung 
und Verlangen, 

Und o! fin Mädchen koͤmmt gegangen, 

Und Wonne, Wonnue ſtroͤmt ihm zul — 

O Liebe, wie ergoͤtzeſt du! 

Auch ich, auch ich bin voll von deinen Trieben: 

- er kann wohl mehr, als ih und Daphne, 
lichen ? 


— *— —— 


Beſchloß des Schickſals Vater doc, 
Daß nad Jahrtauſenden, dir, holde Flur, 
zur Ehre, 
Philens und Daphnens Liebe noch 
Der Hirten Lied und Muſter waͤre. 


Sie ſaͤngen dann: “ Ein zaͤrtlichs Paar 
4 Berfchönerte vordem dieß Thal und dieſe 
Weide; 
Philens 





511 





Philens und, Daphnens Liebe war 
Des ganzen Thales Gluͤck und Freude, 


+ Yhilens Gefang ſchoͤn durch Natur, 
A Entzückte iedes Heri, er ſang nur was er 


hite 
Sein — ſang er, und die Flur 
“Frohlockte, und glaubte, Phoöhus ſpielte. 


Seht dort den Duell, an dem er ſaß, 
An dem er oft den Lenz und (eine renden 
haſchte, 
“Sich oft in ſuͤſſer Gluth vergaß, 
Bis Daphnens Kuß ihn uͤberraſchte., 


Danu, treue Goͤtter, laßts geſchehn, 
Das manche Seele mid im Eliſaͤerfelde 
Erfrag', und nach Jahrtauſenden 
Mir noch mein Lob auf Erden melde. 


Es ſage, wer mir dann erſcheint: 
“Philen und Daphne find noch unſers Thales 
Ehre; 
Man nennt die Namen kaum, und weint 
“Schon sine ſtille Freudenzaͤhre. 


“Und 





512 


nd iedem Paare wuͤnſchet man 
Philens und Daphnens Gluͤck, ist Hymens 
feltue Gabe; | 
“Noch zeigt man euer Grab uns an, 
“nd Roſen duften auf dem Grabe. ,, 


Sp werde Zärtlichkeit belohnt! 
Sch flehe, laßts gefchehn, ihr Geber als 
| - Guten! 
Euch Göttern foll auch jeden Mond 
Ein fettes Lamm zum Opfer bluten. 


— u 


Viertes Idyll. 
Philen und Daphne. 


Philen. 
eil dem Hirten, der von Liebe gluͤht! 
Schalle durch die Flur, mein Lied! 
Heil dem Hirten, welchen Daphne liebt! 
Welchem Daphne Goͤtterfreuden giebt! 


Daphne. 





513 
Daphne. 


Holde Flur, die mich als Kind gefannt; 
Siehe mi nun auch an meines Schäferg 
Hand! 
An des beſten Hirten Hand! 
Nein, in dieſen wolluſtreichen Gruͤnden 
War nichts ſuͤſſers, als mein Hirt, zu finden. 


Philen. 


Oft ſingt Mils hier am Waſſerfall; 
Ceres iſt ſein Lied: der Widerhall 
Töne der Goͤttiun Namen laut zuruͤck. 
Doc ic) reiz ihn auch, ven Wiederhall: 
Und er nenne mir Daphnen: — beſſres 
Gluͤck! 


Daphne. 


Hoͤr ich deinen Namen auf den Triften, 
O wie wallt der Buſen mir empor! 
Aber ſeh ich dich auf dieſen Triften, 
Höher wallt mein Buſen dann empor! 
Jede Blume drängt fih dann hervor, 
Der Hypoch. 2. T. KkHebt 


u 





Hebt mit mir ihr frohes Haupt empor, 
Ihren Balſam auszudüften. 


Philen. 


Als ich juͤngſt in dieſem Schatten lag, 
Da Fam Daphne, fehöner; als der Tag; 
Der verliebte Wind auf jenem Hügel 
Wehete mit fanftem Flügel 
In ihr braun und lockigt Haar. 

Und als fie nun näher bey mir war, 

(Nur an dem Geräufeh von ihren Füffen 

Merkt ichs, die durch Roſen und Narciſſen 

Zu mir ſchlupften: denn ich ftellte mich 

Schalfhaft an, als fehlummert ich!) 

Als fie näber kam, wie jugendlich, 

Sagte fie, wie fhon ſchlaͤft nicht mein Schaͤ— 
fer hier! 

Und nun ſaß fie zärtlich neben mir. 


Daphne, 
Und ich fagte: Bey den Schafen 


Iſt mein Schäfer eingeſchlafen. 
Könnt 


— 515 


Koͤnnt ichs doch von euch, ihr andern Schaͤfer, 
Mir erbitten, für den werthen Schlaͤfer 
Mir erbitten, daß ihr leiſe gingt. 

Und ihr, die ihr in dem Baume ſingt, 
Laſſt ein andermal, ihr Nachtigallen, 

Euer fuͤſſes Lied erſchallen. 

Und kein Zephyr rauſche durch den Baum. 
Und du, lieblichſter der Baͤche, 

Dein Gemurmel unterbreche 

Nicht des Hirten Schlaf und Traum: 
Denn ich fehs, er träumt von mir. 

D wie fehön ſchlaͤft doch mein Schäfer hier! 


Philen. 


Wie dieß Thal, wo Roſen und Narciſſen, 
Wo ſich tauſend Blumen kuͤſſen, 
Immer eine ſchoͤner, als die andre: 
So ift Daphnens blühend Herz, 
Doll Empfindung, Zärtlichkeit, und Che; 
Eine Tugend kuͤßt die andre. 


Kk 2 Daphne. 





516 


Daphne, 


Ich bin nicht fo fchön, wie andre Mädchen, 
Meine Hcerd ift auch nur Flein: 
Aber zärtlih bin ich braunes Mädchen, 
Zärtlicher wird Feine Hirtinn feyn. 


Philen. 


Daphne, du nur reizefi mich vor allen) 
Durch) dieß Auge, das nur Liebe blickt, 
Durch dieß Lächeln, das fo mild entzückt, 
Durch die Seele, die dich ſchmuͤckt, 
Daphne, wirft du ewig mir gefallen! 


| Hymne 





s17 





Hymne 
en den May, 
Philen und Daphne. 


Philen. 
er du aus Roſenlauben 
Dein blühend Haupt erhebſt, . 
In Beilchenthau dich badcft, 

Auf Nelkendüften ſchwebſt: 
Schönfter unter den Mayen?! 
Erfigebohrner des Lenzes! 

Gib Einen deiner Kränze mir! 

Daphne. 

In deinen Myrthenhaynen 
Laß unter deinen Fuͤſſen 
Den ſchoͤnſten deiner Kraͤnze, 

Du junger May, entſprieſſen! 
Ihn unverwelklich 

Um meine Stirne bluͤhn 
Und junge Roſen um ihn gluͤhn?“ 


3 Phi⸗ 


518 ——— 


Philen. 


Mit allen Liebesgoͤttern 
Traͤufſt du in unſer Herz. 
Dann fuͤhlt es mit Entzuͤcken, 


Kuß, Muthwill, Freude, Scherz, 


Stille Rauſche der Liebe, 
Suͤſſe Rauſche der Liebe, 
Und wolluſtreichen Wonnetod— 


Daphne. 

Dir folgen mit Entzuͤcken, 

Und Arm in Arm geſchlungen, 
Vertraute ſuͤſſe Freuden, 

Von Nachreu nicht verdrungen. 

Verlaßt uns nimmer, 

Ihr jungen Tugenden, 

Ihr unſers Lenzes Grazien! 


Beide. 
Umkraͤnzt mit deinen Myrthen, 
Jubruͤnſtig feyern wir: 
Du Erſtling unſrer Wonne, 


w 


Dir, 


+ 


— 519 


Dir, Map, wir feyern dir! 
Schönfter unter den Mayen! 
Segentricfender! Schoͤuſter! 

Heil, Heil, und Dank, und Wonne dir! 


Sieh ung dir jährlich feyern, 
Bon deinem Heil durchdrungen ! 
Kehr oft uns freundlich wieder, 
Und ſtets von uns beſungen! - 
Stets hold und freundlich, 
Stets, wie du ist biſt, neu, 
Stets der von uns gepriefne May! 


St Zwey 


520 
ô A TA SZ 


Zwey und zwanzigſtes Stüd. 


D daß nur das groß ift, was unnachahme 
bar iſt! 
Zimmermann vom Nationalſtolz. 





Ti bin ftolz auf die Lobfprüche, die 
meine allertbeuerfien Leſer und fe: 
ferinnen, befonders die Herren Kunft: 
richter, den Blättern des Hnpochoen: 
driften fo edelmüthig zu ertheilen belie: 
ben. Das tob eines Kunftvichters ift 
mir allemal, was einem fchwachen 
Staate die Garantie einer groffen Puif 
fance iſt; ich bin unter feinen Flügeln 
fiher, daß der feharfe Zahn des Dei: 
des zwar Fnirfihen, aber mich niemals 
beiffen fol. Noch ſtolzer Bin ich auf 
die Muͤhe, die fich viele meiner Leſer 
geben, zu der Gemeinnüßigfeit des 

| a5 Hypo⸗ 


= — 


— 521 


Hypochondriſten auch das ihrige benzu: 
tragen. : Unter andern habe ich mich 
ſehr gefreut, da ich vor einiger Zeit er: 
fuhr, daß Jemand tabeilarifche Ent: 
würfe über meine Blätter gemacht habe, 
um die. Methode diefes Werks defto 
beſſer überfehen, und mit den Shſte— 
men der Profefforen vergleichen zu Fön: 
nen. Ich werde ihm in dieſer Be: 
fchäfftigung zuweilen huͤlfliche Hand bie; 
ten, und einen Winf geben ſo oft ein 
Kapitel zu Ense ift, oder ein S koͤmmt, 
den man einmal brauchen Fann, 
Gleichwohl, ich muß es nur geftehen, 
fallen doch auch zuweilen einige Urtheile 
vor, die mich Fränfen, weil ich daraus 
fchlieffen muß, dag man mich nicht al- 
lerdings für den aufrichtigften Schrift: 
fteller halte. Noch vor kurzen, da ich 
einen Beſuch bey einem nreiner Anver— 
— ablegte, hoͤrte ich einen Ber. 
d. ſch. W., der feit zwey Monaten von 
einzig berimter ift, ohne Umfchweife 
darehun, ich — unmöglich hypo— 


f5 chon⸗ 





522 


hohdrifch fenn, weil ich lachte, und 
er berief fich deswegen auf die Zeng- 
niffe der Aerzte, *) die des Lachens unter 

| den 


*) Ich dürfte zu meiner Dertheidigung 
nur anführen, daß meine Hypochondrie 
niemals von der ſtaͤrkſten Urt geweſen ift, 
und daß ich fehon deutlich genug ange: 
zeiget habe, wie felten ih damit b& 
ſchwert fen: aber es iſt nicht das ein: 
ziaemal, daß die Herren Aerzte fihirren. 
Einer der arößten Doctoren bat eine 
Erklärung diefer Krankheit gegeben, die 
ic) bier den Leſern zu Gefallen, welche 
mich ſchon lange um eine Erläuterung 
meiner Krankheit befragt haben, weil fie 
meine Schrift anfangs für ein medicinis 
fches Wochenblatt hielten, mittheilen 
will, die aber nichts weniger als voll: 
frändig iſt, und ſich durch das Beyſpiel 
vieler hypochondriſchen Perjonen wider: 
legen laͤßt, welche ihre feinſten Scherze 
im Parorifmus niedergefchrieben haben: 

Je 


ei ee ee ee a en nur 


P_ EZ, - 


den Symptomen der Hypochondrie nie: 
mals Erwähnung thun. Dieſer Fehler, 


..- 


feßte 


-. Je Yappelle m£lancolie hypocon- 


driaque, ſagt der Doctor, pour la di- 


ſtinguer des deux autres; car le ce- 


lebre Galien établit doftement a fon 
erdinaire trois Efpeces de cette ma- 
ladie, que nous nommons melanco- 
lie, ainfi appellee non feulement 
par les Latins, mais encore par les 
Grecs; ce: qui eft bien à remarquer 
pour nötre affaire: la premiere, qui 
vient du propre vice du cerveau, la 
feconde, qui vient de tout le fang, 
la troifieme, appellee hypocondria- 
que, laquelle procede du vice de 
quelque partie du bas ventre, & de 
la region inferieure, mais particu- 


© lierement de la ratte, dont la cha- 


leur & l’inflammation porte au cer- 


veau de notre malade beaucoup de 


fuligines. é paiſſes & crafles, dont la 


vapeur 





524 | 2 se» 


feste er hinzu, ift in dem gegenwaͤrtigen 
Fall deſto wichtiger, weil der Verfaſſer 
einen Hauptgrundſatz des Geſchmacks, 
nämlich die Waͤhrſcheinlichkeit, dadurch 

| | be; 


vapeur noire & maligne caufe depra- 
vation aux fonttions de la faculte 
princeile, &'fait la maladie hypo- 
eondriaque. Qu’ainli foit, pour 
diagnoftique inconteftable de ce que 
je dis, Vous n’avez qu’a conliderer ce 
grand ferieux que Vous voyez; eette 
triftefle accompagnee de crainte & 
de: defiance, fignes pathognomiques 
& individuels de cette maladie fi 
bien marguee chez le divin vieillard 


Hippoerate; cette phifiognomie, ces 


yeux rouges & hagards, cette gran- 
de barbe, cette habitude du corps 
menue, grele, noire, & velug, les- 
‚quels fignes le denotent tres-aflecte 
de cette maladie, procedant du vice 
des hypocondres: - laquelle maladie 
| var 





| 
| 
1 
| 
{ 


——— 525 


beleidigt; zu geſchweigen, daß es un: 
verzeihlich ift, erft die Würde eines 
Autors durch einen fo feltfamen Cha: 
rafter zu verlegen, und nachher diefen 
Charakter nicht einmal behaupten zu 
Fönnen, | 
Fin junges verheirathetes Frauen: 
zimmer nahm das Wort auf, um ihn 
zu widerlegen, oder vielmehr mich auf 
einer noch unendlich empfindlichern Seite 
„anzugreifen. Ich weiß nicht, hub fie 
- aw,..ob das Lachen von den Aerzten ver: 
worfen wird , wenn jemand hypochon⸗— 
driſch Fey foll; wir Frauenzimmer Föns 
„nen von folchen Kranfheiten nicht ur: 
theilen: das aber weiß ich gewiß, wenn 
* Herr 


var laps de tôms natwralifee, envieil- 
lie, habituee, & ayant pris droit ds 
bourgeoifie chez lui, pourroit bien de- 
generer ou en manie, on en phtifie, 0% 
en apoplexie, on möme en furie, phre- 
nefie & fureur. (Voyez Mr. de Pou- 
'geaugnac A. L. 8. 3.) 


526 — 


Herr Jernſtrup in ſeinem Leben nicht 
hypochondriſch geweſen waͤre, ſo war er 
es doch ſicher, da er Klopſtocken unter 
den abgoͤttiſchen Namen Tialf und 
Braga ſeinen Weihrauch ſtreute. Ein 
Mann, der ſich ein Vergnuͤgen macht, 
etwas zu bewundern, das nicht ge— 
ſchrieben iſt, um verſtanden zu werden, 
fo ein Mann --—- — man nenne ihn 
wie man wolle, ich nenne ihn bypochon: 
driſch. | 

Schöner Mund, wollte ich mit Zit— 


i 


tern ausrufen, ift es möglich, daß von, 


englifchen tippen folche gottſchediſche 
Worte flieffen Fönnen! — —- als ich 
mich gefchwind beſann, daß ich mich 
verrathen würde; ich befchloß aber, nach 
denn Exempel unfers groffen Lehrers 
Sokrates, durch Machgeben eine fo 
witzige Schöne zu überwinden, 


Heben mir faß meine Eleine Nichte 
am Rabnıen, und flicte. 


$iebes 


‘ 





327 


Liebes Ehriftianchen, fingihen, ) 
mir deucht, Sie find mit ihrer Arbeit 
nicht recht zufrieden ? Sie find ja ganz 
eifrig geworden: Können diefe fanften 
gallfreyen Herzen auch in Feuer ge— 
rathen? 

Chriſtianchen. O gewiß, ant: 
wortete ſie, das Blatt hier macht, daß 
ich alle Geduld verliere: ſchon ſeit einer 

Stunde 


) Ich darf wohl nicht erſt erinnern, daß 
das folgende Gefpräch nicht für Kenner 
gefehrieben it: Die Kenner find über 

‚den Werth der Mefliade ſchon einig ge 
nug, als daß man ihnen darüber etwas 
neues jagen koͤnnute. Wenn man ſo 
billig if, zu glauben, daß die bier be 
antworteten Einwürfe wirflich noch bis 
auf diefe Stunde unter uns bey den for 
genannten Perfonen voa Geſchmack im 
Gange find, fo glaubt man zwar etwas -- 
was nicht allerdings zu unferer Ehre ges 
reicht, was aber meinen Vorfag , fie zu 
beantivorten, vechtfirtigen kann. 1762. 


528 Sn nn 


Gtunde verfehle ich die Natur, und 
noch ift mir Fein einziger Stich gelun— 
gen. 
Jernſtrup. Wenn das ift, fo find 
Sie mit einer ſehr undanfbaren Arbeit 
befchäfftige: denn ich glaube fchwerlich, 
dag man Ihnen ein groffes Versienft 
daraus machen würde, wenn Sie auch 
feinen einzigen Sehler gemacht hätten, 
Ich wenigftens würde die vollfommenz 
fte Sticferey von der Welt ſehr kaltſin⸗ 
nig aus der Hand legen. 

Ehrift. Kein Wunder! Gie haben 
fich vermutblich niemals die Mühe ge 
geben, die Vollkommenheit, deren eis 
ne Stideren fähig ift, zu unterfuchen. 
Wenn Sie aber einige Aufmerffamfeit 
auf die Nündung, die freye Zeichnung, 
die Gleichheit des Stiches, auf die 
fommetrifchen und abftechenden Schöns 
beiten, auf die Simplieitär der Figus 
ten, auf ihre befcheidene Verzierung, 
auf die Schwierigfeiten, alles diefes 
mit der Madel bervorzubringen, ge 

wandte 





529 


wandt hätten: fo würden Sie vielleicht 
weniger. flüchtig darüber hinwegſehen. 
Und doc würden Sie nod) immer eis 
nen ſehr unvollfiändigen Begriff davon 
haben, fo lange fie nicht felbft Hand 
angelegt hätten: glauben Sie mir das 
auf mein Wort. 

Jernſtr. Wie? Eie wollen mit 
folche weitläuftige Unterſuchungen zu= 
muthen, um eine Stifferey fchön zu 
finden? | 

Ehrif. Warum nicht? Go bald 
es Schönheiten find! Haben Sie mir 
nicht felbft .gefagt, man müffe Schön; 
heiten verglichen, über Schönheiten 
nachgedacht, und ſelbſt Verſuche ange: 
ftelle haben, wenn man ein Urtheil da: 
von fällen wollte? 

Jernſtr. (halb leife) Loſes Maͤd⸗ 
chen! Sie ſagen da etwas, was Ma: 
dame uͤbel nehmen koͤnnte. (laut) Ich 
wollte wohl wetten, Madame, daß 
Sie ganz anderer Meynung ſind, als 
Chriſtianchen. Nicht? 
‚Der Hypoch. 2. T. 1 Ma— 





339 


Madame, Keinesweges! Es geht 
darinn, wie mit der Muſik. Die fein 
ften Reizungen erfodern ein erfahrnes, 
gelehrtes Ohr, und ein Unwifjender 
wird lauter Mistöne bören, wo der 
Kenner in Entzücken geräth. Freylich 
muß man Schönheiten verglichen und 
darüber nachgedacht haben, wenn man 
davon urtheilen will, 

Jernſtr. Das ift mir leid; denn 
auf die Art hat Klopftock fchon halb ge: 
wonnen, wenn fo viele Umftände nor 
thig find. Erinnern Sie fih, Madam, 
was Sie furz vorher ſagten. 

Mad. Ich erinnere mic) deffen fehr 
wohl; der Fall ift aber verändert: denn 
wenn man fehreibt, fo muß man die 
Adficht haben, verflanden zu werden, 
fonft bat man umfonft gefchrieben. 

Jernſtr. Verzeihen Sie mir, daß 
daß ich Ihnen miderfprede, Wozu 
denn die feinen Schönheiten der Sticfe 
rey, und der Mufif, wenn man vor: 
aus weiß, dag nur wenige etwas das 
| von 





— 531 


von verſtehen? (Ich ſteckte mich mit 
Vorſatz hinter eine kleine Zweydeutig⸗ 
keit, um deſto geſchwinder zum Zweck 
zu kommen.) Wir koͤnnen immer ver 
muthen, daß der Fehler vielleicht an 
uns ſelbſt liege, und daß hundert ande— 
re dasjenige hoͤchſt verſtaͤndlich und 
ſchoͤn finden, was uns lauter Chaos 
und Dunkelheit ſcheint. Sie werden 
mir einraͤumen, daß ein ieder Skribent 
in der Welt ſeine verhaͤltnißmaͤßige 
Dunkelheit und Deutlichkeit habe, und 
Sie werden mir kein einziges Buch nen⸗ 
nen Fönnen, was nicht für irgend eine 
Gattung von Menfchen unverfiändlich 
feyn follte, Wie vielmehr müffen wie 
diefes alfo von folden Werfen behaups 
ten, die ihre Züge aus einer ganz ans 
dern Reibe der Dinge hernehmen, als 
wir um uns her fehen, und eine Phan- 
tafte voraus feßen, die fich in eine jede 
Welt fchickt. | 

Mad. Gewiß Sie werden mir nicht 
zutrauen, daß ich von einer folchen Art 
— N2 der 


532 PIE 


‚der Deutlichfeit rede: ich müßte ja aus 
einem Dichter einen profaifchen Dleimer 
machen, alle malerifche Ausdrücke, my: 

tholegifche und Biftorifche Anfpielungen, 
kurz, alle fehöne Ideen aus der Dicht: 
kunſt verbannen wollen. Dein, mein 
Herr, dasift es nicht; ich will aber, 
dag man Feine Dunkelheit affeftiren, 
und, wo man Fann, eben fo deutlich 
amd verftändlich fehreiben foll, als Gel: 
lert. Denn wenn es auch ausgemacht 
wäre, daß dasjenige wirflich erbaben 
und groß ift, was ic) ungeheuer, duns 
fel und wiederfinnig nenne; fo wird 
mir doch niemand übel nehmen Fönnen, 
daß ich zu meinem Dergnügen — und 
zum Vergnügen ift ja die Dichtkunft 
eben befiimmt, — lieber etwas faßli- 
ches, leichtes, angenehmes leſe, als 
etwas, das mir Kopficämerzen macht, 
wenn ich darüber, nachdenfen foll. Das 
heißt das Vergnügen ein wenig theuer 
erfaufen, wenn man ganz twohlfeil, 

wo alie Koſten, dazu gelangen Fönnte, 


Jernſtr. 





ZJernſtr. Sie haben fo mancherley 
vortreffliche Einfichten, daß ich Ihnen 
nicht erft erklären darf, in wie viele Gat⸗ 
tungen fich die Dichtkunft eintheilen läge, 
und welche Sprache einer ieden davon 
zugehoͤrt. Die äfopifche Fabel erlaube 
fich gar eine Kühnheit im Ausdrucke, 
weil fie blos unterrichten will; die lyri⸗ 
fche Poefie‘, die Tragödie, die Epopee 
nehmen die flärkfftien Farben an, die 
man ihnen nur geben will, denn fie 
find für die Phantafie, die Empfin: 
dung, und die Leidenfchaften beftimmt, 
welche fih durch eine ganz andere Art 
des Ausbruckes Auffern, als der bloffe 
Berftand, — Auf Ihren zweyten Punkt 
läßt fich freylich nichts antworten. Herr 
Klopſtock ſelbſt ift, befanntermaffen, 
fo galant, daß er Sie recht fehr bitten 
würde, ihn nicht zu Iefen, fo bald er 
Ihnen die geringfte Befchwerde im Ko: 
pfe machte. Nur wäre noch die Frage, 
ob Sie bey einem ernfikaften Verſuche 
nicht gerade das Gegentheil empfinden, 

163 und 





534 


und anftatt des erwarteten Verdruſſes 
ein überaus lebhaftes und edles Ver: 
gnügen geniefjen würden, ein Vergnuͤ—⸗ 
gen, um welches hundert Damen Gie 
beneiden würden, wenn es nicht allzu 
wahr wäre, daß nur wenige Seelen 
defjelben fähig find, und der größte Haus 
fe den Mangel diefes Bergnügens ganz 
gleichgültig zu ertragen weiß -— weil 
er es. nie gefchmeckt hat. --- Das Ber: 
gnügen überhaupt ift Feine Sache, die 
fih durch Gründe erzwingen läßt; es 
koͤmmt vieles auf die Lage der Geele an. 
Und Sie felbft, Madam, würden es 
ohne. Zweifel für überflüßig halten, 
Semanden zur $efung der Gellertſchen 
Fabeln aufzumuntern;, der fich unge: 
ſchickt fühlte, fie mit Vergnuͤgen zu le 
fen, Wenn Semand mir fagt, daß er 
mehr Vergnügen an der Geſchichte des 
Lanwell, als an der Gefchichte des So: 
nes, findet, fo ziebe ich mich zuruͤck: 
denn wozu wuͤrde mirs helfen, ibm etz 
was ins Ohr zu ſchreyen, was er nicht 

hoͤren 





335 


hören Fann. — Sch denfe aber, ich 
falle Ihnen mit meinem Geſchwaͤtze be 
ſchwerlich. 

Mad. Glauben Sie ja nicht, daß 
ich Sie ſo fahren laſſe. Wir ſind noch 
lange nicht aus einander, und Sie muͤſ— 
fen nicht erwarten, daß ich Ihnen fchon 
gewonnen gebe, — Was Sie bisher 
gejagt haben, beweifet weiter nichts, 
als daß ich Gellert in diefem Fall nicht 
hätte anführen follen: aber wie? wenn 
ich mich auf Boltären berufe? Sie wer: 
den doch nicht läugnen, dag Voltaire 
ein Genie ift, das mit groffem Ruhme 
in dem Felde der Epopee gearbeitet bat, 
und daß er dem ungeachtet felbft für 
uns Frauenzimmer ungemein verftänd: 
lich iſt? 

Jernſtre Mit andern Worten, Ma: 
dam, daß Voltaͤre, ungeachtet aller 
Anſtrengung feines Genies, noch im: 

mer ein Franzos bleibt. Freylich! wenn 
blos die Sranzefen den Streit entfchei= 
den follen, wenn weder die alten, noch 
814 die 





536 


die befjern neuern Dichter in Anſpruch 
fommen dürfen, wenn auf den Unter⸗ 
fchied der Sprachen, der Denfungsart, 
des Nationalcharakters gar nicht aeachz 
tet werden foll: fo haben Sie Recht, 
und ich darf Fein Wort mehr verlieren, 
Ich erfuche fie nur um die Gefälligfeit, 
mir das einzuräumen, was die fharfs 
finnisften Franzoſen felbft geftehen, 
nämlich, daß ihre Sprache fo unbieg: 
fan und eigenfinnig, fo gedrechfelt, To 
eingefchranft iſt, daß ihre Poeſie fich 
blos deswegen nicht halb zu der Höhe 
ſchwingen kann, zu der fie bey den AL: 
ten, den Engländern, und einigen un: 
ter uns gelangt iſt. Daher dürfen wir 
bey ihnen Feine andere Meifterfiücke fu: 
chen, als in den Werken des eigentlich 
fo aenannten Wißes: fo bald fie die 
wahre Sprache der Natur in leiden: 
fchaften und malerifchen Zügen treffen 
follen, fo fühlen fie ihre Feflel, und 
bleiben weit hinter ihren Nachbarn 
zuruͤck. Ueberdem fehlt ihnen die anz 

. halten⸗ 





937 


haltende Aufmerffamfeit auf die innern 
Bewegungen der Natur, und wenn fie 
von ohngefaͤht auf einen neuen und ebd- 
len Zug gerathen „fo mwifjen fie ihn doch 
felten zu vollenden. Sch berufe mich 
auf einen ieden, der mit der englifchen 
Poeſie bekannt ift, ob Voltaͤre, ver 
fühnfte und vortrefflichfte Dichter unter 
den Franzofen, auch nur einigermaaſ— 
fen den edlen Nachdruck, die erhabne 
Gröffe und Tiefe der Gedanken, hat 
erreichen Fönnen, welche man, ich will 
nicht fagen im Spenſer, Shakeſpeare 
und Milton, (der Abfland wäre zu 
unermeßlih) fondern blos im Addifon 
und Dove findet. Und wer verehret 
den Addiſon und: Pope mehr, als Bol: 
täre ſelbſt? Sch darf Sie überhaupt 
nur auf Voltaͤrs eignes Geftändnig zu: 
ruͤckfuͤhren, um Ihnen darzutbun, daß 
andere Nationen in einigen Gattungen 
der Dichtkunft groffe Vorzüge vor! den 
Sranzofen befigen, Borzüge, deren Vol: 
taͤre bey feinem Aufenthalt in England 

:l5 feine 


338 — 


ſeine Mutterſprache faͤhig zu machen 
ſuchte, ob er gleich mit Aergerniß be— 
kennet, daß es ihm nicht hat gelingen 
wollen. 

Mad. Sch erinnere mich diefer Stel: 
len; ich febe aber nicht, was fie daraus 
auf Klopſtocks Heldengedicht fchlieffen 
wollen. 

Jernſtr. Diefes, dag Boltärs Hen: 
riade durchaus zu feinem Mufter ange 
führt werden fann, wenn man fie mit 
andern beſſern Werken vergleicht. 

Mad. Beſſern! beffern! — Haben 
wir denn ſchon zugegeben, daß die Klop: 
ftockiade ein befferes Werk ift? Affektirt 
er nicht, mie ich fchon vorher faate, ſei— 
ne mehr als cimnierifche Finſterniß? 

Kernfir. Bey Leibe nicht! Was 
Sie Affektation nennen,» ift die grofje 
Gabe, Licht und Schatten zu rechter 
Zeit und auf die gehörigen Öegenfrände 
zu vertheilen, eine Gabe, die Spen— 
fern, dem erhabnen Geifte, der nebft 
Chaucern faft allein das Genie des Sha: 

feipea: 


rn 539 


keſpeare bildete, gefehlt bat, die" Taf; 
fo und nicht felten auch Arioft ‚mitten 
in dem Daterlande der. Malerey ver: 
mißte, und die unter den Alten viel: 
leicht nur Birgil, wiewohl einer 
weit geringern Fruchtbarkeit des 
Genies, vollfommen befaß. Dicht alle 
Gegenftände müfjen in gleichem Lichte 
ſtrahlen: fo wie fie fih aus unjerm Ge: 
fichtsfreife allmäblig verlieren, oder eis 
ne andere Stellung gegen uns annch: 
men, oder dem Auge befchwerlich fallen, 
verhülfen fie fich in eine fanfte Woͤl—⸗ 
fung, oder in ein dickes Gewoͤlk. 
Sort ift ein Wefen, das von unferer 
Einbildungsfraft wenig oder gar 
nicht erfannt wird; der Dichter hütet 
fich alfo , in feiner heiligen Begeiſterung 
einen Fühnen Zug zu wagen, oder ihn 
zu fehr in der Nähe zu zeigen; er be 
dient fich des mäßigen Lichts, was die 
heil. Schrift felbft auf den größten aller 
Gegenftände ſtreut, und läßt das übri: 
ge in feyerlichem Dunkel prangen. Der 
Me: 


5409 ner sen 


Meffias wird uns fchon in manniafalti: 
gen Erfeuchtungen, der Offenbarung 
gemäß, vorgeſtellt, und mußte es, als 
die Hauptfigur im Vorgrunde (wenn 
ich mich anders fo nittoreff ausdrüden 
darf,) fern. Engel und Geifter find 
nicht unmittelbar der Vorwurf der He 
ligion; fie eröffnen olfo dem Verftande 
ein weites Feld, fie in den beften Der: 
Gältnifjen gegen die Geifter von niedes 
rer Drönung, die Dienfchen, mit allem 
Reichthume einer durch die Dffenba= 
rung felbft geleiteten Phantaſie, bald 
fichthell, bald umfchattet, abzubilden, 
ie nachdem ihr Einfluß auf die Hand: 
fung mehr oder weniger merklich ſeyn 
folfte. Zu diefem Ende bietet der Dich: 
ter alle Kräfte der heiligen Affegorie, 
der voetifchen Malerey, und der gerei: 
nigten Üeltweisheit auf, Was Fonnte 
er gröffers thun ? | 
Mad. Sch geftehe es, diefe Unmer: 
fung ift wichtig: aber feine Sprade! 
feine Sprache! --- D weh! bat er uns 
nicht 






——— 541 


nicht eine Sprache gebaut, von der vor 
ihm fein Deutfcher wußte, und die 
noch. itzt dem größten Theile der Na— 

‚tion laͤcherlich vorkommt! — | 
Jernſtr. Wie? wenn ich Sienber 
——— daß er eben durch ſeinen 
Sprachbau, wie Sie es zu nennen be: 
Tieben, die größten Verdienſte un uns 
beißt, und daß wir, mit Ihrer Erlaub⸗ 
niß, ein wenig undankbar bandeln, die; 

= nicht zu erkennen? 
Mad. Das: möchte ich hören! -- 

Jernſtr. Ich weiß nicht, ob Sie es 
der Mübe werth gehalten. haben, die 
‚Streitigfeiten, die vor etwa zwanzig 
Jahren unter unſern Sprachkuͤnſtlern 
und Kritikern entſtanden ſind, kennen 
zu lernen. Sie verlieren wenigſtens 
nicht viel daran, wenn Sie ſie nicht 
kennen. Nur das wuͤrden ſie vielleicht 
anmerken, daß ſich nach allen dieſen 
Streitigkeiten unvermerkt eine gewiſſe 
franzoͤſiſche Hengftlichkeit im Yussruce 
seingefchlichen ‚hatte, welche dem Origi⸗ 
nal; 


542 ee 


nalgeifte durchaus zuwider war, und 
ums auch in der That das Anſehen fran: 
zöfifcher Machahmer gab. Klopſtock 
fuchte fich eine eigne Bahn auf, Er 
bereicherte fein groffes Genie mit der 
Kenntniß feiner Mutterſprache, ihrer 
Bildfamfeit, ihres Reichthums, ihres 
verfannten Nachdrucks, Furz alles def: 
fen, was fie weit über die meiften an: 
dern Sprachen erhebt. Zugleich er: 
Fannte er die Mängel unfers monotonis 
fehen Opißifchen Verſes, und entiwandte 
der griechifchen Profodie ihren Hexa— 
meter, der einem wohleingerichteten und 
mufikalifchen Obre unter allen am be: 
fien angemefjen ift, Hier war es aller: 
dings fehr natürlich, dag die Neuerun— 
gen eines unbefannten Mannes ein 
groffes Geſchrey veranlaffen würden; 
Stolz und Vorurtheil mifchten fich 
gleichfalls ein; Klopſtock war ein 
Sprachverderber, ein Schwärmer. -— 
Man hatte ihm das Schickfal ſchon 
geweiſſagt. Herr Dr, dem, er in 


I. 


nase ae 543 


& einige "Stellen aus feiner Meffiade 
vorlag, rief aus: o das iſt vortreflich! 
nur fürchte ich fehr, dag man Ihre 
Sprache nicht verftehen wird; -—- Sch 
werde alfo, verfeßte Klopſtock ganz Falt- 
finnig, fo viel hineinlegen muͤſſen, daß 
man genöthiger fey, fie verſtehen zu lers 
nen: eine Antwort, die eines fo groffen 
Geiftes würdig ift. ---- Er bat fi 
auch, dieſem Entfchluffe gemäß, von 
jeher fehr rubig dabey verhalten, und 
das Dergnügen gehabt, die beften 
Schriftſteller unferer Nation feine $ob: 
redner zu fehen, obzwar nicht ohne den 
Verdruß, von unzähligen ſchlechten 
Köpfen in allen Gattungen der Dicht: 
Eunft mit ungleichem Erfolg nachgeab: 
met zu werden, indem fie, fehr unver: 
nünftig, dasjenige auf ihre ganz ver; 
Tchiedenen Arbeiten anzuwenden fuchten, 
was nur hierder Diaterie und der Gröffe 
des Gegenftandes geziemte, und übers 
dem Fein einziges von den Talenten bes 
ſaſſen, die ein Driginal bilden. Die 
| deutſche 


544 — 


deutfche Sprache felbfi aber gewann das 
bey. Was vorher fremd fchien, ward, 
da man aud) anfing, Luthers Sprache 
zu fludiren, für gut und untadelhaft 
erkannt, und wir wuͤrden in diefer A 
ficht vielleicht nicht halb fo viele Drigi: 
nal:Sfribenten haben, als wir ißt um: 
leugbar, befonders unter den profaifchen, 
aufweifes können, wenn Klopſtock nicht 
feinen Einfluß auf fie gehabt hätte. 
Sch frage Sie alfo,; Madam, ob ein 
Dichter, der in jeder Abficht fo viel 
Aufmerkſamkeit verdient, nicht billig 
von einer fo ſchoͤnen Geele, mie die 
Ihrige iſt, vorläufig einige genaue ln: 
terfuhung erwarten kann, che Gie 
einen Wusfpruch wagen, wie jener wat, 
Eins befremdet mich. 

Mad. Und was? 

Jernſtr. Daß Sie Klopſtocken die 
Heiligkeit ſeiner Materie nicht zur Laſt 
legen, derentwegen ihn einige zum Se: 
Ger, und andere zum Schwärmer ma- 
chen wollen, | 

Mad. 


Mad: Ih? ich müßte nicht, 


warum? Er ıft ja nicht der einzige, der 
heilige Öegenftände gewählt bat; die 
Dichtkunſt kann auf Feine würdigere 
Art angewandt werden, als wenn fie 
fromme und gute Empfindungen in uns 
hervorbringt, das, deucht mir, iſt aus 
genfcheinlich; ob ich gleich deswegen 
die fcherzbafte Poeſie für ſehr unfchul: 
dig erkenne. 

Ferner. Aber die Erdichtungen, die 
er eingeflochten bat -—- 

Mad. Sch merke, mein Herr, daß 
Eie. mich fchon für ein verächtliches 
Srauenzimmer balten, da Gie mir 
folhe Einwürfe zutrauen. Wenn er 
in feinen Erdichtungen, wie Sie vor 
ber fagten, die heilige Schrift felbft 
und die vernünftigfien Muthmaſſungen 
unfrer Öottesgelebrten zum runde 
legt, fo ſehe ich nicht ein, wie er dadurch 
der Ehre Gottes etwas entziehen Fönne, 
befonders, da er Erdichtung als Dich: 
ser nur für Erdichtung ausgiebt, 

Der Hypoch. 2.T. Mm  Serns 


Jernſtr. Und alfo mit Necht'von 
uns fordern kann, daß wir Wahrheit 
der Fiction nicht mit dogmatifcher Wahr; 
heit verwechfeln follen, wie wir uns ja 
felbft täglich dergleichen Fiction vorbil: 
den, wenn wir uns mit der Dhantafie 
eine Idee von bimmlifchen Dingen 
machen, die fich auf Steilender Schrift 
gründet, Kein Dichter, ich darf es 
ficher behaupten, hat die Würde feinet 
Materie beffer gekannt, und. auf eine 
fo erhabne, fo anftändige Weiſe Hear: 
beitet, als Klopſtock. In diefer Be: 
ziehung verliert fih Milton gänzlich vor 
ihm; und, um fich einen Begriff von 
der Gröffe feiner Ideen in Abficht auf 
die Majeftät und Heiligkeit Gottes zu 
machen, darf man nur feine Kritifüber 
einige Gemälde Raphaels im Nordi— 
fchen Auffeher gelefen haben. Die 
Meſſiade ift voll der ungemeinften Ge: 
mälde; hierinn ift er unnachahmlich ; 
diejenigen, die etwas ähnliches verfucht 
haben, haben uns Carricatur gegen die 

Klop⸗ 


—— 547 


Klopſtockiſche Malerey geliefert. Einer 
meiner Freunde pflegt zu ſagen, daß er 
Frankreich uͤber nichts ſo ſehr beneide, 
als uͤber den Eifer, die Gemaͤlde der 
Dichter durch Pinſel und Grabſtichel 
zu verherrlichen. Um einen Raphael 
oder Giuglio Romano unter uns ber: 
vorzubringen, fagt er, dürfte man nur 
die mancherley Gemälde der Meffiade 
in eine Öallerie bringen; ) der Dichter 
hat faſt alle Züne vollendet; und der 
Maler würde fich verewigen, wenn er 
nur ein treuer Nachahmer wäre. 


*) Die berühmte deutſche Malerinn An: 
gelika in London hat ſchon wirklich einen 
Anfang gemacht. Mas übrigens den 
Vorſchlag felbft betrifft; fo iſt er nur 
unter derjenigen Einſchraͤnkung zu verfies 
hen, die mit groſſem Scharffinn von 
Herrn Lefiing im Laokoon ©. 119. f. 
angegeben und fehr genau — wor⸗ 


den. 1770. “ 


Mm a2 Drey 


548 
EHE EEE BEE TE RE RE NZ 


* Drey und zwanzigftes Stüd. 





---  --- . prope diflentire videntur 
Pofcentes vario multum dinerfa palato. 
Quid dem? quid non dem? 

HOR. 





Das Wechfellied der Sungfrauen. 
Tauſend ſchlug Saul. 


a, wo Araloth ſtolz empor ſchwillt, ein 
Traubengebirge 
Ueber Gilgal, (es zeigt da die Stadt ihr la— 
chendes Antlitz 
Ganz; an der oͤſtlichen Seit', in der Ferne, 
durchrauſchet der Jordan 
Luſtiges fruchtbares Land, und Palmenwaͤlder 
verbreiten; 
Abend: 


— 549 


Abendwaͤrts, ſich bis nach Jericho hin) hier 
kamen vertranlich 

Hagith und Egla, ſo nennt die Geſchichte 
zwey Maͤdchen aus Gilgal, 

Liebliche Maͤdchen, geſchickt zu ſingen, die 
Laute zu ſpielen; 

Dieſe kamen, die Laut in der Hand, am Huͤ⸗ 
gel zufammen. 

Denn ist Echrete Saul und David in hohem 
Triumphe 

Wieder vom Schlachtfeld zuruͤck ‚vom Eich— 
thal, — der Araloth fuͤhrte 

Su das Eichthal, — allwo die Gathiter bey 
Tauſenden lagen, 

Und der Rieſe von Gath: da wollten die 
Maͤdchen den Juͤngling, 

Welcher den Rieſen bezwang, mit Lied und 
Saytenſpiel ehren. 

Freuſt du, Geliebte, dich auch, rief Hagith, 
daß nun der Empörer 

Liegt? der Schreckliche! Ha! nun hat er zu 
troßen vergeflen. 

Aber der Küngling? — it der nicht Alfen 

| ein Wunder? --- Er ift es, 


Mm 3 Sprad 


580 — 


Sprach mit fanften Accent die Audr', und 
glühender wurde 

Schnell die Hofe der Pracht in ihrem Ge: 
ſichte! (verſchaͤmte 

Liebe zeugte die Gluth; ſchon lange hatte des 
Maͤdchens 

Buſen der Liebe geklopft, doch Ren ; der 
edelſten Liebe 

Gegen David: allein noch wagte fie vor der 
Geipielinn 

Kein Geftändnif, fie zwang fich, fo siel es die 
Funfifofe Seele 

Litt, nnentflammt zu ſcheinen: doch blieb noch 
ſchmachtendes Laͤcheln, 

Da von der Liebe geformt, im holden blaͤuli⸗ 
chen Auge, . 

Unauslöfchbar, zurück! ---) Ich Fomme, 

Freundinn, fuhr Egla 

Fort, dem Züngling Triumph, dem Könige 

Wonfe zu fpielen. . 


Hagith. 
Ja, wir wollen den Held begruͤſſen, — er lies 
bet Geſaͤnge, —— 
Mit 


ee | 551 


Mit werdientem Geſaug ‚- und — ah, wie 
Eräuft mid) es, Eala, 
Dabichnicht: Mann bin! nichtin die Feinde mit 
nervigtem Arme 
Furchtlos zu Hürzen vermag ! — ein maͤnnlicher 
Helm auf dem Daupte 
Waͤr mir ein herrlicher Schmuck! und der 
blinfende Speer, und die Tartfehr !-- 
Oder fol ich. als Weib! ---"mein Rahıe 
no. wirde wie Jaels 
Name den Enkeln befaunt — fie ließ ihn um: 
ter dem Mantel 
Sanft entſchlummern, und ſchlug ihn, durch; 
bohrte Siſſeras Schädel. 
Aber wohlan! von den Kriegern ein Lied! 
wohlan, bis der König 
und ver Tapfere komme! ein Lied von den 
Helden , Geliebte. 
Itzt ertoͤnte Die Lauf, und die Quellen 
horchten ven Wohlklang 
Ihres Liedes, der Hall an den Wänden Arc: 
loths ahmte 
Lange dem Saitenfpiet nach? — Und nicht 
unbelohnt fangen die Mädchen 
Mm4 Da: 


552 —— 


Davids begluͤckten Triumph: ſie wurden, ſo 
wollt es das Schickſal, 

Davids Gattinnen noch: — Sie fangen ger 
"gen einander: 


— ——— 
Hagith. 


Tauſend ſchlug Saul, und Triumph! und Tri— 
umph! zehntauſend ſchlug David. 

Lieblich iſt Davids Geſang, ſein Harfenſpiel 
ſuͤſſer als Honig: 

Aber, ihr Voͤlker, ſein Arm — ſein Arm iſt 
das Schrecken der Helden. 


Egla. 

Schallet, ihr Sayhten, dem Sohn Iſai, dem 
edelften Füngling. 

Frieden gab er dir, Land, dem Könige Leben 
und Wonne, 

David mit bräunlicher Wang’, und ſchoͤnem 
Auge, der Schönfte 

Seiner Brüder dem Herrn, wie das Fette vom 
Opfer, geheiligt. 

rar Hagith. 


a 1553 
Hagith. 


Tauſend ſchlug Saul, and Triumph! amd Tri⸗ 
umphzehntauſend ſchlug David, 

Wer iſt ſtaͤrker, als er ? wer ſcherzet mit Loͤwen, 
als jungen 

Boͤcken? wer ſcherzt mit dem Baͤr, als einem 
—— Lamme? 


Behr RAR 
Schallet, ihr Sayten, dem Sohn Iſai, dem 
edelften Juͤngling. 
‚Er ift mein Stolz und mein Lied, vor Tas 
ſenden iſt er gefällia, 
Leicht wie der Adler und ſchnell wie der Hirfch 
— den Hoͤhen Gilboa. 


Hagith. 
Aufgethan wurde der Schatz Jehovens, ein 
Pfeil aus dem Koͤcher 
Des Allmaͤchtigen biſt du, du tapferſter unter 
den Streitern. 


u 


FMm5E" Egli. 


554 — 
Egla. 


Si ehr im Eichthale ‚geht, den. Weg nach 
nl Efron und Socde, ı 
* ein praͤchtiges Roß da reitet) frohlockt 
da gen Himmel! 
Haltet da flill, uud ſagt: die Verlaßnen in 
| Iſrael ſiegten 
Ueber Gewaltige, hier bezwang David den 
brullenden Krieger. 


Hagith. 

Sprach er, ſo ſchauderten Ko und Neufer, 
die Stimme des Donners 

Schmettert nicht anders ins Meer , esihenlte 
das Waller im Eichthal, 

Und die serriff ene Luft erbebte: doch bebte 

nicht Daotd 


Keinem entfalle der Muth), ihr Maͤnner 
von Iſrael, keinem 
Wegen des Trotzigen, ich, ich ſchlag ihn 


< im Namen Jebova. # 
ag 2 Hagith. 


ae: 


SRTTAL. 


„5 
HER 





555 
Hagith 

Goliath ſtampfte den Bera! I“ ein ſuͤſer, 

Sue laͤchelnder Knabe! — 

uw Slucht, ihr Mämer von ‚Sat, flucht mei⸗ 
nem Geſtirne — mit Stecken 

“ Kömmt er, als wär ich ein Hund! --- 9 Das 
gon! ich gebe den Voͤgeln 


* Unter d dem Himmel ‚ein Fleiſch! und ſeinen 
Vamen dei Winden —“ 


"Egli a 


Abere er fiel, und vergaß, dem lädelnden Kna⸗ 
ben zu ſchaden. 


A Hoegith. | 

Alſo gerberfiet” ein Fels, Eracht nieder, und 
fuͤlet ein Thal aus, , 

Mit der S Shlender fraf er ihn (darf, er fehlen. 
‚dert ihm Kicheln,, 

Aus dem Bach auf die Stirn, und ſchleu⸗ 
derte Tod auf dig, Stirme. — 


m; X, ses * 


mo Egla. 





! Egla. 


Alſo zerberſtet ein Fels: noch liegt er im Eid): 
thal, wie Sturmwind 

Brauſts in den Hoͤhlen umher, als er fiel, in 
Araloths Krümmen. 


..Hagith. 
Tauſend fchlug Saul, und Triumph! und Tri⸗ 
umph! zehntauſend ſchlug David, 
Rieſe, was half dir der Helm? was half dir 
der ſchreckliche Panzer, 
Und die Ceder des Hayns, zum Schafte des 
Spieſſes gehauen? i 


Egla. 

Schallet, ihr Sayten, dem Sohn Iſai, dem 
edelſten Juͤngling. 

Wollteſt du deinen Stuhl doch „Verwegner, 
über die Sterne 

Gottes erhöhen, und in den Himmel fieigen: 
du ſtuͤrzteſt | 

Aber vom Himmel berab zur Hölle, zur un: 
ferien Hölle. 

Hagith. 


— 557 


J Hagith. 


Und ſie erſchrack, als er kam, die Hoͤlle mit 
ihren Bewohnern ; 

Augenblicke zwar nur! dann traten ſchleunig 
die kuͤhnſten 

Ihrer Sklaven hervor, die Erobrer fonft wa⸗ 
ven, und riefen 

Lachend: auch du bifi wie wir sefchlagen! _ 
o Wolluſt! o Wolluſt! 

Siehe, du wardſt in die Hoͤlle geſtuͤrzt, o 
Wolluſt! o en 


' Egla. 
Heil uns! dem Juͤnglinge Heil! er ſchlug den 
Rieſen, die Starken 
Werden der Jungfrauen Spott, den Nacken 
unter der Ferſe 
Iſraels: Cymbel ertoͤn', ertöne nur, Sayten⸗ 
tenſpiel, wieder. 


Hagith. 
Hille fiehn fi te zuruͤck, die Berzagten, fie waren 
durch Einen 
Weg 


558 — 


Weg gekommen, itzt fliehn ſie durch ſieben 
ſchimpfliche Wege. 
Egla. 


Feyert den kommenden Held! Triumph dem 
Beſten! er ſchuͤtzet 
Land, dich ſchuͤtzt er für Schmach, und Iſraels 
Toͤchter für Schande. | 


Hagith. 
Gürte des Trogigen Schwerdt an deine Seite, 
du Sieger. 
Egla, 
Bringt, ihr Töchter des Volks, bringt David, 
‚dem Helden, Geſchenke. 
Hagith. 


Tauſend ſchlug Saul, und Triumph! und Tri— 
umph! zehntaufend ſchlug David. 
Jauch⸗ 





— 55 


Jauchzet, und ſpielet fein Lob, er wird noch 
König ich ſehe, 
Lander keimen dereinſt vor David und füfen 
„(rin Zepter. 


gta, 


Schallet, ihr Saytendem Sohn Fiat, dem 
edelſten Juͤngling. 
Koͤſtlich kleidet er dann uns in Scharlach, in 
flammenden Purpur. 
Giebt uns Perlen und Gold, ſchmuͤckt alle 
Jungfrauen koͤſtlich. *) 


Hagith. 


) Rothe Kleidung, und insbeſondere Pur⸗ 
pur, war vor Zeiten eigentlich nur eine koͤ⸗ 
nigliche Tracht; die juͤdiſchen Koͤnige erlaub⸗ 
ten aber bisweilen aus beſonderer Gnade 
den Frauenzimmern, dergleichen zu tragen. 
Daher bemerkt es David 2 Sam. 1, 24. 
als eine Art koͤniglicher Freygebigkeit, da er 

von Saul meldet, er habe das xFtauenrim⸗ 

mer prächtig gekleidet. 


560: zn 


Hagith. 


Laß uns des Goͤttlichen Haupt mit duftenden 
Roſen bekraͤnzen, 

Laß uns, Egla, den Pfad, den er wandelt, mit 
Palmen beſtreuen. 


Egla. 
daß ung am ſilbernen Bach' ihm, Hagith, taäg⸗ 
lich Geſaͤnge 
Spielen in rothem Gewand, mit langen’ ges, 
flochtenen Haaren. 


Vier⸗ 


501 
ee 


Bier und zwanzigftes Stuͤck. 


Tradam proteruis in mare Criticum 
 Ventis -- — 
HORAT. 








WEITEN DIENTE 
— — — — 


Zacharias Jernſtrup 
an Deren Roſe. 


mein befter Herr Roſe! Taffen 

Sie mich meinen Kummer in Ih— 
ven freundfchaftlichen Schooß ausfchüt: 
ten! Nie ift ein Autor gefränft wor: 
den, wie hr Sernftrup! Haben Sie 
je dergleichen gehört ? ch laſſe vorige 
Woche ein Paar Kunftrichter aus * *, 
ſo ein Paar von denen, die man ihrer 
feltenen Scioppifchen und Scaligerfchen 
Gemüthsgaben halber, Hyperkritiker 
Deraypoh.2.T., Mm nennt, 


562 — — 


nennt, nach Jernſtruphof kommen, mich 
mit ihnen uͤber die neue Ausgabe des 
Hypechondriſten, worauf das Publi— 
kum ungeduldig iſt, zu berathſchlagen. 
Die groͤßte Gefaͤlligkeit, ſagte ich alle— 
goriſch, die Sie mir erweiſen koͤnnen, 
meine Herren, iſt, wenn Sie jedes 
Stuͤck mit verbundnen Augen, die 
Waage in der einen, das hölzerne 
Schwert in der andern Hand, nach den 
neueften Grundfüßen, ſtrenge, gruͤnd— 
Sich und fpashaft befunftrichtern, -- 
” Sorgen Gie hiht, war die Ant; 
“ wort, dafür find wir amtspflich 
"tig, -- Hier dieß Stück muß weg- = 
“ Yus diefem Cdarfich mir eine Scheere 
” ausbitten?) wollen wir, mit Ihrer 
“Erlaubniß, vier oder fünf Blätter 
-* hen beräusfchneiden --- Da ift ein. 
“ halber Bogen, abfcheulih! --= da, 
"noch einer, unerkiäglich! —- Hier 
“ eine Predigt: weg mit der Predigt — 
O da! noch einmal die Scheere ber, 
“wenn ich bitten darf — ” Sänger 

— konnt 


nn 563 


konnt ichs nicht aushalten. Scheeren 
Sie mir in mein Eingeweide hinein, 
vief ich wehmuͤthig aus, aber um der 
Mufen willen! fchonen Sie meiner 
Blätter! Es ift wahr, und wie Fönnt 
es Ihrer Bedugung entwifchen? jenes 
Stuͤck bat ein etwas jugendliches An: 
feben! man fießt aber doch, deucht mir, 
eben daraus, daß ich früh angefangen 
babe, über den Patriotismus nachzu⸗ 
denken — ” Herr von Jernſtrup, wenn 
” Sie das Stuͤck benbehalten, ſo ge: 
” ben Sie Acht, was die Journale 
’* fprechen werden “ --- ch zitterte, 
AH! Die Journale ! “ Wir fagen es 
Ihnen vorher; wir fihd dann uns 
»ſchuldig an den Folgen  --- Aber 
fönnte nicht wenigftens diefe tragifche 
Erzäblung? ---  Unmöglih! Haben 
“ Sie nicht gelefen, was manin unfern 
’ Zeiten erwiefen baf, daß Vis tragica 
’ nur Scharfrichter/ fo wie Viscomica 
“me  Gaflı enmenfhhet, intereffire ? 
u Nech einmal die Sournale 7 --= 
Mn 2 Arme 


x. 


* * 


564 — 


Arme Vis tragica! Armer Jernſtrup! 
Wenn deine wohlgemeinte Vis comica 
verfehlt, und deine mehr als hypo— 
chondriſche Vistragica --- Hören Sie, 
Here **, und Herr "*, bringen Sie 
mich nicht zur Berzweiflung —- Wir 
“ find unfchuldig , fagen wir Ihnen, 
wir fteben im Amte. Sie wiffen, 
was die Kournale ” --- Sch weis 
Alles. Thun Sie, was das Berhäng: 
niß über mich befchloffen bat. Mur 
für die Predigt muß ich ein- gut Wort 
einlegen --- 7 Die Predigt ift eines 
Maſſilon würdig. Aber bedenken Sie 
ſelbſt! Einheit des Tones!“ Wie? 
bat nicht ſelbſt Triſtram eine Predigt? — 
“ Ay England gebt vieles an, was in 
" dem feinern Deutfchlande nicht gilt. 
Die deutfchen Kournale, glauben 
„ Sie mir, find etwas fchwerer zu ber 
* feiedigen, als andere Sournale 
Ja, leider ! leider! Sie Herren am 
Ruder, unfre Striemen Eönnen es be- 
zeugen! find nur gar zu unerbittlich --- 
Das 





565 


Das wären alfo ſchon fünf Stüde, 
die ganz wegftelen! Wo aber, mein 
guter Herr Roſe, wo nehme ich an de: 
ven ftatt etwas Neues her? Ich bin 
Fein Bär, daß ich Alles aus meiner 
eignen Tage faugen koͤnnte. Wie? 
wen Sie irgend eine Heberfeßung ? — 

Antwort von Deren Rofe. 

Sa, mein allertheuerfter Herr von 
Jernſtrup, ich babe eine Ueberfegung, 
ich habe zehn, ich babe hundert. Be⸗ 
fehlen Sie, was Gie wollen: Rofe ift 
zu Ihren Dienften. Sch Fann Ihnen 
nicht genug fagen, wie fehr ich Ihre 
unausfprechlichen Leiden mitfühle! Aber 
wie glücklich bin ich, daß Sie mich auf: 
fordern, Ihnen thätige Beweife meiner 
aufferordentlichen Hochachtung wund 
Sreundfchaft zu geben: Wählen Sie, 
mein Freund, mein Allerbefter! Hier 
haben Sie die erſte Decurie meines 
Vorraths: ich kann Ihnen, fobald Sie 
es verlangen, mit einer Centurie auf 


warten, 
Nnz Der 


566 


Der Rofifhen Heberfegungen 
Num. J. Eine Abhandlung vom Ex: 
habnen und Zweckmaͤßigen aus Ri- 
chardfon’s Eflay on Painting T. Il. 

Num, II, Eben deffelben Connoif- 
feur. 

Rum. II. Ueber Homers Genie 
und Subject. Aus des unübertreff- 
lichen Blackwalls Enquiry into the 
Life and Writings of Homer. II. 
Edit, | 

um. IV. Lucians Hurengefpräche 
in fcherzbafte Gefpräche veredelt. 

Num. V. Sammlung von Diys 
dens, Gays, Garricks ıc. Prologen 
und Epiloaen, _ | 

Num. VI Xenophons Anabafig, 
einMeifterfiäck der Hifisriograpbie, troß 
Quintilian. | 
NMum. VII Arrexoız wen evepyewy 
zu mwagav 78 Duxıns mVevpuros no TG 
ner’ auro Öseirns, Aoyoıß.d. i. Aftuarius 
von dem Thun und $eiden, wie auch 

der Nahrung des Öeiftes, ON: 
| et: 





Zn 567 


cher: ein fonderbares Buch. Noch 
fonderbarer ift mir das Fleine Buch 
Mæoxs Bosrs #006 Tivac moieig, no TETWv 
mpog aurov Erıso).zi, ümo Miöpidzrs aux- 
axdesy (M. Brutus Briefe an eini: 
ge Städte, gefammelt von König Mi: 
thridates, und des legtern hinzuerdich: 
tete Antworten im Damen der Städte). 
Sch weis nichts dabey zudenfen, darum - 
habe ichs uͤberſetzt. 

Rum. VII. The Art of Tunning, 
aus Gwifts Mifcellanies. London 
1722. Dieſe Ueberfegung ift mir 
fhmwer geworden: aber dafür babe ich 
nun auch einge Vieberfegung! — 

Num. IX. Mandragola, Comoec- 
dia di Nicolo Machiavelli , in eine 
Fomifche Oper verwandelt. 

um. X. Eine Anzahl euglifcher 
tufifpiele, theils ganz, theils auszuns: 
meife —* — diglogiſchen Plane, 
uͤberſetzt, z. E. The what d’ye call 
it, Jobn Ban: Deceiver deceiv’d 
Mary Tix; Spanifch — Iohn 

Nu 4 Dryden; 


568 — 


Prydn: Bellamira, ortheMiftrefs, 
Charles Sedley Bnt. (Terenzens Eu: 
nuch modernifirt). Three. Hours 
after Marriage , John Gay -- Wenn 
je ein theatraliicher Dichter die Einhei: 
ten genau beobachtet hat, fohates Gay 
in diefem $uftfpiele: aber das ift fein 
Fleinftes Verdienſt. An lebhaften Gi: 
tuationen und gutem Gcherje wird 
es von wenigen. übertroffen. Mes. 
Townly ift der Compagnon zur Mes, 
Epicöne, und in der Eritifchen Aſſem— 
blee der Elinfer koͤmmt eine Situation 
vor, die mit der, wovon Gie mir 
fchreiben, viele Mehnlichkeit hat. Soll 
ih? — Das Stüd ift lehrreich — 
Befehlen Sie nur. 


* I 
Dr. Foſſile. Townly. 
Foſſile. Laſſen Sie unſre Hoch— 


zeit noch ein Geheimniß in der Familie 
ſeyn. 





5069 


feyn. Unterdeffen will ich meine Nichte 
Phobe Clinket bey Ihnen einführen: 
Das arme Mädchen bat leider! eine 
Pro:idenz in der Glandula pineali, 
woraus eine Ruptur in ihrem SKopfe 
entftanden if. Sch nahm fie in mein 
Haus, meine Haushaltung zu führen: 
allein anftart Puddinge, macht fie mir 
Schäfergedichte, und anftatt Gtoc: 
fiihe in eine Paftete zu begraben, läßt 
fie Geifter aus einer Tragödie herauf 
fieigen, Kurz, mein Haus ift von 
ſchlechten Komodianten, von Buchs 
händlern, die Bankerot gefpielet ha: 
ben, von Geigern, denen die Duinte 
gefprungen, und von verdorbnen Tanz: 
meiftern, wie gejcheucht. Sch war 
ehemals willens, ihr alles das Meinige 
zu vermachen: aber nun follen meine 
fünftigen Kinder mich erben. Da 
koͤmmt fie, in ihren gewöhnlichen Ge; 
ſchaͤften. Laſſen Sie uns doch eine 
Weile fehen, was Sie vornimmt, 


nz Clinket, 


Clinket, und ihre Magd, die ein 

Scchreibepult auf dem Mücken 

trägt. linker fchreibt. Ihre 

Haube ift mit Dinte beflecft, und 

in ihren Haaren ſtecken Schreibs 
federn. 

Magd. Sch wollte mich lieber mit 
einem Guckkaſten auf der Straffe ber: 
umtragen! Oh meine armen Hüften! 
mein Rüden! und meine Schenfel! 

Clinket. Was find die Arbeiten der 
Hüften und der Schenkel gegen die Ar- 
beiten des Gehirns? Du Schandfleck 
der Muſen! Sch babe nun über deiner 
Impertinenz einen Gedanken verloren, 
der einen Folianten werth war! 

Magd. Und ich, babe ich mir nicht 
an ihren groffen Büchern einen Krampf 
im Mücken getragen, daß ich zeitiebens 
zu nichts brauchbar bin ? 

Clinket. Folianten. finds, nicht 
groſſe Bücher, du Lingeheuer des fals 
fhen Ausdruce. Gib dich nur zufrie: 
den, ich will auch die drey Gallerie: 

Billets 


Billets nicht vergeffen, die ich Dir ver: 
fprochen habe, wenn meine neue Teas 
gödie aufgeführt wird. 

Magd. Dafür wird mir wohl Eins 
meine ui bläuen! 

Clinket. O du Zerfisrerinn aller 
Gelehrſamkeit! du bift ärger als ein 
Bücerwurm! Du Baft mich aus aller 
- Saffung gebracht! Denfe an meine Iy: 
rifche Dde, die du um ein Stuͤck Talg: 
licht wicfelteft! Und wie kann ich mich 
ohne Aergerniß des unwärdigen Ge: 
brauchs erinnern, den du von meiner 
Hymne an Apollo machteft, häßliche 
Creatur! Lies mir die legten Zeilen, die 
ich von dee Sündfluth gefchrieben habe, 
und gib ja Acht, daß du fie mir recht 
declamirſt, wie ich dich aelehrt habe. 

Magd. CRieft aufeine affek 
tirte Ar). 


Hoch aufgeſchwollen, von der Waſſerſucht 
Liegt die Natur ſchmilzt hin im Bauchfluß! 
first! | 


Clin⸗ 





572 


Clinket. Noch immer feine Ca; 
denz! --- -— 
Magd. 
Hoch aufgeſchwollen liegt — — 
Clinket. Halt! nichts mehr von hoch 
aufgeſchwollen! Ich concipire — 
Und rauſchend ſtroͤhmt die Sce durch Wälder 
hin, 
Wo auf der Eiche Stamm der Wallfiſch 
lauſcht 
Rauſchend? Halt! --- Frachend, ſchaͤu⸗ 
mend, brüllfend — Ha, brüllend ? 
Und brüllggd ſtroͤmt die See durch Wälder 
hin, 
Wo auf der Eihe Stamm der Wallfifch 
laufcht 
Lauſcht? Nein — Sitzt, Steckt, Scherjt, 
Eich begattet --- Sich begattet? 
" Schade, es gebt nicht in den Vers. 
(Foſſile und Tomnly Fommen 
hervor.) 
Welch 


Er . 


| Welch Feſt fuͤr Fiſche! Schwelgeriſcher 


Schmaus, 
Wenn hungernder Delphin am Schlachtvieh 
zehrt! 


Foſſile. Nichte! Hey! Nichte! 
Nichte! -- D Melpomene, du Goͤt-⸗ 
tinn der Tragoͤdie, halte doch deine 
Einfluͤſſe nur auf einen Augenblic zu⸗ 
ruͤcke, und vergönne meiner armen 
Dichte, mir eine vernünftige Antwort 
zu geben! Diefe Dame, Nichte , ift 
eine gute Freundinn von mir; ihre ge: 
genmwärtigen Umſtaͤnde nöthigen fie, 
Schuß in meinem Haufe zu fuchen: 
Begegne ihre ja mit der äufferfien Höf: 
lichkeit. — He, macht den Theetiſch 
zurecht. R 

Clinket. Entſchuldigen Sie, Ma: 
dame, die Abweſenheit meiner Seelen: 
Eräfte! Meine animalifchen Geifter 
hatten die Eingänge meiner. Organe 
verlaffen, und ſich in die verborgnen 
Winkel des Gehirns zur Betrachtung 

len: einer 


574 —— 


einer ſchoͤnen Idee zuruͤckgezogen. Ich 
konnte die kleinen Schwaͤrmer mit aller 
Gewalt nicht an ihren Poſten bringen; 
damit fie diejenigen Glieder in Bewer 
gung festen, welche Höflichfeit aus⸗ 
druͤcken. * 
Towanly. (Eine ſeltſame gezierte 
Creatur! Wenn ich nicht ſehr irre, fo 
iverde Ich an ihr, mit ein wenig Schmer 
cheleh, ein brauchbares Werfzeng zu 
weinen Abfichten haben:) 


— — 


Clinket. Townly. Plotwell. 


Towulh. (Ha, Plorwell! Wie 
Fam er hieher ? Sch muß ihn warten, 
auf feiner Hut zu ſeyn.) 

Plotwel, Gewig, Madame, ich 
bin auf eine angenehrie Art beftärgt, 
Sie hier anzutreffen = · 


Toronlys 





— 575 


Townly Mid, Sir? Sie irren 
ſich ohne Zweifel: Ich erinnere mich 
nicht, Sie jemals gefehen zu haben, 

Plotwell. Sch bitte um Verzeihung, 
Madame (Wie ähnlich der Wahr: 
heit Flingt eine Lüge im Munde eines 
Maanen Frauenzimmers!) 

Clinket. Diefer Herr, Madame, iſt 
Herr Plotwell. Er ift fo unendlich 
gefällig, dag er die Güte haben will, 
mein Tranerfpiel auf die Bühne: 
zu bringen, und giebt fih zu dem: 
Ende für den Vater meiner uns 





‚würdigen Geburt aus, nachdem er 


das Stück heute früh gelefen bat. 
Plotwell. Sch würde ſtolz ſeyn, Ma: 
dame, mich den Water einer jeden an: 


‚dern Geburt nennen zu dürfen, wozu 


Sie Mutter wären. 

Clinket. Sehr fchlau, ha, ba, hat -- 
Sie wiffen, Herr Plotwell, dag Pa: 
pagoye und Schauſpieler 'menfchliche 
Töne bervorbringen koͤnnen: aber wir 
—— feinem von beiden die Gabe 

ein, 


576 — 


ein, über den Witz zu urtheilen. Den: 
noch haben diefe Leutchen, diefe Afteurs, 
die Dreiftigfeit gehabt, faft allen mei: 
nen Produften das Vorrecht der öf: 
fentlichen Aufführung abzuſchlagen. 
D! welch ein Gout de travers be 
herrfcht doch den Verftand der Unwiſ— 
fenden! (So oft Plotwell und Town— 
Iy mit einander reden wollen, unter: 
bricht Clinket fie) Wenn dies Trauer: 
fpiel nicht ins Erhabne geht, fo mag 
man mic). Fünftig als ein Inſekt im 
Staube der Mittelmäffigfeit unter die 
Süffe treten! Ich bin überzeugt, Sie, 
daß Ihre Pflegefind Ihnen Feine 
Schande machen wird. 

Plotwell. Darf ich fragen, Ma: 
dame, was für ein Gujet Gie ge: 
wählt haben? 

Clinket. Ein Sujet, wie man noch 
kein Sujet concipirt hat. Tragiſchen 
Mafchinen fo angemeffen! An Leidens 
fchaften fo reich! Mit Feiner einzigen 
Epifode,beladen! Das as 

und 


—— 577 


und das Wunderbare, fo ungezwungen 
mit einander vereinigt! 

Plotwell. Und dies Sujet, Miada: 
me, heißt? --- 

Clinket. Die Suͤndflut. — Sch 
waͤhlte mir die von Deukalion und 
Pyrrha, weil weder unſre Buͤhne, noch 
unſre Schauſpieler, heilig genug fuͤr 
die bibliſche Geſcichte ſind. 

Plot well. Aber, Madame — 

Clinket. Welche vortrefliche Ver: 
anlaffungen zu edlen Gemälden ! --- 
Aber diefe Komsdtanten find groffe Zau⸗ 
derer. Linterdeffen, Sir, bis fie fom; 
men, wirden Sie und Madame mich 
verbinden, wenn Gie etwa vorläufig 
eine Scene probiren wollten, an die 
ich gleich ‚ißt die legte Hand gelegt 
Babe; Av 

To wunly. Sie Finnen uns Feine 
geöffere Gefälligkeit erweifen. (zu 
Plotwell. Sch will mir dies Mittel 
zu Nutze machen, Sie von meinen ges 
genmwärtigen Umftänden zu unterrichten.) 

Dergypoh..Th, Do Klin 





578 


Clinket. Stellen Sie fi alfo Deu: 
Falion und Pyrrha in ihrem Kahn 
vor. Sie fahren ein Borgebirge vors 
bey, auf welchem Prinz Haͤmon ficht, 
ein ehemaliger Liebhaber der Pyrrha, 
den die Wellen fo eben zu verfchlingen 
Mine machen. Ihre Rolle, Sir, ift 
Haͤmon; der Lady ihre, Pyrrha; und 
ic) bin Deukalion. Sie fangen an, 
Sir. | 

Plotwell lieſt. 

Was? He da! Bootsmann! 
Townly 
Haͤmon? 
Plotwell. | 
Ja doch! Hämon? 
Townly. 
Du ſiehſt mich nun, von meiner Wohnung 
ſegelnd 
Im Kaͤſien eines Gatten. Deine Liebe 


Moͤcht ich —F gern belohnen: doch 
ich fuͤrchte, 

Der nächfte" Mond wird ſchon hinaus 

| aufs Yand 

Mir leuchten 


Clin⸗ 





— 


Clinket. Keine Sylbe im Manu— 
feripe! Was? falſch! grundfalſch! 
Plotwell. 
Alle Straſſen durch hab ich 
Nach dir geforſcht, o Pypyrrha 
Clinket. Unertraͤglich! Declamiren 
Sie, Sir, die Rolle, wie fie conci; 
pirt iſt. Es geht fehlechterdings nicht 
an, daß Sie die Handlung dur Eis 
temporiren undeutlich machen. 
Plotwell. Ich richte mich nach der 
Gewohnheit unſerer beſten Schau⸗ 
ſpieler — 
Townly. 
Lieb und Mitleid 
Heiſcht das von mir, was meine Pflicht 
verbeut. 


Plotwell (kuͤßt ſie.) 
Clinket. Pfuy, Herr Plotwell, 
dieß iſt wider alles Decorum der Buͤhne. 


Ich dulde fo: wenig die Zuͤgelloſigkeit 
| 02 einer 





580 

einer Umarmung mit Küffen auf der 
Bühne, als ich mir die Barbaren des 
Umbringens darauf erlauben wollte, 
Die beften Akteurs eines Trauerfpiels, 
fo wie die vornehmften Standsperfonen 
unferes Gefchlechts bey einer Viſite, 
werden niemals über die Graͤnzen eines 
ehrbaren Backengruſſes fehreiten, wie 
etwa diefer ift, Here Plotwell. (fie 
kuͤßt ibn.) | 

Plotwell. Sch finde im Ariftoteles 
nirgends eine Regel wider das Küffen. 

Clinket. Gfeichwohl wollte ich 
doch nicht gen Gefahr laufen, daß 
man an meinen Sachen ein Indecorum 
beginge, 

Plotwell. Sie haben Redt, 
Madame. Die legten entjcheidenden 
Unternehmungen, es ſey nun in der 
Liebe oder in der Rache, follten fich 
allemal den Augen der Zufchauer ent: 
ziehen. Allein, einen Kuß in der Ko: 
mödie betrachte ich nur wie eine Ohr— 
feige in der Tragödie, welche von den 

beſten 


—— 581 


beſten Dichtern haͤufig gegeben und ge— 
nommen witd, 

Clinket. Sehr wahr! Denn ein 
Frauenzimmer darf eben jo wenig einen 
Kuß auf fich ſitzen laſſen, als eine 
Mannsverfon eine Obrfeige Neh⸗ 
men Sie denn, Sir, nehmen Sie hin 
meine Muſe (giebt ihm ihr Schau 
fpieN), ich untergebe fie Ihren Flügeln: 
denn dort Fommen die Schaufpieler. 
Ihre Güte, fich für den Autor auszu: 
geben, wird mein Stüc unfehlbar auf 
die Bühne verhelfen; das Theater 
wird, troß aller Vorurtheile von 
Haͤndeklatſchen erſchallen; und ſelbſt 
die unvernuͤnftige Canaille, die Schau— 
ſpieler, werden ihren Vortheil kennen 
lernen. 


Sir ar Te mitzwey 
Schaͤuſpielern. 
Plotwell. Meine Herren, dieſe 


Dame die meinen Werfen ein geneig— 
Oo 3 tes 


532 — 


tes Ohr leihet, hat mie erlaubt, Gie 
und meine Tragödie bey ihrem Thee: 
tifche zu introduciren, 

Clinket. Meine Herren, Gie 
ermweifen mir viele Ehre. 

Erſter Schaufpieler (zu 
Plot well.) Erlauben Sie, Sir, 
daß wir Sie mit Sir Tremendous, 
dem größten Kunſtrichter unſers Jahr— 
hunderts, bekannt machen. 

Plot well. Sir Tremendoug, ich 
freue mich, Sie kennen zu lernen, ob 
ich gleich wohl weiß, daß kein mit der 
Antipathie behaftetes Frauenzimmer ſo 
viel Angſtſchweiß vergieſſen kann, wenn 
fie eine Katze ſieht, als gewiſſe Scri— 
benten, wenn ihnen ein Kunſtrichter 
aufſtoͤßt. Sir Tremendous, Madame, 
iſt ein Kunſtrichter, der beweiſen kann, 
daß der Stadt das misfallen muͤſſe, was 
ihr gefallen hat, und umgekehrt, daß 
ihr das gefallen muͤſſe, was ihr misfal⸗ 
len bat, 


Tre⸗ 





= 583 


Tremendous. Ach wehe! was 
bilft wohl Ein guter Gaum, wenn die 
ganze Stadt einen verdorbnen Geſchmack 
hat? In dieſem groſſen Sodom der 
Unwiſſenheit giebt es Feine zehn Kunft: 
richter, die leidlich urtheilen. 

Clinket. Sch bin völlig ihrer Mey: 
nung, Sir Tremendous. Unfereneu: 
ern Tragoͤdien find ſolch Zeug! fie ers 
regen wahrhaftig weder Schrecken noch 
Mitleid! 

Plotwell. Sagen Sie vielmehr fe, 
Madame: den erfien Abend erregen 
fie das Mitleid der Zufchauer über den 
Autor, und den dritten Abend das 
Schreefen des Autors über die Zus 
ſchauer. Sir Tremendous Schaus 
fpiele, es iſt nicht zu läugnen, erregen 
eine  erhabnere Leidenſchaft, -—- Er: 
ftaunen. 

Clinket. (So viel id) merke, wird 
hier ein Wißgefecht unter diefen wiki: 
gen. Köpfen vorgeben. Prue, gib ja 
Acht, daß du mir alle Öleichniffe auf 

Oo 4 ſchreibeſt. 





584 ——— 


ſchreibeſt. Prue siehe fih nad) 
dem SHintertheil der Bühne 
zurück, Feder und Dinte inder 
Hand.) 

Tremendous Die Subjekte der 
meiften neuern Schauſpiele find fo übel 
gewählt, als --- 

Plotwell. Als die Patronen zu 
ihren Debdicationen. (Elinket giebt 
Prnue einen Wink.) 

Tremendous. Ihre Intriguen 
ſind ſo ſeicht angelegt, als — 

Plotwell. Als die Intriguen der 
fehlechten Poeten gegen die auten. — 

Tremendous. Ihre Epifoden 
paſſen ſo wenig zur Haupthandlung, 
als -- 

Ctinfet. Als eine fhwarze Kon: 
tuſche zu einem bunten Ro, (Schreib 
auf, Prue.) 

Tremendous. Ihre Sentiment⸗ 
ſind ſo aufgedunſen, daß — „— 

Plotwell. Daß ſie, wie geſchlagen 
Creme, vergehen, We gefofterwerden, 

Tre: 





585 


Tremendous. Ihr Ausdruck iſt 
fo Eriechend, daß --- daß — 
Plot well. Run, dag ihre Freunde 
ſich gezwungen BUN; * ſimpel zu 
nennen, 
Erſter Schaufp. Sir, das 
Trauerſpiel, wenns Ihnen beliebt. 
Zweyter Schauſp. Wir haben 
noch dieſen Vormittag Probe. 
Tremendous. Und dann ſtehlen 
4 fo augenſcheinlich, daß — 
Plotwell. Daß ſogar die frandſi 
ſchen Schneider es merken. 
Tremendous. O weldhe Raube— 
reyen an den Alten! welche Freybeu⸗ 
tereyen an den Neuern! — Da iſt die 
berufene Iphigenia von Racine; er 
ſtahl ſeinen Agamemnon von Seneca, 
Seneca ſtahl ihn von Euripides, Ei: 
ripides ftahl ihn von Homer, und’ Ho 
mer ftahl ihn von allen den Alter, die 
vor. ihm lebten. Mit einem Worte, 
nichts ift fo unausftehlich, als unfere 
‚größten rn ” — 
Erſter 





586 ——— 


Erſter Schauſp. O! aber der 
unſterbliche Shakeſpear, Sir — 

Tremendous. Kein Judicium! 

Zweyter Schauſp. Der bar 
wunderte Jonſon --- 

Tremendous. Trocken! 

Erſter Schauſp. Der zärtliche 
Otway --- 

Tremendous. Uncorrect! 

Zweyter Schauſp. 
redge — 

Tremendous. Lauter Geſchwaͤtz! 

Erſter Schaufp. Dryden — 

Tremendous. Verſificateur! 

Clinket. Ach mein theurer Sir 
Tremendous! welche Delicateſſe in 
ihrer Art zu fuͤhlen! 

Tremendous. Ah Madame! 
welche Angemeſſenheit in ihren Senti⸗ 
ments! | 

Elintet Ih bin von Shren 
prrhneingenken Talenten fo beru⸗ 

ert 


Tre⸗ 


— 587 





Tremendous. Ihre ungewoͤhn⸗ 
liche Capacitaͤt ſetzt mich fo in Erftaus 
net — 

— Daß es mir unmöglich 
UI 

Tremendous, Daß ich nie: im. 
Gtande bin — 

E linker. Sattſam zu concipiren — 

Tremendous. Ganz zu erprimi: 
ren on 

Clinket. Wie innig ih von Ihnen 
estafire bin, gelehrtefter Sir Tremen: 
dous! 

Tremendous. Wie tief die Ber 
tounderung geht, womit ih Sie be: 
mundere, meine bimmlifhe Mrs. 
Elinfer. (Ein Theetifh wird her 
eingebracht.) 

Chinket. Diefes ftarfgearbeitete 
Drama ift zu gut für ein Jahrhundert, 
wie das unfrig, 

Plotwell lieft. Die Suͤndflut, 
oder die Tragödie von Deufalion und 
Pyrrha. 

Clinket. 





588 


Clinket. Herr Plotwell; ich laſſe 
mir das Vergnügen nicht nehmen, es 
vorzulefen: verzeihen Sie mir — 

Erſter Schaufp. Die Sins 
flut? Das Sujet feheint trop recher-- 
ch£&'zu ſeyn. 

Clinket. Ein Stier, das noch 
feiner von den Alten oder Reuern be: 
rührt hat, ein Sujet, worinn Schte: 
fen und Mitleid in ihrer Bluͤthe 
find --- 

Erfter Schaufp. Es fchickt fich 
nicht fürs Theater, Koͤnnen Sie er: 
warten, Git, daß die- Ladies drey 
Stunden lang in ihren Logen werden 
figen wollen, regnigt Better, und einen’ 
Schiffer in einem Gturme, zu feben? 
Than Sie ihr Beftes, Etwas anders 
wird doch nicht heraus kommen, ich bin 
davon uͤberzeugt. 

Zweyter Schaufpꝛ. Wenn Sie 
erlauben, Madame, laſſen Sie uns 


hören, wie die Scene ſich öffnet. 
rn) Clinket 





589 


Clinket lief. Der Vorhang 
wird aufgezogen, und man fiebt einen 
Himmel mit Wolfen gedeckt. Ein ge: 
waltiger Plaßregen. In der Ferne 
zeigt fich der Berg Parnaſſus. Am 
Fuß deflelben liegen alle Aecker und 
Wiefen unter Waller, Man erblickt 
Menſchen und Dieb mit Schwimmen 
bejchäftigt. Thurmſpitzen ragen über 
der Flut hervor, und Männer und Wei— 
ber halten fich an den Wetterhaͤhnen. 

Tremendous. Wenn Sie mir es 
nicht übel nehmen wollen, Sir, ich 
glaube beweifen zu Finnen, daß die 
Werterhähne von fpäterer Erfindung 
find. Ueberdem, wenn, wie vor fur: 
zem ein groſſer Philoſoph demonftrire 
hat, wenn, fage ih, Mauerfteine im 
Waſſer aufgelöft werden, wie konnten 
die Thürme gefehen werden ? | 

Plotwell. Ich beftehe nicht auf 
Kleinigkeiten, Streichen Sie aus --- 

Clinket. Sie wollten es ausſtrei— 
chen laſſen? Bedenken Sie wohl, was 

Sie 





590 


Sie thun? Mit diefem einen Streiche 
geht die ganze Grumdlage des Dranta 
zu Teimmern. Springen hicht fänt: 
liche Perſonen des zweyten Akts aus 
den Steinen hervor, welche Deukalion 
und Pyrrha hinter fich werfen? Wenn 
dieſe Chicane gelten follte, fo müßte 
das game Syſtem von der Wiederher: 
ftelfung des menfchlichen Gefchlechts 
übern Haufen fallen. 

Erſter Schaufp, Ferner ift der 
Platzregen unſchmackhaft — 

Clinket. Warum ſollte der Autor 
nicht mit eben ſo gutem Fug regnen duͤr⸗ 
fen, als es andern Dichtern erlaubt iſt, 
zu ſchnehyen oder zu donnern? (lieſt 
fort.) Deufalion tritt auf in einer 
Art von Schifferfleidung, und ſiehet 
feine Frau, Pyrrha, in einem Kahn, — 
Ihre erfte Kataſtrophe, entfteht dadurch, 
daß fie zurück geht, eine Schachtel mit 
Juwelen zu holen. Merken Sie wohl 
auf, wie geſchickt der Derfaffer die 


größten Genies nachahmet. Gleich 
die 


— 591 


2 
die erſte Unterredung iſt ganz in dem 
feurigen Geiſte des erhabnen Lee — 


Und druͤckte gleich der Himmel jeden 
Schwamm 

Des Firmaments ganz aus, und ſtroͤmte 
Wolken 

Herab, daß jede ſich ein Meer ergoͤſſe: 

Nicht Ebb' und Flut — 


Tremendous. In der mittellaͤndi⸗ 
ſchen See giebt es keine Ebbe und Flut, 
folglich Eonnte Deukalion fein “Bild 
davon hernehmen. 

Clinket. Ein Mann von Deufe- 
lions Stande konnte auch in andern 
Seen gereift ſehn, als eben in ver mit: 
telländifchen See, und fo fällt der Eins 
wurf von felbfi weg, Bemerken Sie, 
Sir Tremendous, die Zärtlichkeit eineg 
Otway in diefer Antwort der Dyrrba, 


⸗ Fuͤt 


592 . 


0. — Kür wen 

Druͤckt meinen Leib die Schnürbruft fe 
gelförmig | 

Zufammen, als für dich, mein beſter, 
daß 

Du ihn mit runden Armen fanft um: 
ſchlingeſt. 

Tremendous. Ab! Anachronif 
men! Schnürbrüfte find eine Neuere 
Tracht; die ganze Scene ift monſtroͤs! 
gegen die Regeln des Trauerfpiels. 

Plotwell. Sch unterwerfe mich, 
Sir. Streihen Sie weg — 

Clinket. Wäre das Trauerfpiel 
mein, Sie jollten mir eher das Fleifch 
an meinem Leibe zerhacken, mir eber 
den Mund von einem Ohr zum andern 
aufreiffen, als mir an meinem Drama 
etwas ausftreichen. 

Plotwell. Aendern Sie, verwer: 
fen Sie, feßen Sie hinzu, wie Sie es 
ſelbſt nöthig finden. Sch unterwerfe 
mich in allem Shrem Ausfpruche, (Er 
ftiebtauf, und nimmt Die 
Townly beyfeite), 

Tre 





593 


Tremendous. Madame, Non: 
fens und ich haben fchon da, als ich 


noch in der Wiege lag, einen herkuli— 


fhen Kampf mit einander gekämpft, 
Monfens macht mir den Kopf warn, 
Zweyter Shaufp. Wirklich, 
Madame, wenn ich Ihnen meine un: 
vorgreifliche Meynung fageu darf, und 
ich glaube, daß ich einige Erfahrung 
vom Theater befiße --- Die Stüd 
kann fchwerlich gefallen. | 
Clinket. Die [hwächften Zeilen in 
diefem Stuͤcke würden immer noch gut 
genug fenn,  fich einen allgemeinen 
Applaus zu. verfchaffen, wäre nur der 
Derfaffer bekannter, oder hätte er es 
der Mühe werth gehalten, fich von 
einer befannten Feder anpreifen zu 
laffen. - 
Tremen dous. Unter uns gefagt, 
Madame, die wir die Sache beffer ver: 
ſtehen: diefer Ihr Freund weiß nicht, 
was Poefie if. 


Deraypob.2.Tt. Pp ° Erfier 


on 


594 — 
Erfter Schaufp. Er mag ein 


wacrer ehrlicher Mann fenn, aber ein 
verdammter Scribent ift ev unldugbar, 
fein Stuͤck kann nicht nur nicht gefal- 
len, fondern es darf nicht gefallen. 

Tremendous. Wenn Gie feine 
wahre Freundin fenn wollen, wenn Gie 
feine Ehre lieb haben, fo rathen Sie 
ihm, es ing Feuer zu werfen. | 

Clinket. Welche unfägliche Arbeit 
für einen angehenden Autor, die Macht 
des Vorurtheils zu befiegen! Nehmen 
Sie einmal an, daß diefes erfte Trauer: 
fpiel Ye — nur fechs bis fiebenmal 
aufgeführt wird: fein nächites Fann 
vielleicht zwanzig VBorftellungen bitter 
einander aushalten. Schrecken Sie 
einen jungen Autor nicht ab: ich weis, 
Sie finden gewiß Ihre Rechnung 
dabey. 

Zweyter Schaufp. Ich wollte 
lieber 500 Pf. an die Armen fchenfen, 
als gewiſſe Trauerfpiele auf die Bühne 
bringen, Die Zubörer unterfuchen 

—ſelten, 








595 
felten, ob es der Autor; oder der 
Akteur ift, den fie auszifchen. Unſer 
Charafter leidet darunter, 

Erſter Schauſp. Meinetwegen 
zum Henker mit unſerm Charakter! 
das Schlimmſte iſt, daß wir Geld da; 
bey zuſetzen. — 

Clinket. Ich will eine hinlaͤngliche 
Summe deponiren, woran Sie ſich 
ſchadlos halten koͤnnen, wenn das Stuͤck, 
wie ich doch ſicher nicht hoffe, zu Ihrem 
Nachtheil ausfallen ſollte. Nun gut 
denn, da das Trauerſpiel alſo aufge: 
führt werden ſoll, fo will ich den Ver: 
faffer zu bewegen fuchen, daß er einige 
Kleinigkeiten ausbegre: Nehmen Sie 
es, Sit Tremendous; (Er murmelt 
einige Zeilen vor ſich.) 

Tremendous. Im böchften Gras 
abgeſchmackt! (reicht aus) Hand 
greiflicher Donfens! (reiht aus) 
Clinket. Was? alle diefe Zeilen ? 
Verfchonen Sie diefe, einer Dame zu 
3 Pp a Gefal⸗ 


596 — 





Gefallen! Die Wahrheit zu ſagen, 
Ich ſelbſt habe ſie ihm geſchenkt. 
Tremendous. Solch Geſchmiere! 
Eſtre icht aus) Abſcheulich 
(fireidt aus) Unertraͤglich! 
(ſtreicht aus). 
Erſter Schauſpiel. Dieſer Ge: 
danfe mug weg — 
Zweyter Schaufp. Um Ber: 
gebung, Madame, diefe Metapher — 
Eriter Shaufp. Diefe ganze 
Tirade — 
Tremendous. Und welch eine 
Fabel! 
Clinket. Bon Ihnen fordre ich — 
Erſter Schaufp. Und die Cha: 
taftere! 
Clinket. Bon Ihnen fordere ich -- 
Tremendous. Und der Ausdruck! 
Clinket. Und von Jhnen! -—- Ab! 
Halt! Halt! -- Sie zerfleifchen mich! 
Sie zerveiffen mein Herz! Gnade! Gna⸗ 
de! Mord! Gewalt! ah! (fie falıt 
in Ohbnmadt.) 
Foſſile 


597 


Bi gudt duch ar 
Thuͤre. 
file, ( SH mein Haus ein Ko: 
mödienhaus geworden ? und auch meine 
Braut fpielt ihre Rolle, wie ich ſehe? 
wie gefchicht mir! ch muß diefe His 
ftorie von Grund aus unterfuchen.) --- 
Es that mir leid, fo fruͤh fehon fo 
viele Patienten hier anzutreffen. Wor⸗ 
über Elagen Sie, Sir? 

Erſter Schaufp. Ueber Kolik, 
Eir: ich habe mir den Magen an 
Grünthee. und verdammeten Verſen 
verdorben. 

Foſſile (zur Townty. Ihr 
Puls ſchlaͤgt ſehr ſtark Madame -- (zu 
Plotwell) Es iſt Sympathie zwiſchen 
Ihnen beiden, ſo viel ich merke: denn 
der Ihrige ſcheint mir etwas fieberhaft. - 
Allein ich fehmeichle mir, daß ich den 
Paroxiſmus für dießmal noch vertrei: 
ben werde, --- Und was Fuch betrift, 
Nichte, Ihr habt das poetifche Jucken 
am Halſe, und Eure neun Muſen ſind 

Pp3 neun | 





u 





598 


neun Teufel, die Euch mit $eib und 
Seele befißen. Seht ber, fo übergebe 
ih Euch und Eure Werke den Fe 
men der poetifchen Berdammniß. X erz 
greift einen Stoß Papier, und 
wirft ihn ing Feuer). 

Clinket. Ab! ich bin eine ruinirte 
Creatur! 

Plotwell. Wie ſo? hat er einige 
Banknoten verbrannt? oder eine neue 
Coeffuͤre von brabantiſchen Spitzen? 

Clinket. Meine Werke! meine 
Werke! 

Erſter Schauſpiel. Hat er Ihre 
Erbſchafts Documente zerſtoͤrt? oder 
Ihre Billetsdoux? | 

Clinket. Eine pindarifche Ode! 
Fünf Gleichniffe! und die Hälfte von 
einem Epilogus! 

Zweyter Schaufp. Hat er einen 
neuen Fächer in den Kamin geworfen ? 
oder eine Halsfchnur von Perlen ? 

Clinket. O wenns nur das wäre. 
Die Couplets zu einer neuen Komoͤdie! 

einen 








599 


‚einen Prolog von vornehmer Hand! 
drey Abfchriften von Sonnetten auf die . 
Berfafferinn! und zwen griechiſche 
Mottos! 

Foſſile. Meine ER wenns 
beliebt --- 

Zweyter Schaufp. Innerhalb 
einer Stunde, Madame, ſollen Sie 
unſere poſitive Antwort erhalten. 
(Tremendous, Plotwell, u. die Schau: 
fpieler gehen ab). 

Foſſile (So verdächtig diefe Be— 
gebenheit ausſieht; ſo will ich doch 
nicht zu raſch zu Werke gehn. Was 
ſpricht Libanius ? Eine falſche An: 
“ Plage fällt oft auf den Anklaͤger zu: 
* xücd, Und ich babe durch Webers 
eilung ſchon genug gelitten. ) 


— — — 


Sn den folgenden Akten ſpielt Plot: 
well feine Intriguen mit der Townly 
fort, die aber immer durch die Intri— 

PpP 4 guen 


600 ——— 


guen Underplots, ſeines Nebenbuhlers, 
ruͤckgaͤngig werden. Dieſe Satyre uͤber 
die zuſammengeſetzten Handlungen des 
brittiſchen Theaters iſt cine der glück 
lichften, die ich kenne; vollfommen 
ariftophanifch. Foſſile ift noch nicht 
drey Stunden verheirathet, und fühlt 
fchon jede Unbequemlichkeit des Che: 
ſtandes: welche himmliſche Mafchine 
wird ihm aushelfen? Was wird aus 
der unglücklichen Clinket? wie werden 
ihre beiderfeitigen Schickſale zur Ent: 
wicelung zufammenfliefjen ? 


a u m 


Entwickelung. 


(Foſſile hat den Friedensrichter Poſ— 
ſum zu Rathe gezogen. Ein Schiffer 
von Deptford bringt Foſſilen ein Kind, 
das, wie er ſagt, einem jungen Frauen: 
zimmer in Dr. Foſſiles Haufe zuge: 
höre, Townly wird befragt, und laͤug— 

net. 


— 661 


net. Der Friedensrichter entſcheidet, 
daß der alte Foſſile ſelbſt der Vater des 
Kindes 3 fen, und es ernähren folle, In 
diefer Verwirrung gebt Prue miteinem 
Briefe in der Hand uͤber die Buͤhne, 
und Foſſile nimt ihr den Brief ab.) 
Foſſile. Wohin ſo eilig, Mamſell? 
Nichts, was zwiſchen dieſen vier Waͤn⸗ 
den vorgeht, ſoll vor mir heimlich ge: 
balten werden. (Erlieft). Un 
„Richard Plorwell Efa.  --- Diefer 
Brief, Here Poſſum, ſteckt ung in der 
ganzen Sache ein Licht auf Da fie 
eine unglückliche DBerwandtinn von mir 
ift, fo erbitte ich Ihre Verſchwiegen— 
heit, Herr Poffum, Aber lefen Sie. 
Poſſum Chief). “ Sir, das 
+ Kind, von dem Sie die Güte gehabt 
+ haben Vater zu werden, ift mir wies 
’° der zuruͤckgeſchickt worden. Ihre 
Freunde von Drurylane haben mir, 
* ich weis nicht, ob mit mehr Unglimpf 
“ oder Unhöflichfeit, ins Geſicht ge: 
“ ſagt, dab ich verdammt werden 
| Dpsz * würde, 


602 —— 


“würde, Wie ungluͤcklich aber das 
* arme Kind, das mir fo viele Wehen 
* und feitdem noch gröfferen Herzens: 
* funmer gemacht bat, je merden 
“ mag, fo babe ich doch zu feinem 
* Bater die gute Zuverficht, daß er 
“ von feiner Seite nichts werde fehlen 
* laſſen, mweniajtens vor der Welt den 
* guten Namen derjenigen zu erhal: 
* ten, die fich mit Aufferfter Nieder: 
* gefchlagenheit unterfchreibt zc, ” ---- 
Wie Sie fügen, Hr. Doftor, die Sa: 
he ijt Flar genug. Alle Umftände 
treffen zu. 


Clinket tritt auf. 


Clinket. Es iftfehr unhöflich, Sir, 
Jemandes Briefe zu öffnen. 

Foffile. Wollte der Himmel, es 
wäre nicht gefchehen! Wollte der Him: 
mel, der Inhalt Fönnte mir, und der 
ganzen ehrbaren Welt auf immer ein 
Geheimniß bleiben! — Elendes Ge: 


ſchoͤpf! 





603 


ſchoͤpf! In welche bereuenswuͤrdige 
Umſtaͤnde bat deine verwuͤnſchte Poete— 
ven dich geſtuͤrzt! | 

Clinket. Ich bin über diefen Zus 
fall nicht im geringſten befümmert, 
Es ift andern berufnen und fehr belieb— 
ten Töchtern Apollos oft nichts beffer 
ergangen: überdem bin ich fchon eher 
in dem nämlichen Falle geweſen. 

Foſſile. Ihre Unverſchaͤmtheit 
uͤberſteigt allen Glauben. Schon eher 
in dem naͤmlichen Falle? 

Clinket. Seit fuͤnf Jahren alle 
Winter! und Niemand hat ſich damit 
befaſſen wollen. Es kann ſeyn, daß 
mich Andre an Kaltbluͤtigkeit im Nach: 
denfen übertreffen ; es kann ſeyn, daß 
andre correster in ihren Sitten find; ja 
ich will zugeben, daß viele ihre Chas 
raftere überhaupt beffer zu menagiren 
wiſſen: aber was Kruchtbarfeit, und 
vornehmlich Leichtigkeit zu concipiren, 
betrift! daran, glaube ich, foll mirs fo 
leicht Feine Seele zuvor thun, 

| Fofs 





604 


Foffile. O Himmel! von wen kat 
fie diefe unerhörte Eonftitution geerbt! 

Poſſum. Noch einen Augenblick 
Geduld, Sir. Wer weis, ob nicht, 
nad ihren Reden zu urtheilen, die 
Dame vielleicht heimlich verheirathet 
feyn mag ? | 

Townly. Schande würde es uns 
feyn, Herr Foffile, mit ſo einer Crea— 
tur länger unter Einem Dache zu Ichen. 
Gleichwohl, wenn Sie fich entfchlieflen 
follten,, fie aus dem Haufe zu werfen, 
fo, ich befchwöre Sie, fo gehen Sie 
wenigſtens menfchlich mit ihr um, ch 
will allenfalls wohl für das Kind fors 


en. 
; Clinket. Sich habe oft und vieldia- 
logiren gehört, fhreibe auch wohl felbft 
ein erträgliches Gefpräch: aber ein fo 
unbegreiflicher Dialog, als der gegens 
waͤrtige, ift mir doch nie vorgefonimen. 
Worinn befteht dein, moͤchte ich fra: 
gen, die Suͤnde, ein Drama zur Welt 
gebracht zu haben? dag ich es nach 
Deus 





605 





Drurylane ſchickte, geſchah in PO 
andern Abficht, als weil ich mir. das 
unfchuldige Vergnügen wuͤnſchte, es 
aufführen zu fehen. Daß man mirs 
aber twiedergefchickt bet, kann ich das 
ändern? Iſt es meine Schuld, wenn 
die Komödianten einen elenden Ge: 
ſchmack befigen? 

Poſſum. Nun diefe Erklaͤrung, 
ich muß es geſtehen, ſcheint allerdings 
die Natur der Sache ein wenig zu ver⸗ 
aͤndern, und ſetzt uns einigermaſſen in 
die vorige Verlegenheit zuruͤck. Aber, 
Madam/ was meynen Sie denn mit 
dem Ausdrucke: “ Ihr Kind“? 

Clinket. Se, was ſollte ich mey— 
nen, als mein Trauerſpiel, das Kind 
meines Witzes? Je doch! einer von 
St. Majeſtaͤt Friedensrichtern, und 
verſteht eine gemeine Metapher nicht! 

Poſſum. Herr Doktor, Sie has 
ben uns lange genug mit ihren Künften 
und Ausflüchten aufgehalten; und dag 
* vom Lied bleibt ; behalten Gie 

fein 


606 — — 


fein das Kind! es iſt Shres! --- Gum 
Schiffer). Freund, ſprich mir rein 
von Bart weg; ſage mir deutlich und 
umſtaͤndlich, mas dir von der ganzen 
Affaire bekannt ift: 

Foſſile. Mein, erft hören Sie 
meinen Bericht an; ich will feinen 
einzigen Lmftand verfchmweigen. - 
Diefer Morgen treibt mich mein boͤſer 
Geift, Gott verzeih mir! dag ich dieß 
Frauenzimmer heirathe; und da ich fie 
kaum, nachdent die Einfegnung vorben 
ift, aus ihrer vorigen Wohnuͤng ben 
Mes: Chambers in der Königeftraffe, 
Coventgarden, hier in mein eigen Haus 
babe, ſtellen Sie fich vor, 
Ö u wi 

Schiffer, Mis. Chambers? 
Mrs. Chambers hieß das Haus, wo 
mar nich hinwies; und in dem Haufe 
bey Mes. Chambers twohnte die Magd, 
die uns das Kind beachte, dag meine 
Frau es für ihre Lady auffäugen follte; 
und ser ihre Lady war, das wollte Sie 

uns 





— 607 


uns nicht ſagen, war auch unſers 
Thuns nicht, weiter darnach zu fragen. 

Poſſum. Weiſt du, wie das Dienſt— 
maͤdchen hieß? 

Schiffer. Wenn ich mich nur ber 
finne — Barſchnetz. 

Foſſile. Sarfner, meyneſt 

Schiffer. Sarſnet, ja fo mars. 
59— 

Tomniy Sch will fie die Treppe 
Berunter fhmeiffen, den Augenblick! 
die garftige Creatur! 

Hoffum. Die Sade ift klar ge: 
nung. Sie cohabitiren mit der Mutter 
des Kindes, Herr Doftor: currat Lex. 
Sie müffen das Kind alinientiren.- 

Foſſile. Ihr Ausfpruch ift unge; 
recht, Sir, und ich appellire, Da ich 
nie eher als heute verheirather gewefen 
bin, fo babe ich nie mit irgend einer 
Weibsperfon fleiſchlichen Umgang ge; 

pflogen; und was mein junges Weib, 
Mrs. Suſanna Townly, betrift, für 
mich iſt fie in den drey Stunden, da ich 


ſie 


608 un 


fie die Meinige nenne, noch it ißt eine fo 
reine Jungfer, als fie jemals mag ger 
wefen ſeyn. 

Poſſum. Sufanna Townly! Su: 
ſanna Towuly! (zu feinem Schreiber) 
Guck er doch einmal in den Befehl des 
tord Dberrichters, — Madame, ein 
Wort unter vier Augen -— (fügt ihr 
etwas ind Ohr.) Herr Doftor, Miy- 
Iord Oberrichter bat etwas mit diefer 
Dame zu tbun. 

Foſſile. Mylord Oberrichter hat 
etwas mit meiner Fran zu thun ? 

Poffum. Deutlicher zu reden, 
Herr Doktor Foſſile, Sie haben dieſe 
drey Stunden lang eines andern Man 
nes Frau gehabt. Ihr rechter Man, 
Sieutenant Bengall, ift eben ißt aus 
Amerika zuruͤckgekommen, und that 
heute fruͤh um einen Deſertionsbefehl 
Anſuchung u. ſ. w. 

Aus obigem, mein allertheuerſter 
Herr von Jernſtrup, werden Sie unter 


andern bemerket haben, daß der gute 
| an, 





609 


Gay, wie uns fein Biograph Ieher, 
allerdings etwas leichtſinnig geweſen 
ſey: am anſtoͤßigſten iſt mir jedoch ſeine 
wenige Ehrerbietung gegen die Tribu— 
nale der Kunſtrichter. Sollten Gie 
vollends ſehen, wie wenig Umſtaͤnde 
er macht, eins ſeiner Luſtſpiele, das 
eben ſo ſehr wider die Regeln verſtoͤßt, 
als das vorhergehende ſie ſchuldigſt be⸗ 
folgt, gegen die Ausſpruͤche der Your: 
nale zu vertheidigen, Sie würden es 
ihm niemals verzeihen. Wie edel find 
dagegen Ihre demuͤthigen Gefinnungen, 
mein vortreflichfter Sreund! -— Und 
doch kann ich mich Faum enthalten, 
Ihnen ein Benfpiel zu geben, mie weit 
die Herren Engländer manchmal ihre 
eisen; rl 


Behyyohat. Do Gans 


610 —— 


Gays Vorbericht 
zum 
What d'ye call it, 
einer Tragifomipaftoralfarıe 
* m 





De ich der erſte bin, der die Buͤhne 


mit dieſer Art theatraliſcher Unter⸗ 
haltungen bereichert hat, fo halte ich 
es für hoͤchſt nothwendig, ein- paar 
Worte ftatt einer Vorrede darüber zu 
fagen, und nicht allein ihre weſentli— 
chen Eigenschaften zu beſtimmen, fons 
dern zugleich einige Einwürfe zu beants 
orten, die von ſtrengen Kunfteichtern, 
und andern daben intereffirten Perfonen, 
verfchiedentlich dagegen auf die Bahn 
gebracht worden find, 

Wir haben auf den brittifchen Thea: 
tern oft Tragifomödten mit vielem 
Gluͤck vorftellen feben, _ In der Tragi: 
| y.s.berräfimb: 


4 
I 


—— dis 
komoͤdie Bat das Tragiſche und das 
Komifche jedes feine abaefonderten 
Scenen, die ohne Mühe als eigne 
Ganzen betrachtet werden Fönnen, Die 
Kunft der Tragifomipaftoralfarce aber 
gründet ſich auf eine durchgängige Ver: 
flechtung vier befonderer Gattungen, 
welche fo angelegt find, daß fie nie von 
einander getrennt werden Fönnen, 
Die Einmwürfe, welche man wider 
die Drama, infofern es eine Tra— 
gödie ift, gemacht hat, find folgende. 
Zuerſt läugnet man, daß die Hand: 
lung tragifch fey, weil die Katafirophe 
in einer Hochzeit beftehe, da doch Hoch: 
" zeiten von jeher für etwas Komifches gap 
halten worden. | 
Zweytens in Anfehung der Charak 
tete, behauptet man, daß ein Friedens- 
richter, ein Schreiber, und der Geift 
eines Embryo, der tragifchen Würde 
weder angemejjen, noch jemals in den 
Trauerfpiefen der Alten vorgekommen 


find, 
| 2, q 2 Drit⸗ 


612 —* 


Drittens ſollen die Sentiments nicht 
tragiſch ſeyn, weil fie nur dein niedrige 
ften Landvolke eigen find. 

Endlih will man, daß die Moral 
für eine Tragödie unſchicklich ſeh, ins 
dem der Zweck der Tragödie erfordere, 
das menfchliche Leben in feinen Unvoll— 
fonimenbeiten, Schwachheiten und 
Kümmerniffen zu zeigen, um dadurch 
das Herz von feiner natürlichen Härte 
zu fanften und mitleidigen Empfindun: 
gen zu erweichen; daß alfe auch die 
Moral nach diefem Zwec eingerichtet 
ſeyn müffe + Da hingegen, wie 
meine Kunftrichter behaupten, die Mo; 
val des gegenwärtigen Stüds, als Tras 
goͤdie betrachtet, gänzlich dabin abzur 
zielen fcheine, die Zuhörer in ihrer Ei- 
telfeit und ihrem Eigenduͤnkel zu ber 
ftärfen, 


* 


Ihr 


* 
— — 613 


Ihr alle ſeyd fo Flug! u. ſ. w.) 
Auf den erſten Einwurf antworte ich, 
daß es noch, ſelbſt unter den vornehm⸗ 
ſten Kunſtrichtern, nicht ausgemacht 
ſey, ob ein Trauerſpiel nothwendig eine 
traurige Kataſtrophe haben muͤſſe. 
Wie ſehr die franzoͤſiſchen Kunſtrichter, 
folglich auch die franzoͤſiſchen Dichter, 
der gegenſeitigen Meynung find, er: 
hellet aus den franzöfifchen Trauer 
fpielen. | 
In Unfehung des zwenten getraue 
ich mir zwar nicht zu behaupten, daß 
irgend einer von den Alten einen Frie: 
densrichter, einen Schreiber, oder den 
Geift eines Embryo, in einer Tragödie 
Da 3 auf⸗ 


* Sp lautet der verwegne Anfang des 
legten Hemiftichiums aus dem Epilo— 
gus, der ein Diftichon ift: 

Dieg Stück enthält Moral, wie: 
wohl ſchwer zu ergründen: 

Ihr alle feyd fo Elug! ihr werdet 
fie fchon finden. 


— 








614 F 
aufgefuͤhrt habe: wer gleichwohl Luſt 
bat, die Stuͤcke des Sophokles, Euris 
pides, oder Scheca zu unterfüchen, der 
wird finden, daß fie fich viele Mühe 
gaben, in allen ihren Stüden eine 
Amme anzubringen. Yun aber wird 
Sedermann zugeben müffen, daß eine 
Amme ein geringerer Charakter fen, als 
ein Sriedensrichter; und ich babe den 
Alten noch näher zu kommen gefucht, 
da ich eine Großmutter und eine Tante 
auftreten lafje. 

Was den dritten Einwurf, nämlich 
die Geringfügigfeit der Sentiments, 
betrift, darauf antworte ich fo. Die 
Sentiments der Fürften und der Bauern 
ſind wirklich fo abftehend nicht, als es 
wohl fcheinen möchte; ihre Gedanken 
ſtimmen fajt immer überein; und der 
ganze Unterfchied liegt in dem Ausdruck, 
&er in dem einen Fall fchlecht und recht, 
in andern Fall tönender ift, welches 
größtentheils von den Lebensumftänden 
abhängt, wodurch die eine vedende en 

on 


— 615 





fon in Stand gefeßt wird, im Aus: 
druck zu fchimmern, indeß die andre 
darinn natürficher Weiſe nur Friechen 
kann. Über darinn begeben meine 
Kunftrichter einen groffen Fehler, daß 
fie das Gebot ihres Lehrers Horaz ver 
geflen, welcher fpricht: 

-- Tragicus plerumque doletfer- 

mone pedeftri. 

Den Einwurf wider die Moral wegs 
zuräumen, weis ich weiter nichts für 
mich anzufüßren, als, daß ich fie. ver: 
fiekt habe. Kine Moral aber, bie 
tief liegt, und fo den Zuhörer nöthigt, 
fein eignes Nachſinnen anzuftrengen, 
ift noch niemals von den vornehmten 
SKunffeichtern - gemisbillige worden. 
Diejenigen aber, die mir eine Schmei— 
cheley im derfeiben zur Laft legen, will 
ich zu überlegen bitten, daß es eine 
Figur giebt, welche Sronie heißt. 
Folgende Einwürfe find wider mein 
‚Drama gerichtes, infofeen eg.eine Ko⸗ 
moͤdie iſt. 

214 Zus 





616 


Zuerfi wendet man wider die Hand: 
lung ein, daß die Perfonen an den 
‚äufferften Rand des Verderbens geras 
then: Geringere, fagen fie, werden 
von Mächtigern mit Füffen getreten, 
ein Soldat, der defertiet und wieder 
erhafcht wird, ſoll erfchoffen werden, 
und ein unfchuldiges Mädchen geräth 
in Derzweiflung. 

Zweytens, es werden Geiſter auf: 
geführt, die alfo auch Schrecken erre: 
gen; welches feine von den Leidenfchafs 
ten ift, die von den Kunffrichtern der 
Komödie angewiefen worden. 

Drittens, die Sentiments find nicht 
Fomifch, weil fie aus den oberwähnten 
unglücklichen Situationen entfpringen. 
Die Reden eines Sterbenden, und feiz 
ne letzte Ermahnung an fein Kind, 
find Dinge, welche nicht fehr gefchickt 
feheinen, den Zuhörer zu fröhligen Ems 
pfindungen aufzumuntern. 

Hierauf antworte ich 


Erſt⸗ 





617 


Erfilih. Daß der Sinoten Fomifch 
fey, beweife ich aus der Deripetie und 
der Kataſtrophe. Praſcods Gluͤcks⸗ 
wechfel,- nachdem das Arquebuſiren 
aufgefchoben worden, das Ende von 
Kittys Sorgen, da ihr Schäßgen ent: 
laffen wird, und die daranf folgende 
Hochzeit, find lauter Fomifche Vor— 
fälle, 

Zweytens. Geifter find felbft in der al; 
ten Komödie nichts Seltnes, Der re: 
gelmägige Ariſtophanes verlegt die 
Scene feiner Baroaxo⸗ zu den Schatten, 
und der correcte Plautus hat im ſeinem 
Prologus vor der Aulularia einen Lar 
familiaris, der, obgleich kein rechter 
Geiſt, doch ſchwerlich viel beſſer iſt. 

Drittens, In den Sentiments bitte 
ich zu diſtinguiren. Inſofern ſie von 
Geiſtern herruͤhren, beziehe ich mich 
auf das, was ich eben von dem unta: 
delichen Gebrauch derfelben in der al: 
ten Komödie angeführet habe; und in: 
ver fie von den übrigen. Perfonen, 

45 Fries 


618 [nn sn nn 


Friedensrichtern, Bauern u. ſ. w. ber: 
rühren, formire ich den Syllogismus,— 
dag Gentiments, die wirflich komi— 
fchen Perfonen eigen find, auch an fich 
felöft Fomifch fenn müffen. Daß aber 
diefe Eomifchen Sentiments in Keimen 
vorgeftagen erden, dazu babe ich die 
Eritifche Autorität der franzöfifchen Kos 
mödie. 

Der einzige Einwurf, den man wi- 
der das Drama, als ein Paftoral, 
gemacht hat, betrift die Charaktere, 
die, wie man fi) auszudrücken beliebt, 
balb ſchaͤferiſch, und halb unfchäferifch 
find, Vornaͤmlich befteht man darauf, 
dag ein Grenadierfrrgeant Fein Schäs 
fercharafter fen, und die übrigen fich 
von dem Stande der Unfchuld fo weit 
entfernen, daß die Kerle offenbare Hu: 
venjäger, und die Weibsbilder ſchwan⸗ 
ger find. 

Allein auch bier treffen meine Gegner 
den rechten Punkt nicht. Virgil redet 
von Soldaten unter feinen Schäfern. 

Impius 


—— 619 


Impius hæc tam’ culta noualia 
miles habebit, 

Diefem Epitheton gemäß, impius mi- 

les, ift der Eharafter des Sergeanten 

angelegt, wie aus folgender Anrede et: 
heller: 

- Etirb mir als ein Soldat, du Hand! 

und geh zum Teufel! 


Denn, kurz davon abzufommen, ein 
Soldat unter Schäfern ift nichts anders, 
als ein Wolf unter Schafen; warum 
foll es alfo unnatürficher ſeyn, jenen 
in einem Schäfergedichte zu nennen oder 
einzuführen, als diefen? Um noch 

ein paar Worte von den übrigen Cha: 
raktern zu fagen, fo glaube ich die Na— 
tur nachgeahmt zu Kaben, da ich die 
jungen Burſche verliebt vor der Hei: 
ratb, und die jungen Mädchen nachge: 
bend und fruchtbar abbilde. Diejeni- 
gen, die fich des Landweſens befliffen 
haben, werden von diefer Art Natur 
am beten urtheilen Fönnen, 


Schließ⸗ 





Schließlich will man mein Drama 
für Feine Farce gelten laſſen: 

Erſtlich, weil die Unregelmäßigfeit 
der Handlung mit der Ungereimtheit 
der Charaktere übereinftimmen follte, 
welches, wie man behauptet, in diefem 
Stuͤcke nicht gefcheben ift, daß alfo daf: 
felbe Feine Farce feyn Fünne. 

Zweytens follen die Charaftere nicht 
farcemäßig fenn, weil fie wirklich in der 
Natur zu finden find, 

Drittens, wenn das Gtüd eine 
rechte Farce wäre, fo müßten die Gen- 
timents überfpannt feyn, um in pros 
portionirter Mishelligfeit mit der Hand- 
fung ünd den Charaftern zu ſtehen. 

Wider den erften Punfe erinnere ich, 
daß die fareirte Scene von den Geis 
ftern mit den übrigen Scenen feines, 
weges zufammenbange; fie Fann ganz 
wegfallen, und darf in feiner regelmaͤſ— 
figen Komödie ftatt finden. Es giebt 
frenlich eine groffe Anzahl von Luſtſpie⸗ 
Ion, worinn man Scenen von diefem 


Schlage 


— 621 


Schlage gleichfalls antrift; allein der: 
gleichen  tuftipiele find, beftimmt ges 
fprochen, Feine! Komödien, fonderh 
Farcen von fuͤuf Akten. 

In Abſicht auf den zweyten Punkt 
wůnſchte ich, daß meine Gegner die Na⸗ 
Be einer Farce genauer erwaͤgen möch: 

Eine Farce befteht aus Mishel: 
Tinfeiteny, jemehr Mishelligkeiten das 
Drama hat, deſto mehr macht es auf 
den Namen einer Farce Anfpruch. Daß 
diefes ſich wirklich fo verhalte, glaube 
ich ‚aus meinen Charaktern beweifen zu 
Eönnen, vornämlich aus dem Charakter 
eines Embryogeiſtes/ am Schluſſe des 
dritten Akts. Ich muß ſogar geſtehen, 
daß ich hierinn nur ein Nachahmer bin, 
naͤmlich von Ariſtophanes, der einen 
Chorus von Froͤſchen einfuͤhrt, die ſich 
folgendergeſtalt hoͤren laſſen. 

Don on, wor on. | 

Bosneneh, noxE, nord. BR 

Bosnenef, nox£, nock, | 

Auuvaı nonvav Tanve &c. 

Herr 


Z 


622 —— 


Here Durfey, ein gebohene Eng⸗ 
länder, hat fein Bedenken getragen, 
wie den Papagoyen, fo auch allen uͤbri⸗ 
gen Vögeln des Himmels die Gabe des 
Medens mitzutheilen. Schwäne und 
tchnftühle haben in der Oper Diocle: 
tianus auf der brittifchen Bühne mit er⸗ 
wünjchtem Fortgange getanzt. Shake— 
ſpear fuͤhrt gleichfalls einige ſolche Cha⸗ 
raktere ein, eine redende Wand, den 
Mondſchein, und was dem anhaͤngig. 
Jene, naͤmlich die Wand, ſollte mit 
einem Ueberguſſe von ein wenig Schmutz 
auftreten; und der Mond praͤſentirt ſich 
mit einer Laterne und einem Endchen 
Licht: beides Charaktere, die allein 
ſchon zureichen wuͤrden, aus einem er— 
traͤglichen Luſtſpiele eine zer 
Farce zu machen, 

Drittens find die Sentiments, info: 
fern fie von den niedrigften Kerlen mit 
allem Pompe des Spisenmaages und 
Reims vorgetragen werden, unftreitig 
farcirter Natur: denn fie find er 

lich, 


zu ara 623 





lich, fie find uͤbertuͤncht, folglich far⸗ 
cirt. 

Nach allem dem, was ich hier ſo ein⸗ 
leuchtend vorgetragen habe, moͤchte ich 
hier meine Kunſtrichter zu uͤberlegen 
bitten, — wenn ſie mein Drama fuͤr 
kein Trauerſpiel wollen gelten laſſen, 
daß es ſo was von einer Komoͤdie an 
ſich haben follte; --- wenn für Feine 
Komödie, daß meine Abficht zugleich 
auf ein Schäferfpiel gerichtet war; --- 
wenn für kein Schäferfpiel, daß ich es 
gewiſſermaſſen anf eine Farce angeleat 
hatte; --- und wenn für Feine Farce, 
daß mein Hauptplan ein tragifomifches 
Paſtoral war, Wollen Sie nur fo ger 
fällig feyn, dieß in Betrachtung zu zie: 
ben, fo, denfe ich, werden fie mir ein- 
räumen, daß ich das, was ich mir aus: 
zuführen vorgenommen hatte, auch wirk⸗ 
lich nicht ganz unglücklich ausgeführt 
habe: und mehr verlange ich nicht, Damit 
ich aber ja allen üblen Yuslegungen und 
Verdrehungen geſtrenger Kunftrichter 
pitus aus⸗ 


626 = 
a > 7 02 0 


Fuͤnf und zwanzigſtes Stud. 








# 
einer Neifen die legte bin ich gewellt: 
O Göttinn Freya! Göttin goldner 
Thraͤnen! 
Sie war gluͤcklich! EB 
Ddin hat am Baum des Xethers hinauf 
Mich fehiveben gelehrt und herab. | 
Neun Tage lang, nem Nächte lang 
Schwebt' ic), und fühlte den Gott; 
An meiner Stirne lifpelte Laub 
Bon Alte Glafur. 
Ich fang! ich fang! Dem Tritt des 
Wallenden 
Entfiel die ſterbliche Feſſel: 
So glitt ich auf Duͤnſten dahin! 
Alle Ströme Walholls umrauſchten, 
Fuͤrchterlich umbrauſte mich und erhaben 
Des Himmels Ocean. 


J 


rn 627 


Meines Hauptes Scheitel fönte 
Hoch auf an der Scheitel Jotuns: 
Da tränfte Wolkenſchweiß 


Bon Ymers Gehirn in der Erde Kelch. 
Sch habe den Schlaf der Alfen gefehn 
Am Bufen des Windes; 


Gehört des Naben Kriegsgefang, 
Und den Hanimer Tors, und den Waffenregen 
Um die Wagenburg Walholls; 


Und mic) gebadet in der Alfen Roͤthe. 
Aber, o mein Gefang, du Moſt Odins, 
Ruf es lauf! 


Daß vom Eife Wynilands es halle 
Bis an der ſchwarzen Woge Strand! 
Ruf es laut! 
Dom goldnen Apfel Iduns hab ich 
geFoftet ! 
Jugendlicher blüht nicht auf 
Dom golönen Apfel Iduns 


Ra Der 


fu 


628 — 


Der mit dem grauen Bart! Mehr Bra: 
ga war ch! 
Mir gabs fein Weib zu Foften! und Heil mir! 
o wie 
Hab ich gefofter! 

Nicht jugendlicher ſcherzt, an der Bruſt 
Des Mädchens mit den weigen Armen, | 
Afa der Graue! 

Nicht jugendlicher fpottet der Damme 
‚ rung, en! 
Und ihrer firben Donnerwagen, 
Und Ferris des Wolfs, 
und Loks und aller Schlangen Midgaards, 
Die Schaar der alten Götter, verjüngt 
Dom goldnen Apfel Iduns! 


Sechs 


629 


* 
* 


ar # 4 a | ; Ä . * 
Sechs und zwanzigſtes Stuͤck. 





Das Manufeript, was ich meinen fe: 
fern heute mittheile, war mir unter den 
Seltenheiten meines Mufeums das 
fehäßbarfie; das einzige, welches ich irı 
dem unglücklichen Brande, deffen die 
Vorrede erwähnt, zu retten, Faſſung 
und Gegenwart des Geiftes beſaß. 
Der Anhalt allein müßte mir es fchon 


wichtig machen : aber der alte Achte 


Seutfche Geift des Saliſchen Ge: 
ſetzbuchs, der von einem Ende zum 
andern darinn berrfcht, giebt diefen 
Auffage einen neuen, einen Original: 
werth. Was die Herren Salogaft 

“Nrz und 


630 — —— 





und Wlemar bisher abgehalten hat, 
denſelben oͤffentlich bekannt zu machen, 
wie ihnen die Aldermaͤnner gebothen 
haben, kann ich nicht ſagen. Ich 
freue mich, daß mich ein guͤnſtiges 
Schickſal in Stand fest, es an ihrer 
Stelle zu thun. 


| 


” Gefetze 


Geſetze 


der 
Gelehrtenrepublik 
| in Deutfchland. 


x 


Rr 4 Bew 


632 Z—— 
Vorrede. 


Die Geſetze unſrer Republik ſind bis— 
her nur die muͤndliche Ueberlie— 
ferung unter uns bekannt geweſen. 
Die Aldermaͤnner pflegten ſie bey ver— 
ſammelter Landgemeine bisweilen oͤf— 
fentlich zu wiederholen. Oeftere Bor 
ſchuͤtzung der Angeklagten, daß ſie die 
Geſetze nicht recht wuͤßten, hat die Al— 
dermaͤnner zu dem Entſchluſſe gebracht, 
uns, Salogaſt und Wlemar, zu ge— 
biethen, daß wir den Hauptinhalt der 
nothwendigſten Gefeße durch den Druck 
befannt machen follten, Wir thun 
diefes hierdurch, und beziehen uns zus 
gleich daben jedesmal auf die Verord— 
nungen, oder $andgerichte, in welchen 
diefe Gefege umftändlicher enthalten 
find. In Abſicht auf diefe Sandge: 

richte 


mn 633 


richte iſt nun auch folgendes von den 
Aldermaͤnnern genehmigt worden. Sie 
werden naͤmlich nicht mehr, wie vordem, 
und nur bisweilen, gefchah, vor der 
Landgemeine aus dem Gedächtniffe wie— 
derholt, fondern verlefen. Und viel: 
leicht wird bey der nächften Berfammt: 
fung auf den Druck derfelben angetra: 
gen, "Sn Ben! Balle, dag denn die 
Mehrheit „der Stimmen für diefe Ber 
kanntmachung iſt/ fo werden wir fie, 
und zwar in der alten Sprächeund ganz 
unverändert, herausgeben, 


034 
a — *3 
Einleitung. 
Von der 


Verſchiedenheit unſerer Mitbuͤrger. 


IN: nut anderer Meynung bat, 
nur nachaknıt, ift ein Knecht. 
Wer felbft den®t, felten und mit Urs 
eheil nachahmt, ift ein Freyer. | 
Wer felbft, tiefſinnig, und ſchoͤn 
denkt, oder auch, ohne ſchoͤn zu denken, 
entdeckt oder erfindet, ift ein Edler. 
Wer, wie eg einem Eden ziemt, 
Yange gelebt hat, ift ein Aldermann. 


Bon den Strafen. 


Das Stirnrungeln zeigt nicht 
Spott, fondern nur Verdruß am. 


Das 


——— 635 


Das Laͤcheln iſt angehender 
Spott. 

Die laute Lade iſt volfer herzlis 
her Spott. 

Das Rafenrumpfen iſt Spott 
und Beratung zugleich. 

Das Hohngelaͤchter iſt beides 
im hoͤchſten Grade. 

Vier einheimiſche Folianten tragen, 
nennen wir mit dem altdeutſchen Aus— 
drucke: den Hund tragen. Acht 
ausländifhe: Den Sattel tranen. 
Wer den Hund oder den Sattel trägt, 
geht in einem Kreife, deſſen Durch— 
fehnite taufend Schritte machen, ſo 
umber, daß der vorige Gang von dem 
folgenden nur einen Schritt entfernt iſt, 
und fteht in der Mitte fo lange ſtill, big 
ein Aldermann Gnade ruft. 

Die Landesvermweifung ge 
fhieht durch den Herold mit a 
rufe; 


Sch! 





Geh! du frinfft nicht mehr aus der Quelle 
diefes Hays! und waͤrmſt dich nicht 
mehr an unſerm Feuer! 


Einem die © Todtenfackel anzlinden, 
heißt ihm durch den Herold zurufen laf— 
fen, daß feine Schrift todt fen, ober 
gleich felbft noch lebe, 

Das Stirnrunzeln, das Lächeln, und 
die laute Lache koͤnnen unter gewiſſen 
Bedingungen erlaſſen werden; aber 
nicht das Naſeruͤmpfen, das Hohnges 
lächter, und das Hund und Sattel 
tragen. 


Bon den Belohnungen. 


FSreylaffung. Die Bedingungen, 
unter welchen ein Knecht ein Freyer 
wird, kommen in den Geſctzen felbft 


vor. | 

Die Schale. Einigen wird, wenn 
fie in die verfammmelte Sandgemeine foms 
men, aus der Quelle des Hayns ge⸗ 


ſchoͤpft. 
Das 


— 637 


Das Eichendblatt. Es wird an; 
dern bey ihrer Ankunft gereicht. 

Blatt und Eichel empfangen 
einige zugleich, wenn fie ankommen. 

Zuruf an die Nachkommen. 
Man hört ihn nur felten von dem He: 
rolde, 

Wer einen Hügel hat, und Blatt 
und Eichel zu erhalten pflegt, der ift zu 
der größten unferer Belohnungen fähig, 
diefer nämlich? der Herold ruft von 
ihm bey verfammelter Sandgemeine aus: 

Urenfel! ſchuͤtze fein Werk gegen die 
Leerheit und die fpigfindige Denfungs: 
art deiner Brüder! 
Es wird in unfere Sahrbücher gefchrie: 
ben, daß der Ausruf gefcheben fey. 


Bon den 
- Grundfägen unfrer Republif. 


Deren haben wir nur drey, Der 
erfte ift; durch Unterfuhung, Bes 
7 ftim; 


638 — 


ſtimmung, Entdeckung, Erfindung, 
Bildung, und Beſeelung ehemaliger, 
neuer, und wuͤrdiger Gegenſtaͤnde des 
Denfens und der Empfindung fich recht 
viele und recht mannigfaltige Befchäfti: 
gungen und Vergnügen des Geiftes zu 
niachen, Der zweyte: das nüßlichite 
und fchönfte von dem, was jene Be: 
fcehäftigungen und Vergnügungen ums 
techalten bat, unfern Mitbürgern und 
den Einwohnern der angranzenden fin: 
der durch Schriften mitzutheilen. Der 
dritte: Schriften, deren Inhalt einer 
lebendigen Darſtellung nicht nur fähig, 
fondern auch würdig ift, denen vorzu: 
ziehen, die entweder ohne diefen Inhalt, 
oder ohne diefe Bildung find, 8 
Die Erfahrung vieler Jahrhunderte 
hat gezeigt, daß nur ſie dauern. Und 
obgleich auch bisweilen Schriften, denen 
jene Wuͤrdigkeit des Inhalts fehlt, auf 
die Nachwelt gekommen ſind, ſo verdie— 
nen ſie doch ihre Dauer nicht. Der 
Grund des Vorzuges, den wir geben, 
iſt 


zu 639 


iſt zu erwartende und verdiente 
Dauer. en * 

Zu Erlaͤuterung der beiden letzten 
Grundſaͤtze gehört zu wiſſen, daß Han: 
deln und Schreiben weniger unterfchie: 
den fen, als man gewöhnlich glaubt. 
Wer handelt und wer föhreibt, bringt 
Wirkungen hervor. Diefe ind auf bei: 
den Seiten fehr männichfaltig. Die 
moralifchen find die vorzüglichften. Sie 
haben eine nähere Beziehung auf die 
Gluͤckſeligkeit, als alle andere. Ob der 
Schreiber oder der Handelnde in gröf: 
ferm Umfange wirfe? Der eine vicl- 
leicht bisweilen fo lange er lebt, und 
denn duch die Wirfungen der Wirkun; 
gen, fo lange fie dauern fönnen. Der 
andre wirft auch nach feinen Tode, und 
immer von neuem ganz. Und wenn 
diefes von neuem ganz auch nur ein Fahr: 
hundert fortwaͤhrt, fo währt es lange. 
KHiezu koͤmmt noch die gewoͤhnlich größre 
Zahl derer, auf weiche die Schrift Ein: 
fluß bat, Und denn die Einflüffe der 
en See 





640 


Leſer auf die, welche fie nicht kennen. 
Die wiegt auch auf der Wagſchale. 
Die Aldermänner haben ung gebothen, 
auch tiber diefe Sachen Eurz zu feyn, 
ob wir gleich, ohne weitläuftig zu wer 
den, viel mehr darüber hätten 1a 
fönnen. 


Don unſerer Politik. 


Wir haben gar keine. Dieß bringt 
uns nicht wenig Nachtheil. Den Ak 
dermännern ift nicht unbefannt, daß 
fie fich bey verfammelter Landgemeine 
vergebens bemühen würden, fie vondie 
ſem Nachtbeile zu überzeugen,  Gie 
haben aber befchloffen, einige wenige 
Grundfäße der Politik für fich felbft 
feftzufeßen. Hiervon wird in der Ge: 
fchichte unferer Republif,, die nun bald 
vollendet ift, mehr vorfommen. Wir 
warten mit der Herausgabe diefer Ge: 
fchichte nur darauf, daß die noch bevor: 
** Zufanınenfunft dev Landge⸗ 

meine 





641 


meine vorüber fer, Denn bey dies 
fer werden viel wichtige Dinge abge: 
handelt werden, Man wird, wie un: 
ter andern die Mede geht, einige Freye, 
die es unrechtmäßig find, zu Knechten 
machen; viele unfrer Mitbürger, bis 
fie fich etwa befjern möchten, für ftim- 
menlos, und wicht wenige zu Nacht: 
wächtern erklären, fowohl wegen ihrer 
Wahlfähigfeit, als auch deswegen, weil 
die Vermehrung der Nachtwächter jeßt 
Noth thut. Denn von den ausländis 
fchen Gelehrtenrepubliken kommen nacht; 
nächtlich mehr verftorbne Schriften an, 
die als Gefpenfter umgeben, und bey 
unfrer Jugend befonders dadurch viel 
Unfug fliften, daß fie vorgeben, als 
machten fie daheim Epofe, 





‚Der Hypoch. 2. T. GH: Ge—⸗ 





642 


Eee nn a ne 3 


Geſetze. 
Von unſrer Sprache. 


1. 


Wer roͤmiſch ſchreibt (die bekannten 
Pa a ausgenommen), wird. fo 
lange, Landes verwiefen, big er etwas 
in unfrer Sprache gefehrieben har. Iſt 
er ein Knecht, ſo traͤgt er vorher den 
Sattel, Landgericht, welches ans 
fängt: Die unvaterländifchen 
Sklaven u.f m. L. ©. den Nachle— 
fern und Stoppelfammiern ꝛc. 


2. 


Wer in einer neuen auslaͤndiſchen 
Sprache ſchreibt, wird ſo lange Landes 
verwieſen, bis er etwas in unſerer 
Sprache herausgegeben hat. Iſt er 

ein 


un sense 643 


ein Knecht, fo wird er vorher durch das 
Naferümpfen geftraft. $. G. Die 
Gerxingſchaͤtzung des Eignen und Be 
mwunderung des Fremden u.f. w. £. ©, 
Selbſt Leibnitz, wenn er wieder 
kaͤme ꝛc. 


3+ 


Wenn eın Knecht über. drey "neue 
Worte wagt, fo büßt ers durchs Nafes 
ruͤmpfen. L. ©. Einmiſchung in andes 
rer Leute Sachen u. ſ. w. 


2. 


Wenn ein Freyer oder Edler aus: 
ländifche Worte ohne Bedürfnif in die 
Sprache mifcht, fo entgilt ers, finds 
nur wenige, durch die Stienrungel und 
das Lächeln, finds aber viele, fo. träge 
erden Hund. Thuts ein Knecht, es 
ſeyn dann viel oder wenig Worte, fo 
buͤßt ers durchs — 4 und 

Ss 2 wird 





10 = 2 Pu Sal Sm Sal nn 2 7.573 


Geſetze. 
Von unſrer Sprache. 


1. 


Wer roͤmiſch ſchreibt (die bekannten 
Nothduͤrften ausgenommen), wird ſo 
lange Landes verwieſen, bis er etwas 
in unſrer Sprache geſchrieben hat. Iſt 
er ein Knecht, fo trägt er vorher den 
Sattel, Landgericht, welches ans 
fängt: Die unvaterländifhen 
Sklaven u. ſ. w. & ©. den Nachle— 
fern und Stoppelſammlern xx. | 


2, 


Wer in einer neuen ausländifchen 
Sprache fchreibt, wird fo lange Landes 
verwiefen, bis er etwas in unferer 
Sprache herausgegeben bat, Iſt er 

' | ein 


—— 643 


ein Knecht, ſo wird er vorher durch das 
Naſeruͤmpfen geſtraft. L. ©. Die 
Gerxringſchaͤtzung des Eignen und Be 
wunderung des Fremden u.f. w. £. ©, 
Selbſt Leibnitz, wenn er wieder 
kaͤme ꝛc. 


3* 


Wenn ein Knecht über. drey "neue 
Worte wagt, fo büßt ers durchs Safe: 
ruͤmpfen. L. ©. Einmiſchung in ande⸗ 
ver Leute Sachen u. ſ. w. 


4. 


Wenn ein Freyer oder Edler aug: 
laͤndiſche Worte ohne Beduͤrfniß in die 
Sprache miſcht, ſo entgilt ers, ſinds 
nur wenige, durch die Stirnrunzel und 
das Laͤcheln, ſinds aber viele, ſo traͤgt 
er den Hund. Thuts ein Knecht, es 
ſeyn dann viel oder wenig Worte, ſo 
buͤßt ers durchs Hohngelaͤchter, und 
de Ss 2 wird 





wird er noch einmal betreten, durch 
den Sattel. L. G. Wider die Natur 
und alte gute Sitte unfter Sprache 
u. f. w. 


5+ 


Wer hundert Scherfe und zehn Golds 
ftücke in die Sprache gebracht hat, der 
erhält Schale und Blatt; wer die dop: 
pelte Zahl der Scherfe und der Gold— 
ftücke, Hügel und Eichel, L. G. Weil 
von der Sprache groſſentheils die 
Denkungsart eines Volks abhängt 
u, f. w. 


Don Streitichriften, 


I, 


Streitfchriften Finnen nur im Falle 
der Nothwehr gemechfelt werden. 2. ©. 
Obwohl oft Wahrheit durch Streit 
und Strauß u. ſ. w. 


. 


— 645 


2. 


Wenn der Fall der Nothwehr, wel⸗ 
— durch tauſend gute Maͤnner und 
einen beſtaͤtigt werden muß, nicht vor⸗ 
handen geweſen iſt, ſo wirds an dem 
Angreifer und dem Vertheidiger durch 
dreymal wiederholtes Hohngelaͤchter 
geruͤgt, ‚weil in den angraͤnzenden Laͤn⸗ 
dern unter Vornehmen und Geringen 
viel ‚sen über den Streit gemefen 
ift. $. ©. Der hohe Ton unferer Nach: 
baın, die Doc) ſelbſt, wenn ſie Kriege 
fuͤhren ꝛc. 


3. 
Iſt der eine von den Streitenden 
ein Edler geweſen, ſo buͤßt ers nur durch 


die Stirnrunzel und das Laͤcheln. L. G. 
Mehr zur Warnung als zur Strafe ıc. 


4 
Wird ein Streitender ertappt, daß 


er unter feinem Schreibzeuge Knüttel 
Ss3 oder 


Er 





oder Keule verftecft liegen habe, fo wird 
er auf ein Jahr Landes vermwiefen, LG. 


Ale Wildemanns Arbeit ꝛc. 
Sechs Kerngeſetze. 


I, 


Mer unter dem Vorwande der Volks 
ftändigfeit das Wiederholte wiederholt, 
ift auf Fahr und Tag zu Belohnungen 
unfähig. L. ©. Anlangend die Ab— 
fhaffung der Pluderhofen ꝛc. 


2» 


Wer fich auf mehr als zwey Wiffen: 
fchaften und drey Kenntniſſe einläßt, 
muß entweder auf alles Gefühl von 
Dortreflichfeit Verzicht tbunz; in die: 
fen Falle ift er, fo lange er bey diefer 
Nerzicht bebarret, aller Belohnungen 
unfähig: 4. ©. Alle die fich mit Wiſſen 
und Willen beym Stuhlniederfegen * 
oder 


647 


oder er muß bemeifen, daß leibnitzens 
Geift in ihm gefahren fen ; im Falldag 
es mit dem Erweiſe nicht fort will, ift 
er, fo lange er bey der Behauptung bes 
harret, aller Belohnungen unfähig, 
2.6. Danichts mihlicher ift, als die 
"Berufung auf groffe Männer ꝛc. 


i 
2 € 

4* 

% 





3» 


Ein Knecht kann uͤber dieſe Sache 

gar nicht vernommen werden. &. ©. 
Alles was auffer dir Sehe und Beaͤu⸗ 
gung 26, | : 
— , 

In dem Hoffentlih ſeltnen Falle, 
daß ein reger fortdauernde Unbaͤrtig— 
feit duch den Augenſchein follte darz 
tbun Fönnen, wird er auch nicht ver: 


nonmen. $. ©. Da Unbärtigfeit unter 
die unüberwindfichen Hindernifle ıc. 


©s4 Pr a 


648 ee 


5. 


Wer übertwiefen werden kann, daß 
er die Stunde des Genies ungebraucht 
hat vorüber geben laſſen, ift auf Jahr 
und Tag feiner Belohnung fähig. L. ©. 
Die Kürze des Lebens, und die Sek 
tenheit dev Stunden, da ꝛc. 


6. 


Wer zu mwenigem Inhalte viel Ge: 
ſchwaͤtz gemacht, und dieß hundert und 
einen Tag getrieben hat, der kann deſ— 
fen bey der nächften Berfammlung der 
tandgemeine von jedem, mer es thun 
will, angeflagt werden. Wird erüber: 
wieſen, fo entgilt ers durch das Hohn: 
gelächter. L. G. Niemanden weniger 
als den Deutſchen ziemet ꝛzc. L. ©. 
Die groſſe anſteckende und gar gefaͤhr—⸗ 
liche Krankheit unſers erleuchteten 
achtzehnten Jahrhunderts ꝛc. Will 
ſich der Angeklagte durch Gewohnhei— 

ten, 





649 


ten, Herkommen, Sitten und Gebräu: 
che anderer Gelebrtenrepublifen, unfrer 
Bundsgenoffinnen, entfchuldigen, fo 
trägt er den Hund, L. G. Nicht zur Be 
fehönigung, tondern daß man ſich daran 
fpieale, dient ꝛc. 


Don Lehrgebaͤuden. 
® | 


Neue Lehrgebaͤude werden gleich, 
wenn fie fertig find, verbrannt. L. G. 
Damit die Republik nicht durch groffe 
Wahrheitsverluſte in Gefahr komme ꝛc. 


2+ 


Wenn das Lehrgebaͤude brennt, wird 
der Erbauer an die Graͤnze gefuͤhrt. 
Laͤßt er beym Umſehen nur eine Thraͤne 
fallen, ſo wird er ſo lange verwieſen, 
bis der Wind die Aſche ganz zerſtreuet 
hat. L. G. Hartnaͤckige oder weichliche 
Anhaͤnglichkeit Darf nie den Richter ꝛc. 
Ss 5 3; 


650 — ar 
3 


Per auch mır als Handlanger dabey 
geholfen, vornämlich aber wer ben 
Kranz aufgefeßt und die Nede gehalten 
hat, wird mit der lauten Lache beftraft. 
2.©. Dey Dingen, modur die Re— 
publik in Gefahr Fommen kann, wird 
bis auf den Helfershelfer x, 


Bon den Nachtwächtern. 
ea DIR, 
Wer’ fünf Jahre und fieben Tage 
‚nichts anders gethan, als mittelmäßige 
Buͤcher überfest hat, wird Nachtwäch: 


ter. 8. &. Die gute Vertheilung der 
verſchiednen Geſchaͤfte ıc. 


2. 
Ein Nachtwaͤchter bat unter andern 
dafür zu forgen, daß die, welche durch 


eine fpiße oder fcharfe Feder im Zwey⸗ 
kampf 








651 





kampf erlegt ſind, und nun als Ge— 
ſpenſter umgehen, des Spukes nicht zu 
viel machen. L. G. Das ewige Vor 
geben derer, die im Zweykampfe ges 
bfieben find, fie wären nicht geblieben 2c. 


Von der 
Entdeckung und der Erfindung. 
—2 


Entdecker bekommen das Eichenblatt. 
2. G. Da beſonders auch dadurch dag 
Beſte der Republik befoͤrdert wird, 
daß ꝛc. 
Anm. Auch die gehoͤren zu den Entde— 
ckern, welche die wahr geglaubte Er— 
fahrung als falſch zeigen. . 


oe 


Erfindern wird der Hügel gegeben. 
1. ©. Die Ehrerbietung, die man den 
Erfin⸗ 


052 —— 


Erfindern ſchuldig iſt ꝛc. L. G. Erfin⸗ 
dung hat Augen, Fund ertappts ꝛc. 


3. 


Wenn die Entdeckung und die Erfin: 
dung vom Umfange der Schmwierigfeit 
und des Nutzens ift, fo wird dem 
Entdecker der Hügel, und dem Erfins 
der auffer dem Hügel "Blatt und Eichel 
gegeben. L. ©. Keiner hat gerechtere 
Anfprüche auf die höchften Belohnun⸗ 
gen ꝛc. LG. Nicht die Erweiterung der 
Wiſſenſchaften, fondern die Erhoͤ— 
bung ıc. | 


4. 


Wenn ein Knecht darthun kann, daß 
Entdeckung oder Erfindung einem an— 
dern zugehoͤre, ſo wird er frey gelaſſen. 
L. ©. Sollte etwa ein Knecht wider 
alles Vermuthen ꝛc. 


Von 


Don der Freylaſſung. 
I» 


Wenn ein Kuecht fein Geſchriebnes 
bis auf ein Stücf oder. zwey vor der 
tandgemeine üffentlich verbrennt, fo 
wird er nach den übrig gelaßnen beur= 
theilt , und kann den nächften Landtag 
frey werden. &. G. Obgleich lange 
ch x 


2+ 


Wenn ein Knecht durch Nachah— 
mung eines andern Knechts zmwiefach 
ein Knecht wird; fo ift erauf Jahr und 
Tag zur Freplaff jung unfähig. 8. ©. 
Alzugroffem Verfalle vorzubeugen ꝛc. 


Anm. Ben Tester Verfammlung ‚der 
Landgemeine wurde von einigen nur erft vor 
furzem freygelaßnen Knechten in Vorſchlag 
gebracht: den zwiefachen Knecht zur — 
ung 


654 —— 

ſung gaͤnzlich unfaͤhig zu erklaͤren. Aber die 
Republik hat, nach ihrer weiſen Gelindigkeit, 
das alte Geſetz behalten, und zugleich das 
neue gegeben, daß kein geweſener Knecht vor 
Verlauf eines Jahres etwas. bey der Landge⸗ 
meine in —— — koͤnne. 


3- 

Wenn ein Knecht einen ftreitflichti: 
gen Freyen im Stwenfampf erlegt, fo 
wird er frengelaffen. $. ©. Den Knech⸗ 
ten defto mehr Thüren und Thore zu 
öffnen ꝛc. 


% 


Kon den 
Anfündigern und Ausrufern. 
I, 


Die Ausrufer koͤnnen bey dem Ans 
Laffe, da fie neue Bücher anzeigen, ihre 
Stimme als Mitbürger geben. Dün- 


get * aber, daß ſie deswegen, weil 
ſie 





——— 655 


fie Ausrufer find, mehr als Eine Stim: 
me haben, fo müflen fie beym erften 
Sandtage fich entweder damit entfchuls 
digen, daß fie zu der Zeit, da fie die 
Meynung von mehr als einer Stimme 
hegten und aͤuſſerten, krank gewefen 


ſeyn, oder fie werden zum Hohngelaͤch⸗ 


⸗ 


ter verurtheilt. L. G. Da allerley 


Mahn; Duͤnkel, und Schwindel ob⸗ 
waltet, als wenn ıc. | 

Anm. Dieß Geſetz gehet die Anfündi: 
ger nur alsdenn an, wenn fie fich gleicher Ge: 
ſetzloſigkeit mit den Ausrufern ſchuldig machen. 


2. 


Verharren die Ausrufer aber bey ih⸗ 
rer Meynung, ſo fragt fie der Alder; 
mann: Wie viel Stimmen denn mehr 
als Eine ? und nachdem fie eine Zahl 
genannt haben, fo werden fie eben fo 
viel Sabre Landes verwiefen. 2. ©. 
Da die Leute oft mehrals Einen Spar; 
ven zu Biel, 20, | 


3+ 


656 — 


3*, 


Wenn ein folher Ausrufer von der 

Sandesverweifung zurück gefommen ift, 

Ki. wird er noch Jahr und Tag Aufwaͤr⸗ 

ter bey den Machtwächtern‘, und ihm 

B.£ liegt ob, den Nachtwaͤchtern das Horn 

| rein zu halten, damit es gut blafe, und 

er in Zeiten mit dem Horn umgehen 

ferne. Denn fünftig, wenn er wieder 

Ausrufer ift, muß er, wenn er fein 

Yusrufungsgefhäft nun eben verrichten 

will, allezeit zuvor ins Horn floffen. 

L. G. Es ift nicht ohne, das die Ge⸗ 

feßgeber gegen eingewurzelte und hartı 
naͤckige Schäden ıc. 


4 


Sollte ein Ausrufer des Umſtandes, 
daß der Landtag noch entfernt ift, zu 
fehr misbrauchen, und mit den vielen 
Stimmen, die er zu haben glaubt, zu 


laut ſchreyen, fo warne ihn Jeder, der 
es 





657 


es gut mit den Unmuͤndigen ment, die 
der Ausrufer etwa irre führen fönnte, 
und gebe ihm zu verfiehen, daß die 
Landgemeine denn doch endlich gewiß 
gehalten werde. Wer dieß thut, hat 
Belohnung von den Aldermaͤnnern 


zu erwarten. $. G. Auch gute Hand. 


fungen, die in den Gefetzen nicht benannt 
find ꝛc. 





gegen einen Ausrufer öffentlich — 
digt, ſo buͤßt ers durch Stirnrunzeln 
und durch Lächeln, L. ©. Da zur rech— 
ten Zählung, Meffung, und Waͤgung 
mehr ais eine Zuſammenkunft der Lands 
gemeine, und das Urtheil der angräns 
zenden Länder ꝛc. 


ir 


Vertheidigt fich ein Knecht, fo läßt 
mans hingehen, und ahndet es nicht. 
Der Hypoch. 2.T. Tt — 





u 


&. 


658 eis 


2. ©. Gemeines Handgemenge und 
Sauftrecht ze. 


Don Böllery und Zrunfenheit. 
I. 


Wer fih in einer ausländifchen 
Schrift beraufcht hat, es fiy Wein 
oder Weingeiſt darinn gewefen , fie fey 
kuͤhl binuntergegangen, oder fie habe 
geraucht, und taumelnd von ihr auf 
der Gaffe herummanft, und laut fchrent 
(murmeln Fann er wie er will), daß er 
diefe Schrift allen deutfchen Schriften 
vorziehe, über dem rufe man gleich auf 
der Stelle, und ohne alle Saͤumniß: 
So Duthe! und ftoße ihn, ohne Al: 
dermaͤnner und Herold abzuwarten, 
über die Gränzen hinaus. & ©. Der 
Trunkne muß wie der Nüchterne ıc, 


2er 


— 659 


2, 


Wer, ob er gleich zu Haufe bleibt, 
und nur murmelt, ſich täglich in den 
Schriften der neuen Sophiſten, ;. E. 
Voltaͤrens und feiner Säuglinge, be: 
fäuft, und zwar dermaffen, daß er fünf 
bis fehsmal beym Stuhl liegend und 
den Rauſch ausfchlafend gefunden wor: 
Den ift, der wird eingemauert, und ihm 
feines gewöhnlichen Geföffs, wie auch 
Papiers zum Speyen, fo viel er will 
gelaffen, $. ©. Zur Steuerung allzu⸗ 
groffer, und anhaltender Voͤllerey, und 
Damit nicht in den angränzenden Laͤn⸗ 
dern durch Die Unthaten Verſtandes 
und Ehr vergeßner Trunkenbolde ꝛc. 


? Von der Todtenfadel. 


ur Fi 


- Wenn ein Sreyer, oder ein Edler, 
oder gar ein Aldermann ſieht, daß feis 
nem Werke die Todtenfackel angezuͤn— 

Te 2 det 


gr. 
a”. 
x 


560 ren ee 


det werden foll; fo haterdie Befugniß, 
die Stimmenfammfung zu hindern, und 
um ein Jahr Frist zu bitten. In diefer 
ift ihm veraönnt, allerhand ihm vor; 
theilbafte Nachrichten von dem Ge 
fehmacke einiger unferer Mitbürger zu 
ſammeln, und fie den nächjten Landtag 
anznführen. Unterdeß kann ihm dieß 
nicht viel helfen. Denn die gerechte 
Republik, Aldermänner, und Landge⸗ 
meine, hatte nicht ohne Urſache der nun 
nothwendigen Anzuͤndung der Todten— 
fackel erwaͤhnt. Es koͤmmt alſo dieß— 
mal zur Stimmenſammlung, und der 
Herold ruft: 
Du lebſt, aber dein Werk iſt todt! 


L.G. Da keinesweges geduldet wer: 
den Fann, daß die Nachbarn Ausſpruͤ⸗ 
che über wichtige Sachen unfter Mes 
publik thun, und ferner kurze Verjaͤh—⸗ 
rung doch nie —— iſt ꝛc. 


Anm. 


— — 661 


Anm. Wenn volr die Gefchichte unfrer 
Nepublif herausgeben, fo wird. a, 
len darinn finden, ie diefe und jene Schrift, 
deren Verfaſſer die Stimme des Herolds ge⸗ 
hoͤrt hatten, von allerley Leuten und Leutchen, 
als ob ſie noch lebte, geliebkoſet worden ſey. 


Aut 


Ein Knecht kann wohl aufGefchwäg 
anflagen, aber nicht auf. die Todten: 
fackel. L. G. Nach) dem Maaße der 
Einſicht ꝛc. | | 

Anm. Siehe das ſechſte Kerngeſetz. 


— — | 
Wenn ein Frener oder Edler auf die 
Todtenfackel anklagt, und das Urtheil 


der Landgemeine wider den Anklaͤger iſt, 


ſo buͤßet es dieſer durch die laute Lache, 
Hoͤhngelaͤchter und den Hund, und 
wird auf fuͤnf Jahre fandes verwieſen. 
L.6. Die Kuͤhnheit der 
Sägetähngen ꝛc. 

213 4+ 


| 


662 





4 


Ben eines Knechtes Schrift wird die 
Todtenfackel nicht angezündet, weil fie 
eigentlih niemals recht gelebt Bat. 
2. G. Alles überflüßige zu vermeiden ꝛc. 
2.6. Nachahmung wolr’s Affengeſicht 
zwar gerne verlarven ꝛc. 


Vom Hochverrath. 


Hochverrath wird durch ewige fan: 
desverweiſung beſtraft. Der Knecht 
wird in aller Stille bey Nacht und Ne— 
bel uͤber die Graͤnze gefuͤhrt, der Freye, 
Edle und Aldermann aber ben verſam—⸗ 
melter Landgemeine. 


Hochverrath iſt es, 
I, 


Wenn fih einer zum Beherrſcher 
aufwirft. L. ©. Der erfte Grundflein 
unfrer Republik ift Freyheit ꝛc. 





2. 


Wenn einer die auslaͤndiſchen es 
Iehrtenrepublifen unfrer vorzieht. L. ©. 
Alle Blinzer, Dreyfchrittieher, und 
Bewunderungsſieche ꝛc. 


3: ” 
Wenn ganze Gefellfhaften in einer 
fremden Sprache ſchreiben. L. ©. Im 
Fall einer nothwendigen groffen Gäu: 


berung, wenn in hellen Haufen, Schaa⸗ 
ren, und Heeren ıc, 


4» 


Wenn einer einen deutfchen Fürften 
verführt, Elein vom Genie und der Wiſ— 
fenfchaft der Deutfchen zu denken. L. ©. 
Dem Kleinmüthigen, Unedlen, Halbe 
deutſchen ꝛc. 


T —J 


. 
* 
u 


3 
v . 


- 


664 —— 


5. 


Wie viel Beyfall und Ehre auch die 
Mitbuͤrger der Kuͤnſtlerrepubliken ge: 
nieſſen, und wie ſehr auch wir und unſre 
Bundsgenoſſinnen, und mit welchem 
Vergnuͤgen wir ſie haben erweitern und 
erhoͤben helfen; ſo iſts doch Hochver— 
rath, wenn einer die Kuͤnſte uͤber die 
Wiſſenſchaften erhebt. 8. &. Wer die 
Dinge auf den Kopf ſtellt ꝛc. 


6. 


Wenn einer Maͤnner nicht ehrt, die 
in den angraͤnzenden Laͤndern groß vom 
Vaterlande denken. L. G. Sogar das 
Stillſchweigen von Männern, die ꝛc. 


Te 
° Wenn einer Fürften oder ihre Dies 
ner. lobt , die e8 nicht verdienen. $. G. 
Alle groſſe Erleichterung zu Erhaltung 
des Beyfaͤlls ac, 
. 8 


1 x 





- i 8, 
Kenn einer nach dem Gefeke von 
Bölleren und Trunkenheit nicht Jo Duz 


the! mitfchregt. L. G. Die — 


und witter u 
ea 


3% 


* 


9. 

Wenn ein Ausrufer oder Ankuͤndiger 
auch nur aͤuſſert, geſchweige denn, wenn 
er gar freventlich behauptet, ſein Amt 
ſey ein Richteramt. $, ©. Nur die vers 
ſammelte Republik, Aldermänner und 
Landgemeine ıc, | 


d — 


+ 


># j «3 
| — 665 
| 
\ 
| 
| 


IO, 


Wenn einer die Nusländer über An: 
maßungen der Erfindungen ertappt, die 
wir erfunden haben, und es nicht Sf: 
fentlich anzeigt, oder anzeigen läßt. 
1. ©. Sötfentinzifte Schlaf: 
ſucht ꝛc. 


Tt5 11, 


1I, 


Wenn einer zu Ruh und Friedenräth, 
nachdem unſre Republik Wettſtreit um 
den Vorzug mit den auslaͤndiſchen Re: 
publifen befchloffen bat. &. G. Den 
Kurzſichtigen, Kleindenfenden, Muth⸗ 
loſen, den Knechten, und Knechtſchaft⸗ 
werthen, die des Vaterlandes nicht 
wuͤrdig find ıc. 


12. 
Wenn einer behauptet, daß die Gries 
hen nicht Eönnen übertroffen werden. 


1.6. Was auch feheinbare Vorur— 
theile für Gewalt ic. 


13. 

Wenn bey einem die Abbildung der 
Bildfäule gefunden wird, die in den 
nenern Zeiten, mit falfchen Inſchriften, 
bier: der Eleganz, dort: dem Ge: 
Ihmade, anderswo: der Örazie, aber 
im 


N 


| 
| 
| 


——— 667 





im Grunde, und der Wahrheit und 
Wirklichkeit gemäß, der Mittelmäßig- 
feit gefeßt worden ift. L. G. Daesin 
den Wiſſenſchaften Feine goldne Mittela 
maͤßigkeit giebt, wohl aber, und einig 
und allein, eine bleyerne; da fernerhin 
alles, was nicht eigne Kraft in Der Ader 
bat, doch nur, welche Befkhönigungs- 
namen dem Dinge auch gegeben mers 
den, an der Künfteley feinerer und grö- 
berer kraͤnklich und krank da nieder liegt: 

po * 


14 


Wenn einer die Abfchaffung eines 
unferer Gefege vorfchlägt, und fein Bor; 
ſchlag durch die Mehrheit der Stimmen 
verworfen wird. L.G. Aufmwiegfernund 
Empörern zu fteuren sc & ©. Da 
fih bey allzugroſſer Gelindigkeit und 
Nachſicht befonders auch die Knechte in 
ganzen Zügen, Horden und Rotten zus 
fammenthun Fönnten ꝛc. 


Sieben 


668 
nn un nr 
Sieben und zwanzigſtes Stück. *) 


Das gute Fräulein war beſchaͤmt 
! Wielanp, 





FH bedaure, Lefer, daß es mir in 

meinen vorigen Blaͤttern immer 
an Zeit und Gelegenheit gefehlt bat, 
dir einen meiner Zufälle zu berichten, 
der mir fonderbar feheint. Iſt es Da 
ralifie, ift es Melancholie, iſt es Ses 
lenie, ift es eine Are Phthiſie, die den 
Körper in gemiften Stunden bis zur 
Glandula pinealis hinauf verzehrt, ift 
es etwas anders, was in meinem Ner; 
venfnftem ftecft, und fchwer zu erklären 
feyn möchte: genug id) bin manchmal, 

befon: 

6, das fünf und zwanzigſte. 





669 


befonders zur Nachtzeit, wenn ich zu 
tief im Kopfküffen denfe, gewiffen Ent: 
rücfungen außer mir felbft ansgefeßt, 
da ich denn ganz ſauft in aller Still 
aus der Haut fahre, und mich in die 
öbern Gegenden des Dunſtkreiſes ver: 
füge, Außer verfchiednen Drachen 
mit Lammskoͤpfen und Fledermausfluͤ— 
geln, Sriftallinfeln, nebft Feen und 
Zubehör, Luftſchloͤſſern, und allerley 
unerhörten Abentenern, die mir dort 
auffioßen, wovon mein fünf und zwan— 
zigftes Blatt eine Probe giebt, wandelt 
mich auch oft ben hellem Mondſchein 
eine Dieugierde an, zusehen, was uns 
ter. mir auf der Erde vorgeht. 

Es war am 27. Sul. 1769., als ich 
eine Fleine Fahrt nach der Feftung 
Choczim unternaßm, um meine Beob— 
achtung über die Ruffifche Belagerung 
anzuftellen. Ich bemerfte unter an: 
dern den Sürften Repnin, dev mit aus: 
geftrecften Arme, indem er auf Choe— 
zim binwies, gewiſſe Ordres an feine 


Adju⸗ 


Mr 





670 re 


Adjutanten austheilte; worauf eine Anz 
zahl Bomben gegen die Feſtung zu fpier 
len anhub, die mit einer andern Anzahl 
Bomben aus der Feftung alternis ca- 
menis abwechfelte. Etwa drey Minus 
ten nachher fuhren mir einige hundert 
Geifter, die ihre Reife nach dem Monde 
zu nehmen fchienen, (ob Rufen, oder 
Türken, oder beiderley, Eonnte ich nicht 
unterfcheiden), wie ein Schuß Pulver 
vor der Naſe vorben; und was mich in 
nicht geringe Verwunderung und Ber 
ftürzung feßte, eine Stimme fam aus 
den Laufgraͤben, die folgende vernehm— 
lihe Worte fprah x OD Zacharias 
Sernftrup! ich bin verlohren ! 7 — 
Mehr mochte ich nicht ſehen, noch 
hören. Ihränen ſtroͤhmten meine Ba: 
fen herunter, da ich diefe unbegreifti: 
chen Worte vernabm; ich eilte über 
eine lange Reihe von Todten und Ver: 
wundeten, denen ein Hirnfchedel, oder 
ein Hüftbein , oder ein Auge u. |. m. 
fehlte, wie der Blitz weg, und überließ 


mich einem unruhigen Schlummer. 
There 


, 


* — 671 










4 A 2 more things in heav’n | 


bi # 
——— 


eamt of in your Philo- 
SHAKESPEAR, 


) athen erhalte ich vom 
Schuwalitz, der ſich ſeit den 
2% 3 ? 
—2 ben der Ruffifchen 
mee befindet, einen dicken Brief, -- 
erſtaunlichſten, der, vielleicht fo 
! — eht, bey irgend einer 
geſchri borden Verſuch, 








Herrn 


Kar 
672 — 
Herrn von Eı 
Empfindfames en 
—* E 
einer Ni * 
den 30. Zul. 1769 
RL 







Herr von auatt, te fie mich 
an, da wir ung unt en ſa 

Sie werden ſich wundern - 
mwundere mich, war meine Antwort -- 
Gewiß, fuhe fie fort, Sie haben Ur 
fache , fich zu wu dern -—- In der 
That, verfeßte ich, ich wundre mie 
auſſerordentlich — Kein Wunde 
nahm ſie das Wort auf, daß Sie ſi 
wundern — O nein, ertwiederte ich, ; 
au contraire, ich wundre mich gar 


nicht, 









673 


nicht, daß ich mich wundre --- Auf 
meine Ehre, feufjte fie, und ePrOtÄNkE 
bis an die Singerjpigen - on. 


er 2, 


Es giebt dreyerley Stufen des Roth⸗ 
mwerdeng, mein Fieber Sjernftrup, Die 
elektriſche alleine fängt oben von 
den Augenwimpern an, und fließt 
fort 

Bis an die Ohren --- erfte Stufe: 
Bis an den Nabel — zweyte 
5 Stufe: 

Bis an die Fingerfpißen --- bitte 

und lebte Stufe. 


Das ift wunderlih ” —- Es if 
nicht — mein Freund. 


2 
O Herz! Herz! Es fey, daß ich dich 


auf der eisfalten Wange eines jungen 
holdſeligen a das den erften 
Der Hypoch. 2 Uu Be⸗ 


Beſuch ihres verhaßten Liebhabers an: 
zunehmen gezwungen wird, fchauert, -- 
es fen, daß ich dich in einem dünnen trüz 
ben bimmelvollen Nebel fanft um den 
Augapfel ſchwimmen ſehe, — es ſey, 
daß du in warmen ehrt Falten Schweiß 


herabträufelft: --- lehr 2 mich, wie ich 


an frernden Empfindniſſen Theilnehmen, 


niit der unglücklichen Braut ſympathe⸗ 


tifch weinen, und jeden gelinden Druck 
eines Blutkuͤgelchens, durd) den Zw 
friedenheit einer quten That, oder füffes 
Bewußtſeyn geliebt zu werden, oder 
verfchämte Delicateife in die Geele fort: 
gepflanzt wird, nachahmend in meinem 
Innerſten fühlen möge! Was fann der 
inenfchlichen Natur mürdiger, was an: 
ftändiger, was rübmlicher feyn, als 
ein enipfindfames Herz? 


4. 
Delicateſſe, o Jernſtrup! war der Fall 


Ihrer Geliebten. Sie erröthere weder 
aus 





673 
aus Zorn, noch aus Schuld: fie erroͤ⸗ 
thete aus verfchämter Delicateffe, Ver: 
geben Sie mir meine Indiſcretion, 
mein guter Jernſtrup. Sch war ger 
rührt. Hätte mich ein Strahl von dem 
MWiederfcheine ihrer fhönen Erroͤthung 
gleich auf der Stelle tödten follen: ich 
hätt” es nicht ändern Eönnen, Ich 
nahm das Schnupftuch, mie es auf 
ihren Knieen ausgebreitet vor mir lag, 

mit zitternder Hand, hauchte einen fo 
tiefen lauten Seufzer in das Schnupfs 

duch, und wanfte, und wankte, und 
wankte auf meinem Feldſtuhl --- Wie 
geſagt, ich konnt es nicht ändert, Aber ' 
ich weis gewiß, die Ader der Iauterften 
Freundſchaft Elöpfte in meinem Her 
jen PEN 
5; 

9 Auf meine Ehre, ich bit 

fe übel daran, als man in meinen 

” Ymftänden nur feyn kann.“ == 


ua Darf 





676 —— 


Darf ich ſo kuͤhn ſeyn zu ragen, 
gnädige Frau? -- 

 Pennen Sie mich nach mie vor 
Ihren Freund Strippurg, und vor 
allen. Dingen, bouche clofe! 

Theuerſter Herr von Strippurg, ver: 
geben Sie mir: je l’avois fur le board 
des levres, -—— -— 


6. 


Ehe ich weiter gehe, Sernftrup, wird 
es nöthig ſeyn, Ihnen zu fagen, in 
welher Situation fih der Herr von 
‚ Strippurg befand, als er erröthete, 
Auf die Situation koͤmmt bey derglei- 
‚chen Befchreibung alles an, | 

Bir hatten am 27. Jul, gegen Mit: 
ternacht fo eben bie Laufgraͤben eroͤffnet, 
da ploͤtzlich hinter den Zelten ein Ge— 
ruͤcht zu mir-berüberfcholl , * als wäre 
’’ der Herr von Strippurg gefährlich 
in den Saufgräben bleffirt worden. ” 
Ich bielt damals den Herrn von Strip: 
| purg 


un 677 
purg nur noch für einen jungen Hol: 
feiner von Stande, der fich im Dienfte 
hatte verfuchen wollen, und fchon dep: 
wegen alle Achtung von mir verdient 
hätte, wenn auch nicht der Umftand hin: 
zugefommen wäre, daß er fich ben feis 
ner Ankunft vorzüglich nach mir erfün: 
digt, und unter meinem Commando 
als Freywilliger zu ftehen verlangt hätte. 
Mehr brauchte ich nicht, um mich mit 
der aͤußerſten Empfindfamfeit, fo gut 
mirs möglich (auch das war Situa— 
tion: doch hoffe ich, daß fie zuder Er: 
roͤthung nichts beygetragen), zuſammen⸗ 
zuraffen, und ihm ungefäumt zu Hülfe 
zu eilen. Sie müßten einer Belages 
rung beygewohnt haben, mein Freund, 
oder vielmehr, Sie müßten ganz an 
meiner Stelle gemwefen feyn, um fich 
vorzuftellen, mas unterwegs in mir 
vorging, da ich mich der Trenchee 
näherte, um das feltne Glück zu genieſ— 
fen, einen Freund mit Gefahr meines 
Lebens zu retten, D mein Freund, es 

Uu 3 war 





678 


war ein empfindfamer Augenblick! 
Jedoch das Schickfal hatte es anders 
befchloffen. Mein Bedienter fam mie 
mit der Nachricht entgegen, daß unſer 
Volontaͤr bereits beym Regimentsfeld⸗ 
fcheerer unter Dach, wohl befichtigt, 
und auffer aller Gefahr fen. Aufferor: 
dentlih war meine Freude: aber noch 
weit anfferordentlicher meine Verwun⸗ 
derung, da mir, wie ich gleich ing Zelt 
treten wollte, der Regimentsfeldicheerer 
feife ins Ohr raunfe, daß drinnen eine 
wundervolle Verwandlung vorgegan- 
gen, Furz, daß der Bolontär nicht mehr 
oder weniger als — ein Frauenzint 
mer fey; daß diefer Umftand (feßte er 
lächeind Hinzu), ihr bey dem Streif: 
ſchuſſe, alles wohl überlegt , fehr vors 
theilhaft geweſen; und daß fie ihn in: 
ftändig gebeten hätte, feine Entdecfuns 

gen feinem Menfchen zu verrathen, 
Dieß, mein Freund, war die errös 
thungevolle Lage der Sachen, in welchen 
ih die Dame (nachdem ich ihr un: 
‚öhlige 


—— 679 


zaͤhligmal Gluͤck gerünfcht, und eben fo 
oft. die Hand geküßt hatte: --- ich war zu 
empfindſam, um mich zu beſiñen), in mein 
Zelt führte, wo ſie das T£teätete einlei⸗ 
tete, welches ich Ihnen mitzutheilen einen 
ſentimentalen Anfang gemacht habe. 


| 7 : 

Ein berühmter Thibetaniſcher Ku: 
tuftu, deffen Name mir entfallen ift, 
lehrt uns in feinen unwiderleglichen und 
unfchäßbaren Anekdoten von der Uns 
fterbfichEeit, die vor Eurzem einem Ele: 
viſchen Gelehrten in die Hände gefallen 
find, daß die Dalai Lamas *) 


—— 


Uu 4 8. 

* Der Brief war auf dem weiten Wege 
von Choczim nah Fernfirnphof Hin 
and wieder in den Salzen defchädigt 
worden: doch iſts ein Glüf, daß 

die 


680 Ze 


8. 


- Afffır&ment,,. ‚le voila bien ca- 
mus --- 
u 
— 3 


..35 
ır 3% . 
— ” 


e 0. 
’* Dreymal, fagte fie, babe ich bie 
Probe gemacht, ob es nicht möglich 
“ fen, den edlen Jernſtrup auf beffere 
Gedanken zu bringen. Zeitlebens 
“ ein Hageſtolz! fo ein Mann! Es 

“drang mir an die Seele! 
“ Ein Jahr nachher, da mein feli- 
‘ ger Mann geftorben war, that ich 
“ ihm, 


die ſchoͤne Nachläßigfeit der Digreſ— 
fionen , und die mehr als lyriſche Uns 
ordnung des Vortrages, noch kennt— 
lich genug if. Ich würde untröfts 
bar feyn, wenn mein Freund die 
ſchwere Mühe, nachläßige Diareflios 
nen zu erfinden, umfonft achabt hätie. 


3. Jernfirup. 


* 


— 


— 681 


ihm, ohne mich zu nennen, einen 
* Antrag, als von einer jiemlichen be: 
*tagten MWittwe --- Faum merden 
* Sie fi vorftellen fönnen, Here von 
” Schuwaliß, wie unhöflich er mir 
“antwortete, Er trug fein Bedenken, 
mie zu eröffnen, daß er mich nicht 
‘haben wolle, wenn ich auch alle Land⸗ 
* fiße in der Welt befäße. 
94 Meine Deliateffe fand fich beleis 
Bi: digt. Ich fchlug einen neuen Weg 
ein. Gh gab mich für ein junges 
FR ſechszehnjaͤhriges Fraͤulein aus — 
O wie erroͤthete ich, da ich einen 
zweyten Korb, nur etwas zierlicher, 
in einer Menge verfänglicher Kragen 
“ verſteckt, zur Antwort erhielte!““ 
Doch gab ich in meiner Empfind⸗ 
+ famfeit noch nicht alle Hoffnung auf, 
Ich ſteckte mich hinter den Englaͤn⸗ 
* der Herrn Jeoffry, einen vertrauten 
Freund meines fpröden Gelichten ” - 
Um Vergebung, Herr von Gtrip: 
purg, daß ich Sie unterbreche. Darf 
Uns ich 


* 


* 


682 —— 


ich fragen, was in aller Welt Sie abs 
Halten konnte, ihm ohne Umfchweife zu 
erkennen zu geben, wer Gie wären? 
Sie hätten ibm ja Feine geößre Freude 
machen Fönnen, als wenn Gie ihn mit 
der glückfeligen Nachricht uͤberraſcht 
Bätten, daß Sie, feine erfte, feine ein⸗ 
zige Siebe, feine holdfelge Stumme, 
wie er Sie mit Entzücden zu nennen 
pflegte, und noch täglich nennt, num 
freye Hand hätten, ibn für alle Mars 
ter feiner Hypochondrie, deren Gegens 
ftand und Urſprung Gie allein waren, 
ißt auf einmal durch den Beſitz Ihres 
Herzens fo reichlich, fo überflüßig 
ſchadlos zu halten ——- 

Here von Schumwaliß, ich erwars 
“+ tete mehr Delicateffe von Jhnen  -- 

Delicateffe! Delicateffe! 

“Sch würde Sie aller Empfindſam⸗ 
feit unfähig halten, wenn Sie mic 
nicht verftünden  --- 

(Eine Thraͤne blinkte in der Gegend 


meines Mefopbryons,) 
10, 


— oss 
JIO. 


Mein Freund, ich komme ganz friſch 
von einer intereſſanten Unterredung her, 
die ich eben mit mir ſelbſt gehalten Babes 
fie betraf Sie und Ihre Dame, Die 
Frage war, in wie fern und in welchen 
Sällen die Delicateffe einer Wittwe, die, 
noch dreymal mislungnen Eheftands: 
traftaten, den männlichen Entfchluß 
faßt, in den Türfenfrieg zu geben, --- 
nicht nur zu vechtfertigen und zu be; 
mänteln, fondern höchlich zu rühmen, 
und zur Nachahmung anzupreifen fer ? 
Auf der einen Seite war ich bey ae: 
nauerer Erwägung 


:= . ı% 


Ir 


* Der Mangel an Delicateffe , fuhr 
fie fort, den ich bey den Griechinnen 
bemerkt 


684 


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77 


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Id 


4 





bemerft habe, uͤberſteigt allen Glau— 
ben. Auf der Inſel Cerigo hatte ich 
das Unglück, daß fich meines Wirths 
Tochter in mich verlichte. (Cerigo, 
wie Gie wiffen, ift das alte Cythera.) 
Sie that mir einen Antrag , den ich 
nicht ohne Erröthung wiederholen 
Fann. Sch flüchtete in ein Haus 
gegen uns über, mo dren junge 
Mädchen, (die Grazien ſelbſt Fön: 
nen nicht fchöner gebildet werden), 
ihre Strümpfe ausdefferten, und 
mich fo freundlich empfingen, daß 
ich aus obiger Lirfache für nötbig 
hielt, meine Zuflucht in einem drit: 
ten Haufe zu nehmen, wo mir das 
näntliche Ungluͤck zuſtieß. — Sch 
habe in Griechenland Bemerkungen 
gemacht, die einer Stelle in den 
Burlesken Erzählungen meines Lieb: 
lingsdichters würdig wären. Nenn 
es mit dem Hypochondriſten je zur 
zwenten Auflage kommen follte, fo 
ſoll Sernfirup meine Bemerfungen 


über Griechenland einrücken, “ 
[77 Da 


—— 683 


Da ich alſo fand, daß in Cerigo 


4 
4“ 
“u 


d 


* 


dd 
44 
[44 
“u 


4 


‚oh, 


“4 


4 


* 


#4 
di 


did 


für mich feine bleibende Stätte wäre, 
(ich hätte denn alle meine Abfichten 
verändern müffen, welches nur zu 


‚denfen mich ſchauern machte); fo 


miethete ich eine Kebeque , ( dag 
Schiff „womit ich ankam, war Ief 
geworsen)), und gieng eilig nach De; 
(os über, welches eine Reife von 
zwey Stunden iſt. Das merkwuͤr— 
digſte, was mir auf dieſer Reiſe zu 
Geſichte kam, war eine Klippe, die 

unſtreitig unter die größten Wun—⸗ 
derwerfe der Natur gehoͤrt, ob man 


‚fie. gleich auf den Specialkarten ver: 


** gebens ſucht. Auf Cerigo befindet 


“u 
[23 


dd 


ſich eine Höle mir fuͤnf hunderk Ein: 





gängen, die fich zufammen in eitte 
einzige aroße Höle verlieren, welche 
mit erwähnter Klippe unter dem 
Waffer commumicirt, wo fie eine 
Tubam Stentoreophonieam macht, 
aus der nad) und nach alle Worte 
und Geufjer einzeln hervortönen, 

ı ” Die 


636 





“ die in einem der fuͤnfhundert Eins 
“ gänge gefprochen oder gefeuft wer⸗ 
dein Se leifer man in der Höle 
“ fpricht oder feufjet, defto vernehm: 
’ Ticher läßt fihs am Ende der Tuba 
’ Hören, weil alle fiarfe Töne, z. E. 
Fluͤche, Verwuͤnſchungen, coryban⸗ 
“ tifche Flatus und Vlulatus, Invecti⸗ 
* gen, Sceurrilitäten, Satirse Menip- 
“ pexe; und andre heftige Ausbrüche 
’° der Leidenſchaften, zu ſehr im Ger 
’* töfe ausarten, als daß fie in ihret 
„Articulation vernehmlich bleiben foll: 
A ten. Ich fehrieb mir, fo viel die 
¶ Delicateffe meines Gefchlechts mit 
7 erlauben mollte, insbefondre die 
* Skufjer auf, mit denen ich bey einer 
zweyten Auflage *) des Hnpochon: 
“ driften 

*) Zur jiverten Auflage ift es denn endlich 
gekommen. Uber o meh! warum 
mußten die Bemerkungen meiner Um 
vergleichlichen,, und alle ibre übrigen 
Manuferipte, mit der Mrs. Clin: 
ketſchen Hymne einerlen beflagenss 
wuͤrdiges Schickſal haben! 

3. Jernſtrup. 


2 — * 


“ driſten ein oder zwey Stuͤcke zu be: 
reichern denke. Das artigſte iſt, daß 
man auch vom Lande aus, wie mir 
“ die Schiffer erzählten, fo oft ein Ton 
“ am der Oberfläche des Waſſers auf: 
* petillirt, aus ber Form der Wafler: 
“ blafen, Buch ein Dollondfches Te: 
‘ leskop, den Anhalt diefes Tones er: 
rathen kann. Ein verliebter Schwur 
“ giebt eine greße Blaſe, die fehnell 
* laßt; die Blaſe eines zärtlichen 
+ Geufzers iſt ſchon etwas zaͤher; und 
” ein fchmachtender Geufjer bringt eine 
*. Menge Fleiner Bläschen zum Bors 
fehein, die nicht eber plagen, als bis 
’* fie fich zu dem Umfange eines verlieh; 
“ ten Schmwurs oder eines glücklichen 
Seufßzers ausgedehnt haben. Uebri: 
“ gens fah ich hier einen von den arof 
° fen Polypen, die uns Pater Kircher 
* in feinem Mundus fubterraneus 
‘* befchreibt, deren Länge man nad) 
 Staliänifchen Meilen ausmiflt; fer: 
« ner eine Art neuer Inſekten, die ſich 

7 feite 


688 3 


“ feitwärts begatten; wie auch aller: 
ley große und Eleine Trombenz und 
“ befonders, eine fo ungeheure Virga, 
“ als ich noch Feine in meinem seben 
‘* gefehen. 


i2, 2% 


Was, bey allen Grazien, mag das 
gewefen feyn? --- Meine Delicatefie 
verbot mir, mich zu erfündigen. 


13. 

A propos, Herr von Strippurg, da 
Sie des Hypochondriſten erwähnen --- 
darf ich mich unterftehen zu fragen, was 
Sie meinem armen Freunde Jernſtrup 
nun für ein Verhaͤngniß zugedacht ba: 
ben? 

“Das will ich Ihnen ſagen.“ 

(Spitzen Sie hier Ihre Ohren, 
Jernſtrup) 

Sch kann nicht anders, als mich 
* iberreden, daß mir mein Genius 

heute 


A 
— 
— 


Te 
1. 





689 
* heute in den Saufgräben einen Wint 
“gegeben babe, daß meine Abenteuer 
“ allmählig zu einer Hochzeit reif find, 
Man hätte Taufend gegen Eins wet: 
“ zen können, daß — kurz, nichts 
kann omindjer feyn --- Doch die De; 
“ licateſſe verhindert mid --- 

O ich errathe, ich errathel --- 

Ich boffe nicht, dag Sie erra⸗ 
[ZZ then A | 

Ich bitte tauſendmal um Vergebung, 
nichts iſt begreiflicher — 

Unmoͤglich! ich würde des Todes 
* fenn, wenn es begteiflich wäre 7 

Erlauben Sie mir, gnädige Frau, 
eine einzige Frage: ob --- 

« Fidonc! encore? “ 
De grace; Madame, eine einzige 
Stage — | 

«“ Sur mon honneur, Monfieur, 
« vous 'envifagez les chofes dans 
“ unpointdevü& = 
‚Der „ypodh.2. Th. ar. 






690 — 

Je Vous endamande pardon, Ma- 
dame: ich meyne blos die beſondre 
Richtung des Sireifſchuſſes — 

« Mais, Monfieur, ——— 

Voilà un coup des plus —* 
liers! _ 

“ Oh Ciel! quelle furienfe — 
“ cretion! Hé bien, Monfieur —- 

He bien, Madame — 

“ "Vous avez touche la ‚grofle 
3 corde * 


14. 


aß mich deiner Afche diefe Thraͤne 
der dankbaren Erinnerung. weihen, 
ſchoͤne Seele meiner Clara! Zwar fchien 
dich ein misguͤnſtiges Schickſal den 
plumpen Umarmungen der GSänften; 
träger und Heiducken ausgeſetzt zu ba; 
ben: aber Seine Empfindniffe entfprof: 
fen in einem edlen Boden, und die liche, 
mit der du deinen Schumalig liebteft, 
war geiftig, Ruhe —* in dem muͤt⸗ 
us terli⸗ 


& 





691 


terlichen Schooße der Erde, liebens⸗ 
würdige Zofe! Manche geheime Thräne 
opfere ich dem Andenken deiner und meis 
ner Jugend. 

Mir fchwindelt, Kin Tanafamer 
Schauer wandelt durch meine Zirbel— 
druͤſe, und, drückt mein Blut durch ale 
Adern gegen die Bruſt zurück, - Ver: 
gib mir, o mein Jernſtrup! Sch muß 
die Feder aus der Hand legen, 


15» 


Darf ich fragen, guädige Frau? -= 
Noch mehr Fragen? 
Mur eine einzige: eine Frage derum 
ſchuldigen Neubegierde — 
Dieß vorausgeſetzt“ —- 
Sch frage alſo ⸗·⸗ 
Attendez ·-bedenken Sie wohl, 
Herr von Schumalig  --- | 
(Sie drücfte mit einer liebenswürdt: 
gen Non. chalance die Spiße ihres 
Daumens gegen die Spiße ihres Zeige: 
| Kr 2 fingers 


* 


u. 
ir. 


692 N 


fingers, und legte fie fo mit unbefchreib: 
licher Zierlichfeit an den öbern Theil 
ihres Buſens, indem zugleich ihre bin 
und her flatternden Blicke in delicater 
Verwirrung um Mitleiden zu flehen 
fehienen. O wie ich fühlte! Bey den 
Grazien, ich mußte nach dem Schnupß⸗ 
tuch greifen!) 
Volontiers, Madame; ich frage — 
“ Yun, wenn es dent feyn muß, 
fragen Sie, fragen Sie” -- 
ch frage, wie es immermehr habe 
geſchehen Fönnen -— 
Ich mennte, Sie hätten es fihon 
“ errathen  --- 
De grace, Madame, davon rede 
ich itzt nicht. 
“ En verite, vos detours mecon- 
“ fondent --- was hat gefchehen 
“ fönnen?  — 
Daß — 
“Ha! Daß’ 
Daß Sernftrup jemals an ihrer 
Gabe zu reden zweifeln dürfte? 
O nichts 


——— * 693 


O nichts anders! Ich komme zu 
“Athem — 
(Sie ſchoͤpfte auf eine luſtige Art 
zweymal tief aus der Bruſt Athem.) 
Je, das iſt leicht zu. erklären. 
Sie wiſſen ja, wie wir Landfraͤuleins 
Derzogen werden. Go plauderhaft 
‚4 uns unſre Gouvernantinnen und 
* Kammermädchen kennen, fo gezwun⸗ 
gen muß unfer Betragen ſeyn, wenn 
"wir eine fremde Mannsperſon fehen, 
A zumal wenn fie jung und hübfch ift. 
" Ben mir kam noch etwasanders hins 
et Ich ſollte an einen Menſchen 
verheirathet werden, den ich nicht 
+ tieben Fonnte: an einen Menfchen, 
der jchon in feinem zwanzigften Sabre 
hektiſch wear, der von feinen Reifen 
aus ‚Sranfreich als ein Fat, aus 
4 England als ein Coxcomb zurüd ; 
4 Fam. Da gen fab ich an Sernftrup 
4 einen jungen Heren in der Bluͤthe 
4 feines Alters vor mir, in deſſen Bli⸗ 
“den ih Weisheit und Zuneigung 
Xr 3 “(as 


süö — 


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— 


— 


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— 


las, und der mir mit jedem Laute, 
den es ihn von ohngefaͤhr hoͤren zu 
laſſen beliebte, einen kuͤnftigen Autor 


verrieth. Wie konnte ich reden? 
Seufzer und Augengeſpraͤche blieben 


mir allein übrig ; und auch die dien: 
ten mir zu weiter nichts, als mich 
immer mehr zu verwickeln, und mie 
mein kuͤnftiges Ehejoch nur uner: 
träglicher zu machen, Dennoch, 
und ich glaube, daß ich es zur Ehre 
nieines Hoeuſes fügen kann, zog ich 
meine Pflicht, als eine femme de 
qualit@ , auf deren Betragen die 
Augen des ganzen Landes anderthalb 
Meilen in der Hunde gerichtet waren, 
allen übrigen Betrachtungen vor. 
Da ich meinen Mann nicht lieben 
Fonnte, fo begegnete ich ihm wenig: 
ftens als eine wohlmeynende Freun: 
dinn. Gewiſſe Umftände meines 
Mannes trugen das ihrige dazu ben, 
daß ich die Rolle einer Freundinn mit 
defto empfindlicherer Würde foutent 

| ‘4 ren 


> 


Pr 





“wen Ponte, je weniger ich der Ge: 
“fahr ausgefeßt war, die Rolle eitter 
7 re En Himmel! was bab’ ich 
4 gefagt! ‘ RR IE. 

— Darf 4 fo kuͤhn —* zu fragen? — 

“ Nenny! nenny! plütöt mou- 
ab 

Dur diefe einzige Frage --- 

1! Je fuis pourtant bien aife, que 
“ Vous m’entendez --- 

Ah! was Sie mir ißt.fagen, gnaͤdi⸗ 
ge Frau, durchdringt mich mit Chr: 
furcht und Erftaunen! Wie? es fcheint 
unglaublich! --- 

“ Ceft tres vrai ” -— 

Wie? gnädiges Fräulein --- 

4 Sie bringen mich wirflich zum 
4 $achen, fur mon honneur ---. Se, 
4 die ganze Welt nannte mich Frau” -- 

Pur mit dem Unterfchiede —- 

4 Treylich, das wars eben "! --- 


Zr 4 ro Kern: 


696 — 





O Jernſtrup! Jernſtrup! du benei— 
denswuͤrdigſter unter den Hypochon⸗ 
driſten! welch eine Fuͤlle der Gluͤckſe— 
ligkeit haben die Geſtirne für dich in 
SDereitfchaft gehalten! — 

Ich ſchließe u. f. w. 











Ach ja! mein Schuwalitz! mein 
Vertrauter! mein unnachahmlicher 
Sentimentaliſt! ich bin, ich bin gluͤck— 
lich! ich bin beneidenswuͤrdig! ich bin 
der entzuͤckteſte unter den Hypochon—⸗ 
driſten! 


Vom goldnen Apfel Iduns hab ich ge: 
foftet! 


Aber wie foll ich Ihnen, o Angebetete 
Ihres Gefchlehts! mie foll ich Ihnen 
meine Danfbarfeit, meine Ertafe, durch 
mehr als Worte bezeugen? Ach! Ihres 
Sernftrups wegen, wagten Gie fich vor 


Feſtun⸗ 


Ä 697 


Feſtungen undins Handgemenge, o ſchoͤ⸗ 
ne Taube der Empfindſamkeit? um mei: 
netwillen fegten Sie Ihren holden Bu: 
fen der Gefahr aus, von Janitſcharen 
und Albaniern gemishandelt zu werden? 
O Göttinn Frena! wie bin ich gerührt! 
Und ich, ich Linmenfch! Fonnte härter 
als ein Fels feyn, konnte Ihnen einen 
Korb über den andern fchiefen, und be: 
ariff nicht, welcher entfeßlichen Gefahr 
ich Sie ausfegte! Aber ach! ich wußte 
nicht, daß Sie die Krone der Wittwen 
waren! Sch Fannte Sie nur aus Ihren 
Heirathsanträgen. Ein ungluͤckliches 
Derhängnig war Schuld, daß meine 
Verehrungswürdige zu empfindfam 
feyn, zu viel Delicateffe befigen mußte, 
um mir die eigentliche ‘Beichaffenbeit 
der Sache zu entdecken! Hätte ich die 
eigentliche DBelchaffenheit der Sache 
gewußt, ich hätte mir eher die Finger: 
fpigen mit dem Federmeſſer abgefippt, 
als daß ich den Kiel gefchärft hätte, der 
die unhöflichfte der Antworten fchrieb! 

Xr 5 O De 


698; — 





D Delieatefie ! O Empfindſamkeit! 
O Delitateſſe der Empfindfamkeit! 
O Empfindfamkeit der Delicareffel 
Beruhigen "Sie fih denn, meine 
Taube, mein Hühnchen, meine Ver: 
ehrungswuͤrdige! Es foll das Gefchäft 
meines fpäteften Alters feyn, Ihnen 
alle dag SHerzeleid zu erſetzen, das Ihnen 
meine unzeitige Sprödigfeit zugezogen 
hat! Oder fchlieffen Sie vielmehr aus 
diefer Sprödigfeit ſelbſt, wie unfäglich 
ih Sie immer geliebt habe! Denn Sie 
allein, Sie, meine anmutbige Stum⸗ 
me, redeten an mein Herz, und. eine 
andre Sprache, als die Sprache Ihrer 
fehönen Augen, war meiner treuen Liebe 
verdrießlich, befchwerlich, unansiteh: 
lich! Gie allein, Sie und mein treues 
Herz allein waren Urſache, daß ich die 
Heirathsantraͤge aller andern Schönen, 
weg Alters oder Standes fie fenn moch: 
ten, mit Koͤrben oder Falten Entfchul: 
digungen abmwies. Ich wicderhole es 
noch einmal, hätte ich im gerinaften 
* ver⸗ 





699 


vermuthen Finnen --- Doch warum er: 
ſchoͤpfe ich mich in Berficherungen, da 
die Sache felbft für mich redet? | 

O Komm! Komm! meine Helsinn! 
meine erfahrne Kriegerinn! meine Ber: 
ehrungswürdige! fomm aus dem Lager 
der Ruffen in die erwartenden Arme 
deines alten getreuen Zacharias! In 
den Armen deines alten Zacharias lerne, 
ob ich, die natürlichen Unbequemlich- 
Feiten meiner Jahre abgerechnet, ein 
Herz habe, „das unjugendlich, das fühl: 
los fey, wien meine ehmaligen keuſchen 
Antworten es zu ſeyn ſchienen. Sie 
waren nur keuſch, meine Goͤttinn, ſie 
waren nicht fuͤhllos. 





Sie iſt da, Leſer! die Verehrungs— 
wuͤrdige iſt da! und kuͤnftige Woche ge: 
ben wir Hochzeit. Es trifft ſich un⸗ 
vergleichlich, daß Neffe Jens feine 
Eeraib mit Fraͤulein P. gleichfalls kuͤnf⸗ 

tige 


100 —,—,— 


tige Woche volljiehben kann. Zwey 
fchalfhaftere Paare follen nie feyn ge: 
fehen worden, als fünftige Woche auf 
Jernſtruphof. Ich lade meine Lefer, 
zur fhuldigen Danffagung für ihre un: 
ermüdete Bewunderung meiner Blätter, 
insgefamt, fo viel der Raum in einem 
mäßigen Landhauſe wird verftatten wol: 
Ven, auf meine Hochzeit ein, 


Die ganze Fandichaft komme mir, 
Sie foll wilkommen ſeyn; 

Und ich verſprech euch Engliſch Bier, 
Und guten deutfchen Wein. 


Letztes 


701 
a 5α 
Letttes Stuͤck. 


H yınen , 0 — Humen SE 
-0 Hymenaee! 





CAT VLEL., 





Roſa ⸗Maͤviſche Beſchreibung 
des 
groſſen Hochzeitmaales 
auf Jernſtruphof 
bey der daſelbſt gefenerten zwiefachen 
Vermaͤhlung 
im Jahr 1770. 


Erfter Gang. 
Poetiſche Zurichtung. 
hu der Mitte eine hellgelbe Caſcade, 


die von oben herab über fieben 
— — in einen See ſtuͤrzte. 


Die 





792 


Die Berge, aus Semmel und gehack⸗ 
tem Fleifch geformt, hatten anmuthige 
Fruchtwaͤlder, und eine fchöne Dlannig: 
faltigfeit von Obſt, welche fowohl das 
Auge, als die Zunge betrog. Man 
glaubte, eine Mifpel zu eſſen, und 
Farce. Man Foflete Pfüfih, und 
ſchmeckte Klößchen. 


—ramis felicibüs Arbos, 
Miraturgue nouas frondes, et non 
fua poma. 


Auch die herabrollenden Narmorbrüche 
befriedigten den Gaumen. Im See 
zwifchen dem hohen Rohre von Spargel 
fpielten junge QTauchenten, als ob fie 
lebten, und die kleinen Hechte fchienen 
den grofjen entfchlüpfen zit wollen. Rech: 
ter Hand an der einem Ecke ſtemmte 
fich ein fettes Meerfchwein über die Tas 
fel, aus deſſen Eutern Mandelbruͤh 
floß. Linker Hand ſpruͤtzte ein Groͤn⸗ 
laͤndiſcher Einhornfiſch einen rothen 


Strudel, An der andern Seite goß 
ein 


—— 703 
ein Flußgott braune Potage aus feiner 
Urne. Gegen uͤber plaͤtſcherte eine 
—** in — Bouillon. 


rend $ — * Roſe. 
Zurichtung. 


* merken, daß die fü eben Beige, 
von welchen die. Caſcade, zu deutfch, 
der, Waffer: oder wielmehr Suppenfall, 
herabflürzte, ein Compoſitum aus feie 
nemKolbfleifche, Nierenfett, Ochfen: 
mark, Rahm, Eyern, Eitronfhalen, 
NMuskatblumen ‚ geriebenem © Brod 
u . ſa w., welches. den Coulis gar wohl⸗ 
ſchmeckend machte. Was Meiſter Mio- 
gens der Koch fuͤr Kunſt angewandt 
habe, die Enten und Hechte, ſo auch 
das Meerſchwein, den Einhornfiſch, 
den Flußgott, und die Nymphe nach 
dem Naturel zu formiren, laͤßt ſich mit 
Worten nicht genug ruͤhmen. Die 
Mondelſuppe war ein Coulis a la Reine 

mit 


704 — 


mit mitonnirtem Brod, auch Reisblu— 
men; die rothe, wie leicht zu erachten, 
eine Krebsſuppe mit Zubehoͤr; die 
braune, eine herrliche Potage, worunter 
eine Anzahl Berghaͤhne mit braunem 
Kohl und Bauchſpeck verſchuͤttet; und 
der Bouillon klar mit ein wenig vers 
lohrnen Eyern ablegirt, 

Der alte Herr von Jernſtruv aß feine 
Suppe apart, welches ein fchöner Mu: 
fchet:Coulis, wie folgt.  Zwey oder 
drey Ponlarden in einem Moörfer mit 
hartgekochten Eyern, abgefihälten Man: 
deln, und geweichtenn Semmel geftof: 
fen; dann etwas Butter in einer Caſſe— 
role aufs Feuer gefegt, und ein paar 
Handvoll Mehl nebft dem Geftößnen 
dazu gerührt; dann Suppe daraufge 
goffen; dann durch einen Fleinen Sieb 
gejlrichen; dann von den Mufcheln den 
Dart abgemacht, durchgehädt, mit 
Butter, geriebenem Semmel, Musfatz 
blumen, Eitron, Salz, etwas Ungari- 
fchen Wein furz einmitonnirt, und zu 

dem 


— 705 


dem Eoulis getban ; dann zufammten 
bingefeßt, daß es fiede; dann ein ge: 
rafpeltes Brod ausgehöft, und mit 
einer guten Farce von Auflern, Mur 
fcheln, und Hahnkaͤmmen gefüllt; dann 
die Brod in Eyer und Rahm umges 
£ehrt, in einer kleinen Tortenpfanne ge: 
baden, und die Suppe darüber gegofe 
fen. Iſt ein Herz⸗ wie auch Mervens 
ſtaͤrkender Coulis. 


| Maͤvius. 
Erſtes Entremets. 
Poetiſche Zurichtung. 


Zwiſchen zwey Gängen war allemal 
ein Entremers, Das erfte beftand aus 
Eleinen Grotesk⸗Amoretten von allerley 
Form und Stellung: Amoretten, dieauf 
GStecfenpferden ritten; Amoretten, die 
auf einem Birkenblatt pfiffen ; Amo⸗ 
retten, die ein Rad ſchlugen; Amoret; 
ten, die Verſteck fpielten; ferner Amo⸗ 

Der Hypoch. 2,T. DH retten 





706 — — 


retten mit Drachenkoͤpfen; Amoretten 
mit Schwaͤnzchen von Salamander; 
Amoretten mit Fiſchſchuppen; Amoret— 
ten mit Seehundsfuͤſſen; Amoretten 
mit Habichtsklauen und Heringsnaſen; 
Amoretten, die wie Johanniswuͤrmer 
‚im Rumpf leuchteten u. ſ. w. Viel— 
leicht veranſtalte ich kuͤnftig eine aus— 
fuͤhrlichere Beſchreibung von allen die— 
ſen Amoretten, als einen geringen Bey— 
trag zu. der Geſchichte des Amors, 
die wir einem der groͤßten Kenner und 
Befoͤrderer des guten Geſchmacks in 
Deutfchland zu danfen haben, 


Roſe. 
Techniſche Zurichtung. 


Obberegte Goͤtter waren aus Maul— 
taſchenteig, Collationteich, und anderm 
Torteletteig gebacken, und demnaͤchſt 
inwendig mit Piſtaccien, Melonen, 
Trauben, Pomeranzen, geriebenen 
Quitten, Auſtern, Sardellen ꝛc. auss 

ge⸗ 





27 


gefüllt, Batten zum Theil auch einen 
Ueberzug von Drangeblumen u, d. gl. 
Der alte Herr begnügte fich an einem 
Bischen Krebsfhwan; in Creme 
Bruͤlee, wozu noch ein paar fogenannte 
Hohllippen von Eyerdotter, Zimmt, 
Butter, Rojenwaffer, und Stärfe fa: 
men; welche den Appetit zu fchärfen 
über die maßen dienfam find. 


Mävius. 
| Zweyter Gang. 
Poetiſche Zurichtung. 


Der Wildnig von Jernſtruphof erfte 
Abtheilung. Zwey wilde Schweine, 
wovon das eine fih auf die Seite ge— 
legt hatte, das andre ganz verftöhre 
aus den Augen fah. Ein Reh undein 
Kalb fchienen in Unterredung bearif: 
fen zu ſeyn. Zwiſchen dem Geſtraͤuch 
ragte ein Bolf Rebhühner hervor, vor 
denen der Hund Porpar ſtand: den 
| Du 2 alten 





708 


alten Heren von Jernſtrup mit der 
Flinte dachte man ſich Yeitwärts hinter 
der Schüffel, Dem Hofe näher einige 
Truthaͤhne, junge Hühner, Tauben, 
Kapaunen; weiter hin aber einige 
Dußend Wachteln, Schnepfen, fer: 
chen, und Waldtauben, die fih im Ho: 
tizont verlohren. Uebrigens war die 
Gegend mit Haide und Dornbüfchen, 
wie auch Torfmohr, gut aussezieret. 


Roſe. 
Techniſche Zurichtung. 


Recht artig und hoͤchſt unvergleich— 
lich war es anzuſehen, mie die vorneh— 
men Gäfte, befonders die Dames, ih 
Entfeßen und Bewunderung gerierhen, 
wenn ihnen der Herr Fähnrich von Pal: 
notofo , der als Worfchneider feines 
Gleichen nicht hat, eine Affiette mit 
Tleifch zum Umgehen darreichte, fo er 
einem wilden Eber zufammt den Bor: 
fien, und anderm vermeyntlichen Un— 
ih rathe, 





709 


tathe, aus der Geite gefchnitten hatte; 
oder wenn er mit feinem gewaltigen 
Treuchirmeſſer einem Stuͤck Wild in die 
Gurgel fuhr, dag in fiarfen Güffen, 
anſtatt Blut, Sauce herausftürjte, 
Sothane Sauce war im Reb Remo: 
Inde, im Kalbe Sauce a la Daube, im 
Hunde Porpar, (denn auch der Hunde 
werd nicht geſchont,) eine ſchmackhafte 
Stahl⸗Sauce. Der wefentliche Sn; 
halt der verſchiednen Wild:Figuren war 
dermaßen Eünftlich verfieeft, daß mar 
faſt betroffen ward, anftatt Hundefleifch, 
ein pannirtes Hirfchziener, und,anftatt 
Rehfuͤſſe, Merdons von Kälberbraife, 
Fricandeaur a Lofange, Hammelbruft 
en Grilfade, mit Citronfchalen, Hafen; 
kuchen mit durchgeftrichnen Erbſen, 
Poupelins von Hirfchmäulen a la 
Daupbine, und Kälbernieren mit Par: 
meſankaͤſe fareirt, auf der Zunge ſchmel—⸗ 
zend zu’ fühlen; fo daß man hier mit 
Fug ausrufen möchte: Inter os et of- 
; ——— fam 





fam multa cadunt, welches ich auf 
Deutſch folgendermaßen gebe; 

Zwiſchen Hund und Schwein 

Liegen oftmals Leckereyn. 
Auf gleiche Weiſe waren auch die 
Schnepfen junge Huͤhner, die jungen 
Huͤhner Lerchen, die Lerchen Tauben, 
die Tauben Wachteln u. f.w. Was 
das aber für ein Vergnügeh gewefen, 
fih mit jedem Biffen auf eine annehm— 
liche Weiſe zu täufchen, und zu mie 
vielen böflichen Scherzreden folches Ge: 
Vegenheit gegeben, übergehe ich mit 
Stillſchweigen. 

Maͤvius. 


Zweytes Entremets. 
Poetiſche Zurichtung. 


Eine Sammlung von Naturalien, 
z. E. Marienglas, Bergſpat, Petros 
ſtlex, Bergkriſtall, Quarzſtein, etwas 
Vitriol und Schwefel, fo auch Hy 

pers 


— 711 


pernaturalien, als Flammen aus dem 
Berge Hekla, eine Portion Meerlicht, 
eine Waſſerhoſe, ein Gebund Blitze 
und Sonuenſtrahlen ꝛc.: der gemeinen 
Walk und Pfeifen: Gröe, des Mergels, 
und vieler andern Erd-Leim⸗ und Thon— 
arten nicht zu gedenken; welches alles 
fehr wohlſchmeckend war. 


Ro e. 
Sehnifhe Zurichtung. ı 


' Mandelkäfe,g gebackner Caffee, Blane⸗ 
manger, Creme Frit mit Burgunder, 
Morßellkuchen u. d. gl. 


— Naͤvius— 
‚Dritter Gang. 
Poetiſche Zurichtung. 
Der Jernſtrupſchen Wildniß zweyte 


Abtheilung. Ein Sumpf mit gekroͤn⸗ 
ten Lindwuͤrmern/ der ſi ei in ein. Eleines 


94 flieſ⸗ 


“ En 


712 —— 


fließendes Waſſer verlief, in welchem 
Forellen, Smerlen, und Sandarten 
ſpielten. Ein Karpfenweiher, in deſſen 
ſchilfigtem Ufer Steinſchwalben nifte: 
ten, voller Karauſchen, Gruͤndlinge, 
Schleye, Braſſen ꝛc. Ferner eine 
Ausſicht ins Mare Germanicum, wo 
man die Phocana, den Hayhfiſch, den 
Schwertfifh, den Hellbut, den See: 
hahn, den Mönch, die Seemaus, die 
Lamprete ihre Köpfe in einer fchönen 
Verwirrung durch einander ſtecken ſah. 


| Roſe. 
Techniſche Zurichtung. 


Unter allen Arten der Kochkunſt, die 
ein gewiſſer Apiceio zu Nom zur Boll; 
Fommenheit gebracht haben foll, thut es, 
meines unvorgreiflichen Erachtens, in 
der Kochfunft der Fifche Meifter Mo— 
gens allen Köchen in der ganzen Welt 
zuvor. Man wird enthuffasmirt, wenn 
man feine gefpicften Hechte, — 

irn⸗ 


— 713 


hirnwuͤrſte von Karpfenzungen und 
Sperma Ceti, feine marginirten Fo— 
reilen, feine Sandarten a Laberdan mit 
‚einer Seuce Robert , jeine Karaufchen 
. en Courtbonillon, feine Rouladen von 
Hal, welche wohl verdienten, fich als 
gekrönte findwürmer vor allen anderır 
im Moraft auszunehmen,) feine ge: 
backnen Geezuagen mit Linſen, feine 
gefüllten Barfche, feine am Spieß ae 
bratnen Stöhre, und befonders, feine 
Schneden if. Muß doch melden, 
wie er feine Schneefen macht. Zuför: 
derft läßt Meifter Mogens fie in War: 
fer em paarmal anffochen,, nimmt fie 
denn mit einem fpißigen Mefler ans 
ihren Häufern, reiniget fie fauberlichft, 
läßt fie mir einem Stuͤckchen Butter 
und Fochendem Waffer am Feuer ſteden, 
fpült die leeren Gehaͤuſe mit Sal; und 
warınem Waſſer fleißig aus, laͤßt fie 
denn trocknen, nimt dann ein Stück 
ausgewafchner Butter, und fein gerie: 
ben Brod, Musfarbfumen, etwas 

995 Pfef⸗ 





714 


Pfeffer , fein gehackte Peterfilgen, Eines 
tet folches in einen Teig zuſammen, 
thut ein wenig von forbanem Teig in 
die Gehaͤuſe, legt denn wieder ein 
wenig Teig oben auf -- dann. in eine 
Eafferole — dann ein. paar Löffel voll 
Fleiſchſuppe darunter, --- dann auf ge: 
lindem Feuer ein wenig durchgeſchwitzt * 
zuweilen umgeſchuͤttelt — --- Ach! 
uͤber Meiſter Mogens Schnecken geht 
nichts unter der Sonne! es muͤßten 
denn ſeine Maykaͤfer ſeyn. 
Mavius. 


Drittes Entremets. 
Poetiſche Zurichtung. 


Man ward gebeten, ſich eine Perlen: 
fiicherey -einzubilden, und nahm mit 
einigen Conchylien fürlieb, wie man fie 
in den Cabinettern findet. Ob der be 
rühmte Admiral darunter geweſen, kann 
ich nicht fuͤr gewiß ſagen: nur das * 

ih/ 





715 


ih, wenn er da geweſen, ſo hat er we⸗ 
nigſtens in dieſer Gegend — viel 
—— 

a. R oſe 


u Dechmſche Zurichtung. 


Beſland geößtentheils aus. Zucker: 
forüßgebadinem , worinn. ein „wenig 
Dorter von Pfaueneyern, auch fein ger 
ſtoßner Zucker, Aſia, Cakao, und was 
dem anhaͤngig, bineingearbeitet worden. 
(Beynah haͤtte ich. vergeſſen, ſchuldigſt 
zu erwaͤhnen, daß der alte Herr jedes— 
mal ſeine beſondre Schuͤſſ el hatte, als: 
im zweyten Gange eine Wachtel en, 
Poupeton, mit Ansouillen von Kalbs⸗ 
niere: im zweyten Entremets s verlobene 
Ener mit durchgeſtrichnen Johannis⸗ 
beeren ; im dritten, Gange gebackne 
Farce mit fareirren Auftern garnirt; 
und in. legtgedachtem Entremets ein 
paar Derlenmutterfehalen, worinn ein 
Duenlet von jungem Hopfen. Don 
* allem 





716 


allem gab er feiner Dame, "bie ihm 
zur Seite ſaß, nachdem er es mit einer 
gewiſſen Behaͤglichkeit und wohlanſtaͤn⸗ 
digen Galanterie, wie man von einem 
ſolchen Herrn erwarten kann, an die 
Lippen gebracht hatte, von Zeit zu Zeit 
einige zwar kleine doch delicate Bißlein 
zu koſten. Was anderntheils aber den 
juͤngern Herrn von Jernſtrup, als den 
zweyten Bräutigam des Tages, an: 
geht, fo nahm er, (und wenn ich fo 
kuͤhn feyn darf, es zu fagen, nicht wenig 
zu meiner Werwunderung) an allen 
was vorging, faft gar feinen Antheil, 
fo daß er ohne Zweifel Kopfichmerzen 
oder irgend ein anderes Malum muß 
empfunden haben, weil er fo ungewohn: 
lich ſtille war: bis er fich zulegt auf: 
heiterte ‚ da faft alles vorbey war, und 
außer ihm Sedermann etwas finfter 


ee Maͤvius 


Vier⸗ 


—— 717 
Vierter Gang, 
Poetifche Zurichtung. 


Pafteren. Eine fehr fromme Fleine 
Loͤwinn, von der amerifanifchen Art, 
lag in ihrer Höhle, und fuchte ihre 
ungen zu verbergen. Doch Herrvon 
Palnotoko, der fich nie leicht eine Ge- 
fahr abfchreefen läßt, ſchob das arme 
Thier Faltfinnig an die Seite, «und da 
fand fichs denn, daß die jungen Loͤwen 
nichts als junge Häschen waren, Wie 
dieſe Hafenpaftere zugerichtet gemefen, 
lehrt Here Mävius, -- Der Vogel 
Eondor auf Eyern, die,. wie die Eyer 
des Trimaleio, ſchon ausgebrüter waren, 
und durch ihren angenehmen Geruch 
zum Koften einluden. — Die Ge; 
fchichte der Palingeneſie an einem Sei: 
denwurme von brobdinggnaggifcher 
Größe: er mar eben bereit, in eine he: 
here Region binaufzuflattern , als er 
za die Section des Vorſchneiders 


gerieth, 





718 


gerieth „" und den Gaͤſten ein ſchmack— 
hafter Biffen ward. -—- Die Scene, 
eine Landſchaft des Königreichs Merico. 
Die Handlung fing Nachmittags um 
vier an, und dauerte bis fünf Uhr. 


Rof e. 
Techniſche Zurichtung. 


Der Hauptumſtand, wodurch ſich 
vorſeyende Haſenpaſtete von andern Ha: 
fenpafteten unterſchied, beftand außer 
der finnreichen Figur des gebrannten 
Waſſerteigs, als welcher diegmal eine 
amerikanifche Loͤwinn vorftellte, darinn, 
dag Meifter Miogens die Farce cum 
annexis, fo doc) fonft äußerlich benge: 
bracht zu werden pflegt, ins Einge- 
weide der jungen Hafen hineingearbei: 
tet hatte, und zwar: aus der weislich 
überlegten Urfache, damit der Geſtalt 
eines Hafen Fein Abbruch gefchebe. Je 
mehr ich meinesiwenigen Orts darüber 


nach: 


— 719 


nachdenke, deſto nothwendiger und un⸗ 
entbehrlicher zen es mir zu ſeyn, 
dag man alle Farce überhaupt, als ein 
inneres Ingredienz dem Auge fo viel 
möglich zu entziehen aefliffen fey. Die 
Ener des Vogels Condor waren ver; 
ſchiedner Natur; in dem einen Enten, 
im andern runde gachsftücke mit Saus 
bruͤſten, im dritten Waldſchnepfen, 
im vierten Hechtleber, Sarpfenmilch, 
Karpfenzungen, und SKarpfenaugen. 
Die Palingenefie des Seidenwurms 
gefchah in einer Erifjetre, und mar 
eine vortrefliche Compofition von Ham: 
melbug und wilden Echmeinsfopf, 
woran ein feharfer Gallert mit Chamz 
‚pagner, der fehr gourivt ward, Der 
alte Here aß eine Paftete von jungen 


Wachteln. 
Maͤvius. | 


- 


Pier 


720 — u 


Viertes Entremets. 
Poetiſche Zurichtung. 


Dünfte, Fanden befonders ben Bey: 
fall der Damen, Man ſah und genog 
bier Dünfte von allerley Gattung: 
Waflerdünfte , ſulphuriſche Dünfte, 
Sternſchneuzen, Steinkohlenduͤnſte, 
Schneeduͤnſte, auch Nervenduͤnſte nach 
dem neueſten Geſchmack, und was nur 
je zu der Claſſe der Vapeurs gerechnet 
‚werden kann. J 

—* Roſe. 


Techniſche Zurichtung. 


Meiſter Mogens hatte ſich unfägliche 
Mühe gegeben, jeden Dunft genau zu 
charafterijirenz und da er überdem noch 
mit goldnen Buchftaben, (welches zus 
gleich nicht wenig zur Auszierung der 
Dünfte beyteug), die Bedeutung darz 
auf geſchrieben, fo war nun allem et— 

wanni⸗ 


a 721 


wannigen Misverftande defto füglicher 
vorgebaut, Regula, einen Dunft zu 
machen. Nimm Quitten, oder Aepfel, 
oder Birne, oder was du fonft willſt, 
foche fie mürbe in Waſſer, ſchaͤle fie 
und fchabe das Fleifch mit einem Met; 
fer von den Kernhäufern ab, made 
einen Mus daraus, und treibe felbis 
gen durch einen Sieb in eine Cafferole, 
rübre folches eine Stunde lang immer 
nad) einer Seite hin, thue Zucker, ges 
riebne Citronfchalen, und geftoßnen 
Zimmt darunter, nimm Eyerweiß nach 
Gutdünfen, und fchlag es auf einen 
Teller mit einem Meſſer Elein, gie es 
‚allmählig zu dem Mus, und rühre es 
um, bis es Fnirfchet, back es in einer 
Tortenpfanne,, und wenn es in vollem 
Auffteigen ift, fireue Zucker oder Zimmt 
oder etwas anders darüber, damit es 
die geziemende Farbe erhalte, und ftreich 
es alsdann auf Papier; foifider Dunft 
fertig. -—- Der alte * genoß Ner⸗ 
venduͤnſte. Maͤvius. 
Der Hypoch. 2.T, 3; Fünfr 





722 
Fünfter Gang. 
Poetifche und technifche Zurchtung. 


Tu non inuenta reperta es! ---. 
Nachdem das Auge und der Gaum fich 
an einer fo langen Reihe von außerors 
dentlichen Gegenfiänden gelcht hatten, 
fo war nichts natürlicher, als daß man 
num, da der flinfte Gang herannahte, 
fich gefaßt machte, Wunder über Wun— 
der zu fehen; ja ein Fremder, der eben 
hereingetreten wäre, hätte aus den er: 
wartungsvollen Gefichtern leicht auf 
den Wahn gerathen Fönnen, als ob die 
hohe Verfammlung erft jeßt zu effen an: 
fangen wolle. In der Thar war auch 
nichts gegründeter, als die Erwartung 
einer Ueberraſchung in einem Kalle, wo 
e8 fihien, daß Fein Ueberraſchendes 
mehr ſtatt fände, Endlich Fam der 
fünfte Gang, und alle Gäfte erffaun: 
ten! --- Sie erftaunten, fage ich, den 
— den Autrhahn den Faſan⸗ 

* baſtard, 


baftard, die Braushähne u. ſ. w. voll: 

formen auf die nämliche Art gebraten 

und angerichtet zu ſehen, wie man fie 

fonft gebraten und angerichtet zu ſehen 

pflegt. Welch eine Lieberrafchung! 

er Roſe. 
Mbius. 


Fuͤnftes Entremets. 
Poetiſche Zurichtung. 


Haͤtte gleichwohl Meiſter Mogens 
gewagt, hier den Vorhang fallen zu 
laſſen, oder allenfalls mit Gebacknem 
auf die gewoͤhnliche Art, und einem ge— 
meinen Deſſert zum Epilogus zu ſchlieſ⸗ 
ſen; ſo wuͤrde man unſtreitig Urſache 
gehabt haben, ſich uͤber ein gewiſſes 
Leere zu beklagen, und den Artiſten zu 
beſchuldigen, daß er die Oekonomie des 
Ganzen nicht gehoͤrig zu menagiren 
wiſſe. Denn, ſo wandelbar iſt das 
menſchliche Herz! kaum war der Bra⸗ 
3; 2 ten 


724 —— 
gen verzehrt, und das Gemüth von der 
erften Betäubung zuruͤckgekommen, als 
Einer den Andern anſah, als wollte 
man fragen, ob das wohl die Mühe 
Iohne? ob das Alles fen? — 

Seht art -- iftifch war es alfo von 
Meifter Mogens gedacht, daß er von 
dem Contraſt einer ungefünftelten Bra: 
tenfchüffel, auf einmal mit der Phan: 
tafie feiner Gäfte zu dem hoͤchſten Ideale 
der Ideen überging, indem er im fünf 
ten Eintremets --- das Empyreum dars 
ftellte. Naͤmlich. Ein Fragment von 
dem Lichtſtrahle, worauf ein großer 
Dichter unfers Jahrhunderts Anno 
1755 aus der Welt des Gehörs in die 
Welt des Geruchs übergefahren iſt. 
Ein Stuͤck Schweif von dem lebten 
Kometen mit Thierfeelen, die nach dem 
Supiter reifen. Einige Schadteln 
voll Aether. Kinige Sapphirs aus 
dem dritten Himmel. Etwas taub 
von den Korallenhannen der Mond: 
waſſer. Ein Regen von emppreifchen 

Bluͤ⸗ 





Bluͤthen; und viele andre Beftandtheile 
des Empyreums, die Meiſter Mogens 
in den Heldengedichten und Briefen des 
Berges Jura gefunden hat. 


Ro ſe. 
Techniſche Zurichtung. 


Regula, das Empyreum zu machen — 
Iſt ein Arcanum. 
Maͤvius. 


Schlußgang. 
Poetiſche Zurichtung. 


Die Belagerung von Choczim --- 
Roſe. 


333 Tech⸗ 


726 — marc 


Techniſche Zurichtung. 
So ſich in Torten praͤſentirte. 
Maͤvius. 


—e 
beſchrieben von Herrn Rofe. 


Groͤnland, nebſt dem Proſpect von 
Spitzbergen und Nova Semla. Wo 
man hinſah, ſah man Eis: Eis von 
Creme, von Chocolade, von Saͤften, 
von Confits u. d. gl. Zwiſchen allen 
dieſen Eisbergen ſpruͤtzte der Brun— 
nen des Lachens nach acht Seiten 
bin geiechifche Beine von verfchiedner 
Farbe, doch gleicher Güte. Wer aus 
dem Brunnen des Lachens ſchoͤpf— 
te, ſang alsbald eine Skolie, und 
lachte. So wurden die Skolien 
geſungen. Der Saͤnger hob nach grie— 
chiſcher Weiſe den Myrthenzweig, 

ſchopf⸗ 





— — 727 


fhöpfte aus dem Brunnen des Las 
chens, nahm fich von den Eisbergen 
herab den fpmbolifchen Biſſen, 
und fang hierauf feine Skolie Hatte 
er ausgefungen, fo reichte er den Myr⸗ 
2 thenzweig feinem Nachbar oder feis 
ner Nachbarinn gegenüber , (die beiden 
Braufpaare ausgenommen die eine 
andre Ordnung beobachteten). Mac 
jeder zwenten Skolie fiel der Cho— 
rus Des Lachens, der aus. Chor 
und Gegenchor beftand, mit Flöten 
and Gaitenfpiel ein. Herr. Ohluf 
Jernſtrup, der die Honneurs machte, 
war Koryphaͤus. Ich bedaure, daß 
die Zeit zu kurz geweſen, die Gaͤſte mit 
guten Skolien zu verfeheny man 
mußte aus der Norm eine Tuaend ma: 
‚hen, und zu Herrn Mävius Chrefto- 
mathia po&tica Germanica feine Zu: 
flucht nehmen =--; welches. ichjedoch 
ohne Nachtheil diefes compilatoriſchen 
Dichters gefagt baden will, Zu den 
Skolien sifand ein Jeder feine Me: 
Ri lodie 





728 





Iodie aus dem Stegereif: die Chöre 
hingegen waren aus Schleswig verfchrie: 
ben, und 'mit erſtaunlicher Muͤhe und 
Kunſt gefeßt. 


= gorpphäis; du 
indem er die Götter Ris und Jeux | 
in den Mund ſteckt. 
Laßt ung lachen! 
Chor von Mannsperfonen. 
Da, Ha, Ha, Ha, Pa, Da! 
Chor von Damen, 
Di Di Hi, Di, Di, Di 
Koryphaͤus. 


Cacht bey jedem Trunk! 

Lachen ſtaͤrtt die Kräfte, 
WVerſuͤßt die Säfte, 
WV Pr Erhäkt 


— 729 


Erhält und macht uns jung. 
Hlöfen ift der Heerde, 
Wichern ii der Pferde 
Scherz und Luſtigſeyn. 
Voͤgel koͤnnen ſingen: 
Unter allen Dingen 
Cacht der Menſch allein. 


Laſſt uns lachen! 
Erſter Chor. 
Ha, Ha, Ha, Da, Ha, Ha! | 
Zweyter Chor, 
Dir Hi, Dir Hi, Di, Hi! 
Herr Zacharias Sernftrup, als älterer 
Bräutigam, bob zuerfi den Myrthen: 
zweig, Ichöpfte aus dem Brunnen 


des Lachens, und aß den fymboli 
{hen Biffen: Hymens Kader, 


‚Der „Zypoch.2. Th, Aaa Meine 


730 nn 


Meine Glut 
Peidet Feinen Wanfelmuth ; 


Und ich Inche. 


Bricht mir gleich der Tod das Herje, ” 
So behält doch) diefe Kerze 
Noch in der Aſche wohlgemurh 
Ihre Glut; 
Und ich lache! 
Seine Braut bob den Myrthens 
zweig, fhöpfte aus dem Brunnen 


Des Lachens, und aß den ſymboli— 
fhen Biffen: Hymens Schleyer. 


Der Himmel lacht und wacht mit tau— 
fend Augen: 

Doch lacht und macht er nicht, wie 
meine Treu. 

Die lacht und wacht, und laͤßt fich nichts 

erwmuden. | 


Selbſt 





731 

Selbft wenn fih lachend Geift von Leib 
gefchieden, 

Cacht fie, und hegt dein liebfies Conter: 

fey. 

Der Himmel lacht und wacht mit fau- 
fend Augen, 

Doc lacht und wacht er nicht wie meine 
Treu. | 





* ——— 
Laſſt uns lachen! 
Erſter Chor. 
Ha, Ha, Ha, Ha, Ha, Ha! 
—* Chor. 
Hi, Hi, Di, Dir Hi, Hi! 


Aaa 2 Here 





73% 


Here Jens Jernſtrup bob den Myr⸗ 
thenzweig, fhöpfteausdem Brun- 
nen des Lachens, und ag den fym: 
bolifhen Biffen: Amors Köcher. 


Nun fo lacht! 


Ein Waldhorn Klinge bey Abendfiunden 
Don weitem durch Die Gärten fchön ; 
Es reist das Blut verlichter Wunden, 
Und heißt die Geiſter flüchtig gehn: 
Jedoch ergäst mich das Geher 
Von eurer Lacherey weit mehr. 
Seine Braut bob den Myrthen— 
zweig, fchöpfte aus dem Brunnen 
Des Lachens, und af den ſymboli— 
Ichen Biſſen: Amors Pfeil, 
Naͤchtlich ſeh ich tanfend Sterne 
Lachend in der Ferne, . 
Alle fehn euch an, und lachen, 
Daß ſie euch ſo lachen machen. 
An! Kory: 





— — 733 
| Koryphaͤ us. 
Erſter Chor, A 
* Su Da, Da, Dar 2a! 
Zgeyter Chor, & 
Si, F Hi, Hi, Hi, Si! 2 
5 Brautführer..hob - den Myr—⸗ 


enzweig, ſchoͤpfte aus, dem Brun 
n des Lachens, und aß den fps 






Beaunger J — 
Seroue an die alte ‚Seäu Braut. 


Drum fo ls ch und wacht, kluge Schöne, 

Cach und wache lange, ſo wie jetzt, 

Cach und wache, bis kein Lachgetoͤne 

Mehr dein ſattes Herz ergetzt, 

Bis die Sterne dunkler Nacht 

Dir gnug gelacht, und guug gewacht. 
Zr Yaaz Erſte 


nahen — —— 


chen Biſſen einen antiken 


734 — 


Erſte Brautdame hob den Myrthen⸗ 
zweiag, ſchoͤpfte aus dem Brunnen 
des Lachens, und aß den ſymboli— 
ſchen Biſſen: die antiken Sanda⸗ 
lien der Venus. 


Ja, ja, ihr Lacher habt gut lachen. 
Ihr lacht und Fönnt euch glücklich machen: 
hr lacht und wacht, fo viel ihr wollt, 
und lacht und wacht, und ſeyd euch hold. 
Ihr lacht und wehrt euch Feine Fteude, 
Und koͤnnt die Sterne lachen ſehn. 

O ſtecktet ihr in meinem Kleide 
Das Lachen ſollt euch wohl vergehn! 


Koryphaͤus. 
Laſſt uns lachen! 
Erſter Chor. 
Ha, Ha, Ha, Ha, Ha, Ha! 


Zweyter Chor. 


Hi, Hi, Hi, Hi, Hi, Hi! Hier 


————— 735 
Hier trug ſich das Ungluͤck zu, daß die 
Saͤnger der Skolien zur Unzeit Cho— 
rus machten; und da des Lachens 
kein Ende war, ſo ward zuletzt ein ſo 
allgemeiner und lächerlicher Auf 
ftand, daß man die Lachbarfeit der 
übrigen Skolien bis auf die Nachhoch: 
zeit verfchieben mußte. Auf folche Are 
endigte fih, unter Sffen und Lachen, 
und Trinken und Lachen, und Sin: 
gen und Lachen, diefer hochzeitliche 
Tag, der in den Jahrbuͤchern von Jern⸗ 
firuphof unvergeglich feyn wird, 














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