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385&50h
Hypochondrif
holfteiniſche Wochenfihrift
von Herrn
Zacharias Jernſtrupcn
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€ 2 Kr * we
Zweyte verbefferte undvermehrte —*
— und Schleswig — 1271 ? *
bey Joh. Henr. Cramer und Joach. Friedr. Hanſen
1771.
er
3.
*
*
?
-
Vorbericht |
des Herausgebers.
3 Ne Als ſich Herr Zacharias
re Zernftup vor acht
== Sahren durch Frieges
riſche Aſpekten, die feinem Vaterlan⸗
=... Be ßrohten, genoͤthigt fah, feinen ge
;
a2 lieb;
—F
liebten Blättern des Hypochondri—
ſten ein ſchleuniges Ende zu machen:
ſo trat er mit ſchwerem Herzen vor
den Helm ſeiner Vaͤter hin, und
ſeufzte folgendermaſſen. | B
D Helm des Königs Hiarno,
meines vielgeehrten Ahnherrn! eis
nen witzigern Kopf in der Jern—
ftrupfcehen Familie haft du nie ge
deckt, als der Kopf war, der ſich
durch Sinngedichte auf den Thron
au fehwingen wußte, Micht ohne
Ehrfurcht betrachte ich deine eiſer—
nen Lippen, aus denen manches
Tchöne und ach! vergeffene Diftichon
gefloffen ift, und deine Beulen, die
zuhmlichen Maͤler von manchem
Bider
Biderfuffe des Schwerted. Den
noch, o Helm! Helm! Cfeufzend
gefte ichs), fo fehr mich zu jeder
andern Zeit ein Labetrunf von dem
Blute meines Feindes aus deiner
Kalotte erquicken würde; fo fehwer
fallt es mir, böte mir auch Odin
feinen Meth, ja böthe er mir die
unverfiegende Wafferquelle aus
Mimers Hirnfchädel an, bloß dar
um die Feder aus der Hand zu le
gen, da der Hypochondriſt kaum
anfängt, jenfeit8 der Eyder fein
Gluͤck zu machen, und fo wie er
ist da liegt, einem verftümmelten
Torſo gleicht, den ich vielleicht nie
a3 mehr
-
mehr werde ergänzen fonnen! Was
wird mein Coufin Ohluf Jern⸗
ſtrup ſagen, daß er ſein griechiſches
Blatt umſonſt ſoll geſchrieben ha—
ben? Was wird nun aus meiner
fo muͤh⸗ als empfindſamen Reiſebe—⸗
ſchreibung von Meldorp nach Ran⸗
ders? aus meiner Sammlung von
Perſiſchen Gaſſenliedern, die un—
ter der Regierung Schach Abas
des Groſſen geſungen worden, und
keiner Romanze etwas nachgeben?
aus dem Fragment meines naͤcht—
lichen Umgangs mit den Zwergen?
aus meinen neuen Berechnungen
in der geomantiſchen Punktirkunſt?
aus
aus dem Entwurf meines neuein⸗
zurichtenden Cabinettheaters auf -
Ssernfiruphof? aus meiner ſehens⸗
würdigen und unerhörten Gebehr;
denorgel ? Was wird aus allen
übrigen Seltenheiten meines Mu⸗
feums, die ich mit ſo vielem Auf
wande zufammengetragen habe,
‚und mit denen ich durch den Hypo;
hondriften mein Ssahrhundert zır
erleuchten hoffte? Ach! wenn du
aus dem ungeheuren Saale der
Einherium auf deinen Urenfel her⸗
obichauft, mein Herr. und Ahnherr!
glorwuͤrdiger König Hiarno! fieh,
wie mein Herz bluter, und ent
a4 ſchul⸗
fchuldige meine Seufzer! du warft
ein Autor! denfe dic) an meine
Stelle!
Gluͤcklicher Weiſe, und beynah
jo unbegreiflich, als ob dag Schick—
fal des Herzogthums Holftein von
der Anrede an den Ahnherrn Diarz
no und an feinen Helm abgehan;
‚gen hätte, verzog fich das Gewit—⸗
ter, che e8 gedonnert hatte: —
aber leider ! zu ſpaͤt für den armen
Hypochondriften! Herr Zacharias
Jernſtrup hatte in feiner ſchriftſtelle⸗
rifchen Verzweiflung das Ende der
Gefahr nicht abgemartet, und Die
Seltenheiten feines Mufeums wa⸗
ren
ren in Rauch aufgegangen, che
ſich Jemand davon träumen ließ.
Seäit Diefer traurigen Epoche
ward des Hypochondriſten auf
Ssernftruphof fo wenig erwähnt,
als ob er nie in der Welt geweſen
wäre. Man befürchtete, die alte
Wunde wieder aufzureiffen; durchs
gehends herrfchte ein tiefes Still,
fehweigen, wobey Einer den An-
dern von der Seite anjah, den
Kopf fchüttelte, und die Achfeln
zuckte. Endlich trug fich im Sahe
1769 eine wundervolle Begeben;
heit im Lager vor Choczim zu, wel
che das ganze Nervenſyſtem unfers
- as alten
alten Freundes veränderte; und zu
eben der Zeit (wie denn felten ein
Gluͤck allein fommt), lief ein mer
wuͤrdiges Schreiben von Herrn
Hanfen in Schleswig, dem Ber
Veger des Hypochondriſten, ein,
welches der allgemeinen Freude ei
nen neuen Schwung gab. Wor;
inn Die wundervolle Begebenheit
bejtanden, wird der Lefer aus dem
Verzeichniß des Inhalts, oder,
wenn er fo viele Geduld hat, aus
dem Buche felbft, erfchen. Das
Schreiben des Herrn Hanfen aber
enthielt eine unerwartete Bitte um
Handichriften zu einer neuen vers
beiter-
—
beſſerten und vermehrten Aufla-
ge des Hypochondriſten.
Wie beneidenswirdig war
Ssernftrup nach dem Leiden fo vie
ler Sahre! Nicht nur beneidens:
würdig durch den erftaunlichen
Gluͤckswechſel, der fein Nervenſy—
ſtem änderte: auch beneidenswuͤr⸗
dig Durch die erwuͤnſchte Gelegen—
heit, die fich darbot, die Welt von
allen diefen Wundern zu unterrich?
ten. Dreyfach beneidenswirdig,
hätte er fich den unerfeglichen und
nie genug zu beweinenden Verluſt
feines Muſeums nicht vorzumerfen
gehabt! |
2 Ehe
Che man ſichs verfah, waren
alle Federn im Gange. So ein
unthätiges finftres Anjehen Jern—
ftruphof furz vorher gehabt hatte,
fo lebhaft ſah man es itzt. In Zeit
von einem Jahre fand man fich
mit Handfchriften und Berbefferuns
gen dermaffen bereichert, daß die
nerre Ausgabe, ungead)tet der grau—⸗
famen Zerfiöhrungen, welche ein
Paar Kunftrichter von den neueften
Grundfägen, wovon ım Werke
ſelbſt nähere Nachricht ertheilt wird,
mit ihrer Fritifchen Scheere ange;
richtet hatten, fogarumdrey Blät-
ter dicker erfcheinen fonnte, als die
alte, Ich
Sch tbergebe nun der Welt,
nachdem ic) alles gefagt zu haben
glaube, was der Herausgeber eis
nes wichtigen Buchs, ohne die Bes
fcheidenheit feines, Autors zu verle
gen, fagendarf, die Miſcellan⸗Bio—
graphie des Hypochondriſten.
Geübtere Federn mögen unterfu;
chen, od Jernſtrup ein Driginalfen,
ohne original zu fenn? oder ums
gefehrt, ob er originalfen, ohne ein
Driginal zu ſeyn? oder drittens,
ob er original und ein Original
zugleich ſey? oder endlich, ob
er feines von beiden ſey? Er
felbft treibt die Demuth eines Aus
tors fo weit (und dieß bittet er
mich
— —— — — — —
mich ausdruͤcklich hinzuzuſetzen),
daß er feinen Neidern gerne frey
ſtellt, den zweyten Hypochondri⸗
ſten als einen bloßen Urceus des
erſten zu verrufen, wenn ſie nur
dagegen ſo billig ſeyn wollen ihm
einzuraͤumen (was fie ihm ſchwer⸗
lich abftreiten fünnen), daR das,
was für fie Urceus ift, für ihn,
feit dem gefegneten Tage auf Jern⸗
firuphof, der aller feiner Hypo—
chondrie ein Ende machte, him
laͤnglich Amphora geworden fey.
Inhalt
Fu
EEE RETTET TEST TH TE
—
Inhalt des erſten Theils.
(Herr Zacharias Jernſtrup, der be:
Fanntermafien zu befcheiden ijt, als daß
er fi) etwas zueignen follte, was nicht
fein ift, war Anfangs Willens, aus der
zweyten Husgabe des Hypochondriſten
alles wegzulaffen, was ihm von feinen
Freunden zu der erfien Yusgabe war
geliehen worden, theils um den Charak⸗
ter, theils um den Ton feines Werks
deito fefter und gleicher zu halten. Er
machte aber bald die Entdecfung, daß
durch einen fo gewaltfamen Schnitt das
Werk aufbören würde, das nämliche
zu ſeyn, und daß er feinen $efern, anftatt
einer neuen Ausgabe, ein neues Buch
liefern würde; welches ihm fchon in
Mückficht auf die Heren Dodsley und
m nicht gleichartig feyn konnte.
Er
— nn nn
Er begnügte fich alfo an einem mäffigen
Schnitte, wovon man die Öejchichte
im vier und zwanzigften Stücke nach
lefen Fann, und bezeichnete die fremden
Blätter in diefem Inhalt, mit Stern:
chen, )
Erſtes Stüf.
Einige charakteriflifche Züge von Steele, dem
Erfinder moralifcher Wochenblätter; nebit
einer kurzen Prüfung feiner Nachahmer. 3
Urfachen von der Hnpochondrie des Berfaflers:
eine Liebesgefchichte. 10
Nachricht von einem biefigen Stadtpoeten,
deffen Neujahrswünfche acht Schilling
Foften. 18
Zweytes Stuͤck.
Betrachtung über die Nervenfranfheifen. 24
Der Hppochondrift erfindet eine neue Curart
derfelben. 28
Be⸗
25 —
—s
m
Befchwert ſich nebenher über Herrn Robert
Whytt, Dr. 31
Merkwuͤrdige Faͤlle. 47
Drittes Stuͤck.
Streitfragen uͤber den moraliſchen Sinn des
Worts Liebe. | 56
Eine Scene - aus dem DOtway zur Erläufe:
rung. 61
* >
Fiebesantrag zweyer Frauenzimmer an den
Hypochondriften. - 69. 74:
Sprode Antwort des Hypochondriſten. 70. 75 >.
Viertes Stuͤck.
Cabinets⸗Entwuͤrfe des Hypochondriſten wider
Die Univerſal-Monarchie des Muͤſſig⸗
ganges. 77
Ein Buchladen für Kranke, in einem merk
würdigen Briefe und Bericht des Herrn
Maͤvius befprieben. 81
b 2 Herr
Herr David Maͤbins legt Ehre und Schande
mit diefem Buchladen ein. 89 u.ff.
Er geht davon. | . 99
Fuͤnftes Stück.
Einige Bekanntſchaften dis Hrpochondriften ,
die ans den Veraͤnderungen des Wetters
herzuleiten find. 101
Reiſebeſchreibung des Herrn von Schuwalitz,
mit untermiſchten Liedern und Cantaten
des Herrn Roſe, wie auch eingeſtreuten
kritiſchen Anmerkungen des Herrn Ohluf
Jernſtrup. 109 u. ſ. f.
(Anm. Ein Unbekannter aus Altona bet mid
nachher belehrt, daß die Nreifebefchreiz
bung des Herrn von Schuwalitz von eis
nem Ende zum andern lauter Plagiat if.
Herr von Schuwalitz hatte uns mit feiner
gewöhnlihen Gabe, einen Spaß zu mas
en, vielleicht auch in der Abſicht fich
mit des Pſauen Federn zu ſchmuͤcken,
glücklich eingebildet, daß dieſe ſcharfſin⸗
nige Reiſebeſchreibung fein eignes Werk
ſey.
ſey. Sch hatte die Willebrandifchen
Reiſen in’ langer Zeit nicht gelefen, und
bemerfie daher den Betrug nit, ob ich
gleich, wie man gefehen hat, die Aehn⸗
lichkeit der Methode gar bald wahrnahm.
Sch bekenne demnach vor der ganten
Welt, das die Keifeanmerfungen int
fünften Stuͤcke des 3ypochondriſten
wörtlich ja buchftäblic) aus den Kris
fer des beliebten Seren YWWillebrands
ausgefchrieben find, den ich wegen die
ſes unwiſſentlichen Plagiats um Ders
zeihung bitte. 3 . Jernſtrup.)
Vorrede zum Hypochondriſten von einem
grojen Bewunderer der Hamanniſchen
Schreibart. 128
Unterricht, dieſe Vorrede zu verſtehen, 135
Sechſtes Stuͤck.
Ein Gento vieler „deutjehen, lateiniſchen, eng⸗
lifchen Berfe, ingleichen Romanenbriefe,
verliebte Enthuſiaſtereyen, verliebte Ge;
dichte, verliebte Geſpraͤche, verliebte .
b3 Ver⸗
a‘
— — nu —
Derzierungen eines Cabinets, in dritte:
halb Bogen: alles aus dem Liebesarhiv
des jungen Jens Jernſtrup. 137
* Siebentes Stüc.
Lob der Scheinheiligkeit. a SEE
Achtes Stüc.
Ein monfiröfer Roman, beſtehend aus zwey
Oden und zwey Elegieen. 196
Erfie Elegie, als fie ſproͤde war. 197
* Erfie Ode, als er nicht fchlafen Fonnte. 202
* Zweite Ode, als fie in ihre Heimath zog.
207
Zweyte Elegie, als er zu fierben glaubte. 2ro
” Meuntes Stück.
Bon der Ehrlichkeit. | 215
Dalanz
ö— — — — — —
— — —
Balanz der Ehrlichkeit nach dem Kameralſtil
und nach dem moraliſchen Stil. 218
Ariſt und der Baron, ein Paar Portraͤtſtuͤcke.
221 1.[.f.
Patriotiſcher Entwurf einer Staatshaushal⸗
tungskunſt. 228
Wird durch dent nenern Heroiſmus vereitelt.
233
Zehntes Stuͤck.
Zacharias Jernſtrup findet Ben Johnſons
Vim comicam bedenklich. 236
Merkwuͤrdiger Caſus einer Stummen, die
reden konnte. 269
* Eilftes Stuͤck.
Bon der guten Abficht der Schriftfieller. 292
Anfhlag, wie eine Satire über fich felbft
zu machen. 299
b4 Zwoͤl⸗
*Zwoͤlftes Stuͤck.
Unterſuchung, in wie fern das Wort Gluͤck
einen Einfluß in die Sitten habe. . 307
Wird mit einer Fabel aus dem la Motte
beſchloſſen. 333
Dreyzehntes Stuͤck.
Sonderbare Gerüchte von Tialf und Braga.
\ 338
Zwiefaches Bragalivth. 340
Der
ſSypochondriſ
Erſter Theil.
Dersypoh..T. A
;
63
2
Ina
be ln,
RIZEE =
= — —
— — —— —0
Erſtes © Stuͤck.
Ai, cogitandum melior vt redeat fibi.
ähi.- TER.
; yichte tagt, Sir es eine
Be der glüklichften Erfindun:
gen in der Satire fen, die dem Geifte
der Neuern Ehre machen, das kann
. * U 2 mit
*) Eſſay on Pope p. 205.
4 —
mit eben dem Rechte von der ſteeliſchen
Erfindung behauptet werden. Der Ge⸗
danke, ſeinen muͤſſigen Mitbuͤrgern die
Geſetze der Moral und des Geſchma—
ckes wochenweiſe in Form einer Zei—
tung vorzutragen, war ſchon an ſich
ungemein gluͤklich, ob es gleich gewiß
iſt, daß Steele nur von ohngefähr,
und auf Beranlaffung eines andern Skri—
benten feiner Zeit, darauf gerieth: al:
lein feine Art, diefen Gedanken ausju:
führen, bat etwas befonders merkwuͤr⸗
diges an ſich, und ſehr wenige Schrift:
fteller,, die eine neue Bahn betreten ba=
ben, fönnen fich rühmen, den Grad
der Bollfommenbeit, deffen ihre Er:
findung fähig war, fo glücflich, wie
Steele, auf einmal erreicht zu. haben,
daß es ihren Machfolgern Faum gelin;
gen Fönnen, auch nur in Kleinigkeiten
etiwas hinzu zu feßen. Die unzäbli:
chen Geſtalten, die er feinen Lehren zu
ge weiß; die mannichfaltigen Rot:
en, die er fpielt; fein Witz En
ich;
5
ſichten, feine Kenntniſſe, die Beur:
theilungsfraft, womit er feinen Stoff
der Gattung feines Vortrags anmißt:
alles verdient und erhält die Bewunde—
rung derer, die es ihm nachverfucht
haben. Unter dem muntern Charafs
tere eines Arztes, Aftrologen, Gerichts:
herrn, Schwäßers und Dichters macht
er fih zum Vertrauten feines Publi;
fum, und unterhält dafjelbe mit der
gelä gen Zunge eines alten Mannes
in den allerwichtigften Pflichten des Le⸗
bens fo teizend, daß ein jeder mit Ber:
gnügen herbey eilt, den artigen Greis
plaudern zu hören, und am Ende mit
tiefen Betrachtungen über fich ſelbſt ihn
verläßt, die defto fchärfere Stacheln in
der Seele zurück laffen, je unerwarz
teter fie diefelbe trafen. Nicht Pacolet,
fondern Genius Sofrates felbft fcheinet
ihn unmittelbar mit feinem Hauche be;
geiftert zu haben.
Ich müßte alle Züge feines morali:
ſchen Bildes iufamımenfaf en, wenn ich
A3
mei⸗
6 — —
3 —
meinen Leſern den ganzen Iſaak Bicker⸗
ſtaff Eſq. ins Gedaͤchtniß zuruͤck fuͤhren
ſollte. Meine Abſicht iſt aber blos, ſie
mit einigen ſeiner Vollkommenheiten
wieder bekannt zu machen, um ihnen
den Ausſpruch zu erleichtern, was man
von einem wöchentlichen moralifhen
Schriftfteller, der nach ihm sone,
erwarten koͤnne.
Diefe Abficht, ich aeftehe es, bat
dieſesmal eine frenwillige Demütbigung
zum Grunde, Cs würde mir vieleicht
rühmlicher fenn, wenn ich felbft ein
neues Kleid für die Sittenlehre ausfin:
dig machte, und den Pfad eines Steele
oder Addifon aus einem edlen Stolze,
der fich auf die Verehrung ihrer Talen:
te gründete, zu verlaffen wüßte: allein
ich bin nur Zacharias Jernſtrup. Ge
nug für mich, daß ich in der Wahlmei-
ner Mufter nicht unglücklich gervefen
hr
Zwar, wie kann ich mir eine Wahl
zur Ehre rechnen, die ich mit ſo u
elen-
——
* Er a
7
elenden deutſchen Skribenten gemein
habe, mit Leuten, denen in irgend ei—
nem Falle ähnlich zu feyn, eine wahr:
hafte Schande if. Wo ift wohl ein
hungriger, armſeliger Autor unter ung
gewefen, der fich nicht erfühnet Bätte,
auf den Fußtapfen eines Addiſon einher
zu gehen? Wir Deutfchen find nie arm
an abgefchmackten Schriftftellern gewe⸗
ſen: in keiner Gattung aber haben wir
ſo abſcheuliche, als in dieſer, die den
edelſten Abſichten, und der Ausbreitung
alles deſſen, was groß, gut und ſchoͤn
iſt, gewidmet ſeyn ſollte. Es iſt ſchwer,
hier die Geiſſel der Satire zuruͤck zu hal⸗
ten. Kein Menſch, der den geringſten
Funcken von Geſchmack und Ehrliebe
beſitzt, kann ſich ohne Erroͤthen, ohne
Zorn und Verdruß, des Haufens der
Dummkoͤpfe erinnern, die ſich Deutſche
nennen, und mit ihren ungeheuren Ban:
den von Aberwilz dem ganzen Vater:
ande Hohn forehen. Laßt es feyn,
dag wir drey oder vier deutſche Autoren
4 haben,
8
haben, deren Wochenfchriften unſern
Nachbaren durch Ueberfeßung befannz
ter zu werden verdienten: wer mird
nicht wünfchen,, daß die übrigen in ewi—
ger Vergeſſenheit tief in jenem Sumpfe
verborgen lägen, in den fich ihre Bruͤ—
der, die Dunfe von England, der
Görtinn Dummbeit zu Ehren, und al:
len braven $euten zum Iuftigen Schau—
fpiele, metteifernd hinunter tauchten.
Der Süngling! der Fremde! der Freund!
der nordifche Aufſeher! noch ein paar
andere! und dann eine Suͤndfluth von
wöchentlichen Unwitz! welch ein Con:
traft! Wer, ich frage noch einmal,
kann fich enthalten, hier die Geiffel der
Satire zu fehwingen?
Dielleicht werden einige meiner $efer,
deren Blut von etwas Fälterer Natur
ift, als dag meinige, meinen Zorn uͤ—
ber die ſchlechten Schriftfteller für aus;
fchweifend halten, und einige Spuren
meines hypochondriſchen Charafters dar:
inn zu finden glauben. Sie werden
fügen,
—
Bu 2 3
passe: ser) 9
ſagen, der Nutzen, den auch die ſchlech—
teſte Wochenſchrift hat, uͤberwiege alle—
mal ihren Schaden; und was die Ehre
unſerer Nation betraͤfe, ſo duͤrfe ein
Deutſcher itzt nicht mehr fo demuͤthig
ſeyn die mittelmaͤßigen und ſchlechten
Koͤpfe ſeines Volks dabey in Anſchlag
zu bringen; uͤberhaupt, was man fuͤr
unlesbar halte, koͤnne man ohne
viele Umſtaͤnde nur ungeleſen laſſen:
nichts fen leichter; man muͤſſe ein Hy⸗
pochondriſt oder ein Kunſtrichter von
Profeßion ſeyn, um die Sache fo ernft:
haft zu nehmen x. — Gut! meine
Herrn, defto befjer für Sie, wenn Sie
fo denken! |
Weil ich aber, die Wahrbeir zu fa:
gen, in diefem Punfte manchmal mir
felber nicht traue; fo will ich aufrichtig
mit meinen $efern reden, fie mit meiner
ganzen Denfungsart ohne KHeucheley
befannt machen, und ihnen alles, was
fie von meiner guten und böfen Seite
zu erwarten, haben, mit aller erſinnli⸗
45 chen
Io
chen Unpartheylichkeit voraus ſagen.
Da ich mir in der Folge den Zeitvers
treib machen werde, ihnen ihre Fehler
nicht zu verhehlen, fo ift es billig, daß
ic) ihren zur ſchuldigen Gegenvergel:
tung auch die meinigen anzeige,
Es mird ihnen für einen fo ernfrhaf:
ten Shhriftiteller, als ich bin, etwas
lächerlich fcheinen „ daß ich meine Hy:
pochondrie einer dreytaͤgigen Liebe bey:
meſſe, deren ich mich in meinen juͤngern
Jahren ſchuldig gemacht. In der That
iſt dieſe Liebe von einer ſo ſonderbaren
Art, daß ich es fuͤr meine Schuldigkeit
halte, ſie dem neugierigen Leſer nicht zu
verſchweigen. Am erſten May 1743,
da ich in mein fiebzehntes Jahr tret,-..
und die vorigen fechszchn Sabre unter
der Aufficht meiner Baſe auf einem al:
ten Landhauſe zugebracht hatte, kam ich
zugleich mit dem Weſtwinde und den
Manfäfern zwey Meilen davon zum er:
fienmale in die Stadt. Den zweyten
May nach meiner Ankunft mußte er
ey
u II
bey einem alten Verwandten zu Mit
tage bleiben, wo ich ein gewiffesjunges
Sranenji mmer le. ws etiva zwey
Fahre ifhger ſeyn mochte, als ich, und
meine runden — meinen runden
Haatbentel, und mein rundes Geficht
mit einem fo fanften Laͤcheln betrachtete,
daß ich nicht umhin Fonnte, ihr, als
dem erften Frauenzimmer, das mich
angelacht hatte, mein Herz zu ſchenken.
Ich erröthete aus liebenswuͤrdiger
Schamhaftigkeit, fo oft unfere Blicke
einander aus der Tiefe der Bratenſchuͤſ⸗
ſel begegneten, und machte ihr bey mei—
nem Weggehen eine tiefe Verbeugung,
die mit einem Kopfnicken beantwortet
wurde, Den dritten May ſahe ich fie
wieder, und meine Augen hatten das
Vergnuͤgen, ein ganzes Geſpraͤch von
Zärtlichkeit, das länger als eine Pier:
thelftunde dauerte, mit den ihrigen zr
halten, wovon ich folgendes 5 stagment
mittheilen will, Schönes Rrauenzim:
wer, ſchien ich zu fagen, ich liebe fie,
weit
12 =
weil fie lächeln koͤnnen: wollte der Him⸗
mel, daß ich die Mufik ihrer Stimme
hören dürfte! — Guter Zacharias,
VIER fie mir zu antworten, wir Maͤd⸗
chen find nicht dazu gebohren, daß wir
reden follen: ſeyn fie zuftieden, daß ich
lächeln Fann. — Nach einer Furzen
Pauſe, weil eben der Teller herum
ging, fehien ich folgendes zu verſetzen:
Sie haben blaue Augen, rothe Baden,
einen weiffen Hals, und feine Stimme;
meine Bafe, fo eine gute Frau fie auch
iſt, Scheint mir nicht halb fo liebenswuͤr—
dig, als fie; ich werde fie ewig lieben,
— Ich danke ihnen, war die Ant
wort. — Uber ich will fterben, wenn
ich mich des übrigen Theils diefer Un-
terredung erinnern Fann. Kurz, ic
war von ihrer Gefälligfeit duff ſerſt eins
genommen, und fonnte die folgende
Nacht, vor überfihwenglicher Zärtlich-
feit, Dankbarkeit und Hochachtung,
Fein Auge fchlieffen. So flanden die
Saden, als der Morgen anbrach, "
r
ie
ich zum Thee gerufen wurde. An der
Zuneigung meiner Schönen zmeifelte
ich Feinesweges. Ich war der Verfie
cherung, die mir ihre artigen Augen ge:
geben hatten, und zugleich meiner Ber:
dienfte fo gewiß, daß ich mir die Nacht
über vorgefegt hatte, ihr mein Herz
feyerlich mit ein paar Worten am vier:
ten May zu uͤberliefern: eine Sache,
die mir zur Gluͤckſeligkeit meines fans:
lebens fo unentbehrlich fchien, daß ich
eher meine Anfprüche auf alles in der
Welt, als auf diefes Frauenzimmer,
. hätte aufopfern koͤnnen. Ich Fanı alfo,
und fah — Himmel! was fah ich? —
daß fie eben mit einem andern Narren
aus meiner Nachbarfchaft getraut wurz
de, Geſchwind eilte ich meinem Guͤt—
chen, meiner Einfamfeit, zu, ummein
feben, mit dem Horaz in der Hand,
an einem Bache zu verweinen, und ent:
ſchloſſen, nach diefem erfchrecklichen Zu-
falle Zeit Lebens ein Hageftolz zu blei-
ben, Dieſen letztern Punkt babe ich
bisber
14 —
bisher redlich gehalten: ich ſtehe aber
nicht dafür, daß ich bis ans Ende flande
haft-bleiben werde, Denn alles zuſam⸗
men genpnäpen . bin ich doch wenig
über vierzig Sahr alt, und es gehört
ißt zur Mode, daß (ich Perfonen un⸗
gleichen Alters verheiratfen. Meiner
Einfamkeit blieb ich nur drey Jahre treu,
weil mie nach dem ‚Tode meiner Baſe
auf einmal einfiel, meinen Kummer +
dich Reiſen zu zerfireuen, wovon ich
ein ſehr wichtiges Journal gehalten ba:
be. Das ununterbrochene $efen, und
meine, wenige Bewegung hatten mir,
durch Hülfe meiner Dielanchofey, eine
Hypochondrie zu wege gebracht, die mir
unter allen Sandjunfern von meiner
Nachbarſchaft noch ist ein vorzügliches
Anfehen giebt. Ich würde vielleicht
nicht einmal auf den Einfall gekommen
feyn, ein Wochenblatt zu fchreiben,
wenn ich dieſer Krankheit entbehren
müßte, da fie mir zu einem fchönen T Ti⸗
tel fuͤr meine Blaͤtter verholfen hat.
| —
— 15
Sich Babe nun alies, was zu einem woͤ—
chenslichen Antor erfordert wird. Ich
bin eigenſinnig, muͤrriſch, ein bischen
eitel, eine Art von Philofopb, und
nicht ganz unbeleſen. Meine Meyhnun⸗
gen gehen, ſelbſt in meinen heitern
Stunden, von den Meynungen der
Welt ab, und ich bin durch aͤuſſerliche
Beziehungen fo wenig an die Kuecht:
fehaft der Borurtheile gebunden, daß ich
mich. felten ſcheue, eine Satire über
folhe Dinge zu ſchreiben, die vielen
andern gleihgältig, oder lobenswerth
vorfommen. Da eine jugendliche ab:
geſchmackte Leidenfchaft „auf meine fode .
- tern Tage Unmuth und Traurigkeit ver:
breitet hat; ifo war ih, um diefeibe
ein wenig zu zerfireuen, gewiſſermaaſ—
fen genöthiget, viel zu lefen: und mein
befonderer Charakter bat mich auf if:
fenfchaften von fo mancherlen entgegen
gefeßten Gattungen geleitet, daß mein
Pfarrer mich eben fo oft um eine Stelle
aus dem heiligen An mus befragt,
als
16 zeag2
als mein Bauer um einen Nechtsfpruch
über eine Hufe Landes. Niemand iſt
fi foungleich, alsich, niemand zerſtreu⸗
ter, alsich. Zuweilen rede ich inacht
Tagen Fein Wort, laufe quer übers
Feld, und erfchieffe meine Hunde die
ich für Rebhuͤhner anſehe; zuweilen
will ich mich durch ein ſanftes Lied aus
dem Hagedorn, oder Gleim, erheitern;
ich eile zu meinen Büchern, und erfin:
de Hypotheſen mit dem Descartes. Bor
einiger Zeit beluftigte ich mich vier Wo⸗
chen hinter einander mit meinen Freun:
den, befüchte die Damen in meiner
Nachbarſchaft, und war ganz der blü-
hende artige Hypochondriſt. Kurz dar:
auf meinte ich vier Wochen hinter eins
ander Elegien über den Tod eines ruf
ſiſchen Eichhörnchens, welches fchöne
Augen, ‚eine weiffe Farbe, und Feine
Stimme hatte, und mich an den Ber
luft meiner theuren Geliebten erinnerte,
der der Himmel viele glückliche Sabre
in ihrem Cheftande verleiben wolle,
obzwar
17
obzwar fie mich nach dren füffen Tagen
zum Hypochondriſten und ißt auch zum
Autor gemacht. Der Anblick einer
Lachtaube verjuͤngt mich, und die ge:
mahlte Roſe auf einer Tapete feheint mir
felbft im Winter Ambrofia zu duften,
weil fie eine Mehnlichfeit mit den Wan:
gen meiner Öeliebten hatte. Wie himm⸗
liſch muß die wahre Liebe ſeyn, wenn fie
fo ftarfe Wirkungen auf das Erz eines
alten vierzigjäbrigen Hageſtolzen haben
fann, der aus bloffer Einfalt und Uns
ſchuld feiner&eele liebte, und die Reizun:
. gen einer edlen Öegenliebe niemals em:
pfunden hat! — Nichts ergößt mich
fo fehr, als der Umgang mit jenen un:
fterblichen Alten, die mein Herz fühl:
bar und edel bilden, daß ich mich den
Fehlern meines Charakters nie zum
Machtheile meiner Nebengefchöpfe über:
laffe, und die meinem Gefchmacfe eine
gewiſſe Zärtlichfeit geben, welche alle
Dergnügungen unendlich übertrifft, die
ich mit je in dem Taumel der Welt haͤt⸗
Der Aypoch. 1. T. B te
18 —
te verfprecgen Fönnen, wenn ich auch in
meinen $eben nicht hypochondriſch ge-
worden wäre, Nichts ift im Stan:
de, fagt Hume, das Temperament
"po ſehr zu verbeffern, als das Stu:
* Sum der Schönheit. Diefe giebt
* unſern Empfindungen eine KR Bi
“die den übrigen Mienfchen unbefannt
* a ‚Sie zieht das Gemuͤth ausdem
¶ Geraͤuſche und den Tumulte der Ge⸗
2 und des Cigennußes; fie
* nn; das Machdenfen, und bringt
” eine angenehme Schwermuth heivor,
“ die unterallen Gemuͤthsbeſchaffenhei⸗
* ten am meiften zur Sreundfchaft und
Liebe fähig ift, „, |
dachricht.
ss Here David Wilhelm Maͤvius,
aus Angeln gebürtig, voreiniger
Zeit in Erfahrung gebracht hatte, daß
ich Willens waͤre, eine neue Wochen⸗
ſchrift drucken zu laſſen; ſo ging er zu
mir heraus, um mir zu dieſem ar
or⸗
— 19
Borhaben feine ehrerbietigfien Wuͤnſche
abzuftatten, und mid) zugleich um meis
ne Beybülfe, in Anfehung einiger über;
completen bey ihm fertig liegenden Deu:
jahrswünfche,zu bitten, Er hatte naͤm⸗
lich feit verfchiedenen: Fahren das Mo:
nopolium mit Verſen in unferer Stadt
gehabt, und jedermann hatte fich ohne
Murren gefallen laſſen, den einmal an:
genommenen Preis zu bezahlen. Diefe
güldenen Zeiten find vorbey. Ein ge:
wiffer Maun ohne Damen und Ver:
dienfte, ‚den ich noch) dieſesmal nicht
nennen will, Tieß fich einfallen, die
Stadt durch Profa ſowohl, als durch
Reime, auf feine Seite zu ziehen, und
den Herrn David Wilhelm Mävius
auf eine unerhörte Art in feinen Ein
fünften zu fehmälern, welches den Kre⸗
dit diefes Dichters nicht wenig in Abs
nahme gebracht. Es Halfnichts , daß
David Wilhelm Mävius feine Verſe
befjer machte, als der Ungenannte. Die
Stadt, die immer aufs Treue ſiehet,
B 2 ſchien
20
fehien auf einmal mehr Geſchmack an
der Profe, als an ſchoͤnen Gedichten,
zu finden; und der Anonymus machte
Profe, wie ich fchon gefagt habe, und Da⸗
vid Wilhelm Mävius machte Feine,
Seine Bitte ging alfo dahin , ich möch
te mein Anſehen anwenden, diefen nen:
en Unfug öffentlich zu ruͤgen, und zur
gleich den Reſt feiner Neujahrsgedichte
anzufündigen. Neil ich aber von Ju⸗
gend auf gewohnt bin, Dinge von
Wichtigkeit reiflich in Erwegung zu zie
hen, ehe ich meinen Entfchluß faſſe;
fo hieß ich ihn erft den folgenden Tag
wieder Eommen, da er alsdann meine
Mennung erfahren follte. Ich batte
mich des Abends eben zu Tifche gefeßt,
als diefe Schriftfteller beyde erfchienen,
und mir erzchlten, fie hätten fich ver:
glihen, meinen Ausfpruch über ihre
Gedichte anzunehmen, und fi, wenn
ich es für qut befände, indie Profe und
Poeſie brüderlich zu theilen, damit die:
fer Eleine Zwiſt nicht einmalin —
fe
— 21
Göchfigefäßtliche Händel ausbrechen
möchte. Mir. ſchien es daher am rath⸗
ſamſten zu ſeyn, eine Pruͤfung mit bey⸗
derſeits Neujahrsgedichten anzuſtellen.
Und weil ich mich zum Gluͤcke eben be:
Tann, daß Herr, Profefjor Gottſched
- feine Oden duldet, die he gefungen
werden koͤnnen, jo ftellte ich beyde Dich?
ter an die Ecken des Tifches gegen eins
ander über, und ließ erftlich einen jeden
feine )de vor ſich, nachher aber bende
wechfelsweife Strophe gegen Strophe
bey der Mahlzeit abfingen. Hier zeig:
‚te fihs num aar deutlich, daß die Berfe
des Ungenannten fhlechterdings Feine
Ode genannt werden Fonnten: denn
auff er der Unreinigkeit feiner Reime,
und des Mangels an Zierlichfeit in den
Redefiguren, fanden fich in den home:
genen Zeilen groffe Fehler wider die
Laͤnge und Kürze des Sylbenmaaſſes,
welche verurfachten, daß die Melodie
bald in der Mitte des Verfes abfchnap:
pte, bald über den ganzen Vers hinaus
D3 ging,
ging, und durchs Brummen im Gange
gehalten werden mußte, folglich unmoͤg⸗
lih etwas Schönes heraus kommen
konnte. David Wilkelm Mävius hin⸗
gegen war fehr glücklich geweſen, und
man Eonnte fowohl aus dem Majeſtaͤ⸗
tifchen und Flieſſenden, welches feinen
Verſen eigen ift, als der Nichtigkeit
feiner Füffe und Reime hinlaͤngli— ab⸗
nehmen, daß er allein zum Dichter ge⸗
bohren ſey. Hingegen muß ich auch
aus Liebe zur Gerechtigkeit geſtehen,
dag er-in der Proſe weit unter dem Un:
genannten befunden wurde, ch ent:
fhied alfo die Sache dahin: dap Mir
vius Fünftig ganz allein in der Stadt.
das Gebiet über die Poefie, der Unge:
nannte hingegen die Profe zu feiner
Handthierung behalten follte, und ver:
forach dem erfiern, zur Erſetzung fei-
nes Schadens, daß ich den Termin der
Neujahrswuͤnſche bis Anfangs Februar
verlängern wollte, worauf beyde ver:
gnuͤgt ihren Abſchied nahmen. Um *
au
u 28
auch die Stadt wegen Biefer Verlän:
gerung des Termins fchadlos zu halten,
willige ich darein, daß das Stück fünf:
tig nur acht Schillinge fofien foll. Herr
Maͤvius mußte mir, che er wegging,
auf feine Ehre. verfprechen, daß er nie:
mals mehr’ fodern wollte. Und weil
ich weiß, daß die Ehre diefes Dichters
zuweilen ein wenig problematifch ift;
fo bitte.ich mir. von denen, die fich in
dieſem Punkte kuͤnftig über ihn follten
zu beklagen haben, eine kleine Nach—
richt aus, damit ich ihn exemplariſch
dafuͤr beſtrafen koͤnne.
Zacharias Jernſtrup.
24
A u eV Zr
Zweytes Stüd.
opiferque per orbem
Dicor
“ . OVID.
> 6 ich vor etwa dreyßig Jahren,
da mir der Zufall mit meiner Ge:
liebten aufgefchwollne Augen, eine
afchgraue Gefichtsfarbe, einen kurzen
Athem, und eine rohe Bruft zuzog,
über die Wirfungen nachdachte, wel:
che die Eindrücke der. Seele in dem
Körper hervorbringen: ſo wurden zu:
förderft die Nerven der Gegenftand
meiner Betrachtungen. Ich fand, daß
die Merven Fortfeßungen der marfig-
ten Subſtanz des Gehirns find, und
trug daher Fein Bedenfen, weiter zu
fihlieffen, daß fie durch die Gefäffe er:
naͤhrt
——— — 25
naͤhrt würden, die ſich in der Fortfes
tzung der feinern Hirnhaut (pia mater,)
welche die Nerven umgiebt, ausbrei—
ten, fo wie das Gehirn von den Puls:
adern der feinern Hirnhaut feine Nah:
rung empfängt. Nas mich in meinen
Dermuthungen beftätigte, waren die
Phonomene, die fich ben einer Der
wundung, Entzuͤndung, Vereiterung,
oder andern Verletzung des Gehirns
aͤuſſern, welche ſaͤmtlich ein Leiden in
den uͤbrigen Theilen des Koͤrpers, Zit—
tern, Erbrechen, Zuckungen, Laͤhmun—
gen und dergl. nach ſich ziehen. Es
herſcht demnach in den verſchiednen
Theilen des menſchlichen Koͤrpers eine
Sympathie oder allgemeine Ueberein—
ſtimmung vermittelſt der Nerven, die
ihren Urſprung in der markigten Sub—
ſtanz des Gehirns hat. |
Ich ſtieg immer hoͤher zur Quelle
auf. Die Veränderungen, die nach
der Drdnung der finnlichen Eindrücke
in unfter Seele geſchehen, bleiben nicht
— in
26 mu
in derſelben, ſondern pflanzen fig!
abermals vermittelft der Ner—
ven, durch den Körper fort, Traurigkeit,
Kummer, oder Furcht vermindern die
Abfonderung des Speichels, verderben
den Appetit, und verurfachen manch»
mal den Duchfall.
Bon den Unterfuchungen der Som:
pathie in den Theilen eines Körpers
fhritt ich fort zur Betrachtung der
Sympathie eines Körpers mit dem an:
dern. Hippokrates bat bemerft, daß
der unerwartete Anblick einer Schlange
das Geſicht erblaſſen macht. Der An⸗
blick einer angenehmen Speiſe erregt
bey einer hungrigen Perſon einen unz
gervöhnlichen Zufluß der Säfte, Gaͤh—
nen, Brechen, Augenkrankheiten find
oft anftecfend,.
Hier blieb ich ſtehen, einige Folge
rungen zu machen, dte fich mir von ſelbſt
darbothen. Diele Trauerſpiele, urs
theilte ich, erregen Traurigkeit, Schre⸗
den, und Furcht zugleich: fie Fönnen
alfo
— m 27
a DE. .„.
alfo sie Abfonserung des Speichels ver⸗
—— ſie ie koͤnnen den Appetit ver
derbei Finnen den Durchfall ver⸗
— O wie bewundernswuͤrdig
iſt die Natur dem Beobachter, dem es
gelingt, fie in ihrer Werkſtatt zu be:
lauſchen! Geiſter wirken vermittelft
ſinnlicher ‚Eindrücke in Andre Geiſier;
dieſe andern Geiſter wirken vermittelſt
der Nerven in den Koͤrper, es entſte⸗
hen Unordnungen in der Maſchine, die
ihren Grund in den Wirkungen der
Geiſter auſſer uns haben ; Buͤcher find
Wirkungen der Beifter auffer ns:
und Bücher bringen Beränderungen in
unfern ‚Körper vermittelſt der Nerven
hervor, :
Pur ein Schritt "war mir zu der
oroffen Entdeckung noch übrig: und ich
that ihn, Boerhav erzählt von einer
convulfisifhen Nervenkrankheit, von
der die jungen Knaben und Mädchen in
dent Armenhauſe zu Harlem durch das
bloffe Anſehen eines damit behafteten
Pa:
28 — na
Patienten befallen wurden. ‚Er ließ
in das Zimmer, wo die Kinder gegen
waͤrtig waren, einige Kohlpfanuen mit
gluͤhenden Kohlen ſetzen, in welche ei:
ferne, befonders geformte, Hacken ge⸗
legt wurden. Darauf befahl er, man
folle, weil alles vergeblich wäre, und
er fein ander Mittel wiſſe, dem erften
Knaben oder Mädchen, welches diefen
Zufall befäme, den Arm entblöffen,
und in denfelben mit einem diefer glü:
henden Hacken ein Loch bis aufdie Kno—
chen brennen. Was geſchah? Die Kin;
der, die fi vor den graufamen Mit:
tel entfeßen, richteten ihre ganze Auf:
merkſamkeit auf die Kohlfeuer und auf
die glühenden Hacken, und indem diefe
Vorftellung bey ihnen die Borftellung
der convulfivifchen Mervenfranfheit
verdunfelte, wurden fie alle friich und
gefund. Man wird aus der Folge
feben, welchen Gebrauch ich in der Eur
meiner $ectüre: Krankheiten von diefer
merkwürdigen Erfahtung gemacht habe.
Ich
29
Ich war nun mit meinem Syſtem
fertig. Die Seele, die Seele iftes,
welche durch Mittel geheilt werden muß,
die Fein Difpenfatorium emhält.
Man Fan fich leicht vorftellen, daß
ich nach einer ſolchen Entdeckung nicht
anſtand, mich in den Schriften der
Aerzte zu erkundigen, ob etwa vor mir
jemand auf ihre Spur gerathen ſeyn
moͤchte. Aber vergebens. Hippokrates
kannte die allgemeine Sympathie des
Körpers nur wenig. Galenus handelt
zwar von den Krankheiten, die durch
die Uebereinftimmung entftehen, an eis
nem befondern Orte: er ift aber fo ent:
fernt, dieſe Zufälle von den Nerven
herzuleiten, daß er alle Kopffchmerzen
ohne Unterfchied den Dünften des Ma:
gens zufchreibt. Die folgenden Schrift:
ſteller, fogar noch Vernelius und Sen;
nert, fcheinen nicht vielmehr zu thun,
als daß fie das, was Galenus hieruͤber
gefagt, ſchlechthin abſchreiben. An⸗
dreas Laurentius, der um das Jahr
ag 1600
30 —
1600 fihrieb,, ſucht die Urfachen bald
in den Interooſtal-Nerven, bald inden
Nieren, bald anderswo, nur da wicht,
wo er fie zuerfi haͤtte fuchen follen, in
den Hirnne Em Safpar Bauſinus
leitet die Uebereinftimmung dev Dlafen:
Löcher mit den untern Theilen des Bauchs
von der Verbindung der Vena epiga-
ftrica,. und mammaria. ber, Riolan,
der. in der Mitte des fiebzehnten abe:
hunderts lebte, hat bey.aller feiner Ger
iehrſamkeit die Lehre von det Sympa⸗
thie doch nicht ‚verbefi ert, Riverius,
fein. Zeitgenoffe, ſchreibt die ſympathe⸗
tifchen Zufäße fünf Urfachen zu: unter
fünfen, ‚follte man denfen, wird doch
wohl eine. die wahre fen, umfonfi,
Riverius entdecfte fie nicht. Sie war
einem gemwifjen Dorf herren vorbehal:
ten, den ich nicht zu nennen ‚brauche,
Sch babe nicht ohne Lächeln gefehen,
wie nahe. viele gelehrte Maͤnner der
Wahrheit geweſen ſind, ohne auch nur
einen Verdacht davon gehabt zu bang
a
31
Da ich die Gefchichte meiner Entöe:
fung beruͤhre, kann ich nicht umbin,
mic) über Herin Robert Whytt Dr,
öffentlich zu beklagen, der mein Ver—
trauen auf eine unerhörte Weiſe gemiss
braucht bat, Ich war ſo offenherzig,
als ich ihn auf meinen Reiſen in Eden:
burg/ kennen lernte, wo ich ihn bey
einem meiner Zufaͤlle zu Rathe ziehen
mußte, mich verſchiednes gegen ibn von
meinen Beobachtungen und Urfachen
Jane zu laffen, und ihm ſogar niet
apiere, welche die umftändlicheren
—— enthielten, zur freund—
lichen Durchſicht mitzutheilen, ſo doch
il nie —— wuͤrde, wenn
orausgeſehen haͤtte, daß Herrn
SA Whptt Dr. die Luft anfom;
men koͤnnte, Jh mit meinen Federn zu
ſchmuͤcken. In welche Beſtuͤrtzung ich
aber gerathen ſey, der ich einige Jahre
nachher die wichtigſten meiner Geheim⸗
niſſe von ihm in mehr als einem Buche
verrathen, und meiner ſo ‚wenig daben
Hrn ge:
32 ——
gedacht fand, als ob ich nicht in der Welt
waͤre, mag der geneigte Leſer ſelbſt be:
urtheilen. Ich behalte mir vor, hier—
uͤber kuͤnftig ein Wort mehr mit dem
guten Schottlaͤnder zu reden, und fuͤh—
re es hier in keiner andern Abſicht an,
als meine Ehre vorlaͤufig zu retten, und
die Leſer bey einer etwanigen Unterſu⸗
chung in Stand zu ſetzen, uͤber unſer
beider Verdienſte ein unpartheyiſches
Urtheil zu faͤllen, und einmal von dem
verhaßten Vorurtheile zuruͤck zu kom—
men, daß die nuͤtzlichſten Erfindungen
bey den Auslaͤndern zu Hauſe gehoͤren,
da ſie doch auch wohl zuweilen in einem
Dorfe des Herzogthums Schleswig ih:
von Urfprung gehabt haben mögen. Sch
Fönnte bier Anlaß nehmen‘, eine nicht
gemeine Vergleichung, die ich zwiſchen
den Wanderungen der menfchlichen Er:
findung von Norden nah Süden, und
den Wanderungen der Cimbrer und An:
gelfachfen nacy Calcedonien und Sri:
tammien angeftellt babe, einzurücken:
allein
33
allein ich. eile zur Sache, und. wähle
meine neuefien Erfahrungen aus.
Ben der Beſchaffenheit der Nerven
koͤmmt zuerſt die zu groſſe Empfindlich—
keit des Nervenſyſtems, und hiernaͤchſt
eine ungewoͤhnliche Schwaͤche deſſelben,
ein verderbtes oder wiedernatuͤrliches
Gefuͤhl, in Betrachtung. Hiebeh iſt
wohl zu beobachten, daß/ fo wie die
Nerven in vielen Körpern ganz verfchied:
ne Arten des Gefühls haben, fo aud)
das Gefühl von dennämlichen Nerven .
in unterſchiednen Körpern oder in einem
Körper zu manchem Zeiten fehr verfchie:
den fey, da es bald mehr bald weniger
feharf oder ſtumpf, und bisweilen wie:
dernatürlich und verderbt ift. Diefes
ift. die Lirfache, warum die Wirkungen
der nämlichen Dinge auf die nämlichen
Nerven und Theile fo gar fehr verfchie:
den ſind. Ich habe. Maunsperfonen
gekannt, deren Merven fo zärtlich und
leicht zu bewegen waren, daß eine bu:
Folifche ZTirade von Herrn — in ihnen
Desypodh.ı.Tt. C Ans
34 —
Anfälle von convulfisifchen Zuefungen
heworbrachte. Ein Srauenzimmer,
fagt man befam, da fie die beliebten
Gedichte der Venus Eryeina
gefungen zum erfienmal las, fonleich
heftige Obnmachten, in denen man fie
kaum von einer wirklichen Todten un—
terfcheiden Fonute, Ein unverheiratbe:
tes Frauenzimmer, drey und-zwanzig
Jahre alt, empfand den Augenblick,
nachdem ihr Liebhaber fie auf eine an:
genehme Art mit einer Anafreontifchen
Dde, worinn fie von einer Biene am
Halſe geftochen ward, überrafcht hatte,
einen groffen Schmerz und beftiges Ju:
cken an dem verleßten Orte, am Kopf
und im Gefichte, welche Theile zugleich
mit dem Arme und der Hand, womit
fie die Ode bielte, ſteif wurden und
aufichwollen.
Der unterfchiednen Empfindlichkeit
der Nerven muß man auch größtentbeils
den Lnterfchied in der Gefchwindigfeit
des Pulſes bey gefunden Perfonen zu:
| fchrei;
— 35
Schreiben. Ein unlängft verſtorbner hie:
figer Arzt erzählte mir, daß cine feiner
Kranken, bey völliger Geſundheit, da
fie einige Seiten wißiger Einfälle in
der befannten Sammlung diefes Na—
mens gelefen hatte, nicht mehr als 38
oder 40 Pulsfchläge in einer Minute
gehabt. Und ich Eenne ein junges Frau:
enzimmer, bey der man in einem Fie
ber, welches ihr der Lucifer meines wer:
then Freundes in order: Dietmarfen,
mweiland Hrn D. Hudemanns, zuzog,
in einer Minute auf 180 Pulsfchläge
zählte, und fie war damals fo fehr mit
den heftigften Zufammienfahren und Zit—⸗
tern befallen, als ich es je in meinem
eben gefehben. Sa ihr Herz war der-
maſſen reizbau, daß, nachdem die Hef:
tigfeit des Fiebers fich Schon ziemlich
vermindert hatte, ihr Puls Hey der
blofjen Erwähnung diefes vortreflichen
Heldengedichts fo geſchwind wurde, daß
ich die Schläge ſchwerlich zählen Fonnte,
Doch fand ich nach wiederholten Ver:
& 2 fuchen,
36 ——
ſuchen, daß deren etwa 220 in einer
Minute ſeyn mochten. Wan lernt zus
gleich aus dieſer ſchoͤnen Erfahrung was
ein feuriger Geiſt noch in unſern Zeiten
fuͤr Eindruck auf das Herz ſeiner Leſer
und Leſerinnen machen koͤnne, und wel—
chergeftalt das Genie (erwaͤhntes Frau:
enzimmer gilt im der ganzen Nachbar;
fchaft für ein recht groſſes) nur durch
Genie engündet werde.
Folgende Symptomen find mir bey
der zu groſſen Empfindlichkeit der Mer:
ven am häufigften vorgekommen.
Herumziehende Schmerzen, Fram:
pfigtes Zufammenzichen, und. plößlis
che Empfindungen von Hiße und Kälte
in den Muffeln und äuffern Theilen des
Körperse — Julius Cafar, ein pos
litifches Schaufpiel.
Mangel des Aperits, oder zu groſſer
Hunger mit Schwachheit verbunden,
Auffchwellen, Brummen der Gedaͤrme
und Miedergefchlagenbeit: — Tarquiz
nius, ein politifches Schaufpiel.
Schlaf:
37
Schlafloſigkeit, SKeämpfe, Zucun:
gen, heftige Schmerzen im Magen und
den Gedaͤrmen, der hyſteriſche Knoten
im: Halſe: — Pelopidas, ein politi—
—* Schauſpiel. Schon wieder ein
politifches Schaufpiel! » Man follte
faſt auf die Gedanken geratben, daß
bey diefen Schaufpielen die Politick auf
der einen Geite verlichre, was fie auf
der andern gewinnt: befonders, da die
angeführten. Zufälle alle von der Art
find, daß ſie die gefährlichften Folgen
haben Fünnen. Doch will ich meine
unvorgreiflihe Meynung Niemanden
aufdringen, am wenigſten aber den
würdigen. Herrn Verfaſſer dadurch ges
faͤhrdet wiſſen, «als deffen Ehre allzufeft
gegründet ift, als das ihr, "wegen ei;
niger nicht vorbergefehner Folgen ferner
Trauerſpiele, Abbruch geſchehen koͤnnte.
Ein krampfigter Steckfluß in der kun:
ge, als Herr Ohluf Jernſtrup die mo:
ralifchen Mlerandriner und Oden deg
Herren von Br : - ch ablas,
> eg Herz
Herzklopfen und andre unorbdentliche
Bewegungen nebſt den hyſteriſchen Mar
gel. Dieſes ſonderbare Symptoma
aͤuſſerte ſich bey einem etwas bejahrten
Fraͤulein, als ſie unvorſichtiger Weiſe
die Trauer- und Leich-Rede auf
Franciſcum den Erften von dem
fehr ehrwuͤrdigen Vater, Heren Petro
Obladen in Schwaben, zur Hand nahm.
Verwirrung des Verſtandes und Ras
ferey fand fich ben einem wohl verdien:
ten Cantor und Küfter in der Sandfchaft
Angeln eim, als er den auferftand-
nen Meßias, ein ſonſt ganz unver⸗
werfliches Heldengedicht meines ober:
waͤhnten Freundes, kritiſch ſtudiren
wollte; ſo auch Entzuͤndung einer Man⸗
del am Halſe, eine beſchwerliche Dy⸗—
ſurie, heftiges Jucken zwiſchen den
Zeen, ein ſtarker "Schmerz um den uns
tevn Theil des Brufibeins u. ſa w. Mie
hat ein Heldengedicht fo viele auffer:
ordentliche Zufälle auf einmal hervor:
gebracht,
Es
39
Es giebt einen Nervenhuſten, von
dem.ich bier etwas umftändlicher reden
muß, weil er mir zu einigen befondern
Beobachtungen und Erfahrungen An:
laß gegeben hat.
Ein Mädchen von vierzehn Jahren
überfiel im Sjenner 1769. nachdem fie
fih. an einer Privat - Vorftellung der
Iphigenia erfälter hatte, eines Traus
erfpiels, worinn mein Freund Hude:
mann Bat verfuchen wollen, wie man
das Herz der Zufchauer durch einem
weislich angelegten Troft weit fichrer
‚in allerley Arten des tragifchen Schau:
ers verfeßen Fönne, als durch das ent,
gegengefeßte Mittel, (nur fehade, daß
er die Sache zu weit trieb ), überfiel,
fage ih, ein trocfner Huften, der drey
Monathe anbielte. Ich babe zu ver:
ſchiednen Zeiten im Februar und März
folgende Verſuche häufig miederhofe,
um die Natur diefes ungewöhnlichen
Huftens etwas beffer zu entdecken,
C4 Wenn
40 —
Wenn fie rüclings quer über dem
Bett fo lag, daß ihre Beine über Iphi⸗
geniam herunterhingen; fo war ſie gaͤnz⸗
lich. vom Huften frey. Er befiehl fie
aber augenblicklich, wenn fiesaufgerich:
tet ſaß und Iphigeniam zu Öefichte, be:
Lat,
Saß fie aufgerichtet, im Bette oder
auf den Fußboden, fo daß die Schen:
fel in einer horizontalen Lage über Iphi⸗
geniam ausgeftrecket waren, ſo huſtete
fie nicht.
Wenn ſie im Bett ſaß, und die bei⸗
den Fuͤſſe, fo nah als fie Eonnte zu den
Schenkeln hihanzog, dergeftelt, daß
ihr, von unten auf etwas von obiger
nia.in die Augen fiel; fo wurde fie mit
dem Huften und Schmerz in der Bruſt
befallen.
Knieete fie eutweder auf die Erde, oder
auf das Bett nieder, daß der Sehe—
ſtrahl gerade auf Iphigeniam traff fo be:
Fam fie gleich den Huſten und den Schmerz
in der Bruſt.
Lag
— 41
ag ſie dergeſtalt auf dem Rücken,
dag der Kopf und die Schultern ein we;
nig niedriger als der Leib waren, und
man brachte Iphigeniam mit ihr in eine
Parallel⸗Line gegen das Geſicht zu;
ſo huſtete ſie ohn Auf hoͤren eben ſo ſtark,
als ſie in einer —— ten eier
gehuſtet hatte. — Nast |
" Henn fie im Sitzen ee ihre
Fuͤſſ e wogerecht auf Johig⸗niam ſtellte,
ſo war ſie weder engbruͤſtig, noch em:
ſie eine Neigung zum Huſten,
den Schmerz ig der Bruft, Sie
aber augenblicklich an anauf Hör:
i zu ‚buften, ſo bald fie abſetzte. Ihr
uls ſchlug 130 mali in einer Minute,
wenn fie ihre Füffe ſitzend auf Jphige⸗
niam ſtellte, und 120 bis 125 mal,
wenn. ſie darauf ſtand. _ Co bald fie
den Bug zurüch;og,. und auf den Fuß:
boden, trat, ſo kam ‚gleich der Huften
wieder, und die Pulsſchlaͤge vermehr⸗
ten ſich bis auf 200 in einer Minute.
ni € 5 Wenn
42 —
Wenn man, indem man Iphigeni—⸗
am bald. nach hinten bald nach vorn ums
Eehrte, und die wenige Hiße des einen
Erdes durch die noch wenigere Hißedes
andern vollends abfühlte, fo Fam der
Huften heftiger als jemals wieder; und
ob fie gleich bald hernach ihre Fuͤſſe be—
fagter maflen ruhen lieg, und fi von
ihrer Entfräftung etwas erbolte, fo
blieb doch der rum ſchwach und unre⸗
gelmaͤßig.
Wenn man einen Fuß der Krauken
von Iphigenia abſchob, ſo konnte man
den Huſten nicht verhindern, ungeach:
tet. man den andern Fuß fo ftellte, daß
leßtere theils vom Fuß theils von der
Schürze binlänglich bedeckt war.
Wenn ein Fuß von Iphigenia zu:
rückgezogen wurde, und man die
Bloͤſſe mit einer Hand der Patientin
zu decken fuchte, fo ward nad) wie vor
gebuftet. So bald aber beide Füffe aufs
geftelit wurden, war gleich alles in det
bejten Ordnung,
Wenn
43
Wenn man der Kranken, zu der Zeit
da fie im Bette lag, Iphigeniam unter
die Decke ſchob, fo Fam nicht allein der
Huften fondern die Geſchwindigkeit des
Pulſes vermehrte fih von go Schlägen
bis über 180 in einer Minute,
Alle diefe Verſuche wurden vom drit:
ten Sebruar bis achten März oft wie;
derholt: ich fand aber einige Zeit her:
nach in Anfehung einiger der oben ans
geführten Zufälle folgenden Unterſchied.
Den erften und vierten April wurde
fie, wenn fie quer über dem ‘Bette mit
dem Kopf auf einem Küffen lag, und
die Beine halb über Iphigeniam hers
abhängen ließ, plößlich vom Huften
befallen. She Puls wurde fo geſchwind,
daß ich die Schläge nicht zählen Fonnte:
gewiß aber Fonnten ihrer nicht weniger,
als 13 oder 20 in 5 Secunden, ſeyn.
Wenn man bingegen ihre Fuͤſſ e in die
Hoͤhe hob, und mit einem maͤßigen
re auf Iphigeniam Binftellte,
ſo
44
fo hörte: der Huſien n gleich auf, und ich
zählte eine Minute nachher nur ro Puls:
ſchlaͤge ins Secunden.
Da man den vierten April, zu *
Zeit als Patientin im Bette lag, Iphi⸗
Br unvermerft neben ihr: niederleg⸗
‚fo fand ſich der Huſten ein. Ihr
— wurde ſchwach und ſchlug wenig:
ſtens 20 mal in 5 5 Gecunden. Sie hat:
te auch feit, iz: n von den vielen Ber:
füchen meht Befchwetung und Schmer;
in der Bruſt; und die Empfindung des
Erſtickens war am größten, wenn. der
Verſuch unvermuthet angeſtellt wurde;
Es geſchahen alsdann 96 Pulsſchlaͤge
in einer Minute, da man ſonſt zu der
Zeit, wenn fie Iphigeniam nicht ge—
ſehen hätte, nur go zählte, Ihre Haut
aber war nach einer. jeden Betaſtung
derſelben Eaft und trocken anzufuͤhlen,
fie hatte ſtarken Duft, und ihr Appe—⸗
tit war ſchlecht. Es iſt anzumerken,
daß der Huſten feit dem Anfange der
Krankheit beftändig trocken warı
| Don
45
WVon dem zwanzigſten Jenner an bis
zum fünf und zwanzigſten Maͤrz wur:
den eine Menge Mittel ohne Wirfung
verordnet gr Er Brechmittel/ blaſen
ziehende Mittel, ein Fontanell zwiſchen
den Schultern, die Fieberrinde, das
Zinnpulver, Rhabarber mit Calomel,
Pillen von Mohnſaft und der Alfa
foetida,' ein Bolus von Theriack mit
dem Kampfer und dem Baldrian. Als
die Aerzte endlich erkannten, daß ihre
Kunft eitel,wäre, fo legteich ſelbſt Hand
ans Werk, wie folgt. Den neun und
zwanzigften Maͤrz ftellte ich zuerſt eine
Vorlefung des feurigen Lucifers an,
fonnte aber innerhalb drey Wochen
faum einige 100 Berfe zu Ende brin-
gen, weil der jählinge Uebergang von
roſt auf Hiße ftarfe Convulfionen mit
Schrecken hervorbrachte. Jeder Vers
des Lucifer war einer von den glühen:
den und fürchterlichen Hacken in der
Kohlpfanne zu Harlem, deren bloffer
Anblick fchon Zuckungen erregte. Ge⸗
rg gen
46 —
gen Ende des April fing ſich der Schmerz
in der Bruſt und die Empfindung des
Erſtickens zu vermindern an: die Kranz
fe, die vor Schrecken erfiarrte, wenn
fie den $ueifer nur nemen hörte, fing
an bey der Annäherung der harmlofen
Iphigenia weniger zu leiden, konnte
fie fogar feitwärts mit einem halben
Blicke anfehen, und in einiger Entfer-
nung zu ihren Füffen dulden, Den
zwey und zwanzigften May, da zur
echten Spbigenia, zur Lincken Lucifer
in aller Seübe vor ihrem Bette aufwar:
tete, fand fich ein gelinder Schweiß mit
wenigen Huften ein; und ein paar Ta:
ge darauf blieb der Huſten gar aus.
Doch fpürte man feit diefer Zeit einige
Merkmaale an ihr, wie an wafferfcheu:
en Derfonen, fo oft fie fich einem Buche.
näherte, das die Aufſchrift Tranerfpiel
oder Heldengedichte führe: der Huſten
aber bat fich gänzlich verlobren.
Da ich es von jeher für eine fehr un:
edle Denfungsart gehalten babe, etwas
utes,
47
Gutes, das man thun Fann ud thun
fol, nur halb zu thun; fo werde ip
fortfahren, meine Heilungsart mer
wuͤrdiger Mervenfranfheiten und bypo⸗
chondriſcher Zufälle, in fo fern fie aus
einem fehlerhaften Regime im Leſen ent:
fichen, offenberzig zu. befehreiben und
gemeinnüßig zu machen.
1. Ein junger hoffnungsvoller Kunſt⸗
richter, dem, mie ich nachher erfuhr,
die traurige Befchreibung von den ver⸗
b en Korintbierinnen in der Medea
des Euripides allzu gräßlich und uns
verdaulich gewefen war, befam zu An⸗
fange des Septembers 1766 in dem
Mafjeter und den Schlafmuffein eine
abwechfelnde Bewegung, von der man
feine Urfache angeben Fonnte, als daß
fie durch Leſen eines Buchs, deffen Ti:
tel man vergeſſen hatte, entſtanden war.
Wenn der Kranke die Zähne in der un:
tern Kinnlade flarf gegen die in Ber
obern, durch eine fregwillige Zuſam⸗
menziehbung des Iemporal- Mufkels
| und
48 ee
und Mafferers preßte; fo war die con:
vnlſiviſche Bewegung? diefer Muffeln
nicht ſo merklich, fondern der Zufall
fihien bloß einer von denen zu ſeyn, die
allen groſſen Kunfteichtern gemein find:
eben fo, wenn erim Öegentheil durch
eine Bewegung, gleich der gahnenden
Bewegung eines Kunftrichters, dem
die Einfalt oder Unwiffenbeit feines Au:
tors ans Herz gebt, die untere Kinn:
lade, fo weit er konnte, herunterzog⸗
und durch die anhaltende: Wirkung der
dazu gehoͤrigen Muſ keln In dieſer Stel:
fung erhielt, jo waren der Schlafmuz
feel und Mafferer abermals von Zu:
cEungen frey. Sch errieth alsbald, dag
bier der Eckel eines feinen Geſchmacks
zum Grunde liegen müffe, und ber
ſchloß zu dem Harlenifchen Mittel mei—
ne Zuflucht zunehmen. Nichts ſchien
mir in folcher Abſicht beilfamer zu ſeyn,
als eine Stelle im Noah, die der er—
findungsreiche Verfaſſer, feiner Ges
gemäß, aus dem PR in
ein
— 49
fein Original verwebt hatte, Ich hub
an:
Ob ein gebohrner Sohn. des Olym⸗
pus mein Gaſt fen, fo dacht er,
Will ich bald willen; befiehlt dann
einen von feinen Öcfengnen
Abzuwuͤrgen, und ihn in dem fie:
denden Erzte zu-Fochen.
Mit der abſcheulichen Speife befleckt
er die feftlche Tafel,
Schnitt von den. menfchlichen —
keln, und bat uns zu eſſen.
under!
Hier zog fich der Temporal: Muf Felmit
dem Maffeter zufammen; ich fing an zu
hoffen, und las weiter;
Blut floß unter dem Schnitt hervor,
die gekocheten Glieder lebten, —
Der Untere Kinnladen und, der obere,
die vorher flarf zufanmen gepreßt wa:
ren, fielen auf einmal aus einander,
und es erfolgten Zucfungen,
Ein ächzend Gewein ertönt aus den
dampfenden Schüffeln.
Der Hypo. 1.T. D Der
50
Der Mafleter unddie Schlafmuſkeln be;
wegten fich gewaltig.
Hydern flogen und Amphisbänen auf -
ledernen Flügeln
Ueber dem Tiſch in Knoten gefchlun:
gen, unflätige Bracken
Sprangen von unten herauf, und heul:
ten aus drenfachen Schlunde.
Der Kranke that einen Schrey, biß
beide Kinnladen zufammen, und fah
Eunftrichterlich = wütend, aber zugleich
erfchrocfen aus den Augen. Ohne
mich irre machen zu laſſen, fuhr ich be:
ftändig fort:
Zitternd und blaß ſprang Sichar vom
Srtuhl auf, und hofte zu fliehen;
Aber die Hunde befeßten die Thüren;
die Schlangen und Hydern
Wunden um feinen Arm ſich und fei-
ne Schenfel, ihm felber
Spitzten fih Fauft und Hand’ in
Schlangenföpfe, der Körper
Dehnte fich Ianglinigt, mit Fupferz
nen Schuppen bepanzert,
Bis
— 51
Bis die Menſchengeſtalt in der Am—
pphisbaͤne verſchwindet.
Aber der viehiſche Schwarm von
| Hyaͤnen und Amphisbaͤnen
Warf ſich in Sichars Zimmer und
Baͤder und uͤppige Gaͤrten:
Eckel, Geſtank und Grauen erfüllt
ten die Kammern der Geilheit.
Eine lebhafte Befchreibung! zitternd
und blaß fprang auch mein Kunftrichter
vom Stuhl auf, und hofte zu fliehen:
aber ohne eben eine Hyder zu fenn, wand
ich mich fo nachdrücklich um feine Arme
uud drohte von vorm anzufangen, daß
er mit groffem Gewinner vor meine
Fuͤſſe hinſank, und alle die Mannich-
faltigkeit von Zuckungen, die bald im
Maffeter, bald in den Temporalnınz
ffeln, bald in beiden Kinnladen zus
gleich kurz vorher ein fo hurtiges Spiel
gemacht harten, augenblicklich ein er-
wuͤnſchtes Ende nahm. Er Eonnte nun
den Euripides wieder anfchauen, und
a mir, daß fein Maffeter Unrecht
D 2 gehabt
52 —
gehabt haͤtte, einer ſolchen Kleinigkeit
wegen, die der epiſchen Tirade keines—
weges zu vergleichen war, mit den Tem:
poralmuffeln in Streit zu gevathen.
2. Hyſteriſche Obnmachten mit Zus
Fungen. — Eine gute warme Ode,
vornämlich wenn eine Dofe Antiftro-
phen darunter gemifcht ift, thut die ber
ften Dienfte: ich pflege die Meiſterſtuͤ—
cke unfers deutfchen Pindar, die ein
Werk des Fühnften und mühfamften
Enthuſiaſmus find, mit Nutzen bey:
zubringen.
3. Ein heftiger Schmerz und Krampf
in * Magen. — Unter allen ſpaͤter
befannt gewordenen Schriften weis ich
noch immer Fein wirffameres Mirtelzur
Reinigung des Magens, als gemifle
Schilderungen, wovon man das
Recept in den Berlini Litteratur⸗
briefen findet; falls nicht et Spe⸗
zereyen, welche vor Furzem d iticker
und Antikriticker uͤber ihre witzigen
Streit⸗
— een 53
Streitfcehriften ausgeftreut haben, die
nämlichen Dienfte thun.
4. Knfterifche oder von Blähungen
herrührende Kolick. — Da diefe Krank:
heit gewöhnlich aus dem Leſen Eritifcher
Schriften, Theoricen der ſchoͤnen Wiffen:
fihaften, wie man fie heutiges Tages
macht, und anderer dahin einfchlagen:
der böfer Materie erzeugt wird: fomweis
ich ihr nichts beffers, als ein anhalten;
des Leſen eben diefer Schriften, jedoch
mit Eluger VBermifchung und Abwech—
felung, entgegen zu feßen; und zwar
zufolge der bewährten Anmerkung eines
Gelehrten, der fein Arzt war, naͤm—
lich, dag Giftund Öegengiftfich fchwer:
lich zuverläßiger unter einander aufreis
ben, als fhlechte Kritick und fchlechte
Antikritick. |
5. Nerven: oder fpafmosifches Aftb:
ma, — Alle Opiate, als da find A—
bendzeitvertreib, Vergnuͤgen auf dem
Kanapee, fo auch verfchiedne neuere
tuftfpiele u, d. gl. find gut zu gebraus
D 3 chen,
54 rue
chen. Daß auh Wochenſchriften hieher
gehören, uͤbergehe ich aus gewiſſen
Urfachen mit Stillfehweigen.
6. Herzklopfen. — Die: bittern
Mittel find die vorzüglichften. Wer
es aushelten kann, der wähle fich unter
den neueften Heroiden, befonders wenn
fie ins Deutfche überfegt find, diejeni—
gen, die am ſchwerſten beruntergehen.
7. Deriodifche Kopfichmerzen. —
Deriodifche Schriften.
8. Diedergefchlagenheit. — Froͤh—
liche Gedichte, Freuden, meines Ba:
ters Fabeln und Erzählungen, das
Strumpfband, das gelehrte Gefpenft,
Leipzig nach derMoral u. ſ. w. Es koͤm̃t
bloß auf eine Eleine Erfehütterung wer
Milz an,
9. Hypochondrie. — Bey Heilung
diefer Krankheit, fagt Montanus,
faun man nicht einen Monath, oder
ein Jahr, tie in andern Krankheiten,
vorausbeſtimmen, ſondern man muß
das ganze Leben durch damit zubringen,
dag
Bee 55
daß man ziveilen heilt, zuweilen vor:
baut. Man begreift aljo leicht, daß
hier mit einem oder einigen Büchern
nicht viel auszurichten fen, fondern daß
eine ganze Bibliotheck erfordert werde,
um fie von Grund aus zu heilen; und
doch ift Muͤh und Arbeit gar oft un
fonft, wie ichs leider! an Niemanden
mehr erfahre, als an mir ſelbſt. Ah!
la belle Muette ! ch hätte diefes ver=
wünfchten Malums nicht erwähnen fol:
len. Luft! Luft! Luft! muß ich mit
jenem König Alfonfo ausrufen:
Draw me a River of falfe Laver’s Tears
Olean thro’ my Breaft! Let Virgin’s
fish unon me,
Forfaken — their Sighs are preci-
Let Pe al fish. No Wind? no coo⸗
ling Air?
Fletcher.
v4 Drit:
m
EN HH HE HH
Drittes Stüd.
Jamı te — iam proterna
Fonte petet Lalage maritum!
HOR.
& ift nicht lange, daß mir von H**
aus ein neues Trauerfpiel in der
Handfchrift zugefchieft wurde, daß ich
dem Berfaffer meine und meiner Freun—
de Meynung darüber eröffnen moͤgte.
Eben, da ıch. es erhielt, hatte ich ein
paar alte Bekannten bey mir, denen
ich fogleich eine Freude damit machen
wollte, und daher die ganze Tragödie
mit aller bRE Biegſamkeit der Stimme,
die ich im Vermoͤgen hatte, ununter—
brochen ablas. Nach Endigung deſ—
ſelben ſahen die beyden Herren ſich ge⸗
dankenvoll an:
Nun,
57
” Yan, was fagen Sie dazu Pe —7?
Sol was ſagen Sie dazu, Herr — ?
Mir kommt es vor, fiefich ihnen in
die Rede, als ob diefe are weit
ruͤhrender ſeyn wuͤrde die Dame,
die hier die Hauptrolle fhich ‚ feinen fo
feyerlichen Eharafter haͤtte, ſondern
mehr, als ein junges —2 Frau⸗
enzimmer, voll verliebter Emfindung
und Zaͤrtlichkeit für ihren Gemahl, mit
einem Worte, als ein recht warmes,
fenriges Mädchen gefchildert würde:
dadurch wuͤrde die Gituation im Ges
fängniffe natürlicher werden, und der
Zufchauer ein.gewiffes Lächeln, welches
man über die Handlung einer fonft fo
weinerlihen Derfon nicht wohl bergen
fan, nicht blog unterdrücken, fondern
in ein ſehr freudiges Zujauchzen ver⸗
wandeln. —
“ Bravo! rief mir der Freund zur
+ rechten Hand zu, Gie find mein
“ Mann! es Teben die Tafterhaften
“ Charaktere! Sch halt es mit Shaf:
D5 108;
58
tesbury ein tugendhafter Charakter
ift auf der Bühne ein Unding, war:
um denn eben tugendhaft? —
" Hm! (fing der andre Freund mit
einem gelinden Kopfichütteln an)
ich für meine wenige Perfon begreife
noch garnicht, warum der Dichter
durchaus son den Zeugniffen aller
Geſchichtſchreiber hätte abgeben, und
die Dame lafterhaft machen follen.
Mir deucht, es heißt zu weit geben,
wenn man eine Derfon blog desmes
gen auf der Bühne nicht dulden will,
weil fie. nicht laſterhaft iſt; auch weiß
ich mich nicht zu erinnern, daß irgend
‚ein Kunfkeichter diefes jemals be:
bauptet babe, oder er würde wahr:
haftig Mitleiden verdienen, Nicht
wahr, Herr Jernftrup? „ —
Sch hatte es nöthig, durch diefe Fra:
ge aufgeweckt zu werden: denn ich konn⸗
te von meiner Verwunderung und De:
jtür:
59
ſtuͤrzung gar nicht wieder zu mir feldft
fommen, daß meine Anmerkung einer
folhen Auslegung fähig gewefen war,
Diefe Männer, dachte ich, müffen we;
der von der Tugend, noch von der Lie—
be, uoch überhaupt —** Leiden⸗
ſchaften den geringſten Begriff haben:
iſt es nicht wunderlich mit uns Men—
ſchen, daß wir ſelten eine Sache in dem
rechten Geſichtspunkte faſſen, und ge⸗
meiniglich in unſern Urtheilen auf das
Aeuſſerſte verfallen?
Ich halte die Lebhaftigkeit der Em⸗
pfindungen, und ſelbſt die Leidenſchaf—
ten fuͤr eines der groͤßten Geſchenke,
die mir die Natur verliehen hat, und
würde es einer geliebten Gattinn ſchlech⸗
terdings nicht verzeihen koͤnnen, wenn
ſie mich mit derjenigen ſteifen Gleich—
muͤthigkeit, dieſer kalten ernſthaften
platoniſchen Neigung, lieben wollte,
die einige unſerer Skribenten ſo gerne
fuͤr wahre Tugend ausgeben moͤgten,
| und
rs
beym Otway zu fompatbiren.
60 —
und die auf unſerer Buͤhne fo viel mo:
notonifche, romanhafte, einem zarten
Geſchmacke unleidliche Charaktere her:
vorgebracht hat; und dieß aeht bey mir
fo weit, daßich auch daß fchönfte Frau:
enzimmer nit heirathen würde, (falls
ich mich jemals dazu entfchlieffe ) wofern
ih nicht im Voraus überzeugt wäre,
daß fie, ben der Mechtfchaffenbeit und
Reinigfeit ihrer Seele, alle die edle
Hitze des Geblüts befäffe, die ich die
geläuterte Wolluſt eines tugendhaften
Herzens nennen mögte, teil fie fat
alle Tugenden und Gluͤckſeligkeiten des
Menfchen in ihrem Gefolge hat. Die
Engländer haben diefe rechtmäßige ve-
ram voluptatem, von der ich rede,
mit den allervortreflichfien Zügen von
der faljchen und laſterhaften zu unter:
fiheiden gewußt. Es ift füß, ausneh—
mend füß, mit den Hufwallungen der
Monimia, der unfchuldigen Monimia!
Mont;
——— 61
Monimia. * Caſtalio, ich denke daran,
was wir gethan haben; die himmliſchen
Mächte waren gewiß heute erzuͤrnet. Wie
wir bey der Eeremonie fiunden, und deine
. Hand feyerlich mit der meinigen verbuns
den Mar, und der gute Prieſter die heili—
gen Worte ausſprach; fo ſchwoll mein Herz
auf, ich Fonnt es nicht ausfichen, Thraͤnen
uͤberſchwemmten meine Augen, und Zifs
tern ging durch meine Seele: was mag
das bedeuten?
Caſtalio. O, du bift lauter Zärtlichkeit,
Empfindung und Anmuth, wie die ſyupa—
thetifche Natur! Oft, menn eine tranrige
Gefchichte erzehit wurde, babe ich deine
Fleine Brüfte von fanftem Mitleiden ſchwel—
len, auf: und niederfieigen, und fi), wie
ein fierbender Vogel, lanafam wieder bes
‚ben fehen. Aber ist verbanne die Furcht,
denke nicht mebr an Gefahr, denn bier in
meinen Armen iſt Sicherheit — laß fie
dich
* The Orphan or the unhappy mar-
riage, Act. 3,
62 — —
dich empfangen — der Himmel iſt itzt
eiferſuͤchtig. — Wahrlich! fie iſt zw gut
für irgend eine ſterbliche Kreatur! — Ich
koͤnute wild aufſchwaͤrmen, u. ſ. w.
Hierauf folget im vierten Act
* die ſchreckliche Kataſtrophe, die zu
.* den fürchterlichften Folgen vorberei—
a
Monimia. Sch Fomme, ich fliege in die
Arme meines angebeteten Caftalio, des
Herren meiner Wunfche. Mögte jeder Mor:
gen wie Diefer beginnen, und unfere Liebe
fich mit unfern Tagen erneuern! Nun hoffe
ich , wird mein Caſtalio nicht mehr an meiner
Zärtlichkeit zweifeln (ſieht ibn fchmach:
tend an.) |
Caſtalio. O ich zweifle gar nicht, daß du
— ah! |
Monimia. Wie? ſprich! iſt dir nicht wohl,
Caſtalio? komm, lege dich an meine Bruſt,
und fage mir, wo der Schmerz fißt.
Caſtalio. Er fist hier, er figt in meinem
Kopfe, er fit in meinem Kerzen, er fißt
allent⸗
Es onen Du 2 5 2
allenthalben, er wuͤtet, mie cine Raſerey,
und ic) muß mich wundern, wie meine Ber:
nunft es aushalten Fann! Nein! erfiaune
nicht, Monimia, der Sklave, den du in
meiner Brufi fefigehalten zu haben glaubteſt,
ift ein Rebell geworden, bat feine Feſſeln
zerrifien, und mandelt itzt darinn umber,
wie ein Monard). f |
Monimia. Bin ich denn dein Weib nicht?
deine geliebte Monimia? Einmal war ichs,
oder ich habe feltfam geträumt. Was fehle
meinem Gemahl, meiner Liebe? —
Caſtalio. Wie auch dein Traum gewefen iſt,
deine mwachenden Gedanken haben es nie gut
mit Caſtalio gemeynt. Nichts mehr von
den Künften deines Geſchlechts, Monimia:
fie find alle vergebens, ich bin nicht mehr
das biegfame Werkzeug, das nachgebende
Geräth deiner Hände, das du aus mir ge:
macht hattet; ich kenne mein Anrecht bef:
fer, — ih bin ein Mann, fol; auf die
Würde meines Geſchlechts, und will nicht
zum Sflaven gemacht werden. |
Moni:
64 —
Monimia. Fuͤrchte es nicht, gewiß mein
Gemuͤth ifi ſanft, ich will immer vein ge:
borfames Weib bleiben, niemals über die
Schranken meiner Pflicht fchreiten, und flets
deinen Willen für mein theuerſtes Geſetz
halten: glaube mir, mein ie nie
will id —
Caftatio. Kein, Madam, nie follen Sie!
bey jenem glänzenden Himmel! du follft
nicht! Den ganzen Tag hindurch will ich dein
Tyrann ſeyn, und in der Nacht dic) verlaf
fen ; bis ich dich durch Kummer und Elend
zu einer nichtswürdigen Dienerinn meines
Hauſes herabgedemuͤthiget habe. Ja, und
wenn ich noch eine ſolche Creatur, wie du
biſt; im Hauſe habe, ſo ſollſt du die Un—
terhaͤndlerinn meiner Wolluͤſte ſeyn: ſo, ſo
haſt du mich beleidigt!
Monimia. Nicht mehr! oh! tödte mic)
hier, oder nenne mir meine Beleidiqung.
Eher verlaffe ich dich nicht , fondern ich will
dir auf diefen Knieen von Morgen bis A—
bend folgen, bis fie durchgraben find, und
an dir bangen, mie ein ertrunfner Körper.
Eafialio! — Caſta⸗
mm 65
Eaftalio! o wie oft hat er betheuret, die
Natur follte fih verwandeln, und Sonne
und Sterne verfinſtert ſeyn, ehe er feine Ge
luͤbde brechen wollte. Heran denn, Zer—
rüttung! Sonte, verliere.dein Licht, und
Sterne, traͤufelt fierbend vor Sammer anf
die Erde herab, denn mein Eaftalio ift
falſch geworden, falſch ift er geworden,
wie der Wind, das Waſſer, oder das Wets
ter, graufam, wie Tieger über ihrer zit:
ternden Beute! Ich fühle ihn in meinem
Herzen, er gerreige mein Innerſtes, und
trinkt mit jedem meiner Seufjer mein
Blut! — |
Wer die Liebe blos als ein poeti:
fches Kunftwort, oder als ein Gewer:
be, eine Art von Handelfchaft, oder
als eine Schandthar fennt, der Fann
fi von der Schönheit und richtigen
Zeichnung diefer Tiraden, die durch die
Abfonderung von ihrem Ganzen einen
‚groffen Theil ihrer Wirkung verloren
baben, durchaus. Feinen Begriff ma:
hen. Man müßte erfi ein gewiſſes
Der Hypoch. 1. T. E Leeres
66
Seeres in feiner Seele ausfüllen, und
das fteht nicht in der Macht eines Wien:
fchen, am wenigſten eines hypochon—
drifehen, Gott bat uns Leidenfchaften
geneben, daß wir uns durch biefelben
einen Himmel auf Erden machen follen,
wenn wir fie auf den rechten Gegen:
ſtand Ienfen. Seine einzige ift uns
vergebens mitgetheilt, fie haben in dem
Herzen eines vechtfchaffenen Mannes
allefammt ihren edlen wahrhaften Ger
brauh, und finden ihr Gift erſt bey
gewiſſen Gefihöpfen, die aufgerichter
einher gehen, als wenn fie Menſchen
wären, im Grunde aber zu den Thie—
von der Erde gehören, die von dem,
was ſchoͤn und gut ift, Feine meitere
Empfindung haben, als in wie fern der
förperlihe Sinn fie ihnen mittheilen
kann. in wirdiger Mann kann durch
feine Seidenfchaften auf Abwege geleitet
werden; er wird aber bald feinen Feb:
ler merken, zu der Vernunft zurückfeb:
ren, und fich eben dadurch von dem
elen:
elenden, gedankenloſen, lafterhaften
Thoren ‚dem Wolluͤſtlinge, auf eine
ſehr vorzuͤgliche Art unterſcheiden.
Milton, dieſer ungemeine Dichter,
der mit der wahren Beſchaffenheit der
göttlichen Werke zu wohl befanut war,
als daß er fie durch erzmwungene und
beuchlerifche Sophismen haͤtte herun—
"zer ſetzen ſollen, Bat dieſer Materie eine
ſehr ſchoͤne Stelle in feinem verlornen
Paradies gewidmet, die ich, wegen
ihres vortreflihen Nutzens für unfere
feyerlichen dramatifchen Dichter, (denn
mit denen habe ich es hiet eigentlich zu
tbun) Bier beyfügen will,
Heil dir! ehliche Liebe! geheimnißreiches
Geſetze!
Wahre Quelle der Nachkommenſchaft des
Menſchen, du einzges
Eigenthuͤmliches Gut im Paradieſe, wo
alles
Auſſer dir ſonſt ET ‚war;
MEN *
68
Wurden durch dich von den Menfchen ver:
bannt, in den Heerden der Thiere
Umzuſchweifen. Durch) dich gerecht und
rein und vernünftig, .
Wurde die theure Verwandtſchaft erfi von
Sohn und von Dater
Und von Bruder bekannt. Fern fey es,
daß ich dich Suͤnde
Nenne, viel minder dich tadle, dich, o
du befiäudige Quelle
Aller häuslichen Freuden! Rein iſt dein
Lager, für heilig '
Ward es beitändig gehalten von Patriar—
den und Frommen.
Ihre guldenen Pfeile gebraucht hier die Lies
be, bier leuchtet „
Ihre beftändige Lampe, bier ſchwingt fie
die purpurnen Flügel,
Herrfcht und beluftigt fich bier u. f. w.
4 Gef. S. 168.d.n. deutf. Ausg.
Da ich meine Leſer nun auch in die:
fem Hauptpunfte mit meinem Charakter
befannter gemacht habe; fo denfe mar
wie ich erſchrack, als ich vor einigen
Tagen
——— 69
Tagen einen tiebesbrief von einer alten
Witwe erhielt, die fich in den Kopf ges
fegt ‚bat, mit aller Gewalt einen Hy:
pochondriften zu heirathen. Um der
gleichen Fünftigen Unfällen auf mein
Herz vorzubeugen, und allen fernern
Siebesbriefen alter Matronen, die ich
mir durch meine fehönen Eigenfchaften
zuziehen Fönnte, auf einmal Einhalt zu
thun, will ich diefes Schreiben der Wit:
we (fo wenig ich auch fonft geneigt bin,
meine Correfpondenzen drucken zu laſ—
fen) bier. öffentlich einrücfen, und das
Refponfum, das ich ihr in Donnerwor⸗
tem zurück fehiefte, zum Schrecken der
verführerifchen Welt hinzu fügen.
‚Herr von Jernſtrup,
et) fehe aus Ihrem eriten Blatt, daß Sie
— unverheirathet, uͤber 40 Jahr alt ſind,
and feine Mittel beſitzen. Allem Anfehen nach
werden Sie fich bey dieſen Umfläuden wenig
um die Ihorheit befümmern, welche man
Liebe nennt, und das ift eben meine Sache!
Sollen Sie Partie mit mir machen, fo heiratbe
E 3 ich
70 —
ich Sie. Ich gontire hypochondriſche Leute,
und ich habe ſelbſt Bapeurs. Mein Alter wird
ſich ziemlich viel höher als Fhres belaufen, ich
bin eine Witwe, ich bin von gutem Adel,
habe ein paar ſchoͤne Laudſitze, kann, Trotz
Ihnen! murren, und habe meinen Kopf-für)
mich, das koͤnnen Sie mir glauben! Ohne
Umftände, wollen Sie mich haben? Sch bin
Shre
Antwort. 5
Gnaͤdige Frau, J
12: wern Sie zwanzigmal aͤlter waͤren, ale’
Sie find, fo wollte ich Sie nicht heira—
then, das Fünnen Sie mir glauben! Nicht,
wern Sie alle Landſitze der Welt beſaͤſſen, das
koͤnnen Sie mir and) glauben! Ihre Gnaden
werden dieſen hypochondriſchen Korb hoffent,
lich ungemein wohl kournirt finden, da Sie
eine Freundinn der Hypochondrie find, und
Vapeurs haben. Mein, Madame, laſſen
Sie uns bey unfern ehren lieber allein 'murs
en, als in Gefellfchaft. Mein Herz ift zu
ſeht an die kleine Stumme — Te
14
dienfiwillige **
71
Sie willen, ale daß ich ihr folchergeftalt
untreu werden koͤnnte. Uebrigens aber bin ich
mit dem tiefften Reſpect x.
Eben da ich dieſen Brief hier einruͤcke,
erhalte ich ein anderes verliebtes Schrei:
ten von einem jungen Fräulein, wel
ches mich ſehr in Verlegenheit ſetzt. Was
ſoll ich dem guten Kinde antworten?
Soll ich heirathen? ſoll ich ein Hage:
ſtolz bleiben? Was ſoll ich thun? O
daß ich nie angefangen haͤtte zu ſchrei⸗
ben! die ganze Welt wird mich lieben
wollen! Seitdem ich geſehen habe, wie
meifterhaft mein Neffe Jens, Ber
artige Schalk!; die Liebe zu jpielen weiß,
ſeitdem iſt mir alle Hoffnung vergan-
gen, daß ich mich je wieder mit eini:
gem Glücke in diefes Feld werde wagen
koͤnnen; man mag mir aiauben, oder
nicht, ſo iſts doch gewiß, daß ein jur
gendliches heitres Gemuͤth weit gefchick
ter zu diefer angenehmen Empfindung
ft, als die. Hypochondrie eines Man-
nes, der den funfzigen nahe geht. Zwar
w E4 haben
C
72 —
haben wir Jernſtrupe beſtaͤndig vie—
le Vorzuͤge von dieſer Seite gehabt;
wir haben die ſchoͤne weibliche Natur
in ihrer geheimſten Werkſtaͤtte belauſcht;
wir kennen die ihr ganz eigenen Tugen⸗
den und Mängel, und mwiffen, wieman
felbft von ihren Schwachbeiten Gebrauch
machen foll; wenige Mannsperfonen
koͤnnen ſich einer fo feurigen Standhaf:
tigfeit rühmen, als wir; wenige wiſ—
fen den Werth des Vergnůgens ſo zu
ſchaͤtzen, als wir! Aber die Runen!
die Runzeln! Wenn Meffe Jens mir
ein gutes Recept wider die Runzeln,
und befonders wider gewiſſe Runzelm,
die innerhalb der Stirne fißen, mit:
theilen Fönnte; wenn er mir feine Ju—
gend und feine Muſ⸗ leihen wollte; wenn
er mir ein folches Mädchen zu nennen
müßte, wie fein Mädchen ift: fo würde
ich auch vielleicht verfuchen,,
Antiquo me includere:ludo,
Es ift gar zu reizend, die beyden
geutchen benfamen zu feben, wie ihre
Blicke
— 73
Blicke fich einander begegnen, tie fie
mit einander fcherzen, wie fie mit zärt:
Jichen Einfällen, den bons mots des
Herzens, fpielen, wie ihnen das Herz
fihtbar bis an den Hals ſteigt! O auter
Neffe Jens! was fürglücliche Aus:
fihten haft du! vielleicht überrafche ich
ihn einmal vor feinem Schreibpulte,
wo die geheime Liturgie feiner Liebe ver-
fchloffen iſt. Dann foll er mir fchon
wider feinen Willen erlauben, mein
Blatt mit feinen tiebesbriefen und Ber:
fen aufzubeitern, Der lofe Bogelfchreibt
gut, er ift ein Poet, ob erfich gleich
noch nientals hat drucken laffen, und
fein Mäschen — o Phöbus, was für
eine Grazie ihres Gefchlechts ift fie!
‚Hier ift der Liebesbrief des jungen
Srauenzimmers, und meine feltfame
Antwort, die mich viel unglimpflichen
Kritiken der -Stußer und Stußerinnen
ausjeßen wird. ber wer. Fann fich
beiten? Es thut einem Hypochondri—
E5 ſten
74 —
fien gar zu wohl, wenn er ſich ein. we⸗
nig fo bröbe geberden Eann,
den dritten *
Se muſſen ein drolligter Mann feyn. Wie?
mein * Sie unterſtehen ſich, den
enthuſiaſtiſchen Ton unſerer deutſchen Sitten—
richter zu tadeln, und mit Iſaak Bickerſtaff
ein Menſch zu bleiben? Da haben Sie mein
Herz! Wenn Sie weniger ſchnakiſch wären,
fo wollte ich nich wohl Büten, Ihnen diefen
Brief zu ſchreiben. Es wäre ein Hauptſpaß,
wenn wir. uns heiratheten: deun, die Wahr
heit zu ſagen, ob ich gleich nur ein Landfraͤu⸗
lein bin, ſo bin ich ind ſehr paßionirt gegen
die ſchoͤnen Geiler. Wie geſagt, ich gebe
Ihnen mein Herz, geben Sie mir Ihres zur
rück, und wir wollen treflich über einandı
lachen. Lachen ift meine Sache: aber darum
bin ich doch, wie man mir jagt, Fein uͤbles Maͤd—
chen. Sechszehn Fahr alt, eine feine Gr
ſtalt, cin gutes Herz, ein’ artiges Guͤtchen,
das hoffentlich nichts fihlechter, als Ahres,
feyn wird: ‚geht Ihnen das alles an, ſo bi
BE
| | die Sheige. J
oh 9 Ant:
u
"Antwort.
* RN Fraͤulein,
sahen Sie ein zartes, wallendes, —
und unſchuldiges Herz? Getrauen Sie ſich,
ſo ſuͤß zu lächeln, „wie meine erſte Geliebte?
Koͤnnen Sie reden, recht geiſtreich recht frey,
recht ohne Zwang Verſtellung oder Eitelkeit,
offenherzig, aufrichtig und anmutbig reden?
Haben Sie auch Luft, zuweilen ein. Wenig mit
mir Alten zu taͤndeln, ſchnell Ihre Arme
ſchalkhaft um meinen Nacken zu ſchlingen,
ſchuell auf meinen Schooß zu huͤpfen, dann
wie ein zartes Taͤubchen an meinem Buſen zu
ruhn, dann mit mir durch die Hecken des
Gartens zu laufen, mich zu fangen, mich mit
Roſenbaͤndern zu feſſeln, und wenn ich Sie
hinter dem Buſche erhaſcht habe, mit einem
Kuſſe aufzuſpringen, und dem ſchalkhaften doch
ehrlichen Zacharias ſchnell zu entfliehen? Wird
der Puls Ihnen ſtaͤrker ſchlagen, Ihr Auge
lachender werden, Ihre Wangen zu gluͤhen
anfangen, wenn Sie mich von Ferne kommen
— — Sie? ſpielen Sie das Clavier?
Und
76 REIT.
Ä
Und noch eind. Iſt Fhre Taille ſchlank, Ih—
ve Bruſt weiß, Ihre Mine redend, Ihr Au:
ge gewoͤlbt, Fhre Stirne erhaden, Ihr Mund
Fein, roth und zart? So wars bey meinen
erften Geliebten! Taille! Bruft! Auge! Mund!
alles war vollkommen! o daß fie eine Sirame
gehabt hätte!
Gnaͤdiges Fräulein,
Ihr
unterthaͤniger Diener und Verehrer,
Zacharias Jernſtrup.
Vier⸗
77
EHRE α
Viertes Stuͤck.
—— Vitanda eſt improba Siren
Deſidia
— N —
HORAT.
uͤßiggang ift der Urquell des Le:
bels, der Bater, Freund und
Tyrann der Boͤſewichter und Thoren,
der Erbfeind des Parrioten und unbe:
fleeften Mannes. Beelzebub hatte ihn
heimlich mit der Einbildung gezeugt,
lange vorher, ehe die Sünde aus fei:
nem Haupte entfprang. Er feßte den
Erfigebobrnen, da er im die finftern
KHerrfchaften des Drcus eintrat, zum
Regenten über die eine Hälfte der Ober:
welt, und gab der Sünde den Zepter
über die andere. Hier fißt er auf fei-
nem gepolfterten Throne, der Dumm:
heit
78 aan re zu
heit, feinem Weibe, gegen üser,"sie,
nach einer lange vorher beftimniten Hat:
menie, mit ibm in treuer Gedanfen;
loſigkeit gaͤhnt. Wenn er geſchlum⸗
mert hat, ergoͤtzt ihn die Jagd, er haſcht
Muͤcken, zertritt Ameiſen, ſpießt Flie—
gen, oder laͤßt Miſſethaͤter hinrichten,
reibt ſich die Augen, und lacht. Zu⸗
weilen, wenn er nicht ſchlafen kann,
ſchreibt er Staatsentwuͤrfe, Sprach—
fünfte, Wörterbücher, Beyträge,
Journale, oder Verſe. Zumeilen thut
er gar nichts, und murrt uͤber ſich ſelbſt.
Es ift mir, die Wahrheit zu fagen,
ſchon lange ein Dorn in den Augen ge:
‚werfen, daß der würdige David Wil:
helm Mävius zu der Fahne diefes Un⸗
geheners geichworen hat: Denn die
Stadt mag fagen, was fie wolle, ein
Stadtpoet ift darum, weil er Lorbeern
am Kopfe hat, noch gar nichts beſſer,
‚als ein Muͤßiggaͤnger. Wirklich wuͤr⸗
de ich mich noch fange über Herr Mi;
vins geärgert haben, wenn es mirmicht
glück
“w
sn —2 — 7 9
⸗
gluͤcklicher Weiſe eingefallen waͤre, daß
es nur von mir abhinge, dem ſchaͤnd⸗
lichen, unverzeihlichen und hoͤchſt firaf
baren Laſter, dem ſein zwar groſſes Ge⸗
nie ſo uͤber alle Maaſe ergeben iſt, ſeinem
Muͤßiggange, ſo bald ich ſelbſt wollte,
ein Ende zu machen.
Da wir Wochenblatt⸗ Schreiber aus
keiner andern Urſache auf die Welt ge—
ſetzt worden, als den Misbraͤuchen,
die unter unſern armen Nebenmenſchen
im Schwange gehen, mitleidig abzu—
helfen, und unſere Entdeckungen zum
Mugen der HerrenLiebhaber und Kun:
den gemein zu machen; fo bin ich une
verzüglich bedacht gewefen, meine Be:
obachtungen und Erfahrungen von den
Mervenfranfheiten, die ich im
zweyten Stuͤcke offenherzig mitgetheilt
babe, ganz und gar gemeinnüßig, und
zugleich den Herrn Mävius zum brauch:
baren Mann zu machen, welches letztere
mir wohl niemand zutrauen würde,
wenn das Gerücht es nicht bald deutlich
genug
80 a
genug beftätigen müßte. Sch babe ihn
mit einem anfehnlichen Buͤchervorrathe
nach Hamburg gefchieft, um in dieſer
groffen Stadt einen Buchladen für
Kranfe anzulegen, und nachher weiter
in den benachbarten Städten, befons
ders auf den Jahrmaͤrkten, damit her—
um zu ziehen. Herr Mävius meynte,
die Geftalt eines Zahnarztes würde ihm
ein gröfferes Anſehen verfchaffen, als
wenn er fich fchlechterdings für einen
medicinifchen Buchhändler ausgaͤbe;
und ich habe ihm nicht allein darinn ſei—
nen Willen gelaſſen, fondern ihm auch
den ungenannten profaifchen Schrift:
ftellee, von dem ich im erfien Stücke
geredt habe, zum Narren mitgegeben,
Es find num vierzehn Tage, dag fie abs
aereifet find. Von Hamburg geben fie
über Altona und Glückftadt zurück, um
vor Ausgang der Domzeit in Schles-
wig einzutreffen, und alsdann weiter
fort über die Belten zu ſetzen. Ich wer:
de meinen $efern, fo wie mir Mävius
feinen
feinen Bericht abftatten wird, täglich
vollftändige Nachricht von diefer wich:
tigen Expedition mischeilen , die in An⸗
fehung des jeßigen Zuftandes von Eur
ropa von fehr merfwürdigen Folgen ſeyn
——
*
Dienſie den 12. Jan. fruͤh um
neun Uhr. |
ER muß die Poft aus Hamburg
ankommen; fie wird mir hoffentlich
Briefe vom Hrn. Mävius mitbringen,
Hr. Mävius macht. mir die Zeit ziem⸗
lich lang. Ich bin hoͤchſt begierig, zu
erfahren, wie die Medicin anfchlägt;
und wehe Hrn. Maͤvius, wenn er mei:
nem Berhaltungsbefehle nicht: aufs
pünftlichfte nachlebt! — Dhne- des
unausfprechlichen Nutzens zu gedenken,
den dieje Erfindung in der Arzeneywiſ—⸗
fenfchaft baben muß, welche dadurch
um ein ganzes groffes Gebiet erweitert
Der Hypoch. x. T. F wird,
82 Drerumun:
wird, iſt fie auch in der Politik und
Gottesgelahrtheit von aufferordentlicher
Wichtigkeit, Der Staatsmann kann
diefes Arkanum brauchen, um hinter
die verftechteften Abfichten der Bedien⸗
ten zu fommen; der Öottesgelehrte,
um die Grundfäße der Gemeine zu er—
forfchen, und die —— zu be:
teichern.
Ich enthalte, ‚mich ‚mit Borbedacht
einer genauern Zergliederung meiner
Erfindungen, und bin zufrieden ‚daß
ich einigen Flugen Köpfen nur einen
Wink gegeben babe, dem % weiter
nachdenken ce
Abends um fieben Uhr
Der Brief iſt da! ein Original! ein
Brief, wie ich ihn mir von David Wil⸗
helm Mävius niemals verſprochen haͤt⸗
te. Die Sache geht allerliebſt von
ſtatten; ſchon ſo viele, ſo viele! —
Doch ftilte! ich will den ganzen Brief
vr: Er
“4 Hoch⸗
a Obchwohlchohne Freund!
(Er hätte wohl Gönner ſetzen koͤnnen, der gu—
te Mann, wie es ſich fuͤr einen Poeten geziemt.)
Be fit, »quod eito fit, ſagt ein
Y gewiſſer lateinifcher Autor claf-
“ ficus, deffen Name mir entfallen ift;
“und will damit fo viel zu verſtehen
“geben, als man müfe, wenn man
* ein gutes Werk vorgenommen hat,
hurtig damit zum Ziel fchreiten, wel:
des ic) vorißt fo verdeutſchen möchte:
—E Weun du was thun wii, thus geſchwind;
u Wer gar zu laugſam eilt, faͤhrt blind.
wobey ich zugleich eine kleine Hin—
* ſicht auf die bekannte Sentenz, fe-
“ ftina lente, gehabt habe.
Ich bin in ‚anfjerordentlicher Ge—
ſchwindigkeit, fo viel es die Befchaf:
“+ fenheit ‚eines. Srachtwagens zuldgt,
“ nach Hamburg abgegangen, und fo:
“wohl ich, als mein College, der
* Merra wie ihn Em, Hochwohlgeb. |
7 52 zu
*
*
*
*
—
*
*
*
N
=
zu nennen belieben, haben uns tn:
terweges forgfältig gehuͤtet, "dag
Geld nicht unnüg zu verthun, fo un:
verfchämt die Wirthe auch foderten,
warum? weil ich meinen Freund
immerhin eine viertel Meile hatte
voraus laufen laffen, um das Logis
und die Bewirthung zu bedingen:
Am Sonnabend ließ ich das Theater
auf dem groffen neuen Markte auf:
fchlagen, ritt mitnieinem Zahnkranze
um den Hals durch die Gaſſen, und
lich die fämmtlichen Zufchauer durch
meinen Darren, denich Peter Squenz
genannt habe, feyerlich gegen den
Montag zu meinem medicinifchen
Vorrathe einladen. Am Montage
ftanden wir zum erftenmaleäus. Und
hier, Hochwohlgeb. Herr (fi quid
eft in me ingenil, quod fentio
quam fit exiguum, zu Deutfch:
wofern ich Genie befiße, welches
viele Leute für eine Kleinigkeit halten
wollen, vid. Cic. opera omnia
"Tan.
4
‘4
‘4
“
#-
u
4
T. UL p. 246. edit. nouifl. Erf.
1539. ap. Selwich. et hered. in
12mo.) fo muß id) von mir felbft
fagen, daßich durch meine vortrefli;
chen Anftalten, durch meine fchöne
feibesgebehrden, durch den anftäns
digen und edlen Ton meiner Stimme,
und vornehmlich durch die herzrüh:
‚rende Gabe der Beredfamfeit, die
mir eigenthümlich ift, an diefem ein:
zigen Tage mehr Grofjes auf dem
neuen Marfte ausgerichtet habe, als
viele andere in einem langen Zeit:
taume von Jahren gethan hätten,
ob ich mich gleich befcheide, daß Pe:
ter Squenz durch feine lieblichen
Manieren nicht wenig dazu benge:
tragen haben mag. Nachdem ich die
unfchäßbare Verſammlung, die ich
vor meiner Bühne im groſſem Ges
“dränge ſtehen ſah, fammt und fon:
ders nach Standes Gebühr angere:
det, und von meinem, Borhaben,
wie auch der innern Befchaffenheit
| 53 "und
und Wirkung meiner Arzeneyen un:
terrichtet hatte; fo fürchte ıch zwanzig
dunkle Köpfe aus dem Haufen aus,
an denen ich mein Probeſtuͤck machen
wollte. Ich erfundigte mich nach
der Urſache ihrer finftern Gemuͤths—
art; fand aber, daß die wenigſten
eine gruͤndliche Urſache angeben konn—
ten, ſondern alle darinn uͤberein fa-
men, die Krankheit ſey von den Aerz⸗
ten für unheilhar ausgegeben wor—
den, Ich fragte fie ferner, feit
wann fie zum letztenmale gelacht hät:
ten, und erfuhr, daß die meiften
fich dieſer Zeit gar nichtmehr erinnern
fonnten. - Hierauf mim ließ ich mei:
nen Peter Squenz hervor treten),
und ein Mährchen aus dem Nimrod
declamiren, meiches nicht nur bey
den 20. Patienten, fondern ben der
ganzen Verſammlung, fo weit
das färfite Auge, das in der
Mitte ftand, reichen fonnte,
ein fo erfchreekliches Gelächter verur:
“ achte,
#4.
WTE
[24
44
d4-
u
u 87
ſachte, daß mir angft und bange
wurde, und ich es nicht wagen noch:
te, (quod dietum fit venia tua,
welches Hochdiefelben gnädigft ercus
firen werden ) nad) Dero Vorfchrift
die Dofin mit einigen Alexandrinern
aus der Schwarzias zu verftärken.
Weil ich von der heftigen Erſchuͤt—
terung der Nerven und der Altera—
tion des Gebluͤts, ſo dieſe Operation
mit ſich brachte, uͤble Folgen befuͤrch⸗
tete; ſo wechſelte ich ſelbſt mit einem
von meinen Neujahrswuͤnſchen ab,
worauf das Gelächter allmaͤhlig ab:
nahm, und fich zu einer fanften an:
daͤchtigen Melancholie anzulaffen
schien, als ich geſchwind inne hielte,
um die Gemuͤther in Gleichgewicht
zu ſetzen. Hierauf ſtellte ich meinen
Zuhoͤrern die ausnehmende Wirkung
meiner Arzeneyen nochmals vor Au:
gen, und meine Rede fchloß fich mit
einem: Es lebe der bewun—
2 a Adept! der A—
54 “Dept
“u dept aller Adepte! das Mon
“ firum unter den Adepten!
U Patria et, vbicunque bene eſt.
Wo das Berdienft gut wird erkannt,
“ Da wahl ich mir mein Vaterland;
“ möchte ich bennab mit jenem Heiden
+ auseufen, der lange fo viel Urfache
“ nicht haben konnte, diefes vorzuge
“ben, als ich und Peter Squenz.
* Gott fegne Hamburg und feine Pa:
* tienten! es ift Schade, daß ich es
“ fo.bald verlaffen fol! Ew. Hoch⸗
* wohlaebohrnen werden aus der Bey⸗
lage erfehen, wie man mich die wer
nigen Tage über, da ich daſelbſt aus:
*’ geftanden, mit Ehre und Wohltha:
‘“ ten überhäuft, und meine: Gegen:
“ wart nicht hur inter priuatos pa-
“ rietes, (zwiſchen vier Wänden )
“ fondern auch an vielen öffentlichen
* Orten, als da find Caffeehäufer,
“ Weinhäufer, Chocoladehäufer, Spiel:
haͤuſer ꝛc. verlangt habe, worinn ich
| * Billiger:
‘4 billigermaaſſ en nicht umhin gelonnt,
zu willfahren.
Ich empfehle mich Dero hohem
# ‚Woplwollen, und erſterbe in tiefiter
9 Ebrfurcht 1% |
ERREGT Ge
Unterhäni iger Bericht von einigen
‚merkwürdigen Curen.
Here" eichnamsgefchworner Dtſch.
aus Halle im Magdeburgifchen, ein
Mann won 30, Jahtren, lag in einem
hitzigen Fieber, bey dem er entzuͤndete
Augen und ein fo heftiges Phantaſi ren
hatte, daß man ihn nicht im Bett hal⸗
ten konnte. Ich hoͤrte ihn waͤhrendes
Phantaſirens von einem kleinen Licht
und einem groſſen Licht, von Poeten
am Anfang der Tage, und dem Diebe
am Ende der Tage, am meiſten aber
von Kloͤtzen auf hölzernen Baͤnken, de:
ren Ohren Gewalt! ſchreyen ꝛc. durch
einander murmeln; und ein ficentiat,
ik det
*
go —
ber vor dem Bett ſtand, ſagte mirleiſe,
daß Patient den Abend vorher die Rhap⸗
ſodie in kabbaliſter Proſe geleſen habe,
die in der von Em. Hochwohlgebohrnen
mir hochgeneigt mit verordneten Kran⸗
kenbiliothek Sub Litera H. befindlich iſt.
Da mich nun beſagte Rubrik auf das'
Recipe Sub Litera Z. nro: 54. verwies,
und ich an letzterwaͤhntem Orte ein Stuͤck
von der im Sande Hadeln hochberuͤhm⸗
ten Gazette litteraireantraff, foerman:
gelte ich nicht, felbiges Blatt mit dem
Hut unter den Arme und allem'erfor-
derlichen Anſtande Tangfam und ver:
nehmlich abzulefen. Es fand fich bier:
auf zu meiner Bermunderung bey dem
Patienten ein Anſatz von Schlafſucht
ein, wobey fih etwas Geltfames in
dem Gefichte deffelben äufferte, ſo ich
wohl eher bey Perſonen, welche ſich be:
auem machen wollen, (fitvenia verbo),
wahrgenommen babe, und'dieih Ew.
Hochwohlgeb. nicht beffer zu befchreiben
TRBT als wenn fie fich eine Perfon
vor:
_
vorzuſtellen gelieben, aus deren Anſe⸗
hen man nicht mit voͤlliger Gewißheit
errathen kann, ob ſelbige weine, oder
aber lache. Ich wiederbolte das Mit:
tel bey jedem-lucido interuallo; und
weil ich merkte, daß die Augen immer ſtaͤr⸗
ker entzuͤndet waren, je oͤfter ich las:
fo errieth ich, daß ich das Mittel Sub
Litera K:nro, 1, zur Hand nehmen müf
fe; worinn sich mich auch keinesweges
betrog, indem Patient fogleich bey allen
Grazien und Veneribus austief, daß
er fich erquickt fühle, daß er fich auffer:
ordentlich erquicht fühle, und daß er
fich der Leichnamsverweſung nun nach
wie vor. annehmen wolle: wozu ich ihm
denn von Herzen Glück wünfche,
Frau, — von 23. Jahren, wurde
an einen Sonnabend den dritten Tag
nach ihrer erfien Miederfunft, als fie
ein Gluͤckwuͤnſchungs-Gedicht auf die:
fe fröhlige Gelegenheit von dem welt⸗
befannten Heren Stadtpoeten W. ges
leſen hatte, ſo Ew Hochwohlgeb. ver:
| muth⸗
02 bene unsern
mutblih in den äffentlichen Blättern
zu Öefichte gefonmen feyn wird, von
einem Falten Schauder befallen, wor
auf fie Hiße befam, und in Schweiß
gerieth. Sie fing bald an, fi vor
dem Tod zu fürchten, und nachdem fie
einige Anfälle von einem befchwerlichen
Drbemholen gehabt, befam fie eine
hyſteriſche Ohnmacht, ben welcher aber
der Puls nicht verändert wurde, ohn—⸗
erachtet das Othemholen fo ſchwach
war, daß man es kaum merfen fonnte,
Unter diefem Anfalle, der faftfünf viers
thel Stunden dauerte, feufzte und win⸗
felte fie öfters, und hatte abgebrochne
Verſe im Munde. Gie nannte auch
den Namen des Poeten, und machte
Bewegungen mit den Händen, wie die
Sterbenden zu machen pflegen, als ob
fie etwas zerreiffen wolle. Ich erins
nerte mich fodanı des Univerfal: Mit:
tels, welches Em. Hochwohlgeb. mir
für folche Fälle anvertraut haben, und
befahl, Sämtliche Eremplare, die im
FIR | Haufe
— 93
Haufe zu finden wären, drey vierthel
Stunden lang in heiſſem Waffer zu fie:
+ fie darauf in fo viel länglichte
uͤcke, als Verſe waren, zu zerfchnei:
den; rollte jie dann Angefichts der Frau
Parientinn- in kleine Kugelchen zuſam—
men, und prellte felbige, da in derglei—
chen Krankpeiten gar viel, 160 nicht
das mehrefte, auf die Sympatbiam an:
fommt, dem Herten Verfaſſer mit mög.
lichfter Behendigfeit vor die Stirne,
an die Nafe, hinter die Obren u. f. w.
Etwa zehn Verfe mochten auf ſothane
Art beygebracht ſeyn, als ich eine un:
erwartete Heiterkeit in den Augen der
Frau Patientin: erblickte, welche bald
von einer aumuthigen Roͤthe, und fol:
gends auch von einer gewünfchten Ge:
fundheit begleitet ward. >28
Mademoiſelle — eine, vollblůtige
fette und ſehr liebenswuͤrdige Jungfrau
von 19. Jahren, war drey Wochen vor
ihrer Hochzeit nach Leſung eines Buchs,
welches fie Caquet-Bonbec nannten,
mit
68 Ess
mit einem frarfen Vervenzittern, fo
vermutblich aus Aergerniß entſtande
befallen worden. Ich ward unge
zu Rathe gezogen, fand es aber bed
lich, mich fo kurz vor ihrer Hochzeit,
Cfie heirathet einen alten Herrn, der
ein Grofirer ift) , in eine meitläuftige
Cur einzulaffen , weil ich mir von dem
Dergnügen der bevorfiehenden Ehevers
bindung fehon an ſich ſelbſt die erwuͤnſch⸗
teften Folgen verſprach; bin auch fo
glůͤcklich geweſen, mich in meiner Muth⸗
maſſung nicht betrogen zu ſehen, immaſ⸗
ſen mir geſtern, als den fuͤnften Tag nach
der Hochzeit, die Hausjungfer geſagt hat,
daß ich mich fernerhin nicht zu bemuͤhen
brauche, weil ihre junge Frau ſich durch
Leſung eines groſſen Autors, mit Namen
Boccaz, erleichtert finde.
Vorigen Dienſtag ward ich nach
Jardins Caffeehaus gerufen. Ich
fand daſelbſt zween Domherren, einen
Officier, einen jungen Arzt, ein paar
Stuger, ‚einen finftern Mann, der in
der
95
der Eike ſaß, einen Landjunker, und
drey Igrifche Dichrer,, die meine Künfte
zu fehen verlangten. Sch las die Nacht—
gedanfen des Herrn Canonicus Jacobi
aufs zierlichſte vor. Die Domherren
entſchliefen, der Officier runzelte die
Stirne, der junge Arzt nahm Schnupf:
toback, die Stußer fangen , der finſtre
Mann fprang auf, und ſteckte mir einen
touisdor in die Hand, der Landjunfer
niachte einen Bärentanz, und die lyri⸗
fchew Dichter fchlugen ein lautes Ge:
lächter auf, Die Domberren erweckte
ich. mit einem Recept aus Loofts Koch:
buch, dem Officier las ich, ein Aben⸗
theuer aus der Biographie der groffen
Helden vor, dem Arzt gab ich eine Pri:
fe aus St. Lorenzos Horndoſe, den
Stußern fang ich. ein Hirtenlied von
Kunzen, dem finftern Maun declamirte
ich zur fchuldigen Danffagtng den Ge:
fang auf den heiligen Hippolytus, dem
Sandjunfer ein Kapitel aus Döbels Jaͤ⸗
gerpraktika, und den drey lyriſchen
RR Dich:
96
Dichter eine fenrige Ode ans den Ham⸗
burgifchen Beträgen; worauf ich ein
allgemeines Plaudite! (zu deutfch:
laßt den Teller herum gehen ) erbielte,
— Die andern Euren von diefer Art
werde ich mündlich erzehlen.
Am Mittewoch machte ich die Probe
mit dem erften und dritten Stücke des
Hypochondriſten, welche ich auf allen
Öffentlichen Märkten ablaß. Auf dem
neuen Markte bey der Hauptwache ent;
fiand ein Gefchrey; der Verfaſſer muͤſſe
weder den Lockvogel, noch die Toiletten
gelefen haben, und David Wilhelm
Maͤvius ſelbſt ward, zu meiner nicht
geringen Befremdung ein Dummkopf
genannt. Ein Officier trat hervor,
und wünfchte, den Autor auf dem Ham:
burgev Berge zu haben. Auf dem Gän:
femarfte ward ich ausgelacht, vermutb:
lich, weil Peter Squenz mit zugegen
war. Auf dem Zeughausmarkie liefen
die Leute davon, weil eben eine Execu⸗
tion gefhab. Auf dem Pferdemarfte
je fchrien
— 97
fhrien die Stußer, der Verfaffer wifje
nicht zu leben, und von der Kunft zu
lieben müffe er gar nichts verftehen, Am
Hopfenmarkte ward ich mit einem grof:
fen Huffab! verjagt. Am Schweine:
markte Flagte man, das Blatt wäre zu
fein gefchrieben. Am Schaarmarfte
sifchte man fich in die Ohren, der Nutor
habe gefährliche Abfichten,; und am
Berge, wo die Posten wohnen, fand
man die Satire zu fade, den Stil zu
ungleich, den Rechtsſpruch über Mä:
vius fehr vernünftig, glaubte aber pro:
phezeiben zu Eönnen, daß fich das ‘blatt
nicht erhalten würde, weil der Verfaf:
fer, allem Anfeben nach, felbft Fein
Poet jey.
Ich bin vt in litteris etc.
1 ae u >=
Mittwochs, den 20. Januar.
Herr Mävius hat mirans Gluͤckſtadt
gefchrieben, er wolle mir die Kranken:
Der Hypoch. 1. T. G liſte
98 — —
liſte von Altona und Gluͤckſtadt, auf
der Durchreiſe nach dem Schleswiger
Dom, am Freytage ſelbſt einhaͤndigen.
Sch danke Ihnen, lieber Herr Maͤvius;
Sie haben Ihre Sache ſehr wohl ge—
macht; ich werde ſchlafloſe NRaͤchte ha⸗
ben, bis ich Sie ankommen ſehe. O
Goͤtter! haͤtte ich das jemals gedacht,
daß ich ein fo nuͤtzlicher Mann im Staa:
te werden würde! Gewiß, dieſe Erz
findung wird mich unflerblich machen,
mit ehrerbietigem Schauer werden die
Enfel meinen groffen Dramen nennen,
und marmorne Denkmäler werden dem
Wandrer fagen: +
Groß war er, zärtlich, weife, gut,
ZTieffinnig, ftol;, ven edlem Blut:
Tritt ſanft! die heilge Aſche ruhe!
Sreytags Morgens, den 22. Jan.
Nun muß er kommen, es Fann nicht
fehlen. Meter, gefchwind feht einmal
aus, ob der Wagen koͤmmt. — Die
vers
er 09
verwuͤnſchten Frachtwagen zaudern gez
waltig. — Wie wunderbar iſt das
menſchliche Herz! wie wird es von ſei—
nen Leidenſchaften herum getrieben! das
Herz klopft mir, der Puls ſchlaͤgt ge—
ſchwinder, der Athem iſt kuͤrzer. —
Peter! zum Henker! guckt doch heraus,
ob der Wagen koͤmmt. Wie er da ſteht,
als ob er Bley an den Fuͤſſen haͤtte!
Nachmittags, um drey Uhr.
Ich bin verloren! ich bin zu Grunde
gerichter! "Tod und Schande! Der Da:
vid Wilhelm Mävius ift mit den Gelde
und den Bürgern davon gegangen, Der
Elende, fein Narr, ift den Augenblick
angekommen, und weint, daß er ber
trogen worden, O gottlofer, fchänd:
ficher David Maͤvius! O meine Me:
diein! meine Eoftbare Medicin! Wie
bedaure ich den Schleswiger Dom! —
"Und o! meine Fofibare Medicin!
wi
iss 62 Fünf
100
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Fünftes Stüd.
Super alta vectus Atus celeri ratemaria!
Vadit, fremit, et refringit virgulta pe-
de vago.
CATVLLVS.
O⸗ ich mich gleich aus Ehrerbietung
fuͤr die Welt, der, ſo viel ich
weiß, mit den beſtaͤndigen Ausbruͤchen
meiner Hypochondrie nicht viel gedient
ſeyn kann, nur allzu ſehr bemuͤhe, eine
lachende Mine anzunehmen; ſo bin ich
doch eben itzt und faſt immer der aͤrgſte
und unruhigſte Hypochondriſt, den man
ſich denken kann. Die Luft! o weh!
und die Bruſt! und das Blut! und der
Magen! und die Elaſticitaͤt meines
Nervenſyſtems, Himmel! die mich
itzt wegſprengt — welch ein Sprung! —
Meine
— — 101
Meine Leſer moͤgen froh ſeyn, daß ich
nur ſelten in der boͤſen Stunde ſchrei⸗
be —
Dieß versbünfchte uebel der Liebe,
zu dem weiter kein Zuſatz fehlt, um
mich vollends zu toͤdten, als das Zip:
perlein, ſuche ich mir fo gut zu zerftreus
en, als mönlich it. So bald ich den
Suͤdwind und regnichtes oder neblich:
tes Wetter im Calender wahrnehme;
fo laſſe ich meine drey nächften Nach:
barn, Herrn Jeoffry, den Britten,
Herrn Schuwalitz, den Ruſſen, und
Herrn Obluf Jernſtrup, zu mir bitten;
dren Edelleute, die wenigftens eben fo
bnpochondrifch find, als ich, und fich
durch nichts weiter von mir unterfchei:
den, als daß fie niemals geliebt haben.
Wenn das Wetter fich wieder aufklärt;
fo gehen wir auseinander, und ich genieffe
die Gefellfhaft der Herren Palnatofo,
eines jungen Dfficiers, und Roſe eines
jungen Poeten. Ben ftarfem Unge:
witter, Donner und Blitz erfreut mich
G 3 Herr
162
Herr Naumann, der Tragödienfchrei
ber, mit feiner wertheften Gegenwart ,
und beym Aufſchwellen der See Herr‘
Man, ein alter franzoͤſiſcher Handels;
mann und Dolitifer. Itzt babe ich die
Herren Jeoffry, Roſe, Schumaliß
und Sernfirup bey mir, undich wünfch:
te meinen $efern das DBeranügen, daß
fie uns einmal beyſammen fehen koͤnn—
ten. Auch ermangle ich nicht, dem
feeundlihen Herrn Fabeldichter Stoppe
nachznahmen, und Biefelben allerfeits,
ben mäßigen Stunden, zu mir einzu:
Inden, nicht zwar, daß ich ihnen einem
neuen Parnaß oder Eättler, ſondern
vielmehr die Phyſiognomie und traurige
Figur von drey Hypochondriſten, er—
gebenſt darſtellen moͤge. Wenn das
Malum uns angreift, ſo ſehen wir uns
grimmig an, ruͤmpfen den Mund, ver:
zuefen die Arme und das Geficht, oder
halten ein Furzes oft abgebrochnes Ge:
fpräch, obngefehr in dem folgenden
Geſchmack:
Zach.
— 103
Zac. Jernſtrup. Io fißt es
ihnen, Herr Seoffiy?
Jeoffry. Oben am Hals, wie
ein Stuͤck Pudding oder Koftbeef, Herr
Zacharias.
Shuwalis. Ey! en! was ma:
chen Sie da für ein Geſicht, Herr
Ohluf!
Ohluf Jernſtrup. Ein hopo—
chondriſches, Herr Schuwalitz! —
Tutti. Ein boͤſer Wind! eine ar:
ge Luft! ein haͤßliches regnichtes Wet—
ter! Behuͤte uns der Himmel für Oft:
wind! |
Dhluf. Theurer Herr Roſe, Ba:
ben Sie nicht irgend ein Lied auf den
hieſigen Zephyr zur Hand?
Tutti. Sa, theurer Herr Roſe,
wenn Sie das haͤtten! —
Roſe. Ich bitte um Verzeihung,
ich mache nie Lieder auf den hieſigen
Zephyr, aber wohl auf den hieſigen
Weſtwind. Inzwiſchen thut es mir
en leid, m ic) nichts zu mir ge
64 ſteckt
104 ——
ſteckt habe, als eine moderne Ueberſetzung
eines gewiſſen Liedes von Horaz, die allen⸗
falls nichtohne Wirkung ſeyn wuͤrde.
Zacharias. Was nennen Sie ei—
ne moderne Ueberſetzung?
Mofe. Eine ſolche, worinn das
Uebliche des alten Dichters in das Ueb—
liche unfrer Zeit verwandelt wird, Ich
mache meine Ueberſetzungen nie anders,
fo wie ich auch Fein altes Inrifches Ge:
dicht anders als in ungleiche Stangen
—
Tutti. Was koͤnnen Sie dazu fuͤr
Urfachen haben?
Noſe. Eine gute Anzahl, die aber zu
weitlaͤuftig herzurechnen ſind. Wollen
Sie das Lied hoͤren?
Tutti. Otheurer Herr Roſe, wenn
Sie die ee haben wollten! —
Roſe. Moderne Ueberfegung
der fechszehnten Ode des erjten
Buchs.
O Schoͤnſte! ſchoͤner, als Cythere!
Ohluf.
105
Ohluf. Um Vergebung, daß ich
Ahnen ins Wort falle, ch dachte,
Cythere gebötte nur zu dem alten Lieb:
lichen.
Hofe Um Vergebung, Cythere
ift immer üblich, Wir müffen die My—
thologie, die eine Schöpfung für die
Imagination ift, nicht mit dem poli:
tischen Coſtume vermechfeln. Iſt fonft
etivas zu erinnern?
Tutti. Laſſen Sie fich nicht ftöh:
ren, Here Rofe,
Roſe.
O D Schönfte! ſchoͤner, als Cythere!
Schilt deine Roſenlippe noch?
Gib nur (o daß es nie von mir geſungen
waͤre!)
Gib das verwuͤnſchte Lied dem Schneider
oder Koch,
Daß in der Werkſtatt es die Scheere,
Und auf dem Heerd, der immer fürſilich
ro),
Am Schenkel des Safans, das Feuer es
verschre.
65 Der
106 nr
Der Schönen Zorn ift fürchterlich!
Gleichguͤltiger, und minder fheu, ſeh ich
Kroaten und Koſacken wuͤten,
Und Graf Tottleben Brand und Hunger
noch gebiethen:
Es iſt mir nicht jo fuͤrchterlich!
Unanfgehalten ſtuͤrmt ver Schönen ſtaͤrkre
Stimme,
Sobald der Zorn fie laut gemacht.
Der Nordteind brauſt, der Donner Fracht,
Der Fels erliegt der Wogen Grimme,
Die Ceder finft, die Eiche bricht,
Die Erde bebt, und Niemand * fpricht :
Die Schöne nur verfiummet nicht.
Sm Scherz ſchuf Jupiter das zärkliche
Geſchlecht:
Nicht ſelten hat es ſich geraͤcht.
Er
* Herr Roſe ſcheint hier ſans comparai-
ſon mit dem Worte Niemand zu
ſpielen, wie Homer mit dem Wors
te Odyſſeus.
107
Er gab der Hebe Heiz den buhlerifchen
Waͤngen,
Den Augen feiner Blitze Glut,
Dem Eleinen Kopf ven Wig der Schlangen,
Der Bruſt des Haͤcchens [wachen Much,
Dem zarten Mund des Löwen Wuth.
*
— Maͤnner, ſcheut den Zorn der Schoͤnen!
Umarmen möge ihr fie, nicht hoͤhnen:
Ich fag es noch einmal, ihr Zorn ift fuͤrch—
telid.
Sch fah ein holdes Weib, dem Helena
kaum glich;
Sie höhnte der Gemahl kurz nach dem
Morgenſchiafe:
Ein Paris kam zu ſeiner Strafe;
Und ach! der Mann erhenkte ſich!
Warum mußt ich zum Zorne dich ent
flammen?
ß Barum) o Meizende, veriehße dich mein
ETRIIT 35711 6.00 2
Ich Thor! um m one es zu damen; |
her Mit
108 kei minor
Mit Zitfern der zu flehn, der mein zu kuͤh⸗
ns Spiel
Ep ſehr und fo gerecht misfiel!
Ach! Alerſchoͤnſte! blick in milder Guͤte
Verſoͤhnt auf mich herab!
Gib mir dein Herz —— ** einſt mir
gluͤhte,
Als ich mein Herz, (es war ſtets dein),
dir gab!
Darn weh dem Srerler, deffen Lich
Mathildens Stira in Runzeln zieht:
Dann tönt nur wider ihn mein Lied.
Wir fühlten uns famt und fonders
nach diefer Borlefung einige Unzen leich:
ter ums Herz, und Herr Schumwaliß
konnte fich nicht enthalten, ihm mit
einem lauten Sfuche nad) feiner Art:
daß dich der Kuckuck, Junge! daswar
mir ein Lied, wie ein lirtanifches Dai:
no! auf. die Achſeln zu Flopfen, als
wenn er ibn gleih hätte zermalmen
wollen.
Here
? —— 109
Herr Schumaliß hat gereiſt, es iſt
eine Luft, ihn feine Reifen erzehlen zu
bören, und befonders Fann mean viel
Nutzen aus feinen Anmerkungen ziehem.
Wenn wir alſo nichts beſſers zu thun
wiſſen, und der heftigſte Paroxiſmus
voruͤber iſt; ſo bitten wir ihn, uns et⸗
was aus feinem geſchriebenen Reiſejour⸗
nal vorzufefen; ich wechsle zuweilen mit
dem meinigen ab, und Ohluf Jernſtrup,
der ein groffer Kunftrichter ift, ftelle
Betrachtungen über unfern Stil an,
indeg Hr. Jeoffry, zu jeder Vortheil—
haften Befchreibung der Nationen, die
Eeine Engländer find, fein fneer macht,
Sch halte es für Feine meiner gering:
ften Gefälligfeiten gegen meine Lefer,
daß ich fie heute mit einigen Foftbaren
Merfwürdigkeiten der fchumalißifchen
Meife unterbalte, meil nicht ein jeder
ein folcher Scythe ift, daß er derglei:
chen tieffinnige, gemeinmüßiae Beo—
bachtungen über Völfer, Länder und
Gebräuche anıtellen Fönnte, Um aber
— auch
110 —
auch. hierinn das Angenehme mit dem
Nuͤtzlichen zu verbinden, eine Pflicht,
deren die Schriftfieller nicht genug ein;
gedenf feyn fönnen, wenn man anders
dem alten Horaz glauben will, der fi)
gewiß daranf verfland, ober gleich Fein
Wochenblatt gefchrieben Bat; fo will
ich auch die Eſſentia amara das ift-fri-
tifche Anmerkungen des Herrn Ohluf
Jernſtrup, und zu gehöriger Zeit ein
ge Tropfen vonder Eſſentia duleis des
Heren Rofe darein mifchen, Alſo nur
angefangen, mein Herr Schumalig!
Nichts ſey Ahnen zu wichtig und ge
beim, was Gie vor Ihren Freunden
verbergen möchten!
Reiſebeſchreibung.
Die Begierde, den groͤßten Theil
des hollſteiniſchen Landes zu beſehen,
hat es verurſacht, daß ich von Kiel nach
Itzehoe gereiſet bin. Es iſt gewiß die—
ſes nicht der anmuthigſte Weg geweſen.
Das Staͤdtchen aber, welches gleichſam
die
—
”
Ill
die Grenze zwifchen der Köckerichten
Geeſt und der ebenen Marfch ift, hat
etwas reizendes in den umliegenden Ge:
genden. — Ich Din von bier durch die
anmuthige Kremper : Marfch, auch
durd) das Städtchen Krempe, welches
mit einer unveraleichlichen Kirchthurm⸗
fpiße -pranget, . nach Gluͤckſtadt gereis
fet. — Von Gluͤckſtadt bat mich ein
bolifteinifhes leichtes Fuhrwerk über
den Stöhrfluß durch die Wilfter-Marfch,
durch St. Margarethen über Bruns—⸗
büttel, durch die Ditmarſch, über Mel;
dorf, durch das Städtlein Hende, über
den Eiderfluß bis in Friedrichfiadt ae:
führt, - ch befenne fehr gerne, daß
ich ohne angenehnie Gefellfchaft diefen
eg nicht oft zu reifen wünfche, und
überhaupt hat mich diefe Gegend allbier
herum nicht fonderlich ergößt. Denn
da ich diefe Reife in den heiffeften Som-
mertagen verrichtet, und faft Eeinen
einzigen Baum, mithin auch menig
kuͤhlenden Schatten, gefunden habe,
jo
112 man > ern
fo ift mie zu Muthe geworden, als ob
ich über die Lüneburger Hende reiſete.
Anmerkungen son Ohluf Jernſtrup.
Wenn Sie mir erlauben wollen,
Herr von Schuwalitz, man haͤtte wohl
einige Nachricht erwarten Fönnen, was
Sie unter dem hollfteinifchen feichten
Fuhrwerk verſtehen, ob esein Kahn ges
weſen ift, oder ob Sie auch Pferde und
gen zu Hülfe genommen haben, um
ſowohl über den Stöhrfluß, als über
Meldorf durch das Städtlein Heyde zu
gelangen. Solche Fleine Erflärungen
haben ihren weitläuftigen Nutzen, wie
Sie wiflen; vornehmlich bier, wo Sie,
allen Anſehen nach, von einer Fähre
reden, Ferner möchte es feheinen, als
ob der Weg an der Linbequemlichfeit
Ihrer Reife ſehr unfchuldig gemwefen,
da Sie diefelbe in den heiffeften Som:
mertagen vorgenommen } denn wo ich
nicht irre, fo würde es Ihnen, ben der
Ihnen vo ganz, eigentbümlichen Hitze
Ihres
——⸗ 113
Ihres Gebluͤts, in jedem andern fan:
de eben fo gegangen feyn, wenn Ih—
nen nicht etwa ein garungeheurer Schat
ten aufgeftoffen wäre: Aber ich bitte,
laſſen Sie uns weiter hören.
| Reifebefchreibung.
Die Bürger in Friedrichftadt zieren
auf hollänsifhe Weife fich mit Schlaf:
rocken. Die Infulaner von Sylt und
Foͤrde u. ſ. f. finden fich oft zu Huſum
ein, und machen in ihren Kleidungen
einen Redoutenmäßigen Aufzug. Schless
wig ift ſehr weitlaͤuftig, und eben nicht
fonderlich regelmäßig gebauet. Doch
wird diefes durch die umgängliche Le—
bensart der Einwohner, auch durd) die
angenehmen Gegenden, erfeßt, Die
Begierde, bald nach Copenhagen zu
kommen, bat den Wunfch, allbier län:
ger zu bleiben, befiegt; aber ein kleines
Ebentheuer hat bey äuff erlicher uner⸗
traͤglicher Sonnenhiße mein inneres
Feuer in etwas gedaͤmpft.
Ser Hypoche 1. DD. An⸗
114 —
Anmerkung. |
Sch habe mich oft gewundert, wie
e3 möglich gewefen, daß Herr Schu
waliß, als ein Ruſſe, fich zu einer fo
heitern, ſanftanmuthigen Schreibart
hat ausbilden koͤnnen, als ob er aus
den fetten Fluren Meflenburgs, und
nicht vielmehr in den rauben Kurhifchen
Wuͤſten, gebürtig wäre, Beſonders
freue ich mich über das- innere Feuer,
welches ich bey jeder Gelegenheit in ihm
wahrnehme, ob es mich gleich verdriegt,
dag dieß Feuer duch Aufferliche uner—
trägliche Sonnenbige zumeilen in etwas
gedämpft wird. Ich würde mir noch
in aller Eile eine Befchreibung von den
Friedrichsftädter Schlafröcen ausbit:
ten, wenn mich nicht ein inneres Feuer
verzehrte, zu erfahren, was doch das für
ein Ebentheur fen, wovon Cie reden,
- Reifebefchreibung.
Sch ſehe im Geift Eure Begierde,
mein Schickſal zu erfahren, ich werde
euch
— 115
euch aber nicht felbft die Gelegenheit
ſchaffen, meiner zu ſpotten; auch er⸗
innere ich mich, gleich nach meiner er—
Vorleſung, verſichert zu haben,
Euch nicht mit Ebentheuern zu unters
halten, Diefes aber hudgt Ihr wiffen,
daß von Schleswig nach Flensburg uns
terſchiedliche Wege fuͤhren; der eine
geht durch eine der fetteſten anmuthig—
ſten Gegenden von ganz Deutſchland,
und dieſes vortreffliche Ländchen wird
Angeln genannt. (Ihr werdet uch
erinnern, daß Herr Maͤvius aus An:
geln gebürtig ift.) Der andere führer
über eine verwünfchte, Heyde, welche
niemals unerträglicher ift, als wenn
die Sonne in den heiſſen Sommertagen
in den Bormittagsftunden dem Wan—
dersmann faR den Scheitel durchbohret.
Welchen Weg von beyden ich gereiſet
bin, moͤget ihr errathen. Ich bin in⸗
zwiſchen innerhalb 6 Stunden von einem
Subrmann, welcher auffer feinem Ges
fiht wenig menfchliches an fich hatte,
Au. Bus gebracht.
22 Es
116 ——
„ Es war nicht möglich, von dem
* Seren Reifebefchreiber herauszubrin:
“gen, was für ein Ebentheur er ei-
“ gentlih gehabt babe, und da wir
’ nicht errathen Fonnten, welchen Weg
“ oon beyden er gereifet fen; fo zuckte
* er die Achfeln über uns, und ging
weiter. Folgen nun die Reifean-
* merfungen zum Gebrauch der reifen-
“ den Jugend.
1. Es ift niemand zu rathen, ohne
dringende Gefchäfte in den Jahrszeiten,
da die Witterung regenhaft und das
Erdreich locker ift, in den Hollſteini—
ſchen, insbefondere aber inden Marfch:
ländern zu reifen.
2. Die bollfteinifchen Anzeigen von
Merkwürdigkeiten werden in Glückftadt
wöchentlich ausgegeben.
3. Das Auffenwerf von Glücftadt
verdient wohl beobachtet zu werden.
4. Weil man auf der Reife von Frie—
dricheftadt nach Hamburg beftändig eine
Nacht unterwegs zubringen muß; E
i
BR
—
117
iſt ſehr rathſam, ſich zu gewiſſen Jahrs⸗
zeiten auf dieſer Reiſe eines ſogenann⸗
ten Advokatenſtuhls zu bedienen, und
ſich darinnen gegen die unfreundliche
Witterung zu beſchuͤtzen.
5. Es gehört zum anmuthigen Zeit:
vertreib in Flensburg, daß man in den
Wintermonaten auf dem Stadtweins
keller die artigften Gefellfchaften antrifft.
6. Wer eine Geſellſchaft und junge
Fuͤſſe hat, kann ſich einen angenehmen
Spatziergang von Krempe nach Gluͤck⸗
ſtadt machen.
7. Man nehme zwiſchen Rendsburg
und Schleswig das Mittagsbrodt in
der Feldſcheide zu ſich: es iſt auſſerhalb
unterwegs wenig Troſt.
8. Drey Meilen von * *ifteine Poft:
balteren. Wehe dem, der bier einen
hungrigen Magen und leeren Beutel
hat!
Aber wie wird mir? Welche Trau⸗
rigkeit Überfälle mich urplößlih? Der
Be Es ift das Malum! O Rofe!
\ H 3 Roſel
Roſe! finge mie sas litthauiſche Daino;
wie du es nach der Melodie Daß du
mein Schäßchen bift eingerichtet
haft! Kofe fang, da indep Herr Schu:
waliß, wie König Saul aufeiner wolk
nen Tapete, mit einer fauren Mine fein
geibftüc anhoͤrte.
Litthauiſches eg:
Sch hab itzt aufgefage
Mei'm Meütterlein,
Igßt in der Hitz —
Des Sommerlein.
Such, Muͤtterlein, dir nur
Ein Spinnerlein, |
Spinnerlein Hein, — —
Und Weberlein. |
Sch habe fponnen guug
Das Flächfelein „io
“ Gnug auch gewirft —
Das Leinwandlein.
—— 119
Ich habe gung gehorcht
. Heim Muͤtterlein;
SG' horchen muß id —
je * —— mein.
J ach * mein Kränzlein klein
Von Raute grün,
Fallen wirſt du —
BVom —
sh hr, o mein’ Haarfi echtlein
Bon Seide grün,
Flittert nicht mehr —
Im ——
du mein Haͤnbelen RE? ?.
Mein Hanbelein *
Raſſeln wirſt du —
Im Windelcin.
Euch, v mein’ Haarflechtlein,
Er Und X Kranzlein 9—
8 Sag ich, Abel —
u Mit Thränelein. TI |
| 24 ©!
120
So! rief Herr Schuwaliß ſchier ver⸗
zuckt aus, das half gewaltig; und nun,
ihr Herrn! will ich euch einige Nach⸗
richten von den Unbequemlichkeiten einer
Reiſe mittheilen, da doch dieſe Materie
leider! nur allzuwenig bekannt iſt. Er
erfuͤllte ſein Verſprechen mit folgenden
ſatyriſchen Ausdruͤcken:
Ein grober Fuhrmann, welcher,
wie es in vielen Laͤndern gebraͤuchlich iſt,
keine Bierſchenke vorbeyfaͤhrt, ohne
wenigſtens auf eine halbe Stunde bin:
einzugeben, und fich zuberaufehen, wäh:
render Zeit aber feine Reifende der Wit:
terung unbarınberzig zu uͤberlaſſen, ift
dasjenige, welches ihr, bald nach eu:
ver Ubreife, zu eurem inniglichen Ber:
druffe werdet erfahren müffen,
Eure Sittenlehren werden bey einem
Trunfenbolde zum Spott; und wenn
ihr einen gerechten Eifer gegen diefes
Unmefen mollt fpüten laſſen; fo werdet
ihr auf fleinigten und übeln Wegen die
Rache eines Zügellofen empfinden mu:
| | fen,
121
fen. So ift die Befchaffenheit eines er—
fahrnen Fuhrmanns. Erlebt ihr das
Ungluͤck, einen Poſtknecht zu erhal⸗
ten, welcher eine beſſere Gemuͤthsart
beſitzt; ſo iſt er gewiß ſowohl in den
Wegen, als in den Gebraͤuchen,
unerfahren. Und da habt ihr euer Glück
zu rühmen, wenn er euch nicht aufı ei:
nen Weg bringt, welcher feinen Ausgang
in einen Moraft nimmt, darinn Wagen
und Pferde ftecken bleiben. Wehe euch,
wenn über dem Irrthum eures Fuͤh⸗
rers die a herein —*—
IK Een
J oͤftrer eure — ri,
Das Vorſpiel von den Verdrieglich:
Peiten, welche auf euch warten, wird
darinn beftehen, daß bald ein widri—
ger Wind, bald die Saumfelig:
Feit des Shiffers, noch öfterer
aber deffen eigennüßige Abfichten von
8 Tagen zu 8 Tagen eure fo fehnlich ge:
wünfchte Abreiſe verzögern wird, So
ud 25 bald
122 ——
bald ihr nun aber endlich die volle See
werdet erreicht haben; ſo wird euch der
rauhe Ton eines Schiffers, welcher
nunmehro ein unumſchraͤnkter Sultan
geworden iſt, mit gebieteriſchen Geber;
den von einer Stelle des Schiffes zu der
andern jagen. Denn der kleine Mo:
narch feßt in ſeinen Gedanken zum vor
aus, daß euch alle Gebraͤuche des
Scife fhon müflen befannt geworden
ſeyn.
Vor Aergerniß, uͤber die —
der unvernuͤnftigen Schiffer, konnte
der Herr Reiſebeſchreiber kein Wort
mehr herausbringen: es halfalſo nichts,
weiter in ihn zu dringen; die Hypo⸗
chondrie überfiel ihn zu gewaltig, und
Gedanfenvoll fahen wir einander am,
als wenn wir die Minen aller Fubrleute,
Poſtknechte und Schiffer von Europa
auszuftehen gehabt hätten: |
Bis ung endlich der magifche Herr
Roſe, durch folgende auf Jernſtruphof
ſehr beliebte Kantate, die er Doktor
Swifts
—— 123
Swifts Cantate nennt, aus unſrer
—5 aufweckte.
Andante.
Bit du ein Finger Muſiker ſeyn:
Allegro.
Schiebe deinen Melodeyn Meisten, Me⸗
lodeyn
Saft binfehlupfende Woͤrter ein,
* Andante.
De ai Pegaſus rennt feine Bahn
a 3 Allegro.
4* Sanft gallopirend bergan
5 Andante.
Sanft bald im Paß mit leichtem Huf.
Bald Cavalcaden tausend beraab
Dergab , bergan, bergüber!
Allegro.
Nie rannt er je bergan bergab
Im rumpelnden rumpelnden rumpelnden
FTrab. —
An⸗
Man kann dieſe Kantate nach Arnes
Compofition in Swiſts Werken
ſingen.
124
Andante.
Harmoniſche Mufen fliehen ud
Vor bäurifcher heulender Dudelſack-Muſick.
Auch ſpanne nicht der langen Woͤrter Schwanz
In quickende ſchnaubende Cadam.
Adagio.
Horch langſam ſchwebt der Geigenftod!
Allegro.
Horh! Tantankantantivi! tantantantantivi!
Preſto.
Preſto! Preſto! Preſto! Preſto! Preſio!
- Largo.
Horch! zitternd! fhütternd! rüttelnd! ſchuͤt⸗
telnd!
Wo Hoffnung Hoffnung war,
Se bittrer Schmerz!
Allegro.
Fleuch! fleuch!
Fleuch keck! fleuch wolkenwaͤrts!
Schwaͤrme! laͤrme! ſchwaͤrme! laͤrme!
Ueber Hals, über Kopf,
Ueber Hals, über Kopf, ſchwärme!
Ueber Hals, über Kopf,
ueber Hals, über Kopf, lärme! —
n⸗
125
Andante.
Nun kreuch! ſchleich!
Adagio.
Schleich und kreuch!
| Andante,
Sieh, ſieh! Lalage, Lalage ſtirbt!
Stirbt! ſtirbt! ſtirbt! ſtirbt! ſtirbt
Adagio.
Stirbt!
Andante.
Jan särtlihs Auge
Adagio.
Weint und ſchlaͤft,
ne Schlaͤft und weint,
Re Weint und ſchlaͤft!
h — _ Allegro.
D weh! o meh! o meh!
D weht o weh! o meh!
Vielleicht unterhalte ich meine $efer
ein ander mal mit der fehumalißifchen
allgemeinen Erinnerung für unerfabr:
ne Neifende, da alles, was diefer tref—
flihe Mann fchreibet, fo faßlih, er:
haben, ‚und doch gemeinnügig gefagt ift,
— daß
126 ——
daß ich, von Keißlern und Uffenbachen
bis Neukirch und Nemeiz, herunter,
keinen einzigen Reiſebeſchreiber mit ihm
zu vergleichen weiß, wenn es nicht et⸗
wa der beruͤhmte Herr Willebrand ſeyn
follte. * Zwar weiß ich wohl, und ich
babe eg den Leſern auch nicht verhohlen,
dag mein Coufin Ohluf diefen wackern
Rufen zuweilen etwas firenge beurz
theilt: allein Here Obluf mag. mirs ver;
zeihen, daß ich an ihm felbft, bey aller
feiner Kunſtrichterey, U. noch ſehr viel
auszufegen finde. Ob es gleich gewiß
ift, Here Ohluf, daß Ihr ein ſehr gu:
tes Genie ſeyd; fo ſchweift Ihr doch,
meiner Meynung nach, ziemlich auf die —
unrechte Bahn aus; Eure Schreibart
ift holpericht, mit Anthitheſen, unge:
beuren Wortfügungen, dunfeln und
unbegreiflichen Anfpielungen überladen;,
| F alle
* Johann Peter Willebrands hiſtoriſche
Berichte und praktiſche Anmerkungen
auf Reiſen. Neue vermehrte Aufla⸗
Be; sw. Leipzig 1769.
—
44
127
alle Eure Züge find zwar fein, und für
den Kenner auserlefen: aber, werther
Coufin, Euer gepriefener Lieblingsau⸗
tor, der Mann. der fofratifchen Denk:
würdigfeiten. iſt, mit Erlaubniß, fo
ein Driginal! wie es nicht Zween auf
einmal ſeyn Dürfen.
Es iſt ein wahres Gedankenfeſt für
wich daß alle meine Freunde ‚fie mö:
gen mit mir verwandt feyn, oder nicht,
entweder Autoren find, oder Autoren
werden, Geitden ich den Hypochon⸗
driſten fehreibe, find alle ihre Federn
geſchaͤftig, und Herr Obluf felbft, der
‚den Mufen ein Geluͤbde gethan hatte,
feine Liebe zu ihnen niemals bekannt zu
machen, fchreibt Borreden und griechis
ſche Wochenblätter. Don den legtern,
die in ihrer Art Driginale find, will ich
meinen $efern Fünftig ein paar Proben
geben: bier will ich eine Vorrede von
ihm einruͤcken, die er mir in der Abfiche
gegeben hat, . daß ich fie vor den erften
FR: des Hypochondriſten feßen follte,
wel⸗
123
welches aber auf den Ausfpruch meiner
Leſer beruhen foll. Sch weiß nicht, wie
er auf den Einfall gekommen ift, fo viel
Vorreden zu fchreiben; vielleicht hat
ihn der Herr von Bar darauf geholfen,
der ung in zwey artigen Bändchen Ichtr,
daß Fein gutes oder fihlechtes Buch in
der Welt fey, mozu fich nicht ein Epi:
graph machen lieffe, Dem ſey wieihm
wolle, bier ift eine von feinen Vorre—
den, nänlich die zum erftien Bande des
Hypochondriſten.
Neues in Geſtalt einer Vorrede
von einem Kunſtrichter, der nicht
Quinctilius Varus heißt.
Es iſt gut, edel iſt es, mit dem Ver—
faſſer folgender Sibyllenblaͤtter, deren
Wind fie ohne Beyhuͤlfe des Orakels
gegen die vier berüchtigten Gegenden
ausftreuen wird, über den Verfall der
Wochenfchriften zu weinen, aber Na:
tur iſt es, zu lahen, wenn man die
deutſchen Schildträger des enalifchen
Mikes,
GEREHWRZESTIIEN
ua 129
Witzes, die fich Ajaxe nennen, weil fie
mit ihren ungebeuren Steinen wider
die Ehre eines Heftors, Steele und
Addiſon zielen, beym Aushohlen fallen
fiebt, denen fein Apollo zu Hülfe koͤmt.
106 dünring eferavudy —
— nude woswcev AroAwv,
Holbein, ‚der Schweizermaler, zeich:
nete einen Deutfchen, der fich bald in
der rechten, bald in der linken Seite
fißelte, daß ihm vor Sachen der Bauch
fohütterte, und ein englifcher Epigram:
matiſt würdigte die deutſche Figur eines
Sinngedichts:
Vter eſt inſanior horum?
Haͤtte der Englaͤnder die Figur vorge⸗
ſtellt, und der Schweizer das Sinn⸗
gedicht gemacht (denn Schweizer ſind
Deutſche): ſo wuͤrde die Allegorie ein
Goͤtzenbild von Iſaak Bickerſtaff ſeyn,
mit dem die groteſke Iſis ſelbſt nicht zu
vergleichen wäre. So bald der Deut:
fhe den Dritten von jenem feltfanen
Pferde, aus defien Huf eine Silber:
Der Hypoch. 1. T. J quelle
—
130 —
quelle entſpraug, auf uns herab ſchau⸗
en ſieht, es ſey nun, daß er nach Profe,
oder der Sprache der Goͤtter ausſtreift;
ſo beſteigt er ſeinen eignen entkraͤfteten
Hyppogryph,
imitatorum pecus!
nach der ironiſchen Stelle des Arioſt:
‚Allor che fempre I’ Ippogrifo il tenne
Sopra il mare, e terren vide di rado;
und dann, Teider! zu früh:
Cade a terra il cauallo, e il Caualiero,
Der Verfaſſer hat das umgekehrte Fern:
alas der Entſchutdigung vor das
Auge des Leſers gepflanzt, um den Ge—
genſtand ſeiner Nachtwachen, und die
Schrauben, womit er dieſen Gegen—
ſtand zum Springen bringt, drey Ru—
then weit zu entfernen. Das Raͤthſel
ift leicht aufzulöfen. Young räth eine
Are der Nachahmung an, die mit dem
Urbilde fireiter, und mein Liebling, der
wahrhaftig fcharffinnige Herr Hamann
hat nach dieſem dioptrifchen Verſuche
ein
— 131
‚ein Klaggedicht an ein Frauenzimmer
auſſerhalb Landes angeſtimmt, worüber
die Felſen unſerer Wangen ſich regen
moͤgten! Der Hypochondriſt lenkt et:
was tiefer ſeitswerts in den Schatten
ein: er kann ſagen, daß er nachah—
me, ohne daß Jemand es ihm glaubt,
wenn er auch mit tauſend Zungen re—
dete: |
— era ror dwue Jeog neyedos re Binv-
TE HU MIYVUTNV. — HOMER.
daß er ſich aber in die dunkle Ferne der
Hypochondrie verbirgt, um den Blick
des Leſers nicht zu ſchmerzhaft zu
öffnen, davon bat Mofchus die Ur—
fache angegeben:
Ovx ederw Fepos juey" Emei ronaw' ühıog
orrY. |
Es thut wohl — man glaube der
emſigen Erfahrung eines Kunftrichters,
der Nachtftücke liebt, -
"Avınz unrs upuos, y0 dus aus
| Sœpuvei. AMOSCBRVS.
Unſre Schoͤnen moͤgten ſich in ihrem
2 wols
132
wolluͤſtigen Groll wider die Runzeln
eine Warnung geben laſſen, daß das
glatte, leere und unbaͤrtige Antlitz ihrer
Kleinmeiſter nicht immer ihren Ermwar:
tungen entſprechen Fönne; dag man aber
Leute mit Baͤrten und krauſen Stirnen
gefunden habe, die den Grazien etwas
mehr, als Weihrauch oder Salz, opfer⸗
ten. Wäre der Hypochondriſt mit ver:
ſtaͤrktern Zügen die Maffe eines Trau⸗
erfpäels; fo würden ihm weder die Gott—
heiten der foge, noch das menfch
fichere Parterre, noch die Buch laͤ—
den erlauben zu lächeln: aber Steele
konnte fich fein mürrifches Gtillfchwei:
gen in einer Gefellfchaft der Schwärmer
vorwerfen lajfen, ob er ſich gleich einen
Schwaͤtzer nennt: *
Dum tacet, clamat.
Wuͤrde er ſonſt in dieſe panegyriſchen
Schwuͤnge auf die Gegenfuͤßler ſeines
Titelblatts ausgebrochen ſeyn?
Silence is fometimes more ſignificant
and fublime, than the moft noble and
moft
moſt exprefiiue Eloquence, and is on
many Occafions the Indication of a
great Mind.
THE TATLER, Vol.4.Pa8. 78.
Man wende den Fall um, und das
Motto handelt vom Hypochondriſten.
ch würde die Beſtandheit des Cha⸗
vafters in affen Organen und zerftückten
Gliedmaaſſen eines wöchentlichen Au—
tors dulden fönnen, wenn erindire-
cte fire feine Zeit fehriebe, und mit ei:
nen behenden Seiteafprunge zwey Jahr⸗
taufende herunter in das Alterder Örie:
chen auswiche. Hier würde er die bufte
des Geſchmacks mit dem ſanfteſten Fin:
gerdruce, oder dem gelindeften Meif:
ſelſchlage zu der feften Beſtimmung des
fimplex und vnum unfers Horaz aus
bilden Fönnen. Sch felbft, ohne ein
Michel Angelo oder Dhidias zu feyn,
habe mich an diefe Bildhauerarbeit ge:
wagt, die man vor manem Schreibe:
pulte finden kann. Den Befchluß mei-
ner Vorrede machen folgende Zeilen aus
u u deim
134
dem Marot , die zur Grabfchrift vn
Verfaſſers dienen koͤnnen: |
Viateug, ei defloutz gift un foleil:
A quoi tient-il que ne meines long,
dueil; |
Quand tu entens fa vie. Baer ?
N’as tu encor entendu, renomee
Par les Climatz quifon renom infigne
Va publiantä voix,trompe etbucceine?
Si as pour vray: mais fi grande eft
la gloire |
Qu’en as ouy, que tu ne le peulx
croire. |
* wm
Va lire done ( pour en eſtre aſſeuré)
Ses beaulx efcritz de ftyle meſuré:
Lors feulement ne croyras fon hault
prix,
Mais apprendras, tant fois tu bien
appris.
Sitefera fon bruit tout v eritable 7
Et la grandeur defes faitz proufhita-
ble,
zu:
—
— — 155
Zugabe von Zacharias Jernſtrup.
Allen wacern | Leſern zu gefallen, die
dieſe u yergleichliche Vorrede nicht ver:
ftehen konnen, merfe ih an,
J. Daß Hr. Ohluf die Nachabmer
des Steele und Addiſon als elende Streis
ter anſieht, die, anſtatt die Ehre ihrer
Originale durch ihre Kopien zu erheben,
derſelben gerade am nachtheiligſten ſind;
2. Daß’ es nichts weiter, als eine
lobenswuͤrdige Befcheidenbeit, vom mir
fen, wenn ich mid) einen Nachahmer
des Bickerftaffs nenne.
3. Daß’ es einem Suhehönsfirken }
- der eih Wochenblatt ſchreibt, erlaubt
bleibe, zu ſcherzen, ohne dadurch wider
feinen Charakter zu verfioffen,
4. Daß Hr. Ohluf zu feiner eigenen
Erbauung an einem fliegenden Blatte
arbeite, welches die Farbe der griechi—
{hen Jahrhundert annimmt, und bloß
ein mimiſches Spiel ſeines Witzes iſt.
J 4 5. Daß
ae
I 36
5. Doß Hr. Ohluf meinem- Bhnfi:
ſchen oder moraliſchen Tode mit Schmer⸗
zen entgegen ſehe, um mir eine franz
zoͤſiſche Grabſchrift von alter Orthogta⸗
phie ſetzen zu koͤnnen. |
Wie leicht ift mir das Herz, daß ich
meinen Leſern auf dieſe Art eine Idee
von dreyen der wunderbarſten Maͤnner
gegeben habe, von denen man je in ei—
ner Wochenſchrift leſen kann. Kuͤnftig
werde ich nach eben dieſer praktiſchen
Methode die Charaktere meiner uͤbrigen
Freunde auszumalen ſuchen, um nichts
vorbey zu laſſen, was man von einem
guten Nachahmer des Addiſon erwarten
koͤnnte, teil es ein Werk ohne Exem⸗
pel ſeyn wuͤrde, eine Wochenſchrift zu
finden, deren Verfaſſer nicht eine Menge
von ſeltſamen Freunden gehabt.
Sechs⸗
* L
F
— 137
—
Scqan Stuͤck.
be m EUEME Mn TIB
fl 4 Ryst i e r ihr 2 Ds
er
Vorlaͤufige Nachricht.
Leute erhalten meine $efer sie erſte
+ Sammlung von den Verſen und:
iebesbriefen meihes Neffen ; die ich int:
dritten Stürfe gewiſſermaaſſen ver:
forechen hatte. Als ich juͤngſt nicht
einfchlafen konnte, hörte ich bey der
angenehmen Nachtftilie, die durch den
filbernen : Glanz des Moudes eine ges
wiſſe Feyerlichkeit angenommen hatte
an der andern Seite des Hauſes auf
einem Eckzimmer eine fehr angenehme
un blafen; ich vrmuthete gleich, gu
x
138:
es der zärtliche Juͤngling/ der Schäfer‘
von den Serafteupifchen Fluren, ſeyn
müßte, ob. es mich gleich befremdete,
ihn noch ſo ſpaͤt zu hoͤren. ch glaube
nicht, dog Quanz felbft jemals ſchoͤner
geipielt- hat, als er den Abend fpielte.
Er fiel aus, den rauheſten und widerſiu⸗
nigſten Tönen, die gegen einander zu
ftreiten ſchienen, plöglich in eine recht
entzuͤckende Melodie, und fchleifte jeden
fanften zärtlichen Ton mit einer fo un:
gemeinen Anmuth, daß ich, fo wie ich
im Bette lag, vor Bergnügen: bäpe)
zerſchmelzen mögen. Dann braufte e
wieder niit dem gaitzen Nachdrucke feiner
verliebten Berzweiflung,' und mit fo‘
mannigfaltigen Laͤufen, Zungenfchlägem
und Bebungen, in die Tiere herunter,»
daß ich mic) zuweilen indie phrygiſchen
Waldungen der Goͤttinn — entriſe
en glaubte,
Vbi eymbalum fonät vox, * tym-
pana reboant, .
Tibicen vbi canit Phryx curuo graue
calamo,
s Vbi
Vbi capita: Maenades vi iaciunt he-
„derigerae,
Vbi fdera fancta acutis vlulatibus i
w agitant.
CATVLL.
&s war * möglich, bei einer fo leb⸗
haften: — zu ſchlafen; ich ſtand
auf,/ ſcherzte mit ihm uͤber ſeine
ſuͤſſen — welches ihn fo aufge
räume machte, daß er mir aus eigner
Bewegung ein kleines Buch aus ſeinem
Pulte brachte, worinn alle feine Briefe
und Verſe, nebſt den Antworten ſeiner
Daphne, in chronologifcher- Folge auf
ferordentlich fauber abgejchrieben was
ren. Es war in dem Eleinften Duodez,
und in fchwarzem Atlas mit Gold durch: ,
wirft eingebunden. Inwendig am Ran⸗
de der Blaͤtter, wozu ſehr feines Der:
gament genommen worden, war Laub:
und Muſchelwerk, nebft dem ‚ganzen Ä
Kriegsgeräthe der Göttinn von Amas
ehunt, gezeichnet; viele Zeilen. waren
mit goldenen Linien unterftrichen; und.
gewifl e ftarfe Ausdrücke auf fo mancher:
ley
140 en
ley Art bald roth, bald blau, bald gruͤn,
bald mit Gold bemalt, daß es völlig
das Anſehen einer fhönen Moͤnchsſchrift
aus den vorigen Jahrhunderten hatte,
Die Briefe ſelbſt hauchten eine recht cn:
tulliſche Zaͤrtlichkeit, und waren auf eine
ſo beſondere und gute Art verbunden,
daß ich mich wundere, wie noch kein Ro⸗
manſchreiber auf dieſe unſchaͤtzbare und
nie genug zu preiſende Brief- und Mo—
nofogen: Methode — iſt.
Ich freue mich immer, wenn ich jun:
ge seute ſehe, die ein, edles umd zärtliz
ches Herz haben. Edelmuth, faat ein
berühmter Engländer, ift die wuͤrdigſte
Eigenſchaft der Seele, fo wie die Liebe
ihr ſchoͤnſter Affekt; indem die Teßtere
ganz allein beftimmt ift, einzelne Men:
ſchen gluͤcklich zu machen, beſchaͤftigt
ſich die erſtere, ihren milden Ausfluß
uͤber die ganze Welt zu verbreiten. Man
wird ſich alſo nicht wundern duͤrfen,
daß ich ſo gerne davon rede.
Nichts
ee 141
Nichts iſt phantaſiereicher und von
mehrern Einfaͤllen, als die Liebe: we⸗
nigſtens iſt es die Kebe meines Ne fen
Es ift ein-groffes Vergnügen, die? Ber:
zierungen des Zimmers zu betrachten,
in welchem er fein Siebesarchiv verwah⸗
ret. Oben über feinem Schreibpulte
ift eine artige Sammlung von Con
chylien, nebft gefchnißten Liebesgättern
and eypriſchen Gruppen. Das Pult
ſelbſt ift aufder einen Seitevom Schranz
fe mit einer Benus Anadiomene, auf
der andern mit einer Venus Victrix
gemalt. Zur Rechten ſteht ein Klavier
von Satyrn getragen, aufdeflen Deckel
Dryaden, Grazien und Napdentanzen.
Zur Linken ſteht ein Eleiner Büchervor:
vath, worinn die beften Schriftfieller
der Siebe gefammelt find, die nachihrem
verfchiedenen Inhalte mit ihren Bän-
den einen fo bunten Zierrath machen,
daß man auch ohne Tirelausdem Stem:
pel beynahe errathen Fann, wovon fie
handeln, Anakreon und Gleim ;. E.
find
142 — —
ſind in roſenfarbner Seide gebunden,
und auf dem Ruͤcken werden Rofenfnei-
pen, Köcher und Pfeile gejeben. Des
Mufäus Hero und Leander hat eine
biäffere Roͤthe und zerbrochene Pfeile;
Chaulieu, Greffet, Hagedorn, Weiſe
1. ſ. wiitragen grüne Uniform, Rohr—
flöthen undtauten; Ovid und Bernard
fchwarzen Sammer, und antife Volu—
mina, u. |. m. Unter dem Spiegel
hängt eine kleine Kapfel, welche, wenn
fie geöffnet wird, das Miniarurgemäl:
de feiner reizenden Daphne enthält, und
gemeiniglic vor unheiligen Augen vers
fchloffen ift. "Rund umber im Zimmer
fieht man einige fchöne Liebesgemälde
von Guido Reni, nebft einigen der be-
ften verliebten Kupfer von Strange,
Es ift Zeit, das ich die Briefe felbft
mittheile. Die Zufüße meines Neffen
zu feinen riefen, welche Unterhaltuns
gen mit fich felbft heiſſen konnen, find
mit gröfferm Drucke bemerft worden.
Erſter
ee 3143
Erſter Brief.
mein undergleichliches Mädchen! wie
zittert mein Herz vor Entzuͤcken in mir,
da ich Ihnen dieſen erſten Brief fe hreiben darf!
Liebſte, theureſte, beſte Schoͤne! was ſoll ich
Ihnen ſagen? Ihre Silberſtimme, mit der
Sie mir ſo naiv erklaͤrten, daß ſie mich lieb—
ten, tönt noch mie Muſik in meinen Ohren;
Muſik find meine Gedanken; was ich vede,
wird Muſik, und mein Herz huͤpft nac) einen
gefchwindern Takte. Es ift unmöglich! ob
ich Sie gleich weit über alles, was Sie fich
vorſtellen Fönuen, liebe, fo kann ih Sie doch
nie genug lieben. Sie, die zartefle, anmu—
thigſie, ſanfteſte und edelmüthiafte Schöne,
Sie, die verfchönerte Natur in weiblicher Bil-
dung, eine sechte Grazie ihres Geſchlechts —
und die Meinige! — O wenn mein Blicf an
Ihrem Munde , Ihren Nofenwangen, ihren
holden Augen hängt; wenn ich höre, wie an-
muthig Sie reden, wie alles, was Sie fagen
und thun, ein Ausdruck der edelften fchöniten
Seele ift: was geht dann alles in meinem Ders
zen vor, mas Feine Feder befehreiben, Fein
| Mund
Wh
144 en
Mund ausſprechen kann! — Und iſt es wahr,
daß Sie mit dieſen Reizungen Ihres Koͤrbers
und Ihrer Seele ganz, uneingefchräuft Sie
‚Meinige find? — Zuͤngling, verjage den
fiolzen Traum! fürchtet du nicht, DaB die
Welt beneiden wurde? —
Sch Eonnte nicht mehr fchreiben: es
fiatterte mir vor den Mugen, — ge⸗
fhwind das Siegel aufgedruͤckt! ge⸗
ſchwind weg mit dem Briefe! und dann,
Herz! dann ſey ruhig!
Es iſt unmoͤglich, ob ich Sie
gleich weit uͤber alles, was Sie
ſich vorſtellen koͤnnen, liebe, ſo
kann ich Sie doch nie genug lie—
ben. — Wahr! beym Himmel! Es
gehört ein Reichrbum der Empfindung.
dazu, alle ihre Vorzüge zu lieben,
More er. moft fair, full of theliving
ıre,
Kindled above, unto the Maker.near;
No Eyes, but Joy s, in which all Po-
wers confpire,
That to the World nought elfe be
counted dear,
Thre
Ya ——— 145
Thro” your bright Beams doth nor the
blinded Gueft
Shoot out his Darts to bafe Affe-
etion’s Wound, _
But Angels come to lead frail Minds to
reft
In chafte Defires, on heavenly Be-
auty bound.
You frame my Thoughts, and faf hion
me within;
You ftop my Tongtie, and teach my
| Heart to fpeak;
You calm the Storm that Paffion did
’ begin,
‚Strong thro’ yourCaufe, but ne your
Virtue weak.
Dark is the World, where yonr Light
fhined neyer;
Well is he born, that may behold you
ever! ;
SPENSER.
RR
3
Der Hypoch. x. T. K Eine
146 —
Eine rechte Grazie Ihres Gr
ſchlechts:
Qualis Idalium colens
Venit ad Phrygium Venus
Iudicem
Floridis velut enitens
Myrtus Aſia ramulis,
Quos Hamadryades Deae
Ludicrum ſibi roſcido
Nutriunt humore.
Talis in vario folet
Diuitis domini hortulo
Stare flos Hyacinthinus,
— 4
Ore floridulo nitens
Alba parthenice velut
Luteumue papauer. —
| CATVLL.
D wenn mein Blick an Shrem
Munde, Ihren Rofenwangen,
Ihren bolden Augen u
147
— Sch ſah Sie im vorinen May auf
einer Raſenbank in er Grotte ſchlum—
mern.
Sie fihlief, und mweit und breit
Schlug jede Dlam ihr Haupt sur Erden
Aus mispergnägter Traurigkeit,
Don Dadhuen nicht geſehn zu wurden;
Sie fölief, und weit md breit
Erſchallten Feine Nachtigallen,
Aus weiſer Furchtſamkeit,
Ihr minder zu gefallen,
Als ihr der Schlaf gefiel,
ls ihr der Traum gefiel,
Den fie vielleicht ige traͤumte,
Don dem, ich hoff «8, träumte,
Der ftaunend bey ihr fand,
Und viel zu viel empfand,
Um deutlich zu empfinden,
Um noch es zu empfiuden,
Wie viel er da empfand;
Ich ließ mich fanfte nieder,
Ich ſeguete, ich kuͤßte fie,
Ich ſegnete und kuͤßte wieder,
Und ſchnell erwachte fie. |
KR 2 Schnel
148 nn.
Schnell thaten fih die Augen auf.
Die Augen? — Dein! der Himmel
that ich aul
Leſſing.
Fuͤrchteſt du nicht, daß die Welt
dich beneiden wuͤrde? — Ge—
wiß! die Welt, die ich nicht beneide,
de groſſe Welt würde mic) beneiden,
Weunn Könige bey folgen Freuden
Ihr Aug’ am Pomp der Höfe weiden:
So will ich nicht ihr Glück beneiden!
Sie follen nicht mein Mädchen ſehn,
Sonſt würden mich die Könige beneiden,
Berauſcht von mehr als Götterfreuden,
Will ich den Himmel fich rings um mich
drehn,
Will ich in meinem Arm — mein Mid:
chen lächeln fehn.
Alles, was die Schöne fpricht,, ihre
Art zu handeln, ihre Gedanken felbfi
will ich aufjchreiben, und mich daran
laben. Nenn ich fie nicht ſehen darf,
fo will ich mir doch das zueignen, mas
ihr
en urn sun rn a 149
ihr nichtmehr gehoͤrt, ihre Worte, die
in der Luft an meinen Ohren herum
ſchwaͤrmen, ihre Blicke, die mir wie:
tiebespfeile vor den Augen blißen, und
jede Mine, die ihren Wangen entwifcht,
Sie foll vor mir ſchweben, und ein
neues Weſen auf dem Papiere anneh:
men, fich vervielfältigen, um unend:
lich mein zu feyn, und wenn ich fchlafe,
fo will ich ihr wertbes Bild im Trau⸗
me erhaſchen.
Nocturnis ego fomniis
lam captam teneo; iam volucrem
ſequor
Te per gramina
Campi, te per aquas, cara, volu-
biles.
Die füffe Muſick ihrer Stimme,
wenn fie am Klaviere fingt! O Venus
Apbroditel als Jens Sernfirup, jener
glücklichfte unter den Amorn, der Amor
in Daphnens Klavier, war, der ihre
Melodien erft ganz Teife nachhallte,
83 dann
s50 ——
dann kuͤhner unterbrach, dann! dann
den toͤnenden Pfeil in Harmonien ge
taucht von der Silberſaite abdrücte:
D mehr als Venus Aphrodite! Venus
Urania! noch Sinen folchen ‘Dialog der
Entzuͤckung! nur Einen! |
So hub, nach mancherlen unſchluͤſ—
figen namenloſen Phantafien ihrer klei—
nen runden Singer, ab! tie fie.an den
innerſten Saiten meines Herzens huͤpf—
ten! fo hub Daphnens füffe Stimme ans
Sch will nicht lieben!
So hallte der unfichtdare Amor im Clas
viere ihr leife nach:
Sie will nicht Tieben!
So fuhren wir fort, und noch wußte
Daphne nicht, wer die Stimme zwi—
fhen den Saiten war, die ihr nach-
hallte: | |
Daphne.
Die Lieb hat Schmerzen:
Ich will nur ſcherzen!
Amor.
Sie will nur herzen! |
Daph⸗
151
\
Daphne.
Sucht andre Herzen,
Der Liebe Schmerzen:
Ich will nur ſcherzen;
In meinem Kerzen
Iſt ja Fein Raum für euch! -_
Umor. |
Sn ihrem Herzen
Iſt doch wohl Raum für euch!
Daphne.
Zönt , meine Sximme zu begleiten ,
Ein Gott aus ie u Silberfaiten ?
Am
Befeelt RR Mund I Goͤttinn euch
Zu Tönen ‚ ihren Tönen gleich?
IBeide.
O Wander, Zaubereyen gleich:
Daphne.
Wo aber, ach! wo biſt du, Stimme?
Amor.
Im Tanz der Saiten tanz ich Stimme!
Huͤpf auf mit der zitternden Sait', und
ſchwimme
Im Strohme deiner Hand daher!
Nun rathe, wer ich bin —
K 4 Daph⸗
AMA
152
Eee“.
ch! wer?
J or.
Ich Fonime fernher über Meer.
Wellen, die fich jagen,
Haben mid) getraoen:
Eine Berlenmufchel war mein Wagen.
Mathe, wer ich bin —
Daphne.
Ach! wer?
Amor.
Auf Sonnenitrahlen flatt’r ich her.
Meines Flügels Düfte
Tränfeln durch die Lüfte:
Doch ihr, Mädchen, nennt fie Nofendüfte.
Rathe, mer ich bin —
Daphne.
Ach! wer?
Amor.
Mein Rüftzeug ift ein Köcher , ſchwer —
Schwer von goldnen Pfeilen, —
Nfeilen, die ſchnell eilen, —
Eilen, ſchnell dein Herz mit mirzutheilen.
Du haft mid —
Daph—⸗
153
Daphne.
Ach! wer bift du? wer?
Ahi! ich bin verlohreu! verlohren!
| Beide
Ein Goͤtterknabe, neugebohren,
Stemmt au die Sait' ein Fleines Knie
Spannt fie in Bogen! Ahi! abi!
.. Daphne. |
Pfeile, die mein Herz durchbohren,
Fliehn von der Sehn! Ich bin verlohren !
Abi! ich bin werlohren! verlohren! .
Du aber, Kuabe, lachſt! Abi!
Daphne und Amor.
So ſiegt die Gottheit Harmonie!
Ich erhalte keinen Brief? —
Brief? Wie iſt das mit der Schoͤnen?
Will ſie mich hintergehen? Ich muß zu
ihr; und haſſen will ich ſie, wenn ſie
ſich nicht rechtfertigen kann.
O Goͤtter! nun iſt es gewiß! nun
bin ich der glaͤcklichſte unter allen Sterb:
lichen. O ich finge! ich ſchwaͤrme! ich
fliege aus mir ſelbſt, aus dieſem traͤgen
K5 Koͤr⸗
154 —z
Körper heraus, der meiner nicht werth
ift, wenn ein einziger Blutstropfe dar;
in wallt, der nicht: von Liebe glüht.
Ein Kuß! ein Kuß! —
Unruhig und von Ungeduld umher
getrieben, ließ ich mir meinen Baiar—⸗
do aus dem Gtall bringen, und das
edle Pferd eilte mit. mir fo fehnell, als
wenn die Liebe ihm ihre Flügel geliehen
hätte, fo leicht, als wenn es auf Wol:
Fey liefe, nach dem Garten meiner Ge-
bieterinn,. Kaum hatte ich dig Garten:
thuͤre geöffnet, als ich hinter einer He:
cke bey dem Fleinen Forellenbache ein
Geräufch hörte, wie wenn Jemand er:
fehricke, und Furz darauf — D mein
fchwellendes Herz! was fühlteft du bey
dem Anblicke? — die fchönfte Blume
des Gartens in ihrem Liliengewande
bervorfchimmern fah. Allerbeſte unter
den Schönen! werden Sie mir meine
Ungeduld verzeihen, Kiebſte! Liebſte!
werden Sie? —
Sie
155
Sie überfallen mich, Jernſtrup! —
Ein Ueberfall der Liebe. Koͤnnen Sie ver—
langen, das meine, Seele ist ruhig ſeyn (ou?
Vebertreiben Sir Ihre Soderungen nicht, mein
ſuͤſſes Mädchen! erinnern Sie ih, daß Sie
es mit einem fehr ſchwachen Juͤuglinge zu hun
habe, der nur,gin halbes Leben beſitzt, wenn
Sie ihm fehlen, weiber ſchlechterdings nur in
Ihnen lebt, athmet und empfindet.
Mir deuht, Sie reden wie ein Roman:
aber ich ſtelle mir wor, die Liebe hat bey euch
Leuten immer ihre Schaͤferſprache. Sagen
Ste mir nur, was Sie wollen?
Bas ich will? Ihr Herz! Ihre Briefe! —
Säfte, Sie werdin mir doc nicht dieß Labſal
verfagen wollen ?—— Shren Kuß —
Gewalt! Srevler! Sie unterſtehen fih ---
Und nod) einen; Allerliebſte, und noch eis
nen —- Ich wellte mich cher muͤde zählen,
als zu kuͤſſen aufhören. ---- Allerlichfies Maͤd⸗
en! ach! mein, mein Mädchen! -o Himmel!
‚Gehen Sie, Jernſtrup! ich bitte Sie, fie
ber Jernſtrup, geben Sie! warum kanꝛen Sie
her?
Ver⸗
#
156. —
Verſprechen Sie mir, daß Sie mir fchrei-
ben wollen, und alles foll gut ſeyn.
Sch habe es Ihnen verfprochen; verlaffen
Sie mich, mir Fönnten belauſcht werden.
Gute Naht, Jernſtrup! Sie follen morgen
meinen Brief haben, ift das nicht genug? O
es iſt mebr, als ich irgend einer Mannspers
fon auf der Welt einräumen wollte. ——
Noch ein einziges Küfchen — Engel wie
reden Sie? — 3
O mein liebfter Jernſtrup, Sie haben,
ie ich ist febe, zu viel Macht über mein
Herz: verlaffen Sie mid, Sie hätten nicht -
fommen follen. Gute Nacht, mein Geliebter!
morgen follen Sie meinen Brief haben.
Und fo flog ich, wie ein Zephyr, von
ihrem fehönen Halſe. — Theuerfte,
was ich fchreibe, wird die Sprache der
Götter!
Auf Daphnens erſten Ruß.
Als ich, Seliger! den erfien ihrer Kuͤſſe
Durch Bitten halb, und halb durd) fanf:
ten Zwang, erwarb:
Was war mir, daß ich nicht vorFreuden farb?
So voll Ambroſia! o fo nektariſch ſuſſe
n
157
Und — Wonne! Wonne! Wonnel —-
der Erfiling ihrer Kuͤſſe!
D Götter, hätt’ ichs je geglaubt?
Ein Kuß, erquickender, als Cyhperns Neben,
Und wuͤnſchenswuͤrdiger, als Keben,
Ein folcher Kuß, nicht ganz geraubt,
Und auch nicht ganz gegeben !
Zwar fcheiterte, zu voll von Lich’ und von
Verlangen,
Mein Mund an ihren Purpurwangen;
Ganz hingeriſſen, wie von einem holden
Traum /
Erkannt' ich ihre Lippen kaum:
Allein die Kuß⸗ und Liebesgoͤtter, die wie
auf einem Waftenplag,
Geruͤſtet mit dem Kußgefaͤß in dichten krie—
gerifchen Schaaren,
Um ihren Mund verſammelt waren,
Eröffneten für mich der Lippen ganzen Schatz:
In dieſem Einen Kup enpſam ich tauſend
Kuͤſſe,
Voll von Äh Ar ai Ban
‚ füge!
Dad),
158 —
Doch, Venus, wenn ſie nun, die edelſte
der Schoͤnen,
Mit zauberiſchen Silbertoͤnen,
So tonreich ---- ach! fo ſchmelzend fuͤr mei⸗
ne warme Seele,
Wie ihrer Freundinn Lied, das Lied der
Philomele, —
Wenn ſie nun, Venus, zu mir ſpricht:
Ichliebe dich, mein Juͤngling, zweiſſe nicht!
4 Dein Herz iſt meiner werth; es auhtreu
4 edler Triebe,
u nd Fennt Fein Gluͤck, als meine Liebe;
Danimm siein Herz; es ſoll ganz dein,
Ganz nur für dic) Empfindung fegu !
Nimm meinen Kuß, nimm mid -— 5
Und wenn fie dann, o Liebe!
Die ſchoͤnſten Nektarlippen auf meine Lippen
druͤckt,
Und mich begeiſtert, mich zu ſehr entzuͤckt,
Und ich an ihren Buſen finfe,
Und deinen, deinen Tod aus vollen Kel—
chen trinfe: |
O! —— laß mich dann, beraufcht von allen
dieſen Zügen,
Cytherens Königin! nicht ganz ——
ne 159
Erwecke plöglich mich durch deines Amors
Spiele,
Daß ich den Kuß noch lebend fühle!
An meinen Sernfirup.
—9 Liebe hat ihre Pedantereyen, jagt meine
Mutter, fo gut, wie die Gelehrſamkeit. —
Ich habe ihr unter allen ihren Sprüchen dieſen
am wenigiten geglaubt: Sie hat aber Recht,
ich verfichere Sie, Jernſtrup! Dieß iſt der dritte
Briefbogen, den ich anfange, und vermuthlich
eben fo wenig vollenden werde, wie die beyden
erſiern. Warum kann ich nicht fehreiben ? —
Ruchloſer! Sie haben mic) aus meiner Faflung
gebracht. Vorher [waste ich, lachteich, fpielte
ich, fehrieb ih — Ärger, als Tante Grete. —
Jetzt, fagen Sie mir , was haben fie mit mir
vorgenommen? wie feltfam! wenn das wirk:
lien Liebe ift: fo bin ich ſehr übel mit der
Eiche zufrieden.
"Deefle de Cythere, je cherche la foli-
tude, les jeux de mes compasnes ne me
plaifent'plus. Jaime peutetre. Ah! Si
Taime quelqu'un, ce ne peut-&tre que
Daph-
160
Daphknis. Erinnern Gie fih diefer Stelle,
min Daphnis? — wollte ich fagen, mem
Jernſtrup? —
tun aber möchte ich wiſſen, warum ich dieſen
Drief ſchreibe. Seh lachte geſtern, da ich den
Sforigen erbielt, überlaut; es Fam mir zu
drolligt vor. Es ift doch wunderlich, dachte
ich, daß man ſich Briefe fehreiben muß, wenn
man liebt. - Kan er mir. nicht gur feyn, ohne
mir cs zu ſchreiben? Wie? wenn er es aber ver:
ſchwiegen hätte — Himmel! (und hier mußte
ich feufjen: warum das, Sernfirup ?) wie leer
und finfier würde «5 in meinem Herzen ſeyn! ⸗
Und ich legre Ihren Brief, ohne es zu wiſſen,
an mein Herz.
Daß ih Sie nicht recht lieben fann ‚ das
deucht mir, iſt wol gewiß: denn ic) erſchrecke
immer, und werde roth, wenn ich fie Fonumen
fehe. Warum follte ich aber vor Ihnen er:
fehreiken, wenn ich Sie liebte? Meinen Bater
liche ich doch ſicher: aber ih ſchwoͤre Ihnen,
daß ich nie roch werde, wenn ich ihn ſehe.
Vielleicht haſſe ih Sie gar, ohne es zu
willen. —-- Fürwahr! nun ijiderSinoten gelöft!
So
161
So iſts, Füngling, ich haffe dich ---- meg von
mir! Des Ärgerfe mich in der Seele, als Sie
mich geftern Abend fo oft kuͤßten! Wenn es ein
einzigesaral gemefen wäre , ſo würde ich nichtg
dawider haben. Aber fo oft! Sich vergaß dag
Zählen darüber.
Triumphiren Sie nicht über mich, ich bitte
Sie! Meynen Sie, daß diefer Brief etwas be:
deutet. Ich weite mie Ihneu, warım Sie
wollen, daß man ſich auch ſchriftlich jagen Eönne,
man haſſe fich.
Geben Sie! ich Fann Sie nicht ausfiehen.
Am allerwenigfien, wenn eg wahr feyn follte,
daß ich Sie liebte. Wie wurden Sie auffchwels
len! Stoljer! wenn mein Wort etwas gilt, fo
fhmeichle Div nicht mit meiner Liebe. Ich
wüßte doch nicht, was an Fhnen eben fo liebens⸗
würdig ſeyn follte.
Da haben Sie meinen Brief: und nun er⸗
Elären Sie ihn, wie Sie wollen.
An mein Mädchen.
N as find Sie! das follen Sie bleiben! Sie
bleiben! Sie mögen mich lieben, oder
haffen. Denn ob ich gleich Ihre Gründe für
Der Hypoch. 1. T. 8 wich⸗
162 — —
wichtig erkenne, und erſt itzt, ſo deutlich, wie
des Tages Licht, einſehe, daß meine Liebe zu
Ihnen Haß geweſen iſt, ſo hoͤren Sie darum
noch nicht auf, mein Maͤdchen zu ſeyn. Ich
haſſe Sie, das iſt nicht mehr zu leugnen: aber
Niemand ſoll ein Recht dazu haben, als ich, und
darum ſind Sie mein.
Weil die Sache alſo ausgemacht iſt, fo Fönnen
wir unſere Rolle ein wenig anders ſpielen. Sie
ſollen mich dieſe Woche nicht ſehen: ich will
mit meinem Vetter nad) L. reifen, und die gauze
Zeit über nicht mehr an Sie denken. Was
wollten Sie aud) an mir fehen ? Sie lieben mich
ja nicht; ich möchte auffchwellen, und über’
Sie triumphiren.
O ſuͤſſe, reigende unſchuld! welch ein Kleinod
bift du in der Bruſt eines jungen Srauenzims
mers! Was it göttlicher, als ein edles zaͤrt⸗
liches und unfhuldiges Herz! Was hat der
Himmel unter allen jeligen Geiftern vorzüg;
lichers, als ein zartes Gefühl von dent, was
edel und gut ift, als eine unbefleefte Zuneigung
und reine Begriffe? Engel werden weiß geklei—
det,
Pr nun
163
det, weil Fe unſchuldig find, und meine Göts
tin iſt die Lilie unter den Schönen. |
Flieſſe, ich will dich nicht aufhalten, flieſſe,
angenehme Frendenthraͤne! Ach! follte ichs
nicht empfinden, daß dieſe Schöne die Mer
nige ift? ö
Dich bin ewig Ihr
aͤuſſerſt verliebter Jernſtrup
An meinen Jernſtrup.
Calls wahr, mein Jernſtrup? Sie wollen
9 nach L. reiſen, und mich nicht ſehen? Faſt
moͤchte ich weinen! Sie ſind kaltſinnig gewor⸗
den, ach! ſonſt wuͤrden Sie mich nicht ganzer
acht Tage verlaſſen wollen; und warum, beſter
Jernſtrup! Gott! ich liebe Sie ja uͤber alles
in der Welt, das konnten Sie ja wohl merken,
ob ich Ihnen es gleich nicht ſo deutlich ſchreiben
mochte. Ach! wie koͤnnte ich Sie haſſen:
wollte Gott! dag Sie mein Herz weniger einge:
nommen haͤtten, als Sie es --—- das betheuve
ich Ihnen, und nun glauben Sie mir ---- zu
ſehr, zu fehr! eingenommen haben. Darum
reifen Sie nicht nach L. Geliebteſter meines
2 t2 Her⸗
ne
’“ >
164
Herzens! reifen Sie nicht! Ich würde Franf
werden, und Gie würden mich blaß finden,
wenn Sie wieder kaͤmen. Kranke Leute mögen
Sie aber nicht fehen, wie Sie einmal fagten,
weil Sie zu mitleidig dabey werden. Wollen
Eie denn diefen Nachmittag zu mir fommen?
wollen Sie, mein lieber Jernſtrup? Sehen
Sie einmal, ich nenne Sie meinen lieben Fern:
firup, und Sie wolltennach 2. reifen! Wenn Sie
um drey Uhr nicht da find, fo werde ich Fran.
Dun folgt eine traurige Scene.
Werde ich das Herz haben, fie mir auf
diefem Papiere wieder ins Gedächtniß
zu bringen? O Sernftrup! o Böfewicht !
was haft du gerhan? und der Himmel
weiß es, meine Meynung war doch nicht
böfe !
ch hätte um drey Uhr Fommen fol:
len, und Fam um fünfe. Hinc illae.
lacrymae! Meine Schöne war unpaͤß⸗
lich; Sie hatte in dem erften Schrecken,
da fie fo lange gewartet hatte, vermu:
thet,
thet, es fen Ernſt mit mir, und diefer
Gedanke hatte ihr Herz angegriffen.
Man lieg mir herunter fagen, Fräulein
P. fen Frauf, fie bate diesmal um Ent:
ſchuldigung.
Sage nur, gute Liſette, ich muͤßte ſie noth—
wendig ſprechen; ich wollte mich augenblicklich
wieder beurlauben; ich kaͤme in Geſchaͤfften.
Das Fraͤulein kann heute keine Geſchaͤffte
anhoͤren.
So frage denn, wann ich wieder kommen
| foll. --- —--
Wann Sie belieben. Man bat Sie um dren
Uhr erwartet; um fünf ift es zu ſpaͤt zu Ge⸗
ſchaͤfften: das Fräulein wundert fich über Ihre
Langſamkeit. Sie glaubt, es fey mit Fleiß fo
von Ihnen angelegt worden; fie will Sie heute
nicht fprechen.
Ich gehorche ihren Befehlen, fage das, ifefte.
Iſt vielleicht font Jemand oben ?
Niemand, als der junge ---- aus ---- — -
Was? der Narr mit den rothen Abfägen ,
der vor zwey Fahren --—-- Mache meinen
3 Reſpekt
Tv a €
Er 0 4
rs
Nefpeft an das Fräulein. Iſt cr —* al⸗
lein bey ihr? 6
Sa. *
Meinen Reſpekt an das Sräufein: ich wuͤrde
den Augenblick fortreiten.
Das Fräulein fagt, Ste möchten nur —
kommen: die Kopfſchmerzen wären ein wenig
vorüber gegangen.
Deinen Reſpekt an das Sräufein! id werde
nicht kommen.
Das Fraͤulein laͤßt Sie recht ſehr bitten,
nicht wegzureiten. |
Meinen Reſpekt, fageich, an das Fräulein.
Sie weiß zu fehr gelegener zeit Frank zu wer’
den. Adieu, Kifette.
Here von Jernſtrup! Herr von Jeruſirup!
Sch foll Sie um Gottes willen bitten, nicht
wegzureiten. Das Fräulein bat Ihnen Dinge
von der aͤuſſerſten Wichtigkeit zu ſagen.
Das Fräulein bat Geſellſchafft: ich till
fienicht fiören; ich will lieber fterben, als bin:
auf Fommen. Meinen Reſpekt, und nun
dien, Lifette.
D meh!
l
167
D weh! gütiger Himmel! mußte ich
das erleben ! Falſche! Flatterhafte!
Ha! wie mir das Herz im Leibe zittert!
Kaum war ich zu Haufe, als ich ihr
folgenden Brief ſchrieb: Faum mar der
Brief verfiegelt, als ich folgenden von
ihr erhielt.
An das Fräulein By.
" das muß ich geſtehen! Sie haben ein
artiges Spielmit mir vor. Co naiv,
mein Fräulein, und — ſo ein bischen falſch? —
Ey, ey! es iſt mir lieb, daß ich nun weiß, wer
Sie beſuchen darf, wenn Sie Kopfſchmerzen
haben. Von mir keine Viſiten mehr! Nein,
bey allen Heiligthuͤmern der Liebe! von mir
nicht! Verwuͤnſchte Liebe! Abſchenliche Liebe!
Du Tyranninn meines Herzens! peinige mich
nur: ich will Sie doch haſſen, Untreue, Sie
haſſen! Das iſt mein Ernſt, ſo wahr — — =
aber was wollte ich mir die Muͤhe gebea, Ih⸗
rentwegen zu ſchwoͤren? Sch bin
| Ihr
gehorſamer Diener Jernſtrup
t4 An
168
An Herren Sernftrup.
aan Sie mir nicht mehr unter die Augen!
Reifen Sie nach L. mein Herr, es ift Fein
Menfh, der Sie halt. Sie wollten Fünftige
Woche wieder fommen: wenn cd Ihre Ges
fchäffte erfordern , jo übereilen Sie ſich unfernt:
wegen ja nicht. Es iſt allerley in dieſer Stade
zu ſehen; wie man ſagt, auch viele huͤbſche
Geſichter. Verzeihen Sie mir, daß ich Ihre
Abſchiedsviſite nicht annehmen konnte: wenn
man um drey Uhr gebeten wird, jo koͤmmt
man um fünf Uhr zu fpät.
| Ihre Dienerinn
P.
An das Fraͤulein P.
br Sie es nicht! Ob ich gleich nicht
nach ’ 8. reifen werde (denn das hatte
ich nur fo obenhin gefchrieben ), fo werde ich
doch Ihre Augen durch meine Gegenwart nicht
beleidisen. Sch weiß doch wohl, daß Sie
mich haffen; und der Himmel ift mein Zeuge,
ich verdiene es nicht. Der Himmel weiß, daß
ih Sie zärtlich, o überfchwenglich en
iebte.
169
liebte. Sie waren die Freude und der Stel;
meines Herzens; ich Fannte Feine Ruhe, als
die ic) in Fhren allzureizenden Augen fand, umd
firich von dem Tage am, da ich Sie gefehen
hatte, iede Minute aus meinem Leben aus,
die nicht mit Ihnen befchäftigt war. Sie
lieben mich nicht mehr, vder vielmehr, Sie
haben mich niemals geliebt. Wehe mir ! daß
ich Sie nicht vergeffen kann: wie wenig haben
Sie ein fo treues Herz verdient, als das Herz
Ihres |
| Jernſtrup.
N.S. Ich vergaß, Ihnen geſtern das Miniatur:
gemaͤlde wieder zu geben, das Sie mir
einmal ſchenkten. Wenn Sie es erlau—
ben wollen, ſo werde ich es Ihnen morgen
perfönlich abliefern.
An Heren Sernftrup,
h will das Miniaturgemälde nicht wieder
I haben; meiner eigenen Rache wegen will
ih es nicht. So oft Sie e8 betrachten, fo
follen Sie an das Original denken, und iede:
mal eine neue Folter in Ihrer Seele leiden,
!5 daß
dab Sie das allerzärtlichfte Frauenzimmmner, was
icmals gelcbt hat, uud ganz nur für Gieges
Schaffen zu ſeyn ‚glaubte, fo gefränft haben,
Was ich befuͤrchtet hatte, iſt geſchehen; ich
bin krank, ſehr krank, — o Jeruſtrup! viel⸗
leicht werden Sie nicht lange Urſache haben,
vor mir zu fliehen , wie getern Abend. Iſis
wahr, daß Sie nicht nach L. reifen wollten?
Yus welcher Urſache ſchrieben Sie mirs
denn? ⸗Doch wie ich frage, ich T Thoͤrinn!
wollte ich Ihnen nicht gleichfalls rinbilden,
das der Narr aus --— —-bey mir wäre! Ich
dachte Sie für Ihren ſpaͤten Beſuch ein wenig
zu kraͤnken, weil Sie mir jo viel Unruhe ge
macht hatten: aber guter Himmel! ich ver⸗
muthete nicht, daß Sie ſo fertig ſeyn wuͤrden,
meine Befehle anzunehmen. O gewiß! Sie
kdunen mich nicht lieben, die Sache iſt gar zu
klar: wuͤrden Sie wohl den Augenblick ohne
weitere Erkundigung fortgeritten ſeyu? —
Nir wird ſehr uͤbel. Es iſt wahr, Jernſtrup,
ich bin kraͤnker, als ich ſeyn ſollte, und ſchaͤme
mich, die Urſache zu willen. Leben Sie wohl:
ich bin doc) nicht mehr Shore P.
In
171
|
An Fräulein P. |
—— — Theuerſte — meinem
Herzen theuerer, als Fuͤrſtenthuͤmer und
Schaͤtze der Welt! Ach, Allerliebſte! verzeihen
Sie mir! verzeihen Sie mir — Fußfaͤllig will ich
Sie darum bitten, und mich ſelbſt verdammen,
daß ich Schuld an Ihrer Unruhe — mie kann ich
den Gedanken dulden? — Gott! an Ihrer
Unpaͤßlichkeit bin. Schaͤndliche Eiferſucht!
wie ſie mein Herz zerriſſen hatte. Ich dachte
nicht an dieſe Folgen, ich wollte durch meine
Saumſeligkeit nur das ſuͤſſe Vergnuͤgen ge—
nieſſen, Ihre Ungedult ein wenig rege gemacht
zu haben; und die Reiſe nach L. war, wie Sie
ist beym erfien Anblicke bemerken werden, ein
blofer elender Scherz: elend, das gefiche
ich gerne, da er meine wahre Meynung fo ives
nig verrietd. O wie liebe ih Sie! wie un:
ausſprechlich! Ich muß zu Ihnen; zu den Fuͤſ⸗
fen Ihres Bettes will ich liegen, und uͤber Sie
beten, und mich nicht von der Stelle bewegen, bis
ich Sie wieder aufblühen ſehe, und neuen Fruͤh⸗
ling um mich herum empfinde. Allerliebſtes
Mad:
172
Mädchen! — Hurtig den Brief geilofen,
und zu Pferde! .
as foll ich ſohen ? Ich wollte
ſchneller, als Amors Pfeile, zu meiner
ve Hälfte binfliegen: aber Scham
und Verwirrung bielten mich zurück
Mit welchem Angefichte Eonnte ich nach
einem folhen Berbrechen vor fie treten:
ich hätte denn wie ein Mifferhäter Ab:
bitte thun tollen; und dazu warich zu
ſtolz. Denn alles genau genommen,
dachte ich, war die Schöne nicht felbft
Schuld, daß die Sache fo weit gefom:
men war? Hatte fie mich nicht vorfeßlich
eiferfüchtig gemacht ? Verſtehen die
naiven Mädchen feinen Scherz? Mit
einem Worte, fo wie ich dem Haufe
näher Fam, fo verſchwand auch meine
Reue, und ich entfchloß mich, troßig
zu thun, und fie zu dem Öeftändniffe zu
bringen, daßich der beleidigte Theil ſey.
- Ein glücklicher Einfall! D du eitler Jens
Sernfteup! —
Wie
— — 173
Wie ſchlug mir das Herz, als ich
ins Zimmer trat. Das angenehme
Kind batte ſich eben ankleiden laſſen,
um mich als einen verirrten und bußfer—
tigen neuen Liebhaber zu empfangen.
Die Freude uͤber meine Ankunft blickte
wider ihren Willen aus ihren Augen,
ſie bemuͤhte ſich vergebens, ihre Liebe
hinter ihren theils unwilligen, theils
bekuͤmmerten erroͤthenden Wangen zu
verbergen: ich ſahe aber auch deutlich,
daß ſie meinetwegen gelitten hatte.
Spectabat terram, terram ſpectare de-
cebat;
Moefta erat in vultu, moefta decen-
' ter erat. P
— OVID.
Da haben Sie meine Hand. Wenn Sie
gefichen, daß Sie gefehlt haben, fo will ich
Ihnen vergeben, und wieder gefund werden.
Ich habe — ic) habe ---- (mit Stottern)
die Sache zu weit getrieben. Be“,
Zu weit getrieben? Habe ih Ihnen Ur:
fache gegeben — ---
= Der
174
Beruhigen Sie fich, meine Liebe. Wenn
fie nur gefund werden ** ſo ſoll alles ver⸗
geſſen ſeyn.
Was? waren Sie nicht der erſte, der —
Wie? nein! das waren Sie! Das werden
Sie mir einraͤnmen! -—
Scherzen Gie, Sernfirup? —- Ich dachte,
Sie kamen, Abbitte zu thun —
Abbitte? — Unmöglih! Sie haben mich
ja eiferfüchtig gemacht. Sie werden nicht
leugnen, daß Sie die erſie Beranlafung gaben.’
Schrieben Sie nicht, Sie wollten mich in
acht Tagen nicht fehen? Kamen Sie nicht
zwey Stunden zu ſpaͤt, und lieffen mich in der
empfiudlichſten Unruhe von der Welt, weil
ich nicht wußte, was ich aus Shren Drohun—⸗
gen machen follte ?
Lieſſen Sie mir nicht fagen, Sie Fünnten
mich nicht annehmen, weil Jemand anders,
ein folder Jemand! — bey Ihnen wäre?
[ Sollte ich darüber nicht
zuͤrnen?
Deo, 1 Sollte ich das nicht em»
U pfinden? un
Sie
275
Sie trotzen, Jernſtrup, ich fehe, Sie tro:
gen: gewiß, ich liebe Sie mehr, als Cie
mid. >
Sagen Sie das ja nicht, mein gufes Kind:
wenn ich Sie nicht mehr lichte, fo Mürde ich
nicht den erfien Schritt gethan haben.
Falſch! grundfalſch! verlaflen Sie mich,
Trotziger, Ihre Handlungen ſtimmen fehr
ſchlecht mit Ihren Briefen überein.
Wie Sie befehien: aber ich bin nicht ehr-
lid, wenn ih Sie nicht in dem Innerſten
meines Herzens liebe. Weil Sie es aber
haben wollen, fo will ich Sie verlaffen. Leben
Siem!
Und fo ftellte ich mich, als wenn ich
weggehen wollte: ich bebte aber vor
Surcht, daß fie mich etwa nicht zurück
rufen möchte. Das find die verwuͤnſch⸗
ten Capricci der Liebe! Go wäre ich
beynab in meine eigne Nee gefallen.
Kaum aber war ich ganz erblaßt zur
Thuͤre heraus getreten, als ich die ge;
brochne Stimme meiner Schönen bins
127 ter
176 ——
ter mir hoͤrte, die mit naſſen Augen auf
mich zu kam, und mich halb freundlich,
halb wehmuͤthig fragte, ob ich im Ernſt
gehen wollte? Laͤnger konnte ich mich
nicht halten.
O mein Engel, (und hier fiel ich ihr wei—
nend um den Hals) o beſte, zarteſte, anmı:
thigſte kleine Zauberinn! wie entzuͤcken Sie
mich! Wie unendlich liebe ich Sie! Welch ein
Herz! welch eine Seele! und ſolch ein ſchoͤ—
ner Leib! ſolche Augen! folche Yurpurmangen!
folh ein. Schatz der auserleſenſten Schoͤnhei—
ten! Wie glücklich bin id! Wie unbefchreibs
lich glücklich bin ich! O fagen Sie, fagen
Sie, daß Sie mich lichen, und anbeten will
ich mein himmlifches Mädchen!
Allerlicbfter Jernſtrup! follte ih Sie nicht
lichen, mein Befier ? Wie koͤanen Sie mir die
Frage thun? Sie fehen mein Schwaͤche: ich
hätte Sie follen geben laffen. Sie haben mid)
auf die Prode fielen wollen; ich bade mid)
verrathen, Jernſtrup; aber wie hätteich mich
vor Ihnen verbergen Fönnen ?
| Auf
— 177
"Auf folche Art endigte fich diefer klei⸗
me Zwift, und nie war unfere Liebe fo
feurig gewefen. Freude und Heiterkeit
ftrömte aus der Fülle unfers Herzensi in
alle unfere Blicke und Worte hinüber:
eine Umarmung folgte der andern, und
fie ſelbſt würdigte mich freymwillig ihres
neftarifchen Kuffes.
Qui modo faeuus eram, fupplex vltro-
que rogaui,
Oſcula ne nobis deteriora daret.
Rifit, et ex animo dedit optima: qua-
lia poflent
Excutere irato tela trifulca Ioui. —
Haec quoque, quam docui, multo me-
liora fuerunt,,
Et — viſa eſt addidiciſſe noui.
oVvID.
Holder Tag! der den Streit der zaͤrt⸗
lichften Siebe auf diefe reizende Art en:
digte: fey mir, fo lange ich. lebe, ein
Feſt, an dem ich das Glück der Gifer-
ſucht, ohne welche ich vielleicht nie diefe
Der Hypoch. 1. T. M ſtar⸗
178 —
ſtarken Regungen ihrer Bruſt erfahren
haͤtte, mit neuen Freuden erneuere. Die
Materie iſt neu, das Gluͤck der Er
ferfucht: Amor feloft mag mich begeir
ſtern, fie zu feiner Ehre zu beſingen.
Das Gluͤck der Eiferſucht.
Sr feyft du meinem Herzen,
Du Gott beneidenswerther Schmerzen,
Und ſuͤſſer, ſuͤſſer Luft!
In deinem Ernft, in deinen Spielen
Laß mich dich allgewaltig fühlen,
Du König meiner Bruftl_
Ich will ja gern vor dir zerflieſſen,
Gern Thränen deines Grams vergieſſen,
Und gluͤhn, ach! innig glühn! .
Vor deines Amathuns Altären
Willich mit Ziitern dich verehren,
Und deinen Wagen ziehn.
Und von Entzücen hingeriſſen
Will ich auch deine Wunden Füffen,
Sie willig bluten fehn: 4
A Nur
m 179
Nur lafie dieſe neuen Senden —
O dieſe grenzenlofen Freuden!
Noch ie Air entſtehn!
So un au ——— Maͤdchens Wangen
Mit ausgeſdhnten Blicken hangen,
Errdthen, zärtlich flehn,
An ihrem holden Buſen weinen,
So in den innerſten Gebeinen
Dich fühlen, und vergehn!
Geſecauet fenfi du meinen Herzen
Du Gott beneidenswerther Schmerzen,
‚Und milder Eiferſucht! —
Und ihr, ihr, der Berföhnung Kuͤſſe,
Gefegnet! Heil mir! ah! wie ſuͤſſe
IR kurzer Schmerzen Frucht! |
NE Venus unter Myr chenbaumen
Einſt in phantaſtiſch-wilben T Traͤumen
Die Eharis Thalia
Den Sohn der Myrrhe zu erfreuen, \
Dit, allen ihren Taͤndeleyen
J — reizen ſah: |
(ae M 2 Sab,
180 —
Sah, wie ſie ist ihn an fich druͤckte,
Itzt wegfloh, laͤcheind auf ihn blickte,
Itzt — ihn umarmen ſah,
Zu viel der jugendlichen Triebe!
Zu viel! Ach! Königinn der Liebe,
Sprich, was empfandfi du da?
Sie wollte ſchreyn, vorSchmerzen ſchreyen,
Da flohn die Fühnen Gaukeleyen,
Und nun erwachte fie: |
Ah! mein Adonis Fann mic) haſſen?
Um eine Nymphe mich verlafien?
“Mich! — faͤlſcher Juͤngling, flieh! „
Er aber ſchwur, und ſeufzt und flehte,
Da weinte Venus, Purpurröthe
Umfloß ihr Angeſicht.
“Mich hatte Phantaſus getaͤuſchet;
Thu, was die Rache von dir heifchetz
“Yur, Züngling , fleuch mich nicht! „,
Nie hatte Venus mehr empfunden,
Nie öffneten die frohen Stunden
Solch einen goldnen Tag.
Sie beiligte vor allen Bäumen
Den Myrthenwald, der Liebe Träumen,
Und ſetzt' ihm Paphos nad.
Sieben⸗
181
EHE HEHE HH TE RT HF Ze
Siebentes Stud.
Me; heiſcht der Himmel ſelbſt, das nicht ein
Heuchler kann?
3aller.
underliche Hypochondrie! was
biſt du fuͤr eine zweydeutige
Lehrerinn? Durch deine Eingebungen
ſieht man Dinge, die man niemals ge—
ſehen hat. Ein hypochondriſches Auge
iſt wie ein Auge in der Nacht: alles
koͤmmt ihm ſchwarz vor; oder, daß ich
mich witziger ausdruͤcke, es iſt wie eine
gewiſſe Art Fernglaͤſer, die alle Gegen—
ſtaͤnde, verkehrt zeigen. So bald nur
der Hypochondriſt irgend eine Sache fuͤr
ein Laſter anſieht, — und dazu iſt ihm
ſeine Krankheit ſehr leicht behuͤlflich, —
182 — —
fo bald ſieht er alles andere auch für fa:
fter an. Denn ich hatte, Hochzuehren⸗
der Lofer, — ich will es nicht leug—
nen, ob — gleich meinen Aufſatz nun
anders fehäße, --- ich hatte, ſage ich vor
furzem den ſchwermuͤthigen Gebanfen,
dir die Scheinheiligfeit als ein fchänd:
liches Laſter abzubilden, und beynahe
hätteft du diefe Abbildung zu Iefen be
kommen. Wänfche mir Glück zu der
itzigen heitern Stunde, da ich, ein beſ—
feres Thema erwaͤhle. Die Schein⸗
heiligkeit ift eine veizende Tugend, und
zwar von Denen, die der menfchliche
Verſtand hervorgebracht hat, eine der
nuͤtzlichſſen. Siehe, mit diefem Sage
will ich dich heute unter/ uften, Sch
bin heute gänzlich überzeugt, daß mein
Sag wahr ift, und wenn du, gütiger
Leſer, etwa noch ein wenig daran zweir
feiteft, fo hoͤre, ich bitte bil, bir mir
fleiſſig zu.
J. Hält
— 183
1. Hält nicht die Scheinheiligkeit
das Gemuͤth von vielen bofen Dins
gen zuruͤck? Glaube mir, es find
Spotiwögel, durchtriebene Spottoögel,
die es nur für Tändeley, oder für
gebensart halten, wenn du die Pflich:
ten der, Öottfeligfeit wie ein Tage:
werk verrichteft, und gewifle Stunden
ausfeßeft, da dein Prunfzimmer von
lauten Gebeten teiederfchallet, obgleich
dein Herz die ganze Zeit über ungeruͤhrt
bleibt, Cine folche Berfaffung der
Seele, belieben einige zu fagen, fey
von der wahren Öortfeligfeit weit un:
terſchieden. Allein erſchrick deswegen
nicht. Jener Athenienſer urtheilte ganz
anders, als ſeine Gemahlinn, die ihn
bewegen wollte, einen verliebten Juͤng⸗
ling zu toͤdten, welcher ihre Tochter auf
der Straſſe gekuͤſſt hatte. Was mot:
len wir mit unſern Feinden anfangen,
ſagte der Grieche, wenn Leute, die uns
lieben, eine Ahndung befürchten müfs
kn? Eben fo Fönnte man fagen: Was
- MA wollen
134 ——
wollen wir mit den Deiſten und Frey⸗
geiſtern anfangen, wenn wir diejenigen
ſchmaͤhen wollen, bey Denen Die Ucbuns
en der Reſigion mechaniſch geworden
find? Mögen fie doch muͤrriſch und ver:
drießlich thun: es ift ein Beweis, daß
fie nicht mit der böfen Welt zufricden
find, und ein Anlaß, ſich von derfelben
immer je mehr und mehr abzuzichen,
Mögen fie doch die allerfchändlichften
Dinge unternehmen: fie halten doch
wenigftens in denjenigen Stunden, da
fie mit Gott reden, inne damit, und ihr
heiliges Geſchaͤft e iſt alſo allemal vor—
theilhaft fuͤr die menſchliche Geſellſchaft.
Der zweyte Nutzen der Scheinheiligkeit
haͤngt mit dem gegenwaͤrtigen genau
zuſammen. Denn
2. iſt die Scheinheiligkeit ein gutes
Mittel, dem Müll iggange Grenzen zu
feßen, und die Grenzen des fanftern
Vergnuͤgens zu erweitern. Wie viele
Frauenzimmer, die das groſſe Stufen—
jahr bereits erreicht u die num nicht
mehr
ar 7 385
mehrin Gefellfchaften glänzen, und ach!
Feine Eroberungen mehr machen, ----
würden nicht in einer unfeligen Gedan:
£enlofigfeit in ihrem Haufe herum wan:
dern müffen, wenn fie ihre fromme Ars
beit nicht hätten? Diefe allein fhüßt fie
für Muͤſſiggang und für allen Folgen
deffelben, Ich kann es der Frau Antonia
Eubach bezeugen, feit dem fie älter und
folglich mehr heiliger geworden ift, feit
dem find die Leute viel ficherer vor ihr,
als fonften, da fie noch mehr Müffig:
gängerinn war. Anftatt, daß fie da:
mals drey Stunden des Tages dem Ge:
bete, und neun der Verleumdung wid:
mete, fo betet fie ißo neun, und ver:
leumdet nur drey Stunden, Ihre
Arbeit iſt zwar alſo noch dieſelbe, naͤmlich
beten und verleumden; allein die Wag—
ſchaale hat doch itzt ihren Stand
verändert.
Ich wollte fangen, daß die Scheinhei:
ligfeit auch die Örenzen des Bergnügens
erweitere, Freylich, mein werthefter fe:
6 @ nr
fer, wenn du dir das nur recht vorftelfen
koͤnnteſt! Ach! dus ift gar ein überaus
fanftes und unbefanntes Vergnuͤgen,
von tedermann für fromm gehalten wer:
den, umd doch in feinem Herzen über
die Schlachtopfer lachen, die man heim?
lich dem Neide und der Begierde zu
fhaden darbringt. Beynahe ift es noch
fanfter und naiver, als das Vergnuͤgen
des Riefen, der zu feiner Augenweide
feine Wohnung mit den Gebeinen derer
auszierte, die er erfchlagen ‚hatte. 1
3. Der ſchwaͤchſte Berftand if
Weisheit, fo bald er durch die Schein⸗
heiligkeit geadelt ift. Laßt den Schein:
heiligen noch fo viel Unfinn ausbrüten,
er wird immer Beyfall und Lob erha—
ſchen; da hergegen ein anderer, der nur
Religion im Herzen und nicht im Munde
hat, genöthiget ift, Vollkommenheiten
zu zeigen. Die Handlungen des leßtern
müffen fich blos durch die gefunde Ver:
nünft empfeblen, und was er fagen will,
muß er vorhes wohl überlegen ; *
e⸗
———— ——
beſchwerlich iſt das! Jener ſiegt durch
eine Mine und durch) einen Spruch.
Auf meinen Seifen habe ich ein fand
angetroffen, darinn es uͤberaus viel
Scheinheilige gab. Wer da nun ber dem
Geſpraͤche irgend eines frommen Man—
nes nicht recht bereit und willig ſchien,
die Weisheit, die von ſeinen andaͤchtigen
tippen floß, mit ehrerbietigem Ohre und
ſtarrem Auge aufzufaſſen, der lief eben
ſo ſehr Gefahr, fuͤr einen Veraͤchter der
Religion angeſehen zu werden, als ein
Muſelmann fuͤr einen Veraͤchter des
Eorans gehalten wird, der ein Stuͤck
Popier an der Erde liegen fieht, ‚uns
- folches nicht geſchwind und ehrerbietig
aufhebt: er kann ja nicht wiſſen, ob das
Papier nicht ag einige Saͤtze aus
dein Koran enthält!
4. Die Scheinheiligkeit macht aus
— Koͤpfen artige Leute. Vielleicht
klingt dieſer Satz ein wenig parader, und
ich befuͤrchte, daß einige juſt das Gegen:
theil
188 ——
theil glauben; ich muß ihn alſo beweiſen.
Zwar bin ich eigentlich nicht geſonnen,
den Nutzen der Scheinheiligkeit weiter,
als aufs gemeine Weſen, auszudehnen:
allein, ich kann es doch nicht laffen, etwas
weniges von dem Einfluſſe, den diefelbe
in unfern Tagen in den priefierlichen
Stand bat, beyläufig zu berühren. Es
ift eben noch nicht fo gar lange her, daß
es unter den Geiſtlichen fo recht finftere
Koͤpfe gab. Sie predigten die Lehren
der Tugend und des Chriftenthums mit
einer Art von Ueberzeugung, die aufler
ihr felbftnicht viel aefälliges hatte. Aber
gedanfe fen es Rranfreih! wir haben
galantere Zeiten. Mir dürfen des
Sonntags nicht befuͤrchten, daß wir die
Feinheit der Lebensart, die wir die Woche
uͤber in Geſellſchaften gelernt haben,
durch Anhoͤrung einer Predigt wieder
verlernten. Es giebt itzt eben ſo viel
geiſtliche als weltliche Petitsmaitres,
und zwar ſolche, die es nicht etwa nur
in uichen Zuſammenkuͤnften, ſon—
dern
189
dern auch auf der Kanzel, find. Sch
bitte, wie artig ift es nicht, wenn der
Redner am diefer heiligen Stelle feine
bons mots macht! es verficht fich,
fromme bons mots. — Sehet da, ein
formlicher Stuger im ſchwarzen Kleide!
Selbſt von den ernfthafteiten Din:
gen fpricht er fo zierlich und behutſam,
dag uns, wenn wir Scherz verfichen,
eben fo gar bange dafiir nicht werden
darf, Wie Fünftlich- weiß er nicht die
captationem beneuolentiae zu ma:
chen! und ey! wie fchön, wie ſchoͤn kann
er nicht tbun! —
Neulich hörte ich in Lübeck einen fol;
chen verwandelten Stußer mit dem lieb:
lichſten Accente, ſo ſuͤß und holdfelig, als
ober mit ſeiner Doris den Schaͤfer
ſpielte, von der Ewigkeit der Höllenftra;
fen reden, und er nahm fih, wie leicht
zu denfen, wohl in acht, daß niemanden
das Herz klopfte. Michtsdeftoweniger
entfchuldigte er fich in der Anwendung,
daß er von einer fo trockenen Materie
babe
190
habe reden, und die Gemüther der Ans
wefenden fo erſchtecken muͤſſen; er würde
es nicht gethan haben, ſetzte er hinzu,
wenn Diefe Lehre nicht eine der wichtig⸗
ften -ın unferın Glauben wäre -—- Der
Mann war nicht ſcheinheilig, werden
einige: meiner Leſer ſagen. Gut! er
ziebenur feinen ſchwarzen Rock aus,
und ich will meinen Leſern beypflichten.
5. Durch nichts gehet die Befoͤrde⸗
rung der Tugend und die Ausrottung
des Laſters gefchwinder von flatten, ala
durch Die Scheinheiligfeit, Es giebt
$eute, die viel fireuger find, als-mein
obiger Prediger „und die uns auf dem
Wege zur Tugend und zur Gluͤckſeligkeit
mit ihren traurigen Borfchriften algus
Lange aufhalten, . Sie fagen, es werde
gar viel erfordert, um ein Freund Got:
tes zu ſeyn, und es fen feine leichte Cache,
fih allemal in diejenige Verfaſſung zu
feßen, und fi darinn zu erhalten, die
man haben muß, wenn man den Abſich⸗
ten feiner Beſtimmung in.allen rg
k e⸗
—— 191
Genuͤge thun wolle. Aber fo viele Sor⸗
gen hat man bey der Scheinheiligkeit
nicht. Sie hat blumenreichere Pfade,
auf welchen ihre Lieblinge ſchnell und
ohne Hinderniß einher gehen koͤnnen.
Mit ſeiner Tugend und: mit feiner Got:
tesfurcht ein-wenig zu fehimmern ; Arnds
wahres Chriftenthum mit einem vergol:
„deren Schnitte ‚hinzuftellen ; ein geift:
liches Lied ſelbſt zu verfertigen; eine
‚verlorne Schuld ad pias caufas zu ver:
machen; die-Prediger fleifjig zu fich ein
‚zuladen, um zu zeigen, wie lieb man die
Knechte Gottes habe; ein paar Geufjer
über die böfe Welt zur rechten Zeit an
zubringen ꝛc. das find ja doch, deucht mir,
‚eben fo gar fhwere Künfte nichts und
‚gleichwol find fie binlänglich, uns den
‚Damen der Tugendhaften und From⸗
men zu verichaffen : mithin iſt es gewiß,
‚daß wie durch die Scheinheiligfeit fehr
geſchwinde zu. unferm Ziele gelangen.
6. Ein Mann, der nicht ſcheinheilig
iſt, koͤmmt nicht leicht zu Ehren und -
IE zu
5 1
192 —
zu Brodt, und umgekehrt. Ein Thor
biſt du, wenn du es hierinn verſiehſt.
Du kennſt ja den ehrlichen Heinrich Tho—
maſius? Laß dir fein Beyſpiel zur Ber:
befferung deines Zuftandes dienen. Du
weißt es; er ift ein wahrer Verehrer
Gottes, ein guter Ehrift, ein quter Buͤr⸗
ger, ein treuer Ehemann und ein lieb-
reicher Vater, Er bat zween Soͤhne
erzogen, die dem Staatejnüglich find,
und er läßt Feine Gelegenheit vorbey,
das Glück eines Menfchen zu machen.
Alle wiffen das von Thomafius. Hilft
es ihm aber, auffer dem Bischen Bey:
fall feines Herzens, nur im geringften
etwas? Erhaͤlt er eine beträchtliche Eh:
renftelle? Wein, denn fo bald die Re
de von ihm ift, fo bald heißt es: Mur
ift es Schade, dag Thomafius, — —
bier zuͤckt man die Schultern, indem
man, aber Hott Eennt fein Herz!
hinzuſetzet. Diefes wirft alles Gute,
das der Mann fonften an fich bat, über
den Haufen, Heinrich Thomafius bleibt
figen,
193
fißen, und das mit Recht: warum ei:
fert er wider den Pietifmus? warum
ift er nicht fcheinheilig ?
Sch weiß wohl, es giebt uͤberkluge
Leute, die es allemal unanjtändig fin:
den, wenn man in irgend einer Sache
aus intereßirten Abfichten bame
delt. Allein diefe Leute fchmecfen nach
der Studierftube, und fennen die Welt
nicht. Bey unfern Eleineen Hand:
griffen lernen wir erfi die Nichtigkeit
unfrer Theorien erkennen. Freplich,
dem Heren Marcus, der fich von Su:
gend auf zu guten Grundfäßen gewöhnt
hatte, ward es im Anfange ein wenig
ſchwer, fich in die recht feinen Hand:
griffe zu finden. Aber Herr Marcus
wurde bald von feinem Irrthume ge:
heilt, da er in die groſſe Welt Fam.
Der Gebrauch, den Kopf zu hängen,
der damals herrfchte, machte den feini;
gen fo biegfam, wieein Schilf; er nann-
te den wackerſten Mann, der es nicht
auch that, einen Freygeiſt, bielt Feine
Deräypohb.ıT. N Ge;
Gemeinſchaft mit irgend einem, der et:
wan einmal lachte, fondern die Chefs
der Scheinheiligfeit waren allein feine
Freunde, und — Marius fprang vom
Poſten eines elenden Schreibers empor
zur Würde eines wohlgebohrnen Finanz
rathes, die ihm itzt jährlic) taufend
Thaler einbringt. Wie? verlohnte fich
diefes nicht der Mühe?
Das ift eben die Quelle alles unfers
Misgefchides in der Welt, das mir
unterrichtet werden, lieber rechtfchaf:
fen, als Flug zu ſeyn, lieber nach den
Worfchriften der Tugend, als den
Umftänden der Zeit gemäß, zu han:
dein. Ein Quentchen Klugbeit ift befs
fer, als ein Pfund Verftand, Unter
tauiendmalen wird gewiß kaum einmal
gefragt: was man gethan habe; fons
dern vielmehr wie, und mit welcher
Grace man etwas gethan habe.
Wenn freylich unfer Herz allemal
mit der eigentlichen Abficht unfers Les
bens bejchäftiger wäre; fo würden wir
weder
— 385
weder bey unferer Arbeit, noch bey
unferm Vergnügen, ein fcheinheiliges
Weſen zeigen dürfen, Unſere Tugend
wäre immer für fi ch felbft Türge. Al⸗
lein dergleichen Foderungen ſind in einer
Welt, die die Beſchaffenheit der gegen:
waͤrtigen bat, ſchon laͤngſt für Grillen
erfläret worden. Unſer geben ift ein
Zufanmenhang von Gutem und Boͤſem.
Wenn wir alfo nur die einzeln Theile def:
felben fo zu mifchen wiflen, daß im Gan;
zen etwas Vortheilhaftes für ung ber;
auskoͤmmt, fo haben wir Löblich ver:
fahren, und wir find weiſe. Saft uns
alfo fcheinheilig fenn, meine a
fürwahr,, es ift die leichtefte Art,
Brod und zu — zu kommen.
196
Eee
Achtes Stud.
Als er eine vorragende Höhe von der geheimen
Natur entdedt hatte.
Bobmer.
ch theile meinen fefern ein Fragment
der Öefhichte Eupbemons und
Eynthieng mit, denn ihre Gefchichte
ift hold undlieblich; und, was mir vor
züglich daran gefällt, fie ift glaubwürdig:
ich babe fie von Euphemong Bruder,
mit dem ich auf Reifen gemefen bin, in
Manufript erhalten; die Ehrlichkeit
blickte ihm aus den Augen, und er bat
mir oft förmlich verfichert, daß er fich
niemals erlauben würde, etwas von feis
nem Bruder zu fchreiben, was nicht
wahr wäre. — Euphemon mar ein
Dichter, und liebte Cynthien, ein Mid:
chen,
— 197
chen, das zu ihrer Zeit alle andere Schoͤn⸗
heiten in R*** übertraf. Die unver:
gleichliche Eyrithia war, wie leicht zu
erachten, fpröde, und blieb ben feinen
Seufzern lange genug taub. Ein Poet,
der erobern will, hat in feiner Ruͤſtkam⸗
mer fo viel Örazien, Neftar, Frühlings:
weſte, Pfeile, Tächelnde Blicke, Gräber
und andere Mafchinen in Bereirfchaft,
daß er den verborgenen Weg zu dem
Herzeneiner Schönen gemeiniglich leicht
findet. Er fing feine Operation mit fol
gendem Gedichte an.
| Unruhen der Siebe.
——— Haerent infixi pectore vultus
Verbaque: nec placidam membris dat
cura quietem,
VIRGIL.-
Entfleuch, der. Trauben Gott! ruh, vormals
frohe Laute!
Kein Luſilied ſchutzt vor ihr, vor Cynthien Fein
Wein. | |
R 3 Ich
198 ——
Sch trank den Unmuth for. Sie Fam.
Mein Ange fchaute:
Und mir entfiel das Glas, und Liebe nahm
mic) ein.
Schon Fang mein feufzend Spiel. Au:
tiorpheiſch ſchreckte
Das Spiel fie ploͤtzlich weg. So ſchuͤch,
tern wuͤrden nie
Dianens Nymphen fliehn. Sie floh. Tief—
ſchauernd ſtreckte
Ich meinen Hals umher, doch — ich ver⸗
mißte fie.
Vom Dichterzorne voll klang itzt die Laute
wieder,
Ich hoͤhnte Cynthien, und trotzte Lieb und
uß,
Und donnerte Den Gott aus Knidos vor
mir nieder,
Und fuͤhlte — was? — daß ich ſie ewig
lieben muß.
Die Stolze liebt mich nicht, nur ich weiß
dieſe Zuͤge,
Dieß ——— nicht gelaſſen anzuſehn;
Nur mich —— des blinden Knaben
— Mi ich hin, und meine Lippen
| fiehn. Phi⸗
199
Philoſophie und Gram die ihr den Clever
landen
&eduld, Einfiedeley und Abentheuer gabt!
Entreift durch eure Kraft mich dieſes Maͤd⸗
Ri chens Banden,
Und ſchenket Weisheit mir, — wenn ihr
fie felber habt.
Schweig, Laͤſtrer! denn fiefömmt. Rauſcht
ehrfurchtsvoll, ihr Blaͤtter,
Verſtumm, des Uhu Lied! Weſt, fäufle
ſanft! fie Fömme,
Stolz, tie des Zeus Gemahl, die Koͤni⸗
gin der Goͤtter,
Hold, wie Cytherens Mund / der ſich in
Nektar ſchwemmt!
Wie ſchlaͤgt mein liebend Herz! Mit
geſtrecktem Arme
Ganz Gluth / ganz Zärtlichkeit, ſhleich ich
mich hin zu dir.
Ah, Cynthia, befrey, befrey mid von
| dem Harıne,
und laͤchle Freundlichkeit, und fühl ein,
mal mit. mir. —
R& Scchyu
200 ———
Schon tritt ſie naͤher her, ihr Auge ſieht
mich zittern,
Errdthend fieht ſie mich, ſo a fah fie
nie —
Ach! Neizendfte! mein Herz — — Steig
ſchwarzen Ungewittern
Umwoͤlkt ihr Auge ſich, und mare flie⸗
bet fie.
Unmenfchliche, du fliehſt! un fe die
treufte Liebe ?
Fliehſt fie, da du fie ſchufſt? ficht ie “ da
fie dir gluͤht?
Erklaͤrt ich mich zu ſchwach? Bleib! meine
zarten Triebe
Lehr ich dich noch einmal — doch nein!
die Sproͤde lit — I
Die ihr ein weiches Herz in eurem Vuſen
traget,
Nach meinem Schmerze 4 der Liebe
| Schmerzen ab; ”.
Und wenn ihr Gräbern nicht ein *
Ach! verſaget,
So klagt um mein Gebein, pe weinet
auf mein Grab.
* Ich
en 261
Ich weiß nicht, war es wirklich
zuͤngferliche Kaͤlte, oder war es ein
bischen Stolz, (denn Cynthia ſtamm⸗
te aus einem vornehmen reichen Hauſe,
und Euphemon hatte auſſer feinem Ita:
men" und feinen Verſen weder Titel
noch Guͤter;) oder war es Wolluft,
den armen Dichter fchmachten zu feben;
oder war es eine andere Urfache, daß
dieſesmal der Angriff fehlſchlug. Mein
Buch giebt hievon nicht die geringfte
Nachricht; die Gründe einer folchen
Unvollſtaͤndigkeit foll der geneigte. Sefer
in der Folge noch erfahren. Euphe—
mon wußte fich indeffen darein zu fchi-
fen, und weit gefehlt, daß er geſtor—
ben wäre, wie er in den vier legten
Zeilen feines Gedichtes verfpricht, fo
gebot er den Mufen von neuem, ihn zu
begeiftern, und dem. Saitenfpiele, zu
fallen. ch irre mich, er hatte nichts
mehr mit Grazien und Mufen zu thun.
Es war ihm von ohngefaͤhr eingefallen,
Cynthia möchte fich vielleicht. lieber ei⸗
ER 2 Sr
202 ee
nen Engel, als eine Grazie, uen⸗
nen laffen, und fogleih wurde feine
Laute mit andern mythologiſchen Blu:
men befrängt. Er veränderte auch aus
weiſer Sorgfalt die Füffe feiner Berfe,
und fiehe da — doch wir wollen erfi
bdie Verſe felbft hören.
Sefang an die Yacht.
Und machen ihrer Glut zum oͤftern eine
Bahn
Auch durch die Wellen ſelbſt —
Opitz.
Traurige Nacht, du koͤmmſt,
Ach, du koͤmmſt ſchon wieder,
Lange, traurige Nacht!
Weh mir! dein Flügel rauſcht
Wie der Fluͤgel des Todes.
Sbchreckniſſe ruhn auf ihm,
Traͤume voll Verzweiflung,
Gram und Marter und Tod.
Wilder iſt Cynthia,
i edſee.
| Als die braufende Nordſe 2
— — 203
Aber — o Eynthia!
Sieb mir Freud’ und Leben,
Sieb mir Welten in dir.
Barum, Natur, Natur,
Warum fehufft du mich zärtlich?
Licht mic) nicht Cynthia,
Haß ich deine Milde,
Daß du zärtlich mich ſchufſt;
Hauch ihr Gefühl für mich
In bie himmliſche Seele.
Sag ihr, ein edles He
Ohne fanfte Liebe
Sey ein Aug in der Nacht;
Sag ihr, es ſey ein Stern
Unter dickem Grmölfe.
Lieblich ift ihr Geſpraͤch,
Wie der Rachtviole Fi
Halfamträufelnder Duft;
Svpraͤch fie von —
dann fuͤhlt ich den Himmel. *
r
204
Bird’ ich lachend erdulden..
Aber ich fühle Todt
Schwarz, ie dieß Gefilde,
Herrſchet Truͤbſinn in mir.
Pruͤft fie vielleicht mein Herz ? —
Prüf es, Cynthia! pruͤf es.
Himmel, geboͤt fie mir,
Elend zu erdulden:
Lachend ſtuͤnd ich es aus;
Schreckliche Todesquaal
Tauſend bey Tauſenden
Schaun die Geiſterſe elen
Aus den Sternen herab:
Segnet, ihr himmliſchen,
Dieſen Eugel der Erde.
Zeiget der Schatten dir,
Cynthia, dein Bildniß:
O da ſiehſt du auch mich!
Ueberall, wo du gehſt,
Geht mein Genius mit dir.
Hoͤreft
208
Höreft du ein Geſeufz,
Wie wenn Menſchen ſterben:
Daß koͤmmt, Schoͤnſte, von mir;
Guͤtige Winde wehng
Hin zu deinem Gemache.
. Seufjer, erweicht fie doch,
ESprecht: " u lich Euphemon,
+ Der fo zärtlich dich liebt;
Zärtlihd, wenn auch der Tod
Andern Himmeln ihn weihet.
4 Zörtlich wird dann fein Blick
„Dir noch einmal lächeln,
4 Und dann ift er nicht mehr!
4 gächelnd umarmt er dih
In den Schauern des Todes.
— — —
Vor einiger Zeit gehe ich einmal auf
die Jagd, und da finder es Frau Kuni-
gunda, die Hausbälterinn, für gut, drey
oder vier Bogen mitten aus diefer Ge;
ſchichte
206 nn
fehichte herauszureiffen, und folche zum
Umfchlage einiger Pafteten anzuwenden.
Unfer Herr, hatte fie gefagt, die drey
oder vier Bogen herausteiffend, wird
das alte Papier doch nicht mehr brau:
hen! — Es thut mir alfo Teid, dag
ich meinen fohönen Leſerinnen nicht fas
gen kann, wie lange eigentlih Cynthia
ihren Anbeter noch habe feufzen laſſen.
Gnug, fie war zulebt gütig geworden.
Aber follte man fichs wunderlicher vor-
ftellen Fönnen, ihr Onkel, bey dem fie
fih aufbielt, ein firenger Mann, war
unvermuthet binter diefe Liebe gefom:
men, und fie follte doch ein Geheimniß
ſeyn. Er fohrieb an die Mutter der
Schönen — hundert Meilen wohnte
die Mutter von R*’* — und Eyntbia
erhielte Befehl, wieder zu ihrer Mutter
zurück zu Fehren. Wie fih Euphemon
hiebey verhalten habe, davon giebt fols
gende Ode Unterricht.
Obe,
Ode,
als Cynthia in ihre Heimat zog.
Acriter elatrem ?
207
Seilicet, vt non
Hor,
Kun, Juͤngling, welche finfire Höhle
Wird Fünftig Deine Wohnung feyn!
Zu ſtark iſt dieſer Schmerz, o Geile,
Zu ſtark, mein zitterndes Gebein!
Da geht ſie hin! — ach, ihre Blicke!
Ach, Aermſter, ſie iſts ſelber — ſie! —
Sprich, warum ſterb ich nicht, Geſchicke?
Was nügt mir Leben ohne fie?
Ach !ihr ſeyd todt, ihr holden Stunden -—
Doch, fehön im Tod, fankt ihr insg Grab;
Ihr ſankt, mit Roſ' und Myrth' umwunden,
Ins Meer der Ewigkeit hinab.
Lebt auf, ihr Stunden! ſeyd, ihr Scenen!
Ein Gott hat mich mit ihr vereint! —
Kehrt wieder mit den Freydenthränen,
Die ich an ihrer Bruſt geweint,
Hier
208
Hier bang an diefer Wand, o Laute,
Und fpiele Feine Lieder mehr; |
Du ſchallteſt nur für die Vertraute, *
Und-nun — nun ſchalleſt du nicht mehr.
Zwar lacht der Sohn des Himmels wiedet,
Der Lenz, mir aber lacht er nicht;
Zur Luſt ſtieg er zur Welt hernieder,
Er ſcheut ein trauriges Geſicht.
Dort gebt ſie noch! — nur Augenblicke:
Und dann, dann feh ich fie nicht mehr! —
Iſt das mein Loos? — o täufchend Glüde,
Wie ſtuͤrmſt du gegen mid) daher!
Ich habe doch nicht viel begehret,
Nicht Ehr' und Gold: ich bat um fie! —
zu ftolzer Wunſch, den ic) ernähret,
Du warſt zu groß: ich bat um fie! -—-
Willſt du fie mir noch einmal geben —
Ach, diefe Hoffnung iſt zu ſchoͤn! —
Ach, dann leb' ich mein ſuͤſſes Leben
Dir, Liebe, dir und Cynthien.
Dein Lob will ih. dann frober fiammeln,
Und frober tönt ibr Lied darein;
Daun wirft du unfre Thränen fammdn,
Die wir für dich der Freude weihn.
er⸗
eurer , 209
Vermuthlich werden sie $efer nun
wiſſen wollen, ob die Liebe diefer Leut⸗
chen noch glücklich geworden fey, oder
nicht. Das erfte ift geſchehen. Allein
wie Euphemon feine Goͤttinn in ihrem
Baterlande aufgefucht, wie er erft durch
taufend Unglücksfälle, zu fand und zur
See, diefes Ziel erreichet,, und. wie er
fich endlich mit ihr vermäßft, und eine
mit dren Söhnen gefegnete Che geführt
bat, das alles war freylich ſehr ſchoͤn
und ruͤhrend zu leſen; ic) kann aber,
wegen des verdrießlichen Zufalls mit
den Paſteten, nichts davon ſagen, und
meine Leſer moͤgen daher allenfalls dieſe
Lücken aus vielen andern ſchoͤnen Ritter:
büchern ergänzen, - Itzt wollen wir uns
ſeinem Sterbebette naͤhern: denn bis
hieher, ſo wollte es das Schickſal, durfte
meine Kunigunda ihre grauſamen Haͤn⸗
de nicht ausſtrecken. Vielleicht bekoͤmmt
das Fragment dieſer Geſchichte noch ein
recht feyerliches Anſehen durch dieſe
Scene
v0 1. T. O Der
210
Der
ſterbende Euphemon und ſeine
Cynthia.
Tlerö, runs, mans, word, mans, wand,
Soph. Philoct.
Euphemon.
Das Grab erſchreckt mich nicht. Laß Staub
den Koͤrper decken:
Er ward aus Staub gemacht, und iſt zum
| Staub’ erſehn.
Für dich nur, Cynthia, - wird mir dag
Grab voll Schrecken:
Ich foll aus deinem Arm in andre Web
ten gehn!
Cynthia.
Euphemon! —
Euphemon.
Cynthia
Cynthia.
Euphemon
Euphemon.
ph
Cynthia.
211
A Ach! wehe!
Euphemon.
Cynthia.
Euphemon.
Cynthia.
ya kuphemon.
Pi Eynthia.
Euphemott.
Soll ich dich laſſen?
Cynthia.
| Euphemott.
Dich nicht mehr fehn!
ECuynthia.
212
Euphemon.
die ich ſo gerne ſehe!
Cynthia.
Ach! Ach!
Euphemon.
Mir wird —
Cynthia.
Ag! Ach!
Euphemon.
ganz dunkel! Ach! O! Ach!
— — —
Sie fährt betaͤubt zurück, ſtuͤrzt ſprachlos
auf ihn nieder! —
Von Furcht und Phantaſie ward doch ihr
Blick getaͤuſcht:
Sein Auge brach noch nicht, nur auf die
Angenlider
War Serlenfchmerz geprägt, Scham, den
die Liebe heiſcht.
Sie
— 213
Sie aber ſtuͤrzt dahin! ihr Geiſt will auch
da ſchweben,
Wo ihr Geliebter iſt, will auch Euphemons
Gluͤck.
Judeß umarmt er ſie, und ruft ſie ie in das
Leben,
Und ruft mit einem Kuß den fieh nden
Geift zuruͤck. I
— —2
Euphemon.
Hein, Cynthia, zu viel! 9 fürchte deis
nen Kummer!
Der Kummer firaft nur ung, den Tod
erſchreckt er nicht.
Dieß Leben — ah! was iſts? — des
Todes Vorfpiel, Schlummer!
Pflicht, dag wir eben, ac)! und daß wir
ſterben Pflicht.
Sieh her! mein Innerſtes if ganz für dich
zerriſſen!
Wie wallt mein zaͤrtlich Herz nach deinem
2 Herzen hin!
* 283 Noch
214
Noch einen fanften Kup! — o fühls an
meinen Küflen,
Daß ich im Tode ſelbſt noch dein Euphe—
! mon bin.
Zerfließ , mein Geift, zerflich in Küß und
in Entzuͤcken!
O du Unfterblichkeit ! mie bift du mir fe
nal) !
Umfaß mid, laß mid dich an meine
Secle druͤcken!
Erhebe dich mit mir!
Cynthia.
BR Ah!
Euphemon.
ha!
Cynthia.
ha! Ab!
Guphemon.
Ah! ha!
®
-
Keunle
215
ee
Neuntes Stüd.
O ciues, ciues quaerenda pecunia
primum efb,
Virtus poft nummos.
HORAT.
E⸗ gehoͤrt mit zur heutigen Mode,
ein ehrlicher Mann zu heiſſen. Wo
wir uns hinwenden, rauſchen uns ehr⸗
liche Männer entgegen; die zweydeutig⸗
ften Wohnungen erfchallen von diefem
Namen, und dennoch Flaget die Welt,
daß die Ehrlichkeit ausfierbe.
Sch glaube zwar, dag fich aus diefem
MWiderfpruche fehr viele Folgerungen
ziehen laffen, und die Moraliften wer—
den nicht ermangeln, uns mwenigftens
den Werth der Ehrlichfeit daraus be:
24 greif⸗
216 —
greiflich zu machen, da ein ieder ſich
mit ihrem Namen ſchmuͤcken will,
Allein mir ailt es alles gleich, welche
Schlüffe andere machen. Ich bin zur
frieden, wenn ich nur Alauben darf,
daß die Ehrlichkeit, fo wie foiche von
den Sittenlehrern befchrieben wird, im
gemeinen Leben eine ſehr unbrauchbare
Tugend ift, und daß ein ieder Menfch
‚genöthiget wird, nach dem Maaſſe, als
er mehr oder weniger mit der Welt in
Verbindung fteht, auch feine Ehrlich
feit michr oder weniger auszudehnen,
einzufchränfen, anders zu beffimmen,
furz, fo einzurichten, wie es fein iedes-
maliger Vortheil erfodert.
Die Kameralwiffenfcheft, welche mit
andern Wiſſenſchaften dieſes gemein hat,
daß ein deutſcher Profeſſor iede Meſſe
ein neues Buch daruͤber ſchreiben kann,
hat doch etwas eigenes, wovon noch
kein einziger politiſcher Schriftſteller, ſo
wie es die Wichtigkeit der Sache er:
fodert, gehandelt hat.
Man
Man bat nämlich, wie ich zuver⸗
läßig weiß, in derfelben die Ehrlichkeit
nach allen ihren Berböhungen und Der:
tiefungen ausgemeffen. Man hat die
feinften Schattirungen durch eigene
Ausdrücke bezeichnet, und daraus ift
eine allgemeine Sprache entftanden,
welche, wie die Zeichen der Freymaͤu—⸗
rer, feinem von der Zunft unverfländ:
| lich iſt.
Ich nn mir viele Mühe ssacen,
diefe Sprache aus;ufundfcpaften. Al
lein felbft an den Orten, wo fonft —*
Geld alle Nachrichten zu erhalten ſind,
war man ſo geheim damit, als in vie—
len Gerichtsſtuben mit der Sportel—
taxe. Was ich alſo meinen Leſern da—
von mittheilen kann, ſind einige we—
nige Brocken, welche ich, wie mein
lateiniſcher Verwalter fein rebus fic
ftantibus, nur zufällig gefammlet habe.
Hier ift alles, was ich davon weiß.’
25 Kamerak
218
Kameralſtil.
Mit dem Kerl iſt nichts anzufangen.
Ein gefaͤhrlicher Mann.
Ein ehrlicher Mann.
Ein guter ehrlicher Mann.
Ein kluger Mann.
Er iſt blind.
* Er verſteht den Handel,
Ein ehrlicher Kerl.
Ein braver Kerl.
Ein feiner Kopf.
Ein verzweifelter Kerl,
Ein groſſer Mana.
— 219
‚wahre Bedeutung.
Ein wahrhaftig ehrlicher Mann.
Er leidet durchaus Feine Schelmftüce.
Er ſtiehlt nit, aber er läßt auch fünfe
gerade feyn,
Ein Dummkopf.
Er kennt feinen Vortheil.
Erlauben Sie, daß ih Madame mit ci-
ner geringen Tabatiere qufwarte.
Ein Betrüger.
Er kann ſchweigen.
Im Nothfall bricht er ein.
Er verficht ſich auf Raͤnke.
Wird er betroffen, fo wird er gehangen,
Gute Nacht, Juſtitz!
Vor
* ⁊
220 Be |
Vor langer Zeit wurde die Frage
aufgeworfen: Ob ein ehrlicher Mann
im Unglüce nicht mehr Achtung ver:
diene, als ein glüdlicher Betrüger ?
und mit Rechte Iachete man den armen
Sünder aus, welcher fo Findifch fragen
Fönnen. Ein ehrlicher Dann im Un:
glücke! welcher lächerficher Gedanfe!
Uber die Frage verdient ‚eine ernft-
liche Erwägung: Ob nicht überhaupt
ein Betrüger dem Sande nüßlicher fen,
als cin ehrlicher Daun? Weiles noch
hie und da einige muͤßige Köpfe giebt,
welche allen ihren Scharffinn anwen:
den, den "Betrüger, als dem Publifum
ſchaͤdlich, vorzuftellen. Dank fen es-
dem innern Gefühle, der Fräftigen Re:
aung des Herzens, und der allgemeinen
Uebereinflimmmung der. Welt, welche
den größten Theil der Menfchen wider
die falfchen und blendenden Schlüffe
diefer Irrgeiſter in Sicherheit ftellt.
Man müßte den guten Arift, der nichts
weiter, als ehrlich, ift, und den wackern
Herrn
221
Herrn Baron von Kreuzheim, Amt:
mann zu * den unvergleichlichen
Mann, nie gegen einander gehalten
haben, wenn man über diefe Frage
lange zweifelhaft fenn wollte.
Mur ein Paar Minuten, guter. ehrr
licher Ariſt! ---- Sie verzeihen esdoch,
dag wir Sieüberfallen! -—-- Gie find
ein fo lieber Mann; aber allzu ftille
leben Sie, wenn Sie es mir erlauben
wollen. ---- Woher den immer die groß;
fe Abneigung gegen die Welt? -—- D,
wenn Gie es nur wüßten,: man wollte
fih Ihnen fo gerne mittheilen, ----
wenn Sie fid) nur ein Flein wenig -- --
Im Ernfiel redete Ihr Herr Vater
nie mit Ihnen von der groffen Welt?
Sie ift fo böfe nicht, Arift, als Sie
vielleicht denken; und über diefes immer
zu Haufe zu fißen ---- ---- 08 macht
gewiß einen diefen Kopf. Aber wie
ich ſehe, fo find Sie bier artig einge:
richtet. -- Srenlich, das. Drächtige
fehlt. allein ich finde doch fo etwas
if ge⸗
222
gefallendes, fo etwas von Geſchmack.
— er hätte das aus Ihrer Fraufen
Stirne leſen follen? ---- Guter Alter!
ich fcherze zumeilen ein wenig. --- Das.
Sachen ift ja doch eben nicht allezeit Suͤn⸗
de, ---- = He! was gilts, ich brin:
ge die Falten weg? ---- Gie Fönnen
in Wahrheit lächeln? Sa, ja, Sie
find mir wohl auch ein Bogel --— ——
Sch will mich fchon hüten, Gie unter
unfere Schönen zu bringen. === --- Gt!
St! daß Ihre Frau ung nicht hört --- -—
Sie follten mich dauern ---- ch weiß,
Ihr Kinderchen liebt Euch einander. —
Deſto ſchlimmer fuͤr Sie Ariſt. Die
ehelichen Frauen verſtehen noch weni:
ger Spaaß, als die ehelichen Män:
ner, u Allein ich erftaune: Gie
haben nur taufend Thaler Einfünfte? --
Es ift wahr, davon koͤnnen Gie feine
Eauipage halten, oder Sie müfjen den
gelehrten Kerl bey Ihren Kindern ab:
fchaffen. -—- -—- Es heißt, Sie thaͤ⸗
gen den Armen viel Gutes, Bon *
end
223
fens Thalern Armen viel Gutes thun,
und felbft nicht einmal eine Karoffe hal:
ten --—- das ift mir zu hoch! ---- Aber
wir ftörten Sie ---- wahrhaftig, es ift
mir leid! —-O! bleiben Gie im fe:
fen — Wir wollen zuhören. --- Was
lefen Gie denn da für artige Sacdhıen?--
Monteskfieu Buch von den Ge:
ſetzen! — Mein Gott! leſen Sie
folh Geihwäß? ---- Vehmen Gie
diefes! -——- Es ift Doͤhlerns pro:
ceſſualiſche Daufefalle, --- Das
waren num wicder-ein paar rechte ober:
richterliche Runzgen! --- Mein, bey
meiner Seele! Xrift, ich babe Gie
nicht Fränfen wollen. Die ganze Welt
weiß es, daß Sie ein guter ehrlicher
Mann find, und man fagt, daß Sie
einen demütbigen Klienten einen Be—
trüger genannt, weil er Ihr Votum
erfaufen wollen. —-- lim Gottes wil-
lien! -— fo fehen Sie mich nicht fo
drohend, oder, wenn Gie lieber wol
len, fo ängftlich nicht an, == Gfaube
28 > ich
224 —
ich denn etwa folche Plaudereyen? —
Dieſe Ausſchweifung von Ihnen waͤre
ja gar zu luſtig. ⸗Nur das habe
ich wohl gehoͤrt, und halb und halb
geglaubt, daß Sie den Parteyen, wenn
ſie arm geweſen, die Gebuͤhren ge—
ſchenkt. — ch habe das fo hingehen
laffen, obgleich jemand die Anmerkung
machte, daß Sie ein wenig unverant-
wortlich gegen Ihre Nachfolger han—
delten,: daß Sie die Bedienung vers
ringern, oder twenigfiens die. Bauern
—— — —
Geſchwind Eau de Luce! — Das
wir ein’ unerträglicher Kerl. Gott!
wenn ‚die Welt voller Ariften wäre,
man müßte ſich vor langer Weile er—
haͤnken. Alle feine Schritte nach ges
nau erwogenen Grundſaͤtzen wohlbe⸗
daͤchtlich abzumeſſen, in allen Dingen
ſo gar den boͤſen Schein zu vermeiden;
ſein Gewiſſen zu dem einzigen Richter
ſeiner Gedanken und Handlungen ans
zunehmen, und dem firengen —7
us⸗
— 225
Ausfpruche deffelden alle Borfpiegelun:
gen der Welt und feine liebften leiden:
ſchaften aufzuopfern; den Leidenfchaf
ten der Groſſen aus Menſchenfurcht -- --
So albern, fo buntfchädig fieht es in
einem Ariftifchen Kopfe aus, und fo
langfam — —
Ha, untertbäniger Diener, Herr
Baron, wie bin ich ungeduldig, Gie
zu feben! — Schnellten Sie den ver:
fluchten Juden? — — Ich gönne es
ihm herzlich. — Tauſend Thaler mußte
er ausgeben ? -- Die kann er tragen. ---
Sch böre der Muͤhlenproceß ift vor:
bey, — Bravo! Es wäre Sünde
gewefen, hätte der Müller nicht gez
wonnen, er ift fein Si; -——- -- — Die
DBanern: werden ein wenig fchrenen;
aber man darf nur ein paar beym Aer—
mel nehmen und aus der Thüre werfen,
fo ſehen fie, dag man fich nicht fürchtet.
Sch balte es mit Ihnen: Der Bauer
muß Friechen, ſonſt langt ser uns über
den Kopf; und hat er Geld, fo ift er
DerAypod.ıT. Y keck.
fe, — In Punkto der Brandgel:
der! --- Zwölf pro Eent find angeboten,
und das Pfand iſt fiher. -- Haba!
ich verftehe Sie. --- Scheuen Sie fi
vor dem nicht? — Wir Ichreiben den
2gten -—- Merken Sie, was ich fagen
will? --- Den fann der Caſſirer firre
machen. --- Sie follten doch Ihr Ge:
fpann und Ihre Karoffe bezahlt haben.
Sie foften --- af fehen: Dem Satt:
lee zogen Sie die Hälfte ab — Doch
nahe an taufend Thaler, -—- -—- Wenn
das dicke Pachterweib nur ſterben woll⸗
te! — ‘Ben meiner Seele, der Mann
müßte mit den Gtieffindern theilen,
wenn Sie ihm nicht durchhelfen. —
Sie — der Amtsfchreiber --- unter
taufend Dufaten koͤnnte er nicht ab
£ommen. Es leben die taufend Dus
Faten! und Ihr Mädchen! — Der
Teufel, Baron, wie ftach fie auf dem
legten Ball vor den andern hervor!
Die Juwelen waren prächtig — Aber
nicht viele folcher Thierchen, mein quter
Baron,
227
Baron, oder Sie müffen Ihre Dörfer
ordentlich ausplündern, --- ---
Nun darf ich es nach diefen beyden
Gemälden ficher auf der Wahl meiner
Leſer, und insbefondere meiner höchft:
gefchäßten Leſerinnen beruhen laſſen,
wem fie den Borjug geben; einem ch:
renveften, fteifen, ordentlichen Arift,
der voller Ehrlichkeit, aber auch von
Herzen Fläglich iſt; oder einem Fühnen
tanfchenden Baron, der nur die Finger
aufheben darf, um Geld zu fammlen,
und der das Gefammlete fo großmüthig
zu verthun weiß, Sch vermuthe nur
gar zu fehr, daß einige meiner geferinnen
feldft ihren geliebteften Grandifon ges
gen meinen Baron umtaufchen möchten,
"Aber es ift Zeit, aus einem andern
Tone zu reden. Cine fürchterliche
Schaar fleeitbarer Politifer zieher mit
grauenvoller Majeftät wider mich ein:
her. --- Ich weiß alles, meine Herren,
was Sie anzubringen haben. Darf
ich alfo nur fragen: Ob niche der böch:
P 2 fie
228
fte Gipfel der Staatshaushaltungskunſt
erreicht ift, wenn die ganze Maſſe des
Vermögens eines Staats in Bewegung
gebracht wird, fo dag alles cireuliret, die
Fleinen Theile die groffen, und die grof
fen wieder die Fleinen Theile wechſels—
weife unterfiügen, erhalten und erwaͤr—
men? Müffen nicht in diefem glückliz
chen Zuftande, welchen uns von Anz
fang der Welt ber die Projekte aller
Projeftmacher verfprochen haben, Die
Künfte, die Wiflenfchaften und der
Fleiß blühen? Muß nicht der Staat
dadurch aus diefer fchimpflichen Träg-
beit geriffen werden, welche die Unwiſ—
fenheit mit ihrem fehrecklichen Gefolge
zur Begleiterinn bat? Muß nicht —
ja, was muß nicht alles? Aber, wieder
auf meinen Baron zu kommen, fann
denn nicht fo ein einziger Baren auf.
zehn Meilen inder Kunde alles in Bewer
gung bringen? Und wenn nur auf iede
zehn Meilen ein Baron gefeßt würde:
wäre alsdann nicht für das ganze fand
geforget ? Es
Es ift eine ewigfefte Wahrheit, daß
es den Bauer gleich viel ailt, ob er
reich oder arm iſt, wenn er nur dasjer
nige eſſen und trinken kann, was fein
Vater ag und trank. Hat er mehr, fo
verſchließt er es in ſeinen Kaſten, und
bringt es aus dem Umlaufe. Aber nun
kommen Amtmann, Amtsverweſer,
Amtsverwalter, Amtsſchreiber, Land⸗
voigte, Landſchreiber, Hausvoigte, Kirch⸗
ſpielvoigte, Amtsvoigte, Schultheiſſen,
Sekretaͤrs, Gevollmaͤchtigte, Schreiber,
Amtsbothen, und mit einem malefehen
die Eofibaren Metalle, welche mit fo
faurer Mühe aus dem Eingeweide der
Berge, und gewiß nicht in der Abfiche
gegraben worden, daß fie in einer groß-
väterlichen Bauerlade von neuen vers
roſten follten, wieder das Licht der
Sonne. Alles lebt. Alles bat geplün
dert. Alles iſt reich. Die Fabrifanten
ſtuͤrzen ſich haufenweiſe herzu, um die
hochwohlgebohrne, wohlgebohrne, hoch⸗
edelgebohrne, hochedle, wohledle, edle,
P3 vor⸗
230 ——
vornehme und großachtbare Welt zu
zieren und zu ſchmuͤcken. Die Kauf—
leute, die Vormuͤnder der Nation, ſehen
ihre Waarenlager ſchleunig ausgeleeret,
welche eben fo ſchleunig wieder ange
fuͤllet werden. Die Handlung und die
Schiffahrt blühen. Der Bauer, dur
die Abgaben angefpornet, arbeiter ſchon
im folgenden Sabre hurtiger , feine
Erndte ift gröffer, folglich auch der
Raub beträchtlicher, und in eben der
Maafle wird auch der luxus und der
Umlauf des Geldes und. der Waaren
ſtaͤrker. So geben wir denn mit far:
fen Schritten zu dem Punkte unferer
Dollfommenbeit, von den Nachbarn
beneidet, bis wir endlich, weil die Un:
beftändigfeit auch Reiche und Laͤnder in
ihrem Gluͤcke verfolgt, und wenn unfre
kluͤgelnde Enfel vielleicht die gefunden
Grundftüßen ihrer Bäter verlaffen, wie:
der in unſer erftes Michts zurück fallen.
Sch babe für meine Leſer zu viele
Zärtlichkeit, als daß ich, fo fehr *
au
231
auch fonft in meinen hypochondriſchen
Stunden dazu geneigt bin, fie durch
eine traurige Befchreibung einer Re:
publik beunrubigen follte, welche aus
Iautee Ariften beftünde. Man darf
diefe Gefchöpfe nur anfehen, um ein
Fieber zu befommen. Sch werde alfo
mit mehr Nußen noch einen Einwurf
beantworten, der mir gemacht erden
könnte,
Man toird vielleicht fagen, es ftüns
de doh nur Ein Baron und feine
Feine Geſellſchaft aus einem Di:
ftrife von zehen Meilen in der Runde,
nach meinem Plane, zu füttern. Als
lein man muß mich wohl verftehen. Ich
will meinen Baron nurgebrauchen, dem
Bauer das Leberflüfiige abzunehmen.
Was er ohnehin verlieren muß, ift ſchon
abgerechnet.
Sie, mein Herr Pfarrer, Eönnen
alfo die zarten Pfingftlänmer, welche
Sie durch eine freundliche, holdſelige
und fanftmätbige Ermahnung den Ih⸗
P4 rer
rer Weide anvertrauten Schafen, als
ein aufierordentliches Merkmal der finds
lichen Liebe negen ihren Hirten, jäbr:
lich zu liefern auferleget haben, richtig
erhalten. Den Herren Kerzten ficht
es frey, nach wie vor, bey dem Bauer
ihre gefchabte Kreide anzubringen, und
wenn die Heren Advokaten nur fonft
meinem Baron micht zu läftig fallen; fo
verfpreche ich in feinem Namen, dag
alfe gütliche Vermittelungen unter den
Parteyen gewiffenkaft vermieden wer:
den follen, es reäre denn, daß eine Par⸗
ten den Vergleich aufferordentlich hoch
bezahlen wollte.
Kurz, es foll die alte Wahrheit un:
gekränft bleiben: Der Bauer er
nührt uns alle Welch ein Reich:
thum liegt in diefen Worten! Sch fehe
die ganze Stadt in einem regen Tumuk
te. Ein jeder huͤpfet mit dem Antheile,
welcher ibm, zuweilen erft durch die
dritte und vierte Hand, von der allge:
meinen Beute geworden ift, voller Freu:
de
— 233
de in feine Wohnung, Der Bauer,
dumm und Betrüger zugleich, hat an
feiner Seite einen Städter vervortheilt.
Er frohlockt über feine Liſt, und fällt
einem andern GStädter in die Hände,
welcher ihn wieder aussieht. So ge:
wiß iſt es, daß die Natur in uns allen
der Saamen — — Wie gerne mög:
te ich meine Gedanfen frey heraus fa:
gen, ‚wollte man mich nur nicht fteiniz
gen! — Uber, wie es mir auch geben
möchte, ich würde rund heraus beken⸗
nen, und behaupten, daß der Fühnfte
Räuber allein "feine Beſtimmung er.
reicht habe, wenmich nicht einen ganzen,
und zwar den anfehnlichften, Stand
jedes europäifchen Staats gewahr wuͤr⸗
de, und fehen müßte, daß er eben durch
feine gänzliche Entfernung von allem,
was eigennüßig heißt, zu diefer hohen
Gtaffel der Würde gelangt ift. |
Mir Fühnen Blicken, welche Chrer:
bietung und Furcht zugleich erregen,
—— er ſich an den mit dem Blute der
P5 Feinde
234 —
Feinde beſpruͤtzten Schild ſeiner Ahnen,
ſtolz auf ihre Tugenden, und ſtolzer
noch, daß er fie übertreffen Fantı. Sein
F es Herz erhebt ihn über die gemei⸗
Sphäre, und mit dem Mitleid eines
Helden fhauter auf die kriechenden Ju⸗
feften herab, welche aus der Erde ihre
Nahrung faugen. - Fern von Weich;
lichfeit und thörichter Pracht, verlangt
er von der Natur nicht mehr, als die
äufferfte Nothdurft; zufrieden, daß
Lorbeern für ihn wachen. Aber diefe
liebreiche Mutter beftimmt ihm mit miß
der Sorgfalt die Sklaven, deren thie⸗
riſche Beihäftigungen ihren wuͤtdigern
Soͤhnen neh mehr, als das Unent
behrliche, verfchaffen müffen. Itzt winft
ihm die Ehre ins Schlachtfeld. Schon
züdt er fein Schwerdt, den trägen
Bürger zu vertheidigen, der nur zu ers
werben, aber nicht zu flreiten, gelernt
bat. Schon ——
Himmel! follte ich geirrt haben? foll:
te mir das begegnet feyn, was fo vielen
begeg:
— — 235
begegnet iſt, welche über wichtige Wahr⸗
heiten Syſteme geſchrieben, und der
Kette meiner Schluͤſſe ein kleines Glied
fehlen? — Himmel! ſollte wirklich
der ehrliche, der uneigennuͤtzige Mann
den Vorzug verdienen? o! ſo erhalte
dieſen auserwaͤhlten Stand, welcher dem
allgemeinen Verderbniſſe nur allein ent
gangen iſt, in aller ſeiner Lauterkeit.
Lehre deine Söhne, die Fuͤrſten der Er:
de, die Urfachen, warum die Liedlinge
des Nachruhms niemalen ihre Hand mit
unedlem Geminne beflecft haben, und
daß das unträglichfte Mittel, "fie in
diefen erhabenen Gefinnungen zu befe:
fiigen, darinn beftehe, daß man ihnen,
fo wie es von undenflichen Zeiten im
Gebrauch gewefen — — ja, ja, die
Hände wohl binde,
a4,
Zehntes
236
Ba a a 2 nn
Zehntes Stüd,
— — egregü mortalem altique filenti,
HOR.
s mag alles wahr feyn, was Iſaak
— Bickerftaff von dem alten Knaben
Den Sonfen fagt, als: daß er einen
Rath, einen Stuser, einen Hofmann,
oder einen Bürger, jeden nad) feiner
Art, veden zu laffen, und fie genau zu
charafterifiren wiffe, ohne feine Zuflucht
zu ihrer Tracht, Hut und Degen, Pas
rucke und Schub, oder dergleichen Dinz
gen zu nehmen, die in jeder Trödelbude
feil find; daß feine Stücke allemal die
Fragen aushalten, was der und jener
Charakter auf der Bühne fage, was
für Urfache er hatte, ſich um dies oder
das
— — 237
das zu bekuͤmmern, wie es zuging, daß
Jener, der immer unter Leuten von die—
ſer und keiner andern Claſſe gelebt hatte,
nun auf einmal gleich Perſonen von
einer ganz verſchiednen Lebensart ſpricht;
daß Jonſon ſogar eine ganze Reihe von
Charaktern aufzuſtellen wiſſe, die bey
einerley Zweck, z. E. ihren Geitz zu bes
friedigen, dennoch alle in ihren Mitteln,
dazu zu gelangen, und ſogar in der Art,
ihre Begierde zu aͤuſſern und auszu—
druͤcken, von einander abweichen,
u. ſ. w. — Das alles mag wahr oder
nicht wahr ſeyn: fo viel weis ich, mein
Mann iftBen gewiß nicht! Die größte
Beruhigung meiner bypochondrifchen
Wallfahrt war der Gedanfe, daß ich
mit meiner Stummen vielleicht hätte
glücklich Teben Fönnen; ich glaubte an
ihr ein Herz obne falfıh zu bemerken,
und zmeifelte Feinesweges, daß die
Liebeserklärung ihres Kopfnickens aufs
richtig war, wenn gleich ein misgünfti:
ges Schieffal fie verhinderte, mir. deut;
lichere
238 TE
lichere Beweiſe ihrer Zuneigung zu ge:
ben; es war füß, ausnehmend ſuͤß für
den ehrlichen Zacharias, fich mit der
Vorſtellung zu fehmeicheln, daß es ihm
ſchon in feinem fiebzehnten Jahr geluns
gen fen, eine Eroberung zu machen,
um die ihn die Welt würde beneidet
haben, wenn es ihm erlaubt gemwefen
wäre, die Früchte davon einzuerndten,
Aber ach! two ift der goldne Traum ißt?
Graufamer Ben Jonſon! Eonnteft du
feinen andern Charäfter finden, deine
Milz zu erleichtern, als gerade den eins
zigen Charakter unter der Sonne, der
Jernſtrups Seele entzücdte? Wie?
wenn auch meine Stumme eine foldje
Epicöne, eine falfche verwünfchte. Here
geweſen wäre, wie die Stumme deines
armen Morofe, oder foll ich ihn lieber
Sernftrup den Erften nennen? Wo ift
ein Seher, der mir diefen unglüclichen
Zweifel beantworte?
Du wirft dich vermundern, mein gut
berziger Leſer, was mich auf einmal fo
trau⸗
— 2309
traurig mache; du kennſt vielleicht keine
Epicöne, feinen Moroſe auf Erden, ja
auch Ben Jonſon felhft mit famt feinem
Waarenlager von Charaktern nicht:
Wie Heneide ich dich! vor acht Tagen
war ich auch fo unmiffend, als du. Aber
nimm bin und lies! lies die Schand—
ſcene, womit mir der dienftfertige Ueber
fegee (daß ihn der Kufuf! mit
Herrn Schumaliß zu reden) der Roſe,
vorgeftern Abends aufwartete, Ach!
meine alte, meine einzige Geliebte! ift
es denn wahr? hätteft du wohl eine
Epicöne feyn Eönnen? O nein! nein!
ich will meinen Packen fträuben, und
mich mit Unglauben waffnen!
Moroſe, und ſein Stummer
Moroſe.
Saoll ich denn nicht, anſtatt dieſes
hohlen Steckens, noch eine beſſere Me⸗
thode ausfindig machen koͤnnen, meine
240 — —
Bedienten der Muͤhe zu ſprechen, dieſe
meine Ohren aber des Misklanges ihrer
Worte zu uͤberheben? Laß ſehen. Alles
Reden, auſſer meinem eignen, iſt mir
zuwider, iſt mir verdrießlich, beſchwer—
lich, unertraͤglich. Wie, Burſche! ſollt
es nicht moͤglich ſeyn, daß du mir durch
Zeichen antworten koͤnnteſt, und ich
dich verſtuͤnde? Sprich nicht, wenn ich
dich frage. Du haſt den Kloͤppel vor
der Thuͤr abgenommen, wie ich dir
hieß? Antworte mir nicht mit Worten;
ſondern fchweigend, --- Sehr gut! falls
du damit Ja! fagen willft. -—- Du haft
auſſen an die Thüre einen guten dicken
Polſter oder eine Madrage befeftigt,
daß fie mit ihren Dolchfnöpfen, oder
wenn fie mit Steinen anpochen, Feinen
Laͤrm machen? —- Nur mit dem Fuß
ausgefragt, fallsdu Ka! fagen will. --
Sehr!gut! So wird fürdie Beſcheiden⸗
heit eines Bedienten, und für die Wuͤr—
de und. Ueberlegung des Herrn zugleich
geforgt. — Du bift auch bey Cutbrard
dem
— 241
dem Barbier gewefen, daß er Fommen
foll? --- Our! Und er will gleich Bier
feyn? ----Untworte mir mit dem Fuß,
falls du Ja! fügen willſt: foll es aber
Mein! heiſſen, fo fchüttle den Kopf,
oder zuck die Achſeln. --- Go! --- die
Herren Spanier und Staliener befinden
fich bey diefer Etiquette gar fehr wohl;
fie ſtimmet mit einer weifen und nuͤch—
teren Gravirät vollkommen überein,
und ift aufferdem auch elegant. -—- Wie
lange wird Eutbrard ausbleiben ?- -—
Steh! Wenn eine Stunde, bebe die
ganze Hand auf; wenn eine halbe
Stunde, zwey Finger; wenn eine Bier
telftunde, einen Finger, --- Gut! Eine
baibe Bierteltunde! Sehr que! ——
Und haft du ihm einen Schlüffel gege:
ben, daß er ohne Pochen einfommen
Fann ? --- Öut! --- Uns iſt das Schloß
heut gefihmiert worden? und die Kies
gel? — Gut! --- Und find die Ueber:
züge an den Treppen allenthalben, wie
fihs gebührt, in gutem verwahrlichen
Der Hypoch. 1. T. N Stan:
Stande? daß das Hol; nirgend vor
guckt? --- Sehr qut! --- Sch febe, ducch
viele Lehren und anhaltende Uebung
kann man zum Zweck kommen. -- Geh
ein wenig bey Seite; --- Der Großtürd
iſt in diefer unvergleichlihen Kunft ganz
betwundernswürdig 5 er übertrift hierinn
alle Botentaten der Erde: lauter Gtums
me zur Aufwartung! duch Stumme
werden feine Befehle ausgerichtet! ja
felbft im Kriege, wie man mir gefagt
bat, und auf feinen Maͤrſchen, giebt
man feine Ordres ftillfchweigend durch
Zeichen aus! Eine ausnehmende Kunſt!
Ich bin oft berzlich beſchaͤmt, und ich
aͤrgre mich, daß die chriftlichen Fürften
fih in einem fo wichtigen Puhfte der
Gluͤckſeligkeit von einem Barbaren über:
treffen laffen. Wenigftens will ich diefe
Gtückfeligfeit in meinem Haufe einzu—
füßren wiffen, — (Ein Poſthorn wird
vor der Thür gehört). Wie nun? Oh!
ob! welcher Ruchlofe , welches Unges
heuer vom Menfchen ift das? Guck *
2243
of! ESchneid ihm die Köhle ab! die
Kehle ab! welcher Morder, welcher Hol: |
lenhund, Meicher Tenfel Tann das feyn?
Der Srumme Es if eine Siaf⸗
ferte vom Hofe — |
Moroſe. Weg, Bube! mußt du
dein Horn auch blaſen?
Stumme. Ach Herr, es iſt ein Bor
the vom Hofe, der fügt, daß er bey
Todesfirafe augenblicklich mit Ihnen
fprechen muß.
worofe Ben Todesftrafe, halts
Maut!
Truewit, Morofe, Cutbrard.
Truewit. Um Vergebung, Sir,
ich bin hier fremde: iſt ihr Name Herr
Moroſe? — Fiſche! fauter Pythagoraͤer!
Seltſam Was ſagen Sie, Sir? Gar
nichts? Iſt Harpokrates hier bey Ihnen
eingekehrt? Nun denn, Sir, ich will
Sie fuͤr den Herrn vom Hauſe nehmen;
es wird auf eine ganz Probe an⸗
2 kom⸗
244 —
kommen, Sir. Ihre Freunde bey Hofe
empfehlen ſich Ihnen, Sir ——
(Mor. O Menſchen! o Sitten! hat
man je eine ſolche Unverſchaͤmtheit ge—
fehen‘ )
Truew. Und find Shrentwegen
fehr beforgt,, Sit ---
Mor. Weſſen Bube feyd Ihr?
Truew. Mein eigner: Ihres glei-
hen, Sir —-
Mor. Hol mir meinen Degen!
Truew. Hier diefe Hälfte meines
Dolchs in deine Nibben, Kerl, wenn
du es thuft! und diefe andere für Gie,
Sir, wenn Gie fich regen! Seyn Sie
rubig, ich befehle es ihnen im Damen
des Königs , und hören mich aus. —
Man fagt, Sie wolten fich verheira:
then? verheirathen! verſtehen Sie mich,
Sir?
Mor. Und was denn, Tölpel?
Truew. Kurz, Sir, Ihre Freunde
wundern fich über Ihren Entſchluß um
jo
— — 24
ſo viel mehr, da die Themſe ſo nah iſt,
daß Sie ſich ohne viel Umſtaͤnde er—
ſaͤufen koͤnnen; oder die Londoner Bruͤ—
cke, wenn ſie lieber von oben herab ſe—
geln; oder der fchöne hohe Thurm Bow,
um fich den Hals zu brechen; oder Gt,
Pauls Thurm, der noch höher ift; oder
wenn Sie es näher am Haufe und für:
zer haben wollen, ein Föfiliches Erkfen—
fter ihres eignen Haufes, das nach der
Strafe hinaus gebt; oder ein Balken
in befagtem Erker mit diefem Stricklein,
welches Ihre Freunde Ihnen ſchicken,
Sie liebreich erſuchend, die Gravitaͤt
Ihres ehrenfeſten Schedels angeſchloſ—
ſenem kleinen Knoten ja lieber als dem
Ihnen gar nicht wohlanſtehenden Ehe—
bande anzuvertrauen; oder wenn Sie
auch das nicht wollen, daß Sie eine
Doſe Queckſilber zu nehmen belieben,
und ſtille wie eine Maus von hinnen
ſcheiden: mit einem Worte, das Sie
bey weitem viel kluͤger thun, uͤber alle
Berge zu gehn, * dem Irrwiſch, Ehe,
. 3 ſo
246 —
fs unbeſonnen, fo albern, fo thoͤricht nach⸗
sulaufen! Ach meh Ihnen, Sir! fönnen
Sie jemals heffen, in unfern Tagen ein,
züchtiges Weib zu finden ? zu einer Zeit,
da es täglich fo Biel Mafferaden, Schau:
fpiele, Puritaner: Predigten, toile Leu⸗
te, und andere aufjerordentliche Dinge,
oͤffentlich und zwiſchen vier Wänden
zu ſehen giebt? Haͤtten Sie zu Koͤnig
Ethelreds oder Edwards des Beken—
ers Zeigen gelebt: jo möchten Sie viel
leicht in irgend einer falten Dorf huͤtte
fo ein Weib guter Art angetroffen ha⸗
ben: damals wäre ein froſtiges einfaͤlti⸗
ges Ding ſchon noch mit einem Manne
zufrieden gewefen. Aber itzt! Eben
fo lieb würden unfere Weiber fih mit
einem einzigen Beine, oder einem eins
zigen Auge begnügen laſſen! Ich will
Ihnen alle die traurigen Folgen erzäbs -
ion, Eir, die Shen von einer Frau
bevorſtehen.
Mor. Guter Sir! haben ich je eis
pen oder einige Ihrer Freunde um ihr
fand
z— 247
Sand betrogen? ihre Höfe gekauft ? ihre
verpfändeten Aecker an wid gezogen?
mich. ihnen zum Machtbeil ihrer Erben
aufgedtungen ? oder ihre "Betten beſu—
delt? wodurch babe ich das um fie ver
dient?
Truew. Meines Willens durch
nichts, Sir, als daß Sie heirathen
wollen ¶
Mor. Wie? hätte ich einen Men:
ehelmord wider Ihren Vater angeſtellt,
ihre Mutter entehrt, ihre Schweſtern
geſchaͤndet —
Truew. Sch braͤchte Sie ums fe
ben, Sir, ich erdroſſelte Sie, wenn
Sie das hätten —
Mor. Wie? Sie thun mehr, aß
das! Was Gie mir ist thun, Sir, w&;
re für die größten Schandthaten, die
man ſi ch auszuſprechen fuͤrchtet, zehn⸗
fache ja hundertfältige Strafe —
Truew. Ad Sir, ich bin nur ein
Bothe; ich erzähle Ihnen nur, was
Sie wiſſen müffen, Es feine, Ihre
Q4 Freun⸗
248 ——
Freunde ſorgen für die Wohlfahrt Sb:
rer Seele, Sir, und fuchen Ihnen die
Gefahr vorzuftellen (meinentwegen md
gen Sie thun, was Sie wollen: ich
überrede Sie zu nichts), die Gefahr,
fage ich, die aroffe Gefahr, daß etwa
Ihre Frau acht Tage nach der Hochzeit
mit einem Bereiter davon laufe, oder
mit dem franzöfifchen Seiltänzer, ‘oder
mit einem Tanzmeifter, oder Fechtmei—
fter, verftehen Sie mich wohl, einem
Fechtmeifter, der die Waffen zu führen
weis — Alsdenn iſt esnicht die Schuld
ihrer Freunde. Die haben dann ihr
Gewiſſen befreyt, da fie Ihnen durch
mich fiir itzt wie für immer voraus fa:
gen, und begreiflich machen, was ge—
fcheben kann. Faffen Sie fih, Sir,
halten Sie fiandhaft aus: denn ich
muß und will Ihnen die Unalücksfälle
befhreiben, denen Sie ausgefeßt find,
Iſt Ihre Frau ſchoͤn, jung, bluͤbend:
nie hat eine Confeetſchuͤſſel mehr Fliegen
an fich gezogen: alle gelbe Roͤcke und
groſſe
—— 249
groſſe Bandſchleifen in der Stadt wer:
den zu Ihnen eilen. Iſt ſie haͤßlich,
verwachſen: gut, fo läuft fie dieſen nel:
ben Roͤcken, diefen Bandfchleifen nach,
und da hilft nichts: es muß gekauft
werden, Sir, Iſt fie reich, Haben Gie
die Mirgift, nicht die Frau, geheirather:
dann will fie das Haus regieren, und
herrfchen, wie eine Wittwe, Iſt fie
vornehm: alle ihre Berwandten find fo
viel kleine Thrannen des Chemanns.
Iſt ſie fruchtbar, lebhaft wie der May,
ungleich wie der April: nun, ſo hat ſie
ihre Aerzte, ihre Wehmuͤtter, ihre Am—
men, ihre Luͤſternheiten von einer Stunde
zur andern: und follte fie nach dem
Foftbarften Jecferbiffen lüftern, den nur
ein Mann darbietben kann; fie muß
ihn haben. Iſt fie gelehrt: Eein Pa:
pagoy ſchwatzt unaufbörliher, Fein
Reichthum ift reich genug, um für die
Menge von Gäften zuzureichen, die gez
beten ſeyn müffen, die gelehrte Frau
Griehifh und Latein veden zu hören;
2 ja
250 —
ja der Mann muß ihr gar feine Auſ—
wartung anf Griechiſch und Latein ma:
chen, wenn er mit ihrem hoben Beyfall
beehrt feyn will, Iſt fie eine Purita
nerinn: buy, mein Here Stummer, fo
entfchlieffen Sie fich, alle ſchweigende
Brüder drenmal in der Woche zu be
wirthen, die theure Schwefterfchaft fein
die Hunde herum zu füllen, die ganze
Cleriſey mit Knechten, Mägden, und
Kindern zu füttern, und zur Danffas
gung die erbanlichfien und endlofeften
Reden von nuritanifchen Hebungen, und
puritanifchen Gingen, und puritani-
fchen Eatechifiren zu hören, ja fogar zu
bezahlen, um nur der heiligen Fran Fein
Aergerniß zu geben, die Gie an Leib und
Seele betruͤgt. Der Angſtſchweiß bricht
Ahnen aus, Sir? D das ift noch nicht
die Hälfte: Inzwiſchen haͤngt es immer
son Ihnen feloft ab, was Gie hun
wollen (mie ich ſchon vorher erwähnt
habe). Sch komme nicht, Sie mit Ge—
walt zu überreden: ferne fey es von mir!
(der
251
Cder DBediente will wegſchleichen).
bey meiner Treu, Herr Bedienter, wenn
Ihr von der Stelle gebt, es wird Pruͤ—
gel regnen! |
Mor. Omas bab.ich gefindigt! was
hab ich gefündigt! - |
Truew. Gefest, im Gegentheil,
Eie lieben Ihre Frau, noch mehr, Sie
beten fie an: welche Marter für Sie
ſelbſt, Sir! wie wird fid) das holde
Weibchen an dem Fläglichen Zuftande
ihres winfelnden Eheherrn ergößen ?
Sie werden nicht bey ihr fchlafen dürfen,
wenn 5 ihr nicht gefällt; dern wie
dürfte ſie ihre LieblichFeiten, ihren fchlan;
fen ſchoͤnen Leib verderben! es fendenn,
daß fie es etwa einmal aus Gefälligkeit,
bloß für ein Paar Juweelchen, etwa fo
für eine Fleine Schnur Derlen nebenher
erlaubte, Das Vergnügen einer jeden
halben Stunde mug ihr, wie nach Ber
Taxordnung, abgekauft, jede Gefälligs
keit, wie in den guͤldnen Tagen der. Che:
werbung, mit dem Schweiß Ihres Ag:
geſichts
2
252 ee
gefichts erft erhuldigt werden, Sie
müffen ihr fo viel Bedienten halten, als
ihr Herz gelüftet, fo viel Gefellfchaft,
als ihr genüger: Sie ſelbſt aber, der
untertbänige Herr vom Haufe, daß Gie
fih nur nicht unterfangen, einen Freund
ohne Bewilligung der gnädigen Dame
anzunehmen! Auch nicht einmal, wenn
er das Glück haben follte, der gnädigen
Dome zu gefallen. Denn defto mehr
wird fie, alle unnöthige Eiferſucht zu
vermeiden, ihn zu haſſen feheinen; oder
fie wird lieber gleich zuerit eiferfüchtig,
und läuft is der Wuth (mer kann einer
fe artigen Fran, die fich aus Zärtlichkeit
übereilt, etwas wehren?) zu einer ihrer
getreuen Freundinnen oder Berwandtin:
nen in der Gegend der hohen Schule,
wo fie fich in der Kunſt, Briefe zu ſchrei⸗
ben, Bediente zu beftechen, Kundfchaf:
ter zu gewinnen u. ſ. w. unterrichten läßt.
Während ihres dortigen Eriliums muß
fie bald ein reiches Feyerkleid für Petri
Stuhlfeyer, bald ein neues für die hei—
| lige
— nenn 253
lige Faſtnacht, bald ein noch prächtige:
res für Afchermittwoche haben; fie muß
mit Silber bedient werden; ihr Zimmer
muß vollauf von Kammerdienern, La=
Fayen, Pförtnern und andern faufbor
then feyn; Stickerinnen, Juwelirer,
Pusmacherinnen, Naͤtherinnen, Feder:
ſchmuͤcker, Parfumeuͤrs, und was dem
anhaͤngich iſt, uͤbergeh ich mit Still—
ſchweigen. Ob unterdeſſen die Aecker
ſchmelzen, oder ein Stuͤck Wieſenwachs
nach dem andern in goldne Kleider um—
geſetzt wird, oder der Seidenhaͤndler fuͤr
ſeinen Sammt ganze Hoͤlzungen um
haut: das iſt nicht ihre Sorge. Was
kuͤmmert ſies, wie viel ihre Eitelkeit
koſte? kann ſie nur einen Pagen oder
ſonſt ein Milchbaͤrtchen kuͤſſen, kann ſie
nur als eine Staatsdame leben, alle
Neuigkeiten, alles, was zu Bath, alles
was beym Pferderennen zu Salisbury,
alles was bey Hofe, bey der letzten Luft:
reife des Königs vorging erfahren; kann
fie nur Poeten und Schriftfteller kritiſch
Bit | gegen
254
gegen einander abwägen, und Über den
Stil richten, Daniel gegen Spenferz
Decker gegen Jonſon prüfen, will man
ihr nur nicht den Witz ſtreitig machen;
uͤber die Zaubereyen der witzigen Koͤpfe
zu entſcheiden, allenfalis auch wohl eini⸗
ge Knoten der Polemik oder fo ein Bros
blem aus der hoͤhern Mathematik bey:
käufig aufzulöfen, in Religionsfachen
dem Nachbar zur Rechten, in Staats:
fachen dem zur Linken, in Zivendeutigfeis
ten dert voh hinten zu anmworten =
Mor O! o! --
Truew. Ich fage nichts, Sir, ale
was fih auf die Erfahrung gruͤndet.
Dann kommen noch die faubern Gänge
zu dieſem oder jenem Beſchwoͤrer, dieſer
oder jener alten Heye, wo die erſte Frage
lautet, wie bald der Gemahl ſterben
wird, die zweyte, ob der Buhler ſie
liebt, die dritte, ob ſich nach ihm ein
neuer Liebhaber, und nach diefem neuen
tiebhaber wie viele andere neue Liebha⸗
ber einfinden werden; ferner wer in
ihrer
u
— 255
ihrer Familie die vorzüglichften Kuppler⸗
Talente habe, Knecht oder Magd; wie
nicht weniger, welchen Rang ſie bey der
naͤchſten Aſſemblee behaupten werde—
Jede Antwort wird Punkt fuͤr Punkt
niedergeſchrieben; die heiligen Prophe—
ten weiſſagten nicht zuverlaͤßiger; und
er kann uns buͤrgen, ob fie nicht ſelbſt
auf den Einfall geräth, eine heilige
Prophetinn zu werden: —
Mor. Trauteſter Herr, ſind Sie
bald fertig? haben Sie ihr volles Maag
bald über mich ausgegoffen? Sch ſchwoͤ⸗
te Ihnen, fein Tropfen ihres ungeben:
ren Wortſtrohms foll bey mir umkom⸗
men. Ä
Truew. Gleich, Sir; Dann eile
fie nach Haufe, daß ihr der Kopfraucht,
naß von Schweiß, und Franf von Duͤn⸗
ften, daß fie zu Fuß bat geben müffen,
kiegt einen Monath lang im Bett; ihre
Haut abzumerfen; erneuert fichin Efels;
mild, und glämt wieder von Firniß⸗
leben Sie wohl, Sir. — Eins hatt
256
ich noch vergefien. Es Fünnte fich für
gen, daß Ihre Auserwaͤhlte fich vor der
Hochzeit zu einer andermweitigen Lieber:
gabe auf Diferetion verftanden hätte,
wie es gewiſſe Fluge Wittwen giebt, die
vor der zweyten Ehe ihre Erbfige bey ei⸗
nem guten Freunde deponiren: oder wenn
fie esnoch nicht getban hat, ſo kann fie es
vielleicht an ihrem Hochzeittage, oder
in der Nacht vor ihrem Hochzeittage
thun — Man Hat eher dergleichen
Dinge in der Welt gehoͤrt, ich beſcheide
mich, Ihnen Feine unmoͤgliche Dinge,
keine Hirngeſpinſte vorzutragen — Und
nun empfehle ich mich Ihnen aufs ſchoͤn—⸗
fie. Ich bin ſo frey, dieß Stricklein,
als ein geringfuͤgiges Andenken, Ley
Ahnen zurück zu laſſen. Adieu, mein
Herr Stummer!
Mor, Geſchwind! führe mich auf
meine Kammer! Erſt fehließt die Thüre
ab! DO fchließt die Ihüre ab! fehließt
die. Thüre ab! kommt er fchon wieder?
d
5 a8 — pr
257
Eutd. sh, Sit, der Barbier,
Mor. O Bariſcheerer, Bartfcheerer,
Bartſcheerer! bier hab ich einen Gur—
gelfcheerer gehabt! hilf mir in mein
Bett, und heile mich mit deinem Rathe.
— — —
Cutbeard, Epicöne, Morofe,
Stummer.
Morofe Willkommen, Cutbears,
komm mit deiner fehönen Bürde etwas
näher heran, und. ſag ihr leiſe ins Ohr,
daß ich ſie erſuche die Maffe abzuneh⸗
men; — Sp! — Iſt die Thuͤre ver⸗
ſchloſſen? — Schon gnug! —-- Nun,
Cutbeard, nach der Ordnung, die ich
in meinem Hauſe eingefuͤhrt habe, hebe
ich denn an, dich alſo zu befragen. —
Wie ich vorausſetze, Eutbeard,, fo iſt
Diefes junge Franenzimmer diejenige,
die du für mich beforgt und herbeyge:
fchafft haft, in der Hoffnung, fie werde
mir in der Stelle und Perſon einer Frau
Der Hypoch. 1. T. R an⸗
258 e>>
angemeffen fenn ? Antworte mir bloß mit
den Fuß, falls du Sa! antworten willfi.--
Sehr gut, Eutbeard; fehr gut: —-- Sch
feße ferner voraus, Cutbeard, du bar
beft dich vorläufig mit ihrer Geburt,
Erziehung, Gemuͤths⸗ und Leibesbefchaf?
fenbeit gehörig befannt gemacht, indem
du fie ſonſt nicht zur Beſtaͤtigung deiner
Wahl in einer fowichtigen Angelegen:
heit, als Ehehaften find, hieher geführt
haben würdeft dies feßeich voraus, Cut⸗
beard. Antworte mir nur mit dem
Fuß, falls du Ja! antworten willft, --
Sehr gut, Eutbeard, fepr gut, -- Geh
num ein wenig bey Seite, daß ich ihre
Gaben näher unterfuche. (Er gebt
um Epicönen herum, und be
trachtet fie) Sie ift über die maaf
fen ſchoͤn, und hat eine bejonders gute
Mine; eine angenehme Zufammenfe:
tzung oder Harmonie der Öliedmaffen;
die Temperatur ihrer Schönbeit ſtimmt
völlig mit dem Gublimat meines Ge:
blüts überein, Der Schelm von Eur;
beard
beard hat ihr Weufferes treflich nach mei:
nen Bedürfniffen zu beurtheilen gewußt?
und nun will ich ihr Inneres unterfu:
chen. Kommen Ste näber, fehöne junge
Dame: laſſen Sie fih mein Betragen
nicht befremden, obgleich es Ihnen der
Seltenheit wegen etwas fonderbar vors
fommen möchte. (Sie neigt fich) ---
Dein, Lady, Sie dürfen fprechen, wenn
gleich Eutbeard und mein Bedienter
nicht darf: denn unter allen Arten des
Schalles hat die füfle Stimme der
Schönheit allein das gehörige Maas
für mein Paar Ohren. Sc erfuche
Sie, berichten Sie mir, Lady; aus den
Funken zweyer Augen, die fich zum er:
ftenmale einander begegnen, fell, fagt
man, die Liebe bervorfpringen; berich:
ten Sie mir, ich erfuche Gie, empfinden
Sie bey diefem erften Anblick diefer
meiner Augen irgend etwas Nehnliches?
empfinden Sie irgend etwas aus irgend
einem fichtbaren Theile meiner Perfon
plöglich in Sie hervorfpringendes ? be,
# R2 $adn?
260 —
Lady? — (Sie neigt fh). —-
Ach, Lady, dieſe Antworten fiummer
Verneigungen find zu wenig hofiſch, zu
einfach für Perfonen von unferm Range,
Sch bin an Höfen erzogen worden, und
diejenige, die meine Frau feyn foll, muß
eine vollfommen hoͤfiſche, und, daß ich
fo rede, Fühne Lebensart befißen, Koͤn⸗
nen Gie fprechen,, $ady? ?
Epicöne (mit fanfter Stimme).
Urtheilen Sie, ich erfuche *—
Mor, Was fagen Sie, fady? Re⸗
den Sie aus, ich erſuche —
Epic. Urtheilen Sie, ich erfuche- —
Mor. Ben meiner Treu! eine recht
himmliſche Sanftmurh! Aber hat die
Natur Sie fähig gemacht, Lady, fich
nach Art diefer beiden Leute, die ich
durch Unterricht und Uebung gebildet
habe, vorkommenden Salls auf die bloß
ſtillſchweigende Erwägung meiner Wil-
lensvermögen einzufchränfen, und ftart
fih dem Vergnügen Ihrer Zunge zu
überlajien, welches das Hauptvergnügen
eines
ASEIARERTEE 261
eines Frauenzimmers zu ſeyn pflegt,
ſich mit den Antworten, die man ver -
mittelft der Öebehrdenfprache ausdruckt,
zu begnügen, fo lange nänlich meine
mündlichen Worte mie Ihrer perſoͤnli—
chen Borftellung von der Bedeutung
derfelben übereinftimmen? --- (Sie
neint ſich). --- Unvergleichlich! Ueber:
menfechliche Bollfommenbeit ! wenns
nur möglich wäre, daß Sie fich fo bis
‚an She Ende gleich: bleiben Eönnten!
Gib dich zufrieden, Cutbeard, dein Glück
iſt gemacht! wie du mich gemacht haft,
fo will ich dich wieder machen : anges
nommen, daß diefe übergroffe Gluͤckſe—
ligkeit fortdaure., Doc ich will die
Schöne noch näher verfuchen. -- Theure
tady, ich bin zwar Fein eigentlicher
Hofmann, aber doch ein höfifcher Mann,
wie ich bereits gefagt habe, und meine
Ohren bungern und durften nach ange:
‚nebmen und wißigen Linterhaltungen,
niedlichen Einfällen, ſchalkhaften Spot:
teregen, und muthwilligen Eleinen
| — Schwaͤn⸗
62 — —
Schwaͤnken von den Lippen derjenigen,
die ic) zur Geſpielinn meiner Ruheſtun⸗
den auserleſe. Die Damen am Hofe
ſehen es allemal als einen Schandfleck
für ihren Witz und ihre hoͤfiſche Lebens:
art an, wenn fie durch ihre Replifen
eine Mannsperfon nicht auf die Spur
bringen Fönnen, ihnen durch alle Fächer
den Hof zu machen: ift einmal ein ga:
lantes Gefpräch aufs Tapet gebracht,
fo fchieben befagte Damen niit ihren
Materialien immer nach, immer nach,
damit es der Manusperfon nie an Ge:
legenheit gebreche, fich auch feinerfeits
in einem vortheilbaften Lichte zu zeigen.
Werden Sie aber, Lady, fich von dieſen
Damen darinn unterfcheiden koͤnnen,
daß Sie alle dietebhaftigfeiten, die jene
Affectiren, um für wißig, gelehrt, ver—
ſtaͤndig, und beiſſend gehalten zu werden,
mit Stillfchweigen unterdrücken? Wer:
den Sie geneigt fenn, fich an ihren Rei:
zungen bloß in dem füllen Bemwuftfenn
Ihrer Tugend zu vergnügen, anftatt der
Welt
263
Welt eine Heroldian Ihrer eignen un:
vergleichlichen Eigenfchaften zu werden?
Epie. Sonft follt es mir leid ehun--
Mor, Was fagen Sie, Lady? Gute
$ady, reden Sie aus --
Epic. Sonſt follt es mir leid ehun --
Mor, Dieß Leidthun erfuͤllt mich
mit Freude. O Moroſe! du biſt der
Gluͤcklichſte unter allen Menſchen! Bitte
den Himmel, dich in Schranken zu hat;
ten! Ich will fie noch ein einzigsmal
unterfuchen, und es foll die feinfte und-
delicatefte Linterfuhung ſeyn, die man
je mit einer Schönen vorgenonmen bat,
Hören Sie an, fehöne Lady. Auſſer
demjenigen, was ic) Ihnen bereits ge
fagt habe, wuͤnſche ich noch, daß die,
die mit mir an einem; gemeinfchaftlichen
Ehejoch ziehen foll, die erfie und vor—
nehmſte in alfen Moden fey, oder um.
mic) deutlicher zu erflären, daß fie die
neueften Moden wenigftens vierzehn
Tage früher, als irgend eine Hofdame,
age; daß fie einen Staatsrath von
Ri - Schrei:
264 a zum
Schneidern, feinwandsframern, Spi:
Genhändlerinnen und Stieerinnen um
fich ber habe, daß ſie zweymal des Tages
Derfammlung mit gedachtem Staats:
rath halte, um die neueften M achrichten
aus Frankreich einzuziehen; und dann
hervortrete, wie die mannichfaltige Ma:
tur, noch mannichfaltiger durch die
Kunft, ihre nacheifernde Dienerinn,
Dieg ift der Wunfch meines Herzens.
Wie aber, Lady, wie wollen Sie, bey
der Ihnen eignen Sparfamfeit Ihrer
Stimme, im Stande feyn, die ver:
ſchiednen, doch nöthigen, Anweifungen
zu geben? Anweiſungen zu diefer oder
jener Schnuͤrbruſt? Anmeifungen zu
Yermeln? Anweifungen zu Saͤumen?
Anweifungen zu diefem Schnitt und
jenem Gtih? Anweifungen zu Sticke—
reyen, zu Spißen, zu Obrgebenfen, zu
Schleifen? Anweifungen zu Halskraus
fen, Bouquets, Guͤrteln, Fächern,
Schleyern, Handſchuhen? He? was
ſagen Sie, Ladd ?
Epic.
265
Epica Das will ich Ihnen überlaf:
fen, mein Here —--
Mor. Wie, Lady? eine Note hoͤ⸗
her, wenn ich bitten darf.
Epic. Sch überlag es der Weisheit,
und Jen: Er
Berwundernswhrdiges Ge:
fhöpf \ Sch will fie nicht länger in Zwei—
fel und Unruhe laffen, nein, fo fehr
will ich wider. diefe himmlifche Einfalt
nicht fündigen! ---- Sch will nun. fo
fühn fenn, Lady, auf diefe füllen Lip⸗
pen das Giegel zu drücken, daß Sie
mein find. --- Qutbeard, ich fhenfe
dir die Hausmiethe! danfe mir nicht,
oder danfe mir nur mit dem Fuß —
Sch verfiche, was du fagen mwillft: fie
ift arm, und ihre Verwandten find ge:
ſtorben. Allein ich bin zufrieden. Sie
bat mir eine reiche Morgengabe in ib:
rem Stillſchweigen mitgebracht, Eut:
beard; und eben weil fie arnı ift, Eut:
beard, wird fie eine defto zärtlichere und
geporfanere Grau fenn, Cutbeard. Geh
R 5 nun
266 ——
nun deiner Wege, und hole mir gleich
einen Pfarrer mit einer leiſen und fanf:
ten Stimme, der uns einfegne; bittihn
zugleich, daß er nicht zu viel Norte
mache, und fich möglichft kurz fafle.
Geſchwind, Eutbeard, doch one Ge:
raͤuſch. -— Kerl, führe deine gnaͤdige
Frau ins Speifezimmer: börft du? Hier
diefe, deine ikige anädige Frau. --- DO
mein Himmel auf Erden! wiewerde ich
nun an meinem unverfchämten Neffen
geraͤcht ſeyn! an ihm und feiner ganzen
Kabale, mid) vom Heiratben abzufchre:
een! Noch in diefer Nacht will ich
einen Erben zeugen, und den Schurken
aus meinem Herzen verftoffen, alseinen
Fremdling. En ja! er mußte fich
Knighten laffen! er mußte mir fein
übern Kopf wachfen! fein Titel follt
alles gut machen! ıc.
Morofe, Epicöne, Pfarrer,
Cutbeard. |
Morofe Gum Pfarrer.) Sit,
Gier ift ein Roſenobel für Sie, und noch
einer
267
einer fir Ihren Schnupfen. Erfchres
een Sie nicht vor dieſem Merkmaale
meiner Güte. Es ift billig, daß wir
dem Gluͤck, welches uns eine ziwiefache
Gunſt erweift, eine ziwiefache Grfennts
lich£eit bezeigen. „ Ihre Erfältung ift
zwar eine Ungemächlichfeit für Sie,
aber fein gemeiner Troft für mich.
"Pfarrer. (Er ſpricht, ais ob er
den Schnupfen hätte.) Ich danke Em,
Herrlichkeit. So für mid auch, itzt.
Mor. Was fagt er, Eutbeard ?
Cutbeard. Er fagt, Drefio, Sir!
wenn Em. Herrlichkeit ihn wieder braus;
chen, Eaun er wieder damit aufivarten,
Er zog fich diefe Erfältung ducch fpätes
Aufjißen zu, da er Rundgefänge mit
Quchwebern aus Flandern fang.
Mor. Nicht mehr davon: ich dan-
fe ihm,
Pfarr. Gott fegne Ew. Herrlich:
feit, und. gebe Ihnen viel Freude mit
Ihrer Schönen Vermaͤhlten. Umh. Umh.
ze Mor,
268. gr
Mer. O! 0! halt, Cutbeard/ laß
ihn. einen, halben Nobel zurückgeben,
Es iſt Guͤte, Wohlthaten zu vergeltem,
aber es ift Gerechtigkeit, Beleidigun—
gen zu ſtrafen. Ich⸗ wills fo abe.
Wasfagter? 7 _
Eutb. Er kann nicht wehfein, Si,
Mor. Er muß wechfeln. r
Cutb. Hufte noch einmal, cbeyſ)
Mor. Was fagt er? —
Cutb. Er will feinen Reſt auchuſten.
Pfarr. Umh. Umh. Umh.
Mor. Weg, weg mit ihm! halt ihm
das Maul zu: Weg mit ihm! Ich ver;
gebe ihm,
Epicöne. Ep Sie fich, Herr
Morofe, dag Sie einem Kirchendiener
ſo unanſtaͤndig begegnen!
Mor, Wie?
Epic. Es würde eine Schande für
Ihre Gravitaͤt, oder Ihre hoͤfiſche Le⸗
bensart ſeyn, wie Sie es nennen, ſo
was nur einem Matroſen zu biethen,
ge⸗
—— 269
geſchweige/ einem Manne in einem fo
ehrwuͤrdigen Kleide;
- = Mor. Sie koͤnnen alfo reden?
Mor. Laut reden? meyne ich,
Epic. Ohne Zweifel, Sir. Was!
bildeten Sie fich ein, eine Statue ge
heirarhet zu Baben? oder eine Mario—
nette ? eine von den framzöfifchen Pup⸗
pen, welche die Augen nach Stahldrat
beivegem? oder etwa ein unfchuldiges
Ding aus dem Hofpital, das die Hände
fo. hält, und ein ſchiefes Maul macht,
und euch angafft?
* Mor. O Linbefcheidenheit! ein of
fenbares Weibsbild! Was? Cutbeard!
Evpic. Nur nicht mir Cutbeard ge-
zanft; Sir, Das koͤmmt zu ſpaͤt. Sch
geſtehe, es ift nicht völlig fo fittfam ge:
fprochen,, als da ich für ein Mädchen,
und weiter nichts, galt; Ich hoffe aber
aus diefer Gittfamfeit ein gewiffes Er:
was zu machen, das dem Anftande und
den Rechten einer Frau gemaͤß iſt.
Mor.
270
Moroſe. Sie kann reden!
Epic. Ganz gewiß, Sir.
Mor. Was? Schurke! keine von
meinen Hollunfen bier? Wo iſt der
Spitzbube Eutbeard ?
Epic Sprecht zu ihm, Freund,
fprecht zu ihm. Ich will von folchen
gezwungnen unnatürlichen Stillfchweis
gen in meinem Kaufe nichts wiſſen.
Was! in einer Familie, woich regiere?
Mor. Sie regiert fehon! Sch habe
eine Denthefilca, eine Semiramis ges
heiratbet! habe meine Freyheit ancinen
Spinnrocken verkauft!
Truewit tritt auf.
Truewit, Woift Here Morofe?
Mor. Der wieder da? So behüte
mich der Himmel!
Truew. Sch wünfhe Ihnen viel
Vergnügen, Miſtriß Epicöne, zu Ihrer
ebrbaren und würdigen Eheverbindung-
Epic. Ich danfe Ihnen, Here
Truewit, für Ihren freundfchaftlichen
Wunſch. Mor.
271
Mor. Auch Bekfanntfchaften hat fie!
Truew. Der Himmel fegne Sie,
Sir, und verleihe Ihnen mit Ihrer
fhönen Auserwählten taufendfaches
Vergnügen, Vorher war ich Ihnen
ein Nachtvogel, eine Eule: ißt aber
komme ich als ein Bothe des Friedens,
eine fanftmüthige Taube, und bringe
Ihnen die fröhligen Gluͤckwuͤnſche aller
befannten und unbefannten Sreunde ya
der feyerlichen Handlung diefer gefegs
neten Stunde, |
Mor. Was für einer Stunde, Sir?
Truew. Der hochzeitlihen, Sir.
Sch lobe Ihre Entſchloſſenheit, dag
Sie, ungeachtet aller der Gefahren, die
ich Ihnen im Ton eines Nachtraben
weiſſagete, dennoch ihren Gang ftand:
haft fortgingen. Es zeigt Weisheit
in Ihren Zwecen, und Seftigfeit in
Ihren Unternehmungen an, daß Sie
ſich durch Fein linkes Gefrächze irgend
eines Unglüsfs; Propheten irre machen
liefen,
| Mor
272 —
Mor, Woher haben Sie immer:
mehr fo viel erfahren!
Zruem. Wie, fonnten Sie jemals
hoffen, Sir, da Sie Ihr Geheimniß
einem Barbier anvertrauten, daß es nicht
flugs in der ganzen Stadt bekannt wer—
den wuͤrde? Eben ſo gut und beſſer
haͤtten Sie es dem Canal, oder der
Baͤckſtube, oder der Leibwache, die dem
König folgt, anvertrauen koͤnnen.
Konnte Ihre Öravität das alte gemeine
Sprichwort ve rgeſſ en, lippis et ton-
foribus notum? Gut, Sir, verzeihen
Sie fih num Ihren Fehler felbft, und
laffen Sie Ihre Heirath fein, wie fichs
gebührt, Ihren Fretinden anfagen. Es
werden ohne das bald drey oder vier
Damen von der aroffen Welt mit ihrem
Gefolge von Liebhabern und Befannten
zum Befuch anbero fommen.
Mor. Verriegelt meine Hausthuͤren!
verriegelt meine Hausthuͤren! mo find
alle meine Schmarotzer? meine Freß⸗
maͤuler verriegelt meine Hausthuͤren,
ithr Boͤſewichter Epic.
273
. Epicdne Der ift ein Boͤſewicht,
der fich unterfiebt, es zu thun. Saft
fie mir offen, alle offen! Sch will den
feben, der nur eine Mine macht, fie zu
verfchlieffen. Soll ich meine Freunde
ausjperren, und mir das Vergnügen
Ihres ehrenvollen Beſuchs entziehen?
Mor. O mehr als amazonenmaͤßige
Unverſchaͤmtheit! —
Truew. Mein wahrhaftig, hierin
fpricht fie die Wahrheit, und wie mich
duͤnkt, fpricht fie weit verfiändiger, als
Sie, Sir. Wollten Sie gleich diefen
Augenblick ins Bett fleigen, wie? am
hellen Nachmittage? Ein Mann von
ihrem Anfeben und ehbrwürdigen Haaren
ſollte eine feyerlihe Handlung mit etz
was mehr Anſtand begeben, und fich
dem heiligen Ehebett nicht wie ein
Stadtbulle oder Ziegenbost nahen, folfte
die gehörige Zeit abwarten, und alsdann
mit Ehrfurcht und Schauser dahin
treten, Laſſen Sie den Tag Ihrer Hei—
rath dem freyen gefelligen Vergnügen,
Der Hypoch. 1. T. S dem
dem Schmaufe, der Mufick, dem Tan:
ze, und muntern Öefprächen gewidmet
feyn: wir wollen alles geniefjen, was
zur Glückfeligfeit und Pracht einer fol-
chen Hochzeit erforderlich ift.
Mor. O Marter! o meine Foltern!
Truew. Pfuy, Sir, wenn Sie fich
in diefer erfien Stunde fo ungeduldig,
eigenfinnig, mürrifch gebebrden, mit
was für Troft, mit was für Hoffnung
kann diefe junge Vermaͤhlte in eine fo
weite Zufunft hinausfchauen. ---
Mor Als mich Unglücflichen er:
wartet! Trauter Herr, geben Sie, und
laſſen Sie dieß Frauenzimmer das ihrige
ſelbſt thun.
Truew. Ich habe das meinige ge:
than, Sir, ich bin fertig.
Mor. O der verfluchte Barbier!
Truew. Ja mohl, ein verwünfch
ter Boͤſewicht! darinn haben Sie
Recht, Sir.
Mor. Des Quackſalbers Colombi;
fein Menfch bier mit der Cithar
babe
en u. Hanne 275
babe ich geheiratet! eine Plage über
alle e Plagen:
Truew. Sa alle zehn agypriſche
Plagen.
Mor. Rache! Rache!
Truew. So iſts recht, Sir! Noch
ein paar Fluͤche mehr, Sir. Sie koͤn—
nen ihm nicht zu viel Unglück auf den
Hals wünfchen. Winfchen Sie ihm,
daß er die Seuche, die eran andern cu;
riet, zehnfach felbft erhalte und nie cus
rire! daß ihm, wenn er andrer Leute
Haare auf kraͤuſelt, ſeine eignen vom
Kopf fallen! oder daß er eines Stutzers
Haarlocke ſenge, und der Stutzer ihm
mit dem Schnabeleiſen die Augen aus⸗
hacke!
Mor. Nein, laß den Elenden mit
beiden Augen ſehen, wie elend das E—
lend ift, das ich ihm anwuͤnſche. Daß
ihn der Grind verfolge! * 2c. Daß feine
Wärmpfanne auf-ewig erfalte!
82 Truew.
Her Roſe hat hier die Fluͤche ein wenis
abgekuͤrzt.
276
Truew. Und ewiger Froftin feinen
Unterleib fahre!
Mor. Daß er niemals wieder Se
er ſehe —
Truew. Als im Tattatus!
Mor. Daß ſeine Scheeren verro—
ſten, und ſeine Kaͤmme in ihren. Suf:
terälen vermodern!
Truew. Ein erfchreeliches Un
alu, was Gie ihm da wünfchen! —-
Daß er die Gabe verliehre, — in
Papier auszufchneiden ---
Mor. Daß er vor — ſei⸗
ne Schwänmte ftatt Brod verſchlinge —
Truew. Und Theriak trinke, ſeinen
Durſt zu loͤſchen! und wohl bekomm
ihm die Mahlzeit!
M or, Oder aus Mangelan Brod--
Truew. Obrenfchmatz effel — Ich
win Ihnen helfen, Sir. — —R daß
er ſich ſelbſt die Zaͤhne ausreiſſe, und ſie
an ſeinem Drat aufreihe!
Mor. Oder feine Hohlzaͤhne zu Pul
ver ſtoſſe, und ſich Brod daraus backe —
Truew.
217
Truew. Das ift, daß er fih Mehl
aus den Mühlfteinen mahle. --- Daß
es ihn an Geld fehie, fein Schild zu
überrünchen —-
Mor, Laſſen Sie es nur gut feyn;
ich vergaß mid) —-
Truew. Oder Niemand ihm Cre⸗
dit auf einen Kamm gebe —
Mor: Micht mehr davon, Sir ---
Truew. Oder wenn er aus Ber:
zweiflung feine Glaͤſer zerbricht, daß er
verzweifle , jemals wieder andre zu
Faufen --
Mor. Sch bitte Sie inftändig, vers
| ſchonen Sie mich --
Tru ew. Oder daß nur Schorftein:
feger ihm ihre Bärte anyertrauen ---
Mor. Sir ---
Truew. Dder daß er ——
einem Kohlengraͤber den Hals abſcheere,
und doch gehenkt werde ---
Mor. Ich vergebe ihm, wenn Sie
—* nur —— wollen. Sir ---
| S3 Daw,
278
Dam, Morofe, Truemit, Haughty,
Gentaure, Mavis, Trufiy.
Daw. Hieher, Madam.
Mor. Odie See bricht uͤber mich ein!
noch eine Waſſerfluth! eine Suͤndfluth!
Ich werde in Geraͤuſch erſaͤuft werden!
die Wellen ſchlagen bereits an mein
Ufer. Ich fuͤhle ein Erdbeben in mei—
nem Eingeweide.
Daw. Gluͤck zu, meine ſchoͤne Ge—
bieterin.
Mor. So! hat ſie auch ihre Anbeter!
Dam. Ich babe einige Damen ber:
gebracht , Sie zu ſehen, und kennen zu
lernen. Mylady Haugbty ; Mylady
Centaure; Miftrig Dol Mavis; Mi:
ſtriß Truſty, Mylady Haughtys Ge:
fellfchafts : Dame --- (Epteöne kuͤßt fie
nad) der Reihe, tie fie ihr vorgiftellt
werden.) Wo ift Ihr Bräutigam?
lafien Sie ihn herfommen. Kann er
Fein Geraͤuſch nicht vertragen ? Fuͤhren
Sie mich nur zu ihm.
Mor.
279
Mor. Welcher Nomenclator iſt das?
Truew. Sir John Damp, Sir,
ein gehorfamer Diener *) von Ihrer
Frau Gemahlinn.
Mor. Was? ein Knight, und mei:
ner Frau gehorfamer Diener? O fo ifts
um mich gefchehen, wenn fie folche Dies
ner hat.
Truew. Saufen Sie nicht, Sir,
MWahrhaftig, Sie müflen die Damen
Füffen. Dicht doch, Sie werden die Ge—
fellfchaft nicht verlaffen? Sehen Sie,
man fucht Sie auf. .
Haughty. Wirklich, Here Morofe,
wollten Sie fih fo in der Stille ver:
heirathen, und uns alle, ihre quten
Freunde, nichts davon wiſſen laſſen?
Nun gut, ich will Sie füffen, fo viel
Urfache ich auch babe, auf Sie zu
ſchmaͤhlen. Sie erlauben mir doch, Mi:
S4 ſtriß,
*) Servant bedeutete zu Jonſons Zeiten
einen Cicisbeo. Die Antwort iftin der
Urberfegung anders eingerichtet, Roſe.
firiß, daß ich nich einer honetten Fami—
liarität mit Ihrem Manne bediene ?
Epic. Sie erweifen mir die größte
Ehre, Madam, daß Sie ihn Ihrer Ge:
fälligfeit würdigen. Ich rechne es ihm
und mir für feine geringe Gnade an,
daß Sie ung junges Paar auf eine fo
angenehme Art haben überrafchen wollen.
Mor. Complinienten! Complimenten!
Epic. Mein Freund da, Sir Dam,
mag es inzwifchen verantworten, daß er
uns nicht einen Fleinen Winf hat geben
wollen, Sie etwas geziemender zu em—
pfangen.
Haughty. Wozu denn das, Miß—
ſtriß Morofe? Esift viel beſſer, daß wir
Ihnen einen Theil der Beſchwerde abneb:
men, als daß Sie fie allein tragen.
Mor. Sch merke, ich merfe! Und
fie wird die Beſchwerde ſchon von euch
tragen lernen, wenn fie es etwa noch
nicht gelernt hätte.
Zaugbty. (zu Eentaure heimlic) )
Das ift alfo die ſtumme — ?
en⸗
281
Centaure. Geweſen! Sie hat feit
der Einſegnung ihre Zunge wieder ge:
funden, wie uns Here Truewit berichtet.
Haughty. DO Herr Truewit, Ihre
Dienerinn, Was für eine Art von Ge:
fchöpfen ift unfere Braut? Sie fpricht,
duͤnkt mich,
Truew. Gewiß, Diadam, glauben
Sie mir, fie ift eine Dame von der be:
ſten Lebensart, und einer ſehr guten
Herkunft.
Haughty. Und Jack Daw fagte
uns, fie Fönne nicht ſprechen.
Truew. Eine fleine Intrigue,
Madanı, zwifchen Sir Dauphine und
einigenvon ung, un fie dem alten Murr⸗
kopf, ſeinem Oheim, anzuheften: aber
ſie iſt eine Frau von ungemeiner Frey⸗
muͤthigkeit, und hat einen aufferordent:
lich glücklichen Witz. Sie werden fie
taufend Spaß mit Herr Daw vorneb:
„men ſehen, ehe es Macht wird.
Haugbty. Und er befehrieb fie uns
o, daß wir uns luſtig uͤber ſie gemacht
Mn. 5 Truew.
282
Truew. Der fchlauefte Kopf, Ma:
dam, ift oft derjenige, der am erſten ger
fchnelft wird. Ich verfichre fie Madam,
Sie können fih über fie nicht Tuftig
machen. 2
Haugbty. Defto beffer. Wir wol:
len fie in unfere Zufammenfünfte aufneb:
men. Wenn fie Wiß hat, fo follfie eine
von uns ſeyn: nicht fo Centaure? Sol:
len wir fie nicht aufnehmen?
Eentaure Allerdings, Madam,
und Mavis und die neue $ady follen
fih mit einander meſſen.
Truew. 9, Miſtriß Mavis! Sa,
fo verliehrt Miftrig Morofe.
Mavis. Das wird fich erft zeigen,
wenn es zur Probe koͤmmt.
Haugbty. Mur fegen Sie ihr nicht
zu hart zu, Mavis.
Mavis. Fürchten Sie nichts, Madam.
Morofe. Gtlücfeliger Augenblick!
Wollte der Himmel, daß fte fich fo bis
an ihr Ende einander in die Obren
zifchen müßten! |
Truew.
283
Truew. "Unterdeffen, Madam,
Fönnten Sie mir helfen, den Mann ein
wenig aufzuziehen. Sie fennen feine
Schwachheit: reden Gie mit ihm von
den Hochjeit: Ceremonien, oder fodern
Sie das Brautgebuͤhr Ihre Hand
ſchuhe, oder — —
Haughty Ueberlaſſ en Sie mir das.
Centaure, Sie ſollen mir helfen, Herr
Bräutigam, wo ſind Sie?
"Morsfe O das Wunder war zu
greB, um lange zu dauren.
Haughty. Wir künbierfeineröige
Falu⸗ kein Wahrzeichen von einer Braut:
wo find unſere Schleyer und Handſchu—⸗
pe? Nun, machen Sie bald. Sie wer:
den uns doch das Colorit Ihrer Braut
‚zeigen? He, wo find die Bildniffe des
jungen Brautpaars?
Centaure. Je doch! Madam, er
hat keine malen laſſen.
Morofe. Hätte ich Ew. Gnaden
Leibmaler gefannt, fo hätte ich ihn brau⸗
‚gen, wollen .
u Haugbtn.
DBA >- re
Haughty. Da find Sie angefom-
men, Centaure, bey meiner Ehre!
Aber hören Sig, Here Morofe,: Sie
follen mit Ihrem Scherze nicht fo davon
laufen. Gie, der Gie von der Milch
der Höfe bis zu ihren feinften ecfereyen
gefofier haben! Gie, von der Wiege
her ein Hofmann, und verfehen es in
einem.fo unenfbehrlichen Umftande! laf
fen ihre Hochzeit gerade deſſen erman:
geln, was doch die Seele aller Hoch-
zeiten ift! hätten Sie. nur wenigſtens
Ihren eignen Vortheil erwogen! was
für eine Menge von Silbergefchirr, was
für Gefchenfe, und vornaͤmlich, was
für Freunde haben Sie nicht aus lauter
Eigenfinn eingebüßt!
Morofe Madam —
Haughty. Nehmen Sie mir das
nicht-übel, Sir, ich kann Ihr Verſe—
hen unmöglich gut heiffen. Wie? Gar
nichts, Feine Handſchuhe? keine Strumpf⸗
baͤnder? keine Schleyer? fein Hoc:
zeitskarmen? keine Maſken?
— — 285
Daw. Das Carmen, Madam,
ſoll nicht ausbleiben, dafuͤr laſſen Sie
mich ſorgen; ich habe ſelbſt auf eins an
gefangen, Wellen Sie es hören?
Haughty. Sa doch, - ber damit,
guter Jack Dam.
Moroſe. Befehlen Ew. Gnaden
etwa ein Cabiuetchen für ſich und Ih—
ren Freund da? Wählen Sie fich eins;
mein ganzes Haus iſt zu Ihrem Befehl.
Sch weis, daß Ew. Gnaden heute in
Ihrem Element find, und das Scic:
fal bat gewolft, daß die Reihe auch an
mich fommen follte. Es würde mich
ſchmerzen, wenn ich Schuld wäre, daß
es Ew. Önaden bier an irgend einer
Bequemlichkeit fehlte, Sch erſuche, ich
beſchwoͤre Sie —
Epicoͤne. Gehen Sie, Sie ſind
ein unhoͤflicher Braͤutigam. Muͤſſen
Sie Standsperſonen auf dieſe Art an—
fahren?
Centaure. Was das fuͤr ein gro⸗
ber Menſch iſt!
Truewit.
286
Truewit. Bey meiner Ehte! Gie
verdienten, daß man Ihnen die Hörner
über die Ohren zöge. Verſtehen Sie
mich reht, Sir. Ich fage dieß bloß,
um für die Damen zu antworten, nicht
in geringften, Sie zu beleidigen.
Moroſe. Iſt der ihr Klopffechter,
$adics ?
Truewit. So wahr ich Iebe, wenn
Sie noch ein einziges folches Wort fpres
chen, fo nehme ich Ihnen Jore theure
Braut beyfeite, und trinke Ihnen eins
zu, daß Ihnen Hören und Sehen ver:
gehen fol. Verſtehen Sie mich nun?
fernen Sie Ihre Freunde beſſer Fennen,
und begegnen ihnen bö flicher,
Die vorigen. Clerimont, Dauphine,
la Soole, Otter, Mrs. Dtter.
Elerimont. Mit Ihrer Erlaubniß,
meine Damen. Brauchen Sie Muſik?
Sch habe Ihnen hier ein Gemengſel
von allerley Inſtrumenten gebracht,
Spielt
— 287
Spielt auf, ihr Herren, gebt uns ein
Tutti, (Muſit durch einander).
Mor. O Gemalt! Gewalt! Ge:
malt! Gewalt! Wie fie meine armen
Ohren zerarbeiten! Wie fie Fragen und
ziehen! Eine ganze Sägemüphle ift nicht
unausjtchlicher!
Elerimsnt. Sie irren fih. Was
Sie bier hören, iſt weiter nichts, als
Haar, Calfonium, und Därmer, Ich
kann Ihnen das Recext geben.
Truew. Stille, Jungens.
Clerimont. Spielt fort, ſage ich.
Truew. Stille, ihr Schurken. ---
Sie ſehen, Sir, wer Ihr Freund nun
iſt. Faſſen Sie Herz, ſeyn Sie ſtand—
haft, wie ein Märtyrer. Vereiteln Sie
die Bosheit dieſer Leute durch Ihre
Geduld. Es iſt ja nur ein Tag: waͤr
ich an ihrer Stelle, ich wollte ſtandhaft
aushalten. Sollt ein Eſel mich an
Muth uͤbertreffen? keinesweges! laſſen
Sie die Ohren nicht ſo hangen: Sie
verrathen ihre Schwaͤche, und Jene
werden
288 ———
werden nur uͤbermuͤthiger. halten Sie
aus, wie ein Mann, wie ein Held! ---
Schauen Sie einmal an, Sir, was für
eine unverhoffte Ehre Ihnen hr Neffe
erweilt. Da bringt er uns einen koͤſt—
lichen. Hochzeitfhmans, und das Feft
defto anfehnlicher zu machen, fogar einen
BorfchneidervonStande, Seren laFoole,
wie auch die liebenswuͤrdige Mrs. Otter,
die den Trupp ſchließt.
Mor. Iſt diefe Gorgo, diefe Mer
dufa geRonmen? Derbergt mich! ver
bergt mich!
Truew. Sch ſtehe Ihnen dafuͤr,
Sie ſollen von ihr nicht verwandelt wer:
den, Sir. Gehn Sie ihr hübfch dreift
unter die Augen. Thun Sie mir den
Gefallen, unterhalten Sie Mrs, Dtter
manierlich, und führen Sie Ihre Öäfte
herein. Sie wollen nicht ? Önädige
Braut, wollen Sie die Damen herein
nörhigen? Ihr Bräutigam iftfo blöde --
Epicöne. Iſis Ihnen gefällig,
Madam? -—
Haughty
239
Haugbty. In Ihrer werthen Ge;
ſellſchafft, Madam -—
Epicöne. Freund Daw, ich brau—
che Ihnen nicht zu fagen, daß Sie Ihr
Amt verwalten —-
.. Dam. Mit dem größten Vergnuͤ—
gen, Ihrer Befehle gewürdigt zu wer
den, meine fchöne Öebieterinn ---
Centaure. Wie hat Ihnen ihr
er gefallen » Mavis?
Mavis. Ueber die maßen wohl.
- Ms. Dtter. Diefer Plag gebührt mir.
Mavis. Um Bergebung, Mıs.Dtt.
Mrs. Dtter. Ey was! ich bin
eine Collegiatinn!
Mapvis, Aber Sie halten ißt Eeine
Eikung.
> Mrs, Otter. Ich behaupte das
Gegentheil.
davis. Wir wollen dieſe Strei—
tigkeit ein andermal ausmachen,
Clerimont. Ich wuͤnſchte, Sie
hätte noch ein wenig länger gedauert ---
Truew. Sa, und daß die Herolds:
kammer hätte enticheiden muͤſſen.
Der Hypoch. 1.T. T Otter.
290 —
Otter. Ich habe meinen Bullen,
meinen Bären, und mein Pferd *)
ganz fachte, ganz fachte mit mir ge=
nommen, und drauffen find die Trom:
peten, und die Keffelpaufen, ihr Herren!
( Muſik von Trompeten und Pauken).
Mor. D! ol ol
Otter. Und wir wollen Beute ein
Trantrara haben, wie brave Dritten!
Modtnl.ot *°
Alle, Immer berein, immer ber:
ein, immer herein.
. Um Sie nicht länger in der Unrube
zu laffen, mein allertheuerjter Herr von
Jernſtrup, was aus dem armen Morofe
geworden ſeyn möge, da ich weis, tie
mitfüihlend Ihr funftes, gutes, aller;
zärtlichftes Herz für die Leiden Ihres
Naͤchſten ift: fo brech ich bier ab, und
fage Ihnen mit dürren Worten, daß
die
MLeibwoͤrter, die auf hen Trunf anfpielen,
Rofe,
291
die unvergleichliche Epiroͤne, die Blu:
me der fiummen Schönheit, und die
Bewunderung der Eollegiatinnen ----
ein junger Page gewefen, den Neffe
Daupbine, in der beften Aöficht von
der Welt, feinem ernfihaften und aller:
bedächtlichften Herrn Oheim antrauen
laffen, um ihm einen kleinen Vorſchmack
von den zwar gefelligen, doch fehier zu lau:
ten, und in der Folge nicht allerdings er:
fprieglichen Ergößlichfeiten des Gottes
Hymen zu geben. Man braucht Fein No⸗
tarius zu ſeyn, um zu wiſſen, daß ein Ehe⸗
pact, wo zwey Mannsperſonen an einan⸗
der copulirt werden, den Rechten nach
nicht guͤltig ſeyn koͤnne; und ich wuͤrde die
gluͤckliche Imagination meines allerge⸗
liebteſten Herrn von Jernſtrup zu beleidi:
gen glauben, wenn ich weiter etwas hin⸗
zuſetzte, als daß ich Sie zehntauſendmal
umarme, und in hoͤchſter Eile beharre
hr
Sieber Roſe.
T2 Eilftes
292
HÄTTE TH TEE THE TE
Eilftes Stud.
Moi, la plume à la main, je gowrman-
de les vices,
Et gardani pour moi - meme une jufle
rigueur,
Je confie au papier les — de mon
coeur.
BOILEAV.
J
in auswaͤrtiger politiſcher Schrift:
ſteller, der gerne die Wahrheit
ſagt, und, wenn ich ihn nach ſeinem
Klageton beurtheilen darf, ein Hypo⸗
chondriſt ſeyn muß, nennt es“ cin be;
“ trübtes Uebel unter der Sonne, und
“ einen Kammer, welcher ewig zu De:
klagen ift, daß man den Menfchen
*diejenigen Wahrheiten, welche fie
“eigent—⸗
En en ee 203
+ eigentlich angehen, und deren Kennt
” niß ihnen am allernoͤthigſten ift, nicht
jagen darf noch Fan, weil fie es
” nicht leiden koͤnnen noch wollen, etz
* was davon zu.bören. Man fage
*“ mir, ja man füge mir doch, feßt
* Biefer Schriftfteller hinzu, wer wohl
“ in der Welt gegen diefes Uebel eini-
” gen Rath zu ertheilen wife? „,
Will mein Autor, den ich fonft aus
verfchiedenen Lirfachen wahrhaftig hoch:
ſchaͤtze, blos Sefer und Zuhörer für feine
Mahrheiten haben; fo Fönnte ich ihm
mit einem Hausmittel dienen, welches
ich wider das Liebel, worüber er ſeufzt,
allemal bewährt gefunden Babe, und es
fiher anrathen Fann: daß man naͤm—
lich fo fchreibe, und fo rede, daß ein
jeder ung zu leſen und anzuhören Ver:
gnügen finde.
Hat aber der Autor fragen wollen,
wer ein Mittel anzugeben wiffe, daß
die Menſchen diejenigen Wahrheiten,
welche fie angeben, und welche man
3 ihnen
294 A
ihnen verſteckt oder dürre zu verftehen
gegeben hat, auf fich deuten, und ſich
beſſern möchten; fo befaſſe ich mich nicht
mit der Eur: denn diefes Uebel ift un:
beilbar. |
So viel Bann ich einfehen, die Welt
würde von vielem elenden Gefchwäge
befreyet werden, wenn fein Autor mehr
mit feiner guten Abficht großprablen
dürfte. So lange diefe Musflucht für
gültig angenommen wird, fo ift fein
Zügel für fchlechte Schriftfteller,; und
was mwürden denn die Leſer immerhin
daben verlieren, wenn fie gleich voraus
müßten, der Autor babe nicht an fie
gedacht?
Keine Schriftfteller würden fih mes
niger über mich zu befchweren haben,
als die fogenannten patriotifchen. Sch
fann es auf-Cavalliersparole verfichern,
daß fie, fie mögen gut oder ſchlecht ſeyn,
zwar mit fortreiffender Neugierde gele:
fen, aber felten verftanden, und noch
feltener, oder, daß ich nichts zurüc
laffe,
—— 295
*
laſſe, niemals befolget werden. Keine
Erndte iſt armſeliger, als die ihrige.
Ja, wenn die Groſſen ihre Traͤume
niederſchreiben wollten, daß waͤre ſo
eine Sache!
Wie redlich ich an meinem Theile es
mit der Welt meine, das kann man
daraus ſchlieſſen, daß ich im Begriffe
ſtehe, einen ungeuren Quartanten,
den ich von den Tiſchreden meiner Baſe
geſammelt, und den ich in der beſten
Abſicht von der Welt zum Drucke be
ftinnme hatte, dem Feuer aufjuopfern,
und fo gar nicht einmal diejeninen zu
verfhonen, welche fie in dem leßten
halben Fahre ihres Lebens geführet hat.
Wenn idy Eünftig etwas fchreibe, fo
foll das Beyſpiel des Montagne meine
Richtſchnur feyn. Er fchilderte fich ſelbſt,
und ich will mich an meiner eignen Thor:
heit, ohne Rücficht auf andere‘, ber
Iuftigen. Koͤmmt denn etiwa ein fchlet-
hender DBerleger, und lächelt mich
freundlich an, nun ja! fo foll er mein
Ta Werk
205
Werk haben, und ich verlange zur Er:
Fenntlichfeit nur die Freyheit, auch zus
weilen tiber ihn und über feine Käufer
zu lachen,
So weit hatte ich gefchrieben, als
meine Kranfbeit heftig anfigter Was
habe ich nicht ausgeftanden! In langer
Zeit feinen vernünftigen Menfchen fpre:
chen zu Fönnen; die sanze Weltfür Tho—
ren und fich für den größten zu halten;
immer zu murren, und nie einen heiz
tern Gedanfen zu haben. Gott
bewahre einen jeden Menſchen vor der
Hypochondrie, und vor einer dreytägis
gen Liebe! |
Das ärafte ift, ich weiß nunmehr
nicht, was ich eigentlich babe fehreiben
wollen, und wie ich einen vernünftigen
Schluß zu meinem Anfange finden fol.
Mein Leſer Eönnte twohlgaraufden Ein:
fall dabey gerathen, ich follte alles,
was ich gefchrieben habe, wieder aus:
ftreichen. Doch ich will fo Tieblos nicht
urtheilen.
Mein!
—
297
Hein! fo wenig ich eitel bin, (ich
till den Punkt von meinem Adel, wie
billig und Herfonimens iſt, ausnehmen:)
fo. fühle ich mich doch zu ſehr, als daß
ich eine Zeife ausftreichen follte, die ich
einmal zu fehreiben mir die Mühe ger
macht babe: und den zweyten Gedan—
fen dem erften vorzuzichen, Balteich für
eine Schwachheit, welche nur einem
Schüler zu verzeihen fteht.
In der Berlegenheit, worinn ich
mich wegen eines Schluffes befinde,
will ich mic) ein wenig mit meinen qu:
ten Freunden, den Gatirenjchreibern,
unterhalten.
Ich habe fehr oft, und jedesmalfehr
ernſtlich, über die Urſache nachgedacht,
warum Dentfchland, dem doch, wie
die Erfahrung lehrt, ist mehr als je:
mais damit gedient wäre, fo wenig gu:
te Satirenſchreiber habe, obgleich fo
viele junge Schriftftelfer, bey ihren er:
ſten Verſuchen, fich in diefes Feld wa:
gen; und ich finde, daß eben die Urfache
ı.5 uns
298
uns der Satirenſchreiber beraubt, die
uns um alle Trauerfpieldichter bringt.
Man fordert nämlich von den jungen
Anfängern zu viel, und macht ihnen
dadurch die vieleicht an fich ſchon fchwer
ve, die wichtige, die unfchaßbare Kunft
zu lachen noch ſchwerer.
Ich will es zugeben, weil ich nicht
Luſt habe, mich mit der ganzen Welt
herumzuzanken, daß das Leſen ſinnrei—
cher Werke, und der Umgang mit dem
feinern Theile der Welt, demjenigen
Skribenten, welcher ſich vornimmt, die
Sitten zu malen, zu einer Fertigkeit in
der Zeichnung, zu einem lebhaften Co—
lorit, uud beyfaͤllig zu einer edlen Idee
verhelfen kann. Aber wie oft wuͤrde
nicht, jenen Vortheil vorausgeſetzt, in
Anſehung des letztern, die groſſe Unbe—
quemlichkeit für meinen Freund, den
Satirenfihreiber , urücfbleiben,, daß
ihm bier eine feine Bemerkung, ein
Souper, dort ein beiffender Zug, fünf
ouisd’or die er zum Behuf feiner Be;
obach:
obachtungen verfpielen müffen, gefoftet
babe? Und wenn er denn endlich zur
Ausführung fohreiten will, fo wird gleich:
wohl allemal noch ein vieles mangeln,
das der Gittenmaler aus feinen eigenen
Vorrathe hinzu thun muß.
ft nun das wahr, welches ich fehr
geneigt zu glauben bin, weil darauf
Alles beruht, was ich vorzutragen habe;
fo find Bücher und Welt ja nur Hülfs-
mittel, und zwar folche Hülfsmittel, die
nicht für einen ieden zu erhalten ftehen,
und am Ende den Schüler noch nicht
zur Bollfommenbeit der Kunft führen.
Treten Sie nunmehr heran, junge
mutbige Schriftiteller, und er:
lernen mein Geheimniß, oder vielmehr
das Geheimniß derjenigen Kunft, zu
welcher Sie ein fo ftarfes Jucken fühlen,
Sie müffen recht lebendig überzeugt ſeyn,
daß Sie unter allen Narren den erften
Rang haben, und daß Feine Thorheit
in der Belt ſo greß iſt, wobon Sie
nicht den Saamen in Ihren Buſen
) tragen.
tragen. Hat fih dieſe Wahrheit nur
bey Ihnen in Kraft und Leben verwans
delt; fo iſt nur übrig, daß Sie fich
felbit wohl kennen fernen, welches
befonntlich eine leichte Sache iſt, und
2 fie fodann fih ſelbſt ſchil—
ern.
Rabſener, bat uns den Weg ge
bahnet. Er fagt, obgleich in einer an:
dern Abfiche: die Narren fehen, mie die
Menſchen, alle einander aͤhnlich, nur
einige Züge verändert das Klima. Die:
fer Spur wollen wir folgen; aber wir
wollen unfere Entdeckungen weiter trei—
ben, und, freuen Sie fih! diefen grof
fen Mann weit, weit hinter uns zurück
laſſen.
Sehen ſich alle Narren einander ähn:
lich; fo muͤſſen fih auch alle Menfchen
einander ähnlich fehen, weil alle Mens
fhen Thoren find. Ein Dann alfo, der
fein eignes Herz Fennt, der Fennt zu:
gleich beynahe die ganze Welt. Er
findee in fich die Anlage zu allen Thor:
heiten.
— ESEL
beiten. Sollte er nun nicht, nach genau
angeftellten und oft wiederholten Bez .
obachtungen über fich felbjt, wiſſen koͤn⸗
nen, was in der Geele eines andern
vorgeben muß, welcher ihn einmal feine
Hauprleidenfchaften bat ſehen laffen?
Müste nicht feine Cinbildungskraft
über alle Maaſſen eingeſchraͤnkt fern,
wenn er, nachdem er einmal in ſich den
Samen dieſer oder jener Thorheit ge:
funden bat, und mit ihrer eigentlichen
Natur befannt geworden ift, fich die:
felbe nicht in derjenigen Höhe abmalen
koͤnnte, worinn fie bey einem Menfchen
fenn muß, der ganz und gar ihr Sklav
ift, und wenn er nicht alle Örade be;
zeichnen Fönnte, in welchen die Thorbeit,
die der Gegenftand feines Nachdenfens
ift, unter verfihiedenen angenommenen
Umftänden und Vermiſchung mitandern
Thorheiten erſcheinen wird ?
“ Vielleicht bin ich duch Erempel faß:
licher. Sie wollen Die Eitelkeit im
höchfien Grade ſchildern. In feinem
—XR gluͤck⸗
glücklichern Augenblicke koͤnnten Gie
diefen Vorſatz fallen. hr Verleger
bringt Ihnen eben ißt Ihr neueſtes
Werk. --- Ißeld) ein Meifterftück des
menfchlihen Witzes! — Sie treten
zum Spiegel. — Belt, erkenne die
Groͤſſe deines g geöffern Swifts! --- Sie
fächeln. -- Sa, fie erkennt fie, die ſonſt
undankbare Belt, die Verdienfte ib»
ves groflen Satyrs! — Sie nehmen
eine Priefe Toback. —- Und die Kunfts
richter, das Schrecken gemeiner
Schriftfteller, mit welcher Ehrerbietung
werden fie meinen Namen nennen. ---
Das Unterfinn war noch ein wenig zu
flach --- fo! fo! ift es recht! -— Sie ha:
ben mein Stück auch gelefen, witzige
Doris! -- Den Schlafrocf ein mei
mehr übergefchlagen! —- Ha! bh
Doris, Sie feherzen nur mit on
Diener, nur Kieinigkeiten, fo eine Grille,
es war ein Verſuch, die Fünftigen
Stuͤcke -- -——
| Ganz
— —⸗ 303
Ganz vortreflich! nur geſchwind den
Schlafrock herunter — die Weſte her!
tackay --- wie fo langſam! Beſtie, ſchon
ift es neun, und um 12 Uhr foll der
Junker nad Hofe. --- Srifeur! Hola --
Ben dem Himmel und bey deinem fe:
ben, Friſeur, laß fein Haar fich unrecht
kruͤmmen, noch einmal bey allen Ele:
menten, erfchöpfe heute deine Kunft. —-
Hier ift Degen, Uhr und Tabatiere,
und bier der groſſe Spiegel.
Vortrefliches Meeifterftück der
+ bildenden Natur! Nie ſahe die Welt
” einen fehönern Süngling --- Elende
“ Gtußer, die ihr um Toiletten ſchwebt,
* die Hände fügt, und um Öunft ber:
* telt, weicht meinem Schatten, Sch
* komme als Sieger. Nur nicht fo
“ſproͤde, ihr fhönen Kinder, ihr habt
+ Karln noch nicht gefeben, den ſchoͤnen
“ Karl, und feinen leichten majeftäti-
* ſchen Gang, und feine blißende Au—⸗
* gen, und feine bezaubernde Mienen;
"noch habt ihr die fanfte Stimme nicht
x dd ge⸗
304 [na — —
gehoͤrt, wenn er euren Werth erhebt,
damit ihr den feinigen fühlen möget. —
Wie ſie dahin ſinken, die fchönen
Kinder, und ſchmachten! -- Aber fie
* follen dahin finfen und ſchmachten,
und Karl wird im Triumph auf fie
* herab fehauen. --- ,,
Sehen Sie, meine Herren, fo ge
ſchwind wurde ein junger eitler Stußer
fertig. Da rollt er ſchon nach Hofe,
drängte fich zu, und wird ausgeziſcht. |
Wer gab aber den Stoff dazu? Wer
anders, als der Fleine eitle Gelehrte,
der fein Werk lieſet, und vielleicht igt
auch. --- Doch ich bin Fein Ungluͤcksbote.
Verſprechen Sie mir, dag Sie in
Zufunft;.auch felbft alsdann, wenn Gie
Bücher und Welt zu Hülfe nehmen
wollten, weil diefe doch einmal in gutem
uf fliehen „ eine Bahn nie ganz ver:
laſſen wollen, worauf Sie die Natur
ſelbſt verweiſet. Werden Sie alsdanır
Ihre Leſer nicht beſſern; ſo werden Sie
wenigſtens ſie auf eine vernuͤnftige
Weiſe
*
*
Weiſe beluftigen, und Sie werden alle:
mal die nad) Ihrem Tone geftimmte
Saite des menfchlichen Herzens treffen,
ohne daß Gie ihre Zuflucht zu elenden
Anfpielungen nehmen dürfen, melche
niemand erklären Fann, welcher nicht die
Mährchen der Stadt weiß.
Da es zufpät ift, fo ſehe ichs erft ein,
daß ich meine Geheftuniffe nicht vorden
Ohren der Welt follte geprediget haben.
Was wird anders daraus entitehen, als
daß meine $efer Fünftig, wenn ich einen
Gecken fihildere, ausrufen: Diefer Narr
hier iſt der Herr Verfaſſer ſelbſt. Ich
muß es mir gefallen laſſen. Allein follte
die Höflichkeit Einiger unter ihnen fic)
fo weit erſtrecken, daß fie Gefellfchaft
mit mir machen wollten; fo mödte ich
nur bitten, daß Fein Narr den Entſchluß
faffen moͤchte, meinem freundlichen Rathe
zu folgen, der nicht in hoben Grade
Narr ift. Denn die todten Gliedermän:
ner, welche nur die Gewaͤnder der
Driginale tragen, die unfeligen Mittel:
Der Hypoch. . & —— din⸗
306 —
dinger, welche gar keinen beſtimmten
Charakter haben, ſondern ſich alle Tage
nach den Models umbilden, mit denen
fie umgehen, find mir eben fo unaus—
ſtehlich, als die mittelmäffigen Poeten,
die weder gut noch fchlecht find, und ge:
meiniglich nur demjenigen Dichter nach:
äffen, welcher das Unglüc bat, ihnen
zuletzt in die Hände zu gerathen.
Zwoͤlftes
307
EEE T
Zuviftes &
— Was iſt der Menſch? was ſoll er auf der
Welt?
Er iſt der Allmacht Werk, die liebreich ihn
| erhalt.
Unſterblich ift fein Geift, und foll zu Seligkeiten
In diefer Welt der Muͤh durh Tugend fi ch
bereiten.
Sellert.
MM hat in unfern Tagen die wich⸗
tige Frage aufgeworfen, *) in
wie ferne die Sprachen einen Einfluß,
in die Sitten und in das moralifche
Verhalten eines Volkes hätten? und
man bat durch die dariiber angeftellten
Unterfuchungen dargethan, daß gewiſſe
2 Dei
*) Eine Vreisfrage der Fönigl. Afademie
der Wiſſenſchaften zu Berlin.
368
Benennungen und Redensarten in. der
gewöhnlichen Sprache eines Volkes dem
taufe der Wahrheit und der wahren
Tugend unter demfelben eben fo nad):
theilig und binderlich wären, als jene
böfe Gewohnheiten, welche wie ein wil:
der Strom die Menfchen mit fich ins
Verderben mit einer unaufbaltbaren
Gewalt hinreiſſen. Wenn: man aber
von irgend einem Worte diefe Anmer;
kung machen fann, fo ift es gemiß vor:
züglich das Wort Glück, welches die:
fem Schicffale unterworfen if. Von
unferer erften Kindheit an hören wir
diefen bezaubernden Ton, Er erſchallt
gemeinigfich bey Dingen, die glänzend
find, und die unfern Sinnen und Leiden—
fchaften ſchmeicheln. Allmaͤhlig machen
wir uns davon einen fehr vortheilbaften
Begrif. Wir werden aufmerfjam
darauf, und gedenfen une, fo oft wir
das Gluͤck nennen hören, etwas groffes,
wichtiges und begehrungsmürdiges.
Wir hören von denjenigen mit einer ge:
, wiflen
*
wilfen Hochachtung, bisweilen mit Ent:
zückung, mehrentheils aber mit gewiſſen
Merfmalen der Eiferfucht und des Nei⸗
des: reden, die nach der Sprache der
Welt ihre Glück gemacht haben,
Wir fehen, daß diejenigen, welche das
Glück erhoben hat, allenthalben ange:
fehen und vor andern geachtet find.
Kein Wunder demnach, daß wir uns
von dem Glücke ſo prächtige Vorftel:
Iungen machen! Diefes Bild hat fich
in unſer noch weiches Herz zu einer Zeit
aufs tieffte eingeprägt, da wir noch den
‚wahren Werth und die innere Befchaf:
fenbeit der Dinge nicht Fannten. Wir
hatten diefe unrichtigen Begriffe ſchon,
da wir noch Feiner beffern fähig waren⸗
Unterdefjen regte fich in unfern noch
jungen Herzen das Verlangen, glücklich
zu werden, ehe der Verftand ung ber
lehren Fonnte, was wir eigentlich be-
gehren und fuchen follten. Diefer zarte
Keim der Selbftliebeentwickelte fih, und
ſchug in Begierden und Neigungen
U 3 aus:
310
aus, Unfere Begierden und Neigungen
fanden frühzeitig ihre Nahrung in den
Dingen diefer Welt, und fie wurden
täglich ftärfer und heftiger, Nunmehro
erhob fi auch nach und nad) die Ver:
nunft; es zeigten fich bey uns die erjten
Sproffen menfchlicher Gedanken. Die
Religion bemerkte diefe vortheilhafte
Augenblicke, und fie eilte, um die erfte
Anlage zu unferer Glückfeligkeit zu ma:
chen. Sie ward unfere gütige und müt:
terliche Lehrerinn, fo bald fie nur fand,
daß wir einigermaaffen ihren liebreichen
und heilfamen Unterricht verftehen koͤnn⸗
ten. Allein wie wenig Eindruck macht
fie auf ung, die wir. bereits an diefe
fchimmernden Blendwerke der Sinnen
zu ſtark gewöhnt fi find! fie die uns von
ferne in einem reinen, aber für unfern
blöden Geift zu matter tichte ein —
voller Herrlichkeit zeiget!
Deſto noͤthiger iſt es, daß wir ißt
diefe falfchen Strahlen, mit welchen die
Einbildung und der Wahn eitler Men:
ſchen
— 311
ſchen die Gluͤckſeligkeit umgeben hat,
von ihr abſondern, und daß wir ſie in
ihrer wahren Geſtalt betrachten: gleich
den Sternſehern, welche ſich gewiſſer
Glaͤſer bedienen, wodurch ſie die Plane⸗
ten ohne die von der Sonne und den
Duͤnſten entlehnte Strahlen als finſtere
Koͤrper in ihrer eigentlichen Geſtalt er⸗
blicken; aber durch eben dieſe Sehroͤh⸗
ren den eigenthuͤmlichen und nie ver
loͤſchenden Glanz der Sonne und Fir:
fterne erkennen, ben fo werden: wir
duch den Benftand der Vernunft und
der heiligen Offenbarung die wahre und
ächte Glückfeligfeit von derjenigen un:
terfcheiden Fönnen , welcher blos die
Sprache der Welt diefen- glänzenden
und verführerifchen Namen beygelegt
hat: Wir werden die Waage des Hei-
ligthums in die Hand nehmen, und auf
derfelben die verfchiedenen Güter ab:
wägen, Daun werden mir einer ieden
Art derfelben ihren wahren Werth be:
ſtimmen, und diejenigen von den ächten
| 44 richtig
312 —
richtig abſondern koͤnnen, die wir zu
leicht befunden haben.
Laſſet uns mit denen, welchen die
Sittenlehre des Evangeliums, und ins—
beſondere das Gebot von der Verleug—
nung, zu firenge vorfömmit, nach der
größten Billigkeit handeln, und inden
wir die ächten Güter von deu undchten
unterfcheiden wollen, von ihnen felber
die Merkmale dazu entlehnen. Laſſet
uns nach folchen Grundfägen den Aus:
fpruch thun, die fie felber annehmen.
Laſſet ung alle Arten der Güter durch:
gehen, und nachforfchen, warum mir
ihnen den Namen der Güter belegen.
Wir werdet befinden, daß es lauter
folche Dinge find, die etwas an fich ba:
ben, das mit unfern Wünfchen überein:
fiimmt, das unfern Neigungen gemäß
ift, und uns eben dadurch, indem es
unfre Begierden vergnügt, als etwas
Gutes verfömmt; Und es ſey ferne von
- uns, daß wir blog desivegen etwas ver:
werfen, oder für boͤſe halten follten,
| weil
teil es die Begierden unfers Herzens
nähret und fättiget. Ein heiliger Apoftel
bat geſagt, daß alle Kreatur Gottes
gut, und daß an ſich nichts verwerflich
fen; aber er feßet hinzu: fD «8 mit
Dankfagung empfangen wird. Die
Gefchöpfe, ich nehme feläft diejenigen
nicht aus, welche von eitlen und fleifch:
lihen Herzen am meiften zue Sünde
gemisbraucht werden , die Gefchöpfe
find an fich alle insgefammt vortreflich.
und gut. Sie find an fich bemwunderns:
würdig gebauet und gebildet. Nicht
nur der Himmel, nicht nur die Sonne
und die unzählbaren Heere von Sternen
erzehlen die Ehre Gottes, und find
Herolde feiner Allmacht, Güte und
Weisheitz nein, auch die Erde, und
alles, was fie aus ihrem unerfchönfli:
chen Schooffe hervorbringt , ift voll von
Merkmalen der Güte des HErrn. Es
find Gefchöpfe eines Wefens, das feine
Luft im Wohltbun finder, und Gaben
eines Vaters, der feinen Kindern mit
ö Us vollen
314 —
„ollen Händen täglich neue, täalich man:
nigfaltige Beweiſe feiner Liebe giebt,
"Fa, ich fage noch mehr. Der allerwei:
jefte Schöpfer hat fo gar in unfere Her—⸗
zen ein Berlangen nach diefen mancher:
icy Schäßen der Natur gelegt, und er
Hat den Menfchen den Verſtand gege-
ben, der fie die Kunft gelehrer hat, diefe
Werke feiner Hände zu ihrem Unter⸗
Halte, zu ihtem Vergnügen, und zur
Verſchoͤnerung diefes Lebens zu gebrau⸗
chen und gefchicft zu machen. Kein Pro:
phet, Fein Apoſtel, felbft der göttliche
Menfchenfreund nicht, bat je das Ver:
gnuͤgen, das uns diefe an fich vergäng-
lichen Güter geben, verworfen, oder
verdammt. Der Erlöfer bat, da er auf
die Welt Fam, um derfelben die aller:
vollfommenfte Religion zu predigen, we:
der die erfie Schöpfung, noch die Ber:
faffung unter den Menfchen, geändert.
Er bat alle Gefchöpfe in der Natur
gelaſſen; er hat fie nicht vernichtet, ja,
er hat fie nicht einmal verbeffert. Seine
e⸗
Neformation erftreckte ſich allein aufs
menfchliche Herz. Hat er aberdie Liebe,
die wir zu ung felber tragen, verdammt?
Hat er befohlen, fie, oder die Begierden
zu den fihtbaren Gütern, ausjurotten ?
Oder bat er nicht vielmehr verlangt,
daß wir vor allen Dingen nur unfre
Seele und unfre Begierden Heiligen,
fie nicht ſowol ganz und gar ablegen,
fondern vielmehr diefelben nur mäßigen.
und einfchränfen follten? Alle Kreatur
Gottes ift gut, und nichts, was Gott
'erfchaffen hat, ift an fich verwerflich:
aber es mug mit Dankſagung empfan-
gen werden. Die Religion muß diefe
‚Güter heiligen, Indem fie ihren rechten
‚Gebrauch lehrer, und alsdann erft find
fie im der Tu Güter, Dieſes werde
ich meinen Leſern noch etwas deutlicher
machen. ng?
Mar nennt Sasjenige gut, was uns
ein Vergnuͤgen macht, und in fo weit
-ieret man nicht. Man bäle dagegen
— fuͤr boͤſe was uns misver⸗
gnuͤgt
316 —
gnuͤgt macht: auch Sarinn hatman Recht.
Woferne man demnach feine Schäße,
feine Ehrenftellen und feine guten Tage
fo anwenden würde, daß fie uns wirf
lich vergnuͤgter und zufriedener machten,
jo mürde man mit Recht diefe fo fehr ge:
ſchaͤtzten Dinge fuͤr Guͤter halten, und
dieſes wuͤrde alsdann in der That ge:
ſche ben, fie würden Quellen des Ver—
guügens für uns werden, wenn fie ung
zur Liebe und zur Begierde nach der
Bereinigung mit dem Geber und der
Duelle aller diefer- und jener noch voll:
fommnern Gaben reizten. Alsdann
wuͤrden diefe geliebten Dinge, über de:
ren Vergänglichkeit man fo oft flager,
ihre Natur gleichfam ändern, Sie wuͤr⸗
den ung in den Beſitz einer unmandel:
baren Gtlückfeligfeit und eines ewigen
Vergnügens feßen. Sie würden wah:
re Güter ſeyn, von dem Augenblicke
an, da wir fie, nach der Ermahnung
des Apoftels, mit Danckſagung em:
ſezen- und theils durchs Gebeth,
theils
317
theils durch einen Öchrauch, der ganz
nach der Vorſchrift des göttlichen‘ Worts
eingerichtet ift, beiligen würden,
‚Diefer Grundfaß des Evangeliums
ift der Bernunft fo gemäß, daß ich mich
ganz ficher auf das Zeugniß meiner fe:
fer berufen darf, Keiner unter denfel:
ben wird den für glücklich Balten, der
nur einen Tag lang feine Neichthümer
befißt. Keiner wird denjenigen benei-
den, welcher nur eine Woche lang auf
einer erhabenen Ehrenftufe und nahe an
dem Throne des Fürften ſteht; undalle
werden bey einem Wohlleben traurig und
misvergnügt feyn, auf welches, nadı-
dem es nur wenige Stunden gedauert,
ein beftändiger Mangel und eine firenge
Dürftigfeit folgen ſollte. Aber eben
diefes mwiderfährer den Reichen und den
Groffen der Erde, wenn fie ihre irdifche
Glückfeligkeit nicht fo anwenden, daß
fie zugleich durch den Beſitz und Genuf
derſelben gereizt werden, ihre Begierde
zu Gott, dem allervollkommenſten und
aller⸗
318
ollerhöchften Gute, zu erheben, und
wenn fie nicht durch ihre Gottesfurcht
fich vor dem Misbrauche diefer gefchäß:
ten Dingeverwahren, als wodurchibnen
alle diefe Dinge gefährlich, fhädlich, und
Quellen von unzähligen Arten des Ber;
druffes und Misvergnügens werden,
And wie Fönnen ihnen ihre äufferlichen
Vorzüge eine wahre Zufriedenheit und
Beruhigung verfchaffen, fo lange fie
gewiß vorher feben Fönuen, daß fie die-
jelben ganz unfeblbar im Tode verlieren
werden, ohne zugleich die gegründete
Hoffnung zu haben, von dem unverän:
derlichen und unfterblichen Gotte andere
und danerhaftere Güter dafür zu erlan:
gen? Aber diefe Hoffnung würden fie
alsdann haben, wenn fie durch den Ger
nuß der mannigfaltigen Gaben Öottes
früßgzeitig zu ibm wären gezogen werden,
Diefes find die Grundfäße, nad
welchen man in der Welt einige Dinge
gut, andere aber böfe nenne. Man
verlangt von jenen, daß fie ung ein
Ver⸗
—— 319
Vergnuͤgen machen, daß fie unſere Be-
gierden ftillen follen; man verabfchener
hingegen alles alsböfe, was uns misver⸗
gnügt und elend macht. Man fleeicht fo
gar diejenigen Dinge aus der Reihe der
Güter aus, die uns nach einem Furzen
Bergnügendeftomehrliintuftverurfachen
Wie leicht wird es uns nunmehro
nicht werden, das, mas man Gluͤck
nennet, oder was man in der Sprace
der Welt zur Gluͤckſeligkeit rechnet, nach
diefen allgemein angenommenen Merk
malen zu beurtheilen. Ich babe oben
gefagt, dag man überhaupt mit deu
prächtigen Namen des Glücks alle vie
jenigen Dinge bezeichne, die unfern Lei—
denfchaften fehmeicheln. Weiche Thor:
heiten Fönnte ich bier nicht zur Schande
des menfchlihen Herzens aufdecken! —
Man erinnere fih nur der naͤrriſchen
Wuͤnſche, welche erhißte Leidenfchaften
in dem menfchlihen Herzen zeugen,
und man bedenfe nur diefes einzige, daß
ein Menfch fih alsdann für gluͤcklich
halte, °
320 —
halte, wenn er das erlangt hat, wor⸗
nach er ſo heftig ſtrebte, und was er
niit einer brennenden Begierde Tag und
Macht begehrte, Laſſet uns nur in die
Sabre unfrer Jugend zurück geben. Ich
vede nicht von diefen Tagen der Kind:
heit, da unfer Verftand in einer Art
der Dämmerung lag, da uns Finfter:
niffe ummebelten, und da unfre Geele
in ihren Urtheilen und Schlüffen eben
fo oft firauchelte, als unſre noch ſchwa⸗
hen Fuͤſe. Wenn mir uns damals
über Spiele und Luſtbarkeiten freuten,
die uns ißt ſehr thöricht vorfommen;
mein wir uns für glücklich ſchaͤtzten, fo
oft man uns folder Dinge gewährte,
die wir ißt, auch nur heimlich zu wuͤn—⸗
ſchen und zu begehren, uns ſchaͤmen:
fo müffen wir bedenfen, daß wir, als
Kinder, Eindifch gedacht, gewuͤnſcht,
uns findifch gefreuet und betrübt haben.
Sch rede von diefen Jahren, da wir
das, was findifch ift, fchon laͤngſt fol
ten abgelegt haben, Sch rede von den
| — laͤcher⸗
— 321
laͤcherlichen Wuͤnſchen der Juͤnglinge,
der Männer, ja ſelbſt von den Thor
beiten der Greif. Man ftelle fich zu:
erft einen Juͤngling vor, der einen Plan
von feinem Gluͤcke entwirft. Welche
Thorheiten an diefem eder jenem Orte,
bey diefer oder jener Derfon, die man
zu feinem Abgotte macht, in diefen oder
jenem Stande, in diefer oder jener Fu:
milie — welche Thorheiten, fage ich, ftes
ben nicht unter dem ſchimmernden Titel,
fein Gluͤck zu machen, in diefem
Entwurfe! beunrubigen ihn nicht Tag
und Nacht mit füffen täufchenden Traͤu⸗
men! verleiten ihn nicht zu Fühnen und
nicht felten gefährlichen Unternehmuns
gen! — In dieſem Alter, welches
insgemein ein Spiel der widrigiten Leis
denfchaften ift, bauet man prächtige
Schloͤſſer auf Sand, auf einen falfchen
und betrüglichen Grund, Man macht
groffe Anfchläge, und wagt ih, um _
diefes dem, bethörten Herzen ſchmei⸗
chende Glück zu fuchen, auf die für:
Der Hypoch. I. T. £ mifche
322 ee
mifche See, und da man es durch die
Tugend in feinem Baterlande finden
koͤnnte, fo reiſet der junge Thor bis:
weilen felbjt nach neuen Welten: Wie
glücklich würdet ihr ſeyn, ihr Juͤng⸗
linge! wenn ihr euch dem Unterrichte
der wahren Weisheit uͤbergaͤbet, und
fruͤhzeitig eure Herzen der wahren Got:
tesfurcht oͤffnetet! Sie wuͤrde euch auf
die Wege der wahren Gluͤckſeligkeit füb-
ren; fie würde euch frühzeitig mit un-
‚vergänglichen Gütern bereichern, und
indem fie eure Fülle auf dem Pfade der
Tugend erbielte, fo würde Gott Wohls
‚gefalten an eurer Seele babenz- der Ur:
heber des Glücks würde euch ein dauer:
haftes Glück bereiten, und in euren ei-
genen Herzen würde aus dem innerften
Grunde eines ruhigen und unbefleckten
Gewiſſens eine nie verfiegende Quelle
von. Wonne und Zufriedenheit jich über
euer ganzes Leben ausbreiten, Allein,
fo lange ihr blos euren erhitzten Leiden;
ſchaften folget, fo lange ibr, voneitlen
Begier⸗
Begierden betböret, euch felber ein
Gluͤck erträumet, und ohne Gott glück
Lich werden wollet; fo gilt von euch der
Ausfpruch des Weifen: Die Anſchlaͤge
werden zunichte, wo nicht Rath iſt.
Wie gluͤcklich wären wir, wenn wir
mit dem reifern Alter anfingen, aufein
wahres und dauerhaftes Glück zu den:
fen! Allein, lafiet es uns aufrichtig
geiteben, die mehreften vermeiden nicht
fowohl die Thorheiten der Jugend fel-
ber, als nur den Schein des $ächerli:
chen, welches diefelben mit fich führen,
Eine gemwaltfame Begierde nach einer
übelverftandenen Ehre bemeiftert fich
unfrer gemeiniglich im männlichen Alter,
und, von ihrem Ölanze verblendet, be;
muͤhen wir uns, gefährliche Höhen zu
erfteigen. Wir opfern diefem Traume,
der uns fo ganz einnimmt, unfre Rube,
unfre Kräfte, und die Hälfte unfers
Lebens auf; unftreitig aber aus Feiner
andern Urfache, als weil wir glauben,
dag wir Alsdann ſehr glücklich ſeyn wuͤr⸗
6: #2 den,
324
ben, wenn wir diejenigen Ehrenſtufen,
und denjenigen Gipfel erreicht hätten,
auf welchem wir andere mit neidifchen
Augen ftehen ſehen. Daher Eömmtes,
dag man die Pflichten feines gegenwaͤr⸗
tigen Standes und Berufes verfäunft,
weil man unzufrieden damit iſt. Um
diefes Gluͤcks willen, das man fich als
fo vollfommen vorftellet, macht man fich
die vortheilhafteften Musfichten , finnet
auf nichts, als auf Mittel, die uns in
den Befiß diefer Herrlichkeit feßen follen,
und Fampft wider die Hinderniffe, die
fih uns von allen Seiten entgegen ftel-
len. Unter fo eitlen und unnügen Bes
mühungen übereilt uns das Alter, da
wir auf der einen Seite faum den
Grurd zu unferer eingebildeten Glück;
feligfeie gelegt, und auf der andern
in unferm eigentlichen Berufe nichts
gethan haben, was des Lebens würdig
wäre. Dann erft kommen wir einiger:
maaffen zu uns felber, und wollen das
geben genieffen, das wir verfhwendeten,
und -
ee
samt 825
und diejeninen Kräfte zur Musrichtung
unferer Pflichten anwenden, die wir
nicht mehr haben. Und was fage ih?
Vielleicht befigen nur wenige Greife
Weisheit und Stärfe genug, um fo
edelmüthig, als jener Greis am Hofe
Davids ,, der rechtfchaffene Barfillai,
diejenige Ehre und dasjenige Wohlle:
ben, das Paläfte anbieten, zu verachten.
Denn wie viele gibt es wol, welche voll:
Fommen den irrdifchen und eitlen Nei⸗
gungen, bey einem gefunden Körper und
noch regen Kräften, abfterben, und wel:
che mit dem Apoftel fagen Eönnen: Ich
fterbe täglich "— Ihr blendenden Herr:
lichkeiten, ihr vergänglichen Schäße dies
fer Welt, rührer mich nicht mehr! —
Meine Begierden find für die Tugend
und für den Himmel! — Ich fehe nur
‚auf das Unfichtbare und Unvergaͤng⸗
fihe! — Ich ftrecfe meine Hände am
Ende meiner faufbahn nach der Krone,
die mir angeboten wird! — Sch lebe
bereits im Himmel! —
%z Soll
326
Soll ih itzt um darzuthun, was für
ſchwankende Begriffe wir vom Gluͤcke
Haben, die verfihiedenen Stände der
Welt durchgehen? Soll ich zeigen, daß
fich faft ein ieder derfelben einen eigenen
Gögen macht, und verehret? Soll ich
bemerken, daß die Mächtigen ihre
Stückfeligkeit nach der Menge und
Gröffe der Provinzen, die fie erobern,
und beherrfchen , abwägen? daß die
Hofleute die Gunft der Götter diefer
Erde für ihe hochſtes Gut halten? daß
der Selehrtenach einem groffen Namen,
der Kaufmann nach Reichthum geizet;
alle Menſchen aber fich ein Leben wuͤn—
ſchen, das ihren Leidenfchaften Genüge
thut? Auffer Gott und auffer den Pflich-
ten, die er uns vorgefchrieben hat, be:
reiten wir allemal unfer Unglüc, indem
wir unfer Gluͤck bereiten wollen. Oft treis
ben wir unfre Tborheit fo weit, daß wir
unfve Wohlfahrt blos auf die Ruinen
unſrer Unſchuld, und auf die Truͤmmern
der Tugend und des Gewifjens bauen.
| Ein
327
Ein Verräther des Vaterlandes, eitt
Dieb und ein Mörder, find unftreitig
verabfeheuungsmwürdige Öegenftände in
unfern Ei Aber wenn wir, um
unſre Begierden zu vergnügen, und ein
kurzes Gluͤck zu erhalten, die Wohlfahrt
unſrer Brüder dem Durft nach Ehre,
ihe Vermögen dem Geize, oder eine
fremde Unſchultz unſern Luͤſten aufopfern:
begehen wir nicht alsdann aͤhnliche
Verbrechen? Verbrechen, die nur einen
andern Namen haben? Suͤndigen wir
nicht wider die heiligſten Pflichten der
Natur, und wider die gerechteſten und
billigſten Geſetze Gottes? verwunden
wir nicht unſer Gewiſſen? beflecken wir
nicht die Ehre, die wir als Chriſten ha—
ben ſollten fangen wir nicht eine Re—
bellion in der Stadt Öottes an? tödten
wir nicht unſern Nächften? ---- Uns
gleichmol halten wir uns für glücklich,
wenn wir nur unfee Wuͤnſche erfüllt fe:
ben, unbefümmert, od die Mittel dazu
gerecht oder ungerecht, gut oder böfe ge:
weſen find. 4 Was
328 —
Was iſt es aber, das uns verleiten
kann, uns von der erhabenen Wuͤrde,
die wir als Menſchen, noch mehr aber
als Menſchen, die zu einer ewigen
Dauer erſchaffen ſind, das iſt, als
Chriſten beſitzen, zu ſolchen nichtswuͤrdi⸗
gen Kleinigkeiten, ja zu ſolchen fchimpf:
lichen Nusfchmeifungen zu erniedrigen ?
Was ift es anders, als das beraufchende
Vergnügen, das mir in diefen fichtba:
ren Dingen zu genieflen glauben, nies
mals aber wirflich darin antreffen ?
Meine Lefer mögen nunmehro felbft
von diefen Arten des Gluͤcks, die ich
befchrieben habe, und die uns unfte
Sinnen und unſre verfebrte Einbil—
dungskraft fo groß abbilden, das Urtheil
fällen ,. ob fie wol diefen Namen nnd
diefen glänzenden Rang verdienen, wel:
chen man ihnen in der Welt insgemein
beyleget ? Sie mögen den Ausſpruch
thun, ob felbige unferm unfterblichen
Geifte eine wahre Glückfeligfeit gewaͤh—
vn? Wie? follte uns ein Gluͤck beru:
higen
ne 329
higen können, das nur in einem Tumufte
von Freuden. befteht, der auf eine Zeitz
lang unfre Ginnen füllt, endlich ader
plößlich verfchwindet, und uns nichts
weiter zurück läßt, als das leere Anden
fen, daß wir es einmal genofien haben,
und die unruhige Sehnfucht, es wieder
zu genieffen? Sollte das ein wahres
Glück ſeyn, welches gewiſſe finftere und
fhwermüthige Lehrer zwar prächtig be⸗
fchrieben, aber felber nie erlangt, oder
geſchmeckt haben? Sollte das ein wah:
res Glück ſeyn, wenn man die Welt,
feine Gefchäffte und feinen Stand- ver:
Laßt, fih in Einsden und Wüfteneyen
begiebt, um da dem Umgange mit Gott
obzuliegen? Die Religion Jeſu ſtellet
uns, indem fie uns zur wahren Ruhe
leiten will, Feine folche, nach den gegen
wwärtigen Umftänden unmögliche, Gluͤck⸗
jeligfeit vor; fie richtet fid) vollEommen
wach unfrer Natur, nad) den Umftänden
der Welt, und nach unfern gegenmär-
tigen unvollkommnern Zuftande, Gie
| 5 vers
339 ——
verheißt uns auch keinen ununterbroche⸗
nen Genuß von Freuden. So lange
wir in dem Lande der Unbeſtaͤndigkeit
leben, iſt dieſes nie moͤglich, und ſelbſt
unſre angenehmſten Empfindungen
wuͤrden aufhoͤren, es zu ſeyn, wenn wir
nicht zuweilen durch widrige Zufaͤlle
einen neuen Geſchmack an unſerm Ber:
anünen erlangten: nicht anders, als wie
etwan: Krankheiten den Genuß einer
beftändigen Gefundheit erft recht ſchaͤtz⸗
bar E mache n.
Ich verſtehe alſo unter der wahren
Gluͤckſeligkeit eine ſolche, die unſre
vernuͤnftige und durch die Tugend ges
laͤuterte Begierden vergnügt, oder ftillf,
und die Die Kräfte ſowol unfers Geiſtes,
als unfers Körpers, erquickt und flärz
ket. Alle Güter, die fich hierauf nicht
beziehen, haben ihren Werth blos von
der Einbildung der Menfchen; an fich
felder find fie nicht vollfommner,als andre
Dinge. Sie verfchwinden mehrentheils
ſchon unter dem Genuſſe. Man erin:
nere
—— 331
nere ſich an alle Arten des ſinnlichen
Vergnuͤgens, deren man je theilhaft ge
worden iſt: ift es uns nicht: nach dem
Genuffe derfelben als Träumenden er—⸗
gangen, die ein Geraͤuſch aus einem
ſuͤſſen Spiele ihrer Phantafie erweckt
hat? denn die wenigften derfelben mer:
den ja fo regelmäßig und unfchuldig
unfer Theil, daß fie nicht Neue in der
Seele, Brandmale im Gewiffen, und
gemeiniglich auch Schmerzen in unferm
Körper zurück laſſen ſollten; ich will
nicht der Bitterfeiten der-fchmerzbaften
Schaam gedenken, welche mit dem un:
ordentlichen Genuffe der Ergoͤtzlichkei⸗
ten und fündlichen Wohllüfte verfnüpft
find.
Mit dem allen, was ich ißt von der
Unvollfommenbeit der Güter diefer Welt
gefagt habe, behaupte ich nicht, als
ob diefelben gar Feine Güter wären. Sie
find, wie ich Anfangs bereits bemerkt
habe, allerdings Güter, welche uns
die — eines vaͤterlich geſinnten Schoͤ⸗
pfers,
337
pfers, ſowol zur Beförderung und Er:
leichterung unferer Abfichten, als auch
zur Erquickung unfers Geiftes, in die:
fer Welt der Mühe darreichet. Man
trachte immer durch erlaubte und ger
rechte Mittel nach Reichthum; man
behalte immer feine ererbten oder erwor:
benen Güter: aber man befiße fie als
ein Weifer, und höre daben auf die
fchreyende Stimme des Mangels; man
befiße fie fo, als wenn man fie nicht
befäffe, mit vollfommner Berleugnung,
und allezeit bereit, fie nach dem Willen
des Gebers freudig zu verlaffen. Man
behalte feine Ehrenftellen, und das An—
feben, das uns Gott unter unfern Bruͤ⸗
dern gegeben hat: aber man werde nicht
ſtolz; man misbrauche daffelbe nicht
zur Verachtung und Unterdrücfung der
Miedrigen, und ahme der Demuth des
görtlichen Menfchenfreundes nah. Man
genieffe immer feine guten Tage, die
uns der Himmel verleiht: aber man
denfe zugleich an jenen groſſen mn
Zu⸗
* 333
Zukunft. Man kann alle dieſe Arten
der zeitlichen Gluͤckſeligkeit erwerben,
behalten und hoch achten: aber man
vergeſſe dabey niemals, daß es, ihrer
Natur nach, irdiſche und vergaͤngliche
Dinge ſind. Man bedenke allezeit, daß
wir nicht um dieſes kurzen Lebens wil;
len gebohren find, und dag Gott das
größte und beftändigfte unter allen Gü:
tern ſey. Bey einer folchen Berfaffung
unfrer Seele werden wir uns gewiß
über alle die Fleinern Unzufriedenen bin:
weg fegen Fönnen, deren thoͤrichte Wuͤn⸗
ſche den Himmel fo oft ermüsden, Mir
fällt hiebey eine Fabel des Herrn de la
Motte ein, die ich meinen Gedanfen
noch beyfügen will,
+ Ein Elender, der feine Blicfe und
Wuͤnſche ftets auf die Umftände an⸗
* derer richtete, und fich dadurch felbft
* unruhig machte, ermüdete unaufs
“ hoͤrlich den Himmel mit feinen Kla:
“gen. Jupiter, der feiner laͤngſt über:
“druͤſſig war, beſchloß endlich, ihn zu
⸗⸗ be:
334
‘ befriedigen. Er rückte ihn durch die
+4
—
Wolken in das groſſe himmliſche
Vorrathshaus, wo das Gluͤck und
Ungluͤck der Menſchen von dem
Schickſale in Ballen gebunden,
und nach den unterfchiedenen Stäns
den des Lebens in Ordnung geſtellt
war, Hier fprach Jupiter zu dem
Misvergnügten: Du haſt zwar durch
dein verwegenes und undankbares
Murren mehr meinen Zorn, als meis
ne Gnade, verdient; doch will ich
dich, wo es möglic) ift, befriedigen,
Waͤge und erwähle dir einen vou die:
fen Ballen, Aber, ich will dir vor:
her jagen, daß die leichteften die bes
ften find ; denn das Unglüd ift fchwer,
Der Dann, voller Freuden über diefe
gegebene Erlaubnig, bob den erften
und größten Ballen, der für die Kö:
nige beſtimmt war, und in welchem
quälende Sorgen, unter den Scheine
einer glänzenden Pracht, verborgen
lagen. Wahrhaftig! fprach er, des
“Man:
—— 335
Mannes Schultern muͤſſen ſehr ſtark
seyn, der ihn tragen foll: ich ver:
fange nichts davon, Er verfüchte
“ den andern, der den erfien Miniſtern
beſchieden war, Allein, auch) diefem
hatten theils. die ehrgeizigen Begier⸗
“den die Angſt, die Abmattung; theils
“der Verdruß über fehlgeſchlagene An-
’ fchläge, und Furcht vor Ungnade, ein
* ‚fofchweres Gewicht gegeben, daß er
“ fichnicht. enthalten konnte, auszuru⸗
fen: Ungluͤcklich find die, denen dieſe
bLaſt beſtimmt iſt! Er ging von einem
zum andern, und wog taufend, und
“ abermal tauſend. Aber erfand fie alle
“zu ſchwer fürfih. Einige wegen der
* nterwärfigkeit-, andere wegen der
¶ Einfhränfung, noch andere wegen
’ der ungefätteten Begierde, andere
* wegen der Hoffnung, wiederum an:
“dere wegen der Furcht, und andere we-
gen deſſen, was die Welt Bergnügen
nennt. Guͤtiger Gott! ſprach er, ift
denn nirgend etwas, das erträglich
BG ‘wäre?
—* ———
336 ——
waͤre? Doch — hier iſt ein Bündel,
der weit leichter zu heben ift, als alle
' übrige. Freylich, fagte Jupiter, würs
de er leichter ſeyn; aber der, welcher
ihn. itzt trägt, kennt feine eigene
Gluͤckſeligkeit nicht, und diefe Unwif
fenheit verurfacht alles Gewicht. O
Dummpeit! rief der Mann, ich flehe
dich, gieb ihn mir: ich werde fo
thöricht nicht feyn. Nimm ihndenn
bin, antwortete Jupiter, denn es ift
in der That dein eigener, und tadle
ven nun an die Vorſehung nicht
mehr. „, |
. 337.
a 1 X
Drehyzehntes Stuck.
Nu man tkefzi lutur thikia utruligur ok
undarligur , met hoerri lift edur vel
flikt ma verda, at fülin metti tömd
verda til fua mikils fiotleika, at ecki
vetta ma fordazt ras the/s manns ok
[kiotleik, er fialnar hefer a fotum [er,
that [em jördu fylgir.
Speculum regalep. 82.
EEEIER SESEDCF ST ES uU SDEERERN WITT ET DIE ST STD
nn — — — —— — — — —
OGœ ch empfehle meinen Leſern, die an
x der Hypochoudrie krank liegen,
den Eisgang aux Patins: eine fehönere
Vebung giebt es auf der Welt nicht,
Wer mirs nicht glauben will, der leſe
hier zwey Dithyramben, die einesfehr auf
Der Hypoch. 1.T, Y ſeror⸗
338
ferordentlichen Urfprungs feyn müffen,
wofern die Gerüchte alle wahr find,
welche von ihrem Verfaſſer im Lande
herumgehen. Mach einigen, ift er der:
jenige berühmte Tialf, der vor ohnger
fähr anderthalb taufend Jahren unter
Anführung des Östtes Braga die Kunft
der Schrittfehuhe zur Vollkommenheit
gebracht, und dafür befanntermafien -
von den Göttern in Asgaard die Unze
fterblichfeit zur Belohnung erhalten:
doch unter der Bedingung, daß er von
Zeit zu Zeit auf die Erde herabfteigen,
und die Erfindung des Eisganges unter
den Menfchenfindern gemeinnüßiger
machen foll. Er bält fi gewöhnlich,
jagt man, in Holland auf, wo er groß
fe Kolonien von Eisgaͤngern angelegt
Katz von Holland pflegt er über Ham:
burg nach Dännemarf und Norwegen ,
feiner Heimath, nach Schottland, nad) .
Irland, nach England zu gehen; ja
vor zwey Jahren erjehien er fogar in
Spanien aufdem Eifez und in Frank
- reich
m 339
reih iſt nun die Patinage fo menig
etivas ungewöhnliches, dag man von
dorther naͤchſtens einer Comédieè liri-
que, les Patins genannt, entgegen⸗
ſieht, welche den Sabote nichts nachge⸗
ben wird, wo ſie ihr nicht gar vorzuzie⸗—
hen iſt. Nach Andern (und beide
Parteyen fcheinen mir den Traditionen
ihrer Vorfahren ziemlich ftarf anzuhan⸗
gen), ift er nicht Tialf, fondern Ber
Erfinder Braga felbft: und se Beftätir
gung ihres Glaubens berufen fie ſich
auf die wunderbaren Gefänge, die man
zuweilen bey ſtillen Abenden auf dem
Eife von ihm hertönen hört, und deren
Urheber, mit allem Reſpekt vom os
tun Tialf gefprochen, unmöglich ein
Anderer, als Braga, feyn koͤnne. Ich
bin fo glücklich gewefen, im vorigen
Devember, als mich ein Volk Rebhuͤ⸗
ner in aller Frühe aus den Federn ges
itte, deu erfien dieſer Öefänge
deutlich zu hören, worauf ich, eine
halbe Stunde nachher, jenen Wunders
2 mann
2340 —
wann auf dem groſſen LSee, der an
einen ſchoͤnen Luſtwald ſtoͤßt, einſam
und laͤchelnd hervorſchweben ſah. Den
andern brachte mir Herr Ohluf, der,
wie er mich verſichert, in ſeinem Leben
nichts gehoͤrt oder geleſen hat, was mit
dieſen Oden zu vergleichen waͤre, nicht
einmal bey den Franzoſen, die es doch,
ihrem eignen unverdaͤchtigen Zeugniſſe
zufolge, unter allen Nationen in der
Lyrik am weiteſten gebracht haben.
— —— *
Fa du noch immer an den Gluten des
Kamins, und ſchlaͤfſt
Scheinbar denfend ein? Werfen dich der
filberne Reif
Dis Decembers, o du Staͤdter! nicht
auf?
Nicht die Geſtirne der kriſtallnen
See?
| Lachend
* 341
Lachend erblick ih dich am Feuer, in des
Wolfes Pelz,
Bluͤtig noch vom Bley, welches dein
entſcheidender Blick —
In die Schlaͤfe des Eroberers laut
Blitzte, daß nieder ins Geſtraͤuch er ſank.
Auf denn! erwache! der December hat noch
nie jo ſchön,
ie fo fanft, wie heute, über dem Genlde
gefirabit!
Und Die Blume von dem nächtlichen Froſt
Glaͤnzte noch niemals, wenn es tagte,
fo!
Neide mich! Shen ı von dem Gefühle der
| Geſundheit froh
Hab ih, weit hinab, weiſſer am Geflade
gemacht
Den bedeefenden Kriftall, und geſchwebt
Eilend im Fühnen Dithyrambentanz!
Unter dem fluͤchtigeren Fuß, von dem geichärf:
ten Stahl
Leicht beflügelt, ſcholl ſchnelleres Getone
der Bahn.
93 O
ä
342 *
o wie — der Himmel! Mein
Bild
Eile’ in den Fluten, wie ich eilte, fort.
Aber nun kam an dem Olympus der erhabne
Mond
Wolkenlos herauf, nahte die Begeiſtrung
mit ihm,
O wie truuken von dem Mimer! Ich ſah
Fern in den Schatten an dem Dich—
terhayn
Braga! Es toͤnet' an der Schulter ihm Fein
Köcher nicht;
Aber unterm Fuß tonete wie Silber der
Stahl, |
Da er eilend aus der Nacht in den
“ Glanz
Schwebt', und mir leife den Kriftall
betrat.
Sing! Es umkraͤnzete die Schlaͤfen ihm der
Eiche Laub!
Sing es, Bardenſang! Schimmernder
bereifet war ihm
Der
343
Der befchattende Glaforifche Kranz!
Golden fein Haar , und wie der Kranz
bereift.
Feurig beſeelet' er.die Saiten, und die Echo
hallt's:
Denn Mundſtringa ſcholl! Tapfere belohnte
fein ed u,
Und den Weilen F Don den Ehren
Walholls
Rauſcht' es in freudigerem Rythmus
her.
Ha! wie ſie blutet' und den Adler von dem
Felſen rief,
Seine Lanze! Sangs, ſchwebete daher des
Gefangs
Dithyrambiſche Bewegung, ist ſchnell,
Langſamer jetzo mit gemeßrem Schwung.
Schlaget, ihr Adler, mit den Fittigen, und
haltet Mahl!
Trinket warmes, Blut! Sands, ſchwebete
daher des Geſangs
Dithyrambifche Bewegung! So ſchoͤn
Schwung fih Apollo Pataraͤus nicht!
24 Kid
344
Leichtre Spiele der Bewegungen begonn er jest,
Feichtern Barbenton. Lehre, was ich finge,
den Hayn.
An dem Hebrus, wie der Grieche das
träumt,
Ueber der Woge von Krillall erfand
Dieſe Beflügelung des Stahls, die den Sturm
ereilt,
Thrazens Orpheus nicht! eilete mit ihr anf
dem Strohm
Zu Eurydice nicht hin! Des Walholls
Saͤnger, umdraͤnget von Einherion,
Ich, der Begeiſterer des Barden und des
Skalden Ich,
Toͤn's, Mundkringa, laut! hoͤr es, du am
Hebrus! erfand
Vor der Lanz und vorm Sturme vorben
Siegend zu ſchweben! Und den ſchoͤnen
Sohn
Sifia lehrt' ih es! Wie blinken ihm fein
Fuß und Pfeil!
Lehrt's Tialfe, den Feiner in dem Faute
vorat,
Wie
—— Be
Wie des zaubernden beſeeltes Phantom *),
Toͤnte! Da roͤthete der Zorn Tialf!
Lehrt' es den tapferſten der Könige des hohen
Nord, |
Harald! denne floh Ruſſiens Elifif vor
ibm!
O ihn hätte Wanadie nicht geflohn!
Thörimat --- Ep fang er und ent
flug! Sein Kranz
Rauſcht', als von Weſten, und es wehet' ihm
das goldne Daar!
Seiner Ferſe Klang fernte ſich hinab am
Gebirg,
Bis er endlich in ver Düfte GemöfE
Unter dem Hauge des Gebirgs ver:
ſchwand.
95 II.
Tialf, erzaͤhlt uns die Edda, konnte im Eis⸗
lauf nur von einem gewiſſen Geiſte, der
Gedante heißt, uͤbertroffen werden.
3, Jernfirup.
w
AS
N
= a.
Wie das Eis hallt! tone nicht wor! ich dulde
"das nicht! |
Wie der Nacht Hauch glänzt auf dem fie:
henden Strohm!“ —D
Wie flieget du dahin! amt ai ſchnellem
Flug
Scheuchſt du die Grazie weg!
4 Sie ſchwebt ſchon nach! Bardenliedertanz
Haft Pfeile, wie Oendurdis Bogen he ie
- entflichn !
Wie rauſchet ihr Gefieder! Ereile ie
vor mir!
u Die Grazie ſchwebet ſchon nach! ”
Pfeilſucher, reize fie nicht! Verachtet kehrt
ſie nicht um!
Ich ſeh es, halt nun, ich ſeh es, ſie sürnf:
Das Woͤlkchen Laut o
Donnert ſchon auf ihrer Gtirne.
„Sieheſt du, fie fommen bey dem Felfen herum
In dem. hellen, Dufte des fhönften der
Decembermorgen?
Wie ſchweben fie daher! ⸗ ſoll
Mir Hlina Die Zuͤrnende.
Wer
* ‚1
— 1
— F
—8*
seen 347
Wer ift es? wer kommt? wie verfchönen fig
Den fihönften ver Dreembermorgen !
Sa, rede, du Beleidiger der Gragie,
Der find ſie, die daher in den weiffen
Duͤften ſchweben?
u Bie des Telyn as Lenzgeſang aus der Kluft
zuruͤck,
Toͤnt unter ihrem Tanze der Rift! “
“Biel find der Schuber um den leid:
ten Stuhl,
“Der anf Stählen, wie von ul f
ſchlupft.“ |
And fie, die, in Hermelin gehullt,
Auf dem eilenden Stuhle ruht,
Und dem Juͤngling horcht, der hinter ihr
Den Stählen der Ruhenden Flügel giebt?
u m des Maͤdchens willen beleidigt' ich
v Die Örazie; drum verſoͤhnt fie mir fie,
“De Jungling liebet das. Mädchen,
fie liebet ihn:
u Sie feyern heute des erſten Kuſſes
Tanz, 4
13 — »
“u O
348 pemBe= '
O du, die im Hermeline aehült,
Und du mit dem Silberreif in dem ſchwar—
zen Saar,
Bir tanzen ihn auch, den Bardenlieders
tang!! wri |
| Und feyern euer Feſt mit ud 1... ı.
A Willkommen uns! Ihr tanztet ihn ſchoͤn
Am ſaͤuſelnden Schilf herab!
Nur Ein Geſetßz: wir verlaſſen nicht
eh den Strohm,
Bis der Mond am Himmel ſinkt.“
Weit iſt die Reiſe zum Ball,
Der mit dem finfenden Monde beginnt:
Ihr müßt euch ſtaͤrken. Die Laufcherinn
hier
Liebt fluͤchtigen Stahl.
Du Schweber mit der blinfenden Schaale
dort, s |
"Den der Burgundionen Urahn Eelterte,
Den! und die Schaale voll bis zum
| Rand herauf!
Sm Fuge geſchwebt! Doch Erin
Tropfen röthe den Strohm ! “
So
BET 349
So rund herum und dann der Hörner Schall
Tach alten Brautgeſanges Takt!
Zu diefen Bragas twiedererfundnen Reihn
Huf gefiirntem Kriſtall!
Ihr Tänzer dort auf dem hellen Kriſtall
"Nach Bragas Fluͤgelſchwung!
Was huͤllet ihr euch in Autipodendampf,
Wie in Wolfen, ein?
4 Werft hin das Rohr aus dem Nofenbufche
gewählt!
4 Werft hin des Meeres Schaum!
u Könnt ihr gegen euch über den Frei
fenden , ſchlaͤngelnden,
4 Borfchieffenden Reihn aus der Wolke
ſehn?“
Er ſangs, und das blonde Mädchen glitt
In der Mitte des Strohms; die Hörner
toͤnten hinter ihr ber.
An den beiden Ufern eilten veran die Be;
gleitenden ,
Und wogen fich leicht auf der Schärfe
des Stahls.
Wie
350 ——
Wie glatt iſt der ſchimmernde Froſt! Schall
dort umher
In den Felſen, nicht hier mit dem Strohm
hinab!
Han droben im Walde, verwuͤftendes
Beil! |
Sie ſangens, und lehnten ſich rechts an
den wärmenden Strahl.
D Dahn des Kriſtalls! Eh fie am Hufe das
Eifen ſchaͤrft,
Eh fie mit dem Eisfporn waffnet den
Wanderer,
Erfiarr , evfiarre die Cyklopenhand!
Sie fangens, und lehnten fih links an
die leiſere Luft.
Sie fangen der Eisgangslieder noch viel:
Bon Zephyrus, dem Zeriöhrer, ah!
Wenn die Blume des nächtlichen Froſtes
welkt! |
Von der Tuͤcke des verborgnen warmen
als, |
Da
— 351
2 der Biüedie Juͤngling fanf! Er *
ſich herauf, ſein Blut
Faͤrbte 4 Kryſtall: dann ſank er nieder,
und ſtarb!
Von dem Orkan, der in Schwindel ſie
ſchleudert vor ſich her
Am vorüberfliegenden Felſeng eſtad
hinab!
Schnell, wie der Gedanke, ſchwebten ſie in weit—
umkreiſenden Wendungen,
Wie die Rieſenſchlange Midgaards im
Ocean ſich waͤlzt!
Von — ——— —— Winelde erſtem
Tritt auf dem Teich
Am Hiacynthenbeet. Klein war ihr
Fuß, und blinkend ihr Stahl.
Sie hatten des Stahles Band mit füberflodis
A gem Laube
5 und rothgeſprengten fliebenden Fiſchen
ni geſtickt.
Sie fangen es, itzo dem Wiederhall der
[F Wälder zu,
B Itzo den Trümmern der alten Burg.
| Sie
” | i. * 7
352 [u
Sie tanzten * Strophen und autiſlnophen,
Ruhten ſelten Epoden aus.
Sie tanzten den ganzen Pindar durch:
Da ſank, ad) wich zu früh! Der Mond
om Himmel herab.
Sie Famen zum regelvcichen Tanz
Im Wachslichtfaal
Vor dem lärmenden Kamin,
Und Hlina vor feinem Spiegel an.
Sie fofieten wenig mit ſtolzem Zahn
Vom regelreichen Tanz.
Sie fihliefen die ganze Nacht, den Tag
dazu
Gefunden Schlaf.
r |
Der
Hypochondriſi
holſteiniſche wochenſchrift
von Herrn
Zacharias Jernſtrup.
Zweyter Theil.
Zweyte verbeſſerte und vermehrte Auflage.
Bremen und Schleswig
bey Joh. Henr. Cramer und Joach. Friedr. Hanſen.
| 1771
PER WER UN
RZ Pr RR
ED aa a Se a a a ne 223
Anhalt des zweyten Theile.
* Vierzehntes Stück,
* Einfluß des Geſchmacks auf die innere.
Schönheit des Srauensimmers. ©. 355
* Ein page Worte von Fräulein **, die fi
mit einem Seufzer des” Hypochondriſten
endigen. 369
Nachricht, daß Herr David Wilhelm Maͤvius
auf Jernſtruphof glücklich wieder ange:
langt, und ehrlich ſey. 377
*Fuͤufzehntes Stück,
Ode auf des Königs Geburtsfefi 1762. 379
* Sechszehntes Stüc.
Die Tugend iſt keine Furie, ſondern eine ſehr
ſanfte und liebenswuͤrdige Matrone. 384
Geſellſchaftliche Satiren uͤber ſich ſelbſt
fuürs Ftauenzimmer, nebſt einem Probe⸗
ſtuͤck dieſer Erfindung, welches gut aus:
fällt. 398
"2 Sich;
Siebzehntes Stüd.
Lyriſche Empfindungen über die Allgegenmart
Gottes. 459
Ein Ehor von abgeſchiedenen ſeligen Geiſtern.
414
*Achtzehntes Stuͤck.
* Gefpräh des * Hypochondriſten über die
Schönheit feiner Blätter. 417
* Charitina von Iſſoph, ein Portraͤtſtuͤck. 422
Jernſtrups allzubittre Satire über fich
ſelbſt. 441
Schreiben von Herrn Arthur Jeoffry Eſq. an
Herrn Zacharias Zernftrup Eſa. So
gut als aus dem Englifchen überfegt. 443
+ Meunzehntes Stüd.
Juͤdiſche Hymne an dem Laubhuͤttenfeſt zu ges
“ brauchen. 450
Zwanzigſtes Stuͤck.
Herrn David Maͤvius Erfindung, unter der
Serviette zu ſchreiben. 465
Ti ſch⸗
Tiſchreden Sr. Gnaden Herrn Ohluf Jern⸗
firup, geſammelt von einem unterthaͤni—
gen Verehrer D. W. M. aus Anselm,
—
Letzte Worte des Herzogs an
— Sohn. 469
2. Tiefſinnige Bemerfungen über die Kennt:
niß des Menfchen. 470
3. Paradoxe Bemerkungen eines Philans
thropen. 471
4. Noch mehr Paradorie. 473
5. Gefpräch eines gewiſſen Biſchofs von
Florenz mit einem gewiſſen Kardinal. 475
6. Audienz Königs Opoccu des Feuerfars
bigten , nebft Herrn Ohlufs Bemerfun:
gen über einen Mangel der Reiſebeſchrei⸗
bungen. 476
7. Vom Unterſchiede ber höhern und fchö:
nen Wiflenfehaften. Herr Ohluf geräth
in Zorn. 48
8. Herr Obluf macht nur wichtige und ge:
meinnügige Bemerkungen und preiſt
Machiavells Princeps am. 496
*
3 * Ein
* Ein und zwanzigfies Stuͤck.
* Pier Idyllen. 498
Hymne an den Map: 317
Zwey und zwanzigftes Stüd.
Unterredung über Klopſtocks Meſſias. 320
Drey und zwanzigftes Stuͤck.
Drientalifcher Wechfelgefana, im gelobien fans
de su gebraud)en. 548
Bier und zwanzigftes Stüd.
Hochgericht über ven Hypochondriſten. 561
Erfie Decurie der Rofifchen Ueberfegungen. 566
Scenen aus einem Luftfpiele von Gay, (nach
einem dialogifchen Plane überfegt,) wor:
inn gleichfalls Hochgericht gehalten
wird. 568
Gays Vorbericht zum What d’ye call it,
einer Tragifomipaftoralfarce. 610
Fünf
[> 2 = u og
F uͤnf und zwanzigftes Stüd.
Jernſtrup hat vom goldnen Apfel IJduns ges-
koſtet. --- Ecce inter pocula quae-
runt Romulidaefaturi, quid dia poë-
mata narrent. 626
Per 6
Sechs und ——— Stuͤck.
Geſetz buch der Gelehrtenrepublif in
Deutjchland. 629
Sieben und zwanzigftes Stuͤck.
Jernſtrup hat die Gabe, aus der Haut zu
fahren. 668
Fährt nach Choezim, und fi ieht Bomben fpie-
len. Wird durch eine Stimme aus den
Laufgräben nach Daufe gejagt, 669
Empfindfames Schreiben des Heren von
Schuwalitz, aus dem Lager vor Chocs
zim. (Es fommen in diefem Schreis
ben einige Fleine Beleidigungen der Der
cence vor, die aber, wie billige Lefer
leicht einſehen werden, von der empfind⸗
4% famen
ſamen Delicateſſe unzertrennlich
find.) 672
Herr Zacharias Jernſtrup entſchließt fi, kei⸗
nen Korb mehr zu geben. 696
Ladet Die Leſer des Hypochondriſten auf 3J
Hochzeit ein.
Enpßelt ſich ſtillſchweigend. Eben J
Letztes Stüd.
Hymen, oHy menaee Hymen. —— 0
Hymenaee!
Noſa⸗Maͤpviſche Beſchreibung des großen
. Hochzeitmaales auf Jernſtruphoſ bey
"der dafelbft gefeyerten jmiefachen Ber;
nmaͤhlung 1770. 701
Sfolien beym Brunnen des Lachens geſun⸗
gen. en 726
Ende, j |
Zur27| | ' Der
Hpronondriit
Zweyter Theil,
Der Hypoch. 2.T. 3
Eee . FARRAR
— A rag & * ERS
Br u Mk
— — — — — — nn — — —
m
Vierzehntes Stud.
‚Donna, fe pur tal nome a ie convienfi,
‚Che non. [omigli tu cofa terrena —
Fa ch’io fappia chi fei; fa ch’ionon erri
Nel onorarti. — TASSD,
Holdfeliges Frauensimmer, woferne man Ihnen
anders diefen Namen geben darf, und Sie fein
bloſſer Erdſchwamm find, laſſen Sie mic hören,
was Ihre ſchoͤnen Augen mir fagen wollen; laſſen
Sie mih hören, ob ich auch Urfache habe, Ihnen
alle diefe tiefen Reverenze zu machen.
Ä Mer ehemalige Geliebte, die fo
artig lächelte, und Feine Stim:
me hatte, ift nicht die einzige in
‚ihrer Art. Um das Andenfen diefes
guten Kindes in meiner Seele recht. oft
| 2 zu
356
zu erneuern, und mir fo viel Gedanken:
-fefte zu machen, als meiner Hypochondrie
zuträglich fi find, gebe ich gemeiniglich d die
Woche ein paarmal in die Stadt. In
allen Geſellſchaften, in die ich etwan
komme,
Erblick ich reizende Statuͤen,
Die, iedem, ders nicht glaubt, zum Trutz,
Durch Laͤcheln, Eſſen, oder Putz
Schnell die Bewundrung an ſich ziehen.
Bisweilen reden ſie ſo gar,
Und uͤbertreffen meine Schoͤne;
Wovon? ja das vergißt man zwar:
Allein es ſind doch wirklich Toͤne.
Ein deutliches O ja! und Wie?
Ein lautes I Herr Jemini! —
Das find doch wirklich Mdenfchentöue.
Woher diefe Gabe der Stummheit,
oder diefes Mittelding von Stummheit
und Sprache, und dann diefe Rauhig—
feit der Sitten, die mehrentheils damit
verfnüpft iſt? — Denn es verfteht fich,
daß ich mir nicht immer Gedanfenfelte
mache,
7: une era | 357
mache, und daß ich eigentlich die witzi⸗
gen, gefitteten Srauenzimmer höher, als
die Statuen, ſchaͤtze. — Hat vielleicht
die Natur ihre fchänften Kinder ein we⸗
nig verwahrlofer? Hat fie unferm Ger
fchlechte mehr Einfichten, mehr Gefühl,
mehr Liebe zur Tugend, mehr Anftand
und Würde zu handeln, oder zu fpre:
Ken, mit einem Worte, mehr Vorzüge,
als dem ihrigen, gegeben? Oder grün:
den fich ihre Fehler in dem Mangel der
Erziehung und des guten Öefchmacks ?
Das erſte Fann man nicht fagen.
Vielmehr hat das ſchoͤne Geſchlecht,
— in allen denjenigen Kraͤften,
die das Herz angehen, die die Wangen
mit Blut, und die Augen mit Thraͤnen
fuͤllen, groſſe Worzuͤge vor dem andern;
und das, was wir Maͤnner, auch in an-
dern Dingen, oft nicht anders, als
durch eine langwierige Arbeit, erreichen,
ist bey den Frauenzimmern gemeiniglich
. das ÜWerf der Natur. Ihre Verven
find zärter, ihr Geblüt iſt duͤnner, ihre
33. Ein:
‚358 — *
Einbildungskraft ift fluͤchtiger und de:
licater, und ihr Witz ift viel artiger und
naiver, als der unftige, Die Freude,
die Dankbarkeit, das Mitleiden, die
Siebe, die Freundfchaft, die Gutherzig—
keit, und alle die fanftern Empfindun:
gen, die eine menfchliche Seele ſchmuͤ⸗
efen, laſſen fich bey ihnen viel Teichter
erwecken, als ben den Mannsperfonen.
Woher denn jene Blödfinnigen und jene
Kantippen, von denen es in allen Haͤu⸗
fern wimmelt? Der Mangel der Erz
ziehung, und der Mangel des Ge:
ſchmacks, einer Sache, die im Grunde
nur ein anderes Wort für Mangel der
Erziehung ift, — das allein. find die
Urfachen der Fehler, die wir an unfern
Schönen bemerfen. ft es nun nicht
Fläglich,, daß die guten Talente der Na:
zur, welche das ſchoͤne Gefchlecht befißt,
nicht beffer angewandt werden ? Zu
was für einem Enthuftafmus von Zärt:
Yichfeit, von Menfchenliebe ꝛc. würden
fich nicht diefe ı a guten Eigen:
ſchaf⸗
— 359
(haften ausdehnen laffen, wenn Kunft
und Fleiß das ihrige dazu bentrügen!
Freylich, Geſchmack von Frauenzim⸗
mer fodern, ein Ding, davon man, um
verſtanden zu werden, erſt noch eine Er⸗
klaͤrung geben muß, heißt gewiſſer⸗
maaſſen uͤber uns ſelbſt ſpotten, da unſer
eigenes Geſchlecht in dieſem Punkte
zuweilen eine ſo ſehr armſelige Figur
macht. Man glaubt gemeiniglich, man
muͤſſe ein Gelehrter von Profeſſion ſeyn,
um einen Beruf zu Erlernung der ſchoͤ⸗
nen Wiflenfchaften zu haben, und man
kennt alfo den Nutzen und die Wuͤrde
derſelben nicht in ihrem ganzen Linz
fange 5; fondern nur dem Buchftaben
nach. ber was. fage ih? Die Ge:
lehrten von Drofeffion find oft felbft die
allergefchmaefiofeften + wie will‘ man
denn mit gutem Erfolge von einem An⸗
baue des Gefchmads fürs Frauenzim:
mer handeln? Schlimm genug! Bar
“teuer, Schlegel, Rammler, und noch
emige andere fchreiben und fchreiben;
34 aber
360 ——
aber wer lieſet ihre Werke? Man weiß
nicht, und man will es auch nicht wiſſen,
was fuͤr groſſe Dinge, durch Huͤlfe der
ſchoͤnen Kuͤnſte, von jeher ausgefuͤhrt
wurden. Sind ſie nicht von jeher das
allgemeine Mittel geweſen, Recht und
Ordnung zu erhalten, Wahrheit und
Tugend zu befoͤrdern, und uͤber alles
Ernſthafte und Strenge eine gefaͤllige
Anmuth zu verbreiten? Hat nicht die
Religion ſelbſt ihnen allemal einen vor-
züglichen Theil ihres Anſehens zu dan:
fen gehabt, und ift nicht ein iedes Land,
in welchem der Geſchmack berrfeht, im:
mer dreymal gefitteter, als ein anderes, -
darinnen die Mufen Sremdlinge find?
zu Völfern, melche thierifch lebten,
Kam durch fie wieder Menfchheit her;
Der rauhe Wald erſchrack, Fels und Gebirg’
erbebten,
Und Wuth und Unſinn war nicht mehr.
Gelinder
Gelinder foß der Dad), die faufendjährgen
r ‚Eichen
Begonnen einen Tanz, fo bald ihr Spiel
| er „ erklüng ; |
Zahm kroch der Tieger aus den Straͤuchen,
Und horchte lieblichen Geſang.
Dir, Orpheus, gaben ſie die Leyer, und
der Wilde
Empfand den Ton, empfand der Leyer füf e
Kraft; -»
Sein Jauchzer ſcholl mit ihr durchs
00 thraeifche Gefilde,
Luft ſchmelzte feine Seel, und — er ward
tugendhaft. —
Eben fo kam mit der Liebe zur Dicht:
Funft, und zu den übrigen fehönen Wiſ—
fenfchaften, die Artigkeit der Sitten
riach Athen und Rom. ber wir brau:
chen nicht fo weit auszuhohlen. Man
kann vielleicht ficher behaupten, daß die
Härte der deutfhen Sitten fich ju ver:
lieren angefangen habe, feitdenn der
35 Ge:
362 — ra
Geſchmack auch zu uns herüber gefom-
men if. Ich will damit eben nicht
ſagen, daß wir viel Geſchmack haben,
und dag wir fehr artig find; denn fonft
würde ich diefes Blatt nicht fchreiben
dürfen? ic) rede nur-von einem -Fleinen
Theile gefitteter und vernünftiger
Deutfchen, deren edelmüthige Hands
lungen mich entzuͤcken, und die das,
was fie find, unftreitig durch die fche:
nen Wiffenfchaften find. Es ift gewiß,
die Kunſt bat keinen folgfamern Schuͤ⸗
ler, als den Berfiand, wenn das Herz
erſt gebeflert it. Dan Fann zwar einen
fehr übeln Geſchmack, und doch daben
ein gutes, rechtichaffenes Herz beſitzen;
allein, wer einen fehr feinen Geſchmack
hat, der hat niemals, oder, wenn ich
mich recht behutſam ausdrücen foll,
felten ein boͤſes Herz. Ich berufe mich
auf die Erfahrung. Die größten
Genies find allemal auch die größten
Menfchenfreunde geweſen. Setzet hun:
dert Staatsmaͤnner: ihr werdet wenig:
fiens
363
ftens zehn Tigellinen Sarunter finden.
Hundert Advokaten; : darunter ſind
vielleicht vierzig. Rabuliſten, u. ſ. f.
Aber von Dichtern und beruͤhmten
Schriftſtellern zu urtheilen; ſo giebt
es, Deutſchland und Frankreich zuſam⸗
men genommen, vielleicht nur -- hm! --*)
Das Frauenzimmer, ein Geſchlecht
welches ordentlicher Weiſe einen vor:
züglichen, natürlichen Hang zum Guten
hat, follte fih alfo aus diefen Gründen,
und dann auch insbefondere der Bor:
theile wegen, die es im Heufferlichen
dadurch gewinnt, nichts fo fehr, als den
Geſchmack, empfohlen feyn laſſen. Durch
nichts, als durch ihn, Fann e3 die Ab:
*) Nehmen Sie mir nicht übel, Herr *
Jernſtrup, daß ich hier die alte Lesart
ein wenig verbifiere. Seit 1762 haben
bie deutſchen Staatsmaͤnner, Advoca:
ten und — wisine Köpfe grofe
Schritte zur Vollkommenheit ihrer
Nachbarn gethan -- hm! 3. Jernſtruy.
364
fihten feiner Beftimmung fo würdig,
und fo ganz erfüllen. Durch ihn lernt
es von allen Dingen richtig urtbeilen;
es entdeckt durch ihn die Schönheit der
Tugend in ihrem vollen, mittäglichen
Glanze, und die Haͤßlichkeit des Laſters
in feiner fchwärzeften Geftalt. Gellert
nennt den Geſchmack eine zarte, ge—
“ fhminde und treue Empfindung alles
” deffen, wos in den Werken des. Geis
” es, fowohl in einzeln Gedanfen und
* Ausdrücden, als überhaupt in dem
* ganzen Baue des Werfs, richtig,
” ſchoͤn, edel, harmoniſch; und, auf
* ver andern Geite, alles deffen, was
’ fehlerhaft, was matt, mas Findifch
mas übentheuerlich und mishällig tft.
¶ Diefe feine Empfindung, feßt er bin:
“zu, die in dem erjten Kalle von einem
geheimen Dergnügen, und im andern
son einen geneimen Unwillen beglei:
tet wird, diejer gute Geſchmack wird
uns durch den Gebrauch fo narürlich,
“ dag wir ihm nicht allein in unfern
Schrif—⸗
neuem a 305
* Schriften, fondern auch in unfern
“+ -Gefprächen und Handlungen, folgen,
“ Sein Einfluß breiter fich nicht nur
“ über unfere Art zu denfen, fondern
"auch über unfern ganzen Charakter,
“aus, „ Man Fann hieraus fehen,
daß nur eine lebhaftere, finnliche Kennt:
nig der Tugend und des Laſters, die
wir mehr duch Gefühl, als durch
Tiachdenfen , erlangen, und dann die
Beobachtung unferer Pflichten Ein
Werk feyn Eönne, da fonft unfere Theo:
rien, wie die Erfahrung lehrt, nicht
immerihre Wirfung thun. Ueberhaupt
davon zu reden, fo haben die beften
Grundfäße, und die beiten fpeculativi;
fehen Unterfuhungen, zwar alle ihren
groffen Mugen; aber felbft der ift nur.
klein gegen die Bortheile, die ein Schrif—
ſteller von Geſchmack dem Reiche der.
Tugend leifter, Ich lefe einen ftrengen
Beweis, daß das Mitleiden eine Tu⸗
gend fey. Ich fehe, die Säge haben,
ihre Richtigkeit, und an der Art zu
ut ſchlieſ⸗
*
366
fchlieffen ift nichts auszufeßen. Ich lobe
alfo den Dbitofopb „und — mache fein
Buch zu. Uber ein Mann, der Geift
und Big bat, ‚preifet mic dieſelbe T Tu⸗
gend mit einem ruͤhrenden Tone, oder
mit einem wohlgewaͤhlten Bilde, an;
er beſchreibt
Die ſchoͤnen, mitleidsvollen Zähren,
In welchen Daphnens Auge ſchwimmt,
Wenn Traurige, die Noth und Alten
Frünmet,
Sich laͤchelnd zu ihr nahn, und — Troſt
begehren:
So gleich fuͤhle ich etwas, das eine
groͤſſre Kraft hat, und das lauter
ſpricht, als die Stimme von zwanzig
Beweiſen. Ich ſehe ißt das Mitleid in
feiner Tiebenswürdigften Geftalt; mein
Herz fängt anzu klopfen; ich wünfche,
Daphne zu ſeyn, und ich entſchlieſſe
mich, ſelbſt Wohlthaten auszuuͤben.
Ich weiß wohl, ich laufe bey einigen
Muͤttern Gefahr, vielleicht als —
a
— 367
daͤchtiger Sittenlehrer ihrer Töchter anz
gefehen zu werden, zur Zeit, da ich das
Sefen der Bücher und den Geſchmack
für ein ſicheres Mittel, die guten Sitten
zu befördern, ausgebe; weil die Res
densart: fie hat Sefhmad! ge:
meiniglich fo viel heißt, als: fie ift
ut in Romanen bewandert.
{lein, diefe Damen werden es ja wohl
eben ſo gar boͤſe nicht meynen, zumal
wenn ich ihnen verſichere, daß ich die
leichtſinnigen und unverſchaͤmten Skri⸗
benten von Herzen verachte, die mit ih—
ren Blaͤttern, ſo witzig und poetiſchgut
ſie auch etwan ſeyn moͤgen, die Tugend
nur im geringſten beleidigen, und eine
junge Seele verführen, Denn es ift
wahr, von einem Mädchen, das, wenn
fie ja Romanen leſen will, Feine Clariſ⸗
fen und Grandiſons Tiefe, — Werke,
fie welche das Wort Roman, nach dem
gewöhnlichen Begriffe, beynahe der
größte Schimpf iſt — kann man nichts
gewiſſ ſers verm then, als daß ſie, uͤber
J der
368
der Heldinn ihres Romans, Fi eine
folche Heldinn wird,
Dis Vaters Haus ficht diefe sei dann
Fuͤr ein bezaubert Schloß, ſich fuͤr gefan:
gen, an.
Manch ſtiller Seufjer fpricht alsdann:
Ach, welcher Juͤngling wird von allen
Zaubereyen
Mich armes Maͤdchen doch befrehen!
Ein Narr von Juͤngling kommt alsdann,
Und hilft ihr von den Zauberchen.
Sie läßt hierauf zur Mitternacht
Bon hohen Fenſtern ſich hernieder,
Steigt über Mauern hin, und itzt — itzt
muß ſie wieder
Durch einen breiten Fluß, an den ſie
nicht gedacht,
Und alles dieß warum? warum ſo viel
Gefahren ?
Um eine Raſerey der Welt zu offenbaten,
Die ihe Zeit Lebens Schande macht. *)
Es
*) Rach dem Nichardfon.
on nenne 369
Es ift alfo gewiß, junge Frauenzim:
mer müffen in der Wahl ihrer Bücher
allerdings behutfam ſeyn. Eben des:
wegen, weil-fich ihre Einbildungsfraft
leichter, als die unfrige, befeuren läßt,
und weil die zarten Seiten ihres Herz
zens plößlih, und bey dem fanftefien
Sclage, getroffen werden, eben des;
wegen Eönnen fich ihre Sitten durchs
Sefen fo fehnell verfchlimmern, als ver;
feinern, und fie follten daher immer
nur eine Sammlung der vortrefflichften
Bücher, oder, noch beffer, fie follten
die ganze Erziehung der jungen Fraͤu—
lein * * haben. Gehr gerne möch
te ich meinen $eferinnen, um ihnen eine
Neigung zum Gefchmacke beyzubringen,
einige Züge Diefes einnehmenden Bil
des entwerfen, wenn ich nur Sräfte
genug dazu hätte, Gaͤbe es lauter fol:
che Frauenzimmer: welch ein Glück
für die menſchliche Geſellſchaft!
DerAyyoh.2.T. Aa Bey
376 — —
Bey ſo viel Reizen, die hier ſtrahlen,
Was fol ich da zuerſt, zuletzt für Meise
malen? —
Umfonft, ich nehme mein Wort wieder
zurück; ich würde doch, auch durch den
Fleinften Schattenriß, tadelhaft werden.
Kann ich mit Farben Worte malen,
Die mehr Mufif, ald Worte find?
Die wie ein Lied der Mufen find ?
Kann ich Die Grazie des feinen Ausdrucks
malen,
Der aus dem Herzen koͤmmt, und iedes
Herz gewinnt?
Weiß ich, mit welcher Kunſt fie die Idee
behandelt,
Wenn, was ihr Mund berührt, ſich ſchnell
in Gold verwandelt ?
Iſt nicht die Tugend immer fehön?
Und doch weiß fie fie zu erhöhn! —
Wie offen ift ihr Herz! wie voll von der
Degierde,
Zu thun, was Menfchen frob, was Menſchen
gluͤcklich macht! —
O
— —
371
D Maja, deren Bild die Erde ſchoͤner
macht,
Du haͤtteſt fie nicht ganz, der Seele feltne
Zierde:
Haͤtt' einſt Apoll dir nicht gelacht.
Er aber lachte dir in froher Muſen Kreife,
Als dugebohren wardfi, entzüucfendes Gefühl
Für alles Schöne zu; drum dachtſt du früher
weiſe,
Und lernteſt holdes Saitenſpiel;
Und lernteſt Zaͤrtlichkeit, und fuͤllteſt deine
Be 22
Mit ieder hohen Tugend an,
Aus freyer Wahl, und doch, als obs ein
Gott beföhle,
Mit ieder hohen Tugend an,
Sch muß meine Leſer, diefer -Eleinen
Ausfhweifung wegen, um Verzeihung
bitten, weil ich darinnen nichts ſage,
als was fie bereits wiffen, da das Fraͤu⸗
lein ** von einem ieden für die Zierde
unfter Stadt gehalten wird, Es ift
indefjen doch immer angenehm, von ei:
Yaz ner
22
En Wr
ner liebenswuͤrdigen Sache ein bischen
zu ſchwatzen. Wenigſtens kann man
ſich doch durch meine Verſe daran erin—
nern, daß ein Frauenzimmer von Ge—
ſchmack, die tugendhaft iſt, nahe an
den Engel grenzt: da hergegen gewiß
keine groͤſſere Kleinigkeit, als eine blos
glaͤnzende Puppe, in der ganzen Schoͤ—
pfung anzutreffen iſt. Ihr werdet, zum
Exempel, ganze Heere kennen, deren
Begriffe nicht über eine Copffüre, oder
über ein paar franzöfifche Phraſes geben.
Aber noch viel mehrere werdet ihr fen:
nen, die fich groſſe Airs in Gefellfchaf:
ten zu geben wiſſen, und deren Geſpraͤ—
che euch ein paar Stunden entzücen,
weil ihr in der Erwartung ſeyd, von
einem fihönen Munde fchöne Sachen zu
hören; allein ich heiffe nicht Sernftrup,
wenn es euch möglich ift, das, was fie
euch in denfelben ziwo Stunden fügten,
zu Haufe zu wiederbhoblen, und daben
zu denfen.
Sch
313
Ich will mit dem allen garnicht fagen,
daß ein Frauenzimmer gelehrt fenn muͤſſe.
Ein gelebrtes Sranenzimmer par excel-
lence, und ein Srauenzimmer nach der
Mose/fi nd die beiden äufferfien Enden des
weiblichen Gefchlechts. Der Pedant
ſelbſt iſt nicht ſo laͤcherlich, als ein Frau⸗
enzimmer, das pedantiſiret. Ja, ich
behaupte, daß die gelehrten Schoͤnen,
die gar nichts von der Haushaltungs:
kunſt und von allen den Befchäfftigun:
gen verftehen, die ihre Gefchlecht unter:
fcheiden, eine viel fchlechtere Figur ma;
chen, .als die, welche ſich auf weiter
nichts, als auf die Tadel und den Kuͤ⸗—
henzettel, verſtehen. Ueberhaupt gebt
es den gelebeten Srauenzimmern bey
ihrer Gelehrſamkeit gemeiniglich, wie
allen Gelehrten; fie haben nur einen
halben Gefhmaf, und kennen die
Welt nicht. Alles, was fie vorbrin:
gen, wird Affectation, oder ein geborg:
ter Wis, feyn, weil fie den Umgang
vernachlaͤßiget haben, Die Geſchwin⸗
+ Yan dig:
374
digkeit, das Verhalten der Menfchen
wahrzunehmen, und den guten Ton des
Wohlftandes, oder der febensart, Fann
man nicht aus Büchern, fondern aus
dem Umgange, lernen. Inzwiſchen
ift es mit dem Umgange allein nicht
ausgemacht. Selbſt ein Frauenzinimer
von Berftand, das unbelefen und ohne
Geſchmack ift, muß bey alle dem gu:
ten, gefellfchaftlichen Tone, den fie etz
wan hat, im Angefichte wißiger und
belefener $eute, doch immer ein gewiſ—
fes Mistrauen in fich felbft feßen, wel
ches allem, was fie fpricht, oder ums
ternimmt, ein uͤbles Geſchick giebt; oder
fie muß zum meniaften eine Art von
Schuͤchternheit empfinden, die nicht
ſowohl andern verdrießlich, als ihr
felbft ſchmerzhaft ift. Es kann ein Frau:
enzimmer diefelben Talente, dieſelben
Meize, diefelbe Gemütbsart, und dies
felbe Tugend befißen, die ein anderes
befist; allein diefes gefällt, und ienes
nicht, Warum? die Art und Weiſe,
wie
— 375
wie ſie handelt, ihre Laune, und alles
das, was man das aͤuſſerliche Betra⸗
gen nennt, hat einen Anſtrich von Ge:
ſchmack, den das Bezeigen der erftern
nicht hat.
Wenn der Geſchmack bey dent ſchoͤ⸗
nen Geſchlechte allgemeiner wuͤrde; ſo
koͤnnte das einen groſſen Einfluß in die
Zunft der gefchmacklofen Mannsperfo:
nen haben. Denn ein artiges, ges
fehicftes Srauenzimmer würde fich doch
allemal lieber mit einem edelmuͤthigen
und geſchickten Manne verbinden, als
mit einem Junker Weſtern, uͤber deſſen
Auffuͤhrung fie heimlich einen gewiſſen
Unmillen fühlen muß. Wie Fann fie
mit ihm zufrieden feyn, wenn fie ih
verachtet?
Es iſt wirklich zu verwundern, daß
man bey Erziehung der Toͤchter an das
alles nicht denkt. Wo ſollen hernach
die guten Ehen herkommen? Schön:
heit und andere Dinge find gemeinig—
lich der Grund unferer Wahl, Zreys
Aa 4 lich,
370 —
lich, fo fehr Hageftolz bin ich noch nicht,
daß ich vor einem reizenden Gefichte
ausmweiche; allein es ift nur Schade,
daß Tugend und Schönheit einander
fo felten begegnen. Begegnen fie ein⸗
ander, fo ift. es ein Schauſpiel fuͤr hoͤ—
here Weſen: denn alsdann theilet die
eine der andern ihren Glan; mit. Aber
da das fo felten gefchiehet, fo giebt ein
vernünftiger Manu einem Frauenzints
mer von mittelmäßiger Geſtalt bey
einer glorwürdigem Geele allemal den
Vorzug vor einer bloffen Schönheit.
Vermindert nicht ein. iedes Jahr die
Eörperlichen Annehmlichfeiten eines
FSrauenzimmers, und mußfie nicht aljo
alle Jahre weniger liebenswuͤrdig wer—
den, falls das Wachsthum der Ans
nehmlichkeiten des Herzens nicht. die
Abnahme der erſtern erfeßt ? Lieget nicht
in der Erwartung einer Sache allemal
mehr Vergnügen, als im Öenuffe ſelbſt?
So bald ich alfo von einem Frauenzim:
mer nichts mehr zu erwarten weiß, als
7 daflels
—
377
daſſelbe freundliche Ja! uns Wie?
das ich ſchon einige Jahre fenne; fo
bald werde ich, auch bey ihrer größten
Tugend, mit einer, Art von Verdruß
auf das Gluͤck ihres Beſitzes herab fe-
‚ben. Sf fie aber im Stande, ihrer Zaͤrt⸗
fichfeit immer eine neue delicate Beu-
gung-zu geben; fo erhält fie meine Liebe
in det angenehmften Flamme Doch
nad) einer ſolchen Örazie werde ich mohl
‚noch lange vergeblich ausſehen müffen,
‚und weil das Fraͤulein * "ausdrücklich
geſagt hat, daß fie feinen hypochondri⸗
ſchen Mann heirathen wolle,.fo werde
ich wohl ein Hageſtolz bleiben.
Nachricht.
N; Sch habe das Vergnuͤgen, meinen
$efern zu melden, daß Herr David Wil—
heim Mävius glücklich wieder auf ern:
firuphof angelangt fey, und an dem von
Herrn Squenz vermutheten-Unterfchleif
ra unfchuldig erfunden wor:
| Aa 5 den.
378 —
den. Die Sache laͤßt ſich gewiſſer Ur⸗
ſachen wegen nicht gut oͤffentlich erzaͤh⸗
len, verhaͤlt ſich aber kuͤrzlich ſo. Herrn
Maͤvius neue und beneidenswuͤrdige
Curart machte Aufſehen; man glaubte
keine Zeit verliehren zu duͤrfen, ſich ei—
nen fo gefährlichen Rival von der Sei—
te zu fehaffen; es ward ihm unter der
Hand etwas — geſteckt — — Kurz,
Herr Maͤvius hielt es für rathſam, fich
in Sicherheit zu feßen, ging heimlich
nah — wo Niemand feicht hingebt,
und verfchwieg den Ort feines Aufent:
halts ſowohl feinen Kunden, als feinett
vertrauteften. Freunden, unter denen
denn auh Herr Squenz war, Mehr
darf ich nicht fagen. Genug, Leſer, ich
bin herzlich erfreut, daß er wieder da,
und vornämlich, daß er ehrlich ift?
3. Jernſtrup.
* Fünf
379
BL a am a Dan lan Zn 2 2
+ Sunfsehntes Stuͤck.
ODE
auf ö
des Königs Geburtsfeſt.
1762,
Sir eure Häupfer vor den Eroberern,
Ihr Koͤnigsſtaͤdte! — ſeyd nicht
| mehr ſinkt herab,
Ihr Berge, daß der Siegeswagen
Freudiger über die Ebne donnre.
Sie fommen, Heil uns ! ſehen and
fiegen! — Heil
Den Ueberwindern! — göttlicjes Lob ertönt
Bon allen Lippen, alle Hände
Bauen Trophaͤen; indeß die Feufche
Jungfrau
380
Sungfrau der Helden Wege © mit Alien
Beſtreut. Trophäen f hertlicher Siegs⸗
geſang, *
Seyd ewig, daß die Zeit der Tapfern
Kunftige Welten zur Ehrfurcht reise.
Und wär’ auch einer, welchen Germaniens
Derwäftiung ſchmerzte; welcher ſich durch
Geſez
und Teicheit orbetn fräß: FÜR Name
Geht, wie das. einſame Lied, verlohren,
Das mit ihm Frieden liebt } hin 4 g}
Wenige,
Nur Freund' eraöget, * mnmbe—
ſchalt,
—* ewigq, daß vie Zeit der Tapfern
Kuͤnftige Welten zur Ehrfurcht reize.
Welch cine Gottheit öffnet die Scan’? --
ih ſchau
Ins Land der Enfet! — fehe Fabrhunderte
Und ihr Gefchäft" entwickelt — Mufe,
Stuͤrm' indie Saiten: ih ſeh,
ih ſehe! —
Noch
ne: 881
Roc Fame Europens Kriegern der Hofer
| eerd,
Venn Kriegern: © aber ein Menfchen:
freund,
"Dem Blutdutſt gram, die ganze groſſe
Seel in der Mine, die goldue Leyer
In feiner Hand, ein Weiſer und Den
ſchenfreund
Tritt auf, die Waͤhrheit redet aus ihm.
“4 Genug,
Genua, o Volk, haft du der Mordſucht
u Stlaviſch geopfert! fie find geſtorben;
gie donnern nice mehr! — Neiffet die
- Senpebanm,
| Ihr Sklaben Einer, einer ſchuf Gluͤck⸗
19 liche,
nd Mar en er, der fi ch und ſeinen
“Kindern Die Thraͤne Der Freud'
erlaubte.
In feiner Rechten wog er — dich ab,
u I Fieines Leben, gegen die Emigkeit —
Der Menfchen Blut, in. feiner Linken
4Grgen die Wonne des ſuſſen
Friedens. m.
| Die
382 nme mare au
Die Enkel horchen, ſchauen Verwunderung
Umbher, und fchmweigen. Aber. die goldne
Leyr
Toͤnt fort: + Iſt der Erobrer groͤſſer,
“Oder der Vater des Daterlandes ?
„Ach! Blut des Mordes, ſchreye! — Sie
hätten gern
Mit Einem Re Europen zerhaun:
tol;
War Ungtüd werth, mit fchwerer Serfe
Trat es der Wüthriche folgen Naden.
Huldvoll kam Gottes Stimme zu Frie⸗
drichen,
“Als einſt des Todes (höhere Engel fih
„Ihm näherte: zwar, Friedrich, alle
“Himmel verlangen Dich, meinen
Beſten;
“nd du bringſt neue Strahlen in den Bezirk
u Des Lichts, das droben glaͤnzet. Allein —
mich flehn,
Die Hände ringend, Myriaden —
“geh und begluͤcke dein Volk: es
würde
Itzt
383
7 ent zwiefach jammern! Lebe, Geliebteſter,
“Sey deines Volkes Stüge, da nun Gefahr
Ihm droht; bis fpätes Alter deine
4Scläfe mit Silber bedeckt.“ — —
Und Alle
Empfinden fhöner , lernen durchs Saiten: -
| ſpiel
Die — Unſinn verwandelt
ch
In fanftes Laͤcheln, — dann in Zaͤhren
Schmelzender Freude, den unſern
aͤhnlich:
Bis Alle dankbar gehn, und Altaͤr' erbaun,
Dem heilgen Namen — —-- Brüllendes
Kriegsgeſchrey
Schreckt meinen ruhigen Geſang, und
Laͤßt das Geſichte mich nicht vollenden,
Sechs⸗
334
u u u 2 ee ae a 2
*Sechszehntes Stüd.
Toujours par quelgue endroit les Hom-
mes [ont Enfans.
Les Pieillards, les Heros, les Sages, les
Savans,
Ont leurs Hochets divers, & bienheu-
reux le Sage,
Qui nous montrant le fien en fait un
‘bon ujage.
EPITRRS DIV.
sy R es ein Unglück für die Men:
fchen nennen, daß die Moral,
oder die Behandlung unferer Pflichten
ſehr oft folchen Derfonen in. die Hände
fälle, welche eine iede Sache blos von
ihrer rauhen Seite betrachten ?
Man würde mir vielleicht gerne ver:
ftatten, diejenigen anzuflagen, welche
y die
ur
385
die Tugend fo bequem machen, daß alle
Lafter und iede Schooßfünde mit ihr in
Vertraulichkeit ſtehen koͤnnen. Allein
fehader denn derjenige Lehrer nicht eben
fo ſehr, welcher den Dfad der Tugend
mit lauter Dornen und Difteln beivach:
fen läßt? Es entſtehen daher die fürchter:
lichen Begriffe von der Tugend, wel
che ihrer Ausbreitung fo viele Hinder:
nifle in den Weg legen. Wir fehen
nur Bürden und Laſten, wo wir blos’
die reinften und unerfchöpflichen Quel;
len des Vergnügens und der Glückfe-
ligfeit gewahr werden follten. Umfonft
mag der Weife durch fein lehrendes
Beyſpiel, und bey einem beitern Laͤ—
cheln die Wahrheit predigen, daß die
Tugend Feine ftörrifche Auffeberinn,
fondern eine angenehme Freundinn ift;
daß fie die Menfchen fo nimmt, wie fie
find, und fie nur lehret, durch den ver:
nünftigen und richtigen Gebrauch ihrer
geidenfchaften fich glücklich zu machen.
Gegen Einen Weifen werden fich hun⸗
Der Hypoch. 2,T. 5b dert
386 ——
dert Timons finden, welche dieſe Quel:
le unferee Gluͤckſeligkeit verdächtig mas
chen, und duch Beweiſe, welche felbft
ich zu widerlegen nicht mürrifch genug
bin, darthun wollen, daß die Leiden;
fchaften nur Zeugniffe von unſerer
Schwachheit, aber feine Werkzeuge zu
unferm Gluͤcke, feyn koͤnnen. Mit ans
dern Worten feheinet mir diefes fo viel
zu fagen, daß der Schöpfer in der An:
lage zum Menfchen einen andern Ge:
danfen gebeget , als er wirklich ausger
führet hats
Frehylich ift die Natur ihrer Sache
zu gewiß, als daß fie fih durch Ger
fchiwäßg follte irre machen laffen. Die
Menfchen werden, troß allen Moralis
ſten, immer diefelbigen bleiben; fie wer:
den eben die Handlungen, nur viel:
feicht unter einem andern Namen, und
höchftens mit gewiſſen Feyerlichkeiten,
vollbringen, als fie, dem Antriebe der
Natur überlaffen, vornehmen würden.
* mitten in ihren unſchuldigſten Er-
gößlich:
*
— 387
göglichfeiten wird fie ein Geift der
Schwermuth, durch uͤbelverſtandene
Syſteme Serben geführt, verfolgen,
welcher fie ihr Bergnügen nur zur Half
te fchmesfen läßt, Die munterſten une
ter ihnen werden dieſes befchwerlichen
Begleiters müde werden, fich mit Ge
walt von ihm reifen, und in eine Züs
gelloſigkeit gerathen, die ihr Ungluͤck
macht, und fie der menſchlichen Geſell⸗
fchaft als Ungeheuer darſtellet.
Sch bin nicht der erfie, welcher ge:
wuͤnſcht hat, daß die DBertrauten und
Lieblinge der, Natur, die wahren Phi-
lofopben, fih bemühen mögten, uns
eine Tugendlehre zu liefern, von der
man mit Recht fagen £önnte, daß
fie fih auf die Einrichtung und Natur
des Menfchen geündete, Die Tugend
würde alsdenn durch ihren eigenthünnliz
chen unerborgten Reiz weit mehr Ber:
ehrer finden, als fie bisher durch die
tragikomiſche Mafke tugenöhafter Men:
fchenfeinde hat erhalten koͤnnen.
| DU 2 m. oh
388 — un
Man erlaube mir, von dem, was
ich allgemein geſagt babe, eine Ans
wendung auf die Pflicht der Selbſter—
kenntniß zu machen. Unter allen Pflich-
ten, welche die GSittenlehre den Wien:
fchen einfchärfet, ift diefe diejenige, wo:
für fich die Dienfchen am meiften ſcheu—
en; und nach jenen traurigen Vorur—
theilen, welche man dem Mienfchen von
dem Menfchen beybringet, nach der Art,
wie man uns anführet, unfere Neigun—
gen und Handlungen zu beurtbeilen,
mag e8 auch eben nicht gar zu anges
nehm ſeyn, fich in einem Hoblfpiegel
zu befchauen, und das natürlich gute
Geficht in das feheuglichfte Bild ver:
wandelt zu fehen. Allein welch ein
fruchtbarer Baum bendes der Erfennt:
niß und des Vergnuͤgens ift nicht dem
Weifen diefe als fo fehr unangenehm
befchrieene Erforfchung feiner felbft!
Sch muß es geuͤbtern Federn, als der
meinigen, überlaffen, der Welt Bor:
fchriften zu geben, wie man ſich u der
ruͤ⸗
Poren run 389
Prüfung feiner feldft verhalten müffe,
wenn man daraus allen Mugen ziehen
till, welcher dem nachdenkenden Weifen
daraus erwächfet. Mein heutiger Bors
wurf ift nur, das fchöne Geſchlecht mir
verbindlich zu machen, und demfelben
aus der Selbſterkenntniß, wofuͤr es ſich
ſonſt ſo ſehr fuͤrchtet, ein Mittel herzu—
leiten, ſich und andern in Geſellſchaften
das groͤßte Vergnuͤgen und die reichſte
Abwechſelung darinn zu verſchaffen.
Es iſt ausgerechnet worden, daß die
Welt ſchon 5711 Jahre geſtauden hat.
In aller dieſer Zeit, wenn man etwa
die Jahre der Barbarey uud der Träume
abziehen will, deren Anzahl der Magiſter
Stephan genau anzugeben weiß, hat
das liebe Franenzimmer Bänder auser:
ſehn, Schleifen gelegt, Sontangen beur:
theilt, das Schooßhuͤndgen geliebfofer,
mit dem Liebhaber gezanft, über den
Mann gelacht, die Magd fortgejagt,
Karten gefpielt, die Nachbarinn vers
leumdet, ſich serun. und Romane ge
Bb3 leſen.
399
Iefen. Man wird am Ende doch alles
müde, und vielleicht rührt der Lieber:
öruß, welchen man in den Augen der
jungen Fran Finanzräthın von Z**
Viefet, nicht fo fehr von ihrem ehrenfeſten
Gemahl ber, als weil ihre Geele der
Puppenfpiele müde ift „womit fie fich
täglich befchäfftiger.
Wie? wenn man alfo anfinge, in den
Geſellſchaften Erzehlungen von feinen
eigenen Thorheiten zu machen? wie reis
end würde dadurch nicht die Pflicht der
Selbfterfenneniß werden! wie vieleneue
Materie zum Lachen würde man nicht
erhalten! täglich. nene Scenen, täglich
neue Entdeckungen! Man würde für un:
wißig gehalten werden, wenn man zu
den Fehlern anderer fchreiten wollte.
Die glücklichfte Eiferfucht würde den
Geift des fehönen Gefchlechts beleben.
Eine iede Schöne würde fich als die
größte Tharinn abmalen wollen, um den
Hauptzweck zu erreichen, her vorzu⸗
ſtechen.
ſtechen. Man würde gefallen wollen,
und deswegen fi ſich lächerlich machen,
In einem meiner vorigen Stücke ha:
be ich den jungen Setyrenfchreibern als
ein Mittel, in ihren Satypren glücklich
zu feyn, ‚angerathen, fich ſelbſt zu ſchil—
dern, und ich bin feit dem nicht ohne
Sucht, daß die Helbgelebrten, welche
alte Dinge fehief anfehen, von meinem
Vorſchlage reinen Gebrauch machen möz
gen, wofuͤr mir ſelbſt die Haut ſchaudert.
Aber das Frauenzimmer? — Hier bin
ich vor einer falfchen Auslegung ficher.
Es denft zu richtig, weil. es blos ver:
nünftig denkt; überdem habe ich bereits
eine Drobe gemacht, wodurch ich.in mei⸗
nen Gedanken ſehr beftärft worden bin.
Ich befand mich, vor einiger Zeit
nebft einem meiner Nachbarn in H**
in einer groſſen vermifchten Gefellfchaft..
Die Wirthinn hatte uns bereits beym
Spiel unfer Geld abgenommen; mir-
hatten. dafür umfonft: ſoupirt; alle
Staats: und Welthändel weren von ung.
Bba ge⸗
392
gefchlichter; für alle Töchter der Nach:
barfıhaft hatten wir Männer ausges
fucht; für die Tochter des Hauſes ſetz—
ten mir die Wahl eines Bräutigams,
aus bewegenden Urfachen, bis meiter
aus; wir hatten Bewunderungs Raͤth—
fel: Sprühmwort: und Pfandfpiel durch:
gemacht ; iede Gelegenheit war ver:
braucht, wobey der Wis der fehanlen
Köpfe auszuduften pfleget. Alles fühlte
die Saft der langen Weile, und zum
Unglücfe war es noch zu zeitig, als daß.
bonette feute, ohne Schande, aus ein:
ander gehen und in ihren Häufern gäh:
nen koͤnnten.
Sch unterwand mich, der Gefellfchaft
demuͤthig vorzufchlagen,, ob nicht ein
ieder von uns eine Erzehlung von der
größten Thorheit machen wollte, die er
in ſeinem Leben begangen hätte. Keiner
hatte das Herz, bey diefem Vorſchlage
den Mund zu öffnen, Endlich fagte die
alte Bürgermeifterinn L****, welche
durch die bunte Kleidung befannt iſt,
womit
*.
ner 303
womit ſie ſich verjuͤngt · Herr von Jern⸗
ſtrup, es ſcheinet, Sie halten ſich uͤber
uns auf? — Keinesweges, Frau Buͤr⸗
germeiſterinn, erwiederte ich mit einer
ſteifen Verbeugung, aber ich vermuthe
ganz gewiß, daß wir durch die Aufmerk⸗
famfeit auf ung felbft ---
Sch hatte mich bey dem Neverenz fo
tief gebücket, daß mir beynahe die Pa:
ruͤcke abgeglitten wäre. Die ganze
ſtumme Gefellfchaft fchlug ein wildes
Gelächter auf, und diefe lächerliche Ca:
taftrophe gab Anlaß, daß man, ohne
meine Gründe zu verlangen, aus freyen
Stücken einwilligte, man follte die
Probe machen. Hier feßte es nun neue
Schwierigkeiten, wer zuerft anfangen
follte, Ich erbet mich dazu; aber man
fehlug mich aus, mit dem tröftlichen Zu:
faße: ich wäre bekannt genug. Endlich
erbarmte fich mein Nachbar über uns,
* Man fennt mich, “ fing er an, ”
* unter dem Namen eines fchmwindlich:
* ten Projeftmachers,. Allein, was ich
Bbs "u
394
* zuweilen für Schickſale mit meinen
Projekten gehabt, habe ich iederzeit:
* forgfältig zu verbergen geſucht. Die
“ folgende Gefchichte at mich am mei:
““ fen verwiret gemacht,
In meinem zwanzisften Sabre war
* ich zwar ſchon Beſitzer eines ber
* trächtlichen Edelhofes, und ich hätte
+ gar fuͤglich meine Lebenszeit, wie
* meine Nachbarn, mit Schlafen,
Eſſen und Pfeifen zubringen koͤnnen.
+’ Alien mein Ehrgeiz tricb mid) an,
«ach der Hauptftade meines Vater:
landes zu ziehen, und eine Zeitlang
am Hofe zu ſchimmern. Kaum war
“ ich da, als ich über den Mißbrauch
* erftaunte, welchen man dafelbftvon
don Mienfchen machte. Ich fahe in
* jedem Haufe, es mogte vornehm
* feya, oder nur fo feheinen wollen,
* ein Dutzend der fchönften und wohl⸗
gebildeten Kerls in trägem Muͤſſig⸗
“ ange leben, zu einer Zeit, da die
Armee fich mit ausheimifchen Bas
99:
*
“4
44
‘6
4“
en 395
gabonden vollſtaͤndig machen, und
“für diefe unfichere Leute groffe Sum:
men aufferhaib Landes ſchicken muß:
te. Der Ackerbau und die nuͤtzlich⸗
fien Handwerke wurden unterbro:
chen, weil die Arbeiter nicht mehr
thörigt genug waren, im Schweiß
ihres Ungefichts ihr Brodt zu ver:
dienen, welches fie in icdem großen
-Hanfe mit ungleich geringerer Bez
muͤhung erhalten Eonnten, Hier
glaubte ich mich unfterblicy zu ma—
chen, Ich machte ein Drojeft be;
kannt, man follte die Anzahl der zu
haltenden Bedienten nach den ver—
ſchiedenen Klaſſen der Unterthanen
feſtſeten, eine gute Kopfſchatzung
auf ieden Bedienten legen, der zu
andern ſchweren Handarbeiten Kraͤf⸗
te und Geſundheit haͤtte, keinen
Bedienten von dieſer Schatzung
ausnehmen, als welcher Schwach:
heits halber kein Handwerk, oder
den Ackerbau treiben koͤnnte, und
“endlich
396 ——
d
=
d
=
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*
44
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*
⸗
*
sd
44
dd
*
endlich iedem, dem zween Bediente
zu halten erlaubt würde, auflegen,
einen alten nicht mehr dienftrüchti-
gen Soldaten aufjunekmen , und
ihm Zeitlebens einen anftändigen
Unterhalt zu verfhaffen.
Mein Projeft ward mit aller
Feyerlichfeit ad acta geleget. Ich
fchmeichelte mir aber, daß, wenn
ich nur felbft den erften Schritt
machte, alle übrige Patrioten mir
folgen würden. Ich gab alfo mei-
nen beyden Bedienten ein Stuͤck
Geld, um ein Handwerf zu erler:
nen, und nahm ein paar Leute in
meine Dienfte, melche vermachfen
und der Republik zur faft waren.
Wenn ein junger Gelehrter zum
erfienmale etwas fchlechtes fehreibt
und ausgepfiffen wird, fo geräth er
in Wuth, und fehreibt Unfinn. Da
ich merfte, daß mein Beyſpiel Feine
Nachfolger hatte, vielmehr ein ieder
fih über mich luſtig machte, fo
“wollte
. —
u 77
[2
44
397
wollte ich meines Theils den erlits
tenen Schimpf durch eine noch
gröffere Uebereilung rächen.
* Ich ließ eine Abhandlung drus
Een, worin ich den Vortheil des
Staats bewies, wenn feine Manne:
perfonen zu $aquays dürften ange⸗
nommen werden, fondern ein teder
genöthiget wäre, zu den für einen
Laquay vorfallenden tinerheblichen
Verrichtungen Mädchens zu ge
brauchen. Um meinen $ehren ein
defto gröfferes Gewicht zu geben,
ließ ich von meinen Eute zwo frifihe
breitſchultrigte Dirnen Fommen,
gab ihnen die gefallende Kleidung
einer Schäferinn, nach dem
neueften Gout, welchen ein vorneh:
mer Keifender ganz Fürzlich einges
führer hatte, pflanzte fie in diefer
Pracht hinten auf die Kutfche, und
machte in folchem Aufzuge bey allen
Bornehmen die Nufwartung. Am
folgenden Tage wollte ich wieder
"Staat
398 —
4“
Staat machen, aber ich fuhr nur
" zwo Gaſſen, als ich mich ſchon von
zZ
[7
ds
2
allen Seiten von dem zuſammen
gelaufenen Poͤbel umringt ſahe.
Die Pferde wurden angehalten, die
Kutſche zerbrochen, und die armen
Schaͤferinnen ⸗ ich weiß ihr Schick—⸗
ſal nicht genau, nur ſo viel weiß
ich, fie wurden ins Gefaͤnguiß ge—
führet, und mir Saugrren auf
erleget. E
* Diefes — ter mußte ich de
Zorne einiger jungen Damen in x
Stadt verdanken, welche die Folgen
meines erjten Vorſchlags beſſer
uͤberlegten, als ich, und mein zweyh⸗—
tes Projeft nur zu einem Vorwan—⸗
de gebrauchten, ihre Rache an mir
auszuüben. Sie hatten gemille
Leute aufgebracht, mit denen ſich
nicht fcherzen läßt, und mir wur:
den, daß ich Mädchens zu Bedien:
ten genommen hatte, Abfichten bey:
gelegt, welche fich zu der Unſchuld
“eines
——m 399
“ eines zwanzigjähtigen Landjunkers
* foumreimten. Es ward ein foͤrm⸗
+ ficher Proceß über mich verhängt,
aber, zum Erſtaunen meiner Ber:
* folgerinnen, eben dieſes errettete
+ mich, Der Präfes des Gerichts
fand die jüngfte meiner Schäfer
“ rinnen fo artig, daß er fie feines
Schutzes würdigte, und mie die
Freyheit gab, ohne Gefolge eine
" Stadt zu verlaffen, ıborin man
* meine guten Abfichten zu fchlecht
belohnt hatte,
Mein Nachbar hatte noch nicht das
legte Wort ausgefprochen, als fchon die
junge Maja, die Tochter eines befann:
ten ticentiaten, fich erhob, und miteiner
Naivitaͤt welche felbft einen Hypochon⸗
driſten aus feiner Lage zu bringen ver
mögend wäre, die Öefellfehaft anredte:
Wie Sie mich bier fehen, ich bin
+ eine Fleine Narrinn, Ich werde von
“ einem Juͤnglinge geliebt, über def:
fen Verdienſt niemanduftreitig ift,
ir; nnd
8
*
*
400
44
s“
— — — — —
und woruͤber wenigſtens ich mit
meinem Herzen laͤngſt einig geweſen
bin, Er®giebr mir den Vorzug vor
meinen Gefpieliunen , denen der
Spiegel eben fowol, als mir, die
Verſicherung ertheilet, daß fie Die
fchönften find. Ich fühle das ganze
Gewicht diefer Schmeicheley , und
„zugleich den ganzen Werth meines
‘if
ui
Liebhabers. Dennoch hindert mich
mein jüngferlicher Stolz, einen Lieb:
haber glücklich zu machen, der meine
Wuͤnſche ausmacht, und feiner Liebe
ein Opfer zu bringen, welches die
Zugend heiligen würde, D, wie oft
hat diefer mein Arm gezittert, wenn
feine fanfte Hand die meinige drück
te, und gleichwol --- eine gezwun—
gene Sprödigfeit --- nur eine Freun⸗
“ Binn --- der Name der Liebe ---
Eine fanfte Röthe, als wenn der
junge Morgen lächelt, hatte fich bey die:
fen legten Worten, welche fie ſtammlend
und
unvernehmlich bervorbrachte, tiber
die
— 401
die Wangen der liebenswuͤrdigſten
Schwaͤtzerinn verbreitet. Wir alle, und
ſelbſt die Schönen in unſerer Geſell—
ſchaft, waren von ihrem Reiz eingenom—
men, als ſie vollends unſere ganze Auf—
merkſamkeit auf ſich zog, da ſie ſich dem
Hamilton naͤherte. Sie, mein Herr!
redete fie ibn an, “haben ſeit zweyen
Jahren meiner Unbilligkeit nachge⸗
ſehen. Ich uͤberlaſſe es Ihrem Her—
zen, ob das Geſtaͤndniß, welches ich
vor dieſer Geſellſchaft abgeleget babe,
Ihnen Genugthuung verſchaffen
kann. |
Der junge Mann warf ſich in einer
Verwirrung und mit einer folchen ent:
zückenden Freude vor ihr auf die Knie,
welche uns in die angenehme Erwar—
tung feßte, den Ausdruc der größten
Zärtlichfeit in der wahren und unge
fünftelten Sprache der Natur zu hoͤren.
Allein eine fchnarrende und faſt mannz
liche Stimme, welche unvermuthet er:
ſcholl, ließ uns diefes Glück nicht ges
Der Hypoch. 2. T. ee nief
8
*
Rn
402
nieffen. Es war die Stimme der Jung—
fer &ille, deren Vater ein reicher Tuch⸗
haͤndler iſt. Sie drang ſich mit eini—
gem Ungeſtuͤm, der ihr ſehr natürlich iſt,
hervor, ftieß den Hamilton, welcher
noch immer auf den Knien lag, bey
Seite, und fagte zu der Maja: Ä
„Sie, mein liebes Kind, wiffen,
“ wie ich merke, Ihre Thorheit gut
"zu machen. Aber, glauben Sie
denn, daß Sie die einzige find,
* gelche gereizet, und von ihren Mei:
*" zungen in langer Zeit FeinenBortheil
gezogen hat? Es find nur wenige
* Srüblinge verftrichen, da der Na:
* me der fchönen Lille unter iedem
’ fchattigten Baume aus dem Mun—
* de unfeter irvenden Ritter erfcholl,
“ Alles, was einen Federhut trug,
“und wer ein Paar meiffe —*—
* Struͤmpfe aufbringen konnte, mach:
* te mir Aufwartung, Sch kann nicht
„ ſagen, daß ich mir unter den krie—
“ chenden Schmeicheleyen gefiel, *
dd e
*
7
—— 403
che man mir machte, Allein, das
“ ganze Wurmgeſchlecht, welches fich
‘4
44
⸗
*
⸗
*
4
4
4
Männer nennt, vor meinen Fuͤſſen
zu ſehen, und über daffelbe als Ty:
rannin zu berfchen, ‚die Freude, lie;
be Maja, fehien mir ein wenig dans
erhafter als wenn Sie koſtbar ae
gen Ihren Hamilton waren, und
zwo Minuten darauf insgeheim ihre
Thorheit beweinten, Unmoͤglich
wäre es mir gewejen, eine Manns:
perfon würdig gnug zu halten, um
mit derfelben mein Schickſal zu
verbinden. Weber ihr ganzes Gez
fohlecht zu lachen, dazu fehien es
mir bequem; allein, daß fie über
mich berrfchen follte, — Himmel!
‚ich hätte dem die Augen ausgefraßt,
welcher einen folchen Gedanken mie
nur von ferne zeigen wollen! War
ich aber nicht eine, Thoͤrinn? — Sch
bin die Fabel der. Stadt geworden.
Sch babe manchen Gecken beleidiz
“get, Aber a ‚bat fich zu rächen
e2= “ge
404 no
gewußt, und meine Freundinnen
“ haben redlich dazu beygetragen. —
“ Noch habe ich wenig von meiner
* Schönheit verlohren, und gleichwol
fängt manfchon zugäßnen an, wenn
“ ich fuotten will, --- Iſt es auszus
techn? Dein, wahrhaftig! ich) wer:
* de wich rächen, Sch will den erfien
“* den beften dummen Kerl heirathen,
* und den todt quälen, und fo den
* zwenten nehmen, und wieder todt
“ quälen, und fo lange nehmen und
* quälen, bis ich meinen Manır finde,
“ yoelcher auch mir den leten Liebes⸗
“ dienſt erweiſen Fann. „,
Hier hielte ſie inne. Mit wilden
Blicken, welche die Wuth fürchterlich
machte, irrete fie unter der Geſellſchaft.
Wo -ift der Dortor Saft geblieben?
tief fie endlich mit halber Verzweifelung
aus. — Cr hat fich fo eben weggeſchli—
chen, Sungfer file, erwiederte ich ger
laſſen. --- Weggefchlichen ? ſchrie fie,
der E “ hatte auf ibu ger
münzet. | ie
405
Die arme Sungfer Lille! Ich haͤtte
ihr gerne mein Beyleid bezeiget; fie ſchien
aber ihres Schickſals ſo gewohnt zu
ſeyn, daß fie wenige Augenblicke dar:
auf mit einem geruhigen Geficht uns
fragte: 0b es denn nicht gewiß fey,
was fie iederzeit behauptet, daß alle
Männer Eriechende Ungeheuer waͤren?
Eie hatte noch vieles aufihrem Herzen;
aber die blühende Sara nahm das Wort
auf, Das liebe Kind, das mit allen
Reizen einer volffonmenen achtzehnjäb:
rigen Schönheit branget, bat von einer
alten Bafe, welche im vorigen Jahr—
hunderte die Stußer verrückt machte,
die Kunſt gelernt, die Anmuth der Natur
duch gezwungene Geberden zu zerniche
ten, Gie fpricht leife und mit gebroche:
nen Worten alle die ſchimmernden Koft:
. barfeiten nad), welche ihre alte Baſe ihr
vorſaget. Nach einen dreymaligen
Neigen, und nachdem fie den Mund
wohl zugefpißt, fing fie an zu hfpeln: ⸗
Ich — bin- aud — eine Eleine
| &cz Naͤr—
406
Närrinn Das arme Mädchen wurde
aber bey diefen Worten fo betroffen, daß
es keinen Laut mehr vorbringen Fonnte.
Eine alte ehrwuͤrdige Matrone, welche
ſich in unferer Geſellſchaft befand, ri
fie noch aus ihrer Verwirrung, indem
fie ung erinnerte, daß es Mitternacht
geworden, Gie nahm darauf Sarchen
bey der Hand, und ich hörte, daß fie
ihr leife ins Ohr fagte: Keine Naͤr⸗
rinn! Sie find ein ſchaͤtzbares Frauen⸗
zimmer; aber bie Baſe und das Zier—
liche muͤſſen abgeſchaft werden.
So endigte.fich unfere Gefellfchaft,
und ich ging mit der größten Zuftie
denheit zu Haufe, daß ic) zu der Ber:
einigung zwoer Perfonen etwas beyge:
tragen hatte, welche die Siebe. felbft für
einander beftimmt zu baben fchien.
Könnte ich viele foldyer Erempel, als
die Gefchichte von der Maja, aufwei:
fer, fo würde ich’ Feine Urſache haben,
zu zweifeln, daß mein Vorſchlag, die
lange Weile zu verkürzen, nicht in *
e⸗
—— 407
Geſellſchaften ſollte eingefuͤhret werden.
Darum aber gebe ich die Hoffnung nicht
auf, Beofall zu finden. Hat meine Er—
findung keinen andern Werth: ſo hat
ſie wenigſtens den Werth der Neuheit,
und der iſt eben ſo ſchlecht nicht.
Ja, weil es der Hamiltons ſo
wenig giebt, ſo moͤgte ich ſogar, in dem
Falle, daß mein Vorſchlag angenom—
men werden ſollte, das ſchoͤne Geſchlecht
bitten, die Erzehlungen nur in Gefell:
fchaften von lauter Frauenzimmer ſtatt
finden zu laffen, und dag man fich auf
diefe Weife die Zeit verkürzet, aͤuſſerſt
geheim zu halten. Die Thorheiten der
Damen find zwar mennigfaltig ; mer
aber fo billig ift, als ich, und ſelbſt Feine
Frau bat, der wird mir einräumen, daß.
diefe Thorheiten nur vorüberraufchend
und von feinen beträchtlichen Folgen
find. Kaͤme es aber aus, daß man ſich
mit deren Erzehlung ergößte, wuͤrden
alsdann nicht die Affen des Frauenzim;
mers, die Männer, ebenfalls von fich zu
| Er ers
408
erzehlen anfangen? Die leeren Hoflente,
alle gepuderte Köpfe, die windigten
Herzte, die geiftlihen Stußer, alle De:
danten, denen es einfällt, galant zu
thun, --- welch ein Geräufch, was für
Lermen! Sch muß den Vorhang fallen
laffen. Was würden die Nar—
ten nit von fih ausjireuen!
* Sieb⸗
409
ann nn 2 "m u en > 22.2503
re ER Stuͤck.
Wem wollt ihr Gott nachbilden? Oder mad
für ein Gleichniß wollt ihr ihm richten?
Jeſ 40, 18.
GDTT.
Hymne der Engel.
Ein Erzengel,
Kain: — Geifterfchaaren,
und die fieben Geifter feines Throns,
Und die Bothen feines Ihrons,
Die, die vom jmaragdnen Bogen
Unter Donnerſtimmen, unter Feuertvogen
Huf der Some Strahl durch Er weite Leere
fahren,
Und
410 —
Und die, die ihr Angeſicht
Vor des Thrones Licht
Mit zween Fluͤgeln decken:
Hallelujah! Hallelujah!
Fallt nieder, fallt nieder, und betet ihn an!
Und mit hohem heiligen Graun,
Den Unendlichen anzuſchaun,
Betet ihn an!
Chor
der Seraphim und Cherubim.
O unerſchoͤpficher Quell von Bewunderung!
O Gott! o Vater! o ewiger guter Geiſt!
Gott! Jehovah! wir zerflieſſen
Iu Wonn, in Wonn, Heil und! — und in
Entzücen! |
ind in beiligem Grau, t.
Dich Unendlichen anzufchaun, ER
Zerflieſſen wir! u
Ein Erzengel.
Der Flügel Klang,
Und der Pofaunen Klang ,
Und das Getoͤne der Sonnen und Erden,
Welche dort vergehn, dort find, dort werden,
— Erſchall
411
Erſchall in unfern Gefang !
Betet ihn an! .
Hallelujah! Hallelujah!
Fallt nieder, fallt nieder, und betet ihn an!
Der erſte Engel.
Nicht auf dem Slammenthrone,
Den ein kryſtallnes Meer umſchleußt,
Nicht iſts im Aether, da ich wohne,
Noc wo der Brunn des Tages Ruß:
So ſpricht der Herr, ich bin Fein endlicher Geift.
Sucht nicht im Mittelpunft der Dinge,
Noch an der Grenze des dunkeln Nichts,
Noch in den Etrahlen des Lichts
Den Bater aller Dinge,
Der zweyte Engel.
Gott iſis, der Erd und Himmel erfuͤllt,
Die Unermeßlichkeit Er, und die Natur fein
2 Br...
Der dritte Engel.
Ich eile Durch der Himmel Himmel
Bis an die legten Thore der Welt,
Durchforſch den Dunſtkreis, die Erde, des
Oceanes Gewimmel,
Den ausgeſpannten Aether, fein Zelt,
Tauch
412
Tauch in den Blig mein Gewand, und flieh
mit Ungewittern
Tief in die Kluͤfte der alten Nacht,
Sch Embryonen, die bier lang gewacht,
Entwickelt in der Morgenroͤthe Baͤchen zittern,
Schau ehrerbietig um mich her,
Und two ich hingeſchant, war Er.
Chor.
Heil dir, der GSerashim Heer!
Heil die! der Eherubim Heer!
Wo wir Hinfcheun ,„ iſt Er!
In unſers Geis hohem Gefühl,
Wenn wir bey Lied und Saitenſpiel
Don ſeinen Betrachtungen gluͤhn,
Da ſchauen wir ihn.
Heil uns! wir ſind, und fuͤhlen durch ihn! —
IL —
7 *
Lied des Menſchen.
Ch? darf ichs wagen, fie zu denken,
Fi Ds Ewigen Ullgegenwart?
Suͤnder, wende den Blick,
Wend ihr, Sünder, zuruͤck!
Ach! gerne wagt Ihe, fie zu denken,
Aber mein — erſtarrt.
Las Engel jauchgen, Ihn zu feben;
Mich niedern Menſchen ſchreckt fein Licht, —
Herr, mein Richter und Gott!
Hier im Dunkeln iſt Gott!
Wo feine Schauer mich umwehen,
Denk ich ihn — verflumme nicht!
Des Menfchen Genius,
Wenn fih die Himmel erfreun,
Sp zittert der Menſch, der Sünder! alfein,
Unfeliger Sterblicher, zittre nun, ?
Fuͤhl deine Schmach, o aͤrmſte Ereatur!
So hoch von Gott erhoben,
Sp tief geſunken; nein! du ſollſt den Schöpfer
nicht Toben!
Greif in dein Herz, fen fühn,
Dich von der Erd hinaufzuziehn,
Zerknirſche dein Gebein,
Dann finm ins Saitenfpiel der guten Geifter
ei. | < Bus
— —— —
Bern > Ein
414
Ein Chor
von abgefchiedenen feligen Öeiftern,
eilig, beilia, heilig ift Gott! +
Schaut! — feht der Sonnen Tanz,
Wie fie finelen in Gottes Glanz! |
Horde! — Hört der Sphären Melodie!
Das ift Gottes Harmonie:
Er rübrte fie an: da erflangen fie.
D Haft uns die Hymne der Schöpfung
begleiten! 11G |
Greift in die regen zitternden Saiten!
Heilig, heilig, beilig ift Gott!
Mitten unter uns ift Gott!
Der erfte Geift.
Als ich ein Sterblicher war,
Bekraͤnzt ich mit Roſen mein Haar,
Und menfchliches zartes Gefühl
Floß in mein Caitenfpiel.
Mas Menfchen und Engeln gefällt,
Sang ich, und entzückte die Welt.
Heil
415
Heil fen den frohen Stunden!
Der Schönheit einge Harmonie
Hab ih ſchon damals empfunden,
Und ward ein Dichter durch fir.
— Der zweyte Geiſt.
Sch mahlte die Natur,
Belaufcht” und bafchte den Lenz auf feiner
geldnen Spur,
Mich liebte der Welt, und der Gerchen Heer,
Und Nachtigallen fangen, wenn ic) ſaus, ‚um
. mid) ber.
FH fang, wie ich empfand,
Und ſtarb den Tod fürs Vatterland.
Der dritte Geift,
Zrüb und ſchmerzhaft floß
Das Leben meines Leibes dahin:
Aber meine Seel ergoß
In füffen Liedern zum Himmel fih bin;
Ganz Seele war ich auf der Unterwelt,
Wie ich fie über Sternen bin.
Wie eine Blume, die der Schnitter faͤllt,
So duftet ih mein dichtriſch Leben,
Don Geiftern meiner Yieder umgeben,
zum Himmel, meiner Heimath, hin.
Der *
416
Der vierte Geift.
Ich, Klopſtocks Hälfte! —
Aber wenn er nun zu uns koͤmmt,
Wenn er koͤmmt, von Sterblichen bewrint,
Umarmt von mir, und von uns allen
Mit Freudenzaͤhren uwarmt;
Dann find wir AM ein Lied!
Er rührt die Saiten, wir erfünen
In iedem Atherifchen Schwung.
Alle.
Laßt die Poſaunen des Himmels erſchallen!
Von Abend bis Morgen ſie hallen!
Vom Aufgang bis zum Niedergang!
Bringt alle Stimmen, alle Stimmen
Ju Einen heiligen Geſang. |
Heilig, heilig, heilig it Gott!
Lobt ihn, bringt ihm Dank!
Heilig iſt unſer Gefang.
Acht⸗
417
Fan Fan u a San ae Sm aan a 2
*Achtzehntes Stuͤck.
DVDes Reines [ans couronnes
’ Font ron ‚gir Ih Fortune, en meritant des
trönes;
Quand vous reprefentez, o ——— les
vertus.
Les peintres n’ont pas tort, ces honneurs
u. vous font düs.
EIER “BAR.
BETEBEETBETT. Du Te
ch habe mich geirrt, das fchöne
Geſchlecht in unferer Stast beftebe
nicht aus lauter folchen Gefchöpfen,
Die nur durch Lächeln oder Putz
Der Männer Augen an fich ziehen,
wie ich es mir einbildete, als ich das
vierzehnte Stück ſchrieb. Vor
ein Paar Tagen fam ich von ohngefaͤhr
Der Hypoch. 2.T. DD» in
418 ———
in ein Haus, das ganz voll von bluͤhen⸗
den witzigen Maͤdchen war, und der An—
blick ſo vieler ſuͤſen Kinder machte,
daß ich beynahe alle Hypochondrie ver—
lohr. Die eine ſpielte eben auf dem
Klaviere, die andere ſang, die dritte
naͤhte, die vierte — las den Hypo—
chondriſt. Es iſt, auch bey Frauenzim—
mern, wider meine Gewohnheit, viel
Ceremoniel zu beobachten, ſo groß auch
ſonſten die Ehrerbietigkeit iſt, die ich
fuͤr ſie habe, und zum Gluͤck fand ich in
dem Bezeigen dieſer Schoͤnen eben die
Freymuͤthigkeit, mit der ich mich ihnen
naͤherte, wodurch wir den bald in ein
Geſpraͤch geriethen, als ob wir uns
ſchon ſeit langer Zeit gekannt haͤtten.
Was glaubt man wohl, an welche ich
mich fo. gleich addreffirte? Das ift leicht
zu rathen, an die Leſerinn. “ Was lefen
"Sie denn da für artige Sachen,
“ fhöne Mamfell? ,„, Es ift der Hy:
pochondrift, fagte die Fleine Brunette,
ein vortrefflihes Blatt! — War a
Nds
— 419
Antwort nicht genug, die ganze Geſell⸗
ſchaft fuͤr witzig zu halten, wenn ſie es
auch nicht geweſen waͤre? Beynahe haͤtte
ich mich, zumal da die andern ebenfalls
ihre Lobſpruͤche hinzufuͤgten, entdeckt,
und ich haͤtte hier gewiß mehr Urſache,
als Gellert bey feinem Holzbaner, dazu
gehabt. Ich that es indeffen nicht, ver:
muthlich, um das Vergnuͤgen des un:
erwarteten Benfalls, den ich ißt erhielt,
noch ein Weilchen in ber Stille zu ent:
pfinden, und den lauten Ruhm, den ich
hernach einzuerndten hoffte, deſto voll:
ftändiger zu machen. ber wieder auf
den Hypochondriſten zu Eommen, fo be:
fragte ich die eine Schöne um den ns
halt diefer Blätter,
Die Schöne. Wenn diefer hypochondriſche
Mann nicht auf alles Frauenzimmer, ohne
Unterfchird, fatyrifirte, je wuͤrde ich mit
feinen Sticheleyen fehr zufrieden fen. Es
it wabr, man beurtheilt uns gemeiniglich
nur nach unferer aufferlichen Seite, ich weiß
nicht warum; und das mag wol den Dy:
ur Dd2 pochon:
420 en
pochandriften verdrieften; denn, die Wahr;
heit zu fagen, es verdriegt mich ſelbſt. Man
ruͤhmt, habe ich einmal irgendwo gelefen,
einen Windhund wegen feiner Geſchwindig—
keit, nicht aber wegen ſeines Halsbandes;
einen Falken wegen feines Fluges, nicht
aber wegen der Haube und wegen ver Schels
len. Warum fehäst man denn ein Frauen;
zimmer nichtrauch wegen der innen Gaben?
Sch. En, fhönes Kind! Gie haben fo gar
den Montagne gelefen? Gewiß „er hätte
Ihnen zu Gefallen, ein anderes Gleichniß
gewählt, wenn er vorher gefehen hätte,
daß ein jo ſchoͤner Mund feine Sprüche der.
einft herfagen würde,
Die Schöne, So will ich denn, Ihnen und
meinem Gefchlechte zu Gefallen, lieber fa:
gen, daß ein artiges Frauenzimmer, die
es nur durch ihren Putz und durch eine fies
gende Mine ift, der fürklichen Dame auf
der Bühne gleicht; fie muͤſſen beyde hinter
dem Dorhange betrachtet werden, wenn
man fie genauer Fennen fell,
Ich.
— 421
Ich. Dieß Gleichniß iſt allerliebſt. Ich glau—
be, ich werde wieder jung, wenn Sie mir
Erlaubniß geben, Sie oft zu ſehen. Koͤnn—
te man aber nicht auch fagen, der Diamant
habe zwar allemal feinen Werth in ich ſelbſt,
allein vie Faſſung muͤſſe ihn erſt glänzend
machen? Ich wuͤrde dann, wenn ich juͤnger
waͤre, als ich bin, Ihren innern Gaben
zwaͤr alle Gerechtigkeit wiederfahren laſſen;
aber unter der Faſſung wuͤrde ic) dieſe wohl,
gewaͤhlte Blume auf ihrer Stirne, dieſes
glaͤnzende himmelblaue Rollen in Ihren
Augen, dieſes ceythereiſche Lächeln, und
alle die Annehmlichkeiten verfiehen, die den.
Werth Ihrer Perſon fo fehr erheben. Dach
Sie werden ganz ernſthaft, wie ich merke,
und frenlich meine Einfälle und meine Run:
zeln widerfprechen fih einander. Sch muß
mich wieder zu Ihrem Hypochondeiften wen⸗
den. Sind auch) zuweilen Gedichte unter:
den Aufſaͤtzen dieſes Schrfftficherg 2
Die Schöne, Faſt zu viele, Einige find,
wie es heißt, Arbeiten feines Neffen. Ich
Ddy möchte
4° ——
moͤchte wol wiſſen, ob das nur eine Erfin—
dung des Autors iſt, oder ob er wirklich
einen folchen Neffen bat?
Sch. Der Autor ift vermuthlich — —
D verzweifelt! da unfer Geſpraͤch
recht intereffant für mich wurde, Flopfte
ein Freund an die Thuͤre, der mich bat,
ihm eilends zu folgen, weil er mir Dins
ge von Wichtigkeit zu fagen hätte. Ich
mußte mich alfo gefchwind empfehlen.
Unterwegens erfuhr ich von ihm, da
die Erziehung, die diefe Fleinen Schoͤ—
nen in diefem Haufe aenöffen, das Werk
der großmüthigen Eharitina von
Iſſoph wäre, einer Dame, die, weil
fie ſelbſt Feine Kinder habe, fich die
Freuden einer Mutter dadurch erfeße,
daß fie von Jahren zu Fahren die Tech:
ter vieler Andern erziehen laſſe. Gie
giebt ihnen, wie mir mein Freund fag:
te, Tiſch, Wohnung, Kleidung, und
läßt fie im Nähen, im Franzöfifchen,
im Tanzen und in allen fchönen Wiffen:
ſchaf⸗
— 423
ſchaften unterrichten. Ob ich nun gleich
ſchon vieles von den reizenden Eigen—
ſchaften dieſer Dame wußte, ſo war
mir doch dieſer Zug noch unbekannt ge:
blieben, und ich konnte nicht umhin,
u desfalls in meinem Herzen alle die
emunderung zu widmen, die man eiz
ner fo großen Seele ſchuldig ift. Biel:
leicht babe ich einige Leſer und Leſerin—
nen, die eben fo, wie ich, denken, und
ich hoffe daher, daß es insbefondere
denenjenigen, die nicht die Ehre haben,
diefe liebenswürdige Dame zu kennen,
‚nicht unangenehm feyn werde, wenn
ich ihnen heute einen Eleinen Abriß von
ihrem vortrefflichen Bilde vorlege,
Sch will feinen Charafter aus der
ſchoͤnen Natur zeichnen, fondern mich
getreu an das Driginal halten, welches
ich copiire. Sch werde zu dem Ende
nicht nöthig haben, Funftreich zu feyn;
ich darf nur das fagen, was ich em:
pfinde. Es ift möglich, daß mich bieben
die BERN innten für einen Schmeich—
* d 4 ler
424 —
ler halten: ich verfichere fie aber, daß
ich Charitinen Feine Lobrede ſchuldig
bin. Zwar, weil der hohe Nang fä-
hig ift, fowol den Tugenden als den
gaftern derer, die fie ausüben, eine er-
höhte Geftalt zu geben, und weil es
alfo für einen Skribenten immer Klug:
heit ift, die Fehler einer "vornehmen
Perfon eben fo fehr zu verbergen, als
die vornehme Perfon felbften Urſache
dazu hat; fo Fönnte man leicht eine icde
Schilderung von Perfonen vom Stande
für verdächtig halten. Allein ich weiß
nicht, ob es nicht unbillig ift, daß des:
wegen über den Ruhm eines: Privat-
mannes ein guͤnſtigeres Gefchief wachen
fol. Laßt die Skribenten redliche Leu⸗
te feyn, und fie werden von unrühm:
lichen Groffen ſchweigen; von ruͤhmli⸗
chen aber muͤſſen fie reden Dürfen.
Das ift freplich eine fchwere Sache, zu
jagen, wer Ruhm verdiene: denn fie
iſt wenigftens eben fo fehwer, als den
Schein von dem Werfen zu trennen.
Tau⸗
—————— 425
Tauſend gute Handlungen, die wir
von einem Menſchen ſehen, uͤberreden
uns ohnfehlbar, daß dieſer Menſch
ſelbſten gut ſey; aber wer kennt den
Grund feiner Handlungen? Indeſſen
iſt es auch gewiß, daß unſre Urtheile
oft eben ſo betruͤglich ſind, als das Ge:
wand, in welches ſich die menfchlichen
Handlungen verhülfen. Sehr viele fu:
hen dadurch) Proben ihres Wiges an
den Tag zu legen, daß fie den Werth
der vortrefflichften That zunichte ma—
chen. Aber diefe Herren find, deucht
mir, nicht die Flünften, Wo ich nicht
irre, fo gehört nur ein wenig Smagina:
tion dazu, um aus der Quelle unfers
eigenen Herzens alle die Abfichten Ber:
zuleiten, welche wir gern mit den Hands
lungen Anderer verknüpft fähen. Und
follte fichs nicht auch öfters zutragen,
daß wir die ſtarken Kräfte eines Geiſtes
‚zu keck nach dem Maaßſtabe unfrer Flei:
nen Seele abmeſſen? Dieß thun, glau:
beich, die mehreften, ohne daß fie böfe
Dd5 das
426
dabey denken. Der Dame des Königs
in Preufjen, z. E. Fönnte zum Probier:
feine dienen. Nach dem einftimntigen
Urtheile des größten Haufens thut die:
fer Monarch alles aus eigennüßigen Ab⸗
fihten. Worum fallt man aber diefes
Urtheil? Weil fein Geift über die
Sphäre unferer Kräfte zu fehr erhaben
ift, als daß wir ihn mit unfern Ideen
verfolgen koͤnnten. Es gehört eine Fuͤl⸗
Ie von Weisheit dazu, um die Quellen
feiner Entwürfe auezufpäben, fo wie
feine Verehrer einen Enthufiafmus von
Einbildungskraft und Empfindung ha:
ben müffen, um diejenige Saite des
Ruhms zu treffen, die mit feinen Ver:
dienften harmonifch ift. Deswegen find
nur einige Genies fo glücklich geweſen,
ihre Mufe bis zu feinem Ruhme zu be:
geiftern, und zwar denfelben nicht etwa
höher oder niedriger auszudrücken, fon:
dern ihn allemal in gleicher Gröffe, aber
mit verfchiedenen Farben, und in man:
cherley Lichte zu zeigen.
| Doch
— 427
Doch ich wollte von der glorwuͤrdi—
gen Charitina von Iſſoph reden, von
einer Dame, die das’ Gefchäffte der
Großmuth, welches mich zu ihrem Lo⸗
be weranlaßt, unfireitig am menigften
aus Eigennutz beginne. Es zwinge
ſich immer das Lafer, die Geftalt der
Tugend anzunehmen, fie behält doch
eigene feine Züge, die nur die Würde
ihrer Vertrauten ausmachen, und die
ein fcharfjichtiges Auge von dem Gepraͤ⸗
ge des Betrugs und der Nachahmung
unterſcheidet. Koͤnnte Charitina ſtolz
ſeyn, ſo waͤre ihr Stolz wahrhaftig der
edelmuͤthigſte, der je in eine erhabene
Seele gefommen ift: Sch will fünf:
tige Thränen ftilfen, und noch als:
“* dann nüßlich feyn, wenn mein vol⸗
‘* fendeter Geift in höhern Sphären
“ waller! Allein, dieſes ift es nicht,
denn ihre Befcheidenheit redet ihr das
Wort. Diefe Eigenfchaft ift fo fehr
die ihrige, daß ich felbft dadurch, dag
ich ist öffentlich von ihren Borzügen re:
de,
428 —
de, derſelben zu nahe zu treten glaubte,
wenn ich der Tugend durch mein Ges
mälde nicht einen oder zween Verehrer
mehr zu verfchaffen gedächte.
„Und wer hätte wohl eine fo. fuͤhlloſe
See, die alles Einflufes unfähig
wäre, den ein Herz voll Großmuth und
Menfchenliebe zuweilen auch in die wil-
deſten Gemuͤther hat! Charitina beſitzt
ein ſolches Herz. Die Vorſehung
ſcheint ihr nur deswegen eine hohe Ge—
burt gegeben zu haben, damit die Guͤte
ihres Herzens einen deſto ſchoͤnern
Schmuck haͤtte. Ich weiß wohl, man
haͤlt es gemeiniglich fuͤr Schuldigkeit,
wenn man Perſonen vom Range irgend
eine loͤbliche Handlung unternehmen
ſieht. Sie ſind im Stande, ſagt man,
das zu thun, und es iſt alſo gewiſſer—
maaſſen ſchon deswegen ihre Pflicht.
Der Satz faßt viel wahres und nuͤtzli⸗
ches in ſich; er muß aber beftimmter
ausgedrückt werden, Es giebt Fälle,
da das, was Pflicht zu ſeyn feheinet,
| das
Alpe
J 429
das ehrwuͤrdigſte Verdienſt iſt. Iſt nicht
die Tugend um ſo viel goͤttlicher, je
mehr fie Hinderniſſe zu beſtreiten findet?
Und eine Perſon von Stande, — mit
welch einer Menge von zweydeutigen
Weſen iſt ſie ‚nicht meiftentbeils umge⸗
ben?’ mit wie viel ſchalen Köpfen? mit
wie viel elenden Schmeichlern , dig ihre
Ohren vor allen andern guten Influen⸗
zen verfiopfen ? Der Wohlftand gebie⸗
tet: ihr, Aufivartungen anzunehmen,
die ihr zuweilen ſehr verhaßt ſind; ſie
Ir länger fpeifen, als fie. bungert,
ie fie bat bey dem Lieberfluffe, der fie
giebt, wenig Gelegenbeit, die Be:
dürfniffe einzelner Perfonen zu erfor:
fchen. Das, was man vor ihren Yu:
gen thut, ift nicht: Liebe; man iſt es
ihrer Würde fehuldig, und ihre Perfon
kann fich alfo deffen nicht annehmen.
Alles Vergnügen, das ihr gemacht
wird, bezieht fich auf das Vergnügen
oder das Intereſſe derer, die es machen.
Die wenigften reden fo, wie fie denen,
, fon;
439 en
fondern wie fie beurtheilt feyn wollen,
Alles it Masferade um fie herum, —
Wenn eine Perfon, die in folchen
Umftänden ift, Feine Hinderniffe Ruder,
allemal ihrer Tugend gemäs zu Handeln,
fo weiß ich nicht, wer mehr daran ver;
hindert werden koͤnne. Iſt aber eine
Seele fo groß, daß fie dennoch durch
diefe Schwierigkeiten hindurch bricht,
fo verdient fie eben das, was Houng
von der Gräfinn Salisbury ſagt, alles,
auffer der Anbetung — —
Charitina hätte ohne Zweifel diefe
Gröffe, wenn fie unter ähnlichen Um:
ftänden wäre, Bey ihr aber ift es noch
ein Glück, daß der vorzüglichtte Theil
ihrer Gefellfehafter und Gefellfchafte:
rinnen auch edelmüthige, und folche
Leute find, die fie vielmehr in ihren
glorwuͤrdigen Gefinnungen unterhalten,
als davon abziehen. Daher koͤmmt es,
daß fie der Pflichten ihrer Beftimmung
iederzeit eingedenf iſt. Sie begrenzt
ihre Menfchenliebe nicht mit Falten und
- um
— 431
unfruchtbaren Wuͤnſchen, ſondern ſie
fuͤhlt ſelbſt alle die Widerwaͤrtigkeiten
ihres Naͤchſten. Sie reicht dem Un—
gluͤckſeligen huͤlfreich die Hand, und
vermehrt, wo es ihr moͤglich iſt, ſelbſt
die Wohlfahrt des Gluͤckſeligen; ja
vielleicht breitet ſie zuweilen ihre Gut
herzigkeit ſelbſt uͤber die Vorſchrift ihrer
Pflichten aus. Sie unterſucht nicht
genau, wer ihre Milde verdient. Die
Ausbruͤche ihres Herzens ſind wie der
Thau des Morgens: er befruchtet den
Acker des Redlichen, und die Gefilde
des ſtraͤflichen Mannes zugleich. Sie
handelt ſelbſt gut: deswegen vermuthet ſie
nicht leicht, daß iemand boͤſe handle. Sie
iſt geneigt, den Menſchen immer von
ſeiner beſten Seite zu betrachten, und
ihre Fehler ſind alſo ſelbſt liebenswuͤr⸗
dig. Ein gewiſſer Herr von ** erzehl-
te mir neulich, daß ihr Rabener desme:
gen misfallen hätte, meil er den Adel
mit allzufchwarzen Farben abfchilserte.
Aber der Herr von * * hatte ihr geant:
wor:
432.
wortet: Madame, die Thorheiten ei:
niger von meinen Ordensbruͤdern gehen
über die Einbildungskraft einer gutge—
fi innten
— vobleſſe oft un titre
qu’on donne
A quiconque a propos fait valoir fa
perfonne;
Mais que nos jeunes foux, ni nos vieux
fcelerats-
Ne me detournent point de wi
fur les pas
De ces hommes d’honnenr
So menfchenfreundlich denkt fie ben ei:
ner ieden Sache. Ein weiſes und uns
fchuldiges Weſen, das fich in allen! ih:
ven Geſinnungen aͤuſſert, iſt eine Aus
zeige ihrer veinen Abfichten, Sie weiß,
daß fie einen würdigen Gemahl Bat,
und beftrebt fich daher, ohne daran zur
denken, ihm zu gefallen, und fih um
ihn verdient zu machen. Wenn man
zweifelt, daß es gewiſſe Halle giebt, da
man
— ——
433
man die Frucht eines Gemuͤthes, wel:
ches von zarten Requngen voll ift, von
der Arbeit eines Menſchen zu unterfcheiz
den weiß, der aus Nebenabſichten gut
handelt, fo darf man nur ihre Hand:
lungen wahrnehmen, Diefe —
niemals einigen Zwang, ſondern flieſ—
ſen natuͤrlich aus der Veranlaſſung her,
wodurch ſie hervorgebracht worden.
Ich muͤßte mich ſehr irren, wenn
nicht die ſchoͤnen Wiſſenſchaften durch
. ihre holden Einfluͤſſe dieſes Herz fo vers
edelt, und zu einem fo feinen Gefühle
‚alles defjen, was gut, wahr und groß
ift, ausaebildee hätten. ch babe in
einem meiner Blätter gefagt, daß das
Vergnügen, das wir in den Werfen
des Geſchmacks empfinden, ein allge:
meines Bergnügen an der Bollfommen;
beit in unferer Seele entflamme, und
Charitina beweifet es durch ihr Bey:
fpiel. Sie befißt den feinften Ge
ſchmack, und die Kunft, von der Em;
pfindung des 5* den beſten ſittli⸗
Der Apoch. 2. T Ee chen
434 En
chen Gebrauch zu machen, In der
Muſik Eennt fie ieden fchmelzenden Ton,
der das Gemuͤth in Flammen ſetzt, und
fpielt das Klavier felbften vortreflich.
Sie malt fehr (hin, Die Feinheiten
der Dichtkunſt kennt fie bis zur Kritik,
und fie weiß fogar alle charafteriftifchen
Eigenfchaften anzugeben, die diefen Au:
tor von jenen unterjcheiden. Ich habe
Briefe von ihr gefehen, die unnachahm—
lichfchön waren, und die ihre Stärfe in
der Dichtfunft und Kritif zur Verwun—
derung an den Tag legten, Mur mögte
ich wünfchen, daß die franzöfijche Lit:
teratur feinen andern Werth bey ihr
hätte, als den man derfelben zugeſtehen
muß, und daß ihr auch einige unferer
deutfchen Werfe befannter wären.
Bey allen diefen Vorzuͤgen würde
Charitinen unftreitig etwas wefentliches
fehlen, wenn fie damit fchimmern wollte,
und wenn fie nicht diejenige liebensmwür:
dige Eigenfchaft zugleich befäfle, deren
ich vorhin fchon erwehnt habe, die ans
mutbige
— 435
muthige Beſcheidenheit. Groſſe Ei—
genſchaften beſitzen, und ſich dieſes Ber
ſitzes bewußt ſeyn, ſind Dinge, die nicht
leicht von einander koͤnnen getrennt wer:
denz aber derjenige hat eine groſſe Ei:
genfchaft mehr, der zugleich weiß, daß
alle unfre Vorzuͤge nur wegen der Art,
wie wir fie anwenden, fchäßbar find.
Man bat bemerft, fagt ein gewiſſer
Schrififteller, dag ſowohl die Mahler
als die Bildhauer alle Tugenden unter
weiblichen Bildungen vorftellen ; allein
woferne eine unter allen diefes Gefchlecht
verberrlichet, To ift cs die Befcheiden;
beit. Ich möchte hinzufegen, woferne
eine unter allen eine vornehme Perfon
noch vornehmer macht, fo ift es diefelbe,
Sie erhebt den Glanz der Tugend, wie
der Schatten ein Gemäßlde. Ohne fie
erregt felbft die Schönheit Unwillen,
und der, den auch Feine Schönheit rührt,
läßt fich durch fie überwinden, Von ihr
wird die fanfte herablaffende Mine der
Freundlichkeit gebildet, die die Ehrer:
Ee2 bietung
436 ——
bietung der Niedrigen beſeelt. Sie iſt
eine Vertheidigerinn der Unſchuld, und
giebt der Verleumdung Fein Gehör.
Der erbärmliche Witz, der fo gerne tri-
umpbiren möchte,undfich Satyrenennt,
indem ex die Fehler und Schwachheiten
Anderer boshaft aufdeckt, verfiummt
eben fo vor ihr, wie der Mund des
Schmeidhlers. Eine erhabene Seele
kann zwar ihre Groͤſſe empfinden, wie
ich ſchon gefagt babe, ‚aber die Defchei:
denheit lehrt fie mit diefem Gefühle zu-
frieden zu feyn, und die eitlen Lobſpruͤche
zu verachten, die ihr der Thor macht.
Das ift die Urſache, warum Charitina
ſich lieber an denjenigen Eigenfchaften
vergnügt , die fie an andern erblict.
Die Befcheidenheit bringt bey. ihr felbft
die Titel ihrer Ahnen in Vergeſſenheit,
und preifet ihr das als die höchfte Ehre
an, den Namen einer Chriftinn zu
führen. BEN aDE se
Doc) ich erwaͤhne einer Eigenfchaft,
die Charitinens größte Zierde iſt, und
vi | die
437
die ich alfo billig zuerft hätte bemerken
ſollen. Vielleicht bat mich der Gedanke
zuruͤck gehalten, daß die. Religion in
unfern Tagen beynabe fo verächtlich
geworden ift, daß man es für einen
Sehler wider den Wohlftand kalt, wenn
man Perfonen von Stande oder von
greifen Talenten diefelbe beymißt. ---
Dod) nein, eben deswegen ift es Ruhm,
Religion zu haben. Gehört nicht eine
gewiſſe Höhe des Geiftes dazu, um ſich
über die Lirtheile der Welt hinwegzu—
fegen , und eine Entfchloffenbeit, Lieber
den Derdacht einer gemeinen Denkungs⸗
art wider ſich zu erwecken, als die Stim⸗
me Gottes und des Gewiſſens bey fich
zu erfticken? Hat aber eine Perfon von
ange fich einmal in diefe Entſchloſſen⸗
heit gefegt, fo werden die Bemühungen
der Thoren, fie irre zu machen, gewiß
von ſelbſt aufhören. Was der gering=
fte zu freye Gedanfe bey dem Anblicke
eines fehönen, aber tugendhaften Sraus
enzimimers it, das iii die Mine des
Eez Spoͤt⸗
438
Spötters in Gegenwart einer Perfon
von Stande, die Religion bat. Beyde
find von feinen Folgen, und verlieren
ihre Kraft, fobald fie entfichen. Ich
fage noch mehr, der Spötter wird im
Gefichte derfelben aufmerffam auf die
Religion werden, und endlich Geſchmack
daran finden. Denn vorausgefest, daß
die vornehme Derfon Berfiandeskräfte
genug hat, um durch das, was fie un:
ternimmt, auch die Aufmerkſamkeit des
Weiſen zu erregen, fo ift es bennabe
unbegreiflich,, dag man den Werth der
Religion alsdann nicht erfennen, und
die Andacht liebenswuͤrdig finden follte,
wenn man dicfelbe Perfon, in deren
Gewalt es ſteht, fich alle Wolluͤſte die:
ſes Lebens zu Nutz zu machen, ſich fol:
cher freywillig entfchlagen, und mit den
unfichtbaren Gegenftänden des Him—
mels befchäfftigen ſieht; wenn man
ſieht, daß ihre Seele öfters fterbliche
Gegenden gleichfam verläßt, fich ihrem
Geburtsorte nähert, und jenfeits den
Wolfen ihre Nahrung ſucht.
Charis
pe mer 439
Charitina hält bey diefen Geſinnun⸗
gen die Religion fo wenig für eine Fein:
dinn oder Störerinn des Bergnügeng,
das ihr die Welt anbietet, daß fie viel:
mehr alle Ergößlichkeiten derfelben ohne
den Beſitz der Freude in Gott ge:
ſchmacklos und Mangelhaft findet. Da
fie aus einem Haufe entfpreffen ift, wel:
ches fich von jeher durch den Dienft
Gottes eben fo glorreich,, als durch an:
dere Borzüge, gemacht hat; fo gereicht
es ihr zu einem befondern Ruhme, daß
fie die Eindrücke ihrer gottfeligen Er:
ziehung beftändig bey fich hat wirken
lafien. Es ift nicht nur jederzeiteine
ihrer Hauptbemühungen gemwefen, in der
Erkenntniß ihrer Pflichten zu mach:
fen, fondern fie ift auch aufs lebhaftefte
überzeugt, daß fie Gott deswegen in
einen hoͤhern Stand gefeßt hat, damit
ihr DBezeigen einen vortheilhaften
Einfluß auf diejenigen haben möge, die
die Ehre haben, fie zu Fennen,
Ee4 —
‚449
Ihren innerlichen Gottesdienft hält
fie aber nicht fir hinlaͤnglich; er ift ihr
vielmehr der ftärffte Antrieb zum oͤffent⸗
lichen, Sie erfcheint in den Berfamm:
lungen der Chriften mit der feyerlichften
Ehrerbietung, und voll von dem Gefüh:
le und der Gegenwart deffen, dem fie
das Opfer ihres "Herzens darbringt.
Hier auffert fie recht fichtbar ihr Ders
langen nach den Gütern des Heils, die
auch für fie der Grund aller Hoffnung,
und die Duelle aller Gluͤckſeligkeit find,
Diefe Denfungsart und diefe Hand:
lungen der Öottesfurcht find der Grund
ihrer freudigen Gemuͤthsart. Ein Herz
das fo unſchuldig ift, als die Tachende
Natur in ihren mannigfaltigen Ergoͤ—
tzungen, Fann faft nicht anders denfen.
Zufrieden mit den weifen Führungen
feines Gottes, Überläßt es den peini:
genden Kummer und die niederfchlagen:
de Traurigkeit denenjenigen, die went:
ger Urſache baden, fich alles Gute von
Gott zu verfehen. Daher ift Chariti:
na
—— 441
na: felten misvergnuͤgt. Keine niedri—⸗
ge Sorge, die ſich gar oͤfters auch in
ein Herz ſchleicht, das Purpur deckt,
umwoͤlkt den reinen Himmel ihrer Seele,
Aber was koͤnte ich nicht noch alles
von einer Dame ſagen, die die Ehre
unſerer Zeit ift, wenn es mir die engen
Grenzen diefes Blattes erlaubten!
Elle füt refervee fans doute pour les
cieux,
Un — tres heureux en embellit la
Ber terre.
Anhang
einer Satire über mich felbft.
Nach Anleitung des ſechszehnten Stücke.
Alerliebſter rn —
Se Ya e u ih einen
Brief von Heren Jeoffry dem
Britten, der mir fo intereffant ift, daß
ich meine, Satire hier abbrechen muß.
Ge 5 Die;
—
442 er
Diefes thue ich ungern, weil meine
Freunde und Anhänger daraus feblieffen
möchten, man fönne in den Satiren
über fich felbjt nie zu kurz fenn: allein
wenn aus Einem Bogen nicht wieder
anderthalb werden follen, wie mir fchon
ein paarmal wiederfahren ift, fo muß
ih mich dießmal noch fehonen. —
Man wird aus dem ‘Briefe meines
Freundes abnehmen fönnen, warum er
eben bier feinen Plag finder. Die un:
angenehme Anfpielung auf unfer theures
Publikum am Ende. feines Briefes ber
halte ich mir vor, in einem meiner fol-
genden Stuͤcke nah der Strenge zu
rächen,
Schrei⸗
— 443
Schreiben von Herrn Jeoffry Eſq.
an Herrn 3. Jernſtrup Cha,
So gut als aus dem Engliſchen uͤberſetzt.
NM -— den Sten April 1762.
er, |
Se⸗ haben Wunderdinge mit ihren
beyden Stuͤcken von der Seldft:
erfenneniß gerhban. Die Satiriker im
Schreiben, die Satirifer im Umgange
nehmen ißt alleihre Driginale aus ihrem
eigenen Bufen, und verfchönern fie nur
mit den Zügen, die fie bey andern finden,
Die Stußer felbft find unerfehöpflich
an Witz neworden, denn fie dürfen wies
der von fich feldft veden, fie dürfen Hofes
davon reden, und fein Menfch darf eg
ihnen übel nehmen. Das fehöne Ge:
fchlecht wird nie mehr über Zeitvertreib
klagen; es wird den Echsoshund und
den Fächer weglegen, und mit fanftem
Lächeln eine Satire über fich felbft ma:
chen, um doc) etwas zu erzehlen. Das
ift
Hi
444
it She Werk, mein theurer Freund!
Die verguüge ich mich an ihren uns
fterblichen Thaten!
Ich war geftern zu der Wittwe **
gebeten, einer Ihrer unbekannten Cor:
tefpondentinnen, wie fe fich nannte;
wo ich eine zahlreiche Geſellſchaft antraf,
weil es ihr Geburtstag war. Wie tie
gegeffen hatten, die Spieltifche zurecht
gefest waren, und wir andern, die wir
nicht fpielen wollten, im Saal herum⸗
gingen, und bald bie bald da eine linter;
redung einleiteten 5; fo zog mich die
Wirtwe ans Fenſter, und redete mich
foigendergeftalt an: Was macht ihe
guter Freund Jernſtrup? Iſt er nicht
ein wenig unruhig, daß er von der
Fraͤulein, die ihm den tiebesantrag ge
than, noch Feine weitere Nachricht ex:
halten bat? Er denft wohl nicht, der
ehrliche Dann, daf ic) diefes Fräulein
bin? -- Wie, Madam? --- Frenlich,
mein Herr! —- Sch ſehe, Sie erftaunen:
aber Sie follen noch mehr wiſſen, denn
ich
445
ich verlange Ihren Rath. Kurz, Herr
Jeoffry, ich babe mich, fo viel die Des
licatefje: meiner Empfindungen erlaubt,
nach; den Regeln des Hypochondriften
und nach feiner Beantwortung meines
Briefes geprüft, ich habe mich felbft er;
fannt; und gefunden, daß ich nie. einen
andern. heirathen werde, als ihm Leb⸗
haft, tändelnd, zärtlich — Ich muß
Ihnen geſtehen, mein Herr, es beingt
meiner »Delicateffe..einen ſehr hohen
Begriff von dem Fähigkeiten Ihres
Freundes bey, daß. er fo fehrauf.diefe
Eigenfihaften dringts ich Hoffe, ich
will ibn befriedigen.‘ Aber , werden
Sie fagen, Sernftrup erwartet ein
Fleines fechszehnjähriges Fräulein in
mir zu finden, und ich bin etwas alt,
and eine Witwe --- Dofjen! um defio
lieber werde ich ibm fenn. Geben Sie
mir nur Shren Rath, wie ich es an:
fange, mich ihm mit Beibehaltung
meiner Delicateffe zu entdecken, --- ---
Sch machte eine ungefchiefte Wendung,
Sn um
446
um von ihr abzufommen, weil ich alle
Augenblicke fürchtete, day fie mir felbft
eine Liebeserflärung machen mischte,
und danfte dem Himmel, daß ein Paar
Stußer fo eben heran traten, mich von
ihrer Delicateffe zu befteyen. Hat man
je eine folche Coquette geſehen? Glück
licher Zacharias! welche Croberungen
machen Sie!
Kaum hatte ichmich in der äufferften
Verwirrung von ihr losgemacht, als
mich Jemand beym Aermel zupfte, der
eine Schreibtafel in der Hand hatte,
und mich bat, eine Satire über dieganze
Geſellſchaft anzubören, die er gleich ißt
niedergefihrieben hätte, Es iſt das
größte Meifterftück, fprach er, das ich
iemals gemacht habe: unter dem Scheir
ne, als ob ich mich felbft charafterifiren
wolle, charafterifive ich die Gefellfchaft,
welches meiner Satire Wahrheit und
zugleich Abmwechfelung giebt, da ich mich
nach den verfchiedenen GSubjeften, die
ich vorftelle, von verſchiedenen ..
babe
447
babe malen fönnen, Diefes Geheimniß
habe ich Ihrem Freunde zu danfenz
und ich weiß ihm meine Danfbarfeit
nicht befier zu bemweifen, als dag ich
ihm meine Arbeit darbiete, fie in fein
‚Blatt einzurücken. Nächftens werde ich
ein Fritifches Werk im Geſchmack des
Batteur, eine Einfhränfung der
Satire auf fih felbft, abfaſſen,
welches ich ihn, als dem Erfinder diefer
Kunſt dediciren will, Aber erft hören
Sie meine Satire, -- Sch antwortete ihm
ganz kurz, er möchte die Meynung des
Hypochondriſten wehlnichtrecht eingefe:
ben haben, ich zweifelte ſehr, daß Mafter
Jernſtrup von feiner Arbeit Gebrauch)
machen werde, da ich wüßte, daß er Feine
Beytraͤge annehme, -- Go geben Gie
ihm denn dieſes Berzeichniß von Perfo:
nen, die fich felbft erfannt haben; mein
Gott! Sie dürfen es ja nur anhören.
Ich wußte mich nicht von ihm zu vers
- ten, und hörte; iz
Ren. Den
448 —
Den ıdten März erfannte ih mich
ſelbſt, und Jungfer B. erkannte fih auch
ſelbſt, und ſo erkannten wir uns beyde,
und ſo erkannte ſie mich, und ſo erkannt
ich ſie —— Ma ———— 4
Ich wollte nicht länger hören. Mit
zornigen Augen fprang ih vom Stuhl
‚auf, und. rief: Behalten Sie Ihre Ber:
zeichniffe fir fich, mein Herrz koͤnnen
Sie einen ehrliebenden Mann mit diefer
fchändlichen Verdrehung fittlicher De:
griffe unterhalten? Und Sie fchämen ſich
nicht, diefe Bosheiten auf die Rech:
nung eines Mannes zu fchieben, der die
edelſten Wahrheiten unter. der Geſtalt
einer leishten Ironie zu lehren befliſſen
ift? Sie bringen mir eine fehr mittel:
maͤſſige Meynung von Ihrem Verſtande
bey, mein Herr; ich wuͤnſchte, daß ich
nicht —* ſetzen dürfte, auch von hr
rem Herzens „Und hiermit verließ ich
ibn, der wie vom Donner. gerührt war,
daß er feine Satire und fein Berzeich
niß umfonft follte gemacht haben. R
a8
449
Das iftes, Gir, was ich mir vor:
genommen hatte, Ihnen nach meiner ges
ftrigen Bifite zu fchreiben, Zürnen Sie
nun, wenn Sie belieben, auf den fal:
fhen Patriotifmus
Ihres
redlichen Freundes und gehorſamen
Dieners
Arthur Jeoffry.
"Deräypoh.2.T. Bf Neun:
450
Ba nn 1 7
* Meunzehntes Stück.
"Om In Puma yırın Ton de ngy ardees, 1
gomer.
Alles Fleifch vergeht wie Hen.
ENa die Suden heute anfangen, ihr
Hüttenfeft zu begeben, fo — —-
doch, Leſer, warum foll ich mir die Naͤ—
gel wegen eines geſchickten Ueberganges
zerbeiffen, da du ja auch ohne Leber:
‚gang nur leſen darfſt?
Laubhuͤttenhymne.
Ein Vorſaͤnger.
Lobet, ihr Völker, den Herrn mit Srob:
locken, der Gibeon werde
Sauter Wonn' und Gelang, zur Ehre des
Gottes der Götter,
Erſtes
—— 451
Erfies Chor.
Jauchzet, da koͤmmt ex, der Tag des Fand:
zens! vom Aufaang der Sonne
Dis zum Niedergange jauchzt! — Mit freu—⸗
debeflammendem Antlig
Steige er von Oſten herauf! — Frohlockt,
ihr Gefilde, dem Emgen.
Zweytes Chor,
Feyert, die Zeit des Geſangs ift erfchienen!
Frohlocket, ihr Lauben!
Ale Hügel, frohlockt mit Gibeon! — fiol:
zes Gebirge,
Sing’, und jauchze: du biſt zum Paradieſe
geworden.
Borfänger.
Wer iſt wie Gott, der Iſraels Gott if,
fo groß und jo guͤtig?
Erfies Chor.
Hoch iſt fein Thron, er umſpannt mit feis
ner Rechten die Himmel,
Aber er ſiehet herab auf den Niedern, den
Armen im Stande,
Ff2 Zwey⸗
45%
Zweytes Chor.
Siehet herab, und erhebt ihn, und fert
den Armen im Staube
Neben die Fürften des Volks, den Geringen,
den Armen im Staube.
Borfänger
Als wir Aegypten entflohn, da fahn wir
des Ewigen Treue,
Unfer Führer war er, war Jehova, der Ja:
kob erlöfte.
Erſtes Chor
Sriedlich fehante das Meer — mir ka—
men! — es ſchaute Verwundrung
Um ſich, und floh! der Jordan vergaß, als
wir Famen, zu frönen.
Berge büpften vor Luft, mie die huͤpfenden
Laͤmmer; wie junge
Schafe, das glänzende Thal und die lieder:
reichen Gefilde.
Zweytes
453
Zweytes Chor,
Sprich, was war dir, du Meer, daß deis
ne bruͤllenden Wogen
Plöglich verfiummeten? und dir, dag du ſtandſt,
du furchtbarer Jordan?
Warum huͤpftet ihr, gleich den Laͤmmern,
ihr blumichten Berge?
Und du glänzendes Thal? und ihr. liederreichen
Gefilde?
Vorſaͤnger.
Gluͤcklich vollbracht er ſein Werk, der ſtarke
Helfer in Juda,
Sieg und Ehre behielt die Rechte des Gottes
der Goͤtter.
sun Feſte dem Herrn, dem Gewaltigen,
feyert dem Guten.
Erftes Chor,
Aus der Wuͤſte heraus, durch aſeme,
traurige Wege
Hat er Juda gefuͤhrt, er umſchwebte mit
Flügeln der Liebe
5f3 Sein
454
Sein geheiligted Volk, wie ein Adler wit
ſchuͤtzenden Flügeln
Seine Jungen umfihwebt, und trugs auf den
Slügeln der Liebe.
Feyert Sefte dem HErrn, dem Sevaltigen ’
fenert dem Guten.
Zweytes Chor.
Naͤhrendes Honig entfloß — fonft hätten
wir müflen verſchmachten! —
Honig den Steinen, und Del den Selfen im
Fläglichen Lande.
Schnell entwinkt' er den Gram, er gab uns
Laͤmmer und Widver,
Gab uns Weizen und Moſt, bis wir Kangans
Schaͤtze beſaſſen.
Feyert Feſte dem HErrn, dem Gewaltigen,
feyert dem Guten.
Vorſaͤnger.
Heil uns! nun athmen wir Gluͤck, num ſind
wir wo Honig und Milch fleußt!
Erſtes
— Erſtes Chor.
— Kanaan, himmliſches Land, ſey geſegnet,
Ueberfiuß kommt uns
Kon dem Acker zur Teun', und zur Kelter von
den Gebirgen.
Zweytes Chor.
Seh geſegnet, o Land, du Fuͤllhorn der
Herrlichkeit Gottes,
Zeige der ewigen Macht, wie lieblich find deine
Gefchenke
Vorſaͤnger.
Zrejſet den Geber, den HErrn, aus ſeiner
Tiefe des Reichthums
Quellen die Himmel hervor, und die Erde
mit ihren Gewaͤchſen.
Erſtes Chor.
Preiſet, ihr Volker, den HErrn, den grof:
ſen Ernaͤhrer, wir leben
Alle son ihm, der Menſch nnd das Vieh, und
die Thiere des Waldes.
Schaut, fein Fußtritt iſt fett, fein glänzender
Fußtritt —*
Garbenvolle Gefild', und luſtige Thaͤler und
Huͤgel. |
J Ff4 Zweytes
456 — —
Zweytes Chor.
Gott, du kroͤneſt das Jahr mit Gedeyhen,
die Erndte mit Segen. |
Bring doch, du Geber , o Gott, bring ——
dem kuͤnftigen Jahre!
Saat und Erndte find dein! Befeuchte die
Erde mit deinem
Thau des Himmels, und gieb uns immer
Erndten voll Freude.
Vorſaͤnger.
Heilig, heilig iſt Gott, der Vater der En—
‚gel und Menſchen,
Alle Lande find voll von der Ehre des Gottes
der Götter.
Erftes Chor.
Heilig, heilig ift Gott, der Vater dern:
gel und Menfchen ,
Alle Sande find voll von der Ehre des Sokiet
! der Götter.
Zweytes
— 17%
Zweytes Chor.
Heilig, heilig iſt Gott, der Vater der En:
& gel und Menſchen,
Alle Lande find voll von der Ehre des Gottes
der Goͤtter.
Vorſaͤnger.
Siche, wir kommen zu dir, zu dem Hrili:
gen, unſerm Erlöfr,
Ind wir beten di) any, dich, HErr! HErr!
„. Jo. lange wir leben,
Erſtes Chor.
Gott it der HErr, den beten wir an, fonft
| keinen in allen
Himmeln ale ihn, in dem Meer’, und unter
„der Tiefe des Meeres
* Keinen, vor ihm nur zerſchmilzt die fehauerns
de Seel’ in Entzuͤckung.
Zweytes Chor.
Warlich, ihr ſlehet umſonſt zu Hügeln,
umſonſt zu Gebirgen,
315 Und
458 —
Und zu Meeren umſonſt; wir haben Feinen
Erbarmer,
Reinen Helfer, als Gett! von Alters be ift
ers geweſen.
Vorſaͤnger.
Bringt, bringt Ehr' und Triumph dem
J maͤchtigen König der Ehre.
Erſtes Chor. ih
Wem gebühret Triumph? Ber ifi der Kb:
nig der Ehre?
Er iſts, der HErr, der die Himmel umfpannt,
der allıs vollendet, .
Alles herrlich und groß vollendet, ohne Gehuͤlfen!
Hrächtig, wir Libanon, iſt er, doc) feine Gnad'
\ ift wie Carmel,
Wie nach dem Regen das Gras it, wie lieb—
licher Morgenthau glänzet
Auf dem Krane: fie lacht in die Seel uns
ewiges Leben.
Zweytes
x 459
Zweytes Chor.
Wem gebuͤhret Triumph? Wer ift der Kö⸗—
nig der Ehre!
Er iſts, der HErr, ver fein Wort und fein
heilges Zeugniß beftätigt;
Der zu Jeruſalem ſpricht: ſey bewohnt! zu
den Staͤdten in Juda:
Seyd gebauet! — Er wills, und Wüſten
ſind luſtige Hayne,
Meere vertrocknen: er wills! — Das iſt der
Koͤnig der Ehre.
Vorſaͤnger.
Mache den Heiden dich kund, laß deinen
herrlichen Namen
Offenbar werden dem Volk an den legten En
den der Erde.
Erfies Chor.
Daß du den Himmel doch, HErr, zerriſſeſt,
und ſichtbar hernieder
Fuͤhrſt! es zerflöffen alsdann vor dem flam—
| nienden Antlitze deiner
Herrlichkeit alle Gebirg', und die Heiden muͤß—
ten dann zittern.
Zweytes
460 ——
Zweytes Chor.
Herr, das thatſt du vorden: da zerriſſen
die bebenden Himmel!
Sichtbar fuhrſt du herab: da erfloſſen die
Berge! da zagten
Ale Völker, vd fahn Die fammende Her
lichfeit Gottes.
Borfänger.
Wennuns Angſt ift, fo hilft er, Gott hört
die Stimme des Fleheus.
Erftes Chor.
Angſt des Todes umgab und, das ganze
Schrekken der Hölle
uhr in unfer Gebein, wir wollten versagen,
und ſchrien:
Ach! Gott hat uns verlaſſen, der HErr hat
unſrer vergeſſen.
Zweytes Chor.
Aber der Ewige ſprach: kann eine Mutter
auch ihres
Kindes vergeſſen, und wird ſie ſich uͤber den
ſchreyenden Saͤugling,
Den
———— 461
Den ſie gebohren hat, nicht erbarmen? —
on Do ob fie deſſelben
Auch vergaͤſe: ſo will ich doch * mein
Volt nicht vergeil en.
——
Lobet, ihr Frommen ‚den HErrn, und dankt
* Sn des GE
+ % u F
ket ihm *
Erſtes Chor.
Dankt von Herzen dem HErrn, er iſt freund:
| lich, jo fage der Sromme,
Iſrael ſag es, der HErr iſt freundlich, und
voller Erbarmung.
Zweytes Chor.
Aaron, des Ewigen Knecht, und wer ſein
Zengniß verehret,
Sage, wir danken dem HErrn, er iſt freunds
lich, voll Wahrheit und, Gnade.
Ber:
462
Borfänger
Hilf uns ferner, o HErr, laß woblgelin-
gen, Hofanna!
Erſtes Chor.
Hilf uns ferner, o HErr, laß wohlgelins
lingen, Hoſanna!
Zweytes Chor.
Hilf uns ferner, o HErr, laß wohlgelin—
gen, Hoſanna!
Vorſaͤnger. —
Das find Tage, die Gott macht, wohlauf!
es follen Ach alle
Hände regen, o Volk, und alle Lippen froh:
locken.
Erſtes Chor.
Schmuͤcket das Feſt mit Mayen bis an die
Hoͤrner des Altars,
Me Baͤume find froh, und alle Zweige der
Bäume.
Zweytes
463
Zwentes Chor.
Singt vom Siege des HErrn in den Hit:
ten der Frommen mit Sreuden,
euftoll auf. Gibeons Höh vom Siege des
we Gottes der Götter.
, Vorſaͤnger.
Dantet dem HErrn, Halleluja, die Huld
des Hoͤchſten iſt ewig.
Erſtes Chor.
Danket von Herzen dem HEtrn, er in
freundlich, fo fage der Fromme,
Iſrael fag es, der HErr iſt freundlich, und
voller Erbarmung.
Zweytes Chor.
— des Ewigen Knecht, und wer fein
Zeuguiß verehret,
Sage, wir danken dem HErrn, er ift freund:
ich, voll Wahrheit und Gnate.
Borfänger.
Halkeuja dem HErrn! mit taufend Zungen
Hoſauna!
Erſtes
464
Erfies Chor.
Halleluja dem HErrn! mit taufend *
—
Zweytes Chor.
—— dem HErrn! mit tauſend Zungen
Hofanna !
Dorfänger.
Sauchzet, ihr Himmel, der — hats
gethan, rufs, Erde, hinunter
In die Hölle, frohlockt, ihr Gefilde, froh—
locket, ihr Berge.
—
Erſtes Chor.
Sagts, der Ewige, herrſcht! ihr Myriaden,
froh ocket!
Jauchzet ſein Lob, denn Gott iſt König, froh:
lock dt, ihr Himmel,
Morgenflern yanchze du nach! der HErr der
Ewige herrſchet!
Zwentes Chor.
Seyd, fend lauter Gefang, ihr Mopriaden,
| frohlocket!
Groß iſt ſein Name! — ſo ſchallts in allen
Himmeln, die Sterne
Gottes toͤnen darein, und der Seraphim
goldene Harfen.
Zwanzig:
Mn ee EEE EEE
465
Le Se me ασα
Awanzigftes Stüd.
Then he would talk: good Gods! how
he would talk!
I LEE.
(8 ich meine Betrachtungen über den
Müffiggang abfaßte, glaubte ich
nicht, daß ich fo glücklich feyn würde,
in dem Wirbel von Blattſchreibern, die
ich in Bewegung gefeßt habe, auch
Heren David Mävins fich herumdrehen
zu fehen. Ich fiße geftern mit meinen
Vetter Obluf und einigen Gelehrten
aus der Dachbarfchaft zu Tifche , höre
mit vieler Aufmerkfamfeit an, mas
Dhluf, den meine $efer als einen groſ—
fen Bemerfer Fennen, für Bemerkun⸗
gen macht, und efje meine Kapaunen=
Der Hypoch. 2. T. Gg keule
—
466 »—
keule dazu: zufaͤlliger Weiſe nehme ich
in der Naͤhe eine Serviette wahr, die
ſich hurtig hin und her bewegt, und mei—
nem theuren Herrn Maͤvius zugehoͤrt,
der mit ſtarrem Blick unbeweglich nach
der Wand hinſieht. Da ich nicht er:
rathen konnte, was ihn beſchaͤftige;
ſo wagte ich, ihn mit einem leiſen:
Freund, was machen Sie da?
zu unterbrechen. Der gute Wann —
wollte lange nicht mit der Sprache ber:
aus: —- zuleßt zeigte er mir eine
Schreibtafel, die er unter der Ser:
viette hielte, und worin er, wie er
mir geftand, die Tiſchreden des Herrn
Ohluf Jernſtrup aufzuſchreiben pflegte.
Wer ſich über eine fo unverhoffte Eut⸗
deckung freute, der war ich. Kaum
hatten ſich die Gaͤſte empfohlen, ſo nahm
ich meinen geſchwindſchreibenden Aku—
ſtiker an die Seite, und begehrte von
ihm, mir alles zu zeigen, was er von
Ohluf Jernſtrup geſammelt hätte, Er
antwortete mir fü, -— Es ijt ſchon
* fange
* -
ri
497
fange, daß ich Hoch Dero gnädigen
* Seren Better, als ein Ehrenmitglied
de Dublicum verehre, welches Er
“ganz überfieht, und weiches ſtolz dar:
auf feyn müßte, wenn er fich zuweilen
“unter den Haufen der Schriftiteller
“herab begeben wollte, Die es bewun⸗
“dert. *) Ben diefen demüthigen Ge:
finnungen meines fchuldigften Reſpekts
“iſt mir eingefallen, was ich meines gez
“ringen Orts meinen Kameraden, die
"man das Publifum nenne, für einen
"wmausfprechlichen Gefallen ermeifen
+ eönnte, wenn ich felbiges auch nur
Such einige von den vielen Brocken,
“ die diefem hohen Munde quafr aliud
“agenti über Tifch entfallen, zu erqui⸗
*. en im Stande wäre, Ich habe alfo
“nicht ruhen Eönnen, bis ich nach derje:
Gg 2 “nigen
*) Herr Maͤvius ſcheint die ſcharfſinnigen
Briefe über das Publikum gelefen
zu basın, wo einem Hofmanne das naͤm—
liche Compliment, und mit den nämli-
en Worten, gemacht wird,
468
“nigen Methode, fo Ihre Gnaden heute
“on mir entdeckt haben, einen kleinen
Schatz von Tiſchreden zuſammen gear:
“beitet haͤtte, den ich Ihnen hiemit un:
*terthänigft überreicht haben will, Es
“ ſoll mir eine unermeßliche Freude feyn,
*und ich werde es zeitlebens mit dem ehr:
“ furchtvolleſten Danfe erkennen, wenn
“Sie, gnädiger Herr, mit vorgängiger
“Einſtimmung Dero Herrn Vetters,
einen beliebigen Gebrauch davon zu
* machen, und meiner daben in Gnaden
"zu gedenfen geruhen wollen ?’— Nach—
dem ich nun die vorgängige Einftim:
mung meines Herrn DBetters glücklicher
Weiſe erhalten, fo bereichere ich heute
den Hnpochondriften mit den
Tiſch⸗
— Wi *
— 469
Tifchreden
St. Gnaden Heren Ohluf Jernſtrup
sefammelt
von einem unterthänigen Verehrer
D W. IM. aus Angeln.
Am 4 un. 1769.
| Als der Herzog Sforzia alt geworden
war, und nun ſein Ende heran—
nahen fuͤhlte, ſo gab er ſeinem Sohne
Franceſco Sforzia drey Lebensregeln,
die dieſer ſehr ſorgfaͤltig in feinem Ge—
daͤchtniſſe aufbewahrte. Die erſte war,
daß er Feines andern Mannes Frau bes
rühren folle. Die zwente, daß er einen
gewiffen Diener, der lange im Haufe
gedienet hatte, nicht ſchlagen, fondern
unverzüglich demfelben feinen Abfchied
und verdienten Sohn geben ſolle. Die
dritte und leßte, daß er Fein Pferd reis
ten folk, welches bintenausfihlage, oder
Ög3 dje
470 ———
*
die boͤſe Gewohnheit habe, feinen Reu— L
ter abzuwerfen. — Der alte Sforzia
wollte damit zu verfiehen geben, daß
wir uns vor allen demjenigen hüten und
in Acht nehmen follen, was uns kinder:
lich, oder in der Folge ſchaͤdlich, wer:
den kann. Denn nichts ift ung hinder:
licher, oder in der Folı ge ſchaͤdlicher, als
was wir nicht achten.
Am 6 Sun. 1769.
Hey der Kenntnig eines Menfchen
find drey Punfte zu beobachten: wie er
im Umgange mit feines Gleichen, mit
Dornehmern, Herr Mävius, oder mit
Mäcenaten, und mit geringern oder
gleichgültigen Perfonen zu handeln ge:
wohnt ift. Ein vierter Punkt ift, wie
er handelt, wenn man ihn nicht beob:
achtet; diefer ift der wichtigfte, Scha—
de nur, daß man nichts davon weis.
Ich habe Leute gekannt, die ich lieben
vun wenn fie bloß mit mir * thun
atten;
—* 471
hatten; bey andern fand ich ſie entwe⸗
der grob oder kriechend. Haͤtte ich mit
ihnen uͤber den vierten Punkt zur Er—
klaͤrung kommen koͤnnen, ſo waͤre das
Wunder vielleicht bey weitem ſo groß
nicht geweſen.
Glaubt mir, Neffe, begegnet Jeder—
mann mit einer gewiſſen Hochachtung.
Es iſt beſſer, einen Narren mein Herr
zu nennen, als ihn zu veranlaſſen, daß
er feinen Herrn für einen Narren halte.
Kein Verdienſt leuchtet fo belle, daß
wicht ducch den Anfchein des Stolzes
verdunfelt wird. Man haͤlt dafuͤr, dag
“derjenige fich ſchon ſelbſt für fein Gu—⸗
‚tes bezahlt mache, der ſich etwas dar;
auf einbilder,
Am ır. Fun. 1769.
Sch babe einmal von einem Manne
gehört, der folgende Marime hatte,
Wenn ich gut von Jemanden reden fol,
fagte er, fo muß es hinter feinem Ruͤ—
Ken ſeyn, und wenn ich Jemanden et:
| 6934 was
472 —
was hartes zu ſagen habe, ſo ſag ichs
ihm unter die Augen. Eben der Mann
hatte viele eigne Meynungen, die ich
fobald nicht vergefien werde. Cr pflea:
te von fich zu rübmen, dag er feinen
Menfchen nah dem Stempel fchäße,
den das Glück auf ihn geprägt habe,
und daß er den Mann höher achte, den
Gott, als den, welchen die Heroldss
fammer gemacht. Um ein vollfom;
mener Feind zu ſeyn, fagte er ferner,
thut man wohl, dag man die farve
eines vollfommenen Freundes vorneh:
me: bift du ein Hahnrey, dein Freund
bat Schuld, denn dein Feind darf dir
nicht nahe kommen; wirft du betrogen,
dein Freund betrog dich, denn deinem
Feinde hätteft du nicht getraut; haftdu
deinen guten Namen verlohren, dein
Freund hat dich verläumder, denn deiz
nem Feinde glaubt Niemand, Aus
diefer Urfache wähle ich mir meinen Auf:
enthalt da, wo ehrliche unverhohlne
Barbaren berrfcht, wo ein Menſch dem
andern
473
andern auf eine edle Art, wie Löwen
und Tieger, nicht wie Erocodile, auf:
frißt, und wo der Teufel weiß gemahlt
wird. — Wider diefe letzte Marine
habe ich jedoch einige Zweifel, die bier
augeinander zu fegen mich zu weit fü:
ten würde,
Am ı7. Sum 1769,
Vor zwanzig oder dreyßig Jahren,
da ich etwas jünger war, als ich jeßt
bin, nannte man mich nur. den para=
doren Sernfirup. Die Demonftratio:
nen in der Philofopbie ſah ich z. E. für
Satiren auf den Verſtand des Leſers
an, und behauptete, wenn das Theo—
rema ſeine Richtigkeit haͤtte, ſo wuͤrde,
(in hundert Fällen gegen einen,) im
Kopf die Prämiffen, wovon es die
Schlußfolge wäre, von felbft ausfindig
machen. Eben fo, da mich einer mei:
ner Freunde fragte, was ich Pbilofo:
phiren nennte, trug ich Fein Bedenken,
ibm folgendermaßen zu antworten.
G85 Phi⸗
a4 —-
Philoſophiren, fagte ich, heißt gewoͤhn⸗
lich nichts weiter, als: Worte, die in
der Sprache ſind, bald ſo, bald anders,
erklaͤren, ohne ſich darum zu bekuͤm⸗
mern, was der Mann, vielleicht ein
eh fchaler Kopf, der fie zuerſt brarich⸗
ſich dabey dachte, oder zu unterſu—
En ob fie überhaupt in der Sprache
feyn follten. Wer ſich, fuhr ich fort,
von feinen Begriffen, den gangbarfich
fowol als den verftecfteften, Rechen—
ſchaft giebt; bey jedem Gedanken fragt,
durch welche Reihen von eignen oder
entlehnten (und entlehnt find die mei:
fen), er daranf gerathen fey; was die
Zeit, die Gefellfehaft, die Sprache,
worinn.er lebt, für Einfluß auf feine
Ueberzeugung habe; wer das, was er
einem Vorrathe von reifen Erfahrungen
zu danken hat, fleißig von dem abfons
dert, was fich ihm ununterficht aufge⸗
drungen; wer nicht zu wiſſen traͤumt,
was ihm zu wiſſen unmoͤglich iſt; wer,
ehe er nach Wahrheit forſcht, zuerſt
unpar⸗
425
unpartheyifch über das Maas nach:
forfcht, womit er diefe Wahrheit meſ—
fen will, d. i. über feinen eignen Der:
ftand; mer felten entfcheidet, und im:
mer prüft: der Fan zwar ſehr unwiſſend
feyn, mir aber heißt er ein Philoſoph.
Am 20. Yun. 1769.
Ein gewiſſer Biſchof von Florenz,
ich babe vergefien, welcher, fagte zu
einem gemwiflen Kardinal: Was der
Menſch in der Welt hat, ift Geld,
“ Leib, und Seele; das Geld neh:
‘U men ihm die Advocaten, den $eib
“ plagen die Aerzte, und die Geele
“ ſteht unter der Zucht unferer Pfaf:
fen.“ Der Kardinal verfeßte:
+ Eben darum, Herr Bifchof, feht
“ hr auch fo wenig Advocaten, die
für fich felbft rechten, fo wenig
Aerzte, die Arzney gebrauchen, und
* fo wenig Dfaffen, die fich auf ihre
Seele befümmern. 7 — Das
mag nun wohl in Florenz wahr gensefen
. feyn,
470
jeyn, aber nichtwahr, Herr Doktor -- ?
Herr Ober: und Landgerichts-Advocat --,
auf unſre Zeiten und Gegenden pafit es
gar nicht!
. Amer. Sun. 1769.
Der? — D! da ift König Opoceu
ein ganz andrer Mann! — thun Gie
doch den Herrn da den Gefallen, Herr
Rofe, und lefen Sie Ihnen die Nach:
richt vom Könige Opoceu vor, die Sie
uns letzthin aus dem Dänifchen über:
feßt haben. — Herr Roſe las.
„ nfre Bothen befchrieben uns
Opoceus Perfon faft als ein Unge—
* heuer. Er war länger, als irgend
“Jemand von feinem Volke; nicht
ſchwarz, welches die Leib: und Lieb:
* Jingsfarbe auf Öninea ift, fondern
voth; hager vom Leibe, als ob er die
* Schmwindfucht hätte; feine Hände
+ und Füffe noch einmal fo lang, als
“ fie nach Proportion hätten ſeyn fol:
“en, Unſre Bothen verſicherten
“uns,
pn ur 477
“aus, fie hätten ihm nicht ohne
« Grauen anfeben Fönnen; und das
“ halten die Schwarzen für etwas
“Groſſes, das Ehrfurcht verdient. ”
“ Es war uns nicht leicht, einige
“ yon unfern Accraern zu überreden,
daß fie nach Aſſiante gingen, da
“ fie fich doch gerne nach Am —
fehicfen ließen, und einige fogar mit
* unfern Bothen freywillig dahin lie:
“ fen, wenn fie gleich nichts da zu
thun hatten. Wenn wir fie frag:
“ ten, warum fie fo ungern zu Opoccu
* gingen, fo erzählten fie uns von
Opoecus Tyranney, der faft in
jeder Stunde des Tages, ja zuwei—
* Ten gar mitten in der Nacht, den
“Leuten die Köpfe abfchlagen lieffe,
“ Einer verficherte mich, er habe drey
“ und fiebzig Menfchen gezählt, die
* innerhalb zwölf Stunden, oder von
Aufgang bis Untergang der Sonne,
wären ermordet worden; und fo
’ ginge es täglich, manchmal meh:
| “ rern
2
*
«
*
*
*
*
473
ren, manchmal wenigern: ſie
Accraer aber waͤren nicht gewohnt,
ſo viele Ermordungen zu ſehen,
kein Eſſen wollte ihnen in ſo einem
Lande ſchmecken, und ſie ſehnten
ſich nach dem Tage, da ſie von dort⸗
her wieder abgefertigt wuͤrden. Alle
Todtenkoͤpfe werden in der Naͤhe
von Oporcus Wohnung hingewor⸗
fen, wo man deren cine fo unge
heure Menge findet, daß Fein Re
fie zahlen fon, *
¶ Opoccu giebt Audienz vor feinem
Haufe, unter einem groſſen goldnen
dickbelaubten und vieläfligen Baus
me; fein Thron ijt ein Goldklum⸗
pen, den acht Männer mit, Steis
cken und einer durchgefiecften Stans
ge heraus und wieder bineintragen
muͤſſen, nebft einem golänen Be⸗
cken, worauf er die Fuͤſſe feßt, feine
Aufwärter muͤſſen ihn zweymal des
Tages mit Unſchlitt über den ganz
zen Leib bekleiſtern, und darauf wie
"auch
419
+ ud in die Haare etwas feinen
Goldſtaub ſtreuen: fo giebt er
* Yudienz, |
Wollte ein Maler den König
Opoceu abbilden, fo müßte er ihn
auf ſeinem Throne malen; von fei:
nen Staatsbedienten umgeben; über
4 den ganzen Leib von Goldſtaub glän:
zend; den Hut mit einer goldnen
. Schnur und weiffen Feder geziert;
Agrien N reihenweiſe um den Hals,
” die Arme, die Beine und den
Leib herumgeſteckt; ein Gürtel
“von Goldſtuͤcken mit Taffent gefüt
tert um die Mitte feines Leibes gez
“ bunden; hundert Kläger und Ver:
* Flagte auf ihrem Ingefichte zur Erde
“vor ihm ausgeſtreckt; zwanzig
* Scharfrichter mit Säbeln, Sie mit
Hinrichten diefer hundert Kläger
“ und
*
M Agrien find bunte Steine, die, auſſer
dem Könige, nur der fragen darf, dem
* Koͤnig ein Geſchenk davon gemacht
af.
.. 480 —
“und Verklagten beſchaͤftiget find;
* andere Scharfrichter, die warten,
* bigdieerften Scharfrichter ihr Stuͤck
““ Arbeit vollendet haben; und zuleßt
* müßte er ung die Ausficht auf den
* Daß malen, wo die Köpfe der fo-
genannten Mifferhäter liegen,
* Man möchte mir vielleicht bier
* den Einwurf machen, daß der
“ Sinrichtungen, genau gezählt,
“ nicht hundert, fondern nur funfjig,
+ fenn Fönnten, weil von Parten und
* Gegenpartey erft die halbe Sum:
* me abgeht, ehe es zum Hinrichten
“ fömnit: allein es ift zu willen, daß
“der Affiantifche Mifantrop Opoceu
“ die Unjchuldigen mit den Schuldt:
“ gen abthur; da die Partenen, die
etwas wider einander haben, ihre
* Sache nicht freymwillig vor den
“ Thron bringen; daß Opoceu der
“+ Große fie überall in feinen Laͤndern
„herbeyholen läßt, ihre Händel erft
‘ wohlbedächtig und weislich anhört,
und
—
%
451
*
⸗
und dann beiden Parteyen, um
die genaueſte Unparteylichkeit zu
beobachten, mit einander die En
abbauen läßt.
“Sp oft Opoceu Borben oder
“ Gefandte von den Europäern bey
+ fich bat, fo müffen fie zugegen fa;
“ um fein Richteramt mit anzufehen:
denn er hält mit mehr als koͤnig⸗
“ licher Hoheit der Seele dafür, je
“ emfiger der Sandesvater das Hin—
richten verwalte, deftomehr verdie;
“ne er den Ehrennamen des Großen.
Wenn -alles vorben ift, fo em—
“ pfiehlt erdiefen Bothen, in dem Be⸗
richte an ihre Herren ja keinen Um⸗
“ ſtand zu übergeben, der ihnen einen
* Begriff von ſeiner Groͤße beybringen
“ Ffönne. Niemand darf bey Lebens:
“ ſtrafe fehlechtweg Opoceu fagen, fon;
dern der Höchfle, der Feuerfars
bigte ıc.
Folge nun eine Abfchieds : Audienz,
und Unterredung Bailhen Opoccu, Kö:
Der Hypoch. 2. T Hh nig
4‘
Sn
⸗
4
*
*
4
Sn
=
d
R
' 482 —
nig von Aſſiante, und einem Bothen
der daͤniſchen Compagnie, der Roy 2
heißt.
Die Titulatur, die in dieſer und als
fen übrigen Unterredungen beobachtet
wird, ift aus der Neger : Sprache bey:
behalten; und Noy, der uns Dänen
die Erzählung in portugiefifcher Epras
che machte, bediente fih der Worte
Sennor el Re, und Sennor Mofßs,
d. i. Herr König, und Herr Zunge,
Noy hatte dem Opoccu durch einen
feiner Leib :Sflaven fagen laffen, daß
er nun gerne wieder zu feinen weißen
Herren zurückreifen möchte, die fonft
auf ihn zürnen würden, mern er fich
länger in Affiante aufbielte, liege alfo
fragen, ob es dent Könige gelegen waͤ—
re, daß er am folgenden Morgen feinen
Abſchied nehmen möchte. Opoceu ant—
wortete er koͤnnte kommen. Nachdem
Noy
) Noy war ein Neger aus Akra, der in
Geſchaͤften gebraucht ward.
483
Noy um ſieben Uhr des folgenden Mor:
gens in den innerfien Vorhof vor Opoe⸗
cus Wohnung war geführt worden,
ſah er Opoccu bereits in vollem Putze,
nämlich mit einigen Pfunden Goldftaub
beftreut, der ihn alfo anredcte,
Opoceu. Here Junge, bift du bey dem Ca:
buſier (Oberprieſter), dem ich befohlen bat;
te, Dich und deine Leute in fein Haus auf:
zunehmen, wohl bewirthe: worden?
Noy. D ja, Herr König. Ich und die Meis
nigen haben Feinen Mangel gelitten,
Opoceu. Herr Zunge, du bift nur fechg
Wochen hier gemefen ; ich habe dic) lieb ges
wonnen, und ich wuͤnſchte, dag du noch
länger bier bleiben Fonnteft, um etwas mehr
von meiner Größe zu fehen, damit du eg
deinen weißen Herren erzählen koͤnnteſt.
Haft du je meines Gleichen gefunden?
Noy. Herr König, niemals! Deines Gleis
chen ift nicht auf Erden.
Opoecu. Darinn haft du Recht, und Gott
im Himmel ift nur wenig gröffer,; als ich.
Hh 2 Nie⸗
F
484 — *
(Niemand, ſetzt der Autor hinzu, wolle ſich
über den Hochmuth eines aufgeblaſenen Ne;
ger:Königs ärgern. In Europa Gottlob!
denft man fehr viel befcheidner.) |
Noy. Ich habe viele Könige in der Welt ge
feben; aber dir würden fie nicht gleicy wers
den, wenn fe auch auf einen Haufen zus
fammen getragen würden.
Opoccu. Herr Junge ich will dir zu trinken
geben. Sollteſt du wohl glauben, daß ich
fo gut Wein und Bier habe, als deine
weiße Herren?
Noy. Hear König, alles in der Welt ifi
dein, und du Fannji es Haben. |
Dpoceu befiehlt einem feiner Leute,
eine Flaſche Engliſch Bier zu bringen,
Der Bringer vergißt den Stabldrat
vom Stöpfel abzuziehen. Opoccu will
die Flafche in den Mund fchieben, und
fticht fih am Stahldrat: er fieht den
Sklaven ergrimmt an, — giebt fie
ihm zuruͤcke. — Diefer nimt den Drat
ab, Opoceu trinkt auf Noys Gefund:
beit, Es wird Noyen ein Stuhl ge:
feßt,
Szenen 485
feßt, Noy ſetzt ſich, nimt die Flaſche
aus Opoceus Hand, und trinkt auf ſei—
ne Gefundheit. Opoceu nimt fie ihm
wieder, haltfie gegen den Tag, und faat:
Opoccu. Herr Zunge, dir trankſt nur wenig.
Noy. Herr König, ich darf nicht mehr.
Ich merke ſchon, daß es mir zu Kopfe ges
fliegen ff. —
Opoceu. Herr Junge, nicht das Bier macht
dich betrunken, ſondern mein Antlitz, wel,
ches Jedermann trunken macht, der es ſieht.
Noy. Das iſt wahr Herr König. Denn eis
nie ganze Flaſche Brantewein, die ich in
den Packhaͤuſern meiner weißen Herren
mehr als einmal ausgetrunken habe, hat
mich nie ſo — vergnuͤgt gemacht, als ich
dieſe Zeit uͤber geweſen bin, da ich dein
Antlitz geſehen habe.
EEine uͤbertriebne Schmeicheley!
Eben dieſer Noy und die andern Accra;
er beklagten fich, fie hätten die ganze
Zeit über befiändig Mangel an Appetit
gehabt, und fie waren wirklich ganz
mager, als fie heimfamen. Was muß
53 den
486
den Groffen nicht alles aefagt werden,
wenn fie es fchön gefagt finden follen!)
Opoccu. Herr Junge, vergiß nicht, deinen
tweißen Herren von diefer Deiner Uhfchiedss
Heköftigung und andern Herrlichkeiten zu
erzäplen, und fage ihnen, daß ich auf El—
mine und fechs Fleinern Forts dreymal im
Jahre alle Packhaͤuſer ausgeleert (ausge:
Fauft) habe: fo ſollen auch die Packhaͤuſer
deiner Herren dreymal im Fahre ausgeleert
werden. Meine Leute follen nicht fern,
wie vie elenden Afimer, die erfi ein paar
Tage berumgehen und Dingen, ehe fie et—
was Faufen, Zeige ihnen die Derter, mo
die Seeteufel *) ans Land fieigen, damit
fie fih hüten, dahin zu kommen: denn ic)
babe meine Unterthanen lieb, und Fann fie
auf andere Urt brauchen, *"). . —
Und damit hatte die. Audienz ein
Ende. Noy war beurlaubt, und ging
nad)
*) Die Menfchenränber, melde auf den
Sklavenhandel ausgehen.
=) Wie die Ausſicht aufden Schedelberg lehrt.
487.
nach Haufe. (S. Tilforladelig Efter:
retning om Kyſten Guinea red &. F.
Römer 9.190. f.) -
Anmerkung von Herrn Dh
uf Sernfirup. Wenn die Reifebe-
ſchreiber, ſtatt ihrer unbeſtimmten Ur:
theile uber Menſchen und Sachen, et:
was mweniges von den Menfchen und
Sachen, die fie geſehen haben, anfchaus
lich machen, irgend ein Fleines Gefpräch,
eine Gebehrde, einen Nebenunftand,
wie der.obige von den Todtenföpfen und
den hundert Klägern und Verklagten ꝛtc.
irgend ein feines Sentiment bey gewif-
fen Beranlaffungen, wie z. E. Opoccus
Liebe gegen feine Unterthanen, irgend
einen warmen Ausbruch der Natur, wie
z. & Opoceus Betrachtung über feine
eigne Gröffe, und mas dergleichen
mehr iſt, gütigft mittheilen wollten :
fo wüßte ich nichts, was ich einer Rei:
febefihreibung vorziehen möchte. Aber fie
haben gemeiniglich ganz andere Abfichten,
die in ommerg Abſichten, aſtronomiſche
b4 Abfiche
438
Abſichten, Cabiner-Abfichten ꝛc. einges
theilt werden Finnen, und alle fehr vor:
trefflich find, wenn gleich der Menſch
nur zufällig — in Betrachtung
koͤmmt.
Am 26. Jun. 1769.
In einem oͤffentlichen Blatte hat
man vor kurzem die Sprachkenner auf
gefordert, ein Wort zu finden, welches
den Unterſchied der Poeſie und Dered-
ſamkeit von den andern Wiſſenſchaften
oder Künften etwas beftimmter und fürs
zer ausdrücte, als cs Surch fhöne und
höhere Wiffenfchaften ausgedruckt
wird. Das Blatt ſcheint mir fonder:
bar raiſonnirt zu ſeyn. Sch will Ihnen
doch faren, worauf es nach des Ders
faffers Meynung anfömmt.
Kunft, fpricht er, unterfcheidet fich
dadurch von Wiffenfchaft, daß fie eine
ausuͤbende Geſchicklichkeit erfordert.
Aber jede Kunſt ſtimmt mit jeder Wiſ—
fenfepafe darin BR, daß fie ihre
Grüns
489
Stände und Urſachen, ihre allgemeiz
nen Begriffe bat. Wer zu dieſen hin:
auffteige, findiet nicht die Kunft, fon:
dern. ihre Wiſſenſchaft. Es ift alfo ir:
tig, wenn man die Künfte den Wiſſen⸗
ſchaften entgegen ſetzt: denn alle Kuͤn⸗
ſte ſind zugleich Wiſſenſchaften. Poeſie,
Beredſamkeit, Geometrie, Aſtronomie
u. ſ. w. find Kuͤnſte oder Wiſſenſchaften,
je nachdem man ſie entweder ausübt,
oder ihre Grundbegriffe entwickelt.
Eigentlich, fährt er fort, ſollte man
in einer Kunft dreyerley unterfcheiden :
ihre Ausübung, ihre praftifrhen Be:
merfungen , und ihre Wiſſenſchaft.
Henn man den mittleren Theil die
Kunde nennen wollte; fo wäre, z. E.
in der Poefie oder Geometrie, die Aus;
übung die eigentlich fo genannte Kunft,
die Kenntniß der Handariffe, Regeln,
Beobahtungen, auch wohl die Hiſto—
rie der Kunft, und was fonft dahin ge:
hört, ihre Kunde, und die Zurich
führung beider auf allgemeine Begriffe
ihre Binenihaft Alle Genies
Hh 5 be⸗
490 sone namen
befißen den erfien und, infofern es die
Gränzen menfchlicher Einficht verftatz
ten, auch den letztern diefer Theile:
um den mittleren befümmern fie fich fel=
ten, Shakeſpear war ein groffer Mei:
fier in feiner Kunſt, und ein pbilofos
phifcher Kopf vom erften Nange, aber
die Kunde oder Theorie feiner Kunft,
war ihm unbekannt. Der Maler Ri-
hardfon und der Maler Mengs ſi nd
tieffinnige Philoſophen.
Die Eintheifung in höhere und
niedrigere Wiffenfchaften, heißt es
weiter, ift eine Objectiv: Eintheilung,
und deswegen nicht brauchbar. Den
Rang menfchlicher Wiffenfchaften ‚ber
ftimmen nicht die Gegenftände, fondern
die Kräfte, die dazu erfordert werden:
Dieſe Fönnen bey niedrigen Gegenftän:
ben eben fo hoch gefpannt feyn, als bey
hoͤhern.
Etwa gruͤndlich? ſchwer oder leicht?
viel? wichtig? gemeinnuͤtzig? Alle dieſe
Fragen geht der Raiſonneur nach der
Reihe durch.
Gruͤnd—
— 491
Gruͤndtich, ſagt er, iſt jede Wiſ—
ſenſchaft: in jeder Wiſſenſchaft giebt
es eine Tiefe, worinn ſich der gruͤnd⸗
liche Kopf umfeben kann. Die fpecula:
tive Muſik iſt eine gründliche Wiffens
Schaft, fo auch die fpeculative Poetik.
Will man aber durch Gruͤndlichkeit nur
den Grad der Gewißheit andeuten, fo
wiffen wir, daß Evidenz der Meta:
phyſik nicht eiguer ſey, als der fpecula:
tiven Poetik. Die einzige gründliche
Wiffenfchaft im ſtrengſten Berftande ift
die Mathematik; und auch diefe nur,
infofern dasjenige als wahr ange:
nommen worden, wodurch die Fol:
gerung wahr wird. Die angewandte
Mathematik hingegen ift nicht mehr
oder weniger gründlich, als alle andre
Miffenfhaften — Chen fo verhält
es fi mit dem, was Hlembert durch
fciences exactes auszudrücken fucht.
Auf Univerfiräten nennt man die
fhönen Wiffenfchaften oft zum Unters
fchiede der Facultaͤts-Wiſſenſchaften die
leichten. Was dem Genie leicht
wird,
492 ei nn
wird, kann den mittleren Köpfen ſchwer
genug werden, Eulern ift die Aufl
fung eines für viele Herrn von der Uni:
verfität unauflöslichen Problems leicht.
Allgemein leicht iſt allgemein fchlecht.
Reelle! die fich mit Sachen, nicht
mit Worten, beſchaͤftigen. Wieaber?
find nicht felbft Worte, felbft Töne,
Sachen, wenn man fie als Sachen
anmendet oder betrachtet? Gind bie
Gegenftände der Fünftlichen Nachab:
mung, Erfcheinungen, Wirkungen,
Empfindungen ꝛc. find die nicht Ga:
chen?
Dder will man unter Reel nur das
verfiehen, was man fonft Wichtig
oder Ge meinnüßig nennt : fo
koͤmmt auch hier eine Fleine Frage vor.
Redet man von der Staatswichtigfeit,
von dem, was in einem Staat gemein
nüßig ift, oder von dem, was über:
haupt für die menſchliche Seele, für
ihre Bedürfniffe, ihre Nahrung, ihr
Wachsthum, ihre Fortdauer, wichtig
und gemeinnüßig wird oder werden
kann?
493
kann? Wo ift die Sflavenfeele, die
den Nußen einer dem Keiche der Ideen
wichtigen Entdeckung, Beobachtung,
Ausfiht, oder Empfindung, nach feis
nem andern Maafe berechnet, als dem
Maaß der Politil? Fern fen ein fo
unwuͤrdiger Gedanke ſelbſt von dem
guten Buͤrger! am meiſten fern von
dem Gelehrten!
Anmerkung von Herrn Ohluf
Sernftrup. Mesdames und meine
Herrn, Gie werden nun neugierig
ſeyn zu erfahren, was Sch über diefe
Sache denfe, Und fo fage ich Shnen
denn, daß ich alle Hochachtung für
einen Vers habe, daß ich auch wohl
ſelbſt manchmal einen Vers mache, wie:
wohl ich geſtehen muß, daß ſie mir im
Deutſchen nicht ſo gut fließen wollen,
als im Griechiſchen: aber zugleich fa:
ge ich Ihnen, daß ich auf der Welt
nichts jo fehr deteftire, als wenn. mar
von Kleinigkeiten mit einem Air d’im-
portance fpricht, Und Verſe find
Klei⸗
a —
Kleinigkeiten, ſage ich Ihnen, und
ſollte ſie auch Julius Cafar feibſt gemacht
haben.’ Kleinigkeiten find fie, fo ge
wiß, als ein Jagd-Codex oder eine he:
raldifche Deduction Feine Kleinigkeit
iſt! Was? Haben nicht fogardie Frans -
zofen, die;fich doch unter allen Natio—
nen am meiften auf ihre Verſe einbil:
den, für Poffen und Verſe nur Ein
Wort? Was find denn Verſe? möchte
ich fragen. Chanfons! Und was find
Chanfonsmacher? Fa, was fi ind fie,
als — Poffenreißer!
Hiezu koͤmmt noch eine Betrachtung,
die ich für ſehr ernfthaft halte. Ei
“ gennutz, Mangel an patriotifchen
“ Gefinnungen, und $urus haben ge:
* macht, daß der größte Theil der
* Menfchen übermäßig arbeiten muß,
“ um die nothwendigen Beduͤrfniſſe zu
’ erlangen ; zu diefem größten Theile
* der Menfchen gebören,, mit einer
feltnen Ausnahme, diejenigen, die
“der Kiel, einen Vers zu machen,
dd am
inne 405
“am gewoͤhnlichſten anzumandeln
“pflege. Was werden aber die fagen,
“ wenn fie in ein Amt fommen, wo
“ man nicht mehr auf Kofen tritt, mo
* Arbeit, Mühfeligfeit, Lingerechtig:
“ feit, und ein ganzes Gefolge ven
Uebeln fie empfängt? Wer unter
“ den Weichlingen biethet ſich wohl
“an, dem Staat zum Beſten zu ei:
* nem Poften zu gehen, wo die Wir:
“ terung rauh, und der Arbeit viel
“ iſt?“ Dünfen fih nun ſolche unnuͤ⸗
tze Muͤſſiggaͤnger und Chanſonsmacher
vollends berechtigt, von ihrer brodtloſen
Kunſt eben ſo wichtig zu denken, als
etwa ein Schatzungsmeiſter, oder ein
Inquiſitionsrath, oder ein Fiſcal von
der ſeinigen denken moͤchte: ſo frage
ich Sie, und haben Sie die Gnade,
Mesdames, mir darauf zu antworten,
wenn Sie koͤnnen, ich frage Sie, ob
nicht — — bier unterbrach ein ſtarker
Schlucken, zu dem noch einige Pers
ven; Zufälle fliegen, die groffe Frage,
zum
’
—
495 —:
zum Leidweſen der geſammten hohen
Geſellſchaft, die fich eine der tiefſinnig—
ſten Difeuffionen verfprochen hatte; und
Herr Ohluf Jernſtrup ward genöthigt,
urplöglih dem Schlafgemach —
eilen.
En 30. Sun. 1769.
Was man fo ſehr an Machiavellis
Fuͤrſten auszuſetzen finde, mörhte ich
doch willen! Machiavelli wollte zeigen,
was für eine Art von Politik ein Gene:
ral oder Fuͤrſt zu beobachten babe, def;
fen Abſicht ift, Länder zu erobern, und
eroberte Länder zu behaupten, Er war
nicht willens, von der Moralität diefes
Zwecks, fondern von den Mitteln, die
zu demfelben binführen, zu bandelnz
und diefe Mittel find feine andre, als
die man inallen Büchernvom Krieges
metier, und noch mehr in allen
Handlungen groffer Eroberer antrift.
Santa Erur, Feugnieres, u. a. find
niemals getadelt worden, daß ſie aus
der
ne en 497
der Zerfiörung des menſchlichen Ge;
ſchlechts eine Wiſſenſchaft machen; in
jedem Eroberer wird der General auf
das ſinnreichſte von dem Menſchen un—
terſchieden; und eben fo laͤße ſich auch
von dem Principe des rechtfchaffenen
Machiavelli jagen, daß es das nüß-
lichfte Lehrbuch für einen Menfchen fen,
der den erhabnen Beruf in fich fühle,
auch ein folher Principe zu merden,
wie der Herzog Borgia war. Auf die
nämliche Art getraue ich mir auch den
Mandevil zu vertheidigen. Hören Sie
nur an, Fräulein --- Dod Sie gaͤh—
nen. Ich bitte um Verzeihung, daß
ich eine fo trockne Materie berübre: ich
bin heute zu nichts vecht aufgelegt, als
zu wichtigen und gemein nüßigen
Anmerkungen.
Sp weit Herrn Ohluf Jernſtrups
ZTifehreven.
Der Hypoch. 2. T. Ji Ein
498
DS a
* Ein und zwanzigſtes Stuͤck.
— — — aeno rariſſuma noſtro
Simplicitas.
OVID.
Id yllen
— — —
Erſtes Idyll.
Philen und Menalk.
Menalk.
De— den Amynt, der Pan der Flaur,
gelehrt,
Amynt, von deflen weifen Sprüchen
Mein Vater fagt, daß fie an Werth dem
Gold gealichen :
Mann,
———— 499
Mann , den die ganze Flur verehrt:
Der du die Wahrheit liebſt, die ſchoͤne Wahr
heit kenneſt! —
Sag mir einmal, Philen, was du das Beſie
neuneſt:
Der Liebe ſauftes Gluͤck! Geſundheit! Freund—
ſchaft! Gold! —
Wofuͤr entflammt dein Herz am meiſten? für
die Blume
Elyſiens vielleicht, fuͤr treue Freundſchaft? —
Hold
Und lieblich iſts, wenn, ihr zum Ruhme,
Zwo Seelen für einander gluͤhn,
Ganz Freundſchaft ſind, ganz für einander
glühn, 2
She Innerſtes einander offenbaren,
Des Lebens Müh, ja Todsgefabren
Dabey vergeſſen. — Dover ſchafft
Vielleicht des Leibs Geſundheit mehr Ent
zͤcken,
Des Leibs, den Muth am Geiſt und weiſe
Sinnen ſchmuͤcken? —
Und wie empfindeſt du der Liebe ſanfte Kraft?
Ein ſuͤſſes, zartes Mädchen lächelt
“7 we Dog
500 —
Doch dreymal lieblicher, als jene Nofe lächelt,
Die, ſieh einmal ! dort Zephyrs Flügel für
helt.
Wir, oder nimmt der Wunſch dich cin,
Die reichften Heerden zu befigen,
Um Andere durch fie für Mangel zu beſchuͤtzen?
Denn ſchmerzhaäft ift des Mangels Bein! —
Sprich, Freund, was wird das Beſte feyn?
Philen.
Wir waͤgen oft, mein Hirt, zu kuͤhn anf
falfcher Wage
Das, was die Hand der Götteruns befchehrt;
Doch hat Gefundheit wohl den allergrößten
Werth:
Mich ſchreckt, mich ſchreckt noch Lykons
Klage,
Sein Her; war freudenleer, leer alles Gluͤcks:
am Tage,
Durd) fieben langer Fahre Lauf
Fleht' cr am Tag’ um Kuh der Nacht; er
fichte Ä
Des Nachts um Wiederfehr der fernen
Morgenröthe:
Erſt jüngft nahm ihn das milde Grabmal auf. —
Hernach,
4*
en. 501
Hernach, Menalf, nenn ich es Gluͤck und
Freude,
dein Bich auf meiner eignen Beide
Im ferten Kleee graſen fehn,
Mit meinem Ueberfluß auch Andre ſaͤttigen,
Und nicht den ſuͤſſen Becher miſſen. —
Und dann iſis Seligkeit, bey Freunden,
Freund! bey dir,
Des kurzen Lebens Frucht genieſſen,
Froh ſeyn, und laden! — — Doch, ver:
zeih, o Schaͤfer, mir,
Ich wuͤrde jedes Gluͤck nur als im Traum
empfinden,
Und wie ein Traum wird’ es verſchwinden,
Wenn fie, durch die ic) leb' und bin,
Wenn mir die ſchoͤne Daphne fehlte;
Wenn meine Daphne nicht des andern Glide
Gewinn
Durch ihren Werth erhoͤb, durch ihren Kuß
| befeeite.
u z Zwey⸗
502 ER,
Zweytes Idyll.
Philen und Daphne.
Km Daphne, wel ein goldner Tan!
Komm, Bifte, fere dich mit, mir an
einem Bad. n
Kir haben lange nicht der Flöte holde
Scherze
Verſucht; gefaͤllt es dir, ſo ingen wir ein
Lied,
Ein Mechſellied dazu, das ſanfte Liebe gluht,
Und zaͤrtlich iſt, ſo wie bein Herze.
So ſprach Philen. Die ſchoͤne Daphne ging
Mit ihm, fein treuer Arm umfing
Die Liebenswirdige. Sie fangen;
und alle Wipfel wurden fill,
Nur Zephyr trieb fein gaufelnd Spiel:
Selbſti Philomele ſchwieg, und horchte, ganz
Gefüuhl,
Und horchte froͤhlich, was ſie ſangen.
Philen.
— 503
Philen.
O ſchoͤner Tag! wie mild iſt Zephyrs Hauch!
er lockt |
Die Schäfer auf die Flur, das ganze Thal
frohlockt;
Allein wenn Daphne ſingt, dann erſt erheb'
ich ihn:
Er bringt ihr ſuͤſſes Lied vors Ohr der Got:
ter bin.
Daphne.
Schoͤn iſt der klare Bach, er rollt
Die kleinen Wellen uͤber Gold |
Usd taufend Blumen hin. Allein fingt ihn
Philen,
Dann iſt der Bach erſt wunderſchoͤn:
Denn was Philen beſingt, wird ſchoͤner noch,
als Gold.
Philen.
Oft ſitzt Menalk an einem Waſſerfall,
Sein Lied vom Pan crtönt, am Felſen tönts
zurück ;
Gig Ich
504 —
Ich aber reis’ ihn auch, den frohen Wieder⸗
heit:
Er nennt mir Daphnen; beſſres Gluͤck!
' Daphne.
Stolz; ahmt der Wicderhall Philens Ge
fänge nach;
Doch wenn der Hirten Bruſt vor Freuden
uͤberſſießt,
Sp bin ich ſtolzer noch: ich ſage ſtill dem
Bach,
Daß mein Philen der beſte Schaͤfer iſt.
Philen.
Todt iſt die Flur, der Feng iſt todt,
Es trauren Hirt und Heerd', und Be
find die Euter; je
Doh Daphne fümmt, ſchoͤn, wie das Mor:
genroth:
Und Lenz und Flur erwacht, des Hirten Aug'
iſt heiter,
Der Heerd entflieſſet Milch, und Laͤmmer
werden fett,
Und Korn und Obſt und aller Wuchs aeräth.
Daphne.
505
Daphne.
Suͤß iſts, und alles fühlt Entzuͤcken,
Wenn, nach des Winters Traur, der frohe
Lenz erwacht,
Die Sonn am Himmel wieder lacht:
Doch dich, Philen, nach langer Nacht,
Am Morgen wieder zu erblicken,
Iſt fuͤſſer, als das Licht des Tages zu erbli—
cken.
Mehr, als den ſchoönſten Tag des Fruͤhlings
zu erblicken.
Philen.
O du mein Glück, mein Stolz, o Herz
voll ſanfter Milde,
Ans dem ſich lauter Fremd ergießt!
Dein Kuf iſt mir, was lechzendem Gefilde,
Was Morgeuthan den duͤrren Wieſen iſt.
Daphne.
Du beſter Hirt, wie eb’ ih dich!
Ach, unaus ſprechlich iteb’ ich Dich!
D Herz, aus den fi) lauter Freud’ ergieft.
Dein Kuß iſt lieblicher, als Moſt und Honig ift.
Jis Drit—⸗
506
Drittes Idyll.
Philen. *
5 da, Menalk! du ruheſt hier
Am ſchattigten Gebuͤſch', indeß ſich
deine Heerde
Zerſtreuet? Was für Gram, Menalk, was
fuͤr Beſchwerde
Drücke deine Bruſt? — Gewiß hat Liebe dir
Die Stirne ſo gefurch't! Ich hoͤr auch deine
Flote
Nicht mehr ertoͤnen, ſchon ſeit vielen Tagen
| nicht.
Wie, junger Schäfer , Purpurroͤthe
Umfließt dein weinerlih Geſicht!
O ſchaͤme dich der füllen Triebe nicht,
Der Triebe, die fih auch im Götterherzen
regen:
Tan felber laͤchelt oft den Nymphen gütig zu.
Dergebens, Freund, arbeiteſt du
Dem Strome der Ratur entgegen.
Durch Liebe wird fi deiner Flöte Klang,
Und dein anmuthiger Geſang
Ber:
namen 507
— in dein Herz koͤmmt durch ſie
ſchoͤnre Milde.
Oed' und verſengt iſt das Gefilde,
Wo Liebe nie geherrſcht: kein balſamreicher
Duft
Entflieſſet da der Blum’; und herbe find die
Reben:
Geſchmacklos iſt ihr Saft, er perlt nicht
Freud' und Leben.
Da reift kein ſuͤſſes Obſt; Erin Lamm ſpringt
da; die Luft,
Die daher koͤmmt, führt Gift auf ihren
Schwingen. -
And wo die Liebe herrſcht, da blühen Hayn
und Flur,
And fireun Geruͤch' under; die Nachtigallen
fingen
Ihr himmliſch Lied daſelbſt; ganz Freud’ iſt
die Natur. |
Sey mir gefegnet, holde Flur,
Mein vaͤterliches Thal! Hier iſt der Liebe
Spur!
Sir
vie, ———
508 EDITED.
Sie hat bier oft verweilt: drum feh ich
dort Getraide;
Drum rieſelt hier ein Silberbach;
Drum ſeufzt der Wiederhall verliebten Flöten
nach;
Drum baucht die Blume Scherz und Freude.
Sieh rund umbır, Menalk, wie glaͤnzet ver
datur
Und muntrer Arbeit Frucht! mie fühle ſich
dieſe Flur!
Menalk, das iſt der Liebe Spur!
Denn iede Blume duftet Freude.
Die Lieb’ ergöget allemal,
In ikrem Eraft, im ihren Scherzen
Gefaͤllt ſie jugendlichen Herzen.
Sie lagre ſich in ein beblaͤmtes Thal,
Und lehr' am Bach im Schaͤferkleide
Die Heerden und die Hirten Freude:
Der führe nicht ſchnell der Liebe Sid? —
Itzt leitet fie, anf vngebahnten Wegen,
Den Manderer zur ſchoͤnen Braut zurüͤck;
Er weiß, die Theure blickt ibm ſchmachtend
fon entgegen,
(Die
{Die Liebe flüfterts ihm ins Ohr) und eilt
und firengt |
Sich au! und ſieht ſie nun! — fie, die ihn
treu umfaͤngt.
Verhoͤllt in loſen Fruͤhlingsweſten,
Laͤdt ſie zuweilen auch in einen ſtillen Hayn
Ein paar Verliebte zärtlich ein.
Da ſchuͤttelt fie von bluhtenvollen Aeſten
Vertraulichkeit und Spiel und Scherz
Herab in der Verlichten Herz,
und traͤgt alddann auf pfeilgeſchwindem Flügel
Gefpräch, Vertraulichkeit, und Kuß und Spiel
und Scher;
Weit uͤbers Meer und über ferne Hügel.
uch zeigt fie oft ein wenig Grauſamkeit,
Und gießt in eines Juͤnglings Seele
Die Schmerzen ihrer Philomele,
Treibe ihn an einen Fels, und nähre fein
ſtummes Leid:
Dis, wenn fie gütig wird, fie plößlich allen
Kummer
- Dem Jünglinge benimmt, und ihm in ſanf—
tem Schlummer
[a
„JR
> Be 1
510 —
In blendender Geſtalt erſcheint, und an der
Hand |
Das raſche Maͤdchen führt, das er ſo ſproͤde
fand. *
Der Juͤungling wacht dann auf, voll Hoffnung
und Verlangen,
Und o! fin Mädchen koͤmmt gegangen,
Und Wonne, Wonnue ſtroͤmt ihm zul —
O Liebe, wie ergoͤtzeſt du!
Auch ich, auch ich bin voll von deinen Trieben:
- er kann wohl mehr, als ih und Daphne,
lichen ?
— *— ——
Beſchloß des Schickſals Vater doc,
Daß nad Jahrtauſenden, dir, holde Flur,
zur Ehre,
Philens und Daphnens Liebe noch
Der Hirten Lied und Muſter waͤre.
Sie ſaͤngen dann: “ Ein zaͤrtlichs Paar
4 Berfchönerte vordem dieß Thal und dieſe
Weide;
Philens
511
Philens und, Daphnens Liebe war
Des ganzen Thales Gluͤck und Freude,
+ Yhilens Gefang ſchoͤn durch Natur,
A Entzückte iedes Heri, er ſang nur was er
hite
Sein — ſang er, und die Flur
“Frohlockte, und glaubte, Phoöhus ſpielte.
Seht dort den Duell, an dem er ſaß,
An dem er oft den Lenz und (eine renden
haſchte,
“Sich oft in ſuͤſſer Gluth vergaß,
Bis Daphnens Kuß ihn uͤberraſchte.,
Danu, treue Goͤtter, laßts geſchehn,
Das manche Seele mid im Eliſaͤerfelde
Erfrag', und nach Jahrtauſenden
Mir noch mein Lob auf Erden melde.
Es ſage, wer mir dann erſcheint:
“Philen und Daphne find noch unſers Thales
Ehre;
Man nennt die Namen kaum, und weint
“Schon sine ſtille Freudenzaͤhre.
“Und
512
nd iedem Paare wuͤnſchet man
Philens und Daphnens Gluͤck, ist Hymens
feltue Gabe; |
“Noch zeigt man euer Grab uns an,
“nd Roſen duften auf dem Grabe. ,,
Sp werde Zärtlichkeit belohnt!
Sch flehe, laßts gefchehn, ihr Geber als
| - Guten!
Euch Göttern foll auch jeden Mond
Ein fettes Lamm zum Opfer bluten.
— u
Viertes Idyll.
Philen und Daphne.
Philen.
eil dem Hirten, der von Liebe gluͤht!
Schalle durch die Flur, mein Lied!
Heil dem Hirten, welchen Daphne liebt!
Welchem Daphne Goͤtterfreuden giebt!
Daphne.
513
Daphne.
Holde Flur, die mich als Kind gefannt;
Siehe mi nun auch an meines Schäferg
Hand!
An des beſten Hirten Hand!
Nein, in dieſen wolluſtreichen Gruͤnden
War nichts ſuͤſſers, als mein Hirt, zu finden.
Philen.
Oft ſingt Mils hier am Waſſerfall;
Ceres iſt ſein Lied: der Widerhall
Töne der Goͤttiun Namen laut zuruͤck.
Doc ic) reiz ihn auch, ven Wiederhall:
Und er nenne mir Daphnen: — beſſres
Gluͤck!
Daphne.
Hoͤr ich deinen Namen auf den Triften,
O wie wallt der Buſen mir empor!
Aber ſeh ich dich auf dieſen Triften,
Höher wallt mein Buſen dann empor!
Jede Blume drängt fih dann hervor,
Der Hypoch. 2. T. KkHebt
u
Hebt mit mir ihr frohes Haupt empor,
Ihren Balſam auszudüften.
Philen.
Als ich juͤngſt in dieſem Schatten lag,
Da Fam Daphne, fehöner; als der Tag;
Der verliebte Wind auf jenem Hügel
Wehete mit fanftem Flügel
In ihr braun und lockigt Haar.
Und als fie nun näher bey mir war,
(Nur an dem Geräufeh von ihren Füffen
Merkt ichs, die durch Roſen und Narciſſen
Zu mir ſchlupften: denn ich ftellte mich
Schalfhaft an, als fehlummert ich!)
Als fie näber kam, wie jugendlich,
Sagte fie, wie fhon ſchlaͤft nicht mein Schaͤ—
fer hier!
Und nun ſaß fie zärtlich neben mir.
Daphne,
Und ich fagte: Bey den Schafen
Iſt mein Schäfer eingeſchlafen.
Könnt
— 515
Koͤnnt ichs doch von euch, ihr andern Schaͤfer,
Mir erbitten, für den werthen Schlaͤfer
Mir erbitten, daß ihr leiſe gingt.
Und ihr, die ihr in dem Baume ſingt,
Laſſt ein andermal, ihr Nachtigallen,
Euer fuͤſſes Lied erſchallen.
Und kein Zephyr rauſche durch den Baum.
Und du, lieblichſter der Baͤche,
Dein Gemurmel unterbreche
Nicht des Hirten Schlaf und Traum:
Denn ich fehs, er träumt von mir.
D wie fehön ſchlaͤft doch mein Schäfer hier!
Philen.
Wie dieß Thal, wo Roſen und Narciſſen,
Wo ſich tauſend Blumen kuͤſſen,
Immer eine ſchoͤner, als die andre:
So ift Daphnens blühend Herz,
Doll Empfindung, Zärtlichkeit, und Che;
Eine Tugend kuͤßt die andre.
Kk 2 Daphne.
516
Daphne,
Ich bin nicht fo fchön, wie andre Mädchen,
Meine Hcerd ift auch nur Flein:
Aber zärtlih bin ich braunes Mädchen,
Zärtlicher wird Feine Hirtinn feyn.
Philen.
Daphne, du nur reizefi mich vor allen)
Durch) dieß Auge, das nur Liebe blickt,
Durch dieß Lächeln, das fo mild entzückt,
Durch die Seele, die dich ſchmuͤckt,
Daphne, wirft du ewig mir gefallen!
| Hymne
s17
Hymne
en den May,
Philen und Daphne.
Philen.
er du aus Roſenlauben
Dein blühend Haupt erhebſt, .
In Beilchenthau dich badcft,
Auf Nelkendüften ſchwebſt:
Schönfter unter den Mayen?!
Erfigebohrner des Lenzes!
Gib Einen deiner Kränze mir!
Daphne.
In deinen Myrthenhaynen
Laß unter deinen Fuͤſſen
Den ſchoͤnſten deiner Kraͤnze,
Du junger May, entſprieſſen!
Ihn unverwelklich
Um meine Stirne bluͤhn
Und junge Roſen um ihn gluͤhn?“
3 Phi⸗
518 ———
Philen.
Mit allen Liebesgoͤttern
Traͤufſt du in unſer Herz.
Dann fuͤhlt es mit Entzuͤcken,
Kuß, Muthwill, Freude, Scherz,
Stille Rauſche der Liebe,
Suͤſſe Rauſche der Liebe,
Und wolluſtreichen Wonnetod—
Daphne.
Dir folgen mit Entzuͤcken,
Und Arm in Arm geſchlungen,
Vertraute ſuͤſſe Freuden,
Von Nachreu nicht verdrungen.
Verlaßt uns nimmer,
Ihr jungen Tugenden,
Ihr unſers Lenzes Grazien!
Beide.
Umkraͤnzt mit deinen Myrthen,
Jubruͤnſtig feyern wir:
Du Erſtling unſrer Wonne,
w
Dir,
+
— 519
Dir, Map, wir feyern dir!
Schönfter unter den Mayen!
Segentricfender! Schoͤuſter!
Heil, Heil, und Dank, und Wonne dir!
Sieh ung dir jährlich feyern,
Bon deinem Heil durchdrungen !
Kehr oft uns freundlich wieder,
Und ſtets von uns beſungen! -
Stets hold und freundlich,
Stets, wie du ist biſt, neu,
Stets der von uns gepriefne May!
St Zwey
520
ô A TA SZ
Zwey und zwanzigſtes Stüd.
D daß nur das groß ift, was unnachahme
bar iſt!
Zimmermann vom Nationalſtolz.
Ti bin ftolz auf die Lobfprüche, die
meine allertbeuerfien Leſer und fe:
ferinnen, befonders die Herren Kunft:
richter, den Blättern des Hnpochoen:
driften fo edelmüthig zu ertheilen belie:
ben. Das tob eines Kunftvichters ift
mir allemal, was einem fchwachen
Staate die Garantie einer groffen Puif
fance iſt; ich bin unter feinen Flügeln
fiher, daß der feharfe Zahn des Dei:
des zwar Fnirfihen, aber mich niemals
beiffen fol. Noch ſtolzer Bin ich auf
die Muͤhe, die fich viele meiner Leſer
geben, zu der Gemeinnüßigfeit des
| a5 Hypo⸗
= —
— 521
Hypochondriſten auch das ihrige benzu:
tragen. : Unter andern habe ich mich
ſehr gefreut, da ich vor einiger Zeit er:
fuhr, daß Jemand tabeilarifche Ent:
würfe über meine Blätter gemacht habe,
um die. Methode diefes Werks defto
beſſer überfehen, und mit den Shſte—
men der Profefforen vergleichen zu Fön:
nen. Ich werde ihm in dieſer Be:
fchäfftigung zuweilen huͤlfliche Hand bie;
ten, und einen Winf geben ſo oft ein
Kapitel zu Ense ift, oder ein S koͤmmt,
den man einmal brauchen Fann,
Gleichwohl, ich muß es nur geftehen,
fallen doch auch zuweilen einige Urtheile
vor, die mich Fränfen, weil ich daraus
fchlieffen muß, dag man mich nicht al-
lerdings für den aufrichtigften Schrift:
fteller halte. Noch vor kurzen, da ich
einen Beſuch bey einem nreiner Anver—
— ablegte, hoͤrte ich einen Ber.
d. ſch. W., der feit zwey Monaten von
einzig berimter ift, ohne Umfchweife
darehun, ich — unmöglich hypo—
f5 chon⸗
522
hohdrifch fenn, weil ich lachte, und
er berief fich deswegen auf die Zeng-
niffe der Aerzte, *) die des Lachens unter
| den
*) Ich dürfte zu meiner Dertheidigung
nur anführen, daß meine Hypochondrie
niemals von der ſtaͤrkſten Urt geweſen ift,
und daß ich fehon deutlich genug ange:
zeiget habe, wie felten ih damit b&
ſchwert fen: aber es iſt nicht das ein:
ziaemal, daß die Herren Aerzte fihirren.
Einer der arößten Doctoren bat eine
Erklärung diefer Krankheit gegeben, die
ic) bier den Leſern zu Gefallen, welche
mich ſchon lange um eine Erläuterung
meiner Krankheit befragt haben, weil fie
meine Schrift anfangs für ein medicinis
fches Wochenblatt hielten, mittheilen
will, die aber nichts weniger als voll:
frändig iſt, und ſich durch das Beyſpiel
vieler hypochondriſchen Perjonen wider:
legen laͤßt, welche ihre feinſten Scherze
im Parorifmus niedergefchrieben haben:
Je
ei ee ee ee a en nur
P_ EZ, -
den Symptomen der Hypochondrie nie:
mals Erwähnung thun. Dieſer Fehler,
..-
feßte
-. Je Yappelle m£lancolie hypocon-
driaque, ſagt der Doctor, pour la di-
ſtinguer des deux autres; car le ce-
lebre Galien établit doftement a fon
erdinaire trois Efpeces de cette ma-
ladie, que nous nommons melanco-
lie, ainfi appellee non feulement
par les Latins, mais encore par les
Grecs; ce: qui eft bien à remarquer
pour nötre affaire: la premiere, qui
vient du propre vice du cerveau, la
feconde, qui vient de tout le fang,
la troifieme, appellee hypocondria-
que, laquelle procede du vice de
quelque partie du bas ventre, & de
la region inferieure, mais particu-
© lierement de la ratte, dont la cha-
leur & l’inflammation porte au cer-
veau de notre malade beaucoup de
fuligines. é paiſſes & crafles, dont la
vapeur
524 | 2 se»
feste er hinzu, ift in dem gegenwaͤrtigen
Fall deſto wichtiger, weil der Verfaſſer
einen Hauptgrundſatz des Geſchmacks,
nämlich die Waͤhrſcheinlichkeit, dadurch
| | be;
vapeur noire & maligne caufe depra-
vation aux fonttions de la faculte
princeile, &'fait la maladie hypo-
eondriaque. Qu’ainli foit, pour
diagnoftique inconteftable de ce que
je dis, Vous n’avez qu’a conliderer ce
grand ferieux que Vous voyez; eette
triftefle accompagnee de crainte &
de: defiance, fignes pathognomiques
& individuels de cette maladie fi
bien marguee chez le divin vieillard
Hippoerate; cette phifiognomie, ces
yeux rouges & hagards, cette gran-
de barbe, cette habitude du corps
menue, grele, noire, & velug, les-
‚quels fignes le denotent tres-aflecte
de cette maladie, procedant du vice
des hypocondres: - laquelle maladie
| var
|
|
1
|
{
——— 525
beleidigt; zu geſchweigen, daß es un:
verzeihlich ift, erft die Würde eines
Autors durch einen fo feltfamen Cha:
rafter zu verlegen, und nachher diefen
Charakter nicht einmal behaupten zu
Fönnen, |
Fin junges verheirathetes Frauen:
zimmer nahm das Wort auf, um ihn
zu widerlegen, oder vielmehr mich auf
einer noch unendlich empfindlichern Seite
„anzugreifen. Ich weiß nicht, hub fie
- aw,..ob das Lachen von den Aerzten ver:
worfen wird , wenn jemand hypochon⸗—
driſch Fey foll; wir Frauenzimmer Föns
„nen von folchen Kranfheiten nicht ur:
theilen: das aber weiß ich gewiß, wenn
* Herr
var laps de tôms natwralifee, envieil-
lie, habituee, & ayant pris droit ds
bourgeoifie chez lui, pourroit bien de-
generer ou en manie, on en phtifie, 0%
en apoplexie, on möme en furie, phre-
nefie & fureur. (Voyez Mr. de Pou-
'geaugnac A. L. 8. 3.)
526 —
Herr Jernſtrup in ſeinem Leben nicht
hypochondriſch geweſen waͤre, ſo war er
es doch ſicher, da er Klopſtocken unter
den abgoͤttiſchen Namen Tialf und
Braga ſeinen Weihrauch ſtreute. Ein
Mann, der ſich ein Vergnuͤgen macht,
etwas zu bewundern, das nicht ge—
ſchrieben iſt, um verſtanden zu werden,
fo ein Mann --—- — man nenne ihn
wie man wolle, ich nenne ihn bypochon:
driſch. |
Schöner Mund, wollte ich mit Zit—
i
tern ausrufen, ift es möglich, daß von,
englifchen tippen folche gottſchediſche
Worte flieffen Fönnen! — —- als ich
mich gefchwind beſann, daß ich mich
verrathen würde; ich befchloß aber, nach
denn Exempel unfers groffen Lehrers
Sokrates, durch Machgeben eine fo
witzige Schöne zu überwinden,
Heben mir faß meine Eleine Nichte
am Rabnıen, und flicte.
$iebes
‘
327
Liebes Ehriftianchen, fingihen, )
mir deucht, Sie find mit ihrer Arbeit
nicht recht zufrieden ? Sie find ja ganz
eifrig geworden: Können diefe fanften
gallfreyen Herzen auch in Feuer ge—
rathen?
Chriſtianchen. O gewiß, ant:
wortete ſie, das Blatt hier macht, daß
ich alle Geduld verliere: ſchon ſeit einer
Stunde
) Ich darf wohl nicht erſt erinnern, daß
das folgende Gefpräch nicht für Kenner
gefehrieben it: Die Kenner find über
‚den Werth der Mefliade ſchon einig ge
nug, als daß man ihnen darüber etwas
neues jagen koͤnnute. Wenn man ſo
billig if, zu glauben, daß die bier be
antworteten Einwürfe wirflich noch bis
auf diefe Stunde unter uns bey den for
genannten Perfonen voa Geſchmack im
Gange find, fo glaubt man zwar etwas --
was nicht allerdings zu unferer Ehre ges
reicht, was aber meinen Vorfag , fie zu
beantivorten, vechtfirtigen kann. 1762.
528 Sn nn
Gtunde verfehle ich die Natur, und
noch ift mir Fein einziger Stich gelun—
gen.
Jernſtrup. Wenn das ift, fo find
Sie mit einer ſehr undanfbaren Arbeit
befchäfftige: denn ich glaube fchwerlich,
dag man Ihnen ein groffes Versienft
daraus machen würde, wenn Sie auch
feinen einzigen Sehler gemacht hätten,
Ich wenigftens würde die vollfommenz
fte Sticferey von der Welt ſehr kaltſin⸗
nig aus der Hand legen.
Ehrift. Kein Wunder! Gie haben
fich vermutblich niemals die Mühe ge
geben, die Vollkommenheit, deren eis
ne Stideren fähig ift, zu unterfuchen.
Wenn Sie aber einige Aufmerffamfeit
auf die Nündung, die freye Zeichnung,
die Gleichheit des Stiches, auf die
fommetrifchen und abftechenden Schöns
beiten, auf die Simplieitär der Figus
ten, auf ihre befcheidene Verzierung,
auf die Schwierigfeiten, alles diefes
mit der Madel bervorzubringen, ge
wandte
529
wandt hätten: fo würden Sie vielleicht
weniger. flüchtig darüber hinwegſehen.
Und doc würden Sie nod) immer eis
nen ſehr unvollfiändigen Begriff davon
haben, fo lange fie nicht felbft Hand
angelegt hätten: glauben Sie mir das
auf mein Wort.
Jernſtr. Wie? Eie wollen mit
folche weitläuftige Unterſuchungen zu=
muthen, um eine Stifferey fchön zu
finden? |
Ehrif. Warum nicht? Go bald
es Schönheiten find! Haben Sie mir
nicht felbft .gefagt, man müffe Schön;
heiten verglichen, über Schönheiten
nachgedacht, und ſelbſt Verſuche ange:
ftelle haben, wenn man ein Urtheil da:
von fällen wollte?
Jernſtr. (halb leife) Loſes Maͤd⸗
chen! Sie ſagen da etwas, was Ma:
dame uͤbel nehmen koͤnnte. (laut) Ich
wollte wohl wetten, Madame, daß
Sie ganz anderer Meynung ſind, als
Chriſtianchen. Nicht?
‚Der Hypoch. 2. T. 1 Ma—
339
Madame, Keinesweges! Es geht
darinn, wie mit der Muſik. Die fein
ften Reizungen erfodern ein erfahrnes,
gelehrtes Ohr, und ein Unwifjender
wird lauter Mistöne bören, wo der
Kenner in Entzücken geräth. Freylich
muß man Schönheiten verglichen und
darüber nachgedacht haben, wenn man
davon urtheilen will,
Jernſtr. Das ift mir leid; denn
auf die Art hat Klopftock fchon halb ge:
wonnen, wenn fo viele Umftände nor
thig find. Erinnern Sie fih, Madam,
was Sie furz vorher ſagten.
Mad. Ich erinnere mic) deffen fehr
wohl; der Fall ift aber verändert: denn
wenn man fehreibt, fo muß man die
Adficht haben, verflanden zu werden,
fonft bat man umfonft gefchrieben.
Jernſtr. Verzeihen Sie mir, daß
daß ich Ihnen miderfprede, Wozu
denn die feinen Schönheiten der Sticfe
rey, und der Mufif, wenn man vor:
aus weiß, dag nur wenige etwas das
| von
— 531
von verſtehen? (Ich ſteckte mich mit
Vorſatz hinter eine kleine Zweydeutig⸗
keit, um deſto geſchwinder zum Zweck
zu kommen.) Wir koͤnnen immer ver
muthen, daß der Fehler vielleicht an
uns ſelbſt liege, und daß hundert ande—
re dasjenige hoͤchſt verſtaͤndlich und
ſchoͤn finden, was uns lauter Chaos
und Dunkelheit ſcheint. Sie werden
mir einraͤumen, daß ein ieder Skribent
in der Welt ſeine verhaͤltnißmaͤßige
Dunkelheit und Deutlichkeit habe, und
Sie werden mir kein einziges Buch nen⸗
nen Fönnen, was nicht für irgend eine
Gattung von Menfchen unverfiändlich
feyn follte, Wie vielmehr müffen wie
diefes alfo von folden Werfen behaups
ten, die ihre Züge aus einer ganz ans
dern Reibe der Dinge hernehmen, als
wir um uns her fehen, und eine Phan-
tafte voraus feßen, die fich in eine jede
Welt fchickt. |
Mad. Gewiß Sie werden mir nicht
zutrauen, daß ich von einer folchen Art
— N2 der
532 PIE
‚der Deutlichfeit rede: ich müßte ja aus
einem Dichter einen profaifchen Dleimer
machen, alle malerifche Ausdrücke, my:
tholegifche und Biftorifche Anfpielungen,
kurz, alle fehöne Ideen aus der Dicht:
kunſt verbannen wollen. Dein, mein
Herr, dasift es nicht; ich will aber,
dag man Feine Dunkelheit affeftiren,
und, wo man Fann, eben fo deutlich
amd verftändlich fehreiben foll, als Gel:
lert. Denn wenn es auch ausgemacht
wäre, daß dasjenige wirflich erbaben
und groß ift, was ic) ungeheuer, duns
fel und wiederfinnig nenne; fo wird
mir doch niemand übel nehmen Fönnen,
daß ich zu meinem Dergnügen — und
zum Vergnügen ift ja die Dichtkunft
eben befiimmt, — lieber etwas faßli-
ches, leichtes, angenehmes leſe, als
etwas, das mir Kopficämerzen macht,
wenn ich darüber, nachdenfen foll. Das
heißt das Vergnügen ein wenig theuer
erfaufen, wenn man ganz twohlfeil,
wo alie Koſten, dazu gelangen Fönnte,
Jernſtr.
ZJernſtr. Sie haben fo mancherley
vortreffliche Einfichten, daß ich Ihnen
nicht erft erklären darf, in wie viele Gat⸗
tungen fich die Dichtkunft eintheilen läge,
und welche Sprache einer ieden davon
zugehoͤrt. Die äfopifche Fabel erlaube
fich gar eine Kühnheit im Ausdrucke,
weil fie blos unterrichten will; die lyri⸗
fche Poefie‘, die Tragödie, die Epopee
nehmen die flärkfftien Farben an, die
man ihnen nur geben will, denn fie
find für die Phantafie, die Empfin:
dung, und die Leidenfchaften beftimmt,
welche fih durch eine ganz andere Art
des Ausbruckes Auffern, als der bloffe
Berftand, — Auf Ihren zweyten Punkt
läßt fich freylich nichts antworten. Herr
Klopſtock ſelbſt ift, befanntermaffen,
fo galant, daß er Sie recht fehr bitten
würde, ihn nicht zu Iefen, fo bald er
Ihnen die geringfte Befchwerde im Ko:
pfe machte. Nur wäre noch die Frage,
ob Sie bey einem ernfikaften Verſuche
nicht gerade das Gegentheil empfinden,
163 und
534
und anftatt des erwarteten Verdruſſes
ein überaus lebhaftes und edles Ver:
gnügen geniefjen würden, ein Vergnuͤ—⸗
gen, um welches hundert Damen Gie
beneiden würden, wenn es nicht allzu
wahr wäre, daß nur wenige Seelen
defjelben fähig find, und der größte Haus
fe den Mangel diefes Bergnügens ganz
gleichgültig zu ertragen weiß -— weil
er es. nie gefchmeckt hat. --- Das Ber:
gnügen überhaupt ift Feine Sache, die
fih durch Gründe erzwingen läßt; es
koͤmmt vieles auf die Lage der Geele an.
Und Sie felbft, Madam, würden es
ohne. Zweifel für überflüßig halten,
Semanden zur $efung der Gellertſchen
Fabeln aufzumuntern;, der fich unge:
ſchickt fühlte, fie mit Vergnuͤgen zu le
fen, Wenn Semand mir fagt, daß er
mehr Vergnügen an der Geſchichte des
Lanwell, als an der Gefchichte des So:
nes, findet, fo ziebe ich mich zuruͤck:
denn wozu wuͤrde mirs helfen, ibm etz
was ins Ohr zu ſchreyen, was er nicht
hoͤren
335
hören Fann. — Sch denfe aber, ich
falle Ihnen mit meinem Geſchwaͤtze be
ſchwerlich.
Mad. Glauben Sie ja nicht, daß
ich Sie ſo fahren laſſe. Wir ſind noch
lange nicht aus einander, und Sie muͤſ—
fen nicht erwarten, daß ich Ihnen fchon
gewonnen gebe, — Was Sie bisher
gejagt haben, beweifet weiter nichts,
als daß ich Gellert in diefem Fall nicht
hätte anführen follen: aber wie? wenn
ich mich auf Boltären berufe? Sie wer:
den doch nicht läugnen, dag Voltaire
ein Genie ift, das mit groffem Ruhme
in dem Felde der Epopee gearbeitet bat,
und daß er dem ungeachtet felbft für
uns Frauenzimmer ungemein verftänd:
lich iſt?
Jernſtre Mit andern Worten, Ma:
dam, daß Voltaͤre, ungeachtet aller
Anſtrengung feines Genies, noch im:
mer ein Franzos bleibt. Freylich! wenn
blos die Sranzefen den Streit entfchei=
den follen, wenn weder die alten, noch
814 die
536
die befjern neuern Dichter in Anſpruch
fommen dürfen, wenn auf den Unter⸗
fchied der Sprachen, der Denfungsart,
des Nationalcharakters gar nicht aeachz
tet werden foll: fo haben Sie Recht,
und ich darf Fein Wort mehr verlieren,
Ich erfuche fie nur um die Gefälligfeit,
mir das einzuräumen, was die fharfs
finnisften Franzoſen felbft geftehen,
nämlich, daß ihre Sprache fo unbieg:
fan und eigenfinnig, fo gedrechfelt, To
eingefchranft iſt, daß ihre Poeſie fich
blos deswegen nicht halb zu der Höhe
ſchwingen kann, zu der fie bey den AL:
ten, den Engländern, und einigen un:
ter uns gelangt iſt. Daher dürfen wir
bey ihnen Feine andere Meifterfiücke fu:
chen, als in den Werken des eigentlich
fo aenannten Wißes: fo bald fie die
wahre Sprache der Natur in leiden:
fchaften und malerifchen Zügen treffen
follen, fo fühlen fie ihre Feflel, und
bleiben weit hinter ihren Nachbarn
zuruͤck. Ueberdem fehlt ihnen die anz
. halten⸗
937
haltende Aufmerffamfeit auf die innern
Bewegungen der Natur, und wenn fie
von ohngefaͤht auf einen neuen und ebd-
len Zug gerathen „fo mwifjen fie ihn doch
felten zu vollenden. Sch berufe mich
auf einen ieden, der mit der englifchen
Poeſie bekannt ift, ob Voltaͤre, ver
fühnfte und vortrefflichfte Dichter unter
den Franzofen, auch nur einigermaaſ—
fen den edlen Nachdruck, die erhabne
Gröffe und Tiefe der Gedanken, hat
erreichen Fönnen, welche man, ich will
nicht fagen im Spenſer, Shakeſpeare
und Milton, (der Abfland wäre zu
unermeßlih) fondern blos im Addifon
und Dove findet. Und wer verehret
den Addiſon und: Pope mehr, als Bol:
täre ſelbſt? Sch darf Sie überhaupt
nur auf Voltaͤrs eignes Geftändnig zu:
ruͤckfuͤhren, um Ihnen darzutbun, daß
andere Nationen in einigen Gattungen
der Dichtkunft groffe Vorzüge vor! den
Sranzofen befigen, Borzüge, deren Vol:
taͤre bey feinem Aufenthalt in England
:l5 feine
338 —
ſeine Mutterſprache faͤhig zu machen
ſuchte, ob er gleich mit Aergerniß be—
kennet, daß es ihm nicht hat gelingen
wollen.
Mad. Sch erinnere mich diefer Stel:
len; ich febe aber nicht, was fie daraus
auf Klopſtocks Heldengedicht fchlieffen
wollen.
Jernſtr. Diefes, dag Boltärs Hen:
riade durchaus zu feinem Mufter ange
führt werden fann, wenn man fie mit
andern beſſern Werken vergleicht.
Mad. Beſſern! beffern! — Haben
wir denn ſchon zugegeben, daß die Klop:
ftockiade ein befferes Werk ift? Affektirt
er nicht, mie ich fchon vorher faate, ſei—
ne mehr als cimnierifche Finſterniß?
Kernfir. Bey Leibe nicht! Was
Sie Affektation nennen,» ift die grofje
Gabe, Licht und Schatten zu rechter
Zeit und auf die gehörigen Öegenfrände
zu vertheilen, eine Gabe, die Spen—
fern, dem erhabnen Geifte, der nebft
Chaucern faft allein das Genie des Sha:
feipea:
rn 539
keſpeare bildete, gefehlt bat, die" Taf;
fo und nicht felten auch Arioft ‚mitten
in dem Daterlande der. Malerey ver:
mißte, und die unter den Alten viel:
leicht nur Birgil, wiewohl einer
weit geringern Fruchtbarkeit des
Genies, vollfommen befaß. Dicht alle
Gegenftände müfjen in gleichem Lichte
ſtrahlen: fo wie fie fih aus unjerm Ge:
fichtsfreife allmäblig verlieren, oder eis
ne andere Stellung gegen uns annch:
men, oder dem Auge befchwerlich fallen,
verhülfen fie fich in eine fanfte Woͤl—⸗
fung, oder in ein dickes Gewoͤlk.
Sort ift ein Wefen, das von unferer
Einbildungsfraft wenig oder gar
nicht erfannt wird; der Dichter hütet
fich alfo , in feiner heiligen Begeiſterung
einen Fühnen Zug zu wagen, oder ihn
zu fehr in der Nähe zu zeigen; er be
dient fich des mäßigen Lichts, was die
heil. Schrift felbft auf den größten aller
Gegenftände ſtreut, und läßt das übri:
ge in feyerlichem Dunkel prangen. Der
Me:
5409 ner sen
Meffias wird uns fchon in manniafalti:
gen Erfeuchtungen, der Offenbarung
gemäß, vorgeſtellt, und mußte es, als
die Hauptfigur im Vorgrunde (wenn
ich mich anders fo nittoreff ausdrüden
darf,) fern. Engel und Geifter find
nicht unmittelbar der Vorwurf der He
ligion; fie eröffnen olfo dem Verftande
ein weites Feld, fie in den beften Der:
Gältnifjen gegen die Geifter von niedes
rer Drönung, die Dienfchen, mit allem
Reichthume einer durch die Dffenba=
rung felbft geleiteten Phantaſie, bald
fichthell, bald umfchattet, abzubilden,
ie nachdem ihr Einfluß auf die Hand:
fung mehr oder weniger merklich ſeyn
folfte. Zu diefem Ende bietet der Dich:
ter alle Kräfte der heiligen Affegorie,
der voetifchen Malerey, und der gerei:
nigten Üeltweisheit auf, Was Fonnte
er gröffers thun ? |
Mad. Sch geftehe es, diefe Unmer:
fung ift wichtig: aber feine Sprade!
feine Sprache! --- D weh! bat er uns
nicht
——— 541
nicht eine Sprache gebaut, von der vor
ihm fein Deutfcher wußte, und die
noch. itzt dem größten Theile der Na—
‚tion laͤcherlich vorkommt! — |
Jernſtr. Wie? wenn ich Sienber
——— daß er eben durch ſeinen
Sprachbau, wie Sie es zu nennen be:
Tieben, die größten Verdienſte un uns
beißt, und daß wir, mit Ihrer Erlaub⸗
niß, ein wenig undankbar bandeln, die;
= nicht zu erkennen?
Mad. Das: möchte ich hören! --
Jernſtr. Ich weiß nicht, ob Sie es
der Mübe werth gehalten. haben, die
‚Streitigfeiten, die vor etwa zwanzig
Jahren unter unſern Sprachkuͤnſtlern
und Kritikern entſtanden ſind, kennen
zu lernen. Sie verlieren wenigſtens
nicht viel daran, wenn Sie ſie nicht
kennen. Nur das wuͤrden ſie vielleicht
anmerken, daß ſich nach allen dieſen
Streitigkeiten unvermerkt eine gewiſſe
franzoͤſiſche Hengftlichkeit im Yussruce
seingefchlichen ‚hatte, welche dem Origi⸗
nal;
542 ee
nalgeifte durchaus zuwider war, und
ums auch in der That das Anſehen fran:
zöfifcher Machahmer gab. Klopſtock
fuchte fich eine eigne Bahn auf, Er
bereicherte fein groffes Genie mit der
Kenntniß feiner Mutterſprache, ihrer
Bildfamfeit, ihres Reichthums, ihres
verfannten Nachdrucks, Furz alles def:
fen, was fie weit über die meiften an:
dern Sprachen erhebt. Zugleich er:
Fannte er die Mängel unfers monotonis
fehen Opißifchen Verſes, und entiwandte
der griechifchen Profodie ihren Hexa—
meter, der einem wohleingerichteten und
mufikalifchen Obre unter allen am be:
fien angemefjen ift, Hier war es aller:
dings fehr natürlich, dag die Neuerun—
gen eines unbefannten Mannes ein
groffes Geſchrey veranlaffen würden;
Stolz und Vorurtheil mifchten fich
gleichfalls ein; Klopſtock war ein
Sprachverderber, ein Schwärmer. -—
Man hatte ihm das Schickfal ſchon
geweiſſagt. Herr Dr, dem, er in
I.
nase ae 543
& einige "Stellen aus feiner Meffiade
vorlag, rief aus: o das iſt vortreflich!
nur fürchte ich fehr, dag man Ihre
Sprache nicht verftehen wird; -—- Sch
werde alfo, verfeßte Klopſtock ganz Falt-
finnig, fo viel hineinlegen muͤſſen, daß
man genöthiger fey, fie verſtehen zu lers
nen: eine Antwort, die eines fo groffen
Geiftes würdig ift. ---- Er bat fi
auch, dieſem Entfchluffe gemäß, von
jeher fehr rubig dabey verhalten, und
das Dergnügen gehabt, die beften
Schriftſteller unferer Nation feine $ob:
redner zu fehen, obzwar nicht ohne den
Verdruß, von unzähligen ſchlechten
Köpfen in allen Gattungen der Dicht:
Eunft mit ungleichem Erfolg nachgeab:
met zu werden, indem fie, fehr unver:
nünftig, dasjenige auf ihre ganz ver;
Tchiedenen Arbeiten anzuwenden fuchten,
was nur hierder Diaterie und der Gröffe
des Gegenftandes geziemte, und übers
dem Fein einziges von den Talenten bes
ſaſſen, die ein Driginal bilden. Die
| deutſche
544 —
deutfche Sprache felbfi aber gewann das
bey. Was vorher fremd fchien, ward,
da man aud) anfing, Luthers Sprache
zu fludiren, für gut und untadelhaft
erkannt, und wir wuͤrden in diefer A
ficht vielleicht nicht halb fo viele Drigi:
nal:Sfribenten haben, als wir ißt um:
leugbar, befonders unter den profaifchen,
aufweifes können, wenn Klopſtock nicht
feinen Einfluß auf fie gehabt hätte.
Sch frage Sie alfo,; Madam, ob ein
Dichter, der in jeder Abficht fo viel
Aufmerkſamkeit verdient, nicht billig
von einer fo ſchoͤnen Geele, mie die
Ihrige iſt, vorläufig einige genaue ln:
terfuhung erwarten kann, che Gie
einen Wusfpruch wagen, wie jener wat,
Eins befremdet mich.
Mad. Und was?
Jernſtr. Daß Sie Klopſtocken die
Heiligkeit ſeiner Materie nicht zur Laſt
legen, derentwegen ihn einige zum Se:
Ger, und andere zum Schwärmer ma-
chen wollen, |
Mad.
Mad: Ih? ich müßte nicht,
warum? Er ıft ja nicht der einzige, der
heilige Öegenftände gewählt bat; die
Dichtkunſt kann auf Feine würdigere
Art angewandt werden, als wenn fie
fromme und gute Empfindungen in uns
hervorbringt, das, deucht mir, iſt aus
genfcheinlich; ob ich gleich deswegen
die fcherzbafte Poeſie für ſehr unfchul:
dig erkenne.
Ferner. Aber die Erdichtungen, die
er eingeflochten bat -—-
Mad. Sch merke, mein Herr, daß
Eie. mich fchon für ein verächtliches
Srauenzimmer balten, da Gie mir
folhe Einwürfe zutrauen. Wenn er
in feinen Erdichtungen, wie Sie vor
ber fagten, die heilige Schrift felbft
und die vernünftigfien Muthmaſſungen
unfrer Öottesgelebrten zum runde
legt, fo ſehe ich nicht ein, wie er dadurch
der Ehre Gottes etwas entziehen Fönne,
befonders, da er Erdichtung als Dich:
ser nur für Erdichtung ausgiebt,
Der Hypoch. 2.T. Mm Serns
Jernſtr. Und alfo mit Necht'von
uns fordern kann, daß wir Wahrheit
der Fiction nicht mit dogmatifcher Wahr;
heit verwechfeln follen, wie wir uns ja
felbft täglich dergleichen Fiction vorbil:
den, wenn wir uns mit der Dhantafie
eine Idee von bimmlifchen Dingen
machen, die fich auf Steilender Schrift
gründet, Kein Dichter, ich darf es
ficher behaupten, hat die Würde feinet
Materie beffer gekannt, und. auf eine
fo erhabne, fo anftändige Weiſe Hear:
beitet, als Klopſtock. In diefer Be:
ziehung verliert fih Milton gänzlich vor
ihm; und, um fich einen Begriff von
der Gröffe feiner Ideen in Abficht auf
die Majeftät und Heiligkeit Gottes zu
machen, darf man nur feine Kritifüber
einige Gemälde Raphaels im Nordi—
fchen Auffeher gelefen haben. Die
Meſſiade ift voll der ungemeinften Ge:
mälde; hierinn ift er unnachahmlich ;
diejenigen, die etwas ähnliches verfucht
haben, haben uns Carricatur gegen die
Klop⸗
—— 547
Klopſtockiſche Malerey geliefert. Einer
meiner Freunde pflegt zu ſagen, daß er
Frankreich uͤber nichts ſo ſehr beneide,
als uͤber den Eifer, die Gemaͤlde der
Dichter durch Pinſel und Grabſtichel
zu verherrlichen. Um einen Raphael
oder Giuglio Romano unter uns ber:
vorzubringen, fagt er, dürfte man nur
die mancherley Gemälde der Meffiade
in eine Öallerie bringen; ) der Dichter
hat faſt alle Züne vollendet; und der
Maler würde fich verewigen, wenn er
nur ein treuer Nachahmer wäre.
*) Die berühmte deutſche Malerinn An:
gelika in London hat ſchon wirklich einen
Anfang gemacht. Mas übrigens den
Vorſchlag felbft betrifft; fo iſt er nur
unter derjenigen Einſchraͤnkung zu verfies
hen, die mit groſſem Scharffinn von
Herrn Lefiing im Laokoon ©. 119. f.
angegeben und fehr genau — wor⸗
den. 1770. “
Mm a2 Drey
548
EHE EEE BEE TE RE RE NZ
* Drey und zwanzigftes Stüd.
--- --- . prope diflentire videntur
Pofcentes vario multum dinerfa palato.
Quid dem? quid non dem?
HOR.
Das Wechfellied der Sungfrauen.
Tauſend ſchlug Saul.
a, wo Araloth ſtolz empor ſchwillt, ein
Traubengebirge
Ueber Gilgal, (es zeigt da die Stadt ihr la—
chendes Antlitz
Ganz; an der oͤſtlichen Seit', in der Ferne,
durchrauſchet der Jordan
Luſtiges fruchtbares Land, und Palmenwaͤlder
verbreiten;
Abend:
— 549
Abendwaͤrts, ſich bis nach Jericho hin) hier
kamen vertranlich
Hagith und Egla, ſo nennt die Geſchichte
zwey Maͤdchen aus Gilgal,
Liebliche Maͤdchen, geſchickt zu ſingen, die
Laute zu ſpielen;
Dieſe kamen, die Laut in der Hand, am Huͤ⸗
gel zufammen.
Denn ist Echrete Saul und David in hohem
Triumphe
Wieder vom Schlachtfeld zuruͤck ‚vom Eich—
thal, — der Araloth fuͤhrte
Su das Eichthal, — allwo die Gathiter bey
Tauſenden lagen,
Und der Rieſe von Gath: da wollten die
Maͤdchen den Juͤngling,
Welcher den Rieſen bezwang, mit Lied und
Saytenſpiel ehren.
Freuſt du, Geliebte, dich auch, rief Hagith,
daß nun der Empörer
Liegt? der Schreckliche! Ha! nun hat er zu
troßen vergeflen.
Aber der Küngling? — it der nicht Alfen
| ein Wunder? --- Er ift es,
Mm 3 Sprad
580 —
Sprach mit fanften Accent die Audr', und
glühender wurde
Schnell die Hofe der Pracht in ihrem Ge:
ſichte! (verſchaͤmte
Liebe zeugte die Gluth; ſchon lange hatte des
Maͤdchens
Buſen der Liebe geklopft, doch Ren ; der
edelſten Liebe
Gegen David: allein noch wagte fie vor der
Geipielinn
Kein Geftändnif, fie zwang fich, fo siel es die
Funfifofe Seele
Litt, nnentflammt zu ſcheinen: doch blieb noch
ſchmachtendes Laͤcheln,
Da von der Liebe geformt, im holden blaͤuli⸗
chen Auge, .
Unauslöfchbar, zurück! ---) Ich Fomme,
Freundinn, fuhr Egla
Fort, dem Züngling Triumph, dem Könige
Wonfe zu fpielen. .
Hagith.
Ja, wir wollen den Held begruͤſſen, — er lies
bet Geſaͤnge, ——
Mit
ee | 551
Mit werdientem Geſaug ‚- und — ah, wie
Eräuft mid) es, Eala,
Dabichnicht: Mann bin! nichtin die Feinde mit
nervigtem Arme
Furchtlos zu Hürzen vermag ! — ein maͤnnlicher
Helm auf dem Daupte
Waͤr mir ein herrlicher Schmuck! und der
blinfende Speer, und die Tartfehr !--
Oder fol ich. als Weib! ---"mein Rahıe
no. wirde wie Jaels
Name den Enkeln befaunt — fie ließ ihn um:
ter dem Mantel
Sanft entſchlummern, und ſchlug ihn, durch;
bohrte Siſſeras Schädel.
Aber wohlan! von den Kriegern ein Lied!
wohlan, bis der König
und ver Tapfere komme! ein Lied von den
Helden , Geliebte.
Itzt ertoͤnte Die Lauf, und die Quellen
horchten ven Wohlklang
Ihres Liedes, der Hall an den Wänden Arc:
loths ahmte
Lange dem Saitenfpiet nach? — Und nicht
unbelohnt fangen die Mädchen
Mm4 Da:
552 ——
Davids begluͤckten Triumph: ſie wurden, ſo
wollt es das Schickſal,
Davids Gattinnen noch: — Sie fangen ger
"gen einander:
— ———
Hagith.
Tauſend ſchlug Saul, und Triumph! und Tri—
umph! zehntauſend ſchlug David.
Lieblich iſt Davids Geſang, ſein Harfenſpiel
ſuͤſſer als Honig:
Aber, ihr Voͤlker, ſein Arm — ſein Arm iſt
das Schrecken der Helden.
Egla.
Schallet, ihr Sayhten, dem Sohn Iſai, dem
edelften Füngling.
Frieden gab er dir, Land, dem Könige Leben
und Wonne,
David mit bräunlicher Wang’, und ſchoͤnem
Auge, der Schönfte
Seiner Brüder dem Herrn, wie das Fette vom
Opfer, geheiligt.
rar Hagith.
a 1553
Hagith.
Tauſend ſchlug Saul, and Triumph! amd Tri⸗
umphzehntauſend ſchlug David,
Wer iſt ſtaͤrker, als er ? wer ſcherzet mit Loͤwen,
als jungen
Boͤcken? wer ſcherzt mit dem Baͤr, als einem
—— Lamme?
Behr RAR
Schallet, ihr Sayten, dem Sohn Iſai, dem
edelften Juͤngling.
‚Er ift mein Stolz und mein Lied, vor Tas
ſenden iſt er gefällia,
Leicht wie der Adler und ſchnell wie der Hirfch
— den Hoͤhen Gilboa.
Hagith.
Aufgethan wurde der Schatz Jehovens, ein
Pfeil aus dem Koͤcher
Des Allmaͤchtigen biſt du, du tapferſter unter
den Streitern.
u
FMm5E" Egli.
554 —
Egla.
Si ehr im Eichthale ‚geht, den. Weg nach
nl Efron und Socde, ı
* ein praͤchtiges Roß da reitet) frohlockt
da gen Himmel!
Haltet da flill, uud ſagt: die Verlaßnen in
| Iſrael ſiegten
Ueber Gewaltige, hier bezwang David den
brullenden Krieger.
Hagith.
Sprach er, ſo ſchauderten Ko und Neufer,
die Stimme des Donners
Schmettert nicht anders ins Meer , esihenlte
das Waller im Eichthal,
Und die serriff ene Luft erbebte: doch bebte
nicht Daotd
Keinem entfalle der Muth), ihr Maͤnner
von Iſrael, keinem
Wegen des Trotzigen, ich, ich ſchlag ihn
< im Namen Jebova. #
ag 2 Hagith.
ae:
SRTTAL.
„5
HER
555
Hagith
Goliath ſtampfte den Bera! I“ ein ſuͤſer,
Sue laͤchelnder Knabe! —
uw Slucht, ihr Mämer von ‚Sat, flucht mei⸗
nem Geſtirne — mit Stecken
“ Kömmt er, als wär ich ein Hund! --- 9 Das
gon! ich gebe den Voͤgeln
* Unter d dem Himmel ‚ein Fleiſch! und ſeinen
Vamen dei Winden —“
"Egli a
Abere er fiel, und vergaß, dem lädelnden Kna⸗
ben zu ſchaden.
A Hoegith. |
Alſo gerberfiet” ein Fels, Eracht nieder, und
fuͤlet ein Thal aus, ,
Mit der S Shlender fraf er ihn (darf, er fehlen.
‚dert ihm Kicheln,,
Aus dem Bach auf die Stirn, und ſchleu⸗
derte Tod auf dig, Stirme. —
m; X, ses *
mo Egla.
! Egla.
Alſo zerberſtet ein Fels: noch liegt er im Eid):
thal, wie Sturmwind
Brauſts in den Hoͤhlen umher, als er fiel, in
Araloths Krümmen.
..Hagith.
Tauſend fchlug Saul, und Triumph! und Tri⸗
umph! zehntauſend ſchlug David,
Rieſe, was half dir der Helm? was half dir
der ſchreckliche Panzer,
Und die Ceder des Hayns, zum Schafte des
Spieſſes gehauen? i
Egla.
Schallet, ihr Sayten, dem Sohn Iſai, dem
edelſten Juͤngling.
Wollteſt du deinen Stuhl doch „Verwegner,
über die Sterne
Gottes erhöhen, und in den Himmel fieigen:
du ſtuͤrzteſt |
Aber vom Himmel berab zur Hölle, zur un:
ferien Hölle.
Hagith.
— 557
J Hagith.
Und ſie erſchrack, als er kam, die Hoͤlle mit
ihren Bewohnern ;
Augenblicke zwar nur! dann traten ſchleunig
die kuͤhnſten
Ihrer Sklaven hervor, die Erobrer fonft wa⸗
ven, und riefen
Lachend: auch du bifi wie wir sefchlagen! _
o Wolluſt! o Wolluſt!
Siehe, du wardſt in die Hoͤlle geſtuͤrzt, o
Wolluſt! o en
' Egla.
Heil uns! dem Juͤnglinge Heil! er ſchlug den
Rieſen, die Starken
Werden der Jungfrauen Spott, den Nacken
unter der Ferſe
Iſraels: Cymbel ertoͤn', ertöne nur, Sayten⸗
tenſpiel, wieder.
Hagith.
Hille fiehn fi te zuruͤck, die Berzagten, fie waren
durch Einen
Weg
558 —
Weg gekommen, itzt fliehn ſie durch ſieben
ſchimpfliche Wege.
Egla.
Feyert den kommenden Held! Triumph dem
Beſten! er ſchuͤtzet
Land, dich ſchuͤtzt er für Schmach, und Iſraels
Toͤchter für Schande. |
Hagith.
Gürte des Trogigen Schwerdt an deine Seite,
du Sieger.
Egla,
Bringt, ihr Töchter des Volks, bringt David,
‚dem Helden, Geſchenke.
Hagith.
Tauſend ſchlug Saul, und Triumph! und Tri—
umph! zehntaufend ſchlug David.
Jauch⸗
— 55
Jauchzet, und ſpielet fein Lob, er wird noch
König ich ſehe,
Lander keimen dereinſt vor David und füfen
„(rin Zepter.
gta,
Schallet, ihr Saytendem Sohn Fiat, dem
edelſten Juͤngling.
Koͤſtlich kleidet er dann uns in Scharlach, in
flammenden Purpur.
Giebt uns Perlen und Gold, ſchmuͤckt alle
Jungfrauen koͤſtlich. *)
Hagith.
) Rothe Kleidung, und insbeſondere Pur⸗
pur, war vor Zeiten eigentlich nur eine koͤ⸗
nigliche Tracht; die juͤdiſchen Koͤnige erlaub⸗
ten aber bisweilen aus beſonderer Gnade
den Frauenzimmern, dergleichen zu tragen.
Daher bemerkt es David 2 Sam. 1, 24.
als eine Art koͤniglicher Freygebigkeit, da er
von Saul meldet, er habe das xFtauenrim⸗
mer prächtig gekleidet.
560: zn
Hagith.
Laß uns des Goͤttlichen Haupt mit duftenden
Roſen bekraͤnzen,
Laß uns, Egla, den Pfad, den er wandelt, mit
Palmen beſtreuen.
Egla.
daß ung am ſilbernen Bach' ihm, Hagith, taäg⸗
lich Geſaͤnge
Spielen in rothem Gewand, mit langen’ ges,
flochtenen Haaren.
Vier⸗
501
ee
Bier und zwanzigftes Stuͤck.
Tradam proteruis in mare Criticum
Ventis -- —
HORAT.
WEITEN DIENTE
— — — —
Zacharias Jernſtrup
an Deren Roſe.
mein befter Herr Roſe! Taffen
Sie mich meinen Kummer in Ih—
ven freundfchaftlichen Schooß ausfchüt:
ten! Nie ift ein Autor gefränft wor:
den, wie hr Sernftrup! Haben Sie
je dergleichen gehört ? ch laſſe vorige
Woche ein Paar Kunftrichter aus * *,
ſo ein Paar von denen, die man ihrer
feltenen Scioppifchen und Scaligerfchen
Gemüthsgaben halber, Hyperkritiker
Deraypoh.2.T., Mm nennt,
562 — —
nennt, nach Jernſtruphof kommen, mich
mit ihnen uͤber die neue Ausgabe des
Hypechondriſten, worauf das Publi—
kum ungeduldig iſt, zu berathſchlagen.
Die groͤßte Gefaͤlligkeit, ſagte ich alle—
goriſch, die Sie mir erweiſen koͤnnen,
meine Herren, iſt, wenn Sie jedes
Stuͤck mit verbundnen Augen, die
Waage in der einen, das hölzerne
Schwert in der andern Hand, nach den
neueften Grundfüßen, ſtrenge, gruͤnd—
Sich und fpashaft befunftrichtern, --
” Sorgen Gie hiht, war die Ant;
“ wort, dafür find wir amtspflich
"tig, -- Hier dieß Stück muß weg- =
“ Yus diefem Cdarfich mir eine Scheere
” ausbitten?) wollen wir, mit Ihrer
“Erlaubniß, vier oder fünf Blätter
-* hen beräusfchneiden --- Da ift ein.
“ halber Bogen, abfcheulih! --= da,
"noch einer, unerkiäglich! —- Hier
“ eine Predigt: weg mit der Predigt —
O da! noch einmal die Scheere ber,
“wenn ich bitten darf — ” Sänger
— konnt
nn 563
konnt ichs nicht aushalten. Scheeren
Sie mir in mein Eingeweide hinein,
vief ich wehmuͤthig aus, aber um der
Mufen willen! fchonen Sie meiner
Blätter! Es ift wahr, und wie Fönnt
es Ihrer Bedugung entwifchen? jenes
Stuͤck bat ein etwas jugendliches An:
feben! man fießt aber doch, deucht mir,
eben daraus, daß ich früh angefangen
babe, über den Patriotismus nachzu⸗
denken — ” Herr von Jernſtrup, wenn
” Sie das Stuͤck benbehalten, ſo ge:
” ben Sie Acht, was die Journale
’* fprechen werden “ --- ch zitterte,
AH! Die Journale ! “ Wir fagen es
Ihnen vorher; wir fihd dann uns
»ſchuldig an den Folgen --- Aber
fönnte nicht wenigftens diefe tragifche
Erzäblung? --- Unmöglih! Haben
“ Sie nicht gelefen, was manin unfern
’ Zeiten erwiefen baf, daß Vis tragica
’ nur Scharfrichter/ fo wie Viscomica
“me Gaflı enmenfhhet, intereffire ?
u Nech einmal die Sournale 7 --=
Mn 2 Arme
x.
* *
564 —
Arme Vis tragica! Armer Jernſtrup!
Wenn deine wohlgemeinte Vis comica
verfehlt, und deine mehr als hypo—
chondriſche Vistragica --- Hören Sie,
Here **, und Herr "*, bringen Sie
mich nicht zur Berzweiflung —- Wir
“ find unfchuldig , fagen wir Ihnen,
wir fteben im Amte. Sie wiffen,
was die Kournale ” --- Sch weis
Alles. Thun Sie, was das Berhäng:
niß über mich befchloffen bat. Mur
für die Predigt muß ich ein- gut Wort
einlegen --- 7 Die Predigt ift eines
Maſſilon würdig. Aber bedenken Sie
ſelbſt! Einheit des Tones!“ Wie?
bat nicht ſelbſt Triſtram eine Predigt? —
“ Ay England gebt vieles an, was in
" dem feinern Deutfchlande nicht gilt.
Die deutfchen Kournale, glauben
„ Sie mir, find etwas fchwerer zu ber
* feiedigen, als andere Sournale
Ja, leider ! leider! Sie Herren am
Ruder, unfre Striemen Eönnen es be-
zeugen! find nur gar zu unerbittlich ---
Das
565
Das wären alfo ſchon fünf Stüde,
die ganz wegftelen! Wo aber, mein
guter Herr Roſe, wo nehme ich an de:
ven ftatt etwas Neues her? Ich bin
Fein Bär, daß ich Alles aus meiner
eignen Tage faugen koͤnnte. Wie?
wen Sie irgend eine Heberfeßung ? —
Antwort von Deren Rofe.
Sa, mein allertheuerfter Herr von
Jernſtrup, ich babe eine Ueberfegung,
ich habe zehn, ich babe hundert. Be⸗
fehlen Sie, was Gie wollen: Rofe ift
zu Ihren Dienften. Sch Fann Ihnen
nicht genug fagen, wie fehr ich Ihre
unausfprechlichen Leiden mitfühle! Aber
wie glücklich bin ich, daß Sie mich auf:
fordern, Ihnen thätige Beweife meiner
aufferordentlichen Hochachtung wund
Sreundfchaft zu geben: Wählen Sie,
mein Freund, mein Allerbefter! Hier
haben Sie die erſte Decurie meines
Vorraths: ich kann Ihnen, fobald Sie
es verlangen, mit einer Centurie auf
warten,
Nnz Der
566
Der Rofifhen Heberfegungen
Num. J. Eine Abhandlung vom Ex:
habnen und Zweckmaͤßigen aus Ri-
chardfon’s Eflay on Painting T. Il.
Num, II, Eben deffelben Connoif-
feur.
Rum. II. Ueber Homers Genie
und Subject. Aus des unübertreff-
lichen Blackwalls Enquiry into the
Life and Writings of Homer. II.
Edit, |
um. IV. Lucians Hurengefpräche
in fcherzbafte Gefpräche veredelt.
Num. V. Sammlung von Diys
dens, Gays, Garricks ıc. Prologen
und Epiloaen, _ |
Num. VI Xenophons Anabafig,
einMeifterfiäck der Hifisriograpbie, troß
Quintilian. |
NMum. VII Arrexoız wen evepyewy
zu mwagav 78 Duxıns mVevpuros no TG
ner’ auro Öseirns, Aoyoıß.d. i. Aftuarius
von dem Thun und $eiden, wie auch
der Nahrung des Öeiftes, ON:
| et:
Zn 567
cher: ein fonderbares Buch. Noch
fonderbarer ift mir das Fleine Buch
Mæoxs Bosrs #006 Tivac moieig, no TETWv
mpog aurov Erıso).zi, ümo Miöpidzrs aux-
axdesy (M. Brutus Briefe an eini:
ge Städte, gefammelt von König Mi:
thridates, und des legtern hinzuerdich:
tete Antworten im Damen der Städte).
Sch weis nichts dabey zudenfen, darum -
habe ichs uͤberſetzt.
Rum. VII. The Art of Tunning,
aus Gwifts Mifcellanies. London
1722. Dieſe Ueberfegung ift mir
fhmwer geworden: aber dafür babe ich
nun auch einge Vieberfegung! —
Num. IX. Mandragola, Comoec-
dia di Nicolo Machiavelli , in eine
Fomifche Oper verwandelt.
um. X. Eine Anzahl euglifcher
tufifpiele, theils ganz, theils auszuns:
meife —* — diglogiſchen Plane,
uͤberſetzt, z. E. The what d’ye call
it, Jobn Ban: Deceiver deceiv’d
Mary Tix; Spanifch — Iohn
Nu 4 Dryden;
568 —
Prydn: Bellamira, ortheMiftrefs,
Charles Sedley Bnt. (Terenzens Eu:
nuch modernifirt). Three. Hours
after Marriage , John Gay -- Wenn
je ein theatraliicher Dichter die Einhei:
ten genau beobachtet hat, fohates Gay
in diefem $uftfpiele: aber das ift fein
Fleinftes Verdienſt. An lebhaften Gi:
tuationen und gutem Gcherje wird
es von wenigen. übertroffen. Mes.
Townly ift der Compagnon zur Mes,
Epicöne, und in der Eritifchen Aſſem—
blee der Elinfer koͤmmt eine Situation
vor, die mit der, wovon Gie mir
fchreiben, viele Mehnlichkeit hat. Soll
ih? — Das Stüd ift lehrreich —
Befehlen Sie nur.
* I
Dr. Foſſile. Townly.
Foſſile. Laſſen Sie unſre Hoch—
zeit noch ein Geheimniß in der Familie
ſeyn.
5069
feyn. Unterdeffen will ich meine Nichte
Phobe Clinket bey Ihnen einführen:
Das arme Mädchen bat leider! eine
Pro:idenz in der Glandula pineali,
woraus eine Ruptur in ihrem SKopfe
entftanden if. Sch nahm fie in mein
Haus, meine Haushaltung zu führen:
allein anftart Puddinge, macht fie mir
Schäfergedichte, und anftatt Gtoc:
fiihe in eine Paftete zu begraben, läßt
fie Geifter aus einer Tragödie herauf
fieigen, Kurz, mein Haus ift von
ſchlechten Komodianten, von Buchs
händlern, die Bankerot gefpielet ha:
ben, von Geigern, denen die Duinte
gefprungen, und von verdorbnen Tanz:
meiftern, wie gejcheucht. Sch war
ehemals willens, ihr alles das Meinige
zu vermachen: aber nun follen meine
fünftigen Kinder mich erben. Da
koͤmmt fie, in ihren gewöhnlichen Ge;
ſchaͤften. Laſſen Sie uns doch eine
Weile fehen, was Sie vornimmt,
nz Clinket,
Clinket, und ihre Magd, die ein
Scchreibepult auf dem Mücken
trägt. linker fchreibt. Ihre
Haube ift mit Dinte beflecft, und
in ihren Haaren ſtecken Schreibs
federn.
Magd. Sch wollte mich lieber mit
einem Guckkaſten auf der Straffe ber:
umtragen! Oh meine armen Hüften!
mein Rüden! und meine Schenfel!
Clinket. Was find die Arbeiten der
Hüften und der Schenkel gegen die Ar-
beiten des Gehirns? Du Schandfleck
der Muſen! Sch babe nun über deiner
Impertinenz einen Gedanken verloren,
der einen Folianten werth war!
Magd. Und ich, babe ich mir nicht
an ihren groffen Büchern einen Krampf
im Mücken getragen, daß ich zeitiebens
zu nichts brauchbar bin ?
Clinket. Folianten. finds, nicht
groſſe Bücher, du Lingeheuer des fals
fhen Ausdruce. Gib dich nur zufrie:
den, ich will auch die drey Gallerie:
Billets
Billets nicht vergeffen, die ich Dir ver:
fprochen habe, wenn meine neue Teas
gödie aufgeführt wird.
Magd. Dafür wird mir wohl Eins
meine ui bläuen!
Clinket. O du Zerfisrerinn aller
Gelehrſamkeit! du bift ärger als ein
Bücerwurm! Du Baft mich aus aller
- Saffung gebracht! Denfe an meine Iy:
rifche Dde, die du um ein Stuͤck Talg:
licht wicfelteft! Und wie kann ich mich
ohne Aergerniß des unwärdigen Ge:
brauchs erinnern, den du von meiner
Hymne an Apollo machteft, häßliche
Creatur! Lies mir die legten Zeilen, die
ich von dee Sündfluth gefchrieben habe,
und gib ja Acht, daß du fie mir recht
declamirſt, wie ich dich aelehrt habe.
Magd. CRieft aufeine affek
tirte Ar).
Hoch aufgeſchwollen, von der Waſſerſucht
Liegt die Natur ſchmilzt hin im Bauchfluß!
first! |
Clin⸗
572
Clinket. Noch immer feine Ca;
denz! --- -—
Magd.
Hoch aufgeſchwollen liegt — —
Clinket. Halt! nichts mehr von hoch
aufgeſchwollen! Ich concipire —
Und rauſchend ſtroͤhmt die Sce durch Wälder
hin,
Wo auf der Eiche Stamm der Wallfiſch
lauſcht
Rauſchend? Halt! --- Frachend, ſchaͤu⸗
mend, brüllfend — Ha, brüllend ?
Und brüllggd ſtroͤmt die See durch Wälder
hin,
Wo auf der Eihe Stamm der Wallfifch
laufcht
Lauſcht? Nein — Sitzt, Steckt, Scherjt,
Eich begattet --- Sich begattet?
" Schade, es gebt nicht in den Vers.
(Foſſile und Tomnly Fommen
hervor.)
Welch
Er .
| Welch Feſt fuͤr Fiſche! Schwelgeriſcher
Schmaus,
Wenn hungernder Delphin am Schlachtvieh
zehrt!
Foſſile. Nichte! Hey! Nichte!
Nichte! -- D Melpomene, du Goͤt-⸗
tinn der Tragoͤdie, halte doch deine
Einfluͤſſe nur auf einen Augenblic zu⸗
ruͤcke, und vergönne meiner armen
Dichte, mir eine vernünftige Antwort
zu geben! Diefe Dame, Nichte , ift
eine gute Freundinn von mir; ihre ge:
genmwärtigen Umſtaͤnde nöthigen fie,
Schuß in meinem Haufe zu fuchen:
Begegne ihre ja mit der äufferfien Höf:
lichkeit. — He, macht den Theetiſch
zurecht. R
Clinket. Entſchuldigen Sie, Ma:
dame, die Abweſenheit meiner Seelen:
Eräfte! Meine animalifchen Geifter
hatten die Eingänge meiner. Organe
verlaffen, und ſich in die verborgnen
Winkel des Gehirns zur Betrachtung
len: einer
574 ——
einer ſchoͤnen Idee zuruͤckgezogen. Ich
konnte die kleinen Schwaͤrmer mit aller
Gewalt nicht an ihren Poſten bringen;
damit fie diejenigen Glieder in Bewer
gung festen, welche Höflichfeit aus⸗
druͤcken. *
Towanly. (Eine ſeltſame gezierte
Creatur! Wenn ich nicht ſehr irre, fo
iverde Ich an ihr, mit ein wenig Schmer
cheleh, ein brauchbares Werfzeng zu
weinen Abfichten haben:)
— —
Clinket. Townly. Plotwell.
Towulh. (Ha, Plorwell! Wie
Fam er hieher ? Sch muß ihn warten,
auf feiner Hut zu ſeyn.)
Plotwel, Gewig, Madame, ich
bin auf eine angenehrie Art beftärgt,
Sie hier anzutreffen = ·
Toronlys
— 575
Townly Mid, Sir? Sie irren
ſich ohne Zweifel: Ich erinnere mich
nicht, Sie jemals gefehen zu haben,
Plotwell. Sch bitte um Verzeihung,
Madame (Wie ähnlich der Wahr:
heit Flingt eine Lüge im Munde eines
Maanen Frauenzimmers!)
Clinket. Diefer Herr, Madame, iſt
Herr Plotwell. Er ift fo unendlich
gefällig, dag er die Güte haben will,
mein Tranerfpiel auf die Bühne:
zu bringen, und giebt fih zu dem:
Ende für den Vater meiner uns
‚würdigen Geburt aus, nachdem er
das Stück heute früh gelefen bat.
Plotwell. Sch würde ſtolz ſeyn, Ma:
dame, mich den Water einer jeden an:
‚dern Geburt nennen zu dürfen, wozu
Sie Mutter wären.
Clinket. Sehr fchlau, ha, ba, hat --
Sie wiffen, Herr Plotwell, dag Pa:
pagoye und Schauſpieler 'menfchliche
Töne bervorbringen koͤnnen: aber wir
—— feinem von beiden die Gabe
ein,
576 —
ein, über den Witz zu urtheilen. Den:
noch haben diefe Leutchen, diefe Afteurs,
die Dreiftigfeit gehabt, faft allen mei:
nen Produften das Vorrecht der öf:
fentlichen Aufführung abzuſchlagen.
D! welch ein Gout de travers be
herrfcht doch den Verftand der Unwiſ—
fenden! (So oft Plotwell und Town—
Iy mit einander reden wollen, unter:
bricht Clinket fie) Wenn dies Trauer:
fpiel nicht ins Erhabne geht, fo mag
man mic). Fünftig als ein Inſekt im
Staube der Mittelmäffigfeit unter die
Süffe treten! Ich bin überzeugt, Sie,
daß Ihre Pflegefind Ihnen Feine
Schande machen wird.
Plotwell. Darf ich fragen, Ma:
dame, was für ein Gujet Gie ge:
wählt haben?
Clinket. Ein Sujet, wie man noch
kein Sujet concipirt hat. Tragiſchen
Mafchinen fo angemeffen! An Leidens
fchaften fo reich! Mit Feiner einzigen
Epifode,beladen! Das as
und
—— 577
und das Wunderbare, fo ungezwungen
mit einander vereinigt!
Plotwell. Und dies Sujet, Miada:
me, heißt? ---
Clinket. Die Suͤndflut. — Sch
waͤhlte mir die von Deukalion und
Pyrrha, weil weder unſre Buͤhne, noch
unſre Schauſpieler, heilig genug fuͤr
die bibliſche Geſcichte ſind.
Plot well. Aber, Madame —
Clinket. Welche vortrefliche Ver:
anlaffungen zu edlen Gemälden ! ---
Aber diefe Komsdtanten find groffe Zau⸗
derer. Linterdeffen, Sir, bis fie fom;
men, wirden Sie und Madame mich
verbinden, wenn Gie etwa vorläufig
eine Scene probiren wollten, an die
ich gleich ‚ißt die legte Hand gelegt
Babe; Av
To wunly. Sie Finnen uns Feine
geöffere Gefälligkeit erweifen. (zu
Plotwell. Sch will mir dies Mittel
zu Nutze machen, Sie von meinen ges
genmwärtigen Umftänden zu unterrichten.)
Dergypoh..Th, Do Klin
578
Clinket. Stellen Sie fi alfo Deu:
Falion und Pyrrha in ihrem Kahn
vor. Sie fahren ein Borgebirge vors
bey, auf welchem Prinz Haͤmon ficht,
ein ehemaliger Liebhaber der Pyrrha,
den die Wellen fo eben zu verfchlingen
Mine machen. Ihre Rolle, Sir, ift
Haͤmon; der Lady ihre, Pyrrha; und
ic) bin Deukalion. Sie fangen an,
Sir. |
Plotwell lieſt.
Was? He da! Bootsmann!
Townly
Haͤmon?
Plotwell. |
Ja doch! Hämon?
Townly.
Du ſiehſt mich nun, von meiner Wohnung
ſegelnd
Im Kaͤſien eines Gatten. Deine Liebe
Moͤcht ich —F gern belohnen: doch
ich fuͤrchte,
Der nächfte" Mond wird ſchon hinaus
| aufs Yand
Mir leuchten
Clin⸗
—
Clinket. Keine Sylbe im Manu—
feripe! Was? falſch! grundfalſch!
Plotwell.
Alle Straſſen durch hab ich
Nach dir geforſcht, o Pypyrrha
Clinket. Unertraͤglich! Declamiren
Sie, Sir, die Rolle, wie fie conci;
pirt iſt. Es geht fehlechterdings nicht
an, daß Sie die Handlung dur Eis
temporiren undeutlich machen.
Plotwell. Ich richte mich nach der
Gewohnheit unſerer beſten Schau⸗
ſpieler —
Townly.
Lieb und Mitleid
Heiſcht das von mir, was meine Pflicht
verbeut.
Plotwell (kuͤßt ſie.)
Clinket. Pfuy, Herr Plotwell,
dieß iſt wider alles Decorum der Buͤhne.
Ich dulde fo: wenig die Zuͤgelloſigkeit
| 02 einer
580
einer Umarmung mit Küffen auf der
Bühne, als ich mir die Barbaren des
Umbringens darauf erlauben wollte,
Die beften Akteurs eines Trauerfpiels,
fo wie die vornehmften Standsperfonen
unferes Gefchlechts bey einer Viſite,
werden niemals über die Graͤnzen eines
ehrbaren Backengruſſes fehreiten, wie
etwa diefer ift, Here Plotwell. (fie
kuͤßt ibn.) |
Plotwell. Sch finde im Ariftoteles
nirgends eine Regel wider das Küffen.
Clinket. Gfeichwohl wollte ich
doch nicht gen Gefahr laufen, daß
man an meinen Sachen ein Indecorum
beginge,
Plotwell. Sie haben Redt,
Madame. Die legten entjcheidenden
Unternehmungen, es ſey nun in der
Liebe oder in der Rache, follten fich
allemal den Augen der Zufchauer ent:
ziehen. Allein, einen Kuß in der Ko:
mödie betrachte ich nur wie eine Ohr—
feige in der Tragödie, welche von den
beſten
—— 581
beſten Dichtern haͤufig gegeben und ge—
nommen witd,
Clinket. Sehr wahr! Denn ein
Frauenzimmer darf eben jo wenig einen
Kuß auf fich ſitzen laſſen, als eine
Mannsverfon eine Obrfeige Neh⸗
men Sie denn, Sir, nehmen Sie hin
meine Muſe (giebt ihm ihr Schau
fpieN), ich untergebe fie Ihren Flügeln:
denn dort Fommen die Schaufpieler.
Ihre Güte, fich für den Autor auszu:
geben, wird mein Stüc unfehlbar auf
die Bühne verhelfen; das Theater
wird, troß aller Vorurtheile von
Haͤndeklatſchen erſchallen; und ſelbſt
die unvernuͤnftige Canaille, die Schau—
ſpieler, werden ihren Vortheil kennen
lernen.
Sir ar Te mitzwey
Schaͤuſpielern.
Plotwell. Meine Herren, dieſe
Dame die meinen Werfen ein geneig—
Oo 3 tes
532 —
tes Ohr leihet, hat mie erlaubt, Gie
und meine Tragödie bey ihrem Thee:
tifche zu introduciren,
Clinket. Meine Herren, Gie
ermweifen mir viele Ehre.
Erſter Schaufpieler (zu
Plot well.) Erlauben Sie, Sir,
daß wir Sie mit Sir Tremendous,
dem größten Kunſtrichter unſers Jahr—
hunderts, bekannt machen.
Plot well. Sir Tremendoug, ich
freue mich, Sie kennen zu lernen, ob
ich gleich wohl weiß, daß kein mit der
Antipathie behaftetes Frauenzimmer ſo
viel Angſtſchweiß vergieſſen kann, wenn
fie eine Katze ſieht, als gewiſſe Scri—
benten, wenn ihnen ein Kunſtrichter
aufſtoͤßt. Sir Tremendous, Madame,
iſt ein Kunſtrichter, der beweiſen kann,
daß der Stadt das misfallen muͤſſe, was
ihr gefallen hat, und umgekehrt, daß
ihr das gefallen muͤſſe, was ihr misfal⸗
len bat,
Tre⸗
= 583
Tremendous. Ach wehe! was
bilft wohl Ein guter Gaum, wenn die
ganze Stadt einen verdorbnen Geſchmack
hat? In dieſem groſſen Sodom der
Unwiſſenheit giebt es Feine zehn Kunft:
richter, die leidlich urtheilen.
Clinket. Sch bin völlig ihrer Mey:
nung, Sir Tremendous. Unfereneu:
ern Tragoͤdien find ſolch Zeug! fie ers
regen wahrhaftig weder Schrecken noch
Mitleid!
Plotwell. Sagen Sie vielmehr fe,
Madame: den erfien Abend erregen
fie das Mitleid der Zufchauer über den
Autor, und den dritten Abend das
Schreefen des Autors über die Zus
ſchauer. Sir Tremendous Schaus
fpiele, es iſt nicht zu läugnen, erregen
eine erhabnere Leidenſchaft, -—- Er:
ftaunen.
Clinket. (So viel id) merke, wird
hier ein Wißgefecht unter diefen wiki:
gen. Köpfen vorgeben. Prue, gib ja
Acht, daß du mir alle Öleichniffe auf
Oo 4 ſchreibeſt.
584 ———
ſchreibeſt. Prue siehe fih nad)
dem SHintertheil der Bühne
zurück, Feder und Dinte inder
Hand.)
Tremendous Die Subjekte der
meiften neuern Schauſpiele find fo übel
gewählt, als ---
Plotwell. Als die Patronen zu
ihren Debdicationen. (Elinket giebt
Prnue einen Wink.)
Tremendous. Ihre Intriguen
ſind ſo ſeicht angelegt, als —
Plotwell. Als die Intriguen der
fehlechten Poeten gegen die auten. —
Tremendous. Ihre Epifoden
paſſen ſo wenig zur Haupthandlung,
als --
Ctinfet. Als eine fhwarze Kon:
tuſche zu einem bunten Ro, (Schreib
auf, Prue.)
Tremendous. Ihre Sentiment⸗
ſind ſo aufgedunſen, daß — „—
Plotwell. Daß ſie, wie geſchlagen
Creme, vergehen, We gefofterwerden,
Tre:
585
Tremendous. Ihr Ausdruck iſt
fo Eriechend, daß --- daß —
Plot well. Run, dag ihre Freunde
ſich gezwungen BUN; * ſimpel zu
nennen,
Erſter Schaufp. Sir, das
Trauerſpiel, wenns Ihnen beliebt.
Zweyter Schauſp. Wir haben
noch dieſen Vormittag Probe.
Tremendous. Und dann ſtehlen
4 fo augenſcheinlich, daß —
Plotwell. Daß ſogar die frandſi
ſchen Schneider es merken.
Tremendous. O weldhe Raube—
reyen an den Alten! welche Freybeu⸗
tereyen an den Neuern! — Da iſt die
berufene Iphigenia von Racine; er
ſtahl ſeinen Agamemnon von Seneca,
Seneca ſtahl ihn von Euripides, Ei:
ripides ftahl ihn von Homer, und’ Ho
mer ftahl ihn von allen den Alter, die
vor. ihm lebten. Mit einem Worte,
nichts ift fo unausftehlich, als unfere
‚größten rn ” —
Erſter
586 ———
Erſter Schauſp. O! aber der
unſterbliche Shakeſpear, Sir —
Tremendous. Kein Judicium!
Zweyter Schauſp. Der bar
wunderte Jonſon ---
Tremendous. Trocken!
Erſter Schauſp. Der zärtliche
Otway ---
Tremendous. Uncorrect!
Zweyter Schauſp.
redge —
Tremendous. Lauter Geſchwaͤtz!
Erſter Schaufp. Dryden —
Tremendous. Verſificateur!
Clinket. Ach mein theurer Sir
Tremendous! welche Delicateſſe in
ihrer Art zu fuͤhlen!
Tremendous. Ah Madame!
welche Angemeſſenheit in ihren Senti⸗
ments! |
Elintet Ih bin von Shren
prrhneingenken Talenten fo beru⸗
ert
Tre⸗
— 587
Tremendous. Ihre ungewoͤhn⸗
liche Capacitaͤt ſetzt mich fo in Erftaus
net —
— Daß es mir unmöglich
UI
Tremendous, Daß ich nie: im.
Gtande bin —
E linker. Sattſam zu concipiren —
Tremendous. Ganz zu erprimi:
ren on
Clinket. Wie innig ih von Ihnen
estafire bin, gelehrtefter Sir Tremen:
dous!
Tremendous. Wie tief die Ber
tounderung geht, womit ih Sie be:
mundere, meine bimmlifhe Mrs.
Elinfer. (Ein Theetifh wird her
eingebracht.)
Chinket. Diefes ftarfgearbeitete
Drama ift zu gut für ein Jahrhundert,
wie das unfrig,
Plotwell lieft. Die Suͤndflut,
oder die Tragödie von Deufalion und
Pyrrha.
Clinket.
588
Clinket. Herr Plotwell; ich laſſe
mir das Vergnügen nicht nehmen, es
vorzulefen: verzeihen Sie mir —
Erſter Schaufp. Die Sins
flut? Das Sujet feheint trop recher--
ch£&'zu ſeyn.
Clinket. Ein Stier, das noch
feiner von den Alten oder Reuern be:
rührt hat, ein Sujet, worinn Schte:
fen und Mitleid in ihrer Bluͤthe
find ---
Erfter Schaufp. Es fchickt fich
nicht fürs Theater, Koͤnnen Sie er:
warten, Git, daß die- Ladies drey
Stunden lang in ihren Logen werden
figen wollen, regnigt Better, und einen’
Schiffer in einem Gturme, zu feben?
Than Sie ihr Beftes, Etwas anders
wird doch nicht heraus kommen, ich bin
davon uͤberzeugt.
Zweyter Schaufpꝛ. Wenn Sie
erlauben, Madame, laſſen Sie uns
hören, wie die Scene ſich öffnet.
rn) Clinket
589
Clinket lief. Der Vorhang
wird aufgezogen, und man fiebt einen
Himmel mit Wolfen gedeckt. Ein ge:
waltiger Plaßregen. In der Ferne
zeigt fich der Berg Parnaſſus. Am
Fuß deflelben liegen alle Aecker und
Wiefen unter Waller, Man erblickt
Menſchen und Dieb mit Schwimmen
bejchäftigt. Thurmſpitzen ragen über
der Flut hervor, und Männer und Wei—
ber halten fich an den Wetterhaͤhnen.
Tremendous. Wenn Sie mir es
nicht übel nehmen wollen, Sir, ich
glaube beweifen zu Finnen, daß die
Werterhähne von fpäterer Erfindung
find. Ueberdem, wenn, wie vor fur:
zem ein groſſer Philoſoph demonftrire
hat, wenn, fage ih, Mauerfteine im
Waſſer aufgelöft werden, wie konnten
die Thürme gefehen werden ? |
Plotwell. Ich beftehe nicht auf
Kleinigkeiten, Streichen Sie aus ---
Clinket. Sie wollten es ausſtrei—
chen laſſen? Bedenken Sie wohl, was
Sie
590
Sie thun? Mit diefem einen Streiche
geht die ganze Grumdlage des Dranta
zu Teimmern. Springen hicht fänt:
liche Perſonen des zweyten Akts aus
den Steinen hervor, welche Deukalion
und Pyrrha hinter fich werfen? Wenn
dieſe Chicane gelten follte, fo müßte
das game Syſtem von der Wiederher:
ftelfung des menfchlichen Gefchlechts
übern Haufen fallen.
Erſter Schaufp, Ferner ift der
Platzregen unſchmackhaft —
Clinket. Warum ſollte der Autor
nicht mit eben ſo gutem Fug regnen duͤr⸗
fen, als es andern Dichtern erlaubt iſt,
zu ſchnehyen oder zu donnern? (lieſt
fort.) Deufalion tritt auf in einer
Art von Schifferfleidung, und ſiehet
feine Frau, Pyrrha, in einem Kahn, —
Ihre erfte Kataſtrophe, entfteht dadurch,
daß fie zurück geht, eine Schachtel mit
Juwelen zu holen. Merken Sie wohl
auf, wie geſchickt der Derfaffer die
größten Genies nachahmet. Gleich
die
— 591
2
die erſte Unterredung iſt ganz in dem
feurigen Geiſte des erhabnen Lee —
Und druͤckte gleich der Himmel jeden
Schwamm
Des Firmaments ganz aus, und ſtroͤmte
Wolken
Herab, daß jede ſich ein Meer ergoͤſſe:
Nicht Ebb' und Flut —
Tremendous. In der mittellaͤndi⸗
ſchen See giebt es keine Ebbe und Flut,
folglich Eonnte Deukalion fein “Bild
davon hernehmen.
Clinket. Ein Mann von Deufe-
lions Stande konnte auch in andern
Seen gereift ſehn, als eben in ver mit:
telländifchen See, und fo fällt der Eins
wurf von felbfi weg, Bemerken Sie,
Sir Tremendous, die Zärtlichkeit eineg
Otway in diefer Antwort der Dyrrba,
⸗ Fuͤt
592 .
0. — Kür wen
Druͤckt meinen Leib die Schnürbruft fe
gelförmig |
Zufammen, als für dich, mein beſter,
daß
Du ihn mit runden Armen fanft um:
ſchlingeſt.
Tremendous. Ab! Anachronif
men! Schnürbrüfte find eine Neuere
Tracht; die ganze Scene ift monſtroͤs!
gegen die Regeln des Trauerfpiels.
Plotwell. Sch unterwerfe mich,
Sir. Streihen Sie weg —
Clinket. Wäre das Trauerfpiel
mein, Sie jollten mir eher das Fleifch
an meinem Leibe zerhacken, mir eber
den Mund von einem Ohr zum andern
aufreiffen, als mir an meinem Drama
etwas ausftreichen.
Plotwell. Aendern Sie, verwer:
fen Sie, feßen Sie hinzu, wie Sie es
ſelbſt nöthig finden. Sch unterwerfe
mich in allem Shrem Ausfpruche, (Er
ftiebtauf, und nimmt Die
Townly beyfeite),
Tre
593
Tremendous. Madame, Non:
fens und ich haben fchon da, als ich
noch in der Wiege lag, einen herkuli—
fhen Kampf mit einander gekämpft,
Monfens macht mir den Kopf warn,
Zweyter Shaufp. Wirklich,
Madame, wenn ich Ihnen meine un:
vorgreifliche Meynung fageu darf, und
ich glaube, daß ich einige Erfahrung
vom Theater befiße --- Die Stüd
kann fchwerlich gefallen. |
Clinket. Die [hwächften Zeilen in
diefem Stuͤcke würden immer noch gut
genug fenn, fich einen allgemeinen
Applaus zu. verfchaffen, wäre nur der
Derfaffer bekannter, oder hätte er es
der Mühe werth gehalten, fich von
einer befannten Feder anpreifen zu
laffen. -
Tremen dous. Unter uns gefagt,
Madame, die wir die Sache beffer ver:
ſtehen: diefer Ihr Freund weiß nicht,
was Poefie if.
Deraypob.2.Tt. Pp ° Erfier
on
594 —
Erfter Schaufp. Er mag ein
wacrer ehrlicher Mann fenn, aber ein
verdammter Scribent ift ev unldugbar,
fein Stuͤck kann nicht nur nicht gefal-
len, fondern es darf nicht gefallen.
Tremendous. Wenn Gie feine
wahre Freundin fenn wollen, wenn Gie
feine Ehre lieb haben, fo rathen Sie
ihm, es ing Feuer zu werfen. |
Clinket. Welche unfägliche Arbeit
für einen angehenden Autor, die Macht
des Vorurtheils zu befiegen! Nehmen
Sie einmal an, daß diefes erfte Trauer:
fpiel Ye — nur fechs bis fiebenmal
aufgeführt wird: fein nächites Fann
vielleicht zwanzig VBorftellungen bitter
einander aushalten. Schrecken Sie
einen jungen Autor nicht ab: ich weis,
Sie finden gewiß Ihre Rechnung
dabey.
Zweyter Schaufp. Ich wollte
lieber 500 Pf. an die Armen fchenfen,
als gewiſſe Trauerfpiele auf die Bühne
bringen, Die Zubörer unterfuchen
—ſelten,
595
felten, ob es der Autor; oder der
Akteur ift, den fie auszifchen. Unſer
Charafter leidet darunter,
Erſter Schauſp. Meinetwegen
zum Henker mit unſerm Charakter!
das Schlimmſte iſt, daß wir Geld da;
bey zuſetzen. —
Clinket. Ich will eine hinlaͤngliche
Summe deponiren, woran Sie ſich
ſchadlos halten koͤnnen, wenn das Stuͤck,
wie ich doch ſicher nicht hoffe, zu Ihrem
Nachtheil ausfallen ſollte. Nun gut
denn, da das Trauerſpiel alſo aufge:
führt werden ſoll, fo will ich den Ver:
faffer zu bewegen fuchen, daß er einige
Kleinigkeiten ausbegre: Nehmen Sie
es, Sit Tremendous; (Er murmelt
einige Zeilen vor ſich.)
Tremendous. Im böchften Gras
abgeſchmackt! (reicht aus) Hand
greiflicher Donfens! (reiht aus)
Clinket. Was? alle diefe Zeilen ?
Verfchonen Sie diefe, einer Dame zu
3 Pp a Gefal⸗
596 —
Gefallen! Die Wahrheit zu ſagen,
Ich ſelbſt habe ſie ihm geſchenkt.
Tremendous. Solch Geſchmiere!
Eſtre icht aus) Abſcheulich
(fireidt aus) Unertraͤglich!
(ſtreicht aus).
Erſter Schauſpiel. Dieſer Ge:
danfe mug weg —
Zweyter Schaufp. Um Ber:
gebung, Madame, diefe Metapher —
Eriter Shaufp. Diefe ganze
Tirade —
Tremendous. Und welch eine
Fabel!
Clinket. Bon Ihnen fordre ich —
Erſter Schaufp. Und die Cha:
taftere!
Clinket. Bon Ihnen fordere ich --
Tremendous. Und der Ausdruck!
Clinket. Und von Jhnen! -—- Ab!
Halt! Halt! -- Sie zerfleifchen mich!
Sie zerveiffen mein Herz! Gnade! Gna⸗
de! Mord! Gewalt! ah! (fie falıt
in Ohbnmadt.)
Foſſile
597
Bi gudt duch ar
Thuͤre.
file, ( SH mein Haus ein Ko:
mödienhaus geworden ? und auch meine
Braut fpielt ihre Rolle, wie ich ſehe?
wie gefchicht mir! ch muß diefe His
ftorie von Grund aus unterfuchen.) ---
Es that mir leid, fo fruͤh fehon fo
viele Patienten hier anzutreffen. Wor⸗
über Elagen Sie, Sir?
Erſter Schaufp. Ueber Kolik,
Eir: ich habe mir den Magen an
Grünthee. und verdammeten Verſen
verdorben.
Foſſile (zur Townty. Ihr
Puls ſchlaͤgt ſehr ſtark Madame -- (zu
Plotwell) Es iſt Sympathie zwiſchen
Ihnen beiden, ſo viel ich merke: denn
der Ihrige ſcheint mir etwas fieberhaft. -
Allein ich fehmeichle mir, daß ich den
Paroxiſmus für dießmal noch vertrei:
ben werde, --- Und was Fuch betrift,
Nichte, Ihr habt das poetifche Jucken
am Halſe, und Eure neun Muſen ſind
Pp3 neun |
u
598
neun Teufel, die Euch mit $eib und
Seele befißen. Seht ber, fo übergebe
ih Euch und Eure Werke den Fe
men der poetifchen Berdammniß. X erz
greift einen Stoß Papier, und
wirft ihn ing Feuer).
Clinket. Ab! ich bin eine ruinirte
Creatur!
Plotwell. Wie ſo? hat er einige
Banknoten verbrannt? oder eine neue
Coeffuͤre von brabantiſchen Spitzen?
Clinket. Meine Werke! meine
Werke!
Erſter Schauſpiel. Hat er Ihre
Erbſchafts Documente zerſtoͤrt? oder
Ihre Billetsdoux? |
Clinket. Eine pindarifche Ode!
Fünf Gleichniffe! und die Hälfte von
einem Epilogus!
Zweyter Schaufp. Hat er einen
neuen Fächer in den Kamin geworfen ?
oder eine Halsfchnur von Perlen ?
Clinket. O wenns nur das wäre.
Die Couplets zu einer neuen Komoͤdie!
einen
599
‚einen Prolog von vornehmer Hand!
drey Abfchriften von Sonnetten auf die .
Berfafferinn! und zwen griechiſche
Mottos!
Foſſile. Meine ER wenns
beliebt ---
Zweyter Schaufp. Innerhalb
einer Stunde, Madame, ſollen Sie
unſere poſitive Antwort erhalten.
(Tremendous, Plotwell, u. die Schau:
fpieler gehen ab).
Foſſile (So verdächtig diefe Be—
gebenheit ausſieht; ſo will ich doch
nicht zu raſch zu Werke gehn. Was
ſpricht Libanius ? Eine falſche An:
“ Plage fällt oft auf den Anklaͤger zu:
* xücd, Und ich babe durch Webers
eilung ſchon genug gelitten. )
— — —
Sn den folgenden Akten ſpielt Plot:
well feine Intriguen mit der Townly
fort, die aber immer durch die Intri—
PpP 4 guen
600 ———
guen Underplots, ſeines Nebenbuhlers,
ruͤckgaͤngig werden. Dieſe Satyre uͤber
die zuſammengeſetzten Handlungen des
brittiſchen Theaters iſt cine der glück
lichften, die ich kenne; vollfommen
ariftophanifch. Foſſile ift noch nicht
drey Stunden verheirathet, und fühlt
fchon jede Unbequemlichkeit des Che:
ſtandes: welche himmliſche Mafchine
wird ihm aushelfen? Was wird aus
der unglücklichen Clinket? wie werden
ihre beiderfeitigen Schickſale zur Ent:
wicelung zufammenfliefjen ?
a u m
Entwickelung.
(Foſſile hat den Friedensrichter Poſ—
ſum zu Rathe gezogen. Ein Schiffer
von Deptford bringt Foſſilen ein Kind,
das, wie er ſagt, einem jungen Frauen:
zimmer in Dr. Foſſiles Haufe zuge:
höre, Townly wird befragt, und laͤug—
net.
— 661
net. Der Friedensrichter entſcheidet,
daß der alte Foſſile ſelbſt der Vater des
Kindes 3 fen, und es ernähren folle, In
diefer Verwirrung gebt Prue miteinem
Briefe in der Hand uͤber die Buͤhne,
und Foſſile nimt ihr den Brief ab.)
Foſſile. Wohin ſo eilig, Mamſell?
Nichts, was zwiſchen dieſen vier Waͤn⸗
den vorgeht, ſoll vor mir heimlich ge:
balten werden. (Erlieft). Un
„Richard Plorwell Efa. --- Diefer
Brief, Here Poſſum, ſteckt ung in der
ganzen Sache ein Licht auf Da fie
eine unglückliche DBerwandtinn von mir
ift, fo erbitte ich Ihre Verſchwiegen—
heit, Herr Poffum, Aber lefen Sie.
Poſſum Chief). “ Sir, das
+ Kind, von dem Sie die Güte gehabt
+ haben Vater zu werden, ift mir wies
’° der zuruͤckgeſchickt worden. Ihre
Freunde von Drurylane haben mir,
* ich weis nicht, ob mit mehr Unglimpf
“ oder Unhöflichfeit, ins Geſicht ge:
“ ſagt, dab ich verdammt werden
| Dpsz * würde,
602 ——
“würde, Wie ungluͤcklich aber das
* arme Kind, das mir fo viele Wehen
* und feitdem noch gröfferen Herzens:
* funmer gemacht bat, je merden
“ mag, fo babe ich doch zu feinem
* Bater die gute Zuverficht, daß er
“ von feiner Seite nichts werde fehlen
* laſſen, mweniajtens vor der Welt den
* guten Namen derjenigen zu erhal:
* ten, die fich mit Aufferfter Nieder:
* gefchlagenheit unterfchreibt zc, ” ----
Wie Sie fügen, Hr. Doftor, die Sa:
he ijt Flar genug. Alle Umftände
treffen zu.
Clinket tritt auf.
Clinket. Es iftfehr unhöflich, Sir,
Jemandes Briefe zu öffnen.
Foffile. Wollte der Himmel, es
wäre nicht gefchehen! Wollte der Him:
mel, der Inhalt Fönnte mir, und der
ganzen ehrbaren Welt auf immer ein
Geheimniß bleiben! — Elendes Ge:
ſchoͤpf!
603
ſchoͤpf! In welche bereuenswuͤrdige
Umſtaͤnde bat deine verwuͤnſchte Poete—
ven dich geſtuͤrzt! |
Clinket. Ich bin über diefen Zus
fall nicht im geringſten befümmert,
Es ift andern berufnen und fehr belieb—
ten Töchtern Apollos oft nichts beffer
ergangen: überdem bin ich fchon eher
in dem nämlichen Falle geweſen.
Foſſile. Ihre Unverſchaͤmtheit
uͤberſteigt allen Glauben. Schon eher
in dem naͤmlichen Falle?
Clinket. Seit fuͤnf Jahren alle
Winter! und Niemand hat ſich damit
befaſſen wollen. Es kann ſeyn, daß
mich Andre an Kaltbluͤtigkeit im Nach:
denfen übertreffen ; es kann ſeyn, daß
andre correster in ihren Sitten find; ja
ich will zugeben, daß viele ihre Chas
raftere überhaupt beffer zu menagiren
wiſſen: aber was Kruchtbarfeit, und
vornehmlich Leichtigkeit zu concipiren,
betrift! daran, glaube ich, foll mirs fo
leicht Feine Seele zuvor thun,
| Fofs
604
Foffile. O Himmel! von wen kat
fie diefe unerhörte Eonftitution geerbt!
Poſſum. Noch einen Augenblick
Geduld, Sir. Wer weis, ob nicht,
nad ihren Reden zu urtheilen, die
Dame vielleicht heimlich verheirathet
feyn mag ? |
Townly. Schande würde es uns
feyn, Herr Foffile, mit ſo einer Crea—
tur länger unter Einem Dache zu Ichen.
Gleichwohl, wenn Sie fich entfchlieflen
follten,, fie aus dem Haufe zu werfen,
fo, ich befchwöre Sie, fo gehen Sie
wenigſtens menfchlich mit ihr um, ch
will allenfalls wohl für das Kind fors
en.
; Clinket. Sich habe oft und vieldia-
logiren gehört, fhreibe auch wohl felbft
ein erträgliches Gefpräch: aber ein fo
unbegreiflicher Dialog, als der gegens
waͤrtige, ift mir doch nie vorgefonimen.
Worinn befteht dein, moͤchte ich fra:
gen, die Suͤnde, ein Drama zur Welt
gebracht zu haben? dag ich es nach
Deus
605
Drurylane ſchickte, geſchah in PO
andern Abficht, als weil ich mir. das
unfchuldige Vergnügen wuͤnſchte, es
aufführen zu fehen. Daß man mirs
aber twiedergefchickt bet, kann ich das
ändern? Iſt es meine Schuld, wenn
die Komödianten einen elenden Ge:
ſchmack befigen?
Poſſum. Nun diefe Erklaͤrung,
ich muß es geſtehen, ſcheint allerdings
die Natur der Sache ein wenig zu ver⸗
aͤndern, und ſetzt uns einigermaſſen in
die vorige Verlegenheit zuruͤck. Aber,
Madam/ was meynen Sie denn mit
dem Ausdrucke: “ Ihr Kind“?
Clinket. Se, was ſollte ich mey—
nen, als mein Trauerſpiel, das Kind
meines Witzes? Je doch! einer von
St. Majeſtaͤt Friedensrichtern, und
verſteht eine gemeine Metapher nicht!
Poſſum. Herr Doktor, Sie has
ben uns lange genug mit ihren Künften
und Ausflüchten aufgehalten; und dag
* vom Lied bleibt ; behalten Gie
fein
606 — —
fein das Kind! es iſt Shres! --- Gum
Schiffer). Freund, ſprich mir rein
von Bart weg; ſage mir deutlich und
umſtaͤndlich, mas dir von der ganzen
Affaire bekannt ift:
Foſſile. Mein, erft hören Sie
meinen Bericht an; ich will feinen
einzigen Lmftand verfchmweigen. -
Diefer Morgen treibt mich mein boͤſer
Geift, Gott verzeih mir! dag ich dieß
Frauenzimmer heirathe; und da ich fie
kaum, nachdent die Einfegnung vorben
ift, aus ihrer vorigen Wohnuͤng ben
Mes: Chambers in der Königeftraffe,
Coventgarden, hier in mein eigen Haus
babe, ſtellen Sie fich vor,
Ö u wi
Schiffer, Mis. Chambers?
Mrs. Chambers hieß das Haus, wo
mar nich hinwies; und in dem Haufe
bey Mes. Chambers twohnte die Magd,
die uns das Kind beachte, dag meine
Frau es für ihre Lady auffäugen follte;
und ser ihre Lady war, das wollte Sie
uns
— 607
uns nicht ſagen, war auch unſers
Thuns nicht, weiter darnach zu fragen.
Poſſum. Weiſt du, wie das Dienſt—
maͤdchen hieß?
Schiffer. Wenn ich mich nur ber
finne — Barſchnetz.
Foſſile. Sarfner, meyneſt
Schiffer. Sarſnet, ja fo mars.
59—
Tomniy Sch will fie die Treppe
Berunter fhmeiffen, den Augenblick!
die garftige Creatur!
Hoffum. Die Sade ift klar ge:
nung. Sie cohabitiren mit der Mutter
des Kindes, Herr Doftor: currat Lex.
Sie müffen das Kind alinientiren.-
Foſſile. Ihr Ausfpruch ift unge;
recht, Sir, und ich appellire, Da ich
nie eher als heute verheirather gewefen
bin, fo babe ich nie mit irgend einer
Weibsperfon fleiſchlichen Umgang ge;
pflogen; und was mein junges Weib,
Mrs. Suſanna Townly, betrift, für
mich iſt fie in den drey Stunden, da ich
ſie
608 un
fie die Meinige nenne, noch it ißt eine fo
reine Jungfer, als fie jemals mag ger
wefen ſeyn.
Poſſum. Sufanna Townly! Su:
ſanna Towuly! (zu feinem Schreiber)
Guck er doch einmal in den Befehl des
tord Dberrichters, — Madame, ein
Wort unter vier Augen -— (fügt ihr
etwas ind Ohr.) Herr Doftor, Miy-
Iord Oberrichter bat etwas mit diefer
Dame zu tbun.
Foſſile. Mylord Oberrichter hat
etwas mit meiner Fran zu thun ?
Poffum. Deutlicher zu reden,
Herr Doktor Foſſile, Sie haben dieſe
drey Stunden lang eines andern Man
nes Frau gehabt. Ihr rechter Man,
Sieutenant Bengall, ift eben ißt aus
Amerika zuruͤckgekommen, und that
heute fruͤh um einen Deſertionsbefehl
Anſuchung u. ſ. w.
Aus obigem, mein allertheuerſter
Herr von Jernſtrup, werden Sie unter
andern bemerket haben, daß der gute
| an,
609
Gay, wie uns fein Biograph Ieher,
allerdings etwas leichtſinnig geweſen
ſey: am anſtoͤßigſten iſt mir jedoch ſeine
wenige Ehrerbietung gegen die Tribu—
nale der Kunſtrichter. Sollten Gie
vollends ſehen, wie wenig Umſtaͤnde
er macht, eins ſeiner Luſtſpiele, das
eben ſo ſehr wider die Regeln verſtoͤßt,
als das vorhergehende ſie ſchuldigſt be⸗
folgt, gegen die Ausſpruͤche der Your:
nale zu vertheidigen, Sie würden es
ihm niemals verzeihen. Wie edel find
dagegen Ihre demuͤthigen Gefinnungen,
mein vortreflichfter Sreund! -— Und
doch kann ich mich Faum enthalten,
Ihnen ein Benfpiel zu geben, mie weit
die Herren Engländer manchmal ihre
eisen; rl
Behyyohat. Do Gans
610 ——
Gays Vorbericht
zum
What d'ye call it,
einer Tragifomipaftoralfarıe
* m
De ich der erſte bin, der die Buͤhne
mit dieſer Art theatraliſcher Unter⸗
haltungen bereichert hat, fo halte ich
es für hoͤchſt nothwendig, ein- paar
Worte ftatt einer Vorrede darüber zu
fagen, und nicht allein ihre weſentli—
chen Eigenschaften zu beſtimmen, fons
dern zugleich einige Einwürfe zu beants
orten, die von ſtrengen Kunfteichtern,
und andern daben intereffirten Perfonen,
verfchiedentlich dagegen auf die Bahn
gebracht worden find,
Wir haben auf den brittifchen Thea:
tern oft Tragifomödten mit vielem
Gluͤck vorftellen feben, _ In der Tragi:
| y.s.berräfimb:
4
I
—— dis
komoͤdie Bat das Tragiſche und das
Komifche jedes feine abaefonderten
Scenen, die ohne Mühe als eigne
Ganzen betrachtet werden Fönnen, Die
Kunft der Tragifomipaftoralfarce aber
gründet ſich auf eine durchgängige Ver:
flechtung vier befonderer Gattungen,
welche fo angelegt find, daß fie nie von
einander getrennt werden Fönnen,
Die Einmwürfe, welche man wider
die Drama, infofern es eine Tra—
gödie ift, gemacht hat, find folgende.
Zuerſt läugnet man, daß die Hand:
lung tragifch fey, weil die Katafirophe
in einer Hochzeit beftehe, da doch Hoch:
" zeiten von jeher für etwas Komifches gap
halten worden. |
Zweytens in Anfehung der Charak
tete, behauptet man, daß ein Friedens-
richter, ein Schreiber, und der Geift
eines Embryo, der tragifchen Würde
weder angemejjen, noch jemals in den
Trauerfpiefen der Alten vorgekommen
find,
| 2, q 2 Drit⸗
612 —*
Drittens ſollen die Sentiments nicht
tragiſch ſeyn, weil fie nur dein niedrige
ften Landvolke eigen find.
Endlih will man, daß die Moral
für eine Tragödie unſchicklich ſeh, ins
dem der Zweck der Tragödie erfordere,
das menfchliche Leben in feinen Unvoll—
fonimenbeiten, Schwachheiten und
Kümmerniffen zu zeigen, um dadurch
das Herz von feiner natürlichen Härte
zu fanften und mitleidigen Empfindun:
gen zu erweichen; daß alfe auch die
Moral nach diefem Zwec eingerichtet
ſeyn müffe + Da hingegen, wie
meine Kunftrichter behaupten, die Mo;
val des gegenwärtigen Stüds, als Tras
goͤdie betrachtet, gänzlich dabin abzur
zielen fcheine, die Zuhörer in ihrer Ei-
telfeit und ihrem Eigenduͤnkel zu ber
ftärfen,
*
Ihr
*
— — 613
Ihr alle ſeyd fo Flug! u. ſ. w.)
Auf den erſten Einwurf antworte ich,
daß es noch, ſelbſt unter den vornehm⸗
ſten Kunſtrichtern, nicht ausgemacht
ſey, ob ein Trauerſpiel nothwendig eine
traurige Kataſtrophe haben muͤſſe.
Wie ſehr die franzoͤſiſchen Kunſtrichter,
folglich auch die franzoͤſiſchen Dichter,
der gegenſeitigen Meynung find, er:
hellet aus den franzöfifchen Trauer
fpielen. |
In Unfehung des zwenten getraue
ich mir zwar nicht zu behaupten, daß
irgend einer von den Alten einen Frie:
densrichter, einen Schreiber, oder den
Geift eines Embryo, in einer Tragödie
Da 3 auf⸗
* Sp lautet der verwegne Anfang des
legten Hemiftichiums aus dem Epilo—
gus, der ein Diftichon ift:
Dieg Stück enthält Moral, wie:
wohl ſchwer zu ergründen:
Ihr alle feyd fo Elug! ihr werdet
fie fchon finden.
—
614 F
aufgefuͤhrt habe: wer gleichwohl Luſt
bat, die Stuͤcke des Sophokles, Euris
pides, oder Scheca zu unterfüchen, der
wird finden, daß fie fich viele Mühe
gaben, in allen ihren Stüden eine
Amme anzubringen. Yun aber wird
Sedermann zugeben müffen, daß eine
Amme ein geringerer Charakter fen, als
ein Sriedensrichter; und ich babe den
Alten noch näher zu kommen gefucht,
da ich eine Großmutter und eine Tante
auftreten lafje.
Was den dritten Einwurf, nämlich
die Geringfügigfeit der Sentiments,
betrift, darauf antworte ich fo. Die
Sentiments der Fürften und der Bauern
ſind wirklich fo abftehend nicht, als es
wohl fcheinen möchte; ihre Gedanken
ſtimmen fajt immer überein; und der
ganze Unterfchied liegt in dem Ausdruck,
&er in dem einen Fall fchlecht und recht,
in andern Fall tönender ift, welches
größtentheils von den Lebensumftänden
abhängt, wodurch die eine vedende en
on
— 615
fon in Stand gefeßt wird, im Aus:
druck zu fchimmern, indeß die andre
darinn natürficher Weiſe nur Friechen
kann. Über darinn begeben meine
Kunftrichter einen groffen Fehler, daß
fie das Gebot ihres Lehrers Horaz ver
geflen, welcher fpricht:
-- Tragicus plerumque doletfer-
mone pedeftri.
Den Einwurf wider die Moral wegs
zuräumen, weis ich weiter nichts für
mich anzufüßren, als, daß ich fie. ver:
fiekt habe. Kine Moral aber, bie
tief liegt, und fo den Zuhörer nöthigt,
fein eignes Nachſinnen anzuftrengen,
ift noch niemals von den vornehmten
SKunffeichtern - gemisbillige worden.
Diejenigen aber, die mir eine Schmei—
cheley im derfeiben zur Laft legen, will
ich zu überlegen bitten, daß es eine
Figur giebt, welche Sronie heißt.
Folgende Einwürfe find wider mein
‚Drama gerichtes, infofeen eg.eine Ko⸗
moͤdie iſt.
214 Zus
616
Zuerfi wendet man wider die Hand:
lung ein, daß die Perfonen an den
‚äufferften Rand des Verderbens geras
then: Geringere, fagen fie, werden
von Mächtigern mit Füffen getreten,
ein Soldat, der defertiet und wieder
erhafcht wird, ſoll erfchoffen werden,
und ein unfchuldiges Mädchen geräth
in Derzweiflung.
Zweytens, es werden Geiſter auf:
geführt, die alfo auch Schrecken erre:
gen; welches feine von den Leidenfchafs
ten ift, die von den Kunffrichtern der
Komödie angewiefen worden.
Drittens, die Sentiments find nicht
Fomifch, weil fie aus den oberwähnten
unglücklichen Situationen entfpringen.
Die Reden eines Sterbenden, und feiz
ne letzte Ermahnung an fein Kind,
find Dinge, welche nicht fehr gefchickt
feheinen, den Zuhörer zu fröhligen Ems
pfindungen aufzumuntern.
Hierauf antworte ich
Erſt⸗
617
Erfilih. Daß der Sinoten Fomifch
fey, beweife ich aus der Deripetie und
der Kataſtrophe. Praſcods Gluͤcks⸗
wechfel,- nachdem das Arquebuſiren
aufgefchoben worden, das Ende von
Kittys Sorgen, da ihr Schäßgen ent:
laffen wird, und die daranf folgende
Hochzeit, find lauter Fomifche Vor—
fälle,
Zweytens. Geifter find felbft in der al;
ten Komödie nichts Seltnes, Der re:
gelmägige Ariſtophanes verlegt die
Scene feiner Baroaxo⸗ zu den Schatten,
und der correcte Plautus hat im ſeinem
Prologus vor der Aulularia einen Lar
familiaris, der, obgleich kein rechter
Geiſt, doch ſchwerlich viel beſſer iſt.
Drittens, In den Sentiments bitte
ich zu diſtinguiren. Inſofern ſie von
Geiſtern herruͤhren, beziehe ich mich
auf das, was ich eben von dem unta:
delichen Gebrauch derfelben in der al:
ten Komödie angeführet habe; und in:
ver fie von den übrigen. Perfonen,
45 Fries
618 [nn sn nn
Friedensrichtern, Bauern u. ſ. w. ber:
rühren, formire ich den Syllogismus,—
dag Gentiments, die wirflich komi—
fchen Perfonen eigen find, auch an fich
felöft Fomifch fenn müffen. Daß aber
diefe Eomifchen Sentiments in Keimen
vorgeftagen erden, dazu babe ich die
Eritifche Autorität der franzöfifchen Kos
mödie.
Der einzige Einwurf, den man wi-
der das Drama, als ein Paftoral,
gemacht hat, betrift die Charaktere,
die, wie man fi) auszudrücken beliebt,
balb ſchaͤferiſch, und halb unfchäferifch
find, Vornaͤmlich befteht man darauf,
dag ein Grenadierfrrgeant Fein Schäs
fercharafter fen, und die übrigen fich
von dem Stande der Unfchuld fo weit
entfernen, daß die Kerle offenbare Hu:
venjäger, und die Weibsbilder ſchwan⸗
ger find.
Allein auch bier treffen meine Gegner
den rechten Punkt nicht. Virgil redet
von Soldaten unter feinen Schäfern.
Impius
—— 619
Impius hæc tam’ culta noualia
miles habebit,
Diefem Epitheton gemäß, impius mi-
les, ift der Eharafter des Sergeanten
angelegt, wie aus folgender Anrede et:
heller:
- Etirb mir als ein Soldat, du Hand!
und geh zum Teufel!
Denn, kurz davon abzufommen, ein
Soldat unter Schäfern ift nichts anders,
als ein Wolf unter Schafen; warum
foll es alfo unnatürficher ſeyn, jenen
in einem Schäfergedichte zu nennen oder
einzuführen, als diefen? Um noch
ein paar Worte von den übrigen Cha:
raktern zu fagen, fo glaube ich die Na—
tur nachgeahmt zu Kaben, da ich die
jungen Burſche verliebt vor der Hei:
ratb, und die jungen Mädchen nachge:
bend und fruchtbar abbilde. Diejeni-
gen, die fich des Landweſens befliffen
haben, werden von diefer Art Natur
am beten urtheilen Fönnen,
Schließ⸗
Schließlich will man mein Drama
für Feine Farce gelten laſſen:
Erſtlich, weil die Unregelmäßigfeit
der Handlung mit der Ungereimtheit
der Charaktere übereinftimmen follte,
welches, wie man behauptet, in diefem
Stuͤcke nicht gefcheben ift, daß alfo daf:
felbe Feine Farce feyn Fünne.
Zweytens follen die Charaftere nicht
farcemäßig fenn, weil fie wirklich in der
Natur zu finden find,
Drittens, wenn das Gtüd eine
rechte Farce wäre, fo müßten die Gen-
timents überfpannt feyn, um in pros
portionirter Mishelligfeit mit der Hand-
fung ünd den Charaftern zu ſtehen.
Wider den erften Punfe erinnere ich,
daß die fareirte Scene von den Geis
ftern mit den übrigen Scenen feines,
weges zufammenbange; fie Fann ganz
wegfallen, und darf in feiner regelmaͤſ—
figen Komödie ftatt finden. Es giebt
frenlich eine groffe Anzahl von Luſtſpie⸗
Ion, worinn man Scenen von diefem
Schlage
— 621
Schlage gleichfalls antrift; allein der:
gleichen tuftipiele find, beftimmt ges
fprochen, Feine! Komödien, fonderh
Farcen von fuͤuf Akten.
In Abſicht auf den zweyten Punkt
wůnſchte ich, daß meine Gegner die Na⸗
Be einer Farce genauer erwaͤgen möch:
Eine Farce befteht aus Mishel:
Tinfeiteny, jemehr Mishelligkeiten das
Drama hat, deſto mehr macht es auf
den Namen einer Farce Anfpruch. Daß
diefes ſich wirklich fo verhalte, glaube
ich ‚aus meinen Charaktern beweifen zu
Eönnen, vornämlich aus dem Charakter
eines Embryogeiſtes/ am Schluſſe des
dritten Akts. Ich muß ſogar geſtehen,
daß ich hierinn nur ein Nachahmer bin,
naͤmlich von Ariſtophanes, der einen
Chorus von Froͤſchen einfuͤhrt, die ſich
folgendergeſtalt hoͤren laſſen.
Don on, wor on. |
Bosneneh, noxE, nord. BR
Bosnenef, nox£, nock, |
Auuvaı nonvav Tanve &c.
Herr
Z
622 ——
Here Durfey, ein gebohene Eng⸗
länder, hat fein Bedenken getragen,
wie den Papagoyen, fo auch allen uͤbri⸗
gen Vögeln des Himmels die Gabe des
Medens mitzutheilen. Schwäne und
tchnftühle haben in der Oper Diocle:
tianus auf der brittifchen Bühne mit er⸗
wünjchtem Fortgange getanzt. Shake—
ſpear fuͤhrt gleichfalls einige ſolche Cha⸗
raktere ein, eine redende Wand, den
Mondſchein, und was dem anhaͤngig.
Jene, naͤmlich die Wand, ſollte mit
einem Ueberguſſe von ein wenig Schmutz
auftreten; und der Mond praͤſentirt ſich
mit einer Laterne und einem Endchen
Licht: beides Charaktere, die allein
ſchon zureichen wuͤrden, aus einem er—
traͤglichen Luſtſpiele eine zer
Farce zu machen,
Drittens find die Sentiments, info:
fern fie von den niedrigften Kerlen mit
allem Pompe des Spisenmaages und
Reims vorgetragen werden, unftreitig
farcirter Natur: denn fie find er
lich,
zu ara 623
lich, fie find uͤbertuͤncht, folglich far⸗
cirt.
Nach allem dem, was ich hier ſo ein⸗
leuchtend vorgetragen habe, moͤchte ich
hier meine Kunſtrichter zu uͤberlegen
bitten, — wenn ſie mein Drama fuͤr
kein Trauerſpiel wollen gelten laſſen,
daß es ſo was von einer Komoͤdie an
ſich haben follte; --- wenn für Feine
Komödie, daß meine Abficht zugleich
auf ein Schäferfpiel gerichtet war; ---
wenn für kein Schäferfpiel, daß ich es
gewiſſermaſſen anf eine Farce angeleat
hatte; --- und wenn für Feine Farce,
daß mein Hauptplan ein tragifomifches
Paſtoral war, Wollen Sie nur fo ger
fällig feyn, dieß in Betrachtung zu zie:
ben, fo, denfe ich, werden fie mir ein-
räumen, daß ich das, was ich mir aus:
zuführen vorgenommen hatte, auch wirk⸗
lich nicht ganz unglücklich ausgeführt
habe: und mehr verlange ich nicht, Damit
ich aber ja allen üblen Yuslegungen und
Verdrehungen geſtrenger Kunftrichter
pitus aus⸗
626 =
a > 7 02 0
Fuͤnf und zwanzigſtes Stud.
#
einer Neifen die legte bin ich gewellt:
O Göttinn Freya! Göttin goldner
Thraͤnen!
Sie war gluͤcklich! EB
Ddin hat am Baum des Xethers hinauf
Mich fehiveben gelehrt und herab. |
Neun Tage lang, nem Nächte lang
Schwebt' ic), und fühlte den Gott;
An meiner Stirne lifpelte Laub
Bon Alte Glafur.
Ich fang! ich fang! Dem Tritt des
Wallenden
Entfiel die ſterbliche Feſſel:
So glitt ich auf Duͤnſten dahin!
Alle Ströme Walholls umrauſchten,
Fuͤrchterlich umbrauſte mich und erhaben
Des Himmels Ocean.
J
rn 627
Meines Hauptes Scheitel fönte
Hoch auf an der Scheitel Jotuns:
Da tränfte Wolkenſchweiß
Bon Ymers Gehirn in der Erde Kelch.
Sch habe den Schlaf der Alfen gefehn
Am Bufen des Windes;
Gehört des Naben Kriegsgefang,
Und den Hanimer Tors, und den Waffenregen
Um die Wagenburg Walholls;
Und mic) gebadet in der Alfen Roͤthe.
Aber, o mein Gefang, du Moſt Odins,
Ruf es lauf!
Daß vom Eife Wynilands es halle
Bis an der ſchwarzen Woge Strand!
Ruf es laut!
Dom goldnen Apfel Iduns hab ich
geFoftet !
Jugendlicher blüht nicht auf
Dom golönen Apfel Iduns
Ra Der
fu
628 —
Der mit dem grauen Bart! Mehr Bra:
ga war ch!
Mir gabs fein Weib zu Foften! und Heil mir!
o wie
Hab ich gefofter!
Nicht jugendlicher ſcherzt, an der Bruſt
Des Mädchens mit den weigen Armen, |
Afa der Graue!
Nicht jugendlicher fpottet der Damme
‚ rung, en!
Und ihrer firben Donnerwagen,
Und Ferris des Wolfs,
und Loks und aller Schlangen Midgaards,
Die Schaar der alten Götter, verjüngt
Dom goldnen Apfel Iduns!
Sechs
629
*
*
ar # 4 a | ; Ä . *
Sechs und zwanzigſtes Stuͤck.
Das Manufeript, was ich meinen fe:
fern heute mittheile, war mir unter den
Seltenheiten meines Mufeums das
fehäßbarfie; das einzige, welches ich irı
dem unglücklichen Brande, deffen die
Vorrede erwähnt, zu retten, Faſſung
und Gegenwart des Geiftes beſaß.
Der Anhalt allein müßte mir es fchon
wichtig machen : aber der alte Achte
Seutfche Geift des Saliſchen Ge:
ſetzbuchs, der von einem Ende zum
andern darinn berrfcht, giebt diefen
Auffage einen neuen, einen Original:
werth. Was die Herren Salogaft
“Nrz und
630 — ——
und Wlemar bisher abgehalten hat,
denſelben oͤffentlich bekannt zu machen,
wie ihnen die Aldermaͤnner gebothen
haben, kann ich nicht ſagen. Ich
freue mich, daß mich ein guͤnſtiges
Schickſal in Stand fest, es an ihrer
Stelle zu thun.
|
” Gefetze
Geſetze
der
Gelehrtenrepublik
| in Deutfchland.
x
Rr 4 Bew
632 Z——
Vorrede.
Die Geſetze unſrer Republik ſind bis—
her nur die muͤndliche Ueberlie—
ferung unter uns bekannt geweſen.
Die Aldermaͤnner pflegten ſie bey ver—
ſammelter Landgemeine bisweilen oͤf—
fentlich zu wiederholen. Oeftere Bor
ſchuͤtzung der Angeklagten, daß ſie die
Geſetze nicht recht wuͤßten, hat die Al—
dermaͤnner zu dem Entſchluſſe gebracht,
uns, Salogaſt und Wlemar, zu ge—
biethen, daß wir den Hauptinhalt der
nothwendigſten Gefeße durch den Druck
befannt machen follten, Wir thun
diefes hierdurch, und beziehen uns zus
gleich daben jedesmal auf die Verord—
nungen, oder $andgerichte, in welchen
diefe Gefege umftändlicher enthalten
find. In Abſicht auf diefe Sandge:
richte
mn 633
richte iſt nun auch folgendes von den
Aldermaͤnnern genehmigt worden. Sie
werden naͤmlich nicht mehr, wie vordem,
und nur bisweilen, gefchah, vor der
Landgemeine aus dem Gedächtniffe wie—
derholt, fondern verlefen. Und viel:
leicht wird bey der nächften Berfammt:
fung auf den Druck derfelben angetra:
gen, "Sn Ben! Balle, dag denn die
Mehrheit „der Stimmen für diefe Ber
kanntmachung iſt/ fo werden wir fie,
und zwar in der alten Sprächeund ganz
unverändert, herausgeben,
034
a — *3
Einleitung.
Von der
Verſchiedenheit unſerer Mitbuͤrger.
IN: nut anderer Meynung bat,
nur nachaknıt, ift ein Knecht.
Wer felbft den®t, felten und mit Urs
eheil nachahmt, ift ein Freyer. |
Wer felbft, tiefſinnig, und ſchoͤn
denkt, oder auch, ohne ſchoͤn zu denken,
entdeckt oder erfindet, ift ein Edler.
Wer, wie eg einem Eden ziemt,
Yange gelebt hat, ift ein Aldermann.
Bon den Strafen.
Das Stirnrungeln zeigt nicht
Spott, fondern nur Verdruß am.
Das
——— 635
Das Laͤcheln iſt angehender
Spott.
Die laute Lade iſt volfer herzlis
her Spott.
Das Rafenrumpfen iſt Spott
und Beratung zugleich.
Das Hohngelaͤchter iſt beides
im hoͤchſten Grade.
Vier einheimiſche Folianten tragen,
nennen wir mit dem altdeutſchen Aus—
drucke: den Hund tragen. Acht
ausländifhe: Den Sattel tranen.
Wer den Hund oder den Sattel trägt,
geht in einem Kreife, deſſen Durch—
fehnite taufend Schritte machen, ſo
umber, daß der vorige Gang von dem
folgenden nur einen Schritt entfernt iſt,
und fteht in der Mitte fo lange ſtill, big
ein Aldermann Gnade ruft.
Die Landesvermweifung ge
fhieht durch den Herold mit a
rufe;
Sch!
Geh! du frinfft nicht mehr aus der Quelle
diefes Hays! und waͤrmſt dich nicht
mehr an unſerm Feuer!
Einem die © Todtenfackel anzlinden,
heißt ihm durch den Herold zurufen laf—
fen, daß feine Schrift todt fen, ober
gleich felbft noch lebe,
Das Stirnrunzeln, das Lächeln, und
die laute Lache koͤnnen unter gewiſſen
Bedingungen erlaſſen werden; aber
nicht das Naſeruͤmpfen, das Hohnges
lächter, und das Hund und Sattel
tragen.
Bon den Belohnungen.
FSreylaffung. Die Bedingungen,
unter welchen ein Knecht ein Freyer
wird, kommen in den Geſctzen felbft
vor. |
Die Schale. Einigen wird, wenn
fie in die verfammmelte Sandgemeine foms
men, aus der Quelle des Hayns ge⸗
ſchoͤpft.
Das
— 637
Das Eichendblatt. Es wird an;
dern bey ihrer Ankunft gereicht.
Blatt und Eichel empfangen
einige zugleich, wenn fie ankommen.
Zuruf an die Nachkommen.
Man hört ihn nur felten von dem He:
rolde,
Wer einen Hügel hat, und Blatt
und Eichel zu erhalten pflegt, der ift zu
der größten unferer Belohnungen fähig,
diefer nämlich? der Herold ruft von
ihm bey verfammelter Sandgemeine aus:
Urenfel! ſchuͤtze fein Werk gegen die
Leerheit und die fpigfindige Denfungs:
art deiner Brüder!
Es wird in unfere Sahrbücher gefchrie:
ben, daß der Ausruf gefcheben fey.
Bon den
- Grundfägen unfrer Republif.
Deren haben wir nur drey, Der
erfte ift; durch Unterfuhung, Bes
7 ftim;
638 —
ſtimmung, Entdeckung, Erfindung,
Bildung, und Beſeelung ehemaliger,
neuer, und wuͤrdiger Gegenſtaͤnde des
Denfens und der Empfindung fich recht
viele und recht mannigfaltige Befchäfti:
gungen und Vergnügen des Geiftes zu
niachen, Der zweyte: das nüßlichite
und fchönfte von dem, was jene Be:
fcehäftigungen und Vergnügungen ums
techalten bat, unfern Mitbürgern und
den Einwohnern der angranzenden fin:
der durch Schriften mitzutheilen. Der
dritte: Schriften, deren Inhalt einer
lebendigen Darſtellung nicht nur fähig,
fondern auch würdig ift, denen vorzu:
ziehen, die entweder ohne diefen Inhalt,
oder ohne diefe Bildung find, 8
Die Erfahrung vieler Jahrhunderte
hat gezeigt, daß nur ſie dauern. Und
obgleich auch bisweilen Schriften, denen
jene Wuͤrdigkeit des Inhalts fehlt, auf
die Nachwelt gekommen ſind, ſo verdie—
nen ſie doch ihre Dauer nicht. Der
Grund des Vorzuges, den wir geben,
iſt
zu 639
iſt zu erwartende und verdiente
Dauer. en *
Zu Erlaͤuterung der beiden letzten
Grundſaͤtze gehört zu wiſſen, daß Han:
deln und Schreiben weniger unterfchie:
den fen, als man gewöhnlich glaubt.
Wer handelt und wer föhreibt, bringt
Wirkungen hervor. Diefe ind auf bei:
den Seiten fehr männichfaltig. Die
moralifchen find die vorzüglichften. Sie
haben eine nähere Beziehung auf die
Gluͤckſeligkeit, als alle andere. Ob der
Schreiber oder der Handelnde in gröf:
ferm Umfange wirfe? Der eine vicl-
leicht bisweilen fo lange er lebt, und
denn duch die Wirfungen der Wirkun;
gen, fo lange fie dauern fönnen. Der
andre wirft auch nach feinen Tode, und
immer von neuem ganz. Und wenn
diefes von neuem ganz auch nur ein Fahr:
hundert fortwaͤhrt, fo währt es lange.
KHiezu koͤmmt noch die gewoͤhnlich größre
Zahl derer, auf weiche die Schrift Ein:
fluß bat, Und denn die Einflüffe der
en See
640
Leſer auf die, welche fie nicht kennen.
Die wiegt auch auf der Wagſchale.
Die Aldermänner haben ung gebothen,
auch tiber diefe Sachen Eurz zu feyn,
ob wir gleich, ohne weitläuftig zu wer
den, viel mehr darüber hätten 1a
fönnen.
Don unſerer Politik.
Wir haben gar keine. Dieß bringt
uns nicht wenig Nachtheil. Den Ak
dermännern ift nicht unbefannt, daß
fie fich bey verfammelter Landgemeine
vergebens bemühen würden, fie vondie
ſem Nachtbeile zu überzeugen, Gie
haben aber befchloffen, einige wenige
Grundfäße der Politik für fich felbft
feftzufeßen. Hiervon wird in der Ge:
fchichte unferer Republif,, die nun bald
vollendet ift, mehr vorfommen. Wir
warten mit der Herausgabe diefer Ge:
fchichte nur darauf, daß die noch bevor:
** Zufanınenfunft dev Landge⸗
meine
641
meine vorüber fer, Denn bey dies
fer werden viel wichtige Dinge abge:
handelt werden, Man wird, wie un:
ter andern die Mede geht, einige Freye,
die es unrechtmäßig find, zu Knechten
machen; viele unfrer Mitbürger, bis
fie fich etwa befjern möchten, für ftim-
menlos, und wicht wenige zu Nacht:
wächtern erklären, fowohl wegen ihrer
Wahlfähigfeit, als auch deswegen, weil
die Vermehrung der Nachtwächter jeßt
Noth thut. Denn von den ausländis
fchen Gelehrtenrepubliken kommen nacht;
nächtlich mehr verftorbne Schriften an,
die als Gefpenfter umgeben, und bey
unfrer Jugend befonders dadurch viel
Unfug fliften, daß fie vorgeben, als
machten fie daheim Epofe,
‚Der Hypoch. 2. T. GH: Ge—⸗
642
Eee nn a ne 3
Geſetze.
Von unſrer Sprache.
1.
Wer roͤmiſch ſchreibt (die bekannten
Pa a ausgenommen), wird. fo
lange, Landes verwiefen, big er etwas
in unfrer Sprache gefehrieben har. Iſt
er ein Knecht, ſo traͤgt er vorher den
Sattel, Landgericht, welches ans
fängt: Die unvaterländifchen
Sklaven u.f m. L. ©. den Nachle—
fern und Stoppelfammiern ꝛc.
2.
Wer in einer neuen auslaͤndiſchen
Sprache ſchreibt, wird ſo lange Landes
verwieſen, bis er etwas in unſerer
Sprache herausgegeben hat. Iſt er
ein
un sense 643
ein Knecht, fo wird er vorher durch das
Naferümpfen geftraft. $. G. Die
Gerxingſchaͤtzung des Eignen und Be
mwunderung des Fremden u.f. w. £. ©,
Selbſt Leibnitz, wenn er wieder
kaͤme ꝛc.
3+
Wenn eın Knecht über. drey "neue
Worte wagt, fo büßt ers durchs Nafes
ruͤmpfen. L. ©. Einmiſchung in andes
rer Leute Sachen u. ſ. w.
2.
Wenn ein Freyer oder Edler aus:
ländifche Worte ohne Bedürfnif in die
Sprache mifcht, fo entgilt ers, finds
nur wenige, durch die Stienrungel und
das Lächeln, finds aber viele, fo. träge
erden Hund. Thuts ein Knecht, es
ſeyn dann viel oder wenig Worte, fo
buͤßt ers durchs — 4 und
Ss 2 wird
10 = 2 Pu Sal Sm Sal nn 2 7.573
Geſetze.
Von unſrer Sprache.
1.
Wer roͤmiſch ſchreibt (die bekannten
Nothduͤrften ausgenommen), wird ſo
lange Landes verwieſen, bis er etwas
in unſrer Sprache geſchrieben hat. Iſt
er ein Knecht, fo trägt er vorher den
Sattel, Landgericht, welches ans
fängt: Die unvaterländifhen
Sklaven u. ſ. w. & ©. den Nachle—
fern und Stoppelſammlern xx. |
2,
Wer in einer neuen ausländifchen
Sprache fchreibt, wird fo lange Landes
verwiefen, bis er etwas in unferer
Sprache herausgegeben bat, Iſt er
' | ein
—— 643
ein Knecht, ſo wird er vorher durch das
Naſeruͤmpfen geſtraft. L. ©. Die
Gerxringſchaͤtzung des Eignen und Be
wunderung des Fremden u.f. w. £. ©,
Selbſt Leibnitz, wenn er wieder
kaͤme ꝛc.
3*
Wenn ein Knecht über. drey "neue
Worte wagt, fo büßt ers durchs Safe:
ruͤmpfen. L. ©. Einmiſchung in ande⸗
ver Leute Sachen u. ſ. w.
4.
Wenn ein Freyer oder Edler aug:
laͤndiſche Worte ohne Beduͤrfniß in die
Sprache miſcht, ſo entgilt ers, ſinds
nur wenige, durch die Stirnrunzel und
das Laͤcheln, ſinds aber viele, ſo traͤgt
er den Hund. Thuts ein Knecht, es
ſeyn dann viel oder wenig Worte, ſo
buͤßt ers durchs Hohngelaͤchter, und
de Ss 2 wird
wird er noch einmal betreten, durch
den Sattel. L. G. Wider die Natur
und alte gute Sitte unfter Sprache
u. f. w.
5+
Wer hundert Scherfe und zehn Golds
ftücke in die Sprache gebracht hat, der
erhält Schale und Blatt; wer die dop:
pelte Zahl der Scherfe und der Gold—
ftücke, Hügel und Eichel, L. G. Weil
von der Sprache groſſentheils die
Denkungsart eines Volks abhängt
u, f. w.
Don Streitichriften,
I,
Streitfchriften Finnen nur im Falle
der Nothwehr gemechfelt werden. 2. ©.
Obwohl oft Wahrheit durch Streit
und Strauß u. ſ. w.
.
— 645
2.
Wenn der Fall der Nothwehr, wel⸗
— durch tauſend gute Maͤnner und
einen beſtaͤtigt werden muß, nicht vor⸗
handen geweſen iſt, ſo wirds an dem
Angreifer und dem Vertheidiger durch
dreymal wiederholtes Hohngelaͤchter
geruͤgt, ‚weil in den angraͤnzenden Laͤn⸗
dern unter Vornehmen und Geringen
viel ‚sen über den Streit gemefen
ift. $. ©. Der hohe Ton unferer Nach:
baın, die Doc) ſelbſt, wenn ſie Kriege
fuͤhren ꝛc.
3.
Iſt der eine von den Streitenden
ein Edler geweſen, ſo buͤßt ers nur durch
die Stirnrunzel und das Laͤcheln. L. G.
Mehr zur Warnung als zur Strafe ıc.
4
Wird ein Streitender ertappt, daß
er unter feinem Schreibzeuge Knüttel
Ss3 oder
Er
oder Keule verftecft liegen habe, fo wird
er auf ein Jahr Landes vermwiefen, LG.
Ale Wildemanns Arbeit ꝛc.
Sechs Kerngeſetze.
I,
Mer unter dem Vorwande der Volks
ftändigfeit das Wiederholte wiederholt,
ift auf Fahr und Tag zu Belohnungen
unfähig. L. ©. Anlangend die Ab—
fhaffung der Pluderhofen ꝛc.
2»
Wer fich auf mehr als zwey Wiffen:
fchaften und drey Kenntniſſe einläßt,
muß entweder auf alles Gefühl von
Dortreflichfeit Verzicht tbunz; in die:
fen Falle ift er, fo lange er bey diefer
Nerzicht bebarret, aller Belohnungen
unfähig: 4. ©. Alle die fich mit Wiſſen
und Willen beym Stuhlniederfegen *
oder
647
oder er muß bemeifen, daß leibnitzens
Geift in ihm gefahren fen ; im Falldag
es mit dem Erweiſe nicht fort will, ift
er, fo lange er bey der Behauptung bes
harret, aller Belohnungen unfähig,
2.6. Danichts mihlicher ift, als die
"Berufung auf groffe Männer ꝛc.
i
2 €
4*
%
3»
Ein Knecht kann uͤber dieſe Sache
gar nicht vernommen werden. &. ©.
Alles was auffer dir Sehe und Beaͤu⸗
gung 26, | :
— ,
In dem Hoffentlih ſeltnen Falle,
daß ein reger fortdauernde Unbaͤrtig—
feit duch den Augenſchein follte darz
tbun Fönnen, wird er auch nicht ver:
nonmen. $. ©. Da Unbärtigfeit unter
die unüberwindfichen Hindernifle ıc.
©s4 Pr a
648 ee
5.
Wer übertwiefen werden kann, daß
er die Stunde des Genies ungebraucht
hat vorüber geben laſſen, ift auf Jahr
und Tag feiner Belohnung fähig. L. ©.
Die Kürze des Lebens, und die Sek
tenheit dev Stunden, da ꝛc.
6.
Wer zu mwenigem Inhalte viel Ge:
ſchwaͤtz gemacht, und dieß hundert und
einen Tag getrieben hat, der kann deſ—
fen bey der nächften Berfammlung der
tandgemeine von jedem, mer es thun
will, angeflagt werden. Wird erüber:
wieſen, fo entgilt ers durch das Hohn:
gelächter. L. G. Niemanden weniger
als den Deutſchen ziemet ꝛzc. L. ©.
Die groſſe anſteckende und gar gefaͤhr—⸗
liche Krankheit unſers erleuchteten
achtzehnten Jahrhunderts ꝛc. Will
ſich der Angeklagte durch Gewohnhei—
ten,
649
ten, Herkommen, Sitten und Gebräu:
che anderer Gelebrtenrepublifen, unfrer
Bundsgenoffinnen, entfchuldigen, fo
trägt er den Hund, L. G. Nicht zur Be
fehönigung, tondern daß man ſich daran
fpieale, dient ꝛc.
Don Lehrgebaͤuden.
® |
Neue Lehrgebaͤude werden gleich,
wenn fie fertig find, verbrannt. L. G.
Damit die Republik nicht durch groffe
Wahrheitsverluſte in Gefahr komme ꝛc.
2+
Wenn das Lehrgebaͤude brennt, wird
der Erbauer an die Graͤnze gefuͤhrt.
Laͤßt er beym Umſehen nur eine Thraͤne
fallen, ſo wird er ſo lange verwieſen,
bis der Wind die Aſche ganz zerſtreuet
hat. L. G. Hartnaͤckige oder weichliche
Anhaͤnglichkeit Darf nie den Richter ꝛc.
Ss 5 3;
650 — ar
3
Per auch mır als Handlanger dabey
geholfen, vornämlich aber wer ben
Kranz aufgefeßt und die Nede gehalten
hat, wird mit der lauten Lache beftraft.
2.©. Dey Dingen, modur die Re—
publik in Gefahr Fommen kann, wird
bis auf den Helfershelfer x,
Bon den Nachtwächtern.
ea DIR,
Wer’ fünf Jahre und fieben Tage
‚nichts anders gethan, als mittelmäßige
Buͤcher überfest hat, wird Nachtwäch:
ter. 8. &. Die gute Vertheilung der
verſchiednen Geſchaͤfte ıc.
2.
Ein Nachtwaͤchter bat unter andern
dafür zu forgen, daß die, welche durch
eine fpiße oder fcharfe Feder im Zwey⸗
kampf
651
kampf erlegt ſind, und nun als Ge—
ſpenſter umgehen, des Spukes nicht zu
viel machen. L. G. Das ewige Vor
geben derer, die im Zweykampfe ges
bfieben find, fie wären nicht geblieben 2c.
Von der
Entdeckung und der Erfindung.
—2
Entdecker bekommen das Eichenblatt.
2. G. Da beſonders auch dadurch dag
Beſte der Republik befoͤrdert wird,
daß ꝛc.
Anm. Auch die gehoͤren zu den Entde—
ckern, welche die wahr geglaubte Er—
fahrung als falſch zeigen. .
oe
Erfindern wird der Hügel gegeben.
1. ©. Die Ehrerbietung, die man den
Erfin⸗
052 ——
Erfindern ſchuldig iſt ꝛc. L. G. Erfin⸗
dung hat Augen, Fund ertappts ꝛc.
3.
Wenn die Entdeckung und die Erfin:
dung vom Umfange der Schmwierigfeit
und des Nutzens ift, fo wird dem
Entdecker der Hügel, und dem Erfins
der auffer dem Hügel "Blatt und Eichel
gegeben. L. ©. Keiner hat gerechtere
Anfprüche auf die höchften Belohnun⸗
gen ꝛc. LG. Nicht die Erweiterung der
Wiſſenſchaften, fondern die Erhoͤ—
bung ıc. |
4.
Wenn ein Knecht darthun kann, daß
Entdeckung oder Erfindung einem an—
dern zugehoͤre, ſo wird er frey gelaſſen.
L. ©. Sollte etwa ein Knecht wider
alles Vermuthen ꝛc.
Von
Don der Freylaſſung.
I»
Wenn ein Kuecht fein Geſchriebnes
bis auf ein Stücf oder. zwey vor der
tandgemeine üffentlich verbrennt, fo
wird er nach den übrig gelaßnen beur=
theilt , und kann den nächften Landtag
frey werden. &. G. Obgleich lange
ch x
2+
Wenn ein Knecht durch Nachah—
mung eines andern Knechts zmwiefach
ein Knecht wird; fo ift erauf Jahr und
Tag zur Freplaff jung unfähig. 8. ©.
Alzugroffem Verfalle vorzubeugen ꝛc.
Anm. Ben Tester Verfammlung ‚der
Landgemeine wurde von einigen nur erft vor
furzem freygelaßnen Knechten in Vorſchlag
gebracht: den zwiefachen Knecht zur —
ung
654 ——
ſung gaͤnzlich unfaͤhig zu erklaͤren. Aber die
Republik hat, nach ihrer weiſen Gelindigkeit,
das alte Geſetz behalten, und zugleich das
neue gegeben, daß kein geweſener Knecht vor
Verlauf eines Jahres etwas. bey der Landge⸗
meine in —— — koͤnne.
3-
Wenn ein Knecht einen ftreitflichti:
gen Freyen im Stwenfampf erlegt, fo
wird er frengelaffen. $. ©. Den Knech⸗
ten defto mehr Thüren und Thore zu
öffnen ꝛc.
%
Kon den
Anfündigern und Ausrufern.
I,
Die Ausrufer koͤnnen bey dem Ans
Laffe, da fie neue Bücher anzeigen, ihre
Stimme als Mitbürger geben. Dün-
get * aber, daß ſie deswegen, weil
ſie
——— 655
fie Ausrufer find, mehr als Eine Stim:
me haben, fo müflen fie beym erften
Sandtage fich entweder damit entfchuls
digen, daß fie zu der Zeit, da fie die
Meynung von mehr als einer Stimme
hegten und aͤuſſerten, krank gewefen
ſeyn, oder fie werden zum Hohngelaͤch⸗
⸗
ter verurtheilt. L. G. Da allerley
Mahn; Duͤnkel, und Schwindel ob⸗
waltet, als wenn ıc. |
Anm. Dieß Geſetz gehet die Anfündi:
ger nur alsdenn an, wenn fie fich gleicher Ge:
ſetzloſigkeit mit den Ausrufern ſchuldig machen.
2.
Verharren die Ausrufer aber bey ih⸗
rer Meynung, ſo fragt fie der Alder;
mann: Wie viel Stimmen denn mehr
als Eine ? und nachdem fie eine Zahl
genannt haben, fo werden fie eben fo
viel Sabre Landes verwiefen. 2. ©.
Da die Leute oft mehrals Einen Spar;
ven zu Biel, 20, |
3+
656 —
3*,
Wenn ein folher Ausrufer von der
Sandesverweifung zurück gefommen ift,
Ki. wird er noch Jahr und Tag Aufwaͤr⸗
ter bey den Machtwächtern‘, und ihm
B.£ liegt ob, den Nachtwaͤchtern das Horn
| rein zu halten, damit es gut blafe, und
er in Zeiten mit dem Horn umgehen
ferne. Denn fünftig, wenn er wieder
Ausrufer ift, muß er, wenn er fein
Yusrufungsgefhäft nun eben verrichten
will, allezeit zuvor ins Horn floffen.
L. G. Es ift nicht ohne, das die Ge⸗
feßgeber gegen eingewurzelte und hartı
naͤckige Schäden ıc.
4
Sollte ein Ausrufer des Umſtandes,
daß der Landtag noch entfernt ift, zu
fehr misbrauchen, und mit den vielen
Stimmen, die er zu haben glaubt, zu
laut ſchreyen, fo warne ihn Jeder, der
es
657
es gut mit den Unmuͤndigen ment, die
der Ausrufer etwa irre führen fönnte,
und gebe ihm zu verfiehen, daß die
Landgemeine denn doch endlich gewiß
gehalten werde. Wer dieß thut, hat
Belohnung von den Aldermaͤnnern
zu erwarten. $. G. Auch gute Hand.
fungen, die in den Gefetzen nicht benannt
find ꝛc.
gegen einen Ausrufer öffentlich —
digt, ſo buͤßt ers durch Stirnrunzeln
und durch Lächeln, L. ©. Da zur rech—
ten Zählung, Meffung, und Waͤgung
mehr ais eine Zuſammenkunft der Lands
gemeine, und das Urtheil der angräns
zenden Länder ꝛc.
ir
Vertheidigt fich ein Knecht, fo läßt
mans hingehen, und ahndet es nicht.
Der Hypoch. 2.T. Tt —
u
&.
658 eis
2. ©. Gemeines Handgemenge und
Sauftrecht ze.
Don Böllery und Zrunfenheit.
I.
Wer fih in einer ausländifchen
Schrift beraufcht hat, es fiy Wein
oder Weingeiſt darinn gewefen , fie fey
kuͤhl binuntergegangen, oder fie habe
geraucht, und taumelnd von ihr auf
der Gaffe herummanft, und laut fchrent
(murmeln Fann er wie er will), daß er
diefe Schrift allen deutfchen Schriften
vorziehe, über dem rufe man gleich auf
der Stelle, und ohne alle Saͤumniß:
So Duthe! und ftoße ihn, ohne Al:
dermaͤnner und Herold abzuwarten,
über die Gränzen hinaus. & ©. Der
Trunkne muß wie der Nüchterne ıc,
2er
— 659
2,
Wer, ob er gleich zu Haufe bleibt,
und nur murmelt, ſich täglich in den
Schriften der neuen Sophiſten, ;. E.
Voltaͤrens und feiner Säuglinge, be:
fäuft, und zwar dermaffen, daß er fünf
bis fehsmal beym Stuhl liegend und
den Rauſch ausfchlafend gefunden wor:
Den ift, der wird eingemauert, und ihm
feines gewöhnlichen Geföffs, wie auch
Papiers zum Speyen, fo viel er will
gelaffen, $. ©. Zur Steuerung allzu⸗
groffer, und anhaltender Voͤllerey, und
Damit nicht in den angränzenden Laͤn⸗
dern durch Die Unthaten Verſtandes
und Ehr vergeßner Trunkenbolde ꝛc.
? Von der Todtenfadel.
ur Fi
- Wenn ein Sreyer, oder ein Edler,
oder gar ein Aldermann ſieht, daß feis
nem Werke die Todtenfackel angezuͤn—
Te 2 det
gr.
a”.
x
560 ren ee
det werden foll; fo haterdie Befugniß,
die Stimmenfammfung zu hindern, und
um ein Jahr Frist zu bitten. In diefer
ift ihm veraönnt, allerhand ihm vor;
theilbafte Nachrichten von dem Ge
fehmacke einiger unferer Mitbürger zu
ſammeln, und fie den nächjten Landtag
anznführen. Unterdeß kann ihm dieß
nicht viel helfen. Denn die gerechte
Republik, Aldermänner, und Landge⸗
meine, hatte nicht ohne Urſache der nun
nothwendigen Anzuͤndung der Todten—
fackel erwaͤhnt. Es koͤmmt alſo dieß—
mal zur Stimmenſammlung, und der
Herold ruft:
Du lebſt, aber dein Werk iſt todt!
L.G. Da keinesweges geduldet wer:
den Fann, daß die Nachbarn Ausſpruͤ⸗
che über wichtige Sachen unfter Mes
publik thun, und ferner kurze Verjaͤh—⸗
rung doch nie —— iſt ꝛc.
Anm.
— — 661
Anm. Wenn volr die Gefchichte unfrer
Nepublif herausgeben, fo wird. a,
len darinn finden, ie diefe und jene Schrift,
deren Verfaſſer die Stimme des Herolds ge⸗
hoͤrt hatten, von allerley Leuten und Leutchen,
als ob ſie noch lebte, geliebkoſet worden ſey.
Aut
Ein Knecht kann wohl aufGefchwäg
anflagen, aber nicht auf. die Todten:
fackel. L. G. Nach) dem Maaße der
Einſicht ꝛc. | |
Anm. Siehe das ſechſte Kerngeſetz.
— — |
Wenn ein Frener oder Edler auf die
Todtenfackel anklagt, und das Urtheil
der Landgemeine wider den Anklaͤger iſt,
ſo buͤßet es dieſer durch die laute Lache,
Hoͤhngelaͤchter und den Hund, und
wird auf fuͤnf Jahre fandes verwieſen.
L.6. Die Kuͤhnheit der
Sägetähngen ꝛc.
213 4+
|
662
4
Ben eines Knechtes Schrift wird die
Todtenfackel nicht angezündet, weil fie
eigentlih niemals recht gelebt Bat.
2. G. Alles überflüßige zu vermeiden ꝛc.
2.6. Nachahmung wolr’s Affengeſicht
zwar gerne verlarven ꝛc.
Vom Hochverrath.
Hochverrath wird durch ewige fan:
desverweiſung beſtraft. Der Knecht
wird in aller Stille bey Nacht und Ne—
bel uͤber die Graͤnze gefuͤhrt, der Freye,
Edle und Aldermann aber ben verſam—⸗
melter Landgemeine.
Hochverrath iſt es,
I,
Wenn fih einer zum Beherrſcher
aufwirft. L. ©. Der erfte Grundflein
unfrer Republik ift Freyheit ꝛc.
2.
Wenn einer die auslaͤndiſchen es
Iehrtenrepublifen unfrer vorzieht. L. ©.
Alle Blinzer, Dreyfchrittieher, und
Bewunderungsſieche ꝛc.
3: ”
Wenn ganze Gefellfhaften in einer
fremden Sprache ſchreiben. L. ©. Im
Fall einer nothwendigen groffen Gäu:
berung, wenn in hellen Haufen, Schaa⸗
ren, und Heeren ıc,
4»
Wenn einer einen deutfchen Fürften
verführt, Elein vom Genie und der Wiſ—
fenfchaft der Deutfchen zu denken. L. ©.
Dem Kleinmüthigen, Unedlen, Halbe
deutſchen ꝛc.
T —J
.
*
u
3
v .
-
664 ——
5.
Wie viel Beyfall und Ehre auch die
Mitbuͤrger der Kuͤnſtlerrepubliken ge:
nieſſen, und wie ſehr auch wir und unſre
Bundsgenoſſinnen, und mit welchem
Vergnuͤgen wir ſie haben erweitern und
erhoͤben helfen; ſo iſts doch Hochver—
rath, wenn einer die Kuͤnſte uͤber die
Wiſſenſchaften erhebt. 8. &. Wer die
Dinge auf den Kopf ſtellt ꝛc.
6.
Wenn einer Maͤnner nicht ehrt, die
in den angraͤnzenden Laͤndern groß vom
Vaterlande denken. L. G. Sogar das
Stillſchweigen von Männern, die ꝛc.
Te
° Wenn einer Fürften oder ihre Dies
ner. lobt , die e8 nicht verdienen. $. G.
Alle groſſe Erleichterung zu Erhaltung
des Beyfaͤlls ac,
. 8
1 x
- i 8,
Kenn einer nach dem Gefeke von
Bölleren und Trunkenheit nicht Jo Duz
the! mitfchregt. L. G. Die —
und witter u
ea
3%
*
9.
Wenn ein Ausrufer oder Ankuͤndiger
auch nur aͤuſſert, geſchweige denn, wenn
er gar freventlich behauptet, ſein Amt
ſey ein Richteramt. $, ©. Nur die vers
ſammelte Republik, Aldermänner und
Landgemeine ıc, |
d —
+
># j «3
| — 665
|
\
|
|
IO,
Wenn einer die Nusländer über An:
maßungen der Erfindungen ertappt, die
wir erfunden haben, und es nicht Sf:
fentlich anzeigt, oder anzeigen läßt.
1. ©. Sötfentinzifte Schlaf:
ſucht ꝛc.
Tt5 11,
1I,
Wenn einer zu Ruh und Friedenräth,
nachdem unſre Republik Wettſtreit um
den Vorzug mit den auslaͤndiſchen Re:
publifen befchloffen bat. &. G. Den
Kurzſichtigen, Kleindenfenden, Muth⸗
loſen, den Knechten, und Knechtſchaft⸗
werthen, die des Vaterlandes nicht
wuͤrdig find ıc.
12.
Wenn einer behauptet, daß die Gries
hen nicht Eönnen übertroffen werden.
1.6. Was auch feheinbare Vorur—
theile für Gewalt ic.
13.
Wenn bey einem die Abbildung der
Bildfäule gefunden wird, die in den
nenern Zeiten, mit falfchen Inſchriften,
bier: der Eleganz, dort: dem Ge:
Ihmade, anderswo: der Örazie, aber
im
N
|
|
|
——— 667
im Grunde, und der Wahrheit und
Wirklichkeit gemäß, der Mittelmäßig-
feit gefeßt worden ift. L. G. Daesin
den Wiſſenſchaften Feine goldne Mittela
maͤßigkeit giebt, wohl aber, und einig
und allein, eine bleyerne; da fernerhin
alles, was nicht eigne Kraft in Der Ader
bat, doch nur, welche Befkhönigungs-
namen dem Dinge auch gegeben mers
den, an der Künfteley feinerer und grö-
berer kraͤnklich und krank da nieder liegt:
po *
14
Wenn einer die Abfchaffung eines
unferer Gefege vorfchlägt, und fein Bor;
ſchlag durch die Mehrheit der Stimmen
verworfen wird. L.G. Aufmwiegfernund
Empörern zu fteuren sc & ©. Da
fih bey allzugroſſer Gelindigkeit und
Nachſicht befonders auch die Knechte in
ganzen Zügen, Horden und Rotten zus
fammenthun Fönnten ꝛc.
Sieben
668
nn un nr
Sieben und zwanzigſtes Stück. *)
Das gute Fräulein war beſchaͤmt
! Wielanp,
FH bedaure, Lefer, daß es mir in
meinen vorigen Blaͤttern immer
an Zeit und Gelegenheit gefehlt bat,
dir einen meiner Zufälle zu berichten,
der mir fonderbar feheint. Iſt es Da
ralifie, ift es Melancholie, iſt es Ses
lenie, ift es eine Are Phthiſie, die den
Körper in gemiften Stunden bis zur
Glandula pinealis hinauf verzehrt, ift
es etwas anders, was in meinem Ner;
venfnftem ftecft, und fchwer zu erklären
feyn möchte: genug id) bin manchmal,
befon:
6, das fünf und zwanzigſte.
669
befonders zur Nachtzeit, wenn ich zu
tief im Kopfküffen denfe, gewiffen Ent:
rücfungen außer mir felbft ansgefeßt,
da ich denn ganz ſauft in aller Still
aus der Haut fahre, und mich in die
öbern Gegenden des Dunſtkreiſes ver:
füge, Außer verfchiednen Drachen
mit Lammskoͤpfen und Fledermausfluͤ—
geln, Sriftallinfeln, nebft Feen und
Zubehör, Luftſchloͤſſern, und allerley
unerhörten Abentenern, die mir dort
auffioßen, wovon mein fünf und zwan—
zigftes Blatt eine Probe giebt, wandelt
mich auch oft ben hellem Mondſchein
eine Dieugierde an, zusehen, was uns
ter. mir auf der Erde vorgeht.
Es war am 27. Sul. 1769., als ich
eine Fleine Fahrt nach der Feftung
Choczim unternaßm, um meine Beob—
achtung über die Ruffifche Belagerung
anzuftellen. Ich bemerfte unter an:
dern den Sürften Repnin, dev mit aus:
geftrecften Arme, indem er auf Choe—
zim binwies, gewiſſe Ordres an feine
Adju⸗
Mr
670 re
Adjutanten austheilte; worauf eine Anz
zahl Bomben gegen die Feſtung zu fpier
len anhub, die mit einer andern Anzahl
Bomben aus der Feftung alternis ca-
menis abwechfelte. Etwa drey Minus
ten nachher fuhren mir einige hundert
Geifter, die ihre Reife nach dem Monde
zu nehmen fchienen, (ob Rufen, oder
Türken, oder beiderley, Eonnte ich nicht
unterfcheiden), wie ein Schuß Pulver
vor der Naſe vorben; und was mich in
nicht geringe Verwunderung und Ber
ftürzung feßte, eine Stimme fam aus
den Laufgraͤben, die folgende vernehm—
lihe Worte fprah x OD Zacharias
Sernftrup! ich bin verlohren ! 7 —
Mehr mochte ich nicht ſehen, noch
hören. Ihränen ſtroͤhmten meine Ba:
fen herunter, da ich diefe unbegreifti:
chen Worte vernabm; ich eilte über
eine lange Reihe von Todten und Ver:
wundeten, denen ein Hirnfchedel, oder
ein Hüftbein , oder ein Auge u. |. m.
fehlte, wie der Blitz weg, und überließ
mich einem unruhigen Schlummer.
There
,
* — 671
4 A 2 more things in heav’n |
bi #
———
eamt of in your Philo-
SHAKESPEAR,
) athen erhalte ich vom
Schuwalitz, der ſich ſeit den
2% 3 ?
—2 ben der Ruffifchen
mee befindet, einen dicken Brief, --
erſtaunlichſten, der, vielleicht fo
! — eht, bey irgend einer
geſchri borden Verſuch,
Herrn
Kar
672 —
Herrn von Eı
Empfindfames en
—* E
einer Ni *
den 30. Zul. 1769
RL
Herr von auatt, te fie mich
an, da wir ung unt en ſa
Sie werden ſich wundern -
mwundere mich, war meine Antwort --
Gewiß, fuhe fie fort, Sie haben Ur
fache , fich zu wu dern -—- In der
That, verfeßte ich, ich wundre mie
auſſerordentlich — Kein Wunde
nahm ſie das Wort auf, daß Sie ſi
wundern — O nein, ertwiederte ich, ;
au contraire, ich wundre mich gar
nicht,
673
nicht, daß ich mich wundre --- Auf
meine Ehre, feufjte fie, und ePrOtÄNkE
bis an die Singerjpigen - on.
er 2,
Es giebt dreyerley Stufen des Roth⸗
mwerdeng, mein Fieber Sjernftrup, Die
elektriſche alleine fängt oben von
den Augenwimpern an, und fließt
fort
Bis an die Ohren --- erfte Stufe:
Bis an den Nabel — zweyte
5 Stufe:
Bis an die Fingerfpißen --- bitte
und lebte Stufe.
Das ift wunderlih ” —- Es if
nicht — mein Freund.
2
O Herz! Herz! Es fey, daß ich dich
auf der eisfalten Wange eines jungen
holdſeligen a das den erften
Der Hypoch. 2 Uu Be⸗
Beſuch ihres verhaßten Liebhabers an:
zunehmen gezwungen wird, fchauert, --
es fen, daß ich dich in einem dünnen trüz
ben bimmelvollen Nebel fanft um den
Augapfel ſchwimmen ſehe, — es ſey,
daß du in warmen ehrt Falten Schweiß
herabträufelft: --- lehr 2 mich, wie ich
an frernden Empfindniſſen Theilnehmen,
niit der unglücklichen Braut ſympathe⸗
tifch weinen, und jeden gelinden Druck
eines Blutkuͤgelchens, durd) den Zw
friedenheit einer quten That, oder füffes
Bewußtſeyn geliebt zu werden, oder
verfchämte Delicateife in die Geele fort:
gepflanzt wird, nachahmend in meinem
Innerſten fühlen möge! Was fann der
inenfchlichen Natur mürdiger, was an:
ftändiger, was rübmlicher feyn, als
ein enipfindfames Herz?
4.
Delicateſſe, o Jernſtrup! war der Fall
Ihrer Geliebten. Sie erröthere weder
aus
673
aus Zorn, noch aus Schuld: fie erroͤ⸗
thete aus verfchämter Delicateffe, Ver:
geben Sie mir meine Indiſcretion,
mein guter Jernſtrup. Sch war ger
rührt. Hätte mich ein Strahl von dem
MWiederfcheine ihrer fhönen Erroͤthung
gleich auf der Stelle tödten follen: ich
hätt” es nicht ändern Eönnen, Ich
nahm das Schnupftuch, mie es auf
ihren Knieen ausgebreitet vor mir lag,
mit zitternder Hand, hauchte einen fo
tiefen lauten Seufzer in das Schnupfs
duch, und wanfte, und wankte, und
wankte auf meinem Feldſtuhl --- Wie
geſagt, ich konnt es nicht ändert, Aber '
ich weis gewiß, die Ader der Iauterften
Freundſchaft Elöpfte in meinem Her
jen PEN
5;
9 Auf meine Ehre, ich bit
fe übel daran, als man in meinen
” Ymftänden nur feyn kann.“ ==
ua Darf
676 ——
Darf ich ſo kuͤhn ſeyn zu ragen,
gnädige Frau? --
Pennen Sie mich nach mie vor
Ihren Freund Strippurg, und vor
allen. Dingen, bouche clofe!
Theuerſter Herr von Strippurg, ver:
geben Sie mir: je l’avois fur le board
des levres, -—— -—
6.
Ehe ich weiter gehe, Sernftrup, wird
es nöthig ſeyn, Ihnen zu fagen, in
welher Situation fih der Herr von
‚ Strippurg befand, als er erröthete,
Auf die Situation koͤmmt bey derglei-
‚chen Befchreibung alles an, |
Bir hatten am 27. Jul, gegen Mit:
ternacht fo eben bie Laufgraͤben eroͤffnet,
da ploͤtzlich hinter den Zelten ein Ge—
ruͤcht zu mir-berüberfcholl , * als wäre
’’ der Herr von Strippurg gefährlich
in den Saufgräben bleffirt worden. ”
Ich bielt damals den Herrn von Strip:
| purg
un 677
purg nur noch für einen jungen Hol:
feiner von Stande, der fich im Dienfte
hatte verfuchen wollen, und fchon dep:
wegen alle Achtung von mir verdient
hätte, wenn auch nicht der Umftand hin:
zugefommen wäre, daß er fich ben feis
ner Ankunft vorzüglich nach mir erfün:
digt, und unter meinem Commando
als Freywilliger zu ftehen verlangt hätte.
Mehr brauchte ich nicht, um mich mit
der aͤußerſten Empfindfamfeit, fo gut
mirs möglich (auch das war Situa—
tion: doch hoffe ich, daß fie zuder Er:
roͤthung nichts beygetragen), zuſammen⸗
zuraffen, und ihm ungefäumt zu Hülfe
zu eilen. Sie müßten einer Belages
rung beygewohnt haben, mein Freund,
oder vielmehr, Sie müßten ganz an
meiner Stelle gemwefen feyn, um fich
vorzuftellen, mas unterwegs in mir
vorging, da ich mich der Trenchee
näherte, um das feltne Glück zu genieſ—
fen, einen Freund mit Gefahr meines
Lebens zu retten, D mein Freund, es
Uu 3 war
678
war ein empfindfamer Augenblick!
Jedoch das Schickfal hatte es anders
befchloffen. Mein Bedienter fam mie
mit der Nachricht entgegen, daß unſer
Volontaͤr bereits beym Regimentsfeld⸗
fcheerer unter Dach, wohl befichtigt,
und auffer aller Gefahr fen. Aufferor:
dentlih war meine Freude: aber noch
weit anfferordentlicher meine Verwun⸗
derung, da mir, wie ich gleich ing Zelt
treten wollte, der Regimentsfeldicheerer
feife ins Ohr raunfe, daß drinnen eine
wundervolle Verwandlung vorgegan-
gen, Furz, daß der Bolontär nicht mehr
oder weniger als — ein Frauenzint
mer fey; daß diefer Umftand (feßte er
lächeind Hinzu), ihr bey dem Streif:
ſchuſſe, alles wohl überlegt , fehr vors
theilhaft geweſen; und daß fie ihn in:
ftändig gebeten hätte, feine Entdecfuns
gen feinem Menfchen zu verrathen,
Dieß, mein Freund, war die errös
thungevolle Lage der Sachen, in welchen
ih die Dame (nachdem ich ihr un:
‚öhlige
—— 679
zaͤhligmal Gluͤck gerünfcht, und eben fo
oft. die Hand geküßt hatte: --- ich war zu
empfindſam, um mich zu beſiñen), in mein
Zelt führte, wo ſie das T£teätete einlei⸗
tete, welches ich Ihnen mitzutheilen einen
ſentimentalen Anfang gemacht habe.
| 7 :
Ein berühmter Thibetaniſcher Ku:
tuftu, deffen Name mir entfallen ift,
lehrt uns in feinen unwiderleglichen und
unfchäßbaren Anekdoten von der Uns
fterbfichEeit, die vor Eurzem einem Ele:
viſchen Gelehrten in die Hände gefallen
find, daß die Dalai Lamas *)
——
Uu 4 8.
* Der Brief war auf dem weiten Wege
von Choczim nah Fernfirnphof Hin
and wieder in den Salzen defchädigt
worden: doch iſts ein Glüf, daß
die
680 Ze
8.
- Afffır&ment,,. ‚le voila bien ca-
mus ---
u
— 3
..35
ır 3% .
— ”
e 0.
’* Dreymal, fagte fie, babe ich bie
Probe gemacht, ob es nicht möglich
“ fen, den edlen Jernſtrup auf beffere
Gedanken zu bringen. Zeitlebens
“ ein Hageſtolz! fo ein Mann! Es
“drang mir an die Seele!
“ Ein Jahr nachher, da mein feli-
‘ ger Mann geftorben war, that ich
“ ihm,
die ſchoͤne Nachläßigfeit der Digreſ—
fionen , und die mehr als lyriſche Uns
ordnung des Vortrages, noch kennt—
lich genug if. Ich würde untröfts
bar feyn, wenn mein Freund die
ſchwere Mühe, nachläßige Diareflios
nen zu erfinden, umfonft achabt hätie.
3. Jernfirup.
*
—
— 681
ihm, ohne mich zu nennen, einen
* Antrag, als von einer jiemlichen be:
*tagten MWittwe --- Faum merden
* Sie fi vorftellen fönnen, Here von
” Schuwaliß, wie unhöflich er mir
“antwortete, Er trug fein Bedenken,
mie zu eröffnen, daß er mich nicht
‘haben wolle, wenn ich auch alle Land⸗
* fiße in der Welt befäße.
94 Meine Deliateffe fand fich beleis
Bi: digt. Ich fchlug einen neuen Weg
ein. Gh gab mich für ein junges
FR ſechszehnjaͤhriges Fraͤulein aus —
O wie erroͤthete ich, da ich einen
zweyten Korb, nur etwas zierlicher,
in einer Menge verfänglicher Kragen
“ verſteckt, zur Antwort erhielte!““
Doch gab ich in meiner Empfind⸗
+ famfeit noch nicht alle Hoffnung auf,
Ich ſteckte mich hinter den Englaͤn⸗
* der Herrn Jeoffry, einen vertrauten
Freund meines fpröden Gelichten ” -
Um Vergebung, Herr von Gtrip:
purg, daß ich Sie unterbreche. Darf
Uns ich
*
*
682 ——
ich fragen, was in aller Welt Sie abs
Halten konnte, ihm ohne Umfchweife zu
erkennen zu geben, wer Gie wären?
Sie hätten ibm ja Feine geößre Freude
machen Fönnen, als wenn Gie ihn mit
der glückfeligen Nachricht uͤberraſcht
Bätten, daß Sie, feine erfte, feine ein⸗
zige Siebe, feine holdfelge Stumme,
wie er Sie mit Entzücden zu nennen
pflegte, und noch täglich nennt, num
freye Hand hätten, ibn für alle Mars
ter feiner Hypochondrie, deren Gegens
ftand und Urſprung Gie allein waren,
ißt auf einmal durch den Beſitz Ihres
Herzens fo reichlich, fo überflüßig
ſchadlos zu halten ——-
Here von Schumwaliß, ich erwars
“+ tete mehr Delicateffe von Jhnen --
Delicateffe! Delicateffe!
“Sch würde Sie aller Empfindſam⸗
feit unfähig halten, wenn Sie mic
nicht verftünden ---
(Eine Thraͤne blinkte in der Gegend
meines Mefopbryons,)
10,
— oss
JIO.
Mein Freund, ich komme ganz friſch
von einer intereſſanten Unterredung her,
die ich eben mit mir ſelbſt gehalten Babes
fie betraf Sie und Ihre Dame, Die
Frage war, in wie fern und in welchen
Sällen die Delicateffe einer Wittwe, die,
noch dreymal mislungnen Eheftands:
traftaten, den männlichen Entfchluß
faßt, in den Türfenfrieg zu geben, ---
nicht nur zu vechtfertigen und zu be;
mänteln, fondern höchlich zu rühmen,
und zur Nachahmung anzupreifen fer ?
Auf der einen Seite war ich bey ae:
nauerer Erwägung
:= . ı%
Ir
* Der Mangel an Delicateffe , fuhr
fie fort, den ich bey den Griechinnen
bemerkt
684
d
*
4‘
Sn
4
*
‘4
4
*
dd
7)
dt
77
‘
N
=
4‘
Id
4
bemerft habe, uͤberſteigt allen Glau—
ben. Auf der Inſel Cerigo hatte ich
das Unglück, daß fich meines Wirths
Tochter in mich verlichte. (Cerigo,
wie Gie wiffen, ift das alte Cythera.)
Sie that mir einen Antrag , den ich
nicht ohne Erröthung wiederholen
Fann. Sch flüchtete in ein Haus
gegen uns über, mo dren junge
Mädchen, (die Grazien ſelbſt Fön:
nen nicht fchöner gebildet werden),
ihre Strümpfe ausdefferten, und
mich fo freundlich empfingen, daß
ich aus obiger Lirfache für nötbig
hielt, meine Zuflucht in einem drit:
ten Haufe zu nehmen, wo mir das
näntliche Ungluͤck zuſtieß. — Sch
habe in Griechenland Bemerkungen
gemacht, die einer Stelle in den
Burlesken Erzählungen meines Lieb:
lingsdichters würdig wären. Nenn
es mit dem Hypochondriſten je zur
zwenten Auflage kommen follte, fo
ſoll Sernfirup meine Bemerfungen
über Griechenland einrücken, “
[77 Da
—— 683
Da ich alſo fand, daß in Cerigo
4
4“
“u
d
*
dd
44
[44
“u
4
‚oh,
“4
4
*
#4
di
did
für mich feine bleibende Stätte wäre,
(ich hätte denn alle meine Abfichten
verändern müffen, welches nur zu
‚denfen mich ſchauern machte); fo
miethete ich eine Kebeque , ( dag
Schiff „womit ich ankam, war Ief
geworsen)), und gieng eilig nach De;
(os über, welches eine Reife von
zwey Stunden iſt. Das merkwuͤr—
digſte, was mir auf dieſer Reiſe zu
Geſichte kam, war eine Klippe, die
unſtreitig unter die größten Wun—⸗
derwerfe der Natur gehoͤrt, ob man
‚fie. gleich auf den Specialkarten ver:
** gebens ſucht. Auf Cerigo befindet
“u
[23
dd
ſich eine Höle mir fuͤnf hunderk Ein:
gängen, die fich zufammen in eitte
einzige aroße Höle verlieren, welche
mit erwähnter Klippe unter dem
Waffer commumicirt, wo fie eine
Tubam Stentoreophonieam macht,
aus der nad) und nach alle Worte
und Geufjer einzeln hervortönen,
ı ” Die
636
“ die in einem der fuͤnfhundert Eins
“ gänge gefprochen oder gefeuft wer⸗
dein Se leifer man in der Höle
“ fpricht oder feufjet, defto vernehm:
’ Ticher läßt fihs am Ende der Tuba
’ Hören, weil alle fiarfe Töne, z. E.
Fluͤche, Verwuͤnſchungen, coryban⸗
“ tifche Flatus und Vlulatus, Invecti⸗
* gen, Sceurrilitäten, Satirse Menip-
“ pexe; und andre heftige Ausbrüche
’° der Leidenſchaften, zu ſehr im Ger
’* töfe ausarten, als daß fie in ihret
„Articulation vernehmlich bleiben foll:
A ten. Ich fehrieb mir, fo viel die
¶ Delicateffe meines Gefchlechts mit
7 erlauben mollte, insbefondre die
* Skufjer auf, mit denen ich bey einer
zweyten Auflage *) des Hnpochon:
“ driften
*) Zur jiverten Auflage ift es denn endlich
gekommen. Uber o meh! warum
mußten die Bemerkungen meiner Um
vergleichlichen,, und alle ibre übrigen
Manuferipte, mit der Mrs. Clin:
ketſchen Hymne einerlen beflagenss
wuͤrdiges Schickſal haben!
3. Jernſtrup.
2 — *
“ driſten ein oder zwey Stuͤcke zu be:
reichern denke. Das artigſte iſt, daß
man auch vom Lande aus, wie mir
“ die Schiffer erzählten, fo oft ein Ton
“ am der Oberfläche des Waſſers auf:
* petillirt, aus ber Form der Wafler:
“ blafen, Buch ein Dollondfches Te:
‘ leskop, den Anhalt diefes Tones er:
rathen kann. Ein verliebter Schwur
“ giebt eine greße Blaſe, die fehnell
* laßt; die Blaſe eines zärtlichen
+ Geufzers iſt ſchon etwas zaͤher; und
” ein fchmachtender Geufjer bringt eine
*. Menge Fleiner Bläschen zum Bors
fehein, die nicht eber plagen, als bis
’* fie fich zu dem Umfange eines verlieh;
“ ten Schmwurs oder eines glücklichen
Seufßzers ausgedehnt haben. Uebri:
“ gens fah ich hier einen von den arof
° fen Polypen, die uns Pater Kircher
* in feinem Mundus fubterraneus
‘* befchreibt, deren Länge man nad)
Staliänifchen Meilen ausmiflt; fer:
« ner eine Art neuer Inſekten, die ſich
7 feite
688 3
“ feitwärts begatten; wie auch aller:
ley große und Eleine Trombenz und
“ befonders, eine fo ungeheure Virga,
“ als ich noch Feine in meinem seben
‘* gefehen.
i2, 2%
Was, bey allen Grazien, mag das
gewefen feyn? --- Meine Delicatefie
verbot mir, mich zu erfündigen.
13.
A propos, Herr von Strippurg, da
Sie des Hypochondriſten erwähnen ---
darf ich mich unterftehen zu fragen, was
Sie meinem armen Freunde Jernſtrup
nun für ein Verhaͤngniß zugedacht ba:
ben?
“Das will ich Ihnen ſagen.“
(Spitzen Sie hier Ihre Ohren,
Jernſtrup)
Sch kann nicht anders, als mich
* iberreden, daß mir mein Genius
heute
A
—
—
Te
1.
689
* heute in den Saufgräben einen Wint
“gegeben babe, daß meine Abenteuer
“ allmählig zu einer Hochzeit reif find,
Man hätte Taufend gegen Eins wet:
“ zen können, daß — kurz, nichts
kann omindjer feyn --- Doch die De;
“ licateſſe verhindert mid ---
O ich errathe, ich errathel ---
Ich boffe nicht, dag Sie erra⸗
[ZZ then A |
Ich bitte tauſendmal um Vergebung,
nichts iſt begreiflicher —
Unmoͤglich! ich würde des Todes
* fenn, wenn es begteiflich wäre 7
Erlauben Sie mir, gnädige Frau,
eine einzige Frage: ob ---
« Fidonc! encore? “
De grace; Madame, eine einzige
Stage — |
«“ Sur mon honneur, Monfieur,
« vous 'envifagez les chofes dans
“ unpointdevü& =
‚Der „ypodh.2. Th. ar.
690 —
Je Vous endamande pardon, Ma-
dame: ich meyne blos die beſondre
Richtung des Sireifſchuſſes —
« Mais, Monfieur, ———
Voilà un coup des plus —*
liers! _
“ Oh Ciel! quelle furienfe —
“ cretion! Hé bien, Monfieur —-
He bien, Madame —
“ "Vous avez touche la ‚grofle
3 corde *
14.
aß mich deiner Afche diefe Thraͤne
der dankbaren Erinnerung. weihen,
ſchoͤne Seele meiner Clara! Zwar fchien
dich ein misguͤnſtiges Schickſal den
plumpen Umarmungen der GSänften;
träger und Heiducken ausgeſetzt zu ba;
ben: aber Seine Empfindniffe entfprof:
fen in einem edlen Boden, und die liche,
mit der du deinen Schumalig liebteft,
war geiftig, Ruhe —* in dem muͤt⸗
us terli⸗
&
691
terlichen Schooße der Erde, liebens⸗
würdige Zofe! Manche geheime Thräne
opfere ich dem Andenken deiner und meis
ner Jugend.
Mir fchwindelt, Kin Tanafamer
Schauer wandelt durch meine Zirbel—
druͤſe, und, drückt mein Blut durch ale
Adern gegen die Bruſt zurück, - Ver:
gib mir, o mein Jernſtrup! Sch muß
die Feder aus der Hand legen,
15»
Darf ich fragen, guädige Frau? -=
Noch mehr Fragen?
Mur eine einzige: eine Frage derum
ſchuldigen Neubegierde —
Dieß vorausgeſetzt“ —-
Sch frage alſo ⸗·⸗
Attendez ·-bedenken Sie wohl,
Herr von Schumalig --- |
(Sie drücfte mit einer liebenswürdt:
gen Non. chalance die Spiße ihres
Daumens gegen die Spiße ihres Zeige:
| Kr 2 fingers
*
u.
ir.
692 N
fingers, und legte fie fo mit unbefchreib:
licher Zierlichfeit an den öbern Theil
ihres Buſens, indem zugleich ihre bin
und her flatternden Blicke in delicater
Verwirrung um Mitleiden zu flehen
fehienen. O wie ich fühlte! Bey den
Grazien, ich mußte nach dem Schnupß⸗
tuch greifen!)
Volontiers, Madame; ich frage —
“ Yun, wenn es dent feyn muß,
fragen Sie, fragen Sie” --
ch frage, wie es immermehr habe
geſchehen Fönnen -—
Ich mennte, Sie hätten es fihon
“ errathen ---
De grace, Madame, davon rede
ich itzt nicht.
“ En verite, vos detours mecon-
“ fondent --- was hat gefchehen
“ fönnen? —
Daß —
“Ha! Daß’
Daß Sernftrup jemals an ihrer
Gabe zu reden zweifeln dürfte?
O nichts
——— * 693
O nichts anders! Ich komme zu
“Athem —
(Sie ſchoͤpfte auf eine luſtige Art
zweymal tief aus der Bruſt Athem.)
Je, das iſt leicht zu. erklären.
Sie wiſſen ja, wie wir Landfraͤuleins
Derzogen werden. Go plauderhaft
‚4 uns unſre Gouvernantinnen und
* Kammermädchen kennen, fo gezwun⸗
gen muß unfer Betragen ſeyn, wenn
"wir eine fremde Mannsperſon fehen,
A zumal wenn fie jung und hübfch ift.
" Ben mir kam noch etwasanders hins
et Ich ſollte an einen Menſchen
verheirathet werden, den ich nicht
+ tieben Fonnte: an einen Menfchen,
der jchon in feinem zwanzigften Sabre
hektiſch wear, der von feinen Reifen
aus ‚Sranfreich als ein Fat, aus
4 England als ein Coxcomb zurüd ;
4 Fam. Da gen fab ich an Sernftrup
4 einen jungen Heren in der Bluͤthe
4 feines Alters vor mir, in deſſen Bli⸗
“den ih Weisheit und Zuneigung
Xr 3 “(as
süö —
[7
ud
[Zi
[7
4
4
d
‘
[Z
«u
A
‘
#
4
‘
#
4
[ZZ
⸗
u
2
4
u
4
—
—
u —
—
las, und der mir mit jedem Laute,
den es ihn von ohngefaͤhr hoͤren zu
laſſen beliebte, einen kuͤnftigen Autor
verrieth. Wie konnte ich reden?
Seufzer und Augengeſpraͤche blieben
mir allein übrig ; und auch die dien:
ten mir zu weiter nichts, als mich
immer mehr zu verwickeln, und mie
mein kuͤnftiges Ehejoch nur uner:
träglicher zu machen, Dennoch,
und ich glaube, daß ich es zur Ehre
nieines Hoeuſes fügen kann, zog ich
meine Pflicht, als eine femme de
qualit@ , auf deren Betragen die
Augen des ganzen Landes anderthalb
Meilen in der Hunde gerichtet waren,
allen übrigen Betrachtungen vor.
Da ich meinen Mann nicht lieben
Fonnte, fo begegnete ich ihm wenig:
ftens als eine wohlmeynende Freun:
dinn. Gewiſſe Umftände meines
Mannes trugen das ihrige dazu ben,
daß ich die Rolle einer Freundinn mit
defto empfindlicherer Würde foutent
| ‘4 ren
>
Pr
“wen Ponte, je weniger ich der Ge:
“fahr ausgefeßt war, die Rolle eitter
7 re En Himmel! was bab’ ich
4 gefagt! ‘ RR IE.
— Darf 4 fo kuͤhn —* zu fragen? —
“ Nenny! nenny! plütöt mou-
ab
Dur diefe einzige Frage ---
1! Je fuis pourtant bien aife, que
“ Vous m’entendez ---
Ah! was Sie mir ißt.fagen, gnaͤdi⸗
ge Frau, durchdringt mich mit Chr:
furcht und Erftaunen! Wie? es fcheint
unglaublich! ---
“ Ceft tres vrai ” -—
Wie? gnädiges Fräulein ---
4 Sie bringen mich wirflich zum
4 $achen, fur mon honneur ---. Se,
4 die ganze Welt nannte mich Frau” --
Pur mit dem Unterfchiede —-
4 Treylich, das wars eben "! ---
Zr 4 ro Kern:
696 —
O Jernſtrup! Jernſtrup! du benei—
denswuͤrdigſter unter den Hypochon⸗
driſten! welch eine Fuͤlle der Gluͤckſe—
ligkeit haben die Geſtirne für dich in
SDereitfchaft gehalten! —
Ich ſchließe u. f. w.
Ach ja! mein Schuwalitz! mein
Vertrauter! mein unnachahmlicher
Sentimentaliſt! ich bin, ich bin gluͤck—
lich! ich bin beneidenswuͤrdig! ich bin
der entzuͤckteſte unter den Hypochon—⸗
driſten!
Vom goldnen Apfel Iduns hab ich ge:
foftet!
Aber wie foll ich Ihnen, o Angebetete
Ihres Gefchlehts! mie foll ich Ihnen
meine Danfbarfeit, meine Ertafe, durch
mehr als Worte bezeugen? Ach! Ihres
Sernftrups wegen, wagten Gie fich vor
Feſtun⸗
Ä 697
Feſtungen undins Handgemenge, o ſchoͤ⸗
ne Taube der Empfindſamkeit? um mei:
netwillen fegten Sie Ihren holden Bu:
fen der Gefahr aus, von Janitſcharen
und Albaniern gemishandelt zu werden?
O Göttinn Frena! wie bin ich gerührt!
Und ich, ich Linmenfch! Fonnte härter
als ein Fels feyn, konnte Ihnen einen
Korb über den andern fchiefen, und be:
ariff nicht, welcher entfeßlichen Gefahr
ich Sie ausfegte! Aber ach! ich wußte
nicht, daß Sie die Krone der Wittwen
waren! Sch Fannte Sie nur aus Ihren
Heirathsanträgen. Ein ungluͤckliches
Derhängnig war Schuld, daß meine
Verehrungswürdige zu empfindfam
feyn, zu viel Delicateffe befigen mußte,
um mir die eigentliche ‘Beichaffenbeit
der Sache zu entdecken! Hätte ich die
eigentliche DBelchaffenheit der Sache
gewußt, ich hätte mir eher die Finger:
fpigen mit dem Federmeſſer abgefippt,
als daß ich den Kiel gefchärft hätte, der
die unhöflichfte der Antworten fchrieb!
Xr 5 O De
698; —
D Delieatefie ! O Empfindſamkeit!
O Delitateſſe der Empfindfamkeit!
O Empfindfamkeit der Delicareffel
Beruhigen "Sie fih denn, meine
Taube, mein Hühnchen, meine Ver:
ehrungswuͤrdige! Es foll das Gefchäft
meines fpäteften Alters feyn, Ihnen
alle dag SHerzeleid zu erſetzen, das Ihnen
meine unzeitige Sprödigfeit zugezogen
hat! Oder fchlieffen Sie vielmehr aus
diefer Sprödigfeit ſelbſt, wie unfäglich
ih Sie immer geliebt habe! Denn Sie
allein, Sie, meine anmutbige Stum⸗
me, redeten an mein Herz, und. eine
andre Sprache, als die Sprache Ihrer
fehönen Augen, war meiner treuen Liebe
verdrießlich, befchwerlich, unansiteh:
lich! Gie allein, Sie und mein treues
Herz allein waren Urſache, daß ich die
Heirathsantraͤge aller andern Schönen,
weg Alters oder Standes fie fenn moch:
ten, mit Koͤrben oder Falten Entfchul:
digungen abmwies. Ich wicderhole es
noch einmal, hätte ich im gerinaften
* ver⸗
699
vermuthen Finnen --- Doch warum er:
ſchoͤpfe ich mich in Berficherungen, da
die Sache felbft für mich redet? |
O Komm! Komm! meine Helsinn!
meine erfahrne Kriegerinn! meine Ber:
ehrungswürdige! fomm aus dem Lager
der Ruffen in die erwartenden Arme
deines alten getreuen Zacharias! In
den Armen deines alten Zacharias lerne,
ob ich, die natürlichen Unbequemlich-
Feiten meiner Jahre abgerechnet, ein
Herz habe, „das unjugendlich, das fühl:
los fey, wien meine ehmaligen keuſchen
Antworten es zu ſeyn ſchienen. Sie
waren nur keuſch, meine Goͤttinn, ſie
waren nicht fuͤhllos.
Sie iſt da, Leſer! die Verehrungs—
wuͤrdige iſt da! und kuͤnftige Woche ge:
ben wir Hochzeit. Es trifft ſich un⸗
vergleichlich, daß Neffe Jens feine
Eeraib mit Fraͤulein P. gleichfalls kuͤnf⸗
tige
100 —,—,—
tige Woche volljiehben kann. Zwey
fchalfhaftere Paare follen nie feyn ge:
fehen worden, als fünftige Woche auf
Jernſtruphof. Ich lade meine Lefer,
zur fhuldigen Danffagung für ihre un:
ermüdete Bewunderung meiner Blätter,
insgefamt, fo viel der Raum in einem
mäßigen Landhauſe wird verftatten wol:
Ven, auf meine Hochzeit ein,
Die ganze Fandichaft komme mir,
Sie foll wilkommen ſeyn;
Und ich verſprech euch Engliſch Bier,
Und guten deutfchen Wein.
Letztes
701
a 5α
Letttes Stuͤck.
H yınen , 0 — Humen SE
-0 Hymenaee!
CAT VLEL.,
Roſa ⸗Maͤviſche Beſchreibung
des
groſſen Hochzeitmaales
auf Jernſtruphof
bey der daſelbſt gefenerten zwiefachen
Vermaͤhlung
im Jahr 1770.
Erfter Gang.
Poetiſche Zurichtung.
hu der Mitte eine hellgelbe Caſcade,
die von oben herab über fieben
— — in einen See ſtuͤrzte.
Die
792
Die Berge, aus Semmel und gehack⸗
tem Fleifch geformt, hatten anmuthige
Fruchtwaͤlder, und eine fchöne Dlannig:
faltigfeit von Obſt, welche fowohl das
Auge, als die Zunge betrog. Man
glaubte, eine Mifpel zu eſſen, und
Farce. Man Foflete Pfüfih, und
ſchmeckte Klößchen.
—ramis felicibüs Arbos,
Miraturgue nouas frondes, et non
fua poma.
Auch die herabrollenden Narmorbrüche
befriedigten den Gaumen. Im See
zwifchen dem hohen Rohre von Spargel
fpielten junge QTauchenten, als ob fie
lebten, und die kleinen Hechte fchienen
den grofjen entfchlüpfen zit wollen. Rech:
ter Hand an der einem Ecke ſtemmte
fich ein fettes Meerfchwein über die Tas
fel, aus deſſen Eutern Mandelbruͤh
floß. Linker Hand ſpruͤtzte ein Groͤn⸗
laͤndiſcher Einhornfiſch einen rothen
Strudel, An der andern Seite goß
ein
—— 703
ein Flußgott braune Potage aus feiner
Urne. Gegen uͤber plaͤtſcherte eine
—** in — Bouillon.
rend $ — * Roſe.
Zurichtung.
* merken, daß die fü eben Beige,
von welchen die. Caſcade, zu deutfch,
der, Waffer: oder wielmehr Suppenfall,
herabflürzte, ein Compoſitum aus feie
nemKolbfleifche, Nierenfett, Ochfen:
mark, Rahm, Eyern, Eitronfhalen,
NMuskatblumen ‚ geriebenem © Brod
u . ſa w., welches. den Coulis gar wohl⸗
ſchmeckend machte. Was Meiſter Mio-
gens der Koch fuͤr Kunſt angewandt
habe, die Enten und Hechte, ſo auch
das Meerſchwein, den Einhornfiſch,
den Flußgott, und die Nymphe nach
dem Naturel zu formiren, laͤßt ſich mit
Worten nicht genug ruͤhmen. Die
Mondelſuppe war ein Coulis a la Reine
mit
704 —
mit mitonnirtem Brod, auch Reisblu—
men; die rothe, wie leicht zu erachten,
eine Krebsſuppe mit Zubehoͤr; die
braune, eine herrliche Potage, worunter
eine Anzahl Berghaͤhne mit braunem
Kohl und Bauchſpeck verſchuͤttet; und
der Bouillon klar mit ein wenig vers
lohrnen Eyern ablegirt,
Der alte Herr von Jernſtruv aß feine
Suppe apart, welches ein fchöner Mu:
fchet:Coulis, wie folgt. Zwey oder
drey Ponlarden in einem Moörfer mit
hartgekochten Eyern, abgefihälten Man:
deln, und geweichtenn Semmel geftof:
fen; dann etwas Butter in einer Caſſe—
role aufs Feuer gefegt, und ein paar
Handvoll Mehl nebft dem Geftößnen
dazu gerührt; dann Suppe daraufge
goffen; dann durch einen Fleinen Sieb
gejlrichen; dann von den Mufcheln den
Dart abgemacht, durchgehädt, mit
Butter, geriebenem Semmel, Musfatz
blumen, Eitron, Salz, etwas Ungari-
fchen Wein furz einmitonnirt, und zu
dem
— 705
dem Eoulis getban ; dann zufammten
bingefeßt, daß es fiede; dann ein ge:
rafpeltes Brod ausgehöft, und mit
einer guten Farce von Auflern, Mur
fcheln, und Hahnkaͤmmen gefüllt; dann
die Brod in Eyer und Rahm umges
£ehrt, in einer kleinen Tortenpfanne ge:
baden, und die Suppe darüber gegofe
fen. Iſt ein Herz⸗ wie auch Mervens
ſtaͤrkender Coulis.
| Maͤvius.
Erſtes Entremets.
Poetiſche Zurichtung.
Zwiſchen zwey Gängen war allemal
ein Entremers, Das erfte beftand aus
Eleinen Grotesk⸗Amoretten von allerley
Form und Stellung: Amoretten, dieauf
GStecfenpferden ritten; Amoretten, die
auf einem Birkenblatt pfiffen ; Amo⸗
retten, die ein Rad ſchlugen; Amoret;
ten, die Verſteck fpielten; ferner Amo⸗
Der Hypoch. 2,T. DH retten
706 — —
retten mit Drachenkoͤpfen; Amoretten
mit Schwaͤnzchen von Salamander;
Amoretten mit Fiſchſchuppen; Amoret—
ten mit Seehundsfuͤſſen; Amoretten
mit Habichtsklauen und Heringsnaſen;
Amoretten, die wie Johanniswuͤrmer
‚im Rumpf leuchteten u. ſ. w. Viel—
leicht veranſtalte ich kuͤnftig eine aus—
fuͤhrlichere Beſchreibung von allen die—
ſen Amoretten, als einen geringen Bey—
trag zu. der Geſchichte des Amors,
die wir einem der groͤßten Kenner und
Befoͤrderer des guten Geſchmacks in
Deutfchland zu danfen haben,
Roſe.
Techniſche Zurichtung.
Obberegte Goͤtter waren aus Maul—
taſchenteig, Collationteich, und anderm
Torteletteig gebacken, und demnaͤchſt
inwendig mit Piſtaccien, Melonen,
Trauben, Pomeranzen, geriebenen
Quitten, Auſtern, Sardellen ꝛc. auss
ge⸗
27
gefüllt, Batten zum Theil auch einen
Ueberzug von Drangeblumen u, d. gl.
Der alte Herr begnügte fich an einem
Bischen Krebsfhwan; in Creme
Bruͤlee, wozu noch ein paar fogenannte
Hohllippen von Eyerdotter, Zimmt,
Butter, Rojenwaffer, und Stärfe fa:
men; welche den Appetit zu fchärfen
über die maßen dienfam find.
Mävius.
| Zweyter Gang.
Poetiſche Zurichtung.
Der Wildnig von Jernſtruphof erfte
Abtheilung. Zwey wilde Schweine,
wovon das eine fih auf die Seite ge—
legt hatte, das andre ganz verftöhre
aus den Augen fah. Ein Reh undein
Kalb fchienen in Unterredung bearif:
fen zu ſeyn. Zwiſchen dem Geſtraͤuch
ragte ein Bolf Rebhühner hervor, vor
denen der Hund Porpar ſtand: den
| Du 2 alten
708
alten Heren von Jernſtrup mit der
Flinte dachte man ſich Yeitwärts hinter
der Schüffel, Dem Hofe näher einige
Truthaͤhne, junge Hühner, Tauben,
Kapaunen; weiter hin aber einige
Dußend Wachteln, Schnepfen, fer:
chen, und Waldtauben, die fih im Ho:
tizont verlohren. Uebrigens war die
Gegend mit Haide und Dornbüfchen,
wie auch Torfmohr, gut aussezieret.
Roſe.
Techniſche Zurichtung.
Recht artig und hoͤchſt unvergleich—
lich war es anzuſehen, mie die vorneh—
men Gäfte, befonders die Dames, ih
Entfeßen und Bewunderung gerierhen,
wenn ihnen der Herr Fähnrich von Pal:
notofo , der als Worfchneider feines
Gleichen nicht hat, eine Affiette mit
Tleifch zum Umgehen darreichte, fo er
einem wilden Eber zufammt den Bor:
fien, und anderm vermeyntlichen Un—
ih rathe,
709
tathe, aus der Geite gefchnitten hatte;
oder wenn er mit feinem gewaltigen
Treuchirmeſſer einem Stuͤck Wild in die
Gurgel fuhr, dag in fiarfen Güffen,
anſtatt Blut, Sauce herausftürjte,
Sothane Sauce war im Reb Remo:
Inde, im Kalbe Sauce a la Daube, im
Hunde Porpar, (denn auch der Hunde
werd nicht geſchont,) eine ſchmackhafte
Stahl⸗Sauce. Der wefentliche Sn;
halt der verſchiednen Wild:Figuren war
dermaßen Eünftlich verfieeft, daß mar
faſt betroffen ward, anftatt Hundefleifch,
ein pannirtes Hirfchziener, und,anftatt
Rehfuͤſſe, Merdons von Kälberbraife,
Fricandeaur a Lofange, Hammelbruft
en Grilfade, mit Citronfchalen, Hafen;
kuchen mit durchgeftrichnen Erbſen,
Poupelins von Hirfchmäulen a la
Daupbine, und Kälbernieren mit Par:
meſankaͤſe fareirt, auf der Zunge ſchmel—⸗
zend zu’ fühlen; fo daß man hier mit
Fug ausrufen möchte: Inter os et of-
; ——— fam
fam multa cadunt, welches ich auf
Deutſch folgendermaßen gebe;
Zwiſchen Hund und Schwein
Liegen oftmals Leckereyn.
Auf gleiche Weiſe waren auch die
Schnepfen junge Huͤhner, die jungen
Huͤhner Lerchen, die Lerchen Tauben,
die Tauben Wachteln u. f.w. Was
das aber für ein Vergnügeh gewefen,
fih mit jedem Biffen auf eine annehm—
liche Weiſe zu täufchen, und zu mie
vielen böflichen Scherzreden folches Ge:
Vegenheit gegeben, übergehe ich mit
Stillſchweigen.
Maͤvius.
Zweytes Entremets.
Poetiſche Zurichtung.
Eine Sammlung von Naturalien,
z. E. Marienglas, Bergſpat, Petros
ſtlex, Bergkriſtall, Quarzſtein, etwas
Vitriol und Schwefel, fo auch Hy
pers
— 711
pernaturalien, als Flammen aus dem
Berge Hekla, eine Portion Meerlicht,
eine Waſſerhoſe, ein Gebund Blitze
und Sonuenſtrahlen ꝛc.: der gemeinen
Walk und Pfeifen: Gröe, des Mergels,
und vieler andern Erd-Leim⸗ und Thon—
arten nicht zu gedenken; welches alles
fehr wohlſchmeckend war.
Ro e.
Sehnifhe Zurichtung. ı
' Mandelkäfe,g gebackner Caffee, Blane⸗
manger, Creme Frit mit Burgunder,
Morßellkuchen u. d. gl.
— Naͤvius—
‚Dritter Gang.
Poetiſche Zurichtung.
Der Jernſtrupſchen Wildniß zweyte
Abtheilung. Ein Sumpf mit gekroͤn⸗
ten Lindwuͤrmern/ der ſi ei in ein. Eleines
94 flieſ⸗
“ En
712 ——
fließendes Waſſer verlief, in welchem
Forellen, Smerlen, und Sandarten
ſpielten. Ein Karpfenweiher, in deſſen
ſchilfigtem Ufer Steinſchwalben nifte:
ten, voller Karauſchen, Gruͤndlinge,
Schleye, Braſſen ꝛc. Ferner eine
Ausſicht ins Mare Germanicum, wo
man die Phocana, den Hayhfiſch, den
Schwertfifh, den Hellbut, den See:
hahn, den Mönch, die Seemaus, die
Lamprete ihre Köpfe in einer fchönen
Verwirrung durch einander ſtecken ſah.
| Roſe.
Techniſche Zurichtung.
Unter allen Arten der Kochkunſt, die
ein gewiſſer Apiceio zu Nom zur Boll;
Fommenheit gebracht haben foll, thut es,
meines unvorgreiflichen Erachtens, in
der Kochfunft der Fifche Meifter Mo—
gens allen Köchen in der ganzen Welt
zuvor. Man wird enthuffasmirt, wenn
man feine gefpicften Hechte, —
irn⸗
— 713
hirnwuͤrſte von Karpfenzungen und
Sperma Ceti, feine marginirten Fo—
reilen, feine Sandarten a Laberdan mit
‚einer Seuce Robert , jeine Karaufchen
. en Courtbonillon, feine Rouladen von
Hal, welche wohl verdienten, fich als
gekrönte findwürmer vor allen anderır
im Moraft auszunehmen,) feine ge:
backnen Geezuagen mit Linſen, feine
gefüllten Barfche, feine am Spieß ae
bratnen Stöhre, und befonders, feine
Schneden if. Muß doch melden,
wie er feine Schneefen macht. Zuför:
derft läßt Meifter Mogens fie in War:
fer em paarmal anffochen,, nimmt fie
denn mit einem fpißigen Mefler ans
ihren Häufern, reiniget fie fauberlichft,
läßt fie mir einem Stuͤckchen Butter
und Fochendem Waffer am Feuer ſteden,
fpült die leeren Gehaͤuſe mit Sal; und
warınem Waſſer fleißig aus, laͤßt fie
denn trocknen, nimt dann ein Stück
ausgewafchner Butter, und fein gerie:
ben Brod, Musfarbfumen, etwas
995 Pfef⸗
714
Pfeffer , fein gehackte Peterfilgen, Eines
tet folches in einen Teig zuſammen,
thut ein wenig von forbanem Teig in
die Gehaͤuſe, legt denn wieder ein
wenig Teig oben auf -- dann. in eine
Eafferole — dann ein. paar Löffel voll
Fleiſchſuppe darunter, --- dann auf ge:
lindem Feuer ein wenig durchgeſchwitzt *
zuweilen umgeſchuͤttelt — --- Ach!
uͤber Meiſter Mogens Schnecken geht
nichts unter der Sonne! es muͤßten
denn ſeine Maykaͤfer ſeyn.
Mavius.
Drittes Entremets.
Poetiſche Zurichtung.
Man ward gebeten, ſich eine Perlen:
fiicherey -einzubilden, und nahm mit
einigen Conchylien fürlieb, wie man fie
in den Cabinettern findet. Ob der be
rühmte Admiral darunter geweſen, kann
ich nicht fuͤr gewiß ſagen: nur das *
ih/
715
ih, wenn er da geweſen, ſo hat er we⸗
nigſtens in dieſer Gegend — viel
——
a. R oſe
u Dechmſche Zurichtung.
Beſland geößtentheils aus. Zucker:
forüßgebadinem , worinn. ein „wenig
Dorter von Pfaueneyern, auch fein ger
ſtoßner Zucker, Aſia, Cakao, und was
dem anhaͤngig, bineingearbeitet worden.
(Beynah haͤtte ich. vergeſſen, ſchuldigſt
zu erwaͤhnen, daß der alte Herr jedes—
mal ſeine beſondre Schuͤſſ el hatte, als:
im zweyten Gange eine Wachtel en,
Poupeton, mit Ansouillen von Kalbs⸗
niere: im zweyten Entremets s verlobene
Ener mit durchgeſtrichnen Johannis⸗
beeren ; im dritten, Gange gebackne
Farce mit fareirren Auftern garnirt;
und in. legtgedachtem Entremets ein
paar Derlenmutterfehalen, worinn ein
Duenlet von jungem Hopfen. Don
* allem
716
allem gab er feiner Dame, "bie ihm
zur Seite ſaß, nachdem er es mit einer
gewiſſen Behaͤglichkeit und wohlanſtaͤn⸗
digen Galanterie, wie man von einem
ſolchen Herrn erwarten kann, an die
Lippen gebracht hatte, von Zeit zu Zeit
einige zwar kleine doch delicate Bißlein
zu koſten. Was anderntheils aber den
juͤngern Herrn von Jernſtrup, als den
zweyten Bräutigam des Tages, an:
geht, fo nahm er, (und wenn ich fo
kuͤhn feyn darf, es zu fagen, nicht wenig
zu meiner Werwunderung) an allen
was vorging, faft gar feinen Antheil,
fo daß er ohne Zweifel Kopfichmerzen
oder irgend ein anderes Malum muß
empfunden haben, weil er fo ungewohn:
lich ſtille war: bis er fich zulegt auf:
heiterte ‚ da faft alles vorbey war, und
außer ihm Sedermann etwas finfter
ee Maͤvius
Vier⸗
—— 717
Vierter Gang,
Poetifche Zurichtung.
Pafteren. Eine fehr fromme Fleine
Loͤwinn, von der amerifanifchen Art,
lag in ihrer Höhle, und fuchte ihre
ungen zu verbergen. Doch Herrvon
Palnotoko, der fich nie leicht eine Ge-
fahr abfchreefen läßt, ſchob das arme
Thier Faltfinnig an die Seite, «und da
fand fichs denn, daß die jungen Loͤwen
nichts als junge Häschen waren, Wie
dieſe Hafenpaftere zugerichtet gemefen,
lehrt Here Mävius, -- Der Vogel
Eondor auf Eyern, die,. wie die Eyer
des Trimaleio, ſchon ausgebrüter waren,
und durch ihren angenehmen Geruch
zum Koften einluden. — Die Ge;
fchichte der Palingeneſie an einem Sei:
denwurme von brobdinggnaggifcher
Größe: er mar eben bereit, in eine he:
here Region binaufzuflattern , als er
za die Section des Vorſchneiders
gerieth,
718
gerieth „" und den Gaͤſten ein ſchmack—
hafter Biffen ward. -—- Die Scene,
eine Landſchaft des Königreichs Merico.
Die Handlung fing Nachmittags um
vier an, und dauerte bis fünf Uhr.
Rof e.
Techniſche Zurichtung.
Der Hauptumſtand, wodurch ſich
vorſeyende Haſenpaſtete von andern Ha:
fenpafteten unterſchied, beftand außer
der finnreichen Figur des gebrannten
Waſſerteigs, als welcher diegmal eine
amerikanifche Loͤwinn vorftellte, darinn,
dag Meifter Miogens die Farce cum
annexis, fo doc) fonft äußerlich benge:
bracht zu werden pflegt, ins Einge-
weide der jungen Hafen hineingearbei:
tet hatte, und zwar: aus der weislich
überlegten Urfache, damit der Geſtalt
eines Hafen Fein Abbruch gefchebe. Je
mehr ich meinesiwenigen Orts darüber
nach:
— 719
nachdenke, deſto nothwendiger und un⸗
entbehrlicher zen es mir zu ſeyn,
dag man alle Farce überhaupt, als ein
inneres Ingredienz dem Auge fo viel
möglich zu entziehen aefliffen fey. Die
Ener des Vogels Condor waren ver;
ſchiedner Natur; in dem einen Enten,
im andern runde gachsftücke mit Saus
bruͤſten, im dritten Waldſchnepfen,
im vierten Hechtleber, Sarpfenmilch,
Karpfenzungen, und SKarpfenaugen.
Die Palingenefie des Seidenwurms
gefchah in einer Erifjetre, und mar
eine vortrefliche Compofition von Ham:
melbug und wilden Echmeinsfopf,
woran ein feharfer Gallert mit Chamz
‚pagner, der fehr gourivt ward, Der
alte Here aß eine Paftete von jungen
Wachteln.
Maͤvius. |
-
Pier
720 — u
Viertes Entremets.
Poetiſche Zurichtung.
Dünfte, Fanden befonders ben Bey:
fall der Damen, Man ſah und genog
bier Dünfte von allerley Gattung:
Waflerdünfte , ſulphuriſche Dünfte,
Sternſchneuzen, Steinkohlenduͤnſte,
Schneeduͤnſte, auch Nervenduͤnſte nach
dem neueſten Geſchmack, und was nur
je zu der Claſſe der Vapeurs gerechnet
‚werden kann. J
—* Roſe.
Techniſche Zurichtung.
Meiſter Mogens hatte ſich unfägliche
Mühe gegeben, jeden Dunft genau zu
charafterijirenz und da er überdem noch
mit goldnen Buchftaben, (welches zus
gleich nicht wenig zur Auszierung der
Dünfte beyteug), die Bedeutung darz
auf geſchrieben, fo war nun allem et—
wanni⸗
a 721
wannigen Misverftande defto füglicher
vorgebaut, Regula, einen Dunft zu
machen. Nimm Quitten, oder Aepfel,
oder Birne, oder was du fonft willſt,
foche fie mürbe in Waſſer, ſchaͤle fie
und fchabe das Fleifch mit einem Met;
fer von den Kernhäufern ab, made
einen Mus daraus, und treibe felbis
gen durch einen Sieb in eine Cafferole,
rübre folches eine Stunde lang immer
nad) einer Seite hin, thue Zucker, ges
riebne Citronfchalen, und geftoßnen
Zimmt darunter, nimm Eyerweiß nach
Gutdünfen, und fchlag es auf einen
Teller mit einem Meſſer Elein, gie es
‚allmählig zu dem Mus, und rühre es
um, bis es Fnirfchet, back es in einer
Tortenpfanne,, und wenn es in vollem
Auffteigen ift, fireue Zucker oder Zimmt
oder etwas anders darüber, damit es
die geziemende Farbe erhalte, und ftreich
es alsdann auf Papier; foifider Dunft
fertig. -—- Der alte * genoß Ner⸗
venduͤnſte. Maͤvius.
Der Hypoch. 2.T, 3; Fünfr
722
Fünfter Gang.
Poetifche und technifche Zurchtung.
Tu non inuenta reperta es! ---.
Nachdem das Auge und der Gaum fich
an einer fo langen Reihe von außerors
dentlichen Gegenfiänden gelcht hatten,
fo war nichts natürlicher, als daß man
num, da der flinfte Gang herannahte,
fich gefaßt machte, Wunder über Wun—
der zu fehen; ja ein Fremder, der eben
hereingetreten wäre, hätte aus den er:
wartungsvollen Gefichtern leicht auf
den Wahn gerathen Fönnen, als ob die
hohe Verfammlung erft jeßt zu effen an:
fangen wolle. In der Thar war auch
nichts gegründeter, als die Erwartung
einer Ueberraſchung in einem Kalle, wo
e8 fihien, daß Fein Ueberraſchendes
mehr ſtatt fände, Endlich Fam der
fünfte Gang, und alle Gäfte erffaun:
ten! --- Sie erftaunten, fage ich, den
— den Autrhahn den Faſan⸗
* baſtard,
baftard, die Braushähne u. ſ. w. voll:
formen auf die nämliche Art gebraten
und angerichtet zu ſehen, wie man fie
fonft gebraten und angerichtet zu ſehen
pflegt. Welch eine Lieberrafchung!
er Roſe.
Mbius.
Fuͤnftes Entremets.
Poetiſche Zurichtung.
Haͤtte gleichwohl Meiſter Mogens
gewagt, hier den Vorhang fallen zu
laſſen, oder allenfalls mit Gebacknem
auf die gewoͤhnliche Art, und einem ge—
meinen Deſſert zum Epilogus zu ſchlieſ⸗
ſen; ſo wuͤrde man unſtreitig Urſache
gehabt haben, ſich uͤber ein gewiſſes
Leere zu beklagen, und den Artiſten zu
beſchuldigen, daß er die Oekonomie des
Ganzen nicht gehoͤrig zu menagiren
wiſſe. Denn, ſo wandelbar iſt das
menſchliche Herz! kaum war der Bra⸗
3; 2 ten
724 ——
gen verzehrt, und das Gemüth von der
erften Betäubung zuruͤckgekommen, als
Einer den Andern anſah, als wollte
man fragen, ob das wohl die Mühe
Iohne? ob das Alles fen? —
Seht art -- iftifch war es alfo von
Meifter Mogens gedacht, daß er von
dem Contraſt einer ungefünftelten Bra:
tenfchüffel, auf einmal mit der Phan:
tafie feiner Gäfte zu dem hoͤchſten Ideale
der Ideen überging, indem er im fünf
ten Eintremets --- das Empyreum dars
ftellte. Naͤmlich. Ein Fragment von
dem Lichtſtrahle, worauf ein großer
Dichter unfers Jahrhunderts Anno
1755 aus der Welt des Gehörs in die
Welt des Geruchs übergefahren iſt.
Ein Stuͤck Schweif von dem lebten
Kometen mit Thierfeelen, die nach dem
Supiter reifen. Einige Schadteln
voll Aether. Kinige Sapphirs aus
dem dritten Himmel. Etwas taub
von den Korallenhannen der Mond:
waſſer. Ein Regen von emppreifchen
Bluͤ⸗
Bluͤthen; und viele andre Beftandtheile
des Empyreums, die Meiſter Mogens
in den Heldengedichten und Briefen des
Berges Jura gefunden hat.
Ro ſe.
Techniſche Zurichtung.
Regula, das Empyreum zu machen —
Iſt ein Arcanum.
Maͤvius.
Schlußgang.
Poetiſche Zurichtung.
Die Belagerung von Choczim ---
Roſe.
333 Tech⸗
726 — marc
Techniſche Zurichtung.
So ſich in Torten praͤſentirte.
Maͤvius.
—e
beſchrieben von Herrn Rofe.
Groͤnland, nebſt dem Proſpect von
Spitzbergen und Nova Semla. Wo
man hinſah, ſah man Eis: Eis von
Creme, von Chocolade, von Saͤften,
von Confits u. d. gl. Zwiſchen allen
dieſen Eisbergen ſpruͤtzte der Brun—
nen des Lachens nach acht Seiten
bin geiechifche Beine von verfchiedner
Farbe, doch gleicher Güte. Wer aus
dem Brunnen des Lachens ſchoͤpf—
te, ſang alsbald eine Skolie, und
lachte. So wurden die Skolien
geſungen. Der Saͤnger hob nach grie—
chiſcher Weiſe den Myrthenzweig,
ſchopf⸗
— — 727
fhöpfte aus dem Brunnen des Las
chens, nahm fich von den Eisbergen
herab den fpmbolifchen Biſſen,
und fang hierauf feine Skolie Hatte
er ausgefungen, fo reichte er den Myr⸗
2 thenzweig feinem Nachbar oder feis
ner Nachbarinn gegenüber , (die beiden
Braufpaare ausgenommen die eine
andre Ordnung beobachteten). Mac
jeder zwenten Skolie fiel der Cho—
rus Des Lachens, der aus. Chor
und Gegenchor beftand, mit Flöten
and Gaitenfpiel ein. Herr. Ohluf
Jernſtrup, der die Honneurs machte,
war Koryphaͤus. Ich bedaure, daß
die Zeit zu kurz geweſen, die Gaͤſte mit
guten Skolien zu verfeheny man
mußte aus der Norm eine Tuaend ma:
‚hen, und zu Herrn Mävius Chrefto-
mathia po&tica Germanica feine Zu:
flucht nehmen =--; welches. ichjedoch
ohne Nachtheil diefes compilatoriſchen
Dichters gefagt baden will, Zu den
Skolien sifand ein Jeder feine Me:
Ri lodie
728
Iodie aus dem Stegereif: die Chöre
hingegen waren aus Schleswig verfchrie:
ben, und 'mit erſtaunlicher Muͤhe und
Kunſt gefeßt.
= gorpphäis; du
indem er die Götter Ris und Jeux |
in den Mund ſteckt.
Laßt ung lachen!
Chor von Mannsperfonen.
Da, Ha, Ha, Ha, Pa, Da!
Chor von Damen,
Di Di Hi, Di, Di, Di
Koryphaͤus.
Cacht bey jedem Trunk!
Lachen ſtaͤrtt die Kräfte,
WVerſuͤßt die Säfte,
WV Pr Erhäkt
— 729
Erhält und macht uns jung.
Hlöfen ift der Heerde,
Wichern ii der Pferde
Scherz und Luſtigſeyn.
Voͤgel koͤnnen ſingen:
Unter allen Dingen
Cacht der Menſch allein.
Laſſt uns lachen!
Erſter Chor.
Ha, Ha, Ha, Da, Ha, Ha! |
Zweyter Chor,
Dir Hi, Dir Hi, Di, Hi!
Herr Zacharias Sernftrup, als älterer
Bräutigam, bob zuerfi den Myrthen:
zweig, Ichöpfte aus dem Brunnen
des Lachens, und aß den fymboli
{hen Biffen: Hymens Kader,
‚Der „Zypoch.2. Th, Aaa Meine
730 nn
Meine Glut
Peidet Feinen Wanfelmuth ;
Und ich Inche.
Bricht mir gleich der Tod das Herje, ”
So behält doch) diefe Kerze
Noch in der Aſche wohlgemurh
Ihre Glut;
Und ich lache!
Seine Braut bob den Myrthens
zweig, fhöpfte aus dem Brunnen
Des Lachens, und aß den ſymboli—
fhen Biffen: Hymens Schleyer.
Der Himmel lacht und wacht mit tau—
fend Augen:
Doch lacht und macht er nicht, wie
meine Treu.
Die lacht und wacht, und laͤßt fich nichts
erwmuden. |
Selbſt
731
Selbft wenn fih lachend Geift von Leib
gefchieden,
Cacht fie, und hegt dein liebfies Conter:
fey.
Der Himmel lacht und wacht mit fau-
fend Augen,
Doc lacht und wacht er nicht wie meine
Treu. |
* ———
Laſſt uns lachen!
Erſter Chor.
Ha, Ha, Ha, Ha, Ha, Ha!
—* Chor.
Hi, Hi, Di, Dir Hi, Hi!
Aaa 2 Here
73%
Here Jens Jernſtrup bob den Myr⸗
thenzweig, fhöpfteausdem Brun-
nen des Lachens, und ag den fym:
bolifhen Biffen: Amors Köcher.
Nun fo lacht!
Ein Waldhorn Klinge bey Abendfiunden
Don weitem durch Die Gärten fchön ;
Es reist das Blut verlichter Wunden,
Und heißt die Geiſter flüchtig gehn:
Jedoch ergäst mich das Geher
Von eurer Lacherey weit mehr.
Seine Braut bob den Myrthen—
zweig, fchöpfte aus dem Brunnen
Des Lachens, und af den ſymboli—
Ichen Biſſen: Amors Pfeil,
Naͤchtlich ſeh ich tanfend Sterne
Lachend in der Ferne, .
Alle fehn euch an, und lachen,
Daß ſie euch ſo lachen machen.
An! Kory:
— — 733
| Koryphaͤ us.
Erſter Chor, A
* Su Da, Da, Dar 2a!
Zgeyter Chor, &
Si, F Hi, Hi, Hi, Si! 2
5 Brautführer..hob - den Myr—⸗
enzweig, ſchoͤpfte aus, dem Brun
n des Lachens, und aß den fps
Beaunger J —
Seroue an die alte ‚Seäu Braut.
Drum fo ls ch und wacht, kluge Schöne,
Cach und wache lange, ſo wie jetzt,
Cach und wache, bis kein Lachgetoͤne
Mehr dein ſattes Herz ergetzt,
Bis die Sterne dunkler Nacht
Dir gnug gelacht, und guug gewacht.
Zr Yaaz Erſte
nahen — ——
chen Biſſen einen antiken
734 —
Erſte Brautdame hob den Myrthen⸗
zweiag, ſchoͤpfte aus dem Brunnen
des Lachens, und aß den ſymboli—
ſchen Biſſen: die antiken Sanda⸗
lien der Venus.
Ja, ja, ihr Lacher habt gut lachen.
Ihr lacht und Fönnt euch glücklich machen:
hr lacht und wacht, fo viel ihr wollt,
und lacht und wacht, und ſeyd euch hold.
Ihr lacht und wehrt euch Feine Fteude,
Und koͤnnt die Sterne lachen ſehn.
O ſtecktet ihr in meinem Kleide
Das Lachen ſollt euch wohl vergehn!
Koryphaͤus.
Laſſt uns lachen!
Erſter Chor.
Ha, Ha, Ha, Ha, Ha, Ha!
Zweyter Chor.
Hi, Hi, Hi, Hi, Hi, Hi! Hier
————— 735
Hier trug ſich das Ungluͤck zu, daß die
Saͤnger der Skolien zur Unzeit Cho—
rus machten; und da des Lachens
kein Ende war, ſo ward zuletzt ein ſo
allgemeiner und lächerlicher Auf
ftand, daß man die Lachbarfeit der
übrigen Skolien bis auf die Nachhoch:
zeit verfchieben mußte. Auf folche Are
endigte fih, unter Sffen und Lachen,
und Trinken und Lachen, und Sin:
gen und Lachen, diefer hochzeitliche
Tag, der in den Jahrbuͤchern von Jern⸗
firuphof unvergeglich feyn wird,
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