\i
SamL..
izialwissenschaftlicher Meister. XIII.
•'Wi''?rs;v^rÄ-a
?.iPi»äftKSSS'^«SS>i-i>fiiS*'aäSi>'''E!!?'>l"r''(5!i^^
J/H. von Thürieh
er isolierte Staat
sMjaAoMssäar.'jj,
i>
Jena, Verlag von
Gustav Fischer
Der isolierte Staat
in Beziehung auf
Landwirtschaft und Nationalökonomie
von
Johann Heinrich von Thünen.
cl. -^ufe.:, ^'
( Neudruck nach der Ausgabe letzter Hand (2. bzw. 1. Auflage,
1842 bzw. 1850), eingeleitet von
Professor Dr. Heinrich Waentig in Halle a. S.
(S?-\-
4j3
Jena.
Verlag von Gustav Fischer.
1910.
(1. 9.5-7
Thüiien.
Johann Heinrich v. Thünen wurde am 24. Juni 1783 zu
Kanari enhausen in Jeverland. Oldenburg, als Sproß eines alt-
freien friesischen Grundbesitzergeschlechtes geboren, dessen
Adel und ünabhängigkeitssinn in ihm zu besonderer Ver-
körperung gelangten. In frühester Jugend verlor er den
A^ater, der bei seinen für die damalige Zeit bedeutenden
Kenntnissen in Mathematik und Mechanik gerade diesem
Sohne Führer und Berater hätte werden können. So mußte
denn die Mutter, Tochter eines aus Franken eingewanderten
Buchhändlers und Ratsherrn in Jever, schön und liebreich,
tätig und gebildet, wie sie uns geschildert wird, die Erzie-
hung ihrer Kinder selbst übernehmen, die sie bis zu ihrer
Wiederverheiratung im Jahre 1789 völlig selbständig leitete.
Tief muß der Einfluß gewesen sein, den sie auf das Gemüt
des sinnigen und ernsten Knaben ausübte. Die Tränen meiner
Mutter haben mich erzogen, soll Thünen, in reifen Jahren
auf seine Kindheit zurückblickend, von ihr gesagt haben.
Der Mutter nach iiirer neuen Heimat Hooksiel, einem
kleinen Hafenort an der Jahde, folgend, besuchte Thünen,
geistig frühreif, körperlich nur schwach entwickelt, zunächst
die dortige Orts schule, dann die „hohe" Schule in Jever, von
Anbeginn mit der Absicht, sich später der Landwirtschaft
zu widmen. Im Jahre 1799 finden wir ihn dann als Zög-
ling auf Gerrietshausen bei Hooksiel damit beschäftigt, sich
zunächst die wichtigsten technischen Kenntnisse anzueignen.
— IV —
Der Besuch der von Staudinger geleiteten ]and^\ärtschaftlicllen
Lehranstalt in Groß-Flottbeck bei Hamburg, ergänzt durch
den vertraulichen Verkehr mit dem in der damals hochbe-
rühmten englischen Landwirtschaft erfahrenen Etatsrat von
Voght, förderte ihn wohl, befriedigte ihn jedoch nicht. Sein
schon damals auf die theoretische Durchdringung auch jedes
praktischen Problems gerichteter Geist wollte sich am
fleißigen Sammeln bloßen WissensstolTes nicht genügen lassen.
Zwanzigjährig beklagt er sich bei seinem Bruder über jene
Lehrzeit, bedauernd, zuviel mit untergeordneten Arbeiten,
zu wenig mit wissenschaftlichen Studien beschäftig gewesen
zu sein. Erst Albrecht Thaer in Celle, den er 1803 auf-
suchte und neben Adam Smith sein Leben lang als seinen
Lehrer verehrte, wies ihm neue Bahnen. Und die Universität
Göttingeu, die er im Herbste desselben Jahres bezog, brachte
seine theoretische Ausbildung zum Abschluß.
Nur ein kurzes Jahr sollte er akademischer Bürger sein.
Eine Ferienreise, die er zu Studienzwecken im Herbste 1804
nach Mecklenburg unternahm, führte eine unerwartete Wen-
dung in seinem Leben herbei. Seine Verlobung mit der
Schwester eines Studiengenossen und der Wunsch, die Ge-
liebte sobald als möglich heimführen zu können, bewogen
ihn, die Universität zu verlassen und auch das väterliche
Gut Wassens zu verkaufen, um sich in Mecklenburg als
praktischer Landwirt niederzulassen. Freilich waren die
Zeitläufe einem solchen Unternehmen nicht günstig. Erst
am 14. Januar 1806 konnte die Hochzeit stattfinden. Und
das der allgemeinen Unsicherheit wegen von Tliünen zunächst
nur gepachtete Gut Rubkow bei Anklam, wo er nach längerer
Suche sein Heim aufschlug, erwies sich bei näherer Prüfung
als schlecht kultiviert und wenig ertragsreich. Kriegsnöte
und Einquartierung, Steuern und Seuchen kamen hinzu.
Trotz hingebender Arbeit wollte es dem jungen Gutsherrn
nicht gelingen, die sich immer erneut auftürmenden Schwierig-
— V —
keiten zu überwinden, und er mochte von Glück sagen, daß
er sich im Juni 1808 wieder freimachen konnte. Daß er auch
unter diesen erschwerenden Bedingungen seine wissenschaft-
lichen Studien fortzusetzen wußte, beweist, wie sehr sie ihm
inneres Bedürfnis waren. Thaers Eintreten für die englische
Fruchtwechselwirtschaft setzte er eine maßvolle Kritik ent-
gegen. Zu einer grundsätzlichen Auseinandersetzung fehlten
damals Ruhe und Sammlung. Erst der Ankauf des Gutes
Tellow, zu dem sich Thüuen nur zögernd entschloß, machte
seinem unsteten Leben ein Ende. Im Jahre 1810 ließ er
sich dort mit den Seinen nieder.
Da hat er dann zjehn Jahre lang still und zurückgezogen
für sich gelebt, sein Gut zu einer allbestaunten Musterwirt-
schaft erhebend, seine freie Zeit aber einer bis in die kleinsten
Einzelheiten genauen Buchhaltung widmend, die ihm die un-
erschütterlichen Grundlagen für weitgreifende theoretische
Untersuchungen liefern soUte. „Ich fing die Tellow'schen
Rechnungen in einem solchen Umfange an, als ich nur
irgend ausführen konnte, und als der Zweck meines Kalküls
erfordert", schreibt er an seinen Bruder. „Arbeitsrechnung,
Korn- und Geldrechnung mußten gleich umfassend und gleich
genau geführt werden, und dies mußte fast alles von meiner
Hand geschehen, weil sonst dem Ganzen Einheit und innere
Glaubwürdigkeit gefehlt hätte." Nur höchster wissenschaft-
licher Enthusiasmus konnte die unerträgliche Nüchternheit
einer solchen Arbeit einigermaßen verklären. Um die Wende
des Jahres 1820 war das Ziel erreicht. Mehrere kleine
fach wissenschaftliche Abhandlungen über landwirtschaftliche
Fragen bilden die Vorläufer des Hauptwerkes, doch vergingen
noch lange Jahre, ehe Thünen das Fazit seiner Forschungen
und Überlegungen vor der Öffentlichkeit zu ziehen wagte,
obwohl die ersten Keime des „Isolierten Staates" sich weit
in die Vergangenheit zurückverfolgen lassen.
,,Schon in früher Jugend, als ich im Institut des Herrn
— YI —
Staudinger zu Fiottbeck den Laiidbau ia der Nähe Hamburgs
kennen lernte, faßte ich die erste Idee des isolierten Staates
auf", schreibt Thüneu von sich selbst. Eine 1803 verfaßte
„Beschreibung der Landwirtschaft im Dorfe Groß-Flottbeck"
enthält bereits die ersten Andeutungen. Immer bestimmter
treten die charakteristischen Züge hervor. Jetzt, als das
Werk so gut wie vollendet ist, kann er sich nicht davon
losreißen. Er hat nicht den Ehrgeiz, als Schriftsteller zu
glänzen, er fürchtet sich vor Anfeindungen, scheut sich da-
vor, in das Literaturgezänk hineingezogen zu werden ! Freunde
müssen dem Widerstrebenden, dem eS nur um die eigene
klare Einsicht zu tun gewesen, fast mit Gewalt das Manu-
skript entreißen und zum Druck bringen, den Perthes in
Hamburg übernimmt. Ganze 75 Taler, d. h. in Büchern
und erst nach Absatz von 400 Exemplaren zahlbar, bietet
er — wahrlich ein Zeitbild — dem Autor als Honorar für
das unsterbliche Werk!
„Untersuchungen über den Einfluß, den die Getreide-
preise, der Reichtum des Bodens und die Abgaben auf den
Ackerbau ausüben, war der Titel des Buches, das 1826 als
erster Teil „des isolierten Staates in Beziehung auf Land-
wirtscliaft und Nationalökonomie" erschien. Der Erfolg war
ein gewaltiger, und die philosophische Fakultät der Univer-
sität Rostock brachte nur die allgemeine Stimmung zum
Ausdruck, als sie Thünen 1830 zu ihrem Ehrendoktor
ernannte. Eine zweite vermelirte und verbesserte Auflage
des Buclies erschien 1842, Doch war die Aufgabe, die der
Forscher sich gestellt, bis jetzt nur teilweise gelöst. Ein
Traum ernsten Inhalts, „Über das Loos der Arbeiter", nieder-
geschrieben im Jahre 1826, läßt uns tiefe Blicke in des
Denkers menschenfreundliche Seele tun. Es ist ihm be-
schieden gewesen, auch seine sozialpolitischen Untersuchungen
wenigstens einigermaßen zu Ende zu führen. In der als erste
Abteilung des zweiten Teiles des Isolierten Staates 1850
~ VII —
veröifentlicliten Abhandlung „Der naturgemäße Arbeitslohn
und dessen Verhältnis zum Zinsfuß und zur Landrente" sind
ihre Avichtigsten Ergebnisse niedergelegt.
Es war die höchste Zeit. Ein ihm 1848 angetragenes
Mandat für die Frankfurter Reichsversammlung hatte er aus
Gesundheitsrücksichten ablehnen müssen. Und am 22. Sep-
tember 1850 machte ein Schlagfluß seinem Leben ein sanftes
Ende. Er starb auf Tellow. Sein Haus hatte er sorgfältig
bestellt. So ist auch sein wissenschaftlicher Nachlaß erhalten
geblieben. Er erschien als 2. Abteilung des 2. Teiles und
als 3. Teil des isolierten Staates im Jahre 1863. Wichtiger
noch sind die Briefe Thünens, die H, Schumacher-Zarchlin
in seiner Thünenbiographie veröffentlicht hat. Sie ergänzen
in glücklicher Weise das Bild des Forschers, das wir aus
seinen Werken empfangen. Auf seinem Grabstein prangt
das Zeichen Väp^ die Formel, die er für „den naturgemäßen,
oder auch den natürlichen Arbeitslohn" gefunden zu haben
glaubte und die nach seinen eigenen Worten besagt, daß
„der naturgemäße Arbeitslohn, die mittlere Proportionalzahl
zwischen dem Bedürfnis des Arbeiters und seinem Arbeits-
produkt" sich ergebe, „wenn man die notwendigen Bedürf-
nisse des Arbeiters (in Korn oder in Geld ausgesj)rochen)
mit dem Erzeugnis seiner Arbeit (durch dasselbe Maß ge-
messen) multipliziert und hieraus die Quadratwurzel zieht."
Heute weiß jedermann, was Thünen übrigens bereits bei
seinen Lebzeiten selbst erfuhr, daß mit diesem Satze in der
Sozialpolitik nichts anzufangen ist. Und in der Tat liegt des
Forschers Epoche machende Bedeutung auf einem anderen
Gebiete.
„Der heutige Tag wird in meinem Leben einen be-
deutenden und angenehmen Abschnitt machen", so schrieb
Thünen in der Sj^lvesternacht 1820 an seinen Bruder. „Denn
ich habe heute eine zehnjährige, höchst mühsame Arbeit
vollendet. Als ich vor 15 Jahren zuerst den Gesetzen über
— VIII —
die AussaüguDgskraft der Gewächse usw. auf die Spur kam,
wurde ich von diesen Ideen begeistert; sie schienen mir
wichtig genug, um ihrer Fortbildung mein Leben zu widmen.
Es war füi- mich eine schöne Zeit, als ich, meiner Phantasie
freien Spielraum lassend, Sclilüsse auf Schlüsse baute und
immer zu neuen Entdeckungen fortschxitt. Aber ich bemerkte
zu meinem Leidwesen bald, daß alles, was ich auf diese
Weise schuf, in seinen Endresultaten doch nie mit der
Wirklichkeit übereinstimmen konnte, und daß wenn ich etwas
wahrhaft Nützliches und praktisch Brauchbares hervorbringen
wollte, ich mir die Grundlage zu meinem Kalkül erst aus
der Erfalirung nehmen müsse. Als ich dies erkannt hatte,
legte ich mir das harte Gesetz auf, mit dem Fortschreiten
der Ideen inne zu halten und alle Kraft und Zeit auf die
Erforschung der Wü'klichkeit zu verwenden." So ward
denn für ihn seit jener Einsicht die Feststellung des Er-
fahrungsinhaltes zum Ausgangspunkte aller Betrachtung.
Jedoch drängte ihn sein Erkenntnistrieb gebieterisch über diese
Grenze hinaus. "> Er, der Smith mit gutem Grunde den Vor-
wurf machte, er habe sich in einigen wichtigen Fällen damit
begnügt, das Leben „abzuschreiben", statt es zu erklären,
durfte nicht selbst dort Halt machen. Und er bediente sich
dabei, ohne Ricardo gekannt zu haben, von Anfang an einer
abstrakt isolierenden Methode, die er meisterhaft zu hand-
haben verstand, „einer Form der Anschauung", von der er
sagte, sie scheine ihm einer so ausgedehnten Anwendung
fähig, daß er sie „für das Wichtigste in seiner ganzen Schrift
halte".
Diese Anschauungsform war der ,, isolierte Staat", eine
„bildliche Darstellung die den Überblick erleichtert und er-
weitert", ein „Spiegel, den die Theorie hinstellt, um in ihm
die verworrenen imd sich kreuzenden Linien der Erscheinung
in reiner Perspektive sichtbar werden zu lassen". Es handelt
sich um eine Hilfskonstruktion, eine „Geistesoperation analog
— IX —
dem Verfahren, welches wir bei allen Versuchen in der
Physik wie in der Landwirtschaft anwenden, wo wir näm-
lich nur die eine zu erforschende Potenz quantitativ steigern,
alle übrigen Momente aber unverändert lassen". Damit ver-
läßt der Forscher keineswegs den festen Boden der Wirk-
lichkeit. Vielmehr ist „das Prinzip, welches dem isolierten
Staat seine Gestaltung gab, auch in der Wirklichkeit vor-
handen ; aber die Erscheinungen, die dasselbe hier hervor-
bringt, zeigen sich in veränderten Formen, weil zugleich
sehr viele andere Verhältnisse und Umstände mitwirken".
Diese gerade gilt es auszuschalten. „So wie der Geometer
mit Punkten ohne Ausdehnung, mit Linien ohne Breite
rechnet, die doch beide in der Wirklichkeit nicht zu finden
sind : so dürfen auch wir eine wirkende Kraft von allen
Nebenumständen und allem Zufälligen entkleiden , und nur
so können wir erkennen, welchen Anteil sie an den Erschei-
nungen hat, die uns vorliegen."
Wenn wir aber jede wirkende Kraft von allen Neben-
umständen und allem Zufälligen entkleiden, sie für die wissen-
schaftliche Betrachtung isolieren dürfen, können wir es auch
immer? Thünen selbst hat seine Methode wohl für „aus-
gedehnter Anwendung fähig", keineswegs für die allein
richtige erklärt. Ja, seine eigenen Untersuchungen zeigen
die Grenzen ihrer Anwendbarkeit. Sie führte ihn bei seinen
Forschungen über den Einfluß, den die Getreidepreise, der
Reichtum des Bodens und die Abgaben auf den Ackerbau
ausüben, zu unvergänglichen Wahrheiten ; im besonderen auch
zu einer Richtigstellung von Smiths fehlerhafter Grund-
rententheorie im Sinne Ricardos, dessen hohe Verdienste er
willig anerkannte. Dagegen versagte sie bei seinen mit
leidenschaftlichem Eifer durchgeführten Spekulationen über
den „naturgemäßen" Arbeitslohn. Und doch sind auch Thünens
sozialpolitische Betrachtungen fruchtbar gewesen. Mit genialem
Scharfblick erkannte er, der ländliche Einsiedler, bereits um
- X —
die Mitte der zwanziger Jahre des vorigeü Jalirhuaderts die
Gefahren, denen die moderne Gesellschaft entgegengehe,
wenn es nicht gelinge, die Frage: „Welches ist der natur-
gemäße Anteil des Arbeiters an seinem Erzeugnis?-' im Wege
friedlichen Ausgleichs auf der Grundlage wissenschaftlicher
Forschung zu beantworten. Ja, noch mehr; damals bereits
sah er, daß der Kern des sozialen Problems, die Beseitigung
oder doch Überbrückung der sozialen Klassengegensätze,
schließlich eine Bildungsfrage, d. h. „nicht anders als durch
Änderung des Volkscharakters" zu lösen sei. Und vielleicht
kommt das „Traumbild", das er sehnsuchtsvoll von der
gesellschaftlichen Ordnung einer besseren Zukunft entwarf,
der Wirklichkeit näher als das der meisten seiner Vorgänger
und Nachfolger.
Mit List und Rodbertus zusammen gehört Thünen zu
jener Gruppe von Forschern, die, obwohl außerhalb des aka-
demischen Lebens und damit jeder schulmäßigen Organi-
sation stehend, für die neuere Entwicklung der deutschen
Nationalökonomie bahnbrechend geworden sind. Der historisch-
realistischen Schule trugen sie die Leuchte voran. Von
ihnen dreien ist Thünen vielleicht der glücklichste, jedenfalls
deijenige gewesen, der, wenngleich auch er seiner Zeit
vorauseilte, schon vor seinem Tode voll gewürdigt worden
ist. In einem ganz besonderen Sinne war er Denker.
„Es gibt", sagt er einmal, „keine wüi'digerc, mehr fördernde
Beschäftigung als diese: den Gedanken in seinen letzten
Schlupfwinkeln zu verfolgen und Jagd auf seine eigenen Irr-
tümer zu machen." Nicht der praktische Zweck der Er-
kenntnis lag ihm zunächst am Herzen, sie selbst war ihm
leiden scliaftliches Bedürfnis. Dazu vereinigte er in sich nach
Ehrenbei'g zwei Arten wissenschaftlicher Begabung, die sich
nur selten in einem Individuum in solcher Vollendung zu-
sammenfinden, die Fähigkeit zum genauen beobachten und
die zum streng logischen denken. Und indem er nun, wie
— XI —
Rodbertus bemerkt, „die exakteste Methode mit dem menscheu-
freuQdlichsten Herzens verband", entstanden jene Arbeiten,
denen als den "Werken des Genius ewige Jugend verliehen
ist. Darum hat Eoscher recht, wenn er von ihnen sagt:
„Sollte imsere Wissenschaft jemals sinken, so gehören die
Werke Thünens zu denjenigen, an denen sie die Möglichkeit
hat, sich wieder aufzurichten."
W.
Der isolierte Staat
in Bezieliiing auf
Landwirtschaft und Nationalökonomie.
Erster Teil.
Untersuchungen über den Einfluß, den die Getreide-
preise, der Eeiclitum des Bodens und die Abgaben
auf den Ackerbau ausüben.
Von
Johann Heinrich von Thünen
auf Tellow iu Mecklenburg.
Rostock 1842.
Vorrede zur zweiten Auflage.
Die erste Auflage dieser Schrift, welche seit sieben
Jahren vergriiTen ist, erschien im Jahre 1826.
In dieser zweiten Auflage haben namentlich die Kapitel
über Landrente, Statik des Landbaues, Viehzucht und Eaps-
bau beträchtliche Zusätze erhalten. Auch habe ich das Ganze
nochmals einer sorgfältigen Prüfung unterworfen, einzelne
Punkte schärfer bestimmt, und da, wo eine längere Erfahrung
mein Urteil berichtigt hat, Aenderungen getroffen.
Vorzüglich ist mein Bemühen dahin gerichtet gewesen,
Punkte, die teils durch, teils ohne meine Schuld missver-
standen sind, ausführlich zu erörtern und zu erläutern, und
ich hoffe, dass dadurch das Verständnis dieser Schrift be-
deutend erleichtert ist.
Da mir noch Materialien, die mit dem hier abgehandel-
ten Gegenstand in Verbindung stehen, genug vorliegen, um
einen zweiten Theii zu bilden, so habe ich diese Auflage des VI
Werks, so weit es bisher erschienen ist, als ersten Teil
bezeichnet.
In dem zweiten Teil wird der isolierte Staat unter ver-
änderten Voraussetzungen betrachtet werden, um die Ein-
wirkung anderer Potenzen, als die hier in Betracht gezogenen,
1*
— 4 —
kennen zu lernen und zu erforschen. Ferner gedenke ich
in demselben die Berechnungen über die Bearbeitungskosten
und den Reinertrag des Bodens, welche dieser Schrift zum
Grunde liegen, mitzuteilen, die Untersuchung über die Forst-
Avirtschaft zu erweitern, und Aufsätze über die mittlere Ent-
fernung, über den Chausseebau etc. hinzuzufügen.
Da demnach der zweite Teil Abhandlungen enthalten
wird, die eine Trennung zulassen, und da es ungewiss ist,
ob ich die Ausarbeitung des Ganzen werde vollenden können,
so wird der zweite Teil vielleicht heftweise erscheinen.
Noch bitte ich die Leser, die dieser Schrift ilu'e Zeit
und Aufmerksamkeit schenken wollen, sich durch die im
Anfang gemachten, von der Wirklichkeit abweichenden Vor-
aussetzungen nicht abschrecken zu lassen, und diese nicht
für willkürlich und zwecklos zu halten. Diese Voraus-
setzungen sind vielmehr notwendig, um die Einwirkung
einer bestimmten Potenz — von der wir in der Wirklichkeit
VII nur ein unklares Bild erhalten, weil sie daselbst stets im
Konflikt mit andern gleichzeitig whkeuden Potenzen er-
scheint — für sich darzustellen und zum Erkennen zu bringen.
Diese Form der Anschauung hat mir im Leben über
so viele Punkte Licht und Klarheit gegeben und scheint mir
einer so ausgedehnton Anwendung fähig, dass ich sie fiu-
das Wichtigste in dieser ganzen Schrift halte.
Tellow, im März 1842.
J. H. V. Thüiieii.
Inhalt. '^
Erster Abschnitt.
Gestaltung- des isolierten Staats.
Seite
i; 1. . Voraussetzungen 11
§ 2. Aufgabe 12
S 3. Erster Kreis. Freie Wirtschaft 12
i? i. Bestimmung des Getreidepreises in den verschiedenen
Gegenden des isolierten Staats 15
§ öa. Begriff der Landrente 23
i; 5 b. Einfluß der Getreidepreise auf die Landrente ... 29
g 6. Einfluß der Getreidepreise auf das Wirtschaftssystem 52
§ 7 a. Einige Sätze aus der Statik des Landbaues .... 57
j? 7 b. Weitere Ausführung einiger Teile der Statik des
Landbaues 63
ij 8. In welchem Verhältnis mu(J bei der Dreifelderwirt-
schaft Acker und Weide gegeneinander stehen, wenn
der Acker sich in gleicher Dungkraft erhalten soll? 90
i5 9. Wie verhält sich der Körnerertrag des Roggens in
der Koppelwirtschaft zu dem in der Dreifelderwirt- X
Schaft, wenn die Ackerflächen, auf denen beide Wirt-
schaftsarten betrieben werden, im ganzen gleichen
Reichtum an Pflauzennahrung enthalten? .... 93
§ 10. Arbeitsersparung in der Dreifelderwirtschaft im Ver-
hältnis zur Koppelwirtschaft 97
i? 11. Über den Einfluß, den die Entfernung des Ackers
vom Hofe auf die Arbeitskosten hat 98
- 6 —
Seite
Zusätze. A. Über die mittlere Entfernung des Ackers
vom Hofe 105
B. t'ber die Lage der Höfe in Mecklenburg- 108
§ 12. Bestimmung der Landrente der Dreifelderwirtschaft 113
§ 13. Einfluß der Entfernung des Ackers vom Hofe auf die
Arbeitskosten bei der Dreifelderwirtschaft .... 115
g 14 a. Vergleichung der Landrente bei der Koppelwirtschaft
und der Dreifelderwirtschaft 120
§ 14 b. Erläuterungen 126
§ 15. Verhältnis der Dungproduktion und der mit Korn
bestellten Fläche in der Koppel- und in der Drei-
felderwirtschaft 129
§ 16. Wirtschaftssystem mit höherer Dungproduktion . . 130
§ 1 7. Resultate einer Vergleichung zwischen der belgischen
und der mecklenburgischen Wirtschaft 142
§ 18. Anführung einiger anderer Rücksichten bei der Wahl
eines Wirtschaftssystems 160
XI § 19. ZAveiter Kreis. Forstwirtschaft 176
§ 20. Rückblick auf den ersten Kreis, in besonderer Be-
ziehung auf den Bau der Kartoffeln 199
§ 21. Dritten Kreis. Fruchtwechselwirtschaft 221
§ 22. Vierter Kreis. Koppelwirtschaft 224
§ 23. Fünfter Kreis. Dreifelderwirtschaft 225
§ 24. Durch welches Gesetz wird der Preis des Getreides
bestimmt? 225
§ 25. Ursprung der Landrente 229
§ 26 a. Sechster Kreis. Viehzucht 231
§ 26 b. Fortsetzung 246
§ 26 c. Fortsetzung 254
Zweiter Abschnitt.
Vergleichung des isolierten Staats mit der
Wirklichkeit.
§ 27. Rückblick auf den Gang unserer Untersuchung . . 264
§ 28. Verschiedenheiten zwischen dem isolierten Staat und
der Wirklichkeit 268
Seitp.
§ 29. Branntweiübreuuerei 275
§ 30. Schäferei 277
§ 31. Anbau der Handelsgewächse 291 XTI
§ 32. Zu welchem Preise kann Flachs und Leinwand aus
den verschiedenen Gegenden des isolierten Staates
nach der Stadt geliefert werden? 312
§ 33. Über die Beschränkung der Handelsfreiheit .... 318
Dritter Abschnitt.
Wirkung der Abgaben auf den Ackerbau.
§ 34. Abgaben, die mit der Größe des Betriebes im Ver-
hältnis stehen 325
A. In BeziehuBg auf den isolierten Staat . . . 325
B. In Beziehung auf die Wirklichkeit 329
§ 35. Wirkung der Abgabe, wenn die Konsumtion au Korn
dieselbe bleibt 333
§ 36. Auflagen auf Gewerbe und Fabriken 339
§ 37. Konsumtionssteuer und Kopfsteuer 343
§ 38. Auflagen auf die Landrente 346
Anhang 352
Erklärangen und Bemerkungen zu den bildlichen Dar-
stellungen des isolierten Staats . 386
xiii Mafs, Münze und Gewicht,
■welche in dieser Schrift vorkommen.
Längenmaß. Die uiecklenburgische Ente von 16 Lübecker
Fuß ä 129,0 Pariser Linien.
Flächenmaß. Die mecklenbiirgische Quadratrute von 256
Lübecker Quadratfuß.
Getreidemaß. Der Berliner Scheffel von 2744,3 Pariser Kubik-
zoll Inhalt.
Münze. Wenn von Talern ohne weiteren Beisatz die Rede ist,
so sind hierunter Tlr. Gold, fünf auf einen Ld'or gerechnet,
zu verstehen. Es ist aber auch öfters nach Talern N%
(Neue %) gerechnet, welche nach dem 18 Guldenfuß geprägt
sind, und wovon 12 eine Mark fein Silber enthalten.
Bei der Reduktion der neuen Münzsorte auf die andere
sind immer 14 Taler N'^s gleich 15 Taler Gold gerechnet.
GeAvicht. Das Hamburger Pfund von 10080 holländischen
Assen. Der Zentner ist immer zu 100 solcher Pfunde gerechnet.
VergleichuDg derselben
mit denen einiger anderer Länder.
a. Preußen.
Maß. Der preußische (rheinländische) Fuß liält 139,is Pariser
Linien; die Rute 12 Fuß; der Morgen 180 QK
100 mecklenbiirg-ische QFuß sind gleich 85,9i preuß. □Fuß.
100 mecklenburgische rjR. sind ^ 152,72 preuß. DE.
Der preußische Morgen hält 117,s6 meckl. OE.
Die Ernte von 10 Berl. Scheffel auf 100 meckl. n^- be- XIV
trägt auf den Morgen 11,78 Berl. Scheffel.
Münze. Preußisch Kurant, nach dem 21 Guldenfuß geprägt.
6 Tlr. NVs sind = 7 Tlr. preuß. Kur.
Der Ld'or ist demnach zum Kurs von 5 Tlr. 13 V» Silber-
groschen gerechnet.
Gewicht. Das preuß. Pfund hält 9750 holländische Assen;
100 Hamburger Pfund sind demnach = 103,38 Berl. Pfund.
b. Österreich.
Der Wiener Fuß hält 140,i3 Pariser Linien; der Klafter 6 Fuß.
Das Joch (Jochart) hält 1600 QKlafter = 57 600 GFaß.
100 meckl. DFiiß sind = 84,74 Wiener \JF\iß.
100 meckl. [JR. sind — 0,377 Jochart.
1 Jochart ist =■ 265,5o meckl. QE.
Das österr eichische Getreidemaß. Die Wiener Metze hält
3101 Pariser K, Z. Der BerHner Scheffel ist = 0,885 Metzen.
Die Ernte von 10 Berliner Scheffel auf 100 meckl. QE. be-
trägt 23.30 Wiener Metzen vom Joch.
Gewicht. Das Wiener Pfund hält 11656 holländische Assen.
100 Hamb. Pfund sind = 86,4s Wiener Pfund.
c. Eugland.
Maß. Der englische Fuß hält 135,ie Pariser Linien. Der Acre
4840 QYards = 43560 QFuß.
100 meckl. nFuß sind = 91,o8 englische DFuß.
100 meckl. ^E. sind = 0,535 engl. Acre.
1 Acre ist = 186,8o meckl. QE.
Das englische Getreidemaß. Der Bushel enthält 1780
Pariser K. Z.
Der Berliner Scheffel ist = 1,542 Bushel.
Die Ernte von 10 Berl. Scheffel pr. 100 meckl, QE. ist
= 28,80 Bushel pr. Acre.
— 10 —
Gewi cht. Das englische Pfund hat 9439 holländische Assen.
100 Hamburger Pfund sind .= 106,79 englische Pfund.
XV d. Frankreich.
Maß. Das Meter hält iiS^^^ Pariser Linien. Der Hektar lOOÜO
QMeter.
100 meckl. GFuE sind = 8,^67 CMeter.
100 meckl. \JR. sind = 0.2,, Hektar.
1 Hektar ist = 461,6o meckl. QE.
Das französische Getreidemaß. Der Hektoliter enthält
5046,1 Pariser K. Z.
Der Berliner Scheffel ist = 0,544 Hektoliter.
Die Ernte von 10 Berl. Scheffel pr. 100 meckl. [IE. ist
= 25,1 Hektoliter vom Hektar.
Gewicht. Das Kilogramm hat 20816 holländische Assen.
100 Hamburger Pfund sind = 48,40 Kilogramm.
Die vorstehende Berechnung ist nach den Angaben in Thaers
englischer Landmrtschaft , Band 2. entworfen. In späterer Zeit
ist aber, wie ich meine, die Größe des englischen Getreidemaßes,
des Bushel, etwas verändert worden.
Erster Abschnitt. i
Gestaltung des isolierten Staats.
§ 1-
Voraussetzungen.
Man denke sich eine sehr große Stadt in der Mitte
einer fruchtbaren Ebene gelegen, die von keinem schiifbaren
Fhisse oder Kanäle durchströmt wird. Die Ebene selbst be-
stehe aus einem durchaus gleichen Boden, der überall der
Kultur fähig ist. In großer Entfernung von der Stadt endige
sich die Ebene in eine unkultivierte Wildnis, wodui'ch dieser
Staat von der übrigen Welt gänzlich getrennt wird.
Die Ebene enthalte weiter keine Städte, als die eine
große Stadt, und diese muß also alle Produkte des Kunst-
fleißes für das Land liefern , so wie die Stadt einzig von
der sie umgebenden Landfläche mit Lebensmitteln versorgt
werden kann.
Die Bergwerke und Salinen, welche das Bedürfnis an
Metallen und Salz für den ganzen Staat liefern, denken wir
uns in der Nähe dieser Zentralstadt — die wir, weil sie
die einzige ist, künftig schlechthin die Stadt nennen werden
— gelegen.
12 —
§ 2.
Aufgabe.
Es entsteht nun die Frage: wie wird sich unter diesen
Verhältnissen der Ackerbau gestalten, und wie wird die
2 größere oder geringere Entfernung von der Stadt auf den
Landbau einwirken, wenn dieser mit der höchsten Konsequenz
betrieben wird.
Es ist im allgemeinen klar, daß in der Nähe der Stadt
solche Produkte gebaut werden müssen, die im Verhältnis
zu ihrem Wert ein großes Gewicht haben, oder einen großen
Eaum einnehmen, und deren Transportkosten nach der Stadt
so bedeutend sind, daß sie aus entfernten Gegenden nicht
mehr geliefert werden können ; so wie auch solche Produkte,
die dem Verderben leicht imterworfen sind und frisch ver-
braucht werden müssen. Mit der größeren Entfernung von
der Stadt wird aber das Land immer mehr und mehr auf
die Erzeugung derjenigen Produkte verwiesen, die im Ver-
hältnis zu ihrem Wert mindere Transportkosten erfordern.
Aus diesem Grunde allein werden sich lun die Stadt ziem-
lich scharf geschiedene konzentrische Kreise bilden, in welchen
diese oder jene Gewächse das Haupterzeugnis ausmachen.
Mit dem Anbau eines anderen Gewächses, als Haupt-
zweck betrachtet, ändert sich aber die ganze Form der Wirt-
schaft, und wir werden in den verschiedenen Kreisen ganz
verschiedene Wirtschaftssysteme erblicken.
§ 3.
Erster Kreis.
Freie Wirtschaft.
Die feineren Gartcngewiiclisc , welche teils den Trans-
port auf Wagen aus weiterer Ferne nicht ertragen können,
— 13 —
wie Blumenkohl, Erdbeeren, Salat ii. m. a., und deshalb nach
der Stadt getragen werden müssen, teils nur in kleinen
Quantitäten und ganz frisch abzusetzen sind, können nur in 3
der Nähe der Stadt gebaut werden.
Die Gärten werden also die nächsten Umgebungen der
Stadt einnehmen.
Außer den feineren Gartengewächsen ist die frische Milch
eines der notwendigen Bedürfnisse der Stadt, deren Erzie-
lung in diesem ersten Kreise geschehen muß : denn die Milch
ist nicht bloß sehr schwierig und kostbar zu transportieren,
sondern sie wird auch, besonders bei gi'oßer Hitze, nach
wenigen Stunden ungenießbar, und kann deshalb aus gi'ößeren
Entfernungen nicht zur Stadt gebracht werden.
Der Preis der Milch muß so hoch steigen, daß das Land,
was zum Zweck der Milcherzeugung verwandt wird, durch
kein anderes Produkt höher genutzt werden kann. Da die
Ackerpacht in diesem Kreise sehr hoch ist, so kommt ver-
mehrte Arbeit hier wenig in Betracht. Von der kleinsten
Fläche die größte Menge Viehfutter zu gewinnen, ist hier
die Aufgabe. Man wird also möglichst vielen Klee bauen
und Stallfütterung treiben : denn es ist entschieden, daß man
bei der Stallfütterung, wo der Klee zur rechten Zeit gemäht
werden kann, von derselben Fläche weit mehr Vieh unter-
halten kann, als bei der Beweidung, wo die jungen Pflanzen
durch das Zertreten und Abreißen stets in ihrem Wachstum
gestört werden. Oder, wenn man der größeren Reinlichkeit
wegen die "Weide dennoch vorziehen sollte, so können die
Weideplätze nur klein sein, und das Vieh wird doch größ-
tenteils mit abgemähtem grünen Klee und mit dem Abfall
von Kartoffeln, Kolü, Rüben usw. unterhalten werden.
Der unterscheidende Charakter dieses Kreises ist, daß hier
der Dung größtenteils aus der Stadt angekauft und nicht,
wie in den entfernteren Gegenden, auf den Gütern selbst er-
zeugt wird.
— 14 —
4 Dies gibt diesem Kreise das Übergewicht über die ent-
fernteren und macht es möglich, daß hier Produkte verkauft
werden können, die die anderen Kreise zur Erhaltung der
Fruchtbarkeit des Bodens selbst behalten müssen.
Verkauf von Heu und Stroh ist hier, neben der Müch-
produktion, Hauptzweck. Da die entfernteren Gregenden hier-
bei nicht in Konkurrenz treten können, so muß der Preis dieser
Produkte so hoch steigen, daß das Land dadurch am höchsten
genutzt wird. Das Korn ist hier nur Nebensache, denn dies
kann wegen minderer Landrente und geringeren Arbeitslohns
in den abgelegenen Kreisen wohlfeiler gebaut werden. Man
würde den Kornbau ganz aufgeben, wenn dieser nicht zur
Gewinnimg des Strohes notwendig wäre, und man opfert
durch dickes Säen einen Teil der Kornernte auf, um nur
mehr Stroh zu erhalten.
Außer der Milch, dem Heu und Stroh muß dieser Kreis
die Stadt noch mit allen den Produkten versehen, die durch
den Transport aus einer weiten Entfernung zu kostbar werden.
Diese sind: Kartoffeln, Kohl, Rüben, grüner Klee u. m. a.
Die kleinen, nicht verkäuflichen Kartoffeln und der Abfall
von Kohl, Rüben usw. können als Futter für die Milchkühe
hier ebenfalls am höchsten benutzt werden.
Reine Brache findet in diesem Distrikte aus zwei ver-
schiedenen Ursachen nicht statt: erstens, weil die Landrente
zu hoch ist, um einen großen Teil des Feldes unbenutzt
lassen zu dürfen ; zweitens, weil durch den unbeschränkten
Ankauf des Dungs die Kraft des Bodens so hoch gehoben
werden kann, daß die Gewächse, auch ohne die sorgfältige
Bearbeitung des Bodens durch die Brache, dem Maximum
ihres mögliclien Ertrages nahe kommen.
Man wird die Früchte so hintereinander folgen lassen,
daß jedes Gewächs den Boden in einem für dasselbe
5 günstigen Zustande vorfindet; aber man wird nicht, des
bloßen Wechsels wegen, Früchte bauen, die durch ihr Preis-
— 15 —
Verhältnis unvorteilhaft für diese Gegend sind. Hier findet
also die sogenannte freie Wirtschaft — die in der Frucht-
folge keiner Yorausbestimmung unterworfen ist — ihren Platz.
Der Dungankauf aus der Stadt ist am vorteilhaftesten
für den Teil des Kreises, der der Stadt am nächsten liegt.
Mit der wachsenden Entfernung nimmt dieser Vorteil rasch
ab, indem dadurch nicht allein die Anfuhr des Düngers,
sondern auch das Verfahren der erbauten Produkte verteuert
wird. Bei zunehmender Entfernung von der Stadt kommen
wir bald in eine Glegend, wo es schon zweifelhaft wird, ob
man noch mit Vorteil Dung aus der Stadt holen kann, und
wir müssen dann bald die Gegend treffen, wo es entschieden
vorteilhafter ist, den Dung selbst zu produzieren, als ihn zu
kaufen — und hier ist dann die Grenze des ersten, und
der Anfang des zweiten Kreises.
§ 4.
Bestimmung des Getreidepreises in den ver-
schiedenen Gegenden des isolierten Staats.
Ehe wir nun zur Betrachtung der Wirtschaft des zweiten
und der folgenden Kreise übergehen können, müssen wir
vorher zu bestimmen suchen , wie der Preis des Getreides
sich mit der Entfernung von der Stadt ändert.
Wir haben angenommen:
1) daß die Zentralstadt der einzige Marktplatz für das
Getreide sei;
2) daß in dem ganzen Staat kein schiffbarer Kanal sei, und
alles Getreide zu Wagen nach der Stadt gebracht
werden müsse.
Unter diesen Umständen normiert der Getreidepreis in
der Stadt für das ganze Land. Auf dem Lande kann aber
— 16 —
6 der "Wert des Korns nicht so hoch sein, als der Marktpreis
in der Stadt ist; denn um diesen Preis zu erhalten, muß
das Korn erst nach der Stadt gefahi-en werden, und soNiel,
wie dieses kostet, um so viel geringer ist der Wert des
Korns auf dem Lande als in der Stadt.
Um das Verhältnis der Wertsverminderung des Ge-
treides in Zahlen auszusprechen, ist es notwendig, einen
Standpunkt aus der Wirklichkeit zu entnehmen, und diesen
in den isolierten Staat mit hinüber zu nehmen.
Auf dem Gute T. (Tellow), Avelches 5 Meilen von dem
Marktplatz Rostock entfernt ist, haben die Transportkosten
für eine Fuhre Korn nach dieser Stadt, im Durchschnitt von
5 Jahi'en, betragen: 3^/io Rostocker ScheiTel Roggen und
52
IjTTTT Taler N-Zs; welches in Berliner Schelfein und in
57
Gold , den Ld"or zu 5 Taler gerechnet, 2^?^^ Berliner
Scheffel Roggen und Ittttt Taler Gold ausmacht*).
Die gewöhnliche Ladung für ein Gespann von 4 Pferden
beträgt 2400 tl. Das Futter, was für die Pferde auf
2 Tage mitgenommen werden muß, wiegt ungefähr 150 ^.;
an Korn kann also geladen werden 2400 — 150 = 2250 ^.,
welches 37 ^/2 Rostocker oder 26,78 Berliner Schfl. ausmacht.
7 Annahme. In der Zentralstadt des isolierten Staats
sei der Mittelpreis des Roggens für den Berliner Schfl.
1 ^ 2 Tlr. Gold , und der Maßstab ffh- die Transport-
*) Der Rostocker Scheffel ist gleich -'j-; Berliner Schcft'el;
14 Taler N'^/j sind bei dieser und bei allen folgenden Reduktionen
gleich 15 Tlr. Gold gerechnet. Wenn im Verfolg dieser Schrift
von Talern und Scheffeln ohne weiteren Beisatz die Rede ist, so
sind hierunter immer Taler Gokl und Berliner Scheffel zu ver-
stehen.
— 17 —
kosten des Getreides sei derselbe, den wir aus der
Wirklichkeit für das Gut T. gefunden haben.
Wir fragen nun, wie hoch wird unter diesen Voraus-
setziuigen der Wert des Getreides in dem isolierten Staate,
auf dem 5 Meilen von der Stadt entlegenen Gute sein?
Für eine Fuhre von 26,7s Berl. Schfl. Roggen w^erden
in der Stadt eingenommen 26,78 X 1^/2 = 40,i7 Tlr. Gold.
Die Transportkosten betragen 1,63 Tlr. Gold und 2,57 Schfl.
Roggen. Zieht man diese ab, so bleiben von der Einnahme
38,54 Tlr. minus 2,57 Schfl. Roggen. Oder für 26,78 Schfl.
Roggen, die nach der Stadt gefahren sind, und für 2,57 Schfl.,
die der Transport gekostet hat, zusammen also für 29,35 Schfl.
Roggen, beträgt die Geldeinnahme 38,54 Tlr. Dies macht für
1 Schfl. 1,313 Tlr.
Für 10 Meilen Entfernung von der Stadt erfordert die
Fuhre hin und zurück 4 Tagereisen.
An Futter muß alsdann mitgenommen werden 300 U..
Die Kernladung beträgt also 2400 — 300 = 2100 fl.
Die Transportkosten betragen 2 X 2,5? = 5,i4 Schfl.
Roggen und 2 X 1,63 = 3,26 Tlr.
Durch eine ähnliche Rechnung, wie oben, ergibt sich
dann, daß bei der Entferniing von 10 Meilen der Wert des
Scheffels Roggen auf dem Gute selbst l,i36 Taler betiägt.
Aus der Anwendung dieser Berechnung auf größere
Entfernungen geht nun folgende Tabelle hervor:
1000 Berüner Schfl. Roggen sind Gold {
wert : Taler
In der Stadt selbst 1500
Auf dem Gute 5 Meilen von der Stadt entfernt 1313
10 „ 1136
15 „ 968
20 „ 809
25 „ 656
30 „ 512
Thünen, Der isolierte Staat. 2
— 18 —
Taler
Auf dem Gute 35 Meilen von der Stadt entfernt 374
40 „ • . 242
45 „ 116
49,95 Meilen . 0
Unter diesen Yerhältnissen ist der Transport des Korns
auf 50 Meilen unmöglich, weil die ganze Ladung oder deren
Wert auf der Hin- und Zurückreise von den Pferden und
den dabei angestellten Menschen verzehrt wird.
Aus dieser Ursache müßte in der Entfernung von 50
Meilen die Kultur des Bodens aufhören, wenn auch die
Hervorbringung des Korns gar keine Kosten verursacht; da
aber die Produktion des Getreides überall Arbeit und
Kosten erfordert, so wird der Reinertrag des Laudbaues
schon in weit geringerer Entfernung von der Stadt aufhören,
und mit dem Reinertrag endet aucli die Kultur des Bodens.
Es mag unrichtig erscheinen, bei der Berechnung der
Trausi:)ortkosten für große Entfernungen anzunehmen, daß
der Wagen das Futter, welches die Pferde auf der Hin-
und Zurückreise gebrauchen, gleich mitnimmt, da doch das
Futter auf der Rückreise wohlfeiler zu kaufen sei, als es
hier durch die Verminderung der Ladung kostet.
Das Futter, was unterwegs gekauft wird, ist nicht für
den Preis, den es an dem Orte beim Verkauf wirklich gilt,
9 zu haben , sondern es muß auch der Handelsvorteil , den
der Wirt oder der Unterhändler dafür nimmt, mitbezahlt
werden. Jedoch kann die Bezahlung dieses Handelsprofits
nicht so kostbar Averden, als die Mitnahme des Futters auf
großen Reisen.
Für weite Entfernungen kommt aber noch folgender
Punkt in Betracht:
Die Transportkosten sind danach berechnet, was sie für
eine Entfernung von 5 Meilen wirklich kosten. Die Pferde,
welche im Sonuner das Feld bestellen, verfahren hier im
— 19 —
Winter das Korn. Es brauchen also keine besonderen Pferde
dazu gehalten zu werden, und auf das Konto des Korn Ver-
fahrens kommen bloß diejenigen Kosten, welche durch die
verstärkte Arbeit der Pferde selbst hervorgebracht werden,
als Hufbeschlag, Abnutzung des AVagengeräts , vermehrtes
Futter usw.; nicht aber die Zinsen vom Kapital wert der
Pferde, und das Futter, was die Pferde im Winter zu ihrem
Lebensunterhalt gebrauchen.
Für weite Entfernungen müssen aber zum Kornverfahren
eigene Gespanne gehalten werden, und dadurch vermehren
sich die Transportkosten in Schfl. Roggen ausgedrückt, für
die entfernten Gegenden sehr beträchtlich.
Diese erhöhten Kosten betragen wahrscheinlich reich-
lich soviel, als durch den Ankauf des Futters unterwegs er-
spart werden kann ; wenigstens vermindern sich die beiden hier
wissentlich gemachten Fehler gegenseitig, und ich habe unter
mehreren Versuchen die Transportkosten auf eine andere
Art zu berechnen, der hier gewählten Methode, als der zu-
treffendsten, den Yorzug geben müssen.
In der Folge kommen wir oft in die Lage, den Wert
des Roggens auch für solche Entfernungen von der Stadt,
die in obiger Tabelle mit angeführt sind, wissen zu müssen. 10
Wir bedürfen deshalb einer allgemeinen Formel, und müssen,
ehe wir weiter gehen, folgende Frage lösen.
Wie hoch ist der Wert des Roggens auf einem Gute,
welches x Meilen vom Marktplatze entfernt ist?
Die ganze Ladung eines Wagens beträgt 2400 Z^-, oder
2400
da wir den Schfl. Roggen zu 84 fL annehmen, -qj— Schfl.
Roggen. Hiervon geht aber das mitzunehmende Pferdefutter
ab, welches auf .5 Meilen 150 //., auf x Meilen also 30 x it.
beträgt.
2*
— 20 —
Zur Stadt gebracht werden also nur 2400 — 30 x ü.^
oder ~ — -5-j Schfl. Roggen; wofür die Einnahme, den
Schfl, Roggen zu IV2 Tk. gerechnet, 57 — '— X 1^''2
=z '- T-7- Taler beträgt.
Die Transportkosten betragen auf 5 Meilen 2,57 Scheffel
Roggen und l,e3 Taler; auf x Meilen also
2,57 X Schfl. + 1,63 X ^^^^^
5
T^ 1 rv 1, 3600 — 45 X _, ,
von der Einnahme = 07 Taler müssen ab-
gezogen werden
die Transportkosten = — \. ""' ^•
., , 3600—45 X ^, 1,63 X Th-. 2,57 x Schfl.
Dies gibt gl Tk. '—^ V
, 18000 — 361,92 X ^ , 2,57 X Schfl.
oder ttjt;^ — Taler
420 ""'"' 5
Dies ist die reine Einnahme für die nach der Stadt
gebrachte Ladung von - — -^-j Scheffel Roggen;
2400 — 30 X
11 öl— — — Scheffel Roggen sind also im Wert
= TpTj — ^ Taler — ~^., — Scheffel Roggen
oder ^ Schfl. Roggen -\ — ^^ — Scheffel Roggen
18000 — 361,92 X ^, ^ 12000 + 65,88 x _, , ^ „
^ 42Ö Tlr.,also ^^^ Schfl. R.
= ^^^^^~Q^^'"'^ Taler, oder 12000 + 65,S8X Seh. R.
_ 18000 — 361,92 X Taler.
— 21 —
Hieraus ergibt sich
der Wert eines Scheffels Roergen T?i7^r/r"i"r--' ^" Tlr.
°° 12000 -f- 60,88 X
Diese Formel kann mit einer sehr geringen Abwei-
chung in folgende verkleinert werden: 1 Scheffel Roggen
273 — 5,5 X
182 -fx
Taler.
Berechnung der Fracht, die es kostet, eine
volle Ladung von 2400 /'' nach der Stadt
zu bringen.
Soll die ganze Ladung nach der Stadt kommen, so
müssen den mit Waren oder Produkten beladenen Wagen
andere Wagen, die das für die Pferde nötige Futter fahren,
beigesellt sein.
Für 5 Meilen Entfernung von der Stadt besteht sonst
die Ladung eines Wagens aus 2250 fi. Korn oder Waren,
und aus 150 fl. Futter. Hier wird also, um 15 volle La-
dungen ä 2400 fl. nach der Stadt zu bringen, ein Wagen
mit Futter für die Pferde erfordert.
16 Gespann Pferde, deren Arbeit 16 X (2,57 Schfl.
Roggen -j- 1,63 Th\) kostet, bringen also nur 15 Ladungen
nach der Stadt, welches an Fracht oder Transportkosten für 12
1 fi
eine volle Ladung j^- (2,57 Schfl. Roggen -\- 1,C3 Tlr.) ergibt.
Auf 10 Meilen Entfernung muß sonst ein Wagen 300 /^.
Futter mitnehmen, und die Ladung selbst beträgt nur
2100 fl. Auf 7 Wagen mit voller Ladung kommt also 1 Wagen
mit Futter, und die Fracht für eine volle Ladung, die nach
der Stadt gebracht wird, beträgt also y (2,57 SchH. Roggen
+ 1,G3 Tk.).
Auf X Meilen Entfernung beträgt das mitzunehmende
— 22 —
Futter für jeden Wagen 30 x /?. , und die Ladung bleibt
2400 — 30 X it. Sollen nun einige Wagen ganz mit Korn
beladen werden, so muß für jeden 30 x it. Futter auf einem
anderen Wagen mitgenommen werden. Ein Wagen kann
, T. . 2400 — 30 X
also das J utter für ■ 7^ andere Wagen mitnehmen ;
30 X ° '
oder auf - — ^ä Wagen mit voller Ladung gehört ein
Wagen mit Futter.
- — g^^ ^-1 Wagen = —-- Wagen, wovon
. , 2,57xSchfl. Eoggen -4- 1,63 x Tlr. , , ,
jeder — ^f ' — kostet, die zu-
, 2400 (2,57 X Schfl. Roggen + 1,64 x Tlr.)
sammen also ^tt" ~~~
30 X o
kosten, bringen - — ^^^-^ — ^ volle Ladungen nach der Stadt.
Die Fracht für jede einzelne Ladung beträgt also
/ 2,57 X Scheffel Roggen -[- 1,63 x Taler \ 2400
\ 5 / 2400 — 30 X
1 c
;^3 = (2,57 X Scheffel Roggen -|- 1,63 x Taler) ^^
41x Schfl. + 26x Tlr. ^^ . ^ ^
= ^,7, — ' . Nun ist der rreis eines
80 — X
Schfl. Roggen in der x Meilen von der Stadt entfernten
273 — 5,5X
^^^^^^ = 182 + X •
Setzen wir in obiger Formel für den Roggen diesen
Preis, so erhalten wir
11193 X — 225x2 26 X _ 15925 x — 199,5x2
(182^'x)' (80 —^) + "80 — x ~ (182 + x) (80 — x).
Diese Formel stimmt bis auf eine unbedeutende Kleinigkeit
. . , . . 199,5X
mit folgender überein: -|qo~ i — :•
Ich nehme nun hiernach, in allen folgenden Berech-
nnngen, die Fracht oder die Transportkosten für eine Ladung
von 2400 U. zu ^39 '1_^^ Tlr. an.
Ist nun die Entfernung so beträgt die Fracht
von der Stadt, oder für eine Ladung
x=l 1,00 Tlr.
X=5 5,33 „
X = 10 10,4 „
X = 20 19,8 „
X = 30 28,2 „
§ 5a.
Begriff der Landrente.
Wir müssen die Gutseinkünfte von dem Ertrage, den
der Boden an sich gibt, genau unterscheiden.
Ein Gut ist stets mit Gebäuden, Einzäunungen, Bäumen
und anderen Gegenständen von Wert, die vom Boden ge-
trennt werden können, versehen. Die Einkünfte, die ein
Gut gewährt, entspringen also nicht ganz aus dem Grund 14
und Boden, sondern sind zum Teil nur Zinsen des in diesen
Wertgegenständen steckenden Kapitals.
Was nach Abzug der Zinsen vom Wert der Gebäude,
des Holzbestandes , der Einzäunungen und überhaupt aller .
Wertgegenstände, die vom Boden getrennt werden
können, von den Gutseinkünften noch übrig bleibt, und so-
mit dem Boden an sich angehört, nenne ich Landrente.
AVer ein Gut kauft, auf welchem sämtliche Gebäude,
Bäume und Einzäunungen niedergebrannt sind, wird bei der
Veranschlagung des Werts zwar zuerst berechnen, welchen
Reinertrag dieses Grundstück, nachdem es mit Gebäuden etc.
— 24 —
versehen ist, geben -vsttcI — dann aber die Zinsen des auf
Errichtung der Gebäude etc. zu verwendenden Kapitals in
Abzug bringen, und nach der dann übrig bleibenden Rente
den Kaufpreis bestimmen.
Was sich hiernach im praktischen Leben so einfach dar-
stellt, hat aber in der wissenschaftlichen Auffassung Schwierig-
keiten gefunden und zu Begriffsverwirrungen geführt.
Nach Adam Smith*) — dem in diesem Punkt, bis auf
die neuere Zeit, die mehrsten Lehrer der Staatswirtschaft
gefolgt sind — bildet das, was von dem Produkt eines Land-
guts oder von dem Geldbetrag dieses Produkts übrig bleibt,
nachdem der Pächter die Arbeiter bezahlt, die übrigen Wirt-
schaftskosten getragen, und für sein aufgewandtes Kapital
den üblichen Kapitalgewinn gezogen hat, „die Landreute".
Hieraus und aus der Anwendung, die Adam Smith von
dem Worte „Landrente" macht, folgt, daß derselbe die Ein-
15künfte, welche der Gutsherr von einem verpachteten Gute
bezieht, „Landrente" nennt.
Diese Rente, welche ich künftig .,die Gutsrente" nennen
werde, ist aber, wie wir gesehen haben, zusammengesetzt aus
der Rente des Bodens und den Zinsen vom Wert der
Gebäude etc.
Zwischen der Größe des auf diese Weise in einem Gute
angelegten Kapitals und der Rente vom Boden selbst, ist
aber kein bestimmtes Verhältnis vorhanden, sondern es kann
vielmehr nach Verschiedenheit des Preises der Produkte, der
]»hysi.schen Beschaffenheit des Bodens etc. zwischen beiden
jedes Verhältnis stattfinden. In Adam Smiths Landrente
(Gutsrente) liegt also in keiner Weise ein Maßstab für die
eigentliche Land- oder Bodenrente. Indem man den Preis
der Waren in die drei Bestandteile: Arbeitslohn, Kapital-
*) Man vergleiche dessen Untersuchuugen übir den National-
reiehtum 11. Kapitel.
gewinn und Landrente zerlegt, während die Landrente — in
Adam Smiths Sinn — selbst wiederum ein unbestimmtes
Maß von Kapitalgewiun enthält, verschwindet alle Klarheit
und Bestimmtheit der Begriife.
Will man hiernach zeigen, wie eine Änderung im
Kapitalgewinn, bei gleichbleibendem Arbeitslohn und unver-
änderter Landrente, auf den Preis der Waren wirkt: so
bleibt der Teil des Kapitalgewinns, welcher in der Land-
rente (Gutsrente) enthalten ist, unberücksichtigt. Will man
andererseits darstellen, wie eine Erhöhung der Landrente,
wenn Arbeitslohn und Kapitalgewiun dieselben bleiben, den
Preis der Waren ändert, so erhöht man mit der Landrente
zugleich den darin enthaltenen Teil des Kapitalgewinns,
welcher doch unverändert bleiben soll — und so gelangt
man in beiden Fällen zu unrichtigen Resultaten.
Adam Smiths Ansicht von der Landrente gründet sich 16
wohl auf folgende Betrachtung.
Das in den Gebäuden eines Guts angelegte Kapital
kann nicht wieder hinweggenommen und in ein anderes
Gewerbe gesteckt werden. Es ist dadurch gleichsam mit dem
Boden verwachsen und kann nur Zinsen tragen, wenn der
Boden bebaut wird. Wenn nun infolge des Fallens der
Preise der ländlichen Erzeugnisse die Gutsrente so tief sinkt,
daß sie weniger beträgt als die Zinsen des in dem Wert
der Gebäude steckenden Kapitals : so verschwindet die Boden-
rente nicht allein, sondern wird sogar negativ. Dies kann
aber den Eigentümer des Guts nicht abhalten, den Boden
ferner zu kultivieren, indem er sonst alle Einkünfte seines
verwandten Kapitals verlöre. Bleibt dagegen die Gutsrente
unverändert, während der landübliche Zinsfuß steigt : so sinkt
die Bodenrente genau um so viel, als die Rente vom an-
gelegten Kapital steigt. Zwischen beiden Arten von Renten
findet also eine Wechselwii'kung statt, und da der Landbau
— 26 —
noch fortdauert, wenn auch die Bodenrente schon negativ
geworden : so scheint es, als sei die Trennung der Gutsrente
in Boden- und Kapitalrente unzulässig und zugleich auch
unnütz, da die Gutsrente (Landrente nach Adam Smith)
doch der eigentliche Regulator sei.
So erscheint es allerdings, wena man die Betrachtung
auf einzelne Fälle und auf kurze Zeiträume beschränkt. Aber
anders stellt es sich dar, wenn der Blick auf das Allgemeine
gerichtet, und der letzte Erfolg ins Auge gefaßt wird.
Denken wir uns, daß ein durch Arbeit und Sparsamkeit
neu geschaffenes Xapitel in den vorhandenen Gewerben zu
dem üblichen Zinssatz keine Anwendung mehr finde,
daß der Besitzer des Kapitals sich deshalb entschließt, ein
17 bisher unbenutztes, wertloses Stück Land zu kultivieren und
mit Gebäuden zu versehen, und daß der Kapitalist bei dieser
Anwendung seines Kapitals von demselben gerade den im
Lande üblichen Gewinn bezieht. Wenn wir nun — um
nicht zwei voneinander ganz unabhängige Potenzen zugleich
in Betracht zu ziehen, und dadurch die Übersicht zu ver-
wirren — von den Kosten der Urbarmachung des Bodens
hier ganz abstrahieren : so besteht unter diesen Yerhjiltnissen
die ganze Gutsrente aus Kapitalgewinn, und die Bodenrente
selbst ist = 0.
Gesetzt nun, der Zinsfuß stiege von 4 auf 5% bei
unveränderten Gutseinkünften: so wird die Bodenrente ne-
gativ, aber wegen der Unbeweglichkeit des in den Gebäuden
angelegten Kapitals wird der Landbau fortgesetzt.
Werden aber die Gebäude durch eine Feuersbrunst in
Asche gelegt, so wird kein neues Kapital zum Wiederaufbau
derselben angeschafft, und der Boden bleibt wieder wüst
liegen.
Die Feuersbrunst zerstört auf einmal; der Zahn der
Zeit bewirkt ebenfalls eine Zerstörung der Gebäude, nur viel
— 27 —
langsamer. Siud die Gebäude durch ihr Alter einmal un-
brauchbar geworden und zusammengefallen, so werden sie
unter diesen Verhältnissen auch nicht wieder aufgebaut,
und das Land bleibt dann gleichfalls wüst liegen.
Sind nun im Laufe eines Jahrhunderts sukzessive 100
solcher Güter entstanden, und beträgt die Dauer der auf
diesen Gütern errichteten Gebäude 100 Jahre : so wird jähr-
lich eins dieser Güter verlassen werden, und nach einem Jahr-
hundert ist die ganze neue Schöpfung wieder verschwunden.
Über den dauernden Anbau des Bodens entscheidet
also nicht die Größe der Gutsrente, sondern allein die Größe
der Bodenrente.
Aus Adam Smiths Ansicht von der Landrente, nach 18
welcher die Zinsen des auf die Errichtung der Gebäude ver-
wandten Kapitals als Bodenertrag angesehen werden, gehen
mehrere Irrtümer seines Systems hervor, namentlich:
1. daß der Boden überall, wo er bebaut wird, eine Rente
abwerfe ;
2. daß die auf den Landbau gewandte Arbeit vorteil-
hafter und produktiver sei als die auf die Gewerbe
gewandte ;
3. daß die Natur beim Landbau mitarbeite, während sie
bei den Manufakturen nichts tue.
Hierauf ist in der Kürze zu entgegnen:
1. Wenn man die Zinsen vom Wert der Gebäude, worin
eine Manufaktur betrieben wird, nicht in Abzug bringt,
so liefert dies Gewerbe gleichfalls eine Rente.
2. Wenn ein solcher Abzug nicht stattfindet, so bleibt von
dem Arbeitsj)rodukt der Arbeiter, nachdem der Unter-
nehmer für seine Mühe und für das in Maschinen,
Vorräten etc. (mit Ausschluß der Gebäude) steckende
Kapital den üblichen Gewinn bezogen hat, weit mehr
übrig, als die Konsumtion der Arbeiter beträgt; die
Arbeit ist hier also ebenfalls sehr produktiv.
— 28 —
3. Ohne Mitwirkung der Naturkräfte können die Gewerbe
ebensowenig als der Landbau betrieben werden.
Daß ein so tiefer Denker wie Adam Smith, in dessen
Untersuchungen über den Nationalreichtum ich eine un-
erschöpfhche Quelle der Belehrung finde, weil in ihnen die
Werkstatt des forschenden, erfindenden Geistes dem Be-
schauer geöffnet ist — daß ein solcher Mann über das Wesen
der Ijandrente im Dunkeln blieb, während er über so viele
andere Gegenstände der Staatswirtschaft ein so helles Licht
verbreitete, läßt sich vielleicht aus folgender Ursache erklären :
19 Adam Smiths System ist ursprünglich wohl aus dem
physiokratischen System Jiervorgegangen , und wenn Adam
Smith auch den falschen Satz der Physiokraten : „die auf
den Landbau gewandte Arbeit ist die einzige produktive"
milderte und berichtigte, so kannte er doch das innere Wesen
des Landbaues nicht genug, um sich durch eigene Anschauung
von dem Irrtum der Physiokraten ganz losmachen zu können.
Ricardo berichtigt in seinem Werk über politische (Jko-
nomie — welches ich beim ersten Entwurf dieser Schrift noch
nicht kannte — Adam Smiths Ansicht von der Landrente
und stellt folgenden Satz auf: „die Bodenrente ist der Geld-
betrag, den der Eigentümer für die Benutzung der ursprüng-
lichen und unzerstörbaren Kräfte seines Bodens erhält."
Dieser Definition gemäß trennt Kicardo auch die Zinsen
des in den Gebäuden steckenden Kapitals von dem Ertrage
des Bodens selbst.
Es ist interessant und lehrreich zu sehen, wie Say in
seinen Noten zu Ricardos Werk und in seinem Traite
d'ucononiie politi(]ue die richtige Ansicht Ricardos zu be-
kämpfen und die irrige festzuhalten bemüht ist.
Wenn dies aber einem Mann von Says Geistosklarheit
begegnen kann, so liegt darin eine Warnung für jeden, auf
seiner Hut zu sein, um sicli die Geistesfrcilieit zu bewahren.
Man muß die Kraft haben, zu vergessen was man weiß,
— 29 —
um eine Wahrheit, die mit den eigenen Irrtümern im AVider-
streit ist, auffassen und in sich aufnehmen zu können.
Da Adam Smiths Begriff von der Landrente noch viele
Anhänger hat und die Übertragung dieses Begriffs auf das
was ich Landrente nenne, notwendig verwirrend auf alles,
was im Verfolg dieser Schrift über diesen Gegenstand gesagt
wird, wirken muß : so habe ich geglaubt, durch eine Gegen- 20
einanderstellung beider Ansichten dem Mißverständnis vor-
beugen zu müssen.
§ 5 b.
Einflufs der Getreidepreise auf die Landrente.
Wir kommen nun zu dem Punkte, von wo die Unter-
suchungen des A^erfassers eigentlich begonnen haben.
Er fühlte, durch eine innere Notwendigkeit getrieben,
das Bedürfnis, über den Einfluß der Getreidepreise auf den
Landbau und über die Gesetze, wodurch der Getreidepreis
reguliert wird, zur klaren Ansicht zu gelangen.
Zur Lösung dieser Aufgabe war eine genaue aus der
Wirklichkeit selbst geschöpfte Berechnung, über die mit dem
Landbau und mit jedem einzelnen Zweige desselben ver-
knüpften Kosten, unentbehrlich.
Dem Verfasser lagen zu diesem Zwecke, die von ihm
selbst geführten, sehr ins einzelne gehenden Rechnungen des
Gutes T. vor.
In dem Arbeitsjournal dieses Guts wird jede auf dem
ganzen Gute geschehene Arbeit verzeichnet, und dies Journal
wird am Ende des Jahres in eine Übersicht zusammen-
getragen, woraus sich dann ergibt, wie viele Menschen zum
— 30 —
Hacken, Mähen usw. erforderlich waren, und wie gi'oß das
Arbeitsr^uantum eines Arbeiters, eines Gespanns Pferde usw.
gewesen ist.
Die Geld- und Kornrechnung, verbunden mit der Arbeits-
rechnung, liefern die Data zu der Berechnung der Kosten
der arbeitenden Kräfte, z. B. der Kosten einer Tagelöhner-
familie, eines Gespanns Pferde, eines Wechselhackens usw.
Aus der Quantität Arbeit, die die Bestellung eines
Feldes und die Einerntuug einer Frucht erfordert, und aus
21 den Kosten der Arbeiten ergeben sich dann die Produktions-
kosten dieser Frucht ; und endlich geht aus dem Roherträge
nach Abzug der Produktionskosten der reine Überschuß,
den der Anbau der Frucht liefert, hervor.
Eine solche Berechnung des Reinertrags jeder einzelnen
Frucht, der Holländerei, der Schäferei und jedes einzelnen
Zweigs der Wirtschaft, habe ich von dem Gute T. für die
fünf Jahre von 1810 bis 1815 durchgeführt — und diese
spezielle BerechnuDg hat mit der Summe des Rein-
ertrags eine Übereinstimmung bis auf 29,>. Taler jährlich
gegeben.
Die Resultate dieser Rechnung sind nun die Grundlage
für alle in dieser Schrift weiterhin vorkommenden Berech-
nungen und Folgerungen.
Indem wir aber von den Erfahrungen, die ein einzelnes
Gut in einem bestimmten Zeitraum geliefert hat, ausgehen,
wird die eigentliche Aufgabe für unsere nächsten Unter-
suchungen folgende:
wie muß sich die Landrente und die Bewirt-
schaftungsart des Gutes T. ändern, wenn wir
stufenweise immer niedrigere Kornpreise an-
nehmen.
Der isolierte Staat ist bei dieser ganz auf der Wirklich-
keit beruhenden T^ntersuchung nur eine bildliche Dar-
stellung, eine Form, die den Überblick erleichtert und
— 31 —
erweitert*); die wir aber nicht aufgeben dürfen, weil sie, 22
wie die Folge ergeben wird, so reich an Resultaten ist.
*) Ein Fremicl, dem ich das Manuskript mitteilte, machte zu
dieser Stelle folgende Bemerkung:
„Ein Spiegel , den die Theorie hinstellt , um in ihm die ver-
„worrenen und sich kreuzenden Linien der Erscheinung, in reiner
„Perspektive sichtbar werden zu lassen."
„ — Eine Form, mit der wir den Brennpunkt der Erscheinung
„meinen getroffen zu haben, so daß wir fast analytisch daraus
„die einzelnen vereinigten Richtungen entwickeln können, indem (22)
„wir zugleich durch eine geistige Synthesis das Ganze natur-
„gemäß erbauen.'"
„ — Was wir tun, ist im Grunde dies, daß wir einen kleinen
„bestimmten Punkt der Erfahrung, ein einzelnes Gut, zur wissen-
„schaftlichen Höhe, d. h. zur Allgemeinheit zu erheben versucht
„haben; denn in der Tat muß jedes Glied eines organischen
„Ganzen auch in dieser vereinzelten Gestalt den allgemeinen
„Typus an sich hervortreten lassen, und nur, indem wir das all-
„gemeine Gesetz an solchen bestimmten Punkten nachzuweisen,
„oder das Vereinzelte unter seiner urbildlichen Form aufzustellen
„imstande sind, können wir sagen, daß uns die erscheinende Welt
„und ihr Gesetz klar geworden sei. Und zu solcher Auffassung
„sind wir hier vollkommen berechtigt, ja aufgefordert; denn die
„bürgerliche Gesellschaft und der Staat sind keine Maschine,
„bei der Ursache und Wirkung sich trennte, sondern ein wahrhaft
„organisches Gebilde, daher hier eben so alles bewirkt als selber
„wirkend wird, kurz es findet hier eine Wechselwirkung statt."
„Bei einer Wechselwirkung ist aber klar, wie sehr daselbst
„jeder Punkt, jedes Moment, sobald es im ganzen tätig ist, auch
„den ganzen Zusammenhang müsse in sich aufgenommen haben,
„um nur tätig sein zu können. Solchen Zusammenhang nach
„seinem Bedürfnis einzusehen, ist die Aufgabe des denkenden
„Landwirts, der aber eben durch diesen Zusammenhang in die
„Sphäre der Nationalökonomie wird verwiesen werden. Was ihm
„dann früher äußere Not und Notwendigkeit däuchte, wird ihm
„nun als Gesetz innerer Belebung befriedigend entgegentreten."
— 32 —
Id dem isolierten Staat nelimen die Kornpreise immer
mehr ab, je weiter ein Gut von der Stadt entfernt liegt.
Wenn wir nun für das Gut T, berechnen, wie sukzessiv
verminderte Preise auf die Bewirtsehaftuugsart des Guts
23 einwirken : so können wir für jeden angenommenen Preis in
dem isolierten Staat einen Standpunkt nachweisen, wo der-
selbe Preis stattfindet. Wir können uns dann das Gut
nach dieser Gegend versetzt denken, und wir erhalten dadurch
eine bildliche Yorstellung, gleichsam eine Karte der Ver-
änderungen, die das Gut durch die verminderten Kornpreise
erlitten hat.
Die Arbeiten, welche mit der Produktion des Getreides
verbunden sind, zerfallen in 2 Klassen:
1. in solche, die sich nach der Größe des Feldes richten ;
2. in solche, die mit der Größe der Ernte im Verhältnis
stehen.
Zur ersten Klasse gehören : das Pflügen, Hacken, Eggen,
Säen, Grabenaufräumen usw. ; denn für einen und denselben
Boden bleiben diese Arbeiten gleich, das Feld mag reiche
oder kümmerliche Ernten tragen. Die Größe dieser Arbeiten
wird durch die physische Beschaffenheit des Bodens bedingt,
nicht durch den Ertrag. Ich nenne diese Arbeiten Bestellungs-
arbeiten, und die Kosten derselben Bestellungskosten.
In die zweite Klasse kommen : das Einfahren des Korns,
das Dungfahren, das Dreschen u. m. a. Das Einfahren und
Dreschen richtet sich augenscheinlich nach der Größe der
Ernte, aber dies ist nicht minder bei den Duugfuhreu der
Fall ; denn der Boden wird im Verhältnis der Größe der
Ernten erschöpft und bedarf in dem Maße, wie die Aus-
saugung größer wird, auch einen größeren Dungersatz. Die
Kosten dieser Arbeiten fasse ich unter der gemeinschaft-
lichen Benennung der Erntekosten zusammen.
Für einen und denselben Boden hängt der größere oder
geringere Kornertrag — wenn die Wirtschaft und alle
— 33 —
anderen einwirkenden Potenzen dieselben bleiben — von 24
dem Reichtum des Bodens an Pflanzennahrung ab.*)
Da die Bestellungskosten immer gleich bleiben , die
Erntekosten aber mit dem Kornertrage im dii-ekten Verhält-
nisse zu- oder abnehmen, so sind wir, wenn diese beiden
Klassen von Ausgaben genau und scharf geschieden sind,
dadurch in den Stand gesetzt, den Geldertrag eines Guts
für alle Grade der Fruchtbarkeit des Bodens zu berechnen.
Die aus den auf dem Gute T. gemachten Erfahrungen
entnommenen Data, augewandt auf einen Gerstenboden erster
Klasse, und auf die Mecklenburgische siebenschlägige Koppel- 25
Wirtschaft mit der Fruchtfolce :
*) Es ist hier immer nur von einer und derselben Bodenart
die Rede, die aber auf verschiedenen Stufen des Eeichtums steht.
Man kann imstreitig durch eine aussaugende Wirtschaft einen
Boden von 10 Körnern Ertrag bis zu 4 Körnern herunterbringen,
und bei diesem niederen Ertrag erspart man zwar an Ernte-
kosten, aber der Boden erfordert dennoch dieselben Bestellungs-
kosten wie früher bei dem höheren Ertrage.
Bodenarten von verschiedener phj'sischer Beschaffenheit
können bei gleichem Dung- und Humusgehalt ebenfalls
einen sehr verschiedenen Ertrag geben, — der Tonboden vielleicht
10, der Sandboden nur 6 Kömer, und ersterer erfordert denn weit
größere Bestellungskosten als letzterer. In diesem Werke aber
ist die Einwirkung verschiedener Bodenarten auf den Ertrag und
auf die Bearbeitiingskosten nirgends Gegenstand der Untersuchung.
Ich muß bei dieser Gelegenheit bemerken, daß die hier vor-
kommenden Zahlenverhältnisse, von einem einzelnen Punkte der
Erfahrung entnommen, auch nur für diesen einzelnen Fall zu-
treffend sind, daß von jedem anderen Standpunkte aus die Be-
rechnung mit anderen Zahlen beginnen und andere Resultate in
Zahlen liefern muß-, daß dagegen die hier beobachtete Methode
allgemein anwendbar ist, und daß das von jedem einzelnen Stand-
punkte aus Betrachtete immer dieselben Folgerungen zuläßt.
Thünen, Der isolierte Staat. 3
34
1. Brache,
2. Roggen,
3. Gerste,
4. Hafer,
5. Weide,
6. Weide,
7. Weide,
geben die nachstehenden Resultate.
Eine Ackerfläche von 100000 Mecklenburgisclien Qiia-
drati'uten gibt, wenn der Kornertrag 10 Berliner Scheffel
Roggen auf 100 DRut. ist,*) und der Wert des Roggens
auf dem Gute selbst — also nach Abzug der Transportkosten —
1,291 Taler Gold für den Berliner Scheffel beträgt,
einen Rohertrag von 5074 Tlr. Gold.
Die Ausgaben betragen:
1. Der Wert der Aussaat von den
drei Halmfrüchten und dem Klee 626 „ „
2. Bestellungskosten 873 „ „
3. Erntekosten 765 „ „
26 4A. Allgemeine Kulturkosten, die sich auf keinen
einzelnen Zweig der Wirtschaft repartieren lassen,
nämlich :
a) Administrationskosten ;
b) Unterhaltungskosten der Gebäude;
*) Da der Austlruck: „der Boden gibt auf 100 QjEut. so
und so viele Berliner SchÜ. Ertrag," so lang und schleppend ist,
und doch so oft wiederkehren müUte, so habe ich es vorgezogen,
in der. Folge den Ertrag in Körnern anzugeben. Unter Körner-
ertrag verstehe ich aber immer den Ertrug, den eine Fläche von
100 Meckl. Q'Rut. in Berliner Scheffeln gibt ^- wodurch denn
alle Unbestimmtheit, die sonst mit der Angabc des Ertrags in
Körnern verbunden ist, verschwindet.
— 35 —
c) Beiträge zu den Brand- und Hagelassekuranz-
Kompagnien ;
d) Abgaben au Prediger und Scliullelirer ;
e) Zinsen des Betriebskapitals; (die Zinsen vom
Wert des Inventarii sind repartiert);
f) Unterstützung der Armen auf dem Gute ;
g) Unterhaltung des Nachtwächters;
h) Unterhaltungskosten der Wege und Brücken,
der Bäche und Grenzgräben;
i) Vermischte Ausgaben, die das Ganze der Wirt-
schaft betreffen.
4B. Zinsen vom Wert der Gebäude und den Ein-
zäunungen.
Die allgemeinen Kulturkosten betragen mit
den Zinsen vom Wert der Gebäude etc. beim
Zinsfuß von 5% zusammen*) 1350 Tlr.
oder 26,G '^'o vom Rohertrage, mit welchem diese
Ausgaben zwar nicht ganz genau, aber doch am
mehrsten im Verhältnis stehen.
Die Summe dieser \ier Ausgaben beträgt 3614 ,.
diese vom Rohertrage 5074 „
abgezogen , bleibt der völlig reine Ertrag des
Bodens, oder die Landrente 1460 „
Noch muß ich darauf aufmerksam machen, daß unter 27
den eben genannten, mit dem Landbau verbundenen Aus-
gaben, keine Abgaben an den Staat aufgeführt und auch
nicht darunter begriffen sind. Der Zweck unserer Unter-
suchung fordert nämlich, daß wir den isolierten Staat im
allgemeinen und den Landbau desselben insbesondere zuerst
unter der Bedingung betrachten, daß gar keine Abgaben an
den Staat stattfinden. Was wir Landrente nennen, ist also
*) In der Folge sind die sub 4B aufgeführten Ausgaben
unter der Benennung „allgemeine Kulturkosten" mitbegriffen.
3*
— 36 —
der reine Geldertrag des Bodens, von dem noch keine Ab-
gabe entnommen ist.
Nach den obigen Sätzen können wir nun auch die Land-
rente desselben Bodens, der wegen minderen Reichtums an
Pflanzennahrung auf einer niedrigeren Stufe der Frucht-
barkeit steht, berechnen.
Es sei z. B. der Körnerertrag des Roggens = 8 Schfl.
Der Ertrag des Roggens ist zugleich der Maßstab für das
Gedeihen der beiden nachfolgenden Halmfrüchte und der
Ergiebigkeit der Weide, und steht dadurch im direkten
Verhältnisse mit dem gesamten Rohertrage.
Für 10 Körner war der Rohertrag 5074 Tlr. ; für
8 Körner also ^lio X 5074 = 4059 Tk.
Die Aussaat bleibt unverändert = 626 Tlr.
Die Bestellungskosten bleiben = 873 „
Die Erntekosten richten sich nach
dem Ertrag und betragen
8/io X 765 = 612 „
Die allgemeinen Kulturkosten, mit In-
begriff der Zinsen vom "Wert
der Gebäude, stehen im Verhält-
nis mit dem Rohertrage und sind
demnach = ^/lo X 1350 = 1080 „
Summa der Kosten — 3191
Die Landrente beträgt 868 Tlr.
28 Diese Berechnungen, wo das Geld zum Maßstab dient,
können aber nur für einen Standpunkt und für einen ge-
wissen Getreidepreis — hier l,'>'.ii Tlr. für den Scheffel —
zutrefTend sein, und das Resultat ändert sich mit der leisesten
Änderung des Getreidepreises. Da aber in unserem isolierten
Staat der Roggen in den verschiedenen Kreisen einen so sehr
verschiedenen Geldpreis hat: so müssen wir, um allgemeine
Formeln zu entwerfen, den Roggen selbst zum Maßstab
— 37 —
nehmen, insoweit Ausgabe und Einnahme damit im Ver-
hältnis stehen und sich dadurch messen lassen.
Der Rohertrag einer reinen siebenschlägigen Koppel-
wirtschaft, wie wir sie eben angenommen haben, besteht
teils aus Getreide, teils aus Produkten der Yiehzucht. Die
außer dem Roggen noch erzeugten Getreidearten, Gerste und
Hafer, können nach Verhältnis ihres inneren Werts und
ihrer Nahrhaftigkeit auf Roggen reduziert werden, und somit
läßt sich die ganze Getreideernte in Scheffeln Roggen aus-
drücken.
Im Preisverhältnis zwischen dem Roggen und den
animalischen Produkten — Fleisch, Butter, Wolle usw. —
lassen sich zwei verschiedene Fälle denken :
1. Insofern das Fleisch durch seine größere Nahrhaftigkeit
eine größere Quantität Brot ersetzt, wird zwischen Fleisch
und Brot ein feststehendes Preisverhältnis stattfinden.
2. Insofern die Erzeugung der animalischen Produkte im
Verhältnis zu der Kornproduktion mehr oder minder
kostbar ist, werden auch die animalischen Produkte zu
einem höheren oder niedrigeren Preise, im Verhältnis
gegen den Getreidepreis, zu Markt gebracht werden können.
Wir legen bei unserer Untersuchung den ersten Fall
zum Grunde, und nehmen an : daß der Preis der animalischen
Produkte an jedem Orte des Staates mit dem Getreidepreis 29
in demselben Verhältnis stehe.
Demnach kann auch der Wert der animalischen Pro-
dukte, die der Landbau liefert, in Schfl. Roggen ausgedrückt,
und somit der Rohertrag ganz in Roggen angegeben werden.
Ob nun aber diese Annahme für unseren isolierten Staat
die richtige ist oder nicht, wird aus der Folge dieser Unter-
suchung hervorgehen.
Unter den verschiedenen Ausgaben beim Landbau besteht
die Aussaat fast ganz aiis Getreide und braucht nur ihrem
wirklichen Betrage nach auf Roggen reduziert zu werden.
— 38 —
Yon den Bestellungs- , Ernte- und allgemeinen Kiütur-
kosten besteht ein Teil geradezu aus Korn, z. B. Dresclier-
lolin, Speisung des Gesindes, Futter für die Pferde u. m. a.
Ein zweiter Teil wird durch Korn und Geld zusammen
bezahlt. So richten sich z. B. der Tagelohn des gewöhnlichen
Ä.rbeiters und die Arbeitspreise der Handwerker nicht ganz
nach dem Kornpreise ; aber sie sind teurer in der Gegend,
wo der Mittelpreis des Kornes hoch ist, wohlfeiler, wo
dieser niedrig ist. Diese Ausgaben müssen also durch
Roggen und Geld zugleich, und zwar in dem Maße, als
jedes in dem Preise der Arbeit enthalten ist, ausgedrückt
werden. Der dritte und letzte Teil dieser Ausgaben ist von
dem Getreidepreise ganz und gar unabhängig, z. B. Salz
und alle Metalle; denn wenn diese auch an dem Orte, wo
sie gewonnen und verarbeitet werden , mit dem Getreide-
preise der Gegend in einer gewissen Verbindung stehen : so
gibt doch der Roggenwert derjenigen Gegend , wo sie ver-
braucht werden, gar keinen Maßstab ihres Preises ab ; ja sie
können sogar in den Ländern, wo das Getreide am wohl-
feilsten ist, am teuersten sein, wenn sie nämlich aus weiter
30 Ferne dahin gebracht werden müssen. Dieser Teil der A>is-
gaben muß also in Geld ausgedrückt bleiben.
Welcher Anteil der ganzen Ausgabe durch Geld, und
wieviel davon durch Korn zu bezahlen und auszudrücken
sei — dies muß notwendig für jedes Land, ja für jede
Provinz verschieden sein. Je mehr ein Staat seine Bedürf-
nisse selbst erzeugt, je mehr, durch eine gleiclimäßigo Ver-
breitung der Fabriken und des Bergbaues über das ganze
Land, die Transportkosten beim Umtausch der Waren ver-
mindert werden , umsomehr wird der Roggen Maßstab des
Wertes der Dinge sein und ein um so größerer Teil der
den Landbau treffenden Ausgaben kann in Roggen aus-
gedrückt werden. Je ärmer dagegen ein Land an Fabriken
ist, je mehr das Land seine Bedürfnisse durch Umtausch
— 39 —
vou "Waren und durch den Handel aus weiter Ferne erhält,
je entfernter also Konsumenten und Produzenten voneinander
wohnen, um so größer wird der Anteil sein, der von obigen
Ausgaben in Geld ausgedrüelit werden muß.
So verschieden nun auch für verschiedene Standpunkte
dieses Verhältnis, in Zahlen ausgesprochen, erscheinen muß,
so gewiß ist es doch, daß ein solches Verhältnis überhaupt
an jedem Orte stattfindet, daß es z. B. kein einziges Land
gibt, wo diese Ausgaben ganz in Geld, kein einziges, wo
sie ganz in Korn angegeben werden dürfen. Von jedem
anderen Standpunkt aus wird man die Rechnung mit anderen
Zahlen beginnen; aber die Methode bei der Entwicklung
der Resultate aus diesem Verhältnis wird überall die-
selbe sein.
Wir nehmen bei unseren ferneren Berechnungen einen
Standpunkt an, wo von den genannten Ausgaben Vt in
Geld und ^U in Korn angegeben werden muß.
Die oben gegebene Berechnung des Ertrags von 100 000
CHRuten Ackerland erhält dann folgende Gestalt:
Der Rohertrag war bei dem Ertrage von 10 Körnern 3
= 5074 Tlr. Dieser Geldwert des rohen Ertrags findet
statt, wenn der Scheffel Roggen auf dem Gute den Wert
von 1,291 Tlr. hat.
In Roggen ausgedrückt ist also der rohe Ertrag = v— ^
= 3930 Scheffel Roggen.
626
Der Wert der Aussaat beträgt 626 Taler, oder r^
° ' 1,291
= 485 Scheffel Roggen.
Die Bestellungskosten betragen .... 873 Tlr.;
hiervon 1/4 in Geld 218 „
in Korn muß angegeben werden . . . 655 Tlr.
655 Tlr. sind gleich j^— = 507 Schfl. Roggen.
— 40 —
Die Erütekosten betragen 765 Tlr. ;
hiervon Vi mit 192 „
bleibt in Korn auszudrücken 573 Tlr. ;
573
573 Tlr. sind gleich q — = 444 Schfl. Roggen.
° 1,291 °°
Der Betrag der allgemeinen Kultur-
kosten ist 1350 Th-.;
hiervon i, 4 in Geld 337*) „
der Rest von 1013 Tlr.
muß ebenfalls in Roggen angegeben
werden, und beträgt y^— = 784 Schfl. Roggen.
32 Die vier genannten Ausgaben betragen zusammen 2220
Schfl. Roggen und 747 Tlr. Zieht man diese Ausgabe von
dem Rohertrage = 3930 Schfl. Roggen ab, so bleibt ein
Überschuß an Xom von 1710 Schfl. Roggen, wovon dann
die Geldausgabe von 747 Tlr, abgezogen werden muß, um
die reine Landrente zu finden. Da dieser Abzug hier aber
nicht wirklich geschehen kann, so muß dies durch das
Zeichen „-f-" bloß angezeigt werden.
Die Landrente beträgt demnach 1710 S. R. ~ 747 Tlr.
Nachdem wir für die Größe der Landrente eine so einfache
Formel gefunden haben, können wir den Betrag der Land-
rente für jeden beliebigen Kornpreis in Geld angeben.
a) für den Preis von 2 Tlr. für den Schfl. Roggen
beträgt die Landrente 1710 Scheffel Roggen a 2 Taler
= 3420 Tlr. — 747 Tlr. = 2673 Tlr.
*) Um die Eechnung nicht zu sehr zu erschweren, sind hier
und in den folgenden ähnlichen Rechnungen die Brüche teils
weggelassen, teils sind dafür zur Ausgleichung ganze Zahlen ge-
setzt. Da wir hier mit ziemlich großen Zahlen rechnen, so kann
die Richtigkeit der Resultate dadurch niclit wesentlich verletzt
werden.
— 41 —
b) Für den Preis von IV2 Tlr.
ist die Landrente = 1710 X IV2 = 2565 — 747
= 1818 T]r.
c) Für den Preis von 1 Tlr.
beträgt die Landrente 1710 X 1 = 1710 — 747 = 963 Tlr.
d) Für den Preis von V2 Tlr.
ist die Landrente 1710 X V2 = 855 — 747 = 108 Tlr.
Es ergibt sich daraus, daß die Landrente in einem viel
größeren Verhältnisse als der Kornpreis abnimmt. Die
Landrente verschwindet endlich gänzlich, wenn 1710 Schfl.
Eoggen im "Wert gleich 747 Tlr. sind, und dies ist der
Fall, wenn der Scheffel Roggen 0,437 Tlr. oder 21 ßl. gilt.
Die Berechnung der Landrente für Boden von ver-
schiedenen Graden der Fruchtbarkeit ist in nachfolgender
Übersicht zusammengestellt.
a) Für 10 Körnerertrag. ^°^5.^° ^f'^33
ociin. llr.
Der Rohertrag 3930
Die Aussaat 485 —
Die BesteUungskosten 507 218
Die Erntekosten 444 192
Die allgemeinen Kulturkosten 784 337
Ausgaben 2220 -f 747
Die Landrente gleich 1710 -f- 747
Die Landrente verschwindet wenn 1 S. gilt 0,437
Wenn der Körnerertrag um ^/lo ab-
nimmt, so vermindern sieh:
1. der Rohertrag um ... 393 Schfl.
2. die Erntekosten um 44 Schfl. 19 Th-.
(eigentlich um 44,4 Schfl. u. 19,2 Tlr.)
3. die allgemeinen Kultur-
kosten um .... 78 Schfl. 34 Tlr.
(genauer 78,4 Schfl. u. 33,? Tlr.)
4. die Landrente um 271 Schfl. — 53 Tlr.
— 42 —
b) für 9 Körnerertrag. <5*^hfl^^ T^
Der Rohertrag 3537
Die Aussaat 485
Die BesteUungslcosten 507 218
Die Erntekosten 400 173
Die allgemeinen Kosten 706 303
Ausgaben 2098 -f ^94
Die Landrente 1439 -^ ü94
Die Landrente verschwindet, wenn der
Schfl. Roggen gilt 0,482
M c) Für 8 Körnerertrag.
Der Rohertrag 3144 _^
Die Aussaat 485
Die Bestellungskosten 507 + 218
Die Erntekosten 356 -{- 154
Die allgemeinen Kulturkostcn .... 628 -|- 269
Ausgaben 1976 -j- 641
Die Landrente 7 . 1168 -;- 641
Die Landrente wird = 0, wenn der
Schfl. Roggen gilt 0,549
d) Für 7 Körnerertrag.
Der Rohertrag 2751
Die Aussaat 485
Die ßestellungskosten ....... 507 + 218
Die Erntekosten 312 -f 135
Die allgemeinen Kulturkosten .... 550 -|" 235
Die Ausgaben 1854 -j- 588
Die Landrente '. . 897 ~- 588
Die Landrente wird = 0 beim Preise
des Roggens von 0,g5ü
— 43 —
\ T?" p r-" i. Eo2:2:en Geld
e) iur 6 Kornerertras-. „ f" _,
° Sehn. Tlr.
Der Rohertrag 2358
Die Aussaat 485
Die Bestellungskosten 507 + 218
Die Erntekosten 268 -|- 116
Die allgemeinen Kulturkosten .... 472 -|~ 201
Die Ausgaben 1732 -j- 535
Die Landrente ~ 626 ^ 535
Die Landrente verschwindet, wenn
1 Schfl. Roggen gilt 0,855
f) Für 5 Schfl. Körnerertrag 35
Der Rohertrag 1965
Die Aussat 485
Die Bestellungskosten 507 + 218
Die Erntekosten 224 -j- 97
Die allgemeinen Kulturkosten .... 394 -j- 167
Die Ausgaben 1610 -j- ^82
Die Landrente 355 ~ 482
Die Ijandi'ente wird = 0, wenn 1 Schfl.
Roggen gilt 1,358
g) Für den Ertrag von 4 ^'2 Körnern.
Der Rohertrag 1769
Die Aussaat 485
Die Bestellungskosten 507 -|- 218
Die Erutekosten 202 -j- 87
Die allgemeinen Kulturkosten .... 355 -|~ 150
Die Ausgaben 1549 -f" 455
Die Landrente ] 220 ^f^ 455
Die Landreute wird = 0, wenn der Schfl.
Roggen gilt 2,06s
- 44 —
Es zeigt sich hier allgemein folgendes Gesetz:
Je mehr die Fruchtbarkeit des Bodens abnimmt, desto
kostbarer wird die Erzeugung des Korns — und Boden von
geringer Fruchtbarkeit kann nur bei hohen Getreidepreisen
angebaut werden.
Ehe wir weiter gehen, müssen wir zuvor einen Blick
auf das bisher beobachtete Verfahren zurückwerfen und
fragen, ob aus den, von einem Standpunkte aus, gemachten
Beobachtungen, allgemeingültige Gesetze entwickelt werden
können.
36 Man kann und wird sagen:
„Die Berechnungen über die Kosten der Arbeit, über
„das Verhältnis des rohen zum reinen Ertrag, mögen mit
„noch so großer Genauigkeit aus der Wirklichkeit entnommen
„sein : so sind sie doch nur für den einen Standpunkt, für
„dies eine Gut gültig. Schon auf dem benachbarten Gute
„ist alles anders: hier ist nicht mehr derselbe Boden, hier
„sind nicht mehr dieselben Arbeiter. Der Boden kann schwerer
„oder leichter zu bearbeiten sein, die Arbeiter können mehr
„oder weniger tätig und kräftig sein; der Boden selbst er-
„fordert also eine größere oder geringere Quantität Arbeit,
„und die Arbeit selbst kann nach Verschiedenheit der arbeiten-
„den Kräfte wohlfeiler oder kostbarer werden. Die von dem
„ersten Gute entlehnten Berechnungen werden hier also
„nirgends genau zutrellen, und die Richtigkeit derselben ist
„ganz an den Ort gebunden, von dem sie hervorgegangen
„sind. Aus dem, was nur an einem Orte und sonst nirgends
„gültig ist, köimen aber auch keine allgemeingültigen Gesetze
„hervorgehen ."
Ich antworte hierauf:
Es ist allerdings wahr, daß diese Berechnungen schon
auf dem Itenachbarton Gute nicht mehr völlig zutreffen, viel
weniger also noch auf sehr entfernten Gütern, unter einem
— 45 —
anderen Himmelsstrich, mit Arbeitern von einem anderen
Nationalcharakter. Aber ich frage: wird der Landwirt, der
lange auf einem Griite gewohnt und der durch die möglichst
genaue Beachtung aller gemachten Erfahrungen sich eine
genaue Kenntnis der Kosten und des Reinertrags des Land-
baues verschaift hat, — wird dieser Landwirt, nach einem
anderen Gute versetzt, von seinen auf dem ersten Grute er-
worbenen Kenntnissen nun nichts mehr gebrauchen können?
Wäre dies der Fall, so würde jeder Landwirt mit einer
Orts Veränderung seine Lehrjahre von neuem beginnen müssen, 37
ehe er die Wirtschaft zu führen verstände, so könnte keiner
die Landwirtschaft anders als an dem Orte, wo er künftig
wohnen sollte, erlernen. Dies kann und wird man nicht
zugeben wollen. Also muß auch in den an einem Orte
erworbenen Kenntnissen etwas liegen, was allgemeingültig
und nicht an Zeit und Ort gebunden ist. Und gerade dies
Allgemeingültige ist es, was wir hier zu erforschen streben.
In dem Yorhergehenden sind hauptsächlich drei Sätze
ausgesprochen, deren Allgemeingültigkeit behauptet wird, und
von deren Richtigkeit die Richtigkeit unserer Untersuchung
abhängig ist, weshalb ich sie hier zusammenstelle und
wiederhole.
Erster Satz. Der Wert des Getreides auf dem Gute
selbst nimmt ab mit der größeren Entfernung des Gutes
vom Marktplatze.
Je entfernter das Gut vom Marktplatze ist, desto größer
sind die Transportkosten des Getreides, folglich um so geringer
der Wert desselben auf dem Gute selbst.
Das Getreide hat ebenso, wie jede andere Ware, gar
keinen Wert, wenn sich kein Konsument findet, der dessen
bedarf. In unserem isolierten Staat finden sich für das
Getreide, was mehr als zum eigenen Bedarf gebaut ist,
keine anderen Konsumenten , als die Bewohner der Stadt.
AVird nun aus so sehr entfernten Gegenden Korn nach der
— 46 —
Stadt gefahren, daß das Zugvieh während der Eeise die
eine Hälfte der Ladung oder deren Wert selbst verzehrt, und
nur die andere Hälfte zum Verkauf und zur Konsumtion
nach der Stadt gelangt: so ist es sehr begreiflich, daß man
auf dem Lande mit 2 Schfl. Roggen nicht mehr Geld
erkaufen kann, als mit einem Scheffel in der Stadt.
Doch dieser Satz bedarf vielleicht so wenig einer Er-
läuterung als eines Beweises.
38 Zweiter Satz. Die Preise der Bedürfnisse des Land-
wirts stehen nicht alle im Yerhältnis mit dem Kornpreise;
oder die Kosten, die die Kultur des Bodens erfordert, können
in verschiedenen Gegenden nicht mit einer und derselben
(^)uantität Getreide bezahlt werden.
Dieser Satz geht aus dem ersten Satze hervor; denn
eine Ware, die in der Stadt mit einem Schfl. Roggen in
gleichem Preise steht, muß in der entfernten Gegend, wo der
Roggen nur den halben Wert liat, im Preise gleich 2 Schfl.
Roggen sein, vorausgesetzt, daß diese Ware nicht anders als
aus der Stadt zu haben ist.
Wir haben oben Salz und Metalle als AVaren von dieser
Gattung genannt; dasselbe gilt vom Tuch und von anderen
Waren , die nicht auf dem Lande fabriziert werden können.
Dies erstreckt sich aber auch auf die Besoldungen und
Honorare der höheren Stände. Der Arzt, der Beamte u. m. a.
können ihre Bildung nur in der Stadt erhalten ; das Kapital,
was sie auf ihre Ausbildung verwandt haben, richtet sich nach
den Preisen in der Stadt, und um dies Kapital wieder ver-
gütet zu erhalten, dürfen ihre Arbeiten nicht im Verhältnis
des Roggenpreises der Gegend, wo sie wohnen, bezahlt werden.
Dritter Satz. Von den mit der Produktion des Ge-
treides verbundenen Kosten steht ein Teil im Verhältnis
mit der Größe der bestellten Fläche, ein anderer Teil mit
der Größe der Ernten.
Zu jenem Teil habe ich die Aussaat- und Bestcllungs-
— 47 —
kosten, zu diesem die Erntekosten und allgemeinen Kultur-
kosten gerechnet.
Man kann die Richtigkeit der von mir gemachten Ein-
teilung in Zweifel zielien ; man kann sagen, daß die Aussaat
und die Bestellungskosten nicht unverändert bleiben , wenn
der Ertrag von derselben Fläche sich ändert, ferner daß die 39
Erntekosten nicht gleich bleiben, wenn dieselbe Ernte von
einer größeren oder geringeren Fläche gewonnen wird. Aber
nimmermelu' wird man behaupten können, daß die Arbeit des
Pflügens sich nach der Größe der Ernte, oder daß die des
Einfahrens des Getreides sich ganz nach der Größe des
Feldes richte. Wie man nun auch die von mir gewählte
Einteilung modifizieren mag, immer wird man darauf zurück-
kommen, daß irgend ein Anteil der Arbeit der Größe des
bestellten Feldes, ein anderer der Größe der Ernte propor-
tional sei, und hierin liegt schon die Anerkennung des oben
ausgesprochenen Satzes.
Wenn nun jemand ein anderes Gut — unter Verhält-
nissen, die denen des Gutes T. nicht ähnlich sind — zum
Standpunkt seiner Betrachtung nähme, die Kosten der Arbeit,
die Prodtiktionskosten des Getreides, die Landrente usw.
nach den aus der Wirklichkeit entnommenen Daten berech-
nete, und dann auf der Basis der obigen Sätze und nach
derselben hier beobachteten Methode die Rechnung fortführte
und Folgerungen daraus zöge : so würde sich aus der Yer-
gleichung beider Untersuchungen ergeben, daß die Rechnungen
mit ganz verschiedenen Zahlen geführt wären; aber es
würde sich finden , daß in manchen Endresultaten und Fol-
gerungen, wenn diese in Worten ausgesprochen werden,
wieder eine völlige Übereinstimmung herrsche.
Was nun dasselbe Verfahren, auf ein 3. und 4. Gut
usw. augewandt, als Gemeinschaftliches, Übereinstimmendes
ergäbe, das würden wir als allgemeines Gesetz anerkennen
— 48 —
müssen: denn was, von jedem Standpunkt aus betrachtet,
sich immer gleich zeigt, das muß auch allgemeine, an Ort
und Zeit nicht gebundene, Gültigkeit haben.
40 Wii- könnten mehrere in dieser Schi-ift entwickelte
Resultate als Beispiele aufstellen, wenn wir diese vorweg
anführen dürften ; aber wir können uns auch schon auf das
im vorhergehenden dargestellte Gesetz, daß die Produktion
des Getreides immer kostbarer wird, je ärmer der Boden ist,
beziehen.
Diese Gesetze müssen, gerade weil sie allgemein sind, in
jeder Wirtschaft, auf jedem Gute wirksam sein. Die Größe
der Ernte, des Reinertrages usw., ist der sichtbare Ausdruck
dieser Gesetze, modifiziert durch örtliche Einwirkungen.
Wenn wir für einen einzelnen Standpunkt die Größen,
worin sich die Natur ausspricht, aus der Natur selbst schöpfen
(durchaus aber nicht willkürlich annehmen) und dann mit
Konsequenz aus den bekannten Größen und den allgemeinen
Grundsätzen, Folgerungen und Resultate ziehen : so können
wir versichert sein, daß auch in diesen — nur aus einem
Standpunkt entnommenen — Resultaten sich die allgemeinen
Gesetze ausgesprochen haben. Aber sicherlich ist nicht jedes
gefundene Resultat ein allgemeines Gesetz, sondern manches
ist nur eine bloße örtlich gültige Regel.
Da nun der Einzelne nicht imstande ist, die Unter-
suchung von mehreren Standpunkten, viel weniger noch von
jedem Standpunkt aus, anzustellen (wodurch nach obigem
das Allgemeingültige von dem bloß Örtlichgültigen geschieden
wird): so ist es sehr wichtig, Merkmale aufzufinden, woran
auch der einzelne Beobachter die Gesetze von den bloß
örtlich gültigen Regeln unterscheiden könne.
Ein solches Hilfsmittel gewährt ims nun die Buchstaben-
rechnung. Erlaubt nämlich die Natur des Gegenstandes, daß
man statt der Zahlen Buchstaben setzt, und gibt daim die
mit Buchstaben durchgeführte Rechninig noch eben den
— 49 —
Ausspruch , den die Zahlen gaben : so ist dieser Ausspruch
ein allgemeines Gesetz und keine von der Ortlichkeit ab-
hängende Regel.
Als Beispiel, und um das Verfahren zu zeigen, wollen 41
wir liier die Landrente und den Preis des Roggens, wobei
die Landrente = 0 wird, durch eine allgemeine Formel
darstellen.
Der Körnerertrag sei = x
Der Rohertrag r= ax Taler
Die Aussaat koste b „
Die Bestellungskosten seien = c „
Zwischen dem Rohertrage und den Kosten, die
mit der Größe der Ernten im Verhältnis stehen,
nämlich den Erntekosten und allgemeinen Kultiu"-
kosten zusammen, finde das Verhältnis von
1 : q statt, wo q ein Bruch sein muß, weil
diese Kosten nur einen Teil der Ernte, niemals
aber die ganze Ernte, hinwegnehmen können.
Da nun 1 : q == ax : aqx, so ist der Betrag
der mit dem Rohertrage im Verhältnis stehenden
Kosten = aqx Taler.
Der Teil von den Arbeits- und allgemeinen Kulturkosten,
der in Geld angegeben werden muß, betrage p Teile; der,
welcher in Korn ausgedrückt werden muß, beträgt dann
1— p Teile, wo p ein Bruch ist. Der Wert des Roggens
auf dem Gute selbst sei = h Taler.
Drückt man die Ausgaben in Korn und Geld zugleich
und zwar in dem Maße, wie jeder Teil darin enthalten ist,
aus, so ergibt sich folgende Rechnung:
Der Rohertrag ist gleich t- Scheffel Roggen
Die Aussaat -r- Scheffel: Roggen
Thünen, Der isolierte Staat. ^
— 50 —
Die BesteUuDgskosten . . . ~^ ^ Schfl. + pc. Tlr.
42 Die Ernte- und Kulturkosten ^ ~P^ ^^^ Schfl. + apqx Tlr.
Die Landrente ist dann gleich
(f J + d-PJ^+d-PM'^) seM. ^ p(aqx+c) Tlr.
Wird die Landrente = 0, so sind
^^_b + (l_p)c+(l-p)aqx| ^^^ ^ p(aqx + c) TU-.;
also (ax— b— (1— p) (aqx-|-c)) Schfl. = hp (aqx + c) Tlr.;
also 1 Scheffel = hp (aqx-fc) ^^^^^^
ax — b — (1— p) (aqx -f- c)
Der Zweck dieser Rechnung war der, zu untersuchen,
wie der vermehrte oder verminderte Körnerertrag auf den
Preis wirke, bei welchem die Landrente = 0 wird.
In der hier gefundenen Formel ist aber, da x sowohl
im Zähler als im Nenner vorkommt, noch nicht zu erkennen,
ob der Preis für den Roggen höher oder niedriger wird,
wenn x, oder der Körnerertrag, steigt. Wir müssen deshalb
mit dieser Formel einige Verwandlungen vornehmen.
Der Preis für ein Schfl. ist == hp (aqx-fc) ^^^^
ax — b — (1 — p) (aqx-|-c) •
also auch =
ax — b
i (1 — P)
aqx -\-c ^ '-
Nun setzen wir aqx -j- c = z ; wo z wächst, wenn x wächst,
z -
und umgekehrt. Alsdann ist x = —
von X in obige Formel gesetzt, ergibt
und umgekehrt. Alsdann ist x = . Diesen Wert
ap
hp
az — ao — baq — (1 — p) — a — ( ~ • ] — (1 — p).
aqz —
ac -|- baq
aq
— 51 —
Nun wird — ~^ — - unstreitig immer kleiner, je mehr z
wächst ; je kleiner aber der negative Teil des Nenners wird, 43
um so mehr wächst der ganze Nenner. Da nun auch x
wächst, wenn z größer wird, und für ein wachsendes x der
Nenner immer größer wird, während der Zähler unverändert
bleibt: so nimmt auch die Größe des ßruolis, wodurch der
Preis des Roggens ausgedrückt ist, immer mehr ab, je größer
X wird; und umgekehrt, je kleiner x wird, um so mehr
wächst der Preis des Roggens.
Das Gesetz, „je mehr die Fruchtbarkeit des Bodens
abnimmt, um desto kostbarer wird die Erzeugung des Korns",
ist hierdurch nun ganz allgemein bewiesen.
In der Tat hätte es nicht der Mühe gelohnt, einen ein-
fachen, schon bekannten Satz, der auch durch bloßes Räsonne-
ment überzeugend dargetan werden kann, durch eine aus-
führliclie Rechnung zu erweisen, wenn es hier nicht zugleich
Zweck gewesen wäre, die Methode, wie der Beweis geführt
werden kann, zu zeigen, und die Gesichtspunkte, wonach
die folgenden Untersuchungen zu betrachten sind, ein für
allemal festzustellen.
Aufgabe. Für ein Gut, dessen Körnerertrag = 8 ist,
die Landrente zu bestimmen, wenn dies Gut x Meilen von
der Stadt entfernt ist.
Für 100 000 DRut. Ackerland ist beim Ertrage von
8 Körnern die Landrente = 1168 Schfl. Roggen ~ 641 Tlr.
Der Scheffel Roggen hat nach § 4 auf einem Gute,
welches x Meilen von der Stadt entfernt liegt, den Wert
von 1 «2 -4- x '^^^^^"' ^iö Landrente ist also gleich
1168 X (273- 5,5 X)
■ 182+1 ^^^ ^^^®^''
4*
— 52 —
202202— 7065 X ^ ,
= 182 + x ^^^''-
44 Wenn x oder die Entfernung So ist die Landrente von
vom Marktplatz beträgt 100 000 DR. Acker beim Er-
trage von 8 Körnern
1 Meile 1066 Taler
5 Meilen 892 „
10 „ 685 „
15 „ 488 „
20 „ 301 „
25 „ 124 „
28,6 0 „
§ 6.
Einflufs der Getreidepreise auf das Wirtschafts-
system.
Annahme. In dem isolierten Staat habe der Boden,
mit alleiniger Ausnahme des ersten Kreises, überall
den Grad der Fruchtbarkeit, daß in der 7 schlägigen
Koppelwirtschaft der Roggen nach der Brache einen
Erti-ag von 8 Körnern liefere (8 Schfl. von 100
DRut. , oder 9,14 Schfl. vom Magdeburger Morgen).
Auch besitze die noch unkultivierte Wildnis einen
Boden von derselben physischen Beschaffenheit, von
demselben Reichtum an Pflanzennahrung, und folg-
lich von derselben Ertragsfähigkeit, wie die schon
kultivierte Ebene.
Für einen Boden von diesem Körnerertrag beträgt die
Landrente nach § 5 auf 100000 DRut. 1168 Scheffel Roggen
~ 641 Taler.
— 53 —
Die Landrente verschwindet, oder wird = 0, wenn
1168 Schfl. Roggen 641 Tlr. gelten, welches für den Schtl.
0,549 Tlr. oder 26,4 ßl. ausmacht.
Es entsteht nun die Frage : in welcher Gegend des iso-
lierten Staats hat der Schtl. Roggen den "Wert von 0,549 Tlr.
Im § 4 haben wir gefunden, daß auf dem x Meilen 45
von der Stadt entfernten Gut der Schfl. Roggen den "Wert
von ^Qr>- , ' — Tlr. hat. Setzen wir nun 0,549 =
"" ^ ■ ^"^ SO ergibt sich aus der Auflösung der Gleichung,
loo — j— X
daß X = 28,6 ist, und daß also in der 28,6 Meilen von der
Stadt entfernten Gegend der Schfl. Roggen den Preis von
0,549 Tlr. hat.
Also gibt ein Gut, unter den angenommenen Verhält-
nissen in der Entfernung von 28,g Meilen von der Stadt
keine Landrente mehr.
In einer größeren Entfernung als 28,g Meilen wird die
Landrente negativ, d. h. der Landbau ist mit Verlust ver-
bunden, und das Land kann deshalb hier nicht mehr bebaut
werden.
"Wenn nun hier die Grenze der Kultur für die Koppel-
wirtschaft ist, so folgt daraus noch nicht, daß dies die ab-
solute Grenze der Kultur sei; denn wenn es irgendein
"Wirtschaftssystem gäbe, bei welchem die Bestellung des
Ackers weniger Arbeit und folglich weniger Kosten ver-
ursachte als bei der Koppelwirtschaft, so müßte bei dem
Preise von 0,549 Talern für den Scheffel Roggen noch ein
Überschuß und eine Landrente bleiben, uud also der Anbau
des Landes in noch größerer Entfernung von der Stadt
möglich sein.
"Wir müssen nun in Betracht ziehen, wie der zu einem
Gute gehörende Acker, wenn dieser auch von durchaus
gleicher Beschaffenheit und gleicher Ertragsfähigkeit ist,
— 54 —
doch einen selir verschiedenen Wert hat, je nachdem er dem
Hofe näher oder ferner liegt. Die Kosten der Dungfuhren
und des Einfalu-ens der Produkte stehen in geradem Ver-
hältnis mit der Entfernung des Ackers vom Hofe. Für die
46 übrigen Arbeiten, die auf dem Felde selbst geschehen, geht
der Teil der Zeit, den die Menschen und Pferde zum Hin-
und Zurückgehen gebrauchen, verloren; und dieser Teil
wächst ebenfalls mit der größeren Entfernung vom Hofe.
Die Arbeitskosten sind also geringer für den nahe am Hofe
liegenden Acker als für den entfernteren ; bei gleicher Frucht-
barkeit muß jener also einen höheren Reinertrag geben
als dieser.
Wenn beim Preise von 0,5io Taler für den Scheffel Roggen
der Ertrag eines ganzen Gutes in der Koppelwirtschaft = 0
ist, die vordere Hälfte des Ackers aber einen größeren Er-
trag gibt als die entferntere Hälfte: so folgt daraus, daß
der Reinertrag der ersten Hälfte positiv, der
Reinertrag der zweiten aber negativ sein müsse,
und daß der Gewinn, den die Bebauung des
näheren Ackers gibt, durch den Verlust, den
der Anbau des entfernteren bringt, wieder ver-
schlungen wird, und so der Reinertrag des
Ganzen zu 0 herabsinkt.
Die Koppelwirtschaft, deren Reinertrag im ganzen — 0
ist, wird also dann wieder zum Reinertrag gelangen, wenn
der entferntere Acker unbebaut liegen bleibt, und nur der
nähere kultiviert wird. Unter dieser Bedingung endet auch
die Kultur noch nicht bei der Entfernung von 28,r, Meilen
von der Stadt.
Aber auch diese Koppelwirtschaft, bloß auf den näheren
Boden beschränkt, muß bei noch größerer Entfernung vom
Marktplatze, oder was dasselbe ist, bei noch niedrigeren
Kornpreisen endlich einen Punkt finden , wo ihr Reinertrag
verschwindet, und es wird eine zweite Arbeitsersparung
— 55 —
notwendig, wenn der Anbau des Bodens daselbst nicht
enden soll.
In der Koppelwirtschaft ist der Aufbruch des Dreesches
und die Zubereitung desselben zur "Wintersaat besonders
kostbar. Bei einer Mürbebrache — d. i. einer Brache, 47
welcher kein Dreesch, sondern eine angebaute Frucht vor-
angegangen ist — wird das Hacken der Dreeschfurche und
ungefähr die Hälfte des Eggens, welches eine Dreeschbrache
erfordert, erspart. Eine Wirtschaft mit einer Mürbebrache
kann also da noch rentieren, wo eine Koppelwirtschaft keinen
Reinerti-ag mehr gibt, vorausgesetzt, daß der Körnerertrag
sich gleich bleibe, welches durch das Yerhältnis zwischen
Ackerland und Weide immer zu erreichen ist.
Eine Wirtschaft mit einer Mürbebrache ist aber nur
dann möglich, wenn man den Acker nicht mehr abwechselnd
zur Weide niederlegt, sondern ihn jedes Jahr beackert, wo-
gegen dann der entferntere Teil des Feldes zur beständigen
Weide für das Vieh liegen bleibt. Dies bringt wieder eine
neue Ersparung, indem nun die Aussaat von Kleesamen wegfällt.
Nach diesen aus der Natur der Sache hervorgegangenen
notwendigen Yeränderungen , stimmt nun unsere Wirtschaft
in den wesentlichsten Punkten mit der Dreifelderwirtschaft
überein; und wir wenden uns jetzt zu der näheren Be-
trachtung dieses so weit verbreiteten Wirtschaftss^^stems.
Bei der Darstellung des Verhältnisses zwischen der
Koppelwirtschaft und der Dreifelderwirtschaft müssen fol-
gende 4 Fragen beantwortet werden:
1. Um wieviel wohlfeiler wird die Bestellung der
Mürbebrache als die der Dreeschbrache?
2. In welchem Yerhältnis stehen die Arbeitskosten beim
Landbau mit der Entfernung des Ackers vom Hofe?
3. In welchem A^erhältnis müssen bei der Dreifelder-
wirtschaft Acker und Weide gegeneinander stehen, wenn
— 56 —
48 diese Wirtschaft, ebenso wie die Koppelwirtschaft sich in
gleicher Dungkraft erhalten soll, ohne einen Dungzuschuß
von außen zu erhalten?
4. "Wenn zwei Ackerflächen im ganzen gleichen Reich-
tum an Pflanzennahrung enthalten, die eine aber in Koppel-
wirtschaft, die andere in Dreifelderwirtschaft liegt — wie
verhält sich dann der Körnerertrag des Roggens in der ersten
Wirtschaft zu dem in der zweiten Wirtschaft?
Die Beantwortung der 3ten und 4ten Frage setzt die
Kenntnis der Statik des Landbaues voraus, und kann ohne
diese eben so wenig verstanden als dargestellt werden.
Ich sehe mich deshalb genötigt, einige Hauptsätze der
Statik des Landbaues vorangehen zu lassen. Da aber eine
ausführliche Darstellung dieser Lehre hier einen unverhältnis-
mäßigen Raum einnehmen würde: so kann ich diese Sätze
nur liinstellen , ohne auf Entwicklung der Gründe und auf
Erläuterungen einzugehen. Ich muß deshalb diejenigen
meiner Leser, denen dieser neue Zw^eig unseres Wissens
noch unbekannt sein sollte, und die sich eine genauere
Kenntnis davon zu verschatfen wünschen, auf die, diesen
Gegenstand betreifenden Schriften der Herren Thaer, v.
WulfTen, v. Riese, Bürger, v. Voght, Seidl,*) und auf meine
im 8ten Jahrgang der Mecklenburgischen Annalen befind-
liche Abhandlung verweisen.
*) Das Werk des Herrn Professors Hlubeck „die Ernährung
der Pflanzen und die Statik des Landbanes" habe ich erst nach
Vollendung dieser Schrift erhalten und deshalb, zu meinem Be-
dauern, dasselbe hier weder benutzen noch berücksichtigen können.
— 57 —
§ 7a.
Einige Sätze aus der Statik des Landbaues,
Die Erzeugung der Getreideernten bewirkt eine Ver-
minderung der im Acker enthaltenen Pflanzennahrung, Ein
Acker, der 100 Schfl. Roggen getragen hat, ist um dasjenige 49
Quantum Pflanzennahrung, was zur Erzeugung dieser 100
Schfl. verwandt ist, ärmer geworden.
Keine Frucht vermag es, sich des ganzen im Acker be-
findlichen Reichtums an Pflanzennahrung in einem Jahre
anzueignen.
Das Verhältnis zwischen dem, was die Ernte dem Acker
in einem Jahre an Pflanzennahrung entzogen hat, und dem
ganzen Reichtum des Ackers, nenne ich die relative Aus-
saugung, Diese ergibt sich aus der Abnahme der Größe
der nacheinander folgenden Ernten : ist z. B. der Ertrag der
Isten Roggenernte 100 Schfl, gewesen, und eine 2te Roggen-
ernte gibt dann bei gleicher Bestellung, gleicher Witterung
und gleichen sonst noch einwirkenden Umständen nur
80 Schfl,; so sagen wir, daß die relative Aussaugung des
Roggens ^/ö betragen habe.
Aus der relativen Aussaugung schließen wir nun auf
den ganzen Reichtum des Ackers : war z, B. der Ertrag des
ersten Roggens 100 Schfl., die relative Aussaugung Vs, so
enthielt der Acker vor der Ernte Pflanzennahrung für 500
Schfl. Roggen, nach der Ernte nur noch für 400 Schfl.
Das Quantum Pflanzennahrung, was dem Acker durch
die Ernte von einem Berliner Scheffel Roggen entzogen
wird, wird ein Grad genannt und durch „1°" bezeichnet.
Die Aussaugung der übrigen Getreidearten wird durch
das Verhältnis, worin diese im Wert und in der Nahrhaftig-
keit gegen den Roggen stehen, bestimmt, und ich nehme
an, daß die Ernte von
— 58 —
1 Schfl. Weizen eine Aiissaugung bewirkt von . IVs^
1 Schfl. zweizeiliger Gerste ^l4P
1 gestrichenem Schfl. Hafer V2^
50 Für eine siebenschlägige Koppelwirtschaft auf einem
Gerstenboden Ister Klasse nehme ich nach den auf dem
Gute T. gemachten Erfahrungen und Beobachtungen folgen-
des Verhältnis des Ertrages der verschiedenen Schläge an:
wenn der Iste Sclüag . . 100 Seh. Roggen von 1000 GR
bringt, so gibt der 2te Schlag 100 Seh. Gerste,
und der 3 te Schlag . . . 120 Seh. Hafer.
Der 4te, 5te und 6te Schlag im Durchschnitt liefern
dann auf jede 270 QRut. den "VVeidebedarf für eine
Kuh, die täglich 17 //. auf Heu reduziertes Gras
verzehrt, und 140 Tage auf dem Dreesch selbst (also
mit Ausschluß der Stoppel- und Wiesenbehütung)
ihre Nahrung findet.
Der 7te Schlag gibt in der Dreeschbrache den fünften
Teil der Grasproduktion, den ein Weideschlag liefert.
Nach den auf dem Gute T. in den Jahren 1811 und
1816 angestellten Probewiegungen über das Verhältnis des
Korns zum Stroh, verglichen mit den auf einigen anderen
Mecklenburgischen Gütern angestellten Wiegungen, habe ich
als Durchschnittsverhältnis angenommen, daß mit
1 Schfl. Roggen an Stroh geerntet wird .... 190 /^.
1 Schfl. Weizen — wenn der Weizen stehend war 190 fi.
1 Schfl. AVeizen — wenn ^/s des Weizens aus Lager-
korn besteht 200 /^
1 Schfl. zweizeiliger Gerste 93 /<5.
1 Schfl. Hafer 64,5 a
Der Weizen gibt bei gleichem Körnerertrage eine ge-
ringere Strohmasse als der Roggen; aber das Weizenstroh
hat ein spezifisch größeres Gewicht als das Roggenstroh,
und ich habe auch in späteren Jahren das Gewicht des mit
einem Scliil. Weizen geernteten Strohes nicht geringer ge-
— 59 —
fanden als beim Roggen ; jedoch mag dies Verhältnis bei 51
schwachem Weizen mit kurzem Stroh anders sein.
Eine mögliclist sorgfältige Berechnung des auf dem
Gute T. in den 5 Jahren von 1810 bis 15 verfütterten
und eingestreuten Strohes und des verfütterten Heues und
Korns, verglichen mit der Zahl der abgefahrenen Fuder
Dung, ergibt als Resultat, daß 1 Fuder Dung aus der Yer-
fütterung und Einstreuung von 878 iL trockenem Futter
entstanden ist. Nimmt man nun, wie gewöhnlich, das
Gewicht eines vierspännigen Fuders Dung zu 2000 4L an,
so hat ein Pfund trockenes Futter 2,28 U. Dung gegeben.
Es ergibt sich hier eine in der Tat überraschende Über-
einstimmung mit der Annahme des Herrn Staatsrats Thaer,
der, durch Beobachtungen im großen geleitet, schon vor
vielen Jahren den Faktor für die Dungvermehrung zu 2,3
bestimmte.
Für den Faktor 2,3, den ich nun bei den ferneren Berech-
nungen zum Grunde lege, gehören zu einem Fuder Dung
2000
von 2000^.-0— = 870 iL trockenes Futter, und ich
Z,3
Averde in der Folge unter 1 Fuder Dung immer diejenige
Dungmasse verstehen, die durch Yerfütterung und Ein-
sti-euung von 870 iL trockenem Futter zu ^/s aus Heu und
^/u aus Stroh bestehend entstanden ist.
Wir können hiernach die Quantität Dung, welche die
Kornernten durch das Stroh zurückgeben, berechnen.
Für 100 SchelTel Roggen beträgt die Slrohernte
100 X 190 = 19 000 iL Stroh, und hieraus erfolgen
19000
870
21,8 Fuder Dung.
Für 100 Schfl. Gerste ist der Strohgewinn 93 X 100
9300
9300 /(!'., und der Dunggewinn -„ j- == 10,7 Fuder;
— 60 —
52 die Ernte von 120 Scheffel Hafer bringt 120 X 64,5
= 7740 a Stroli und -g™ = 8,9 Fuder Dung.*)
Es ist allgemein bekannt, daß die "Weide oder das
Dreeschliegen den Boden bereichert.
Nach vieljährigen Beobachtungen hat es sich mir als sehr
wahrscheinlich ergeben, daß die Pflanzenuahrung, -svelche von
den auf der "Weide wachsenden Gräsern und Kleeai'ten kon-
sumiert wird, durch die im Boden zurückbleibenden und
beim Umbruch des Dreesches in Verwesung übergehenden
"Wurzeln dieser Gewächse wieder ersetzt werde, daß also
aller während der Beweidung auf den Dreesch fallende Dung
als eine Vermehrung des Duuggehalts des Bodens zu be-
trachten ist — jedoch unter der Bedingung, daß der Dreesch
nicht älter als 3 Jahre werde.
Aus der Zahl der Kühe, die* die "Weide ernährt, läßt
sich die Grasproduktion des Dreesches berechnen. Eine Kuh,
von 500 bis 550 //. Gewicht im lebenden Zustand, verzehrt
in 140 Tagen a 17 fi. — 2380 /l auf Heu reduziertes Gras,
welches auf 270 DRut, als dem Weidebedarf einer Kuh,
gewachsen ist. Auf 1000 DRut. ist die Produktion dem-
2380 yc 1000
nach 27Ö = ^^1^ ^- ^eu. Der aus der "Weide
in einem Jahre hervorgehende Dunggewinn beträgt hiernach
8815
-öyQ- ~ 10,1 Fuder, auf einem Gerstenboden, der einen
Roggenertrag von 10 Körnern gegeben hat.
*) Dieser Berechnmig liegt noch die Annalime zum Grunde,
daß aus der Verfutteruug und Einstreuung von 100 11. Stroh
eine grüUere Quantität Dung erfolgt als aus der Verfutterung
von 10(.) //. Heu, und daß die geringere Qualität des 8trohdüngers
im Vergleich mit dem Dung aus Heu durch die grüLere Quantität
kompensiert wird.
— 61 —
Der Brache messen wir eine doppelte Wirkung bei : 53
nämlich erstens, daß sie die im Boden befindliche Pflanzen-
nahrung zu einem höhereu Grade von Wirksamkeit bringt;
und zweitens, daß sie den Eeichtum des Bodens durch die
auf der Brache wachsenden Gräser und Kräuter, welche
teils untergepflügt, teils vom Vieh abgefressen und in Dung
verwandelt werden, wirklich vermehrt.
In der Yermehrung des Reichtums schätze ich die
Dreeschbrache gleich Vs einer Dreeschweide, und die Mürbe-
brache in der Dreifelderwirtschaft, wenn sie erst zu Johannis
umgebrochen wird, gleich ^,'3 einer Dreeschweide.
In einer Wirtschaft, die in einem beharrenden Zustande
ist, d. h. die im Ertrage und im Reichtum des Bodens
sich gleich bleibt, muß die Aussaugung mit dem Ersätze im
Gleichgewicht sein. Reduzieren wir nun den Ertrag, den
die aussaugenden Getreidesaaten gegeben haben, auf Scheffel
Roggen und drücken den Ersatz, den der Acker durch
Düngung und Weide erhalten hat, in Fuder Dung aus: so
ergibt sich aus der Gleichstellung der Aussaugung und des
Ersatzes, für wie viele Scheffel Roggen Nahrung in einem
Fuder Dung enthalten ist, oder was dasselbe ist, durch wie-
viele Scheffel Roggen dem Boden ein Fuder Dung entzogen wird.
Die Anwendung dieser Rechnung auf verschiedene Boden-
arten hat ergeben, daß dies Verhältnis nach der Güte des
Bodens verschieden ist. Die Produktion einer gleichen Ernte
kostet dem guten Boden weniger Dung als dem schlechten.
Bei unseren folgenden Berechnungen ist ein Boden zum
Grunde gelegt, der sich in der siebenschlägigen Koppelwirt-
schaft ohne äußeren Zuschuß in gleicher Dungkraft erhält —
und auf diesem Boden, der mit dem Gerstenboden Iter Klasse
wahrscheinlich zusammenfällt, kostet die Produktion von
3,2 Schfl. Roggen dem Acker ein Fuder Dung, oder ein
Fuder Dung ist gleich 3,2'^.
— 62 —
54 FruchtbarkeitszustaacT
einer siebenschlägigen Koppelw-irtschaft, jeden Schlag zu
1000 nRut. gerechnet.
Reichtum zu Anfang des Umlaufs .
Ister Schlag. Eoggen
2ter Schlag. Gerste
3ter Schlag. Hafer
4ter Schlag. Weidel
5ter Schlag. Weide)
6ter Schlag. Weide j
7ter Schlag. Brache . . . . .
Summe der Dungerzeugung . . .
Der Hafer ließ im Acker zurück .
73,7 Fuder Dung ä 3,2° sind gleich
Der 2te Umlauf beginnt mit . .
bt) •
S. CS
S
Ersatz
Fuder
Dung
—
—
500°
—
100
lOQo
400°
21,8
100
750
3250
10,7
120
60«
2650
8,9
—
—
—
30,3
—
—
—
2,0
—
—
—
73„
—
— .
265°
—
—
235..0
—
äOO.sO
Fr uchtbarkeitszu stand
einer Dreifelderwirtschaft, jedes Feld zu 1000 DR. gerechnet.
Eeichtum zu Anfang des Umlaufs .
1 stes Feld. Roggen .....
2tes Feld. Gerste
3tes Feld. Brache
Summe der Dungerzeugung . .
Die Gerste ließ im Acker zurück
36,ß Fuder Dung ä 3,2** sind gleich
100
100
1000
750
5000 i —
4000
3250
3250
21,8
10„
4,1
36,6
Der 2te Umlauf beginnt mit. . . . | — , — 442,o0 —
55 In der Koppelwirtschaft war die Dungerzeuguug eines
Weideschlages 10,i Fuder für einen Reichtum des Bodens
von 265°. Ein Boden, dessen Reichtum = 325*^, wie
— 63 —
der nach der Gerstenernte ist, würde zur Weide niedergelegt
325
^X^ X 10,1 = 12,4 Fuder Dung erzeugen. Da nun an-
genommen ist, daß die Dungerzeugung einer Mürbebrache
Vs von der eines Weideschlags beträgt: so sind hier dafür
12 4
-^ = 4,1 Fuder in Rechnung gebracht.
§ 7b.
Weitere Ausführung einiger Teile der Statik
des Landbaues.
Die Ein-wirkung des Bodens, vermöge welcher aus der
Hingabe einer und derselben Quantität Pflanzennahrung,
z. B. eines Fuders Dung, der eine Boden eine größere
Ernte produziert als der andere, nenne ich die Qualität des
Bodens und bezeichne den Grad derselben durch die Zahl
der Schfl. Koggen , deren Produktion dem Acker ein Fuder
Dung kostet. Der Tonboden besitzt eine höhere Qualität
als der Sandboden, und während die Qualität des "Weizen-
bodens 1 ster Klasse auf 3,s^, vielleicht auf 4^ steigt, beträgt
diese auf dem Haferboden 1 ster Klasse nur etwa 2V2*^, nimmt
mit dem steigenden Sandgehalt immer mehr ab, und sinkt
auf dem Flugsand bis zu Null herab.
Die Erfahrung lehrt, daß die relative Abnahme des
Ertrags zw^eier, unter gleicher Vorbereitung, ohne wieder-
holte Düngung nacheinander folgenden Ernten, auf ver-
schiedenen Bodenarten sehr ungleich, größer auf dem Sand-
ais auf dem Tonboden ist.
Diejenige Einwirkung des Bodens, durch welche diese
Erscheinung hervorgebracht wird, nennt Herr v. Wulffen
die Tätigkeit des Bodens. Unter sonst gleichen Umständen 56
— 64 —
entspringt aber die Abnahme des Ertrags der Ernten aus
der Abnahme der Pflanzennahrung im Boden, und Herr
T. Wulffen, dem die Statik so vieles verdankt, hat hierauf
den Satz gegründet, daß die Fruchtbarkeit als das Produkt
zweier Faktoren, nämlich der Tätigkeit und des Reichtums
des Bodens zu betrachten sei. Die Fruchtbarkeit aber findet
ihr Maß im Erzeugnis, und wenn man die Tätigkeit mit
T, den Reichtum mit R und die Ernte mit E bezeichnet,
so ist E =: TR. Die Tätigkeit bezeichnet, der wievielste
Teil des Gehalts an Pflanzennahrung in die eine Ernte
übergeht, und durch deren Produktion hinweggenommen
wird. Die Tätigkeit des Bodens steigt, je mehr der Sand-
gehalt derselben zunimmt, und steht in dieser Beziehung
in umgekehrtem Verhältnis mit der Qualität des Bodens.
Nimmt man den Roggen nach reiner Brache zum Maßstab
für die Größe der Tätigkeit, so beträgt diese auf dem
Gerstenboden Ve bis Vs, während sie auf dem Roggenbodeu
auf Vi bis '^/lo steigt.
Bringt man gleiche Quantitäten Pflanzennahrung z. B.
10 Fuder Dung auf verschiedene Bodenarten, z. B. auf
Tonboden von 3,8*^ Qualität, und auf Sandboden von 2V2°
Qualität, so wird dem ersteren Boden dadurch Nahrung für
10 X 3,8 = 38 Schfl. Roggen, dem letzteren aber nur für
10 X 2,5 = 25 Schfl. Roggen erteilt; oder der Reichtum
des ersteren wird dadurch um 38*^, des letzteren aber nur
um 25° erhöht. Der Reichtum des Bodens ist also selbst
das Produkt zweier Faktoren, und bezeichnet man den Dung-
und Humusgehalt des Bodens mit H, die Qualität mit Q,
so ist R = QH.
Reichtum des Bodens ist nicht Materie, sondern Pro-
duktionsfähigkeit. Dung ist nicht Reichtum, sondern wird
57 erst durch die Einwirkung des Bodens zum Reichtum. Die-
selbe Quantität Dung erzeugt auf verschiedenen Bodenarten
einen verschiedenen Grad des Reichtums.
— 65 —
Auf einem und demselben Boden stehen Dunggehalt,
oder überhaupt Gehalt an auflöslicher Pflanzennahrung und
Reichtum oder Produktionsfähigkeit im direkten Verhältnis
zueinander. Hier kann man also — wie auch in dieser
Schrift, wo immer nur von einer Bodenart die Rede ist,
geschehen — mit dem Worte „Reichtum" beide Begriffe,
nämlich den der Materie und den der Produktionsfähigkeit,
verbinden, ohne unrichtige Resultate zu erhalten.
Sobald aber von der Statik im allgemeinen die Rede
ist, welche alle Bodenarten zum Gegenstand der Betrachtung
hat, ist es unerläßlich, für Materie und Produktionsfähigkeit
auch verschiedene Ausdrücke zu wählen.
Ich nenne jene „Humus", diese, mit v. Wulffen, „Reich-
tum". Unter Humus verstehe ich aber nicht alle
verbrennlichen Stoffe, welche im Boden befind-
lich sein können, als Holz- und Heidewurzeln,
Wiesen- und Schlammmoder usw., sondern be-
schränke die Bedeutung des Wortes „Humus"
auf die Rückstände der früheren Mistdüngungen
und derRasenfäulnis eines 2- höchstens 3 jähri-
gen Dreesches. Diesem gemäß setze ich auch bei allen
statischen Untersuchungen einen Boden voraus, der durch
eine Jahrhunderte hindurch fortgesetzte Kultur alle seine ur-
sprünglichen, vegetabilischen Substanzen gänzlich verloren,
nur Mistdüngungen erhalten, und niemals länger als 2 bis
3 Jahre in einem Umlaufe zur Weide gelegen hat.
Setzen wir nun in die Gleichung E = TR, für R den
Wert QH, so erhalten wir die Gleichung E = TQH.
In diesem Ausdruck für die Ernte gehören die beiden 58
Faktoren T und Q dem Boden an sich, d. i. den minera-
lischen Bestandteilen, der Faktor H aber dem Humus
oder den Resten animalischer und vegetabilischer Sub-
stanzen an.
Die Gesamteinwirkung des Bodens auf die Hervor-
Thiinen, Der isolierte Staat. 5
— 66 —
bringung der Ernte spricht sich also in TQ, oder dem
Produkt aus den beiden Faktoren T und Q aus.
Wir nehmen nun irgendeinen Boden A zum Stand-
punkt der Betrachtung und vergleichen damit einen anderen
Boden B von verschiedener physischer Beschaffenheit. In
beiden Bodenarten sei der Humusgehalt gleich groß, und
der Humus selbst gleichartig und gleichen Ursprungs. Wenn
nun beide Bodenarten bei völlig gleicher Behandlung doch
einen verschiedenen Ertrag an Früchten liefern , so müssen
wir diese Verschiedenheit der Ernten der Yerschiedenheit
in der physischen BeschafTenheit des Bodens beimessen.
Die Gesamteinwirkung des Bodens auf die Größe der
Ernten, verglichen mit einem anderen zum Standpunkt
gewählten und zur Einheit angenommenen Boden, nenne ich
mit dem Freiherrn v. Yoght*): „das Erdvermögen", und
bezeichne dasselbe mit Y.
Wir haben aber oben die Gesamteinwirkung des Bodens
auch gleich TQ gefunden. Demnach ist Y = TQ; oder
das Erdvermögen ist gleich Tätigkeit mal Qualität des Bodens.
59 Gesetzt die Ernte des Bodens B betrage, bei gleichem
Humusgehalt, nur -'/lo der Ernte des Bodens A: so verhält
sich die Einwirkung des Bodens auf die Größe der Ernten,
oder das Erdvermögen des Feldes A zu dem des Feldes B,
wie 1 : ^ko.
Es verhält sich aber 1 : "/lo wie 10 : 9 oder 100 : 90
u. s. f. Da es unbequem sein kann, mit Brüchen zu rechnen,
*) Dies stimmt freilich nicht mit den Definitionen, welche
der Freiherr v. Yoght, in seinen Ansichten der Statik, vom Erd-
vermögen gibt, luid wonach dasselbe bald als Tätigkeit, bald als
Qualität erscheint, überein. Aber eine vieljährige, mit dem jetzt
verstorbenen Herrn v. Voght geführte Korrespondenz hat mich
überzeugt, daß derselbe mit dem Wort „Erdvermügen" den hier
p,ngegebenen Sinn verbindet-
— 67 —
und es hier nur auf die Gleichheit des Verhältnisses an-
kommt: so können wir das Erd vermögen in A willkürlich
zu 10 oder 100 usw. annehmen, und das Erdvermögen in
B ist alsdann 9 oder 90.
Des Freiherrn v. Voght Annahme einer ganzen Zahl
für das Erdvermögen ist hierdurch gerechtfertigt. Nur muß
man keinen Augenblick vergessen, daß die willkürliche An-
nahme einer ganzen Zahl für das Erdvermögen nur dann
zulässig ist, wenn eine Vergleich ung zweier Felder statt-
findet. Sobald die Vergleichung wegfällt, verliert die will-
kürlich angenommene Zahl alle Bedeutung und macht die
Rechnung unklar.
Beispiel. Es sei auf dem einen Felde die Tätigkeit
= i/e, die Qualität = 3^, auf dem anderen Felde die Tätig-
keit = ^/s, die Qualität = 3,6^, so ist das Erdvermögen des
1 sten Feldes = i/e X 3 = 0,5o, des 2ten = Vs X 3,6^ = 0,45,
und das Verhältnis des Erd Vermögens zwischen beiden ist
0,50 : 0,45 = 10 : 9.
Das Feld D habe mit dem Felde A einen Boden von
gleicher physischer Beschaffenheit, der Humusgehalt beider
Felder aber sei ungleich: so ist bei völhg gleicher Behand-
lung die Verschiedenheit in der Größe der Ernten eine Folge
des ungleichen Humusgehalts beider Felder.
Hypothese. Bei Gleichartigkeit der Pflanzennahrung
aber ungleicher Quantität derselben, steht bei Gleichheit des
Bodens, des Klimas, der Vorfrucht, der Bearbeitung, der 60
Tiefe der Ackerkrume und aller auf die Vegetation ein-
wirkenden Potenzen — die Größe der Ernten im direkten
Verhältnis mit der Quantität der im Boden enthaltenen
auflösüchen Pflanzenuahrung.
"Wenn nun auf den Feldern A und D von gleicher
physischer Beschaffenheit der Humusgehalt in dem Verhältnis
von 1 : s/io steht, so ist dieser Hypothese gemäß das Verhältnis
der Ernten von A und D ebenfalls wie 1 : ^/lo oder wie 10 : 8.
5*
— 68 —
Aufgabe. Wenn in den Feldern A und B das Erd-
vermögen verschieden, der Humusgehalt aber gleich, in den
Feldern B und D dagegen das Erdvermögen gleich, der
Humusgehalt verscliieden ist — das Verhältnis der Ernten
zwischen A und D zu finden.
Das Erd vermögen des Feldes B, gleich dem von D,
sei gleich ^.'lo des Erdvermögens von A. Der Gehalt an
Pflanzennalirung in D verhalte sich zu dem in B und A
wie */io : 1. So ist das Verhältnis der Ernten
von A : B = 1 : ^/lo
von B : D = 1 : ^/lo
also A ;
; D = 1 : 9/10 X ^/lo =
1 : '-/loo.
Allgemein ausgedrückt sei
Das Erd- Der Humus-
vermögen gehalt
des Feldes A — V H
Die Ernte
E
„ „ B- V H
„ „ D - V h
so ist das Verhältnis der Ernten
X
von A
: B == V : V
von B
: D = H : h
also A : D = VH : vh.
vh
61 Die Ernte von D ist also = tttt mal Ernte von A, oder
X = ^ . E.
In Worten ausgedrückt, sagt diese Proportion: Die
Ernten zweier Felder verhalten sich, wie die Produkte aus
den beiden Faktoren, Erd vermögen und Humusgehalt, sich
gegeneinander verhalten,
vh
Der Ausdruck ^„ . E kann unter verschiedenen
Formen dargestellt werden, ohne daß der Wert desselben
eine Änderung erleidet.
— 69 —
hs ist Damnen ^is • ^ = vli . ^^ = v : ^^j-
Die letztere Form sagt:
Man dividiere das Produkt der beiden Faktoren (V, H)
des Feldes A mit der Ernte (E) dieses Feldes ; der Quotient
ergibt, wie viele Einheiten des Produktes zur Erzeugung
einer zum Maßstab genommenen Quantität Roggen z, B.
eines Scheffels erforderlich sind, und mit diesem Quotienten
in das Produkt der beiden Faktoren (v, h) des Feldes D
dividiert, gibt die Größe der Ernte dieses Feldes.
Dieses Verfahren ist zuerst von Herrn v. Wulffen an-
gewandt, später wieder aufgegeben; dann aber von dem
Herrn v. Yoght angenommen, und trotz allen Widerspruchs
beharrlich beibehalten.
Unter den hier vorausgeschickten Suppositionen leidet
die Richtigkeit des Verfalirens keinen Zweifel. Herr v. Voght
verwechselt aber Humusgehalt mit Reichtum; denn was
derselbe Dungvermögen nennt, kann der Natur dieser Methode
nach nicht R = QH sein, sondern ist = H: auch erscheint
bei ihm das Erdvermögen nicht als TQ, sondern als T mit 62
60 multipliziert. Um nun Herrn v. Voghts Formel mit der
hier dargestellten Methode in Einklang zu bringen, muß
das in Graden ausgedrückte Dungvermögen mit Q dividiert,
das Erdvermögen aber mit Q multipliziert und mit 60 dividiert
werden — indem Herr v. Yoght das Erdvermögen, um es
zur ganzen Zahl zu erheben, 60 fach genommen hat.
Über die Größe des Erdvermögens auf den verschiedenen
Bodenarten sind noch sehr wenig Beobachtungen angestellt.
Wie es mir scheint, findet das Maximum des Erd Vermögens
weder auf dem Saud- noch auf dem Ton-, sondern auf dem
sogenannten Mittelboden, vielJeicht auf dem Gerstenboden
2ter Klasse statt. Könnte man im frischen Dünger die
Wirkung, die derselbe als Ferment auf den im Boden be-
findlichen Humus ausübt, von der Wirkung, die derselbe als
— 70 —
unmittelbare Pflauzennalirung hat, trennen, und letztere für
sich darstellen: so würde der Mehrertrag, der durch die
Zuführung eines Fuders Dung in der nächsten Ernte er-
langt -wird, Maßstab des Erdvermögens sein; und derjenige
Boden, der von dem zugeführten Dünger in der nächsten
Ernte den höchsten Mehrertrag lieferte, besäße zugleich das
Maximum des Erd Vermögens.
"Wenden wir eine ähnliche Betrachtung, wie die vor-
liegende, auf Bodenarten von verschiedener Qualität und
Tätigkeit an, so ergeben sich folgende Resultate :
63 Auf Boden A und B sei Tätigkeit, T, und Humusgehalt,
H, gleich, die Qualität aber verhalte sich wie Q : q.
Auf Boden B und C verhalte sich, bei gleicher Qualität,
q , und gleichem Humusgehalt , H , die Tätigkeit wie T : t.
■Auf Boden C und D sei bei gleicher Qualität, q, und
gleicher Tätigkeit, t, das Verhältnis des Humusgehalts wie
H:h.
Alsdann ist das Verhältnis der Ernten
von A : B = Q : q
B :C = T:t
C : D = H : h
also A : D = TQH : t<ih.
Oder die Ernten von A und D verhalten sich wie die Pro-
dukte aus den drei Faktoren : Tätigkeit, Qualität und Humus-
gehalt beider Bodenarten.
Es ist aber Qualität mal Humusgehalt gleich Reichtum,
und wenn wir R für QH und r für qh setzen: so ist das
Verhältnis zwischen den Ernten von A und D wie TR : tr
und X oder die Ernte von D ist = ^ts • E.
iK
Wir gelangen also durch unsere Untersuchung zu der
v. Wulftenschen Formel, wonach zwischen den Ernten zweier
Felder das Verhältnis stattfindet, wie zwischen den Pro-
dukten aus den beiden Faktoren, Tätigkeit und Reichtum.
— 71 —
Wir haben nun für x, oder die Ernte von D, drei ver-
schiedene Ausdrücke erhalten, nämlich:
I. X 3= ^ . E
TT T - ^^ F
in. X = ^^ . E.
Diese drei Ausdrücke für x entspringen aus einer
Wurzel und sind alle richtig; ihre Yerschiedenheit rührt nur
daher, daß die drei Faktoren T, Q, H, in I. und III. paar-
weise und zwar in verschiedenen Verbindungen zusammen-
gesetzt sind. In I. sind T und Q verbunden und das Pro- 64
dukt ist = V gesetzt; in III. sind dagegen Q und H ver-
bunden und in ihrer Verbindung =: R gesetzt.
Wenn die Bearbeiter der Statik sich bisher so wenig
haben vereinigen können, so liegt dies nicht daran, daß sie
in der Sache selbst sehr abweichender Meinung sind, sondern
daß sie sich über die Methode, wonach zu verfahren, nicht
einigen können. Die Hauptiu'sache hiervon ist, meiner An-
sicht nach, daß sie nicht alle auf die Ertragsfähigkeit ein-
wirkenden Faktoren in ihre Formeln aufnehmen, sondern
diese, und zwar, auf ungleiche Weise, miteinander verbinden.
Der Wunsch, zur Ausgleichung dieser Meinungsver-
schiedenheiten beizutragen, und dadurch von den Beratungen
über die Form endlich zu der über die Sache selbst zu
füliren, hat den Verfasser veranlaßt, diesen Gregenstand aus-
führlicher zu behandeln, als es in einer der Statik nicht
eigens gewidmeten Schrift vielleicht erlaubt ist.
Außer den drei genannten Potenzen, Tätigkeit, Qualität
und Humusgehalt üben Vorfrucht und Bodenbearbeitung einen
sehr bedeutenden Einfluß auf die Größe der Ernten aus.
Wir wissen, daß das Wintergetreide in die Stoppel einer
Halmfrucht gesät nur 70 bis 80 %, in die Erbsenstoppel
— 72 —
gesät nur 80 bis 85 ^.'o von dem trägt, was dieser Boden,
bei gleichem Reichtum, nach reiner Brache getragen hätte;
wir wissen ferner, daß Hafer nach Klee oder nach einer
Schotenfrucht gebaut, bei gleichem Bodenreichtum, einen
größeren Ertrag gibt als nach einer Halmfrucht.
Für diese Einwirkung der Vorfrucht, verbunden mit der
durch die Vorfrucht selbst schon bedingten Verschiedenheit
der Bodenbearbeitung, nehme ich einen eigenen Faktor an,
nenne ihn „Faktor der Kultur", bezeichne ihn mit „K" und
setze ihn für die nach reiner Brache folgende Frucht gleich 1.
65 Wir erhalten dadurch für die Größe der Ernten, in
Jahren von mittlerer Fruchtbarkeit, folgende Gleichung:
E = TQHK.
Herr v. Wullfen drückt die Einwirkung der Vorfrucht
durch eine Änderung des Faktors T aus, zieht sich dadurch
aber den oft gemachten Vorwurf zu, daß, da T Tätigkeit
des Bodens genannt wird, dieser Faktor für einen und
denselben Boden auch nicht als eine veränderliche Größe
behandelt werden dürfe.
Mir scheint deshalb der Gegenstand an Klarheit zu
gewinnen, wenn wir für die Einwirkung der Vorfrucht und
Bearbeitung — also für das, was zunächst in der Macht
des Landwirts steht — einen eigenen Faktor annehmen ; die
Tätigkeit aber als eine dem Boden inhärierende Eigenschaft
betrachten. Die Einwirkung der AVitterung auf die Größe
der Ernten in verschiedenen Jahren kommt in der Statik des
Landbaues ebensowenig in Betracht als beim Ertragsan-
schlag und bei dem darauf gegründeten Kauf- oder Pacht-
preis eines Gutes. In allen statischen Untersuchungen werden
immer Jahre von mittlerer Fruchtbarkeit, für welche der
Durchschnittsertrag aus einer langen Reihe von Jahren das
Maß ist, vorausgesetzt.
Der Ertrag, den ein Acker bei mittlerer Jahresfruchtbar-
keit geben würde, wird die Ertragsfähigkeit desselben genannt.
— 73 —
Alle bisherigen Systeme der Statik des Landbaues grün-
den sich auf die Voraussetzung, daß die Ertragsfälligkeit des
Bodens mit dem Reichtum desselben — und also für den-
selben Boden auch mit dem Humusgehalt — im direkten
Verhältnis stehe, daß also ein Boden mit einem zweifachen
Humusgehalt auch einen zweifachen Ertrag liefere.
In der Tat w^ar auch der Eingang in die Statik ohne 66
eine solche Annahme nicht zu finden.
Die späteren auf diesen Gegenstand gerichteten Be-
obachtungen haben aber ergeben:
1, daß, wenn man Ackerstücke von gleicher Boden-
beschalTenheit und gleichem Reichtum mit 3, 4, . 5, 6 usf.
Fuder Dung pr. 100 DRuten befährt, jedes mehr hinzu-
gefügte Fuder Dung einen immer geringeren Zuwachs am
Ertrage liefert;
2. daß beim fortgesetzten Anbau des Bodens mit aus-
saugenden Gewächsen ohne Dungersatz der Ertrag nicht bis
zu Null herabzubringen ist, sondern sich einem Beharrungs-
punkt, verschieden nach der verschiedenen physischen Be-
schaffenheit des Bodens, immer mehr nähert.
Für letzteres findet sich auf dem Gute Tellow ein
frappanter Belag. Hier hat nämlich ein zum Ausbauen
bestimmtes Stück Land in der 12ten Saat nach der Düngung,
ohne einen anderen Ersatz zu erhalten, als den, welchen
die zeitweise eingeschobene Weide gewährte, noch einen sehr
bedeutenden Ertrag gegeben, und in dem Ertrage der letzten
6 Saaten ist keine Abnahme bemerklich.
Lägen Fakta genug vor, um aus den Gliedern der Reihe,
welche diese Fakta bilden, das allgemeine Glied, oder das
Gesetz, wonach die Reihe fortgeht, mathematisch zu be-
stimmen, so wäre es der Statik, als solcher, gleichgültig,
aus welchen Ursachen jene Erscheinung entspringt. Solange
aber die Fakta noch so sparsam sind, daß jener mathematische
AVeg nicht betreten werden kann, drängt sich uns das Be-
— 74 —
dürfnis nach einer Erklärung auf — und so habe ich, nach den
mir vorliegenden Erscheinungen, mir folgende Ansicht gebildet.
Dung, Humus, selbst ganze Heuhaufen verschwinden,
wenn sie der Luft melirere Jahre ausgesetzt sind — bis auf
67 den geringen Gehalt an mineralischen Stoffen — fast gänz-
lich. Hier ist die allmähliche Yerflüchtigung der Stoffe, aus
welchen jene Substanzen bestehen, dem Auge sichtbar. Aber
unseren Sinnen nicht wahrnehmbar, und selbst den bisherigen
chemischen Analysen entgehend, ist das, was der Boden an
pflauzeunährenden Gasen — die ich mit dem Kollektivnamen
„Humusgas" benennen möchte — aus der Atmosphäre wieder
empfängt. Daß aber ein solches Empfangen wirklich statt-
findet, ergibt sich daraus, daß rohe, aus dem Untergrund
heraufgebrachte Erde, welche anfangs sich ganz unfruchtbar
zeigt, nach mehrjähriger Berührung mit der Luft fruchtbar
wird und Pflanzen nährt. Selbst Sand aus den um die
Tannenkämpe gezogenen Gräben, etwa 10 Jahre in einem
Wall gelegen, dann wieder in die Gräben zurückgebracht, hat
hier eine merkwürdige, jedoch nur einige Jahre anhaltende
Fruchtbarkeit gezeigt. Auch führt die statische Untersuchung
über die Ursachen der Qualität des Bodens schon a priori
zu Sätzen, die mit dem, was die Beobachtung der Natur
ergibt, übereinstimmen.
Wie im Feuchtigkeits- und Wärmegehalt zwischen Boden
und Atmosphäre ein Streben nach Ausgleichung stattfindet,
so daß der ausgetrocknete Boden Feuchtigkeit aus der Atmo-
sphäre anzieht, der nasse'Boden dagegen Wasser ausdünstet,
so mag auch in bezug auf den Gehalt an Humusgas zwischen
Boden und Atmosphäre eine stete Wechselwirkung, ein
Streben nach Ausgleichung stattfindet — imd so wie der
Boden in dem Maße, als er stärker mit Wasser geschwängert
ist, auch stärker ausdünstet, der trockene Boden aber um
so mehr Feuchtigkeit einsaugt, je größer die Differenz im
Wassergehalt des Bodens und der Atmosphäre ist: so können
— 75 —
wir auch analogiscli schließen, daß der Boden um so mehr
Humusgas an die Atmosphäre abgibt, je reicher er an Humus
ist, aber auch um so mehr Humusgas einsaugt, je geringeres
sein Humusgehalt ist, daß also die Atmosphäre auf den reichen
Boden raubend, auf den armen Boden bereichernd wirkt.
Dieser Ansicht folgend, ist es denkbar, daß der Boden
beim fortgesetzten Kornbau ohne Dungersatz vermittels der
beim verminderten Humusgehalt verstärkten Einsaugung
atmosphärischer Stoffe, mit Zuhilfenahme des geringfügigen
Ersatzes aus den Stoppeln und AVurzeln des Getreides, auf einer
gewissen Höhe des Ertrages zum beharrenden Zustand gelangt.
Wenn nun auch zwischen Humusgehalt und Ertrag des
Bodens kein direktes Verhältnis stattfindet, so müssen doch,
da jede Vermehrung des Humusgehaltes eine Erhöhung des
Ertrages bewirkt, beide miteinander in Verbindung und in
irgendeinem Verhältnis zueinander stehen.
Welches ist nun dieses Verhältnis?
Annahme. Auf zwei Feldern von gleichem Boden,
aber ungleichem Humusgehalt, verhält sich bei gleicher Be-
handlung der Ertrag wie die Quadratwurzel aus dem in
Zalilen angegebenen Humusgehalt beider Felder.
Beispiel. In dem im Felde A pr. 100 DRut. befind-
lichen Humus sei so "siel Pflanzennahrung enthalten , als in
36 Fuder Dung; der Körnerertrag dieses Feldes sei = 10;
im Felde B sei dagegen der Humusgehalt im Wert = 25
Fuder Dung: so verhalten sich die Ernten von A und B
wie V 36 : } 25 = 6 : 5.
Da nun A 10 Körner liefert, so ist der Ertrag von B
= 5/6 X 10 = 81/3 Körner.
Auf gleiche Weise findet man
für den Humusgehalt den Ertrag
= 16 ^li-, X 10 = 6-^/3 Körner
= 9 3/^; >/ 10 = 5 „
= 4 '-i/G X 10 = 31/3 „
— 76 —
69 Weder die Atmosphäre noch die Pflanze vermag es, dem
Boden den letzten Rest seines Humusgehaltes zu entziehen.
Ist nun der Humusgehalt des Bodens bis zu dem Grade
vermindert, daß das, was die Pflanze sich noch an Humus
zuzueignen vermag, durch die "Wurzel und Stoppel der
Pflanze , und durch die Stoppelweide ersetzt werden kann :
so tritt der beharrende Zustand ein. Die Ertragsfähigkeit
des Bodens in diesem Zustand — entspringend aus der
Einsaugung atmosphärischer Stoffe — nenne ich die imma-
nente.
Diese immanente Ertragsfähigkeit ist gar selir von der
pliysischen Beschaffenheit und besonders von der "wasser-
haltenden Kraft des Bodens abhängig und sinkt auf dem
Sandboden bis nahe zu Null liinab, während sie auf dem
Touboden vielleicht 3 bis 4 Körner, und bei einer au Humus-
gas reichen Atmospliäre wahrscheinlich noch mehr beträgt.
Aus der Tatsache, daß die immanente Ertragsfähigkeit
auf den verscliiedenen Bodenarten so sehr verschieden ist, geht
zugleich das wichtige Resultat hervor, daß die Ernährung
der Pflanzen auf einem an Humus armen Boden nicht allein
durch Einsaugung atmosphärischer Stoffe vermittels der
Blätter der Pflanzen, sondern auch, und im beträchtlichen
Grade, durch Einsaugung dieser Stoffe vermittels des Bodens
geschieht.
Ich bin weit entfernt zu glauben, daß durch obige An-
nahme — nach welcher sich die Ertragsfähigkeit des Bodens
wie die Quadratwurzel aus dem Humusgehalt desselben ver-
hält — das Gesetz selbst, was die Natm" hier beobachtet,
gefunden sei. Aber durch diese Annahme, in Verbindung
mit der Ansicht, daß der Boden um so mehr Humusgas ein-
saugt, je ärmer er an Humus ist, sind die beiden oben an-
geführten Fakta, welche mit der Theorie im "Widerspruch
waren, damit wieder in Einklang gebracht — und dies muß
vorläufig genügen, bis fernere Versuche und Beobachtungen
— 77 —
Data geliefert haben, die uns der Erkenntnis des Gesetzes 70
selbst näher führen können.
In den statischen Tableaux einer Fruchtfolge, wo es
hauptsäclilich nur auf die Lösung der Frage, ob die Frucht-
folge aussaugend oder bereichernd sei, und auf die Ermitt-
lung des Reichtums in allen Schlägen zusammen ankommt,
kann die Hypothese, daß der Ertrag im direkten A^erhältnis
mit dem Reichtum stehe, auch ferner eine Anwendung finden ;
denn die Differenz zwischen dem Reichtum der einzelnen
Schläge und dem mittleren Reichtum ist nicht so bedeutend,
daß aus der Anwendung jener H3^pothese ein erheblicher
Irrtum entstehen könnte.
Wenn es aber zur Frage gestellt wird, wie hoch sich
die Bereicherung des Bodens bezalüt, und wo die Grenze ist,
bei welcher die Bereicherung des Bodens aufhört vorteilhaft
zu sein — dann ist die Anwendung jener Hypothese völlig
unzulässig und auf Irrwege führend.
"Wenn Ertrag und Humusgehalt auf demselben Boden
nicht im direkten Verhältnis zueinander stehen, so sind
Tätigkeit, Qualität, Humusgehalt, und somit auch Tätigkeit
und Reichtum keine voneinander unabhängige, sondern korre-
spondierende Größen, Avas hier aber nur angedeutet, nicht
ausführlich dargelegt werden kann. Für die aufblühende
Generation bietet sich dadurch ein weites Feld zu Beobach-
tungen, Versuchen und Forschungen dar. Sind erst Data
genug gesammelt, so wird die Statik des Landbaues einst
auch ihren Euklid finden.
Aus den Entdeckungen in der Chemie, und namentlich
aus den verdienstvollen Untersuchungen des Herrn Professors
Sprengel hat sich ergeben, daß in allen Pflanzen mineralische
Stoffe, wie KaLk, Kali, Schwefelsäure, Talkerde u. m. a. ent- 71
halten sind, daß diese Stoffe als Nahrungsmittel der Pflanzen
— 78 —
zu betrachten sind, und daß der Acker in sehr vielen Fällen
durch Zuführung dieser Mineralien fruchtbarer wird.
Auch in der praktischen Landwirtschaft hat sich dies
durch die große Wirkung des Mergels, des Gipses und
naehrerer anderer mineralischen Stoffe vollkommen bestätigt.
In der Statik betrachten wir dagegen mit Herrn v. "Wulffen
die Erde nur als die Werkstatt zur Bereitung der Pflanzen-
nahruug, die Reste abgestorbener animalischer und vegetabi-
lischer Substanzen aber als die wesentliche Quelle der Er-
nährung der Pflanzen.
Erde und Humus erscheinen hier also gewissermaßen
als Gegensätze. Durch die chemischen Untersuchungen ist
nun aber die Scheidewand zwischen beiden gefallen, und
das Gebäude der Statik scheint dadurch in seinen Grund-
vesten erschüttert zu sein. Man ist sogar geneigt, nicht
bloß die Existenz der Statik, sondern selbst die Möglichkeit
derselben abzuleugnen.
Ein so ernster Vorwurf bedarf der Prüfung seiner Richtig-
keit; und ich erlaube mir deshalb, meine Erfahrungen über
die Bedingungen und die Umstände, unter denen die mine-
ralischen DünguDgsmittel eine große Wii'kung zeigen, so
wie meine aus diesen Erfahrungen entsprungenen Ansichten
mitzuteilen.
Auf dem Gute T. habe ich die Erfahrung gemacht, daß
der Mergel auf trocknem Sand, auf rohem Lehmboden, und
auf dem , seit Jahrhunderten kultivierten , reichen und kräf-
tigen Boden in der Nähe des Hofes wenig oder gar keine
Wirkung äußerte, während auf dem feuchten Mittelboden,
wo Sauerampfer (Rumex) wuchs, die Wirkung des
72 Mergels enorm war, so daß die Ernten dadurch um 30 bis
40 *^/o gesteigert wurden. Diese Erfahrung, verbunden mit
der Wahrnehmung, daß nach dem richtig vollführten Mergeln
der Saucramj)fer gänzlich vom Acker verschwindet, führten
lüich schon j ehe Sjli'engels Untersuchungen bekannt waren,
— 79 —
auf den Gedanken, daß die Wirknag des ]\lergels von der
Gegenwart einer Säure im Boden abhängig sei, und ich habe
diese Ansicht bereits im Jahre 1829 (in den mecM, landw.
Annalen, Jahrg. 16) ausgesprochen.
Diese Ansicht veranlaßte den, leider zu früh verstorbenen
Herrn Schröder zu Quitzenow zu einer Reihe von Unter-
suchungen auf verschiedenen Feldern, welche in den meck-
lenb. landw. Annalen, Jahrg. IG, S. 520, mitgeteilt sind.
Beim Eintauchen des Lackmuspapiers in die zu einem
Brei erweichte Erde ergaben sich ihm folgende Resultate:
Reicher Boden in der Nähe des Hofes rötete das Lack-
muspapier nur schwach ; mit dem abnehmenden Bodenreich-
tum in größerer Entfernung vom Hofe nahm die Rötung
sukzessive zu und wurde sehr stark auf einem Acker, der
früher zur beständigen Weide gelegen hatte ; auf gemergeltem
Acker und auch auf Feldern , wo der Mergel die Wirkung
versagte, änderte sich die Farbe des Papiers wenig oder
gar nicht.
Hier zeigte sich, daß die Größe der Wirkung des Mergels
mit dem Grad der Rötung des Lackmuspapiers, also mit
dem größeren oder geringereu Gehalt des Bodens an Säure
im Verhältnis stand, und daß der Erfolg des Mergeins im
voraus aus dem Verhalten des Bodens gegen das Lackmus-
papier erkannt werden könne.
Bei ferner fortgesetzten A^ersuchen fand Herr Schröder,
daß ein Zusatz von Mergel zu der Erde, welche das Lack-
muspapier rot gefärbt hatte, die blaue Farbe des Lackmus-
papiers wiederherstellte, und daß ein Zusatz von Mist das
gerötete Lackmuspapier ebenfalls, wenn auch im schwächeren 73
Grade als der Mergel, wieder blau färbte. Der Mist von
Schafen stand in dieser Beziehung dem Mergel am nächsten ;
diesem folgte der Pferde- und dann der Rindviehdung.
Er folgt hieraus das wichtige Resultat, daß der Mist,
vorzüglich aber der Schafmist, die im Boden befindliche
— 80 —
Säure neutralisiert — woraus sich dann auch die geringe
AVirkung des Mergels auf reichlich gedüngtem Boden erklärt.
Diesen Erfahrungen und Untersuchungen zufolge ist die
Gegenwart einer Säure — wahrscheinlich der Humussäure —
die Bedingung, unter welcher der Kalk sich als Düngungs-
mittel zeigt, und der Kalk ist dann nur das Vehikel, um die
Humussäure in auflösliche Pflanzennahrung zu verwandeln.
Diese aus den Erfahrungen, welche das Mergeln dar-
bietet, geschöpfte Ansicht wird durch die Aufklärungen, die
dieser Gegenstand durch die Untersuchungen des Herrn
Professors Sprengel späterhin erhalten hat, nicht widerlegt,
sondern vielmehr bekräftigt. Denn nach Sprengel ist der
humussaure Kalk ein treffliches Nahrungsmittel für die
Pflanzen, und wird durch die Verbindung mit dem im Mist
enthaltenen Ammoniak leicht löslich, während die Humus-
säure selbst im Wasser sehr schwer löslich ist.
Ein sehr wesentlicher Unterschied zwischen den mine-
ralischen Düngungsmitteln und den animalisch-vegetabilischen
Dungmitteln zeigt sich ferner darin, daß wenn der Boden
von jenen eine gewisse Quantität erhalten hat, ein fernerer
Zusatz desselben Minerals sich auf die Beförderung des
Pflanzenwachstums völlig wirkungslos zeigt, während jeder
fernere Zusatz von animalisch-vegetabilischem Dung eine
immer üppigere — wenn auch nicht immer einträglichere —
Vegetation zur Folge hat.
74 Zu Tellow und auf anderen mecklenburgischen Gütern
hat sich in der Wirkung kein Unterschied gezeigt, wenn
10, 20 oder 40 K. F. Mergel auf die Quadratrute gebracht
wurden. Zwei Mergelarten von 11 "/o und von 30 ^/o Kalkgehalt
in gleicher Stärke nebeneinander gefahren, ließen keinen Unter-
schied im Stande der darauffolgenden Frucht wahrnehmen.
Eine zweite Mergelung zeigt da, wo beim ersten Mergeln
richtig verfahren ist, keine Wirkung — ausgenommen, wenn
der Boden an Nässe leidet, und wieder Sauerampfer erzeugt.
— 81 —
Auch beim Gips zeigt sich eine ähnliclie Erscheiming.
Bei einem zu T. geraachten Versuch konnte zwischen dem,
mit 1/2 U. und dem mit 12 it. Gips pro Quadratrute be-
streuten Klee kein unterschied wahrgenommen werden ; und
auf einer Wiese, die seit 9 Jahren jährlich mit 1/2 fl. Gips
pro Quadratrute bestreut wurde, scheint der Gips alhnählich
seine Wirkung mehr luid mehr zu versagen.
Aber auch diese Erscheinungen finden in der neueren
Chemie ihre Erklärung. Der Gehalt der Pflanzen an mine-
ralischen Stoffen ist sehr gering, und eine kleine dem Boden
erteilte Quantität dieser Stoffe genügt dem Bedürfnis der
Pflanzen auf mehrere Jahre. Bringt man nun von diesen
Stoffen mehr auf den Acker, als zu der chemischen Kon-
stitution der Pflanzen und zur NeutraHsation der im Boden
befindlichen Säuren erforderlich ist, so wird der Rest für
die Vegetation indifi'erent, oder wirkt nur noch physisch,
wie Ton und Sand.
Es gibt aber auch Bodenarten, auf welchen die meisten
mineralischen Düngungsmittel sich erfolglos zeigen*). So
hat z. B. auf dem am Hofe liegenden Acker des Gutes T. 75
der Mergel auf den Höhen gar keine, in den Niederungen
nur eine sehr geringe Wirkung gezeigt; der Gips äußert
hier ebenfalls nur eine geringe Wirkung, während derselbe
auf dem vom Hofe entfernteren Acker mit großem Erfolge
angewandt wird. Auch haben Knochenmehl und Kochsalz
sich bei den damit angestellten Versuchen auf diesem Acker
wie auf dem ganzen Felde bis jetzt wirkungslos gezeigt.
Ein solcher Boden ist nicht durch mineralische Düngungs-
mittel, sondern nur durch verstärkte Mistdüngungen zu einem
höheren Ertrage zu bringen.
*) Ich bemerke jedoch, daß ich die stickstoffhaltigen Körper,
wie Salpetersäure und Ammoniak und deren Verbindungen mit
anderen Stoften nicht zu den mineralischen, sondern zu den or-
ganischen Dungmitteln rechne.
Thünen, Der isolierte Staat. 6
— 82 —
Vorzüglicli ist es der schon lange in Kultur befindliche,
gut entwässerte und reichlich mit Mist gedüngte Boden, auf
welchem die mineralischen Dfingnngsmittel nur einen ge-
ringen, oder auch gar keinen Erfolg äußern.
Nun geht aus den chemischen Analysen selbst hervor,
daß im Mist, d. i. in den mit Streustroh untermischten
Exkrementen des Yiehes, alle mineralischen Stoffe, welche
die Pflanze zu ihrer Konstitution bedarf, schon enthalten
sind. Es ist also auch begreiflich, daß ein nach kurzen
Zeiträumen regelmäßig und reichlich mit Mist gedüngter
Acker keinen Mangel an jenen mineralischen Stoffen hat,
imd daß eine Zuführung derselben sich hier fruchtlos zeigt.
Nach unserer oben gegebenen Definition besteht aber
der Humus aus den Rückständen fiüherer Mistdüngungen,
und es sind folglich im Humus auch alle zur
Ernährung unserer Kulturpflanzen erforder-
lichen mineralischen Stoffe vorhanden.
Wenn aber durch zu häufige Wiederkehr von Kultur-
pflanzen, die vorzugsweise einzelne Bestandteile des Humus
sich aneignen, wenn z. B. durch den Rapsbau der Kali-
gehalt, durch den Kleebau der Gips, durch den Flachsbau
76 der Talkerdegehalt des Humus erschöpft und somit das
normale Verhältnis in den Bestandteilen des Humus auf-
gehoben ist; oder wenn durch langes Dreeschliegen bei
schlechter Entwässerung der Humus versäuert ist; oder
endlich, wenn die im Humus ursprünglich enthaltenen Salze
durch starken Wasserzufluß ausgelaugt und Aveggeschwemmt
sind — dann, aber nach meiner Ansicht auch nur dann,
wird die Zuführung mineralischer Stoffe von großem Erfolge
begleitet sein.
Was in der Statik „Humus" heißt, darf mit dem, was
die Chemiker so benennen, durchaus nicht verwechselt
werden, da diese allen der Yerw^esung unterworfen gewese-
nen organischen Stoffen, ohne Rücksicht auf ihren Ursprung,
— 83 —
den Nameu „H^iwi^is" erteilen. Einen wesentlichen Be-
standteil des Humus bildet die Humnssänre, und diese ist
sowohl im Torf als in dem Mistrückstand enthalten. In
dem Gedeihen unserer Kulturpflanzen macht es aber einen
sehr wesentlichen Unterschied, ob die im Boden enthaltene
Humussäure aus dem Torf oder aus den früheren Mist-
düngungen entsprungen ist, und das Yerhalten der Pflanzen
gegen beide mit einem Namen benannte Säuren zeigt, daß
diese keineswegs identisch sind. Aus diesem Grunde haben
die chemischen Analysen des Bodens über den Gehalt des-
selben an wirklicher Pflanzennahrung uns überall noch keine
Aufklärung gegeben. Es ist deshalb wichtig und vielleicht
sehr folgenreich für die Zukunft, daß nach Herrn Professor
Liebig, die Chemiker es jetzt erkannt haben, daß die Humus-
säure, je nachdem sie aus Torf oder aus Stärke gewonnen,
ist, in ganz verschiedenem Verhältnis aus Kohlenstoff, Wasser-
stoff und Sauerstoff zusammengesetzt ist.
Da nun im Humus — in der statischen Bedeutung — ,
solange derselbe im normalen Zustand ist, schon alle zur
Ernährung der Pflanzen erforderlichen mineralischen Stoffe
enthalten sind, ein fernerer Zusatz dieser Mineralien aber
nur mechanisch und physisch wie die übrige Erde wirkt: so 77
ist die Entgegensetzung von Erde und Humus dadurch auch
gerechtfertigt.
Die Aufgabe der Statik ist: den Verlust an Ertrags-
fähigkeit, den der Boden durch die Ernten erleidet, und den
Zuwachs an Ertragsfähigkeit, den derselbe durch Zuführung
einer gegebenen Quantität Mist erhält, für die verschiedenen
Bodenarten in Zahlen anzugeben.
Der Statik an sich ist es gleichgültig, welche Bestand-
teile des Mistes und des Humus die eigentliche Pflanzen-
nahrung bilden, ob das Wasser, nach v. Helmont, der Kohlen-
stoff nach Hassenfratz, oder, wie die neuere Chemie will,
die im Mist enthaltenen mineralischen Bestandteile die Ur-
6*
— 84 —
Sache der günstigen Ein^Yirkung desselben auf die Vegetation
sind. Die Statik hat es nur mit der Größe der Gesamtwirkung
aller im Mist enthaltenen düngenden Stoffe zu tun. Dadurch
wird sie aber von der Argrikulturchemie völlig unabhängig,
und die durch Beobachlungeu und Yersuche gefundenen
Zalilen für die Wirkung einer gegebenen Quantität Dung
bleiben unverändert, welchen Bestandteil des Mistes man
jetzt oder künftig als den eigentlich nährenden anerkennen mag.
Hätte man nicht eher Landbau treiben wollen, als bis
man darüber einig gewesen, wie und durch welche Bestand-
teile der Mist wirke: so wäre das Menschengeschlecht ver-
hungert. Ebensowenig aber wie der praktische Landbau
darf die Statik ihre Fortbildung bis zur Lösung jener Frage
aufschieben.
Aber die Chemie kann, namentlich in der fruchtbaren
Anwendung, die Herr Professor Sprengel davon auf die
Landwirtschaft gemacht hat, manche Probleme, zu deren
Lösung wir auf dem Wege der bloßen Beobachtung vielleicht
78 Jahrhunderte gebrauchen, auf einmal in ein helles Licht
stellen und dadurch die Statik sehr fördern ; sie kann, wenn
das normale Verhältnis in den Bestandteilen des Humus
gestört ist, uns zeigen, welche Stoffe wir dem Acker zuführen
müssen, um ihn fruchtbarer zu machen und dadurch dem
praktischen Landbau höchst nützlich werden. Kein rationeller
Landwirt kann ferner der Kenntnis der Chemie entbehren.
Der Kohlenstoff bildet der Quantität nach den Haupt-
bestandteil unserer Kulturpflanzen ; auch im Mist und Humus
maclit der Kohlenstoff den hervorragendsten Bestandteil aus ;
der Boden trägt um so üppigere Früchte, je mehr Mist und
folglich auch Kohlenstoff derselbe empfängt; beim fort-
gesetzten Anbau des Bodens nimmt der Ertrag der nach-
einander folgenden Früchte fortsclu'eiteud ab, aber der Boden
— 85 —
erhält seine Fruchtbarkeit wieder, wenn ihm Mist, mithin
auch Kohlenstoff, zugeführt wird.
Aus diesen einfachen Tatsachen hat sich die Meinung
gebildet, daß unsere Kulturgewächse ihren Bedarf an Kohlen-
stoff zum großen Teil aus dem Boden beziehen.
In neuerer Zeit hat aber Herr Professor Liebig in seiner
Schrift „Die organische Chemie" S. 56 folgende Behauptung
aufgestellt :
„Im allgemeinen erschöpft keine Pflanze in ihrem Zu-
„stande der normalen Entwicklung den Boden, in Beziehung
„auf seinen Gehalt an Kohlenstoff; sie macht ihn im Gegen-
„teil reicher daran."
Wenngleich durch diese frappante Behauptung die Statik
des Landbaues nicht gefährdet wird, so Imt die Schrift des
Herrn Professors Liebig doch zu viel Aufsehen erregt, und
der Gegenstand ist für die Lehre von der Ernährung der
Pflanzen zu wichtig, um denselben hier ganz mit Still- 79
schweigen übergehen zu dürfen.
Die obige Behauptung stützt sich hauptsächlich auf
folgende zwei Argumente:
1. Nach Sprengel löst sich ein Teil der Humussäure
in 2500 Teilen Wasser; die Humussäure verbindet sich mit
Alkalien, Kalk und Bittererde und bildet damit (setzt Herr
Professor Liebig hinzu) Verbindungen von gleicher
Löslich keit.
Der Herr Verfasser berechnet dann, wie viele Humus-
säure mit den in der Asche der Pflanze befindlichen al-
kalischen Basen in die Pflanze übergegangen sein kann, und
findet den in dieser Humussäure enthaltenen Kohlenstoff',
verglichen mit dem Kohlenstoffgehalt der Pflanze, ver-
schwindend klein.
Nach Sprengel, auf den der Verfasser sich hier doch
beruft, erfordert aber das humussaure Kali nicht 2500 Teile,
sondern nur ^/2 Teil Wasser zur Lösung.
— 86 —
Aus der unrichtigen Annahme folgt aber unmittelbar
die Wertlosigkeit der darauf gestützten Berechnung.
2. Nach Herrn Professor Liebigs Angabe wachsen auf
einer Fläche von 2500 Quadratmeter (zirka 115 mecklen-
burgische Quadratruten):
a) mit Holz bestanden, jährlich 2650 U. lufttrocknes Holz,
worin 1007 //. Kohlenstoff enthalten sind;
b) mit Roggen besäet, 2580 iL Korn und Stroh, mit einem
Kohlenstoffgehalt mit 1020 U.-^
c) mit Runkelrüben bestellt, 18—20000 U.^ worin ohne
die Blätter 936 iL Kohlenstoff enthalten sind ;
d) auf derselben Fläche Wiese erhält man im Durchschnitt
2500 iL Heu mit 1008 iL Kohlenstoff.
80 2500 Quadratmeter Wiese, Wald, bringen mithin hervor an
Kohlenstoff 1007 //.;
das Kulturland von gleicher Fläche,
Runkelrüben ohne Blätter 936 /^.,
Getreide 1020 iL.
Hieran reiht nun der Herr Verfasser folgende Betrach-
tungen und- Schlüsse:
„Wo nimmt, muß man fragen, das Gras in den Wiesen,
„das Holz im Walde seinen Kohlenstoff her, da man ihm
„keinen Dünger, keinen Kohlenstoff zugeführt hat, und woher
„kommt es, daß der Boden, weit entfernt, an Kohlenstoff
„ärmer zu werden, sich jährlich noch verbessert.
„Niemandem wird es in den Sinn kommen , den Ein-
„fluß des Düngers auf die Entwicklung der Kulturgewächse
„zu leugnen, allein mit positiver Gewißheit kann man be-
„haupten , daß er zur Hervorbringung des Kohlenstoffs in
„den Pflanzen nicht gedient, daß er keinen direkten Ein-
„fluß darauf gehabt hat, denn wir linden ja, daß der Kohlen-
„stoff, vom gedüngten Lande hervorgebracht, nicht mehr
„beträgt als der Kohlenstoff des ungedüngten. Die Frage
„nach der Wirkungsweise des Düngers hat mit der nach
— 87 —
„dem Ursprung des Kohlenstoffs nicht das Geringste zu tun.
„Der Kohlenstoff der Vegetabilien muß notwendigerweise
„aus einer anderen Quelle stammen , und da es der Bodea
„nicht ist, der ihn liefert, so kann diese nur die Atmosphäre
„sein."
Der Herr Verfasser der organischen Chemie hat hierbei
aber übersehen, daß eine Wiese, die nie einen Ersatz durch
Bewässerung oder durch Dungzufuhr bekommt, sich nicht
auf dem Ertrage von 2500 it Heu pr. 2500 DMeter erhält,
sondern von Jahr zu Jahr geringere Ernten liefert und im
Beharrungszustande nur noch etwa 1/4 des früheren Ertrags
bringt.
Diese Abnahme des Ertrags an Heu, und damit auch 81
an Kohlenstoff im gewonnenen Heu, kann, da die Atmo-
späre immer dieselbe Fülle von kohlensaurem
Gas darbietet, nur daher rühren, daß die späteren Gras-
ernten weniger Kohlenstoff aus dem Boden aufnehmen, weil
die früheren Ernten einen Teil des Kohlenstoffgehalts des
Bodens hinweggenommen und zu ihrer Nahrung verwandt
haben.
"Was der Herr Verfasser als Grundlage für die Richtig-
keit seiner Behauptung aufstellt, dient also gerade zum Be-
weis für das Gegenteil.
Daß übrigens das Verhältnis, in welchem die Pflanzen
den erforderlichen Kohlenstoff aus der Atmosphäre und aus
dem Boden nehmen, bei Gewächsen von verschiedenen
Gattungen gar sehr verschieden, anders bei den Bäumen als
bei den Halmfrüchten und wiederum anders bei den Schoten-
gewächsen ist — dies ist in der Statik, wie in der praktischen
Landwirtschaft längst bekannt und anerkannt. Die Ermitte-
lung dieses Verhältnisses ist gerade eine der wichtigsten,
aber auch schwierigsten Aufgaben der Statik.
— 88 —
Seit der Bearbeitung der Isteü Auflage dieser Schrift
sind jetzt 16 Jahre verflossen, und es kann nicht fehlen,
daß meine Ansichten in der so jungen Wissenschaft, der
Statik des Landbaues, bei unausgesetzten, sorgfältigen Be-
obachtungen sich seitdem weiter ausgebildet und in manchen
Punkten geändert haben, wie sich auch schon aus dem Vor-
hergehenden ergibt. Da ich nun aber nicht die Zeit daran
wenden kann, welche erforderlich wäre, um alle in dieser
Schrift vorkommenden, auf statische Sätze sich gründenden
Berechnungen neu zu formieren, so hätte diese 2te Auflage
82 ganz unterbleiben müssen, wenn aus meinen jetzigen An-
sichten wesentlich veränderte Resultate hervorgingen.
Glücklicherweise aber kommen in dieser Schrift die
schwierigsten und am wenigsten festgestellten Sätze der
Statik über das Verhältnis zwischen Reichtum und Ertrag
bei verschiedenen Stufen des Reichtums und über die
Änderung der Tätigkeit und Qualität mit der Änderung der
Bodenart hier gar nicht zur Sprache, indem in dieser Schrift
immer nur von einem und demselben Boden, der in bezug
auf seinen Reichtum im beharrenden Zustande ist, und der
überall nach reiner Brache 8 Körner liefert, die Rede ist.
Zwar ist hier vielfach derselbe Boden auf verschiedenen
Stufen des Ertrages in Betracht gezogen, aber von dem
diesen Ertragsstufen entsprechenden Bodenreichtum ist dann
nicht die Rede, und man kann den Reichtum des Bodens,
der mehr oder weniger als 8 Körner liefej't, überall = x
setzen oder als unbekannt annehmen, ohne daß sich dadurch
im Resultat etwas ändert. Nur in den statischen Tableaux
über den Reichtum des Bodens in den verschiedenen Wirt-
schaftssystemen findet hiervon eine Abweichung statt. Unseren
Berechnungen liegt der aus der Erfahrung entnommene Satz
zu Grunde, daß auf dem Gersteboden von 8 Körnern Er-
trag die relative Aussaugung ^5 und der Reichtum 400° in
1000 DR. beträgt. Nun sind aber die Tableaux nicht für
— 89 —
Boden von 8, sondern von 10 Körnern Ertrag berechnet,
und der Eeichtum desselben zu 500^, also im direkten Yer-
Mltnis mit dem Ertrage stehend, angenommen, was nach
meiner jetzigen Ansicht nicht richtig ist. Da aber diese
Tableanx nur zur Vergleichung dienen, von dem Er-
trage von 8 Körnern als Angelpunkt ausgehen und auch
Avieder darauf zurückgehen, so hat dies keine weitere Folge.
Die Substituierung von Tableaux für 8 Körner Ertrag 83
und 400*^ Eeichtum wäre leicht gewesen , hätte aber im
Verfolg der Schrift eine Menge Korrekturen erfordert, ohne
die Resultate der Untersuchung zu ändern.
Meine späteren Erfahrungen haben mich, auch in dem
Teil der Statik, der in dieser Schrift zur Anwendung kommt,
zu einigen Änderungen in den Zahlenverhältnissen geführt;
aber diese Änderungen sind nicht von der Art, daß dadurch
die Richtigkeit der in Worten ausgesprochenen Endresultate
dieser Untersuchung erschüttert wird.
Dagegen haben meine später gesammelten Erfahrungen
über den Ertrag und die Aussaugung des Rapses Resultate
gegeben, die von meinen früheren Annahmen sehr abweichend
sind. Das Kapitel über den Rapsbau ist deshalb ganz um-
gearbeitet.
Um den Lesern eine Übersicht meiner späteren statischen
Ansätze zu geben und zugleich die Form meiner Berechnung
darzulegen, habe ich am Schluß dieses Buches im Anhang
sub. Nr. 1 ein, in neuester Zeit entworfenes statisches Tableaux
von der 10 schlägigen Wirtschaft, welche jetzt zu Tellow auf
der dem Hofe zunächst liegenden Hälfte des Acker eingeführt
ist, mitgeteilt.
90 —
In welchem Verhältnis mufs bei der
Dreifelderwirtschaft Acker und Weide gegen-
einander stehen, wenn der Acker sich in gleicher
Dungkraft erhalten soll?
Die Dreifelderwirtschaft, deren Reiclitiam zu Anfang des
Umlaufs 500° war, hatte am Ende desselben noch 442,2°
Reichtum und verliert also in einem Umlaufe 57,8°.
84 Ein Fuder Dung ist gleich 3,2°; zu 57,8° gehören also
o7 8
-— ^ = 18 Fuder Dung, und eines solchen jährlichen Zu-
schusses bedarf die Dreifelderwirtschaft, wenn sie in gleicher
Dungkraft bleiben soll.
Wenn nun dieser Dungzuschuß allein aus der mit dem
Acker vei'bundenen Weide hervorgehen soll, so fragt es sich,
wieviele Quadratruten Weide erforderlich sind, um 18 Fuder
Dung für das Ackerland zu liefern.
Da diese Weide nie aufgebrochen und verjüngt wird,
so ist sie viel schlechter als die Weide in der Koppelwirt-
schaft und steht in der Produktivität zu letzterer ungefähr
in dem Verhältais von 2:3; weshalb eine Kuh , oder eine
dafür zu substituierende Zahl Schafe, anstatt 270 DR- hier
405 DR- zur Weide bedarf. In der Koppelwirtschaft er-
zeugen 1000 DR- Weide 10,i Fuder Dung, hier aber, weil
die Dungerzeugung mit der Grasproduktion im Verhältnis
steht, nur 2/3 dieses Quantums, also 2/3 X 10,i = 6^/4 Fuder.
Wird nun die Weide durcli Schafe genutzt, so kann die
Hälfte des Düngers, den die Weide gibt, für das Ackerland
gewonnen werden, wenn die Schafe des Nachts auf der
Bi'aohe in Hürden liegen. Unter diesen Bedingungen geben
— 91 —
1000 QR. Weide ß'^/4 X V2 = 3'^/s Fuder Dung für das
Ackerland ab.
Der Dungbedarf des Ackerlandes ist 18 Fuder; um
18
diese zu gewinnen werden erfordert ^ X 1000 QR- =
5333 DR. Weide.
Wenn also die 3 F. W. sich in sich selbst erhalten soll,
so müssen 3000 GR. Ackerland mit 5333 DR. Weide ver-
bunden sein ; oder von 8333 DR. muß der Acker 3000 DR.,
die Weide 5333 DR. betragen.
Für eine Fläche von 100 000 DR- wird unter diesem 85
Verhältnis der Acker betragen
8333 : 3000 =: 100000 : |^ X 100000 = 36000 DR.
5333
Die Weide beträgt alsdann '^^ X 100000 = 64000 DR.
Die reine Koppelwirtschaft kann ebensowenig als die
reine 3 F. W. ohne Wiesen bestehen, weil zur Unterhaltung
des Viehes im Winter das Heu unentbehrlich ist, wenn
dies nicht durch eine sehr kostbare Körnerfütterung ersetzt
werden soll.
Der Zweck unserer Untersuchung fordert aber, daß wir
das Ackerland, sowohl in seinem Geldertrage als in seiner
Duugproduktion , für sich allein, also getrennt von den
Wiesen betrachten, und es fragt sich nun, wie aus dem
Reinertrage eines aus Acker und Wiesen zusammengesetzten
Guts der Reinertrag und die Duugproduktion jedes dieser
beiden Gegenstände gefunden werden kann.
Der Wert des Heues zerfällt in zwei Teile: Istens in
seinen Futterwert, und 2tens in den Wert, den der aus
der Verfütterung des Heues erfolgende Dung hat.
Der Futterwert des Heues läßt sich aus der reinen
Nutzung, den das Milchvieh und die Schafe geben, be-
rechnen.
— 92 —
Den Dangwert des Heues habe ich nach folgendem
Prinzip bestimmt:
Man denke sicli das zu einem Gute gehörende Aclcer-
land, von gleicher Güte und gleichem Reichtum in zwei Ab-
schnitte geteilt. Der erste Abschnitt erhalte den sämtlichen
aus den Wiesen erfolgenden Dungzuschuß und liege in einer
Koppelwirtschaft mit einer verhältnismäßig so gi'oßen Korn-
aussaat, daß sie sich mit Hilfe des Dungzuschusses nur ge-
rade in gleicher Dungkraft erhält. Der zweite Abschnitt
liege in einer Koppelwirtschaft, bei welcher das Verhältnis
86 der Korn Saaten zu den Weidenschlägen von der Art ist, daß
sie sich in und durch sich selbst in derselben Dungkraft,
worin sie einmal ist, erhält. Der höhere reine Geldertrag
des ersten Abschnittes von gleicher Fläche ist dann allein
dem Dungzuschuß beizumessen, und aus der Größe dieses
Zuschusses, verglichen mit dem Geldüberschuß, ergibt sich
dann der Geldwert eines Fuders Dung.
Die Statik liefert die Data zu einer solchen Berechnung.
Wie aber das Verhältnis zwischen Acker und Weide in
der 3 F. W. verändert wird, wenn das Ackerland einen
Teil seines Dungbedarfs von den Wiesen erhält, mag folgen-
des Beispiel zeigen:
Gesetzt mit der Fläche von 100000 DR. Acker und
Weide seien Wiesen verbunden, deren jährlicher Ertrag
100 Fuder Heu ä 1800 ü. ausmache.
Ein Fuder Heu von 1800 //. liefert durch Verfütterung
-rT=r- — 2,07 Fuder Dung; durch 100 Fuder Heu erhält das
8<0 ' *'
Ackerland einen Zuschuß von 207 Fuder Dung.
Eine Ackerfläche von 300(1 DH- bedarf eines jährlichen
Zuschusses von 18 Fuder Dung; 207 Fuder reichen also hin
207
für ^g - X 3000 ^ 34 500 Gß- Ackerland. Zieht man
diese 34500 DR. von der ganzen Fläche = 100000 QR.
I
— 93 —
ab, so bleiben nocli 65 500 DR-, tlie keinen weiteren Znschul^
erhalten können, nnd die sich in sich selbst erhalten müssen.
Unter dieser Bedingung beträgt aber das Ackerland, wie wir
36
oben gefunden haben, -zr~-r der ganzen Fläche, und die Weide
-r— derselben, welches für eine Fläche von 65500 QR.
an Acker 65 500 X -tkq = 23 580 DR-, mid an Weide 87
64
65500 X ^^ = ^1920 DR. ergibt.
Es beträgt demnach
1. das Ackerland, was sich durch den Dung-
zuschuß aus den Wiesen erhält .... 34500 DR-
2. das Ackerland, was seinen Dungbedarf von
der Weide erhält . . 23 580 DR.
Summe des Ackers 58080 DR.
3. die Weide 41920 DR.
Auf Acker von einem niedrigeren Körnerertrag reicht der-
selbe Dungzuschuß für eine größere Ackerfläche hin.
§ 9.
Wie verhält sich der Körnerertrag des Roggens
in der Koppelwirtschaft zu dem in der Dreifelder-
wirtschaft, wenn die Ackerflächen, auf denen
beide Wirtschaftsarten betrieben werden, im
ganzen gleichen Reichtum an Pflanzen-
nahrung enthalten?
Wenn man eine 3 F. W, in eine siebenschlägige Koppel-
wirtschaft umlegt, so wii'd nun die ganze auf dem Hofe befind-
liche Dangmasse auf den Tten Teil des Feldes gebracht, anstatt
daß sie bisher auf den 3ten Teil dieses Feldes verteilt wurde.
— 94 —
Aus diesem Grunde muß also der ßoggeu schon im
ersten Jahre nach der Umlegung einen höheren Ertrag geben
als früher in der 3 F. W. ; aber dieser erhöhte Ertrag be-
weist keineswegs einen erhöhten Reichtum des ganzen Fel-
des — welcher im ersten Jahre noch gar keine Veränderung
erlitten haben kann — , sondern rührt bloß von der größereu
Konzentrieruug des Dungs auf einen Teil des Feldes her.
Wir dürfen also durchaus nicht Koppel- und Dreifelder-
88 wirtschaften , die einen gleichen Körnerertrag im Roggen
geben, miteinander vergleichen; sondern wir müssen aus-
mitteln, wie bei gleichem Reichtum beider Ackerflächen der
Körnerertrag sich gegeneinander verhalte.
Der Reichtum des ganzen Feldes ergibt sich aus der
Summe des Reichtums der einzelnen Schläge. Während des
Sommers ist die im Boden befindliche Quantität Ptlanzen-
nahrung einer steten Veränderung unterworfen, indem durch
den Pflanzen Wachstum auf den Geti-eidefeldern eine stete
Aussaugung, auf den "Weideschlägen eine fortgehende Dung-
erzeugung bewirkt wird. Wir wählen deshalb den Frühling
zum Zeitpunkt der Betrachtung, wo die Vegetation noch
nicht begonnen hat, und alle Schläge noch den Grad von
Reichtum haben, der für ihren Ertrag die Norm abgibt.
Um verschiedene Wirtschaftssysteme in dieser Beziehung
miteinander vergleichen zu können, müssen wir, außer dem
im Acker wirklich befindlichen Reichtum, auch noch den
auf dem Hofe befindlichen, aus der Ernte des vorigen Jahrs
erzeugten oder noch zu erzeugenden Dung in die Rechnung
mit aufnehmen. Denn wenn in dem einen Wirtschafts-
system der Dang schon im Frühjahr, in dem anderen erst
nach vollendeter Saatbestellung abgefahren wird, und man
nun bloß auf den im Acker befindlichen Reichtum Rücksicht
nähme: so würde dies nicht zu der Übersicht führen, wie-
viel Reichtum im ganzen zur Hervorbringung einer gegebenen
Ernte erforderlich ist. Die letztere Wirtschaft kanu nämlich
— 95 —
ohne das auf dem Hofe befindliche Dungkapital den ange-
nommenen Ertrag nicht liefern.
Die Data zu einer solchen Berechnung können wir aus
den in § 7 mitgeteilten Tabellen über den Fruchtbarkeits-
zustand der K. W. und der 3 F. W. entnehmen. Nur ist 89
noch zu bemerken, daß, da wir in der K. W. Weidegang
voraussetzen, der durch die Weide erzeugte Dung auf dem
Felde selbst bleibt und nicht nach dem Hofe kommt; da nun
die Dungerzeugung eines Weideschlages lU,i Fuder beträgt,
so wird der Reichtum dieses Schlages mit jedem Jahr um
10,1 X 3,2» = 32,30 erhöht.
Reichtum einer siebeDsclilägigen Koppelwirtschaft
beim Ertrage von 10 Körnern.
Grade.
Ister Schlag. Roggen enthält 500°
2ter Schlag. Gerste 400»
3ter Schlag. Hafer 325«
4ter Schlag. Weide 265»
5ter Schlag. Weide 297,3"
6ter Schlag. Weide 329,60
7ter Schlag. Brache 361,9^'
Düngung aus dem Stroh 41,4 Fuder a 3,2° .... 132,5°
In 7000 DR. sind enthalten . 2611,3°
dies macht auf 1000 DR 373°
Reichtum einer Dreifelderwirtschaft beim Ertrage
von 10 Körnern.
Grade.
Istes Feld. Roggen 500°
2tes Feld. Gerste . 400°
3tes Feld. Brache 325°
Düngung aus dem Stroh 32^/2 Fuder a 3,2° .... 104°
3000 DR. enthalten . . 1329°
dies macht auf 1000 DR 443°
— 96 —
Um einen Körnerertrag = 10 im Roggen hervorzu-
bringen, bedarf die Dreifelderwirtschaft in 1000 DR. Acker
eines Reichtums von 443°, während in der Koppelwirtschaft
90 ein Reichtum von 373° dazu hinreicht. Der Reichtum von
373° in 1000 GR. würde dagegen in der Dreifelderwirtschaft
nur 8,4 Körner hervorbringen ; denn
443° : 373° = 10 : ^ X 10 = 8,4.
443 '
Derselbe Acker, welcher in der 3 F. W. einen Ertrag
von 8,4 Körnern gab, wird also nach der ümlegung in eine
sieben schlägige K. W. einen Ertrag von lii Körnern liefern,
ohne daß der Reichtum des Feldes im ganzen erhöht wäre;
oder, die Koppelwirtschaft von 10 Körnern und die Drei-
felderwirtschaft von 8.4 Körnern Ertrag stehen auf gleicher
Stufe des Reichtums.
Reichtum einer sechssclilägigen Fruchtwechselwirt-
schaft, wenn der Kartoffelschlag und der Roggen-
schlag nach Wicken jeder 500" enthalten.
Grade.
Ister Schlag. Kartoffeln 500°
2ter Schlag. Gerste 400°
3ter Schlag. Mähklee 325°
4ter Schlag. Roggen 299°
oter Schlag. "NVicken zu Grünfutter, nach der
Düngung 525°
6ter Schlag. Roggen 500°
0000 DR. enthalten . 2549°
dies macht für lOOO CJR 425"
Die F. AV. W. kann fast sämtlichen aus der Ernte des
vorigen Jahrs hervorgegangenen Dung im Frühjahr zu Kar-
toffeln und Wicken verwenden. Aus diesem Grunde ist hier
auch für den auf dem Hofe befindlichen Dung nichts in
Rechnung gebracht.
— 97 —
"Wenn jemand den Geldertrag einer F. W. W. (Frucht- 91
Wechsel Wirtschaft) mit dem einer K. W. vergleicht und für
beide Wirtschaftsarten denselben Körnerertrag in Roggen
annimmt: so berechnet er in der ersten Wirtschaft den
Ertrag eines Ackers von 425*' und in der zweiten den von
373*^ mittlerem Reichtum.
Die Nichtbeachtung dieses Umstandes gibt zu sehr ge-
fährlichen Irrtümern Anlaß.
Bei der Vergleichung zweier Wirtschaftssysteme muß
man unstreitig Acker von gleichem Reichtum zu gründe
legen. Nun verhält sich in der K. W. der mittlere Reich-
tum zu dem des Roggen Schlages wie 873" zu 500'', in der
F. W. W. aber wie 425° zu 500*^. Für einen Acker von
373° mittlerem Reichtum wird der Roggenschlag in der
F. W. W. nur 439° erhalten; denn 425 : 500 = 373 : 439.
Oder, mit anderen Worten, wenn eine K. W. in eine F.
W. W. umgelegt wird, so erhält der Roggenschlag statt
500° jetzt 439° Reichtum, und der Körnerertrag muß schon
aus dieser Ursache von 10 auf 8,s zurücksinken.
§ 10.
Arbeitsersparung in der Dreifelderwirtschaft im
Verhältnis zur Koppelwirtschaft.
Die Berechnung der Arbeitskosten einer Mürbebrache
kann ich nicht, wie bei der Dreeschbrache, aus einer viel-
jährigen , über ein und dasselbe Feld gefiihrten Arbeits-
rechnung entnehmen. Aber ich habe in früheren Jahren von
2 Gütern durch eigene Anschauung und größtenteils durch
eigene Rechnungsführung mir Notizen über das Verhältnis
zwischen den Arbeitskosten einer Mürbebrache und denen
fhünen, Der isolierte Staat. 7
— 98 —
einer Dreeschbrache gesammelt. Auch habe ich späterhin
Gelegenheit gehabt, vergleichende Beobachtungen über diesen
92 Gegenstand anzustellen. Aus jenen Notizen, verbunden mit
diesen vergleichenden Beobachtungen, ist nun nachstehende
Berechnung entsprungen.
N% N2/3
Tlr. Tlr.
Jn der Koppelwirtschaft kostet die Bearbeitung
von 10000 DR. Dreeschbrache — 274,5
Die Bearbeitung einer Mürbebrache
kostet weniger:
1. das Hacken des Dreesches 43
2. das Eggen der Dreeschfähre 17,6
3. das Eggen der Brache kostet statt 24,3 Tlr.
nur 6,5 Tlr., also weniger 17,8
4. das Eggen der Wendfähre statt 21,4 Tlr.
nur 16 Tlr., also weniger 5,4
5. das Aufräumen der Gräben statt 9,3 Tlr.
nur 4,6 Tlr 4,7
Es werden also erspart 88,5
Die Bearbeitung von lOoOO nR. Mürbebrache
kostet demnach 186(2)*).
§ 11-
Über den Einflufs, den die Entfernung des Ackers
vom Hofe auf die Aibeitskosten hat.
In dieser Hinsicht sind die Arbeiten in folgende
4 Klassen zu teilen :
Iste Klasse. Arbeiten, deren Größe ganz von der Ent-
fernung abhängt, z. B. Dungfahren und Einfahren des Kornes.
*) Die eingeklammerten Zahlen beziehen sich auf die am
Schlüsse dieses Bandes hinzugefügten Bemerkungen.
— 99 -^
2te Klasse. Arbeiten, die des Tags ein zweimaliges
Hin- und Hergehen erfordern, die aber durch Regen häufig
unterbrochen werden, z. B. Mähen, Binden und andere 93
Erntearbeiten. Ich nehme an, daß diese Unterbrechung im
Durchschnitt täglich einmal stattfindet, so daß für diese
Klasse der dreifache Zeitverlust, den das Hin- und Zurück-
gehen verursacht, in Rechnung kommt.
3te Klasse. Arbeiten, die ein zweimaliges Hin- und
Zurückgehen erfordern, durch den Regen aber nicht leicht,
wenigstens nicht so häufig als die Erntearbeiten unterbrochen
werden. Dahin gehören Hacken , Eggen , Säen , Graben-
machen usw.
Das Hacken mit Ochsen scheint zwar nicht zu dieser
Klasse zu gehören, da die Hacker des Morgens nach dem
Felde gehen und erst des Abends zurückkehren, also den
Weg nach dem Orte der Arbeit nur einmal des Tags hin-
und zurückraachen. Die Ochsen müssen aber, da sie täglich
3 mal gewechselt werden, den Weg 4 mal zurücklegen, wo-
durch sie bei weiten Entfernungen sehr angegriffen werden.
Man kann deshalb das Hacken füglich mit zu dieser Klasse
rechnen.
4te Klasse. Arbeiten, die auf dem Hofe selbst ge-
schehen , als Dreschen , Dungaufladen , Kornabladen usw.
Diese bleiben immer gleich, die Entfernung des Ackers vom
Hofe mag sein, welche sie wolle.
Die Kosten der Bedüngung des Feldes und das Ein-
holen des Kornes vom Felde gehören zu verschiedenen
Klassen.
Bei der Bedüngung des Feldes gehört die Gespann-
arbeit zur Isten Klasse, das Streuen des Dungs auf dem
Felde zur 3ten, und das Aufladen auf dem Hofe zur 4ten
Klasse der Arbeiten.
Die genauere Berechnung hat ergeben, daß von den
gesamten Kosten der Bedüngung des Feldes
7*
— 100 —
zur Isten Klasse gehören '/lo
3ten „ „ Vio
4 teil ., „ -/lo
94 Von den Arbeiten beim Einbringen des Kornes gehört
die Gespanaarbeit zur Isten Klasse, das Aufstaken und Laden
des Kornes auf dem Felde zur 2ten und das Abstaken und
Tassen oder Bansen zur 4ten Klasse.
Von den in meinen Arbeitsrechnungen unter der Rubrik
„Auf- und Abladen" zusammengefaßten Arbeiten, betragen
die Kosten der Arbeit auf dem Felde fast ganz genau Vs
und die der Arbeit auf dem Hofe -/s des Ganzen.
Die mittlere Entfernung des Ackers vom Hofe beträgt
auf dem Gute T. , welclies bei einer unregelmäßigen Figm-
160000 DRut. Ackerland enthält, circa 210 Ruten.
Wie ändern sich nun die Arbeitskosten,
wenn dieseEntfernung sich ändert, und welcher
Anteil der Arbeitskosten bleibt dann noch, wenn
die Entfernung des Ackers vom Hofe = 0 ist?
Die Arbeitszeit der Leute beträgt hier vom 24 sten März
an bis zum 24 sten Oktober, in welcher Zeit die meisten
Feldarbeiten geschehen, im Durchschnitt Ky-.s Stunden.
Die Arbeiter gebrauchen, nach meiner Beobachtung, zum
Hin- und Zurückgehen von 210 Ruten circa 32 Minuten.
Für die Arbeiten der 2ten Klasse, die ein dreimaliges
Hin- und Zurückgehen erfordern, gehen also täglich 3 X 32
= 96 Minuten für die eigentliche Arbeit verloren, welches
•^/20 der ganzen Arbeitszeit ausmacht.
Von den Arbeiten der 2ten Klasse erfordert das Hin-
und Zurückgehen 2 X 32 = 64 Minuten, und die Arbeits-
zeit wird dadurch um ^/lo verkürzt.
Die Angabe der mittleren Entfernung bezieht sich auf
die Länge der geraden Linie vom Mittelpunkt des Hofes
bis zu dem Punkt, der die mittlere Entfernung repräsentiert.
Wegen der zwischen beiden Punkten liegenden Kornfelder,
— 101 —
Wiesen, oder tiefen Gräben können aber die Arbeiter und
Gespanne nicht die gerade Linie verfolgen, sondern müssen, 95
um von einem Punkt zum anderen zu gelangen, einen mehr
oder minder beträchtlichen Umweg machen. Es ist kaum
möglich, das Verhältnis der Länge der geraden Linie zu der
des Umweges für das ganze Feld im Durchschnitt mit einiger
Genauigkeit anzugeben. Da aber, ohne eine solche Angabe
nur diejenigen Leser, die die Ortlichkeit des Gutes T. kennen,
von diesen Rechnungen eine zutreffende Anwendung auf
andere Güter machen könnten: so muß ich mir hier eine
Schätzung erlauben — und dieser Schätzung zufolge nehme
ich an, daß auf dem Gute T. die Länge der geraden Linie,
wonach die mittlere Entfernung angegeben ist, sich zu der
Länge des wirklich zurückgelegten Weges wie 100 zu 115
verhalte.
Da den hierüber angestellten Beobachtungen zufolge die
Arbeiter zum Hin- und Zurückgehen einer Strecke, welche
in gerader Richtung 210 Ruten beträgt, 32 Minuten ge-
brauchen: so würde daraus folgen, daß der in 32 Mi-
115
nuten zweimal wirklich zurückgelegte Weg 210 X ^Tja =
2411/2 Ruten beträgt.
Bei ähnlichen Figuren von ungleicher Größe stehen
die wirklich zu durchlaufenden Wege im direkten Verhältnis
mit der mittleren Entfernung in beiden Figuren.
Auf einem und demselben Gute ändert sich mit der
Einteilung des Feldes und der Lage der Schläge das Ver-
hältnis zwischen der Länge der geraden Linie und der des
Umweges. Haben die Schläge nicht die Richtung auf den
Hof zu, sondern stoßen sie unter einem rechten Winkel auf
einen das Feld durchschneidenden Weg: so verhält sich,
wenigstens für einen Teil jedes Schlages, die gerade Richtung
zu dem Umweg wie die Länge der Hypothenuse eines recht-
winklichten Dreiecks zu der Länere beider Katheten zu-
— 102 —
96 sammen, für das gleichschenklige Dreieck also wie V 2 : 2 =
1 : y 2, also = 100 : 141.
Bei der Wahl der Schlageinteilung eines Feldes ver-
dient dies Moment eine ernste Berücksichtigung.
Nach den schon öfters angeführten Berechnungen vom
Gute T. betragen auf 70000 DRnt. Acker von 210 Rut.
mittlerer Entfernung, beim Ertrage von 10 Körnern
die Bestellungskosten 569,s Tlr. N-Zs
die Erntekosten . . 499,5 Tlr.
Nach einer speziellen Berechnung, deren Mitteilung hier
zu viel Raum einnehmen würde, gehören
zur
1 steil Kl. 2tenK]. SteiiKl. 4ten Kl.
a) von den Bestelluugs-
kosten 568,3 Tl. l,r. Tl.
davon gehören der Ent-
fernung an ^/lo 0
also • 56,8
b) von den Erntekosten 160,i Tl. 96,s Tl. 13,s 228,s
davon gehören der Ent-
fernung an 1 ^/■20 ^/lo 0
also 160,1 14,5 1,1
Von den Bearbeitungskosten, welche 70000 DR. Acker
in der Entfernung von 210 Ruten vom Hofe und beim Er-
trage von 10 Körnern erfordern, kommen (mit Weglassung
der Brüche)
a) von den Bestellungskosten = 570 Tlr. N-';]
auf die Entfernung vom Hofe 57 Tlr. N-Zs
oder 10 % vom Ganzen;
unabhängig von der Entfer-
nung sind 513 Tlr.
97 b) von den Erntekosten = ,500
— 103 —
auf die Entfernung vom Hofe 176 Tlr.
oder 35,2 "/o vom Ganzen ; un-
abhängig von der Entfernung
sind 324 Tlr.
Die Ernte der hier angegebenen Acker-
fläche liefert nach Abzug der Arbeitskosten
und der allgemeinen Kulturkosten eine
Landrente von 954 Tlr. WIs
Wenn wir nun die durch die Entfer-
nung verursachten Kosten einstweilen bei-
seite setzen, oder was dasselbe ist, die Ent-
fernung r= 0 annehmen, so werden von
den in Ausgabe gebrachten
570 Tlr. Bestellungskosten erspart ... 57 „ ,,
500 Tlr. Erntekosten . . 176 „ „
Bei der Entfernung := 0 wird also
die Landrente betragen 1187 Tlr. Wis
Mit jeden 210 Ruten Entfernung ändert
sich die Landrente um 233 „ „
N2/3
Es ist demnach Tal er
für 0 Entfernung die Landrente 1187
210 Ruten 954
420 „ 721
630 „ 488
840 , 255
1050 „ 22
1070 „ 0
Für Acker von niederem Körnerertrag bleiben die Be-
stellungskosten dieselben, und die Erntekosten nehmen mit
dem Ertrage ab. Dasselbe Verhältnis findet für die Kosten, 98
die die Entfernung des Ackers vom Hofe verursacht, st-itt.
Für einen Ertrag von 9 Körnern gehören der Ent-
fernung an:
104 —
a) von den Bestellungskosten 57 Tlr.
b) von den Erntekosten 176 X '' lo = 158 „
N2,^3
215 Tlr. K2/3
Die Landrente steigt oder fällt also mit jeden 210 Rut.
Entfernung um 215 Taler.
Mit einem Kornertrag vermindern sieh die Kosten
der Entfernung um 18 Tlr. (genauer um 17,6 Tlr.), diese
sind also für den Ertrag von 8 Körnern = 215 — 18
= 197 Tlr.
Hiernacli ist nun folgende Tabelle berechnet:
Die Landrente von 70000 Cß^it. Ackerland beträgt:
bei dem Körnerertrac: von
wenn die Entfernung des
Ackers vom Hofe ist:
0 Entfernung ....
Mit jeden 210 Euten Ent-
fernung ändert sieh die Land-
rente um
210 Euten Entfernung . .
420
443
«30 .,
646 ,,
S13 „
840 „
yo2 „ „
1050 „
1070 .,
10 K.
9 K.
8 K.
7 K.
6 K.
^
^
^
&
c
H
s^
H
1187
975
763
551
339
(233)
954
(215)
760
(197)
566
(179)
372
(161)
178
721
515
369
193
17
0
488
330
172
14
0
255
115
0
—
0
22
0
— 105 —
Zusätze. 99
A. Über die mittlere Entfernung des Ackers vom Hofe.
Der Ausdruck „mittlere Entfernung" bedarf, da er in
einem anderen als dem gewöhnlichen Sinn genommen ist,
einer Erklärung.
Wenn man bei der Bedüngung eines Schlages, der eine
regelmäßige Figur, z. B. ein gleichschenkliges Dreieck bildet,
die Weite des Weges, die die Pferde mit dem Isten, 2ten,
3ten und allen folgenden, bis zur vollendeten Bedüngung
des ganzen Schlages, abgefahrenen Fuder machen, ausmißt,
aufzeichnet und summiert, und dann die so gefundene Summe
diu'ch die Zahl der abgefahrenen Fuder dividiert: so ergibt
sich die mittlere Entfernung, in dem Sinne wie wir diese
hier genommen haben. Mmmt man nun auf einer Linie,
die den Schlag, in der Richtung vom Hofe nach der Grenze
zu, in zwei gleiche Teile teilt, einen Punkt, der so weit vom
Hofe entfernt ist, als die gefundene mittlere Entfernung
ausweist: so ist dieser Punkt gleichsam der Repräsentant
für die Entfernung aller Teile des ganzen Schlages, und es
würde in Hinsicht der Weite des beim Dungfahren zu
machenden Weges ganz gleichgültig sein, ob man den Dung
nach allen Teilen des Schlages führe, oder ob man allen
Dung nach diesem Punkte auf einen Haufen brächte.
Einfacher wird die Aufgabe noch, wenn man für das
Mergelfahren, statt -des Dungfahrens die mittlere Entfernung
sucht. Man kann sich dann das zu befahrende Feld, welches
aber regelmäßig, z. B. ein rechtwinkliges Viereck sein muß,
in lauter kleine Quadrate geteilt denken, wo'auf jeden Durch-
schnittspunkt eine Karre Mergel kommt. Die Summe aller
Entfernungen, von jedem einzelnen Durchschnittspunkt bis
zu einer Ecke des Vierecks (der Mergelgrube) dividiert durch
106 —
die Zahl der Durclischuittspunkte , gibt dann die mittlere
100 Entfernung.
Soviel ich weiß, ist die Mathematik auf die Ausmitte-
luDg der mittleren Entfernung in dem angegebenen Sinn
noch nicht angewandt, und bis jetzt keine Formel dafür ge-
funden. Meine vieljährigen Bemühungen, eine solche Formel
darzustellen, sind sehr lange fruchtlos gebliehen, und noch
in der 1 sten Auflage dieser Schrift mußte ich erklären, daß
ich kein allgemeines Gesetz für die Bestimmung der mittleren
Entfernung habe finden können.
Durch diese Erklärung ist Herr Wirtschaftsrat Seidl
veranlaßt worden, sich mit der Lösung dieser Aufgabe zu
beschäftigen, und derselbe findet (Ökonomische Neuigkeiten,
Jahrgang 1829, Stück Nr. 4)
für das rechtwinklige Dreieck ABC
dessen Grundlinie AB = r, Höhe
= X ist, die mittlere Entfernung
aller Punkte des Dreiecks von dem
Scheitelpunkte A =
2/3-
A
B
Nach meiner durch das Urteil
eines ausgezeichneten Mathematikers
bestätigten Ansicht hat aber Herr Seidl die Richtigkeit seines
Verfahrens bei der Auffindung dieser Formel nicht erwiesen.
Herr Wirschaftsrat Seidl summiert nämlich, vermittels
der Integralrechnung, in dem Ausdruck ] (a~ -f" J") "^^i®
Glieder der aus dem wachsenden y entstehenden Reihe, wo
doch jedes Glied wieder unter dem Wurzelzeichen steht,
ebenso, als wenn das Wurzelzeichen gar nicht vorhanden
wäre — welches nicht zulässig ist.
101 Indessen wurde ich durch Herrn Seidls mich nicht
befriedigende Lösung der Aufgabe zu erneuerten Unter-
sucliungen fortgerissen, und vor einigen Jahren gelang es
I
— 107
mir endlich, das lange ersehnte Ziel zu erreichen und eine
Formel aufzufinden, deren Richtigkeit mit mathematischer
Schärfe zu erweisen ist.
Die Darstellung der Methode, wodurch diese Formel
gefunden ist, und die Ausführung des Beweises würden aber
an dieser Stelle zu viel Eaum einnehmen, und den Haupt-
gegenstand dieses Buches zu lange unterbrechen; ich muß
deshalb diese Mitteilung für den 2ten Teil dieses Werkes
versparen und mich hier auf die Darlegung des Resultates
der Untersuchung beschränken.
Für das 2-echtwinklige Dreieck ABC, wo die Grund-
linie = r, die Höhe = x, ist die mittlere Entfernung aller
Punkte des Dreiecks vom Scheitelpunkt A
Für r := 1 ist diese Formel
1/3
i;3 1 (1 4- x2) + 3^ lg. nat. (X + V(l + ^'))-
Die Seidische Formel ist füi' r = 1,
2/3 V(l -f 1/3 x2).
Yergleichung des Ergebnisses beider Formeln.
Für r = 1 beträgt die mittlere Entfernung
Nach
Hr. Seidls
Formel
Nach
meiner
Formel
Differenz
zwischen
beiden
0,6939
0,6935
0,0004
0,7698
0,7652
0,0046
7,7268
6,7365
0,9903
für X = 1/2
X = 1
X = 20
Wir sehen aus diesen Beispielen, daß die Seidische
Formel für Dreiecke, deren Höhe nicht größer als die Grund- 102
linie ist, sehr wenig — für die Dreiecke, deren Höhe die
Grundlinie vielfach übersteigt, aber sehr bedeutend von
unserer Formel abweicht. So beträgt für x = 1 die Ab-
— 108 —
Aveichuug mar •'/lo "o, für x = V2 gar uur 'Vioo '^/o, für x ==
20 dagegen 14,t ^/o
Obgleich Hrn. Seidls Formel auf mathematische Eich-
tigkeit keinen Anspruch machen darf, so vei'liert sie dadurch
doch für manche Fälle nicht die praktische Brauchbarkeit.
Denn da, wo es auf die letzte Genauigkeit nicht ankommt,
kann sie für Dreiecke, deren Höhe die Länge der Grund-
linie nicht übersteigt, ohne erheblichen Irrtum augewandt
werden; und sie hat dann vor der von mir aufgestellten
Formel den Vorzug, daß die Eechnung in Zahlen nach der-
selben viel einfacher und bequemer ist, als nach der mei-
nigen, bei welcher man stets logarithmische Tafeln zu Hilfe
nehmen muß.
Die Seidische Formel bleibt also, nachdem wir den
Grad ihrer Genauigkeit für jeden speziellen Fall ermitteln
können, ein willkommenes Geschenk für die praktische Land-
wirtschaft.
B. Über die Lage der Höfe in Mecklenburg.
Wenn mau die Lage der Höfe auf den meisten Gütern
in Mecklenburg und Vorpommern betrachtet: so muß man
über die Widersinnigkeit der Anlage erstaunen.
Sichtlich tragen sie die Spuren ihrer ersten Entstehung
noch an sich und sind als historische Denkmäler der ersten
Ansiedelungen zu betrachten. "Wo ein See, ein Fluß, ein
Bach ist, da lehnen sich die Höfe daran, und aller Acker
liegt in einer oft unabsehbaren Strecke an einer Seite des
Hofes. Der erste Kultivator einer wilden und bisher öden
Gegend hatte ganz recht, wenn er seinen Wohnsitz an einem
See, Fluß oder Bach aufschlug, weil er sich dadurch das
erste und notwendigste Bedürfnis, das Wasser, auf die min-
103 dest kostbarste Weise verschaffte, und weil er zuerst nur so
wenig Acker in Kultur nahm, daß die Entfernung desselben
— 109 —
vom Hofe höchst imbecleiitend blieb. Als aber in den folgen-
den Jahrhunderten Wohlstand und Bevölkerung stiegen, der
Ackerbau sich ausdehnte, die Viehherden vermehrt wurden —
da trieb der Besitzer des Hofes sein Yieh so weit, bis er
auf ein natürliches Hindernis, einen Bach, einen Morast
usw. stieß, oder bis ein Grenznachbar ihn an der weiteren
Ausbreitung mit Gewalt hinderte. In der neueren Zeit sind
nun selbst diese Viehweiden größtenteils zu Acker gemacht
worden, der aber wegen seiner großen Entfernung häufig
einen negativen Reinertrag gibt.
So sind unsere Güter entstanden und im Laufe der Zeit
verwandelt; aber die Höfe der großen Güter stehen noch
auf derselben Stelle, wo einst der erste Ansiedler seine
Hütte aufschlug.
In Gegenden, wo es keine Flüsse und Seen gibt, ist
zwar die Sache minder schlimm ; aber auch hier laufen
häufig die Gutsgrenzen geschlungen oder mit steten Aus-
und Einbiegungen nebeneinander hin, und zugleich ist es
nicht selten, daß von zwei benachbarten Gütern, der Acker
des einen bis nahe an den Hof des andern reicht, während
dieses Gut sich mit seinem Acker wieder dem Hofe eines
dritten Gutes nähert.
"Wir sind durch unsere vorhergehenden Berechnungen in
den Stand gesetzt, den Verlust, der aus dieser unregelmäßigen
Lage der Höfe entspringt, für einen gegebenen Fall, in
Zahlen auszusprechen, und der Gegenstand ist wichtig genug,
um noch einen Augenblick dabei zu verweilen.
Gesetzt, das Gut A habe ein Stück Acker von 70000
Dßut. ä 8 Körner Ertrag, welches von dem Hofe des Gutes
A 400 Ruten, von dem des benachbarten Gutes B aber nur 104
100 Ruten entfernt ist. Das Gut B besitze dagegen ein
Stück Acker von gleicher Größe und Güte, welches ebenfalls
400 Ruten entfernt ist, dem Hofe des Gutes C aber bis
auf 100 Ruten nahe liegt.
— 110 —
Um wieviel wird nun die Landrente des Gutes B
steigen, wenn es das 400 Ruten entfernte Stück an C
abtritt, und dagegen das 100 Euten entfernte Stück von
A wieder erhalt?
Für das Gut B geben 70000 GRut. Acker a S Körner
Ertrag,
1. auf 100 Ruten Entfernung eine Land-
rente von 763 -f- 197 X ^ = 669 Tlr.
2. auf 400 Ruten Entfernung eine Land-
40< I
rente von 768 -i- 197 X ij^ = 388 „
Durcli den Umtausch gewinnt das Gut B 281 Tlr.
Landreote und an Kapital wert beim Zinsfuß
von 5 '^,0 5620 ,,
Das Gut C gewinnt diu-ch die Erwerbung
von 70000 [jR. Acker, welche nur 100
Ruten vom Hofe entfernt sind,
an Landrente 669 „
an Kapitalwert 13380 „
Durch diese Veränderung gewinnt also
das Gut B an Kapital wert .... 5620 „
das Gut C „ „ . . . . 13380 „
zusammen 19000 Tlr.
das Gut A verliert dagegen, dm*ch die
Abtretung von 70000 QRut. Acker
an Wert 7 760 „
bleiben 11240 „
105 Die drei Güter zusammen haben also bloß durch die
bessere Verteilung des Ackers 11240 Thlr. an Kapitalwert
gewonnen.
Es ist zu bemerken, daß der aus diesem Umtausch des
Grundeigentums hervorgehende Gewinn, nicht wie der Ge-
winn bei einem gewöhnlichen, sogenannten guten Handel,
— 111 —
wo der eine Kontrahent soviel verliert als der andere ge-
winnt, zu betrachten ist; sondern dieser Gewinn ist ein
reiner Zuschuß zum Nationaleinkommen imd zum National-
vermögen.
Bedenkt man nun, daß fast auf keinem Gute die Gebäude
in der Mitte der Feldmark stehen, daß fast jedes Gut durch
Abrundung und Austausch gewinnen kann: so muß man
erstaunen und trauern über die Größe des Kapitals, das für
den Nationalreichtum auf diese Weise ohne irgendeinen Er-
satz verloren geht. Wollte man diesen Verlust an National-
vermögen für Mecklenburg in Geld anschlagen: so würde
bei den niedrigsten Ansätzen die Rechnung doch immer
einige Millionen Taler ergeben.
Aber warum, kann und muß man fragen, sind denn
diese Gutsgrenzen so unveränderlich, unveränderlicher sogar
als die Grenzen der Staaten?
Dem Austausch steht zuerst die Anhänglichkeit an das
bisher besessene Eigentum entgegen. Man überschätzt nur
zu leicht den Wert des Grundstücks, das man schon lange
in Besitz gehabt, oder gar von den Vorfahren ererbt hat,
und an dessen Verbesserung man eigene Mühe und Kosten
verwandt hat. Aber diese Anhänglichkeit im steten Wider-
streit mit der klaren Einsicht und dem wohlverstandenen
Interesse würde doch nicht Generationen und Jahrhunderte
lündurch den Umtausch verhindert haben, wenn nicht andere
reellere Hindernisse mitgewirkt hätten.
Diese finden wir nun genügend in folgendem: 106
1. In der Größe der Abgaben, die in Mecklenburg nicht
bloß beim Verkauf ganzer Güter, sondern auch beim
Verkauf einzelner Gutspeiiinenzien erlegt werden, und
die beim Umtausch sogar doppelt, d. h. von dem Wert
jedes der beiden an einen anderen Besitzer überge-
gangenen Grundstücke, entrichtet werden müssen;
2. in den Kosten, welche die Vermessung des angekauften
— 112 —
oder verkauften Stücks, die Umschreibung im Steuer-
kataster usw. verursacht;
3. in den Schuldverhältnissen der Güter, wodurch näm-
lich kein Stück des Gutes ohne spezielle Einwilligung
aller Gutsgläubiger weder verkauft noch vertauscht
werden kann.
Die hohe Abgabe beim Verkauf ganzer Güter ist der
Eultur des Bodens nicht hinderlich, sondern vielmehr günstig,
indem sie das leichtsinnige Übergehen der Güter von einer
Hand in die andere hemmt und vermindert; aber sicherlich
ist die Abgabe auf den Austausch einzelner Gutsteile höchst
nachteilig für den Nationalwohlstaud.
Da diese Abgabe in Verbindung mit den anderen
Schwierigkeiten stark genug ist, um fast alle Austauschungen
zu verhindern : so würde auch die Aufhebung derselben kein
Opfer sein , oder doch nur ein sehr geringes Defizit in den
Staatsrevenuen hervorbringen. Wollte man auch dieses
Defizit decken: so könnte dies durch eine geringe Erhöhung
der Abgaben beim Verkauf ganzer Güter ohne allen Nach-
teil für die Landeskultur geschehen.
Ob und wie nun aber die dritte, aus den Schuldver-
hältnissen der Güter hervorgehende Schwierigkeit zu ent-
107 fernen sei — darüber wage ich kein Urteil zu fällen. Aber
es ist voraus zu sehen, daß wenn wir, in unserem alt ge-
wordenen "Weltteil, die Fesseln, die die Zeit und das Her-
kommen um uns geschlungen, nicht zu lösen wissen, wir im
Ackerbau und Nationalwohlstand gegen die frisch aufblühen-
den Staaten der neuen Welt gar bald zurückstehen werden.
Auf den Dörfern , wo die Bauern im Dorfe zusammen-
wohnen und ihren Acker nicht zusammenhängend, sondern
Stück um Stück liegen haben , und wo diese Stücke dann
vom Dorf bis zur Feldscheide reichen, da ist der Verlust an
Landrente noch sehr ^'iel größer als bei den schlecht arron-
dierten, aber in großen Flächen zusammenhängenden Gütern.
- 113 —
Diese Dörfer erleiden alle Nachteile der großen Güter, ohne
daß sie irgendeinen ihrer Vorteile genießen. Ein Staat,
der lauter solche Bauerndörfer hätte, könnte nur ein unbe-
deutendes Nationaleinkommen besitzen und würde deshalb
in der Verteidigung gegen einen äußeren Feind höchst ohn-
mächtig sein.
Die Kraft der Menschen und der Zugtiere wird hier
durch ein müßiges Hin- und Hergehen auf dem Felde ver-
schwendet; und wenn sonst eine mit dem Landbau beschäf-
tigte Arbeiterfamilie auf fruchtbarem Boden gar wohl die
Lebensmittel für zwei Familien erzielen kann , so verzehrt
sie hier fast alles wieder, was sie durch ihre Arbeit dem
Boden abgewonnen hat, und sie kann zum Unterhalt der
Stadtbewohner nur sehr wenig an Lebensmitteln abgeben.
Die Abhilfe ist hier aber schwierig, weil der entlegene
Boden dieser Dörfer gewöhnlich so mager ist, daß er die
Kosten des Aufbaues neuer Gebäude nicht bezahlen und
auch keine Familie ernähren würde. — Doch dieser Gegen-
stand gehört nicht weiter zu unserer Untersuchung.
§ 12.
Bestimmung der Landrente der Dreifelder- 108
Wirtschaft.
Da diese Bestimmung sich ganz auf die Berechnungen
stützt, die ich aus den auf dem Gute T. gemachten Er-
fahrungen für eine Koppelwirtschaft entworfen habe: so
finde ich mich veranlaßt, hier zuvor die Resultate dieser
Berechnungen mitzuteilen.
Thünen, Der isolierte Staat.
— 114
Sieben schlägige Koppelwirtschaft auf 70000 CR.
Ackerland, beim Ertrage von 10 Körnern.
Jeder Schlag zu
10000 Ge-
4^ --^
Bestellungs-
kosten
Tlr. N2/3
c
Iß N
+^ in
bJD
oi
r
ister Schla
g Brache
—
274,5
—
—
21,8
—
2ter
Roggen
143.,
2,2
217,6
—
1274
—
3ter
Gerste
122,,
165,0
158.5
—
932,s
—
4ter
Hafer
125,0
125,3
123,,
—
757,8
—
5ter
Weide
18,5
2,8
—
—
109,4
—
6ter
Weide
—
—
—
—
109,4
—
7 ter
Weide
—
—
—
—
109,,
—
Summe
409.,
569,s
499,5
882
3314,6
954
Mit 1 Korn
Ertrag än-
(lern
sich
—
—
59
88,2
331,5
193,3
Für 100 000 DR- Acker
macht dies in Tlr. Gold
626,,
872.,
764,0
1350
5073.4
1460,2
Diese Berechnung ist dieselbe, welche der in § 5 ge-
gebenen Bestimmung der Landrente für die Koppelwirtschaft
zur Grundlage dient.
Die Bearbeitung einer Dreeschbrache kostet
auf 10 000 Gßut 274,-. Tlr. N2;;!
Die Mürbebrache erspart nacli § 1" an
Kosten 88..-) „ „
109 Eine Mürbebrache von Kmkio DR- kostet
also 186 „ „
dies raaclit für 12000 CR 223,2 „ „
Die Bestcllungskosten des Gersteschlags, sowie die
Erntekosten des Roggens und der Gerste sind bei gleicliem
Körnerertrage denen in der Koppelwirtschaft gleicli.
— 115 —
Dreifelderwirtschaft auf 100 000 DR., wovon 12 000 DR.
Brache, 12 000 DR. Roffgen, 12 000 DR. Gerste und
64000 DR. Weide sind, beim Ertrage von
10 Körnern.
+3 -M
CG ^^
CO
PI ü
Bestellungs-
kosten
Tlr. N^
W IN
Allgemeine
Kulturkosten
Tlr. N%
Koher Ertrag
Tlr. N2/3
Tu .
Istes Feld Brache
—
223,,
—
—
43,s
—
2 tes „ Roggen
172,2
2,2
261,1
—
1528,8
—
3 tes „ Gerste
146,s
198,0
190,2
—
1119,1
—
Die Weide 64000 DR-
—
—
—
391*)
—
Summe
319
423,,
451,3
820
3083,0
1069,3
Dies macht in Tlr. Gold 341,« 453,6 483,5 878,6 3303,, 1145,,
§ 13.
Einflufs der Entfernung des Ackers vom Hofe auf
die Arbeitskosten bei der Dreifelderwirtschaft.
Für 36000 DRut. Ackerland betragen nach dem vorigen
§ die Bestellungskosten 423,i Tlr. N-'/s
die Erntekosten 451,:i ,, „
*) Es beträgt nämlich in der Koppelwirtschaft auf 10000 [JR.
1) Die Nutzung der Weide 91„ Tlr.
2) Die Ersparung von Dungfuhren durch den
auf die Weide gefallenen Dung 17,, „
10000 DRiit. Dreesch geben ErtraglÖ9,4 Tlr.
In der i). F. W. fällt die Ersparung an Dungfahren weg,
und die Nutzung der Weide verhält sich zu der in der K. W. wie
2 : 3 bei gleicher Fläche. Diese Nutzung beträgt also auf 10000 D^-
91„ X '/s = 61,1 Tlr. und dies macht für 64000 \JR. 391 Tlr.
8*
110
- 116 —
In Beziehung auf die in § 11 gemachte Klassifikation
gehören zur
Isten Klasse 2ten Kl. 3ten Kl. 4ten Kl.
Tlr. K% Tlr. ^% Tlr. K^j, Tlr. N^/^
a) von den Bestellungs-
kosten — — 324,4 1,2
davon gehören der Ent-
fernung an ... . — — ^/lo —
also — — 42,3 —
b) von den Ernte-
kosten 145,9 86,8 12,3 206,3
davon gehören der Ent-
fernung an ... . 1 2/20 ^,10 0
also 145,9 13 1,2 0
Mit jeden 210 Ruten Entfernung vom
Hofe ändern sich also die Bestellungs-
kosten um 42,3 Tlr. N-^'ö
die Erntekosten um 160,i „ „
zusammen um 202,4 Tlr. N^/g
Bei dem Ertrage von 9 Körnern betragen
die durch die Entfernung hervorgebrach-
ten Bestellungskosten 42,3 Tlr. N"-'/3
Erntekosten 160,i X -'/iö — 144,i „ „
zusammen 186^4 Tlr. Wis
Die Koppelwirtschaft verbreitet ihren Ackerbau über
die ganze ackerbare Fläche ; die Dreifelderwirtschaft benutzt
111 dagegen von einer Fläche von 100000 DR- nur 36000 QR.
als Acker.
Wenn nun in der Koppelwirtschaft für 100000 DR.
Ackerland die mittlere Entfernung vom Hofe 210 Ruten
beträgt, wie groß wird dann in der Dreifelderwirtschaft
die mittlere Entfernung für 36000 DRut. zunächst am Hofe
liegenden Ackers sein.
— 117 —
Bei ähnlicheQ Figuren verhalten sich die mitlleren Ent-
fernungen wie die Quadratwurzeln aus dem Flächeninhalt
der Figuren ;
also )' 100000 : V 36 000 = 210 : x
190
oder 316 : 190 = 210 : ^.^ X 210 = 126.
olb
Bei gleichem Flächeninhalt des Ganzen verhält sich also
die mittlere Entfernung des Ackers in der K. W. zu der in
der D. F. W. wie 210 : 126.
Die Kosten, welche der Entfernung angehören, betragen
in der D. F. W. für 36000 DR. Acker von 10 Körnern
Ertrag 202,4 Tlr. N^/s, wenn die mittlere Entfernung des
Ackers vom Hofe = 210 Ruten ist.
Diese Kosten nehmen in geradem Verhältnis mit der
Entfernung ab oder zu; sie sind also ffir 126 Ruten Ent-
fernung 210 : 126 = 202,4 : ^ X 202,4
= 121,5 Tlr. N-'/3.
Hiervon. betragen die Bestellungskosten 25,5 „ „
die Erntekosten . . 96 ,i ■ i»
Die D. F. W. erspart also dadurch, daß sie bei gleicher
Landfläche ihren Acker soviel näher am Hofe hat, als die
K. W.,
an Bestellungskosten 42,3 — 25,5 = 16,.s Tlr. N-/3II2
an Erntekosteu 160,i — 96 = 64,i „ „
zusammen 80,!t Tlr. N^/s
Für einen Ertrag von 9 Körnern ist
die Ersparung an Bestellungskosten . . 16,8 Tlr. N-/3
an Erntekosten 64,i X -Vio — 57,7 „ „
74,5 Tlr. N2/3
118 —
In der Dreifelderwirtschaft von 10 Körnern
Ertraff waren
Ol .
Bestellungs-
kosten
Tlr. N'^/s
Erntekosten
Tlr. N%
Allgemeine
Kulturkosten
Tlr. N^/s
-es- 1 öS-
Bei 210 Eut. mittlerer
Entfernung
319
423,,
451,,
820
3083,0
1069,3
Bei 126 Rut. mittlerer
Entfernung Averden
erspart
—
16:8
64,1
— —
—
Es bleiben
319
406,„
387,2 820 3083 1150,2
In Taler Gold ai
isgedrückt macht dies
für 10 Körner
341,8
435,6
414,8
878.6
3303,2
1232,,
mit 1 Korn ändert sich
—
—
(41,5)
(87,8)
(330,3)
(201)
für 9 Körner
341,8
435,6
373,3
790,8
2972,9
1031,,
Wenn Aussaat und Rohertrag ganz in Korn — den
Schfl. Roggen zu l,2ai Tlr. Gold gerechnet — die Arbeits-
und allgemeinen Kulturkosten aber zu '^/i in Korn und zu
1/4 in Geld ausgedrückt werden; so entspringt aus dem
Yorstehenden folgende Tabelle, in der die Brüche weg-
gelassen oder ausgeglichen sind.
— 110 —
Dreifelderwirtschaft auf 100000 DR.
113
s ,
^^— ~v
o
bc~5
«'_=!
ai ^
d '-'
d r^
d r-'
cn -^
cd —
CC;^
d^'
53
|r-3
-s^
^ H
-s^
,a rH
-a rH
o
-a CH
T3H
^(^J
^ CO
^ o
CO CO
C/D CO
m-r}(
CO c>a
coo
CO ^<
Cu
o2
§°
5S^
^«
§^
o5
o
IM
J
!Tvl 1
■>— ( •;•
C5 . .
t>- J.
^ . .
«3.. .
(^J . .
■^ .1.
ra -"
'
^-— ^
'
'
'
'
a
,. ^
bl)
03
q:;
«"
d
2 2
o
-a
ü
,a
CO
i
1
1
1
,
1
^r"^
t:
§
O
w
^
d
OJ
(M
^
cc
■SS
b£:5
o
oo
coH
C: OD
•^ -1— f
1
1
1
1
^, ^
bx) o
=C .
=a - .
-a ^H
=a' .
o
bJDO
,a i-
,a_!-|
g;)
o
coH
O —1
CO H
ccH
1
1
1
1
1
1
t: H
—ICO
th'o
;h
Ä
(M T-l
Cd 1—1
OT
H
c^^
"^ — ^
Kß
§2
b£i o
tc
T3 .
=a .
o
-=5 J:|
,
ra t-
1
1
1
1
I
1
_2 O
«H
^S
OJ
ji;
(M ^
(Mt-I
CQ
Ö
Ol
-tj
bjD
=0
=a*
?i
bC
^
-a
o
ü
o
CD
P^
CO
1
m
1
i
1
1
1
1
<
-a
CO
h
-r^
1
a>
CD 1^
S-«
:o
M
a o
:.
^
^
-
p
"
W -^
o
a -ti
Ci
CO
c-
CD
O
-t<
CO
120
114 § 14 a.
Vergleichung der Landrente bei der Koppel-
wirtschaft und der Dreifelderwirtschaft.
Wollen wir die Laudrente, welche diese beiden AVirt-
schaftsarten geben, miteinander vergleichen: so müssen wir
für beide nicht bloß denselben Boden und eine gleiche Land-
fläche, sondern auch einen gleichen mittleren Reichtum des
Ackers zu Grunde legen.
Nun haben wir im § 9 gesehen, daß ein Feld, welches
in der K. W. 10 Körner an Roggen gibt, bei gleichbleibendem
Reichtum in der D. F. W. nur einen Roggenertrag von 8,4
Körnern liefert.
Um zu erfahren, welches AMrtschaftssystem für ein ge-
gebenes Verhältnis am vorteilhaftesten sei, müssen wir also
die Landrente der K. W. von 10 Körnern mit der Land-
rente der D. F. "W. von 8,4 Körnern Ertrag vergleichen.
Nach § 5 ist die Landrente von 100000 DR. Acker
in der Koppelwirtschaft bei
10 Körnern 1710 Schfl. R. ~ 747 Tlr.,
und nach dem vorigen § in
der Dreifelderwirtschaft
bei 8,4 K 1000 „ „ -|- 381 „
Es ist nämlich für 8 Körner
die Landrente .... 928 „ „ ~ 368 „
Mit 1 Korn steigt oder fällt
die Landrente um 181 Seh.
R.-^ 32 Tlr., mit ''10 Korn
also um (181 Schfl. ~ 32
Tlr.) X Vio = 72 „ „ -f- 13 „
für 8*/]o Körner also 1000 Schfl .^T^j^ 381 Tlr.
— 121 —
Die Landrente beträgt demnach 115
a) beim Preise von VI2 Tlr. für den Schfl. Roggen,
in der K. W. 1710 X 1^/2 ^ 747 = 1818 Tlr.
in der D. F. W. 1000 X 1^2 : 381 :r^ 1119 Tlr.
Die K. AV. gibt mehr Landrente 699 Tlr.
b) beim Preise von 1 Tlr. für den Schfl. Roggen,
in der K. W. 1710 X 1 ^ 747 = 963 Tlr.
in der D. F. W. 1000 X 1 : 381 = 619 Tlr.
Die K. W. gibt mehr 344 Tlr.
c) beim Preise von 1/2 Tlr. für den Schfl. Roggen,
in der K. W. 1710 X ^2 ~ 747 = 108 Tlr.
in der D. F. W. 1000 X V2 -^ 381 = 119 Tlr.
Die K. W. gibt weniger 11 Tlr.
Folgerung. Es findet also kein absoluter Vorzug der
Koppelwirtschaft vor der Dreifelderwirtschaft statt; sondern
es wird durch die Getreidepreise bedingt, ob dieses oder
jenes Wirtschaftssystem in der Anwendung vorteilhafter ist.
Sehr niedrige Korupreise führen zur Dreifelder-, höhere
Preise zur Koppelwirtschaft.
Für den Preis des Roggens von 0,437 Tlr. pr. Schfl.
ist die Landrente der Koppelwirtschaft
1710 X 0,437 — 747 = 0 Tlr.
Die Landrente der Dreifelderwirtschaft ist dann
1000 X 0,437 — 381 = 56 Tlr.
Folgerung. Bei einem Kornpreise, der so niedrig ist,
daß in der Koppelwirtschaft die Kosten nicht mehr bezahlt
werden, kann das Land durch die Dreifelderwirtschaft noch
mit Yorteil angebaut werden.
Es muß einen gewissen G-etreidepreis geben, bei welchem
das Land durch K. W. eben so hoch als durch die D. F. W. '
genutzt wird. Diesen Preis findet man, wenn man die
Landrente beider Wirtschaftsarten sich gleich setzt. Z. B. 116
für den Ertrag von 10 Körnern wären
— 122 —
1710 Schfl. R. — 747 Tlr. = 1000 Sclifl. R. — 381 Tlr.
—1000 -[- 747 := 1000 + 747
710 Schtl. Roggen = 366 Tlr.
also 1 Schfl. Roggen = 0,5ig Tlr.
Ist der Roggenpreis höher als 0,5ig Tlr., so ist für
einen Äcker von 10 Körnern Ertrag die Koppelwirtschaft
vorteilhafter; ist der Preis niedriger, so bringt die Drei-
felderwirtschaft einen höheren Reinertrag.
In unserem isolierten Staat, wo der Mittelpreis des
Roggens in der Stadt selbst IV2 Tlr. beträgt, hat nach § 4
der Roggen auf dem Gnte, welches 29.;» Meilen von der
Stadt entfernt liegt, ebenfalls den Wert von 0,5ii; Thlr.
Hätte nun die Ebene des isolierten Staates den Grad
von Fruchtbai-keit , daß sie statt 8 Körner, wie wir an-
genommen haben, 10 Körner trüge: so würde die Koppel-
wirtschaft bis 29,11 Meilen von der Stadt reichen, dort auf-
hören und. der Dreifelderwirtschaft Platz machen.
Bei noch mehr sinkenden Preisen wird aber auch die
Landrente der Dreifeldei'wirtschaft immer geringer, und wir
müssen zuletzt auf einen Punkt kommen, wo sie :=; 0 wird.
Dies findet statt, wenn 1000 Schfl. R. — 381 Tlr. = 0
oder 1000 Schfl. ^R. = 381 Tlr. sind,
also 1 Schfl. 'r. 0,3si Tlr. gilt.
Dieser Preis findet statt auf dem Gute, welches 34,7
Meilen von der Stadt entfernt ist.
Für diesen Grad von Fruchtbarkeit würde also das Land
in der Dreifelderwirtschaft bis auf 34,7 Meilen Entfernung
von der Stadt bebaut werden können, und der konzentrische
Kreis, den die Dreifelderwirtschaft einnimmt, hätte dann
eine Ausdehnung von 34,7 — 29,9 = 4,8 Meilen.
117 Die hier für den Ertrag von 10 Körnern gegebenen
Berechnungen auf Acker von niederem Grade der Frucht-
' barkeit angewandt, habe ich in den nachstellenden Tabellen
zusammengetragen.
— 123 —
o
11
M s 1
c
.sIt
D
r» MOCCOWM O
rp
-iT fo" — '" GO^ CO CO (^f od"
'%
CO CO rc iT<i !M T-i iH
s
o3^
dj
<x>
03
, ><
Ui
*^
»^ OT
•^
:_
S_i
[^ iC
c
;^ s
<u
-4 f^O^ir^töxC^li— 1 -d*
c3
'S
CO -st — LOroO-fll tf)
o~ CD o o" o" —'" r-T" ^ o o"
O
^3
cc o
CO o
_9_
+
3
J
^
^
'^- — - T r^ CO --(< .^3 1^ CO Q o} CO CO CO CO -"^ ^- r-| ^" '^
Sco'2^oocococO'*co(Mimocm-*coSco^!m
S '-' '-n OS ^ 05 '+ cD':<iS 2
S .'. 1 , 00 . . CO .1. O . . CO .1. (M .1. ^ S •'• J_
•^ 1 1 1 .^. 1 _,_-t-
(f
5
t -i
■ö -
Si
d
o;
tri
a
:0
CO o c-"" co" iC^ O '-P' fO 1 -(T
l ^
i4
"-' 1
o
o
1 Q
tiS
~
1)
ü
£ »-
^
3
»:^ M
-M
.l
s
N
o »o"
T— 1
s
(D
^
?^
:0
^ ^ -g CS
'03
OS
M
M
■ - a
^
Q
t<
S 'S -s
Q
'
124 —
118
m >
— •
p 1=;
tS 05
^
3= 1
a
J-
.istf
deth
2
2-
1 - ^ :. c: .. X -^
C
C: .^
1 f
er
o
2.
c
o: C^ ■ C:
o'
^
^r*
« ^ *~i
xi
3
-^
^cr?
o
1
«Pg
2-
C^>t^ 1 c«jt-t^cc;^
-PC
C: hr
MC« 'X i Tc o ä -1 £■
1^
3 -^p-
5
cä tx a t- X K. <^
05 ^ _,
gS
+i-i-5:Ej-i^g"g-'r-r-!-S
.1. K-'
&
, , g::;S = s; = S=-"3--g-'2ss2
z^s
~
^
X >! ~" 5;i ? 1« 3? ;•-■ K X ? - '/; J- y.
^x
!f-
— fi '^ ^7 '^ . --V ^
..= -x-€i-'-,^^s:-^5:-^H:-^^-^^
"^ a-
-^
S
-^2L-=r-^.=^-=^--r-.--=t=-=t
~pt
;<
C-t
•-s — . • • ^— . ' . . . * . •
• P'
.]. ;
1 ^-^-l^^l^^Z^^l^l-^l
''' c
*■
er
o
^■^^
^•
hr
CTS
.-.rx^-w - cr^^—^^— — — .^— *— —
"^ a*
»-T!S4"-^Z._;a: — a: — Ä — a: — = — a:
— :±
^^
>— .^1-!— ~^- -:■ -:• -:• -:• —. ■
-^
r*~. —
^
^
.
CO 1
^S
^c
O o;
^ l=ta>
1—1 1— i 1
1 tc i-k JD J3i JD
J=)
r^j3 ■ s
5. 5'
s ^. 1
1 ö V^' J» c »
Ol
£.i?:3
w
Ol IC ^ O »J
,^ M O » C J»
s
2.r"
CO
C3S
CTQ ^
cns Eis
;><
x
et '
:f- ^' a.
^
cc Ct> -!
' 2.'^ 3
-^ -c
"" ^.S"
,_i i-i l-i M c>s
bO
2. 5- ^' C^
5' CT
*-<=> J= .^ -*- „^
J~
r. :> -j X
o
i'^i 2.
w ol
•^ •— - — —
o2
^ je ^
^T* '
S ~-
— 125 —
Die Dreifelderwirtschaft.
119
Bei einem Reichtum
der hervorbringt
fängt an in
der Ent-
fernung von
endet in der
Entfernung
hat eine
Ausdeh-
"
iu der
in der
der Stadt
V. der Stadt
nung von
K. W.
D. F. W.
Körner
Körner
Meilen
Meüen
Meilen
10 .
8,4
29,9
34„
4,s
9
7,50
27,s
33,3
5.5
8
6,72
24„
31,5
6,s
7
5,58
19,8
28,e
8,s
6
5,64
10,5
23,0
13,1
5,4
4,53
0
18,6
18.ß
Die genauere Ansicht dieser Tabellen zeigt uns, daß bei
einem gegebenen Getreidepreise der reichere Boden durch
Koppel wirt scliaft , der ärmere Boden durch Dreifelderwirt-
scliaft höher genutzt wird: daß es also völlig Ivonsequent sein
könnte, wenn in einer Gegend, die denselben Getreidepreis,
abei" Boden von verschiedener Fruchtbarkeit hat, Koppel- und
Dreifelderwirtscliaften nebeneinander bestehen. So ist z. B.
für den Preis von 1 Tlr. für den Scheffel Roggen die Land-
rente beider Wirtschaftsarten im Gleichgewicht, wenn der
Acker den Reichtum hat, der in der K. W. 6,3, in der
D. F. W. 5,3 Körner hervorbringt, und in diesem Falle ist es
gleichgültig, welche Wirtschaftsart hier betrieben wii'd ; aber
Jeder Boden höheren Ertrags muß durch K. W., jeder Boden
niederen Ertrags durch D. F. W. genutzt werden. Nun ist
aber der Reichtum des Bodens eine veränderliche Größe
und steht mehr oder weniger in der Gewalt des Landwirtes.
Es kann also auch dann, wenn die Getreidepreise sich gleich 120
bleiben, durch die Vermehrung des Bodenreichtums allein,
— 126 —
ein höheres Wirtschaftssystem auf demselben Gute zweck-
mäßig und nützlich werden.
In unserem isolierten Staate haben wir es nur mit Boden
von einer und derselben Fruchtbarkeit zu tun, und hier würde,
wenn der Boden statt 8 nur 5,4 Körner trüge, die K. W.
durch die D. F. W. selbst bei dem Preise von 1^/2 Tlr.
gänzlich verdrängt werden. In diesem Falle würde nämlich
die D. F. W. bis an die Tore der Stadt reichen, wenn der
Boden des ersten Kreises durch den Dimgaukauf aus der
Stadt nicht einen höheren Reichtum erhalten hätte.
Folgerung. Niedrige Kornpreise und geringe Frucht-
barkeit des Bodens haben auf die Bewirtschaftungsart eine
und dieselbe Wirkung: beide führen zur Dreifelderwirtschaft.
§ 14b.
Erläuterungen.
In dem isolierten Staat ist vorausgesetzt:
1. daß die Wirtschaft überall mit Konsequenz betrieben
wird ;
2. daß die Wirtschaften in bezug auf den Bodenreichtum
im beharrenden Zustande bleiben ; und
o. daß der Boden, mit Ausschluß des Kreises der freien
Wirtschaft, überall die Fruchtbarkeit besitzt, um in
der 7 schlägigen K. W. nach reiner Brache 8 Körner
tragen zu können.
Aus der Vereinigung dieser Voraussetzungen folgt, daß
für die Natur des Bodens, den wir im isolierten Staat vor
Augen haben, und unter den daselbst obwaltenden Verhält-
nissen, eine Bereicherung des Bodens über den Punkt hinaus,
wo derselbe 8 Körner trägt, nicht vortoilliaft, und daß eben-
121 sowenig eine Verminderung des Bodenrciclitums unter diesen
Punkt konsequent sein würde.
— 127 —
Die Erörterung der Frage, ob diese Voraussetzungen
untereinander selbst verträglich sind, ob namentlich nicht
beim Ertrage von 8 Körnern die Bereicherung des Bodens
noch vorteilliaft sei, gehört — weil durch die Vermengung
zweier verschiedener Untersuchungen, die Klarheit, welche
hier erstrebt wird , verloren gehen würde — nicht liierher,
sondern wird Gegenstand der Betrachtung im 2ten Teil
dieses Werkes werden.
Hier ist die Aufgabe, den Geldertrag der verschiedenen
"Wirtschaftssysteme für gleichen Boden mit gleichem Reich-
tum, unter der Bedingung, daß die Wirtschaften im be-
harrenden Zustand bleiben, kennen zu lernen und zu ver-
gleichen; und erst dann, wenn diese Aufgabe gelöst ist, kann
die Frage: unter welchen Verhältnissen und bis zu welchem
Grade die Bereicherung des Bodens vorteilhaft sei, zur
Sprache kommen und einer Lösung entgegen sehen.
Um aber unsere Untersuchung beginnen zu können,
mußte irgendein Ertrag des Bodens zu Grunde gelegt
werden, und um von dem, was sich in der Wirklichkeit als
der Durchschnittsertrag ganzer Provinzen ergibt, nicht zu
weit abzuweichen, habe ich für den isolierten Staat den
Ertrag zu 8 Körnern angenommen. Genug, für die uns
vorliegende Aufgabe muß die Annahme des Ertrags von.
8 Körnern als mit der Konsequenz verträglich und über-
einstimmend betrachtet werden.
Es kann demnach in dem isolierten Staat kein anderer
Ertrag als der von 8 Körnern staltfinden, und wenn dennoch-
in den vorstehenden Tabellen für diesen Boden Ertragsstufen
von 5 bis 10 Körnern angeführt und in Betracht gezogen
sind: so fordert dies eine Erläuterung.
Wenn in der Wirklichkeit Boden ähnlicher Art und unter.122
ähnlichen Vei'hältnissen wie im isolierten Staat vorkommt,
der nur 5 Körner trägt, so muß dieser, bei konsequenter
Bewirtschaftung, so weit bereichert werden, daß der Ertrag,
— 128 —
auf 8 Körner steigt, also auch nicht in D. F. W. sondern
in K, W. gelegt werden. Fehlt aber die Konsequenz der
Bewirtschaftung, wie dies in der Wirklichkeit nicht selten
vorkommt, und bleibt der Boden auf der niedrigen Stufe
des Reichtums im beharrenden Zustande : so ist die D. F. W.
vorteilhafter als die K. W.
Wenn ich nun in obigen Tabellen den Boden als auf
verschiedenen Ertragsstufen stehend angeführt habe, während
im isolierten Staat nur der Ertrag von 8 Körnern stattfinden
kann: so gehören diese Ertragsstufen Wirtschaften aus der
Wirklichkeit an, die unter analogen Verhältnissen mit denen
des isolierten Staates bei diesem Ertrage im beharrenden Zu-
stande bleiben und somit dem Gesetz der Konsequenz
nicht unterworfen sind.
Auf einer anderen Bodenart, als der hier zu Grunde
gelegten, wird auch bei konsequenter Wirtschaft der Be-
harrungsertrag ein anderer als der von 8 Körnern, auf dem
Sandboden ein niedrigerer, auf dem Tonboden ein höherer sein.
Man würde also , wenn man in dem isolierten Staat
sukzessive andere Bodenarten zu Grunde legte, und die
erhaltenen Resultate nebeneinander stellte, auch bei kon-
sequenter Wirtschaft, eine Skala von verschiedenen Erträgen
erhalten.
Da aber die verschiedenen Bodenarten gar sehr ver-
schiedene Bearbeitungskosten verursachen, so müßten diese
auch für jede Bodenart besonders berechnet werden, und es
würde sich dann ergeben, daß die Landrente dieser Boden-
arten von der in obigen Tabellen für denselben Körnerertrag
berechneten Landi-ente bedeutend abweicht — und wenn
123 für den Preis des Roggens von IV2 Tlr. pro Schfl. nach
unserer Berechnung die Landrente der D. F. W. schon beim
Ertrage von :V^/i Körnern verschwindet, so mag dagegen auf
Sandboden die D. F. W. noch beim Erlrage von 3 Körnern
betrieben werden köinicn.
— 129 —
Man kann in der Wirklichkeit vielleicht D. F. "W. nach-
weisen, die beim Ertrage von 2V2 Körnern fortbestehen;
aber gewöhnlich betreiben unter solchen Verhältnissen die
Landwirte Nebengewerbe, wovon sie leben; und immer ist
dann die Untersuchung anzustellen, ob der Landbau auch
die Zinsen der vorhandenen Gebäude vergüte, ob nicht trotz
des fortgesetzten Anbaues des Bodens die Landrente selbst
negativ sei.
§ 15.
Verhältnis der Dungproduktion und der mit
Korn bestellten Fläche, in der Koppel-
und in der Dreifelderwirtschaft.
Es ist schon früher gesagt, und es erhellt auch aus dem
ganzen Gang der Untensuchung, daß hier nur von solchen
Koppel- und Dreifelderwirtschaften die Rede ist, welche sich
in und dnrch sich selbst, also ohne äußeren Dungzuschuß,
in gleichem Reichtum erhalten.
In der Dreifelderwirtschaft geht die Hälfte des Dungs,
den die Weide gibt, für den Acker und also auch für den
Getreidebau verloren, und diese Weide selbst ist wenig pro-
duktiv. Wegen dieser geringen Dungerzeugung kann sie
von 100 000 GR. nur 24000 DR. mit Korn bestellen, wenn
sie sich in gleicher Dungkraft erhalten soll.
Die Koppelwirtschaft benutzt dagegen den Dung, den
die bessere Weide gibt, ganz, und dies bewirkt, daß sie '^h
der Fläche, oder von 100000 DR. circa 43000 CR. mit Korn
bestellen kann und sich doch in gleicher Dungkraft erhält.
Obgleich nun die Koppelwirtschaft durch ihre stärkere 124
Dungerzeugung eine so viel größere Fläche mit Korn bestellen
kann als die D. F. W. , so wird diese bei niedrigen Korn-
preisen noch vorteilhafter als jene, und sie kann da noch
Tbü neu, Der isolierte Staat, 3
— 130 —
fortdauern, wo die K, W. einen negativen Reinertrag gibt
und also aufhören muß.
Bei sehr niedrigen Kornpreisen können also die Kosten,
welche die größere Dungerzeugung in der K. W. verui'saeht,
durch den Ertrag, den die größere mit Korn besäete Fläche
bringt, nicht gedeckt werden; oder mit anderen Worten,
der Dung kostet mehr als er wert ist.
Im entgegengesetzten Fall, wenn die Kornpreise hoch
sind, oder wenn die Fruchtbarkeit des Bodens sehr groß ist,
und zumal wenn beide Ursachen zusammenwirken , über-
wiegt die Landrente der K. W. die der D. F. W. bei weitem.
So ist z. B. für den Ertrag von 10 Körnern und den Preis
von 11/2 Tlr. die Landrente von 100000 DRut.
durch Koppelwirtschaft genutzt 1818 Tlr.
durch Dreifelderwirtschaft 1119 „
der Mehrertrag der K. AV. also . . . . . . 699^Tlr".
Hier verschwinden die Kosten, die die Dungerzeugnng
in der K. W. verursacht, gegen den Nutzen, den dieser Dung
durch einen vergrößerten Kornbau bringt.
§ 16.
Wirtschaftssystem mit höherer Dungproduktion.
Aus dem Vorhergehenden läßt sich schon schließen, daß
bei sehr erhöhten Kornpreisen, verbunden mit einer großen
Fruchtbarkeit des Bodens, wir endlich auf einen Punkt
kommen müssen, wo eine noch stärkere Dungerzeugung als in
der Koppelwirtschaft stattfindet, sich reichlich bezahlen wiid.
125 Daß aber eine noch höhere Dungproduktion möglich ist,
liegt klar vor Augen; denn
1. hat die K. W. noch eine reine Brache, welche zwar
in manclicn andoi'on Beziehungen sehr nützlicli ist,
— 131 —
zur Dungvermehrung selbst aber sehr wenig beiträgt,
indem sie nur den 5ten Teil des Dungs, den die
Weide erzeugt, hervorbringt;
2. ist die "Weide selbst bei weitem nicht so produktiv,
als sie sein könnte, indem sie immer in die Schläge
kommt, die schon drei Kornsaaten nach der Düngung
getragen haben, und deshalb auf einer geringen Stufe
des Reichtums stehen.
Der Nutzen der Brache bestellt hauptsächlich in fol-
gendem :
1. wird der Dreesch durch die Brache mit den geringsten
Arbeitskosten zur 'Aufnahme der Wintersaat tauglich
gemacht; denn man kann zwar den Dreesch auch
durch die Frühjahrsbearbeitung mürbe machen, aber
dies ist mit einer großen Arbeitsvermehrung ver-
bunden und kostet 30 bis 50 ^lo mehr als die regel-
mäßige Brachbearbeitung im Sommer, wo die Rasen-
fäulnis der Bearbeitung zu Hilfe kommt;
2. wird der Dung- und Humusgehalt des Bodens durch
die Brache in eine so große Wirksamkeit gesetzt, daß
dies durch keine Yorfrucht in dem Grade zu er-
reichen ist.
So wird z. B. ein Boden, der nach der Brache 6 Körner
an Roggen trägt, nach grün abgemähten Wicken nur un-
gefähr 5 Körner geben. Daß einzelne Jahre und gewisse
Bodenarten hiervon eine Ausnahme machen, kann die Regel
nicht umstoßen, daß die Brache die beste Vorbereitung zur
Wintersaat ist; wohl aber wird das Verhältnis in Zahlen
ausgesprochen (hier wie 6 zu 5 angenommen) nach Ver-
schiedenheit des Bodens, der Bearbeitung und des Klimas 126
sehr verschieden sein.
Dieser Minderertrag des Roggens nach den Wicken
rührt aber nicht bloß von einer durch diese Frucht be-
wirkten Erschöpfung des Bodens her, indem dieser auch
9*
— 132 —
dann noch stattfindet, wenn der Acker nach der Aberntung
der Wicken denselben Dunggehalt wie die Brache hat;
sondern entspringt daraus, daß die Bearbeitung des Bodens
minder vollkommen gewesen ist, und daß ein geringerer
Teil der ganzen, im Boden befindUchen Dung- und Humus-
masse, zur Nahrung für die Pflanzen zubereitet und ge-
schickt gemacht ist, welches ich durch den Ausdruck „ge-
ringere Wirksamkeit des Dungs" bezeichne (3).
Auf das Credit der Vorfrucht kommen zu stehen:
1. Wert des gewonnenen Viehfutters;
2. Wert des Dungs, den das Futter mehr gibt, als die
Produktion desselben dem Acker kostet — wodurch
dann eine größere Ausdehnung des Kornbaues möglich
wird.
Das Debet der Vorfrucht enthält:
1. vermehrte Bestellungskosten,
2. Kosten der Aussaat,
3. Verminderung des Ertrages der Windersaat, welche
der Vorfrucht unmittelbar folgt.
Es entsteht nun die Frage: bei welchem Getreidepreis
und bei welchem Körnerertrag des Ackers wird das Credit
der Vorfrucht dem Debet derselben gleichkommen?
Wenn die Data zu einer solchen Berechnung gegeben
sind, so muß sich dieser Punkt unstreitig ebenso scharf
darstellen lassen, als dies bei der Bestimmung der Grenze
zwischen der Koppelwirtschaft und der Dreifelderwirtschaft
geschehen ist. Aber diese Rechnung wird doch sehr ver-
127 wickelt werden , und ich vermag sie für jetzt noch nicht
zu geben; da einesteils zu wünschen ist, daß zuvor die
Aussaugung des Grünfutters schärfer und bestimmter er-
mittelt werde, als bis jetzt geschehen ist, und da andern-
teils ich die Zeit noch nicht daran habe wenden können,
welche die Durchfülirung einer solclien Rechnung erfordert.
Ich begnüge mich daher mit der Anführung einzelner Grund-
— 133 —
Züge, die, wie ich glaube, aus der durchgeführten Berechnung
hervorgehen würden.
Bei einer mittehnäßigen Fruchtbarkeit des Ackers wird
erst bei einem sehr hohen Kornpreis die Abschaffung der
Brache vorteilhaft sein können : denn wenn auch die ver-
mehrte Arbeit durch höhere Preise bald bezahlt wird, so ist
doch der verminderte Ertrag des Winterkorns von so großem
Einfluß auf den Reinertrag, daß der vergrößerte Kornbau,
etwa bis zur Hälfte der ganzen Fläche, diesen Verlust nur
schwer und nur bei sehr hohen Korupreisen wird decken
können.
Der Wert des gewonnenen Viehfutters kann aber unter
Yerhältnissen , wie sie im isolierten Staat stattfinden , w^o
nämlich wegen der Konkurrenz der unkultivierten Gegenden
die Preise der Viehprodukte so niedrig sind, daß die Vieh-
zucht ■ — wie die Folge ergeben wird — teils eine sehr
geringe, teils gar keine Landrente abwirft, zur Deckung
jenes Verlustes nur wenig beitragen.
Betrachten wir aber einen Boden von sehr hoher Frucht-
barkeit, so ändern sich diese Verhältnisse gar sehr.
Mit der steigenden Dungkraft des Ackers steigt der
Körnerertrag bis zu einem gewissen Punkt.
Die Steigerung des Kornertrages kann aber nicht wie
die der Dungkraft unbegrenzt sein ; sie findet diese. Grenze
vielmehr in der Natur der Pflanze, die auch beim größten
Überfluß an Nahrung ein gewisses Maß von Größe und
Ertrag nicht überschreiten kann. Hat der Boden nun eine
solche Dungkraft, daß die darauf gesäten Pflanzen zum 128
Maximum ihres Ertrages gelangen können : so ist jeder
fernere Zusatz von Dung nutzlos, ja er wird sogar schädlich,
indem er das Lagern des Getreides und dadurch einen ver-
minderten Ertrag hervorbringt.
Gesetzt das Maximum des Roggenertrages für einen ge-
gebenen Boden sei = 10 Körner. Erhöhen wir nun die
- 134 —
Dnngkraft dieses Bodens noch um ^,5, so daß er die Fähig-
. keit bekäme 12 Körner zu produzieren, wenn die Natur der
Pflanze dies erlaubte : so wird auf diesem Boden nach reiner
Brache Lagerkorn gebaut werden. Wenn nun aber statt
der Brache gi-üne Wicken genommen werden , so wird die
Wirksamkeit des im Boden befindlichen Dungs und Dung-
rückstandes so weit vermindert, daB der Boden nun wiederum
10 Körner produziert.
Unter diesen Umständen fällt also der Nachteil der
Vorfrucht auf die nachfolgende Winterung ganz weg; auf
dem Debet der Vorfrucht bleiben bloß noch die vermehrten
Bestellungskosten und die Kosten der Aussaat, welche aber
schon bei mäßigen Kornpreisen durch den vermehrten Duug-
gewinn und dadurch erweiterten Kornbau ersetzt werden.
Es leidet also keinen Zweifel, daß unter diesen Ver-
hältnissen die Abschaffung der Brache konsequent ist —
vorausgesetzt, daß die physische Beschaffenheit des Bodens
und das Klima nicht von der Art sind, daß die Brache durch-
aus notwendig ist.
Mit der Abschaffung der Brache ändert sich aber die
ganze Form der Koppelwirtschaft. Um die Bearbeitung des
Dreesches zur A^orfrucht zu erleichtern, wird man es vor-
teilhaft finden, den Dreesch nicht mehr drei Jahre, sondern
nur ein, höchstens zwei Jahre zur Weide liegen zu lassen.
Um die Verwilderung des Ackers, die, wenn es keine reine
129 Brache gibt, so leicht stattfindet, zu vermeiden, wird eine
ausgezeichnete Aufmerksamkeit auf die Folge, in welcher
die Früchte nacheinander am besten gedeihen, notwendig.
Man wird die Fruchtfolge so wählen , daß für jede Frucht
die möglichst beste Bearbeitung stattfinden kann, und daß
die abgeerntete Frucht den Reichtum des Bodens in der
größten zu erreichenden Wirksamkeit für die folgende Saat
ninterläßt — eine Vorsicht, die in der Koppelwirtschaft auch
nicht überflüssig, aber nicht so notwendig ist, und die da-
— 135 —
selbst anderen Rücksichten weichen muß. — Mit einem
Wort : hohe Fruchtbarkeit des Bodens, verbunden mit guten
Kornpreisen, verwandelt die Koppelwirtschaft in Frucht-
wechsel Wirtschaft.
Wenn für einen gegebenen Boden das Maximum des
Mittel ertrages an Roggen = 10 Körner ist, welches in der
Tschlcägigen K. W. einen mittleren Reichtum von STS*^ in
lüOO GRut. voraussetzt : so kann in dieser Wirtschaftsform
ein Zusatz von Reichtum keine Anwendung mehr finden,
weil dieser nur Lagerkorn und also verminderten Ertrag
hervorbringen würde. Wer nun die Koppelwirtschaft als die
Grenze der Kultur ansieht, wird auf einem Boden von diesem
Reichtum die Schätze, die sich auf einem Felde an Moder
und Mergel finden, entweder gar nicht benutzen können,
oder er wird das, was er durch die Anwendung dieser
Mittel dem Acker gegeben hat, durch eine vergrößerte Korn-
aussaat augenblicklich wieder hinwegnehmeu müssen und
somit kein größeres produktives Kapital im Acker fundieren
können.
In der Fruchtwechselwirtschaft findet aber ein weit
größerer mittlerer Reichtum noch eine nützliche Anwendung :
denn 1. ist schon durch die gleichmäßigere Verteilung des
Reichtums in allen Schlägen ein größerer mittlerer Reichtum
erforderlich, um 10 Körner an Roggen hervorzubringen, und
2. muß wegen der durch die Vorfrucht verminderten Wirk- 130
samkeit des Dungs der Reichtum des Roggen Schlages selbst
bedeutend höher sein, wenn dieser das Maximum von
10 Körnern liefern soll.
Aus der ersten Ursache ist nach § 9 in der 6 schlägigen
F. W. W. der mittlere Reichtum 425*^, wenn der Roggen-
schlag nach Wicken 500*^ enthalten soll ; aus der zweiten
Ursache gehören aber zur Hervorbringung von 10 Körnern
600» Reichtum.
Das Maximum des Ertrages der Kartoffeln und des
— 136 —
Grünfütters liegt nicht so nahe als beim Getreide, und ihr
Anbau ist gerade auf solchem Boden, der über 500'^ Eeichtuui
enthält, am vorteilhaftesten. Sollen nun die Schläge unter
sich in dem Verhältnis des Reichtums bleiben, wie dies in
§ 9 angegeben ist, so wird für einen Körnerertrag an Roggen
= 10, auch der Kartoffelschlag 600° erhalten, und der
mittlere Reichtum wird dann um \'o erhöht, also von 425°
auf 425 X l^'s = 510° gebracht.
Da in der F. W. W. der Reichtum nur für die Winter-
saat, nicht aber für die Kartoffeln, das Sommerkorn und
das Grünfutter eine mindere Wirksamkeit hat, als in der
K. W. : so ist auch der Reinertrag dieser Wirtschaft sehr ^iel
höher, als der der Koppelwirtschaft von 10 Körnern Ertrag.
Es findet also in der F. W. W. ein mittlerer Reichtum
von 510° eine nützliche, produktive Anwendung, während in
der K. W. nur 373° mittlerer Reichtum nützlich verwandt
werden können; oder die F. W. W. kann 510° mittleren
Reichtum zinstragend im Boden fundieren, die K. W. nur 373°.
In Staaten, deren Konsumtion durch die Produktion
gerade gedeckt wird, die also weder Korn ausführen noch
einführen, steht sicherlich die Bevölkerung mit der Summe
der erzeugten Lebensmittel in irgendeinem Verhältnis. Nun
131 erzeugt die K. W. von gleicher Fläche eine viel größere
Masse von Lebensmitteln, als die D. F. W. , aber eine viel
geringere als die F. W. W. , wenn der Körnerertrag des
Roggens in allen drei Wirtschaftsarten gleich ist; und wenn
die K. W. von 10 Körnern Ertrag etwa 3000 Menschen auf
der Quadratmeile ernährt, so wird die D. F. W. nur un-
gefähr für 2000, die F. W. W. aber vielleicht für 4000 Men-
schen auf der Quadratmeile den Lebensunterhalt verschaffen.
Die F. W. W. ist ein herrliches Mittel, um einen reichen
Boden hoch zu benutzen ; aber für armen Boden ist sie ein
Mittel, um den Reinerti-ag, den andere Wirtschaftsarten
hier gegeben hätten, zu vernichten.
— 137 —
Wenn man die Quantität Gras berechnet, die eine
Dreeschweide jährlich hervorbringt, und diese dann mit dem
Heuertrag des roten Mähklees vergleicht, so wird man auch
bei Boden von gleicher Dungkraft einen sehr beträchtlichen
Unterschied in der Produktion zugunsten des Mähklees finden.
Da dieser Yorzug des Mähklees auch dann noch statt-
findet, wenn die Weidepflanzen selbst größtenteils aus rotem
Klee bestehen: so geht hieraus hervor, daß die beständige
Störung, welche die Weidepflanzen in ihrer Vegetation durch
das Abbeißen und Zertreten erleiden, sehr nachteilig auf
den Wachstum des Grases und des Klees -wirkt.
Die Dungerzeugung und der Futtergewinn werden also
beträchtlich Vermehrt, wenn man die Dreeschweiden in
Felder mit grün gemähten Futterkräutern verwandelt, —
welches Stallfütterung statt Weidegang herbeiführt.
Mit der durch die Stallfütterung erhöhten Dungerzeuguug
kann nun abermals der Korabau erweitert werden, und wenn,
nach einer oberflächlichen Berechnung, die F. W. W. mit
Weidegang circa 50 % der Ackerfläche mit Korn bestellen 132
kann; so wird die F. W, W. mit Stallfütterung vielleicht
55 % der Ackerfläche dem Getreidebau widmen können und
doch in demselben Grad von Reichtum verbleiben.*)
In wärmeren Klimaten kann auf fruchtbarem Boden in
die Stoppel des abgeernteten Getreides noch eine zweite
Frucht, als Rüben, Spörgel usw. gebaut werden. Dies ist
gleichsam ein beschleunigter Umlauf: man baut in einem
Jalire zwei Früchte, zu deren Hervorbringung in kälteren
*) Es ist hier immer um- von einem guten Höheboden die
Eede, der sich in der 7 schlägigen K. W. ohne Dungzuschuß er-
halten kann. Für jeden minder guten Boden würde ein so aus-
gedehnter Kornbau zum Verderben gereichen — und dies wird
selbst auf dem guten Boden der Fall sein , wenn Weizen statt
Roggen gebaut wird.
— 138 —
Klimaten zwei Jahre gehören. Da die Stoppel frucht' immer
zum Yiehfutter dient, und hierzu nur solche Gewächse ge-
nommen werden, die durch Verfütterung mehr Dung wieder-
geben, als die Produktion derselben dem Acker gekostet
hat: so hat die Aussaugung der Getreidefrucht in der Dung-
erzeugung der Stoppelfrucht ein stetes Gegengewicht. Ein
Teil der durch die Halmfrucht bewirkten Aussaugung wird
durch den Ersatz, den die Stoppelfrucht liefert, wieder aufge-
hoben, und so ist es nicht zu verwundern, daß diese Wirt-
schaften 60 bis 70 ^lo der Ackerfläche mit Korn und Handels-
gewächsen bestellen können, ohne den Reichtum des Bodens
zu erschöpfen.
Allemal aber gehört neben einem ausgezeichnet frucht-
baren Boden ein hoher Wert der Produkte dazu, wenn diese
im Sturm gewonnenen Ernten (wie sich ein anonymer Schrift-
steller ausdrückt) die Kosten bezahlen sollen.
Nach dem Zeugnis bewährter Schriftsteller bewii'kt der
rote Klee, in manchen Gegenden, gar keine Aussaugung,
sondern eine Bereicherung des Bodens.
133 In Mecklenburg sprechen dagegen die Erfahrung und.
die überwiegende Meinung den Satz aus, daß der rote Klee
als eine aussaugende Frucht zu betrachten sei.
Es ist ferner in Mecklenburg und Neu-Pommern sehr
häufig bemerkt, daß Felder, welche aus der D. F. W. zur
K. W. übergegangen sind, in den ersten Umläufen sehr
üppigen Klee, sowohl weißen als roten getragen haben ;
daß aber in den spätem Umläufen dieser Boden weder durch
einen erhöhten Reichtum, noch durch den Mergel den ersten
großen Klee-Ertrag wieder liefert.
Wie läßt sich nun für diese anscheinend widersprechen-
den Tatsachen eine gemeinschaftliche Ursache auffinden.
Mir scheint es, daß sich diese Erfahrungen unter einen
Gesichtspunkt auffassen lassen, wenn man annimmt, daß in
dem Dung irgendein Stoff — gleichviel, Avelcher es sei
— 139 —
und wie er genannt werde — enthalten ist, der von den
Halmfrüchten nicht ergriffen wird, dagegen aber dem Klee
ganz vorzüglich zusagt.
Kommt nun der Klee auf einen Boden, der schon lange
kultiviert ist, bisher aber bloß Korn getragen hat : so findet
der Klee diesen Stoff als Rückstand aller früheren Düng-
ungen im Boden vor, und gedeiht wegen der ihm gerade
angemessenen, im Übermaß vorhandenen Nahrung in einem
ungemeinen Grade. Der Boden verliert dann durch den
Klee einen Stoff, der für das Korn indiffei-ent war, und
erhält dagegen durch die Stoppeln und Wurzeln des Klees
eine Düngung zurück, die für das Korn wirksam ist. Das
Korn findet dann eine vermehrte Masse des demselben zu-
sagenden Nahrungsstoffes vor, und wenn man nun das Ge-
deihen des Korns, vor und nach dem Klee, zum Maßstab
der Aussagung nimmt, so muß der Klee weit mehr be-
reichernd als aussaugend erscheinen.
Sobald aber der Klee, in die regehnäßige Fruchtfolge 134
aufgenommen, so oft wiedergekehrt ist, daß der eigentümliche
Nahrungsstoff erschöpft ist: so findet derselbe im nächsten
und in allen folgenden Umläufen von diesem eigentümlichen
Stoff nur so viel vor, als in der frischen Düngung davon
enthalten war. Da aber dies Quantum zur Ernährung des
Klees nicht hinreicht, so greift derselbe den für das Korn
geeigneten Nahrungsstoff im verstärkten Maß an, und so zeigt
sich der Klee dann nicht mehr bereichernd, sondern aussaugend.
Wahrscheinlich ist der für den roten und der für den
weißen Klee geeignete Stoff, w^enn auch nicht identisch doch
ähnlich, und da in der K. W. der weiße Klee in jedem
Umlauf über das ganze Feld kommt : so findet hier gar keine
Anhäufung des Klee-Nahrungsstoffs statt. Bringt man nun
zur Abwechselung auf diesen Boden einmal roten Klee, so
muß dieser größtenteils von den für das Korn geeigneten
Stoffen leben und zeigt sich dann aussaugend.
— 140 —
Mag aber diese Erklärung begründet oder unbegründet
sein, so l^ann ich doch, nacii meinen bisherigen Erfahrungen
und Beobachtungen, den grün gemähten AVici^en und dem
roten Klee, — wenn diese in jedem Umlaufe regelmäßig
wiederkehren — keine bereichernde Kraft beimessen ; sondern
ich muß vielmehr annehmen, daß diese Gewächse, welche
eine so große Masse Futter liefern und welche, bei der regel-
mäsigen Wiederkehr, nur in dem Maße wachsen, als sie Reich-
tum im Boden vorfinden, eine aussaugende Wirkung auf
den Boden ausüben. Es scheint mir aber gewiß, daß der
rote Klee, auch nach Abzug dessen, was seine Produktion
an Dung gekostet hat — auf einem für denselben geeigneten
Boden — einen beträchtlich größeren Dungüberschuß liefert,
als eine Dreeschweide auf diesem Boden zu geben vermag.
135 Das Credit der Stallfütterung in Yergleichung mit dem
Weidegang des Viehes enthält demnach:
1. vermehrtes Futter.
2. vergrößerte Dungerzeugung und dadurch bewirkte
größere Ausdehnung des Kornbaues.
Das Debet enthält:
1. die kostspieligere Aussaat von Wicken und rotem Klee-
samen, in Yergleichung mit der Kleeaussaat zur Weide;
2. die durch den Wickenbau vermehrten Bestellungskosten ;
3. die Anfahrungskosteu des Grünfutters nacli dem Hofe :
4. die Kosten des Abfahrens des aus dem Grünfutter
erfolgten Dungs — welche beim Weidegang ganz er-
spart werden.
Die durch die Stallfütterung verursachten Kosten sind
nicht unbedeutend, und nur auf einem Boden von hohem
Wert wird der erweiterte Kornbau und das vermehrte Yieh-
futter diese Kosten decken und überwiegen können.
Ein Boden von gennger Fruchtbarkeit kann diese Kosten
nicht wieder bezahlen, und für einen solchen Boden wird
diese Wirtschaft um so vererblicher, als die erwartete Futter-
— 141 —
und DungvermehruDg in eine Yerminderung umschlägt; in-
dem die Futterkränter hier ganz versagen, einen noeli ge-
ringeren Ertrag als der Weideklee und die Weidegräser geben
und kaum die Kosten des verwandten Samens ersetzen.
In einer Koppelwirtschaft von 1(» Körnern Ertrag hat
der 535 Ruten vom Hofe entfernte Acker nach § 11 noch
die Hälfte des Werts von dem am Hofe liegenden Acker.
In der mit Stallfütterung verbundenen Fruchtwechsel-
wirtschaft werden die Arbeiten, deren Größe in geradem
Verhältnis mit der Entfernung vom Hofe stehen , nämlich
das Einfahren der Feldfrüchte und das Abfahren des Dungs,
außerordentlich vermehrt. Wenn man hierüber eine eben
so genaue Berechnung, als die für die Koppelwirtschaft 136
gegebene anstellte: so würde man wahrscheinlich finden, daß .
für diese Wirtschaftsart der 300 Ruten vom Hofe entfernte
Acker schon auf die Hälfte des Wertes des am Hofe liegen-
den Ackers herabsinkt.
Es läßt sich also wohl mit Sicherheit annehmen, daß
F. W, W. mit Stallfütterung sich nur bei kleinen Gütern
über das ganze Feld ausbreiten kann; daß aber auf großen
Gütern, auch beim hohen AVert des Bodens, dieses Wirt-
schaftss^'stem nur auf dem vorderen Teil des Ackers vor-
teilhaft und ausführbar ist, der entferntere Acker dagegen
dm'ch K. W. höher genutzt würd.
Da nun beim hohen Wert des Bodens, — der aus der
Fruchtbarkeit des Bodens und aus dem Preise der Erzeug-
nisse gemeinschaftlich entspringt, — die F. W. W. mit StaU-
fütterung auf kleinen Gütern einträglicher ist als die K. W.,
so können wir umgekehrt schließen, daß mit dem steigenden
Wert des Bodens die Güter von mäßiger Größe mehr und
mehr den Yorzug vor den großen Gütern erhalten; und in
der Tat finden wir in allen Ländern, wo eine sehr hohe
Kultur des Bodens stattfindet, nur Güter von geringem oder
mäßigem Umfange.
142 —
§ 17.
Resultate einer Vergleichung zwischen der bel-
gischen und der mecklenburgischen Wirtschaft.
"Wir legen hier für beide Wirtschaftsarten einen Boden
zu Grunde, auf welchem die relative Aussaugung des
Roggens ^/g beträgt.
Fruchtfolge der belgischen "Wirtschaft, die wir hier zum
Gegenstand der Betrachtung nehmen:
1. Kartoffeln,
2. Roggen und Stoppelrüben,
137 3. Hafer,
4. Klee,
5. Weizen und Stoppel rüben.
Die Fruchtfolge der mecklenburgischen Wirtschaft;
welche wir bei dieser Yergleichung zu Grunde legen, ist
die gewöhnliche in der siebenschlägigen Koppelwirtschaft
stattfindende Fruchtfolge, die wir oben schon augeführt haben.
Reichtmii und Ertrag der belgischen Wirtschaft.
(jeder Schlag zu 10000 DRut.) ^grljjj"' Ertrag
1. Kartoffeln , . . . 7680 11500 Schfl.
2. Roggen (5974 1056 Schfl.
Rüben — 6500 Ztr.
3. Hafer . 7650 1650 Schfl.
4. Klee 6910 3150 Ztr. Heu
5. Weizen 7349 1056 Schfl.
Rüben — 6500 Zti-.
In 50000 DRut. sind enthalten 7 .^365630
dies macht für lOOoO □Rut. . . . 7313",
— 143 —
Reichtum und Ertrag der mecklenburgischen
Wirtschaft.
(jeder Schlag zu 10000 DRut.) ^'^^ ^^^^^^
1. Roggen 6336 1056 Schfl.
2. Gerste 5280 1056 Schfl.
3. Hafer 4488 1267 Schfl.
4. Weide 3854 898 Ztr. Heu
5. Weide 4145 898 Ztr. Heu
6. Weide 4435 898 Ztr. Heu
7. Brache — enthält im Frühjahr 4726 180 Ztr. Heu
Hierzu die Düngung aus dem Stroh 1552
In 70000 DRut. sind enthalten . . 34816«
dies macht für 10000 DRut. . . . 4973«.
Bei gleichem Körnerertrag an Winterkorn verhält sich 138
also der mittlere Reichtum des mecklenburgischen Ackers zu
dem des belgischen wie 4973« zu 7313« oder wie 100 zu 147.
Meine Berechnungen liefern als endliches Resultat
folgende Übersicht der Kosten und der Landrente:
— 144 —
A. der belgischen Wirtschaft auf 100 000 DRut.
td
,— ,
W
td
Ol
irt>
a
CJi 05 -
O 00 o
O
O
s's
w
s
W
S
Oi»
B
Cf?
•rs'
t^,
ro
B
tl
>-s
P
o
>->
B
CD
3
irt-
i-S
(K3
05
05
Aussaat
1 1
1 1
O
CO
CO
Tlr. N%
to
CO
Bestelluugs-
! 1
1 1
o
o
05
o
kosten
o
o
Tlr. NV3
Erntekosten
1 1
1 1
CO
[Nil
CO
und
: 1
1 1
Ol
^
00
CO
Dungfuhren
Tlr. N^/a
CO
c«
c«
Allgemeine
1 1
1 I
Ol
£
CO
Kulturkosten
05
a>
Tlr. N'^/3
QO
Summe der
1 1
1 1
00
O
o
Kosten
^
h<^
DO
Tlr. NVs
h-t
)-*
^ « w
,_
O
»-'
rt- °
1 1
1 1
o
»4^
CO
^
5^ fS fD
<X>
rf^
"""
-^ 0<5 "-s
ii^
lO
CO
^ I-; -^ c« OD
Ü^
4-
^1
p-l
05
Oi
-^1
to <■
^ ^ o
:£
o
w
*" "
l» c:
•^
— 145 —
ß. der mecklenburgischen Wirtschaft auf 100 000 DR. 139
td
>■■
bd
td
a>
(T>_
ft)
e
i— '•
Ol C5 ^ 00 CC
o
^O
Ö CO
C:
J^.
o:
P
i-J
O:
fD
t3
H-
p
tn
t3
S
O
■-s
in
►-i
^ — ^
er?
Ci
Ol
Aussaat
1 1
1 1
o
t\S
CO
Tlr. NVa
CO
00
BesteUungs-
1 1
1 1
o
kosten
4-
*"
Tlr. K%
Erntekosten
^ ^
^
^3
und
1 1
1 1
^
h<^
Dungfuhreu
1^
Tlr. NVs
Allgemeine
1 1
1 1
o
CO
CO
Kulturkosten
jn
C5
-O
Tlr. N7,
^
Oi
ÜO
Summe der
1 1
1 1
00
Kosten
Ol
-J
Tlr. N'/a
.
^^
*-
c.
^ ^ W
1 1
1 1
m
OD
t—^
!-+ O
1 1
1 1
GD
o^
c«
^ 1 -
J^
CT"
-J
__rj cr>; -<
^^^
vS
ö ^
CO Ol 00 I^
'w
4-
c^
O O 1-
-L — K;
(^
co
o
j-0 CO jx pi
J^
CT)
o
^ i
J. o;
K) OS
1^
CD
Thünen, Der isolierte Staat.
10
— 146 —
1.
Es ist zuvörderst zu bemerken, daß der Ertrag des
Winterkorns in Belgien mit dem Ertrage, den der Weizen
zu T. im Durchsclmitt gegeben hat, fast genau zusammen-
140 fällt. Der Versuch, den Weizen zu T. zu einem noch höheren
]ilittelertrag zu bringen, hat aufgegeben werden müssen,
weil der Weizen sich dann lagerte und einen verminderten
Ertrag lieferte. Wir können also den belgischen Mittelertrag
von lu,5t3 Körnern zugleich als das Maximum des Mittel-
ertrages auf gutem Höheboden ansehen.*)
2.
Mit dem Ertrage von 10,56 Körnern ist in der Koppel-
wirtschaft eine Landrente von 1600 Tlr. N-/3 verbunden,
und weil der Körnerertrag nicht weiter gesteigert werden
kann: so ist auch in der reinen Koppelwirtschaft, wo reine
Brache gehalten, und aller Dung derselben zugeführt wird,
eine höhere Landrente nicht zu erreichen.
Dagegen liefert die belgische Wirtschaft bei demselben
Körnerertrage eine Landrente von 2779 Tlr. N-/3; oder bei
dem Ertrage von lO.so Körnern verhält sich die Landrente
*) Zu Tellow war der Durchschnittsertrag von 100 QEut.
in Berliner Scheffeln
in dem vom vom
Zeitraum Weizen Eoggen
von 1810 bis 20 . lO,^^ Schfl. 9,85 Schfl.
1820 bis 30 11,37 „ 11,30 „
1830 bis 40 lO^pa „ ll.ip „
30 jähriger Durchschnitt 10„8 Schfl. IG,»« Schfl.
Der geringere Ertrag des Weizens in der letzten Periode, im
Vergleich mit dem der beiden früheren Perioden, rührt teils von
der Ahnahme der Wirkung des Mergels, teils von einer Andening
der Fruchtfolge her, vermöge welcher mehr Weizen in die Stoppel
einer Vorfrucht gesäet wurde als früher.
— 147 —
der mecklenburgisclien Wirtschaft zu der der belgisclien
Wirtschaft wie 100 zu 174.
Der Rohertrag beider Wirtschaftsarten verhält sich wie
5137 zu 11081, oder wie lOü zu 216.
Denken wir uns nun diese beiden verschiedenen Wirt- 141
Schäften über zwei Staaten von gleichem Umfange verbreitet:
so muß in dem Reichtum, der Bevölkerung und der Macht
beider Staaten ein enormer Unterschied stattfinden.
Die Bevölkerung steht wahrscheinlich, wenn auch nicht
im direkten doch im nahen Verhältnis mit dem rohen Er-
trage. Wir haben oben, aber freilich als eine bloße Mut-
maßung, angenommen, daß die Koppelwirtschaft von 10
Körnern Ertrag einer Bevölkerung von 3000 Menschen auf
der Quadratmeile Nahrung verschaffe. Hiernach würde eine
K. W. von 10,oG Körnern Ertrag circa 3200 Menschen auf
der Quadratmeile ernähren; und da in dieser Beziehung
die K. W. sich zur B. W. (belgischen Wirtschaft) wie
100 : 216 verhält: so würde der Staat, in welchem die bel-
gische Wirtschaft betrieben wird, circa 6900 Einwohner auf
der Quadratmeile enthalten können.
Es lohnt wohl der Mühe, diese hypothetische Berechnung
mit der Wii'klichkeit zu vergleichen, und sie dadurch zu
berichtigen.
Nach Hassels Handbuch der Erdbeschreibung und Sta-
tistik enthielten im Jahre 1817
10*
— 148
die Provinzen
Größe
[jM eilen
Zahl der
Einwohner
Einwohner
auf der
nMeile
Hennegau
79,38
430 156
5419
Südbrabant
66,24
441 222
6660
Antwerpen
47,8s
287 347
6001
Ostflandern
49,10
600184
12223
Westflandern
68,01
519 400
7634
Dep. du Xord
109.00
871 990
7932
420.54
3 150 299
142 Diese 6 Provinzen, in welchen der belgische Ackerbau
am vorzüglichsten betrieben wird,
enthalten also auf 420,5i CMeilen 3150209 Einwohner;
dies macht für eine (^)uadratmeile 7 491 Einwohner.
So viel ich weiß, bedarf Belgien in der Regel keiner
Korneinfuhr. Ist dies richtig, und ernährt also Belgien
seine Bevölkerung selbst, so bleibt unsere Berechnung noch
hinter der "Wirklichkeit zurück.
Wenn der Reichtum eines Staats nicht weiter zunimmt,
sondern im beharrenden Zustande ist; so wird die Landreute
von der unproduktiven Klasse der Nation verzehrt. Die Zahl
der unproduktiven Menschen, die ein Staat ernähren kann,
hängt also wesentlich mit der Größe der Landrente zusammen.
Da auch das Militär zu dieser Klasse der Staatsbürger
gehört: so wird der Staat um ein so größeres Heer auf-
stellen und unterhalten können, also um so mächtiger nach
Außen sein, je größer die Landrente ist.
149 -
Welches ist nun aber der Hebel, die eigentliche Grund-
ursache des Übergewichts des belgischen Äckerbaues? Ist
dies Übergewicht an Klima, Boden und geographische Lage
gebunden ; oder steht es in der Macht des Landwirts, eine ähn-
liche — wenn auch nicht gleiche — hohe Kultur einzuführen.
Um diese Fragen zu beantworten, müssen wir den Reich-
tum, den der Acker bei der belgischen Wirtschaft enthält,
mit dem bei der mecklenburgischen Wirtschaft vergleichen.
Nach der zu Anfang dieses Paragraphen gelieferten Be-
rechnung erfordert die belgische Wirtschaft einen mittlem
Reichtum des Ackers von 731,3" in 1000 DR-; die meck-
lenburgische Wirtschaft aben nur 497 ,3",
ersterer also mehr 234".
Die B. W. enthält auf gleichem Flächenraum und bei 143
gleichem Körnerertrag im AVinterkorn einen um beinahe
50 "/o höheren Reichtum des Ackers, als die M. W.
Also wird die größere Landrente der B. W. zwar von
gleichem Flächenraum, aber nicht von gleichem Reichtum
des Ackers gewonnen; und welchen Anteil auch Klima,
Boden, Fruchtfolge, Xationalcharakter der Belgier usw. an
dem höheren Ertrag des belgischen Ackers haben mögen,
immer ist der hohe Reichtum des Bodens die Grundbedingung,
ohne welche alle anderen günstigen Einw^irkungen nicht den
hohen Ertrag hervorbringen können.
Vergleichung beider Wirtschaftsarten bei niedrigeren
Stufen der Fruchtbarkeit des Ackers.
Betrachten wir die oben mitgeteilten Tableaux über die
Landrente beider Wirtschaften genauer, so finden wir, daß
der glänzende Vorzug der B. W. immer mehr und mehr
schwindet, je mehr der Körnerertrag abnimmt: ja beim
— 150 -^
Ertrage von 6 Körnern gibt die K. W. schon eine höhere Land-
reute als die B. W., und die Landrente der letzteren Wirtschaft
wird schon bei 5,6S Körnern = 0, während die Landrente
der K. W. erst bei dem Ertrage von 5,32 Körnern verschwindet.
Dieses Resultat wird noch auffallender, wenn man er-
wägt, daß die belgische Wirtschaft bei gleichem Körner-
ertrage einen viel größeren Bodenreichtum enthält, als die
mecklenburgische.
Die belgische Wirtschaft bedarf zur Produktion von
10,56 Körnern auf 100000 DRnt. Acker eines Reichtums von
73130^; dies macht für den Ertrag von einem Korn 6925^.
144 Die mecklenburgische Wirtschaft bedarf zur Hervor-
bringung eines gleichen Körnerertrags in 100 000 DR. Acker
nur 49730» Reichtum, also für 1 Korn 47 10».
Beim Ertrage von 6 Körnern enthält demnach
die B. W. (J X 0925 = 41550«
die K. W. 6 X 4710 = 28260».
Die belgische Wirtschaft gibt hier bei einem um 13 290»
höheren Reichtum eine geringere Landrente als die Koppel-
wirtschaft.
Bei dem Ertrage von 5,6s Körnern, wo die Landrente
der belgischen Wirtschaft = 0 wird, enthält der Acker noch
ßO
5 ^ X 6925 r= 39334» Reichtum.
Die Landrente der mecklenburgischen Wirtschaft ver-
schwindet dagegen erst, wenn der Acker nur 5,32 Körner
32
trägt, und also einen Reichtum von 5 jr^ X 4710
= 25057» enthält.
Ein Acker, der in 100000 DRut. 39334» Reichtum
enthält und der durch B. W. genutzt gar keine Landrente
abwirft, wird, durch K. W. genutzt, einen Ertrag von
39334
r,f^- = 8,35 Körnern geben und eine Landrente von
— löl —
35
818,2 -[- iTjA X 305,4 = 925.1 Tlr. abwerfen. Wenn nun
umgekehrt auf einem. Boden von dieser Fruelitbarkeit die
B. W. eingeführt wird : so wird dadurch die ganze Landrente
von 925,1 Tlr., welche die K. "NV. hier bisher gegeben hat,
vernichtet.
Dies mag wohl zur Warnung dienen , keine Wirtschaft
aus fremden Ländern nachzualunen und bei sich einzuführen,
wenn man nicht alle Verhältnisse, worin diese ihre Be-
gründung findet, klar überschaut und das innere Wesen des 145
Landbaues zuvor erforscht hat.
Dies mag ferner erklären, warum die Ansetzung von
Kolonisten aus Belgien und der Pfalz fast immer unglück-
liche Resultate geliefert hat: man gab ihnen in der Regel
einen Boden , wo die Fortführung ihrer heimatlichen Wirt-
schaft eine Torheit w^ar, wo sie verderben mußten, wenn
sie nicht zur landüblichen Wirtschaft übergingen — und so
wurde ihr Beispiel, anstatt zur Nacheiferung zu reizen, eine
Warnung gegen alle Neuerungen.
In dem nördlichen Brabant liegen noch jetzt große mit
Heide bewachsene Flächen öde imd wüst. Da dieser Boden
in seiner physischen Beschaffenheit nicht zu dem ganz
schlechten gehört, indem er noch Heide und teilweise Eichen
trägt, und in einer Ebene liegt, die nur wenig über dem
Wasserspiegel des nahen Meeres erhaben ist ; da ferner diese
Fläche rings von großen Städten umgeben ist, in deren Nähe
das Land einen hohen Wert hat: so muß es notwendig be-
fremden, daß selbst die belgische Industrie an der Urbar-
machung dieses Bodens scheiterte.
Woher mag dies rühren?
Daß der kostspielige belgische Landbau sich auf einem
Boden von dieser Art nicht bezahlt macht, so gewiß; daß
die belgischen Fruchtfolgen einen armen Boden nicht be-
reichern, sondern völlig erschöpfen, ist ebenfalls gewiß.
— 152 —
Haben nun die Belgier — wie es der Fall zu sein scheint —
hier eine ähnliche, wenn auch nicht gleiche Wirtschaft als
auf ihrem reichen Boden versucht : so mußten diese Ver-
suche notwendig fehlschlagen.
Vielleicht würde hier dem mecklenburgischen Landwirt
gelingen, was dem belgischen Landwirt bisher mißlang:
vielleicht, ich möchte sagen wahrscheinlich, wäi-en diese
146 Heiden längst in kultiviertes Land umgeschaffen , wenn die
Koppelwirtschaft an den Ufern der Maas bekannt und land-
üblieh gewesen wäre.
Die K. W. von 10,5g Körnern und die B. W. von
7,18 Körnern Ertrag enthalten gleichen Reichtum, nämlich
497300 in 100000 DRut.
Die K. AV. gibt von diesem Reichtum
eine Landrente von 1600 Tlr. X-Zs
Die B. W. gibt von diesem Reichtum
eine Landrente von 854,3 „ ,,
Der Reichtum des Bodens wird also durch K. W. viel
höher genutzt als durch B. W. , und diese wird erst da
vorteilhaft, wo der Reichtum des Bodens so hoch steigt,
daß die K. W. denselben wegen Lagern des Getreides nicht
melir nutzen kann.
Die B. W. bestellt von der ganzen Ackerfläche 60 ^/o
mit Getreide und erhält sich dabei in gleicher Fruchtbarkeit,
während die M. W. nur 43 ^/o der Ackerfläche mit Getreide
bestellen darf, wenn sie sich in und dm-ch sich selbst in
gleicher Kraft erhalten soll.
Die Belgier erreichen dieses Resultat dadurch, daß sie
1. den Klee, als die wichtigste duugerzeugende Frucht,
in einen eben so reichen Boden bringen, als das
Winterkorn selbst, während die Mecklenburger ihre
Weide nur in solche Schläge nehmen, die durch drei
— 153 —
Korusaaten bereits einen großen Teil ihres Reichtums
verloren haben ;
2. daß sie den Klee nicht vom Yieh abweiden lassen,
"wodurch sonst eine bis fast auf die Hälfte verminderte
Kleeproduktion und eine ungefähr um ein Diittel ver-
minderte Dungerzeugung entstehen würde, sondern
ihn abmähen und mit dem Vieh auf dem Stall ver- 147
füttern, — und diese beiden Ursachen zusammen be-
wirken, daß der einzige belgische Kleeschlag = 20 %
der Ackerfläche in der Dungerzeugung den drei meck-
lenburgischen "Weideschlägen = 48 ^io der Ackerfläche
fast gleichkommt;
3. daß sie die Stoppel des Wintergetreides noch in dem-
selben Jahre mit Rüben bestellen und so von dem-
selben Felde nach der aussaugenden Halmfrucht noch
eine Frucht gewinnen, die mehr Dung wiedergibt, als
sie dem Acker entnomnaen hat.
Meine Berechnungen über den Geldertrag und die Kosten,
sowie über die Dungkonsumtiou und den Dungersatz der
einzelnen Schläge — die ich gerne vorgelegt hätte, um das
prüfende und berichtigende Urteil des Publikums darüber
zu vernehmen , die ich hier aber nicht mitteilen kann , weil
sie zu vieler Erörterungen und Erklärungen bedürften , und
dadurch zu vielen Raum einnehmen würden — ergeben, daß
der Kartoffelschlag von 10000 DR. durch den Wert, den
die Kartoffeln als Viehfutter haben, nach Abzug der vei'-
wandten Arbeitskosten nur einen Greldüberschuß von 25,5 Tlr.
N2/3 liefert, und daß der Dungersatz, den die Kartoffeln
durch ihre A^erfütterung geben, die Dungkonsumtion, die
ihre Ernte bewirkt hat, nur um 46,2^ überwiegt.*)
Hiernach wären also die Kartoffeln in beiden Beziehungen
fast als eine neutrale Frucht zu betrachten; man könnte die
*) Hiermit ist zu vergleichen, was im Anhang sub Nr. 5
über diesen Gegenstand gesagt ist.
154 —
Brache an ihre Stelle setzen , ohne daß dadurch weder der
Geldertrag noch die Dungerzeugung wesentlich verändert
würde. Aber der Kartoifelbau erspart die in der Koppel-
wirtschaft so kostspielige Brachbearbeitung zum größeren
14sTeil, indem nach den Kartoffeln nur einmal, bei der Brach-
bearbeitung aber viermal zum Eoggen gepflügt werden muß
— und dadurch wird der Kartoifelbau von großer Bedeutung
für den Reinertrag der belgischen Wirtschaft.
Der Anbau der Futtergewächse gibt in Belgien so wenig
als anderswo einen bedeutenden Reinertrag; aber der Bau
des Klees und der Rüben wird durch die Dungerzeugung,
die allein einen ausgedehnten Korn bau möglich macht, der
Bau der Kartoffeln durch die Ersparung der Brachbearbeitung
wichtig und notwendig.
6.
Aus der zu Anfang dieses Paragraphen gelieferten
Gegeneinanderstellung des Ertrages und des im Acker be-
findlichen Reichtums geht hervor
an Reichtum im Acker
erforderlich ist
daß zur Produktion von
a) in der belg. b) in d. uieckl.
Wirtschaft Wirtschaft
1 Schfl. Weizen
R 0
")96
—
1 „ Roggen
6,o"
6«
1 „ Hafer
4,c/
a 0
1 „ Gerste
—
50
1 „ Kartoffeln
n 0
—
1 Ztr. Kleeheu
2,2»
—
1 „ auf Heu reduziertes Weide-
gras
—
4,3°
Für die M. W. nehme ich femer
an, daß zur Produktion von 1 Schfl.
Weizen gehört
—
6°
1 Schtt. Kartoffeln
—
^;e07
— 155 —
Wenn man Weizen und Roggen zusarameu nimmt , so 149
gehören in Belgien zur Produktion von 1 Sehfl. Winterkorn
^-^^^4^' = G,TsO Reichtum.
In Mecklenburg gehören dagegen zu
einem Schfl. Winterkorn 6" „
Also sind 6*^ Reichtum nach reiner Brache für den
Pflanzenwachstum ebenso wirksam als 6,78*^ nach einer
Vorfrucht. Das Verhältnis der Wirksamkeit des Dungs
nach reiner Brache zu der nach einer Vorfrucht, ist also
wie 6,78 : 6 = 11,3 : 10; oder wo nach reiner Brache 11,3
Körner wachsen könnten , da wachsen nach der Vorfrucht
nur 10 Körner.
Wo die Bearbeitung des Bodens minder vollkommen
als in Belgien ist, da wird auch der Nachteil der Vorfrucht
auf die Wirksamkeit des Reichtums immer größer, und für
eine gewöhnliche Bearbeitung möchte das früher angenom-
mene Verhältnis von 12 : 10 ziemlich zutreffend sein.
Für den Hafer, der niemals nach der Brache kommt,
müßte der Reichtum des Bodens in Belgien ebenso wirksam
sein, als in Mecklenburg. Wir finden aber, daß in Belgien
zu der Produktion von einem Schfl. Hafer 4,64'', in Mecklen-
burg nur 3,51^ Reichtum gehören. Die Erklärung über
diese Abweichung finden wir in der verschiedenen Bestellung
des Hafers. Die Belgier bringen nämlich die starke Düngung
zum Hafer, wenn unter diesen Klee gesäet werden soll, erst
mit der Saatfurche unter. Bei dieser Behandlung ist die
Düngung für den Hafer selbst fast ganz unwirksam. Aber
wahrscheinlich wollen die Belgier gerade dies, damit der
Hafer sich nicht lagere und den Klee ersticke, und damit
dem Klee die ganze Düngung, ohne Abzug, zu Nutzen komme.
Daß der Klee in Belgien von demselben Reichtum fast 150
den doppelten Ertrag gibt, liegt teils im belgischen Klima,
welches dem Kleewuchs viel günstiger ist, hauptsächlich
— 156 —
aber darin, daß wir ihn in Mecklenburg abweiden und zer-
treten lassen, während derselbe in Belgien vom Yiehtritt
nicht gestört, sondern regelmäßig abgemäht wird.
Wenn man von dem Erlrage des Getreides und der
Kartoffeln die Aussaat abzieht, und den hieraus hervor-
gehenden Überschuß mit der Summe der auf der Produktion
derselben verwandten Arbeitskosten vergleicht: so ergibt sich
hieraus, wieviel ein Scheffel von jedem dieser Gewächse an
Arbeitskosten (also mit Ausschluß der allgemeinen Kultur-
kosten) erfordert hat.
Meine Berechnungen geben hierüber folgende Resultate:
Die Produktion
von
kostet an
Arbeitslohn
a) in der belg.
b)ind. meekl.
Wirtschaft
Wirtschaft
Schilling ^%
SchiUing N^/j
1 Sc-lifl. Weizen
19.,
1 „ Koggen
1H.7
20,0
1 „ Gerste
—
15,:,
1 „ Hafer
13,.
11,-.
1 „ Kartoffeln
3,.
—
kostet an Saat un
d Arbeitslohn
1 Ztr. KleelR'u
4,3
1 „ Kuben
1,:.
—
1 „ auf Heu reduziertes,
aber
nicht erworbenes, sondern
vom
Vieh abgehütetes G
ras
—
o„
151 Es ist zu bemerken , daß bei dieser Berechnung der
Preis von 1 Tlr. 12 ßl. N-,:i für den Berliner Schtl. Koggen
- 157 —
zum Grunde liegt, und daß, da die Arbeitskosten mit dem
Preise des Getreides steigen oder fallen , diese Bereeiinung
auch nur für diesen einen Getreidepreis gültig ist.
Die Arbeitskosten zur Produktion eines Scheffels Roggen
betragen in Mecklenburg 25.0 ßl. , in Belgien dagegen nur
18,7 ßl. Hier zeigt sich, der große Einfluß, den der Kartoffel-
bau statt der Brache auf die Ersparung der Arbeitskosten hat.
Den Roggen nach Kartoffeln zu nehmen, ist eine schlechte
Fruchtfolge. Dessen ungeachtet ernten die Belgier das Maxi-
mum, was diese Frucht im Durchschnitt mehrerer Jahre
geben kann; es zeigt sich hier also, daß ein Fehler in der
Fruchtfolge auf einem reichen Boden durch eine höchst sorg-
fältige Bearbeitung unschädlich gemacht werden kann. Ein
solcher Verstoß gegen die Regeln des Fruchtwechsels würde
sich dagegen auf ärmeren Boden strenge bestrafen.
Bemerkiiugeu und Erkläniugeu.
Was den Verfasser zu der Vergleichung zwischen der
belgischen und der mecklenburgischen Wirtschaft bewog,
war das genauere Studium von Schwerz herrlichem AVerke
über die belgische Landwirtschaft. Er fand in diesem Werke
eine solche Menge schätzbarer Data, er fand die Angaben
mit solcher Vorsicht und Umsicht gewählt und in demselben
einen solchen inneren Zusammenhang, daß er glaubte, durch
die Zusammenstellung und Vergleichung derselben mit seinen
eigenen Erfahrungen, eine für ihn selbst höchst lehrreiche
Arbeit zu unternehmen — und diese Erwartung hat ihn
nicht getäuscht.
Als der Verfasser diese Vergleichung unternahm, war 152
es nicht seine Absicht, sie dieser Schrift, welche zum
größeren Teil bereits 6 Jahre vor dem Erscheinen im Druck
zum erstenmal niedergeschrieben wurde, einzuverleiben ; aber
— 158 —
nach Vollendung derselben fand er in den Resultaten einen
so nahen Zusammenhang mit den in dieser Schrift bereits
entwickelten Sätzen, daß er glaubte, die Resultate selbst
dem Publikum hier mitteilen zu dürfen — obgleich er die
Mangelhaftigkeit dieser Yergleichung , für welche die Ein-
heit des Standpunktes fehlt, sehr wohl erkennt und deshalb
diese Arbeit nur für einen Versuch ausgeben kann und will.
Wo die Berechnungen auf Punkte kamen, die in dem
Schwerzschen Werke nicht angeführt sind, da mußte die
Lücke durch die für T. gefundenen Verhältnisse ergänzt
werden — dies war zum Teil bei der Bestimmung der
Erntekosten, besonders aber bei der Bestimmung der all-
gemeinen Kulturkosten unvermeidlich.
Wo zur Fortführung der Berechnung Annahmen über
die Aussaugung der Wurzelgewächse und des Grünfutters,
sowie über Quantität und Wert des Ersatzes, den sie liefern,
nicht zu vermeiden waren, da hat der Verfasser die Sätze
angenommen, welche nach seiner Erfahrung und nach der
Summe seiner Beobachtungen ihm als die richtigsten er-
scheinen; aber er ist weit entfernt, diese Sätze schon füi'
entschieden zu halten, er sieht vielmehr der Zeit, wo seine
Ansicht durch entscheidende Versuche und durch Erfahrungen
im großen berichtigt werden wird, mit Verlangen entgegen.
Die große Abweichung, welche in den von Schwerz
angeführten Marktpreisen der Viehkartoffeln, des Klees, des
Strohes und anderer zum Viehfutter bestimmten Gewächse
von dem Futterwert, den ich diesen Gewächsen anrechne,
stattfindet, macht hier eine Erklärung notwendig.
153 In den Marktpreisen dieser Gewächse sind enthalten:
a) der Futterwert,
b) der Dungwert,
c) die Transportkosten dieser Gewächse, von dem Orte
ihrer Erzeugung bis zum Marktplatz.
Eine sorgfältige Prüfung und vergleichende Berechnung
— 159 —
hat mich überzeugt, daß auch ia Belgien der Reinertrag vom
Yieh, und also auch der Futterwert der vom Vieh verzehrten
Gewächse nicht bedeutend ist, und daß der größere Teil
des hohen Marktpreises, den diese Gewächse in Belgien
haben, aus dem hohen Wert, den der Dung in diesem Lande
hat, entspringt.
Meine Berechnungen ergeben für 100000 DR. Acker in
der belgischen Wirtschaft einen Pachtpreis von 3797,2 Tlr. N-/o.
Die wdrkliche Pacht des Ackers, für den diese Berech-
nung entworfen ist, beträgt nach Herrn Diercxsens Angabe
im 2ten Teil S. 398 des Schwerzschen Werkes 54 Florins
pr. Bunder, welches im 100000 DR. Acker — 3706 Tlr. N^/s
ausmacht.
Zwischen meiner Berechnung und der wirklich bezahlten
Pacht findet also eine Differenz von 91,2 Tlr., oder von circa
212% statt.
Die Kornpreise sind in meiner Berechnung so ange-
nommen, wie Herr Diercxsen sie in seinen Notizen angibt,
wonach der Berliner Schfl. Roggen auf 1 Tlr. 12 ßl. N-Zs
kommt. Bei der Vergleichung der belgischen mit der meck-
lenburgischen AVirtschaft mußten notwendig für beide Wirt-
schaftsarten dieselben Getreidepreise zu Grunde gelegt
werden, und es ist hier deshalb der mecklenburgischen
Wirtschaf-t der Schfl. Roggen ebenfalls zu 1 Tlr. 12 ßl. N'^/s
angerechnet. Dieser Preis stimmt zwar beinahe, aber doch
nicht völlig genau mit dem Preise überein , der in dem 154
übrigen Teil dieser Schiift angenommen ist. Aus diesem
Grunde, und auch weil in der Verteilung der allgemeinen
Kulturkosten und in einigen Ausätzen der Statik, kleine
Änderungen getroffen sind, kann nun die hier für die K. W.
gefundene Landrente nicht völlig mit der früher für diese
Wirtschaft berechneten Landrente übereinstimmen.
Es kann ferner die Berechnung über die belgische Wirt-
schaft, weil sie nicht von einem und demselben Standpunkt
— 160 —
mit unseren früheren Untersuchungen ausgegangen ist, nicht
dazu dienen, den Platz, den die belgische Wirtschaft in
unserem isolierten Staat einnehmen könnte, nachzuweisen.
Die hier gelieferte Yergleichung muß deshalb als eine ein-
geschobene, fiir sich bestehende Abhandlung betrachtet werden.
§ 18.
Anführung einiger anderer Rücksichten bei der
Wahl eines Wirtschaftssystems.
In dem Vorgehenden haben wir untersucht, wie die
beiden Potenzen : Getreidepreis und Eeichtum des Bodens,
das zu wählende Wirtschaftssystem bestimmen. Diese Po-
tenzen sind zwar die wichtigsten aber keineswegs die ein-
zigen, die auf die Wahl eines Wirtschaftssystems einwirken.
Um den Einfluß der genannten beiden Potenzen zu er-
forschen, mußten wir sie aus dem Konflilit, worin sie in der
Wirklichkeit mit den übrigen Potenzen stehen, herausreißen,
sie gleichsam freimachen, damit das, was jede — unter ge-
gebenen Umständen — für sich allein vermöge, sichtbar
werde. Wir haben zu diesem Zweck alle übrigen Potenzen
als gleichbleibende, beständige Größen angenommen, und
nun waren diese beiden Potenzen als die einzigen ver-
änderlichen, auch die einzigen, die bei unserer Untersuchung
in Betracht kamen.
155 Unter anderen Verhältnissen oder bei anderen Gesichts-
punkten kann aber eine, oder können melu-ere der von uns
als beständige Größen betrachteten Potenzen als veränder-
liche erßcheinen oder gedacht werden ; und dann wird der
Einfluß, den das Wachsen oder Abneluuen dieser Größen
auf das Wirtschaftssystem ausübt, zum Gegenstand einer
neuen Forschung.
— 161 —
Die aus solchen veränderten Suppositionen hervorgehen-
den neuen Untersuchungen gehören zwar nicht wesentlicli
zum Zweck dieser Schrift; aber ich glaube doch, um Miß-
verständnissen möglichst vorzubeugen, einige der wichtigsten
Rücksichten dieser Art anführen zu müssen.
A. Wirtschaften mit wachsendem Reichtum des Bodens.
Man pflegt bei der Vergleichuug zweier Wirtschafts-
systeme es als einen Vorzug des einen oder des anderen
anzuführen, daß durch dasselbe der Acker von Umlauf zu
Umlauf an Reichtum und Ertrag zunehme.
Nun ist es aber kein wesentliches Attribut des einen
oder anderen Wirtschaftssystems, daß es den Boden be-
reichere oder erschöpfe. Man kann den Acker ebensowohl
durch Koppel- und Fruchtwechselwirtschaft, als durch Drei-
felderwirtschaft aussaugen. Eine 6 schlägige F. W. W. mit
4 Kornsaaten ist so wie die 7 schlägige K. W. mit 4 Halm-
früchten eine aussaugende Wirtschaft; dagegen sind die
7 schlägige F. W. W. mit 3 und die 6 schlägige K. W. mit
2 Kornsaaten bereichernde Wirtschaften. Nicht in der Frucht-
folge, nicht in dem Wirtschaftss3"stem liegt es, ob eine
Wirtschaft eine bereichernde oder erschöpfende sei; sondern
lediglich in dem Verhältnis zwischen den dungerzeugenden
und den erschöpfenden Früchten — für welches Verhältnis
ich , der Kürze wegen , mich künftig des Wortes „Saaten-
verhältnis" bedienen werde.
Stellt man zwei Güter mit zwei verschiedenen Wirt- 156
Schaftssystemen gegeneinander und nimmt für das eine ein
bereicherndes, für das andere ein erschöpfendes Saaten-
verhältnis an, und will man nun aus dem endlichen Erfolge
— gleichviel ob dieser aus einer richtigen Berechnung, oder
aus der wirklichen Erfahrung hervorgehe — dartun, welches
Wirtschaft ssj^stem den Vorzug verdiene: so beantwortet diese
Untersuchung nur die Frage, ob der durch die schonende
T hü nen, Der isolierte Staat. 11
— 162 —
Wirtschaft bereicherte Boden am Ende einen höheren "Wert
habe, als der in seinem vorigen Zustand gebliebene ärmere
Boden — eine Frage, über deren Beantwortung an sich gar
kein Zweifel stattfinden kann.
Bei einer solchen Gegeneinanderstellung muß stets das-
jenige Wirtschaftssystem, dem man das am meisten be-
reichernde Saatenverhältnis zuteilt den Sieg davontragen.
Soll die A^ergleichung zweier Wirtschaftssysteme nicht
zur Begriffsverwirrung, sondern zur klaren Einsicht führen,
so müssen folgende Gesichtspunkte scharf geschieden werden :
1. Wenn der Zweck der Wirtschaft ist, den Boden in
Hinsicht seines Reichturas in einem beharrenden Zu-
stand zu erhalten , welches Wirtschaftssj^stem liefert
dann den höchsten Geldertrag?
2. unter welchen Verhältnissen ist es vorteilhaft, den
Reichtum des Bodens auf Kosten des Geldertrages zu
erhöhen , und bis zu welchem Grade kann der Reich-
tum des Bodens mit Vorteil vermehrt werden?
3. Wenn der Zweck der Wirtschaft nicht auf den höchsten
Geldertrag, sondern auf die Bereicherung des Bodens
gerichtet ist, durch welches Wirtschaftssystem wird
dann die Vermehrung des Reichtums mit den min-
desten Kosten en-eicht?
157 Die Lösung der ersten, aber nicht die der zweiten imd
dritten Aufgabe ist Gegenstand dieser Schrift; wir haben
zwar Acker von verschiedenen Stufen des Reichtums neben-
einander gestellt und miteinander verglichen , aber immer
liaben wir den Acker als im beharrenden Zustande befindlich
betrachtet und betrachten müssen. Die zweite und dritte
Aufgabe, fast noch wichtiger als die erste, erwarten ihre
Lösung vielmehr von den dereinstigen Fortschritten der
Statik des Laqdbaues,
— Iü8 —
B. Verhältnis des Henertrages aus den Wiesen zur
Grösse des Ackerlandes.
Wemi mit einem Gute, welches in Koppel- oder Drei-
felderwirtschaft liegt, keine Wiesen verbunden sind, und das
Xutzvieh im Winter mit bloßem Stroh unterhalten wird:
so magert das Vieh im Winter soweit ab, daß es den größten
Teil des auf der Weide verzehrten Grases zu seiner Er-
holung und Herstellung der Beleibtheit anwenden muß und
nur einen geringen Teil desselben auf die Erzeugung von
Milch oder Wolle verwenden kann. Unter diesen Umständen
ist aber der Rohertrag des Viehes so gering, daß dadurch
die Kosten der A^iehhaltung kaum gedeckt werden, daß folg-
lich nicht bloß das verfutterte Stroh, sondern auch die Weide
selbst gar keine Nutzung abwirft.
In einem solchen Verhältnis wird es notwendig, dem
Vieh im Winter durch Körnerfutter zu Hilfe zu kommen —
sei es nun, daß man das Korn rein gibt, oder daß man das
Stroh nicht rein ausdreschen läßt — um dasselbe in einem
solchen Zustand zu erhalten, daß wenigstens die Nutzung
der Weide nicht ganz verloren gehe.
Das Zugvieh muß, wie es jedem einleuchtet, immer in
dem Stande erhalten werden, daß es die geforderte Arbeit 158
vollbringen kann. Fehlt das Heu, so muß dies augenschein-
lich durch Körnerfütterung ersetzt werden.
Vergleichen wir aber die Produktionskosten des Klee-
heues und der Kartoffeln mit denen des Getreides, so finden
wir, daß dieses ein weit teureres Futter ist, als Kleeheu
und Kartoffeln.
Bei den Berechnungen über die belgische Wirtschaft
fanden wir, daß die Hervorbringung
von 1 Schfl. Hafer an Arbeitskosten erforderte 13,i ßl.
1 „ Kartoffeln 3,3 ßl.
1 Ztr. Kleeheu 4,s ßl.
U*
— 164 —
Nach anderen Beobachtungen und Berechnungen — die
hier aber nicht mitgeteilt werden können — nehme ich ferner
an, daß ein Schü. Hafer inklusive des mit demselben ge-
ernteten Strohes für das Nutzvieh und zum Teil auch für
das Zugvieh — bei -welchem aber nicht das ganze Quantum
der Körner durch Heu ersetzt werden kann — einen gleichen
Futterwert habe mit 117 //. Ivleeheu, oder mit 2^/3 Schfl.
Kartoffeln.
Die Hervorbringung
von 117 //. Heu kostet an Arbeit :r^ X -4,3 = 5^ 3 ßl.,
von 21/3 Schfl. Kartoffeln 2^1-3 X 3,3 = 7,7 ßl.,
von 1 Schfl. Hafer 13,i ßl.
Die Kosten der Haferfütteruug verhalten sich hiernach
zu denen der Kartoffelfütteruug wie 100 : 58, und
zu denen der Kleeheufütterung wie 100 : 40.
Oder, wenn man bisher für 100 Tlr. Hafer mit dem
Nutzvieh verfütterte, so erspart man durch die Substitution
der Kartoffeln 42 Tlr., und durch die des Kleeheues 60 Tlr.
Es folgt hieraus, daß mau in solchen Dreifelder- und
Koppelwirtschaften , wo das Heu entweder ganz fehlt , oder
159 doch nicht in hinreichender Menge vorhanden ist, seine Zu-
flucht nicht zur Körnerfütterung, sondern zum Anbau der
Futtergewächse nehmen muß. Da nun diese Futtergewächse
in keinem anderen Wirtschaftssystem so wohlfeil erzeugt
werden können, als in der Fruchtwechselwirtschaft ; so folgt
hieraus ferner, daß diese Güter einen solchen Teil ihrer
Ackerfläche, der hinreichend ist, das nötige Winterfutter an
Heu, Kartoffeln usw. zu liefern, in F. W. W. legen müssen,
wenn auch der Getreidepreis nicht die Höhe und der Acker
niclit den Grad von Fruchtbarkeit erlangt hat, wo diese
"Wirtschaftsart für die ganze Ackerfläche zweckmäßig wäre.
Aber nur auf reichem Boden wird die Produktion der
Futtergewächse wohlfeil : auf armem Boden versagt der Klee
— 165 —
ganz, und die Kartoffeln geben einen so geringen Ertrag,
daß ihre Produktion leicht das Doppelte von dem kostet,
was wir hier dafür berechnet haben.
Wir werden dadurch zu einer neuen interessanten Frage
geführt.
Wird nämlich bei mangelnden Wiesen auf Acker von
mittlerem oder geringem Reichtum es zweckmäßig sein, einen
Teil des Ackers in hohe Dungkraft zu setzen und F. W. W.
darauf einzuführen, wenn die Bereicherung dieses Teiles der
Ackerfläche uur auf Kosten des anderen größeren Teiles
geschehen kann?
Ich wage hierüber kein bestimmtes Urteil zu fällen
aber ich glaube, daß die genauere Untersuchung diese Frage
bejahend beantworten würde.
Je ärmer indessen der Acker im ganzen, je schlechter
die physische Beschaffenheit des Bodens ist, um desto größer
sind die Schwierigkeiten beim Anbau der Futtergewächse —
und es erklärt sich hieraus, warum in Gegenden, wo solcher
Boden vorherrscht, die Wiesen einen so hohen Wert haben,
daß ihr Besitz fast die Bedingung ist, unter welcher man 160
nur Ackerbau treiben kann.
Für unseren isolierten Staat haben wir angenommen,
daß mit dem Acker eine solche Wiesenfläche verbunden ist,
die das für die K. W. und für die D. W. nötige Heu liefert,
und daß der aus dem Wiesenheu erfolgende Dung nicht der
ganzen Ackerfläche, sondern nur eineui in einer besonderen
Rotation liegenden Teil des Ackers zugute komme. Wir
haben diesen Teil dann nicht weiter beachtet, sondern unsere
Untersuchung allein auf die größere Abteilung der Acker-
fläche — die sich in und durch sich selbst erhalten muß,
und der das nötige Wiesenheu, gegen Bezahlung des Futter-
wertes und gegen Zurückgabe des daraus erfolgenden Dimges
geliefert wird — gerichtet.
Wir hätten ebensogut annehmen können — und viel-
— 166 —
leicht wäre die Sache dadurch noch klarer geworden — daß
gar keine Wiesen vorhanden wären, daß die Ackerfläche
jedes Gutes in zwei Abteilungen läge, wovon die kleinere
der Gewinnung des nötigen Winterfutlers gewidmet, durch
F. W. W. genutzt würde, während die größere Abteilung in
der Bewirtschaftungsart den Gesetzen folgte, die aus der Ände-
rung der Getreidepreise und des Bodenreichtums hervorgehen.
C. Stallfütterung.
Die Erfahrung lehrt, daß eine reichlich und mit kräf-
tigem Futter genährte Kuh das verzehrte Futter weit höher
bezahlt, als eine kärglich unterhaltene Kuh.
Bei der Stallfütterung erhalten die Kühe in der Regel
nicht bloß eine reichliche Sommerfütterung, sondern auch
eine kräftige Winterfütterung.
Stellt man nun den Ertrag einer im Sommer und Winter
gleichmäßig reichlich gefütterten Kuh neben den Ertrag einer
161 Weidekuh, die im Sommer gut, im Winter aber kärglich ge-
nährt wird: so zeigt sich nicht bloß im Rohertrag, sondern
auch im Reinertrag ein sehr großer Unterschied zugunsten
der Stallfütterung.
Nun ist aber die kärgliche Winterfütterung keineswegs
notwendig mit der Weidewirtschaft verbunden; es ist viel-
mehr gar kein Grund vorhanden , warum diese nicht eben
so reichlich gegeben werden könnte, als bei der Stall fütterung.
Bei der Vergleichung der Stallfütterung mit der Weide-
wirtschaft müssen deshalb folgende zwei Gesichtspunkte
genau unterschieden werden.
1. Welchen Anteil an dem hölieren Ertrag der Stallkuh
hat die stärkere und gleichmäßigere Fütterung während
des ganzen Jahres V
2. Wenn die Wcidckuh ebenso reiclilich imd gleichmäßig
ernährt wird als die Stallkuh, welche Vorzüge bleiben
dann nocii der Stallfütterung ?
— 167 —
Die gleichmäßig reichliche Unterhaltung des Yiehes
während des ganzen Jahres ist von der größten Wichtigkeit.
Bei der Somraerslallfütterung ist diese Gleichmäßigkeit,
wenn nur Grünfutter in hinreichender Menge vorhanden ist,
leicht zu erreichen. Bei der Weidewirtschaft ist dies aber
mit größeren Schwierigkeiten verbunden : denn in den
Monaten Mai und Juni ist der Wachstum des Grases so
lebhaft, daß das Vieh nicht alles verzehren kann, sondern
einen Teil desselben in Halme schießen läßt, während in
den Monaten Juli und August der Graswuchs nachläßt, und
das Vieh dann in der Regel Mangel leidet, wenn es auf die
Dreeschweiden allein angewiesen ist.
Um diesem Übel abzuhelfen, müßte man in den Monaten
Juli und August von Zeit zu Zeit frische Weide auf einmal
gemähten Wiesen und auf der Kleesloppel einräumen können;
oder man müßte zur Aushilfe einiges Grünfutter nach der 162
Weide fahren.
Kann auf diese Weise die Gleichmäßigkeit in der Er-
nährung des Viehes gesichert werden, und erhalten die
Weidekühe dasselbe Winterfutter, was die Stallkühe be-
kommen ; so ist w^eiter kein Grund abzusehen , warum die
Weidekühe von einer gleiclien Quantität Futter nicht auch
ebenso viel Milch und Butter produzieren sollten, als die
Stallkühe.
Ich habe deshalb auch im § 16, wo von der Stall-
fütterung die Rede ist, keine höhere Nutzung des Futters
durch Stallkühe als durch Weidekühe angenommen, sondern
der Stallfütterung nur die wesentlichen, von ihr unzertrenn-
lichen Vorzüge und Nachteile zugute und zur Last geschrieben.
Die Grundbedingung, unter der die Stallfüttei'ung über-
haupt nur möglich ist , ist die , daß der Boden reich genug
sei, um Mäheklee statt des Weideklees und der Gräser tragen
zu können.
Ist diese Grundbedingung erfüllt, so besteht der wesent-
— IfiR —
liehe Yorteil der Stallfütterung darin, daß der Klee gemäht,
statt abgeweidet wird , wodurch ein beträchtlich größeres,
fast doppeltes Quantum an Futter, und eine größere Dung-
erzeugung, d. i. ein größerer Überschuß des Ersatzes über
die Aussaugung, von derselben Fläche und demselben Reich-
tum des Bodens gewonnen wird.
Ob der ini Stall gewonnene Mist einen höheren oder
geringeren Wert hat, als der auf die Weide gefallene, zu
welchem sich auch eine beträchtliche Menge pflanzennähren-
der Gase beim Aushauchen des Viehes gesellt, ist mir lange
zweifelhaft geblieben. Eine längere Erfahrung hat mich nun
aber überzeugt, daß selbst dann, wenn die Grasproduktion
163 sich gleich bliebe, die Bereicherung des Bodens durch die
zweijährige Weide nicht das Doppelte , noch weniger aber
durch die dreijährige Weide das Dreifache dessen beträgt,
was die einjährige Weide dem Boden an Reichtum erteilt,
und daß von dem auf die Weide gefallenen Dung ein um
so größerer Teil veiflüchtigt wird, je länger er der Luft aus-
gesetzt bleibt, d. i. je später der Umbruch des Dreesches erfolgt.
Andererseits sind aber mit der Stallfütferung wesentlich
und unzertrennlich Arbeiten und Kosten verbunden, die bei der
Weidewirtschaft nicht stattfinden, als Einholen des Grünfutters,
Abfahren des im Sommer im Stall gemachten Dungs u. m. a.
Ob nun Stallfütterung oder Weidewirtschaft vorteilhafter
sei, hängt ganz davon ab, ob der Wert des durch die Stall-
fütterung mehr gewonnenen Futtei'S und Dungs größer oder
geringer sei als der Betrag der Kosten, die durch die Stall-
fütterung verursacht werden.
Dies ist aber wieder abhängig von dem größeren oder
geringeren Preis, den das Futter und der Dung haben, und
so sehen wir auch hier, daß der Preis der landwirtschaft-
lichen Produkte neben dem Reichtum des Bodens am Ende
darüber entscheidet, ob, wann und wo die Stallfütterung den
Vorzug vor der Weidewirtschaft hat.
— 169 -
D. Modifikationen der verschiedenen Wirtschafts-
systeme.
Unsere Untersuchungen haben ergeben, daß sowohl durch
den Übergang von niedrigen zu hohen Getreidepreisen , als
auch durch die stufenweise Erhöhung des Reichtums im
Boden, drei verschiedene Wirtschaftssysteme, nämlich Drei-
felder-, Koppel- und Fruchtwechselwirtschaft notwendig
werden.
Die charakteristischen Merkmale dieser Wirtschafts- 164
Systeme in der Beziehung, worin wir sie hier betrachten, sind :
a) Für die Dreifelderwirtschaft,
1. ein Teil des Feldes liegt beständig zur Weide,
2. der dritte Teil des Ackers ist jährlich reine Brache,
3. aller Dung wird nach der reinen Brache gebracht.
b) Für die Koppelwirtschaft,
1. die gesamte Ackerfläche wird wechselweise zum Ge-
treidebau und zur Weide benutzt,
2. in jedem Umlauf kommt eine reine Dreesch-
brache vor,
3. aller Dung wird nach der Brache gebracht,
4. die Kornsaaten und reifwerdenden Schotengewächse
werden ohne Unterbrechung durch Klee oder grün ge-
mähte Wicken nacheinander genommen, und die Weide
kommt nach den Kornsaaten in Schläge, die den ge-
ringsten Reichtum enthalten.
c) Für die Fruchtwechselwirtschaft,
1. aller Acker trägt Früchte, und es findet keine reine
Brache statt,
2. die Düngung wird zu Futtergewächsen verwandt, und
diese kommen in diejenigen Schläge, die den höchsten
Reichtum enthalten,
3. Kornsaaten und Futtergewächse w^echseln miteinander ab.
— 170 —
Diese Wirtschaftssysteme sind aber selir vieler Modi-
fikationen fähig, indem eine der charakteristischen Eigen-
schaften des einen Systems aufgeopfert und dafür eine Eigen-
schaft des anderen Systems aufgenommen werden kann. Es
entstehen dadurch gemischte Wirtschaften, die in der Mitte
zwischen den reinen Formen stehen und den Übergang von
der einen zur anderen Form bilden.
165 Da die gemischten Wirtschaften in unzähligen Ab-
stufungen sich bald mehr, bald minder dem Charakter der
reinen Wirtscliaftssysteme nähern können, so ist es unmög-
lich sie alle aufzuführen, viel weniger noch mfiglich sie alle
in der Theorie zu berücksichtigen. Es wird hier genügend
sein, in die Stufenleiter der reinen Formen einige der Haupt-
modifikationen, die sie erleiden können, mit aufzunehmen.
1. Reine Dreifelderwirtschaft.
2. Dreifelderwirtschaft, die ihre Weide von Zeit zu Zeit,
etwa alle 9 Jahre, einmal aufbricht, ohne Düngung
ein paar Kornsaaten davon nimmt und dann wieder
zur Weide niederlegt.
Diese Wirtschaft verwendet die Kosten der Dreesch-
bearbeitung — die durch die Kornernten vielleicht nicht be-
zahlt werden — um durch das geerntete Stroh einen Dnng-
zuschuß für das eigentliche Ackerland zu erhalten, und um
die Weide zu verjüngen.
3. Koppelwirtschaften , die in einer Rotation neben der
Dreeschbrache uocli eine Mürbebrache haben und dann
das Land länger als drei Jahre zur Weide liegen lassen.
Eine solche Wirtschaft ist die 12 schlägige K. W. mit
folgender Fruchtfolge: 1. Dreeschbrache, 2. Winterkorn,
3. Sommerkorn , 4. Mürbebrache , 5. Winterkorn , C.
Soramerkorn, 7. Sommerkorn, 8. bis 12. Weide. Diese
Wirtschaft trägt noch die Spuren des Überganges aus
der D. W. an sich, indem sie die Mürbebrache bei-
behält und das Land viele Jahre hintereinander zur
— 171 —
^\^eide liegen läßt. Sie vermindert die Kosten der
Dreeschbearbeitung, indem sie diese auf den 12 ten Teil
des Feldes beschränkt und trägt dafür den Nachteil,
daß ihre 4- und 5 jährige Weide wenig Gras und Dung
erzeugt.
4. Eeine Koppelwirtschaft, die keine Mürbebrache, sondern 166
nur Dreeschbrache hält.
5. Koppelwirtschaft, die neben der Brache noch einen
Teil des Nachschlags oder des Vorschlags düngt. Diese
Wirtschaft bleibt in der äußeren Gestalt der reinen
Koppelwirtschaft völlig ähnlich ; aber sie hat schon die
wesentliche Eigenschaft, daß die Weide nicht mehr in
mageren, sondern — wenigstens zum Teil — in reichen
Acker kommt, mit der F. W. W. gemein, und ist des-
halb als ein t^bergang zu derselben zu betrachten.
6. Reine Fruchtwechselwirtschaft.
Die angeführten Modifikationen ergeben sich schon dann,
wenn auch die gesamte Ackerfläche vom Hofe bis zur Scheide
in gleichmäßiger Dungkraft ist. Wenn aber der entfernte
Acker, \vie dies in der Wirklichkeit gewöhnlich der Fall,
magerer ist als der übrige Teil des Ackers: so werden da-
durch neue Modifikationen begründet.
Die größereu Kosten, die der Anbau des entfernten
Ackers verursacht, bringen allein schon die Tendenz hervor,
den entlegenen Acker in der Bewirtschaftungsart von dem
übrigen Acker zu trennen. Vereinigt sich hiermit nun noch
Ungleichheit des Reichtums, so ist diese Trennung entschieden
zweckmäßig. Bei der Koppelwirtschaft entsteht dadurch ein
vSogenanntes Binnenfeld und ein Außenfeld. Beide unter-
scheiden sich dann in der Be Wirtschaft ungsart dadurch, daß
in dem Binnenfelde das Verhältnis zwischen den korntragen-
den Schlägen und den Weideschlägen größer, in dem Außen-
felde aber geringer ist, als dies sein würde, wenn die ganze
Fläche in einer Rotation läge ; daß also ersteres im größeren
- 172 —
Verhältnis dem Kornbau, letzteres im überwiegenden Ver-
hältnis der Weide gewidmet ist.
167 Wir haben im § 14 gesehen, daß in imserem isolierten
Staat die D. AV, schon bei dem Preise von 0,470 Tlr. für
den Schfl. Roggen betrieben werden kann, und daß erst
bei einem Preise, der höher als 0,g65 Tlr. für den Schfl. ist,
die K. W. einen größei^en Reinertrag gibt als die D. W.
Gäbe es nun keine anderen als die reinen Wirtschaftsformen,
so würde der Acker bei den Preisen, die zwischen 0,i7o Tlr.
und 0,t;ft') Tlr. liegen, nur durch D. W. genutzt werden
können, während hier doch schon eine stärkere Dung-
erzeugung, als die reine D. W. liefert, vorteilhaft wird, wenn
diese nur mit minderen Kosten als bei der reinen K. W.
bewirkt werden kann — welches beides durch die gemischten
Wirtschaften geschieht.
Wir haben ferner im § IG gesehen, daß in der reinen
Koppelwirtschaft nur ein mittlerer Reichtum von 373" in
1000 CRut. genutzt werden kann, während die F. W. W.
einen mittleren Reichtum von .jIO'' nützlich verwendet. Sollte
nun beim steigenden Reichtum die K. W. plötzlich und auf
einmal zur F. W. W. übergehen: so würde hier eine Wirt-
schaft eingeführt w-erden, für die der Boden noch nicht reich
genug ist, und durch die deshalb der reine Geldertrag ver-
mindert würde. Die K. W. mit gedüngtem Nachschlag
kann einen höheren mittleren Reichtum als 373" sehr gut
nutzen , ohne in ihrer Organisation kostbarer zu werden,
als die reine K. W. — und sie wird dadurch zu einer
nützlichen Stufenleiter zwischen der reinen K. W. und der
F. W. W.
Denken wir uns nun statt des beharrenden Zustandes
ein leises und allmähliches aber dauerndes Steigen des
Getreidepreises und des Bodenreichtums — wie dies auch
iQ der Wh-klichkcit in der Regel der Fall ist — so würden
wir in einer einzelnen Wirtschaft im Laufe der Zeit alle
— 173 —
Formen erblicken , die wir hier als vereinzelt und neben- 168
einander stehend betrachtet haben.
Sind nämlich die beiden Potenzen — Getreidepreis imd
Bodenreichtum — soweit gestiegen, daß eine etwas mehr Kosten
erfordernde Wirtschaft als die D. "W. sich bezahlen würde,
aber noch nicht hoch genug, um die reine K. W. vorteilhaft
zu machen, so wird eine gemischte, aus beiden Formen zu-
sammengesetzte Wirtschaft eingeführt werden. Da nun diese
gemischte Wirtschaft sich in unzähligen Modifikationen bald
mehr der einen, bald mehr der anderen Form anschließen
kann: so wird auch für jede Stufe des Getreidepreises und
des Bodenreichtums eine dieser Stufe genau entsprechende
Wirtschaftsform gefunden werden können. Es wird — die
Konsequenz der Bewirtschaftung voi'ausgesetzt — das leise
Steigen beider Potenzen stets von einer leisen Veränderung
in der Wirtschaftsform begleitet sein, bis diese endlich zur
reinen K. W. übergeht.
Aber auch hier wird, wenn die beiden genannten
Potenzen fortwährend wachsen , nur ein augenblickliches
Verweilen, kein Ruhen und Beharren stattfinden.
Die Wirtschaft zu der Dungkraft gelangt, daß die Brache
keine stärkere Düngung erträgt, wird bei noch mehr steigen-
dem Reichtum den entbehrlichen Dung zur Bedüngung des
Nachschlags, d. i. des dritten Kornsclilages, in welchen der
Klee gesät wird, verwenden. Der Klee, w'elcher sonst in
den magersten Acker kam, erhält nun einen reichen Boden,
welcher nach vollendeten Weidejahren in der Brache ent-
weder gar nicht oder doch nur schwach gedüngt werden
darf. Dadurch wird dann der Teil des Nachschlages, der
gedüngt werden kann, in einem von Umlauf zu Umlauf
verstärkten Maße vergrößert, bis auch diese Verwendung
des Dunges ihr Ziel erreicht hat. Die fernere Steigerung
des Reichtums führt dann die Abschaffung der Brache
herbei , und mit derselben verschwindet zugleich die 16y
— 174 —
Koppelwirtschaft, und die Fruchtwechselwirtschaft tritt an
ihre Stelle.
In den gebirgigen Gegenden dienen nur die Täler zum
Ackerbau und die Berge werden bloß zur Weidp genutzt.
Hier ist, wenn die Berge die Beackerung durchaus nicht ge-
statten, eine Verbreitung der Koppelwirtschaft über die
ganze Feldmark unmöglich. Es kann also bei steigenden
Getreidepreisen und steigendem Eeichtum des Bodens der
Übergang von der D. W. zur F. W. \V. nicht, wie auf ebenem
Boden, vermittels der K. W. geschehen.
Wenn nun die Ebene im Verhältnis zu den Gebirgs-
weiden und den Wiesen so klein ist, daß der Reichtum des
Ackers, trotz der aussaugenden D. W. anwächst, so entstellt
die Frage: wie und bei welchem Grade des Reichtums
diese Wirtschaft zur F. W. W. übergehen muß.
Meine Berechnungen erstrecken sich nicht auf diesen
besonderen Fall, und ich kann deshalb theoretisch hierüber
nichts entscheiden. Die Praxis hat diese Frage aber schon
längst dahin gelöst, daß unter solchen Verhältnissen ein
Teil der Brache, oder auch die ganze Brache mit Kartoffeln,
Klee, Erbsen, Flachs usw. bestellt wird. Eine bestellte
Brache hört aber auf Brache zu sein, und die D. W. verliert
unter diesen Umständen ihre wesentlichsten charakteristischen
Merkmale. Sie kommt vielmehr in dem Hauptpunkt, der
Abschaffung der Brache und der Nutzung des ganzen Acker-
landes, mit der F. W. W. überein; entbehrt dagegen aber
alle Vorteile, die aus einem richtigen Fruchtwechsel ent-
springen. Es leidet daher wohl keinen Zweifel , daß unter
solchen Umständen die F, W. W. vorteilliafter als die D. W.
170 mit bestellter Brache sei; und in der Tat sind, seitdem durch
unseren Lehrer der wissenschaftlichen Landwirtscliaft, durch
Thaer, die Fruchtwechselwirtschaft unter uns bekannt und
ein Gegenstand des Nachdenkens aller gebildeten Land-
— 175 -
wirte geworden ist, eine Menge solcher D. W. in dem ge-
birgigen Teil von Schlesien, Mähren und Sachsen zur F. W. W.
übergegangen.
Wir haben bei unseren Untersuchungen zwai- Boden von
verschiedenen Stufen des Reichtums, aber immer nur Boden
von einer und derselben physischen Beschaffenheit vor Augen
gehabt. In der AVirklichkeit finden wir dagegen fast auf
jedem Gute Boden von verschiedener Qualität vor. Der
Zweck dieser Schrift erlaubt es keineswegs, hierauf weiter
einzugehen; aber einleuchtend muß es sein, wie kompliziert
die Aufgabe der Wahl des Wirtschaftssystems wird, wenn
Verschiedenheit im Reichtum des Ackers , Verschiedenheit
in der Qualität des Bodens neben der ungleichen Entfernung
des Ackers vom Hofe auf einem und demselben Gute zu-
sammentreffen ; einleuchtend muß es sein, daß, wie vollendet
auch einst die Theorie der Landwirtschaft dastehen möge,
dennoch das Geschäft des Landwirts, wenn er nicht blinder
Nachahmer sein, sondern sich der Gründe, wonach er handelt,
stets bewußt sein will, niemals mechanisch werden kann,
sondern immer ein ernstes und tiefes Studium seines Stand-
punktes und der Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft
erfordern wird.
Nachdem die Untersuchungen bis zu diesem Punkt fort-
gefüh]-t sind , können wir jetzt zu dem isolierten Staat,
und zwar zur Bestimmung der sich um die Stadt bildenden
Kreise zurückkehren.
— 176 —
§ 19.
171 Zweiter Kreis.
Forstwirtschaft.
Die Ebene des isolierten Staats muß die Stadt niclit
bloß mit Lebensmitteln versorgen, sondern auch den Bedarf
derselben an Brennholz, Bauholz, Nutzholz, Kohlen usw.
liefern.
Es entsteht nun die Frage, in welcher Gegend des iso-
lierten Staates die Erzeugung des Holzes stattfinden wird.
Nehmen wir den Preis, den das Holz in der Stadt hat
als gegeben, z. B. IG Taler für den Faden Buchenbrenn-
holz von 224 Kubikfuß, und rechnen die Transportkosten
eines Fadens pr. Meile zu 2 Tlr. , so ergäbe sich hieraus,
daß aus einer größeren Entfernvmg als 8 Meilen gar kein
Brennholz zur Stadt gebracht werden könnte, wenn auch die
Produktion des Holzes nichts kostete und der Boden gar
keine Landrente tragen sollte.
Hieraus folgte dann , daß die entfernten Gegenden von
der Produktion des Holzes zum Zweck des Verkaufs nach
der Stadt ausgeschlossen wären, und daß die Holzerzeugung
in der Nähe der Stadt geschehen müsse.
Nehmen wir dagegen bloß den Preis des Getreides als
bekannt an (zu 1^/2 Tlr. für den Schfl. Roggen) und fragen
nun, wie hoch wird unter den gegebenen Verhältnissen der
Preis des Holzes in der Stadt sein, so wird dadurch die
Aufgabe sehr viel schwieriger.
Holz und Getreide haben keinen gemeinschaftlichen
Maßstab ihres Gebrauchswertes: eins kann nicht durch das
andere ersetzt werden.
„Warum, könnte jemand sagen, sollte der Faden Holz
,,nicht 40 Tlr. gelten können, wenn auch der Schll. Roggen
I
— 177 —
„nur 1^/2 Tlr. gilt. Ist dies aber möglich , so sind Eure 172
„Schlüsse, daß das Holz in der Nähe der Stadt erzeugt
„werden müsse, völlig ungültig; es kann vielmehr aus großer
„Entfernung geliefert werden. Der Einwand, den Ihr macht,
..daß ein solches Preisverhältnis nirgends stattfinde, kann
,, nichts entscheiden : denn fast überall sind noch Reste der
.,alten Urwälder vorhanden, und wo diese sich nicht mehr
„finden, wird der Markt doch mehr oder minder von anderen
„Gegenden mit Holz aus den Urwäldern versorgt. Die Er-
„zeugung der Urwälder hat dem Menschen aber keine Arbeit,
„Pflege und Kapitalanlage gekostet, und sie haben deshalb
„an dem Orte, wo sie sich finden, kaum einen höheren
„Tauschwert als das Wasser, so hoch auch der Gebrauchs-
„wert sein mag. In dem isolierten Staat aber, wo immer
„nur der endliche ■ — an das Zeitmaß nicht gebundene —
„Erfolg Gegenstand der Untersuchung ist, müssen alle Ur-
„wälder als längst verschwunden, und alle Waldungen als
„durch menschliche Arbeit hervorgebracht, betrachtet werden.
„Ihr müßt also einen inneren Zusammenhang zwischen Ge-
,,treide- und Holzpreisen nachweisen, Avenn Eure Schlüsse
„Gültigkeit haben sollen."
Wir müssen die Konsequenz dieses Einwurfes einräumen
und nun versuchen, ob wir der gemachten Forderung Genüge
leisten können.
Der Preis eines Faden Holzes in der Stadt sei also un-
bekannt, oder gleich y Taler.
Denken wir uns nun eine Buchen waldung von 100000
GRut. in 100 Kaveln geteilt, wovon jährlich eine gehauen
wird : so werden wir bei einer regelmäßigen Bewirtschaftung
eine Kavel mit einjährigen, eine Kavel mit zweijährigen usw_
bis zu hundertjährigen Bäumen haben.
Der Ertrag der gefällten Kavel sei ... 500 Faden. 173
Die Zwischennutzungen , die dadurch entstehen,
daß aus den Kaveln mit jüngerem Holz die zu
Thünen, Der isolierte Staat. 12
— 178 —
dicht stehenden Bäume weggenommen werden,
mögen ebenfalls betragen 500 Faden.
Summe des Ertrages 1000 Faden.
Die mit der Bewirtschaftung dieses Forstes verbundenen
Kosten, als Administrations- oder Aufsiehtskosten, Besamung
oder Bepflanzung der abgeholzten Kavel, Nachpflanzung der
ausgegangenen Bäume usw. wollen wir nach Abzug der
Nutzung, die die Mast und die Jagd liefern, zu 500 Tb.
jährlich anschlagen.
So wie wir beim Landbau nicht den ganzen Reinertrag
eines Gutes, sondern nur den Teil desselben, der nach Abzug
der Zinsen des in den Gebäuden und anderen Wertsgegen-
ständen steckenden Kapitals übrig bleibt, als Landrente be-
trachtet haben : so dürfen wir auch bei der Forstwirtschaft
nicht den ganzen Ertrag, sondern nur den Teil, der nach
Abzug der Zinsen des in dem Holzbestande steckenden Kapitals
übrig bleibt, als Landrente oder als Ertrag des Grund und
Bodens an und fiu- sich betrachten.
Der Ackerbau kann nicht ohne die Anlegung eines in
Gebäuden usw\ steckenden Kapitals betrieben werden ; die
Betreibung der Forstwirtschaft setzt voraus, daß Bäume von
einjährigem bis hundert- oder mehrjährigem Alter vorhan-
den sind.
Man könnte den ganzen Holzbestand aller 100 Kaveln
— einen hinreichend großen Markt vorausgesetzt — auf ein-
mal niederschlagen, verkaufen, und das daraus gelöste Geld
auf Zinsen geben; und nur insofern als der jährliche Rein-
ertrag aus dem Holze, den Betrag der auf diese Weise zu
174 erlangenden Zinsen überstiege, könnte man den Grund und
Boden selbst einen Wert beilegen.
Gesetzt nun, der Holzbestand aller loO Kaveln sei im
Wert = 15000 Faden ausgewachsenes Holz; so würden,
beim Zinsfuß von 5^/o, die Zinsen des im Holzbestande
steckenden Kapitals gleich dem Werte von 750 Faden Holz
— 179 -
sein. Werden diese von dem jährlichen Ertrag der Waldung
= 1000 Faden abgezogen, so bleibt die Nutzung des Grund
luid Bodens selbst = 250 Faden.
Auf diese 250 Faden fallen nun alle mit der Forstwirt-
schaft verbundenen Ausgaben : denn wenn jemand den ganzen
Holzbestand niedergeschlagen und zu einem Geldkapital ge-
macht hätte, so würden alle diese Ausgaben ihn nicht mehr
treffen — und nur um den Mehrertrag von 250 Faden zu
erhalten, werden die mit der Forstbewirtschaftimg verbun-
deneu Kosten noch ferner verw^andt.
Sind die jährlichen Ausgaben =: 500 Tlr., so betragen
die Produktionskosten für einen Faden auf dem Stamme
selbst — also ohne Fäll- und Schlaglohn — 2 Taler.
In den Produktionskosten — in dem Sinne, wie ich
diesen Ausdruck nehme — ist keine Landrente enthalten :
denn nur aus dem Überschuß des wirklichen Preises über
die Produktionskosten geht erst die Landrente hervor.
Kostet nun das Fällen und Zerschlagen des Holzes einen
halben Taler pr. Faden: so wird der Faden an Ort nnd
Stelle selbst 2V-2 Taler kosten.
Dieser Preis ist aber, so wie jeder andere in Geld aus-
gediiickte Preis nur für einen Standpunkt gültig, und ändert
sich mit der Änderung der Getreidepreise. Die Lösung un-
serer Aufgabe fordert aber Ansätze, die für jeden Standpunkt
in dem isolierten Staat gültig sind.
Wir müssen hier deshalb, eben so wie dies bei den Be- 175
rechnungen über den Ackerbau geschehen ist, ^i der Aus-
gabe in Geld und ^'i derselben in Roggen ausdrücken.
Von den Produktionskosten eines Fadens ^ 2^ 2 Tlr.
bleiben also Vi X 2i/i' = O,^-' Tlr. in Geld ausgedrückt,
und in Korn müssen ^/i X 2^/2 = l,s;8 Tlr. angegeben
werden. Ist nun die Berechnung, wonach der Faden 2^/2 Tlr.
kostet, für einen Standpunkt entworfen, w^o der Schfl.
Roggen l,2iti Tlr. gilt, so sind l,t<8 Tlr. im Werte gleich
12*
— 180 —
l,ss
zr^ = l,i(; Schü. Roggen; und somit betragen die Pro-
duktionskosten eines Faden Holzes, allgemein ausgedrückt,
1,4« Sehfl. Roggen + 0,62 Tlr.
Nun können wir aber nach § 4 den Preis des Roggens
fiir jeden Standpunkt in dem isolierten Staat berechnen : der
Schfl. Roggen gilt nämlich in der x Meilen von der Stadt
entfernten Gegend " ■. ^,-. . Tlr. Wird der Roggen zu
io^ — j— X
diesem Preise angerechnet, so sind l,4i; Schfl. Roggen -\-
0,02 Taler = ^^o i ' Tlr.; oder die Produktionskosten
' 182 -|-x
in der x Meilen von der Stadt entfernten Gegend betragen
f.. 1 7- 1 '^11 ''',4X ^ ,
für 1 laden ^too i Taler.
182 -|- X
Es fragt sich ferner, wie hoch die Transportkosten eines
Fadens zu stehen kommen, wenn dieser aus einer x Meilen
entfernten Gegend nach der Stadt geliefert wird.
Die Transportkosten einer Ladung von 2400 ft betragen
199 5 X
nach § 4 auf x Meilen T^^r— Taler.
"^ 182 -j-x
1''6 Wenn nun der Faden 2 Ladungen ausmacht, so kommen
.399 x
die Transportkosten eines Fadens auf ioq-^x: — ; Tlr. zu
stehen.
Wird dann das Holz auf einem Boden erzeugt, der
keine Landrente abwirft: so kann dasselbe für einen Preis,
der hinreichend ist, die Produktioiis- und Transportkosten zu
vergüten, nach der Stadt geliefert werden.
In der Koppelwirtschaft, deren Landrente wir hier zum
Maßstab nehmen müssen, gibt die 28,(; Meilen von der Stadt
entfernte Gegend keine Landrenle mehr. Setzen wir nun
in die für die Produktions- und TransiDortkosten des Holzes
gefundenen Formeln fiir x den Weit von 28,r, : so ergibt
— 181 —
sich , daß der Preis eines Faden Holzes in der Stadt selbst
ö5,r, Taler sein miiß.
Da das Holz für die Stadt ein unentbelirliches Be-
dürfnis ist: so wird aucli dieser hohe Preis bezahlt werden
müssen , im Fall das Holz ans den nähereu Gegenden nicht
wohlfeiler geliefert werden kann.
Für das in den der Stadt näher gelegenen Gegenden
gebaute Holz vermindern sich die Transportkosten ; aber das
Holz muß hier auf einem Boden erzeugt werden, der eine
Landrente abwirft, und durch den Preis des Holzes müssen
nicht bloß die Produktions- und Transportkosten, sondern
auch die Laudrente bezahlt werden.
Die Landrente für eine Ackerfläche von 100000 GH-,
welche x Meilen von der Stadt entfernt ist, beträgt nacli
„ 202202 — 7065x
§ o -iQo I Taler. Der Ertrag des Grund und
182 -j- X °
Bodens an Holz ist auf 100000 DR. 250 Faden; auf einen 177
Faden fällt also (mit Weglassung der kleinen Brüche) an
^ , ^ 809 — 28,3x ^ ,
Landrente — , .^o 1 — Taler.
182 -f- X
Die drei Bestandteile, aus denen der Preis des Holzes
in dei- Stadt zusammengesetzt ist, betragen dann :
a) Produktionskosten ., ,,.^ , ' " Taler,
182 -J- X '
li) Transportkosten
c) Landrente . .
399x
18i:-fx
809 — 28,3X
182-fx
1320 -4- 363,3x ^ ,
zusammen — tö^i — Taler.
182 -f- X
Es muß also der Preis eines Faden Holzes in der Stadt
1320 -f- 363,3X ^ ,
18"^ I ^ — Taler betragen, und wenn wir nun für x nach
und nach andere Werte annehmen, so muß sich hieraus er-
— 182 —
geben, aus welcher Gegend des isolierten Staats das Holz
am wohlfeilsten nach der Stadt geliefert werden kann.
Wenn x oder die Entfer- so ist y oder der Preis
nuijg von der Stadt be- eines Faden Holzes in der
trägt : Stadt :
28,G Meilen 55,6 Taler
20 „ 42,5 „
10 „ 25,s „
' V 20,4 „
4 „ 14,^. „
1 „ 9,2 „
0 V "^^^ „
178 Denken wir uns nun für einen Augenblick, daß die
Erzeugung des Brennholzes in der Gegend geschehe, wo
der Boden keine Landreute gibt, so wiu'de der Preis des
Fadens in der Stadt selbst 55,6 Taler betragen. Die Be-
wohner der nähereu Gegenden würden dann aber bald be-
merken, daß sie ihren Boden durch die Holzkultur höher
nutzen könnten, als durch den Getreidebau; sie würden das
Holz zu einem niedrigeren Preise liefern und dadurch die
entfernten Bewohner des isolierten Staates mit ihrem Holz
vom Markte verdrängen. Dies würde so fortgehen, bis am
Ende die Holzkultur, zum Zweck des Verkaufes nach der
Stadt, auf die der Stadt ganz nahe gelegene Gegend, von
wo das Holz am wohlfeilsten geliefert werden kann, be-
schränkt wäre.
Die Kultiu' eines Gewächses, welches erst ein Jahr-
hundert nach der Saat eine volle Ernte gibt, kann aber nicht
plötzlich und augenblicklich von einer Gegend zur anderen
wandern. Es ist daher nicht zu verwundern, wenn wir in
der Wirklichkeit Gegenden, die durch ihren Boden sowohl
als durch ihre Lage auf die Holzkultur verwiesen sind, jetzt
iinf'h von allem Holz entblößt finden.
— 183 —
Um endlich den Preis, den das Holz in der Zentralstadt
unseres isolierten Staates haben wird, bestimmen zu können,
müßte die Größe des Bedarfes gegeben sein. Das Quantum,
dessen die Stadt bedarf, bestimmt die Größe der Fläche,
die der Holzkultur gewidmet werden muß, und der Preis,
zu welchem das Holz von dem entferntesten Punkte dieser
Fläche nach der Stadt geliefert weiden kann, ist die Norm
für den Preis des Holzes in der Stadt. Müßte z. B. die
Holzkultur bis auf 7 Meilen von der Stadt ausgedehnt
werden, so würde der Preis eines Fadens in der Stadt
20,4 Taler betragen.
Der am äußersten Eande dieses der Holzkultur gewid-179
meten Kreises liegende Boden gibt dann dieselbe, oder viel-
mehr eine sehr wenig höhere Landrente, als dieser Boden
durch Ackerbau benutzt gegeben hätte. Eine gleiche Fläche,
die der Stadt nur um eine Meile näher liegt, gibt aber,
durch Ersparung an den beträchtlichen Transportkosten des
Holzes, schon eine sehr viel höhere Landrente, und so muß
die Landrente des durch die Holzproduktion benutzten Bodens
mit der Annäherung zum Marktplatz in einem sehr viel
gi-ößeren Verhältnis steigen, als bei der Nutzung des Bodens
durch die Koppelwirtschaft.
Wir sind nun also dahin gelangt, den inneren Zusammen-
hang in dem Preisverhältnis zweier Produkte — Getreide
und Brennholz — die sich eins durch das andere nicht er-
setzen lassen, nachweisen zu können.
Bei Produkten, die sich eins durch das andere ersetzen
lassen, die also einen gemeinschaftlichen Maßstab ihres Ge-
brauchswertes haben, wird das Steigen oder Fallen der
Preise auch für beide gemeinschaftlich sein, und das Preis-
verhältnis selbst zwischen beiden wird dadurch wenig oder
gar nicht geändert werden.
Bei Produkten aber, denen dieser gemeinschaftliche
Maßstab fehlt, kann eine Änderung im Bedarf des einen oder
— 184 —
anderen Produktes eine große Veränderung in dem I'reis-
verhältnis hervorbringen.
Wenn z. B. in unserem isolierten Staat, durch Erfindung
der Sparöfen, der Holzverbrauch in der Stadt so weit ein-
geschränkt würde, daß ein Kreis von 5 Meilen im Halb-
messer — anstatt früher von 7 Meilen — um die Stadt
zur Erzeugung des Holzbedarfes genügte, so würde dadurch
der Preis eines Fadens um etwa 4 Tlr. oder um circa
20 "/o fallen.
180 Der hierdurch entbehrlich gewordene äußere Rand des
Holzkreises würde dann dem Ackerbau gewidmet werden
und also Korn hervorbringen. Dieser Teil ist aber im Ver-
hältnis zu der ganzen dem Ackerbau gewidmeten Fläche so
unbedeutend, daß dadurch nur ein geringes kaum merkliches
Sinken des Getreidepreises hervorgebracht werden konnte.
Stand früher der Faden Brennholz in gleichem Preise
mit 14 Schfl. Roggen, so wird derselbe, nach dieser Ver-
änderung, nur noch den Preis von circa 12 Schfl. Roggen
behalten.
Erfindungen und Verbesserungen in der Produktion
bringen eine ähnliche Wirkung wie die verminderte Kon-
sumtion hervor.
Der Verfasser hat bei den vorstehenden Berechnungen
über die Forstwirtschaft die Angaben über die Ausgaben
und den Ertrag nicht — wie dies bei den Berechnungen
über den Ackerbau der Fall war — aus der Wirklichkeit
entnehmen können, sondern die Zahlen, um nur die Rechnung
beginnen zu können, nach einer Schätzung annehmen müssen.
Eine Untersuchung, die mit Schätzungen und Annahmen be-
ginnt, kann aber, selbst wenn sie sich in den Schlüssen und
Folgerungen konsequent bleibt, nur zeigen, wie für solche
Annahmen der Erfolg sei , nicht wie derselbe in der Wirk-
lichkeit ist.
— 185 —
Kann man aber die Grenze, innerhalb welcher die au-
genonameoen Zahlen möglicherweise von der Wirklichkeit
abweichen können, angeben; kann man nachweisen, daß auch
für diese mögliche Grenze die entwickelten Resultate noch
gültig sind: so ist dadurch auch die Richtigkeit derselben
dargetan.
Wir wollen nun diese Grenze möglichst weit, weiter
als irgendeine Wahrscheinlichkeit dafür vorhanden ist, hin-
ausschieben, und annehmen, daß in dem einen Fall die Pro- 181
duktionskosten des Holzes das Achtfache unserer Annahme, in
dem anderen Fall aber nur den achten Teil derselben betragen.
Erster Fall. Die Produktionskosten sollen das Acht-
fache der obigen Annahme betragen.
Die Erhöhung der Produktionskosten kann aus zwei
verschiedenen Ursachen hervorgehen: entweder 1. aus der
Erhöhung der mit der Forstkultur im ganzen verbundenen
Ausgaben bei gleichbleibendem Holzertrage ; oder 2. aus der
Verminderung des Holzertrages bei gleichbleibenden Ausgaben.
a) Die mit der Forstwirtschaft im ganzen verbundenen
Ausgaben sollen auf das Achtfache unserer Annahme steigen,
während der Holzertrag derselbe bleibt.
Alsdann betragen
r -D 1 ,r , . /511— 7,4X\ ^ 4088 — 59,2 X
die Produktionskosten .,„-,, — 8 = thh— i — - —
\ 182 -|- X / 182 -\- X
399 X
die Transportkosten zr^^ — r—
182 -|- X
,.-.,, 809 — 28,3X
die Landrente — ,,^-. , — - —
182 -|-x
4897 + 311,5 X
Summe j^gö -J- x —
Der Preis eines Faden Holzes
ist dann für x = 20 55 Tlr.
X = 10 42 „
X = 0 27 .,
— .186 —
b) Der Holzertrag soll nur den achten Teil unserer An-
nahme betragen, die Ausgaben sollen aber dieselben bleiben.
Alsdann betragen
. ^ . , . , 4088 — 59,2x
182 die Produktionskosten — tott-j
182 -|-x
399 X
die Transportkosten ^^^ . —
809 — 28,3 x\ ^ 6472 — 226,4 x
die Landrente. ^82 + x ) - " 182 + x
10560 + 113,4x
Summe tettx —
182 -|- X
Der Preis eines Fadens
ist dann für x = 20 63 Tlr.
X = 10 61 „
X = 0 58 „
Zweiter Fall. Die Produktionskosten sollen nur den
achten Teil von dem , was wir dafüi- angenommen haben
betragen.
a) Die Ausgaben sollen sich bis auf den achten Teil
vermindern, der Ertrag aber bleibe derselbe. Alsdann er-
geben sich
,. T. n , . , /511 — 7,4X\ „ 61 — 0,9x ^,
die Produktionskosten = -Tnö~i • o = ioo "i J^^^'-
\ 182 + ^ / 1°2 -|- X
399 X
die Transportkosten = ^,^ ■
,. , , 809 — 28,3X
die Landrente = — , ^.v .
lö2 -\- X
870 4- 3697x
Summe — i82^~^c —
Der Preis eines Fadens ist dann für
X = 20 41 Tlr.
X = 1" 24 „
X -- 0 5 „
— 1^7 —
h) Die Ausgaben im ganzen sollen dieselben bleiben, der
Ertrag steige dagegen auf das Achtfache. Alsdann betragen
1- T. 1 ,.- , . /511 — 7,4x\ ^^ 61— 0,9X^,
die Produktionskosten ., oo i : 8 = ..^o i J-"- 183
\ 182 -|- X / 182 -\- X
.. m , 399 X
die iransportkosten i»o \
y j , , /809-28,3x\ ^ 101 - 3,5 X
die Landrente ^-^g^ + x j • ^ = 182 + ^
162 + 394.6 x
Summe — 182+^^
Der Preis eines Fadens ist also für
X = 20 40 Tlr.
X .= 10 21 „
X = 0 1 „
Die hier in Betracht gezogenen Fälle geben immer das
Resultat, daß das in der Nähe der Stadt erzeugte Holz zu
einem niedrigeren Preise nach der Stadt geliefert werden
kann, als das in der ferneren Gegend erzeugte Holz. Da
wir nun mit Gewißheit behaupten dürfen, daß bei einer
konsequenten Bewirtschaftung — denn für die Inkonsequenz
gibt es weder Eegel noch Schranke — Ertrag und Aus-
gaben bei der Forstkultur nicht außerhalb der hier gesteckten
Grenzen liegen können : so ist auch der Satz, „daß die Holz-
produktion in der Nähe der Stadt geschehen müsse", hier- .
durch erwiesen.
Wir haben durch diese Untersuchung eine Formel er-
halten, die nicht bloß zur Bestimmung des Holzpreises dient,
sondern in der Tat von einer solchen allgemeinen Gültigkeit
ist, daß wir dadurch für den isolierten Staat den Preis jedes
landwirtschaftlichen Produktes bestimmen, und die Gegend,
wo der Anbau desselben geschehen muß, nachweisen können —
wenn Produktionskosten, Landrente und Bedarf bekannt sind.
- 188 -
184 Um dieses au einem Beispiel zu zeigen, wollen wii- uns
die Frage, ,,zu welchem Preise kann der Schfl. Roggen zur
Stadt geliefert werden, und in welcher Gegend ist der An-
bau desselben am vorteilhaftesten", vorlegen und zu beant-
worten suchen.
Nach § 5 geben 100 000 DR. Ackerland einen Roh-
ertrag von 3144 Schfl. Roggen; eine Ladung enthält
2400
-Qj- = 28,(; Schfl. Roggen; 3144 Schfl. sind also gleich
-p^ — = 110 Ladungen.
Die mit der Erzeugung dieser Ernte verbundenen Aus-
gaben, oder die Pi'oduktionskosten , betragen 1976 Schfl.
Roggen -j- 641 Tlr. , welche auf 110 Ladungen verteilt, für
eine Ladung 18 Schfl. Roggen -j- ö.ss Tlr. ausmachen.
Für den Schfl. Roggen den Preis von "-iqo "T~^t~
Taler gesetzt, ergeben sich hieraus die Produktionskosten
, , 4914 — 99x , , 5975 — 93,2X
für eme Ladung = -^g^ , ^ \- 5,S3 = — ^ggi^
Taler. Die Landrente von 100 000 QRuten Ackerland oder
r- iin r 1 ü w . 202202 - 7065x
für 110 Ladungen Roggen betragt ioo n ^''^
io_ — |— X
eine Ladung fällt also an Landreute — iqo „i, ^ •
Für eine Ladung := 28,r, Schfl. Roggen betragen demnach
T 13 1 1 ^- 1 . 5975 — 93,2 X
die Produktionskosten ..o,^ — -,
182 -\- X
die Transportkosten ^ ^,. ',' -—
'■ 182 -f- X
,. T , , 1838 — 64,2 X
die Landrente — tt^h — i — ^ —
182 -\- X
7813 -f 42,1 X
Summe — ts^ti
182 -|- X
— 189
ruacli
ist der Preis
einer Ladunt^-
eines Schett'els 185
Roggen
Roggen
X =:=
20 Meilen
42.0 Tlr.
IV2 Tlr.
X =:
10 „
42,0 „
11/2 „
X =
0 „
42.. „
IV2 „
Auf
unsere Frage
erhalten wir
also
die
Antwort : daß
lur
aus allen Gegenden des isolierten Staates (soweit der Boden
durch Kornbau noch eine Landrente abwirft) der Scheffel
Roggen zu 1^/2 Tlr. nach der Stadt geliefert werden kann,
und daß der Anbau des Getreides für alle Gegenden des
isolierten Staates gleich vorteilhaft ist.
Dies muß so sein, denn die Berechnung der Größe der
Landrente für die verschiedenen Gegenden beruht gerade
auf der Voraussetzung, daß der Schfl. Roggen in der Stadt
11/2 Taler gelte. Diese Berechnung konnte also zu keiner
Erweiterung der Einsicht führen ; aber sie gibt eine interes-
sante Bestätigung von der Richtigkeit des beobachteten Ver-
fahrens und wird dadurch höchst wichtig, daß wir nun für jedes
Gewächs, wovon, im Verhältnis zum Getreide, die Produktions-
kosten und die auf eine Ladung desselben fallende Landrente
bekannt sind, den Preis, den dasselbe in der Stadt haben muß,
und die Gegend, wo es erzeugt werden muß, bestimmen können.
Anwendung dieser Formel auf verschiedene andere Ge-
wächse.
Erstes Gewächs, für welches die Landrente dieselbe
wie beim Getreide ist, die Produktionskosten aber nur die
Hälfte betrafen.
Die Produktionskosten betrag-en dann
die Transportkosten für eine Ladung
2987 — 46 X
182 + X
199,5 X
182 + X
,. r , . 1838 — 64,2 X
die Landrente — i^f^ — , —
182 -f- X
Summe
4825 -f 88,7 X
18'2"+ X
— 190 —
186 Für X = 2<) 3Ieilea beträgt der Preis einer
Ladung 32,7 Tlr.
X = 10 „ 29,7 „
X = 0 „ 26,5 „
Dieses Gewächs kann also wohlfeiler aus der Nähe der
Stadt, als aus der Ferne geliefert werden, und der Preis,
den dasselbe in der Stadt haben wird, läßt sich angeben,
sobald bekannt ist, wie weit der Anbau desselben sich aus-
dehnen muß, um den Bedarf der Stadt zu befriedigen.
Zweites Gewächs. Gleiche Landrente, dopjDelte
Produktionskosten.
TT- •, -■■ <. -. T- 13788 — 51,1 X
Hier beträgt die Summe der Kosten -i q.> i — :
Für X = 20 Meilen beträgt der Preis einer
Ladung 63,2 Tlr.
X = 10 „ 69,2 ,,
X = 0 „ 75,7 „
Der Anbau dieses Gewächses muß also in einer von
der Stadt fernen Gegend stattfinden.
Drittes Gewächs. Gleiche Produktionskosten, halbe
Landrente.
Für dieses Gewächs beträgt die Summe der Kosten
6894 4- 74,2 X
182 + X
Füi' X = 20 Meilen beträgt der Preis einer
Ladung 41,5 Th-.
X = 10 „ 39,7 ..
X =- <• „ :^7,... „
Der Anbau dieses Gewächses geschieht in der Nähe
der Stadt.
Y i e r t e s Gewächs. Gleiche Produktionskosten,
doppelte Landrente.
9651 -- 22.1 X
iy7 Summe der Kosten — vs^rr
iö- -t- X
- 191 —
Für X =: 20 Meilen beträgt der Preis einer
Ladung 45,g Tlr.
X = 10 „ 49,1 „
X = 0 „ 53,0 .,
Der Anbau dieses Gewächses gehört in die von der
Stadt entfernte Gegend.
Aus der genaueren Betrachtung der vier liier entwickelten
Fälle ergeben sich folgende allgemeine Gesetze:
1. Bei gleichen Produktionskosten für eine Ladung muß
dasjenige Gewächs, auf welches die größte Landrente
fällt, am fernsten von der Stadt gebaut werden.
2. Bei gleicher auf eine Ladung fallender Landrente muß
dasjenige Gewächs, was die größten Produktionskosten
erfordert, in größerer Entfernung von der Stadt ge-
baut werden.
Aufgabe. Zu welchem Preise kann ein Erzeugnis,
wovon eine Ladung vierzehn mal so viele Produktions-
kosten, und doppelte so viele Transportkosten erfordert
als der Roggen , zur Stadt geliefert werden , wenn
dieses Erzeugnis gar keine Landrente abwerfen soll.
^. -p , ,,. , . _ , 83650-1305X
Die Produktionskosten betragen dann — ^t^,— s
° 182 -j- X
399 X
die Transportkosten töp^ — i —
^ 182 -}- X
, "T~ 83 650 — 906x
Summe der Kosten — .-„h — i
182 -|- X
Für X = 30 Meilen ist der Preis einer Ladung
266 Tlr., eines Pfundes 5,3 ßl.
X = 10 „ 388 „ 7,.s ßl.
X = 0 „ 460 „ 9,2 ßl.
Dieses Erzeugnis kann also aus der 30 Meilen ent-188
fernten Gegend fast zur Hälfte des Preises, den die un-
mittelbar an der Stadt gelegene Gegend dafür haben mußte,
nach der Stadt geliefert werden. Kann nun die entfernte
— 192 —
Gegend den Bedarf der Stadt befriedigen : so muß die Her-
vorbringuDg dieses Produktes für die der Stadt näheren
Gegenden mit großem Verlust verbunden sein.
Nach dieser Unterbrechung kehren wir jetzt zu der
Betrachtung der Forstkultur zurück.
Wir haben bei unseren Berechnungen den jälirlichen
Holzertrag zu 1000 Faden, und den Holzbestand aller Kaveln
zusammen im Wert gleich 15000 Faden angenommen. Hier-
nach verhält sich, dem Wert nach, der Zuwachs zu dem
Bestände wie 1 zu 15; oder der jährliche Holzzuwachs be-
trägt Vi5 des Holzbestandes.
Die Erfahrung hat aber vielfach gelehrt, daß es beim
Ankauf eines Gutes höchst gefährlich ist, die mit dem Gute
verbundene Waldung nach der Quantität des Holzbestandes
abzuschätzen und dann nach der Schätzung zu kaufen.
Manche Käufer haben dadurch großen Schaden gelitten,
einige sogar ihr ganzes Vermögen verloren. Es zeigte sich
nämlich später, daß das Holz keine volle Zinsen trug, d. h.
daß der jährliche Holzertrag nicht 1/20, sondern oft nur i/;;o,
oder gar nur 1/40 des Holzbestandes ausmachte, daß also
auch das auf den Ankauf der Waldung verwandte Kapital
nur 3^3 oder gar nur 2V2 % Zinsen bi-achte.
Auch besitzen wir Abschätzungen von Waldungen, in
welchen der jährliche Zuwachs, von Forstkundigen selbst,
nur zu Vio des Holzbestandes angenommen wird.
Nehmen wir nun an, daß das, was die Erfahrung lehrt,
in der Natur des Baumes selbst begründet sei, daß vermöge
189 dieser Natur der Bäume die Waldungen nicht mehr als um
-/40 ihres Bestandes jährlich zunehmen können , und ent-
wickeln wir dann die hierin liegenden Folgen: so gelangen
wir zu sehr merkwürdigen Resultaten.
1. Der mit Holz bestandene Boden bringt nicht bloß
keine Landrento, sondern der Ertrag des Bodens ist
— 193 —
sogar negativ, indem die Zinsen des im Holzbestande
steckenden Kapitals schon das Doppelte des jährlichen
Ertrags ausmachen.
2. Jeder Waldbesitzer, der sein eigenes Interesse kennt,
muß das sämtliche Holz auf einmal niederschlagen
und verkaufen, indem er durch das aus dem Holz-
verkauf zu lösende Kapital die doppelten Zinsen be-
zieht, und den Grund und Boden der Waldung noch
obenein erhält, den er ebenfalls verkaufen kann. Ist
der Markt zu beschränkt, um alles Holz auf einmal
verkaufen zu können, .so muß der Besitzer das jähr-
lich gefällte Revier nicht wieder mit Holz besamen —
und so wird er, zwar langsamer, aber nicht minder
gewiß, mit der Ausrottung des Waldes zustande kommen.
3. Ein solches allmähliches Ausrotten der Wälder muß
den Preis des Holzes steigern ; aber das ist das be-
sondere dieses Falles, daß die höchsten Holzpreise die
Foi'stkultur nicht vorteilhaft machen, und die Wälder
nicht vor der ferneren Ausrottung schützen können:
denn mit den erhöhten Holzpreisen wächst auch das
in dem Holzbestande steckende Kapital, und die Zinsen
von demselben betragen immer doppelt so viel als die
Einkünfte aus der Waldung. Hohe Holzpreise machen
also die Ausrottung der Wälder nur noch vorteilhafter
und reizen um so mehr dazu an. Nur das Herabsinken
des Zinsfußes bis unter 2^/2 "/o kann der Vernichtung 190
der Wälder ein Ziel setzen. Tritt aber das Sinken
des Zinsfußes nicht ein, und soll ein so unentbehr-
liches Material, wie das Brennholz ist, nicht glänzlicli
von der Erde verschwinden : so müssen die Regie-
rungen allen Privatpersonen die freie Disposition über
ihre Waldungen nehmen und die Besitzer mit Gewalt
zwingen, von ihrem Eigentum nur den halben Nutzen
zu ziehen, den sie haben könnten. Nach dieser Ver-
Thünen, Der isolierte Staat. 13
— 194 —
letznng des Eigentumsrechts wird aber die AValdkultiir
mit der höchsten Nachlässigkeit betrieben -werden, nud
somit kann auch die Maßregel nur auf eine kurze Zeit
Hilfe gewähren.
Betrachten wir dagegen den Wachstum eines jungen
Baumes, etwa den einer jungen Tanne, so finden wir, daß
die zweijährige Tanne die einjährige an Masse vielleicht um
das Zehnfache übertrifft, daß die dreijährige Tanne wiederum
etwa das Siebenfache der zweijährigen beträgt u. s. f., daß
also der jährliche Zuwachs nicht bloß einen Teil der Masse,
die der Baum schon hatte, ausmacht, sondern diese Masse
selbst vielfach übertrifft. In den folgenden Lebensjahren des
Baumes steigt die absolute Zunahme an Masse von Jahr zu
Jahr, aber die relative Zunahme, d. h. der jährliche Zuwachs
im Yerhältnis zur Masse des Baumes, muß dennoch ab-
nehmen , weil die Masse , mit der der Zuwachs verglichen
wird, immer größer wird. Ist nun etwa im fünften Jahre
der jährliche Zuwachs der Masse, die der Baum schon hatte,
gleich, so wird dann im sechsten Jahre der Zuwachs etwa
'■^/lo, im siebenten Jahre vielleicht ^^/loo u. s. f. betragen.
Bei dieser stufenweisen Abnahme des relativen Zu-
wachses müssen wir unstreitig zuletzt auf einen Punkt
kommen, wo der jährliche Zuwachs ^.'20 der Masse des Baumes
beträgt.
191 Denken wir uns statt des einzelnen Baumes ein ganzes
Holzrevier, oder eine Kavel, worin lauter Bäume von gleichem
Alter stehen : so muß auch für diese ganze Fläche ein Zeit-
punkt eintreten, wo der Holzzuwachs gerade ^/20 des gauzen
auf dieser Fläche befindlichen Ilolzbestandes ausmacht.
Wird nun die Kavel gerade in diesem Zeitpunkt ab-
geholzt, und vergleicht man dann den Holzertrag mit der
Summe des Holzbestandes aller der Kavelu, die mit Bäumen
von einjährigem bis zum hanbaren Alter besetzt sind, so
wird sich ergeben, daß der jährliche Ertrag mehr als ^/20 des
— 195 —
Holzbestandes ausmacht: denn da der Zuwachs in der hau-
baren Kavel noch ^ho beträgt, in allen Kaveln mit jüngeren
Bäumen aber bedeutend stärker ist, so muß auch der Zu-
wachs im Durchschnitt, d. i. für alle Kaveln zusammen,
größer als ^ 20 sein.
Ist es also einerseits völlig entschieden , daß die Natur
der Bäume einen noch stärkeren relativen Zuwachs als 1/20
möglich macht, und ist andererseits die Erfahrung, daß in
manchen Wäldern der Zuwachs nur ^'40 beträgt, unbestreit-
bar: so folgt hieraus, daß die Bewirtschaftung solcher
Waldungen höchst unrichtig und fehlerhaft sein müsse.
In Waldungen, wo 100- und 200jährige Bäume mit
Bäumen von 10- und 2() jährigem Alter zusammenstehen und
untermischt sind , in welchem Bäume vorhanden sind , die
überhaupt nicht mehr wachsen, aber einen großen Raum
einnehmen und das junge Holz unterdrücken, wo folglich
der absolute Zuwachs selbst sehr geringe ist, und dieser mit
sehr großem Holzbestand verglichen werden muß; da kann
auch leicht der relative Zuwachs bis zu ^'lo und noch tiefer
herabsinken.
Eine solche Forstkultur oder vielmehr Unkultur kann
nur da gerechtfertigt werden, wo das Holz nicht abzusetzen
ist, und der Boden selbst einen so geringen Wert hat, daß
die Kosten des Ausrodens der Baumstämme und der Yer-192
Wandlung des Forstgrundes in Ackerland nicht bezahlt werden.
In den früheren Jahrhunderten mochte dies für einen
großen Teil Deutschlands der Fall sein. Die Verhältnisse
haben sich seitdem sehr geändert ; aber diese Änderung der
Verhältnisse hat nicht überall eine Änderung in der Behand-
lung der Forsten hervorgebracht, und wir finden auch in
unseren Tagen noch viele Waldungen, die auf die herkömm-
liche aber jetzt höchst unkonsequente Weise behandelt
werden.
Aber auch da, wo die lichtige Einsicht schon vorwaltet,
13*
— 196 —
können die "Wälder nur allraählicli aus ihrem Naturzustande
gerissen werden: denn so wie das Lebensalter der Bäume
das des ilenschen weit übertriift, so gehören auch mehrere
Menschenalter dazu, um die richtige Forstkultur über eine
ganze "Waldfläche zu verbreiten.
Bei einer richtigen Forstkultur werden nur Bäume von
gleicliem Älter zusammenstehen dürfen, und diese werden
gefällt werden müssen, ehe der relative Wertzuwachs bis
auf 5 ^:'o — den für den isolierten Staat angenommenen
Zinsfuß — herabsinkt. Bei Hochwaldungen werden dann
die Bäume nicht auswachsen dürfen, die ümtriebszeit wird
viel kürzer, als das Lebensalter der Bäume reicht, sein
müssen ; und es steht zur Frage, ob der Umtrieb der Buchen-
waldung, den wir hier zu 100 Jahren angenommen haben,
nach diesen Grundsätzen nicht kürzer sein müsse.
Die Rücksicht, daß das Holz von mehr ausgewachsenen
Bäumen als Brennmaterial einen höheren Wert hat und
teurer bezahlt wird als das Holz von jungen Bäumen, kann
zwar den Umtrieb über den Zeitpunkt hinaus, wo der relative
Holzzuwachs 5 "/o beträgt , verlängern : aber doch nur auf
wenige Jahre: denn diese Wertzunahme des Holzes als
193 Brennmaterial kann nicht lange die durch den Zinseuverlust
steigenden Produktionskosten überwiegen.
Ganz anders verhält sich dies mit dem Bauholz. Dieses
muß eine gewisse Stärke haben, wenn es überhaui^t brauch-
bar sein soll, und die Bäume dürfen nicht eher gefällt
werden, als bis sie diese Stärke erreicht haben. Der Um-
trieb wird also viel länger sein müssen als bei der Brenn-
hol zerzielung. Die Produktionskosten des Bauholzes werden
dadurch selir bedeutend vermehrt: da dasselbe aber nicht
entbehrt werden kann : so muß auch eine gleiche Masse,
z. B. ein Kubikfuß, um so höher bezalilt werden, je stärker
das Holz ist, und zwar muß der Preis so hoch und in
dem Maße steigen, daß dadurch die Produktionskosten
— 197 —
des Bauholzes von jedem Grade der Stärke genau vergütet
werden.
Das Bauholz muß also bei gleichem Gewicht einen
höheren Preis haben als das Brennholz, und die Transport-
kosten im Verhältnis zum "Wert betragen bei ersterem
weniger als bei letzterem.
Aus diesem Grunde muß auch in dem der Forstkullur
gewidmeten Kreise des isolierten Staates die Erzeugung des
Bauholzes in dem von der Stadt entferntesten Teile dieses
Kreises geschehen.
Der Abfall vom Bauholz würde, als Brennholz benutzt,
die Transportkosten nach der Stadt nicht tragen können,
aber durch das Verkohlen in ein Material von geringerem
spezifischen Gewicht verwandelt, kann es noch mit Vorteil
nach der Stadt gebracht werden ; und so wird der äußere
Rand des Holzkreises die Stadt nicht bloß mit Bauholz,
sondern auch noch mit Kohlen versorgen.
An dem inneren, der Stadt am nächsten liegenden Rand
des Holzkreises wird es vielleicht vorteilhaft, schnellwüchsige
Bäume zu kultivieren, deren Holz als Brennmaterial freilich
keinen so hohen Wert hat, wie das Buchenholz, die aber 194
von derselben Fläche einen größeren jährlichen Ertrag an
Holz liefern; während die mehr entfernte Gegend nur noch
Brennholz vom höchsten Wert nach der Stadt bringen kann.
So würden in dem der Forstkultur gewidmeten Kreise
selbst wieder mehrere Abteilungen oder konzentrische Ringe
entstehen, in denen die Kultur auf Erzielung verschieden-
artiger Bäume gerichtet wäre.
Dieser Kreis muß die Stadt und den Kreis der freien
Wirtschaft mit Holz versorgen ; aber nicht die rückwärts
liegenden, oder von der Stadt mehr entfernten Kreise. Diese
erzielen nämlich ihren Bedarf an Holz selbst, können aber
nichts zur Stadt liefern, und sind in dieser Beziehung für
die Stadt indifferent ; weshalb denn auch bei der Betrachtung
— 19S —
der übrigen Kreise der Holzkultur uiclit weiter erwähnt
werden wird.
Gesetzt der Preis des Brennholzes sei 21 Tlr. für den
Faden, wie hoch wird dann die Landrente in den verschie-
denen Gegenden des Kreises der Forstwirtschaft sein?
Die Einnahme für einen Faden beträgt 21 Tlr.
, ^ 182 + X 3822 + 21 X ^,
oder 21 X ,g2 ^-^ = ^82^.^ Tlr.
Die Produktionskosten betragen für einen Faden
5n-J7,4x
182 + X -^^'•
399 X
Die Trausportkosten ^„^^ f — - Tlr.
Diese beiden Ausgaben von der Einnahme abgezogen,
ergibt sich eine Landrente für die Fläche, worauf ein Faden
TT 1 •• 1 ^ 33^1 "~ 370,6x
Holz wachst, von t^^k~, ih'.
' 182 -|- X
195 Für eine Fläche von 100000 DR., auf welcher 250 Faden
■■ . . . .. T n /3311 — 370,G x\ ^,^
wachsen, beträgt also die Landrente I i'oo^j^^ ) -^-'•
Für x = 0 beträgt die Landrente 4548 Tlr,
X = 1 4017 „
x = 2 3492 „
X = 4 2458 „
X = 7 . • 948 „
An dem äußeren Rande des Holzla-eises ist die Land-
rente, die die Forstkultur gibt, der des angrenzenden Acker-
landes gleich; aber diese Landrente steigt mit der An-
näherung zu der Stadt wegen der Ersparung der bedeuten-
den Transportkosten sehr rasch, und beträgt bei der Stadt
selbst 4548 Tlr.: während die reine Koppelwirtschaft, wenn
sie ebenso wie in den entfernten Gegenden betrieben würde,
hier nur eine Landrente von 1111 Tlr. abwerfen könnte.
199
§ 20.
Rückblick auf den ersten Kreis, in besonderer
Beziehung auf den Bau der Kartoffeln.
Die Untersuchungen in den vorigen Paragraphen haben
ergeben, daß die Erzeugung des Brennholzes in der Nähe
der Stadt geschehen müsse, und daß die Forstkultur im Ver-
hältnis zum Ackerbau eine immer höhere Landrente ge-
währt, je näher sie bei der Stadt betrieben wird.
Wir haben aber früher schon angenommen , daß der
Kreis der freien Wirtschaft die nächste Umgebung der Stadt
einnehmen Averde. Wir haben diese Annahme zwar mit
Gründen unterstützt; aber die Gründe selbst sind nicht tief
genug entwickelt, um die aufgestellte Behauptung beweisen
zu können, und wir müssen deshalb diesen Gegenstand noch
einmal zur Untersuchung ziehen.
Die freie Wirtschaft und die Forstwirtschaft kämpfen 196
gleichsam um die Stelle, wo sie betrieben werden sollen:
beide machen Anspruch auf die nächste Umgebung der Stadt.
Da sie aber nicht unter- und nebeneinauder betrieben werden
können, so entsteht die Frage, welche der beiden Wirt-
schaftsarten den Sieg davon tragen und die andere ver-
drängen werde.
Nun muß konsequenterweise in jeder Gegend diejenige
AVirtschaft getrieben werden, durch welche der Boden am
höchsten benutzt wird , und die obige Frage wird also auf
die Frage: „welche Wirtschaftsart gibt in der nächsten
Umgebung der Stadt die höchste Landrente?" zurückgeführt.
Wir müssen also untersuchen, ob in der Nähe der Stadt
die Kultur eines anderen Gewächses eine noch höhere Land-
rente gewährt als die Forst wiitschaft; und wir wenden uns
in dieser Beziehung zu der Betrachtung des Anbaues der
Kartoffel.
- 200 —
Preis der Kartoffeln in der Stadt.
Zwischen Kartoffeln und Roggen findet ein gemeinschaft-
liches Maß, nämlich das ihrer Nahnmgsfähigkeit statt, und
wenn — was hier vorausgesetzt wird — keine besondere
Vorliebe für die eine oder andere Frucht statt hat: so wird
der Preis beider genau in dem Verhältnis ihrer Nahrungs-
fähigkeit stehen.
Nun stimmen die chemischen Analysen und die Er-
fahrungen bei der Viehfütterung fast alle darin überein, daß
drei gehäufte Scheffel Kartoffeln im Mehlgehalt sowohl als
in der Ernährungsfähigkeit einem Scheffel Roggen gleich
sind ; und wir nehmen hiernach den Preis eines Scheffels
Kartoffeln in der Stadt selbst zu 1/3 des Roggenpreises, also
zu 1/2 Tlr. pr. Schfl. an.
197 Bei den nachfolgenden Berechnungen über den Ertrag
der Kartoffeln und den mit dem Bau derselben verbundenen
Kosten liegen die im § 17 mitgeteilten Untersuchungen über
die belgische AVirtschaft zu Grunde.
AVir haben dort angenommen, daß bei gleichem Reich-
tum des Bodens auf derselben Fläche, wo 1 Schfl. Roggen
wäclist, 9 Schfl. Kartoffeln wachsen, und gefunden, daß die
Erzeugung von 5,7 Schfl. Kartoffeln nicht mehr Arbeit kostet,
als die von 1 Schfl. Roggen.
Eine Frucht, die im Verhältnis zum Roggen von der-
selben Fläche das Dreifache an Nahrungsstoff liefert, und
die die Arbeit des Menschen mit dem doppelten Quantum
an Nahrungsstoff' belohnt, ist in der Tat so merkwürdig,
und ihre allgemeine Verbreitung ist so sehr geeignet, eine
gänzliche Revolution in dem Betrieb der Landwirtschaft
hervorzubringen, daß wir der Betrachtung dieser Frucht not-
wendig einen Platz in dieser Schrift widmen müßten, wenn
wir auch nicht durch die Bestimmung der Grenzen des ersten
Kreises unseres isolierten Staates dazu aufgefordert wären.
— 201 —
Wir haben schon frülier bei der Annahme, daß die
Ebene des isolierten Staates den Grad von Reichtum habe,
daß der Boden nach reiner Brache überall 8 Körner an
Roggen t]-age, den Kreis der freien Wirtschaft hiervon aus-
genommen, und diesem wegen des Dungankaufes aus der Stadt
einen viel höheren Reichtum erteilt. In den folgenden Be-
rechnungen nehme ich für diesen Kreis denselben Boden-
reichtura an, den wir im § 17 für die belgische Wirtschaft
ausgemittelt haben.
Wenn die geernteten Kartoffeln mit dem Vieh verfüttert
werden, so geben sie durch die Yerfütterung reichlich so viel
Dung zurück, als ihre Produktion dem Acker gekostet hat.
Ganz anders verhält sich dies aber, wenn die Kartoffeln
nicht verfüttert, sondern verkauft werden.
So wie beim Getreidebau nicht aller Acker mit Ge- 198
treide bestellt werden kann, sondern ein Teil des Feldes
Gewächse tragen muß, die mehr Dung wiedergeben, als sie
dem Acker entnommen haben, damit die durch das Getreide
bewirkte Aussaugung ersetzt werde, so kann auch beim Bau
der Kartoffeln zum Zweck des Verkaufes nicht die ganze
Ackerfläche mit Kartoffeln bestellt werden.
Will man berechnen, wieviel eine gegebene Fläche, z. B.
von 100000 DR., an Kartoffeln jährlich liefern kann, und
will man den Ertrag an Nahrungsstoff, den dieselbe Fläche
durch den Bau der Kartoffeln gibt, mit dem, den dieselbe
Fläche durch den Bau des Getreides bringen würde, ver-
gleichen : so muß zuvor ausgemittelt werden, der wievielste
Teil der ganzen Fläche Kartoffeln tragen kann, wenn der
Acker sich in und durch sich selbst in gleichem Reichtum
erhalten soll.
Beim Getreidebau wird stets mit dem Korn zugleich
Stroh geerntet, und dieses Stroh ersetzt schon einen Teil
der Aussaugung; aber der Ersatz, den das Stroh liefert, ist
doch nicht hinreichend, um die ganze Aussaugung zu decken.
— 202 —
In einer 7 schlägigen Koppelwirtschaft mit der Fnichtfolge :
1. Brache, 2. Roggen, 3. Gerste, 4. Hafer, 5. Weide, 6. Weide,
7. Weide, finden wir ebenso viele Weideschläge als Korn-
schläge; und wenn anf gutem Boden diese Wirtschaft sich
in gleicher Kraft erhält, so folgt daraus, daß ein Schlag mit
Getreide mit einem Weideschlag verbunden sein muß, wenn
die Äussaugung, die die Korusaat, nach Abzug des Ersatzes
aus dem mitgeernteten Stroh, bewirkt, ersetzt werden soll;
oder die Aussaugung eines Getreideschlages ist so groß, wie
die Dungerzeugung eines Weideschlages und der Ersatz aus
dem Stroh zusammen.
Die Kartoffeln geben, wenn das Kraut derselben auf
dem Acker bleibt, kein Stroh zurück, und ihre Aussaugung
199 muß also ganz durch den Anbau dungerzeugender Gewächse
ersetzt werden.
Wenn wir nun, um zu einer leichteren Übersicht zu
gelangen, einen Weideschlag zur Einheit nehmen, so können
v/ir fragen : wie viele Weideschläge müssen mit einem Kar-
toffelschlag verbundeu sein, um die Aussaugung der Kar-
toffeln durch die Dungerzeugung der Weide zu decken.
Nun ist aber die absolute Aussaugung der Kartoffeln
um so größer, auf je reicheren Boden sie kommen, oder je
größer der Ertrag derselben ist: die Dungerzeugung der
AVeide ist ebenfalls größer auf reichem, geringer auf armem
Boden. Um die Aussaugung eines Kartoffelschlages von
gegebenem Reichtum zu decken, ist eine größere Zahl vonJ
Weideschlägen erforderlich, wenn die Weide auf magereal
Boden, eine geringere Zahl, Avenn sie auf reichen Bodeal
kommt.
Meine hierüber angestellten Berechnungen ergeben fol-
gendes.
a) Wenn der Kartoffelschlag denselben Reichtum, wie der]
Gersteschlag, die Weideschläge aber gleichen Reichtum}
mit den Weideschlägen in der Koppelwirtschaft haben;
— 203 —
so gehören zum Ersatz der durch die Kartoffeln be-
wirkten Aussaugnng 2"^/3 (genauer 2,76) "Weideschläge.
b) Wenn der Kartoffelschlag und die Weideschläge gleichen
Reichtum enthalten: so muß ein Kartoffel schlag mit
l^/fi AVeideschlägen verbunden sein.
c) Werden die Kartoffeln auf sehr reichem Boden ei--
zengt, wo Kleebau und Stallfütterung stattfindet, und
wo Klee und Kartoffeln in Boden von gleichem Reich-
tum kommen: so ersetzen l^/a (genauer 1,46) Klee-
schläge die Aussaugung eines Kartoffelschlages.
Wollen wir nun den Ertrag an Nahrungsstoff, den der
Kartoffelbau im Verhältnis zum Getreidebau Hefert, ver-200
gleichen, so finden wir in dem unter a) betrachteten Fall
1. daß 3 Getreideschläge a 1000 QRut. auf Boden, der in
der Koppelwirtschaft 10 Körner liefert, einen Ertrag von
235 auf Roggen reduzierte Schfl. geben ; 2. daß ein Kartoffel-
schlag von dem Reichtum des Gersteschlages dagegen
720 Schfl. Kartoffeln = 240 auf Roggen reduzierte Schfl.
hervorbringt. Um die Aussaugung zu decken, müssen die 3
Getreideschläge mit 3 Weideschlägen, der Kartoffel seh lag mit
2^li Weideschlägen verbunden sein. Zu der Hervorbringung
von 235 Schfl. Roggen gehören also 6 Schläge, und zu der
Produktion von 720 Schfl. Kartoffeln = 240 Schfl. Roggen
gehören 3''/i Schläge.
Beim Getreidebau bringt also ein Schlag von 10(10 QR-
235
an Nahrungsmasse auf Roggen reduziert "y. = 39 Schfl.
240
hervor; beim Kartoffelbau liefert aber ein Schlag jösT
= 64 auf Roggen reduzierte Schfl. Das Verhältnis des Er-
trages zwischen Getreide und Kartoffeln ist also wie 39 zu
64, oder wie 100 zu 164.
Das bei der ersten oberflächlichen Ansicht sich er-
gebende Verhältnis, nach welchem die Kartoffeln von gleicher
— 204 —
Fläche dreimal soviel Nahrungsstoff liefern als der Roggen,
erleidet also bei genauerer Prüfung eine große Ermäßigung;
dessenungeachtet bleibt aber das t^bergewicht der Kartoffeln
noch immer höchst bedeutend.
Wo aber der Dung nicht auf dem Gute selbst erzeugt
wird, wo die Aussaugung der Kartoffeln durch den Ankauf
von Dung ersetzt werden kann, da behält auch der Satz, daß
die Kartoffeln im A^erhältnis zum Roggen von gleicher Fläche
die dreifache Masse an Nahrungsstoft' für Menschen liefern,
seine völlige Richtigkeit.
201 Wir werden also auch den Kartoffelbau in der zwei-
fachen Beziehung, 1. wenn der Dung, dessen der Kartoffel-
bau bedarf, auf dem Gute selbst erzeugt wird, und 2. wenn
der Dung zu den Kartoffeln angekauft wird, untersuchen
müssen.
A. Wenn der Kartoff'elbau in einer sich in und durch
sich selbst in gleicher Kraft erhaltenden Wirtschaft betrieben
wird, und ein Kartoft'elschlag zu diesem Zweck mit II/2 Klee-
schlägen verbunden ist.
Meine über diese Wirtschaft angestellten Berechnungen
ergeben für eine Ladung von 24 Schfl. Kartoffeln
489 — 4,7 X ^,
1. die Produktionskosten -.qq i ~ J^^r.
199,5 X
2. die Transportkosten iq9 _i_ »
/182 -f x\ 2184 4- 12 X
3. die Einnahme 12 Tlr. oder 12 (109 _l~^J — 139 -L x
Zieht man von der Einnahme die Produk-
tions- und Transportkosten ab, so bleibt
1695 — 182,8 X
eine Landrente von — ipo 1 ^
Dies ist die Landrente für eine Fläche, auf der jährlich
eine Ladung Kartoffeln zum Verkauf erzeugt wird. Nun
kann aber, meinen Berechnungen zufolge, eine Ackerfläche
144U X ^-
— 205 —
von 100000 riRut., wovon 40000 nRut. mit Kartoffeln und
60000 DRut. mit Klee bestellt werden, nach Abzug der
kleinen nur zum Viehfutter taugliehen Kartoffeln, jährlich
1-440 Ladungen zum Verkauf liefern.
Die Landrente von 100 000 DRut. beträgt demnach
/1695 — 182,8 x\ _ 2440 800 — 263 232x
182 + X j ^ 182 + X
Ist die Entfernung von der so beträgt die Landrente 202
Stadt, oder für 100000 DRut.
X = 0 13 411 Tlr.
X = 1 11899 „
X = 4 7 462 „
X = 7 3165 „
X = 9,8 0 „
B. Wenn der Dung, den der Kartoft'elbau erfordert, aus
der Stadt angekauft wird.
Anstatt daß in der ersten Wirtschaft nur 40 "^/o der
Ackerfläche dem Kartoff'elbau gewidmet werden durften, kann
hier die ganze Tläche mit dieser Frucht bestellt werden,
und 100000 DRut. Acker können statt 1440 nun 36(»0 La-
dungen Kartoffeln nach der Stadt liefern.
Diese Wirtschaft hat dagegen folgende Ausgaben, die
der ersten Wirtschaft fremd waren :
1. die Kosten der Anfuhr des Dunges von der Stadt
nach dem Acker;
2. den Ankauf des Dunges.
Die Produktion von 24 Scheffel Kartoffeln kostet nach
meinen Ansätzen dem Acker O,;»! Fuder Dung, Avofür ich
hier, zur Erleichterung der Rechnung, 1 Fuder annehme, so
daß also für jede Ladung Kartoffeln, die nach der Stadt
geliefert wird, ein Fuder Dung zurückgebracht werden muß.
Wenn nun jeder mit Kartoffeln nach der Stadt fahrende
Wagen ein Fuder Dünger zurückbringt : so erfordert die
— 20(5 —
AnscbaffuQg des üiiuges keine besonderen Fuhren : aber die
Pferde haben auf der Hin- und Zurücki-eise stets eine volle
Ladung, und werden also stärker angestrengt. In Ermange-
lung eines Maßstabes aus der Wirklichkeit nehme ich an,
daß die Fracht für eine auf der ßückreise mitgenommene
Ladung halb soviel als die gewöhnliche Fraclit betrage, daß
199 5 X : 2
203 also die Anfuhrkosten eines Fuders Dung auf ^^.l i =^
° 182 -\- X
99 7 X
, „^ ^ ,- — zu stehen kommen.
182 -\- X
Welches ist nun aber der Preis eines Fuders Dung in
der Stadt, und nach welchen Prinzipien wird dieser Preis
reguliert '?
Xaeh Adam Smith läßt sich der Preis aller Waren in
die drei Elemente: Arbeitslohn, Kapitalgewiun und Land-
rente auflösen. Wir sind durch unsere Untersuchungen
darauf geführt, den Preis der landwirtschaftlichen Erzeug-
nisse in die drei Bestandteile : Produktionskosten, Trausport-
kosten und Landrente zu zerlegen; und wenn auch Produk-
tions- und Transportkosten sich unleugbar wieder in Arbeits-
lohn und Xapitalgewinn auflösen lassen , so sind wir doch
durch den Gang unserer Untersuchung zu dieser Trennung
bis jetzt noch nicht aufgefordert worden.
Die Substanz, von deren Preisbestimmung hier die Rede
ist, kann aber weder Ware noch Produkt genannt werden,
imd vergeblich werden wir fragen : wieviel Arbeitslohn,
Kapitalgewinn und Landrente ihre Hervorbringung gekostet
habe; oder wie groß die Produktionskosten und Transport-
kosten derselben seien, und wieviel die auf ihre Erzeugung
fallende Landrente betrage. Diese Substanz, deren Hervor-
bringung unfreiwillig ist, deren (^»uantität weder durch Ver-
mehrung, noch durch Verminderung der Nachfrage ver-
größert oder verkleinert werden kann, und die der Besitzer,
sei es auch mit noch so großen Kosten verbunden , weg-
— 207 —
schaffen muß, die folglich für ihu einen negativen Wert
hat — eine solche Substanz ist in der Tat von so eigen-
tümlicher Ai't, daß der Preis derselben durch keins der
vorhin genannten Gesetze bestimmt werden kann, und die
Frage, wie der Preis derselben auszumitteln sei, erhält da-
durch ein eigenes Interesse.
Wir können diese Frage hier aber noch nicht beant-204
Worten, sondern müssen vorläufig den Preis eines Fuders
Stadtdünger als unbekannt oder gleich a Tlr. annehmen.
In dieser Wirtschaft, wo der Dung angekauft wird, be-
tragen nach meiner Berechnung für eine Ladung Kartoffeln
1. die Produktionskosten " ^ — ;— ^ Tlr.
2. die Transportkosten der Kartoffeln
3. die Kosten der Dungfuhre
182 + X
199,5 X
182 + X
99.7 X
• • ■ 182 + X
4. der Dungankauf a
Q 1 V f 526 4- 291,7 X ,
Summe der Kosten — —!. — r 4- a
182 -f- X '
Die Einnahme beträgt 12 Tlr. oder 12 (jg.^^P"^
_ 2184 -f 12 X
^ 182 -f- X
Die Unkosten von der Einnahme
abgezogen, bleibt Landrente für
1658 — 279.7X
eine Ladung
182 -f X
Für 100000 GR., welche 3600 Ladungen Kartoffeln liefern,
beträgt also die Landrentc 3600 ( — %=r^ — ~ — — — a)
V 182 -|- X /
Taler.
Die Landwirte, die den Kreis der freien Wirtschaft
bewohnen, haben stets die Wahl, ob sie den Dung auf ihrem
208
eigenen Felde erzeugen, oder denselben aus der Stadt an-
kaufen wollen ; und sie werden letztei-es nur dann tun, wenn
der aus der Stadt gekaufte Dung ihnen wohlfeiler zu stehen
kommt, als der in der eigenen Wirtschaft erzielte Dünger.
205 Wir haben die Laudrente beider Wirtschaftsarten ge-
funden, iukI wenn wii' diese einander gleich setzen: so muß
sich ergeben, zu welchem Preise das Fuder Dung bezahlt
werden kann.
Es sei demnach
die Landrente der Wirt- gleich der Landrente der
oder
also
Schaft A
/1695 — 182,8X'
l 182 -f X
6780 — 731,2X
1440 =
Wirtschaft B
/1658 — 279,7x
[ 182 + X ~
16580 — 2797 X
a 3600
182 + X
oder 10 a
also a
Ist die Entfernung von
der Stadt, oder
182 -f X
9800 — 2065,8 X
182^ X
980 — 206,GX
— 10a
Taler.
~ 182 4- X
so ist a, oder der Wert eines
Fuders Dung
X = 0 Meilen 5,4 Tlr.
4,^ .
3,1 „
!,'•' »
t>,S3 „
0 „
X
=
1 1,
X
=
2 V
X
=
3 „
X
=
4 „
X
—
4,75 „
Es
er
n'ibt si
ergibt sich hieraus: daß der unmittelbar an der
Stadt wohnende Landwirt das Fuder Dihiger mit 5,i Taler
bezahlen könnte, ohne daß es ihm teurer zu stehen käme,
als wenn er dasselbe auf seinem eigenen Acker erzeugen
wollte; daß aber bei größerer Entfernung von der Stadt,
der Preis, den die dort wohnenden Landwirte für den
Dung zahlen können, rasch abnimmt; und daB endlich der
— 209 —
4^,4 Meilen entfernt wohnende Landwirt auf die Erwerbung
des Stadtdüngers zwar noch die Kosten der Anfuhr ver-206
wenden, für den Dung selbst aber gar nichts bezahlen kann.
Bei der Preisbestimmung des Stadtdüngers sind also
gar sehr verschiedene Interessen im Spiel. Die Stadt-
bewohner müssen den Dung los sein, wenn sie auch nichts
dafür erhalten, sondern sogar noch für das Wegschaifen
desselben bezahlen sollten; die der Stadt nahe wohnenden
Landwirte können einen hohen, die ferner wohnenden Land-
wirte dagegen nur einen niedrigen Preis dafür zahlen.
Welches dieser verschiedeneu Interessen wird nun die Ober-
hand gewinnen, und den Preis bestimmen?
Wir müssen hier zwei Fälle unterscheiden:
1. wenn der Stadtdünger in so großer Menge vorhanden
ist, daß er auf allen bis zu 4^/4 Meilen von der Stadt
entfernten Gütern nicht ganz verbraucht werden kann ;
2. wenn die Quantität des Stadtdüngers nicht so groß ist,
daß dadurch der Dungbedarf aller bis zu 4^/4 Meüen
entfernten Güter befriedigt werden kann.
Im ersten Fall wird, nachdem die ganze Gegend bis
auf 4^/4 Meilen von der Stadt mit Dung versorgt ist, noch
ein Teil übrig bleiben, der auf Kosten der Stadt weggeschafft
werden muß. Wollte unter diesen Umständen die Stadt
sich den Dung, den die Landwirte abholen, bezahlen lassen,
z. B. 0,83 Tlr. für das Fuder nehmen: so würden dadurch
alle Landwirte, die weiter als 4 Meilen von der Stadt
wohnen, das Dungholen aufgeben, der übrig bleibende Teil
würde vergrößert, und die auf die Wegschaffung desselben
zu verwendenden Kosten würden bedeutend vermehrt werden.
Die Stadt wird also, wenn sie ihrem eigenen Interesse nicht
entgegen handeln will, dem entfernt wohnenden Landwirte
den Dung umsonst überlassen müssen. Wird aber dann
die Stadt sich den Stadtdung von dem nahe wohnenden 207
Landwirt bezahlen lassen können, wenn der ferne wohnende
Tliünen, Der isolierte Staat. 14
— 210 —
ihn umsonst erhält? wird der Verkäufer einer Ware den
Preis derselben nach dem Nutzen, den sie dem Käufer
bringt, bestimmen und sie dem einen wohlfeil, dem anderen
teuer verkaufen können? Dies scheint ohne willkürliche
Zwangsmaßregeln nicht erreichbar zu sein ; und so müssen
wir annehmen, daß unter den gegebenen Umständen der
Stadtdung überall keinen Preis erhalten, sondern umsonst
zu haben sein wird.
Im zweiten Fall, wenn der Dung nicht in hinreichender
Menge vorhanden ist, um den Bedarf der ganzen Gegend,
die denselben nützlich verwenden kann, zu befriedigen,
werden die näher und ferner wohnenden Landwirte mit-
einander in Konkurrenz treten. Wäre z. B. der Dung an-
fänglich umsonst zu haben: so wüixle derselbe zum Teil
nach den entfernten Gegenden gebracht werden, und die
näheren Gegenden, für die derselbe doch einen so hohen
Wert hat, würden ihren Bedarf nicht erhalten. Um sich
diesen Bedarf zu versichern , würden die Bewohner der
näheren Gegend gezwungen werden, für den Dung einen
Preis zu bezahlen, der hinreichend wäre, das Abholen des-
selben nach fernen Gegenden unvorteilhaft zu macheu. Ge-
setzt die Quantität Stadtdung wäre hinreichend für den Be-
darf eines Kreises von 4 Meilen um die Stadt herum, so
w^erden sie 0,83 Tlr. für das Fuder zahlen müssen: denn
wollten sie weniger, z. B. nur ^/2 Tlr. für das Fuder geben,
so würde die hinter diesem Kreise liegende Gegend den
Dung noch mit Vorteil kaufen und abholen können, und die
nähere Gegend erlüelte dann nicht ihren Bedarf,
Wir legen nun bei unserer Berechnung über die Land-
rente diesen letzten Fall zu Grunde und nehmen an, daß
208 das Fuder Dung in der Stadt, oder vielmehr vor den Toren
derselben, 0,83 Tlr. koste.
Setzen wir in die oben gefundene Formel für a den
Wert von 0,83 Tlr., so beträgt die Landrente der AVirtschaft
211 —
B auf 100000 DRut. Ackerland
/1658 — 279,TX
I 239 I ^ — 0,83 1 3600 Taler.
Für die Entfernung von beträgt demnach die Land-
der Stadt, oder rente
für X = 0 Meüen 29 808 Tlr.
X - 1 „ ...... 24126 „
X =. 2 „ 18 504 „
X = 3 „ 12948 „
X = 4 „ 7467 „
In diesem Kreise nimmt die Landrente des Bodens mit
der Annäherung zu der Stadt von Meile zu Meile in einem
ungewöhnlich großen Verhältnis zu. Dies rülirt von dem
Zusammenwirken zweier Ursachen her: erstens werden hier
Produkte gebaut, die im Verhältnis zu ihrem Preise große
Transportkosten erfordern, und zweitens vermindern sich die
Anfuhrkosten des Dungs im direkten Verhältnis mit der
Abnahme der Entfernung von der Stadt.
Die Landrente, die unsere Berechnung für den Boden,
der in der nächsten Umgebung der Stadt liegt, angibt, er-
scheint aber so enorm hoch, daß wir veranlaßt werden zu
fragen: ob in der Wirklichkeit irgendwo ein Beispiel von
einer so hohen Landrente vorkomme.
Nun dürfte es uns aber nicht befremden, wenn in der
"Wirklichkeit kein solches Beispiel aufzuweisen wäre: denn
erstens gründen sich unsere Berechnungen auf einen Boden,
der nicht bloß den höchsten nützlich zu verwendenden Reich-
tum enthält, sondern auch von einer vorzüglichen physischen
Beschaffenheit ist, und ein solcher Boden mag in zusammen- 209
hängenden größeren Flächen wohl nur selten vorkommen;
zweitens gibt es in der Wirklichkeit keine beträchtliche,
viel weniger eine sehr große Stadt, die nicht an einem
schiffbaren Fluß läge ; durch den Fluß wird aber der Kreis,
der die Stadt mit Kartoffeln versorgt, gar sehr erweitert,
14*
— 212 —
und dies hat, wie wir bald sehen werden, die Folge, daß
der Preis der Kartoffeln pr. Scheffel unter Vs des Roggen- .
Preises heruntersinkt.
Bei genauerer Nachforschung finden wir aber nicht bloß
Beispiele einer gleichen, sondern einer noch höheren Land-
rente vor.
In den ersten Dezennien dieses Jahrhunderts gaben bei
Hamburg die Viehweiden, die in der nächsten Umgebung
der Stadt liegen, eine Pacht von einer Mark pr. Dßut.,
welches circa 37 Tlr. Gold für 100 DKut. beträgt.
Nach Sinclair (Grundgesetze des Ackerbaues Seite 558)
trägt ein Acre Gartenland in der Nähe von London
an Pachtzins 10 Pf. Sterling
an Armentaxen, Zehnten und anderen Ab-
gaben 8 Pf. „
zusammen also 18 Pf. Sterling ;
dies macht für 100 DRut. ungefähr 58 Taler.
Nun ist der Pachtzins zwar noch keine reine Landreate,
sondern von der Pacht müssen die Zinsen des in den Glas-
fenstern der Treibhäuser und Mistbeete, den Bewehrungen
usw. steckenden Kapitals abgezogen weiden , um die wirk-
liche Landrente zu finden; aber diese Zinsen können sehr
beträchtlich sein, und die reine Nutzung des Bodens über-
wiegt doch noch die, welche wir für den isolierten Staat
gefunden haben.
210 So hoch nun auch durch die hohe Nutzung der Kauf-
preis dieses Bodens in der Nähe der großen Stadt steigen
muß, so ist dies doch nur das Vorspiel einer ungleich
höheren Steigerung des Grundwertes in der Stadt selbst.
Wer außer den Toren der Stadt ein neues Haus bauen und
sich eine Baustelle dazu kaufen will, wird dafür nicht mehr
als den Wert, den diese Stelle zur Produktion von Garten-
gewächsen hatte, zu bezahlen brauchen. Nach der Erbauung
des Hauses verwandelt sich die Landrente, die dieser Platz
— 213 —
sonst gab, in Grruudrente ; aber der Betrag beider ist an
dieser Stelle noch völlig gleich. Weiter nach der Stadt
herein steigt aber diese Grundrente immer höher, bis am
Ende in der Mitte der Stadt, oder an dem Hauptmarktplalz,
die bloße Stelle, wo ein Haus stehen kann, mit mehr als
100 Tlr. für die DRute bezahlt wird.
Forschen wir den Ursachen, warum die Grundrente der
Häuser nach der Mitte der Stadt hin immer mehr steigt,
genauer nach; so finden wir diese in der Arbeitsersparung,
der größeren Bequemlichkeit und der Verminderung des
Zeitverlustes, bei der Betreibung der Geschäfte; wir finden
also, daß die Grundrente und die Landrente durch ein und
dasselbe Prinzip reguliert werden.
Wir müssen hier bemerken, daß, wenn wir auch die
Landrente, die der Bau der Kartoffeln abwirft, berechnet
haben, sich dadurch die Landrente, die der Boden in diesem
Kreise wirklich gibt, noch nicht bestimmen läßt : denn erstens
erlaubt die Natur der Gewächse nicht, daß sie, ohne Ab-
wechslung mit anderen Gewächsen, alle Jahre auf derselben
Stelle gebaut werden ; und zweitens muß in diesem Kreise
noch eine Menge anderer Gewächse erzeugt werden, die
teils eine höhere, teils eine geringere Landrente als die 211
Kartoffeln gewähren.
Die Kartoffeln können also auf jedem Gute nur einen
Teil des Feldes einnehmen, und die Landrente des ganzen
Feldes ergibt sich erst aus dem Reinertrag aller in einer
Rotation vorkommenden Gewächse. Diese Berechnung kann
aber nur von einem Landwirte geliefert werden, der selbst
in der Nähe einer großen Stadt wohnt und die Data dazu
aus seiner eigenen Wirtschaft entnimmt. Eine solche Unter-
suchung würde sehr schwierig, aber auch höchst instruktiv
sein, und sie würde manche Dunkelheit in der Theorie der
Landwirtschaft zur Sprache bringen und aufhellen.
— 214 —
Allemal • aber werden die Kartoffeln einen großen Teil
des Ackers in dem Kreise der freien Wirtschaft einnehmen,
und wir können aus der Kenntnis der Landrente, die der
Kartoffelbau gewährt, genugsam auf die wirkliche Landrente
schließen, um die Frage, welchen Platz die freie Wirtschaft
und die Forstwirtschaft in dem isolierten Staat einnehmen
werden, entscheiden zu können.
In der nächsten Umgebung der Stadt beträgt die
Landrente
der Wirtschaft A, die den Dung zu den Kar-
toffeln selbst produziert 13 411 Tlr.
der Wirtschaft B, die den Dung zu den Kar-
toffeln ankauft 29808 „
der Forstwirtschaft, wenn der Faden Holz in
der Stadt 21 Tlr. gut . . 4548 „
A'ier Meilen von der Stadt entfernt beträgt die
Landrente
der Wirtschaft A ^462 „
der Wirtschaft B 7-467 „
der Forstwirtschaft 2458 ,,
212 Wenn nun auch wegen des notwendigen Wechsels der
Früchte in der Fruchtfolge solche Gewächse aufgenommen
werden müssen, die eine mindere Nutzung von derselben
Fläche geben als die Kartoffeln, wenn auch dadurch die
Landrente des ganzen Feldes bis zur Hälfte dessen, was
der mit Kartoffeln besteDte Teil bringt, herabsinken sollte:
so liberwiegt dessenungeachtet in der Nähe der Stadt die
Landrente der freien Wirtschaft in der Forstwirtschaft noch
sehr bedeutend.
Die Forstkultur weicht hier wegen der hohen Land-
rente, die der Boden trägt, zurück und wird nach einem
Boden von minderer Landrente verwiesen.
Bis auf 4 Meilen von der Stadt, oder so w^eit als der
Dungankauf aus der Stadt reicht, ist das Übergewicht der
— 215 —
freien Wirtschaft völlig entschieden. Weiterhin träte die
Forstkultur in Kollision mit der Wirtschaft A, die den Dung
zu den Kartoffeln selbst produziert, und würde auch von
dieser noch eine Strecke zurückgedrängt werden, wenn der
Boden hier noch denselben Reichtum wie in der Nähe der
Stadt hätte. Wir haben aber angenommen, und wir müssen
dieser Annahme treu bleiben , daß der Boden nur soweit,
als der Dungankauf aus der Stadt reicht, einen höheren
Reichtum als der übrige Teil der großen Ebene enthält.
Es bleibt also nur noch zu untersuchen, ob auf Boden
von minderem Reichtum, der nach reiner Brache 8 Körner
an Roggen trägt, durch den Anbau der Kartoffeln zum Zweck
des Verkaufes die Landrente so hoch steigt, daß dadurch
die Forstkultur zurückgedrängt wird; wodurch sich dann
ein neuer Kreis mit einer eigentümlichen Wirtschaftsart
zwischen dem Kreise der freien Wirtschaft und dem der
Forstwirtschaft bilden würde.
Wir bedürfen zu dieser Untersuchung der Lösung der
Frage: wie verändern sich die mit der Erzielung der Kar-
toffeln verbundenen Arbeitskosten auf Boden von verschie-213
denem Erti-age?
Meine Berechnung, welche sich auf die zu T. gemachten
Erfahrungen gründet, ergibt hierüber folgendes:
Wenn 100 DR. einen Er- so betragen die Arbeitskosten
trag geben von für 1 Schfl. Kartoffeln
115 Sclifl. Kartoffeln 3,8 ßl.
100 „ „ 4,2 ßl.
90 „ „ 4,6 ßl.
80 „ „ 5,1 ßl.
70 „ „ 5,7 ßl.
60 „ „ 6,5 ßl.
50 „ „ 7,8 ßl.
Diese Berechnung ist zwar nicht so genau, wie die
über den Kornbau, teils weil der Kartoffelbau nicht im
— 216 —
großen betrieben ist, hauptsächlich aber weil die bei den
Kartoffeln vorkommenden Arbeiten zum Teil nur summai'isch,
nicht speziell in den Rechnungen aufgezeichnet sind, wo-
durch denn bei der Trennung der Kosten, in solche, die
mit dem Ertrage, und in solche, die mit der Größe des
Feldes im Verhältnis stehen, einige Schätzungen nicht ver-
mieden werden konnten ; aber ich glaube doch, daß das hier
Mitgeteilte von dem, was eine völlig genaue Berechnung er-
geben würde, sich nicht weit entfernen wird.
Es muß bemerkt werden, daß die angeführten Arbeits-
kosten nicht die sämtlichen Produktionskosten ausmachen;
denn in diesen sind außer den Arbeitskosten auch noch die
allgemeinen Kulturkosten enthalten.
"Wir finden hier, daß beim Ertrage von 115 Schfl. auf
100 DR. der Schfl. Kartoffeln 3,8 ßl. an Arbeit kostet; in
der belgischen Wirtschaft kostet dagegen nach § 17 bei
gleichem Ertrage der Schfl. niu' 3,3 ßl. an Arbeit. Dieser
214 unterschied liegt einesteils darin , daß wir hier die Kon-
servationskosten der Kartoffeln — Umstechen, Abkeimen
usw. — mit berechnet haben, dort aber nicht, daß also diese
Berechnung angibt, was die Kartoffeln beim Verbrauch, jene
aber, was sie gleich nach der Einerntung kosten; anderen-
teils kann es aber gar wohl sein , daß die Kartoffeln in
Belgien, wo der Anbau derselben im großen stattfindet, und
die Leute mit den dabei vorkommenden Arbeiten und Hand-
griffen besser bekannt sind, wohlfeiler erzeugt werden als hier.
Aus der obigen Zusammenstellung ergibt sich, daß die
Arbeitskosten, welche die Hervorbringung eines Scheffels
Kartoffeln verursacht, bei dem abnehmenden Ertrag des
Bodens sehr stark zunehmen, daß diese auf dem Boden, der
nur 50 Schfl. von 100 DR- liefert, doppelt soviel betragen,
als auf einem Boden von 115 Schfl. Ertrag auf gleicher
Fläche. "Wenn nun auf dem reichen Boden die Hervor-
bringung von G Schfl. Kartofi'eln ungefähr so viele Arbeit
— 217 —
kostet als die von 1 Schfl. Roggen, so wird dagegen auf
ärmerem Boden die Erzielung von 3 Schfl. Kartoffeln beinahe
soviel kosten als die von 1 Schfl. Roggen. Nehmen wir
die Arbeit selbst zum Maßstab, so ergibt sich hieraus das
Resultat, daß auf reichem Boden dieselbe Arbeit durch den
Kartoffelbau zweimal soviel Nahrungsmasse für Menschen
hervorbringt als durch den Getreidebau; daß aber auf
ärmerem Boden die auf den Kartoffelbau verwendete Arbeit
kein größeres Produkt hervorbringt als die dem Getreidebau
gewidmete Arbeit.
Wenn nun einerseits auf Boden, der nur 8 Körner
trägt, die Produktionskosten der Kartoffeln so bedeutend
gesteigert werden; wenn wir andererseits erwägen, daß auf
Boden von diesem Reichtum kein Kleebau mit Stallfütteruug
stattfinden kann, daß dann aber zum Ersatz der Aussaugung
des Kartoffelschlags 2^/4 Weideschläge erforderlich sind, daß 215
folglich nur ein geringer Teil der Ackerfläche mit Kartoffeln
bestellt werden darf : so können wir uns auch ohne genauere
Berechnung davon überzeugen, daß ein Boden von diesem
Reichtum 4 Meilen von der Stadt gelegen, durch den An-
bau der Kartoffeln zum Zweck des Verkaufs nicht bis zu
einer Landrente von 2458 Tlr. gehoben werden, und daß
folglich die Forstkultur durch eine solche Wirtschaft nicht
zurückgedrängt werden kann.
Es wird also der Kreis der Forstwirtschaft sich dem
Kreise der freien Wirtschaft unmittelbar anschließen.
Wir haben immer den Preis der Kartoffeln als bekannt
angenommen und daraus die Landrente, die der mit Kar-
toffeln besteUte Boden bringt, berechnet; wir müssen nun
auch umgekehrt für den Fall, daß die Landrente gegeben
ist, den Preis, zu dem die Kartoffeln geliefert werden können,
bestimmen.
— 218
Bei dieser üntersiichuDg lege ich wiederum die belgische
Wirtschaft, die im § 17 betrachtet "worden, zu Grrunde.
Die Landrente dieser Wirtschaft, die weder Kartoffeln
noch Heu und Stroh verkauft, und ihre ganze Einnahme
aus dem Verkauf von Geti-eide und A^iehprodukten bezieht,
ist 3749 Schfl. Roggen ~ 2044 Tlr.
Wenn nun der Schfl. Roggen
273
182 + x
, • T 1 . • .-, T -1 1 , 651469
tragt die Landrente m (jeld ausgednickt
Tlr. gilt, so be-
22664 X,
Tlr
182 + x
AVird auf einem Boden, der durch die gewöhnliche
Wirtschaft diese Landrente abwirft, die vorhin betrachtete,
den Verkauf der Kartoffeln bezweckende Wirtschaft A ein-
geführt; so kommt auf jede der 1440 Ladungen Kartoffeln,
die diese Wirtschaft hervorbringt.
216 an Landrente
die Produktionskosten betragen wie in der
Wirtschaft A
die Transportkosten
452 — 15,7 X
182 + x
489 — 4,7 X
182 + X
199,5 X
182 + X
Summe der Kosten
st die Entfernung von so ist der Preis
941 + 179,1 X
182 + X
der Stadt oder
einer Ladung
eines Scheffels
X = 0 Meilen
. . 5,2 Tlr. . .
. 10,4 ßl.
X = 1
X = 2
15
. . 6,1 „ . .
. . 7,1 „ . .
19,
• 14,2 „
X = 3
?)
. . 8 „ . .
. 16 „
X = 4
X = 7,5
55
55
. . 8,f. „ . . .
. . 12 „ . .
• 17,8 „
24
• "^ 55
Der Preis, zu welchem die Kartoffeln zu Markt gebracht
werden können, hängt also gar selir ab von der Entfernung
— 219 —
zwisclien dem Orte, wo sie produziert, und dem, wo sie
konsumiert werden. Beträgt diese Eutfernung nur 1 Meile,
so ist der Preis der Kartoffeln 12,2 ßl. pr. Schfl. ; wächst
aber die Entfernung bis zu 7,5 Meilen , so steigt der Preis
bis auf 24 ßl.
Nun wird der Anbau der Kartoffeln unstreitig so nah
als möglich bei dem Orte, wo sie konsumiert werden, ge-
schehen, \md nur in dem Fall, wenn der Bedarf einer Stadt
so groß ist, daß dieser aus der nahe liegenden Gegend nicht
befriedigt werden kann, müssen die Kartoffeln ans weiterer
Ferne zu Markt gebracht werden.
Die Größe des Bedarfes entscheidet also über den Preis
der Kartoffeln, und diese werden deshalb in einer großen
Stadt sehr viel teurer sein als in einer kleinen. Wäre aber 217
der Bedarf einer Stadt so groß, daß, um diesen zu be-
friedigen, der Preis der Kartoffeln mehr als ^/s des Roggen-
preises betragen müßte, so würde das Getreide ein wohl-
feileres Nahrungsmittel als die Kartoffeln werden, und dann
würde der Verbrauch derselben soweit eingeschränkt werden,
bis der Preis wieder auf Vs des Roggenpreises herunterginge.
Das gemeinschaftliche Maß , das zwischen Roggen und
Kartoffeln durch das Verhältnis der Nahrhaftigkeit statt-
findet, bestimmt also das Maximum des Preises der Kar-
toffeln bei einem sehr großen Bedarf; bei einem geringeren
Bedarf wird aber der Preis der Kartoffeln nicht durch dieses
Verhältnis der Nahrhaftigkeit, sondern durch die Kosten,
die es verursacht, sie zu Markt zu bringen, reguliert.
Nun ist die Stadt des isolierten Staates von einem
solchen Umfange, daß der Bedarf derselben an Kartoffeln
durch den Kreis der freien Wirtschaft nicht ganz wird be-
friedigt werden können; der Preis der Kartoffeln muß also
bis zum Maximum steigen, und unsere obige Annahme, daß
die Kartoffeln in der Stadt selbst ^/s des Roggenpreises
gelten werden, ist dadurch gerechtfertigt.
— 220 —
Es verdient bemerkt zu werden, daß die Kartoffeln,
obgleich sie im Verhältnis zum Getreide ein so großes
Quantum Nahrungsstoff von derselben Fläche liefern, dennoch
wenig geeignet sind, eine sehr große Stadt ohne Beihilfe
des Getreides mit Lebensmittteln zu versorgen.
In der Wirtschaft A fanden wir, daß die Landrente
beim Bau der Kartoffeln auf einem sehr reichen Boden schon
bei 9,3 Meilen Entfernung von der Stadt verschwindet,
während der Getreidebau auf Boden von weit minderem
Reichtum bis 31,5 Meilen von der Stadt eine Landrente
abwirft. Wären nun die Kartoffeln das einzige vegetabilische
218 Nahrungsmittel , so müßte die Kultur des Bodens schon bei
9,3 Meilen von der Stadt enden, der isolierte Staat würde
also eine geringe Ausdehnung haben, und die Stadt selbst
würde eine seiir viel geringere Volksmenge enthalten müssen.
Die Kartoffeln bieten noch Stoff zu manchen Fragen
und Untersuchungen dar. So könnte man z. B. die Fragen
aufwerfen :
1. welche Einwirkung hat die Verbreitung des Kartoffel-
baues, wenn die Kartoffeln zur Nahrung für Menschen
verwandt werden, auf den Getreidepreis;
2. welchen Einfluß hat die Einführung des Kartoffel-
baues, wenn die Kartoffeln zum Viehfutter verwandt
werden, auf den Preis der Viehprodukte und auf die
Größe der Landrente, welche die Viehzucht gewährt?
Zu einer solchen Untersuchung und zur Lösung der auf-
gestellten Fragen sind wir aber, indem uns die dazu nötigen
Vordersätze fehlen, hier nicht berechtigt. Nur folgende Be-
merkung dürfte hier noch an ihrer Stelle sein.
Die Kartoffeln können, wie wir gesehen haben, in dem
isolierten Staat nach einer kleinen Stadt zu der Hälfte des
Preises, den sie in der großen Stadt haben, geliefert werden.
In der Wirklichkeit wird durch die Lage der Städte an
Flüssen dieser Unterschied gemindert, aber nicht aufgehoben.
— 221 —
So wie nun die Kartoffeln mehr und mehr ein Hauptnahrungs-
mittel werden und den Verbrauch des Getreides beschränken,
so muß sich auch der Unterschied in dem Arbeitslohu, der
in beiden Städten gezahlt wird, mehr und mehr vergrößern.
Denn wenn auch der reelle Arbeitslohn, d. i. die Summe
der Lebensbedürfnisse, die sich der Arbeiter für seinen Lohn
verschaffen kann, in beiden Städten völlig gleich ist; so
muß doch dieser Lohn in Geld ausgedrückt, nach der Ver-219
schiedenheit des Preises der ersten Lebensbedürfnisse sehr
verschieden ausfallen.
Nun können Fabrik- und Manufakturwaren an dem Orte,
wo der Arbeitslohn am niedrigsten ist, wenn alle übrigen
Umstände gleich sind, auch am wohlfeilsten fabriziert werden ;
und so liegt in der größeren Verwendung der Kartoffeln zur
menschlichen Nahrung ein Hemmnis gegen die Anhäufung
der Menschen in sehr großen Städten. (5)
§ 2L
Dritter Kreis.
Fruchtwechselwirtschaft.
Um die Fällung emes Urteils über die Frage, ob die
Fruchtwechselwirtschaft hier einen Platz findet, zu erleichtern,
wird es dienlich sein, die Verhältnisse des isolierten Staats,
die auf diese Frage einen entscheidenden Einfluß haben,
übersichtlich zusammen zu stellen.
1. Der Boden besitzt überall den Reichtum, um in der
7 schlägigen K. W. nach reiner Brache 8 Körner im
Roggen tragen zu können, und dieser Boden soll, in
bezug auf seinen Reichtum, im beharrenden Zustande
bleiben.
— 222 —
2. Der Preis des Roggens in der Stadt ist 1^/2 Taler
pr. Scheffel.
3. Der isolierte Staat besitzt einen bloß Viehzucht treiben-
den Kreis, und durch die Konkurrenz dieses Kreises
wird der Preis der Viehprodukte so tief herabgedrückt,
daß in den übrigen Gegenden des isolierten Staats —
mit Ausnahme des Kreises der freien Wirtschaft —
der Anbau der Futtergewächse teils nur eine geringe,
teils gar keine Landrente abwirft.
4. Nach der im § 15 von der F. W. W. gegebenen
Definition, bildet der bloße Wechsel von Halm- und
220 Blattfrüchten noch keine F. W. W., sondern die Wirt-
schaft erhält erst dann diese Benennung, wenn mit
dem Wechsel zwischen Halm- und Blattfrüchten die
Abschaffung der reinen Brache verbunden ist.
5. Die in dieser Schrift vorkommenden Berechnungen
über den Ertrag verschiedener Wirtschaftssysteme sind
auf die Erfahrungen eines Gutes basiert, wo Boden
und Klima gemeinschaftlich dahin wirken, daß Roggen
nach grün gemähten Wicken, bei gleichem Bodenreich-
tum, nur 5/6 des Ertrags, den der Roggen nach reiner
Brache gibt , liefert ; wo also der Faktor der Kultur
für Roggen nach Wicken nur 0,S3 beträgt,
6. Die geringeren Kosten, die mit dem Anbau des dem
Hofe nahe liegenden Ackers im Vergleich mit dem des
entlegenen Ackers verbunden sind, bringen die Tendenz
hervor, jenen Acker von diesem in der Bewirtschaf-
tungsweise zu trennen, und auf dem näher liegenden
Acker eine mehr intensive Wirtschaft einzuführen.
Diesem entgegen steht die Schwierigkeit, nach einer
solchen Trennung, mit dem Vieh nach der entfernteren
Weide zu gelangen, was in manchen Fällen dann nur
durch besondere Viehtriften zu erreichen ist. In der
Wirklichkeit finden wir deshalb auch, wenn die Figur
— 223 —
des Feldes keine Teilung in Binnen- und Außenfeld
zulässig macht, in der Regel keine solche Trennung.
Für den isolierten Staat haben Avir nun gleichfalls
angenommen, daß diese Schwierigkeit überwiegend sei,
daß deshalb jene Tendenz nicht zur Tat wird, und
daß eine und dieselbe Wirtschaftsform sich über das
ganze Feld verbreitet.
7. Unseren Untersuchungen liegt die Voraussetzung zu
Grunde, welche auch im § 15 ausgesprochen ist, daß
mit dem Ackerland Wiesen verbunden sind, die das 221
für das D. F. W. und K. W. nötige Heu liefern, wo-
von der Dung aber einem in einer besonderen Rotation
hegenden Teil des Ackers, der hier nicht weiter in
Betracht gezogen ist, zugute kommt.
Für die D. F. W. und K. W, fällt also das Bedürfnis
weg, Heu zur Winterfütterung des Yiehes auf dem Acker
selbst zu erbauen. Zu einer Mehrerzeugung an Heu auf
dem Acker und somit zu einer Annäherung an die F. W. W.,
könnten diese Wirtschaften sich deshalb nur dann bewogen
finden, wenn der Wert des mehr erzeugten Dungs, und der
Reinertrag des mehr gehaltenen Yiehes die Kosten des An-
baues der Futtergewäclise deckten.
Legen wir nun diese Bedingungen, die teils schon in
unseren Voraussetzungen enthalten sind, teils als notw^endige
Folgerungen daraus hervorgehen, den im § 16 über die
F. AV. W. angestellten Untersuchungen zu Grunde, so er-
gibt sich auch ohne spezielle Berechnung das Resultat:
daß eine keine reine Brache haltende, sich über die
ganze Gutsfläche ausdehnende Frucht Wechsel Wirt-
schaft in dem isolierten Staat keine Stelle findet.
Auch zeigt das im § 16 mitgeteilte Resultat einer ins
einzelne gehenden Berechnung des Ertrags der belgischen
Wirtschaft sehr bestimmt, daß eine intensive Wirtschaft
erst bei einem weit höheren Bodenreichtum als dem im
— 224 —
isolierten Staat angenommenen vorteilhafter wird, als die
extensive Wirtschaft.
Indessen mußte für ein Wirtschaftssystem, welches bei
zunehmendem Wolilstand der Nationen einst das herrschende
werden wird, hier doch als dritter Kreis die Stelle be-
zeichnet werden, welche dasselbe unter anderen Voraus-
setzungen im isolierten Staat einnehmen würde, und von
222 der es hier nur durch die vorausgesetzten Bedingungen und
vorzüglich durch die Annahme einer gleichmäßigen, und
zwar nicht hohen Fruchtbarkeit der ganzen Ebene verdrängt ist.
Vierter Kreis,
Koppelwirtschaft.
Der Kreis, in welchem die Koppelwirtschaft betrieben
wird, endet nach § 14 in der Entfernung von 24.7 Meilen
von der Stadt, ^vo die K. W. der Dreifelderwirtschaft, die
dort vorteilhafter wird, weichen muß.
Die Koppelwirtschaft wird liier zwar überall stattfinden,
aber sie wird nicht in allen Gegenden dieses sehr ausgedehnten
Kreises eine und dieselbe Form haben, sondern vielmehr alle
die Modifikationen erleiden, deren sie nach § 18 fähig ist.
In dem vorderen Teil dieses Kreises wird die K. W.
in ihrer reinen Form erscheinen, aber mit der zunehmenden
Entfernung von der Stadt und dem verminderten Wert des
Getreides werden stets auf Arbeitsersparung hinzielende Ver-
änderungen eintreten ; und an der äußeren Grenze dieses
Kreises wird beim Übergang selbst die K. W. der D. F. W.
schon sehr ähnlich sein.
— 225 —
§ 23.
Fünfter Kreis.
Dreifelderwirtschaft.
Die Dreifelderwirtschaft fängt nach § 14 in der Ent-
fernung von 24,7 Meilen von der Stadt an, und endet in
der Entfernung von 31,5 Meilen, wo die Landrente der-
selben, wenn die Wirtschaft auf Kornverkauf begründet ist,
gleich 0 wird.
Jenseits dieser Grenze kann bei dem Preise von 1^/2 Tlr.
für den Schfl. Roggen kein Korn zum Zweck des Verkaufs
nach der Stadt gebaut werden, und es muß also der Korn- 223
Überschuß, den diese fünf Kreise liefern, mit dem Kornbedarf
der Stadt im Gleichgewicht sein.
§ 24.
Durch welches Gesetz wird der Preis des Ge-
treides bestimmt?
Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir für
einen Augenblick annehmen , daß in dem isolierten Staat,
nachdem derselbe die Gestalt gewonnen hat, die wir in den
vorhergehenden Untersuchungen entwickelt haben, der Preis
des Roggens in der Stadt selbst von 1^'2 Tlr. bis zu 1 Tlr.
für den Schtl. heruntergehe.
Dem 31,5 Meilen von der Stadt entfernten Gute kostet
die Produktion des Schfl. Roggen 0,47 Tlr., die Transport-
kosten für 1 Schfl. Roggen bis zur Stadt betragen 1,03 Tlr.
Dieses Gut wird also, sobald der Schfl. Roggen in der
Stadt selbst nur 1 Tlr. gilt, kein Korn nach der Stadt liefern
können. In einer ähnlichen Lage sind alle Güter, denen
Thünen, Der isolierte Staat. 15
— 226 —
der Schfl. Roggen an Produktions- und Transportkosten nach
der Stadt mehr als einen Taler kostet, und dies ist der Fall
für alle Güter, die weiter als 23,5 Meilen von der Stadt
entfernt liegen.
Indem nun die ganze Gegend, welche weiter als 23,5
Meilen von der Stadt entfernt ist, kein Korn mehr zur Stadt
liefert, muß in der Stadt selbst, vorausgesetzt, daß die Be-
völkerung und die Konsumtion unverändert geblieben sind,
der größte Mangel entstehen, wodurch die Preise augen-
blicklich wieder steigen. Das heißt mit anderen Worten:
der Preis von 1 Tlr. ist hier unmöglich.
Die Stadt kann ihren Kornbedarf nur dann geliefert
erhalten, wenn sie einen Preis dafür bezahlt, der hinreichend
ist, dem entferntesten Produzenten, dessen Korn
224 sie noch bedarf, mindestens die Produktions-
und Transportkosten des Korns zu vergüten.
Nun ist aber der Kornbedarf der Stadt so groß, daß
zur Hervorbringung desselben der Korn bau bis 31,5 Meilen
von der Stadt ausgedehnt werden muß; und weil in dieser
Entfernung nur dann Korn für die Stadt gebaut werden
kann, wenn der Mittelpreis des Roggens IV2 Tlr. beträgt,
so kann auch kein niedrigerer Preis stattfinden.
Nicht bloß für unseren isolierten Staat, sondern auch in
der Wirklichkeit, wird der Preis des Korns durch folgendes
Gesetz bestimmt:
Der Preis des Korns muß so hoch sein, daß
die Landrente desjenigen Guts, welchem die
Produktion und Lieferung des Getreides nach
dem Markt am kostspieligsten wird, dessen
Anbau aber zur Befriedigung des Getreide-
bedarfs noch notwendig ist, nicht unter Null
herabsinkt.
Der Geti-eidepreis ist also weder willkürlich noch zu-
fällig, sondern an feste Regeln gebunden.
— 227 —
Fände dagegen eine dauernde Yeränderung in dem
Bedarf statt, so bringt dies auch eine dauernde Änderung
in dem Getreidepreis hervor.
Verminderte sich z. B. die Konsumtion so weit, dai5 ein
Kreis von einem Halbmesser von 23,5 Meilen den Bedarf
der Stadt befriedigen könnte, so würde dadurch auch der
Mittelpreis des Getreides bis zu 1 Tlr. für den Schfl. Roggen
heruntersinken.
Vermehrte sich im Gegenteil die Konsumtion, so wiu'de
die bisher kultivierte Ebene den Bedarf der Stadt nicht mehr
befriedigen können, und die mangelhafte Versorgung des
Marktes würde höhere Preise erzeugen. Durch die Erhöhung
des Preises würden die entlegensten Güter, welche bisher 225
keine Landrente trugen, einen Überschuß gewähren, der eine
Landrente begründet; der hinter diesen Gütern liegende
Boden würde noch mit Vorteil angebaut werden, die kul-
tivierte Ebene würde sich so weit erweitern, als die Produk-
tion des Korns noch eine Landrente abwirft.
Sobald dies geschehen, würden Produktion und Kon-
sumtion wieder im Gleichgewicht sein ; aber der Getreide-
preis bliebe für immer erhöht.
Die Erhöhung der Produktion bringt ähnliche Wir-
kungen auf den Getreidepreis hervor, wie die verminderte
Konsumtion.
Würde z. B. der Ertrag des Bodens in dem isolierten
Staat von 8 auf 10 Körner erhöht, und der Bedarf der
Stadt bliebe derselbe : so würde ein viel geringerer Teil der
Ebene zur Versorgung der Stadt mit Lebensmitteln hin-
reichend sein ; der übrige Teil der Ebene wäre dann für die
Stadt entbehrlich, und im Fall bei dieser Fruchtbarkeit des
Bodens ein Kreis, dessen Halbmesser 23,5 Meilen beträgt,
den Bedarf der Stadt befriedigen könnte, würde der Preis
des Roggens bis zu 1 Tlr. für den Schü. heruntergehen.
Wäre dagegen die Erhöhung des Körnererti-ags von einer
15*
— 228 —
solchen Steigerung der Konsumtion begleitet, daß der Ge-
treidepreis fortwährend derselbe bliebe: so würde dies zu
einer ungemein großen Zunahme der Bevölkerung und des
Nationalreichtums führen.
Wenn das Gut, dessen Boden 8 Körner trägt, ungefähr
4 Körner zur Versorgung der Städte abgeben kann, so wird
dagegen das G-ut mit einem Bodenertrage von 10 Körnern
mindestens 5^/2 Körner abgeben können. Zugleich erweitert
sich nach § 14 mit dem steigenden Körnerertrag des Bodens
226 der Anbau der Ebene von 31,5 bis zu 34,7 Meilen von der
Stadt. Durch diese gleichzeitige Steigerung der intensiven
und der extensiven Kultur würde die Bevölkerung des ganzen
Staates um etwa 50 % vermehrt werden können ; und diese
größere Volksmenge würde ebenso reichlich ernährt werden
als früher die kleinere.
Die Größe der Konsumtion in der Stadt muß, wenn
man nicht einzelne Jahre sondern längere Zeiträume über-
blickt, mit der Größe des Einkommens dieser Stadt im Ver-
hältnis stehen. Bei einem gleichbleibenden Ertrage des
Bodens wird also das Steigen oder Fallen der Getreide-
preise von dem Zunehmen oder Abnehmen des Einkommens,
welches die konsumierende Klasse der Staatsbürger genießt,
abhängen.
Die Marktpreise des Getreides stimmen selten oder fast
nie mit dem Mittelpreise desselben überein : sie sind vielmehr
im steten Schwanken begrilTen, stehen bald höher, bald
niedriger als der Mittelpreis und hängen von dem momen-
tanen Überfluß oder Mangel ab.
Da die Kapitalauslagen beim Landbau zur Errichtung
von Gebäuden usw. erst nach einer langen Reihe von Jahren
wieder erstattet werden : so entscheidet auch der Marktpreis
eines Jahres und die daraus hervorgehende Gutseinnahme
nicht über die richtige oder unrichtige Verwendung dieses
Kapitals.
— 229 —
Bei unseren Untersuchungen, die bisher stets auf den
letzten Erfolg, aber niemals auf die Erscheinungen, die sich
bei dem Übergange aus einem Zustande in den anderen
zeigen, gerichtet gewesen sind, haben wir deshalb immer
auch nur den Mittelpreis des Getreides, der sich aus dem
Durchschnitt der Marktpreise einer großen Reihe von Jahren
ergibt, zu gründe legen können.
§ 25. 227
Ursprung der Landrente.
Wenn zu gleicher Zeit Roggen aus der weitesten Ent-
fernung und aus der nächsten Umgebung der Stadt zu Markt
gebracht wird : so kann der in der Ferne gebaute Roggen
nicht unter 1^/2 Tlr. pro Scheffel verkauft werden, weil er
den Produzenten so viel kostet; dagegen könnte der in der
Nähe wohnende Produzent seinen Roggen ungefähr zu einem
halben Taler verkaufen, und er erhielte doch die sämthchen
auf die Produktion und den Transport des Roggens ver-
wandten Kosten wieder ersetzt.
Nun kann aber dieser weder gezwungen, noch kann es
ihm zugemutet werden, seine Ware von gleicher Güte zu
einem niedrigeren Preise als dem, den jener dafür erhält, zu
verkaufen.
Für den Käufer hat der aus der Nähe zu Markt ge-
brachte Roggen ebenso vielen Wert als der aus der Ferne,
und es kümmert ihn nicht, ob dieser oder jener mehr her-
vorzubringen gekostet hat.
Was nun der Produzent aus der Nähe der Stadt für
seinen Roggen mehr erhält, als was er ihm kostet, das ist
für ihn reiner Gewinn.
— 230 —
Da dieser Gewinn dauernd ist und jährlich wiederkehrt,
so gibt auch der Grund und Boden seines Gutes eine jähr-
liche Eente.
Die Landrente eines Gutes entspringt also
aus dem A^orzug, den es vor dem, durch seine
Lage oder durch seinen Boden, schlechtesten
Gute, welches zur Befriedigung des Bedarfs
noch Produkte hervorbringen muß, besitzt.
Der Wert dieses Vorzugs, in Geld oder Korn ausgedrückt,
bezeichnet die Größe der Landrente.
228 Diese aiis imseren bisherigen Untersuchungen hervor-
gehende Erklärung des Ursprungs der Landrente ist aber
nicht vollständig und erschöpfend ; denn andere Unter-
suchungen, die im 2 ten Teil dieses Werkes mitgeteilt werden
sollen, ergeben, daß bei völliger Gleichheit der Güter in der
Fruchtbarkeit des Bodens, in der Lage zum Absatz der
Produkte, und in allen auf deren Wert iutluierenden Po-
tenzen , der Boden dennoch eine Landrente abwerfen kann,
wenn nur kein unkultivierter Boden umsonst mehr zu haben ist.
Es muß also noch eine andere tiefer liegende Ursache
der Entstehung der Landrente vorhanden sein, als die des
Wertvorzugs des einen Gutes vor dem anderen.
Die hier angegebene Ursache kann dadurch aber weder
widerlegt noch aufgehoben werden, sondern muß in dem
allgemeinen Gesetz mit enthalten sein.
Es wird deshalb auch in der Wirklichkeit, — wo in
der Regel schon irgendein Boden , der keine Landrente ab-
wirft, in Kultur genommen ist — der Wertvorzug eines
Bodens vor dem durch seine geringe Fruchtbarkeit und
seine Lage schlechtesten aber bereits angebauten Boden,
zum Maßstab für die Größe der Landrente dienen können.
— 231 —
§ 26a.
Sechster Kreis.
Viehzucht.
Wir haben zwar im § 23 gesehen, daß die Kultur des
Bodens, wenn die Wirtschaft auf Korn verkauf begründet
ist, bei 31,5 Meilen von der Stadt endet; aber hieraus folgt
noch nicht, daß dies die absolute Grenze der Kultur sei:
denn wenn es Produkte gibt, die im Verhältnis ihres Wertes
mindere Ti-ansportkosten erfordern als das Getreide, so können
diese hier noch mit Yorteil erzeugt werden.
Solche Produkte liefert nun die Viehzucht; und wir 229
wenden uns jetzt zu der Berechnung des Ertrags, den eine
sogenannte Holland erei oder Kuherei hier geben wird. Zu-
vor müssen wir aber die Kosten, die der Transport der Butter
von hier nach der vStadt verursacht, zu bestimmen suchen.
Die Fracht für eine Ladung von 2400 U. beträgt nach
^ 4 1 Qo I — Taler. Setzen wir x = 31,ö, so finden wir,
iOii — |— X
daß für diese Entfernung von der Stadt die Transportkosten
^'/lo ßl. für ein Pfund betragen.
Der Transport der Butter kann aber aiis mehreren
Gründen nicht so wolüfeil sein als der des Getreides.
Erstens kann das Verfahren der Butter nicht wie das des
Korns bis zum Winter, wo die Pferde doch oft unbeschäftigt
sind, verschoben, sondern diese muß frisch und also in kleinen
Quantitäten verkauft und verfahren werden. Es werden
also oft halbe Ladungen zur Stadt geschickt werden müssen ;
oder der Transport wird durch Fuhrleute geschehen, die,
weil sie aus dem Frachtfahren ein Gewerbe machen und
davon leben, eine höhere Fracht haben müssen, als was der
Transport durch eigene Pferde kostet. Auch wird im letzteren
232 —
Fall der Verkauf der Butter durch einen anderen als den
Produzenten geschehen müssen, und so gesellen sich dann
zu der Fracht noch die Kosten des Verkaufs der Butter
hinzu. Zweitens muß die Butter bei der Versendung in
Fässer geschlagen werden, deren Anschaffung mit Kosten
verbunden ist, und die durch ihr eigenes Gewicht die Fracht
für die Butter vermehren.
Diesen Gründen zufolge nehmen wir an, daß die Trans-
port- und Verkaufskosten für ein Pfund Butter auf 5 Meilen
1/5 ßl, auf 25 Meilen 1 ßl. und auf 30 Meilen Vb ßl., also
230 ungefähr das Doppelte von dem, was wir für das Korn be-
rechnet haben, kosten wird. Wir wollen dabei keine Rück-
sicht darauf nehmen, daß die Transportkosten pr. Meile mit
der größeren oder geringeren Entfernung von der Stadt
sich ändern, sondern diese gleichstellen; weil die Ver-
fahrungskosten der Butter im Verhältnis zu dem Wert der-
selben so gering sind, daß die Gleichstellung kaum einen
bemerkbaren Einfluß auf die Richtigkeit der Rechnung, die
dadurch aber sehr viel klarer und einfacher wird, äußern kann.
Wenn nun der Preis der Butter auf dem Marktplatz
9 ßl. WIb pr. Pfund von 36 Lot beträgt,
so gehen an Transportkosten
ab für eine Entfernung von
der Stadt
von 0 Meilen
10 „
20 „
30 „
40 „ ... 1^/5
50 2
1/5 ßl.
2/5 ßl.
4/5 ßl.
11/5 ßl.
ßl.
ßl.
der W^ert der Butter auf
dem Gute selbst ist dann
8V0 ßl. pr. ü.
83/5 ßl. „
8V5 ßl. „
74/5 ßl. „
7-V5 ßl.
7 ßl. „
Nach § 4 beträgt der Wert eines Schfl. Roggen auf
dem 30 Meilen von der Stadt entfernten Gut O.512 Tlr,,
also nur ungefähr ^'3 des Marktpreises. Der Wert der
Butter in dieser Entfernvmg von der Stadt ist dagegen
— 233 —
noch 7^/5 ßl. pr. /^., welches beinahe '•Is des Marktpreises
ausmacht.
Das Übergewicht der näheren Gegenden, welches beim
Kornbau so bedeutend ist, wird in Hinsicht der Viehproduk-
tionen sehr geringe ; ja diesem, aus den minderen Transport-
kosten entstehenden Übergewicht treten die minderen Kosten,
welche in den entfernten Gegenden mit der Hervorbringuug
der Yiehprodukte verbunden sind, direkt entgegen.
Die Kosten des Unterhalts der Leute, welche bei der
Yiehzucht gebraucht werden, die Erbauungs- und Erhaltungs- 231
kosten der Gebäude, welche fiir das Vieh notwendig sind,
so wie die meisten anderen Ausgaben bei der Viehzucht,
richten sich zum größeren Teil nach dem Kornpreise und
müssen da, wo der Schfl. Roggen einen halben Tlr. wert ist,
sehr viel geringer sein, als da, wo der Roggen 1^/2 Tlr. gilt.
Ob aber die Ersparung an Produktionskosten in den
entfernten Gegenden die Vermehrung der Transportkosten
deckt oder überwiegt, werden wir aus der folgenden Be-
rechnung ersehen.
Um aber Mißverständnisse zu heben, die dadurch ver-
anlaßt sind, daß ich in der Isten Auflage dieser Schrift
bloß das Resultat meiner Rechnung angeführt habe,
glaube ich die Erfahrungen und Schlüsse, auf denen jenes
Resultat beruht, hier zuvor mitteüen zu müssen.
Um den Futterwert von Heu, Stroh und Gras zu er-
mitteln, ist der Reinertrag, den die besseren Holländereien
in Mecklenburg in dem Zeitraum von 1810 — 15 (welcher
allen Berechnungen in dieser Schrift zu gründe liegt) bei
der Verpachtung gaben, zum Maßstab genommen.
Die Pacht pr. Kuh ist unter der Bedingung, daß der
Holländer (Kuhpächter) kein Deputat an Korn, aber auf
10 Pachtkühe eine Freikuh nebst Weide und Rauhfutter für
2 Pferde und 1 bis 2 Fohlen erhält, zu I21/2 Tlr. N^/s oder
13 Tlr. 18 ßl. Gold angenommen — eine Pacht, welche
— 234 —
in jener Zeit für die besseren HoUändereien die land-
übliche war.
Für eine HoUänderei von 60 verpachteten
Kühen beträgt demnach die Einnahme
60 X 12V2 = 750 Th\ WIs.
Die auf den Verpächter fallenden Kosten
und Ausgaben als Wohnung, Gartenland
und Feuerung für den Holländer, Un-
232 terhaltung des Kuhhirten, Zinsen vom
Wert der Kühe, Abnutzung oder Wert-
verminderung der Kühe, Unterhaltung
der Nachtkoppel usw. betragen nach
einer spezifizierten Rechnung .... 303 Tlr. 25 ßl.
bleiben 446 Tlr. 23 ßl.
Hiervon gehen noch ab: die Werbungskosten
für 53^4 Fuder Heu (^/i Fuder pr.
Haupt) a Fuder 1 Tlr. . . . . . . 53 Tlr. 12 ßl.
bleibt Reinertrag 393 Tlr. 11 ßl.
Das Futter, was 60 Pachtkühe, 6 Freikühe, 2 Bollen
und 3 Pferde, zusammen 71 Haupt an Gras, Heu und
Stroh erhalten, wird also benutzt zu 393 Th'. 11 ßl.
das Futter für 1 Haupt also zu 5,54 Tlr. N^/s.
Zu bemerken und 7.u beachten ist, daß die Kühe, wovon
hier die Rede, von der kleinen jütländischen Rasse sind, und
im lebenden Zusta,nd 500 bis 550 /t wiegen.
Diese zur Bestimmung des Futterwerts von Heu, Stroh
und Gras entworfene Berechnung reichte aber zur Lösung
der vorliegenden Aufgabe nicht aus, indem zu diesem Zweck
der Butterertrag der Kühe und sämtliche mit der Butter-
produktion verbundenen Kosten bekannt sein müssen.
Es war deshalb notwendig, für eine HoUänderei von
der Größe und Güte, wie wir sie bei der Verpachtung an-
genommen, eine Berechnung des Ertrags und der Kosten,
bei Betreibung auf eigene Rechnung, zu entwerfen — und
— 235 —
ich legte hierbei die zu T. bei einer kleinen HoUänderei
iu den Jahren 1810 — 15 gemachten Erfahrungen zu gründe.
Die Külie hatten in diesem Zeiti^aum im Durchschnitt
pr. Stück jährlich 1185 Pott Milch gegeben.
Die Butter, welche nach Befriedigung des Bedürfnisses 233
der Haushaltung übrig blieb, wurde nach einer nahe liegenden
kleinen Stadt in einzelnen Pfunden verkauft. Es ist hier
aber der Gebrauch, daß die nach den Städten verkaufte
Butter nicht gewogen, sondern mit einem sogenannten Pfund-
faß gemessen wird. Dies Pfundfaß enthält aber mehr als
ein Pfund oder 32 Lot Butter, und aus mehrmaligen
"Wiegungen ergab sich damals, daß es im Durchschnitt
36 Lot Butter faßte.
Der Butterertrag der Kühe konnte, da das in der Haus-
haltung verbrauchte Quantum Butter und Rahm nicht zu
ermitteln Avar, aus den Rechnungen selbst nicht direkt ent-
nommen werden; um denselben aber mit einiger Genauigkeit
auszumitteln , ist der Rahm von einer bestimmten Quantität
Milch zu verschiedenen Zeiten des Jahres — jedoch nicht
regelmäßig in jedem Monat — zur Probe gebuttert, und
nach dem Ergebnis dieser Proben ist angenommen, daß aus
100 Pott Milch durchschnittlich 6 gemessene Pfunde a 36
Lot Butter erfolgt sind.
Der mecklenburgische Pott wird im gewöhnlichen Leben
zu ^b preußische Quart gerechnet. Nach einer mir mit-
geteilten Angabe, deren Richtigkeit ich aber nicht verbürgen
kann, hält das mecklenburgische Pottmaß Aö^ls Pariser K. Z.,
das preußische Quart dagegen 57^/i P. K. Z. — und hier-
nach sind 100 mecklenburgische Pott gleich 79 preuß.
Quart.
Diesen Daten gemäß wurde dann bei der Berechnung
des Reinertrags, den eine HoUänderei von 71 Haupt, aus
69 Kühen und 2 Bullen bestehend, bei eigenem Betrieb
geben würde, angenommen:
— '236 —
l'. daß die Kühe im Durchschnitt jährlich 1200 Pott Milch
geben ;
2. daß aus 100 Pott Milch 6 gemessene Pfund Butter
234 erfolgen, und der Butterertrag einer Kuh also 1200
X TTjß = ''2 gemessene Pfund ä 36 Lot = 81 Ham-
burger Pfund ä 32 Lot = 83,7 Berliner Pfund betrage ;
3. daß der Mittelpreis der Butter für das Pfund von
36 Lot, nach Abzug der Verkaufs- und Transport-
kosten, 8^/5 ßl. N2/3 sei.
Hieraus ergibt sich folgende Einnahme:
69 Kühe ä 72 gemessene Pfund geben
4968 Z/'. Butter ä 8% ßl., macht . . 890Tlr. 5ßl.N-/3
Der Wert der Kälber und die Nutzung
der abgerahmten Milch zur Käseberei-
tung und zui* SchAveinemästung ist an-
geschlagen zu 1/4 des Wertes der
Butter, also zu . . 222Tlr.25m.
Summe 1112 Tlr. 30ßl.
Die Ausgaben betragen:
1. Gehalt und Beköstigung einer die Auf-
sicht führenden Meierin 120Tlr.— ßLN-3
(Bei der Verpachtung bezieht diese der
Pächter.)
2. "Werbekosten für 53^/1 Fuder Heu . . 53 „ 12 „
3. Die sämtlichen übrigen Kosten, welche
mit der Kuhhaltung und der Butter-
produktion bei eigenem Betrieb ver-
bunden sind , betragen nach der spe-
ziellen Berechnung .... . . . 542 „ 4 „
Summe der Kosten 715 Tlr. 16 ßl.
— 237 —
Diese von der Einnahme abgezogen gibt 235
einen Überschuß von 397 Tlr. 14 ßl.
Bei der Verpachtung betrug der Überschuß 393 „ 11 ,.
Differenz" 4 Tlr. 3 ßl.
Es kann also, wenn beide Betriebsweisen
gleichen Vorteil gewähren sollen, das Ge-
halt der Meierin noch um 4 Tlr. 3 ßl. er-
höht werden.
Mit Hinzurechnung dieser 4 Tlr. 3 ßl. be-
tragen die sämtlichen Kosten 719 Tlr. 19 ßl.
Das Futter, was 69 Kühe und 2 Bullen, im
ganzen also 71 Haupt, verzehren, wird
dann bezahlt mit 393 Tk. 11 ßl.
Will man nun, wie dies hier der Fall ist, ermitteln,
wieviel auf das Quantum Futter, was von einer Kuh ver-
zehrt wird, an Butter, an Einnahme, Ausgabe und Über-
schuß fällt : so müssen die dafür gefundenen Summen nicht
durch 69, sondern durch 71 geteilt werden.
Es fällt demnach auf eine Kuh
Tlr. N%
1. Butterertrag, %>^2 = 4968^^^ ^^^^^^^^
Pfund ä Pfund 36 Lot.
2. Wert des Kalbes und der abgerahmten Milch
zu ^li des Wertes des Butterertrags angenommen
70
= -r = 171/2 a Butter.
4
Q P 1^ • T, 1112 Tlr. 30 ßl. .. _, .
3. üeldemnahme, s-j = lo,67 llr. oder
871/2 U. Butter i\ 8^/5 ßl. W.'s = 15,67 236
A A V. 719 Tlr. 19 ßl. ^^
4. Ausgabe, ^^^i = 10,i3
. TTK ^. a 393Tlr. 11 ßl. _
5. Überschuß, ^. = 0,54
'71 '
— 238 —
Zu bemerken ist aber, daß unter den für die Yielihaltung
und Butterproduktion berechneten Kosten die Zinsen vom
"Wert des Yiehstalles und die übrigen allgemeinen Kultur-
kosten nicht mitbegriffen und nicht aufgeführt sind. Da aber
erst das, was nach Abzug der allgemeinen Kulturkosten von
dem Überfluß, den die Viehhaltung gewährt, übrig bleibt,
eine Landrente bildet: so führt dies zu der Frage, wie die
auf die Viehhaltung fallenden allgemeinen Kulturkosten aus-
zumitteln und zu bestimmen sind. (6)
Da mü' in der Wirklichkeit keine reinen Vieh wirtschaften,
sondern nur solche Wirtschaften, in welchen die Viehzucht
mit Äckerbau verbunden ist, bekannt sind, so kann ich diese
Frage aus der Erfahrung nicht lösen. Es ist aber sehr
schwierig, einen Teilungsgrundsatz aufzustellen, nach welchem
die allgemeinen Kulturkosten einer aus Ackerbau und Vieh-
zucht zusammengesetzten Wirtschaft auf jeden dieser beiden
Zweige repartiert werden können ; oder wieviel von den
allgemeinen Kulturkosten eines ganzen Gutes dem Ackerbau
allein zur Last fällt, luid wieviel davon auf die Viehzucht
gehört.
Soviel ist klar, daß eine reine Viehwirtschaft diejenigen
Gebäude haben muß, welche zum Stall für das A^'ieh, zur
Aufbewahrung des Heues, und zu Wohnungen für die mit
der Viehzucht beschäftigten Menschen dienen, und daß des-
halb die Zinsen vom Wert dieser Gebäude, sowie die Unter-
haltungskosten derselben auf das Konto dieser Wirtschaft
kommen.
Die übrigen im § 5 unter die allgemeinen Kulturkosten
gerechneten Ausgaben, als Administrationskosten, Beiträge
237 zu den Assekuranzkompagnien usw., kommen auch in einer
reinen Viehwirtschaft vor; aber sie sind von einer gleichen
Fläche nicht so bedeutend als beim Ackerbau, weil die Vieh-
zucht weniger Arbeit erfordert, und ihr rohes Produkt selbst
nicht von so großem Wert ist. Nach dem Wert des rohen
— 239 —
Produkts uud nach der Quantität Arbeit richtet sich aber
die Größe der allgemeinen Kulturkosteu.
Für die Verhältnisse von T. habe ich nach einer ins
einzelne gehenden Schätzung die allgemeinen Kulturkosten
einer Viehwirtschaft zu 20 ^lo vom Wert des rohen Produkts
angenommen.
Der rohe Ertrag von einer Kuh ist in T. 15,07 TIr. N-Zs
Die allgemeinen Kulturkosten betragen
hiervon 20^/0 oder .... 3,iy Tlr.
Die Arbeitskosten betragen . . 10,i3 „
Diese beiden Ausgaben zusammen 13,26 „ „
Der völlig reine Überschuß, welcher eine
Landrente begründet, beträgt also für
eine Kuh 2,4i Tlr. Wis
"Wir wollen nun erwägen, wie sich die Landrente, die
der Boden durch die Betreibung der Viehzucht gewährt, in
verschiedenen Entfernungen von der Stadt verhält.
Nach § 14 wird die Landrente gleich 0, wenn der Preis
14
eines Schfl. Roggens = 0,47 Taler Gold, oder 0,4? X p
= 0,45 Taler N-/3 ist. Da durch diesen Preis bloß die
Arbeitskosten und die anderen auf den Kornbau zu ver-
wendenden Ausgaben gedeckt werden, so kann auch in einer
noch größeren Entfernung von der Stadt als 31,5 Meilen
der Preis des Roggens nicht unter 0,45 Tlr. N-/3 sinken;
und wir nehmen deshalb für den ganzen Kreis diesen
Preis an.
Das Getreide ist für diesen Kreis kein Gegenstand des 238
Handels, weil kein Absatz dafür ist, und der ganze Getreide-
bau beschränkt sich bloß auf die Befriedigung des eigenen
Bedürfnisses.
Wir haben oben für ein Verhältnis, wo die Preise der
Viehprodukte sich nach den Preisen des Getreides richten,
die Ausgaben zum Teil in Geld zum Teil in Korn aus-
240
gedrückt. Für diesen Kreis, in welchem Korn und Vieh-
produkte in einem ganz anderen Wertverhältnis zueinander
stehen , läßt sich — wenn man einen allgemeinen Maßstab
haben will — die Wirtschaftsausgabe nicht mehr durch
Korn und Geld allein ausdrücken , sondern man muß den
Teil der Ausgabe, der in der Verwendung von Viehprodukten
besteht, auch in Viehprodukten angeben und nicht auf
Korn reduzieren.
Eine völlig genaue Unterscheidung und Berechnung
ist hier nicht zu eiTeichen; aber ich glaube, daß wir uns
der Wahrheit sehr nähern , wenn wir die allgemeinen
Kulturkosten in Viehprodukten, die Arbeitskosten aber wie
bisher zu ^/i in Korn und zu ^ i in Geld ausdrücken.
Der Ertrag einer Kuh ist gleich 87V2 U. Butter.
Hiervon ^/ö ab für- allgemeine Kulturkosten 17 V2
bleiben
Die Arbeitskosten betragen für eine Kuh
Hiervon 1/4 in Geld macht . . 2.53 Tlr.
'^U in Korn 7,6o „
7,00 Taler sind in T., wo der Scheffel
1,205 Taler Wh wert ist, gleich 6,3 Schfl.
Eoggen.
Allgemein ausgedrückt ist demnach
der Reinertrag einer Kuh
= 70 U. Butter -^ 2,53 Tlr. N2/3 ~ 6,3 Schfl. Roggen.
239 Für eine Entfernung von 5 Meilen von der Stadt ist
der Wert von 70 IL Butter ä 8^/5 ßl. . . . 12,83 Tlr. Wh
70 U. Butter.
10,13 Tlr. N-/3.
Die Ausgabe:
6,3 Schfl. Roggen il 1,313 Tlr. Gold,
oder 1,225 Tlr. W^^ = 7,72
an Geld 2,53
bleibt Reinertrag 2,58 Tlr. N^/s
— 241 —
Für 10 Meilen Entfernung.
Die Einnahme:
70 n. Butter a S^/ö ßl 12,5i Tlr. Wh
Die Ausgabe:
■6.0 Schfl. Roggen a l,i36 Tlr. Gold,
oder 1,06 Tlr. Wlz = 6,gs
■an Geld 2,53
der Reinertrag 3,33 Tlr. Wh
Für 20 Meilen Entfernung.
Die Einnahme:
70 n. Butter ä 8V5 ßl 11, oo Tlr. N- 8
Die Ausgabe:
«,:; Schfl. Roggen ä 0,soo Tlr. Gold,
oder 0,755 Tlr. N2'3 = 4,76
-au Geld . . 2,53
der Reinertrag 4,67 Tlr. Wiz
Für 30 Meilen Entfernung.
Die Einnahme:
70 n. Butter a 7^5 ßl ll,3s Tlr. N-^/3
Die Ausgabe:
6,3 Schfl. Roggen ä 0,512 Tlr. Gold,
oder 0,47s Tlr. N-'t! = 3,oi
an Geld 2,53
der Reinertrag 5,84 Tlr. N-V3
Für 40 Meilen Entfernung. 240
Die Einnahme:
70 //. Butter ä 7-/5 ßl. = 10,so Tlr. N-'/s
Die Ausgabe:
■6,3 Schfl. Roggen u 0,47 Tlr. Gold,
oder 0,45 Tlr. Wh = 2,83
an Geld 2,53
der Reinertrag 5,44 Tlr. N-'3
Thünen, Der isolierte Staat. 16
242
Für 50 Meilen Entfernung.
Die Einnahme:
70 U. Butter a 7 ßl 10,2i TIr. X- s
Die Ausgabe:
6,3 Schfl. Roggen ä 0,47 Tlr. Gold,
oder 0,45 Tlr. W.-^ = 2,S3
an Geld 2,53
der Reinertrag 4,s5 Tlr. N-'3
Die Landrente, die der durch Yiehzucht benutzte Boden
gewälirt, ist also am niedrigsten in der Xähe der Stadt, steigt
allmählich mit der gi-ößeren Entfernung und ist am höchsten
bei 30 Meilen Entfernung (eigentlich bei 31,5 Meilen).
Von diesem Punkt an sinkt die Landrente wieder, aber nur
so wenig, daß sie bei 50 Meilen Entfernung noch 4,85 Th'.,
also noch fast doppelt so hoch, als in der Nähe der Stadt ist.
Da die Viehzucht bei 50 Meilen Entfernung noch mit
so großem Vorteil betrieben werden kann, so wird auch
hier noch nicht die Grenze dieser Wirtschaft sein; sondern
sie muß sich soweit ausdehnen, bis die Transportkosten am
Ende den Ertrag verschlingen, und die Landrente = 0 wird.
Dieser Kreis erhält dann aber eine ungemein gi'oße
Ausdehnung, und es werden so viele animalische Produkte
nach der Stadt gebracht werden, daß diese außer allem
241 Verhältnis mit dem zum Verkauf gebrachten Korn kommen
und nicht mehr konsumiert werden können.
Die Produktion kann wohl momentan, aber nie dauernd
den Bedarf übersteigen ; denn das, was über den Bedarf zu
Markt gebracht wird, findet entweder gar keinen Käufer^
oder muß doch zu einem so niedrigen Preise verkauft werden,
daß dadurch die Produktions- und Transportkosten nicht
vergütet werden. Ist die Preisverminderuug dauernd, imd
ist die Hervorbringung eines Produktes oder einer Wai"e
fortwährend mit Verlust verbunden: so müssen diejenigen
— 243 —
Produzeuten, denen die Hervorbringung am kostspieligsten
wird , zuerst damit aufhören , und diese Einschränkung der
Produktion muß solange fortgehen, bis am Ende die Pro-
duktion mit dem Bedarf wieder im Gleichgewicht ist. Von
den Produzenten werden alsdann nur diejenigen übrig
bleiben, die durch ihre Lage oder andere Umstände am
meisten begünstigt sind, so daß sie auch bei dem vermin-
derten Preise noch bestehen können.
Gesetzt nun, daß durch den großen Überfluß der zu
Markt gebrachten Butter, der Preis derselben von 9 ßl. bis
zu 52/3 ßl, für das Pfund herunterginge ; in welcher Gegend
des isolierten Staats wird dann die Produktion der Butter
aufhören müssen?
Fällt der Mittelpreis der Butter um o^r, ßl. pr. fl., so
vermindert dies die Einnahme von einer Kuh um 70 X
.3,33 ßl. = 233 ßl. = 4,85 Tlr. N-/3, und diese Verminderung
ist für jede Gegend, sie sei 5 oder 50 Meilen von der Stadt
entfernt, ganz gleich.
Die Arbeitskosten und die allgemeinen Kulturkosten
werden durch die Preisverminderung der Butter nicht ver-
ändert, sondern bleiben so, wie wir sie für den Preis von
9 ßl. berechnet haben, und die Mindereinnahme geht also 242
von dem Reinertrage selbst ab.
Der Reinertrag von einer Kuh
war beim dem Preise ist bei dem Preise
bei 5 Meilen Entfernung
10 „
20 „
30 „
40 „
50 „ , „
Es ergibt sich hieraus, daß bei dem Preise der Butter
von 5,67 ßl. für das Pfund in der Nähe der Stadt die Vieh-
16*
von 9 ßl.
von 5,67 ßl,
2,.-,s Tlr.
—
2,27 Tlr.
3,3. „
1,52 „
4,67 „
—
0,18 „
5,84 „
+
0,99 „
5,44 „
+
0,59 „
4,85 „
0 „
- 244 —
haltung zum Zweck der Butterproduktion nicht bloß keinen
Reinertrag gibt, sondern mit einem wirklichen Verlust ver-
bunden ist. Mit der größeren Entfernung von der Stadt
wird dieser Verlust allmählich geringer und verschwindet
endlich bei einer Entfernung von 21,5 Meilen. Von hier an
geben die Kühe einen Reinertrag, der anfänglich mit der
zunehmenden Entfernung wächst, bei 31,5 Meilen aber seinen
höchsten Punkt erreicht, dann wieder abnimmt und endlich
bei 50 Meilen Entfernung ganz verschwindet.
Das Resultat, daß die Butterproduktion nur in den ent-
fernten Gegenden mit Vorteil betrieben werden kann, hätten
wir auch schon aus der im § 19 mitgeteilten allgemeinen
Formel — vermöge welcher sich für jedes Gewächs, dessen
Produktionskosten und dessen Ertrag von einer gegebenen
Fläche bekannt sind, die Stelle nachweisen läßt, wo dasselbe
erzeugt werden muß — entwickeln können. Nach dieser
Formel ist im § 19 für ein Produkt, welches in Hinsicht
der Produktionskosten sich wie 14 : 1 und in Hinsicht dei'
243 Transportkosten wie 2 : 1 gegen Roggen verhält — und un-
gefähr in diesem Verhältnis werden Butter- und Gedreide-
produktion gegeneinander stehen — berechnet worden, daß
dasselbe aus der Nähe der Stadt nur zu 9,2 ßl. , aus der
.30 Meilen entfernten Gegend aber zu 5,3 ßl. das Pfund nach
der Stadt geliefert werden könne. Kann nun — wie es
hier der Fall ist — der ganze Bedarf durch die entlegene
Gegend befriedigt werden, so bestimmt der Preis, zu welchem
diese Gegend ein solches Produkt nach der Stadt liefern
kann, auch den Mittelpreis dieses Produkts in der Stadt
selbst, und es geht hieraus hervor, daß die Erzeugung
dieses Produkts in der Nähe der Stadt mit Ver-
lust verbunden sein muß.
Es scheint demnach, daß die der Stadt näher gelegenen
Kreise die Viehzucht ganz aufgeben und sich bloß dem weit
einträglicheren Kornbau widmen müßten.
— 245 —
Dies würde anch unstreitig der Fall sein, wenn es nicht
durch ein merkwürdiges Gesetz der Natur verhindert und
unmöglich gemacht würde.
Die Pflanzen nahrung, die dem Boden durch die Hervor-
bringuug des Getreides entzogen wird, kann dem Acker nicht
durch das Auffaliren von Heu oder Stroh in dem natürlichen
Zustande ersetzt werden, sondern diese Substanzen müssen
durch die Yerfütterung mit dem Yieh in Dung verwandelt
werden.
Das Vieh ist also als eine unentbehrliche Maschine
anzusehen , wodurch Heu und Stroh in Dung verwandelt
werden; und die Viehzucht muß mit Ackerbau verbunden
bleiben, wenn sie auch gar keine Einnahme gewähren sollte.
Durch diesen Umstand erhält nun aber die Frage: „ob
bei sinkenden Preisen der Viehprodukte die nähern oder ent-
fernteren Gegenden die Viehzucht aufgeben müssen", eine
andere Entscheidung.
Die näheren Gegenden können den A^erlust, der aus der 244
Viehzucht entsteht, tragen, weil der Kornbau eine Landrente
abwirft; die entfernteren Gegenden, die keine andere Ein-
nahme aJs aus dem Vieh haben, müssen die Viehzucht auf-
geben, sobald sie nicht mehr rentiert.
Um nun endlich den Preis, den die Butter in der Stadt
haben wird, angeben zu können, müßte die Quantität, die
gebraucht wird, und die Grüße der Fläche, die zu der
Erzeugung dieser Quantität erforderlich ist, bekannt sein.
Der Preis muß nämlich so hoch sein, daß das entlegenste
Gut, dessen Anbau aber zur Befriedigung des Bedarfs der
Stadt noch notwendig ist, die sämtlichen auf die Produktion
und den Transport verwandten Kosten ersetzt erhält.
Ist, wie wir annehmen, zur Befriedigung des Bedürf-
nisses der Stadt die Betreibung der Viehzucht bis auf 50
Meilen von der Stadt notwendig: so mus der Preis der
Butter so hoch sein, daß dem 50 Meilen entfernten Gute
— 24G —
die Kosten der Viehzucht ersetzt werden ; es müssen also 70 tt.
an Ort und Stelle selbst 5,36 Tlr. Wh wert sein, das
Pfund also 3,: ßl., und da die Transportkosten 2 ßl. pr.
Pfund betragen, so muß der Mittelpreis der Butter in der
Stadt = 5,7 ßl. N2/3 sein.
In der Entfernung von 40 Meilen von der Stadt
kostet das Pfund zu produzieren ebenfalls . . 3,: ßl. N-Zs,
die Transportkosten bis zur Stadt betragen . l,c „ „
zusammen 5,3 ßl. N-/:;.
Könnte der Kreis von 40 Meilen um die Stadt herum
den Bedarf der Stadt liefern, so würde der Mittelpreis der
Butter 5.:; ßl. N-.3 pr. Pfund sein. In diesem Fall ver-
schwindet aber die Landrente bei 40 Meilen Entfernung,
anstatt daß diese Gegend noch eine Landrente abwirft, wenn
245 die Kultur des Bodens sich bis auf 50 Meilen von der Stadt
ausdehnt.
In der Entfernung von 30 Meilen kostet die Produktion
von 70 n. Butter 5,54 Tk. W-.z, dies macht für 1 //.
3,8 ßl. Die Butter aus dieser Gegend nach der Stadt zu
fahren kostet 1,2 ßl. Eeicht nun dieser Kreis für das
Bedürfnis der Stadt hin, so kann das Pfund Butter zu
3.8 -j- 1,2 = 5 ßl. N-'3 gekauft werden.
§ 26 b.
Fortsetzung.
Durch diese Untersuchung sind wir nun zu der Kenntnis
des wichtigen Gesetzes gelangt:
daß unter Verhältnissen , wie die des isolierten Staats,
die aus der Viehzucht entspringende Landrente in den
— 247 —
der Stadt näher gelegeaen Gegenden, mit Ausnahme
des Kreises der freien Wirtschaft, unter Null herab-
sinken und negativ werden muß.
Man hat aber häufig nicht erkannt, daß durch diese
Untei'suchung ein Gesetz gefunden ist, sondern behauptet, das
erhaltene Resultat sei nur dadurch erlangt, daß bei der
Untersuchung Kühe mit geringem Milch- und Butterertrag
zum Grunde gelegt worden, leide aber keine Anwendung auf
Kühe von größerem Ertrage.
Zur Prüfung dieser Behauptung werde ich jetzt von
einem anderen Standpunkt ausgehen und diese Berechnungen
auf eine Holländerei von großem Butterertrage gründen.
Zu diesem Zweck lege ich der folgenden Untersuchung
naclistehende Supposition zu Grunde:
Die Kühe der kleinen Jütländischen Rasse sollen durch
bessere Ernährung auf das Doppelte des früheren Butter-
ertrages gebracht werden können, und 2 X 70 = 140
gemessene Pfunde ä 36 Lot oder 158,5 Hamburger Pfunde 246
Butter geben.
Die zuerst in Betracht gezogene Holländerei von 10 U.
Batterertrag pr. Kuh, wollen wir mit „A" und die von
doppeltem Ertrag mit „B" bezeichnen.
Wir haben nun zuerst zu erwägen, in welchem Verhält-
nis mit dem höheren Butterertrag die Ausgaben steigen.
Die mit der Viehhaltung und Butterproduktion ver-
bundenen Kosten lassen sich in 2 Klassen teilen, nämlich
1. in solche, die mit der Zahl der Kühe im Verhältnis
stehen und unverändert bleiben, wie gering oder groß
auch der Milchertrag sein mag; und
2. in solche, die mit der Größe des Milch- und Butterertrags
im Vei'hältnis stehen, und damit steigen oder fallen.
Zur ersten Klasse gehören: Unterhaltungskosten des
Kulihirten, Zinsen vom Anschaffungskapital der Kühe u. m. a.
Nach einer hierüber entworfenen Berechnung — die
— 248 —
jedoch auf vollständige Genauigkeit keinen Anspruch machen
kann — gehört von den 10,i3 Tlr. Kosten , welche auf eine
Kuh von 70 U. Butterertrag fallen, ungefähr die eine Hälfte
zur Isten und die andere Hälfte zur 2ten Klasse.
Für die Kuh von dem doppelten Butterertrag vermehren
sich, da die Kosten der 1 sten Klasse dieselben bleiben, die der
2teD Klasse aber verdoppelt werden, die Gesamtkosten um
50 *^/o, und betragen also 10,i3X 1^'-' = lo,20 Taler N- 3 : und
zwar in Roggen imd Geld zusammen ausgedrückt
6,3 X IV2 = 9,45 Scheffel Roggen,
und 2,53 X IV2 = 3,80 Tlr. Wh.
Von den allgemeinen Kulturkosten gehört ein Teil, wie
Miete für den Viehstall, der 1 sten Klasse, ein anderer Teil,
247 z. B. die für den Scheunenraum, den das Heu einnimmt, zu
berechnende Miete, der 2ten Klasse an, während die Admini-
strationskosten vielleicht zu gleichen Teilen beiden Klassen
angehören.
Wenden wir nun auch hier denselben Maßstab wie bei
den anderen Kosten an : so betragen die allgemeinen Kultur-
kosten, welche bei der Kuh von 70 it. Butterertrag zu 17 V2 //.
angenommen sind, für die Kuh vom doppelten Ertrage
171/2 X 1^/2 = 20 iL. Butter.
Der Ertrag einer Kuh aus der Holländerei B ist also:
Butter 140 //. a 36 Lot,
Wert des Kalbes und der abge-
rahmten Milch, auf Butter reduziert
140 X Vi ^ 35 „
zusammen 175 it..
Hiervon ab für allgemeine Kultur-
kosten 26 „
zur Einnahme kommen 149 Hj..
Bei dem Preise von 9 ßl. N-/3 für das it. Butter be-
trägt die Geldeinnahme 149 X 'Vis = 27,94 Taler N-':i
pr. Kuh.
— 249
Die Transportkosten betragen auf 20 Meilen für das
//. Butter 1 ßl., für 149 U. also 3 Taler 5 ßl. = 3,io Tlr. Wh.
Auf 5 Meüen betragen demnach die Transportkosten für
149 it. Butter 0,g2 Tlr. und auf 10 Meilen 1,24 Tlr. Wh.
Fügen wir nun den für die Kühe der HoUänderei A
berechneten Ausgaben 50 % hinzu, so ergibt sich folgender
Reinertrag der Kühe aus der HoUänderei B, in den ver-
schiedenen Entfernungen von der Stadt:
Ein-
Trans-
Sonstige
Rein-
Entfernung von
nahme
port-
Aus-
ertrag
der Stadt
pr. Kuh
kosten
gaben
pr. Kuh
Tlr. N^/a
Tlr. N^/a
Tlr. N2/3
Tlr. N2/3
5 Meilen
27,94
0,6.
1<^?38
1J,94
10 „
27,04
1,54
13S82
12,88
20 „
27,94
2,4S
10,94
14,52
30 „
27,94
3,72
8,31
1^)91
40 „
27,94
4,96
8,04
14,94
50 „
27,94
6;20
8,04
13,70
100 „
27,94
12,40
8,04
7,50
160,5 „
27,94
19,90
8,04
0
248
Bei dem Preise von 9 ßl. für das Pfund Butter würde
sich also der Kreis der Viehzucht bis auf eine Entfernung
von 160 Meilen ausdehnen, und der Markt mit Butter so
überschwemmt werden, daß dafür gar keine Anwendung
mehr zu finden wäre. Der Preis der Butter muß also fallen
und zwar so weit, bis die verminderte Produktion mit dem
Bedarf ins Gleichgewicht tritt.
Wenn die Kühe den doppelten Butterertrag geben soUen,
so wird zwar jede Kuh eine größere Weide- und Wiesen-
fläche zu ihrer Ernährung bedürfen, und es werden also
weniger Kühe als früher gehalten werden können, aber von
gleicher Fläche wird doch mehr Butter produziert werden,
— 250 —
und wenn früher der Kreis der Yiehzucht bis auf 50 Meilen
von der Stadt ausgedehnt werden mußte, um den Bedarf der
Stadt zu befriedigen, so mag jetzt ein Kreis von 40 Meilen
im Halbmesser dazu genügen. Ist dies aber der Fall, so
sinkt der Preis der Butter so tief, daß der Reinertrag der
249 Kühe in der Entfernung von 40 Meilen von der Stadt = 0
wird. Dies findet statt, wenn durch die Einnahme für 149 tl.
Butter die Transportkosten von 4,90 Tlr. und die sonstigen
Ausgaben von 8,04 Tlr. pr. Kuh gerade gedeckt werden, d. i.
wenn das Pfund Butter in der Stadt 4,2 ßl. N-/:j gilt. Durch
das Sinken des Preises der Butter von 9 ßl. auf 4,2 ßl. sinkt
aber der Reinertrag der Kühe in allen Gegenden des isolierten
Staats um 14,;a Tlr. Demnach bleibt
in der Entfernung der Reinertrag einer Kuh
von 5 Meilen =: 11,94 — 14,o4 = — 3,oo Tlr. N- 3
10 „ = 12,88 — 14,94 = — 2,0.: „
20 „ = 14,52 - 14,94 ^ - 0,42 „
30 „ = 15,91 — 14,94 ^ + 0,97 „
40 „ = 14,94 — 14,94 = 0 „
Da es hier aber unsere Aufgabe ist, zu zeigen, welchen
Einfluß es hat, wenn wir unsere frühere Untersuchung auf
eine Holländerei von größerem Ertrage gegründet hätten, so
müssen wir von dem angegebenen Gesichtspunkt abstrahieren
und annehmen, daß die Zahl der Kühe in dem Maße ver-
mindert wird, als der Ertrag pr, Kuh steigt, daß die Butter-
produktion im ganzen dieselbe bleibt, und daß also der
Kreis der Yiehzucht sich noch wie früher bis 50 Meilen
von der Stadt ausdehnt.
Alsdann ist der Reinertrag der Külie in der Entfernung
von 50 Meilen von der Stadt = 0, welches voraussetzt,
daß 149 U. Butter 6,20 -f 8,01 = 14,24 Tlr. Wh gelten.
14,21
Der Preis der Butter in der Stadt ist alsdann ^rj^
0,o-.5(i Tlr. Wh = 4,.; ßl. Wir. pr. Pfund.
251
Bei dem Butterertrage von 70 U. pr, Kuh und der Aus-
dehnung des Kreises der Viehzucht bis auf 50 Meilen von 250
der Stadt stellt sich, wie wir oben gefunden haben, der
Preis der Butter in der Stadt auf 5,7 ßl. N-/.5 pr. Pfund,
also um 1,1 ßl. höher als hier.
Wenn der Preis der Butter pr. Pfund 4,t; ßl. beträgt,
so gehen von der für den Butterpreis von 9 ßl. berechneten
Einnahme 13,; Tlr. Wlz pr. Kuh ab, und es bleibt
in der Entfernung
von 5 Meilen
10 „
'20 ,.
30 „
40 „
50 „
der Reinertrag einer Kuh
11,M — 13,7 = — 1,76 Tlr. W-:,
12,88 - 13,7 =. _ 0,82 „
14,52 - 13,7 = + 0,82 „
15,01 - 13,7 ::= + 2,21 „
14,94 — 13,7 r= +1,21 „
13,70 — 13,7 z= 0 „
Vergleichung.
Der Reinertrag einer Kuh ist
In der Entfernung
wenn sie wenn sie
von der Stadt
70 Pfund Butter 140 Pfund Butter
gibt gibt
von 5 Meilen
- 2,„ Tlr. N%
- l„o Th. WU
10 „
1:52 ))
-0,82 „
•20 „
0,18 ?7
+ 0,82 „
30 „
+ 0,09 „
+ 2,21 „
40 „
+ 0,59 „
+ 1)24 ,j
50 „
0
0
Der Leser, welcher der bisherigen Untersuchung mit
Aufmerksamkeit gefolgt ist, wird dies Resultat als not-
wendig daraus hervorgehend anerkennen. Aus dem Zu-
sammenhang herausgerissen aber, muß es paradox, ja wider-
— 252 —
sinnig, erscheinen, daß Kühe von 70 iL. und von 14(i U.
251 Butterertrag fast gleichen Reinertrag geben sollen.
Es mag deshalb nicht überflüssig sein, hier wiederholt
zu bemerken, daß eine allgemeine intensive Steigerung der
Produktion, bei gleichbleibender Konsumtion, ein Sinken des
Preises des in größerer Menge, oder mit geringeren Kosten
hervorgebrachten Erzeugnisses zur Folge haben muß , und
daß das Sinken des Preises die Wirkung der erhöhten
Produktion auf den Reinertrag neutralisieren, oder gar über-
wiegen kann.
Wenn ein einzelner Landwirt den Ertrag seines Bodens
erhöht, oder einen neuen Kiüturzweig, z. B. den Rapsbau,
mit Vorteil einführt: so übt das Mehrerzeugnis, was er zu
Markt bringt, keinen bemerkbaren Einfluß auf den Preis
dieses Pxoduktes aus. Wenn aber alle Landwirte eines
großen Staates denselben Kulturzweig in gleicher Aus-
dehnung betreiben, so wird dadurch der Preis dieses Er-
zeugnisses wesentlich geändert. Kann nun nach dem, durch
den aUgemeinen Anbau verursachten Sinken des Preises
dieses Gewächses dasselbe noch mit Vorteil kultiviert
werden: so bleibt dieser Kulturzweig dem Lande dauernd,
widrigenfalls ist derselbe aber nur eine ephemere Erscheinung.
In der Erhebung dessen, was nur in der Beschränkung-
wahr ist, zur Allgemeinheit und in der unbedingten An-
empfehlung dessen, was zufällig dem Einzelnen vorteilhaft
geworden, liegt, wie die landwirtschaftliche Literatur nach-
weist, die Quelle großer Irrtümer.
Bei der Erforschung allgemein gültiger Gesetze darf die
Wechselwirkung, die zwischen der Größe der Produktion
und der Höhe der Preise stattfindet, nie außer acht gelassen
werden. Die Kenntnis der Gesetze, wodurch der Preis der
Waren und Erzeugnisse reguliert wird, ist deshalb dem
252 rationellen Landwirt unentbehrlich, und die Nationalökonomie
wird dadurch zur Grundlage der höheren Landwirtschaft
I
I
Nach dieser Abschweifung kehren wir zu unserem
Gegenstand zurück.
Die hier gemachte Supposition , daß eine Kuh von der
kleinen jütländischen Rasse, bei mittlerem Grade der Be-
leibtheit, 500—550 U. wiegend, durch bloße Gras- und Heu-
fütterung, im Durchschnitt ganzer Herden, bis zum Ertrage
von 140 n. a 36 Lot oder 158,5 //. ;\ 32 Lot Butter gebracht
werden könne, ist in der Wirklichkeit wolü nirgends erreicht.
Um sich einem solchen Ertrage auch nur zu nähern,
müßte nicht bloß ein ausgewählter Viehstamm vorhanden
sein, sondern das Vieh müßte im Sommer auch eine so
überflüssige Weide haben, daß es sich stets die jüngsten und
nahrhaftesten Gräser und Kräuter auswählen könnte, und
dürfte ferner im AVinter, ohne Zugabe von Stroh, nur mit
Heu von der feinsten und kräftigsten Art genährt werden.
Die Fütterung des Viehes mit Wurzelgewächsen oder
gar mit Korn kann aber im Ki-eise der Viehzucht gar nicht
stattfinden, denn der Reinertrag der Kühe ist hier so ge-
ring, daß die Ernälu'ung des Viehes mit Gewächsen, deren
Gewinnung im Verhältnis ihres IS'ahrungsgehaltes mehr
Arbeit kostet als die des Heues, diesen Reinertrag sogleich
unter Null herabdrücken würde.
Bei der kräftigen Ernährung der Kühe würde das Ge-
wicht derselben wahrscheinlich auf 550 bis 600 U. steigen,
und auf 100 U. Körpergewicht fiele dann ein jährlicher
Butterertrag von ^-''' = 27,:. tt.
0,75
Für eine große Kuh, Oldenburger oder Schweizer Rasse,
von 1100 U. Gewicht, betrüge dies 302 //. Butter aufs Jahr.
Dies übersteigt aber noch die höchsten Angaben, welche wir 253
über den Butterertrag der Kühe aus anderen Ländern besitzen.
Da aber selbst bei der Annahme eines enormen, sich in
der Wirklichkeit nicht findenden Butterertrags der Kühe
dennoch das Resultat,
— 254 —
daß im isolierten Staat in den der Stadt näher ge-
legenen Gegenden die Landrente ans der Viehzucht
negativ -«ird,
sich herausstellt: so scheint mir ein strenger Beweis der
Notwendigkeit dieses Resultats, welcher allerdings durch
Buchstabenrechnung geliefert werden kann, überflüssig zu
sein. Auch ergibt sich dies Gesetz schon aus der bloßen
Berücksichtigung des Umstandes, daß mit der größeren Ent-
fernung von der Stadt die Produktionskosten der Butter,
wegen des verminderten Getreidepreises , stärker ab-
nehmen als die Transportkosten der Butter wachsen.
Dies Gesetz scheint mir aber für die wissenschaftliche
und selbst für die praktische Landwirtschaft so wichtig zu
sein, daß ich glaubte, dui'ch ausführliche Erörterungen in
dieser neuen Ausgabe dasselbe gegen ferneres Mißverstehen
möglichst schützen zu müssen. (7)
§ 26 c.
Fortsetzung.
Zwischen dem Fleisch und dem Getreide findet ein
gemeinschaftliches 3Iaß, nämlich das der Ernähruugsfähig-
keit statt, und wir müssen uns die Frage vorlegen, ob denn
der Preis des Fleisches, der Butter usw. allein durch die
Kosten, die es verursacht, diese Erzeugnisse zu Markt zu
bringen, und nicht auch durch das Verhältnis der Er-
nähningsfähigkeit bestimmt werde.
Nun finden wir in der Wirklichkeit bei allen zivilisierten
Nationen — also mit Ausschluß der bloß Viehzucht treibenden
254 Nomadenvölker — daß eine gleiche Nahruugsmasse im Fleisch
viel höher bezahlt wird als im Brot.
— 255 —
Dieser höhere Preis des Fleisches entspringt aus zwei
Quellen,
1. Es findet eine allgemeine Vorliebe für Fleischspeisen
statt, und jeder, der nicht in der äußersten Dürftigkeit
lebt, verwendet einen Teil seiner Einnahme auf die
Erlangung dieses wohlschmeckenden und kräftigen
Nahrungsmittels.
2. Die Gemüse und die Kartoffeln sind — mit alleiniger
Ausnahme der sehr großen Städte — überall ein weit
wohlfeileres Nalrrungsmittel , als das Brot und die
aus dem Getreide bereiteten Mehlspeisen; aber die
Nahrungsmasse ist in ihnen zu wenig konzentriert, als
daß sie das einzige Nahrungsmittel der arbeitenden
Klasse ausmachen könnten. Werden aber bei der
Speisung die Gemüse mit Fleisch, in welchem die
Nahrungsmasse noch viel konzentrierter als im Ge-
treide ist, verbunden: so ersetzt diese A^erbindung
das Brot und die Mehlspeisen vollkommen, und der
Arbeiter kann nun das, was er bei dem Ankauf der
Gemüse statt des Getreides erspart hat, zur Bezahlung
eines höheren Preises für das Fleisch verwenden.
Dies führt uns noch einmal auf die Kartoffeln zurück.
Gesetzt ein Pfund Fleisch enthalte gleiche Nahrungs-
masse mit dem Brot, was aus zwei Pfund Roggen erfolgt:
so sind 42 tt. Fleisch = 84 U. Roggen = 1 Schfl. Roggen
= 3 Schfl. Kartoffeln und also 14 tl. Fleisch + 2 Schfl.
Kartoffeln gleich 1 Schfl. Roggen.
Gilt nun der Schfl. Roggen 1 Tlr. 24 ßl.
der Schfl. Kartoffeln 12 ßl. ; 2 Schfl. also ^_^ 24 ßl.
so erspart der Arbeiter 1 Tlr.,
welchen er zum Ankauf von 14 U. Fleisch verwendet; er 255
kann also, ohne daß hieraus ein Verlust für ihn entspränge,
das Pfund Fleisch mit 3,4 ßl. bezahlen, obgleich er dieselbe
Nahrungsmasse im Brot zu 1,7 ßl. erkaufen könnte.
— 256 —
Nach Campbell (siehe Thaers Grundsätze der rationellen
Landwirtschaft, Band 4, Seite 222) bewirkt bei der Ochsen-
mastung die Yerfütternng von 1 Schfl. Kartoffeln einen
Fleischansatz von 3 U.. Nach Thaer (Seite 369 des an-
geführten Werkes) nimmt ein Mastochse, der täglich 40 U.
gutes Heu bekommt, täglich 2 <fL zu.
Nach Campbells Angabe würden zur Hervorbringung
von 42 ft. Fleisch, die nach unserer Annahme gleiche
Nahrungsmasse mit 1 Schfl. Eoggeu enthalten, die Ver-
fütterung von 14 Schfl. Kartoffeln erforderlich sein, während
vor der Verfütterung schon in 3 Schfl. Kartoffeln soviel
Nahrungsstoff enthalten war als in 1 Schfl. Roggen.
Es folgt hieraus also, daß durch die Verwandlung der
Kartoffeln in Fleisch die absolute Nahrungsmasse fast bis
auf ^/5 vermindert wird.
Kann nun 1 Schfl. Roggen durch 14 U. Fleisch -\- 2 Schfl.
Kartoffeln ersetzt Averden, und sind zur Hervorbringung von
14 €(. Fleisch 4-/8 Schfl. Kartoffeln erforderlich: so werden
4-'/3 -f 2 = 62/3 Scheffel Kartoffeln einen Scheffel Roggen
ersetzen.
Da von derselben Fläche, wo 1 Schfl. Roggen wächst,
mehr als 6-/3 Schfl. Kartoffeln geerntet werden, so kann
auch nach dieser Berechnung — die aber keineswegs An-
spruch auf Vollständigkeit und Genauigkeit machen soll • —
durch die Verbreitimg des Kartoffelbaues eine größere Zahl
Menschen, als früher durch den Getreidebau, ernährt werden,
aber bei weitem keine so viel größere Zahl als manche be-
hauptet haben.
256 Verlassen wir für einen Augenblick die Voraussetzungen,
daß der Landbau des isolierten Staates im beharrenden Zu-
stande bleiben, und die Wildnis selbst noch einen kultur-
fähigen Boden haben soll, und denken uns dann, daß in dem
isolierten Staate der bisher bloß Viehzucht treibende Kreis
allmählich, und zwar bis zur Grenze des kulturfähigen Bodens,
angebaut udcI dem Getreidebau gewidmet werde: so nimmt
dadurch einerseits die Menge der Yiehprodukte , die nach
der Stadt geliefert wird, ab, und andererseits vermehrt sicli
<lie Zahl der Konsumenten mit dem erweiterten Anbau der
Ebene. Die geringere Quantität von Viehprodukten muß
■dann unter eine größere Zahl von Konsumenten verteilt
werden, und die auf jeden einzelnen fallende Portion muß
-also viel kleiner als früher sein.
Es entsteht die Frage, welchen Einfluß diese Ver-
änderung auf den Preis der animalischen Produkte haben
wird, und wie nun die geringere Produktenmenge unter
■die verschiedenen Klassen der Staatsbürger verteilt werden
wird.
Bei der maugeDiaften Versorgung des Marktes mit Fleisch
Avird durch die Konkurrenz der Käufer eine Steigerung des
Preises hervorgebracht. Der Ärmere kann für das Fleisch
nur den Preis zahlen, den es ihm im Verhältnis zu anderen
Nahrungsmitteln wert ist. Steigt der Preis höher, so muß
er den Verbrauch desselben aufgeben oder wenigstens ein-
schränken. Der Eeiche dagegen kann und wird für die
wohlschmeckendere Fleischspeise einen höheren Preis zahlen,
-als das AVertverhältnis zum Getreide angibt. Indem nun
der Reiche gerade durch diesen höheren Preis den Armen
von dem Ankauf des Fleisches abhält, kann sein Tisch noch
■ebenso reichlich als früher mit Fleisch besetzt sein ; während
<lie arbeitende Klasse sich mit den wohlfeileren, aber minder
kräftigen vegetabilischen Speisen begnügen muß.
So führt also dieser t^bergang zur höheren Kultur zu
-einer filr die Arbeiter sehr unerfi^eulichen Beschränkung der 257
gewohnten Bedürfnisse.
Steigen aber bei weiterem Fortsclireiten des Reichtums
der Nation die Preise der animalischen Produkte so hoch,
daß Kartoffeln zum Viehfutter mit Vorteil gebaut werden
können : so findet auf einmal ein große Vermehrung der
Tliünen. Der isolierte Staat. 17
— 258 —
Yiehprodukte statt, und die Portion, die auf jeden einzelnen
fällt, kann nun wieder beträchtlich vergrößert werden.
Nach meinen Berechnungen ernährt ein Morgen mit
Kartoffeln 2^/3 mal soviel Vieh, als ein Morgen Dreeschweide
auf Boden von gleichem Reichtum.
Ist nun der Arbeitslohn so hoch, daß der Arbeiter den
höheren Preis für die animalischen Produkte bezahlen kann
— und dies muß man voraussetzen, weil ohne die Kon-
kurrenz der arbeitenden Klasse der Preis schwerlich so hoch
hätte steigen können — so wird der Arbeiter den Verbrauch
der Fleischspeisen vermehren und zu einer behaglichen
Lebensweise übergehen können.
Ein solcher Zustand der bürgerlichen Gresellschaft bietet
aber noch eine andere sehr erfreuliche Seite dar.
Wenn nämlich in einem Mißwachsjahre die Ernte für
den Bedarf nicht ausreicht, so können nun die zur Yieh-
mastung bestimmten Kartoffeln direkt zur menschlichen
Nahrung verwandt, das Yieh aber mager geschlachtet
werden , und da hierdurch die sonst in Fleisch verwandelte
Xahrungsmasse fast verfünffacht wird : so ist es fast un-
möglich, daß eine Nation, die diese Stufe des Wohlstandes
einmal erstiegen hat, jemals von einer Hungersnot heim-
gesucht werden kann.
Vermehrt sich dagegen in einem Staat durch die Ein-
führung des Kartoffelbaues die Volksmenge so sehr, und
258 sinkt infolge dieser Vermelu'ung der Ai'beitslohn so tief, daß
der Arbeiter für seinen Lohn nur Kartoffeln erkaufen kann,
und ohne Beihilfe animalischer Speisen ganz oder größten-
teils von Kartoffeln leben muß: so ist dieser Zustand des
Staates einer der bejammernswürdigsten.
Die Kartoffeln können nicht, wie das Getreide, von
einem Jahr zum anderen aufgehoben werden : es kann der
IJberfluß des einen Jahres nicht den Mangel des anderen
ersetzen.
— 259 —
Mißraten oun die Kartoifeln, so ist keine Rettung durch
den Übergang von einem teuren zu einem wohlfeilen Nah-
rungsmittel — wie der vom Fleisch zu Kartoffeln — möglich,
und es tritt der Zustand ein, wovon Malthus sagt: „wenn
„aber das Yolk in der Regel vom allerniedrigsten Nahrungs-
„mittel lebt, dann bleibt gar keine Zuflucht übrig als viel-
„leicht etwas Baumrinde, viele aber müssen notwendig des
,,eigentHchen Hungertodes sterben."
In diesem Fall wird also, so paradox dies auch scheinen
mag, gerade durch die Kartoffel die Geißel einer öfters
wiederkehrenden Hungersnot herbeigeführt. Irland bietet
vielleicht schon jetzt das Beispiel eines solchen Zustaudes dar.
So hat also auch hier die Natur es der Willkür des
Menschen überlassen, ob er das herrliche Geschenk, was
sie ihm gab, zu seinem Verderben oder zu seinem Heil be-
nutzen will.
ViehmastuDg.
Das gemästete Vieh kann ohne bedeutende Kosten nach
entfernten Marktplätzen getrieben werden, und die Mästung
kann hier wohlfeiler als in den der Stadt näher gelegenen
Gegenden, wo der Boden eine beträchtliche Landrente ab-
wirft, geschehen. Da jedoch das Treiben des sehr fetten
Viehes auf weite Strecken mit vieler Beschwerde und mit 25!)
bedeutender Abmagerung des Viehes verbunden ist: so kann
es sein, daß die Mästung hier nur begonnen, aber erst in
einer der Stadt näheren Gegend vollendet wird.
Aufzucht von jungem Vieh.
Das Jungvieh kann mit geringer Mühe und unbedeu-
tenden Kosten von einem Orte zum anderen getrieben werden.
Da in diesem Kreise die Landrente des Bodens und der
17*
— 260 —
Wert des Futters sehr niedrig sind: so kann auch vou
hieraus das Jungvieh so woUfeil geliefert werden, daß keine
andere Gegend des isolierten Staates die Konkurrenz damit
aushalten kann.
Der Ivreis der Koppelwirtschaft kann seinen Boden
durch Kuherei zum Zweck der Butterproduktion viel höher
nutzen als durch Aufzucht; und dieser Kreis wird seinen
ganzen Bedarf an Jungvieh aus dem Kreise der Yiehzucht
kaufen.
In der Wirklichkeit kann in solchen Gegenden, wo der
Lage und den übrigen Verhältnissen nach die Aufzucht un-
vorteilhaft ist, es doch zuweilen für einzelne Landwirte
zweckmäßig sein, ihren Bedarf an Jungvieh selbst aufzuziehen
— wenn sie nämlich den Zweck haben, eine bessere Rasse
als die gewöhnliche zu erzielen. In dem isolierten Staat
aber, wo wii- für alle Landwirte gleiche Intelligenz und
also auch gleiche Kenntnis der guten A^iehrassen annehmen,
entscheidet die Lage des Gutes allein über die Zweckmäßig-
keit oder Unzweckmäßigkeit der Aufzucht.
Wenn der Bedarf der Stadt an animalischen Produkten
eine Ausdehnung der Viehzucht bis 50 Meilen um die Stadt
herum erfordert, so ist, wie wir oben gesehen haben, der
260 Mittelpreis der Butter in der Stadt = 5,67 ßl. Wls für das
Pfund, und mit diesem Preise der Butter wird der Preis
der anderen tierischen Erzeugnisse, als Wolle, fettes Fleisch
usw. im Verhältnis stehen.
Der Reinertrag einer Kuh beträgt nach unseren obigen
UntervSuchungen für die Gegend, welche von der Stadt ent-,
fernt ist: 30 Meilen 0,9r. Tlr. N^/s,
40 „ 0,5.. „
50 „ 0 „
Die Landrente ist also in diesem ganzen Kreise äußerst ge-
ringe, und der Ertrag der Güter besteht fast nur aus den
— 261 —
Zinsen des Kapitals, welches auf die Errichtung der Gebäude,
auf die Anschaffung des Inventarii usw. verwandt ist.
In diesem Kreise wird nicht mehr Korn gebaut, als
zur Ernährung der mit der Viehzucht beschäftigten Menschen
erforderlich ist. Der Gewinn an Stroh ist also äußerst
gering, und es darf nicht mehr Vieh gehalten werden, als
mit diesem wenigen Stroh und mit dem Heu von den natih^-
lichen Wiesen im Winter durchgefüttert werden kann.
Die Sommerweide für das Vieh ist hingegen, da fast
der sämtliche Acker der Güter zur Weide liegt, so reichlich,
daß das Vieh nicht alles Gras verzehren kann, und daß ein
Teil des Grases ungenutzt verfault.
Durch den Anbau von Futterkräutern und Wurzel-
gewächsen läßt sich aber die Winterfütterung nicht ver-
mehren, weil die dadurch verursachten Kosten durch den sehr
geringen Ertrag des Viehes gar nicht ersetzt werden können.
Die Wiesen sind also der einzige Maßstab für die Zahl
des Viehes, welches gehalten werden kann, und man wird
die geringe Landreute, welche aus der AVirtschaft hervor-
geht, einzig und aliein den Wiesen zuschreiben, weil die
Weide im Überfluß vorhanden ist und nur durch die Wiesen
genutzt werden kann.
Dieser Kreis kann also im Verhältnis zu seiner großen 261
Ausdehnung nur eine geringe Quantität Viehprodukte zu
Markte bringen.
Auch ist die Bevölkerung dieses Kreises äußerst gering,
und ein Gut von gleichem Umfange, welches in der Nähe
der Stadt 30 Kamillen ernährt, wird hier kaum 3 Familien
Beschäftigung und Nahrung geben.
Mit 50 Meilen Entfernung von der Stadt hört endlich
die Landrente von der Viehzucht ganz auf, und weil in
einer größeren Entfernung die Zinsen des auf die Wirtschaft
verwandten Kapitals nicht mehr bezahlt werden, muß auch
dieser letzte Kulturzweig hier enden.
— 262 —
Hinter dem Kreise der Yielizuclit können nun noch
einige Jäger zerstreut in den Wäldern leben , welche mit
der Beschäftigung und der Lebensart der Wilden auch die
Sitten derselben annehmen werden. Die einzige Kommuni-
kation, welche diese Jäger mit der Stadt haben, besteht
darin, daß sie ihre w^enigen Bediu-fnisse für die Felle Avilder
Tiere eintauschen.
Dies ist dann die letzte Einwirkung, welche die Stadt
auf diese Ebene, die weiterhin zur menschenleeren Wildnis
wird, ausübt.
Ein Reisender, der den isolierten Staat durchreiste,
würde in w^enig Tagen alle jetzt bekannten Wirtschafts-
systeme praktisch angewandt erblicken. Die regelmäßige
Folge, worin er die verschiedenen Wirtschaftssysteme nach-
einander wahrnähme, würde ihn vor dem Irrtum bewahren,
als läge es nur an der Unkenntnis der Landwirte, daß die
Kultur der entfernten Gegenden nicht so gut ist, als die in
der Nähe der Stadt.
2()2 Die höheren Wirtschaftssysteme haben dadurch, daß sie
künstlicher, komplizierter sind und zugleich höhere Ein-
sichten und Kenntnisse erfordern, füi* das Auge etwas
Blendendes und Yerfiihrerisches.
Da nun diese höheren Wirtschaftsarten an den Orten,
wo sie landüblich sind, unleugbar einen größeren Ertrag
geben und den Boden höher benutzen, so ist der Irrtum,
,,daß man nur die nötigen Kenntnisse zu besitzen brauche,
lun ein höheres Wirtschaftssystem in eine w^eniger kultivierte
Gegend einzufüiiren", leicht zu entschuldigen, aber auch um
so gefährlicher.
Unsere Untersuchungen haben ergeben, daß eine Koppel-
oder Fruchtwechsel Wirtschaft auf einem Gute in dem Kreise
der Dreifelderwirtschaft eingeführt, von der Zeit wdeder hin-
weggespült werden und spurlos verschAvinden muß.
— 263 —
Umgekehrt wird eine Dreifelderwirtschaft, in den Kreis
der Koppel- oder Friichtwechselwirtschaft verpflanzt, nicht
bestehen können; aber ein solcher Versuch ist zu wenig
einladend, der Nachteil zu sehr in die Augen fallend, als
daß er oft gemacht werden könnte.
Der isolierte Staat stellt in Hinsicht des Ackerbaues zu-
gleich das Bild eines und desselben Staates in verschiedenen
Jahrhunderten dar.
Vor einem Jahrhundert wurde in Mecklenburg bloii
Dreifelderwirtschaft getrieben, und diese war den damaligen
Verhältnissen allein angemessen. In den frühesten Zeiten
waren Jagd und Viehzucht wahrscheinlich die einzigen
Quellen der Ernährung. Dagegen wird im nächsten Jahr-
hundert die Fruchtwechsel Wirtschaft hier vielleicht ebenso
allgemein sein, als jetzt die Koppelwirtschaft.
So wie der Reichtum und die Bevölkerung eines Staats
steigen, so wird auch ein mehr intensiver Landbau vorteil- 263
haft. Sind die Verhältnisse nun bis zu dem Punkt gereift,
daß die Anwendung eines höhei^en Wirtschaftssystems nütz-
lich wird, so ist auch das Werk des Landwirts, der diese
Wirtschaft zuerst einführt, der Vergänglichkeit nicht unter-
worfen. Diese Wirtschaft wird sich nicht bloß auf seinem
Oute erhalten, sondern sich, zwar langsam aber unwider-
stehlich, über das ganze Land verbreiten und so die land-
übliche Wirtschaft werden.
Dies Avar in Mecklenburg der Fall, als die Koppel-
wirtschaft zuerst eingeführt wurde; dies war in England
der Fall, als die Koppel- und Dreifelderwirtschaft der Frucht-
wechselwirtschaft weichen mußten.
264 Zweiter Abschnitt.
Vergleichung des isolierten Staats
mit der Wirklichkeit.
§ 27.
Rückblick auf den Gang unserer Untersuchuncf.
In der vorhergehenden Darstellung der Gestaltung des
isolierten Staats sind die Verhältnisse des Gutes Tellow zu
Grunde gelegt, indem wir entwickelt haben, wie die "Wirt-
schaft dieses Gutes sich ändern würde, Avenn dasselbe dem
Marktplatz für die landAvirtschaftlichen Erzeugnisse näher
oder ferner gedacht wird.
Wir haben im § 5 angenommen, daß der Rohertrag*
eines Gutes sich ganz in Korn angeben lasse, und daß der
Preis der animaHschen Produkte mit dem Preise des Ge-
treides im Verhältnis stehe.
Diese Annahme ist allerdings wahr und zutreffend, wenn
wir die wirklichen Verhältnisse eines kultivierten Staates,
der von keinen rohen, bloß Viehzucht treibenden Ländern
umgeben ist, vor Augen haben. Die durchgeführte Dar-
stellung des isolierten Staats zeigt uns aber selbst, daß das
Gut T. in einer Gegend liegt, wo die Einwirkung der rohen,
bloß Viehzucht treibenden Länder sich schon sehr vermindert
— 265 —
hat ; und daß in dem isolierten Staat das Verhältnis zwischen
den Preisen der Viehprodukte und des Kornes nicht dasselbe
sein kann, was auf dem Gute T. stattfindet.
Wir müssen deshalb untersuchen, inwiefern sich die 265
Gestaltung des isolierten Staats ändert, wenn der Preis der
animalischen Produkte von dem Preise des Getreides un-
abhängig ist.
Für T, ist der Preis der Butter 9 ßl. und nach Abzug
der Transportkosten 8^/5 ßl. N-/3 pr. tt. von 36 Lot ; in dem
isolierten Staat kann der Marktpreis der Butter nach imserer
Berechnung nur 5,7 ßl. betragen, aber der Wert derselben
auf dem Gute selbst nimmt mit der Entfernung des Gutes
von der Stadt nicht so rasch ab, als der des Getreides.
Legen wir nun in unserer Berechnung diesen Preis für jenen
zu Grunde, so werden wir in der Nähe der Stadt die
Landrente geringer finden, aber diese Landrente nimmt mit
der wachsenden Entfernung von der Stadt nicht so schnell
ab, und sie wird für das 25 Meilen entfernte Gut schon
größer sein, als wir sie augegeben haben — weil die Butter
ungeachtet des geringeren Marktpreises hier doch schon
einen höheren Wert hat, als wenn ihr Preis sich nach dem
Getreidepreis dieser Gegend richtete.
Wir haben ferner bei unseren Untersuchungen einen
Standpunkt zu Grunde gelegt, w^o die mit dem Landbau
verbundenen Ausgaben zu ^ 1 in Geld und zu ^.'4 in Korn
ausgedrückt werden müssen — und wir konnten dadurch
für das gegebene Gut bei jedem Wechsel der Getreidepreise
den Reinertrag und die Bewirtschaftungsart bestimmen.
Dann haben wir aber auch die Veränderung in den
Getreidepreisen durch die größere oder geringere Entfernung
vom Marktplatz, also gleichsam räumlich dargestellt und auf
diese Weise den isolierten Staat konstruiert.
Nun ist aber, wie wir bereits im § 5 erwähnt haben,
das Verhältnis, in welchem die Ausgaben in Geld und in
— 26G —
Korn auszudrücken sind, keineswegs gleichbleibend, sondern
mit dem Standpunkt selbst veränderlich, und dies läßt sich
in dem isolierten Staat noch weit klarer übersehen, als in
der Wirklichkeit.
266 Der Preis aller Waren und Materialien, die der Land-
wirt des isolierten Staats nur aus der Stadt erhalten kann,
richtet sich nicht nach dem Getreidepreis der Gegend, wo
der Landwirt wohnt, sondern dieser muß den Preis, den
die Waren in der Stadt haben und dann noch die Fracht
von der Stadt bis zu seiner Gegend dafür zahlen.
In dem Preise der Arbeitserzeugnisse der Handwerker,
die auf dem Lande wohnen, sind enthalten:
1. die Auslage für Lebensmittel und andere Bedürfnisse,
die sie während der Arbeit verbrauchen,
2. die Auslage für das rohe Material.
Wird das Material, was der Handwerker verarbeitet,
z, B. das Eisen , aus der Stadt bezogen , so richtet sich der
Preis seines Arbeitserzeugnisses nur zum geringeren Teil
nach dem Getreidepreis der Gegend, wo der Handwerker
wohnt; wird dagegen das rohe Material auf dem Lande
selbst erzeugt, z. B. Flachs, so stehen die Fabrikationskosten
der Leinwand fast ganz im Verhältnis mit dem Getreide-
preise, indem nur dasjenige, was der Leinweber zu seiner
Wohnung, seinen Gerätschaften und seinem Unterhalt aus'
der Stadt kaufen muß, in Geld ausgedrückt werden darf.
Wir finden also, daß von den mit dem Landbau ver-
bundenen Ausgaben, alles dasjenige, was der Landwirt un-
mittelbar aus der Stadt bezieht, und alles was die auf dem
Lande lebenden, für den Landwirt arbeitenden Handwerker
aus der Stadt erkaufen, in Geld ausgedrückt bleiben muß.
Für Güter von gleich großem Betrieb ist also auch die
für Waren und Materialien in der Stadt selbst zu zahlende
Summe gleich groß, diese Güter mögen der Stadt nahe oder
ferne liegen. Aber dem Landwirt des isolierten Staats kosten
— 267 —
<liese Warea außer dem Ankaufspreis auch noch die Fracht
für dieselben von der Stadt bis zu seiner Gegend ; oder der 267
Preis dieser Waren ist auf dem Lande um den Betrag der
Fracht inkhisive der Handelskosten höher als in der Stadt.
Die Fraclit — wovon nach § 4 wieder ein Teil in Geld
ausgedrückt werden muß — wächst aber mit der größeren
Entfernung von der Stadt, und so fällt auf die entfernter
liegenden Güter eine erhöhte Ausgabe sowohl an Geld als
-an Getreide.
Bei der Übertragung unserer von einem Standpunkt
ausgegangenen Berechnung auf den isolierten Staat findet
also eine zweifache Abweichung statt:
1. ist der Ertrag aus der Viehzucht in den entfernten
Gegenden größer als unsere Berechnung angibt:
2. kommt für die entfernten Gegenden noch die Fracht
für die aus der Stadt zu kaufenden Bedürfnisse in
Ausgabe.
Beide Abweichungen wirken sich einander entgegen und
bringen dadurch wieder eine Annäherung zu dem Resultat
unserer Berechnung hervor.
Wie nun aber auch die Landrente in Zahlen aus-
gesprochen sich hierdurch ändern mag, so bleiben doch fol-
gende Hauptresultate unserer Untersuchung ganz unverändert :
Die Koppelwirtschaft muß bei sehr niedrigen Kornpreisen
zu der Dreifelderwirtschaft übergehen, weil diese das Ge-
treide mit geringeren Arbeitskosten produzieren kann.
Bei noch mehr verringerten Getreidepreisen hört auch
die Landrente der Dreifelderwirtschaft auf, und sie kann
kein Korn mehr nach der Stadt liefern.
Hinter dem Kreise der Dreifelderwirtschaft bildet sich
dann der Kreis der Yiehzucht.
Diese Hauptresultate und mit ihnen alle daraus ge-
zogenen Folgerungen bleiben unverändert, aber die Aus-
<lehnung der Kreise, in Zahlen ausgesprochen, und die Grenze,
— 26s —
■\vo zwei Wirtschaftsarten sich trenneu. wird der Meilenzahl
268 nach sich ändern. Diese Zahlen dienen hier aber nur zur
YersinuHchung der Idee und sind keineswegs von einem
wesenthchen Einfluß auf die entwickelten Hauptgesetze:
denn es ist in dieser Beziehung gleichgültig, ob z. B. der
Kreis der Dreifelderwirtschaft einige Meilen näher oder ent-
fernter von der Stadt anfängt.
Auch läßt sich, wie im Anhang sub Nr. 8 dargetan
ist, die Ungleichheit, welche daraus entsteht, daß mit der
zunehmenden Entfernung von der Stadt der Wert des Ge-
treides und der Wert der Viehprodukte nicht in gleichem
Verhältnis abnehmen, durch eine Änderung des Bruches,
welcher anzeigt, der wievielste Teil der Ausgabe in Geld
auszudrücken ist, genau wieder ausgleichen» Wenn nun
auch die aus der Wirklichkeit entnommene Quote von ^ i
für die Verhältnisse des isolierten Staats nicht zutreffend
sein kann: so ist das Verfahren selbst, die Viehprodukte
ihrem Wert nach auf Roggen zu reduzieren, dadurch doch
völlig gerechtfertigt, und die Möglichkeit, auf diesem Wege
richtige Resultate zu erlangen, dargetan.
§ 28.
Verschiedenheiten zwischen dem isolierten Staat
und der Wirklichkeit.
Die wirklichen Staaten und Länder sind in folgenden
Punkten von dem isolierten Staat wesentlich verschieden:
1, Es gibt in der WirkUchkeit kein Land, wo der Boden
überall gleichen Reichtum enthielte, und durchweg
von gleicher physischer Beschaffenheit wäre.
2. Es gibt keine einzige große Stadt, die nicht an einem
Fluß oder schiffbaren Kanal läee.
— 2G9 —
o. Jeder Staat von bedeutendem Umfange, mit einer
großen Hauptstadt, hat außer dieser Hauptstadt noch
viele kleineVe Städte, die zerstreut im Lande liegen.
4. In der Wirklichkeit findet selten, oder fast nie, eine 269
so starke Einwirkung der rohen , bloß Viehprodukte
liefernden Landstriche auf den Preis der animalischen
Erzeugnisse statt, ,wie dies im isolierten Staat der
Fall ist.
Ad 1.
Unsere Untersuchungen im ij 14 haben das Eesultat
gegeben, daß niedrige Kornpreise in ihrer Wirkung mit einer
gej'ingen Dungkraft des Bodens darin übereinstimmen, daß
beide die Koppelwii-tschaft in Dreifelderwirtschaft verwan-
deln, und daß beide, wenn sie noch mehr vermindert werden,
die Landrente am Ende bis zu 0 herunterbringen.
Man könnte nun ebenso, wie wir hier den Preis des
Getreides veränderlich, die Fruchtbarkeit des Bodens gleich-
bleibend angenommen haben, eine zweite Darstellung unter-
nehmen, in welcher der Getreidepreis gleichbleibend, die
Fruchtbarkeit des Bodens dagegen veränderlich wäre, imd dann
diese zweifache Darstellung auf die Wirklichkeit anwenden.
Diese zweifache Darstelhmg ist aber, wenigstens in
dieser Beziehung, entbehrlich, weil wir schon aus der bis-
herigen, den Standpunkt, den ein Gut von niedrigerem Grade
der Fruchtbarkeit bei dem Getreidepreise von IV2 Tlr. fin-
den Scheft'el Roggen einnehmen würde, nachweisen können,
wie aus der Lösung der nachfolgenden Aufgaben hervor-
gehen wird.*)
*) Es ist hierbei aber nicht auiier acht zu lassen, was im
§ 14b gesagt ist, daß nämlich Wirtschaften, die anf gleichem
Boden und imter gleichen Verhältnissen einen verschiedenen Koru-
ertrag geben, dem Gesetz der Konsequenz nicht unterworfen sind,
und nicht dem isolierten Staat, sondern der Wirklichkeit an-
gehören.
— 270 —
270 Erste Aufgabe. Welche Landrente wird ein Gut,
84
dessen Acker ö X -rrjö ~ ^i- Körner in der Dreifelder-
wirtschaft trägt, gewähren, wenn der Scheffel Roggen auf
dem Gute selbst 1^/2 Tlr. wert ist; und in welcher Gegend
des isolierten Staats findet eine gleiche Laudrente statt V
Nach der im § 14 gelieferten Tabelle beträgt die Land-
84
rente der Dreifelderwirtschaft von .) X rj^. = 4,2 Körnern
Ertrag 240 Scheffel Roggen -f- 246 Tk. Bei dem Preise
von 1^/2 Tlr. für den Scheffel sind 240 Scheffel Roggen
360 Taler wert; die Laudrente beträgt also 360 — 246 ^
114 Tlr.
In dem isolierten Staat ist bei dem Ertrage von 8 X
84
^^„ rrr 6,72 Köruem die Landrente = G96 Scheffel ~
327 Tlr.
Die Landrente beider Wirtschaften wird also gleich,
wenn 696 Scheffel Roggen ~ 327 Tlr. = 114 Tlr. sind
4- 327 -f 327
also 696 Scheffel Roggen 441 Tlr.
dies macht für 1 Scheffel 0,683 Tlr.
und diesen Preis hat der Roggen auf dem ungefähr 26 Meilen
von der Stadt entfernten Gute.
Es ist also die Landrente eines Gutes von 4,2 Körnern
bei dem Roggenpreise von l^i-i Tlr. pr. Sclieffel gleich der
Landrente desjenigen Gutes, welches in dem isolierten Staate
26 Meilen von der Stadt entfernt ist.
Zweite Aufgabe. Bei welchem Körnerertrag wird
die Landrente der Dreifelderwirtschaft — 0, wenn der
Scheffel Roggen auf dem Gute 1^/2 Tlr. wert ist?
84
271 Nach § 14 ist für (10 — x) ^^^ Körner die Land-
— 271 —
rente 1000 Schfl. — 152 x Schfl. -^ 381 Taler + 27 x Tlr.
Den Scheffel zu IV2 Tlr, gerechnet, gibt dies
1500 Tlr. — 228 X Tlr. — 381 Taler -f 27 x Tlr.
oder 1119 Tlr. — 201 x Tlr.
Wenn mm die Landrente = 0 sein soll,
so sind 201 X = 1119
also . , X = 5,57
Der gesuchte Körnerertrag, für welche die Landrente =
84
100
84
U wird, ist also (10 — 5,5t) .-^ = 3,72.
Dritte Aufgabe. Bei welchem Körnerertrag ist die
Nutzung des Bodens durch Koppelwirtschaft eben so hoch
als die durch Dreifelderwirtschaft, wenn für beide Wirt-
schaftsarten der Wert des Scheffels Roggen auf dem Gute
V'2 Tlr. beträgt?
Die Landrente beider Wirtschaftsarten wird gleich, wenn
nach § 14
1710 Schfl. — 271 X Schfl. — 747 Tlr. + 53 x Tlr., als die 272
Landrente der K. W., gleich ist 1000 Schfl. — 152 x Schfl.
— 381 Tlr. + 27x Tlr., der Landrente der D. F. W.
Alsdann sind
710 Schfl. — 119x Schfl. — 36G Tlr. + 26 x Tlr. = 0.
Für einen Scheffel Roggen den Wert von 1^/2 Tlr. ge-
setzt, gibt dies
1065 Taler — 366 Taler — 178,5 x Tlr. -f- 26 x Tlr. = 0
also 699 Tlr. — 152,5 x = 0
oder X == 4,58.
Für einen Reichtum des Ackers, bei welchem die Koppel- 273
Wirtschaft 10 — 4,58 = 5,42 Körner, die Dreifelderwirt-
84
Schaft aber (10 — 4,58) :r^^ = 4,55 Körner gibt, ist also
hei dem Preise von IV2 Taler für den Scheffel Roggen
.die Laudreute der Koppelwirtschaft der der Dreifeldenvirt-
scliaft gleich.
Ad 2.
"Wenn es ausgemittelt ist, wieviel wohlfeiler der Traus-
port des Korns zu Wasser, als der zu Lande zu stehen
kommt, so hat es keine Schwierigkeit, den Standpunkt eines
Gutes, welches sein Korn zu "Wasser nach dem Markt schicken
kann, zu bestimmen.
Gesetzt, die Schiffsfi-acht betrüge ^/lo der Landfracht, so
ist ein Gut, welches an einem Fluße liegend 100 Meilen
vom Marktplatz entfernt ist, in Hinsicht des "^'ertes des
Getreides auf dem Gute und der daraus entspringenden
"X'erhältuisse dem Gute gleich, welches in dem isolierten
Staat 10 Meilen von der Stadt entfernt ist.
Ein Gut, welches ö Meilen vom Fluß entfernt liegt,
trägt dann die Kosten von 5 Meilen Landfraclit und 100
Meilen Schiffsfracht und wäre dem Gute des isolierten
Staats gleich, welches 15 Meilen von der Stadt entfernt ist.
Ad 3.
Die kleinen Städte, welche zerstreut im Lande liegen,
müssen ebensowohl als die Hauptstadt mit Lebensmitteln
versorgt werden, und diejenigen Güter, die in der Nähe
einer solchen kleinen Stadt liegen, werden ihr Korn nach
dieser Stadt — solange sie noch etwas bedarf — und nicht
nach der Hauptstadt liefern. Die Zahl der Güter, oder die
Fläche Landes, welche erforderlich ist, um diese Stadt mit
274 den nötigen Lebensmitteln zu versorgen, könnte man das
Gebiet der Stadt nennen. Der Hauptstadt geht dieses Ge-
biet verloren, indem sie von dort keine Produkte mehr er-
hält, und die kleine Stadt wirkt auf die Hauptstadt in Hin-
sicht der Versorgung mit Lebensmitteln ebenso, als wenn
jenes Gebiet in eine Sandwüste verwandelt wäre, die nichts
hervorbringt. Denkt man sich nun die große Ebene des
— 273 —
isolierten Staats mit vielen solchen Sandflächen untermischt,
so muß der Bedarf der Hauptstadt aus weiterer Ferne her-
beigeschafft werden, und die Kreise müssen, um den Bedarf
zu liefern, ausgedehnt werden. Mit dieser größeren Aus-
dehnung wachsen aber die Transportkosten des Getreides,
welches von dem äußeren Rand der Ackerbau treibenden
Ebene nach der Stadt geliefert wird, und eine solche Ver-
mehrung der Trau sportkosten hat, wie wir gesehen haben,
eine Steigerung des Getreidepreises in der Hauptstadt zur
Folge.
In den kleinen Städten wird aber der Preis des Ge-
treides nach ganz anderen Gesetzen bestimmt, als wenn
diese Städte mit ihrem Gebiet isoliert lägen. Die Güter,
welche in diesem Gebiet liegen, haben die Wahl, ihr Korn
entweder nach dieser kleinen Stadt zu liefern, oder es nach
der Hauptstadt zu fahren. Was der Marktpreis des Ge-
ti'eides in der Hauptstadt nach Abzug der Verfahrungskosten
ausmacht, d. h. was der Wert des Kornes auf dem Gute ist,
das muß die kleine Stadt den Produzenten bezahlen, wenn
diese bewogen werden sollen, ihr Korn derselben zu überlassen.
Die Getreidepreise in den kleinen Städten werden also
durch den Marktpreis in der Hauptstadt bestimmt: ja sie
sind ganz und gar davon abhängig.
Wir können uns statt der kleinen Städte eigene Staaten
von beträchtlichem Umfange denken, und auch diese können
beim freien Handel sich der Allgewalt, welche die große Stadt
in der Bestimmung der Getreidepreise ausübt, nicht entziehen.
Ad 4. 27.5
Die Einwirkung der rohen, bloß Yiehprodukte liefernden
Landstriche auf andere Länder ist in der Wirklichkeit durch
weite Entfernungen oder durch Eingangszölle entweder sehr
geschwächt oder auch ganz aufgehoben.
Lägen Podolien und die Ukraine westlich der Weichsel
Thünen. Der isolierte Staat. 18
— 274 —
und könnten die Yiehprodukte von dort zollfrei nach Berlin
geliefert werden: so würde auch jetzt noch im nordwest-
lichen Deutscliland die Landrente aus der Viehzucht sehr
gering sein.
Mit der Yerminderung oder dem gänzlichen Aufhören
einer solchen Einwirkung wird aber das Preisverhältnis
zwischen Getreide und animalischen Erzeugnissen wesentlich
geändert und zugunsten der letzteren gesteigert. Die Vieh-
zucht kann dann überall eine mehr oder minder beträchtliche
Rente abwerfen — imd dies hat dann auf die Grenzbestim-
mung zwischen D. F. W. und K. "W. , noch mehr aber auf
die zwischen K. W. und F. W. W. einen bedeutenden Ein-
fluß. Der Versuch zur Erforschung der Gesetze, die dann
obwalten, würde hier zu weitab führen, wird aber Gegenstand
der Untersuchung im zweiten Teil dieser Schrift werden.
Das Prinzip, welches dem isolierten Staat seine Ge-
staltung gab, ist auch in der Wirklichkeit vorhanden, aber
die Erscheinungen, die dasselbe hier hervorbringt, zeigen
sich in veränderten Formen, weil zugleich sehr viele andere
Verhältnisse und Umstände mitwirken.
So wie der Geometer mit Punkten ohne Ausdehnung,
mit Linien ohne Breite rechnet, die doch beide in der
"Wirklichkeit nicht zu finden sind: so dürfen auch wir eine
wirkende Kraft von allen Nebenumständen und allem Zu-
fälligen entkleiden, und nur so können wir erkennen, welchen
Anteil sie an den Erscheinungen hat, die uns vorliegen.
276 Da es für ein einzelnes Gut möglich ist, einen Stand-
punkt in dem isolierten Staat aufzufinden, der mit den Ver-
hältnissen desselben übereinstimmt; so läßt sich, abgesehen
von der Schwierigkeit der Ausführung, die Möglichkeit nicht
leugnen, für ein ganzes Land eine Karte zu entwerfen, auf
welcher der Kreis, wozu eine Gegend gehört, durch die
Färbung angedeutet wäre. Eine solche Karte würde eine
höchst interessante und instruktive Übersicht gewähren. Die
— 275 —
Kreise "würden aber nicht, wie in unserem isolierten Staat,
regelmäßig aufeinander folgen , sondern bunt durcheinander
gemischt sein : es könnte z. B, das 100 Meilen von der Haupt-
stadt entfernte, aber an einem Flusse liegende und mit einem
sehr fruchtbaren Boden versehene Gut zum dritten Kreise
gehören, während das 10 Meilen von der Stadt liegende
Gut mit Sandboden zum sechsten Kreise gehörte.
Wir wenden uns jetzt zu der Betrachtung eines mit der
Landwirtschaft natürlich verbundenen Gewerbes und einiger
Kulturzweige, deren im ersten Abschnitt, um den Zusammen-
hang nicht zu unterbrechen, keine Erwähnung geschehen ist,
und die wir jetzt mit Beziehung auf die Wirklichkeit durch-
gehen können.
§ 29.
Branntweinbrennerei.
Das Getreide kann aus dem Kreise der Viehzucht nicht
mehr nach der Stadt geliefert werden, weil die Transport-
kosten desselben zu hoch zu stehen kommen ; verwandelt
man aber das Getreide in ein Fabrikat, welches im Ver-
hältnis zu seinem Wert geringere Transportkosten erfordert :
so kann der Ackerbau in dem näheren Teil dieses Kreises
noch mit Vorteil betrieben werden. Ein solches Fabrikat
ist der Branntwein, indem der Spiritus, der aus 100 Schfl. 277
Roggen gewonnen wird, kaum das Gewicht von 25 Schfl.
Roggen hat.
Der Abfall der Brennerei, oder die Branntweinschlempe,
wird am zweckmäßigsten zur Viehmastung benutzt. Da nun
der Kreis der Viehzucht ohnehin schon auf Viehmastung
angewiesen ist, und da hier das Getreide und das Brennholz
18*
— 276 —
den möglichst niedrigsten Preis haben : so vereinigt sich hier
aUes, was Branntweinbrennerei vorteilhaft machen kann.
Der Branntwein kann deshalb von hier aus auch so
wohlfeil geliefert werden, daß keine andere Gegend des
isolierten Staats, viel weniger die Stadt selbst, die Konkurrenz
damit aushalten kann — wenn vollkommene Gewerbefreiheit
stattfindet: denn es ist leicht einzusehen, daß die Hervor-
bringung des Branntweins in der Stadt, wo Korn und Holz
den dreifachen . Preis haben und wo der nominelle Arbeits-
lohn viel höher ist, auch mindestens 2 bis 3 mal so viel kosten
muß, als wofür diese Gegend den Branntwein liefern kann.
Wenn durch den Gewerbezwang die Branntweinbrennerei
nur in den Städten betrieben werden darf, so bewirkt dies
eine Verminderung des Nationaleinkommens, indem eine
große Menge Kräfte zum Transport des Kornes und des
Brennmaterials ohne allen Nutzen verschwendet werden. Da
aber die größte Wohlfeilheit des Branntweins aus anderen
Rücksichten nicht wünschenswert ist, so kann der Staat die
Fabrikation desselben mit einer starken Abgabe belegen, wo-
durch derselbe den Preis wieder erhält, wofür der Städter
ihn sonst geliefert hat; und diese A^erteuruug des Brannt-
weins wird für den Staat wohltätiger wirken, als jene durch
unnütze Verwendung von Kräften — die auf andere nütz-
liche Beschäftigungen gerichtet produktiv verwandt werden
können — hervorgebrachte Teurung.
278 Die Abteilung des Kreises der Viehzucht, in welcher
die Branntweinfabrikalion stattfindet, wird Dreifelderwirt-
schaft treiben, weil durch diese das zum Brauntweinbrennea
erforderliche Korn am wohlfeilsten erzeugt wird.
Die Wirtschaft, in welcher Branntweinbrennerei mit
Viehmastung verbunden ist, gibt einen viel größeren Dung-
gewinn, als die auf Kornverkauf gerichtete Dreifelderwirt-
schaft; erstere kann also auch einen größeren Teil des
Ackers mit Getreide bestellen, ohne denselben zu erschöpfen.
Sehen wir nun bloß auf die Feldeinteilung der Wirtschaf-
ten, so werden wir die die Branntweinbrennerei betreibende
Abteilung und im Grunde auch den ganzen Viehzucht trei-
benden Kreis — wo aber der Ackerbau nur einen kleinen
Teil des Feldes einnimmt — zum Kreise der Dreifelder-
wirtschaft rechneu müssen. Sehen wir dagegen auf die
Hauptprodukte, die die Wirtschaft liefert — und ich ziehe
diesen Teilungsgrund aus mehreren Ursachen hier vor —
so müssen wir die Gegend, welche Getreide nach der Stadt
bringt, von der, welche bloß Branntwein und Viehprodukte
dahin liefert, trennen und ich nenne diese Gegend vorzugs-
weise den Kreis der Dreifelderwirtschaft.
Die Landrente der auf Kornverkauf gerichteten Drei-
felderwirtschaft wird bei 31,5 Meilen von der Stadt = 0.
Branntweinbrennerei und Viehzucht geben an dieser Stelle
aber noch eine Landrente. Die Kreise der Dreifelderwirt-
schaft uud der Viehzucht müssen sich da scheiden, wo die
Landrente beider Wirtschaftsarten gleich hoch ist ; der Kreis
der Dreifelderwirtschaft kann also nicht bis 31,5 Meilen von
der Stadt reichen, sondern muß schon in etwas geringerer
Entfernung von der Stadt aufhören. Wir sind aber, da wir
die Grüße der Laudrente, die der Boden durch Branntwein- 279
brennerei und Viehzucht gibt, nicht kennen, auch nicht im-
stande, diese Entfernung in Zalilen anzugeben.
§ 3ü.
Schäferei.
Seit der Einfühnmg der Merinos in Deutschland hängt
die Nutzung einer Schäferei fast ganz von der Güte der
Herde ab und ist so wenig an Gegend und Boden gebunden.
— 278 —
daß sich schlecliterdings nicht allgemein angeben läßt, welche
Landrente der Boden, durch Schäferei benutzt, abwirft.
Sind einst die feinen Herden so allgemein geworden,
und ist einst die Kenntnis der höheren Schafzucht so ver-
breitet, daß jeder, für die Bezahlung des Preises, den die
Aufzucht der Schafe kostet, sich iu den Besitz eiuer feineu
Herde setzen kann, und diese auch zu behandeln versteht:
so wird auch der Reinertrag der Schäfereien Maßstab für die
Größe der Landrente des zur Schafzucht benutzten Bodens
werden. Yon diesem Zustand sind wir jetzt aber noch weit
entfernt und so lange dieser nicht erreicht ist, so lange ist
auch die höhere Nutzung der feinen Schafzucht im VerhäJtnis
zur Rindviehzucht nicht als Landrente, sondern als Zins des
in der feinen Herde steckenden Kapitals und als Belohnung
der Industrie des Schafzüchters zu betrachten.
Die Einführung der feineu Schafe in Deutschland und
die allmähliche Verdrängung der Schafe mit grober Wolle ist
von manchen interessanten Erscheinungen begleitet gewesen.
Die gröberen Schafe gaben noch vor 30 Jahren so ge-
ringen Ertrag, daß der Boden durch solche Schäfereien be-
nutzt, gar keine Landrente abwarf. Die feinsten Herden
geben dagegen einen so hohen Reinertrag, daß selbst der
Kornbau oft minder einträglich ist als die Schafzucht, und
diese ist dadurch für den gegenwärtigen Moment die Angel,
280 um welche sich die ganze Wirtschaftseinrichtuug dreht. Um
über die Zweckmäßigkeit einer Wirtschaft ein Urteil fällen
zu können, muß man jetzt zuerst die Schäferei besehen : denn
die Güte der Herde entscheidet darüber, welchen Aufw^and
man znv Gewinnung des Futters machen darf. Ist die
Herde von der ersten Qualität, so bezahlt sich selbst die
Körnerfütterung reichlich, vielmehr also noch die Kartoffel-
und Kleefütterung; und ein Gut, welches sonst durch
seinen Bodenreichtum und durch seine Lage bei einer kou-
secjuenten Bewirtschaftung auf Koppelwirtschaft verwiesen
— 279 —
wäre, kann dann mit Vorteil zur Fruchtwechsel Wirtschaft
übergehen.
Die große Einträglichkeit der feinen Schafzucht hat im
östlichen Deutschland fast bei allen Landwirten das Streben,
sich feine Herden zu verschaffen, hervorgebracht. Da nun
die Schafe sich ziemlich schnell vermehren, und außerdem
noch beträchtliche Herden von Merinos aus Spanien und
Frankreich eingeführt sind, die echten Schafe selbst sich
also beträchtlich vermehrt haben ; und andererseits fast alle
Schäfereien durch Zulassung von Merinoböcken veredelt
worden sind : so hat die Produktion der feinen Wolle im
östlichen Deutschland seit 30 Jahren in einem ganz außer-
ordentlichen Grade zugenommen.
Man glaubte anfänglich, daß mit dieser exzessiven Ver-
mehrung der feinen Wolle der Preis derselben sehr bald
fallen und durch Überfüllung des Marktes bald unter den
Preis, der zur Deckung der Produktionskosten erforderlich
ist, sinken würde.
Diese Furcht hat sich bis jetzt aber so wenig bestätigt,
daß vielmehr bei dem Sinken der Preise aller anderen land-
wirtschaftlichen Erzeugnisse der Preis der feinen Wolle fast
die vorige Höhe behalten hat und also relativ, d. i. im Ver-
hältnis zum Getreide, gar selir gestiegen ist. Die vermehrte
Produktion ist stets von einer gleichen Schritt haltenden 281
vermehrten Nachfrage begleitet gewesen, und der Preis der
feinen AVoile übersteigt den Preis, wofür sie zu Markt ge-
bracht werden kann oder den natürlichen Preis noch bei
weitem.
Wie kann nun aber der Preis einer Ware oder eines
Erzeugnisses solange über dem natürlichen Preis stehen, und
wie kann eine so außerordentlich vermehrte Produktion noch
immer Abnehmer finden und verbraucht werden?
Ich erkläre mir dies hauptsächlich aus folgenden beiden
Ursachen :
— 280 —
1. aus den Eütdeckungen und Yerbesserungen in den
Tuchfabriken; und
2. aus der Bildung eines neuen Scliafstammes in Sachsen-
der die spanischen Stämme an Feinheit der Wolle
weit übertrifft.
In dem Preise des Tuches und anderer Wollenwaren
machen die Fabrikationskosten den größeren, die Kosten des
rohen Materials oder der Wolle nur den kleineren Bestand-
teil aus. Wenn nun durch große und ausgezeichnete Ver-
besserungen in den Fabiiken die Fabrikationskosten des
Tuches und anderer Wollenwai-en bedeutend vermindert
werden, so hat dies die dreifache Wirkung:
1. daß der Preis der Wollenwaren abnimmt;
2. daß der Verbrauch dieser Waren wächst; und
.3. daß das rohe Material, die Wolle, in größerer Menge
begehrt wird, und der Preis derselben steigt.
Wenn der Käufer zwischen Waren, die eine durch die
andere ersetzt werden können, die Auswahl hat, so wählt er
diejenige, die bei gleicher Brauchbarkeit für- ihn die wohl-
feilste ist. Sinkt mm der Preis des Tuches, während der
Preis der anderen Bekleidungsmittel derselbe bleibt, so ver-
282mehi*t sich der Verbrauch des Tuches, und der der anderen
Bekleidungsmittel wird eingeschränkt. Um den vermehrten
Bedarf an Tuch zu liefern wird eine größere Quantität Wolle
als früher erfordert, zu deren Hervorbringung der Produzent
nur durch erhöhte Preise bewogen werden kann. Bei der
steigenden Nachfi-age nach Tuch wird auch der Fabrikant
einen höheren als den gewöhnlichen Gewinn ziehen und
dadurch zur Erweiterung seiner Fabrik aufgefordert werden.
Die Vorteile der neuen Entdeckungen teilen sich also an-
fangs zwischen dem Käufer, dem Fabrikanten und dem
Produzenten des rohen Materials. Die Fabriken können aber
in kurzer Zeit soweit vermehrt und erweitert werden, daß
aie den Begehr an Fabrikaten befriedigen können, und dann
— 281 —
hört der höhere Gewinn in Unternehmungen dieser Art auf :
langsamer geht die Vermehrung des rohen Materials von-
statten, und so wird auch der Gewinn des Produzenten bei
der Erzeugung dieses Materials längere Zeit dauern; aber
endlich muß auch hier die Hervorbringung mit dem Begehr
ins Gleichgewicht treten, und dann kommt zuletzt der ganze
Vorteil der Entdeckung dem Käufer oder Verbraucher der
Ware zunutzen.
In Sachsen ist durch sorgfältige Auswahl der Zuchttiere.
und vielleicht auch durch klimatische und örtliche Ein-
wirkungen, eine Schafrasse von hoher Feinheit der Wolle
entstanden, wovon in Spanien selbst nur Individuen aber
keine ganzen Stämme vorhanden sind.
Die hochfeine, sehr sanfte und geschmeidige Wolle der
sächsischen Schafe — Elektoralschafe genannt — ist im
hohen Grade zur Verfertigung der feinen Zeuge, die zur
Bekleidung der Damen dienen, geeignet; während die minder
feine, kräftige aber barsche Wolle der spanischen Schafe —
der Infantadorasse — hierzu nicht tauglich ist. Diese feineu
Zeuge, welche früher gar nicht aus Wolle verfertigt wurden, 283
vertreten und verdrängen jetzt zum Teil die seidenen und
baumwollenen Zeuge ; und so schafft sich die Elektoralwolle
selbst einen Markt, der vielleicht noch einer großen Aus-
dehnung fähig ist.
Indem nun die Elektoralwolle zu Waren verwandt wird,
die früher gar nicht existierten , kann durch die Hervor-
bringung dieser Wolle der Bedarf an anderen Wollgattungen
nicht abnehmen, und es kann deshalb die Produktion der
Wolle im ganzen beträchtlich zunehmen, ohne daß dadurch
sogleich ein Überfluß entsteht.
Vor wenigen Jahren noch war in einem großen Teil
des ösl liehen Deutschlands das reich wollige Infantadoschat"
das Ziel des Strebens, und ein Schaf von dieser Basse, was
neben einer mäßigen Feinheit der Wolle und neben dem
— 282 —
Wollreichtum noch andere wünschenswerte Qualitäten zeigte,
wurde als ein Muster, als das Ideal eines Schafes betrachtet,
und es sind sehr große Summen von den Landwirten des
nördlichen Deutschlands zur Anschaffung solcher Herden
verwandt.
Jetzt bereuen manche ihren Irrtum*), indem man nun
das Elektoralschaf mit hochfeiner Wolle als das Ideal eines
Schafes, als dasjenige, wodurch man Grund und Boden am
höchsten nutzen kann, ansieht.
Aber war denn dies wirklich ein Irrtum, gibt es hierin
etwas absolut Vollkommenes, gibt es eine Wolle, die für
alle Zeiten die gesuchteste sein wird, und von der man
sagen kann, daß die Scliafe, die diese Wolle tragen, stets
die einträglichsten sein werden ; oder ist ein solches Ideal
mit dem Fortschreiten der Schafzucht dem Wechsel unter-
worfen ?
284 Das reichwollige Infantadoschaf trägt ebeusoviele Wolle,
als das Landschaf mit grober Wolle. Der Übergang von
diesem zu jeaem, oder die Veredlung des Landschafes bis
zum Grade der Feinheit des Infantadoschafes , ist also mit
keiner Verminderung der Wollschur verbunden und bezahlt
sich hoch durch den steigenden Wert der Wolle.
Nun ist es aber wohl schon allgemein anerkannt, daß
die höchste Feinheit der Wolle nicht mit dem höchsten
Wollreichtum verträglich ist, daß von einem gewissen Punkt
an die höhere Feinheit nur auf Kosten des Wollertrages er-
reicht werden kann.
War nun vor einigen Jahren der Preis der feinen Wolle,
wie das Infantadoschaf sie trägt, 1 Tlr. pr. Pfund und
trug dieses Schaf 3 it. Wolle, so brachte jedes Schaf durch
*) Ich bitte iiieiue Leser, zu berücksichtigen, daß dies im
Jahre 1825 geschrieben ist. Seit dieser Zeit hat sich die Wage
wieder gar sehr zugunsten der mittelfeinen Schäfereien geneigt.
— 283 —
seine Wolle 3 Tlr. ein ; gab dagegen das Elektoralschaf
1^/4 it. Wolle ä 1^/2 Tlr.. so war der Wert des Vließes
2^'' 's Tlr., also -^/s Tlr. weniger als beim lufantadoschaf ; und
man hatte also Recht, das Infantadoschaf dem Elektoralschaf
vorzuziehen.
Nun ist aber aus den beiden Ursachen, 1. daß es vor-
teilhafter war, feine Wolle als hochfeine Wolle zu erzeugen;
und 2. daß durch bloße Veredlung der Landschafe schon
jene, aber nicht diese Wolle in beträchtlicher Menge her-
vorgebracht ist, die Produktion der feinen Wolle so stark
geworden, daß der Markt reichlich damit versehen und der
Preis derselben gesunken ist, während der Preis der hoch-
feinen Wolle fast unverändert geblieben. Gilt jetzt z. B,
das Pfund feine Wolle noch 36 ßl. , so trägt das Infantado-
schaf für 2Vi Tlr., das Elektoralschaf aber noch immer für
2^/s Tlr. Wolle.
Man hat also ganz recht, das Elektoralschaf jetzt dem
Infantadoschaf vorzuziehen; aber das allgemeine Streben,
Elektoral wolle zu erzeugen , wird binnen wenigen Jahren
eine so große Quantität davon hervorbringen, daß auch 285
hiermit der Markt reichlich versehen wird, und der Preis
derselben fällt — und man wird sich dann wieder ein anderes
Ziel zum Gegenstand des Strebens stecken müssen.
Mit dem Fallen des Preises der hochfeinen Wolle werden
auch die daraus verfertigten Waren im Preise fallen und
dadurch aufhören, ein Gegenstand des Luxus zu sein. Bei
der Vorliebe der Reichen, nur solche Waren zur Bekleidung
zu nehmen, die so teuer sind, daß die Minderwohlhabenden
von dem Gebrauch derselben ausgeschlossen bleiben, könnten
die feinen wollenen Zeuge, gerade durch ihre Wohlfeilheit
wieder aus der Mode kommen und die seidenen und baum-
wollenen Zeuge ihre Stelle wieder einnehmen.
Zum Glück für den Produzenten ist aber noch eine
weitere Steigerung der Wollfeinheit möglich : man findet
— 284 —
nämlich iu den hochfeinen Schäfereien einzelne Tiere von
einer noch weit hervorragenderen Wollfeinheit, die man aber
nicht zu vermehren suclit, weil sie wegen des äußerst ge-
ringen Wollertrags bis jetzt nicht einträglich sind.
Wahrscheinlich wird aber einst, wenn die hochfeine
Wolle erst in hinreichender Menge vorhanden ist, der Preis
dieser höchst feineu Wolle so sehr steigen, daß es vorteil-
haft wird, diese bis jetzt nicht beachteten Individuen her-
vorzusuchen und aus ihnen ganze Stämme zu bilden. Die
Schafe, die diese höchst feine Wolle tragen, liefern nur einen
Wollertrag von 1 bis 1^/2 U.. Die Produktionskosten der-
selben kommen also sehr hoch zu stehen , und da die Ver-
fertigung der Zeuge aus so feiner Wolle ebenfalls sehr kost-
spielig ist: so werden diese Waren so teuer sein, daß sie
stets ein Gegenstand des Luxus der Eeichen bleiben.
Yielleicht werden einst aus der Wolle Fabrikate von
ebenso ungleichem Wert wie jetzt aus dem Flachs —
286 welcher zum Material für die grobe Leinwand und auch
für die feinsten Brüsseler Spitzen dient — verfertigt
werden.
Wenn aber zuletzt auch die hüchstfeine Wolle in hin-
reichender Menge produziert wird, wenn Angebot und Be-
gehr gleich geworden, und der beharrende Zustand, wo
weder eine Einschräukung der Produktion noch eine Er-
weiterung derselben vorteilhaft ist^ eintritt — nach welchen
Gesetzen wird dann der Preis der Wolle und der Preis der
verschiedenen Wollsorten unter sich bestimmt werden?
Mit dieser Frage müssen wir eine andere, nämlich die:
„in welcher Gegend des isolierten Staates wird die W^oll-
produktion stattfinden?" verbinden.
Wenn der beharrende Zustand eingetreten ist, so finden
die Gesetze, welche wir für die Preisbestimmung anderer
Produkte entwickelt haben, auch auf die Wolle ihre volle
Anwendung.
- 285 —
Aus den im § 19 dargestellten Formeln hat sich bei
•v\-eiterer Entwicklung ergeben,
1. daß von zwei Produkten, die dem Gewicht nach
gleichen Ertrag von einer gegebenen Fläche liefern,
dasjenige, welches die meisten Produktionskosten er-
fordert, am fernsten von der Stadt erzeugt werden muß ;
2. daß bei gleichen Produktionskosten die Erzeugung des-
jenigen Produktes, welches dem Gewicht nach von
derselben Fläche den mindesten Ertrag bringt, hinter
dem anderen, d. h. ferner von der Stadt, geschehen muß.
Nun sind die Produktionskosten der Butter bei gleichem
Gewicht, z. B. einer Ladung, geringer als die der Wolle,
imd von derselben Fläche kann ungleich mehr Butter aJs
Wolle erzeugt werden. In dem isolierten Staat wird also
•die Kuherei die nähere Gegend, die Schäferei die der Stadt
fernere Gegend einnehmen.
Die feinen Schafe ti-ageu weniger Wolle als die gröberen, 287
erfordern aber kräftigeres Futter und sorgfältigere Wartung.
Da nun eine gegebene, der Schafzucht gewidmete Fläche
weniger feine als grobe Wolle liefert, und da zugleich die
nämliche Quantität feiner Wolle mehr Produktionskosten
erfordert als die grobe: so müssen auch, wenn keine
andere Umstände entgegenwirken, die feineren
Schäfereien hinter den gröberen, oder in größerer Entfernung
von der Stadt ihre Stelle finden.
Da ferner die entlegene Gegend eine geringere Land-
rente gibt als die nähere: so folgt daraus, daß die minder
feineu Schäfereien eine höhere Landreute geben, also ein-
träglicher sein werden, als die feinen Schäfereien, obgleich
der Preis der feinen Wolle, wegen der größeren Produktions-
kosten , stets höher bleiben wird , als der der gröberen
WoUe.
Ich muß hier wiederholen . daß dieser Satz auf den
Voraussetzungen :
— 286 —
1. daß alle Schafzüchter gleiche Intelligenz und Kennt-
nisse besitzen;
2. daß die feinen Schafe in solcher Menge vorhanden
sind, daß man sie ebensowohl als die groben Schafe
für die Aufzuchtkosten erkaufen kann,
beruht, und daß derselbe also da, wo diese Voraussetzungen
nicht stattfinden, auch keine Anwendung finden kann.
Wenn wir in der Wirklichkeit von diesem vorausgesetzten
Zustande auch noch sehr weit entfernt sind: so läßt sich
doch nicht leugnen, daß das Resultat der fortschreitenden
Kultur eine stete Annäherung zu demselben ist, und daß
schon in dem allgemeinen Streben nach höherer Kultur die
Tendenz liegt, im Laufe der Zeit diesen Zustand mehr und
mehr herbeizuführen.
288 In der Wirklichkeit sind wir in Hinsicht der Schäferei
noch in der Periode des Übergangs begriffen; in dem iso-
lierten Staat sehen wir dagegen diesen Übergang als vollendet
an, und betrachten nur den letzten an das Zeitmaß nicht
gebundenen Erfolg.
Ich habe oben gesagt : „wenn keine andere Umstände
entgegenwirken"; denn es könnte z. B. sein, daß das feine
Schaf in den nie umgebrochenen, steppenähnliclien Weiden
des Kreises der Yiehzucht und der D. F. W. ausartete und
wieder grobe Wolle erzeugte. In diesem Fall müßte die
Erzielung der feinen Wolle in dem entlegeneren Teile des
Kreises der Koppelwirtschaft geschehen, und der Butter-
produktion müßte soviel Land entzogen werden, als zur
Hervorbringung des Bedarfs an feiner Wolle notwendig
wäre. Die feinen Schäfereien würden dann eine höhere
Landreute gewähren, also einträglicher sein, als die groben
Schäfereien; aber immer würde in dem der Stadt zimächst
gelegenen Teil des Kreises der Koppelwirtschaft die Kuherei
vorteilhafter sein und einen höheren Ertrag gewähren, als
die feinste Schäferei.
— 287 —
Die Frage, ob Quantität und Qualität des dem Schafe
gereichten Futters uud der Weide auf die Güte und Feinheit
der Wolle einwirke, ist also, wenn wir auf den endliehen
Erfolg, den unsere Bemühungen bei der Schafzucht haben
werden, sehen, von der äußersten Wichtigkeit, Fände es
sich z. B. , daß die Produktion der Wolle von der höchsten
Qualität an gewisse Gegenden oder gar an einzelne Güter
gebunden wäre: so würden diese Gegenden oder diese Güter,
ebenso wie die Weinberge, die einen ausgezeichnet schönen
Wein liefern, stets eine hohe Rente abwerfen, weil die
Hervorbringung dieser Wollgattung dann nicht willkürlich
vermehrt werden könnte.
Obgleich unsere bisherigen Untersuchungen das Resultat 289
gegeben haben, daß, wenn einst die Seltenheit der feinen
Herden aufgehört hat, und die Wollproduktion mit dem
Bedarf ins Gleichgewicht getreten ist, die feinen Schäfereien
dann einen minderen Ertrag als die Kühe und vielleicht
einen geringeren Ertrag als die groben Schäfereien geben
werden: so darf uns dies, aus mehreren Gründen, doch
nicht von den ferneren Bestrebungen zur Veredlung und
Verbesserung unserer Herden abhalten.
a) Wenn aucli die jetzige hohe Nutzung der feinen
Schäfereien nur während der Übergangsperiode stattfindet,
und aufliört, sobald der beharrende Zustand eingetreten ist;
so erfordert doch, wie die Erfahrung bereits gelehrt hat,
dieser Übergang einen sehr langen Zeitraum. Sachsen hat
nun schon seit 60 Jahren, das übrige östliche Deutschland
seit ungefähr 30 Jahren, die Früchte dieses Übergangs ge-
nossen, und leicht möglich können noch 30 Jahre verfließen,
ehe dieser Übergang ganz vollendet ist.*) Denn einesteils
*) Diese im Jahre 1825 ausgesprochene Vermutung hat sich
nicht bestätigt. Denn wenn auch der Durchschnittspreis
der feinen und besonders der mittelfeinen Wolle in der seit diesem
— 288 —
wird mit dem Sinken der "Wollpreise der Verbrauch der
wollenen Waren noch immer zunehmen, die Nachfrage nach
feiner Wolle wird also noch wachsen und wird selbst durch
die steigende Produktion noch nicht sobald befriedigt werden ;
anderenteils wird durch die vielen Fehler, die bisher bei
den Kreuzungen der Herden gemacht sind, und die auch
290 ferner wohl nicht ausbleiben werden, die Vermehrung der
hochfeinen Schafe gar sehr verzögert.
b) Das östliche Deutschland allein kann schwerlich so
viele feine Wolle hervorbringen, daß der Preis derselben bis
zu dem natürlichen Preise herabsinkt. Dies wird vielmehr
erst dann geschehen, wenn Polen, Rußland, Ungarn, Austra-
lien usw. die feine Schafzucht im großen und mit Erfolg
betreiben. Die genannten Länder sind in dieser Beziehung
für den europäischen Markt das, was der Kreis der Viehzucht
für den isolierten Staat ist. Wäre nun die Vermutung, daß
das feine Schaf auf den Steppeuweiden und auf den be-
ständigen Weiden der Dreifelderwirtschaften ausartet, be-
gründet, so würde auch das östliche Deutschland noch lange
Zeit vorzugsweise in den Besitz der feinen Schäfereien
bleiben : denn die wirksame Verpflanzung der feinen Herden
nach jenen Ländern, wäre dann au die Ei-höhung der Kultur
des Bodens, an die Einführung der Koppelwirtschaft statt
der Dreifelderwirtschaft gebunden und könnte nur lang-
samen Schrittes vorwärts gehen. Einst, nach einem längeren
Zeitraum, werden aber unstreitig auch diese Länder höher
kultiviert sein, und dann wird dort, wo der Boden eine nocli
Zeitpiinkt verflossenen Periode noch über dein Produktionspreise
j^estanden hat: so ist doch in dtiu letzten Jahren der Preis der
feinen Wolle so tief gesunken, daß bei der Fortdauer dieses Zu-
staiides, auf dem besseren Boden — wenigstens in ]\Iecklenburg —
die KuLhaltung schon jetzt vorteilhafter wird, als die Haltung
einer feinen Schäferei.
— 289 —
geringere Landrente gibt als bei uns im östlichen Deutsch-
land, auch die feine Schafzucht einträglicher sein als hier.
Aber ehe noch, durch den allmählichen Übergang zu
diesem Zustand, die feine Wolle bis auf ihren natürlichen
Preis herabgesunken ist, wird die feine Schafzucht in den
reicheren und höher kultivierten Ländern des westlichen
Europas, namentlich in Frankreich, schon längst unvorteilhaft
geworden sein. Die Vermehrung der feinen Schafe in den
östlichen Staaten ist also mit einer Verminderung derselben
in den westlichen Ländern verbunden, wodurch die Periode
des Überganges notwendig sehr verlängert werden muß.
c) Wenn aber dies alles auch nicht wäre, wenn die 29t
Wolle auch schon jetzt zu dem Preise, den man beim völlig
freien Handel durch ganz Europa den natürlichen Preis
nennen könnte, herabgesunken wäre: so sind wir doch bei
den gegenwärtig vorherrschenden Sperrsystemen sclilechthiu
auf die Erzeugung feiner Wolle verwiesen.
Der Weltmarkt von London ist für alle unsere anderen
landwirtschaftlichen Erzeugnisse verschlossen, und bloß für
die Wolle offen. Durch diese Sperrungen sind nun alle
Bande, die die Nationen früher aneinander knüpften, zer-
rissen; keins der Gesetze, wodurch beim freien Handel der
Preis des Getreides bestimmt wird, kann wirksam werden;
jeder Staat will für sich ein isolierter Staat sein.
Die westlichen Staaten haben durch die Sperrung einen
unnatürlichen hohen Getreidepreis erzwungen, während dieser
in den östlichen sonst kornausführenden Ländern unnatürlich
niedrig geworden ist. Der Weltmarkt von London , der
früher den Preis aller unserer landwirtschaftlichen Erzeug-
nisse regulierte, bestimmt jetzt nicht mehr den Preis unseres
Getreides, aber noch den der Wolle. Der Weizen gilt jetzt
in London das Dreifache von dem, was er in den Häfen der
Ostsee gilt, der Preis der Wolle ist in London nur um den
Betrag der Transportkosten höher als bei uns, und während
Thünen, Der isolierte Staat. 19
— 290 —
der Preis des Getreides, des Fleisches, der Butter usw. bei
uns bis zum Unwert gesunken ist, ist der Preis der Wolle
geblieben, wie ihn der freie Welthandel reguliert.
Dies ist nun der eigentliche Grund, warum dje Schaf-
zucht so außer allem Yerhältnis bei uns einträglicher ist,
als die Rindviehzucht und Pferdezucht. Wir werden dadurch
nicht bloß aufgefordert, sondern gezwungen, unsere ganze
Kraft und Aufmerksamkeit auf die Schafzucht zu richten.
2;)2 Auch beim völlig freien Handel gilt wegen der bedeu-
tenden Transportkosten der Weizen in den Häfen der Ostsee
nur 2/3, höchstens -Vi des Londoner Marktjsreises. Für den
englischen Landwirt ist dadurch der Kornbau, auch ohne
alle weitere Begünstigung, gar viel vorteilhafter als für
uns, und der Kornbau muß in England eine hohe Landrente
gewähren. Dieses Übergewicht des englischen Landbaues
wird dagegen bei der AVoll Produktion höchst unbedeutend:
denn die rohe Einnahme von der Scliäferei — insofern
diese aus der Wolle erfolgt — ist in England nur soviel
höher, als der Traiis]3ort der Wolle nach dem Londoner
Markt weniger kostet. Wir können also eine Weidefläche
oder eine gegebene Quantität Futter durch Schäferei fast
eben so hoch nutzen wie die Engländer. Der Eeinertrag ist
aber bei uns aus eben den Gründen, warum in dem isolierten
Staat die Landrente aus der Yiehzucht in der Nähe der
Stadt negativ, in der größeren Entfernung positiv ist, bei
nns sehr viel höher, und die Engländer werden also beim
freien Handel nie die Konkurrenz mit uns aushalten können.
Je größer die Differenz in den Kornpreisen wird , um i^<'>
größer wird der Verlust, den die Schafzucht, insofern diese
auf Wollproduktion gerichtet ist, in England bringt, um so
höher der Gewinn, den sie hier gibt, und so muß unfehlbar
das Sperrsysteni und die dadurch bewirkte künstliche Teurunu-
des Getreides, das Sinken der Schafzucht in England uml
das Emporblühen derselben bei uns zur Folge haben.
— 291 —
d) Die liühere Schafzucht erhält dadurch noch einen
besonderen Reiz, daß die Regeln, wonach hier verfalrren
werden muß, nicht so klar vorliegen, wie bei anderen Kultur-
zweigeu der LandAvirtschaft, und zum Teil selbst noch un-
erforscht sind. So wie der Ertrag, den die Schäferei liefert. 29;}
von der Güte der Herde abhängt, so hängt wiederum die
Erhaltung und weitere Veredlung der Herde von der Per-
sönlichkeit des Landwirtes, von seiner Aufmerksamkeit imd
seiner mehr oder minder richtigen Ansicht ab. Nun ist es
aber sehr zu bezweifeln, ob die Kenntnisse, welche zur
höheren Veredlung einer Herde gehören, jemals ein Gemein-
gut werden können, und ob die mechanische Erlernung von
Regeln oder die Nachahmung eines Vorbildes hier jemals
ausreichen wird. Reicht dies aber nicht zu, so wird auch
der Ertrag der vorzüglichsten Schäfereien niemals ganz zur
Landrente übergehen, sondern ein Teil desselben wird Lohn
der richtigeren und tieferen Einsicht bleiben. -
§ 31.
Anbau der Handelsgewächse.
Wir haben, wie schon früher angeführt ist, angenommen,
daß der Acker jedes Gutes in zwei Abteilungen geteilt .sei.
wovon die erstere, größere Abteihmg sich in und durch sich
selbst in gleicher Kraft erhält, die zweite Abteilung aber den
Dung aus den Wiesen bekommt und in der Bewirtschaftungs-
art anderen Regeln folgt als die erste.
In dem ersten Abschnitt dieser Schrift, wo von der
Gestaltung des isolierten Staates die Rede war, und wo wir
die verschiedenen Wirtschaftssysteme in ihrer reinen, ein-
fachen Form betrachteten, durften wir nur die erste Ab-
19*
— 292 —
teilung des Ackers iu Betracht ziehen imd kouuten des
Anbaues der Handelsgewäclise gar nicht erwähnen.
Nun ist es aber mit unseren übrigen Annahmen voll-
kommen verträglich, wenn wir uns denken, daß der Anbau
der Handelsgewächse in der zweiten Abteilung stattfindet, und
wir müssen jetzt untersuchen, in welcher Gegend des isolierten
Staates die Kultur der verschiedenen Arten von Handels-
gewächsen, deren die Stadt bedarf, betrieben Averden wird.
294 Im § 19 ist der Satz, daß, bei gleichen Produk-
tionskosten, dasjenige Gewächs, auf welches
eine größere Landrente fällt, ferner von der
Stadt gebaut werden muß, ausgesprochen. Bei der
Anwendung dieses Satzes auf bestimmte Gewächse muß nun
die Frage : „wie für ein gegebenes Gewächs die auf dasselbe
fallende Landrente ausgemittelt werden könne" zur Sprache
kommen.
In der 7 schlägigen Koppelwirtschaft muß jeder Ge-
treideschlag mit einem Weideschlag verbunden sein, um die
durch den Getreidiebau bewirkte Aussaugung zu ersetzen.
Nehmen wir nun — um die Frage zu vereinfachen — vor-
läufig an , daß hier von derjenigen Gegend , wo die Vieh-
haltung, also auch der Weideschlag, gar keine Landrente,
aber auch keinen Verlust bringt, die Rede sei: so muß der
Getreideschlag die Landrente von 2 Schlägen tragen , oder
auf den Getreideschlag fällt die doppelte Landrente von dem,
was dieser der Fläche nach tragen würde.
Vergleicht man nun mit dem Getreide ein Gewächs, das
den Boden noch stärker erschöpft, z. B. zwei Weideschläge
statt eines zum Ersatz der bewirkten Aussaugung bedarf,
so wird diesem Gewächs die dreifache Landrente von der-
jenigen Fläche, wo dasselbe gebaut ist, zur Last fallen. Bei
gleichem Ertrage, dem Gewicht nach, wird also stets das-
jenige Gewächs, welches die größte Aussaugung bewirkt, auch
die größte Landrente zu tragen haben , und dem oben er-
— 293 —
wähnten Gesetz zufolge wird also das den Boden am meisten
erschöpfende Gewächs am fernsten von der Stadt erzeugt
werden müssen.
Findet dies aber schon dann statt, wenn die Landrente
der Weideschläge = 0 ist; so muß dies noch um so mehr
der Fall sein, wenn die Weideschläge in der Nähe der Stadt
eine negative, in größerer Entfernung aber eine positive Land- 2i)5
rente geben : denn das stärker erschöpfende Gewächs, in der
Nähe der Stadt gebaut, muß dann nicht bloß die dreifache
Landrente von der Fläche, auf w^elcher es erzeugt wird,
tragen, sondern auch noch den Verlust, den die zwei mit
demselben verbundenen Weideschläge bringen, mit über-
nehmen; während für dasselbe Gewächs, in größerer Ent-
fernung von der Stadt gebaut, von der dreifachen Landrente
der Ertrag, den die beiden Weideschläge geben, wieder in
Abzug kommt.
In Verbindung mit den im § 19 aufgestellten Gesetzen
gehen hieraus, für die Bestimmung der Reihenfolge, in
welcher die verschiedenen Handelsgewächse nacheinander
gebaut werden müssen, folgende Sätze hervor:
1. bei gleichen Produktionskosten und demselben Ertrag,
dem Gewicht nach, muß dasjenige Gewächs, welches
den Boden am stärksten erschöpft, am fernsten von
der Stadt gebaut werden;
2. bei gleichem Ertrage und gleicher Aussaugung wird
dasjenige Gewächs, welches die meisten Produktions-
kosten erfordert, in der entlegeneren Gegend erzeugt;
3. bei gleicher Aussaugung und gleichen Produktionskosten
muß das Gewächs, was von einer gegebenen Flüche
den kleinsten Ertrag, dem Gewicht nach, liefert, in der
größeren Entfernung von der Stadt erzielt werden.
Wir kommen jetzt zu der Anwendung dieser Sätze auf
einzelne Handelsgewächse. Über den Grad der Aussaugung
der meisten dieser Gewächse herrscht aber unter den Land-
— 294 —
Wirten eine solche Meinungsverschiedenheit, daß es fast
scheint, als sei die Erfahrung von Jahrtausenden, während
welcher die Landwirtschaft schon betriehen ist, rein ver-
loren gegangen. Unter diesen Umständen darf man auch
die Zahlen, wodurch ich in dem Folgenden den Grad der
29B Aiissaugung der Handelsgewächse bezeichne, nur wie Zahlen,
womit man eine Buchstabenformel zu erläutern pflegt, an-
sehen: jedoch muß ich hinzufügen, daß ich sie durch keine
richtigeren zu ersetzen weiß.
1. Raps.
In früherer Zeit hielt man in Mecklenburg den Kaps
für sehr aussaugend, und ich habe auch in der ersten Auflage
dieser Schrift, der Autorität v. Thaer und v. Voght folgend,
die Aussaugung desselben hoch angenommen. Auch habe ich
damals den Ertrag des Rapses viel zu hoch angeschlagen,
indem ich bei unzulänglichen eigenen Erfahrungen, die Data,
welche mir ein benachbartes Gut darbot, wo der Rapsbau
im kleinen auf sehr fruchtbarem Boden mit ausgezeichnetem
Erfolge betrieben wurde, meinen Ansätzen zu gründe legte.
Seit jener Zeit hat sich aber in Mecklenburg der Raps-
bau fast auf allen Gütern mit besserem Boden verbreitet, und
ist auf einzelnen Gütern bis zur Besamung eines ganzen-
Schlages ausgedehnt. Ich kann deshalb jetzt neben meinen
eigenen längeren Erfahrungen auch die auf anderen Gütern
geraachten Beobachtungen benutzen und der folgenden üntej-
suchung zu gründe legen.
Der Rapsbau ist in Mecklenburg für viele Landwirlo
die Quelle des Wohlstandes und in Verbindung mit dem
Mergeln ein Hebel zur Steigerung der Pacht- und Kauf-
preise der Güter geworden. Da nun der Rapsbau in Ländern,
Avo derselbe noch nicht eingeführt ist, künftig Ahnliches
leisten kann, so glaube ich mich über diesen Gegenstand
hier ausführlich verbreiten zu dürfen.
— 295 —
Aussaugung des Rapses.
Es gibt in Mecklenburg ein Gut (Bülow), wo bei einer
den Acker nicht schonenden Fruchtfolge der Rapsbau auf
ganzen Schlägen seit ungefähr 30 Jahren betrieben ist — 297
und dieses Gut ist in der Kultur nicht zurückgegangen,
sondern fortgeschritten. Dies Faktum allein ist jedoch für die
geringe Aussaugung des Rapses nicht entscheidend; denn
dieses Gut hat eine sehr bedeutende Heuwerbung und be-
sitzt vorzügliche Moder, welche in großen Quantitäten auf
den Acker gebracht ist.
Der selige Domänenrat Pogge zu Roggow — welcher,
um nach dem hinten im Felde gesäten Raps zu gelangen,
mitten durch den vorderen gleichmäßig gedüngten Acker
einen Streifen mit Raps, das übrige Land aber mit Roggen
besäte — fand, daß der Hafer in der dritten Saat auf dem
Streifen, der Raps getragen hatte, besser stand, als da, wo
in der ersten Saat Roggen gewesen war. Sein Sohn, Herr
J. Pogge, jetzt auf Roggow — zu dessen Umsicht und Ge-
nauigkeit im Experimentieren ich das vollste Vertrauen habe
— stellte zur Ermittlung der Aussaugung des Rapses einen
eigenen Versuch an und fand, daß der Hafer, dem erstens
Raps, zweitens Weizen vorangegangen war, einen größeren
Ertrag gab als der Hafer, welcher bei sonst gleicher Be-
handlung nach Weizen in der ersten und Gerste in der
zweiten Saat folgte.
Abgesehen von diesen einzelnen Beobachtungen zeigte es
sich im allgemeinen bei der ersten Einführung des Raps-
baues, daß der Weizen nach Raps fast eben so üppig wuchs
als nach reiner Brache, und die Aussaugung des Rapses
schien durch die im Acker zurückbleibenden Wurzeln und
Stoppeln und durch die im Herbst abfallenden Blätter dieser
Pflanze größtenteils gedeckt zu werden. Indessen habe ich,
so wie mehrere andere Landwirte, bemerkt, daß bei der
— 296 —
Wiederkehr des Rapses auf derselben Stelle der nach dem-
selben folgende Weizen gegen den Brachweizen weit mehr
298 zurücksteht als in der ersten Rotation, und daß jener stehen
bleibt, wenn dieser sich lagert. Es scheint hiernach, als
wenn der Raps einen eigentümlichen Stoff — vielleicht
Kali — vorzugsweise zu seiner Nahrung auswählt, Avenn
derselbe in hinreichender Menge vorhanden ist; dann aber,
wenn der angehäufte Vorrat von diesem Stoff konsumiert
ist, die anderen Bestandteile des Dunges sich mehr aneignet.
Aus der Summe der mir bis jetzt vorliegenden Er-
falirungen und Beobachtungen glaube ich nun mit einiger
Wahrscheinlichkeit folgern zu dürfen, daß die Aussaugung
des Rapses, wenn derselbe nicht öfter als alle 12 — 14 Jahre
auf derselben Stelle wiedei'kehrt , sich zu der Aussaugung
des Roggens wie 2 zu 3 verhält — daß also ein Schlag Raps
-'3 soviel Dung konsumiert, als ein Sclilag Roggen auf Boden
von gleichem Reichtum.
Ertrag des Rapses.
In dem Zeitraum von 1830 — 40, wo der Rapsbau zu
T. zwai" nicht im großen, aber doch in größerer Ausdehnung
als früher betrieben ist, betrug der Durchschnittsertrag des
Rapses 7, 10 Berliner Scheffel von 100 DR.
Die Ertragsfähigkeit des Bodens, auf welchem der Ra])s
gebaut ist, schätze ich für den Roggen (abgesehen davon,
daß diese Frucht sich bei einem solchen Bodenreichtum
lagern würde) auf 12 Schfl. pr. 100 DR.
Die Notizen, welche ich von anderen Gütern über den
Durchschnittsertrag des Rapses auf ähnlichem Boden erhalten
habe, stimmen hiermit ziemlich überein, und im all-
gemeinen nehme ich an, daß der Durchschnittsertrag des
Rapses sich dem Maße nach zu dem des Roggens wie 6:10
verhält, welches auf Boden von 12 Schfl. Roggenertrag 12 X '' 10
1= 7,2 Schfl. Raps pr. 100 DR. beträgt.
— 297 —
Der Rapsertrag pr, 100 Dß. war in den früheren Jahren 299
bedeutend größer als jetzt und betrug in dem Zeitraum von
1820—30 zu T. 9,72 Schfl. Diese Abnahme des Ertrages
rührt zum Teil daher, daß bei dem Anbau im kleinen der
Acker für den Raps noch sorgfältige]- ausgewählt werden
konnte; hauptsächlich aber entspringt diese Abnahme aus
der ungeheuren Vermehrung der Todfeinde des Rapses —
der Glanz- und Rüsselkäfer, wovon jene die Blüten verzehren,
diese die Schoten anbohren. Diese Käfer waren bei der
ersten Einführung des Rapsbaues in so geringer Menge vor-
handen, daß sie kaum bemerkt wurden ; mit der Ausbreitung
des Rapsbaues hat aber ihre Yermehrüng so zugenommen
und ihre Yerheerungen sind in den drei letzten Jahren so
arg geworden, daß die Rapsfelder zum Teil umgehaekt
werden mußten.
Es findet ferner eine Abnahme des Ertrages des Rapses
statt, wenn derselbe in der zweiten Rotation auf derselben
Stelle gebaut wird, wo er in der ersten Rotation gestanden
hat, und dies zeigt sich auch dann, wenn der Boden noch
denselben Reichtum und für andere Früchte dieselbe Er-
tragsfähigkeit wie im ersten Umlauf besitzt. Dies wird zwar
nicht von allen Landwirten zugestanden, und es gibt auch
Bodenarten, wo diese Abnahme langsamer erfolgt und erst
später bemerkbar wird, auch kann derselbe durch Auffahren
gewisser Moderarten entgegen gewirkt werden: aber der
obige Satz, der sich auf die Beobachtungen im allgemeinen
und auf die Erfahrungen in den Menschen, wo der Rapsbau
seit Jahrhunderten heimisch ist, stützt, wird dadurch nicht
entkräftet.
Beträgt nun, unserer obigen Annahme gemäß, die Aus-
saugung einer Rapsernte -/s von dem, was eine Roggenernte
diesem Boden entnehmen würde, so erschöpft eine Rapsernte
von 7,2 Schfl. den Boden um 12^ X -/s = 8"; die auf einen 300
geernteten Scheffel Raps fallende Aussaugung beträgt also l.ii".
298
Berechnung der Landrente, welche dem Raps
zur Last fällt.
Die Roggenernte von 12 Scheffeln kostet dem Boden
12^, die Rapsernte von 7.2 Scheffeln entnimmt dem Boden
80 Reichtum.
Der Roggen liefert 12 X 190 = 228(i //. Stroh, woraus
2280
-qjrr = 2,62 Fuder Dung erfolgen, die auf einem Boden von
3,-'0 Qualität 2,r,2 X 3,.' = 8,3^o Reichtum ersetzen. Nach
Abzug dieses Ersatzes bleibt für den Roggen eine Erschöpfung
von 12« — 8,38» = 3,02«.
Den Strohgewinn des Rapses habe ich bei einer mitt-
leren Ernte im Jahre 1838 zu 1200 f^f. pr. 100 GRuten
1200
geschätzt. Daa'aus erfolgen ^- . = 1,3> Fuder Dung und
1,38 X 3,2 = 4,42^ Reichtum. Den Ersatz aus dem Stroh
abgezogen, bleibt die Aussaugung 8*^' — 4,42*^ = 3,3-°.
Obgleich der Raps den Boden bedeutend weniger er-
schöpft als der Roggen, so bedarf derselbe des geringeren
Strohgewinns wegen doch fast genau denselben Dungzuschuß
wie der Roggen — und wenn ein Roggenschlag zur Deckung
der Aussangung des Ersatzes, den ein Weideschlag gewährt,
bedarf: so muß ein Rapsschlag ebenfalls mit einem Weide-
ächlage verbunden sein, um das Gleichgewicht im Boden-
reichtum zu erhalten.
Auf den Rapsschlag fällt also auch dieselbe Landrente,
wie auf den Roggen schlag.
Yerteilt man aber, wie dies die nachfolgende Berech-
nung fordert, die Landrente auf die geerntete Scheffelzahl:
so müssen 7,2 Schfl, Raps soviele Landrente als 12 Seht).
301 Roggen , 1 Schfl. Raps also l^/a mal soviel als 1 Schfl.
Roggen tragen.
— 299 —
Produktionskosten des Rapses imYergleichmit
denen des Roggens.
a) Roggen.
Ein Schlag von 10000 DR. nnd 1200 Schfl. Ertrag ei>
fordert :
Tlr. N% Tlr. N«/,
Bestellungskosten 274,5 . —
Einsaat 145,7 . —
Erntekosten inkl. des Dreschens ... — . 190,s
Dungfnhren zum Ersatz der Aussaugung — . 70,s
Allgemeine Kulturkosten 2fi,(; '^'o vom
Rohertrag — .382
420,2 . 64.3,1 •
1063,3.
Für 1200 Schfl, betragen demnach die Produktionskosten
1063,3 Tlr.
Dies macht für 1 Schfl. Roggen 0,sm; Tlr. N-/.;.
b) Raps.
Für einen Schlag von 10 000 DR. nnd 720 Scheffel
Ertrag betragen:
Tlr. N'^3 Tlr. N^,
die Bestellungskosten 274,:. Tlr. X 1 Vs^ = 308,s . —
die Einsaat. . : . 1.5,n . — ■ '
lie Erntekosten — . 206,t> '
die Dungfuhren 70,n X - 3 = . . . . — . 47,-' '
ilie allgemeinen Kulturkosten .... — . 325,3 ■
323.- . 579,4 ''
Die Produktionskosten von 720 Schfl. betragen 903,-'.
Dies macht für 1 Schfl. Raps 1,25 r Tlr. Wlo. , , ,
Zwischen den Produktionskosten des Roggensimd de^302
Rapses findet also das Verhältnis von 0,is8r, : 1,254 = 100 : 141,1
statt.
— 300 —
Erklärungen zu vorstehender Berechnung.
Die Bearbeitung der Brache zum Raps muß sorgfältiger
sein, in kürzerer Zeit beschafft werden, und teilweise ist
eine Fahre mehr erforderlich als zum Roggen ; auch fällt die
Saatbestellung des Eapses mit den dringenden Geschäften
der Kornernte zusammen. Aus diesen Gründen habe ich die
Kosten der Brachbearbeitung zum Raps um ^Is höher als
zum Roggen angenommen.
Die Erntekosten des Rapses sind liier so angesetzt, wie
meine Berechnung für das Jahr 1S38, wo der f^aps zu
Tellow eine Mittelernte lieferte, sie ergeben hat.
Wenn der Durchschnittspreis des Rapses, wie ich an-
nehme, l-Zsmal so hoch ist als der des Roggens: so ist der
Wert der Rapsernte dem der Roggenerntc gleich. Die all-
gemeinen Kulturkosten stehen im Verhältnis mit dem Roh-
ertrage, und es würden hiernach dem Rapsschlage eben so
wie dem Roggenschlage 382 Tlr. dafür anzurechnen sein.
Da aber der Raps keinen Scheunenraum erfordert, so geht
das, was dem Roggen dafür angerechnet ist, mit ö6,: Tlr.
davon ab, und es bleiben alsdann 325,.i Tlr.
Transportkosten des Rapses.
Der Raps hat pr. Scheftel beinahe dasselbe Gewicht
wie der Roggen, und in dieser Beziehung könnten auch die
Transportkosten für beide Früchte gleich hoch gerechnet
werden. Da aber der Raps nicht wie der Roggen im Winter,
sondern gewöhnlieh gleich nach der Rapsernte — also zu
einer Zeit, wo die Geschäfte dringend sind, und die Ab-
wesenheit der Pferde vom Gut häufig mit Versäumnis anderer
303 wichtiger Arbeiten verbunden ist — verfahren wird: so
schlage ich die Transportkosten desselben 20 % höher an, als
die des Roggens."^)
*) Der Gebraiu'li, (U-n Kaps gleich nach ilt-r Krnte desselben
— 301 —
1q welchem Verhältnis stehen die Preise, zu denen
der Raps aus den verschiedeneu Gegenden des
isolierten Staates nach der Stadt geliefert werden
kann, und in welcher Gegend gewährt der Rapsbau
den höchsten Reinertrag?
Xachdem wir das Verhältnis, was zwischen Raps und
Koggen in bezug auf Produktionskosten, Landrente und
Transportkosten stattfindet, ermittelt haben, sind wir durch
die im § 17 dargestellte Formel für die Kosten, zu welchen
der Roggen aus jeder Gegend des isolierten Staates nach
dei Stadt geliefert werden kann, in den Stand gesetzt, die
vorliegende Aufgabe zu lösen.
Für eine Ladung von 28,(; Scheffel Raps betragen, in
der Entfernung von x Meilen von der Stadt,
die Produktionskosten
5975 — 93,2 X _ 8449 — 131,sx
182-1- X ^ -^''^' ~ 182 -{- X
die Landrente
1838 — 64,2 X , _ 3063 — 107 x
182 -I- X ^ ^^ ~ 182 + X
die Transportkosten
199,3 x_ _ J39,ix
182 -|- X ^ '■ ~ 182 -}- X
^ , .. , 11512 + 0,GX
Summe der Kosten — :r7T^ — J —
182 -f- X
zu verkaufen uud zu verfahren , scheint zwar mit dem ßapsbau
nicht notwendig- verbunden zu sein; ich habe aber in einer auf
der Wirklichkeit beruhenden Berechnung mir in einzelnen Punkten
ieine abweichenden Annahmen erlauben wollen.
— 302 —
den Preis . c- v, t. i
304 . Dies gibt einer Laduii- ^i"esbcheüel<
Tlr. Gold Tlr. Gold
für X r= 0 Meilen 63,;3 — — 2,2i
■ X =±= 10 „ 60,0 — — 2,1*.
X = 20 „ 57,0 — — 2,00
X = 30 „ ...... 54,1 — — 1,90 *)
Bei dem Preise des Eoggens von 1,:. Tlr. pr. Sohtl.
kann also der Schfl. Raps aus der 30 Meilen entfernten
Gegend zu 1,-;» Tlr. , aus der Nähe der Stadt aber nur zu
2,21 Tlr. G. geliefert werden.
Da die entfernte Gegend den Bedarf der Stadt an Raps
befriedigen kann, so muß der Preis desselben auch bis zu
1,'j Tlr. heruntergehen. Alsdann ist aber der Rapsbau in
der Nähe der Stadt mit Verlust verbunden und muß hier
folglich aufgegeben werden.
Für die Wirklichkeit folgt hieraus: daß beim freien
Handel, die reicheren Staaten im Rapsbau — bei gleichem
Bodenreichtum — die Konkurrenz mit den ärmeren nicht
aushalten können, und daß der Rapsbau den Ländern mit
niedrigen Getreidepreisen und geringer Landrente angehört,
und daselbst einträglicher ist als der Getreidebau.
Der Rapsbau gehört also nicht in England zu Hause.
und auch nicht auf dem H ü h e b o d e u in Belgien und
305 Holland,**) während in den dortigen Marschen der Vorzuo.
*) Wenn die Trausportkosten des ßapses nicht höher an-
jj;enommen werden als die des Roggens, so ist der Lieferungsprei<
,,.. . , ,. 11512 : 39.3 X
tiir eine Laduuff = — — ttt^ — : :
^ 182 -}- X -
„ x = 0 o-ibt dies 68.3 Tlr.
., X = 10 „ „ ÖS^o „
.. X = 20 ,, ., 53„ „
., X = 30 „ ., 48,s .,
**) Da der Bedarf au Kaps durch die Produktion der Länder
mit niedriger Landrente bis jetzt noch nicht befriedigt wird, m.i
— 303 —
den der Boden durch seinen außerordentlichen Reichtum
dem Rapsbau gewährt, die hier in Betracht gezogenen Nach-
teile überwiegt.
Wenn wir nun gleich das Resultat erhalten haben, daß
in den Ländern, wo Boden und Getreide einen geringen
Wert haben , der Rapsbau einträglicher sein muß als der
Geti'eidebau , so ist dies doch an die Bedingung geknüpft,
daß der Boden reich genug sei, um üppigen Raps hervor-
bringen zu können. Denn die Erfahrung lehrt, daß der
Raps auf armem Boden den nachteiligen Einflüssen der
Witterung und selbst den Verheerungen der Käfer weit
weniger widersteht als auf reichem Boden beim üppigen
Wachstum der Pflanzen. Wenn der Raps auf reichem
Boden 'Vio des Roggenertrages gibt, so wird er auf armem
Boden kaum die Hälfte dessen, was der Roggen bringt,
tragen — und damit hört der Raps auf, eine einträgliche
Frucht zu sein.
Da die Data, worauf die obige Rechnung basiert ist,
aus der Wirklichkeit genommen sind, so scheint es, als müsse
sich auch aus der Vergleichung des gefundenen Produktions-
preises mit dem wirklich bestehenden Durchschnittspreise
des Rapses unmittelbar ergeben, ob der Rapsbau hier vor-
teilhaft sei oder nicht.
Ein Hauptmoment zur Lösung dieser Frage liefert die
obige Rechnung allerdings ; aber zur Entscheidung der Frage,
wie sie hier gestellt ist, gehört doch noch die Berücksichtigung 306
folgender Momente:
1. Bei der Untersuchung über den Bau der Handels-
gewächse haben wir in dem isolierten Staat einen
steht der Preis des Rapses so hoch, daß auch die reichen Länder
mit hoher Laudrente denselben noch mit Vorteil erzeugen können
— und hieraus erklärt es sich, warum in den Ländern mit ge-
ringerem Bodenwert der Eapsbau so gewinnbringend sein kann.
— 304 —
Standpunkt, wo die Landrente aus der Viehzucht
gleich Null ist, zu gründe gelegt. Es ist deshalb
auch in obiger Berechnung vom Stroh nur der Dung-
wert, nicht aber der Futterwert in Anschlag gebracht.
In der Wirklichkeit muß aber der Futterwert des
Strohes, sowolü vom Raps als vom Roggen, dem
AVert der Körner liinzugerechnet werden.
2. Der Raps wintert in einzelnen Jalu-en aus oder wird
auch von den Kälern so selu- beschädigt, daß er um-
gebrochen werden muß. Die zu substituierende Frucht
liefert fast nie den Ertrag, den der Raps bei einer
Mittelernte gegeben hätte, und verursacht außerdem
die Kosten einer zweiten Bearbeitung und Besamung,
lu dem isolierten Staat, wo bei der angenommenen
Gleichheit des Bodens und des Klimas dieser Zuwachs
an Produktionskosten alle Felder auf gleiche Weise
trifft, und wo schon aus dem Verhältnis der
Preise, zu welchen der Raps geliefert werden kann,
hervorgeht, in welcher Gegend der Rapsbau vorteil-
haft ist, konnte dieser Punkt unberücksichtigt bleiben.
Wenn aber, wie hier, der Preis des Rapses als gegeben
betrachtet wird, und aus der Vergleichung desselben
mit dem Produktionspreis die Vorteilhaftigkeit des
Rapsbaues ermessen werden soll, muß dies Moment
mit in Betracht gezogen werden.
3. Der Raps ist eine vortreffliche Vorfrucht für den
Weizen, und es wird deshalb dm'ch seine Aufnahme
in die Fruchtfolge keine Wintersaat, sondern nur eine
minder einträgliche Sommersaat verdrängt — was auf
307 den Reinertrag der Wirtschaft nur günstig wirken
kann. Die Größe dieses Vorteils kann aber nur
aus der durchgeführten Berecluiung des Reinertrages
beider Fruchtfolgen — mit und ohne Raps — erkannt
werden.
— 305 —
Diese drei Punkte lassen sich schwerlich in einer all-
gemeingültigen Formel aufnehmen imd darstellen, und jeder
wird sie nach seiner Örtlichkeit und seinen Verhältnissen
zu lösen suchen müssen.
Auf die Entscheidung der Frage: „ob in einem Lande
der Rapsbau vorteilhaft sei, oder nicht", übt die kleine In-
sektenwelt einen merkwürdigen Einfluß aus.
Der Schaden, den die Käfer dem Eaps jetzt in Mecklen-
burg zufügen, ist so bedeutend, daß dadurch der Durch-
schnittsertrag des Rapses mindestens um 20 ^'/o gegen früher
gesunken ist, und daß wir, wenn diese Käfer nicht vor-
handen wären, auf einen Mittelertrag von 9 Schfl. statt
7,2 Schfl. pr. 100 DR. rechnen könnten.
Die Differenz im Kornertrage von 7,2 und 9 Schfl. macht
im reinen Geldertrag einen enormen Unterschied und be-
wirkt, daß andere Provinzen, in welchen die Kapskäfer noch
nicht in Menge vorhanden sind, den Raps mit viel größerem
Vorteil erzeugen können als Mecklenburg, selbst dann, wenn
sie sich durch ihre sonstigen Verhältnisse weniger zum
Rapsbau eignen sollten.
Die Natur selbst scheint dadurch, daß sie den Käfern
eine weit stärkere Vermehrung gestattet, als der Erweiterung
der Rapsfelder entspricht, den Raps zur Wanderpflanze be-
stimmt zu haben.
Gehörten alle Provinzen, südlich des baltischen Meeres, 308
einem einzigen Gutsherrn, so würde dieser es seinem In-
teresse gemäß finden, mit dem Rapsbau zu wechseln; er
würde den Rapsbau in einer Provinz aufgeben, sobald die
verheerenden Käfer sich bedeutend vermehrt haben, denselben
nach einer anderen entfernten Provinz verpflanzen, und erst
dann mit dem Rapsbau nach der ersteren zurückkehren,
wenn die Käfer aus Mangel an Nahrung umgekommen sind.
Was hier dem einzelnen großen Gutsbesitzer vorteilhaft
Tljünen, Der isolierte Staat. 20
— 306 —
wäre, würde jetzt auch der Gesamtheit der Grundbesitzer
nützlich sein ; da aber bei der Zersplitterung des Eigentums
und bei dem Mangel an Einheit des Willens eine solche
Operation nicht ausgeführt werden , und die Gesetzgebung,
ohne Verletzung des Eigentumsrechts, nicht einschreiten
kann: so bleibt das Übel zum großen Nachteil des Ganzen
ein dauerndes.
Für die einzelnen Landwirte, die in einer Provinz
wohnen, wo der Rapsbau noch nicht heimisch ist, der Boden
sich aber dazu eignet, liegt hierin die wichtige Lehre:
bei der Einführung des Rapsbaues denselben sogleich
im großen zu betreiben, ihn aber — wenigstens für
längere Zeit — ganz wieder aufzugeben, wenn aller,
für den Raps geeignete Boden diese Frucht einmal
getragen hat.
Außer in den Niederungen -w-ird aber das Mergeln dem
Rapsbau fast überall vorangehen müssen, wenn der Raps
gedeihen und einträglich sein soll.
Gibt nun der Gewinn, den der Rapsbau verspricht, den
Antrieb zum Mergeln, so wird auch in den minder kultivierten
Ländero des östlichen Europas mit der Wanderung des Rapses
sich gleichzeitig Wohlstand und höhere Kultur, und zwar
bei konsequentem Verfahren nicht yorübergehend, sondern
dauernd verbreiten.
309 Obgleich bei dem Anbau des Rapses im großen, d.i.
auf einem großen Teil der Gutsfläche, die Produktionskosten
des Rapses — wegen Zuziehung fremder Arbeiter, oder
wegen Versäumnis anderer wichtiger Arbeiten zur Zeit der
Rapsernte — höher zu stehen kommen als beim Anbau im
kleinen, und auch der Ertrag sinkt, weil dann minder aus-
gewählter Acker mitbesät werden muß: so ist doch der Vor-
teil, Raps auf Acker zu bauen, der diese Frucht nie getragen
hat und zugleich dem Käferfraß ausgesetzt ist, so bedeutend,
daß jene Nachteile dadurch gar sehr überwogen werden.
— 307 —
In Mecklenburg sind einige intelligente Landwirte nach
diesem Prinzip verfahren, haben ganze Schläge mit Raps
bestellt, enorme Einnahmen davon gehabt imd große Summen
dadurch gewonnen.
Wenn aber, nachdem alle günstigen Umstände, die allein
den Anbau des Rapses im großen rechtfertigen und vor-
teilhaft machen können, verschwunden sind, der Rapsbau
nicht eingeschränkt, sondern fortwährend in gleicher Aus-
dehnung betrieben wird: so müssen die durch die ersten
energischen Maßregeln gewonnenen Summen sukzessive wieder
Terloreu gehen.
2. Tabak.
Der Tabak mag in Hinsicht der Aussaugung dem Roggen
ungefähr gleichkommen, wenn von dem Tabak die Strünke,
Tou dem Roggen das Stroh dem Acker zurückgegeben wird.
Auch in Hinsicht des Ertrages dem Gewichte nach wird
zwischen beiden Gewächsen kein bedeutender Unterschied
stattfinden. Die Produktionskosten des Tabaks sind aber
ohne Vergleich höher, und aus diesem Grunde muß die Er-
zeugung des Tabaks hinter der des Getreides, oder in dem
Xreise der Viehzucht geschehen.
3. Zichorien. 310
Die Produktionskosten und die Aussaugung dieses Ge-
Avächses sind mir nicht bekannt ; der Ertrag an AVurzeln ist
-aber dem Gewicht nach so groß, daß auf jede Ladung nur
eine gringe Landrente fällt und wahrscheinlich auch nur
geringe Produktionskosten kommen; die Erzeugung dieses
Gewächses geschieht deshalb in der Nähe der Stadt.
4. Kleesamen.
Die Produktionskosten des Kleesamens sind, da das
Abdreschen und Enthülsen des Samens viel Arbeit kostet,
nicht unbedeutend. Die Aussaugung, die der Samenklee
20*
— 308 —
bewirkt, scheint mir nicht beträchtlich zu sein, und wird
durch den Ersatz, den die mitgeernteten Kleestengel geben,
wahrscheinlich reichlich gedeckt. Dagegen ist der Ertrag
von einer gegebenen Fläche so gering, daß auf eine Ladung
Kleesamen dennoch eine bedeutende Landrente fällt. Aus
diesem Grunde wird die Erzielung des Samenklees in der
entlegeneren Gegend des Kreises der Koppelwirtschaft ge-
schehen, und der der Stadt nähere Teil dieses Kreises wird
es vorteilhafter finden, den Kleesamen zu kaufen, als ihn
selbst zu erzeugen.
5. Flachs.
Die Flachsernte, von einer gegebenen Fläche, beträgt
ungefähr ^U von dem, was der Roggen hier dem Gewichte
nach gegeben hätte; oder der Ertrag des Flachses verhält
sich zu dem des Roggens wie 1 : 4.
Wenn eine Flachsernte den Boden eben so stark er-
schöpft wie eine Gei'stenernte, so gehören — obgleich die
Gerste, wegen des Ersatzes aus dem Stroh, nur einen Weide-
schlag zur Deckung der Erschöpfung bedarf — zum Ersatz
der Anssaugung eines Schlages mit Flachs 2 (genauer 2,07)
311 Weideschläge, wenn der Flachs in der Koppelwirtschaft auf
Boden von dem Reichtum des Gerstenschlages gebaut wird.
Wenn von den Kosten, die mit dem Flachsbau verbunden
sind, der Wert der Ernte an Leinsamen abgezogen wird ; so
finde ich nach meinen Berechnungen das Vtihältnis zwischen
den Produktionskosten des Flachses und denen des Roggens
wie 1352 : 182, oder wie 7,5 : 1.
Die Bedingungen, von denen jede einzelne schon imstande
ist, den Anbau eines Gewächses hinter den des Getreides
zu verweisen, sind also beim Flachs alle vereinigt, und der
Flaciisbau wird deshalb nicht bloß hinter dem Getreidebau^
sondein erst hinter dem Tabaks- und Rapsbau seine Stelle
finden.
— 309 —
Ich enthalte micli der Anführung mehrerer Handels-
gewächse, weil ich den Anbau derselben zum Teil gar nicht,
zum Teil nicht genügend aus eigener Erfahrung kenne.
Wir finden also, daß die Mehrzahl der Handelsgewächse
nicht in der Nähe der Stadt, sondern in dem Kreise der
Viehzucht gebaut wird. Dieser Kreis, wenn er bloß auf
Viehzucht beschränkt bliebe, äußerst dünn bevölkert seia
würde, erhält durch die Branntweinbrennerei und den Anbau
<ler Handelsgewächse einen bedeutenden Zuwachs an Er-
werbsquellen lind an Bevölkerung. Besonders kann der
Flachsbau einer großen Menschenzahl Beschäftigung und
Unterhalt geben. Nach einer hierüber angestellten Berech-
nung finde ich. daß eine Tagelöhnerfamilie, die im Sommer
•den Flachs erzielt, im Winter verspinnt und zu Leinwand
verwebt, von 300 DRuten guten Acker mit Flachs ihren
ünterfialt beziehen kann, wenn sie auch für den Acker 2o Tlr.
Pacht bezahlt. iJurch den ausgedehnten Flachsbau ist es
auch allein erklärlich, wie in der Provinz Ostflandern, in
welcher außer Gent doch keine bedeutende Stadt liegt, 12000312
Menschen auf der Quadratmeile ihren Unterhalt finden können.
Der vordere Teil des Kreises der Viehzucht bietet das
interes.sante Schauspiel einer ziemlich gut kultivierten Gegend,
<iie wenig oder fast gar keine Landrente gibt, dar. Denn
■der Preis der hier erzeugten Gewächse kann nicht so hoch
steigen, daß daraus eine irgend beträchtliche Landrente her-
vorginge, weil sonst der rückwärts liegende Teil dieses sehr
ausgedehnten Kreises ebenfalls die Kultur dieser Gewächse,
die sämtlich nur geringe Transportkosten erfordern, betreiben
und den Preis derselben tiefer niederdrücken würde. Fast
die sämtlichen Einkünfte dieses Landstriches bestehen also
aus Kapitalgewinn und Arbeitslohn.
— 310 —
Wir haben im § 5 gesehen, daß auf Boden von 10
Körnern Ertrag die Produktionskosten für einen Scheffel
Roggen 0,437 Tlr. und auf Boden von 5 Körnern Ertrag*
1,358 Tlr. betragen, daß also die Produktion des Getreides
auf reichem Boden um sehr vieles wohlfeiler ist als auf
ärmerem Boden. Dieses ist nun mit den Handelsgewächsen
ebenfalls, aber noch in weit stärkerem Maß der Fall. Die
meisten Handelsgewächse erfordern nämlich durch eine sorg-
fältige Bearbeitung des Bodens, durch Behacken, Anhäufen^
Jäten usw. so viele Arbeiten, die mit der Größe des be-
stellten Feldes und nicht mit der Größe der Ernte im Ver-
hältnis stehen, daß die größere Ernte des reichen Bodens
wenig mehr kostet, als die geringe des ärmeren Bodens^
und daß der Anbau dieser Gewächse fast nur auf solchem
Boden , der für das Getreide — weil dieses sich lagern
würde — zu reich ist, mit A'orteil betrieben werden
kann.
Wenn wir uns nun in Beziehung auf die Kultur der
Handelsgewächse zu der Wirklichkeit wenden : so finden wir
313 hier nicht den gleichen Reichtum des Bodens, wie in dem
isolierten Staat, sondern wir finden in der Regel, daß in
den hochkultivierten Ländern mit den höheren Getreidepreisen
zugleich ein großer Reichtum des Bodens verbunden ist,
und daß umgekehrt in den minder kultivierten Ländern
niedrige Kornpreise und geringer Reichtum des Bodens ge-
wöhnlich zusammentreffen.
Legen wir uns nun die Frage vor: „in welchem Lande
die Kultur der Handelsgewächse beim freien Handel am vor-
teilhaftesten ist": so tritt hier dem Vorteil, den das ärmere
Land durch geringen Arbeitslohn und niedrige Landrente
besitzt, der Vorzug, den das reiche Land durch seinen reichen
Boden hat, direkt entgegen. Der Vorzug des reichen Bodens
beim Anbau der Handelsgewächse ist aber so bedeutend, daß
dadurch gar häufig die Ersparung an Arbeitslohn und Land-
— 311 —
rente in dem ärmeren Lande nicht bloß kompensiert, sondern
auch überwogen wird.
Dies ist nun — neben der höheren Industrie des Volkes
und der besseren Kenntnis der Behandlung dieser Ge-
wächse — der eigentliche Grund, warum wir in den reichen
Ländern noch eioen ausgedehnten Anbau der Handels-
gewächse nicht bloß zum .eigenen Bedarf, sondern selbst zur
Ausfuhr nach anderen Ländern erblicken. So finden wir
noch jetzt, daß der Flachsbau, der in die minder kultivierten
Gegenden des östlichen Europas gehört, den Hauptkultur-
zweig in Ostflandern, dem Garten Europas, ausmacht. So-
bald aber in den Ländern am baltischen Meer der Boden
einen höheren Grad von Reichtum erlangt hat — und dies
zu erreichen steht in der Macht des Landwirtes — wird
dieser Kulturzweig in Flandern unvermeidlich sinken , und
dieses Sinken wird um so rascher herbeigeführt und um so
mehr beschleunigt werden, wenn die niederländische Re-
gierung fortfährt, durch hohe Einfuhrzölle auf das Getreide 314
die Differenz in, den Kornpreisen beider Gegenden zu steigern.
Auch in England wird trotz des hohen Arbeitslohnes
und der hohen Landrente der Anbau der Haudelsgewächse
betrieben und durch Zölle auf die Einfuhr derselben be-
günstigt. Durch die englische Kornbill ist aber die Differenz
in den Kornpreisen so hoch gestiegen, daß die Engländer
es jetzt schon vorteilhaft finden, Dungmaterial (Knochen, Raps-
kuchen usw.) statt Korn von uns zu kaufen. Wenn nun
England bei seiner Kornbill beharrt, so werden die dortigen
Landwirte gar bald gewahr werden, daß der Dung bei ihnen
zu teuer ist, um denselben an die meistens sehr aussaugenden
Handelsgewächse zu verwenden , und werden den fernen
Ländern mit niedrigen Kornpreisen den Anbau dieser Gewächse
überlassen und die Einfuhr derselben gestatten müssen.*)
*) Der hohe ZoU auf Eaps ist seitdem bereits aufgehoben.
— 312 —
§ 32.
Zu welchem Preise kann Flachs und Leinwand
aus den verschiedenen Gegenden des isolierten
Staates nach der Stadt geliefert werden?
Nach den oben mitgeteilten Daten über den Flachsbau
ist die Aussangung eines Schlages mit Flachs gleich dem
Ersatz, den zwei Weideschläge geben. Von 3000 GRnten
Acker können also nur 1000 QR- Flachs tragen, wenn der
Reichtum des Bodens erhalten werden soll, während von
dieser Fläche 1500 QR- mit Getreide bestellt werden können,
ohne den Boden zu erschöpfen.
In den Gegenden, wo die Landrente der Weideschläge
= 0 ist, fällt aus diesem Grunde auf einen Schlag mit
Flachs eine 1^/2 mal so hohe Landreute als auf das Getreide,
315 und da auf derselben Fläche, dem Gewicht nach, nur V4 so
viel Flachs als Roggen wächst, so kommt auf eine Ladung
Flachs von 2400 ft. sechsmal soviel Landrente als auf eine
Ladung Roggen.
Nun ist aber in der Nähe der Stadt die Landrente der
Weide negativ, in größerer Entfernung positiv, und aus
diesem Grunde fällt auf den in der Nähe der Stadt gebauten
Flachs mehr, auf den in der Ferne erzeugten Flachs
weniger als die 6 fache Landrente. Wir sind aber durch
die bisherigen Uutersuchimgen nicht in den Stand gesetzt, den
hieraus entspringenden Unterschied in Zahlen anzugeben, und
wir müssen uns hier damit begnügen, für den ganzen iso-
lierten Staat dem Flachs die 6 fache Landrente, von dem,
was das Getreide trägt, anzurechnen. Unsere Rechnimg muß
dann aber den Preis des in der Nähe der Stadt gebauten
Flachses zu niedrig, und den des in der Ferne erzeugten zu
hoch angeben.
— 313 —
Nehmen wir die Produktionskosten des Flachses zu 7,:.
die Landrente zu 6 im Verhältnis zum Getreide an, so be-
tragen für eine Ladung Flachs von 2400 U.
die Produktionskosten — tttttt
182 -f-x
die Transportkosten — ^^^ , — ^ —
;,. r ;^ . 11028 - 385x
die Landrente — TTs-rT
182 -j- X
55840 — 884,5x
Summe töh— s
182 -\- X
ist der Preis
Für einer Ladung eines Pfundes
x = 0 Meilen 304 Tlr. 6,1 ßl.
X = 10 ., 245 „ 4,9 ,,
x = 28 ,, 148 „ 3,0 „
Das Pfund Flachs kann also aus der 28 Meilen entfern- 316
ten Gegend um 3,i ßl. , oder um ungefähr 50% wohlfeiler
geliefert werden als aus der Nähe der Stadt.
Es ist noch zu bemerken, daß bei allen diesen Berech-
nungen die Landrente, die die Koppelwirtschaft gibt, nor-
miert. Wollte man die Landrente, die die freie Wirtschaft
gewährt, zum Grunde legen, so würde der in der Nähe der
Stadt erzeugte Flachs noch ungleich höher zu stehen kommen.
Wenn aus dem Flachs grobe Leinwand gemacht wird,
so betragen — nach den Notizen, die ich hierüber habe er-
halten können — die Kosten des Spinnens von 2400 U.
Flachs und die Kosten des Webens und des Bleichens der
aus diesem Flachs gemachten Leinwand zusammen 413 Tlr.
"Vergleicht man diese mit den Produktionskosten einer Ladung
Roggen, welche zu Tellow 18,2 Tlr. betragen, so ergibt sich,
daß die Kosten , eine Ladung Flachs in Leinwand zu ver-
— 314 —
wandeln, oder die Fabrikationskosten der Leinwand sich zu
den Produktionskosten des Roggens wie 22,7 zu 1 verhalten.
Nun können aber die Fabrikationskosten der Leinwand^
in Geld ausgedrückt, nicht allenthalben gleich hoch sein^
sondern diese ändern sich mit dem Geldpreis der Arbeit und
des Getreides. Um also die Fabrikationskosten der Leinwand
für jede Gegend des isolierten Staates angeben zu können^
müssen wir sie durch eine allgemeine Formel ausdrücken,
und hierzu sind wir durch das obige Verhältnis in den
Stand gesetzt.
Multipliziert man nämlich diesem Verhältnis zu Folge
die im § 19 angegebenen Produktionskosten für eine Ladung
Roggen mit 22,7, so ergibt sich, daß die Fabrikationskosten
der Leinwand, die aus 24U0 IL Flachs gemacht wird, betragen
317
/5975-93,2x\ ^^
\ 182 + x ] 2^''
=
135632 — 21 16x
182 4-x
Taler.
Hiernach fallen
an
Fabrikationskosten
auf eine Ladung
auf ein Pfund
für X r= 0 Meilen
745 Tlr.
14,9 ßl.
X = 10 „
596 „
11,0 „
x=28 „
363 „
7,3 „
Aus dem ganzen Gang unserer Untersuchung erhellt,
daß wir den reellen Arbeitslohn oder die Summe der Lebens-
bedürfnisse, die sich der Arbeiter für seinen Lohn erkaufen
kann , für alle Gegenden des isolierten Staates gleich hoch
annehmen; der Geldpreis der Arbeit ist dagegen nacli der
Verschiedenheit des Preises des Getreides und der übrigen
Lebensbedürfnisse gar sehr verschieden, und diese Verschieden-
heit im Geldlohn bringt eine solche Verschiedenheit in den
Fabrikationskosten der Leinwand hervor, daß die Verwandlung
von 2400 U. Flachs in Leinwand in der Nähe der Stadt 745,
in der 28 Meilen entfernten Gegend aber nur 363 Tlr., also
noch etwas weniger als die Hälfte kostet.
— 315 —
Bei der Yerwandlung des Flachses in gebleichte Leia-
wand gehen ungefähr 25 % von dem Gewicht des Flachses
verloren ; oder die Leinwand wiegt 25 ^/o weniger als der
Flachs wog, aus welchem sie verfertigt ist.
Die Transportkosten einer Ladung Flachs betragen
199 5X
-^Qtj '■ — Taler. Die Transportkosten der aus diesem
Flachs verfertigten Leinwand betragen ^ii weniger, also nur
149,6x
182+^x ^^^''-
Wollen wir nun den Preis, zu welchem die Leinwand
aus den verschiedenen Gegenden des isolierten Staates nach
der Stadt geliefert werden kann, bestimmen: so müssen wir 318
sowohl die Kosten, die der Flachsbau verursacht, als auch
die Fabrikationskosten der Leinwand zusammenstellen.
Für 2400 fi. Flachs betragen
die Produktionskosten ^Z^ -. —
182 -f- X
,. ^ , , 11028 - 385x
die Landrente ^^c, i
,. ^ , ., . , , . . , 135632— 2116x
die Fabrikationskosten der Leinwand. . ^-...^i
-1- m 1 TT- T 149 ,6X
die Transportkosten der Leinwand . . ^^o i —
^ 191472— 3050,4X
Summe -r,,.-,— i
182 -[-X
Für ist der Preis der Leinwand, die gemacht ist
aus 2400 f(. Flachs aus 1 &>. Flachs
X = 0 Meilen . . . 1052 Tlr 21,o ßl.
x= 10 , 838 „ 16,s „
x= 28 „ .... 505 „ 10,1 „
Die Bewohner der Stadt würden also die Leinwand um
mehr als doppelt so hoch bezahlen müssen, wenn der Bau
des Flachses und die Fabrikation der Leinwand in der Nähe
— 316 —
der Stadt geschehen müßte, als wenn sie dieselbe aus der
28 Meilen entfernten Gegend beziehen können.
Die Anwendung, die wir von der zur Preisbestimmung
der landwirtschaftlichen Erzeugnisse entworfenen Formel auf
die Ausmittlung der Fabrikationskosten der Leinwand und
auf die Preisbestimmung derselben gemacht haben, muß
auf den Gedanken leiten, ob es nicht möglich sei, für die
verschiedenen Fabriken und Gewerbe die Gegend zu bestimmen,
wo sie am vorteilhaftesten betrieben werden, und von wo
aus die Fabrikate am wohlfeilsten geliefert werden können.
319 Wer die Fabrikgeheimnisse durchdringen könnte und eine
so vollkommene Kenntnis aller Gewerbe besäße, daß er von
jedem einzelnen die auf eine gegebene Quantität fabrizierter
Ware fallende Quote von Kapitalanlage, Arbeitslohn und
Gewerbsprofit angeben könnte, würde allerdings ein solches
Tableau entwerfen können.
Es würde sich daraus ergeben, daß nicht alle Fabriken
und Manufakturen in die Hauptstadt zusammengedrängt
würden, sondern daß ein großer Teil derselben seinen Sitz
in der Gegend, wo das rohe Material am wohlfeilsten er-
zeugt wird, nehmen würde, daß also der isolierte Staat nicht
bloß die eine große Stadt, sondern noch sehr viele kleinere
Städte enthalten müsse.
Dies streitet wider unsere erste Annahme; aber wir
bedurften dieser Annahme auch nur zuerst, um die Unter-
suchung zu vereinfachen. Denn wir haben späterhin im § 28
gesehen, daß die kleineu Städte auf die Preisbestimmung
der landwirtschaftlichen Erzeugnisse keinen Einfluß haben,
sondern hierin von der Hauptstadt ganz und gar abhängig
sind. Nur muß die Zentralstadt der Hauptmarktplatz bleiben,
imd in ihr müssen alle ländlichen Erzeugnisse den höchsten
Preis haben ; daß dies aber stattfinde, ist schon dadurch hin-
länglich motiviert, daß diese Stadt 1. in der Mitte der Ebene
— 317 —
liegt, 2. der Sitz der Regierung ist und 3. die sämtlichea
Bergwerke in ihrer Nähe hat.
Eine solche auf die Stellung der Fabriken gerichtete
Untersuchung würde aber, wenn sie praktische Brauchbarkeit
erlangen soll, zwei Gesichtspunkte, die bei der Preisbestim-
mung der landwirtschaftlichen Punkte nicht zur Sprache
gekommen sind, mit aufnehmen müssen.
1. Wir finden in der "Wirklichkeit, daß in allen reichen
Ländern der Zinsfuß sehr viel niedriger ist als in den
ärmeren Ländern — ob dies nun in der Natur und 320
dem Wesen der Sache selbst begründet ist, oder von
der Spaltung in verschiedene Staaten herrührt, muß
hier dahingestellt bleiben. — Nun gibt es mehrere
. Fabriken und Manufakturen, in denen die Zinsen der
Kapitalanlage einen Hauptbestandteil, der Arbeitslohn
und die Auslage für das rohe Material einen verhält-
nismäßig minder bedeutenden Teil der jährlichen Aus-
gabe ausmachen; alle diese Fabriken werden deshalb
in dem reicheren Staat betrieben werden müssen, wenn
auch das rohe Material und der Arbeitslohn daselbst
viel höher zu stehen kommen. Bei dieser Untersuchung
wird also die Zerlegung des Preises der Waren in die
drei Bestandteile: Arbeitslohn, Kapitalgewinn und
Landrente notwendig.
2. Von der Größe des Marktes und des Absatzes hängt
der Umfang und die Ausdehnung, die eine Fabrik an
einem Orte erlangen kann, ab, und von der Größe der
Unternehmung ist wiederum der Grad, bis zu welchem
die Verteilung der Arbeit und die Ersetzung der
menschlichen Kräfte durch Maschinen getrieben werden
kann, abhängig. Dieses hat aber, wie Adam Smith
überzeugend dargetan hat, auf den Preis, zu welchem
eine Ware geliefert werden kann, den entscheidendsten
Einfluß.
— 318 —
Aus diesen beiden Ursachen werden manche Fabriken,
die dem ärmeren Lande anzugehören scheinen, weil das rohe
Material daselbst erzeugt wird, doch mit größerem Vorteil in
dem reicheren Lande betrieben werden können, und das
ärmere Land wird diese Waren von dort zu einem niedrigeren
Preis, als was sie demselben bei der eigenen Fabrikation
kosten würden, beziehen können.
321 § 33.
Über die Beschränkung der Handelsfreiheit.
Wie wird es auf den Wohlstand des isolierten Staates
wirken, wenn durch gewaltsame Verfügungen der Regierung
der Flachsbau und die Leinwandfabrikation nach einer der
Stadt näheren Gegend verpflanzt werden?
Um uns einen solchen Fall nur als möglich zu denken,
müssen wir annehmen , daß der isolierte Staat in zwei ver-
schiedene Staaten gespalten werde.
Wir wollen nun, um die Folgen einer solchen Spaltung
untersuchen zu können, folgende Voraussetzungen machen:
1. Die Zentralstadt mit einem Kreis um die Stadt herum,
der l.ö Meilen im Halbmesser hat, bilde einen eigenen
Staat A;
2. der übrige Teil der Ebene, und zwar in der Ausdeh-
nung, wie Avir diese bisher betrachtet haben, bilde
einen zweiten Staat B, den wir im Gegensatz mit dem
ersten den ärmeren Staat nennen wollen;
3. jeder Staat sorge nur für sein eigenes Interesse, selbst
dann, wenn der eigene Vorteil nur auf Kosten des
anderen Staates zu erreichen ist.
— 319 —
Gesetzt nun, der reiche Staat A verbiete die Einfuhr
des Flachses und der Leinwand, um das Geld, was sonst
dafür aus dem Lande ging, zu ersparen, und um die eigenen
Untertanen zur Erzeugung des Flachses und zur Fabrikation
der Leinwand zu bewegen ; wie wird dies auf den Wohlstand
1. des reichen die Einfuhr beschränkenden Staates A und
2. des ärmeren Staates B wirken?
Um die Beantwortung dieser Frage möghchst zu verein-
fachen, wollen wir annehmen, daß in allen übrigen Punkten
noch eine vollkommene Handelsfreiheit zwischen beiden
Staaten stattfinde.
Nach dem Verbot der Einfuhr wird die Erzeugung des 322
Flachses und die Fabrikation der Leinwand an der Grenze
des Staates A, also in der Entfernung von 15 Meilen von
der Stadt geschehen müssen. Hier gibt der Boden aber schon
eine beträchtliche Laudrente, und der Arbeitslohn ist wegen
der höheren Getreidepreise bedeutend höher als in der 30
Meilen von der Stadt entfernten Gegend. Die Leinwand
kann also von hier aus nur zu einem viel höheren als dem
früheren Preis nach der Stadt geliefert werden. Da aber
die Leinwand ein unentbehrliches Bedürfnis ist, so werden
die Bewohner der Stadt diesen höheren Preis zahlen müssen.
Dem Landwirt des Staates A, der früher Getreide, jetzt
Flachs erzeugt, erwächst aber aus der Einführung des Flachs-
baues trotz dieser Steigerung des Flachspreises kein Vor-
teil. Denn da 1. der Getreidepreis durch diese Veränderung
nicht steigt, sondern — wie wir weiterhin sehen werden —
eher etwas fällt, so ist auch die aus dem Getreidebau her-
vorgehende Landrente mindestens nicht gestiegen; und da
2. innerhalb der den Kornbau betreibenden Kreise die Größe
der Landrente durch den Getreidebau bestimmt wird — wie
aus allen früheren Untersuchungen hervorgeht — so kann
auch der Flachsbau auf der Stelle, wo er jetzt betrieben
wird, keine höhere Landrente geben, als der Getreidebau.
— 320 —
Es wird also durch die Einführung des Flachsbaues nur die
Pflanze, wodurch der Boden genutzt wird, aber nicht die
Nutzung des Bodens selbst geändert.
Der Bezirk, in welchem jetzt der Flachsbau betrieben
wird, kann von dem Boden, der Flachs statt Korn trägt, keiu
Getreide mehr nach der Stadt liefern ; und da alles Korn,,
was dieser Distrikt sonst erzeugte, zur Versorgung der Stadt
notwendig war: so entsteht in der Stadt ^Mangel an Ge-
treide.
323 Woher soll nun das fehlende Getreide genommen
werden ?
Der sonst den Flachs erzeugende Distrikt in dem ärmeren
Staat B kann wegen der großen Transportkosten bei dem
Preise von 1^/2 Tlr. für den Schfl. Roggen kein Getreide
nach der Stadt liefern. Soll der Mangel ersetzt werden, so
muß der Preis des Getreides steigen und zwar so hoch steigen^
daß der sonst Flachsbau betreibende Distrikt — oder eigent-
lich die Gegend, die Branntweinbrennerei und Rapsbau be-
treibt — zum Kornbau übergehen und Korn nach der Stadt
liefern kann.
Aber gibt es denn in der Stadt einen unerschöpflichen
Fonds, aus dem höhere und immer höhere Getreidepreise
bezahlt werden können, und aus welcher Quelle fließt denn
das Geld zur Bezahlung des feuern Getreides?
Es gibt in der Stadt eine große Menge Menschen, deren
ganzer Erwerb nur gerade hinreicht, sich bei den bisherigen
Mittelpreisen die notdürftigsten Lebensmittel zu verschaffen.
So wie der entfernteste Produzent den Schfl. Roggen nicht
unter 1''2 Tlr. nach der Stadt liefern kann, so kann wieder-
um die arbeitende Klasse keinen höheren Preis bezahlen.
So wie das Fallen des Getreides unter den bisherigen
Mittelpreis die Kultur des äußeren Randes der kornbauenden
Ebene unmöglich macht, den Acker wieder der Wildnis über-
liefert und die Menschen zur Auswanderung zwingt: so
— 321 —
bringt das Steigen des Mittelpreises des Getreides Ver-
armung und Auswanderung unter der arbeitenden Klasse in
der Stadt hervor — wenn keine neuen Erwerbsquellen er-
öffnet werden.
Aber das Sperrsystem selbst hat nirgends neue Erwerbs-
quellen geschaffen, wodurch der Lohn des Arbeiters erhöht
und dieser zur Bezahlung eines höheren Getreidepreises in
den Stand gesetzt werden könnte. Im Gegenteil leidet
durch die Verteuerung eines notwendigen Bedürfnisses — 324
der Leinwand — der Wohlstand aller, und der Arbeiter
insbesondere, behält, nachdem er einen größeren Teil seines
Lohnes für den Ankauf der Leinwand hat hingeben müssen,
einen geringeren Teil zum Ankauf des Getreides; der Preis
des Getreides wird also, anstatt zu steigen, fallen müssen,
wenn der Arbeiter noch ferner bestehen soll.
Also keine Erhöhung des Getreidepreises und folglich
keine Möglichkeit, den körn bautreiben den Kreis zu erweitern.
Der Distrikt, welcher früher den Flachs erzeugte, kann sich
nicht zum Kornbau, nicht zur Kultur anderer Gewächse
wenden, weil der Preis des Getreides und der Handels-
gewächse den Anbau derselben in dieser Entfernung von der
Stadt nicht lohnt. Der bisher kultivierte Boden muß unan-
gebaut liegen bleiben und den Viehherden eingeräumt
werden, und alle Menschen, die bisher vom Flachsbau lebten,
verlieren ihren Erwerb und müssen auswandern.
Mit der Verwüstung des Distrikts, der bisher den Flachs-
bau betrieb, und mit dem Verschwinden aller Menschen,
die bisher ihren Unterhalt davon zogen, hören nun aber auch
alle Bedürfnisse, die die Menschen an Eisenwaren, Tuch,
Gerätschaften usw. hatten, und die sie bisher aus der Stadt
bezogen, auf. Die Bergbearbeiter, die Fabrikanten, Hand-
werker usw., welche die Waren für diesen Distrikt bisher
lieferten, verlieren dadurch ihren ganzen Erwerb untl müssen
Thünen, Der isolierte Staat. 21
— 322 —
eben sowohl, als die Bewohner des Distrikts selbst aus-
wandern oder umkommen.
Die endliche Folge dieser Beschränkung der Handels-
freiheit ist also die:
1. daß in dem ärmeren Staat B, der die Flachskultur
betreibende Distrikt mit allen vom Flachsbau lebenden
325 Menschen gänzlich verschwindet;
2. daß die Stadt des reichen Staates A alle Fabrikanten,
Handwerker usw., die bisher für diesen Distrikt ar-
beiteten , verliert und also an Größe , Reichtum und
Bevölkerung abnimmt.
Indem also der reiche Staat durch die Beschränkung
der Handelsfreiheit dem Wohlstand des ärmeren Staates un-
vermeidlich eine tiefe Wunde schlägt, verwundet er sich
selbst zugleich nicht minder tief.
Es verdient bemerkt zu werden, daß auch ohne alle
Repressalien von selten des ärmeren Staates, die Sperrung
dennoch nicht minder verderblich auf den reichen Staat
zurückwirkt.
Während es in der Theorie der Nationalökonomie
schwierig ist, eine richtige und vollständige Definition von
dem Nationalreichtum zu geben und die Kennzeichen von
dem Wachstum oder Sinken desselben mit Bestimmtheit
anzugeben, haben wir in dem isolierten Staat an der Aus-
dehnung oder Verengung der kultivierten Ebene ein sinnlich
wahrnehmbares, untrügliches Kennzeichen von dem zu- oder
abnehmenden Reichtum des Staates.
Wir liaben hier die Wirkung der Beschränkung des
freien Verkeiirs zwar nur an einem einzigen landwirtscliaft-
lichen Erzeugnis, dem Flachs, gezeigt; wir werden aber,
wenn wir jeden anderen Kulturzweig der Landwirtschaft
zum Gegenstand der Betrachtung nehmen, dieselben Schlüsse
wiederholen müssen und dann auch dasselbe Resultat er-
iialten. So wird z. B. die gewaltsame Verpflanzung der
— 323 —
Schafzucht, oder des Rapsbaues nach einer der Stadt näheren
<jegend stets ein und dasselbe Resultat: „Verengung der
kultivierten Ebene und Abnahme der Größe der Stadt'' her-
Torbringen.
Werfen wir nun einen Blick auf die europäischen
Slaaten, so finden wir zwischen den verschiedenen Ländern
Europas, in Hinsicht auf Kulturzustand, Bevölkerung, Ge-326
treidepi-eis und Landrente einen nicht minder großen Unter-
schied als zwischen den verschiedenen Gegenden des iso-
lierten Staates.
Zwischen der Umgebung von London und den Provinzen
<les östlichen Rußlands, an den Ufern der Wolga und des
Uralflusses, findet in dieser Beziehung vielleicht noch ein
größerer Unterschied statt, als in dem isolierten Staat, zwischen
■der Umgebung der Zentralstadt und dem äußersten Rand
des Kreises der Viehzucht.
So wie in dem isolierten Staat die Beschränkung des
Handels nicht bloß dem ärmeren Staat einen Teil seiner
Bewohner und seines Reichtums kostet, sondern auch auf
den reicheren Staat verderblich zurückwirkt: so muß auch
die Handelsbeschränkung zwischen den europäischen Staaten,
die auf verschiedenen Stufen der Kultur stehen, nicht bloß
den Ackerbau des ärmeren Landes niederdrücken, sondern
auch dem reichen Staat einen Teil seiner Macht und seiner
Größe entziehen.
Und dennoch sehen wir jetzt in den eui'opäischen Staaten
Sperrungen und Handelsbeschränkungen überall angewandt.
Man hat es aufgegeben, die Kultur der Gewächse, die
dem Süden angehören , im Norden erzwingen zu wollen ;
man verstattet den Austausch der Produkte verschiedener
Klimate und glaubt, daß dies dem Nationalwohl vorteilhaft
sei; man hat es aber leider in unseren Tagen verkannt, daß
<ler Austausch von Produkten zwischen Völkern, die unter
21*
— 324 —
einem Himmelstrich wohnen, aber auf verschiedenen Stufen
der Kultur stehen, eben sowohl von der Natur geboten und
eben so vorteilhaft für die Nationen sei, als wenn die Ver-
schiedenheit der Erzeugnisse durch die Verschiedenheit de&
Klimas herbeigeführt wird.
327 Es verdient noch der Erwähnung, daß der Landwirt
des isolierten Staates, der seinen Standpunkt richtig erkennt^
damit auch zugleich die Erkenntnis dessen, was er zu tun
hat, besitzt.
Wir haben, um die Bildung und Gestaltung des isolierten
Staates zu entwickeln, keines anderen Prinzips als der An-
nahme, daß jeder sein eigenes Interesse richtig erkenne und
darnach handele, bedurft. So wie nun aus dem Zusammen-
wirken aller, von denen jeder seinen eigenen richtig ver-
standenen Vorteil erstrebt, die Gesetze, wonach die Gesamt-
heit handelt, hervorgehen, so muß wiederum in der Befol-
gung dieser Gesetze der Vorteil des Einzelnen erhalten sein.
Während der Mensch nur seinen eigenen Vorteil zu
verfolgen wähnt, ist er das Werkzeug in der Hand einer
höheren Macht und arbeitet, ihm selbst oft unbewußt, an
dem großen und künstlichen Bau des Staates und der bürger-
lichen Gesellschaft — und die Werke, die die Menschen, als-
Gesamtheit betrachtet, hervorbringen und schaffen, so wie
die Gesetze, wonach sie dabei verfahren, sind gewiß nicht
weniger der Aufmerksamkeit und Bewunderung würdig, als-
die Erscheinungen und Gesetze der physischen Welt.
Dritter Abschnitt. 328
Wirkung der Abgaben auf den
Ackerbau.
Der isolierte Staat hat die im ersten Abschnitt darge-
stellte Form, unter der Bedingung, daß überall gar keine
Abgaben erhoben werden, gewonnen : denn es sind im § 5,
wo der Reinertrag des Ackers nach einem aus der Wirklich-
keit entnommenen Verhältnis berechnet ist, die Abgaben an
den Staat nicht mit unter die Ausgaben gestellt, und was
w^ir Landrente nennen, ist der Reinertrag des Bodens, wenn
keine Abgaben stattfinden.
Gesetzt dieser Staat, der bisher keine Steuern kannte,
werde mit den in den europäischen Staaten üblichen Ab-
gaben belegt, wie wird dies auf den Ackerbau und auf den
ganzen Zustand der Nation zurückwirken?
§ 34.
Abgaben, die mit der Gröfse des Betriebs im
Verhältnis stehen.
A. In Beziehung auf den isoUerten Staat.
Die Konsumtionssteuer, insofern sie die notwendigsten
Lebensbedürfnisse, als: Salz, Mehl usw. mit ergreift, die
— 326 —
Kopfsteuer, die Yiehsteuer, die Zölle, die Gewerbesteuer^
die Stempeltaxe und so manche andere Steuern belaster»
sämtlich die Landgüter im Verhältnis der Größe ihres Be-
triebes und ohne Rücksicht auf den Reinertrag des Bodens.
Ein Gut in dem isolierten Staat, welches 30 Meilen von
der Stadt entfernt ist, wii-d zu diesen Steuern eben so viel
beitragen müssen, als das 10 Meilen entfernte Gut, wenn
der Betrieb auf beiden Gütern gleich groß ist, d. h. wenn
beide Güter zu ihrer Bewirtschaftung gleiche arbeitende
Kräfte und gleichen Kapitalaufwand erfordern.
329 Das 31,5 Meilen von der Stadt entfernte Gut muß nach
§ 14 Dreifelderwirtschaft treiben, und diese kann (§ 8) nur
24% der Ackerfläche mit Getreide bestellen: das 10 Meilen
von der Stadt entfernte Gut treibt dagegen Koppelwirtschaft,
welche dem Getreidebau 43 ". o der Ackerfläche widmet. Da
nun einerseits die Koppelwirtschaft einen so viel größeren
Teil des Feldes mit Getreide bestellt, und andererseits die
Bestellung des Ackers (§ 10) in der Koppelwirtschaft kost-
spieliger ist, als in der Dreifelderwii-tschaft : so wird die
Größe des Betriebs auf dem 31,5 Meilen entfernten Gut nur
ungefähr halb so viel betragen, als auf dem 10 Meilen von der
Stadt entfernten Gut, wenn beide Güter von gleichem Flächen-
inhalt angenommen werden.
Ist der Betrag der Steuern von dem näheren Gut z. B.
200 Taler auf 100000 DRuten Flächeninhalt, so wird das-
entfernte Gut 100 Taler Abgaben entrichten müssen. Die
Landrente des ersten Gutes beträgt (§ 5) von lOOOOOGRuten
685 Taler; nach Bezahlung der Abgaben bleiben also dem
Gutsbesitzer noch 485 Taler übrig.
Der Besitzer des entferntesten Gutes, wovon die Land-
rente = 0 ist, dessen ganzes Emkommen-auf die Zinsen vom
Kapitalwert der Gutsgebäude und des Inventars beschränkt ist,
muß die Abgabe von 100 Talern von seinem Kapital entnehmen.
Ein jährlich vermindertes Kapital hört aber sehr liald
— 327 —
auf, Kapital zu sein, und dann muß der Besitzer die Kultur
des Bodens aufgeben und den Acker unbebaut liegen lassen.
Wollte man sagen : der Besitzer dieses Gutes hat zwar
keine Landrente einzunehmen, aber er genießt die Zinsen
des Kapitals, welches in den Gebäuden und dem Inventar
steckt, und er kann die ihm aufgelegte Steuer von den Zinsen
bezahlen; so muß man hierauf erwidern: daß Niemand sein 330
Kapital in einem Gewerbe stecken läßt, wenn dieses Kapital
keine Zinsen trägt. Der Fabrikant hört auf, Waren zu fabri-
zieren, wenn er sein Kapital durch Ausleihen höher nützen
kann, als durch seine Arbeit: der Landwirt wird in diesem
Fall auf die Erhaltung der Gebäude keine Kosten melu' ver-
wenden, und wenn diese endlich den Einsturz drohen, wird
er sein Yieh verkaufen, das Gut verlassen, ein anderes Ge-
werbe ergreifen oder auswandern.
In einer ähnlichen Lage sind alle Güter, deren Land-
rente dem Betrage der Abgabe nicht gleich kommt, und die
Abgabe wird hier dieselbe Wii"kung, nur langsamer und
später, hervorbringen.
Nun trägt aber in dem Kreise der Dreifelderwirtschaft
erst dasjenige Gut, welches 26,4 Meilen von der Stadt ent-
fernt ist, von der angegebenen Fläche eine Landrente von
100 Taler; und bis so weit wird also die auf Kornproduktion
gerichtete Kiütur des Bodens durch die neue Steuer ver-
nichtet werden. Diese Gegend wird dann zwar nicht ganz
menschenleer bleiben, sondern es wird dort statt des Korn-
baues künftig Viehzucht getrieben werden ; aber dafür wird
nun der äußere Rand des Kreises der Viehzucht ganz ver-
lassen, und dieser Teil des Staates wird durch die Abgabe
in unbebautes Land verwandelt.
AJle in dieser nun verlassenen Gegend bisher lebenden
Menschen werden brotlos, weil sie keine Arbeit finden, wo-
durch sie sich ernähern könnten: denn da der Staat in
seinem blühenden Zustande so viele Menschen hatte, daß alle
— 328 —
nützlichen Arbeiten vemchtet wurden, so können die aus
dem verlassenen Distrikt hinzukommenden Arbeiter nirgends
mehr nützlich beschäftigt werden und also auch nirgends
Erwerb und Unterhalt finden. Aber nicht bloß die mit dem
331 Ackerbau beschäftigten Menschen, sondern auch alle Bewohner
der Stadt , die sonst für diesen nun verödeten Distrikt ar-
beiteten , Handwerker, Fabrikanten, Krämer usw. verlieren
ebenfalls ihren Erwerb und ihren Unterhalt. Die ganze hier-
durch überflüssig gewordene Volksmenge muß, um der gänz-
lichen Verarmung und dem Elende zu entgehen, auswandern
und sich ein anderes Vaterland aufsuchen.
Nachdem die Kultur des Bodens auf einen engeren Kreis
beschränkt ist, und nachdem die Auswanderung der dadurch
überflüssig gewordenen Menschen vollendet ist, kehrt alles
zu seinem vorigen Gleichgewicht zurück ; aber der Staat hat
an Ausdehnung und Bevölkerung verloren und hat zugleich
einen Teil seines Kapitals und seiner Landrente eingebüßt.
Eine solche gewaltsame Wirkung übt die Steuer nur da
aus, wo sie neu eingeführt wird ; ist hingegen das Abgaben-
system von der ersten Bildung des Staates an dasselbe ge-
blieben: so hat sich die Kultiu" des Bodens nicht weiter
ausgedehnt, die Bevölkerung hat sich nicht weiter vermehrt,
als mit den Abgaben verträglich war; und alles ist hier in
einem eben so vollkommenen Gleichgewicht, als in dem Staat,
der gar keine Abgaben erhebt.
Würden aber in einem solchen Staat die bestehenden
Abgaben auf einmal und für immer abgeschaftt, so müßten
sich hier die entgegengesetzten Erscheinungen zeigen : es
würden Kapitalien gesammelt werden, die dadurch einen
Wert erlialtcn, daß sie mit Vorteil auf die Urbarmachung des
wüsten Bodens verwandt werden könnten, es würde sich
Beschäftigung und Nahrung für eine größere Menge Menschen
finden, und wo dies der Fall ist, vermehrt sich die Volks-
menge sehr schnell.
— 329 —
Die Wirkung der Abgabe ist also die: daß sie den
Wachstum des Staates hemmt, die Zunahme der Bevölkerung
und die Vermelu'ung des Kapitals der Nation beschränkt.
B. In Beziehung auf die Wirklichkeit. 332
So wie in dem isolierten Staat die Abgabe die stärkste
Wirkung auf das entfernteste Gut ausübt, so wird in der
AVirklichkeit — wo in der Regel die Entfernung vom Markt-
platze nicht so groß ist, daß dadurch die Landrente bis 0
herabsinkt — das Gut mit dem schlechtesten Boden am ersten
und stärksten bedrückt.
Nun findet sich aber in der Wirklichkeit auf einem und
demselben Gute fast nie die vollkommene Gleichheit, die wir
in Hinsicht auf die Güte des Bodens für den isolierten Staat
angenommen haben. Fast jedes Gut besteht aus einem Ge-
misch von gutem und schlechtem Boden, von Acker, der zum
Teil eine hohe, zum Teil eine geringere Ertragsfähigkeit besitzt.
Der Wert des Ackers kann aus verschiedenen Ursachen
imd in mehreren Verhältnissen sehr gering sein und sich
dem Nullwert nähern.
Dahin gehört der Acker:
1. von einer schlechten physischen Beschaffenheit;
2. von geringem Reichtum;
3. der sehr weit vom Hofe entfernt liegt ;
4. der zu seiner Entwässerung vieler und tiefer Gräben
bedarf ;
5. der nahe an Wiesen und mit diesen fast in einem
Niveau liegt — indem dieser Acker sehr schwierig zu
bestellen ist und einen höchst mißlichen Ertrag gibt;
6. der mit vielen in spitzen Winkeln zusammenlaufenden
Gräben durchschnitten ist, wodurch alle Bestellungs-
arbeiten gar sehr verzögert werden ;
7. der viele Steine enthält;
8. der von hohem Holz umgeben ist usw.
— 330 —
Es möchte sehr schwierig sein, auch nur ein einziges
Gut von bedeutendem Umfange nachzuweisen, in welchem
333 sich kein Acker findet, der den einen oder den anderen der
angeführten Mängel trägt und deshalb einen geringen Wert
hat. Auf den meisten Gütern kommt der Acker von dieser
Art in bedeutender Menge vor; und in manchen Gegenden
ist dieser Acker überwiegend, und der von höherem Wert
zeigt sich nur als Ausnahme, gewöhnlich in der Nähe der
Dörfer.
Durch eine neue Abgabe wird die Landi-ente eines solchen
Bodens, der bisher einen geringen Reinertrag gegeben hat,
auf 0 oder unter 0 gebracht.
Jedes Gut muß oder sollte doch dann die Kultur dieses
Bodens aufgeben und sich auf den Anbau des besseren Ackers,
der auch nach der Einführung der Abgabe noch eine Land-
rente gibt, beschränken.
So wie in dem isolierten Staat die Wirkung der Abgabe
sich dadurch im großen zeigt, daß die ganze entfernte Gegend
unbebaut liegen bleibt; so äußert sich dies hier im kleinen
auf jedem einzelnen Gut, wo der entfernteste oder schlechteste
Acker unangebaut bleibt.
Ob aber der fünfte Teil aller Güter eines Landes für
die Kultur verschwindet, oder ob von jedem Gut der fünfte
Teil aufgeopfert wird, kann auf die Verminderung der Be-
völkerung und des Nationalvermögens nur eine und dieselbe
Wirkung äußern.
Es zeigen sich hier aber dem Auge keine ganz ver-
lassenen Dörfer, und die Verwüstung, die die Abgabe ange-
richtet hat, kann dem Blick des Staatsmannes, dem der
innere Zustand der Familien leicht verborgen bleibt, eher
entgehen; aber er kann sie erkennen an dem von Jahr zu
Jahr abnehmenden Ertrag der Abgabe. Denn jede neue Auf-
lage, die stark genug ist, eine solche Wirkung hervorzubringen,
muß im ersten Jahr den stärksten Ertrag geben, aber all-
— 331 —
mählich weniger bringen, weil sich die Bevölkerung und das
Nationalvermögen vermindern , von denen die Abgabe er- 334
hoben wird; und erst dann, wenn die Wirivung der Auflage
vollendet ist, d. h. wenn die Kultur so weit beschränkt ist,
daß sie bei dieser Auflage bestehen kann, wird der Ertrag
der Steuer sich gleich bleiben.
Noch unterscheidet sich der isolierte Staat darin, daß
wir angenommen haben, die Landwirtschaft werde mit höchster
Konsequenz betrieben, während wir in der AVirklichkeit eine
solche Konsequenz — besonders in der Übergangsperiode von
einem Zustand zum anderen — nur als Ausnahme, nicht als
Regel vorfinden. Dem Landwirt des isolierten Staates trauen
wir es zu, daß er bei veränderten Verhältnissen seine Wirt-
schaft ändere, und daß er den Anbau eines Ackers, desseu
Landrente jetzt negativ sein würde, nicht fortsetzt, sondern
aufgibt.
In der Wirklichkeit ist aber die landübliche Wirtschaft
nicht das Produkt eines durchgreifenden , alle Verhältnisse
überschauenden Gedankens, sondern das Werk mehrerer
Greschlechter und Jahrhunderte: durch langsame aber stete
Verbesserungen, durch das Bemühen, dieselbe den Zeit- und
Ortsverhältnissen immer mehr anzupassen, ist sie das gewor-
den, was sie jetzt ist, und in der Regel hat sie ihr Ziel sehr
\del besser erreicht, als man gewöhnlich glaubt.
Die auf diese Weise so langsam entstandene Wirtschafts-
form kann aber nicht rasch und augenblicklich zu neuen,
großen Veränderungen übergehen. Wenn durch ein plötzlich
eintretendes neues Verhältnis, z. B. durch eine neue Auflage,
die alte Wirtschaftsform zweckwidrig wird, so dauert es
doch lauge, ehe man sich von der alten, sonst so bewährt
gefundenen Form trennt und die Wirtschaft mit den neuen
Verhältnissen in Übereinstimmung bringt.
In der Praxis wird deshalb die Einführung der neuen
Steuer die Kultur des schlechten Bodens nicht augenblick-
— 332 —
licli aufheben, sondern man wird diesen nach wie vor be-
stellen.
335 Hierdurch entsteht aber für den Landwirt eine doppelte
Ausgabe; er muß erstens die neue Steuer bezahlen und
zweitens den Verlust tragen, den der Anbau des schlechten
Ackers bringt; oder, was dasselbe ist, von dem Ertrage
des guten Ackers muß nun nicht bloß die Steuer bezahlt
werden, die auf dem Anbau desselben haftet, sondern auch
noch die Steuer von dem schlechten Acker.
Durch den hieraus hervorgehenden Ausfall in der Ein-
nahme kann der Pächter die Pacht, der verschuldete Eigen-
tümer die Zinsen nicht mehr aus den Gutseiukünften ent-
nehmen und das Fehlende muß dann häufig durch Verminde-
rung des Betriebskapitals und des Inventars herbeigeschafft
werden. Mit dem verminderten Inventar ist dann die gute
Bestellung des ganzen Feldes unmöglich; aber die Macht
der Gewohnheit ist so groß, die Überzeugung, daß schlechter
Acker, der noch einen bemerkbaren Rohertrag gibt, keinen
Reinertrag, sondern nur Verlust bringt, so schwer zu gewin-
nen, daß man auch in einem solchen Fall gewöhnlich lieber
das ganze Feld schlecht bestellt, als einen Teil desselben
liegen läßt, wodurch dann aber die Einkünfte des ganzen
Guts vernichtet werden können.
Nur nach mehreren solchen Erfahrungen und nach
längerer Zeit wird die landübliche Wirtschaft sich den neuen
Verhältnissen anpassen und die Kultur auf den Acker be-
schränken, der die Kosten bezahlt. Durch diesen langsamen
und schwankenden Übergang geht aber der Nation ein weit
größeres Kapital verloren, als die Abgabe selbst nötig machte.
In der Wirklichkeit, wo in der Regel ein allmähliches
Fortschreiten des Wohlstandes stattfindet, kann die Wirkung
einer neuen Abgabe nicht rein zum Vorschein kommen, denn
sie wirkt hier — falls sie nicht sehr hoch ist — nicht zer-
störend, sondern nur hemmend auf den Wachstum des
— 333 —
Nationalreichtums. In dem isolierten Staat, wo kein Fort- 336
schreiten, sondern ein beharrender Zustand stattfindet, so
lange dieser nicht durch äußere Einwirkungen gestört wird,
zeigt sich dagegen die natürliche Wirkung der neuen Ab-
gabe in dem Rückwärtsschreiten des Wohlstandes und der
Bevölkerung.
§ 35.
Wirkung der Abgabe, wenn die Konsumtion an
Korn sich gleich bleibt.
Das bisher Gesagte ist nur für den Fall gültig, wenn
durch die neue Steuer die Kornkonsumtion abnimmt. Wo
aber das Volk reich genug ist, um einen höheren Preis für
das Getreide bezahlen zu können, iind die Konsumtion selbst
sich gleich bleibt, da ist die Wirkung der Auflagen ganz
anders.
Wenn z. B. in dem isolierten Staate die entfernten
Gegenden infolge der Abgabe aufhören, Korn nach der
Stadt zu liefern, so entsteht hieraus augenblicklich Mangel
in der Stadt; der Mangel erzeugt höhere Preise, der höhere
Preis macht es den entfernten Gegenden wieder möglieh, Korn
für die Stadt zu bauen, und so ist das Gleichgewicht wieder
hergestellt. Da nun der Bedarf der Stadt nicht anders be-
friedigt werden kann, als wenn der Kornbau sich bis auf
31,5 Meilen von der Stadt ausdehnt: so muß der Preis des
Korns auch so hoch steigen, daß dem entferntesten Gut nicht
bloß die Produktions- und Transportkosten des Getreides,
sondern auch die neu hinzugekommene Auflage ersetzt wird.
In diesem Fall muß also der Konsument des Korns die
ganze auf den Ackerbau gelegte Abgabe bezahlen.
— 334 —
Nacli den Lehren des physiokratischen Systems fallen
alle auf die Gewerbe gelegten Abgaben doch zuletzt auf den
Landbau zurück. Wenn ein Handwerker z.B. eine Gewerbe-
337 Steuer von 10 Tlr. bezahlen muß, so legt er diese 10 Tlr.
z\par aus, aber um bestehen zu können, muß er den Preis
seiner Waren so weit erhöhen, daß er die gemachte Auslage
wieder ersetzt erhält. Diesen Ansichten zu Folge wäre es
viel zweckmäßiger, die Abgabe direkt auf den Landbau zu
legen, als sie durch einen weiten Umweg von demselben
zu erheben.
Wir haben aber gesehen, daß die auf den Landwirt ge-
legte Abgabe nicht von ihm selbst, sondern von dem Kon-
sumenten des Korns bezahlt wird — wenn die Konsumtion
dieselbe bleibt.
Während nun Landwirte und Gewerbetreibende die ihnen
aufgelegte Abgabe von sich auf Andere wälzen, können da-
gegen die von Besoldungen lebenden Staatsdiener den Preis
ilirer Arbeit nicht eigenmächtig erhöhen, und diese müssen
nicht bloß die ihnen selbst aufgelegte Abgabe, sondern auch
den erhöhten Preis aller Lebensbedürfnisse bezahlen. Unter
diesen Umständen werden sich aber keine Konkurrenten zu
den Staatsämtern mehr finden, und der Staat wird ge-
zwungen werden, die Besoldungen seiner Beamten so weit
zu erhöhen, daß die Abgabe selbst und die erhöhten Preise
aUer Bedürfnisse dadurch vergütet werden.
Es scheint demnach, daß, mit Ausnahme der von ihren
Zinsen lebenden Kapitalisten, jeder andere Stand für die
Abgabe entschädigt wird, und daß der Staat die Abgaben
bis aufs äußerste erhöhen kann, ohne dadurch das Wohl
des Ganzen zu gefährden, indem von allen seinen tätigen
Bürgern kein einziger dadurch bedrückt wird, weil jeder die
Abgabe nur vorschießt, nicht selbst bezahlt.
— 335 —
Die Schlüsse, wodurch wir dieses sehr auffallende Resul-
tat erhalten, beruhen auf der Voraussetzung, daß nach der
Einführung der Abgabe die Konsumtion dieselbe bleibt, und
wir haben nun zu untersuchen, ob diese Voraussetzung richtig 338
ist, oder nicht.
Wie wir bereits im § 33 erwähnt haben, wird der Preis
des Getreides nicht einseitig durch den Betrag der Kosten,
den das Zumarktbringen desselben dem Landwirt verursacht^
sondern zugleich auch durch das Vermögen der Konsumenten,
diesen Preis zahlen zu können, bedingt.
In der Stadt sowohl als auf dem Lande gibt es eine
große Menge Menschen , deren Einkommen nur gerade liin-
reicht, die notwendigsten Bedürfnisse zu erkaufen. Steigt
der Preis des Gretreides, so reicht ihr Einkommen oder ihr
Erwerb nicht hin, sich dasselbe in genügender Menge zu ver-
schaffen. Wie unentbehrlich das Getreide auch sein mag,
immer kann der ärmere Konsument nicht mehr dafür hin-
geben, als sein Erwerb und sein Vermögen zusammen be-
tragen : reicht beides nicht aus, so muß er sich mit kleineren
Quantitäten behelfen, also hungern und zuletzt umkommen,
wenn er nicht auf Kosten der übrigen Staatsbürger eine
Unterstützung aus der Armenkasse erhält.
Gesetzt nun, es stiege in dem isolierten Staat, infolge
einer direkt oder indirekt auf den Ackerbau fallenden Abgabe,
der Preis des Getreides : so muß, weil die ärmeren Bewohner
der Stadt diesen Preis nicht zahlen können, die Konsumtion
abnehmen. Da aber in dem Augenblicke, wo die Abgabe
eingeführt wird, die Produktion noch nicht abgenommen hat,
und also kein wirklicher Mangel an Getreide stattfindeu
kann: so muß durch die verminderte Konsumtion Überfluß
an Getreide entstehen, der Preis desselben wieder fallen und
zwar so tief fallen, daß auch die ärmere Klasse sich das-
selbe wieder in genügender Menge verschaffen kann, d. h.
— 336 —
das Getreide sinkt wieder bis zu seinem vorigen Mittelpreise
herunter.
339 Bei diesem Mittelpreise kann aber der Ackerbau, nach-
dem derselbe mit einer Abgabe belastet ist, nicht mehr in
der bisherigen Ausdehnung betrieben werden, luid es treten
nun alle im vorigen § angeführten Wirkungen der Abgabe
ein, als Verengung der kultivierten Ebene, Auswanderung
der Bewohner des verlassenen Distrikts und der Stadtbewohner,
die für diesen Distrikt arbeiteten.
Wenn der Staat im beharrenden Zustande ist, und alle
Verhältnisse im Gleichgewicht sind, so fällt der Preis, den
die Konsumenten zahlen können, mit dem Preise, wozu die
entferntesten Produzenten das Getreide liefern können, genau
zusammen, und wir haben deshalb in dem ersten Abschnitt
dieser Schrift diesen zweifachen Bestimmungsgrund des Ge-
treidepreises nicht zu berücksichtigen brauchen. Sobald
aber durch Einführung von Abgaben oder durch andere Ein-
wirkungen der Staatsgewalt das bisherige Gleichgewicht ge-
stört wird, entfernen sich auch die beiden bestimmenden
Ursachen voneinander.
Der Preis, den die Konsumenten zahlen können, steht
dann entweder unter oder über dem Preise, wozu der ent-
fernteste Produzent das Korn liefern kann. Da ersterer auf
keine Weise erhöht werden kann — wenn, wie hier voraus-
gesetzt wird, keine neuen Erwerbsquellen eröffnet werden —
so wird letzterer, im Fall er höher ist, sinken müssen, bis er
wieder mit dem ersten zusammenfällt: und dies geschieht
dadurch, daß die Kultur sich von dem Boden, der bei diesem
Preise nicht bebaut werden kann, zurückzieht und sich auf
den Boden beschränkt, der auch bei diesem Preise die Abgabe
tragen kann. Kann aber, im entgegengesetzten FaU, das
Volk einen höheren Preis für das Getreide, als den, wozu
es geliefert werden kann, zahlen: so wird zwar anfangs
dieser Lieferungspreis normieren, aber Bevölkerung und Kon-
— 337 —
sumtion werden dann rasch zunehmen, die kultivierte Ebene 340
muß sich erweitern, mit der Erweiterung steigt der Liefe-
rungspreis und steigt bis dahin, daß er mit dem Preise, den
■das Volk zahlen kann, zusammenfällt.
Diesem gemäß finden wir auch in der "Wirklichkeit in
allen reichen Ländern hohe, und in allen armen Ländern
niedrige Kornpreise.
Ein Getreidemangel, selbst eine Hungersnot in dem
nördlichen Norwegen bringt keine hohe Kornpreise weder in
den übrigen europäischen Ländern, noch in Norwegen selbst
hervor, weil das Volk zu arm ist, um hohe Preise bezahlen
zu können. Dagegen steigert ein mäßiger Kornbedarf in Lon-
don den Getreidepreis durch ganz Europa, und aus allen
Häfen des Kontinents eilen dann SchiiTe mit Getreide nach
diesem Weltmarkt.
Wir finden in unseren Tagen bei allen europäischen
Staaten ein Streben, durch hohe Zölle oder durch gänzliche
Einfuhrverbote das fremde Getreide vom inländischen Markt
zu entfernen, um durch künstlich erzeugte hohe Preise den
inländischen Ackerbau zu heben.
Daß der Ackerbau durch hohe Getreidepreise intensiv
imd extensiv gehoben wird, ist völlig begründet und geht
auch aus allen unseren bisherigen Untersuchungen hervor;
aber man hat es übersehen, daß, wenn man hohe Getreide-
preise erzwingen will, man auch zugleich das Volk reich
machen muß, um diese hohen Preise zahlen zu können. Ge-
-schieht dies nicht gleichzeitig, so ist die Erhöhung des Ge-
treidepreises nur von kurzer Dauer, und der Preis sinkt dann
Tiach einigen Jahren wieder so weit, bis er mit den Zahl-
mitteln der Konsumenten im Gleichgewicht ist. Durch die
künstliche Steigerung der Getreidepreise vertreibt man zu-
gleich die Fabriken und Manufakturen, die für das Ausland 341
arbeiten, indem diese nach den Ländern mit niedrigen Korn-
Thünen, Der isolierte Staat. 22
— 338 —
preisen wandern; dadurch werden aber die Zahlmittel der
Nation nicht vermehrt, sondern vermindert, und die endliche
Folge dieser Maßregel muß, statt der beabsichtigten Erhöhung^
Verminderung der dauernden Getreidepreise sein.
Die Wirkung, welche eine Abgabe bei ihrer ersten Ein--
führung äußert, muß von der, welche sie in ihrem letzten
Erfolg hervorbringt, genau geschieden werden, weil zwischen
beiden ein großer Unterschied stattfindet.
Die erste Einführnng einer Abgabe bringt Verarmung
und Unglück unter das Volk, weil das um den Betrag der
Abgabe verminderte Gesamteinkommen noch unter dieselbe
Menschenzahl verteilt werden soll, und weil die überflüssig
gewordenen, nicht mehr zu ernährenden Menschen nicht frei-
willig auswandern, sondern erst durch einen für alle ver-
verblichen Kampf um die Existenz gleichsam ausgelost werden
müssen, indem diejenigen, die in diesem Kampf unterliegen^
zur Auswanderung gezwungen werden.
Ist aber durch Auswanderung oder durch Verminderung
der Ehen die Menschenzahl mit dem Volkseinkommen wieder
ins Gleichgewicht getreten; so ist es keineswegs notwendig,
daß irgendein Mitglied der aktiven Stände (den Grund-
besitzer rechne ich nur in der Eigenschaft als Administrator
seines Guts, aber nicht in der Beziehung als Empfänger der
Landrente zu den aktiven Ständen) schlechter zu leben braucht,
d. h. für seine Arbeit weniger Genußmittel erhält, als vor
der Einführung der Abgabe. Denn es hängt von dem
Charakter des Volkes ab, bis zu welchem Grade
es Entbehrungen und Anstrengungen ertragen
will, ehe es sich zur Auswanderung oder zur
342 Verminderung d er Ehen entschließt. Hat nun der
Volkscharakter, demgemäß der Arbeitslohn sich gebildet hat,
durch die Einführung der Abgabe selbst keine Änderung —
die wenigstens nicht notwendig daraus hervorgeht — er-
— 339 —
litten: so werden auch die aktiven Stände, als Handwerker,
Tagelöhner, Pächter usw. nach Bezahlung der Abgabe zu
ilirem Unterhalt nicht weniger übrig behalten als früher.
Auch finden wir in der Wirklichkeit, daß in dem mit
Steuern so hart belasteten England alle diese Stände gewiß
nicht weniger gut leben, als in Rußland, wo die Abgaben
geringe sind.
Die schon lange bestehenden Abgaben sind also für die
Individuen keineswegs ein Unglück; aber der Staat selbst
hat durch diese Abgaben der Vermehrung der Menschen und
des Nationalvermögens Schranken gesetzt — er hat nicht
die Macht, den Reichtum und die Bevölkerung erlangt, die
er ohne diese Abgaben erlangt haben würde.
§ 36.
Auflagen auf Gewerbe und Fabriken.
"Wenn dem Handwerker oder Fabrikanten eine beträcht-
liche Abgabe auferlegt wird, so ist er unstreitig geneigt, sich
diese Abgabe durch Erhöhung des Preises seiner Waren
wieder ersetzen zu lassen. Bei dem höheren Preise müssen
aber viele Menschen den Verbrauch dieser Ware aufgeben
oder einschränken ; der verminderte Verbrauch bewirkt dann
einen Überfluß an Waren dieser Art, welches wiederum
ein Sinken des Preises derselben zur Folge hat.
Können die Fabrikanten und Handwerker bei diesem
Preise nicht bestehen, so muß ein Teil derselben sein Ge-
werbe verlassen und einen anderen Wohnort aufsuchen.
Nachdem dies geschehen ist, wird der Markt sparsamer ver-
sorgt, der Preis der Ware steigt wieder, und muß, da die 343
Arbeit in diesem Gewerbe nicht fortwährend geringer bezahlt
22*
— 340 —
werden kann, als in anderen Gewerben, zuletzt so hoch steigen,
daß dadurch die aufgelegte Abgabe ersetzt wird.
Indem hierdurch eine für den Landmann unentbehrliche
Ware, z. B. verarbeitetes Eisen teurer wird, steigen die Be-
arbeiiungskosten des Bodens, die Landrente des von der
Stadt entferntesten Gutes sinkt unter 0 herab, und es zeigen
sich dann dieselben, schon öfters angeführten Erscheinungen,
die eine auf den Ackerbau gelegte Abgabe hervorbringt.
Sehen wir auf die Veränderung, die der Preis der
Waren und der Produkte durch die Einführung der Abgabe
zuletzt, d. h. nach vollendeter Übergangsperiode erleidet, so
finden wir, daß die Abgabe auf den Preis der Waren und
auf den des Getreides ganz verschieden wirkt.
Der Handwerker und der Fabrikant erhalten die auf sie
gelegte Abgabe durch den erhöhten Preis ihrer Waren zu-
rück, und in dem Preise der Waren, die sie liefern, stecken
nun nicht bloß Arbeitslohn, Kapitalgewinn und Landrente,
sondern auch noch als vierter Bestandteil der Betrag der
Abgabe. Dagegen wird — wie die Betrachtungen im vorigen
§ ergeben haben — der Preis des Getreides durch eine Ab-
gabe, sei es, daß diese direkt auf den Landbau gelegt wird,
oder daß sie, auf die Gewerbe gelegt, zui* Vermehrung der
Produktionskosten des Getreides beiträgt, nicht gesteigert.
Nun wissen wir aber ebenfalls aus den Betrachtungen
im vorigen § , daß , wenn der Volkscharakter sich nicht
ändert, alle aktiven Staatsbürger, also auch die Landbebauer,
nach Einführung der Abgabe und nach vollendeter Wirkung
derselben noch eben so reichlich ihren Unterhalt sich erwerben
können als früher, und es fragt sich nun, woher denn die
Landbebauer die Entschädigung für die Abgabe nehmen, da
344 dieses nicht wie bei den Gewerbetreibenden durch Erhöhung
des Preises ihrer Arbeitsprodukte geschehen kann.
Der Ackerbau unterscheidet sich darin sehr wesentlich
von den Gewerben, daß derselbe, auf verschiedenen Boden-
— 341 —
arten betriebeu, die uämliche menschliche Anstrengung mit
einer sehr verschiedenen Quantität von Erzeugnissen belohnt,
während bei den Gewerben dieselbe Tätigkeit and Geschick-
lichkeit auch immer ein gleiches Arbeitsprodukt liefert.
Wenn eine Abgabe auf die Gewerbe gelegt werden
könnte, der sich diese durch Erhöhung der Preise ihrer Waren
nicht entziehen könnten, oder wenn durch künstliche Maß-
regeln die Getreidepreise fortwährend über ihrem natüi'lichen
Stand erhalten werden könnten, so würde dies — unter
Voraussetzung gleicher Geschicklichkeit und Arbeitsfähigkeit
— alle Gewerbetreibenden gleich stark treffen, und die Ge-
werbe würden, wenn die Belastung stark genug wäre, sämt-
lich und auf einmal dadurch niedergedrückt werden.
Bei der Landwirtschaft kann aber eine mit der Größe
des Betriebs im Verhältnis stehende Abgabe nur den An-
bau des schlechteren Gutes — in dem isolierten Staat des
entfernteren Gutes — vernichten, aber nicht zugleich den des
durch seinen Boden oder durch seine Lage begünstigten besseren
Gutes; und das Problem, wie der Landbebauer auch nach
Bezalilung der Abgabe noch ebensogut leben könne als
früher, löst sich dadurch, daß derselbe sich von dem schlech-
teren Boden zurückzieht und seine Tätigkeit auf den Anbau
des besseren Bodens beschränkt, der auch nach Entrichtung
der Abgabe die Arbeit des Tagelöhners, des Pächters oder
des Administrators ebensogut lohnt, Avie früher der schlechtere
Boden, der von keiner Abgabe belastet war.
Richten wir nun unseren Blick auf den Einfluß, den die
Abgabe in dem isoliei^ten Staat auf den Umfang der Gewerbe
und des Landbaues ausgeübt hat, so finden wir, daß alle
in gleichem Verhältnis gelitten haben. Hat z. B. der Um-
fang des Landbaues um ^/lo abgenommen , so haben alle 345
für den Landbau arbeitenden Gewerbe ebenfalls um ^/lo an
Umfang, Kapital und Menschenzahl abgenommen — und
diese Wirkung der Abgabe bleibt dieselbe, sie mag auf ein
— 342 —
einzelnes unentbehrliches Gewerbe, oder auf die gesamten
Gewerbe oder auf den Landbau gelegt sein.
So wie am mensclilichen Körper kein Glied verletzt
werden kann, ohne daß der ganze Körper mit leidet, so kann
auch in dem isolierten Staat weder ein einzelnes Gewerbe,
noch der Landbau mit einer Abgabe belastet werden, ohne
daß alle anderen Stände davon mit ergriifen werden.
Ganz anders verhält sich dies in der Wirklichkeit, wenn
melirere Staaten miteinander in Berührung kommen.
Wenn in einem europäischen Staat mit freiem Handels-
verkehr ein Gewerbe zu stark mit Abgaben belegt wird, so
kann der Gewerbetreibende sich nicht durch eine Erhöhung
des Preises seiner Ware entschädigen, weil diese Ware in
anderen Ländern, wo keine solche Abgabe existiert, noch
eben so wohlfeil wie früher fabriziert wird, und zu einem
Preise eingeführt werden kann, Avofür das inländische Ge-
werbe sie nicht zu liefern vermag. Hier kann also ein Ge-
werbe durch die demselben aufgelegte Abgabe ganz nieder-
gedrückt werden, während die anderen Stände fast unver-
letzt bleiben, und die durch die Abgabe bewirkte Abnahme
an Reichtum und Volksmenge zeigt sich hier an einem ein-
zelnen Gliede der bürgerlichen Gesellschaft. Der Staat mag
dadurch, in einzelnen Fällen, an absolutem Reichtum und an
Yolksmenge vielleicht nicht melir verlieren, als wenn die
Abgabe unter alle Stände gleich verteilt wäre; aber allemal
wird dadurch die harmonische Gliederung des Ganzen zer-
stört.
346 Auf diese Weise ist aber der Wohlstand der einzelnen
Stände eines Staates nicht bloß von den Abgaben, die in
diesem Staat aufgelegt werden, sondern auch von dem Ab-
gabensj^stem anderer Staaten, mit denen dieser im freien
Handelsverkehr steht, abhängig. Lasteten z. B. in zwei
Staaten A. und B. auf einem Gewerbe bisher gleiche Ab-
gaben, und der Staat A. hebt diese Abgabe auf, oder führt
— 343 —
«ine Ausfuhrprämie ein, so muß der Staat B. ebenfalls die
Abgabe aufheben oder Einfuhrzölle anlegen, wenn der Wohl-
stand derer, die dies Gewerbe im Staat B. betreiben, nicht
gefährdet werden soll.
Um die harmonische Gliederung des Ganzen zu erhalten,
muß also der Staat B. das schwere Opfer bringen, die Ab-
gaben oder die Zölle stets nach den Launen des anderen
Staates zu ändern.
Ob nun die Erhaltung des Gleichgewichts in dem Wohl-
stande der einzelnen Stände dieses Opfer wert sei, ob der
minder reiche Staat in seinem Abgabensystem nie zur Unab-
hängigkeit gelangen, sondern stets der Spielball des reichen
Staates bleiben soll — dies zu beurteilen gehört der prak-
tischen Staatswirtschaft an, die außer meinem Kreise liegt.
Konsumtionssteuer und Kopfsteuer.
Konsumtionsteuern auf solche Waren gelegt, die nicht
zu den notwendigen Bedürfnissen gehören und die von den
ärmeren Klassen des Volkes ganz entbehrt werden können,
beschränken den Luxus der Reichen und Wohlhabenden, ohne
die Ausbreitung der Kultur des Bodens und die nützliche
Anwendung von Kapitalien zu hindern. Sie sind nur nach-
teilig für diejenigen, die mit der Hervorbringung und Ver-
arbeitung der Luxuswaren beschäftigt sind : denn die Steuer
vermindert den Gebrauch dieser Waren, und ein Teil dieser 347
Menschen verliert dadurch seinen Erwerb ; aber diese Klasse
von Arbeitern ist weder so zahlreich noch so wichtig für den
— 344 —
Staat wie diejenige, die sich mit der Verarbeitung der not-
wendigen Lebensbedürfnisse beschäftigt.
Wird die Steuer auf Luxuswaren, die aus dem Aus-
lande kommen, gelegt, so verlieren dadurch bloß die Kauf-
leute, Schiffer und Frachtfahrer, die den Transport dieser
Waren besorgen, ihren Erwerb.
Konsumtionssteuern auf die unentbehrlichen Bedürfnisse
des gemeinen Mannes gelegt, sind weit nachteihger als die
Kopfsteuern. Denn einesteils ist die Erhebung der Konsum-
tionssteuer so kostspielig, daß dadurch ein großer Teil der
Einnahme wieder verschlungen wird, weshalb denn den
Untertanen weit melir entnommen werden muß, als die
Staatskasse bedarf und empfängt; anderenteils trifft diese
Steuer auch den wirklich Hilfsbedürftigen, der nur von der
Wohltätigkeit anderer Menschen lebt; während die Kopf-
steuer doch nur von denjenigen Personen erhoben wird, die
einen Erwerb und ein wirkliches Einkommen besitzen.
Die Kopfsteuer, welche für die ungleichste aller Abgaben
gilt, weü sie ohne Rücksicht auf Einkommen und Vermögen
von dem Armen so viel nimmt als von dem Reichen, übt
doch, wenn sie schon lange eingeführt gewesen ist, keine
fortdauernd störende Wirkungen auf das Glück der Unter-
tanen aus: denn der gemeine Arbeiter muß so viel verdienen,
daß er seine Familie ernähren imd zugleich die Kopfsteuer
bezahlen kann. Dem Arbeiter muß also die Steuer durch
einen erhöhten Arbeitslohn ersetzt werden, und er lebt nicht
minder glücklich, als der Arbeiter in einem anderen Staat^
wo gar keine Kopfsteuer existiert.
348 Ganz anders aber ist die Wirkung der Steuer, wenn sie
erst eingeführt wird, welches sich am klarsten in dem iso-
lierten Staat übersehen läßt.
Der Arbeiter, dessen Verdienst fast überall nur hinreicht,
seine notwendigsten Bedürfnisse zu erkaufen, wird, wenn er
eine Kopfsteuer bezahlen soll, einen größeren Arbeitslohn als
— 345 —
bisher haben müssen. Die Erhöhung des Arbeitslohnes
bringt aber die Landrente des entferntesten Gutes unter 0
und hebt die Kultur dieses Bodens auf. Dadurch verlieren
aber alle Arbeiter, die bisher hier lebten, gänzlich ihren
Erwerb und ihren Unterhalt : es muß also unter dieser
Menschenklasse eine grenzenlose Not entstehen, die nur da-
dm-ch gehoben werden kann, daß alle durch die Beschrän-
kung der Kultur des Bodens entbehrlich gewordenen Men-
schen auswandern.
Sobald dies geschehen ist, können die im Lande ge-
bliebenen Arbeiter ihren Lohn steigern, und die Güter, wel-
che in Kultur geblieben sind, können, weil sie eine Land-
rente geben, auf Kosten dieser Landrente einen erhöhten
Arbeitslohn bezahlen.
Da auf diese Weise jede länger bestandene Auflage,
wenn sie nur nicht willküiiich und unbestimmt ist, mit den
Yerhältnissen des Staates in ein gewisses Gleichgewicht ge-
treten ist, oder da vielmehr der Staat dieser Auflage gemäß
sich gebildet hat, und der Untertan dann den Druck der
Abgabe nicht mehr empfindet; wogegen andererseits jede
neue oder veränderte Auflage, wie ein Eingriff in das Eigen-
tum wirkt, indem dadurch unfehlbar einige Zweige der Kultur
oder der Industrie beschränkt und die damit beschäftigt
gewesenen Menschen • — wenigstens so lange bis sie zu einem
anderen Fach übergegangen sind — unverdienterweise brotlos
werden : so möchte man hieraus wohl schließen dürfen, daß
die Ungleichheit der Abgaben ein weit geringeres Übel sei,
als die häufige Veränderung derselben.
346 —
349
Auflagen auf die Landreute.
Wenn der Eigentümer eines Gutes einen Teil der Land-
rente, die das Gut ihm bringt, an den Staat abgeben muß,
so ändert dies in der Form und der Ausdehnung der Wirt-
schaft gar nichts. Diejenigen Güter, deren Landrente nahe
an 0 ist, tragen zu dieser Abgabe sehr wenig bei, und das
entfernteste oder schlechteste Gut wird davon gar nicht er-
griffen. Diese Abgabe kann also so wenig auf die Ausdeh-
nung der Kultur, als auf die Bevölkerung, die Anwendung
des Kapitals und die Quantität der erzeugten Produkte einen
nachteiligen Einfluß äußern : ja. wenn die ganze Landrente
von der Abgabe liinweggenommen würde, bliebe die Kultur
des Bodens dennoch, wie sie gewesen ist.
Auch in anderer Eücksicht mag es für das Wohl der
Nation gleichgültig sein, ob die Landrente in den Händen
des Regenten oder des Eigentümers und Kapitalisten ist;
denn in beiden Fällen wird sie gewöhnlich unproduktiv ver-
wandt.
Öfters ist die Landrente w^eit mehr in den Händen der
Kapitalisten als der Eigentümer, die zwai- den Titel des Be-
sitzers führen, aber wenn sie einigermaßen verschuldet sind,
den größeren Teil der Landrente als Zinsen an die Kapita-
listen abgeben müssen.
Ob nun der Kapitalist und der reiche Landeigentümer
durch die Unterhaltung vieler Bedienten und Luxuspferde,
und durch den Verbrauch von Luxuswaren die Landrente
verzeliren, oder ob der Staat, wenn derselbe im Besitz der
Landrente ist, diese auf die Unterhaltung des Militärs ver-
wendet, mag auf den Nationalreichtum keinen wesentlich
verschiedenen Einfluß ausüben.
— 347 —
So wie die Landrente nicht durch Yerwendung von
Arbeit und Kapital, sondern durch den zufälligen Vorzug
in der Lage des Gutes oder der Beschaffenheit des Bodens 350
entstanden ist, so kann sie auch wieder hinweggenommen
werden, ohne daß dadurch die Verwendung von Kapital und
Arbeit gestört oder vermindert wird.
In dem isolierten Staat betrachten wii- die Landwirt-
schaft in einem beharrenden oder gleichbleibenden Zustande
und setzen voraus, daß die Wirtschaft auf allen Gütern mit
gleicher Kenntnis und gleicher Konsequenz betrieben werde.
Beides ist in Wirklichkeit nicht der Fall, und es ent-
steht die Frage, was man hier Landrente nennen könne,
und wie ihre Größe auszumitteln sei.
Bei der Verschiedenheit von Tätigkeit und Kenntnis,
womit die Landwirtschaft betrieben wird, können zwei Güter
von gleicher Lage und gleichem Boden doch einen sehr ver-
schiedenen Reinertrag geben ; aber man kann deshalb dem
schlecht bewirtschafteten Gut keinen geringeren Wert und
keine geringere Landrente beimessen, als dem anderen Gut.
Der unterschied rührt bloß von der Persönlichkeit des Be-
wirtschafters her und verschwindet wieder, sobald der Be-
wirtschafter durch einen anderen ersetzt wird. Nur das
Dauernde an einem Gute, die Lage und der Boden, nicht
das Zufällige und Vergängliche, die Person des Landwirtes,
kann den Wert und die Landrente eines Gutes bestimmen.
Die Landrente des einzelnen Gutes kann also nicht durch
den Reinertrag desselben bestimmt werden; aber die Land-
rente entspringt wiederum nur aus dem Reinertrag, "weil
sie nichts anderes ist als der Reinertrag, nach Abzug der
Zinsen des in den Gebäuden und anderen sich auf dem Gute
befindenden Wertgegenständeu steckenden Kapitals.
Derjenige Reinertrag, den ein Gut in der landüblichen
AVirtschaft, bei einer gewöhnlichen, weder ausgezeichnet
großen nocn geringen Tätigkeit und Kenntnis des Bewirf-
— 348 —
351 schafters gibt oder geben tann, dient zur Norm für die Be-
stimmung der Landrente.
Die Wirkung einer gewöhnlichen Tätigkeit und Kennt-
nis ist aber nur zu bestimmen aus der Größe des Produktes,
welches durch die Bemühung aller Landwirte eines ganzen
Landes oder einer Provinz hervorgebracht wird.
Die Totalsumme des Reinertrages aller Güter eines ganzen
Landes nach Abzug der Zinsen vom Wert der Gebäude usw.
gibt die Summe der Landrente, und diese, nach Verhältnis
der Güte des Bodens und der Lage auf die einzelnen Güter
verteilt, gibt die Landrente des einzelnen Gutes.
Es ergibt sich hieraus, wie schwierig es sein muß, die
wirkliche Landrente eines Gutes auszumitteln, und es wäre
schon deshalb nicht zu verwunderu, wenn wir finden, daß
in der Praxis fast alle Versuche dieser Art höchst verfehlt
sind ; aber gar sehr verschlimmert ist die Sache dadurch, daß
man in der Regel bei den Abschätzungen von ganz falschen
Grundsätzen ausgegangen ist. Man kann sich nicht über-
zeugen, daß es kultivierten Acker gibt, der gar keine Land-
rente abwirft, sondern man glaubt schon viel zu tun, wenn
man 4 oder 6 DR- des schlechtesten Ackers im Wert gleich
einer Quadratrute des besten Ackers rechnet ; so wenig aber
aus 6 mal 0 eins werden kann, so wenig können auch G DR.
des schlechtesten Bodens den Wert von 1 DR. des besten
Bodens haben. Dann verwechselt man ferner nur zu oft
die Landrente mit den Zinsen des auf den Landbau ge-
wandten Kapitals. Ein Gut, welches keinen größeren Über-
schuß gewähi't, als den Betrag der Zinsen vom Wert der
Gebäude, vom Inventar, vom Betriebskapital usw. gibt gar
keine Landrente, obgleich es seinem Besitzer ein Einkommen
352 verschafft. Jede auf die vermeinte Landrente eines solchen
Gutes gelegte Abgabe wirkt eben so nachteilig auf die Kultur
des Bodens, als Kopfsteuer, Viehsteuer usw.
— 349 —
Wenn die Landrente zum Zweck der Belegung mit Ab-
gaben genau und richtig bestimmt "werden sollte, so würden
hierzu Männer erfordert, die sich eigens dem Studium dieses
Zweiges der Wissenschaft gewidmet hätten, und die dann ihr
ganzes Leben hindurch kein anderes Geschäft betrieben. Da-
durch würde aber die Ausmittelung der Landrente sehr kost-
spielig werden, und dies würde den Vorzug, den die Auflage
auf die Landrente durch ihre wenig kostende Erhebung vor
den meisten anderen Steuern hat. zum Teü wieder auf-
wiegen.
Die Landrente ist aber in der Wirklichkeit keine be-
ständige, sondern eine sehr veränderliche G-röße: denn jede
Änderung in der landübhchen Wh'tschaft, in dem Preise der
Produkte, in dem Zinsfuß usw., wirkt auf die Größe der
Landrente in einem ungemein hohen Grade. Wird nun die
Auflage auf die Landrente ein für allemal festgesetzt, und
steigt die Abgabe nicht, wenn die Landrente- steigt, so ist
nach einem Jahrhundert der Ertrag dieser Abgabe schon
außer allem Verhältnis mit der wirklichen Landrente und
mit den Bedürfnissen des Staates. Soll aber die Steuer mit
der Landrente steigen, so erfordert dies oft wiederholte sehr
kostspielige Abschätzungen der Güter, und was das Sclilimmste
ist, die Furcht vor der Erhöhung der Steuer hält die Land-
wirte von Verbesserungen ab und lähmt die Fortschritte der
Kultm\
In dem isolierten Staat nahmen wir an. daß der Ertrag
des Bodens unverändert bleibe, und dort konnte die ganze
Landrente dem Staat angehören, ohne daß dies auf die Kultm-
des Bodens einen nachteihgen Einfluß hatte. In der Wirk-
lichkeit findet aber mehr oder weniger ein stetes Streben
nach einem höheren Ertrag statt, und die Möglichkeit den-
selben zu erreichen, läßt sich fast überall nachweisen. Die 353
Verbesserung des Bodens, wodurch ein höherer Erti-ag be-
— 350 —
wirkt wird, erfordert aber fast immer bedeutende Kosten^
und in manchen Fällen betragen die Zinsen des auf die Ver-
besserung verwandten Kapitals fast ebensoviel als der Be-
trag, um welchen der Reinertrag des Gutes gestiegen ist.
Ist die Melioration von der Art, daß ihre Wirkung nicht
wieder aufhört, sondern stets fortdauert, so wird auch die
Landrente des Gutes dadurch für immer erhöht. Dieser
Zuwachs zur Landrente ist aber in der Entstehung sehr ver-
schieden von der älteren Landrente; anstatt daß diese ohne
Mühe und ohne Zutun des Besitzers durch den bloßen Vor-
zug des Bodens oder der Lage des Gutes entstanden ist, muß
jener Zuwachs durch die Verwendung eines Kapitals erkauft
werden.
Es gibt manche Verbesserungen, die, wenn sie einmal
gemacht sind, nicht wieder zurückgenommen werden können,
und die sich der Auflage ebensowenig entziehen können,
als die ältere Landrente, z. B. die Verbesserung der physischen
Beschaffenheit des Bodens durch Lehmauffahren, die Ent-
wässerung von Sümpfen durch Kanäle usw. Insofern als
die Abgabe diese Werke nicht wieder zerstört, ist sie also
unschädlich; aber sie wirkt höchst nachteilig dadurch, daß
sie von ferneren Verbesserungen dieser Art abschreckt und
zurückbehält.
Nun gibt es aber wohl keine Verwendung des Kapitals,
die wohltätiger auf den ganzen Staat wirkte, als die auf
die Verbesserung des Bodens und auf die Erhöhung der
Kultur desselben gerichtete: denn wir haben oben gesehen,
daß, wenn in dem isolierten Staat die Produktion von 8 auf
10 Körner steigt, dann die Volksmenge in der Stadt um
ungefähr 50% steigen kann, ohne daß der Getreidepreis
erhöht zu werden braucht.
354 Da also die Zunahme eines Staates an Wohlstand, Macht
und Bevölkerung in unmittelbarer Verbindung mit der Zu-
nahme der intensiven Kultur des Bodens steht: so ist eine
— 351 —
Abgabe vom Boden, die oicht für lauge Zeiträume — min-
destens für ein Jahrhundert — unverändert bleibt, sondern
mit der Pacht, die derselbe gibt, steigt und fällt, und so die
Verbesserung des Bodens mit belastet und diese dadurch
hindert — unter allen Abgaben vielleicht diejenige, die den
Wachstum des Staates am meisten hemmt.
Anhang'.
355 Bemerkung 1 zu § 7.
Fruchtfolgen auf dem Gute Tellow,
A. Zeliüschlägige "Wirtschaft auf dem dem Hofe nahe
liegenden Teil des Ackers:
1. Brache gedüngt,
2. Raps,
3. Weizen,
4. Weide,
5. Hafer,
6. Kartoffeln,
7. Erbsen und Bohnen,
8. Weizen gedüngt, oder Gerste uugedüngt,
9. Mähklee,
10. Weide.
Jeder Schlag ist zirka 7000 DR- groß.
Im 7ten Schlage wird zu den Bohnen im Frühjahr ge-
düngt ; wo Erbsen stehen, wird nach Aberntung derselben zum
Weizen gedüngt. Reicht der Dung nicht aus, so wird der
ungedüngt bleibende Teil der Erbsenstoppel im folgenden
Frühjahr mit Gerste besät.
B. Fünfschlägige Wirtschaft auf dem vom Hofe ent-
fernter liegenden Acker:
1. Brache gedüngt,
2. Roggen und Weizen,
356 3. Hafer und Gerste,
— 353 —
4. Weide,
5. Weide.
Jeder Schlag enthält zirka 14600 DK-*:
Die Verbindung zwischen beiden Rotationen zeigt die
nachstehende Figur.
V. w.
In der zehnschlägigen Wirtschaft wechseln Brache und
Kartoffeln alle 5 Jahre ihre Stelle, so daß der Schlag Nr. 1, 357
welcher jetzt Brache ist, nach 5 Jahren Kartoffeln trägt, und
■der jetzt mit Kartoffeln bestellte Schlag Nr. 6 dann gebracht
wird. Aus diesem Wechsel geht nun die oben angeführte
rrachtfolge hervor.
*) Durch die Besamung" des sandigen Teils des Ackers mit
Kiefern ist die Ackerfläche, welche früher 160000 QR. betrug,
jetzt auf 143000 {JR. beschränkt.
Thünen, Der isolierte Staat. 23
— 3Ö4 —
Durch diese beiden Rotationen und ihre Verbindung mit-
einander wird erreicht:
1. daß auf dem näheren Acker, wo alle Arbeiten sehr
bedeutend wohlfeiler zu stehen kommen als auf
dem entlegenen, eine relativ größere Fläche zum An-
bau von Früchten, zu welchen geackert und gedüngt
werden muß, auf dem entfernteren Acker dagegen ein
relativ größei'er Teil zur Weide benutzt wird;
2. daß man immer zu der Weide des entfernten Ackers
gelangen kann, ohne auf dem vorderen Acker Vieh-
triften liegen zu lassen:
3. daß ein Fortschreiten der Kultur und des Bodenreich-
tums keine Abänderung der Fruchtfolge nötig macht,
indem jeder Zuwachs an Reichtum, in der Ausdehnung
der 10 schlägigen Wirtschaft auf Kosten der 5 schlägigen,
eine vorteilhafte Anwendung findet':
4. daß die dreijährige Weide, die in der Gras- und be-
sonders in der Dungproduktion gegen die einjährige
und zweijährige Weide so sehr zurücksteht, wegfällt,.
und die Wirtschaft — auf gutem Boden — dennoch
eine bereichernde bleibt.
Von beiden Rotationen folgen nachstehend die statischen
Tableaus, in welchen aber zur Vereinfachung der Rechnung
und der Übersicht jeder Sclüag als nur mit einer Fruchtart
bestanden angenommen ist.
Bei der Entwerfung dieser Tableaus habe ich meine zu
verschiedenen Zeiten seit 36 Jahren aufgefaßten und nieder-
358 geschriebenen statischen Ansichten nochmals einer Revision
unterworfen, die Resultate meiner über ein und dasselbe Gut
geführten Rechnungen aus einer dreißigjährigen Periode zu-
sammengestellt und diese dann zur Grundlage der für den
hiesigen Boden und die hiesigen Verhältnisse entworfenen
Tableaus genommen.
Auf eine Erläuterung imd Begründung der darin auf-
— 355 —
gestellten Sätze — welche ich anfangs beabsichtigte — habe
ich Verzicht leisten müssen, weil ich fand, daß jede Nach-
weisung auf eine frühere Untersuchung zurückführte, welche
eine neue Nachweisung und diese endlich eine Mitteilung
der Erfalu'ungen und Rechnungen, worauf sie sich gründet,
nötig gemacht hätte — was mit dem Gegenstand und der
Tendenz dieser Sclirift sich nicht vereinigen ließ.
23*
statisches Tabieau einei
auf Boden voa 3,4'^ Qualitä
Frucht folge.
Jeder Schlag enthält 1000 QR-
Ertrags-
Reichtum Fähigkeit für
Eoggen I
nach Brache
Scheffel '
Faktor
der
Kultur
1. Eap< .
2. Weizen
3. Weide, gegipst
4. Hafer
6. Kartoffeln . . . '
Gedüngt mit 73,3 Fuder, »3,4° =
Eeichtum zu Kartoffeln . .
6. Erhseu
7. Weizen ........
923°
843"
721,9»
755,8°
673,s°
249,,«
Gedüngt mit 54,25 Fuder, ä 3,4° :
Eeichtum an Weizen . . .
8. Klee zum Mähen, gegipst
9. Weide
10. Brache
Die Beweidung der Brache gibt ■ -f-
Die Fruchtfolge liefert
einen Ersatz von . 183.83 F.Dg.
Davon sind bereits
verwandt 73.3-{- 54,25= 127,65 F.
Zur Bedimgung der
Brache bleiben . . 56.„..
923«
815,8«
738,5«
+ 184,5«
120
109,59
1
0
93,85
-
98,25
1
120
106.05
0
1
923°
804,2«
779,-0
807,2«
r. 0
^)6
56,0, Fud. Dg. ä 3,4° sind =
+ 190„o
Der '2te Umlauf beginnt mit . . .
Der Eeichtum hat in einem Umlauf
zugenommen um
also jährl. um 8,05«, d. i. um 0,87 «/o
des anfäiigliclien Eeichtums.
1003,,
80,.
120
104,55
101,36
104.93
0,S5
lOschlägigen Wirtschaft,
und 0,13 Tätigkeit.
100« Er-
Ertrag
der ge-
gebenen
Frucht
1
Ertrag
Bereicherung
Ertragsfähig-
tragsfähig-
Aussau-
Ganze
von Klee
des Bodens
keit im ge-
gebenen Fall
keit liefern
eine Ernte
gung pr.
Scheffel
Aus-
saugung
u. Weide
auf Heu
durch die
Weide und
von
reduziert
Brache
Scheffel
Scheffel
Scheffel
Grad
Grad
Zentner
Grad
120
60
72
Im"
800
104,11
93,1
Zentner
96,0
1,25»
121,1°
—
174
Scheffel
—
163,3
33,9«
98,25
167
164,1
0,5«
820
114
1000
1140
0,094
107,^0
106,05
81
85,9
0,9«
77,3«
102
93,1
95
1,25«
118,8°
Zentner
Zentner
i
—
260
—
0,09
24,5°
271,8
—
131
—
—
132,8
27,5«
26
27,3
5,0«
Berechnung des Ersatzes der an
Die Ernte
beträgt au
Korn und
Kartoffeln
Scheffel
1. Raps
2. Weizen
3. Weide
4. Hafer
5. Kartoffeln (in Schfl. ä 100 jT?.)
Davon gehen ab :
1. zur Saat 100 Scheffel
2. Untermaß 114 „
Zur Dungproduktion bleiben
6. Erbsen
7. Weizen
8. Klee zum Mähen
9. Weide
10. Brache
Summe
72
96,«
164,1
1140
214
926
85,9
95
geführten 10 schlägigen Wirtschaft.
Mit 1 Scheffel
wird an Stroh
geerntet
Die Ernte
beträgt au
Stroh
Faktor
des Dung-
werts
Dunggewinn
aus Stroh,
Kartoffelnund
Heu in Nor-
mal-Fudern
ausgedrückt
Dunggewinn
aus der Weide
durch nächtl.
Einstallung
des Viehes
tt
Zentner
Fuder
Fuder
167
120
^)21
13,20
190
184,1
2,ai
20,34
—
—
—
—
")9Ö
64.5
105,s
2,n
11,6a
_
0,96
44,«
213
183
2,ao
21,0.
190
180,5
Heu
2,21
19,95
—
271,8
^,44
33,ie
—
—
—
8,10
—
—
—
1,67
163,90
1",73
183,6
statisches Tableau einer!
auf Boden von 3,2*^
Fruchtfolge.
Jeder Schlag enthält 1000 QR-
Eeich-
tum
Grad
Ertrag-s-
fähigkeit Faktor
für Eoggeu der
nach Brache Kultur
Scheffel
1. Roggen 600°
2. Hafer ÖOO»
3. einjährige Weide, gegipst 430,3°
4. zweijährige Weide 454,9"
5. Brache 468,2"
Die Beweidung der Brache gibt + 4,4°
Die Fruchtfolge liefert einen Ersatz von 46,6i
Fuder Dung ä 3,2° = j + 149,2°
Der 2te Umlauf beginnt mit 621,8°
Der Reichtum hat in einem Umlauf zuge-
nommen um
also jährlich um 4,3^°, d. i. um
0,73 pCt. des anfänglichen
Reichtums.
21.«°
100
83,33
71.75
Berechnung des Ersatzes.
Die Kornernte
beträgt
Scheffel
Mit 1 Scheffel
wird an Stroh
geerntet
Pfund
1. Roggen
100
139,1
190
2. Hafer
3. einjährige Weide
4. zweijährige Weide
5. Brache
64,5
Sschiägigen Koppelwirtschaft
Qualität und i;>; Tätigkeit.
100« Er-
Ertrag
der ge-
gebenen
Frucht
Ertrag
Bereicherung
Ertragsfähig-
tragsfähig-
Aussau-
Ganze von Klee
des Bodens
keit im ge-
keit liefern
gung pr.
Aus- u. Weide
durch die
gebenen Fall
eine Ernte
Scheffel
saugung auf Heu
Weide und
von
reduziert
Brache
Scheffel
Scheffel
Scheffel
Grad
Grad | Zentner
Grad
100
100
100
10
100"
79,16
175,,
Zentner
139,1
0,5«
69,5°
—
174
—
—
124,s
24./
—
145
—
—
—
110,0
13,3°
29
22,6
4,1«
Die Strohernte
beträgt
Zentner
Faktor
des
Dungwerts
Dunggewinn
aus dem Stroh
in Normal-Fudern
ausgedrückt
Fuder
Dunggewinn aus
der Weide durch
nächtliche Ein-
stallung des Viehes
Fuder
190
89,7
2
2,21
21,0
9,91
'^jBl
6,71
1,38
30,01
15,70
46,
— 362 —
359 Bemerkung 2 zu § 10.
Auf dem Mittelboden, den wir unseren Untersuchungen
im isolierten Staat zugrunde gelegt haben , kostet die
Mürbebrache weniger Arbeit als die Dreeschbrache, weil
1. die Pflugfurche zum Aufbruch des Dreesches ganz er-
spart wird; und
2. weil der sehr beträchtliche Teil des Eggens, w^elcher
zum Zerreißen der Rasenstücke und zur Trennung der
Gras- und Kleewurzeln von der Erde erforderlich ist,
ganz wegfällt.
Ich habe geglaubt, daß, wenn aus der Erfahrung ent-
nommene Sätze irgendeine apodiktische Gewißheit haben
können, der Satz: „die Mürbebrache kostet weniger Arbeit
als die Dreeschbrache" unter den hier vorausgesetzten Yer-
hältnissen zu dieser Kategorie gehören müsse.
Dennoch sind Einwürfe dagegen erhoben, und zwar von
so bedeutenden Männern, daß ich sie nicht unbeachtet lassen
darf.
Die Einwendungen, welche der sei. Staatsrat Thaer in
seiner Rezension dieser Schrift (Mögl. Annalen B, 19, S. 23)
gegen diesen Satz erhoben , und die einer meiner Freunde
bei einer mündlichen Besprechung durch einige andere er-
gänzt hat, bestehen hauptsächlich in folgenden :
1. Mit der Bearbeitung der Dreeschbrache kann in der
Regel erst iiu Juli der Anfang gemacht werden, weil
das Vieh der Weide zu bedürftig ist; die Bearbeitung
muß also in kurzer Zeit vollendet werden.
2. Wenn nach vorangegangener Nässe Dürre eintritt, so
kann der Pflug in den vom Vieh festgetretenen Boden
gar nicht eindringen. Die harten Klöße erfordern ein
weit angestrengteres Eggen als die Dreeschbrache und
können oft nur durch die Keule bezwungen werden.
— 363 —
Zum Weizen bedarf die Mürbebrache einer viermaligen 360
Bearbeitung, wenn der Acker gut zubereitet werden seil.
3. Der Sandboden ist in der Dreifelderwirtschaft in der
Regel sehr verqueckt, und die Vertilgung der Quecken
erfordert in der Mürbebrache weit mehr Arbeit als in
der Dreeschbrache, wo die unteren Enden der Quecken-
wurzeln schon abgestorben sind.
4. In der Dreifelderwirtschaft umfaßt die Brache den
dritten Teil des Ackers, und diese Fläche ist im Yer-
hältnis zu der vorhandenen Anspannung viel zu groß,
als daß sie in der gegebenen kurzen Zeit gut und
tüchtig bearbeitet werden könnte.
Diese Einwendungen sind ohne Zweifel aus der Erfah-
rung selbst entnommen und verdienen alle Beachtung.
Hier aber ist der Fragepunkt nur der: ob diese Einwürfe
auf diejenige Dreifelderwirtschaft, wie sie aus den Suppo-
sitionen des isolierten Staates hervorgegangen ist, passend
imd einer Anwendung fähig sind, oder nicht.
Ich erlaube mir deshalb nachstehende Erwiderungen :
Ad L Die D. F. W. des isolierten Staates hat 64^/0
der Ackerfläche zur Weide und kann also nie in die Lage
kommen, aus Mangel an Weide die Brache erst im Juli auf-
brechen zu müssen.
Ad 2. Dies kann sich nur auf Lehm- und Tonboden
beziehen. In dem isolierten Staat ist aber, um nicht alles
untereinander zu mengen und dadurch zu verwirren, die
Untersuchung auf eine einzige Bodenart, den Gersten- oder
Mittelboden beschränkt, imd dieser Boden wird sehr selten
und fast niemals auf längere Zeit dem Eindringen des Pfluges
widerstehen. Was aber auf dem Gerstenboden ausführbar ist,
hört darum nicht auf für diesen Boden zweckmäßig zu sein,
weil es auf einem anderen, dem Weizenboden, nicht anwend-
bar ist.
Ad 3. Der Sandboden ist zwar mehr zum Yerquecken 361
— 364 —
geneigt als die besseren Bodenarten ; aber es ist keineswegs
ein notwendiges Attribut der D. F. W., den Sandboden in
einen verqiieckten Zustand zu versetzen, zumal da die gut
bearbeitete Brache das wirksamste Mittel zur Yertilgung der
Quecken ist. Die Yerqueckung ist hier in der Regel der nach-
lässigen Bearbeitung, oder auch der Besömmerung der Brache
mit Erbsen — also der Abweichung von der reinen D. F. W.
— zuzuschreiben.
Da auf dem Sandboden die Grasnarbe selten sehr dicht
ist, die Graswurzeln sich aber von der daran hängenden Erde
leicht trennen lassen, so mögen 3 Pflugfurchen für die Dreesch-
brache hier öfters genügend sein, und die Differenz zwischen
den Kosten einer Dreesch- und einer Mürbebrache wird dann
unerheblich. Da aber in dem isolierten Staat nicht vom
Sand-, sondern vom Mittelboden die Rede ist, so bleibt dies
auch ganz ohne Einfluß auf die Richtigkeit der dort gefun-
denen Resultate.
Ad 4. Wenn in einer Wirtschaft, die bisher so geord-
net war, daß das Zugvieh während des Sommers gleich-
mäßig beschäftigt wurde, der Kornertrag durch Verminderung
des Bodenreichtums sinkt, so bleiben die Bestellungsarbeiten
dieselben, während die Ernte- und Dungfuhi-en sich mindern.
Es kann dann nicht mehr mit Nutzen dieselbe Zahl von
Zugtieren wie früher gehalten werden, und die Folge davon
ist, daß der Acker nicht zur rechten Zeit und nicht mit der
gehörigen Sorgfalt bestellt wird.
In der Wirklichkeit befinden sich viele Dreifelderwirt-
scliaften, deren Ertrag auf 3 bis 5 Körner herabgesunken ist,
in dieser Lage.
Dieses Mißverhältnis zwischen den Ernte- und Bestellungs-
362 arbeiten, zwischen der Zahl des Zugviehes und der Größe
des zu bearbeitenden Brachschlages ist aber keineswegs mit
der D. F. W. notwendig verbunden, sondern entspringt ledig-
lich aus der unkonsequenten Ausdehnung des Ackers auf Kosten
— 365 —
der "Weide und der dadurch bewirkten Erschöpfung des
Bodens.
In der normalen D. F. "\V. des isolierten Staates, wo
der Boden sich auf derselben Stufe des Reichtums wie in
der Koppelwirtschaft erhält, wo kein Mangel an "Weide vor-
handen und die Brachbearbeitung gleich nach vollendeter
Frühjahrssaat beginnt, findet ein solches Mißverhältnis über-
all nicht statt.
Fassen wir nun das Ganze zusammen, so beziehen sich
diese Einwiu'fe teils auf eine andere Bodenart als die, wo-
von hier die Rede ist, teils auf die entartete, verarmte und
verwilderte D. F. W., wie sie in der Wirklichkeit zwar häufig
vorkommt, nach deren Mängeln aber kein Urteil über eine
konsequent betriebene D. F. W. gefällt werden darf.
Übrigens kann es dem Landwirt, welcher Koppelwirt-
schaft betreibt, nicht zweifelhaft sein, ob die Bearbeitung
des mürben Ackers oder die des Dreeschackers mehr Arbeit
kostet, da sich ihm bei der Bestellung des Gersten Schlages
und des Brachschlages in jedem Jahre eine Vergleichung
darbietet.
Zu Tellow betrugen im Durchschnitt der 5 Jahre von
1810—15 die Kosten des Eggens auf 10000 DR.
a) auf mürbem Acker im Gersten schlag :
das Eggen der Strekfurche G,5 Tlr. N'-Zs
„ „ „ Wendfurche 19,4 „
„ „ „ Saatfurche 22,4 „
Summe" 48,3 Tlr. N^/.-;
b) in der Dreeschbrache: 363
das Eggen der Dreeschfurche 17,6 Tlr. N-/3
„ ,, ,, Brachfurche 24,3 „
„ „ „ Wendfurche 21,4 „
„ „ „ Saatfurche 26,2 „
Summe 89,5 Tlr. N^/a
— 366 —
Das Verhältnis zwischen a nnd b ist also wie 48,3:89,5 =;
100 : 185.
Da nun die Mürbebrache wie der Gersteschlag nur drei
Furchen bedarf, so wird sich in bezug auf die Kosten des
Eggens das Verhältnis zwischen Mürbebrache und Dreesch-
brache auf queckenfreiem Mittelboden ungefähr ebenso stellen.
Bemerkung 3 zu § 16.
In dieser Schrift konnte und durfte nur von einer
Bodenart, unter gegebenen klimatischen Einflüssen, die Rede
sein. Der Grad der Nützlichkeit der Brache wird aber gar
sehr durch Klima und Bodenart bedingt.
In heißen Klimateu ist die Einwirkung der Sonnen-
wärme auf die Zersetzung der organischen Stoffe und auf
die mechanische Zubereitung des Bodens so stark, daß der
Acker in kurzer Zeit zur Aufnahme der Wintersaat vor-
bereitet werden kann. Zugleich liegt hier zwischen Ernte
und Herbstsaat eine lange Zwischenzeit, der Boden kann
deshalb nach der Ernte noch eine vollständige Bearbeitung
erhalten, und hier kann die Brache unter Verhältnissen, bei
welchen sie in kälteren Ländern zweckmäßig ist, mit Nutzen
abgeschafft werden.
In sehr kalten Ländern, z. B. im nördlichen Rußland,
wo die Wirkung der Sonnenwärme so gering ist, und die
Ernte mit der Herbstsaatzeit zusammenfällt, ist dagegen die
Brache eine Notwendigkeit.
364 Aber auch unter demselben Himmelsstrich übt die Be-
schaffenheit des Bodens auf den Grad der Nützlichkeit der
Brache einen wesentlichen Einfluß aus. Auf dem sandigen
Boden ist die Zerkrümelung der Erde leicht, und die Tren-
nung der Graswnu'zeln von der anhängenden Erde bietet —
wenn nur keine Quecken vorhanden sind — wenig Schwierig-
keit dar. Auf dem Tonboden findet aber gerade das Gegen-
teil statt, und hier kann unter Verhältnissen, die auf dem
— 367 —
!XIittelboden die Abschaffung der Brache vorteilhaft machen,
die Brache dennoch unentbehrlich sein.
Aber es gibt noch ein anderes wesentliches Moment,
was zur Abschaffung der Brache auf Sand- und zur Bei-
behaltung derselben auf strengem Lehm- und Tonboden hin-
wii'kt — was in dieser Schrift jedoch nur angedeutet, nicht
ausführlich erörtert werden kann.
Dung und Humus sind in dem Sandboden mit der Erde
nur gemengt, in dem Tonboden aber gehen beide eine che-
mische Verbindung mit der Erde ein. Der Sand ist porös
und gestattet der Luft freien Zutritt zu den darin befind-
lichen organischen Resten; der Tonboden dagegegen ballt
in Kluten (Erdklöße) zusammen, bildet nacli jedem starken
Eegen eine Kruste und schützt dadurch den Humus gegen
Verflüchtigung. Zugleich besitzt der Ton, aber nicht der
Sand, die Fähigkeit, pflauzennährende Gase aus der Atmo-
sphäre anzuziehen — und aus dieser Verschiedenheit des Ver-
haltens der Bodenarten gegen die Atmosphäre geht die Ver-
schiedenheit in der Qualität derselben hervor. Je häufiger
und sorgfältiger nun der Boden zumal in der heißen Jahres-
zeit bearbeitet wird, desto stärker wird die Verflüchtigung
des Humus, um so stärker aber auch die Einsaugung pflanzen-
nährender Gase auf dem Tonboden; und wenn dieser nicht
sehr reich an Humus ist, so wird wahrscheinlich die Ver-365
flüchtigung durch die Einsaugung überwogen — während
der Sandboden bei der Bearbeitung durch Verflüchtigung
ärmer an pflanzennährenden Stoffen wird, ohne durch Ein-
saugung einen Ersatz dafür zu erhalten.
Die Qualität des Bodens ergibt sich für Wirtschaften
im beharrenden Zustande aus der Vergleichung der dem
Acker erteilten Quantität Dung mit der Größe der daraus
hervorgegangenen Ernten. Da nun von dem Dung um so
weniger auf die Produktion von Ernten verwandt wird , je
mehr davon durch Verflüchtigung verloren geht, so wird
— 368 —
auch die reine Brache, den obigen Ansichten nach, auf
Sandboden eine Verminderung, auf Tonboden aber eine Er-
höhung der Quahtät bewirken.
In dieser Schrift haben wir den zwischen Sand und
Ton stehenden Mittelboden vor Augen, auf welcliem bei
einem Reichtum, der dem Erti'age von 8 Körnern entspricht,
Einsaugung und A^erflüchtigung sich vielleicht das Gleich-
gewicht halten. Das für diesen Boden angenommene Ver-
hältnis der Ernten nach reiner Brache und nach einer Vor-
frucht, kann also auch nicht normierend sein für andere
Bodenarten und selbst nicht für denselben Boden unter
anderen klimatischen Einflüssen. Aber man kann von jedem
Standpunkt aus ähnliche Schlüsse und Folgerungen aus den
dort vorliegenden Tatsachen ziehen.
Nur in der Methode der Untersuchung, nicht in den
Zahlen, kann Allgemeingültigkeit erstrebt werden.
Bei einer Beantwortung der Frage : „wo und unter wel-
chen Verhältnissen ist die Abschaffung der Brache vorteil-
haft", darf folgendes wichtige Moment nicht außer acht ge-
lassen werden.
366 Die Brache gewährt den wesentlichen Vorteil, daß durch
sie die Gespannarbeiten auf den ganzen Sommer regelmäßig
verteilt werden.
AVird die Brache abgeschafft, so müssen alle Dungfuhren
und Pflugarbeiten in den Frühlings- und Herbstmonaten
vollbracht werden, und in den Monaten Juni und Juli bleibt
dann ein Teil der Gespanne unbeschäftigt. Um die Acker-
arbeiten gut zu vollführen, müssen also mehr Gespanne ge-
halten werden , als bei einer gleichmäßigen Verteilung der
Arbeiten nötig gewesen wäre. Dadurch werden aber die
auf einen Arbeitstag fallenden Kosten sehr bedeutend erhöht,
und es kommen hier also auch die Ackerarbeiten höher zu
stehen, als in der Wirtschaft mit reiner Brache,
— 369 —
Bemerkung: 4 zu § 18.
Es gehört nicht zum Wesen der mecklenburgischen
Koppelwirtschaft — wie man häufig glaubt — drei Halm-
früchte aufeinander folgen zu lassen; sondern man hat fast
immer die Erbsen und Kartoffeln in dem '2ten Korn- oder
sogenannten Gerstenschlag gebaut und hierauf dann Gerste
oder Hafer genommen. Der Anbau von Kartoffeln und
Erbsen war ehemals aber sehr beschränkt, und der Teil des
Ackers, welcher damit nicht bestellt wurde, trug allerdings
drei Halmfrüchte nacheinander.
In der neueren Zeit, wo die Schäfereien so sehr ver-
größert sind, und fast aller Mittelboden, durch Anwendung
des Mergels und Gipses, zur Produktion der Schotenge-
wächse tauglich geworden ist, hat sich der Anbau der Erbsen
imd Kartoffeln gar sehr erweitert, und auf den meisten
Gütern erstreckt sich die Fruchtfolge mit 3 Halmfrüchten
nacheinander nur noch auf den kleineren Teil des Feldes.
Auch hat die Einführung des ßapsbaues zu einem 367
besseren Fruchtwechsel geführt, und auf mehreren Gütern
mit reichem, kräftigem Boden und bedeutendem Heugewinn
nimmt man jetzt: 1. Brache, 2. Raps, 3. Weizen, 4. Pahl-
korn und Kartoffeln, 5. Roggen und Gerste, denen dann 2
oder 3 Weideschläge folgen.
Trotz des besseren Fruchtwechsels trägt eine solche AVirt-
schaft, solange sie noch reine Brache hält und 2 — 3 jährige
Weide hat, doch die charakteristischen Merkmale der Koppel-
wirtschaft an sich und gehört nicht der reinen Fruchtwechsel-
wirtschaft an.
In dem isolierten Staat mußten wir, um die Unter-
suchung zu vereinfachen, auch die einfachste Form der K. W.,
bei welcher jeder Schlag nur mit einer Frucht bestellt wird,
zu Grunde legen und deshalb die Wirtschaft mit drei
nacheinander folgenden Halmfrüchten zum Gegenstand der
Betrachtung Avählen.
Thüuen, Der isolierte Staat. 24
— 370 —
Bemerkung 5 zu § 20.
Der Inhalt dieses § leidet an mehreren Mängeln, die
hier aufzudecken und zu erörtern sind,
I.
Schwerz gibt in seiner Beschreibung der belgischen
Wirtschaft (B. 2, S. 396) den Ertrag der Speisekartoffeln in
Belgien zu 300 Sack pr. Bunder an, welches 115 Berl.
Scheffel auf 100 DR. beträgt.
In der Berechnung § 20 habe ich für die Kartoffeln
auf dem reichen Boden des Kreises der freien Wirtschaft
denselben Ertrag angenommen, den Schwerz für Belgien
angibt
Nun ist dieser hohe Durchschnittsertrag hier auf reichem
Boden zwar wohl für Viehkartoffeln, aber nicht für die feineu
Eßkartoffeln, wie sie in großen Städten verlangt werden,
368 zu erreichen. Es ist deshalb sehr wahrscheinlich, daß die
Kartoffel, welche in Belgien Speisekartoffel genannt wird,
eine gröbere Sorte ist, als unsere Eßkartoffel. Die gröberen
Kartoffelsorteu werden aber in den großen Städten nur von der
ärmeren Yolksklasse zur Speise verwandt, dann aber nicht zu Vs,
sondern etwa zu ^U des Roggenpreises pr. Schfl. bezahlt.
Der Preis der feinen Eßkartoffeln steigt dagegen in den
großen Städten wohl auf -/s bis ^'2 des Roggen preises. Der
Ertrag dieser Kartoffelart erreicht aber nur ungefähr -/s des
angenommenen Ertrags.
Die Berechnung über den Reinertrag des Kartoffelbaues,
im Kreise der freien Wirtschaft, bedarf also einer mehr-
fachen Modifikation.
II.
Zur Ausmittlung der durch die Kartoffeln bewirkten
Bodenerschöpfung gibt es zwei verschiedene Wege.
a) Man vergleicht den Ertrag der nach Kartoffeln folgenden
— 371 —
Frucht mit dem Ertrage, den diese Frucht nach einem
anderen auf gleichem Boden erbauten Gewächs gibt,
b) Man beobachtet, welchen Einfluß die Einführung des
Kartoffelbaues im großen, nach mehreren Umläufen,
auf die Erhöhung oder Verminderung des Bodenreich-
tums ausübt.
In meinen Verhältnissen konnte ich zur Ausmittlung
der Aussaugungskraft der Kartoffeln nur die Iste Methode
in Anwendung bringen, und demnach habe ich angenommen,
daß die Produktion von 8 Scheffel ä 100 tt. Viehkartoffeln
dem Acker so \iel Dung kostet, als die Produktion von
1 Scheffel Roggen zu 81 ft..
Da aber auch bei gleichem Bodenreichtum der Ertrag
einer Frucht nach verschiedenen Vorfrüchten sehr ungleich
sein kann, und da es so schwierig ist, die Einwirkung der
Vorfrucht (den Faktor der Kultur) von der Einwirkung des 369
Bodenreichtums zu unterscheiden und zu trennen, so bleibt
das auf diesem Wege gefundene Resultat immer ein unsicheres.
Weit sicherer und entschiedener führt die zweite Methode
zum Ziel. Diese löst zwar das vorliegende Problem nicht
unmittelbar, sondern gibt — was noch wichtiger ist — uns
Auskunft darüber, ob die Aussaugung der Kartoffel durch
den Ersatz, den sie bei ihrer Verwendung gibt, gedeckt oder
überwogen wird; kann man aber den Ersatz mit einiger
Genauigkeit bestimmen, so geht hieraus dann auch die Größe
der Aussaugung hervor.
Da nun in der Mark Brandenburg schon seit einer
Reihe von Jahren auf vielen Gütern der Kai'toffelbau in
einer solchen Ausdehnung betrieben wird, daß ganze Schläge
der Feldmark mit Kartoffeln bestellt werden : so müssen wir
auch von dorther die Lösung der wichtigen Aufgabe, wie sich
die Aussaugung der Kartoffel zu der des Getreides verhält,
erwarten.
Nun ist die große Mehrzahl der dortigen Landwirte
24*
— 372 —
entschieden der Ansicht, daß sich der Bodenreichtum ihrer
Felder seit der Einführimg des Kartoffelbaues im gi-oßen
bedeutend gehoben hat, und daß dies selbst dann stattgefunden,
wenn der größte Teil der gebauten Kartoffeln zum Brannt-
weinbrennen benutzt ist, und das Vieh davon nur die
Schlempe erhalten hat.
Da diese Erfahrungen sich schon auf einen längeren Zeit-
raum erstrecken, so scheint auch obige Aufgabe schon jetzt
zur Lösung reif zu sein.
Ehe hierauf aber ein bestimmtes Urteil gegründet -vsärd,
muß doch zuvor untersucht werden , ob nicht mit der Ein-
fühi^ung des Kartoffelbaues gleichzeitig andere Meliorationen
stattgefunden, und ob nicht mit der Verwendung der Kar-
370 toffeln Umstände verknüpft gewesen sind, die an sich schon
eine Erhöhung der Kidtur bewirken.
In dieser Beziehung scheinen mir folgende Momente
einer näheren Erwägung wert zu sein.
1. So viel ich weiß, ist in der Mark erst mit oder nach
der Einführung des ausgedehnten Kartoffelbaues das
Mergeln der Felder im großen betrieben worden. Die
Wirkung des Mergels ist aber auf dem dafür geeig-
neten Boden so enorm, daß dadurch auch ohne Kar-
toflelbau — wie dies in Mecklenburg der Fall gewesen
— eine an das Wunderbare grenzende Steigerung der
Ertragsfähigkeit des Bodens hervorgehen kann. Die
^^'irkung des Mergels erlöscht aber nur laugsam und
erst aus der Vergleichung des 4ten Umlaufs mit dem
öten nach dem Mergeln, bei einer 6 — 7jährigen Ro-
tation, wird man auf gemergeltem Acker mit Sicherheit
entnehmen können, ob der Kartoffelbau den Boden be-
reichert oder nicht.
2. Eine von meinem Neffen und ehemaligen Schüler, dem
Herrn Berlin auf Liepen, mir mitgeteilte Ansicht scheint
— 373 —
in der vorliegenden Frage eine besondere Berücksich-
tigung zu verdienen,
Herr Berlin ist nämlich der Meinung, daß das
Emporkommen der Grüter in der Mark, welche im
großen Branntwein aus Kartoifeln brennen, nicht so
wohl von einer geringen Aussaugung der Kartoffeln,
als vielmehr von der vortrefflichen Beschaffenheit des
Dungs von den mit Schlempe gefütterten Schafen
herrühre — indem derselbe nicht schimmlich werde,
sondern stets feucht bleibe und dadurch seinen Ammo-
niakgehalt bewahre.
Diese Ansicht gewinnt gar sehr an Wahrscheinlich-
keit durch Sprengeis Untersuchungen , aus welchen 371
hervorgeht, daß die A^erflüchtigung des Ammoniaks aus
dem Urin um so geringer ist, je mehr derselbe mit
Wasser verdünnt wird.
Diese Fixierung des Ammoniaks im Schafdung wird
aber nicht allein durch die Verfutterung von Schlempe
aus Kartoffelbrennereien bewirkt, sondern kann wahr-
scheinlich auch durch Begießen des Schafduugs mit
Wasser, durch Überfahren desselben mit Wiesenmoder,
und nach Liebigs Angabe — deren Bestätigung ich
sehnlich erwarte — schon durch das bloße Bestreuen
des Dungs mit Gips erreicht werden.
Diese wohltätige Wirkung kann also auch nicht
als den Kartoffeln allein angehörig betrachtet und
ihnen bei der Bestimmung ihrer Aussaugungslo-aft nicht
zu gut gerechnet werden.
3. Mit der Ausdehnung des Kartoffelbaues ist eine gänz-
liche Änderung in der Zeit der Dungabfuhr verbunden.
Während sonst der Dung nach der Brache erst in der
Mitte des Sommers abgefahren wurde, muß derselbe
zu den Kartoffeln schon am Ende des Winters auf
das Feld gebracht werden, und das große Quantum
— 374 —
düngender Stoffe, was sonst durch die Gärung des
Dungs auf dem Misthofe verloren ging, wird jetzt dem
Acker erhalten.
4. Die durch den Kartoffelbau möglich gewordene bessere
Fütterung des Viehes kann allein schon den Rein-
ertrag der Güter sehr bedeutend erhöhen ; und da gut
genährtes Vieh besseren Dung gibt, zugleich eine Er-
höhung des Bodenreichtums bewirken.
Die Einführung des Kleebaues würde aber eine
ähnliche Wirkung hervorbringen, und diese kann also
372 auch nicht ausschließlich den Kartoffeln angerechnet
werden. Nichtsdestoweniger bleibt aber für den
meistens sandigen, zum Kleebau wenig geeigneten
Boden der Mark die Kartoffel ein unersetzliches und
unschätzbares Geschenk.
Ich muß es nun den rationellen Landwirten in der
Mark und namentlich in der Gegend von Wrietzen über-
lassen, den Anteil, den diese Umstände dort an der Erhöhung
der Bodenkultur haben, von der durch den Kartoffelbau an
sich bewirkten zu sondern und zu bestimmen.
Wenn nun auch die Erwägung dieser Umstände dazu
beitragen dürfte, die jetzt in der Mark vorheiTSchende Mei-
nung über die Geringfügigkeit der Aussaugung der Kartoffeln
zu modifizieren, so ist doch andei^erseits der Aufschwung,
den die märkischen Wirtschaften, w^elche den Kartoffelbau
im großen betreiben, genommen haben, zu entschieden und
zu mächtig, als daß die früher fast allgemein herrschende
Meinung: „die Kartoffel sei eine sehr aussaugende Frucht"
noch ferner festgehalten und für richtig erkannt werden kann.
Von einem der größten Güterbesitzer im Preußischen,
auf dessen Gütern Kartoffolbau und Branntweinbrennerei im
ausgedehntesten Maß betrieben werden, habe ich auf meine
— 37") —
Frage über die Größe der Aussaiigung der Kartoffeln folgende
Notiz erhalten :
„Wenn die Hälfte der gebauten Kartoffeln zum Brannt-
,, weinbrennen benutzt, die andere Hälfte mit dem Vieh
„verfuttert wird: so wird auf Mittelboden die Aus-
„saugung der Kartoffeln durch den daraus gewonnenen
„Dung gedeckt/'
Wenn man annimmt, daß die Schlempe noch den halben
Nahrungsgehalt der Kartoffeln, woraus sie hervorgegangen
ist, besitzt : so würde nach meinen Positionen über den Wert 373
des aus den Kartoffeln erfolgenden Dungs sich liiernach er-
geben, daß die Produktion von 10,7 Schfl. Kartoffeln dem
Acker so viel Dung kostet als die von 1 Schfl. Koggen,
Da die obige Angabe auf der Basis einer langen und
vielseitigen Erfahrung beruht und zugleich unter allen An-
gaben, die ich aus der Mark erhalten habe, in bezug auf die
Geringfügigkeit der Aussaugung der Kartoffeln die gemäßigste
ist: so bin ich sehr geneigt, mich derselben anzuschließen,
und ich nehme jetzt an, daß die Produktion von 1 Scheffel
Kartoffeln dem Acker 0,094*^ Reichtum kostet.
HL
In der im § 20 betrachteten Wirtschaft A, welche l^'i
Kleeschläge mit einem Kartoffelschlag verbindet und sich ohne
Dungankauf in gleichem Bodenreichtum erhält, ist die Rente,
die der Kleebau gewährt, nach den Daten, die Schwerz über
die Nutzung des Klees in Belgien liefert, berechnet.
Nun leidet es aber keinen Zweifel, daß die Milchvieh-
nutzung im Kreise der freien Wirtschaft durch den Verkauf
der frischen Milch weit höher ist, als in Belgien durch den
Verkauf der Buttei', worauf sich die Schwerzschen Angaben
beziehen. Es muß also auch die Rente, die der Kleebau
gewährt, in dem Kreise der freien Wirtschaft bedeutend
— 37G —
höher sein, als in der hier zu Grunde gelegten belgischen
Wirtschaft.
Bezeichnen wir diesen Mehrbetrag der aus dem Kleebau
hervorgehenden Rente mit „R", so wird die Landrente der
.... , , „, , 1695 - 182,sx 1695 - 182,sx , ^
Wirtschaft A von rö?r~i auf ^^o i — h R
182 -\- X 182 -f- X '
erhöht.
374 Aus der Gleichstellung der Landrente der beiden Wirt-
schaften A und B ergibt sich dann die Größe von a, oder
der Wert eines Fuders Dung = — ^nr^s— f — ~-- -f- otjtvtt
löjj -f- X dbUO
"L>
Für X = 0 ist dann a = 5,4 Taler -^ o^aä
' ' doUU
_ 1 - A . ^
X - 1 „ „ a _ 4,2 ., — gg^jQ
Es gellt hieraus hervor, daß so weit der Klee durch den
Milchverkauf höher verwertet wird, als durch den Butter-
verkauf, a oder der Wert eines Fuders Dung niedriger sein
muß, als im § 2U berechnet worden.
Hiernach sinkt der Wert von a um so tiefer, je höher
der Wert von R steigt, und wird sogar = 0, wenn
R 980 — 206,6x . , ^.. ...
53^=^ = -,00 I wird, iur x = 1 ist dann
3600 182 -\- X
T^ = 4,2 Tlr. und R = 15 120 Tlr.
obOO
Wenn es überhaupt möglich wäre, daß R einen so hohen
Wert erreicht, so könnte dies doch immer nur in der nächsten
Umgebung der Stadt, mit Ausschluß der Gärten, der
Fall sein.
Interessant ist diese Formel aber dadurch, daß es an ihr
sichtbar wird, wie der Kauf wert des Dungs von der Diffe-
renz zwischen der aus dem Ackerbau und aus der Viehzucht
hervorgehenden Rente abhängig ist.
— 377 —
Die Hebung der hier gerügten Mängel durch Um-
arbeitung dieses § würde sehr zeitraubend und mühsam, aber
doch nicht lohnend gewesen sein. Denn einesteils ver-
mag ich jetzt so wenig als früher den Wert von R in
Zahlen anzugeben, und anderenteils bleibt die Methode
der Untersuchung, namentlich bei Ausmittlung des Dung-
werts, unverändert und behält ihren Wert, mit welchen
Zahlen die Rechnung auch geführt werden mag.
Was nun das Ergebnis der Untersuchung,
daß der Bau der Kartoffeln zum Zwecke der Versor-
gung der Stadt mit dieser Frucht in der Nähe der
Stadt und vor dem Kreise der Forstwirtschaft ge-
schehen müsse,
betrifft: so bleibt dies jedenfalls unverändert fest stehen. 375
Bemerkung 6 zu § 26.
Der hier vorgelegte Milch- und Butterertrag der Kühe
zu T. in den Jahren 1810 — 15 ist allerdings nur geringe,
steht aber dem Ertrage der besseren mecklenburgischen
HoUändereien in jener Zeit nicht nach, und gibt ein Bild
des damaligen Betriebes und Zustandes der Milchviehwirt-
schaft in Mecklenburg.
In der späteren Zeit ist aber den Kühen zu T. , sowie
fast überall in Mecklenburg, eine reichlichere Weide und ein
kräftigeres Winterfutter zuteil geworden, und der Milch-
ertrag der Kühe ist dadurch bedeutend erhöht.
Die umfassendste und vollständigste Übersicht des
Ertrags einer mecklenburgischen HoUänderei aus der neueren
Zeit hat mein Freund und ehemaliger Schüler, Herr S t a u -
d i n g e r zu Ur. Wüstenfelde uns in den Mecklenb. Annalen,
Jahrg. 20, S. 1, mitgeteilt.
Das Resultat dieser Mitteilung ist, daß in den 6 Jahren
— 378 —
von 1827 — 33 in einer Holländerei von 104 Kühen eine
Kuh durchschnittUch im Jahr 1635 Pott Milcli und an
Butter 97,2 it. Hamb. Gewicht, ä it. 32 Lot gegeben hat.
Zu T. haben in den 4 Jahren von 1832—36 die Kühe
im Diu-chschnitt jährlich 1826 Pott Milch gegeben.
376 Bei diesem Milchertrage von Kühen, die im lebenden
Zustande ein Gewicht von 500 — 550 it. haben, kommen auf
100 U. Körpergewicht mindestens 20 it. Butterertrag im Jahr.
Nimmt man das Verhältnis des Körpergewichts der
Kühe zu ihrem Butterertrage zum Maßstabe und vergleicht
dann mit dem angeführten Ertrage die wenigen glaubwür-
digen, auf wirklichen Messungen und Wiegungen in einer
Reihe von Jahren beruhenden Angaben, welche wir über
den Milch- und Butterertrag der Kühe in anderen Ländern
überhaupt nur besitzen: so erscheint der jetzige Ertrag der
Kühe in Mecklenburg eher hoch als niedrig. Da es nicht
zu leugnen ist, daß ein noch mehr verbessertes Winterfutter
den Milchertrag der Kühe noch bedeutend erhöhen — und
sich wahrscheinlich auch gut bezahlt machen würde — so
kann dieser verhältnismäßig hohe Ertrag wohl nur der Yor-
züglichkeit der mecklenburgischen Koppelweiden beigemessen
werden.
Bemerkung 7 zu § 26.
Selbst mein hochverehrter Lehrer, der selige Staatsrat
Thaer, hat in seiner nach dem ersten — wie er selbst sich
ausdrückt — gespannten Durchlesen entworfenen Kritik dieser
Schrift, es nicht erkannt, daß hier ein für die Verhältnisse
des isolierten Staates allgemein gültiges Gesetz gefunden ist.
Aus diesem Nichterkennen entspringt aber der größte
Teil der Einwürfe und Ausstellungen, die derselbe gegen
den geringen Reinertrag der Viehzucht und gegen die Nicht-
anwendbarkeit der Fr acht Wechselwirtschaft in dem iaolierten
— 379 —
Staat erhoben hat — weshalb ich diese auch nicht weiter
zu erörtern brauche.
Im übrigen habe ich mehrere Erinnerungen dieses großen 377
Mannes, der von meiner Jugend an bis zu seinem Tode
mein Lehrer geblieben ist, und der auf meine ganze land-
wirtschaftliche Richtung und Ausbildung den entschiedensten
Einfluß ausgeübt hat — bei der Ausarbeitung dieser zweiten
Auflage dankbar benutzt.
Bemerkuug S zu § 27.
Im § 6 sind die animalischen Erzeugnisse ihrem Wert
nach auf Roggen reduziert, und die Einnahme dafür ist in
Scheffel Roggen ausgesprochen.
Für einen gegebenen Standpunkt ist dies Verfahren
allerdings erlaubt; bei der Übertragung dieses Wert Verhält-
nisses zwischen Roggen und animalischen Produkten auf
andere Gegenden des isolierten Staats entsteht aber eine
Ungleichheit, weil die Transportkosten der Butter, Wolle
usw. im Verhältnis ihres Wertes zum Roggen geringer sind
als die des Getreides.
Es entsteht nun die Frage, wie groß die aus dieser
Berechnungsweise hervorgehende Differenz ist, und ob nicht
durch eine Änderung des Teils der Ausgabe, welcher in
Geld ausgedrückt wird, diese Differenz sich ausgleichen läßt.
Um dies an einem Beispiel für einen gegebenen Fall
zu ermitteln, müssen für das Getreide und für die Vieh-
produkte sowohl Einnahme als Transportkosten besonders
berechnet werden.
Mit Verzichtung auf die letzte Genauigkeit — worauf
es in diesem Beispiel nicht ankommt — nehme ich an, daß
die Transportkosten für das Getreide pr. Meile ^/so, für die
Viehprodukte aber i/i5o des Verkaufspreises betragen.
— SSO —
378 Nun sei auf einem gegebenen Gute
Roggen Geld
Schfl. Tir.
der gesamte Korn ertrag = 6000 —
die Einnahme aus dem Yieh — 2400
Summe der Einnahme 6000 2400
Die Geldausgabe betrage nach Abzug
dessen, was die Tagelöhner, Handwerker
usw., welche für den Betrieb des Gutes
arbeiten, für das benötigte Korn zurück-
zahlen — 2250
Die Ausgabe an Korn in natura, inkl. des
soeben erwähnten an die Tagelöhner
usw. verabreichten Korns, betrage . . 3600 —
Summe der Ausgabe 3600 2250
Überschuß 2400 15Ö
Für einen Standpunkt, wo der Wert des
Scheffel Roggens auf dem Gute selbst
1,25 Tlr. beträgt, haben 2400 Schfl.
Roggen einen Wert von — 3000
Der Reinertrag ist also — 3150
AVie ändert sich nun der Reinertrag, wenn dieses Gut
weiter entfernt vom Marktplatz liegt?
a) Bei 10 Meilen größerer Entfernung:
Der Wert des Roggens fällt dann um 10 X ^''^o = ^5,
also von 1,25 Tlr. auf 1 Tlr. pr. Schfl.; die Einnahme für
Yiehprodukte aber sinkt um 10 X ^'iso = ^ i5.
Die Einnahme beträgt alsdann
für 2400 Schfl. Roggen ä 1 Tlr 2400 Tlr.
für Yiehprodukte 2400 X ^^15 = . . . . . . 2240 _„
Summe 4640"Tlr.
Die Ausgabe bleibt 2250 „
Der Reinertrag ist 239ÖrfIr.
— 381 —
b) Bei 20 Meilen größerer Entfernung beträgt die Einnahme 379
für 2400 Schfl. Roggen ä 0,75 Tlr 1800 Tlr.
für Yiehprodukte 2400 X ^^/is = • • . • • 2080 „
Einnahme 3880 Tlr.
Ausgabe 2250 „
bleibt Reinertrag 1630 Tlr.
c) Bei 30 Meilen größerer Entfernung beträgt die Einnahme
für 2400 Schfl. Roggen a 0,5o Tlr 1200 Tlr.
für Yiehprodukte 2400 X ^-/i5 = . . . . . 1920 „
Einnahme 3120 Tlr.
Ausgabe 2250 „
bleibt Reinertrag 870 Tlr.
Der Reinertrag fällt also mit der zunehmenden Ent-
fernung von 10 Meilen, oder mit der Abnahme des Roggen-
wertes von 0,25 Tlr. regelmäßig um 760 Tlr.
Yergleichung mit der in dieser Schrift
befolgten Methode.
Roggen Geld
Schfl. Tlr.
Reduziert man die Einnahme für Yieh-
produkte auf Roggen, so ist — für den
Standpunkt, wo der Scheffel Roggen
1^/4 Tlr. gilt — die Einnahme von
2400 Tlr. für Yiehprodukte im Wert =
2400
1920
1,25
Die Gesamteinnahme in Korn ausgedrückt
ist alsdann 6000 + 1920 = . . . . 7920 —
Die Gesamtausgabe beträgt:
an Korn 3600 Schfl. Roggen u 1,25 Tlr. — 4500
an Geld . — 2250
Summe — 6750
— 382 —
Roggen Geld
Schfl. Tlr.
380 Drückt man von dieser Geldausgabe ^/'4,
also 5062, in Roggen aus, so sind diese
-^ — = 40o0 —
1,25
In Geld bleibt ausgedrückt 6750 X 0,25 = — 1688
Die Gesamt ein nähme beträgt 7920 —
die Ausgabe . 4050 + 1688
bleibt 3870 ~ 1688
Beim Preise von 1,25 Tlr. für den Schfl.
Roggen haben 3870 Schfl. einen Wert
von 3870 X 1,25 = — 4838
Hiervon ab die Ausgabe . • — 1688
bleibt Reinertrag — 3150
Wie ändert sich nun bei dieser Berechnungsweise der
Reinertrag des Gutes mit der größeren Entfernung vom
Marktplatz ?
a) Bei 10 Meilen größerer Eotfernung:
Der Wert des Roggens ist daselbst 1 Tlr. pr. Schefi'el.
Die Einnahme beträgt alsdann für 3870 Scheffel Roggen
a 1 Tlr 3870 Tlr.
Die Ausgabe bleibt unverändert 1688 „
Reinertrag des Gutes 2182 Tlr.
b) Bei 20 Meilen größerer Entfernung:
Einnahme für 3870 Schfl. Roggen ä 0,75 Tlr. 2902,50 Tlr.
Ausgabe 1688 „
ReinertragT214,50 TlF.
c) Bei 30 Meilen größerer Entfernung:
Einnahme für 3870 Schfl. Roggen ä 0,50 Tlr. . . 1935 Tlr.
Ausgabe . 1688 „
Reinertrag 247 Tlr.
— 383 —
Mit 10 Meilen größerer Entfernung fäUt also nach dieser 381
Methode der Reinertrag um 967,öo Tlr.
Xach der Isten Methode betrug diese Abnahme nur 760 „
Hier zeigt sich also die Abnahme des Reinertrags, bei
steigender Entfernung vom Marktplatz, bedeutend größer als
nach der ersteren Berechnungsweise.
Bei der in dieser Schrift angewandten Methode findet
aber ebenfalls ein geringeres Sinken des Reinertrags statt,
wenn der in Geld ausgedrückte Teil der Ausgabe kleiner
angenommen wird, als hier geschehen ist — und dies führt
auf den Gedanken, ob für die Geldquote nicht eine Zahl zu
finden ist, bei welcher beide Methoden ein übereinstimmen-
des Resultat liefern.
Demnach betrage der in Geld auszudrückende Teil ^/x
der ganzen Ausgabe.
In Korn angegeben, beträgt die gesamte Ausgabe 3600 -\-
2250
"-pr^ = 5400 Scheffel Roggen.
Hiervon beträgt der ^ x Teil Scheffel Roggen,
und dieser Teil, in Geld ausgedrückt, beträgt bei dem Preise
von 1,25 Tlr. pr. Scheffel ^ Taler.
Von der Ausgabe bleiben alsdann in Korn anzugeben
5400 _ ^ =. 5400 (^] Scheffel.
Der Rohertrag ist 6000 + 1920 = 7920 Scheffel.
/x — 1\ 5400
Die Ausgabe beträgt 5400 (-^j Schfl. + -^ Tlr.
Der Reinertrag ist also
7920 Schfl. -^ 5400 f^^l Schfl. -f- ^ Tlr.
— 384 —
382 Hiernach ist der Reinertrag
a) bei dem Preise von I.25 Tlr. pr. ScM.
= 9900 Tlr. - 6750 (^) Tlr. - ^ Tlr.
b) bei dem Preise von 1 Tk. pr. ScM.
= 7920 Tlr. - 5400 (^) Tlr. - ^ Tlr.
Differenz = 1980 Tlr. — 1350 1^^ 1 Tlr.
Nach dem Ergebnis der ersten Methode ist der Unter-
schied = 760 Tlr.
Die beiden für den Unterschied gefundenen Ausdrücke
gleichgesetzt, gibt
1980 — 1350 l^^] = 760
1220 = 1350 [^^)
1220 X = 1350 X — 1350
130 X = 1350
X = 10,4
.- • 5400
Für X = 10,4 ist = o20.
' X
Der in Geld auszudrückende Teil der Ausgabe beträgt
also 520 Scheffel ä 1,25 Tlr = 650 Tlr.
Der in Korn anzugebende Teil der
Ausgabe ist 5400 — 520 . . . = 4880 Sclifl.
Der Rohertrag ist 7920 „
Die Ausgabe beträgt .... 4880 „ + 650 Th-.
Der Reinertrag ist also . . . 3040 Schfl. -^ 650 Tlr.
Anwendung dieser Formel bei Berechnung des
Reinertrags des Guts in verschiedenen Ent-
fernungen vom Marktplatz,
a) Für den gewälilten Standpunkt,
Einnahme: 3040 Schfl. Roggen a I-0 Tlr. = 3800 Tlr.
Ausgabe 650 ,,
Reinertrag 3 150^1r.
— 385 —
b) Für 10 Meilen größere Entfernung vom ^larkt- 383
platz,
Einnahme: 3040 Sehfl. ä 1 Tlr. = . . . . 3040 Tlr.
Ausgabe 650 „
Reinertrag 2390 Tlr.
c) Für 20 Meilen größere Entfernung,
Einnahme: 3040 Schfl. ä Ojö Tlr. = . . . 2280 Tlr.
Ausgabe 650 „
Reinertrag 1630 Tlr.
(1) Für 30 Meilen größere Entfernung,
Einnahme: 3040 Schfl. ä 0,5o Tlr. = . . . 1520 Tlr.
Ausgabe 650 „
Reinertrag 870 Tlr.
Wir erhalten also genau dieselben Resultate, welche die
erste Methode geliefert hat.
Wir ersehen hieraus, daß, obgleich Getreide und Yieh-
produkte ihren Wert mit der zunehmenden Entfernung vom
Marktplatz nicht auf gleiche Weise ändern, dennoch die Re-
duktion der Yiehprodukte auf Roggen ziüässig sein und
richtige Resultate liefern kann, weil sich die aus dieser
Reduktion entspringende Ungleichheit durch eine Änderung
des in Geld auszudrückenden Teils der Ausgabe wieder aus-
gleichen läßt.
Einen je größeren Teil der Gesamteinnahme der Ertrag
aus der Viehzucht ausmacht, um desto kleiner muß bei der
Anwendung dieser Methode der in Geld auszudrückende
Teil der Ausgabe angenommen werden.
Thünen, Der isolierte Staat. 25
384 Erklärungen und Beinerkungeii
zu den nachfolgenden
bildlichen Darstellung-en des isolierten Staats.
Diese, von einem meiner Freunde gezeichneten bild-
lichen Darstellungen sind zwar zum Verständnis der in dieser
Schrift abgehandelten Gegenstände nicht notwendig, und ich
habe mich auch nirgends darauf bezogen, aber sie gewähren
einen leichten und bequemen Überblick der aus unseren
Untersuchungen hervorgegangenen Resultate, und ich glaube
deshalb, daß sie dem Leser, der diese Schrift mit Auf-
merksamkeit gelesen hat, nicht unwillkommen sein werden.
Zugleich geben sie Gelegenheit, einige Bemerkungen,
die in der Schrift selbst, ohne den Zusammenhang zu unter-
brechen, keinen Platz fanden, mitzuteilen.
Ad Tafel L
Diese Tafel stellt den isolierten Staat in der Gestalt
dar, die derselbe nach den im ersten Abschnitt dieser Schrift
gemachten Voraussetzungen und daraus gezogenen Folge-
rungen gewinnen muß.
Nach § 26 dehnt sich der Kreis der Viehzucht bis auf
50 Meilen von der Stadt aus ; hier ist derselbe, um den Raum
zu ersparen, nur bis 40 Meilen von der Stadt gezeichnet.
587
Fre.e-
Wirlschaft.
Forst- Fruchtwechsel -
Wirtschaft. Wirtschaft.
Koppel -
Wirtschaft.
Dreifelder- Viehzucht.
Wirtschaft.
FafeiT
S U n 20
25*
Auf dieser Tafel, sowie auf allen folgenden Tafeln, ist nur
die eine Hälfte der sich um die Stadt bildenden Kreise ver-
zeichnet, weil die andere Hälfte dieser nicht bloß ähnlich,
sonderen vollkommen gleich ist, und man sich dieselbe leicht
hinzudenken kann.
385 Ad Tafel IL
Diese Tafel stellt die Gestalt des isolierten Staats dar,
wenn derselbe von einem schiffbaren Fluß durchströmt wird.
Bei dieser Darstellung liegt die Voraussetzung zu
Grunde, daß die Schiffsfi'acht ^/lo der Landfracht beträgt.
Die Fruchtwechsel Wirtschaft , welche auf der ersten
Tafel nur einen schmalen Streifen einnimmt, erweitert sich
hier uugemein und erstreckt sich längs des Flusses bis an
die Grenze des Staats. Dagegen weicht der Kreis der Vieh-
zucht zurück und verschwindet in der Nähe des Flusses
gänzlich.
Eine ähnliche Wirkung, w^enn gleich im minderen Maße,
bringt die Anlegung einer Kunststraße hervor. Werden diese
Kunststraßen nach allen Gegenden der Ebene gezogen, so
erweitern sich alle Kreise mit höherer Bodenkultur, aber sie
behalten dann die regelmäßige Form wie auf Tafel I.
Der nicht schraffierte Streifen bezeichnet das Gebiet
einer kleinen Stadt. Unter Gebiet der Stadt wird nach
§ 28 die Landfläche, welche die kleine Stadt mit Lebens-
mitteln versorgt und welche nichts nach der Hauptstadt liefert,
verstanden.
AVir können uns diese kleine Stadt mit ihrem Gebiet
auch als einen eigenen unabhängigen Staat denken. In
einem solchen kleinen Staat ist aber, wie wir im § 28 ge-
zeigt haben, der Getreidepreis von dem Preise in der Zentral-
stadt ganz und gar abhängig.
In einem ähnlichen Verhältnis, wie die Nebenstaaten
zu der Zentralstadt, stehen die europäischen Staaten zu dem
— 389
Forst -
Wirtschaft
Frucht wechsel-
Wirlschatt
Koppel-
Wirtschaft
Drsifelder-
Wirtschaft
Tafel U
-H-t-H \ r
10 IS 20
— 390 —
reichen Staat, der den höchsten Getreidepreis zahlen kann,
zu England und namentlich zu dessen Hauptstadt, London.
Auch in diesen europäischen Staaten wird, selbst dann,
wenn sie weder Korn einführen, noch ausführen, der Ge-
treidepreis durch den Weltmarkt von London beherrscht,
386 und wenn dieser Markt geschlossen wird, sinkt der Preis
des Getreides durch ganz Europa.
Ad Tafel IIL
Hier ist der Ertrag des Bodens zu 10 Köruern, der
]\Iittelpreis des Getreides in der Stadt selbst aber verschieden,
von 1,5 Tlr. für den Scheffel Roggen bis zu 0,g Tlr. her-
unter, angenommen.
Diese Tafel zeigt bildlich, welchen Einfluß der Getreide-
preis in der Stadt selbst auf die Ausdehnung der kultivierten
Ebene ausübt. Auf dieser Tafel ist aber nur der Halbmesser
der kultivierten Ebene und der einzelnen konzentrischen
Kreise angegeben. Will man hiernach für einen gegebenen
Getreidepreis, z. B. für 1,05 Tlr., eine ähnliche Darstellung
wie auf Tafel 1 von dem isolierten Staat entwerfen, so muß
man mit einem Zirkel die Entfernung von der Stadt bis zu
dem Punkt, wo 1,05 Tlr. steht, messen und mit diesem Halb-
messer einen Kreis um die Stadt ziehen.
Auf gleiche Weise verfährt man bei der Aufzeichnung
der einzelnen konzentrischen Kreise, deren Halbmesser auf
der von der Stadt nach dem Punkt „1,05 Tlr." gezogenen
geraden Linie zu messen ist.
Da in der vorliegenden Schrift des Einflusses, den die
veränderten Mittelpreise in der Stadt selbst auf die Ebene
des isolierten Staats haben, gar nicht erwähnt ist, so ist es
notwendig, hier die Formel mitzuteilen, nach welcher die
Dimensionen auf dieser Tafel berechnet sind.
Wenn man den Preis des Roggens in der Stadt zu
a Tlr. und auf dem Lande zu b Tlr. pr. Schfl, annimmt und
— 391 —
ebenso verfälirt wie im § 4 für den Mittelpreis von 1^/2 Tlr. :
so ergibt sich der Wert eines Scheffels Roggen auf dem Lande
, , (12000— 150 x) a— 136,92 X
oder b = 12-000 + 65,8sx 5 ^87
oder abgekürzt: b = -. ^^ ■ ; — ^^^— ^
TT- f 1 . 1 182 (a - b) •
Hieraus folgt dann x = ^ j — , , ,-.
° 2,3 a -|- b -|- 2,1
Nun wird nach § 14 die Landrente der Dreifelderwirt-
schaft bei dem Ertrage von 10 Körnern = 0, wenn der
, Schfl. Roggen einen Wert von 0,3s Tlr. (genauer 0,3si Tlr.)
auf dem Lande hat. Um die Grrenze des Kreises der D. W.
zu finden, muß also b zu 0,38 Taler angenommen werden.
Setzen wir nun für a nacheinander die Werte von 1,5,
1,35, 1,20 u. s. f., so finden wir nach obiger Formel den Wert
von X für jede verschiedene Glröße von a.
Es ergibt sich hieraus, daß
bei dem Mittelpreise der Halbmesser der kultivierten
Ebene beträgt
von 1,50 Taler 34,7 Meilen
1^35 „ 31,7 „
1,20 „ 28,G „
1,05 „ 25,0 „
0,i»o „ 20,0 „
0,^5 „ 16,1 .,
0,60 „ 10,1 „
Nach § 14 scheiden sich die Kreise der Koppel- und
der Dreifelderwirtschaft in der Gegend, wo der Schfl. Roggen
0,51 Tlr. (genauer 0,5i6 Tlr.) gilt. Setzt man nun b = 0,5i,
so ergibt sich durch eine ähnliche Berechnung die Grenze
der Koppelwirtschaft für die verschiedenen Werte von a,
oder für die verschiedenen Mittelpreise in der Hauptstadt.
Mit der Größe der kultivierten Ebene und der Summe 388
— 392 —
der erzeugten Lebensmittel steht notwendig die Volksmenge
in der Stadt im genauesten A'erhältnis , so daß jede Ver-
engung der kultivierten Ebene auch eine Verminderung der
Größe der Stadt zur Folge hat.
Die Größe des Kreises der freien Wirtschaft, so\de die
der Forstwirtschaft, steht in dh'ektem Verhältnis mit der
Größe der Stadt und also auch mit der der kultivierten Ebene.
Für die Fruchtwechselwirtschaft — - wovon hier aber auch
dasjenige gilt, was im § 21 darüber gesagt worden — ist
bei dem Preise von 1^:2 Tlr. eine Ausdehnung von 9,4 Meilen
angenommen; mit den lallenden Preisen nimmt diese Aus-
dehnung rasch ab und wird schon bei dem Preise von
0,!. Tlr. = 0.
Nimmt man den Kreis der Koppel- und den der Frucht-
wechselwirtschaft zusammen, so haben diese Kreise
bei dem Preise eine Ausdehnung macht vom Halbmesser
der Ebene
von 1,50 Th\ von 21.4 Meüen = 62 »'o
1,05 „ 13,4 „ = 54 „
0,Go „ l.ß „ = 15 „
Der Kreis der Dreifelderwirtschaft hat
bei dem Preise eine Ausdehnung macht vom Halbmesser
der Ebene
von l,:,ü Tlr. von 4,5 Meilen = 13 °,'o
1,05 „ 5,4 „ = 21 „
0,60 ,, 6,2 „ = 60 „
Es zeigt sich hier dem Auge, wie die Abnahme der
Getreidepreise nicht bloß eine Verengung der kultivierten
Ebene (in der AVirkliclLlceit ein Zurückziehen der Kultur von
den schlechteren Bodenarten), sondern gleichzeitig auch eiue
Abnahme der intensiven Kultur des Bodens bewirkt.
389 Wenn man den Flächeninhalt, den die kidtivierte Ebene
— 303 —
bei dem Preise von 1^/2 Tli-. hat, gleich lOC'O setzt, so ist
Dach den Dimeusionen auf dieser Tafel
bei dem Preise der Flächeninhalt der Ebene
von 1,35 Th' 844
1,20 „ 687
1,03 „ 525
0,?o \ 367
0,75 , 217
Mit Ausnahme der letzten Zahl zeigt sich in der den
Flächeninhalt bezeichnenden abnehmenden Reihe eine ge-
wisse Regelmäßigkeit, indem sich der Flächeninhalt beinahe
■wie das Quadrat der Getreidepreise verhält.
Wenn wir annehmen,
1. daß von allem zum Yerkauf nach der Stadt gebrachten
Korn eine Abgabe entrichtet wird;
2. daß der Getreidepreis in der Stadt selbst unverändert,
nämlich stets 1^/2 Tlr. für den Schfl. Roggen blei1)t;
so hat dies für den Landwirt eben die Folge, als wenn der
Getreidepreis gesunken wäre, und diese 3te Tafel dient dann
zugleich, ein anschauliches Bild von der AVirkung dieser
Abgabe zu geben.
Wird z. B. eine Abgabe — sei es, daß diese als Ein-
gangszoll oder als Mahlsleuer erhoben wird — von 0,3 Tlr.
für den Schfl. Roggen eingeführt, so erhält der Landwirt
nur noch den Preis von 1,2 Tlr. für den Schfl., und die
kultivierte Ebene verengt sich dann von 34,7 bis zu 28,i;
Meilen.
Denken wir uns eine fortgesetzte Steigerung der Abgabe,
so bewirkt dies eine stete Abnahme der Ausdehnung der
kultivierten Ebene ; steigt die Auflage bis zu 0.;t Tlr. pr.
Schfl., so bleibt der Halbmesser dieser Ebene nur noch
10,4 Meilen, und bei noch mehr erhöhter Abgabe muß endlich 390
— 394
der ganze Staat verschwiaden. Es zeigt sieh hier anschau-
lieh, wie durch hohe Abgaben ein fruchtbarer Boden in eine
Wüste verwandelt werden kann.
Da nun einerseits bei der äußersten Höhe der Abgabe
kein Objekt zur Besteuerung mehr übrig bleibt, und die
Staatskasse dann keine Einnahme mehr hat ; und da anderer-
seits, wenn gar keine Abgabe erhoben wird, der Staat zwar
die größte Ausdehnung erhält, die Staatskasse aber ebenfalls
ohne Einnahme bleibt: so muß es einen Punkt geben, bei
welchem die Abgabe das Maximum des Ertrags liefert, und
es fragt sich, bei welcher Höhe der Abgabe dieses Maximum
in dem vorliegenden Fall stattfindet.
Wenn die Ab-
gabe beträgt
pr.Schfl.O Tlr.
0,15 ,,
0,30 „
0,45 „
0,60 „
0,75 „
so ist der Flächen-
inhalt der kultivier-
ten Ebene
. lOOii . .
alsdann ist der Er-
trag der Abgabe in
A'erhältuiszahlen
ausgedrückt
... 0
.844 126,60
.687 206,10
.525 236,25
.367 220,20
.217 162,75
Unter den hier aufgeführten Fällen gewährt also die
Abgabe von 0,45 Tlr. pr. Schfl. den höchsten Ertrag für die
Staatskasse. Jede fernere Steigerung der Abgabe vermindert
den Ertrag derselben, und was sehr bemerkenswert ist, die
Abgabe von 0,75 Tlr. pr. Schfl.. gewährt keine höhere Ein-
nahme als die von 0,22 Tlr.
Es zeigt sich hier also, daß, wenn auch die Staats-
gewalt sich vom Yolk lossagt und dieses nur als Mittel, um
Abgaben zu erheben, betrachtet, sie dennoch durch eine un-
mäßige Steigerung der Abgaben ihren eigenen Zweck gänzlich
verfehlt.
— 395 —
Ad Tafel lY. 391
Diese Tafel stellt den Einfluß, den der veränderte Er-
trag des Bodens bei gleichbleibendem Getreidepreise —
nämlich l^i2 Tb*, für den Schfl. Roggen — auf den isolierten
Staat ausübt, dar, wobei aber die im § 14 b ausgesprochene
Bedingung, unter welcher hier nur ein verschiedener Körner-
ertrag gedacht werden kann, in Betracht zu ziehen ist.
So wie auf der vorigen Tafel für die verschiedenen
Abstuf migeu der Getreidepreise, so ist hier für jeden Körner-
ertrag von 10 bis zu 4 herunter nur der Halbmesser der
kultivierten Ebene und der verschiedenen konzentrischen
Kreise angegeben.
Die Dimensionen auf dieser Tafel gründen sich auf die
Berechnungen im § 14 und sind für die Ausdehnung der
kultivierten Ebene folgende:
bei dem Ertrage ist der Halbmesser der Ebene
von 10 Körnern 34,7 Meilen
9 „ 33,3 „
8 ?i 31,5 „
~ 55 28,6 „
6 „ . . . • . 23,6 „
•"> 5, 13,3 „
4 9,
Die Vergleichung dieser Tafel mit der vorigen ergibt,
daß die Yerminderung des Bodenertrags eine noch stärkere
Abnahme der intensiven Kultur bewirkt als eine gleichmäßige
Abnahme des Getreidepreises. So beträgt z. B. bei dem
Preise von l^ 2 Tk. X 0,5 = 0,75 Tlr. für den Schfl. Roggen
die Ausdehnung der Koppelwirtschaft noch 38 % vom Halb-
messer der kultivierten Ebene, wälirend bei dem Ertrage
von 10 X 0,5 = 5 Körnern die Koppelwirtschaft schon ganz
verschwunden ist.
i
i
Der isolierte Staat
in Bezielinng auf
Lanchvirtschaft und Nationalökonomie.
Zweiter Teil.
Der naturgemäße Arbeitslohn und dessen Verhältnis
zum Zinsfuß und zur Landrente.
You
Jolianii Heiiiricli you Tliüiien
auf Tellow in Mecklenburg.
Erste Abteilung.
Rostock 1850.
Inhalt.
Zweiter Baud.
Seite
Einleitung 401
§ 1. Unklarheit des Begriffs vom natürlichen Arbeitslohn 435
§ 2. Über das Leos der Arbeiter, ein -Traum ernsten Inhalts 440
§ 3. Adam Smith's Ansichten über Arbeitslohn, Zinsfuß,
Landrente und Preis 447
§ 4. Arbeitslohn 462
§ 5. Über die Höhe des Zinsfußes, in dialogischer Form 466
§ 6. Bestimmungen und Voraussetzungen 472
§ 7. Unternehmergewiun , Industriebelohnung, Gewerbs-
profit 478
§ 8. Bildung des Kapitals durch Arbeit 484
§ 9. Bildung des Arbeitslohns und des Zinsfußes . . . 495
§ 10. Einfluß des Anwachsens des Kapitals auf den Zinsfuß 499
§ 11. Einfluß des Anwachsens des Kapitals auf die Größe
der Beute, die die kapitalerzeugende Arbeit gewährt 501
Tabelle A 507
§ 12. Einfluß der Fruchtbarkeit des Bodens und des Klimas
auf die Höhe des Arbeitslohns und des Zinsfußes . . 508
Anwendung 511
Tabelle B 515
•§ 13. Eeduktion der Wirksamkeit des Kapitals auf Arbeit 516
§ 14. In dem isolierten Staat ist an der Grenze desselben
die "Werkstätte für die Büdung des Verhältnisses
zwischen Arbeitslohn und Zinsfuß 532 VI
§ 15. Die Kapitalerzeugung durch Arbeit 542
— 400 —
Seite
§ 16. Bei welchem Zinsfuß erlaugt der Lohuarbeiter für
seineu Überschuß den höchsten Betrag au Zinsen? . 551
§ 17. Das Kapital als Arbeit ersetzend . 553
§ 18. Die Nutzung des zuletzt angelegten Kapitalteilchens
bestimmt die Höhe des Zinsfußes 557
§ 19. Der Arbeitslohn ist gleich dem Mehrerzeugnis , -was
durch den , in einem großen Betrieb , zuletzt ange-
stellten Arbeiter hervorgebracht Avird 569
§ 20. Die Produktionskosten des Kapitals und der Kapital-
rente 587
§ 21. Das Gesetz für die Teilung zwischen Kapitalisten und
Arbeitern 594
§ 22. Einfluß der Fruchtbarkeit des Bodens auf Arbeitslohn
und Zinsfuß 596
§23. Anwendung der gefundenen Formeln auf konkrete Fälle 602
Anlage A.
Berechnung der Unterhaltskosten uud des Einkommens einer
Tagelöhnerfamilie zu Tellow in dem Zeitraum von 1833
bis 1847 607
Anlage B.
Bestimmungen über den Anteil der Dorfbewohner zw Tellow
an der Gutseiunahme 671
Einleitung.
Übersicht und Kritik der im ersten
Teile dieses Werkes angewandten
Methode nebst Plan dieses zweiten
Teiles.
I.
Adam Sniitli war in der Nationalökonomie, Tliaer
in der wissenschaftlichen Landwirtschaft mein Lehrer.
Sie sind die Begi-ünder zweier Wissenschaften, und
manche ihrer Lehren werden für immer unantastbare Grund-
lagen der A\^issenschaft bilden.
Was uns in den Schriften oder den mündlichen Vor-
trägen bedeutender Männer unzweifelhaft erscheint, nehmen
wir in uns auf, eignen es uns zu, und es hört damit auf,
Gegenstand des eigenen Forschens zu sein.
Aber die Wissenschaft ist nie eine vollendete, und oft
dient ein Fortschritt in derselben dazu, uns neue früher nicht
geahnte Probleme zu zeigen.
Was nun in den Lehi'en beider großen Männer mir als
unvollendet erschien, mein Bedürfnis nach klarer Einsicht
nicht befriedigte und mich dadurch zm- eigenen Forschung
fortriß, mag, wenn auch nicht erschöpfend, doch übersicht-
lich sich in folgende Fragepunkte zusammendrängen lassen.
Thünen, Der isolierte Staat. 26
— 402 —
2 1. Wie muß sich bei konsequenter Bewirtschaftung mit
der Änderung der Kornpreise der Ackerbau ändern?
2. Durch welche Gresetze wird der Preis des Getreides
und des Holzes reguliert?
3. Hat das höhere "Wirtschaftssystem, hat namentlich die
Fruchtwechsel Wirtschaft einen absoluten Vorzug vor der
Koppel- und Dreifelderwirtschaft, oder ist der Yorzug des
einen Wirtschaftssystems vor dem anderen dm-ch die Höhe
des Preises der landwirtschaftlichen Erzeugnisse bedingt?
4. Aus welcher Ursache entspringt die Landrente, und
diu-ch welches Gesetz wird die Höhe derselben bestimmt?
5. Welches ist die endliche Wirkung der auf den Land-
bau gelegten Abgaben?
6. Welches ist der natürhche Arbeitslohn, oder welches
ist der dem Arbeiter von der Natur bestimmte Anteil an
seinem Erzeugnis?
7. Dui'ch welches Gesetz wird die Höhe des Zinsfußes
bestimmt, und welche Verbindung findet zwischen Zinsfuß
und Arbeitslohn statt?
8. Wie wirkt die Größe des Geldstocks auf den Zinsfuß
und auf den Preis der Waren?
9. Welchen Einfluß üben bedeutende Verbesserungen
im Landbau und Erfindung neuer Maschinen für die Fabriken
bei ihrem ersten Auftreten aus, und w^elches ist die endliche
Wirkung derselben ?
Schon in früher Jugend, als ich im Institut des Herrn
Staudinger zu Flottbeck den Landbau in der Nähe Ham-
burgs kennen lernte, faßte ich die erste Idee des isolierten
Staats auf, und seitdem habe ich mich stets gedrungen ge-
fühlt, die sich mir darbietenden land- und staatswirtschaft-
lichen Probleme der Anschauungsweise, welche dem isolierten
Staate zu Grunde liegt, zu unterwerfen, indem sich mir nur
3 in der Befreiung des Gegenstandes von allem Zufälligen und
Unwesentlichen die Hoffnung zur Lösung des Problems zeigte.
— 403 —
Beim Beginn meiner Laufbahn als praktischer Landwirt
suchte ich mir dann durch eine genaue und ins einzelne
gehende Rechnungsführung die Data zur Berechnung der
Kosten und des Reinertrags des Landbaues bei verschiedenem
Körnerertrage und verschiedenen Getreidepreisen zu ver
schaffen. Nachdem diese Data aus einer fünfjährigen Rech-
nung zusammengetragen und zu einer Übersicht vereinigt
waren, wurden, auf diese Grundlage gestützt, die Unter-
suchungen begonnen, welche im ersten Teil mitgeteilt sind.
Da es hier nun Zweck ist, die bei diesen Untersuchungen
angewandte Methode der Prüfung und Kritik zu unterwerfen,
so erlaube ich mir den Gang der Untersuchung und einige
der dadurch gewonnenen Resultate der Erinnerung des Lesers
wieder vorzuführen.
IL
Die im ersten Teile enthaltenen, auf die Verhältnisse
des Guts Tellow sich stützenden Berechnungen ergeben § ä, 6,
daß auf Boden von 8 Körnern Ertrag im Roggen nach
Brache die Landrente der Koppelwirtschaft verschwindet
oder gleich Null wird, wenn der Wert des Berliner Scheffels
Roggen auf 0,549 Taler Gold herabsinkt — und mit dem
Verschwinden der Landrente hört auch der Anbau des
Bodens auf.
Durch eine Änderung in der Form der Wirtschaft lassen
sich aber Ersparungen in den Wirtschaftskosten machen, und
der Boden kann dann, wenn der Wert des Roggens auch
unter 0,54;» Tlr. per Schfl. herabsinkt, noch angebaut werden
und selbst noch einige Landrente geben. Durch die auf
Kostenersparung gerichtete Änderung in der Form der Wirt- 4
Schaft entspringt ein Wirtschaftssystem, das mit der reinen
Dreifelderwirtschaft übereinstimmt.
Es ergibt sich hier also das Resultat, daß beim Sinken
26*
— 404 —
des Getreidepreises es einen Punkt gibt, wo die Dreifelder-
wirtschaft vorteilhafter wii'd als die Koppelwirtschaft.
Aber auch die Landrente der Dreifelderwirtschaft muß
zuletzt verschwinden, wenn die Kornpreise immer tiefer her-
abgehen, und dies ist nach § 14 a der Fall, wenn der Scheffel
Eoggen den Wert von O.ito Taler Gold erlangt — und hier
muß dann der Anbau des Bodens zum Zweck des Korn-
verkaufs enden.
Betrachten wii- aber andererseits die Wirkimg steigender
Kornpreise, so treffen wir auf einen Punkt, wo der Boden
zu kostbar imd zu einträglich wird, um noch ferner einen
Teil desselben ungenutzt als Brache zu bearbeiten. Mit der
Aufhebung der Brache geht die Koppelwirtschaft zur
Fr"ucht Wechsel wir tschaft über, und diese gewährt
hier eine höhere Landrente als jene.
Wenn man von dem Preise, den das Getreide in der
Stadt hat, wohin dasselbe geliefert ward, den Betrag der
Transportkosten abzieht, so ergibt sich daraus der Wert, den
das Getreide auf dem Gute selbst hat. Mit der größeren
Entfernung vom Marktplatz steigen die Transportkosten, und
der Wert des Korns auf dem Gute selbst nimmt ab. Die
zunehmende Entfernung vom Marktplatz wirkt also vrie ein
Sinken des Getreidepreises bei gleichbleibender Entfernung.
Es läßt sich also der Einfluß, den die Höhe des Ge-
treidepreises anf den Landbau ausübt, auch räumlich dar-
stellen, und aus dieser Darstellung im Baume ist der isolierte
Staat hervorgegangen.
5 Durch diese Auffassung des Gegenstandes wird mit der
ursprünglichen Aufgabe zugleich die andere verbunden:
Wie muß mit der gi'ößeren oder geringeren Entfernung
von der Handelsstadt sich die Form der Wirtschaft
ändern, wenn der Boden den höchsten Reinertrag
geben soll?
— 405 —
Aus der Erfahrung lassen sich die Gesetze, die hier
obwalten , nicht iminittelbar entnehmen , denn in. der Wirk-
lichkeit treten uns überall Ungleichheit des Bodens, un-
gleicher Reichtum desselben, Einwirkung schiffbarer Flüsse
usw. entgegen , und in den Wirtschaften , die wir in ver-
scliiedenen Entfernungen von den großen Handelsstädten
erblicken , spricht sich — die Konsequenz der Bewirtschaf-
tung vorausgesetzt — der Einfluß aller dieser Potenzen
vereint aus.
Um die Wirksamkeit der einen Potenz — der Entfernung
vom Marktplatz — von dem Konflikt mit der Wirksamkeit
iler anderen Potenzen zu befreien und dadurch zum Er-
kennen zu bringen, haben wir eine große Stadt ohne schiff-
baren Fluß in einer Ebene von durchaus gleichartigem und
gleich fruchtbarem Boden annehmen müssen.
Diese Geistesoperation ist analog dem Verfahren, welches
wir bei allen Versuchen in der Physik wie in der Land-
wirtschaft anwenden, wo wir nämlich nur die eine zu er-
forschende Potenz quantitativ steigern, alle übrigen Momente
aber unverändert lassen.
Unter diesen Voraussetzungen bilden sich in der Ebene
des isolierten Staates, wie im ersten Teil nachgewiesen ist,
regelmäßige konzentrische Kreise um die Stadt, in welchen
absteigend freie Wirtschaft, Forstwirtschaft, Fruchtwechsel-,
Koppel- und Dreifelderwirtschaft betrieben wird.
Bei unbegrenzt wachsender Entfernung von der Stadt
muß notwendig ein Punkt sich finden, wo die Produktions-
und Transportkosten des Korns dem Preise, der in der Stadt
dafür bezahlt wird, gleichkommen, und hier ist der Punkt, 6
wo die Landrente verschwindet, und die Kultur des Bodens,
insofern diese auf Kornverkauf nach der Stadt basiert ist, endet.
Hieraus geht denn das im § 24 ausgesprochene, den
Getreidepreis bestimmende Gesetz hervor.
Aus dem Vorzug, den die der Stadt näher gelegenen
— 406 —
Güter vor den Gütern an der Grenze der kultivierten Ebene
haben, entspringt die Landrente, und die Größe dieses Vor-
zugs bestimmt nach § 25 den Betrag der Landrente.
Jenseits der Grenze, wo die Kultur des Bodens zum
Zweck des Kornverkaufs nach der Stadt aufhört, bildet sich
der Kreis der Viehzucht, welche hier noch mit einigem Vor-
teil betrieben werden kann, weil die Transportkosten der
Viehprodukte, wie Butter, Fettvieh, Wolle usw., im Ver-
hältnis zum Wert derselben ungleich geringer sind, als die
des Getreides.
Jenseits des Kreises der Viehzucht geht dann die Ebene
in eine menschenleere Wildnis über, durch welche der iso- ■,
lierte Staat von der übrigen Welt geschieden wird. Den I
Boden dieser Wildnis selbst nehmen wir aber von gleicher
Beschaffenheit und gleicher natürlicher Fruchtbarkeit mit
dem der übrigen Ebene an — und das Hindernis der Ver-
breitung der Kultur nach diesen Gegenden liegt demnach
nicht in der Beschaffenheit des Bodens, sondern allein in
der großen Entfernung von dem Marktplatz für die länd-
lichen Erzeugnisse.
Die Ausdehnung des Kreises der Viehzucht findet also
auch nur darin eine Schranke, daß der Preis der Vieh-
produkte in der Stadt für den entferntesten Produzenten nur
noch die Produktions- und Transportkosten deckt.
Mit der zunehmenden Entfernung von der Stadt mindern
sich — weil Landrente und Kornpreis abnehmen — die
Produktionskosten der Vieherzeugnisse, wogegen sich die
7 Transportkosten derselben mehren. Da nun , wie im § 26
nachgewiesen ist, mit der zunehmenden Entfernung von der
Stadt die Produktionskosten stärker abnehmen, als die Trans-
portkosten zunehmen, und da die Landrente des entlegensten
Gutes im Kreise der Viehzucht = 0 ist, so folgt daraus
(§ 26 b) das wichtige Gesetz, daß in den der Stadt näheren
— 407 —
Gegenden (mit Ausnahme des Kreises der fieien Wirtschaft)
die Landrente aus der Viehzucht negativ sein muß.
Die endliche Wirkung einer neu eingeführten Abgabe
gibt sich (Abschnitt 3) darin kund, daß der äußere Rand der
Ebene verlassen wird, die Bodenkultur sich auf einen engeren
Kreis um die Stadt herum beschränkt, und die Zalü der Be-
wohner des Staats sich vermindert.
Dies ist in einem kurzen Überblick der Gang und das
Ergebnis der Untersuchungen des ersten Teils.
Die Resultate sind dort nicht durch Räsonnements ge-
funden, sondern aus einer Formel über die Kosten und den
Ertrag des Landbaues, zu welcher die Data aus der Wirk-
lichkeit entnommen sind, abgeleitet worden, indem der eine
Faktor — der Kornpreis — einer sukzessiven Änderung
unterworfen wurde.
Diese Methode kann, weuu die Erfahrungen genau und
richtig aufgefaßt, und die darauf gebauten Schlußfolgen
konsequent sind, mathematische Gewißheit auf ein Gebiet
übertragen, worin beim bloßen Räsonnement sich die wider-
sprechendsten Ansichten geltend machen.
Je größer aber die Leistungen dieser Methode sein
können, und je mehr die Ergebnisse derselben auf Gewißheit
Anspruch machen, um so schärfer muß auch die Prüfung
und Kritik derselben sein.
III. i
Das Abstrahieren von der Wirklichkeit, ohne welches
wir zu keiner wissenschaftlichen Kenntnis gelangen, bietet
die zwiefache Gefahrseite dar, daß wir
1. in Gedanken trennen, was eine gegenseitige Wechsel-
wirkung aufeinander ausübt, und
2. unseren Schlüssen Voraussetzungen zu Grunde
legen, deren wir uns nicht klar bewußt sind, sie deshalb
nicht auszusprechen vermögen und dann für allgemein
— 408 —
gültig halten, was doch nur unter diesen Yoraussetzungen
gültig ist. —
Die Geschichte der Xationalökonomie liefert hierzu
manche frappante Beispiele.
Unter den im ersten Band teüs ausgesprochenen, teils
stillschweigend zu Grunde gelegten Yoraussetzungen be-
dürfen die beiden nachstehenden einer besonderen Prüfung
und Beleuchtung.
1. Der Boden in der Ebene des isolierten Staats ist
nicht bloß ursprünglich von gleicher Fruchtbarkeit, sondern
im Yerfolg der Kultur bleibt auch (mit Ausnahme des ersten
Kreises) der Reichtum des Bodens an Pflanzennahnmg in
allen Gegenden des isoHerten Staats sich gleich, wie ver-
schieden daselbst auch die Getreidepreise sein mögen.
2. Die Sorgfalt in der Bestellung des Ackers, in der
Einerntung der Früchte, dem reinen Ausdrusch usw. bleibt
überall gleich, der Scheffel Roggen mag ^2 oder 1^/2 Taler
gelten. Nun haben wir die Konsequenz der Bewirt-
schaftung als die höchste und unab weisliche Forderung
obenanstellen und dieser alles unterordnen müssen.
Es drängt sich also von selbst die Frage auf: „Sind jene
beiden Yoraussetzungen mit der Konsequenz der Bewirt-
schaftung verträglich?"
9 Ich muß hierauf antworten: „Xein."
Die Gründe für diese Antwort werden weiterhin näher
entwickelt werden.
Yon dieser Seite hätte der erste Teil, der hierüber keine
Rechtfertigung gibt, angegriffen werden können und müssen
— wenn dem Buch eine in den Geist desselben eingehende
Kritik zuteil geworden wäre.
Stürzt aber nicht mit der Erkenntnis dieses Mangels
in der Grundlage das ganze Gebäude des isolierten Staats
zusammen? Wir wollen, um diese Frage zu erörtern, einen
analogen Fall anführen und in Betracht ziehen.
— 409 —
Gesetzt, man könne fruchtbare Ackererde zu einem ge-
gebenen Preise ankaufen und geliefert erhalten, und es stände
in unserer Willkür, die Ackerkrume bis zu jeder beliebigen
Mächtigkeit zu erhöhen: so würden wir uns die Aufgabe
stellen, zu ermitteln, bei welcher Mächtigkeit der Krume wir,
nach Abzug der Zinsen vom Ankaufspreis der Erde, vom
Boden den höchsten Eeinertrag beziehen.
Um hiei-über ins Klare zu kommen, würde man zuerst
Versuche anstellen, um zu erforschen, wie und in welchem
Verhältnis der Ertrag au Früchten mit der zunehmenden
Mächtigkeit der Krume steigt. Bei einem solchen Versuch
würde man unstreitig alle Ackerstücke mit verschiedener Krum-
tiefe gleich stark besäen — weil man sonst zwei heterogene
Gegenstände miteinander vermischte und über keinen von
beiden durch den Versuch eine reine Antwort erhielte. Den-
noch aber ist die Stärke der Einsaat hier ein mitwirkendes
Moment; denn es ist sehr wahrscheinlich, daß die lOzöllige
Krume ein anderes Einsaatsquantum erfordert, als die 4zöllige,
wenn beide den höchsten Ertrag an Früchten geben sollen.
Man wird also einen zweiten Versuch anstellen, die
Ackerstücke mit verschiedener Krumtiefe in mehrere Ab-
teilungen zerlegen und diese in verschiedener Stärke besäen, 10
lim zu ermitteln, Avelche Stärke der Einsaat für jede Krum-
tiefe die angemessenste ist und den höchsten Fruchtertrag
liefert.
Ebenso wird man die Größe des Einflusses der anderen
noch mitwirkenden Potenzen, als die Änderung der Qualität
des Bodens bei veränderter Tiefe der Krume, die mit der
tieferen Krume verbundenen größeren Kosten des Pflügens
usw. einzeln und getrennt von allen anderen zum
Gegenstand von Versuchen und Beobachtungen macheu
müssen, um jene Aufgabe vollständig zu lösen.
Sollte nun das Verfahren, was wir in der physischen
AVeit für durchaus richtig erkennen, in der Gedankenwelt
— 410 —
unstatthaft sein; sollten wir nicht auch hier von zwei zu-
sammenwirkenden Potenzen erst die eine als allein wirkend
betrachten und dann die andere auf gleiche Weise als allein
wirksam der Betrachtung unterziehen dürfen?
Gewiß läßt sich durch Analogien die Richtigkeit dieses Ver-
fahrens bis zur Wahrscheinlichkeit erheben; aber schwerlich
dürfte es auf diesem Wege gelingen, einen strengen Beweis,
der keine entgegengesetzten Ansichten zuläßt, dafür zu liefern.
Auf die absolute Richtigkeit kommt hier aber alles an.
Glücklicherweise finden wir den Beweis dafür in der
Wissenschaft, die nicht trügt — in der Mathematik.
In der Differentialrechnung wird nämHch, wenn man
von einer Funktion, die mehrere veränderliche Größen ent-
hält, das Maximum des Werts sucht, bei der Difi'erentiation
zuerst nur die eine Größe als veränderlich, die anderen aber
als konstant betrachtet, und nachdem man den für diese
Größe — durch Gleichstellung ihres Differentials mit Null
— gefundenen Wert in die Funktion gesetzt hat, wird die
zweite veränderliche Größe der Differentiation unterworfen,
der sich ergebende Wert derselben substituiert, und so fort-
11 gefahren, bis alle veränderlichen Größen aus der Funktion
verschwunden sind.
Soll nun das erwiesen richtige Verfahren der Mathe-
matiker auch für die Richtigkeit unserer Methode Beweis-
kraft haben, so muß nachgewiesen werden, daß wir, wie sie,
ein Maximum zu finden streben und zum Gegenstand unserer
Untersuchung machen.
In der Landwirtschaft besitzen wir durch vermehrte
Sorgfalt in der Bestellung des Ackers, der Einerntung der
Früchte usw., durch Ankauf von Dung, Gips, Knochenmehl,
Guano etc., durch Auffahren von Mergel und Moder, durch
Zuführung einer dem Acker mangelnden Erdart u. s. f. eine
-Menge Mittel nicht bloß den momentanen, sondern auch den
dauernden Ertrag des Ackers zu steigern.
— 411 —
Wenn aber diese Verbesserungen mit einem Kosten-
aufwand erkauft werden, der den Wert des dadurch erlaugten
Mehrertrags übersteigt, so führen sie nicht bloß zum Ruin
■des Landwirts, der sie unternimmt, sondern vermindern auch
das Nationalvermögen.
Nicht der höchste Rohertrag, sondern der höchste Rein-
ertrag ist und soll das Ziel des Landwirts sein.
Fragen wir nun, wo ist die Grenze, bis zu welcher die
Sorgfalt der Arbeit und die Bereicherung des Bodens ge-
trieben werden darf, so lautet die Antwort:
1. Die Sorgfalt der Arbeit, z. B. beim Auflesen der
Kai'toifeln, darf nicht weiter gehen, als bis die zuletzt darauf
gewandte Arbeit noch durch das Plus des Ertrags vergütet
wird.
2. Die Bereicherung des Bodens muß konsequenterweise
bis zu dem Punkt getrieben werden, aber auch da aufhören,
wo die Zinsen der Kosten des Dungankaufs, oder statt dessen
der Dungerzeugung, mit dem dadurch erlangten Mehrertrag
ins Gleichgewicht treten.
Immer wird der auf diese Weise erlangte Mehrertrag 12
durch einen Aufwand von Kapital und Arbeit erkauft, imd
es muß einen Punkt geben, wo der Wert des Mehrertrags
dem Meliraufwand gleich wird — und dies ist zugleich der
Punkt, bei welchem das Maximum des Reinertrags stattfindet.
Das Verfahren, was wir bei unseren Untersuchungen,
wo die Ermittlung des höchsten Reinertrags das Ziel ist,
anwenden, steht also mit der in der Mathematik bei der
Ermittlung des Maximums des Werts einer Funktion mit
mehreren veränderlichen Größen als richtig erwiesenen
Methode im Einklang, und so wie der Mathematiker von
den in einer Funktion enthaltenen veränderlichen Größen
zuerst bloß die eine als veränderlich, die andere aber als
konstant betrachtet und behandelt, so dürfen auch wir von
den verschiedenen auf den Reinertrag einwirkenden und mit
— 412 —
dem Kornpreise in Verbindung stehenden Potenzen erst die
eine als allein wirkend, die andere aber als gleichbleibend
oder ruhend ansehen und behandeln.
Damit ist denn auch die Zulässigkeit und Richtigkeit
der im ersten Teil angewandten Methode nachgewiesen.
Aber im ersten Teil ist die Frage: „Welchen Einfluß
übt die Höhe der Kornpreise auf den Landbau aus?'' erst
teilweise, erst nach einigen Seiten hin untersucht und ver-
folgt. Die Einwirkung der Kornpreise erstreckt sich aber
auf viele andere Gegenstände, wovon wir hier nur die auf
den Bodenreichtum und auf die Sorgfalt der Arbeit anführen
wollen — und somit ist der erste Teil nur der Beginn der
Arbeit zur vollständigen Lösung der Aufgabe.
Zum besseren Verständnis und zur richtigeren "Würdi-
gung des ersten Teils lasse ich schon hier eine vorläufige
Betrachtung über die Einwirkung des Kornpreises auf die
Iteiden Potenzen: Bodenreichtum und Sorgfalt der Arbeit,
13 folgen. Weiterhin aber sollen diese Punkte Gegenstand einer
eigenen Untersuchung werden.
IV.
A. Unter den Verhältnissen des isolierten Staats, wo,
durch die Einw^irkung des ausgedehnten, bloß Viehzucht
treibenden Kreises, die Preise der Viehprodukte sehr niedrig
sind, kann, wie im ersten Teil nachgewiesen ist, die Ab-
schaiTung der Brache und die Einführung der Fruchtwechsel-
wirtschaft erst dann vorteilhaft werden, wenn der Boden
einen Grad des Reichtmns erlangt hat, bei welchem das
Korn nach reiner Brache sicli lagert. Der isolierte Staat
ist aber auf die Voraussetzung eines gleichen Bodenreichtums
der ganzen Ebene basiert, und zwar ist eine Ertragsfähigkeit
von 8 Körner (0,4 1 Berliner Scheffel vom preuß. Morgen) nach
reiner Brache angenommen.
— 413 —
Bei diesem Ertrage findet aber keine Lagerung des
Korns statt.
Bei konsequenter Schlußfolge hätte also in dem ersten
Teil des isolierten Staats die Fruchtwechselwirtschaft eigent-
lich ausgeschlossen bleiben müssen.
Werfen wir nun in Beziehimg auf die A^erbindung
zwischen Kornpreis und Bodenreichtum einen Blick auf die
"Wirklichkeit, so finden wir in der Regel in den Ländern
mit dichter Bevölkerung und hohen Kornpreisen einen höheren
Bodenreichtum als in den dünnbevölkerten Ländern mit
niedrigen Kornpreisen. Die Frage ist also praktisch schon
gelöst, und es ist merkwürdig, daß das, was der gesunde
Sinn der praktischen Landwirte längst ausübt, von der
Wissenschaft im systematischen Zusammenhang noch nicht
aufgefaßt und dargestellt ist.
Wenn wir nun statt des mangelnden wissenschaftlichen
Beweises die Erfahrung, daß die Bodenbereicherung der
Erhöhung der Gretreidepreise folgt, als auf A'ernimftgründen 14
beruhend ansehen und diesen Satz auf den isolierten Staat
auAvenden, so wird dadurch die Gestaltung desselben wesent-
lich modifiziert. Statt des gleichen Reichtums der ganzen
Ebene sehen wir dann von der Grenze an nach der Stadt
zu den Bodenreiclitum stetig wachsen, und es ist möglich,
selbst wahrscheinlich, daß in einer gewissen Entfernung von
der Stadt es vorteilhaft wird, den Boden über den Punkt
liinaus zu bereichern, wo das Lagern des Korns nach Brache
anfängt. Damit würde denn die Fruchtwechselwirtschaft
den Platz, der im ersten Teil zwar ahnend angedeutet ist,
aber als unvereinbarlich mit den angenommenen Verhält-
nissen betrachtet wurde, wirklich einnehmen.
Hier treffen wir also auf eine bedeutende Abweichung
Ton dem Resultat des ersten Teils, und es könnte den An-
schein gewinnen, als sei die Methode, zur Zeit nur eine
Potenz in Betracht zu ziehen, hier irreführend geworden.
— 414 —
Aber ohne die Annahme eines gleichen Bodenreichtums
wäre die Untersuchung, wie die Entfernung von der Stadt
an sich, d. i. ohne Einwirkung anderer Potenzen wirkt, gar
nicht zu führen gewesen und wäre verwirrend statt auf-
klärend geworden.
Das Unzutreffende rülii't nicht von der Methode, sondern
davon her, daß die Untersuchung im ersten Teü noch nicht
beendigt und nur erst eine Seite der Aufgabe gelöst ist.
"Wie in einer Funktion, die mehrere veränderliche Größen
enthält, durch Auffindung und Substituierung des Werts der
einen Größe der Wert der Funktion selbst noch unbestimmt
bleibt und diese Bestimmtheit erst dann erhält, wenn alle
veränderlichen Größen entfernt sind — so auch hier.
Zui" eigentlichen Lösung der Aufgabe gehört, daß, nach-
dem die erste Untersuchung über den Einfluß der Entfernung
15 an sich beendigt ist, eine zweite Untersuchung über den
Einfluß der Entfernung auf den angemessensten Boden-
reichtum begonnen und durchgeführt Avird; aus der Ver-
bindung beider Untersuchungen geht dann ein vollständiges
— wenn auch noch nicht das letzte — Resultat hervor.
In der Tat sind die Materialien zu dieser Arbeit im
ersten Teil schon größtenteils enthalten. Denn die Formeln
zur Berechnung des Reinertrags sind nicht bloß für einen
gegebenen Kornertrag, sondern für alle Stufen des Ertrags
bis zu 10 Körnern iiinauf und damit auch für den diesen
Erträgen entsprechenden Bodenreichtum gültig. Auch ist für
die Grenze, wo sich Koppel- und Dreifelderwirtschaft
scheiden, eine Formel gefunden, die für alle Stufen des Er-
ti'ags gültig ist. Nur für den Boden reichtum , der einem
höheren Ertrag als dem von 10 Körnern entspricht, sind die
Berechnungen und Formeln noch zu entwerfen.
Wäre nun das Gesetz, nach welchem Kornpreis und
Bodeureichtum miteinander verbunden sind, gefunden, so
könnte man aus den schon vorhandenen Materialien mit
— 415 —
Leichtigkeit Bodenreichtiiin , Ertrag und Landrente für jede
Entfernung von der Stadt angeben, das Bild des isolierten
Staats vervollständigen und diesen dadurch der Wirklichkeit
— worin uns die Gesamteinwirkung aller Potenzen ent-
gegentritt — näher führen.
Das bloße aus der Beobachtung entnommene "Wissen,
daß in der Regel mit hohen Korupreisen auch hoher Boden-
reichtum verbunden ist, reicht aber zu einer solchen Arbeit
nicht aus. Es muß \äelmehr die Notwendigkeit dieser Er-
scheinung nachgewiesen, und das Gesetz für die Wechsel-
wirkung zwischen Kornpreis und Bodenreichtum gefunden
sein, ehe dieser Teil unserer Aufgabe mit derselben Schärfe
und Genauigkeit untersucht und behandelt werden kann,
wie der erste.
B. Wenn auf einem Gute, wo bisher alle Arbeiten durch 16
20 Tagelöhnerfamilien beschafft wurden, noch eine Familie
eingesetzt, und das Zugvieh zugleich verhältnismäßig ver-
mehrt wird, so können Ernte und Saat teils in kürzerer
und damit in der angemessenen Zeit beschafft, teils können
die Arbeiten bei der Ernte und Saat sorgfältiger gemacht
werden; es kann ferner das Korn reiner ausgedroschen, es
können die Kartoffeln reiner aufgenommen werden u. s. f.
Die Vermelu-ung der Arbeiterfamilien muß konsequenter-
weise so lange fortgesetzt werden, bis der durch den zuletzt
angestellten Arbeiter erlangte Mehrertrag im Wert gleich
dem Lohn ist, den der Arbeiter erhält.
Der Mehrertrag spricht sich in Korn aus und bleibt
für ein und dasselbe Wirtschaftssystem immer gleich, welchen
Preis auch das Korn haben mag. Der Geldlohn des Ar-
beiters aber steigt und fällt, selbst wenn der reelle Arbeits-
lohn derselbe bleibt, nicht im direkten Verhältnis mit dem
Kornpreis, sondern ein Teil desselben wird — Avie im ersten
Teil ausführlich erörtert ist — von dem Kornpreis nicht
affiziert und muß deshalb in Geld ausgedrückt bleiben.
— 416 —
Gesetzt nun, die Kosten einer Ai-beiterfamilie betragen
iährlich 60 Scheffel Roggen plus 30 Tlr. ; der durch die zu-
letzt angestellte Familie erlangte Mehrertrag des Gutes betrage
100 Scheffel Roggen, so bleibt dem Grundbesitzer ein Gewinn
von 40 Schfl. minus 30 Tlr. Bei dem Preise des Roggens von
11/2 Tlr. pr. Schfl. beträgt dennoch der Gewinn 60 -f- 30 = 30 Tli\
1 „ „ „ „ „ » „ 40-^30 = 10 „
■^U RO • 30 — 0
'■* 55 55 5' 55 55 55 55 OU -;- OU V „
und bei dem Preise von -/2 Th\ pr. Scheffel verwandelt
sich der Gewinn in einen Verlust von 10 Th\
Es ergibt sich hieraus, daß bei dem Kornpreise von
1^/2 Tli-. noch mehr als 21 Arbeiter mit Torteil angestellt
17 werden können, während bei dem Preise von 1/2 Tlr. schon
der zwanzigste Arbeiter Verlust bringt.
Nun liegt es aber in der Natur des Landbaues — und
dies ist ein sehr beachtungswerter Umstand — , daß das
Mehrerzeugnis nicht im geraden Verhältnis mit der Zahl der
mehr angestellten Arbeiter steigt, sondern jeder später an-
gestellte Arbeiter liefert ein geringeres Erzeugnis als der
vorliergehende — der 22ste Arbeiter weniger als der 21ste,
der 23ste weniger als der 22ste usw.
Als Beispiel stelle ich folgende Skala auf:
Es bringt hervor der 21ste Arbeiter 100 Schfl.
22ste
... 90
23ste
. . . 81
24ste
. . . 73
2Öste
. . . 111
19te
. . . 123
Dieser Skala nach bringt beim Preise von 1^/2 Th\ pr.
Scheffel:
Der 22ste Arbeiter .... 90 Schfl., kostet 60 Seh. -f 80 Tlr.
liefert Überschuß 30 Schfl. u IV2 Tk. ~ 30 Tlr. = 15 „
Der 23ste Arbeiter .... 81 Schfl., kostet 60 Seh. -j- 30 „
liefert Überschuß 21 a IV2 ~ 30 = II/2 „
— 417 —
Der 24ste Arbeiter .... 73 Schfl., nach Abzug des Lohns
bleiben 13 Sclifl. a Vh Tlr. -i- 30 = -^ IO1/2 TIr.
Bei dem Preise von 1^/2 Tlr. für den Scheffel bringt
also die Anstellung des 22sten Arbeiters noch Gewinn, bei
der Aufnahme des 23sten Arbeiters kompensieren sich Nutzen
und Kosten, während die Ansetzung eines 24sten Arbeiters
mit Verlust verbunden ist.
Bei dem Preise von ^/2 Tlr. bringt der 20ste Arbeiter
111 Schtl. hervor. Nach Abzug des Lohns bleiben hiervon
51 Schfl. minus 30 Tlr. Die 51 Scheffel haben einen Wert 18
von 25^/2 Tlr. Der 20ste Arbeiter bringt also 4M2 Tlr. Ver-
lust. Der 19te Arbeiter liefert ein Erzeugnis von 123 Schtl.,
wovon nach Abzug des Lohns 63 Schfl. a 1/2 Tlr. = 31^/2 -f-
30 --= 11/2 Tlr. übrig bleiben.
Bei dem Preise von 1^/2 Tlr. pr. Scheffel ist es also
vorteilhaft, die Arbeiter von 20 bis zu 23 zu vermehren,
während bei dem Preise von 1/2 Tlr. der 20ste Arbeiter
abgeschafft werden muß, um den höchsten Reinertrag zu
■erlangen.
Vergleichen wir nun zwei Güter des isolierten Staats
miteinander, wovon das eine an der Grenze — wo der
Scheffel Roggen zirka 1/2 Tlr. Wert hat — , das andere in
der Nähe der Stadt — mit einem Roggenpreise von 1^/2 Tlr.
— liegt, und nehmen an, daß beide nicht bloß gleichen
ßodenreichtum haben, sondern auch demselben Wirtschafts-
system unterworfen sind, so würde doch, bloß wegen der
größeren Sorgfalt der Arbeit, der Kornertrag des letzteren
Gutes um den Betrag dessen, was der 20ste, 21ste, 22ste und
23ste Arbeiter erzeugen, größer sein, als der Ertrag des
ersteren Guts — was nach der aufgestellten Skala 382 Schfl.
Welche Änderung bewirkt nun die Berücksichtigung
dieses Moments in der Gestaltung des im ersten Teil dar-
gestellten isolierten Staats?
Tliünen, Der isolierte Staat. 27
— 418 —
Gesetzt, der Koruertrag des Bodens von gleichem Eeich-
tum betrage in der Nähe der Stadt 8^/2, an der Grenze des
Staats dagegen nur 7^1 2 Körner.
Da diese Differenz im Kornertrag sich bei konsequenter
Bewirtschaftung ergibt, und der Landwirt an der Grenze
es vorzieht, von einem Boden, der 8V2 Körner tragen kann,
nur 7^/2 Körner zu gewinnen, so folgt daraus, daß die Pro-
duktionskosten des Korns niedriger zu stehen kommen, wenn
19 nur 71/2 Körner, als wenn 8 Körner — der Normalertrag
der Ebene — durch vermehrten Arbeitsaufwand gewonnen
werden. Nun wird durch die Größe der Produktionskosten
die Ausdehnung des Anbaues der Ebene bedingt, und es
wird folglich auch bei Berücksichtigung dieses Moments die
Meilenzahl, bei welcher der Anbau der Ebene aufhört, etwas
größer werden, als im ersten Teil berechnet ist. Auch mag
die Grenze zwischen Koppel- und Dreifelderwirtschaft etwas,
jedoch nicht erheblich, verrückt werden. Auf die Meilenzahl
kommt es hier aber nicht an, da diese das Wesen der Unter-
suchung nicht berührt, sondern nur zur Versinnlichung der
Idee dient. Die Einwirkung dieses Moments ist nur quan-
titativ, nicht qualitativ, und kann deshalb bei der Kon-
struktion des isolierten Staats außer acht bleiben. In anderer
Beziehung ist dagegen — wie sich weiter unten ergeben
wird — die Beachtung dieses Moments von großer Wichtigkeit.
Hier mag sich nun noch eine Erklärung auscliließen
über ein Resultat des isolierten Staats, welches zur Zeit des
ersten Erscheinens des Buchs im Jahr 1826 mit dem in der
Wirklichkeit Bestehenden anscheinend einen grellen Wider-
spruch bildete.
Die Berechnungen im ersten Teil haben ergeben, daß,
wenn die Kornpreise bis zu einem gewissen Punkt sinken,
der Übergang aus der Koppel- zur Dreifelderwirtschaft vor-
teilhaft wii'd, und die Landrente steigert.
- 419 - .
Nun waren in dem Zeitraum von 1820 bis 26 die Korn-
preise im nördlichen Deutschland fast bis zu dem Punkt ge-
sunken, wo nach dem isolierten Staat die Dreifelderwirtschaft
vorteilhafter wird als die Koppelwirtschaft. Aber die Land-
wirte jener Zeit suchten und fanden ihre Rettung in einer 20
Wirtschaft mit vermehrter Erzeugung von Viehprodukten
und nicht in dem Übergang zur Dreifelderwirtschaft, durch
welche der Ertrag an Viehprodukten noch mehr beschränkt
worden wäre als die Kornproduktion.
Der Verfasser erkannte bei Abfassung des Buchs den
schroffen Gegensatz zwischen der Wirklichkeit und dem von
ihm gefundenen Resultat sehr wohl ; aber er konnte dasselbe
nicht ändern, weil es mit Notwendigkeit aus dem ganzen
Gang der Untersuchung hervorging.
Woher rührt aber dieser Widerspruch?
1. In dem isolierten Staat ist der beharrende Zustand
Grundlage der Betrachtimg. Die Wohlfeilheit des Getreides
in Deutschland, hervorgegangen aus einer Reihe äußerst
fruchtbarer Jahre und aus der gleichzeitig eingetretenen
Kornsperre Englands, war ein unnatürlicher Zustand, der
keine Dauer haben konnte.
In dem Teil des isolierten Staats, wo die Dreifelder-
wirtschaft herrscht, muß sowohl der Getreidepreis, als der
Preis der Viehprodukte dauernd niedrig sein, weil die Kon-
sumenten keinen höheren Preis, als den zur Norm genomme-
nen zahlen können.
In Deutschland waren die Konsumenten dagegen im-
stande, den vor 1820 bestehenden Durchschnittspreis für das
Getreide zu zahlen, und der niedrige Preis rührte nicht von
dem Unvermögen der Konsumenten, sondern von dem un-
mäßigen, den möglichen Verbrauch weit übersteigenden An-
gebot her. Dies bewirkte nun eine Änderung in der Lebens-
weise des Volks. Von dem Einkommen , was sonst zum
Ankauf des Getreides verwandt werden mußte, wurde ein
27*
— 420 —
beträchtlicher Teil erspart, und das Ersparte größtenteils airf
bessere Bekleidung und vermehrten Genuß animahscher
Speisen statt der vegetabilischen verwandt, Bedarf und
21 Nachfrage nach animalischen Erzeugnissen, als Wolle, Fleisch,
Butter usw., A\inxlen dadurch gar selir vermehrt: Fleisch
und Butter behielten fast denselben Preis ■«ie zu den Zeiten
der hohen Kornpreise, und die AVolle, begünstigt durch eine
fast zollfreie Einfuhr in England, erhielt sich auf einem \m-
natürlich hohen Preis. Xiemals hat vielleicht ein solches
Mißverhältnis in den Preisen zwischen Korn und animalischen
Erzeugnissen stattgefunden, wie damals. "Während früher
der Berliner Scheffel Roggen ungefähr den Wert von 9 Pfimd
Butter und von 6 Pfund "Wolle hatte, galten zu der Zeit
3 bis 4 Pfund Butter soviel als ein Scheffel Roggen, und
der Preis eines Pfundes veredelter Wolle überstieg häufig
den des Scheffels Roggen, und die hochfeine Wolle erreichte
sogar pr. Pfund den doppelten Wert des Schelf eis Roggen.
Zwischen den Produktionskosten — die sonst den Preis
regulieren — und den Marktpreisen schien jedes Band zer-
rissen zu sein. So abnorme Verhältnisse konnten nicht
dauernd sein imd sind jetzt auch längst untergegangen.
Bei Erwägung dieser Verhältnisse wird es leicht be-
greiflich, daß das Sinken des Kornpreises allein bei hohen
Preisen ' der Viehprodukte nicht zur Dreifelderwirtschaft,
sondern zum erweiterten Anbau von Futterge wachsen führen
mußte.
2. In dem isolierten Staat ist die kultivierte Ebene von
einem bloß Viehzucht treibenden Kreise umgeben, aus welchem
die Viehprodukte zu einem so niedrigen Preis geliefert werden,
daß die Rente aus der Viehzucht in den der Stadt nahe-
gelegenen Gegenden negativ wird. Von dem größten Teil
Deutschlands sind dagegen die rohen, bloß Viehzuclit treiben-
den Länder entweder so weit entfernt, oder die Einfuhr der
Viehprodukte aus denselben ist durch Zölle so erschwert, daß
— 421 —
der Preis der animalischen Erzeugnisse hoch geni;g ist, um
durch Viehzucht eine Reute vom Boden zu gewinnen.
Nichts führt aber so entschieden zur Fruchtwechsel- 22
Avirtschaft, als ein hoher Preis der Tiehprodukte , und das
Preisverhältnis zwischen diesen und dem Korn ist eins der
A\ichtigsten Momente bei der Entscheidung der Frage, wo
die Fruchtwechselwirtschaft anfängt vorteilhafter zu werden
als die Koppelwirtschaft.
In dem ersten Teil des isolierten Staats konnten die
deutschen Verhältnisse nicht berücksichtigt, noch weniger
zu Grunde gelegt werden , weil dadurch das Streben nach
Erforschung allgemeiner Gresetze in ein Suchen nach Vor-
schriften, die für ein Land, eine Provinz gültig, für alle
anderen Länder aber unbrauchbar und unanwendbar sind,
umgewandelt "«.väre. In diesem Teil wird aber der isolierte
Staat auch unter der Abänderung, daß derselbe mit einer
Sandwüste statt der kulturfähigen Wildnis umgeben ist,
Gegenstand der Untersuchung w^erden — und die Resultate,
die sich daraus ergeben, werden den deutschen Verhältnissen
analoger sein, als die des ersten Teils.
Von dem richtigen Gefühle geleitet, daß der Satz:
„Niedrige Korn preise führen zur Dreifelderwirtschaft'- für
die deutschen Verhältnisse nicht zutreffend sei, hat man die
Richtigkeit desselben in Zweifel gezogen; aber indem man
übersah, daß das Unzutreffende von der Verschiedenheit der
Verhältnisse herrülirt, hat man den Satz da angegriffen, wo
er nicht anzugreifen ist, und Gründe dagegen angeführt, die
unhaltbar sind.
V.
Ausdehnung der Forderung der Konsequenz auf
alle Verhältnisse des isolierten Staats.
Das Verfahren bei der Konstruktion des isolierten Staats
ist, daß wir ein gegebenes Gut aus der Wirklichkeit zu
422
23 Grunde legen, dieses Gut im Gedanken sukzessiv nach ver-
schiedenen Entfernungen von der Stadt — dem Marktplatz
— verlegen und nun die Frage : „Wie wird sich die Wirt-
schaft dieses Guts mit der zunehmenden Entfernung von der
Stadt ändern müssen'' zu lösen versuchen.
Hierbei mußten wir die Konsequenz der Bewirtschaftung
als eine unerläßliche Forderung aufstellen.
Auf diese Weise sind aber auch alle Verhältnisse dieses
Guts aus der Wirklichkeit auf den isolierten Staat überti'agen.
Das in der Wirklichkeit auf diesem Punkt der Erde
bestehende Verhältnis z\\-ischen Arbeitslohn imd Zinsfuß;
diese mecklenburgischen Landstraßen ; diese Größe der Güter
und so vieles andere liegt also der Konstruktion des isolierten
Staats zu Grunde.
Die Forderung der Konsequenz wollen wir
jetzt aber auf alle Verhältnisse des isolierten
Staats ausdehnen. Damit werden wir nun zu den
Fragen gedrängt : Ist dieser Arbeitslohn und sein Verhältnis
zum Zinsfuß der natm-gemäße; ist es konsequent, Land-
straßen von dieser Beschaffenheit zu halten ; gewähren Güter
von dieser Größe die höchste Landrente usw.?
In der Tat wäi-e es ein wunderbarer Zufall, wenn in
der Wirklichkeit, wo alles noch im Werden, jede Änderung
nur eine Übergangsstufe zu einer höheren ist — wenn hier
irgendwo das Vernunftmäßige in seiner letzten Höhe schon
zur Erscheinung gekommen wäre. Wäre dies Wunder aber
wirklich geschehen, so müßte doch nachgewiesen werden, daß
und warum das Bestehende das Vernunftgemäße ist.
Unsere Aufgabe fordert also zur Vollendung ihrer Lösung,
daß wir alles der Wirklichkeit Entnommene der Prüfung und
Kritik unterwerfen, das Gesetzmäßige aufzusuchen streben
\md dies — insofern es gefunden wird — statt des Be-
24 stehenden in den isolierten Staat übertragen. Damit wird
dem Blick die Aussicht auf eine unabsehbare Eeihe von
— 423 —
Untersuchiiugen geöffnet, wovon folgende — in Verbindung
mit den schon früher angedeuteten — als die hervorragendsten
sich dem Auge zuerst darstellen.
1. Welches ist der von der Natur dem Arbeiter be-
stimmte Lohn, und durch welches Gesetz wird die Höhe
des Zinsfußes bestimmt?
Das Kapital ist angesammeltes Arbeitsprodukt, also voll-
brachte Arbeit, entspringt mit der fortlaufenden Arbeit aus
einer "Wurzel — der menschlichen Tätigkeit — ; Kapital und
Arbeit sind also wesentlich eins, nur in der Zeitfolge ver-
schieden, wie Vergangenheit und Gegenwart. Zwischen beiden
muß irgendein Verhältnis stattfinden; welches ist dies'?
Da diese Frage die Stellung der verschiedenen Stände
gegeneinander und somit das Glück und die Wohlfahrt der
zalüreichen Klasse der Arbeiter, wie die Verpflichtung der
begüterten Stände gegen die Proletarier berührt: so greift
die Untersuchung über diesen Gegenstand weit über die ur-
sprüngliche Aufgabe, den isolierten Staat zu konstruieren,
hinaus. Der isolierte Staat tritt bei dieser den Menschen
selbst betreffenden Frage in den Hintergrund, und die Unter-
suchung ist hauptsächlich nur deshalb an denselben geknüpft,
weil die Aufgabe, wenn sie überhaupt zu lösen ist, mir nur
uDter der Form der Anschauung, die dem isolierten Staat
zu Grunde liegt, lösbar scheint.
2. In welcher Verbindung steht die Landrente mit dem
Arbeitslohn und Zinsfuß?
3. Durch welches Gesetz wird die Landrente bestimmt,
wenn statt der einen großen Stadt lauter kleine Städte von
gleicher Größe und in gleicher Entfernung voneinander in
der Ebene des isolierten Staats zerstreut liegen, und in welcher
Verbindung steht hier der Grad der Sorgfalt der Arbeit mit 25
den Kornpreisen?
4. Welchen Einfluß übt die Größe des Geldstocks auf
die Höhe des Zinsfußes aus?
— 424 —
5. Den Berechnuagen über die Größe der Transport-
kosten, welche der Wirklichkeit entnommen sind, liegen die
sehr schlechten Wege, wie sie im Anfang dieses Jahrhunderts
in Mecklenburg bestanden, zu Grunde. Sicherlich ist es
aber nicht vernünftig, so sclüechte Wege zu halten — wie
sie denn auch in Mecklenburg durch Anlegung zahlreicher
Chausseen schon sehr vermindert sind — und wenn wir uns
den isolierten Staat anfangs mit so schlechten Wegen ver-
sehen denken, ja seine Gestaltung und Ausdehnung danach
bestimmt haben : so drängen sich bei der Forderung, daß in
dem isolierten Staat überall Konsequenz herrschen soll, die
Fragen auf:
a) Wo und in welcher Ausdehnung können im isolierten
Staat Chausseen und Eisenbahnen mit Nutzen angelegt
w^erden '?
b) Welche Änderung geht mit der Anlegung derselben
in der Ausdehnung der kultivierten Ebene, der Bodenkultur
und dem Nationalreichtum vor?
6. Aus der Art, wie der isolierte Staat konstruiert ist,
ergibt sich schon, daß für die gauze Ebene Gleichheit des
Klimas angenommen ist und dem Z^veck der Untersuchung
gemäß im ersten Teil angenommen werden mußte.
Auch bietet der isolierte Staat des ersten Teils wegen
seiner geringen Ausdehnung keinen Stoff zu Betrachtungen
über die Einwirkung des Klimas auf den Landbau dar.
Denken wir uns aber diesen von einer unbegrenzten
Wildnis umgebenen Staat mit einem Eisenbahnnetz bis zu
der entlegensten Gegend, aus welcher mit Hilfe der Eisen-
bahnen noch Korn nach der Stadt geliefert werden kann,
durchschnitten : so erlangt der Staat eine solche Ausdehnung,
26 daß durch die bloße Verschiedenheit des Klimas der Landbau
im Süden des Staats einen ganz anderen Charakter gewinnt
als im Norden.
Wird nun die Einwirkung des Klimas auf den Land-
— 425 —
bau zum Gegenstand der Betrachtung gemacht, so drängen
sich eine Menge Fragen zur Prüfung und Beantwortung
auf, wovon wir hier als Beispiel nur einige aufführen w^ollen.
a) Wie ändern sich mit dem Klima die notwendigen
Subsistenzmittel des Arbeiters, der Arbeitslohn, die Arbeits-
fähigkeit der Menschen und die Kosten der Arbeit?
b) Wie ändert sich die Länge der Weidezeit des Viehes
mit dem Breitengrad, und welchen Einfluß hat dies auf die
Erzeugungslvosten der Viehprodukte'?
c) Welche Gewächse sind dadurch, daß sie die einträg-
lichsten sind, der Hauptgegenstand der Kultur unter den
verschiedenen Himmelsstrichen ?
d) Welchen Einfluß hat das Klima auf das Quantum
Humus, was durch eine Ernte von gegebener Größe, z. B.
10 Schfl. von 100 DR- dem Boden entzogen wird, und wie
ändert sich dies Quantum mit dem Breitengrad auf gleichem
Boden, bei gleicher Lage"?
7. Um den isolierten Staat konstruieren zu können, mußte
notwendig der Preis des Getreides als bekannt angenommen
und in einer bestimmten Zahl ausgedrückt werden. Dieser
Preis kann aber weder willkürlich noch zufällig sein. Nach-
dem nun der isolierte Staat seine Gestaltung gewonnen, und
wir uns die Aufgabe gestellt haben, die gemachten Voraus-
setzungen aufzuheben und dafür das Gesetzmäßige zu sub-
stituieren, müssen wir die Frage auf werfen:
Warum kann die Stadt keinen höheren als den an-
genommenen Preis von 1^/2 Tlr. pr. Scheffel Roggen
zahlen, und welches sind die Ursachen und Be-
dingungen, daß gerade dieser und kein anderer Preis 27
gezahlt werden kann'?
Da bei einer Steigerung des Kornpreises der Anbau der
Ebene sich immer weiter ausdehnt, so kann nicht in dem
Mangel an Lebensmitteln die Schranke für den Wachstum
der Stadt liegen; sondern diese Schranke muß in den Ver-
— 426 —
hältnisseu der Stadt selbst, iii der Schwierigkeit oder Uii-
rnögliehkeit, melir Fabrikate als bisher für ein bestimmtes
Quantum Lebensmittel hinzugeben, gesucht werden.
8) Die Voraussetzung, daß der isolirte Staat nur die
eine große Stadt enthalte, dient zur Vereinfachung der
Untersuchung, ist aber mit der Konsequenz nicht verträglich
und muß hier wieder aufgehoben werden.
In der Wirkliclikeit ist die Entstehung der Städte oft vom
Zufall abhängig gewesen. Neben der Hütte des ersten An-
siedlers schlug ein zweiter seine Hütte auf, weil die gegen-
seitige Dienstleistung beiden nützlich war. Aus gleichem
Grunde schloß sich diesen ein dritter, vierter usw. an, bis
zuletzt eine Stadt entstand.
Gar manche der aus dieser oder einer ähnlichen Ver-
anlassimg entstandenen Städte würde man, wenn sie nur
ti-ansportabel wären, gerne nach einer anderen Stelle ver-
setzen.
In dem isolierten Staat dagegen, wo überall Konsequenz
herrschen soll , muß auch in Beziehung auf die Größe und
Verteilung der Städte Gesetzmäßigkeit obwalten. Als oberstes
Prinzip dürfte hier der Satz aufzustellen sein:
Die Städte müssen in bezug auf Größe und Entfernung
voneinander so über das Land verbreitet sein, daß
daraus das größte National-Einkommen hervorgeht.
Diesem Prinzip aber wird entsprochen, wenn die Ge-
werbe und Fabriken da ihren Sitz haben, wo sie am wohl-
28 feilsten fabrizieren und ihre Erzeugnisse zu den niedrigsten
Preisen an die Konsumenten gelangen lassen können.
Dies führt denn neben manchen anderen Fragen auch
zu nachstellenden:
a) Welche Gründe bestimmen zur Anhäufung der Men-
schen in großen Städten, und welche Fabriken haben natur-
gemäß ihren Sitz in der Hauptstadt?
b) In welchem Verhältnis steht die Größe und Entfernung
— 427 —
der Landstädte untereinander mit der dichteren oder dünneren
Bevölkerung des Landes?
c) Welche Rückwirkung hat die größere oder geringere
Entfernung von den Landstädten auf den Landbau und auf
die Bildung des Landvolks?
9. Durch welches Gesetz wird der Preis der Viehpro-
dukte bestimmt, wenn der isolierte Staat statt der Kreise
der Yiehzucht mit einer Sand wüste umgeben ist?
10. Der isolierte Staat ist auf die Voraussetzung ge-
gründet, daß der Boden desselben nicht bloß von gleicher
physischer Beschaffenheit sei, sondern — mit alleiniger Aus-
nahme des Kreises der freien Wirtschaft — auch überall
gleichen Reichtum an Pflanzennahrung enthalte.
Der Reichtum des Bodens aber ist eine veränderliche
von der Macht des Menschen abhängige Potenz, und so
drängt sich die Frage auf, ob der ursprünglich gleich frucht-
bare Boden bei konsequenter Bewirtschaftung auch in allen
Gegenden des isolierten Staats von gleicher Fruchtbarkeit
bleiben werde.
Der höhere Reichtum des Bodens ist nicht umsonst zu
erlangen, sondern muß durch Auslagen oder durch eine
schonende, mit zeitweiser Verminderung des Reinertrags ver-
bundene Wirtschaft erkauft werden. Einerseits ist nun die
Größe des zu bringenden Opfers, und andererseits ist der
Nutzen, den die Bereicherung des Bodens gewährt, von der 29
Höhe des Getreidepreises und des Preises der Viehprodukte
abhängig, und folglich ist der Betrag beider — des Opfers
und des Nutzens — in den verschiedenen Gegenden des
isolierten Staats gar sehr verschieden.
Es scheint demnach der angemessene Reichtum des
Bodens auch in einer gewissen Verbindung und Beziehung
mit dem Preise der ländlichen Erzeugnisse stehen zu müssen.
Die aus dieser Ansicht sich ergebende Aufgabe ist nun
diese :
— 428 —
Bis zu welclieni Punkt muß die Bereicherung des
Bodens in den verschiedenen Gegenden des isolierten
Staats getrieben werden, wenn der Forderung der
Konsequenz Genüge geleistet werden soll?
11. Da die Konstruktion des isolierten Staats aus der
Lösung der Aufgabe: „Wie wird sich die Wirtschaft des
Guts Tellow ändern, wenn dasselbe nach den verschiedeneu
Gegenden des Staats verlegt wird" hervorgegangen ist; so
liegt hierin schon die Bedingung, daß alle Güter dieses
Staats die Größe des Gutes Tellow haben.
Nach dem hier gewählten Standpunkt müssen wir es
aber zur Frage stellen, ob das Gut Tellow die Größe hat^
bei welcher der Reinertrag des Bodens der höchste ist, und
wir werden dadurch zu den drei Aufgaben geführt:
a) Wie kann unter gegebenen, ganz bestimmten Verhält-
nissen ermittelt werden , welche Größe die Güter haben
müssen, damit der Boden die höchste Rente gibt?
b) Hat die größere oder geringere Entfernung vom
Marktplatz einen Einfluß auf die zweckmäßigste Größe der
Güter?
c) Welchen Einfluß hat das Steigen des Bodenreichtums
auf die zweckmäßigste Größe der Güter?
30 12, In dem ersten Teil ist nachgewiesen, wie mit der
größeren Entfernung des Ackers vom Hofe die Kosten des
Landbaues wachsen, und die Rente des Bodens abnimmt.
Dort mußte, um die Untersuchung nicht zu verwirren,
vorausgesetzt werden, daß der Acker vom Hofe bis zur
Grenze gleichen Reichtum enthalte und einem und demselben
Wirtschaftssystem unterworfen sei.
Jetzt, wo wir die gemachten Voraussetzungen eine nach
der anderen wieder aufheben, indem wir sie selbst zum Gegen-
stand der Untersuchung machen, drängen sich die Fragen auf :
a) Ist es zweckmäßig, den Acker vom Hofe an bis zur
Gutsgrenze in gleichen Reichtum zu versetzen, und wenn
— 429 —
<liese Frage verneint wird, welche Abstufung muß dann
stattfinden ?
b) Wie muß auf großen Gütern das Wirtschaftssystem
auf dem Acker in verschiedenen Entfernungen vom Hofe
sich ändern, damit das Ganze den höchsten Reinertrag ge-
währt ■?
13. Die Aufgabe, vom Boden den liöchsten Reinertrag
zu gewinnen, schließt für die Güter des isolierten Staats, die
nur zum eigenen Verbrauch Holz erzeugen, die Aufgabe in
sich: „Wie ist das Holz mit den geringsten Produktions-
kosten zu erzielen?-' Dies führt zu nachstehenden Fragen:
a) Wie sind die Produktionskosten des Holzes für einen
gegebenen Fall zu berechnen?
b) Wie ändern sich mit der zunehmenden Entfernung
von der Stadt bei gleichem Betrieb die Produktionskosten
■des Bau- und Brennholzes?
c) Welche Änderung muß im Forstbetrieb, namentlich
in der Umtriebszeit und in der Durchforstungsmethode in
den verschiedenen Gegenden des isolierten Staats mit der
Änderung des Holzwerts vorgehen, wenn das Holz mit den
mindesten Kosten erzeugt werden soll?
14. Aus der Art, wie der isolierte Staat konstruiert ist, 31
geht hervor, daß für die landwirtschaftlichen Gebäude in
allen Gegenden des Staats eine und dieselbe Bauart an-
genommen ist. Ist dies aber mit der Konsequenz verträglich?
Die zum Betrieb der Landwirtschaft notwendigen Ge-
bäude verursachen einen vierfachen jährlichen Kostenaufwand,
nämhch :
1. die Zinsen von dem auf die Errichtung derselben
verwandten Kapital,
2. die jährlichen Unterhaltungs- oder Reparaturkosten,
3. die Abnutzung oder jährliche Wertsverminderung,
4. die Assekuranzprämie gegen Feuersgefahr.
Die sub 2 und 3 aufgeführten Kosten vermindern sich
— 430 —
immer mehr, je solider die Gebäude aufgeführt werden;
gleichzeitig steigen dann aber die Kosten Nr. 1 und Nr. 4.
Es muß also einen Grad der Solidität der Bauart geben,,
bei welchem die Summe dieser Kosten ein ]\Iinimum ist.
Die Konsequenz in der Bewirtschaftung eines Guts fordert
das Maximum der Landrente. Dieses Maximum kann aber
nur erlangt werden , wenn die Baukosten , bei vollständiger
Erreichung des Zwecks der Gebäude, den möglichst ge-
ringsten Teil vom Gutsertrage hinwegnehmen. Die Er-
forschung der Bauart, bei welcher die auf den jährlichen
Ertrag zu repartierenden Baukosten das Minimum betragen,
bildet also einen Teil der zu lösenden Aufgabe.
Dies führt nun zu den Fragen:
a) Auf welche Weise sind die auf ein einzelnes Jahr
fallenden Baukosten zu ermitteln, und wie sind diese auf
die einzelnen Kulturzweige zu repartieren?
b) Da die Produktionskosten des Bauholzes mit der zu-
nehmenden Entfernung von der Stadt schon deshalb, weil
die Landrente — ein Bestandteil des Holzpreises — so sehr
32 abnimmt, immer geringer werden, und somit auch das Preis-
verhältnis zwischen den verschiedenen Baumaterialien, als
Eichenholz, Kiefernholz, Mauersteinen, Dachziegeln, Dachstroh
usw. , sich mit der Entfernung stets ändert : so kann auch
nicht eine und dieselbe Bauart für den ganzen isolierten
Staat die vorteilhafteste sein. Es fragt sich nun, wie mit
der zunehmenden Entfernung von der Stadt die Bauarten —
z. B. mit Wänden von Mauersteinen, Lehm, Fachwerk, Bohlen
usw. — sich ändern müssen , um die auf jedes Jahr im
Durchschnitt fallenden Baukosten auf das Minimum herab-
zubringen y
15. In dem ersten Teil ist zwar schon von der Wirkung
der Abgaben die Rede gewesen; aber dort w^urden Arbeits-
lohn, Zinsfuß, Sorgfalt der Bestellung und Reichtum des
Bodens als konstante Größen betrachtet. Bei der Erweitenmg
— 431 —
unserer Untersuchung, wo alle diese Potenzen als veränder-
lich betrachtet werden, entsteht nun die Aufgabe:
Wie wirken die Abgaben auf die genannten Potenzen?
16. In allen bisherigen Untersuchungen haben wir stets
nur den Durchschnittsertrag des Bodens vor Augen gehabt,
oder was dasselbe ist, Jahre von mittlerer Fruchtbarkeit an-
genommen.
Die in der Wirklichkeit stattfindende Ungleichheit der
Jahresfruchtbarkeit bringt aber in den Wirtschaftsbetrieb
vielfache Störungen und führt öfters Mangel und Not für
die Konsumenten herbei. Dies führt zu Betrachtungen über
die Fragen:
a) Welche Änderungen in dem regelmäßigen Wirtschafts-
betrieb müssen in Jahren von abnormer Fruchtbarkeit vor-
genommen werden ; und äußert sich die Wirkung solcher Jahre
in allen Gegenden des isolierten Staats auf gleiche Weise?
b) Bei reichen wie bei schlechten Ernten hören die 33
Produktionskosten auf, Regulator des Kornpreises zu sein.
Nach welchen Gesetzen richtet sich nun in solchen Jahren
der Kornpreis?
Eine befriedigende Beantwortung der letzten Frage würde
einen Anhaltspunkt für die Spekulationen der Kornhändler
geben.
17. In der Wirklichkeit ist alles Erscheinende, nur
Übergangsstufe zu einem unerreichten noch fernen Ziel.
Im isolierten Staat haben wir dagegen stets den end-
lichen Erfolg, also das erreichte Ziel, vor Augen gehabt.
Mit dem erreichten Ziel tritt Ruhe und damit der beharrende
Zustand ein — und hier erblicken wir Gesetzmäßigkeit,
während in der Übergangsperiode manches uns als ein un-
entwirrbares Chaos erscheint. Der beharrende Zustand kann
aber aus folgenden Gründen in der Wirklichkeit nicht statt-
finden.
1. Schon der einzelne Mensch bleibt in den verschiedenen
— 432 —
Stadien seines Lebens nicht derselbe, noch weniger aber
bleiben die nacheinander folgenden Generationen sich gleich.
Das Menschengeschlecht selbst ist noch im Ringen nach einem
fernen, nicht klar erkannten, kaum erst geahnten Ziel begriffen.
2. "Was auch von der lebenden Generation schon als
Zweck und Ziel erkannt ist, erfordert doch zu seiner Ver-
wirklichung eine Zeitdauer, die die Lebenszeit des Menschen
oft weit übersteigt. —
3. In die Natur sind Eigenschaften und Kräfte gelegt,
deren Entdeckung und richtige Benutzung eine der höchsten
Aufgaben des menschlichen Geistes zu sein scheint, indem
dadurch die menschliche Arbeit lohnender und fruchtbringender
gemacht, und somit das Wohl der Menschheit im hohen
Grade gefördert wird. Aber die Natur enthüllt dem Menschen
ihre Geheimnisse nur allmählich, und da jede große Eut-
34 deckung eine Änderung oder gar Umwandlung in dem Leben
der büi'gerlichen Gesellschaft hervorbringt, so ist auch das
Streben und das Ziel derselben in gewerblicher Beziehung
selbst dem Wandel unterworfen. Aber trotz dieser Wandel-
barkeit liegt in dem einzelnen, was wir der Betrachtung
unterziehen, der Keim zu einer bestimmten — nicht zu-
fälligen, nicht willkürlichen Entwickelung, und wie wir wissen
welcher Baum aus der in die Erde gelegten Eichel einst
hervorgehen wird, so können wir auch hier die aus der
Entwickelung des Keims entsprossende Frucht — den endlichen
Erfolg — unter der Voraussetzung, daß keine störenden Ein-
wirkungen stattfinden, im voraus erkennen und im Geiste
anschauen. Hierin aber liegt die Berechtigung bei unseren
Untersuchungen, den beharrenden Zustand ins Auge zu fassen
und zu Grunde zu legen.
Die durch diese Methode erlangte Erkenntnis kann aber
wesentlich dazu beitragen, über die verwirrenden Erschei-
nungen während der Entwickelung und des Übergangs Licht
zu verbreiten.
— 433 —
Wenden wir dies auf den isolierten Staat an, so finden
wir uns aufgefordert, die Wirkungen, welche die Erfinduog
neuer Maschinen, neuer Kommunikationsmittel usw. bei
ihrem ersten Auftreten auf den Wolüstand der bürgerlichen
Oesellschaft ausüben, mit den Folgen, die sich später
daraus entwickeln, zu vergleichen — somit also das ge-
heimnisvolle Werden — zum Gegenstand der Betrachtimg
zu machen.
Überblicken wii' nun die Vielseitigkeit und Mannig-
faltigkeit der aufgestellten Fragen, und erwägen wir, daß
mit der Forderung der Konsequenz an die aus der Wirk-
lichkeit in den isolierten Staat übertragenen Verhältnisse,
neben den angeführten Punkten noch fast alle übrigen Ver-
hältnisse der bürgerlichen Gesellschaft zur Untersuchung ge-
zogen werden müssen, daß damit statt des Bestehenden das
Vernunftmäßige erforscht, und somit das Ziel selbst aufgestellt
werden soll: so ergibt sich von selbst, daß die Lösung der 35
Aufgabe nicht das Werk des einzelnen , nicht einmal das
Werk einer Generation sein kann. Es ist vielmehr die Arbeit
der Geschichte selbst, die das, was von der gesamten
Menschheit in mehreren Geschlechtern vollbracht wird, sammelt
— und so kann es erst einem späteren Forscher, der die
Materialien vorfindet, gelingen, Grund und Zweck der statt-
gefundenen Bewegung in sich zum Bewußtsein zu bringen
und aus den Bruchstücken ein systematisches Ganze zu bilden.
Diese Erkenntnis könnte wohl den einzelnen entmutigen,
Hand ans Werk zu legen.
Hier aber zeigt sich die unendliche Wichtigkeit des oben
gegebenen Beweises, daß das durch die Methode, nur eine
Potenz als wirkend, die anderen als ruhend oder konstant zu
betrachten , erlangte Resultat nicht ein unwahres , sondern
nur ein unvollständiges, und darum letzteres nur so lange
ist, bis alle anderen mitwirkenden Potenzen einer ähnlichen
Untersuchung unterworfen sind — daß also jede Forschung
Thünen, Der isolierte Staat. 28
— 434 —
über einen noch so kleinen Punkt der Anfgabe ein Baustück
zur Aufführung des großen Gebäudes werden kann.
Bei den Lesern, die in diese Ansicht eingehen und die
ganze Größe der Aufgabe erfaßt haben, glaube ich kaum der
Entschuldigung zu bedürfen, wenn hier überhaupt nur Bruch-
stücke geliefert werden, wenn die Ausführung der einzelnen
Kapitel höchst ungleich wird, indem der Verfasser bei solchen
Punkten, die läugere Zeit Gegenstand der Betrachtung für
ihn gewesen sind, verweilt und ins Detail geht, andere Punkte
dagegen bloß andeutet, und wenn endlich in einigen Kapiteln
statt des Versuchs zur Lösung der Aufgabe nur neue Fragen
und Probleme aufgestellt werden, indem der Verfasser sich
schon befriedigt fühlt, wenn er andere dadurch zur Forschung
anregen kann.
Erster Abschnitt. 36
Der isolierte Staat mit einer kultur-
fähigen Wildnis umgeben in bezug
auf Arbeitslohn und Zinsfufs.
§ 1.
Unklarheit des Begriffs vom natürlichen
Arbeitslohn.
(Geschrieben im Jahr 1842.)
Alle nationalökonomischen Studien führten mich immer
auf die Frage zurück: Ist der geringe Lohn, den die ge-
wöhnlichen Handarbeiter fast überall erhalten, ein natur-
gemäßer, oder ist dieser durch Usurpation, der sich die
Arbeiter nicht wieder entziehen können, entstanden?
Da der niedrige Arbeitslohn seinen Ursprung darin hat,
daß die Kapitalisten und Grundbesitzer von dem Erzeugnis,
das die Arbeiter hervorbringen, sich einen so großen Teil
zueignen : so führt jene Frage sogleich zu der anderen Frage :
Welches ist das Gesetz, wonach die Yerteilung des
Arbeitserzeugnisses zwischen Arbeiter, Kapitalisten und
Grundbesitzer naturgemäß geschehen soll?
Die Erforschung dieses Gesetzes bietet nicht bloß ein 37
28*
— 436 —
üatioualökoaomisclies Interesse dar, sondern hat auch eine
sehr ernste, moralische Beziehung.
Man kann von dem redlichsten Willen, seine Pflicht
zu erfüllen, beseelt sein, und doch anderen großes Unrecht
tun — wenn man nicht weiß und nicht erkennt, was
Pflicht ist.
In dem Begriff von dem, was Pflicht gegen die Arbeiter
ist, was dem Arbeiter als Lohn zukommt, welche Forderungen
des Arbeiters man als ungerecht zurückweisen darf — in
allen diesen herrscht die freieste Willkür, und jeder kann
sich dies beantworten, wie es ihm bequem ist; denn selbst
die Wissenschaft gibt hierüber keine andere Aufklärung als
diese: „Die Höhe des Arbeitslohns wird durch die Konkun-enz
der Arbeiter, durch das Verhältnis zwischen Begehr nach
Arbeit und Angebot derselben bestimmt," in w^elcher durch
eine BegrifTsverwechslung das Faktische für eine Erklärung
— das, was geschieht, für den Grund der Erscheinung ge-:
nommen wird. Ja, es hat die Ansicht, als käme dem Ar-
beiter nichts zu, als was er zu seinem Lebensunterhalt not-
wendig bedarf, als sei die Summe der zur Erhaltung des
Lebens und der Arbeitsfähigkeit notwendigen Subsistenz-
mittel auch der natürliche Arbeitslohn, sich der Gemüter
dermaßen bemächtigt, daß das Gewissen ruliig schläft, so
lange der Arbeiter nicht wirkliche Not leidet.
Sobald denn diese Not sichtlich stattfindet, tritt auch
das schöne religiöse Gefühl, die christliche Pflicht, den
Leidenden zu unterstützen, helfend und rettend auf; aber —
die Quelle der Not wird dadurch nicht verstopft.
Am verderblichsten aber wirkt die Unklarheit der An-
sicht über den natürlichen Arbeitslohn bei der Auflegung
von Abgaben.
Die Ständeversaramlungen der konstitutionellen Staaten
streben mit aller Kraft dahin, sich gegen Fürstenwillkür zu
38 sichern und zu verwahren. Aber die Mitglieder der stän-
— 437 —
dischen Versammlungen gehören sämtlich den gebildeten und
wohlhabenden Klassen der Gesellschaft an, während die
zahlreichste Klasse, die der gemeinen Arbeiter, überall nicht
veitreten ist — und so kann es geschehen, daß dieselbe
Versammlung, die so kräftig gegen Fürstenwillkür auftritt,
gegen das Volk selbst Willkür ausübt und durch Bewilli-
gung von Abgaben, durch Gesetzesvorschläge usw. zum
Unterdrücker der Arbeiter wird. Es bedarf hierzu nicht des
bösen Willens, nicht einmal der Triebfeder des Eigennutzes,
es bedarf nur der Ansicht, daß dem Arbeiter nichts weiter
zukommt, als was zu seinem notwendigen Unterhalt er-
forderlich ist — um ein solches Resultat herbeizuführen.
Wenn aber einst das erwachende Volk die Frage auf-
stellt und praktisch zu lösen versucht: „Welches ist der
naturgemäße Anteil des Arbeiters an seinem Erzeugnis ?" so
kann ein Kampf entstehen, der Verheerung und Barbarei
über Europa bringt.
Ein großes Übel ist es, daß diese Frage selbst in der
Wissenschaft noch nicht gelöst ist, daß keine Partei weiß,
was recht ist, und daß der aus den unlauteren Motiven des
eigenen Interesses hervorgehende Kampf in der Erkenntnis
der Pflicht und Wahrheit kein Gegengewicht findet.
Denn wenn von einigen nationalökonomischen Schrift-
stellern — mit denen die große Mehrzahl der Gewerbs-
unternehmer aus Instinkt übereinstimmt — das zum not-
wendigen Lebensunterhalt erforderliche Quantum Subsistenz-
mittel für den natürlichen Arbeitslohn erklärt wird, wenn
von anderen Schriftstellern die Bestimmung des Arbeitslohns
der regel- und gesetzlosen KonkuiTcnz anheim gestellt wird :
so ist dadurch nur das, was in der Wirklichkeit geschieht,
ausgesprochen.
Wenn dagegen die Arbeiter behaupten, daß das, was in 39
der Wirklichkeit geschieht, ein Unrecht sei: so hat jenes
vermeintliche Gesetz seinen ganzen Halt verloren, und statt
— 438 —
der Berufung auf die Erfahrung muß ein auf Vernunft-
gründen beruhendes Gesetz nachgewiesen werden.
Schon jetzt zeigen sicli in Frankreich — diesem Herd
der sich über Europa verbreitenden Erschütterungen — in
den Ansichten und Lehren der Kommunisten die ersten
Spuren des beginnenden, für jetzt noch unblutigen Kampfs.
Dieser Gegenstand bietet aber noch eine andere tief-
ernste Seite dar.
Wir finden in der Weltgeschichte, daß irgendeine große
Idee das Menschengeschlecht Jahrhunderte hindurch be-
schäftigte und durchdrang, ja daß die Weltgeschichte selbst
in solchen Perioden nur die Entwicklung und die allmähliche
Verwirklichung der Idee darstellt.
Aber eine solche Realisation der Idee ist stets mit un-
geheuren Kämpfen, mit der Verheerung oder dem Unter-
gange ganzer Reiche verbunden gewesen.
So haben die Religionskriege fast ein Jahrtausend hin-
durch die Erde erschüttert und unsägliches Elend über
Millionen Menschen gebracht.
Jetzt wird seit dem Beginn der französischen Revolution
die Welt durch die Idee der konstitutionellen Freiheit be-
wegt. Schon das erste Auftauchen dieser Idee hat einen
28 jährigen Kampf, der sich sukzessive über ganz Europa
verbreitete, zur Folge gehabt.
Zwar ist gegenwärtig eine momentane Ruhe eingetreten,
aber dies ist vielleicht nur die Ruhe vor dem Sturm, denn
die Gärung hat noch nicht aufgehört, die Idee ist von ihrer
Realisation noch weit entfernt — und es ist nicht abzusehen,
welche Stürme der Zukunft noch bevorstehen.
40 Aber jenseits dieser Kämpfe lauscht schon ein anderer,
der in dem Ringen nach konstitutioneller Freiheit schon als
Keim enthalten ist, und der leicht verderblicher und ver-
heerender werden kann, als irgendeiner der früheren.
Es ist ein betrübendes Ergebnis der Geschichte, daß in
— 439 —
der Regel der Irrtum niclit durch die Wahrheit, die Un-
gerechtigkeit nicht durch die Vernunft und das Recht,
sondern durch eine andere Ungerechtigkeit bekämpft wird,
und daß erst nach unzähligen Schwingungen nach beiden
Seiten Mn das Wahre und Rechte zur Yerwirklichung gelangt.
Adam Smith sagt: Wenn man einen krummen Stab
gerade machen will, bringt man ilin nicht in die gerade
Richtimg, sondern biegt ihn nach der anderen Seite hinüber.
So auch begnügen sich die Kommunisten nicht damit,
für die Arbeiter einen naturgemäßen Lohn zu verlangen,
sondern gehen sogleich zu chimärischen Hoffnungen, zu ver-
nunftwidrigen Forderungen über.
Aber die Übertreibung ist anziehend und reißt die
Menge zur Begeisterung hin, während das Gemäßigte aber
Wahre die Menge kalt läßt.
Es ist deshalb sehr zu fürchten, daß die Ansichten der
Kommunisten sich verbreiten und in dem Gemüt des Volks
Wurzel schlagen, zumal wenn diese Ansichten von gewandten
und beredten, aber ungründlichen Schriftstellern verkündigt
und veröffentlicht werden.
Sollten in fernerer Zukunft die Kommunisten unglück-
licherweise in Frankreich jemals zur Herrschaft gelangen,
und ihre Heere, gleichzeitig bewaffnet mit dem Schwert und
mit Proklamationen, die unseren Soldaten Teilung des Eigen-
tums und Gleichheit des Vermögens verheißen, unsere Grenze
übersclu-eiten — welcher Widerstand ist dann zu erwarten,
und wo ist dann die Grenze der Umwälzungen und Ver-
heerungen — — ?
Sicherlich aber liegt es nicht in dem Plan des Welt- 41
geistes Qder der Vorsehung, daß jeder Fortschritt in der
Ausbildung des Menschengeschlechts erst nach unzähligen
Rückschritten zur Tat werden und durch Ströme von Blut
und den Jammer mehrerer Generationen erkauft werden soll.
In der Erkenntnis der Wahrheit und des Rechten, in der
— 440 —
Bezähmung des Egoismus, vermöge welcher der Bevorzugte
freiwillig herausgibt, was er unrechtmäßig besitzt, liegt das
Mittel, das Menschengeschlecht seiner Ausbildung und höheren
Bestimmung friedlich und heiter entgegenzuführen.
Wo aber Irrtum und Egoismus die Herrschaft führen^
da tritt, wie die "Weltgeschichte zeigt, die Nemesis furchtbar
rächend auf. Die hohe und hehre Aufgabe der Wissenschaft
aber ist es, nicht durch die Erfahrung, durch den Verlauf
der Geschichte, sondern durch die Vernunft selbst die Wahr-
heit und das Ziel, wonach wir streben sollen, zu erforschen
imd zur Erkenntnis zu bringen.
Über das Los der Arbeiter.
Ein Traum ern.sten Inhalts. Niedergeschrieben ira .lahr 1826.
Es ist ein großes l'bel, daß in allen Staaten, selbst in
denen mit repräsentativen Verfassungen, die zahlreichste
Klasse der Staatsbürger, nämlich die der gemeinen Hand-
arbeiter, gar nicht vertreten ist.
Unverhältnismäßig hoch ist die Belohnung jedes Indu-
strieuntemehmers {z. B. des Fabrikanten, des Pächters und
selbst des bloßen Administrators) im Vergleich mit dem Lohn
lies Handarbeiters.
Warum wird dies Mißverhältnis aber nicht ausgeglichen
durch den Übertritt der geschicktesten Handarbeiter zu der
42 Klasse der Unternehmer, da doch hier eine freie Konkurrenz
stattfindet?
Weil es den Arbeitern an den Schuikenntnissen fehlt,
ohne welche man bei aller sonstigen Tüchtigkeit nicht Unter-
nehmer, nicht Administrator sein kann.
— 441 —
"Warum aber mangelt es den Arbeitern an diesen Schul-
kenntuissen ?
Weil ihr Lohn so geringe ist, daß sie für ihre Kinder
nicht den Aufwand machen können, den die Erlernung dieser
Kenntnisse erfordert.
Warum aber ist der Lohn so geringe?
Weil gerade in dieser Klasse durch fi-ühe Ehen die Ver-
mehrung so stark ist, daß das Angebot von Arbeitern fast
immer stärker ist, als die Nachfrage nach denselben — wo-
durch der Lohn so tief herabsinkt, daß dadurch gerade nur
die aDernotwendigsten Lebensbedürfnisse bestritten werden
können. Ja es ist leider wahr, daß eine noch größere Ver-
mehrung bloß durch den Hinblick auf das Elend, was unter
einem Teil dieser Klasse herrscht, zurückgehalten wird.
So sind also die Arbeiter an der geringen Belohnung,
tue sie für ihre Arbeiten erhalten, selbst schuld.
Wie ist aber diesem abzuhelfen?
Nicht anders als durch eine Änderung des Volks-
charakters.
^klänner aus den mittleren und höheren Ständen, wenn
sie gleich ein Kapital von einigen Tausend Talern, oder ein
Einkommen von mehreren Hundert Talern besitzen, heiraten
in der Eegel doch nicht eher, als bis ihr Einkommen hin-
reicht, eine Familie genügend zu ernähren und den Kindern
eine gute Erziehung zu geben. Gewöhnlich findet dies nicht
vor dem 30. Jahr statt. Sie wüi-den viel früher heiraten
können, wenn sie so leben und ihre Kinder so erziehen wollten, 43
wie die Tagelöhner: aber sie opfern das Glück, was die
Ehe gewähren kann (nicht immer gewährt), für eine Zeit-
lang auf, weil in ihren Augen ein ärmliches Leben und
eine schlechte Erziehung ihrer Kinder so große Übel sind,
daß sie durch das Glück der Ehe nicht kompensiert werden.
Der Arbeiter dagegen heiratet, wenn er nur eine Woh-
nung bekommen kann, sobald er das 20. Jahr überschritten
— 442 —
hat und nichts als die Kraft seiner Arme mitbringt, um
eine Famihe zu unterhalten. Für ihn hat also die Ehe
mehr Reiz, als alles Elend, was seiner im Hintergrunde
wartet, als die Aussicht, seine Kinder ohne genügenden
Unterricht aufwachsen zu lassen, Abschreckendes für ihn
haben könnte. Ihm genügt es, seine Kinder bloß physisch
aufzuziehen — die geistige Ausbildung derselben ist für ihn
kein Bedürfnis.
Welche Folgen würde es aber haben, wenn der Yolks-
charakter sich dahin änderte, daß die Arbeiter, wie die
mittleren Stände, ein vor Mangel bewahrtes Leben, eine
geistige Ausbildung ihrer Kinder zum Bedürfnis rechneten
und sich der Ehe so lange enthielten, bis sie für die Befrie-
digung dieser Bedürfnisse gesichert wären?
Vermindertes Angebot von Ai'beitern und erhöhter
Arbeitslohn würde die erste unmittelbare Folge davon sein.
Wie soll aber der Tagelöhner dahin gelangen, eine
geistige Ausbildung seiner Kinder zu den Notwendigkeiten
des Lebens zu rechnen, wenn er selbst nicht den Trieb
zur geistigen Entwicklung in sich fühlt? Denn so lange
ihm dieser Trieb fehlt, wird er den ersparten Taler zur
Befriedigung sinnlicher Genüsse und nicht zum besseren
Unterricht seiner Kinder verwenden.
Wollen wir, daß die Arbeiter, um ihren Kindern eine
bessere Erziehung zu geben, künftig das Opfer bringen sollen,
sich der Ehe länger zu enthalten: so muß in der jetzigen
44 jüngeren Generation das Bedürfnis nach geistiger Entwicklung
geweckt werden. Dies kann aber nur durch besseren Schul-
unterricht erreicht werden — und da die jetzigen Arbeiter
weder das Vermögen, noch den Willen haben, die Kosten
des besseren Unterrichts zu bezahlen : so müssen die Unter-
richtsanstalten auf Kosten des Staats errichtet und unter-
halten werden.
Ist dies vollbracht, ist der Lohn erhöht und haben die
— 443 —
Arbeiter die Schulbildung erlangt, die der Gewerbsunter-
nehmer besitzen muß : so ist die Schranke gefallen, die bis-
her zwischen beiden Ständen stattfand. Das Monopol der
letzteren hört auf, und indem die Söhne der Arbeiter, die
a,n mindere Bedürfnisse gewöhnt sind, mit ihnen in Kon-
kiurenz treten, wird der Gewerbsprofit vermindert. Der
minder fähige Teil der Gewerbsunternehmer, mit Einschluß
der Administratoren, Commis usw. wird dadurch gezwungen,
zur Klasse der Handarbeiter überzugehen; der fähigere
Teil derselben wird eine Beschäftigung verlassen, die so
Avenig Belohnung mehr darbietet, sich den Studien widmen
und sich um Staatsämter bemühen — und so wird auch
in diesem Fache eine große Konkurrenz eintreten, welches
eine Verminderung der Besoldungen der Staatsdiener und
eine Ersparung an den Kosten der Staatsverwaltung zur
Folge hat.
In einem solchen Zustand der Gesellschaft werden nur
wenige, sehr reiche Leute ohne Arbeit leben können: die
Handarbeit wird sehr hoch bezahlt werden, und zA\ischen
der Belohnung des Handarbeiters, des Industrieunternehmers
und des Staatsdieners wird ein weit geringerer Unterschied
als jetzt stattfinden.
Während jetzt ein Teil der Menschen unter der Schwere
der körperlichen Anstrengung fast erliegt und seines Lebens
kaum froh werden kann, der andere Teil aber sich der Arbeit 45
schämt , den Gebrauch seiner Körperkräfte verlernt und dafür
durch Mangel an Gesundheit und Frohsinn büßt — werden
dann vielleicht die meisten Stände ilire Zeit zwischen
geistiger Beschäftigung und mäßiger körperhcher Arbeit teilen,
und der Mensch so wieder zu dem naturgemäßen Zustand
und zu seiner Bestimmung — der Übung und Ausbildung
aller seiner Kräfte und Anlagen — zurückgeführt werden.
Wenn auch in einem solchen Zustand der Gesellschaft
nicht alle Leidenschaften der Menschen zum Schweifen
— 444 —
gebracht werden, so müssen doch die Verletzungen des
Eigentums, und die Verbrechen, die aus der Not und der
bitteren Armut entspringen, seltener werden, ja fast ganz
aufhören.
Erwägt man nun, daß mit der größeren Verbreitung der
geistigen Ausbildung auch die Zahl derer wächst, welche
befähigt sind, Entdecliungen und Erfindungen im Maschinen-
wesen und Landbau zu machen, daß jede solche Erfindung
die Arbeit des Menschen wirksamer macht und durch ein
größeres Produkt lohnt, daß also mit der steigenden geistigen
Kultur der Mensch mehr und mehr der mühevollen körper-
lichen Anstrengung überhoben wird : so möchte man schließen,
daß das menschliche Geschlecht nach Jahrtausenden zu
einem paradiesischen Zustand gelangen könne, wo der Mensch
sein Leben nicht im Müßiggang, sondern in einer mäßigen,
Geist und Körper übenden, Gesundheit und Frohsinn stär-
kenden Tätigkeit hinbrächte.
So wäre also das Paradies das Ziel, Avas das mensch-
liche Geschlecht erst nach langem Ringen und Streben er-
reichen kann, während die Tradition schon die ersten Men-
schen in ein Paradies versetzt.
46 Das Vorstehende wurde aufgefaßt und niedergeschrieben
im Herbst 1826, als ich beim Studium der nationalökonomi-
schen Werke von Say und Ricardo mich durch das, was
darin vom Arbeitslohn gesagt ist, unbefriedigt fühlte.
Ich nannte dasselbe „einen Traum'', weil es den damals
in der Wissenschaft und dem praktischen Leben vorherr-
schenden Ansichten so sehr entgegenstand , daß es weit mehr
einem Luftgebilde , als der Wirklichkeit anzugehören schien.
Unstreitig ist es auch ein Phantasiebild, aber dessenunge-
achtet hat es auf meine Lebensansichten und meine Hand-
lungen den entscheidensten Einfluß ausgeübt. Denn es ward
dadurch die mit der Muttermilch eingesogene Ansicht der
— 445 —
Besitzenden, als sei der Arbeiter von der Natur selbst zum
Lastträger bestimmt, als käme ihm für seine Anstrengung
nur die Fristung seines Daseins zu — für immer erschüttert.
Das Leben eines großen Teils der Landwirte, Gewerbs-
unternehmer und selbst der Brotherren in den Städten wird
tladurch verbittert, daß sie im steten Kampf mit ihren Ar-
beitern und Dienstboten zubringen — indem sie das Ringen
und Streben der letzteren nach einem besseren Lose, als
«ine ungerechte Anmaßung betrachten, die sie auf jede Weise
und mit allen Kräften bekämpfen müssen.
Niemals aber ist der Mensch entschiedener und beharr-
licher im ünrechthandeln , als wenn er durch einen Ver-
standesirrtum das Unrechte ffh- das Rechte ansieht, und es
dann für Pflicht hält, dasselbe mit allen Kräften aufrecht
zu halten und durchzuführen.
Das Gewissen mahnt dann nicht ab, denn nicht der Wille
begeht das Unrecht, sondern der Mangel an Einsicht. Die
Nemesis aber kümmert sich um diesen Unter-
schied nicht — und ein Leben voll Bitterkeit, Kampf
und Feindseligkeit ist die Frucht der Unwissenheit und
des Irrtums.
Irrtum und Unwissenheit sind überall verderblich, aber
wolil bei keinem anderen Gegenstand in so hohem Grade,
als bei diesem; denn hier wird dadurch die Ruhe und 47
-das Glück von Millionen Menschen zerstört.
Noch drängt sich mir hier eine andere Betrachtung auf.
Als ich die in dem Traum dargestellte Ansicht auffaßte,
stand diese der öffentlichen Meinung so schrofT entgegen,
daß ich fürchten mußte, durch eine Bekanntmachung dieses
Traums für einen Phantasten oder gar für einen Revolutionär
gehalten zu werden, ohne daß ich glauben durfte, daß der-
selbe irgend Anklang finden und Nutzen stiften würde. Ich
teilte deshalb den Traum nur einzelnen Freunden mit und
— 44G —
beschloß, denselben nur in Verbindung mit wissenschaftlicliett
Untersuchungen zur i)ffentlichkeit zu bringen.
Seitdem ist noch kein volles Vierteljahrhundert verflossen'
— und wie verändert hat sich in diesem kurzen Zeitraum
die öffentliche Meinung und die Nationalanschauung über
diesen Gegenstand.
Wie milde, selbst matt erscheint jetzt das in dem Traum
Verlangte, nachdem zur Förderung des Wohls der ärmsten
und zahlreichsten Volksklasse die Sozialisten die Aufhebung
des Erbrechts, die Kommunisten die Teilung des Eigentums,,
die Egalitaires gar die Zerstörung der Städte und die Er-
mordung der Eeichen verlangt haben!
Kann aber im Publikum in der Auffassung eines Gegen-
standes ein solcher Umschwimg in so kurzer Zeit erfolgen
— wer vermag uns denn zu sagen, welche Ansichten nach
dem abermaligen Verlauf eines Vierteljahrhunderts vor-
herrschend sein, wie weit sie in den untersten Volksklassen
verbreitet sein werden, und welche Folgen daraus entspringen
mögen.
Wie wohltuend aber auch die in dem Traum enthaltene
Auffassung von der Zukunft des Menschengeschlechts dem
48 Gefühl sein mag, indem sie uns mit dem Schicksal versöhnt
und in der fortrollenden Geschichte uns eine der Menschheit
wohlwollende Vorsehung erblicken läßt — immer ist dieser
Traum nur eine Utopie, solange die Möglichkeit der Ver-
wirklichung desselben nicht nachgewiesen ist.
Zur Verwirklichung aber gelangt nur, was aus der Organi-
sation der Menschheit sich mit Notwendigkeit entwickelt.
Was helfen nun die frommen Wünsche von höherem
Lohn und größerer Ausbildtmg der Arbeiter, wenn nicht nach-
gewiesen wird, daß beides mit den in die menschliche Natin*
gelegten Eigenschaften und Kräften verträglich ist?
Sehen wir nicht daß Fabriken stille stehen, wenn der
— 447 —
Arbeitslohn steigt; wird nicht bei einem höheren Lohn der
Anbau ganzer Strecken minder fruchtbaren Bodens aufhören,
und dieser wüst liegen bleiben — und wird dann das Los
der Arbeiter nicht noch trüber werden, als es jetzt ist?
Nur das tiefere Eindringen in die Wissenschaft, welche
uns die aus der menschlichen Natur entspringenden Gesetze
klar macht, kann über diese Fragen Aufschluß geben — und
so müssen wir, wenn wir über diesen das Los der Mensch-
heit so nahe berührenden Gegenstand Licht haben wollen,
uns der wissenschaftlichen Forschung hingeben, wie anmut-
los, dürr und dornig auch der Weg sein mag, der dahin führt.
Wir wenden uns nun zuerst zu Adam Smith, dem Yater
der Nationalökonomie, um zu sehen, wie weit durch ihn die
uns vorliegende Aufgabe gelöst ist.
§ 3. 49
Adam Smith's Ansichten über Arbeitslohn,
Zinsfuss, Landrente und Preis.
Wir haben zuvörderst die Frage zu beantworten, ob
Adam Smith's Lehren zur Lösung der Aufgabe, die wir
uns gestellt haben, genügend sind oder nicht.
Zugleich wird dadm-ch unsere Aufgabe selbst klarer
und bestimmter hervortreten.
Da sich Adam Smith's Ansichten viel leichter auf-
fassen und übersehen lassen, w^enn man aus seinem Buch
die Zwischensätze und zufällig eingemischten Reflexionen
ausscheidet: so habe ich zur Bequemlichkeit der Leser aus
dem ersten Band von Smith's Werk über den National-
reichtum*) die wichtigsten und entscheidendsten Sätze über
*) Untersuchung über die Natur und die Ursachen des National-
reichtums von Adam Smith. Aus dem Englischen der vierten
Ausgabe neu übersetzt von Garve. Breslau 1794.
— 448 —
die oben angegebenen Gegenstände teils wörtlich, teils ab-
gekürzt, in nachstehendem zusammengestellt.
Arbeitslohn.
Im ersten Band sagt Adam Smith:
S. 120. „Von dem Vertrage zwischen dem Arbeiter
imd dem Eigentümer eines Kapitals, der jenen in Arbeit
setzt, hängt es ab, wie viel der Tagelohn betragen soll."
S. 127. „Nicht die Größe, zu welcher der National-
reichtum gelangt ist, sondern sein fortwährendes Wachsen
ist es, welches das Steigen des Arbeitslohns veranlaßt."
S. 129 und 130. „Wie ansehnlich an sich auch die
50 Fonds, aus w'elchen der Arbeitslohn bezalilt wird, die Ein-
künfte und das Kapital sämtlicher Einwohner sein mögen;
so wird, wenn beide mehrere Jahre hindurch unverändert
geblieben sind, und der Stillstand fortdauert, die Anzahl der
Hände schneller als die der Beschäftigung wachsen, und in
kurzem wird durch den Eigennutz der Meister und die Kon-
kurrenz der Arbeitsuchenden der Arbeitslohn soweit herunter-
gebracht werden, daß er gerade nur die unentbehrlichsten
Bedürfnisse der Natur zu befriedigen hinlänglich sein wird."
S. 144. „So wenig aber die Erzeugung der Kinder durch
die Armut verhindert wird, so sehr wird das Aufziehen der-
selben dadurch erschwert. Man hat mich oft versichert, daß
in Hochschottland von den zwanzig Kindern, die eine Mutter
zur Welt bringt, oft nur zwei am Leben bleiben."
S. 145. „Jede Tiergattung vermehrt sich natürlicher-
weise im Verhältnis der ünterhaltsmittel , die sie hat; und
keine Gattung kann sich über dieses Verhältnis vermehren.
Aber in einer ordentlichen bürgerlichen Gesellschaft können
es nur die unteren Klassen des Volks sein, bei welchen der
Mangel des Unterhalts der Vermehrung der Menschen Grenzen
setzt, und er kann diese Grenze nur dadurch setzen, daß er
— 449 —
einen großen Teil der Kinder, welche ihre fruchtbaren Ehen
erzeugen, wieder ums Leben bringt."
S. 146. „Die Nachfrage nach ]\Ienschen (Arbeitern) ist
wie die Nachfrage nach jeder anderen "Ware dasjenige, was
ihre Hervorbringung reguliert.
Wäre der Lohn zu einer Zeit übermäßig groß, so würde
der dadurch hervorgerufene Überfluß an Händen (Arbeitern)
bald eine Konkurrenz veranlassen, wodurch der Lohn auf
seinen mittleren Staudpunkt zurücksinken würde."
S. 148. „Es verdient olme Zweifel bemerkt zu werden,
daß der Zustand des arbeitenden Armen oder der zahlreichsten
Volksklassen, in der Zeit, wo die bürgerliche Gesellschaft
sich dem Punkt ihres höchsten Flors nähert, glücklicher und 51
erwünschter zu sein scheint, als in der, wo sie diesen Punkt
erreicht hat. Steht die Gesellschaft in ihrem Wohlstande
still, so lebt der gemeine Arbeiter kümmerlich; geht sie
zurück, so lebt er elend.''
S. 156. „Die Nachfrage nach Arbeit bestimmt, nach-
dem sie entweder zunehmend, abnehmend oder stillstehend
ist. und also entweder eine wachsende, abnehmende oder
unveränderlich bleibende Volksmenge fordert, die Quantität
von Notwendigkeiten und Becßiemlichkeiten des Lebens, mit
der die Arbeit belohnt werden soll."
Die Konkurrenz oder das Verhältnis des Angebots zum
Begehr von Arbeit bestimmt also nach Adam Smith die
Höhe des Arbeitslohns; die Größe der Nachfrage nach Ar-
beitern aber ist davon abhängig, ob der Nationalreichtum
steigend, stillstehend oder abnehmend ist.
Wir haben uns nun aber die Aufgabe gestellt, die Höhe
des Arbeitslohns für den beharrenden Zustand der bürger-
lichen Gesellschaft zu erforschen. In einem solchen Zustand
sind Nachfrage und Angebot im Gleichgewicht ; beide heben
sich gewissermaßen auf oder erscheinen als ruhend — und
Tliünen, Der isolierte Staat. 29
— 450 —
es geht schon hieraus hervor, daß in einem solchen Zustande
ein anderer Bestimmungsgrund für die Höhe des Arbeits-
lohns vorhanden sein muß.
Der beharrende Zustand aber ist der Zustand des Still-
standes, in welchem nach Adam Smith der Arbeiter
kümmerlich lebt, und der Lohn soweit herabgedrüclit wird,
daß der Arbeiter dadurch nur für sich die unentbehrlichsten
Bedürfnisse befriedigen kann, so daß der Mangel einen großen
Teil der erzeugten Kinder wieder ums Leben bringt.
52 Sterben aber — aus Mangel an den notwendigen Lebens-
bedürfnissen ist ein gräßliches Los, und es wäre entsetzlich,
wenn in den kommenden Jahrhunderten die zahlreichste
Volksklasse einem solchen Schicksal entgegengehen sollte.
Denn es läßt sich nicht verkennen, daß in dem Maß, als
alle Erdteile bevölkerter werden, der fruchtbare Boden in
Besitz genommen ist, und die Entdeckungen neuer, der
Produktion und Fabrikation dienender Naturkräfte seltener
werden, wir uns dem Zustand des Stillstandes mehr und
mehr nähern.
Im ganzen schimmert aber bei Adam Smith sowie
bei den meisten seiner Nachfolger die Ansicht durch, daß
die Summe der notwendigen Lebensbedürfnisse des Arbeiters
der natürliche Arbeitslohn sei.
Eicardo aber hat den Mut, geradezu auszusprechen:
„Der natürliche Preis der Arbeit ist der, welcher die Ai-beiter
in den Stand setzt, zu subsistieren und ihr Geschlecht fort-
zupflanzen."
Zinsfuß.
Adam Smith wirft die Zinsen des in einem Gewerbe
angelegten Kapitals mit dem Gewerbsprofit des Unternehmers
unter der Benennung „Kapitalgewinn" zusammen. Dies ist
für die Klarheit seiner Ansichten über den Zinsfuß sehr nach-
teilig. Da aber nach Adam Smith (S. 161) die Gewinnste
— 451 —
sich aus der Höhe der Geldzinsen beurteilen lassen, beide
also gewissermaßen proportional sind, so läßt sich auch aus
dem, was er über die Größe der Gewinnste sagt, rückwärts
auf die Höhe des Zinsfußes schließen.
Adam Smiths Untersuchung über den Kapitalge-
winn enthält zwar schätzbare Notizen über die Größe des-
selben in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen
Zeiten, aber nur Weniges und Unzulängliches über die Ge-
setze, wodurch die Höhe der Gewinnste und der Zinsen 53
bestimmt wird. Die wichtigsten Sätze in dieser Beziehung
dürften folgende sein:
S. 160. „Die Zunahme der Kapitalien erhöht, wie wir
gesehen haben, den Arbeitslohn ; — aber den Gewinnst von
diesen Kapitalien macht sie geringer. Wenn die Kapitalien
vieler Kaufleute in demselben Handelszweig angelegt werden,
so muß notwendig die daraus entstehende Konkurrenz den
Erfolg haben, ihre Gewinnste kleiner zu machen, und wenn
diese Zunahme der Kapitalien sich über alle Zweige der
Gewerbe und des Handels eines Landes erstreckt, so muß
auch der Gewinn aller Kapitalisten sich vermindern."
S. 172. „In einem Lande, welches zu dem vollen
Reichtum gekommen ist, den es, vermöge der Fruchtbarkeit
seines Bodens, seines Klimas und seiner Lage gegen andere
Länder erwerben kann — in einem Lande, das in seinem
Wohlsland still steht — werden wahrscheinlich Arbeitslohn
und Kapitalgewinn gleich niedrig sein. Wenn es nach dem
Verhältnis der Fläche, von welcher seine Einwohner ihren
Unterhalt ziehen , und der Fonds, durch die sie beschäftigt
werden, durchaus bevölkert ist: so muß die Konkurrenz
unter den arbeitsuchenden Menschen so groß sein, daß ihr
Lohn nicht höher ausfallen kann, als nur gerade notwendig
ist, die bisherige Anzahl von Arbeitern zu erhalten. Und
wenn dieses Land mit Fonds zu allen Geschäften, die es zu
machen Gelegenheit hat, versehen ist, so wird auch in jedem
29*
— 452 —
Gewerbszweige schon so viel Kapital angelegt sein, als die
Natur und mögliche Ausdehnung dieses Zweigs zuläßt. In
jedem also wird durch die Konkurrenz der Kapitalisten der
Gewinnst derselben auf den möglich kleinsten herunter-
gesunken sein."
S. 177. „Das höchste Maß, zu welchem die ordent-
lichen Gewinnste der Kapitalisten steigen können, ist, wenn
sie so groß sind, daß sie in den Preisen der Waren den
54 Teil, welcher dem Grundeigentümer zukommt, verschlingen
und für den Arbeiter nur einen so kleinen Teil übrig lassen,
als notwendig ist, wenn der Arbeiter leben soll. Der Arbeiter
muß an allen Orten auf die eine oder andere Art unterhalten
werden, oder das von ihm hervorzubringende "Werk kann
nicht zustande kommen. Aber der Besitzer von Grund und
Boden braucht nicht allenthalben seine Rente zu bekommen."
S. 17G. „Die übliche kleinste Geldzinse muß etwas
mehr betragen, als nötig ist, um den Verlust, welchem man
beim Geldausleihen von Zeit zu Zeit unvermeidlich ausgesetzt
ist, zu ersetzen. Wäre dies nicht, so wäre bei diesem Ge-
schäft gar kein Vorteil, und Freundschaft oder Mildtätigkeit
wären die einzigen Gründe, die jemanden bewegen könnten,
Geld zu verleihen."
Adam Smith begnügt sich also, die Grenzen, bis zu
welchen Gewinnst und Geldzinsen steigen und fallen können,
zu bezeichnen, und darzutun, das innerhalb dieser Grenzen
die Höhe beider von der Menge der vorhandenen Kapitalien
und der dadurch entstehenden größeren oder geringeren Kon-
kurrenz abhängig ist.
Damit ist aber nur die Erscheinung — das, was vor
unseren Augen vorgelit — beschrieben. Arbeitslohn und
Zinsfuß erscheinen hier noch als zwei voneinander völlig
unabhängige, durch die Konkurrenz geregelte Potenzen —
— 453 —
uud voQ einem Gesetz, das den Zusammenhaag zwischen
beiden nachweist, ist überall nicht die Rede.
Die Landrente.
Über den Ursprung und die Begründung der Landrente
sagt Adam Smith:
S. 89. „Sobald als in einem Lande Grund und Boden 55
Privateigentum geworden ist, wandelt auch die Gutsbesitzer
die den Menschen so natürliche Neigung an, zu ernten, wo
sie nicht gesäet haben, und selbst für die freiwilligen Erzeug-
nisse des ihnen zugehörigen Feldes eine Rente zu fordern.
Das Holz im Walde, das Gras auf dem Felde, welches so
lange Grund und Boden allen gemein war, dem, welcher es
haben wollte, nur die Mühe es einzusammeln kostete, wird
nun von dem Grundherrn mit einer Abgabe oder einem
Kaufpreise beladen. Es muß diesem Grundherrn nämlich
die Erlaubnis, das eine oder das andere sammeln zu dürfen,
abgekauft — es muß ihm für diese Erlaubnis ein Teil von
dem, was man auf seinem Boden gesammelt oder erbaut
hat, überlassen werden. Dieser Teil oder, was auf eines
hinausläuft, der Geldpreis dieses Teils ist das, was man
den Grundpreis oder die Landrente nennt — und macht von
dem Verkaufspreise der Waren den dritten wesentlichen
Bestandteil aus."
S. 271. „Wenn der Grundherr seinen Vertrag mit dem
Pächter schließt, so ist er gewiß bemüht, ihm an den Er-
zeugnissen seines Bodens keinen größeren Anteil zu lassen,
als schlechterdings nötig ist, um dem Pächter teils die
Fonds, woraus er die Anschaffung des Samens bestreitet, die
Arbeiter bezahlt und Vieh und Ackergerät ankauft und
unterhält, teils von diesen Fonds den Gewinn zu sichern,
den in dieser Gegend Pächter gewöhnlicherweise von ihren
Kapitalien erhalten. Keinen kleineren Teil kann auch augen-
scheinlich der Pächter annehmen, ohne sich der Gefahr aus-
— 454 — ■
zusetzen , zugrunde zu gehen , und mehi- als dies ist der
GrundheiT selten geneigt ihm zu lassen. Was nun
von dem Produkt eines Landguts oder (was
einerlei ist) von dem Preise dieses Produkts
56nach Abzug jenes Teils noch übrig bleibt, das
eignet sich der Grundherr unter dem Namen der
Eente zu."
S. 274. „Nur diejenigen Erzeugnisse eines Landes
können zu Markte gebracht werden, deren gewöhnlicher
Preis zureicht, die auf ihre Fertigung gewandten Gelder,
nebst dem üblichen Gewinne, der von einem solchen Kapital
gezogen zu werden pflegt, heraus zu bringen. Beträgt jener
Preis mehr, so fällt der Überschuß an den Grundherrn als
Rente."
S, 174. „Hoher Arbeitslohn und große Gewinnste sind
die Ursachen teurer Warenpreise; hohe Renten sind die
Wirkungen derselben."
Die beiden Einwürfe:
1. daß die Neigung des Eigentümers von Grund und
Boden zur Beziehung einer Rente von demselben noch
nicht hinreicht, diese Rente von anderen wirklich zu
verlangen ; und
2. daß Adam Smith die Einkünfte, die ein Gut bei
der Verpachtung gibt, „Landrente" nennt, daß also
(wie im ersten Teil, dritte Auflage, § 5a ausführlich
gezeigt ist) in Adam Smith "s Landrente der Ertrag
des Grund und Bodens an sich mit den Zinsen des
in den Gutsgebäuden usw. steckenden Kapitals ver-
mengt sind,
lassen wir hier unberücksichtigt, weil sie nicht zum Gegen-
stand unserer gegenwärtigen Betrachtung gehören.
Dagegen muß sich hier unsere ganze Aufmerksamkeit
darauf richten, daß nach Adam Smith die Höhe der Land-
— 455 —
rente und überhaupt das Vorhandensein derselben ganz und
gar von dem Preise der ländlichen Erzeugnisse abhängig ist.
Preis. 57
Was Adam Smith, S. 101 und 102, über den Markt-
preis sagt, läßt sich in nachstehende Sätze zusammenfassen :
1. Der Preis, für welchen eine Ware gewöhnlicherweise
wirklich verkauft wird, heißt der Marktpreis.
2. Der Marktpreis jeder Ware, jedes Erzeugnisses wird
bestimmt durch das Verhältnis zwischen Angebot und
Nachfi'age, zwischen der zum Verkauf zu Markt ge-
brachten und der von den Käufern begehrten Quantität.
3. Ist die Quantität der zu Markt gebrachten Ware ge-
ringer als die, wonach ein wirksamer Begehr vor-
handen, so entschließen sich mehrere Käufer, ehe sie
die Ware ganz entj^ehren, einen höheren als den ge-
wöhnlichen Preis dafür zu zahlen, und durch die Kon-
kurrenz zwischen den Käufern steigt dann der Markt-
preis über den gewöhnlichen Preis.
4. Übersteigt dagegen die Quantität der zu Markt ge-
brachten Ware die Größe des wirksamen Begehrs, so
kann nicht die ganze Quantität zu dem bisher üblichen
Preise abgesetzt werden, sondern es müssen diejenigen,
die sich bisher des Gebrauchs dieser Ware enthielten
oder sie nur im beschränkten Maße gebrauchten, durch
eine Erniedrigung des Preises zum Ankauf derselben
bewogen werden — und so sinkt der Marktpreis dieser
Ware unter den gewöhnlichen Preis herab.
Diese Erklärung ist aus dem Leben genommen, ist Tat-
sache.*) Aber was ist, müssen wir nun fragen, damit für
die Wissenschaft gewonnen?
*) „Dies heißt das Lebeu abschreiben, aber Vermmft ist nicht
darin", sagte ein Freund, dem ich diese Sätze mitteilte.
— 456 —
58 Die Konkurrenz, das Verhältnis zwischen Angebot und
Nachfrage, ist so wenig stetig, ist so wechselnd und ver-
änderlich wie die Witterung.
Wie kann nun eine so unbestimmte, so veränderliehe
Potenz zur Grundlage füi- ein Lehrgebäude dienen?
Dies hat Adam Smith unstreitig auch gefühlt und
er sucht deshalb in nachstehenden Sätzen ein die Konkurrenz
beherrschendes Gesetz darzustellen.
S. 98 und 99. „In jedem Lande oder in jeder Gegend
eines Landes gibt es sowohl für den Arbeitslohn als für
den Gewannst einen gewissen ]yraßstab, der bestimmt, was
gewöhnlicherweise und im Durchschnitt der Arbeiter für
seinen Fleiß zu erhalten, und der Kapitalist mit seinem Gelde
zu gewinnen erwarten kann.''
„Ebenso gibt es in jedem Lande, in jeder Gegend eine
gewisse Taxe für die Landrente.''
„Dasjenige Maß des Arbeitslohns, der Kapitalgewinnste
und der Landrente, das an einem gewissen Orte, zu einer
gewissen Zeit das gewöhnliche ist, kann an diesem
Orte zu d i e s e r Zeit für das natürliche angesehen werden."
S. 90. „In jeder bürgerlichen Gesellschaft ist der
Marktpreis jeder Ware entweder aus den drei Bestandteilen
— Arbeitslohn, Kapitalgewinn und Landrente — zusammen-
gesetzt oder enthält wenigstens einen oder den anderen
derselben."
S. 98. „Ist der Verkaufspreis einer Ware weder grüßer
noch kleiner als nötig ist, um die Rente von dem Stücke
Landes, den Lohn für die Arbeit und den Gewinnst von
dem Kapitale, welche sämtlich angewandt worden sind, die
Waren zu erzeugen, zu verfertigen und zu Markt zu bringen
— nach den an jedem Orte, zu jeder Zeit gewöhnlichen
59 Taxen — zu bezahlen: so wird diese Ware für den Preis
verkauft, welchen man ihren natürlichen nennen kann.''
S. 105. „Der natürliche Preis ist also gleichsam der
— 457 —
ilittelpiiukt , gegen welchen die wandelbaren Marktpreise
aller Waren beständig gravitieren. Zufälle verschiedener
Ai't können diese letzteren eine Zeitlang von jenem Mittel-
punkt entfernt halten — sie über ihn erheben, oder unter
ihn erniedrigen. Sie mögen aber durch noch so große Hinder-
nisse abgehalten werden, sich in diesem Ruhepunkt fest-
zusetzen: so äußern sie doch ein beständiges Streben, sich
demselben zu nähern."
Noch erinnere ich mich aus meiner Jugend sehr lebhaft,
welche Freude ich empfand, als ich diese Sätze Adam
Smith 's zum erstenmal las. Licht und Klarheit verbreitete
sich dadurch für mich über einen sonst verworrenen Gegen-
stand, und ich sah nun die regellose Konkurrenz einem be-
stimmten Gesetz untergeordnet. Die Produktionskosten waren
nun zum Regulator des natürlichen Preises — gegen welchen
die Marktpreise stets gravitieren — erhoben, und dadurch
der Konkurrenz ihre Schranken angewiesen.
Diese Freude dauerte aber nicht lange, sondern wurde
beim tieferen Eindringen in den Gegenstand gar bald getrübt.
Der natürliche Warenpreis wird durch den natürlichen
Arbeitslohn, den natürlichen Kapitalgewinn und die natür-
Hche Landrente, welche in der Hervorbringung dieser AVare
enthalten sind, bestimmt.
Fragt man nun aber, wodurch wird der natürliche
Ai'beitslohn bestimmt, so lautet die Antwort: Durch die
Konkurrenz. Fragt man nach dem Bestimmungsgrund des
natürlichen Kapitalgewinnstes , so ist dieser abermals die
Konkurrenz.
Die Entfernung der Konkurrenz aus den Be-60
Stimmungsgründen für den natürlichen Preis
ist also nur scheinbar, ist eine Illusion .
— 458 —
Verbindung zwischen Preis und Landrente.
Reicht der Verkaufspreis einer Ware gerade hin, das
bei der Hervorbringung derselben angewandte ilaß von
Arbeitslohn, Kapitalgewinn und Landrente — nach den ge-
wöhnlichen Taxen zu vergüten, so ist dies der natürliche
Preis der Ware.
Was von dem Verkaufspreise der ländlichen Erzeugnisse
nach Abzug des Arbeitslohns, des Kapitalgewinns und der
sonst auf die Hervorbringung derselben verwandten Kosten
übrig bleibt — das bildet nach A. Smith die Landrente.
Fragen wir nun : „welches ist der natürliche Preis des
Getreides?-'
so erhalten wir, diesen Bestimmungen nach, folgende Antwort:
Der natürliche Preis des Getreides ist der, durch
welchen das gewöhnliche Maß von Arbeitslohn, Kapital-
gewinn und Landrente, was in den Produktionskosten
des Getreides enthalten ist, genau gedeckt wird.
Fragen wir nun ferner: „welches ist die natürliche
Landrente'?"'
so lautet die Antwort :
Was von dem Verkaufspreise der Produkte, also auch
des Getreides, nach Abzug des Arbeitslohns, der Aus-
lagen und des Kapitalgewinns des Pächters übrig
bleibt — das bildet die Landrente.
Also wird bei der Bestimmung des natür-
lichen Preises des Getreides die Landrente als
eine bekannte Größe betrachtet; bei der Be-
stimmung der Landrente wird dagegen der
natürliche Preis des Getreides als bekannt an-
genommen.
61 Dies ist ein Zirkelschluß, der beim oberfläclilichen Lesen
wohl einschläfern und beruhigen kann, durch den aber nichts
gefunden, nichts aufgeklärt wird.
- 459 —
Wenn y = a -j- b -j- x und
X = y — (a -|- b) ist,
so ist die zweite G-leichung nicht eine neue, sondern nur
eine Umsetzung der ersten, und die unbekannten Größen y
und X bleiben beide unbestimmt.
ünglückliclierweise treifen dieser Zirkelschluß und jene
Illusion in betreff der Entfernung der Konkurrenz aus den
Bestiramungsgründen des natürlichen Preises gerade ein
Fundamentstück des ganzen Lehrgebäudes.
Wenn hiernach nun die Landrente vom Preise der länd-
lichen Erzeugnisse abhängt, der Preis aber abhängig ist vom
Arbeitslohn und Kapitalgewinn, und die Größe dieser beiden
Potenzen durch die Konkurrenz bestimmt wird: so ist auch
die Landrente von der Konkurrenz abhängig.
Die Konkurrenz ist also nach A.Smith der letzte Regu-
lator für Arbeitslohn, Kapitalgewinn, Preis und Landrente.
Nach dieser Übersicht der Smith 'sehen Lehren müssen
wir uns die Frage vorlegen : was ist dadurch für die Lösung
unserer Aufgabe gewonnen?
Die Aufgabe aber, die wir uns zunächst gestellt haben,
ist folgende:
AVelches ist der naturgemäße Anteil des Arbeiters an
dem durch ihn hervorgebrachten Erzeugnis ; oder welches
ist der dem Arbeiter von der Natur bestimmte Lohn?
Nach A. Smith ist der Arbeiter auf das, was ihm die
Konkurrenz zukommen läßt, das ist auf das bestehende an-
gewiesen.
In der Tat sagt A. Smith (S. 99) selbst: „dasjenige 62
Maß des Arbeitslohns, das an einem gewissen Orte, zu einer
gewissen Zeit das gewöhnliche ist, kann an diesem Orte,
zu dieser Zeit für das natürliche angesehen werden."
Das Bestehende aber ist im Laufe der Zeit dem steten
Wechsel unterworfen, und man muß fragen:
— 460 —
Welches Bestehende ist denn das Rechte,
das Naturgemäße?
Hierauf können A. S m i t h " s Lehren keine Antwort er-
teilen; ja wir finden bei genauerer Betrachtung, daß dies
für A. Smith überall nicht Gegenstand der Untersuchung
gewesen ist.
A. Smith begnügte sich damit, die Tatsachen und Er-
scheinungen, die sich ihm darboten, zusammenzustellen und
zu einer Übersicht zu vereinigen — und dies war zu seiner
Zeit und bei dem damaligen Stand der Wissenschaft ein
sehr verdienstliches Werk. Den Grund der Erscheinungen
zu erforschen, lag in dem vorliegenden Fall noch nicht in
seiner Aufgabe.
In unserer Zeit aber, wo die Arbeiter mehr und mehr
zum Bewußtsein über ihre Lage und ihre Rechte gelangen,
und künftig mit unwiderstehlicher Macht an der Gestaltung
des Staats und der Gesellschaft teilnehmen werden — jetzt
wird die Frage über die naturgemäße Verteilung des Ein-
kommens zu einer Lebensfrage für das Fortbestehen der
Staaten und der bürgerlichen Gesellschaft.
Wenn ich hier und im Verfolg dieser Schrift mich vor-
zugsweise auf Adam Smith's Werke beziehe, obgleich
durch Ricardo, Say, Rau, Hermann, Nebenius u. a.
A. Smith's Lehren mehrfach erweitert, berichtigt und
systematischer dargestellt sind, so geschieht dies aus den
beiden Gründen :
63 1. weil meine Untersuchungen in dem Smith 'sehen
W^erk ihre Wurzehi haben und zu einer Zeit begonnen
sind, wo die Werke der genannten Gelehrten noch nicht
erschienen oder mir wenigstens noch nicht zu Gesicht ge-
kommen waren ;
2, weil A. Smith's Werk in den meisten wesent-
— 461 —
licliea Punkten noch immer die Grrundlage der National-
ökonomie bildet.
Indem nun meine Untersuchungen sich unmittelbar an
die A. Smith 's anschließen und da beginnen, wo mir
diese mangelhaft erscheinen, liegt es in der Natur der Sache,
daß ich häufig beurteilend und berichtigend gegen A. Smith
auftreten muß. Da andererseits das viele, worin ich mit
A. Smith einverstanden bin, unerwähnt bleibt: so kann dies
leicht den Anschein von Nichtanerkennen oder gar Über-
heben gewinnen.
Dies liegt aber sehr ferne von mir, und es kann nicht
leicht jemand eine größere Verehrung für diesen Genius
haben als der Verfasser dieser Schrift. Gerade darin, daß
ich die Berichtigung und Erweiterung der Smith 'sehen
Lehren für eine Förderung der Wissenschaft halte und zum
Gegenstand meiner Untersuchung mache, liegt ein Bew^eis
der hohen Achtung, die ich für A. Smith hege.
Hätte Euklid seine Elemente ungeschrieben gelassen,
weil er seinen 11. Grundsatz nicht beweisen konnte, so würde
die Nachwelt viel verloren und die Geometrie sich viel
später ausgebildet haben.
Hätte A. Smith, gewahrend, daß seine Lehren über
Arbeitslohn, Zinsfuß und Landrente eigentlich nur Dar-
stellung des Bestehenden, nicht Auffassung eines diese Po-
tenzen bestimmenden Gesetzes sei, sich in die Tiefen dieser
Untersuchung versenkt, so würde er sein unsterbliches Werk
wahrscheinlich nicht vollendet haben.
Durch das große H e r s c h e 1 ' sehe Teleskop wurden die
dem bloßen Auge sichtbaren Nebelflecke am Firmament in 64
Sterngruppen, d. i. in Weltsysteme aufgelöst, aber es zeigten
sich nun andere bisher nicht gesehene Nebelflecke. Durch
das in unseren Tagen konstruierte Riesenteloskop sind die
Herschel'schen Nebelflecke wieder in Sterngruppen aufgelöst.
— 462 —
aber zugleich auch wieder Nebelflecke enthüllt, die für
Herschel noch unsichtbar waren.
Wie viele Weltsysteme mögen nun noch jenseits der
Grenze liegen, bis zu welcher das Riesenteleskop das Auge
führt !
Unendlich aber wie das Weltall ist auch die Wissen-
schaft. Wie dort die Verstärkung der Sehkraft zur Ent-
deckung neuer Weltsysteme, aber auch zu neuen Geheimnissen
führt: so enthüllen sich auch mit den Entdeckungen in der
Wissenschaft dem geistigen Auge neue bisher nicht geahnte
Probleme.
Nachdem A. Smith über so viele Gegenstände des
bfirgerlichen Lebens Licht verbreitet und" seinen Nachfolgern
die Zeit und Mühe des eigenen Forschen s hierüber erspart
hat, sind diese, wenn auch minder begabt, verpflichtet, die
Lücken, die er im Wissen gelassen, auszufüllen, und — neue
Probleme in den Gesichtskreis zu bringen.
§ 4.
Arbeitslohn.
Wenn man auf die ungleiche Verteilung der Glücks-
güter blickt und erwägt, wie geringe die mühsamen körper-
lichen Arbeiten des Tagelöhners, die doch zugleich die un-
entbehrlichsten sind, bezahlt werden: so drängen sich wohl
jedem, der die Geistesfreiheit erlangt hat, die mit der Mutter-
milch eingesogenen Eindrücke und Vorurteile einer Prüfung
zu unterwerfen und nach dem Grund derselben zu forschen,
die Fragen auf:
1. Warum bezieht der Gutsbesitzer ohne Mühe und Arbeit
eine Rente von seinem Boden ; warum kann der Arbeits-
65 lohn nicht so hoch steigen, daß die bisherige Landrente
— 463 —
unter die Arbeiter geteilt wird, die anscheinend einen
viel gerechteren Anspruch darauf haben?
2. Ist die geringe Belohnung der Handarbeit in der Natur
der Gewerbe und des Landbaues begründet und somit
dem Willen der Vorsehung entsprechend, oder ist der
jetzige Zustand durch Gewalt und Unterdrückung, der
sich die arbeitende Klasse nicht wieder entziehen kann,
herbeigeführt worden '?
Unter den verschiedenen Betrachtungsweisen, durch
welche wir Aufklärung über diesen Gegenstand zu erlangen
hoffen dürfen, scheint die Untersuchung über die Frage:
„welche Folgen hat eine Erhöhung des Arbeitslohns?" am
ersten und nächsten zum Ziele führen zu müssen.
In der "Wirklichkeit sind aber die Verhältnisse des ge-
werblichen Lebens so ineinandergreifend und so kompliziert,
daß der Blick in dieselben sich verwirrt, ehe die letzten
Folgen einer Erhöhung des Arbeitslohns erkannt sind. Bei
der Beantwortung der obigen Frage wenden wir uns deshalb
zuerst dem isolierten Staat zu, wo alle Verhältnisse möglichst
einfach vor uns liegen.
An der Grenze der kultivierten Ebene des isolierten
Staats, wo der Boden keine Rente gibt, und der Gutsertrag
auf die Zinsen des in den Gebäuden usw. steckenden Kapitals
beschränkt ist, muß durch eine Erhöhung des Arbeitslohns
die Landrente negativ werden, d. i. unter Null herabsinken.
Wenn aber der Anbau des Bodens für den Besitzer
desselben dauernd mit Verlust verbunden ist, so wird der-
selbe keine neuen Gebäude mehr errichten, sondern das Gut
verlassen , sobald die alten Gebäude dem Einsturz drohen.
Der Boden bleibt dann wüst liegen, und der Anbau des
Bodens zieht sich bis auf die Entfernung von der Stadt
zurück, wo die bisherige Landrente den Betrag des erhöhten 66
Arbeitslohns zu decken vermag.
Die Arbeiter aus dem jetzt verlassenen Kreise müssen
— 464 —
iu den der Stadt näheren Gegenden, wo auf Kosten der
Landrente ein höherer Lohn gezahlt werden kann, Arbeit
und Unterhalt suchen. Aber auf den Gütern in diesen
Gegenden sind schon so viele Menschen beschäftigt, daß das
Arbeitsprodukt des zuletzt angestellten Arbeiters nur gerade
noch den Lohn deckt, den er erhält. Sollen noch mehr
Arbeiter angestellt werden, so müssen Kulturmethoden an-
gewandt werden, die weniger einträglich sind und sich bei
dem bisherigen Arbeitslohn nicht bezahlt machen. Es können
also auch die hinzukommenden Arbeiter nur dann Beschäfti-
gung finden, wenn sie für einen noch niedrigeren Lohn als
den bisherigen arbeiten wollen. Die Not wird sie zur An-
nahme des geringeren Lohns zwingen, und durch die Kon-
kurrenz wird dann auch der Lohn der dort schon länger
ansässigen Arbeiter herabgedrückt.
Der Versuch den Arbeitslohn zu erhöhen, bewirkt also
das Gegenteil, und die Lage der Arbeiter wird dadurch nur
noch schlechter.
Wir gelangen hiermit also zu dem Resultat, daß der
niedrige Arbeitslohn in dem Wesen der Gewerbe begründet,
und daß eine Erhöhung desselben unmöglich ist.
Zu diesem Resultat kann man aber auch auf vielen
anderen Wegen und durch andere Schlußfolgen gelangen, und
so wird es erklärlich, wie die Ansicht, daß dem Arbeiter
nichts zukomme, als was zu seiner Lebensfristung notwendig
ist, sich so weit hat verbreiten und selbst bei den Gelehrten
so tiefe Wurzeln hat schlagen können.
Blanqui (in seiner Geschichte der politischen Öko-
nomie, übersetzt von Büß, 2. Band, S. 162) sagt von Say:
67 ,,Er folgte dem Vorurteil der Zeitgenossen, welche
den Lohn als genügend ansahen, nicht weil er leben
ließ, sondern weil er am Sterben hinderte."
Wenn wir aber im Denken nicht ermüden und uns mit
— 465 —
der gewonueneu Ansicht nicht beruhigen, sondern die Schluß-
folgen, durch welche wir jenes Resultat erlangt haben, bis
auf den Grund verfolgen : so ergibt sich, daß wir zu diesem
Resultat nur dadurch gelangt sind, daß wir die Höhe des
Zinsfußes — welche der Konstruktion des isolierten Staats
zu gründe liegt — als unantastbar, als unabänderlich be-
trachlet haben.
Wenn aber der Zinsfuß erniedrigt wird, der Kapitalist von
seinem Kapitale geringere Einkünfte bezieht: so kann auch
selbst an der Grenze der kultivierten Ebene der Arbeitslohn er-
höht werden, ohne daß der Anbau des Bodens aufhört, und
ohne daß auch nur ei n Arbeiter entbehrlich und brotlos wird.
Damit haben nun jene Schlußfolgen ihi-e Basis und ihren
ganzen Halt verloren.
Die Frage über die Verbesserung des Zuslandes der
Arbeiter reduziert sich also in der einfachsten Form auf die :
Kann nicht der Zinsfuß erniedrigt werden, um dem
Arbeiter einen größern Anteil an seinem Arbeitserzeug-
nis zukommen zu lassen und dadurch seinen Lohn zu
erhölien ?
Die Höhe des Zinsfußes kann aber auch nicht willkür-
lich, nicht bloß zufällig sein, sondern es muß auch hierin
Gesetzmäßigkeit walten.
Wir werden hierdurch unmittelbar darauf geführt, daß die
Bestimmung des naturgemäßen Arbeitslohns abhängig ist von
der Kenntnis der Gesetze, wodurch die Höhe des Zinsfußes
und das Verhältnis desselben zum Arbeitslohn bestimmt wird.
Damit betreten wir nun die Schwelle einer schwierigen
und verwickelten Untersuchung.
Da ein schon im Jahre 1826 niedergeschriebenes Frag- 68
ment, den Zinsfuß betreffend, das aufgestellte Problem imd
die zu lösenden Fragen näher entwickelt, so teile ich dies
Fragment hier zunächst mit.
Thüuen, Der isolierte Staat. 30
466 —
Über die Höhe des Zinsfusses, in dialogischer
Form.
A. Kannst du mir sagen, warum der Zinsfuß jetzt an
diesem Orte 5 "^/o, "warum er nicht 2, oder auch 10 ^/o ist?
B. Der Zinsfuß wird ebenso, wie der Preis jeder Ware-
durch das Verhältnis des Angebots zur Nachfrage bestimmt.
Ist nun der Zinsfuß 5%, so beweist dies, daß bei diesem
Zinssatz Angebot und Nachfrage im Gleichgewicht sind.
Stiege durch zufällige Einwirtungen der Zinsfuß auf 10 %,
so würde das Angebot zunehmen, die Nachfrage abnehmen,,
und dies würde ein Sinken des Zinssatzes zur Folge haben.
Der umgekehrte Fall träte ein, wenn der Zinsfuß momentan
bis zu 2 °/o heruntergegangen wäre.
A. Diese Antwort entspricht dem, was wir in den
uationalökonomischen Schriften über diesen Gegenstand
finden; aber sie befriedigt mich nicht: denn sie gibt nur
die Erscheinung , nicht den Grund an. Daß Angebot und
Nachfrage im Gleichgewicht sind, wenn der Zinsfuß konstant,
z. B. 5^/o geworden ist, versteht sich von selbst; ich will
aber wissen, warum Angebot und Nachfrage gerade bei 5,
und nicht bei 2, oder 10 ''/o im Gleichgewicht sind.
B. Dies hängt von der Größe des vorhandenen National-
kapitals ab. Je reicher eine Nation ist, desto niedriger ist
der Zinsfuß, und umgekehrt, je äi-mer, desto höher ist der-
selbe. Deshalb sinkt der Zinsfuß beim zunehmenden Reich-
tum, bleibt konstant beim stillstehenden, und steigt beim ab-
nehmenden Nationalreichtum.
69 A. Dies sind aus der Erfahrung entnommene Sätze, die
als solche ihren Wert haben ; aber sie geben wiederum nur
die Erscheinung, nicht den Grund der Erscheinung an. Denn
warum ist der Zinsfuß niedriger bei reichen, höher bei armen
Nationen ?
— 467 —
B. Nichts ist leichter zu beantworten. Denn so wie
t'berfluß an "Waren niedrige Preise erzeugt, so erzeugt auch
l'berfluß an Kapital einen niedrigen Zinsfuß.
A. Auf diese Weise drehen wir uns aber stets im Kreise
herum. Ich muß nun, um diese Zirkelschlüsse zu durch-
schneiden, die Frage an dich richten: aus welchem Grunde
entsteht denn Überfluß an Waren und Kapital?
B. Sparsamkeit, Fleiß und Geschicklichkeit erzeugen
Überfluß an Waren und somit auch an Kapital.
A. Gut, diese Eigenschaften des Menschen muß ich als
Quellen des Nationalreichtums gelten lassen; aber werden
zwei Nationen, die diese Eigenschaften in gleich hohem
Grade besitzen, immer auf gleicher Stufe des Reichtums
stehen und einen Zinsfuß von gleicher Höhe haben?
B. Nein, das nicht. Die Anwendung gleicher Kräfte
auf guten und auf schlechten Boden, in einem rauhen und
in einem milden Himmelsstrich, unter einer despotischen, die
Untertanen mit Abgaben bedrückenden Regierung und unter
einer Regierung, die Freiheit und Gesetzlichkeit w^alten läßt
— muß ein selir verschiedenes Resultat liefern. Die
geistigen Eigenschaften des ilenschen, und die Beschaffen-
heit des Objekts , worauf dieselben angewandt werden,
wirken gemeinschaftlich auf die Größe des Erzeugnisses.
A. Gesetzt nun England und Nordamerika hätten Be-
wohner von gleichem Nationalcharakter, und Boden, Klima
und Verfassung wären in beiden Ländern gleich — folgt
hieraus, daß der relative Nationalreichtum, d. i. der auf
einen Kopf fallende Teil des Gesamtreichtums, und der 70
Zinsfuß in beiden Ländern gleich hoch sein müssen?
B, Nein ; denn England ist ein schon seit Jahrhunderten
hochkultiviertes Land, während Nordamerika erst kurze Zeit
von zivilisierten Yölkern bewohnt wird, dasselbe noch große
Strecken fruchtbaren aber unbebauten Bodens besitzt, die
eine weite und nützliche Anwendung des Kapitals gestatten
30*
— 468 —
•— und deshalb muß hier der Zinsfuß höher sein als in
England.
A. Also nicht die geistigen Kräfte des Menschen und
das Objekt, worauf sie angewandt werden, entscheiden allein
über die Größe des relativen Nationalreichtums und des
Zinsfußes, sondern wenn in zwei Ländern beide Faktoren
gleich sind, tritt die Zeitdauer, während welcher beide
Länder bewohnt sind, als dritter den Zinsfuß regulierender
Faktor ein.
Betrachten wir nun genauer, welcher Unterschied
zwischen einem schon längere und einem erst kürzere Zeit
bewohnten Lande — bei Gleichheit des Klimas, des Bodens
und der Bewohner — stattfindet: so zeigt sich, daß im
ersteren nicht bloß der fruchtbare, sondern auch der sandige
Boden und die wenig lohnenden Hügel bebaut sind, während
in letzterem nur erst die fruchtbaren Täler d^r Kultur unter-
worfen sind — wo dieselbe menschliche Arbeit mit einem
weit größeren Erzeugnis gelohnt wird als auf dem sandigen
und hügeligen Boden.
Aus dieser Beobachtung der in der Wirklichkeit statt-
findenden Verhältnisse können wir nun folgern:
1. daß der Zinsfuß steigt, wenn die Arbeit lohnender
wird, d. i. ein größeres Produkt liefert;
2. daß es einen großen Unterschied in der Höhe des
Zinssatzes hervorbringt, ob dasselbe Nationalkapital auf 1
oder 2 Quadratmeilen verteilt ist, daß also nicht das abso-
lute, sondern nur das relative Nationalkapital, d. i. das mit
der Größe des angebauten Landes und mit der Bevölkerung
71 verglichene Nationalvermögen einen wesentlichen Einfluß auf
die Höhe des Zinsfußes ausübt.
Aber mit allen diesen Erörterungen sind wir nun dahin
gekommen, die Umstände anzugeben, unter welchen der Zins-
fuß höher oder niedriger ist.
Kannst du aber wohl für irgend ein Land, das du in
— 469 —
allen seinen Verhältnissen genau kennst, bestimmen, ohne
die Erfahrung zu Hilfe zu nehmen, wie hoch der Zinsfuß,
in Zahlen ausgesprochen, hier sein muß?
B. Die Höhe des Zinsfußes wird bedingt durch die
Größe der Nutzung, die ein im Landbau und in den Ge-
werben angelegtes Kapital gewährt. Ein auf die Urbar-
machung eines reichen Bodens verwandtes Kapital kann sich
mit 10 ^/o oder noch höher verzinsen. Ist aber der reiche
Boden erst sämtlich in Besitz genommen, und wendet sich
die Urbarmachung dem Boden von minderer Güte zu, so
sinkt nach und nach die Nutzung des verwandten Kapitals
auf 5, 4 oder gar 3 % zurück.
Die Höhe des Zinsfußes, in Zahlen ausgesprochen,
hängt also davon ab, welche Güte der noch nicht in Kultur
genommene Boden hat, und bis zu welchem Grade die auf
dem bereits kultivierten Boden gemachten Verbesserungen
gediehen sind.
A. Diese dem scharfsinnigen Ricardo entnommene
Erklärung ist für die gewöhnlichen Verhältnisse zutreffend
und praktisch brauchbar; aber sie genügt nicht zur Be-
gründung eines allgemeinen Gesetzes.
Man versetze sich nur im Gedanken nach einer un-
ermeßlichen, bisher nicht angebauten Ebene, die durchaus auf
jeder Stelle gleich fruchtbar und noch keines Menschen
Eigentum ist, und frage dann: „wie wird sich hier das
Verhältnis zwischen Zinsfuß und Arbeitslohn gestalten, und
welche Höhe wird der Zinsfuß erlangen, wenn diese Ebene
urbar gemacht wird?"
Jene Erklärung, die sich auf den A^orzug des einen 72
Bodens vor dem anderen gründet, wird hier, wo gar kein
Vorzug stattfindet, völlig unbrauchbar und zeigt eben da-
dm-cli, wie wenig sie den Forderungen, die man an ein all-
gemeines Gesetz machen muß, Genüge leistet.
— 470 —
Außer dieser Unzulänglichkeit trägt jene Erklärung noch
einen anderen Mangel in sich.
Wir müssen nämlich bei ihrer Anwendung stets die
Erfahrung zur Hilfe nehmen und unser Wissen daraus
schöpfen. Wir wollen aber nicht wissen, was geschehen
ist, sondern wir wollen die Gründe kennen, aus welchen
das Geschehene hervorgegangen ist.
B. Ich verstehe nicht ganz, was du damit sagen willst?
A. Ein Beispiel Avird dies deutlich machen.
Man sagt, der Preis jedes Produkts, jeder Ware wird
bestimmt durch das Verhältnis des Angebots zur Nachfrage.
Wer sich mm durch diese Erklärung befriedigt fühlt,
kann den Preis der AVertgegenstände nie anders als aus der
Erfahrung entnehmen ; er vermag nicht den Preis irgend-
eines Produkts oder Fabrikats wissenschaftlich zu bestimmen ;
er hat die Preisbestimmung blinden Gewalten- übergeben und
braucht sich nun nicht abzuquälen über die Gründe, warum
der Preis gerade dieser und kein anderer ist. Wer aber
tiefer eindringt, wird erkennen, daß das Yerhältnis zwischen
Angebot und Nachfrage nur die äußere Erscheinung einer
tieferliegenden Ursache ist. Wenn ein Markt mit Waren
überfüllt wird, so ist dies nicht ein bloßer Zufall, sondern
ein Zeichen , daß die früher hier bezahlten Preise so hoch
waren, daß eine größere Hervorbringung dieser Waren vor-
teilhaft wurde. Der frühere zu hohe Preis ist also Ursache
des Überflusses, der nun Preise erzeugt, die zu niedrig sind.
Auf diese Weise bleiben die Marktpreise im steten Schwanken ;
73 aber der Produktionspreis ist — wie A. Smith sich treffend
ausdrückt — der Mittelpunkt, gegen welchen die Markt-
preise stets gravitieren. Stimmen aber Marktpreis und Pro-
duktionspreis einmal überein, so ist weiter keine Ursaclie
weder zu einer zu großen noch zu geringen Hervorbringung,
und Angebot und Nachfrage stehen dann itn Gleichgewicht.
Der Produktionspreis ist also der Regulator des Markt-
— 471 —
Preises, imd dieser muß trotz der unzäliligen Abweichungen
im Durchschnitt eines großen Zeitraums doch Avieder mit
^em ersteren zusammenfallen.
Meine Frage ist nun die:
gibt es für den Preis eines Kapitals, d. i. für die Höhe
des Zinsfußes, einen solchen Regulator, ^vie ihn der
Preis der Waren in den Produktionskosten findet, und
welches ist der Maßstab für die Produktionskosten des
Kapitals ?
B. Dies vermag ich nicht zu beantworten, und wie es
mir scheint, ist alles, was bisher in der Nationalökonomie
geleistet ist, nicht genügend, um hierauf eine befriedigende
Antwort zu erteilen.
A. Die Sache ist aber von großer Wichtigkeit. Solange
Avir hierüber nicht aufs klare sind, vermögen wir nicht
einmal den Produktionspreis der Waren wissenschaftlich
darzustellen : denn zu den Elementen , die den Warenpreis
bestimmen, gehören auch die Zinsen des angewandten Kapitals,
kennen wir diese aber nur aus der Erfahrung, d. i. aus der
Erscheinung, so mischen wir in dasjenige, was wir erklären
und wissenschaftlich begründen wollen , die äußere Er-
scheinung selbst als Grund ein, mid drehen uns so in einem
Zirkelschluß herum, der zu keinem Resultat führt.
B. Es fragt sich aber, ob eine solche Bestimmung des
Zinsfußes, wie du sie wünschest, möglich ist, und ob eine
Verbindung zwischen Zinsfuß und Arbeitslohn wirklich statt-
findet.
A. Überall, wohin wir blicken, sehen wir Zinsfuß und
Arbeitslohn in bestimmten Zahlen ausgesprochen. Der Zins- 74
fuß, der sich so gebildet hat, ist aber nicht das Werk des
Zufalls oder des blinden Waltens, sondern ist entsprungen
aus dem Zusammenwirken von Menschen , die sämtlich von
einem verständigen Eigennutz geleitet, gemeinschaftlich —
wie die Bienen am Bau der Zelle — an einem großen Werk
— 472 —
arbeiten. Da hier der Eigennutz durch den Verstand ge-
leitet wird, so muß auch das, was der Eigennutz hervor-
gebracht hat, wiederum durch den Verstand begriffen werden
können. Es handelt sich also nicht darum, neue Gesetze zu
entdecken , sondern es soll nur das , was schon geschehen
ist, begriffen und dadurch klar werden, wie es geschehen ist.
Es soll das, was der Verstand unzähliger Menschen —
wovon jeder an dem großen Bau mitarbeitet, aber nur die
Stelle übersieht, wo er selbst arbeitet — hervorgebracht hat^
durch den Verstand des einzelnen aufgefaßt werden und in
diesem sich zur Übersicht und Klarheit gestalten.
Bestimmungen und Voraussetzungen.
1. "Wertmesser.
ilan ist gewohnt, den Ertrag eines Gutes sowie die
mit dem Landbau verbundenen Kosten in Geld anzugeben
und auszusprechen, obgleich ein Teil der Ausgaben, z. B.
das Saatkorn, das Pferdefutter u. m. a. niemals in den Handel
gekommen und nicht gegen Geld umgesetzt ist. Nun dient
aber ein großer Teil des für Korn und andere Produkte
eingenommenen Geldes nur dazu, um andere Bedürfnisse,
z. B. Baumaterialien , Schmiede- , Sattlerarbeiten usw. dafür
einzukaufen. Eigentlich werden also diese Bedürfnisse für
Korn eingetauscht, und in der Tat hat der Landwii't nichts
anderes als seine Erzeugnisse, wofür er die Waren, deren
75er bedarf, eintauschen kann. Das Geld dient hier bloß als
Mittel zum Tausch.
Die Summe des für Korn in einem Jahre eingenommenen
Geldes, verglichen mit der Summe des verkauften Korns,
ergibt den Preis eines Scheffels Roggen, wenn alles Korn
— 473 —
auf Roggen reduziert ist. Die für irgendein Bedürfnis,
z. B. Schmiedearbeit ausgegebene Geldsumme, dividiert durch
den Preis des Scheffels Roggen, ergibt die Zahl der Scheffel
Roggen, die man zur Erlangung dieses Bedürfnisses hat
hingeben müssen. Auf diese AVeise ließe sich die Rechnung
über Einnahme und Ausgabe eines Gutes ganz in Scheffel
Roggen führen. Eine solche Rechnung würde, beiläufig
gesagt, ein helleres Licht über manche Punkte verbreiten:
es würde sich mit einem Blick übersehen lassen, wie bei
fallenden Getreidepreisen und gleichbleibenden Abgaben an
den Staat, diese einen weit größeren Teil vom Ertrage des
Guts hinwegnehmen, also in der Tat erhöht sind; ferner
wie das Sinken des Getreidepreises bei gleichbleibendem
Geldlohn der Arbeiter den reellen Lohn erhöht und dem
Arbeiter einen weit größeren Anteil am Gutsertrage ver-
schafft usw.
Für unsere Untersuchung nehmen wir nun den Roggen
als Wertmesser und einen Berliner Scheffel dieser Kornart
als Einheit an,
2. Lohn der Arbeit.
Der freie Ai'beiter besitzt in der Regel als Eigentum
eioiges Vieh — eine Kuh, Schweine und Federvieh — das
nötige Hausgerät und einen Teil der Werkzeuge — Spaten,
Beile usw. — womit er arbeitet. Der Lohn, den er erhält,
ist also nicht bloß Belohnung seiner Arbeit, sondern ist zu-
gleich Vergütung für den Gebrauch des Kapitals, das er
besitzt, und umfaßt also den Lohn für die Arbeit an sich
und die Zinsen des Kapitals.
Hier ist unser Bestreben aber darauf gerichtet , den 76
Lohn für die Arbeit an sich zu ermitteln, und was ich in
der Folge Arbeitslohn nenne, ist derjenige Teil des Lohns,
welcher nach Abzug der Zinsen jenes Kapitals noch librig
bleibt.
— 474 —
Um über die Größe der Einnahme eines Arbeiters zu
urteilen, ist der Lohn, den dieser für eine Tagearbeit erhält,
kein richtiger Maßstab, denn
1. ist der Tagelohn gewöhnlich nach der Verschiedenheit
der Jahreszeiten und der Arbeiten verschieden — höher
im Sommer als im \Yinter, höher bei den Ernte- als
bei den Bestellungsarbeiten;
2. hat es auf den Erwerb des Arbeiters einen großen
Einfluß, ob derselbe während des ganzen Jahres Arbeit
und Verdienst hat, oder nur in einem Teil des Jahres
Beschäftigung findet;
3. bekommt der Arbeiter neben dem Geldlohn, der ihm
als Tagelohn gereicht wird, häufig noch Emolumente,
wie Wohnung, Garten, Kuhweide, Brennmaterial usw.
entweder unentgeltlich, oder doch zu einem niedrigen
Preise; und
4. hat es auf den Erwerb eines Tagelöhners einen großen
Einfluß, ob und in welchem Grade dessen Frau und
unerwachsene Kinder Arbeit und Verdienst finden.
Um nun einen bestimmteren Maßstab für den Arbeits-
lohn zu erhalten, fasse ich das, was der Arbeiter mit seiner
Frau und seinen unerwachsenen Kindern bis zum Älter von
14 Jahren für die Arbeit während eines ganzen Jahrs
an Geld und Eraolumenten erhält, zusammen, ziehe hiervon
die Zinsen des im Hausgerät, in den Werkzeugen usw.
steckenden Kapitals ab und nenne das Übrigbleibende „den
Lohn für die Jahresarbeit einer Arbeiterfamilie". Zur Ab-
kürzung setze ich dafür aber im Verfolg dieser Schrift:
„Lohn für 1 J. A. eines Mannes."
77 Den Betrag des so ermittelten Lohns, dem "Wert nach
auf Berliner Schefi"cl Roggen reduziert und in Scheffeln
Roggen ausgedrückt, bezeichne ich mit „A".
— 475 —
3. Arbeitsprodukt.
Wenn man von dem rohen Ertrage eines Guts alles in
Abzug bringt, was zur Erhaltung der Gebäude imd des
Inventars in demselben Bestand und demselben Wert gehört,
was zur Saat und zum Yiehfutter erforderlich ist, sowie die
Administratiouskoslen und den Gewerbsprofit des Unter-
nehmers, und überhaupt alles abrechnet, was zur Erhaltung
der Wirtschaft notwendig ist und weder dem Eigen-
tümer des Guts bei einer Verpachtung noch
den Arbeitern zu Nutzen kommt: so nenne ich den
Überschuß, der sich dann ergibt und der unter dem Guts-
herrn und den Arbeitern verteilt werden soll, das Arbeits-
produkt; und dieses, dividiert durch die Zahl der mit der
Hervorbringung desselben beschäftigt gewesenen Arbeiter,
ergibt die Größe des Arbeitsprodukts eines Mannes, welches
ich mit „p" bezeichne. Bei Gewerbsunternehmungen ward
das reine Arbeitsprodukt, welches übrig bleibt, nachdem der
Unternehmer Administrationskosten und Gewerbsprofit be-
zogen hat, zwischen dem Besitzer des in dem Gewerbe
steckenden Kapitals und den Arbeitern geteilt.
4. Die Arbeiter.
Wenn man auf einem Gut oder einem Güterkomplex
die verrichtete Arbeit und das gesamte Arbeitsprodukt durch
die Zahl der Arbeiter teilt, so ergibt sich, was ein Arbeiter
im Durchschnitt geleistet und hervorgebracht hat, und
nach diesem Durchschnitt entwirft man seine Anschläge und
Berechnungen. Bei einem solchen Kalkül gehört die große
Verschiedenheit zwischen den Individuen in bezug auf Fähig- 7^
keiten und Leistungen nicht zum Gegenstand der Betrach-
tung. Die Leistungen der Gesamtheit werden durch das
Durchschnittsresultat repräsentiert und erhalten darin ihr Maß.
In diesem Sinne ist es nun auch erlaubt, von der Un-
gleichheit zwischen den Arbeitern zu abstrahieren und alle
— 476 —
Arbeiter derselben Klasse in bezug auf Kraft, Geschicklich-
keit, Fleiß, Pflichttreue usw. als völlig gleich anzunehmen.
Diese Annahme liegt nun unseren nächsten Unter-
suchungen zugrunde.
5. Subsistenz mittel.
Das, was eine Arbeiterfamilie zu ihrem Unterhalte not-
wendig bedarf, hängt gar sehr von der Zahl der Kinder^
die sie erzielt, ab und läßt, wenn hierüber nichts bestimmt
wird, selbst keine Bestimmung zu.
Da es unser Zweck ist, die Gesetze, welche den Arbeits-
lohn und Zinsfuß regulieren, für den beharrenden Zustand
der bürgerlichen Gesellschaft zu erforschen, so müssen wir
auch die Zahl der Arbeiter als gleichbleibend ansehen, und
annehmen, daß die arbeitenden Familien im ganzen so viele
Kinder erzielen, als zum Ersatz der durch Alter und Tod
abgehenden Arbeiter erforderlich sind. Die Arbeitskraft er-
scheint dadurch als eine sich nicht abnutzende, unveränder-
liche Größe.
Die Summe der Subsistenzmittel, welche eine Arbeiter-
familie — unter dieser Beschränkung — zur Erhaltung
ihrer Arbeitsfähigkeit notwendig bedarf, setze ich für
jede Familie im Wert gleich a Scheffel Roggen jährlich.
Diese mit „a" bezeichneten Unterhaltsmittel betrachten
wir als eine durch die Erfahrung gegebene bekannte Größe,
Was wir hier als zum Unterhalt notwendig betrachten,
darf nicht verwechselt Averden mit dem, was nach Blanqui's
79 Ausdruck hinreicht, um am Sterben zu hindern: denn es
soll durch diese ünterhaltsmittel dem Arbeiter nicht bloß
das Leben, sondern auch die Arbeitsfähigkeit erhalten werden.
Andererseits bleiben alle Genußmittel, die hiei-zu nicht absolut
erforderlich sind, von dem, was wir mit „a" bezeichnen,
ausgeschlossen.
Wenn man von dem Arbeitslohn r= A das, was der
— 477 —
Arbeiter notwendig verbrauchen muß, also a, abzieht, so
•ergibt sich für den Arbeiter ein Überschuß von A — a,
wofür wir y setzen. Es ist dann A ^ a -|- y.
6. Kapital.
Unter „Kapital" verstehe ich das unter Mitwirkung der
Naturkräfte durch die menschliche Arbeit hervorgebrachte
Erzeugnis, welches zur Erhöhung der Wirksamkeit mensch-
licher Arbeit dienlich ist und angewandt wird, vom Grund
und Boden aber — wenn auch, wie bei Bäumen und Ge-
bäuden, mit Verletzung der Form — trennbar ist.
7. Zinsfuß oder Zinssatz.
In den für ein ausgeliehenes Kapital eingenommenen
Zinsen sind in der Regel zwei Bestandteile enthalten; nämlich
1. die A^ergütung, welche der Borger für die zeitweise
Nutzung des Kapitals, unter der Bedingung, dasselbe
im gleichen Wert wieder abzuliefern, zahlt;
2. die Assekuranzprämie für den möglichen und in einer
längeren Periode beim Ausleihen öfters vorkommenden
Verlust des Kapitals selbst.
Was ich in dieser Schrift „Zinsfuß" nenne, umfaßt nur
den ersten dieser beiden Bestandteile.
Der Zinsfuß in diesem Sinne kann in der Wirklichkeit
nur an den Zinsen, welche für die gegen erste Hypothek
ausgeliehenen und für unverlierbar gehaltenen Kapitalien 80
gezahlt werden, sich zeigen und zur Kenntnis kommen.
Den auf diese Weise bestimmten Zinsfuß bezeichne ich
mit ,.Z".
8. Landrente.
Der Begriff von Landrente ist im 1. Teil, 2. Auflage,
,^ 5 a ausführlich erörtert. Um indessen meinen Lesern das
Nachschlagen zu ersparen, bemerke ich hier in der Kürze:
— 478 —
daß ich unter Landrente nicht, wie Adam Smith, Say
11. a. , die Griitseiakünfte, sondern die Rente verstehe^
welche von den Gutseinkünften nach Abzug der Zinsen
vom Wert der Gebäude, der Waldungen, der Ein-
zäunungen und überhaupt aller vom Boden trenn-
baren Wertgegenstände übrig bleibt.
§ 7.
Unternehmergewinn, Industriebelohnung,
Gewerbsprofit.*)
a) Unternehmer gewinn.
Wenn man v^on dem Gewinn, den der Unternehmer
eines Gewerbes bezieht, in Abzug bringt:
1. die Zinsen des angewandten Kapitals,
2. die Assekuranzprämie für Schiffbruch, Feuersgefahr,
Hagelschlag usw.,
3. die Besoldung eines Kommis, Administrators usw., der
die Geschäftsführung, Anordnung des Ganzen und die
Aufsicht übernimmt,
81 so bleibt in der Regel für den Unternehmer noch ein Über-
schuß — und dies ist der Unternehmergewinn.
Worin ist nun dieser begründet, und was ist die Ur-
sache, daß dieser niclit durch die Konkurrenz der Unter-
nehmer selbst vernichtet wird — da doch die Anwendung
des Kapitals durch die in Rechnung gebrachten Zinsen, die
Gefahr beim Geschäft durch die in Abzug gebrachten Asse-
kuranzbeiträge, und die Arbeit und Mühe der Geschäfts-
*) Das Gründlichste und Wertvollste, was ich über diesen
Gegenstand irgendwo getroffen, ist enthaltend in Hermann 's
„Staatswirtschaftliche Untersuchungen", p. 145 — 265. München 1832.
— 479 —
führung durch die Besoldung des Administrators vergütet
und aufgewogen -wird?
Beantwortung dieser Frage.
Es gibt keine Assekuranzgesellschaft gegen alle und jede
Gefahr, die mit der Übernahme eines Gewerbes verbunden
ist; ein Teil der Gefahr muß immer von dem Unternehmer
selbst getragen werden. Durch das bloße Sinken der Preise
der Produkte, Fabrikate und Handelswaren kann der Pächter
eines Guts, der Fabrikant wie der Kaufmann, sein ganzes
Yermügen verlieren — und gegen diese Gefahr gibt es keine
Assekuranzgesellschaft.
Nun kann man dagegen erwidern:
Wer beim Beginn seines Unternehmens seinen Anschlag
auf die bisherigen Mittelpreise der Produkte oder Waren
gründet, kann zwar durch das Sinken des Preises unter den
bisherigen Miltelpreis verlieren; aber ebenso oft, vielleicht
öfter, wird er durch das Steigen des Preises gewinnen —
die Gefahr wird durch die Aussicht auf den Gewinn kom-
pensiert, folglich bedarf es dafür keiner Entschädigung.
Nach diesem Prinzip kann eine Versicherungsgesellschaft
verfahren, aber nicht der einzelne. Denn gerade in der
Verschiedenheit, die zwischen einer Sozietät, bei welcher
jeder Aktieninhaber nur einen Teil seines Vermögens
aufs Spiel setzt, und dem Unternehmer, der sein ganzes
Vermögen dem Verlust aussetzt, liegt der Grund, warum 82
ein Unternehmergewinn stattfinden muß.
Wer ein Vermögen von 10 000 Tlr. besitzt, kann füglich
einen Taler auf eine Karte setzen, ohne daß sein Glück
gefährdet wird; das Vergnügen beim Gewinn kompensiert
das Mißbehagen beim Verlust. Setzt er aber seine 10 000
Tlr. sämtlich auf eine Karte, so kann eine Verdoppelung
seines Vermögens im günstigsten Fall seinem Glück nimmer-
mehr soviel zusetzen, als ihm im ungünstigen Fall durch .
— 480 —
den Verlust seines ganzen Vermögens an Genuß und Lebens-
glück entzogen wird.
Wer das Vermögen besitzt, die Kosten zu bestreiten,
Avelche die Erlangung der Kenntnisse und der Ausbildung
für den Staatsdienst erfordert, hat die WaU, entweder sich
dem Staatsdienst zu widmen, oder — bei gleicher Befähigung
für beide Berufsarten — Gewerbsunternehmer zu werden.
Wählt er ersteres, so ist nach seiner Anstellung seine Sub-
sistenz für das ganze Leben gesichert; wälüt er letzteres, so
kann eine ungünstige Konjunktur ihn gar bald seines Ver-
mögens berauben, und sein Lebenslos ist dann, Lohnarbeiter
zu werden.
Was könnte nun bei so ungleichen Aussichten in die
Zukunft ihn bewegen, 'Unternehmer zu werden — wenn nicht
die Wahrscheinlichkeit des Gewinns viel größer wäre als
die des Verlustes.
In dem Maß, als der Verlust eines Teils oder des
ganzen Vermögens empfindlicher ist, dem Glück und der
Zufriedenheit mehr raubt, als eine gleiche Vergrößerung des
Vermögens dem Lebensglück hinzufügen kann — in dem
Maß muß auch bei Gewerbsunternehmungen die Wahr-
scheinlichkeit des Gewinns größer sein als die des Ver-
lustes.
Adam Smith und mit ihm die meisten englischen
Schriftsteller werfen die Zinsen des verwandten Kapitals
83 mit dem ünternehmergewinn unter der Benennung „Gewinn"
zusammen.
Bei dieser Vermengung zweier aus so verschiedenen
Quellen entspringenden Potenzen wird die Erkenntnis des
Zusammenhanges zwischen Arbeitslohn und Zinsfuß fast
unmöglich. Say hat, soviel ich weiß, diesen Maugel des
Smith" sehen Systems zuerst aufgedeckt.
— 481 —
b) Industriebelolinun g.
Für die Anordnung und Leitung der Geschäfte bei einem
Gewerbe sowie für die Beaufsichtigung der dabei angestellten
Arbeiter scheint, dem ersten Anblick nach, dem Unternehmer
nur eine Vergütung zuzukommen, welche gleich ist dem
Gehalt, den er einem Administrator, Buchhalter oder Auf-
seher, der ihm diese Mühe und Besorgung abnimmt, zu geben
braucht.
Aber die Leistungen des für eigene Rechnung arbeitenden
Unternehmers und des besoldeten Stellvertreters sind, wenn
auch beide gleiche Fälligkeiten und Kenntnisse besitzen,
dennoch sehr verschieden.
In solchen Zeiten, wo durch die Wechselfälle der Kon-
junktur das Geschäft große Verluste bringt, und das Ver-
mögen wie die Ehre des Unternehmers auf dem Spiele
stehen, ist der Geist desselben von dem einen Gedanken,
wie er das Unglück von sich abwenden kann, erfüllt — und
der Schlaf flieht ihn auf seinem Lager.
Anders verhält es sich in einem solchen Fall mit dem
besoldeten Stellvertreter, Wenn dieser am Tage redlich ge-
arbeitet hat und am Abend ermüdet nach Hause kommt,
schläft er mit dem Bewußtsein erfüllter Pflicht ruhig ein.
Aber die schlaflosen Nächte des Unternehmers sind nicht
unproduktiv.
Hier faßt er Pläne und kommt auf Gedanken zur Ab- 84
.Wendung seines Mißgeschicks, die dem besoldeten Admini-
strator, wie ernstlich derselbe auch seine Pflicht zu erfüllen
streben mag, doch verborgen bleiben — weil sie erst aus
der höchsten Anspannung aller auf e i n e n Punkt gerichteten
Geisteskräfte hervorgehen.
Die Not ist die Mutter der Erfindungen, und so wird
auch der Unternehmer durch seine Bedrängnis zum Erfinder
und Entdecker in seiner Sphäre.
Thünen, Der isolierte Staat. 31
— 482 —
Wie der Erfinder einer neuen nützlichen Maschine mit
Recht den Überschuß bezieht, den die Anwendung derselben
im Vergleich mit der älteren Maschine gewälirt, und diesen
Überschuß als Belohnung seiner Erfindung genießt — eben
so muß das, was der Unternehmer durch seine größere
Geistesanstrengung mehr hervorbringt, als der besoldete
Administrator, demselben als Belohnung seiner Industrie
zufallen. ,
Der für eigene Rechnung und auf eigene Gefahr arbei-
tende Unternehmer besitzt, bei übrigens gleichen Eigen-
schaften, eine größere Leistungsfähigkeit als der besoldete
Stellvertreter — wie groß auch dessen Pflichttreue sein
mag — und dies ist der Grund , warum dem Unternehmer
außer den Administrationskosten noch eine Vergütung, die
wir „Industriebelohnung'' nennen, zukommt.
Ein ähnliches A'erhältuis zeigt sich selbst bei der ge-
meinen Handarbeit. Die Kraft des Arbeiters, der Erde im
Verdung aufladet, wird gestärkt und gestählt durch das
Gefühl, daß jeder Spatenstich ihm zugute kommt und seinen
Verdienst erhöht, während der pflichttreue Lohnarbeiter,
der die Mühseligkeit und Anstrengung bei der Arbeit stets
durch den moralischen Zwang, den er sich selbst auflegt,
bekämpfen muß, weit eher ermattet und bei gleicher Kraft
85 und Tüchtigkeit ein geringeres Tagewerk zustande bringt
als der Verdungarbeiter.
Diese Betrachtung mag zugleich auch dazu beitragen,
das Urteil über die Arbeiter zu mildern, wenn wir finden,
daß sie im Tagelohn so sehr viel weniger zustande bringen,
als sie sonst im Verdung geleistet haben — indem wir dies
nicht bloß der Trägheit und Pflichtvergessenheit beimessen
dürfen (wozu man nur zu sehr geneigt ist), sondern dies
auch zum Teil der verschiedenen, nicht von der AVillkür
der Arbeiter abhängenden Leistungsfähigkeit zuschreiben
müssen.
— 483 —
c)G-ewerbsprofit.
Was der Unternehmer mehr bezieht als die Zinsen des
verwandten Kapitals und die Administratiouskosten, nämlich
den ünternelimergewinn und die Industriebelohnung, fasse
ich zur Vereinfachung des Ausdrucks unter der Benennung
„Gewerbsprofit" zusammen.
Das Kapital kann nur dann eine Nutzung gewähren
und ist im engeren Sinn nur dann Kapital, wenn es produktiv
angelegt wird ; und von der Größe dieser Nutzung hängt die
Höhe des Zinsfußes beim Ausleihen der Kapitale ab.
Die produktive Anlegung setzt einen Gewerbsbetrieb
und dieser einen Unternehmer voraus.
Das Gewerbe liefert dem Unternehmer nach Erstattung
aller damit verbundenen Auslagen und Kosten einen reinen
Ertrag. Dieser Reinertrag enthält die beiden Bestandteile:
Gewerbsprofit und Kapitalnutzung. Nach Abzug des Ge-
werbsprofits von dem Reinertrag ergibt sich die Größe der
den Zinsfuß bestimmenden Kapitalnutzung.
Nach der auf diese Weise bewirkten Ausscheidung und
Ermittelung der Nutzung des in einem Gewerbe angelegten
Kapitals wird es erlaubt sein , in den folgenden Unter-
suchungen von dem Unternehmer selbst zu abstrahieren und 86
diesen gleichsam als den durch den Gewerbsprofit gelohnten
Geschäftsführer des Kapitalisten zu betrachten; wobei aber
der Unternehmer durch sein eigenes Interesse getrieben
wird, die höchste Kapitalnutzung zu erstreben.
(In dem Arbeitsprodukt, wie dies § 6 Nr. 3 definiert
worden, ist der Gewerbsprofit nicht mehr enthalten, sondern
bereits ausgeschieden, und es kommen deshalb bei der Frage
von der Yerteilung des Arbeitsprodukts nur Arbeiter, Kapi-
talisten und Landbesitzer in Betracht.)
31*
484
§ 8.
Bildung des Kapitals durch Arbeit.
Die ersten Menschen, welche die Erde betraten, hätten
umkommen müssen, wenn nicht die vorsorgende Natur eine
Fülle von wildwachsenden Gewächsen hervorgebracht hätte,
deren Früchte dem Menschen zum Lebensunterhalt dienen.
Wenn wir den Ursprung des Kapitals und den Zustand
der Gresellschaft , in welchem der mit keinem Kapital ver-
sehene Mensch bloß durch seine Arbeit subsistieren und
selbst einiges Kapital schaffen kann , uns vergegenwärtigen
wollen, so müssen wir uns in Gedanken nach den Tropen-
ländern versetzen: wo die Früchte des Pisang, der Kokos-
palme und des Brotbaums*) in Verbindung mit Bataten,
87 Mais und anderen Südfrüchten zur Ernährung der Menschen
ausreichen ; wo eine jährlich zu erneuernde Hütte von ßaum-
*) Über den mannigfaltigen Nutzen , den die Gewächse den
Menschen gewähren, teile ich hier einige — aus Suckow's
„Ökonomische Botanik" entnommene — Notizen mit.
1. Der gemeine Pisang (Musa paradisiaca L.) erreicht eine
Höhe von 10 bis über 20 Fuß, hat einen baumartigen Stamm,
welcher aber nicht holzig, sondern grün von häutiger, markiger
Substanz ist. Seine Blätter erreichen eine Länge von 6 bis 12 Fuß
und sind au 2 Fuß und darüber breit. Die Früchte haben ein
mildes, saftiges Fleisch und werden in Ost- und Westiudien zur
Speise, teils roh, teils in vielfachen Zubereitungen gebrauclit und
87 dienen statt des Brotes. Die Früchte liefern auch durch Ab-
kochung ein Getränk und durch Gärung einen Wein. Aus dem
Stamm kann eine Art Flachs bereitet werden , und die Blätter
dienen zu Tafeltüchern und zur Deckung der Häuser.
Nach V. Humboldt nährt in Mexiko ein mit Pisang be-
pflanzter Morgen des besten Bodens 25 Menschen und verursacht
weuig Arbeit. (Rau, Volkswirtschaftslehre, 2. Auflage, S. 86.)
— 485 —
Stämmen, mit den Blättern des Pisang gedeckt, hinreichenden 88
2. Die Kokospalme (Cocos nucifera L.).
Die äußere Schale der Kokosnuß dient wegen ihres faserigen
Wesens zu Stricken und Lunten.
Die Kokosmilch in den ausgewachsenen Früchten ist ein be-
sonderes Erfrischungsmittel, und eine Kokosnuß liefert wohl für
2 Personen hinlänglichen Saft zur Löschung des Durstes.
Ton älteren Früchten, in denen der innere Kern sich schon
verdickt hat, dient solcher teils zum Speisen, teils zur Bereitung
einer Müch, welche sich rahmt und ein Ol liefert. Die harten
Schalen des Kerns sind vor der Eeife weich und eßbar. Von den
reif gewordenen Nüssen werden die Schalen zu mancherlei Be-
hältnissen gebraucht. Aus den weiblichen Blüten der Kokospalme
wird der Palmweiu bereitet. Mit einem Zusatz von Eei^, Sirup
und Wasser versehen, liefert dieser Wein den Arak. Unvermischt
geht dieser Wein in der Wärme in Palmessig über. Der obere,
weiche und markige Teil des Schaftes gibt das sogenannte Palm-
hirn, welches verspeist wird. Das schwammige, faserige Mark
des Schaftes wird als Dünger gebraucht. Die Blätter der Kokos-
bäume dienen zur Deckung der Dächer, zu Matten, Stricken,
Flechtwerk, Sonnenschirmen und zu Papier.
3. Der Brotfruchtbaum (Artocarpus incisa L.). Aus dem
fleischigen Mark der Frucht des Brotbaums wird, nachdem das-
selbe in Gruben gebracht und dort in saure Gärung übergegangen
ist, Brot gebacken. Dieses saure Brot ist die vorzüglichste Speise
der Tahitier und dient ihnen auch zum Proviant auf ihren Reisen.
Häufiger ist aber noch der Genuß der frischen Brotfrucht, die man
vor ihrer völligen Eeife abnimmt, abschält, in Blätter wickelt und
auf heißen Steinen backt. Aus dem Splint der 2- bis 3jährigen
Stämme werden Zeuge und muselinartige Tücher verfertigt. Die
Blätter des Brotbaums dienen zum Einwickeln beim Backen der
Frucht und auch als Teppiche zur Belegung des Bodens beim
Speisen. Die abgefallenen männlichen Kolben dienen als Zunder.
Der nach gemachten Einschnitten aus dem Stamme hervordringende
Saft liefert, mit Kokosmilch eingekocht, einen Vogelleim, und mit
Sagomehl, Zucker und Eiweiß wird er zu einem sehr festen Kitt.
— 486 —
Schutz gewährt; und wo die Pisaugblätter zur Bekleidung
genügen.
„Seit der frühesten Kindheit menschlicher Kultur findet
man in allen Kontinenten unter den Wendekreisen, soweit
Tradition und Geschichte reichen, Pisangkultur", sagt v. Hum-
boldt in seinen „Ansichten der Natur".
Die drei genannten ßaumarten bringt dort die Natur
selbst, ohne Zutun der Menschen hervor. Dagegen werden
Bataten und Mais des Ausbaues, also der menschlichen Arbeit
bedürfen. Auf dem humusreichen, lockeren Boden werden
hierzu das Ausreißen der die Erde bedeckenden Pflanzen
und das Aufritzen des Bodens mit einem Stabe schon ge-
nügen, und also keine Gerätschaften, in welchen Kapital
enthalten ist, angewandt zu werden brauchen.
Die allmähliche Entwicklung eines in die Tropenländer
versetzten Volks können wir uns unter zwei verschiedenen
Gesichtspunkten denken.
a) Wir betrachten dies Volk nicht bloß als arm an
Kapital, sondern auch als arm an Kenntnissen und unbekannt
mit den Erfindungen und Entdeckungen, wodurch in unseren
Tagen die Fabrikation und Produktion so sehr gefördert ist.
Die Kapitalbildung kann dann nur sehr langsam vor
sich gehen, ist abhängig nicht bloß von der Arbeit, sondern
auch von dem Fortschritt der Intelligenz und somit das
Werk zweier verschiedener Potenzen. Die Entwicklung, die
hier stattfindet, gehört der Kulturgeschichte an und liefert
für den Zweck unserer Untersuchung keine Resultate.
b) Wir denken uns ein mit allen Fähigkeiten, Kennt-
nissen ^nd Geschicklichkeiten der zivilisierten europäischen
Nationen ausgerüstetes Volk nacli einem Tropenlande versetzt,
welches aber kein Kapital, also auch keine Werkzeuge besitzt,
89 und fragen, wie sich hier bei gleichbleibender Intelligenz
des Volks die Kapitalbildung gestaltet.
Hier können zwei verschiedene Fälle stattfinden:
— 4Ö7 —
1. Dieses Volk steht im Verkehr mit anderen Nationen
und kann seine eingesammelten un,d ervsparten Vorräte an
Früchten gegen andere Gegenstände, namentlich gegen Werk-
zeuge und Maschinen vertauschen.
Auf diese Weise würde aber das Erzeugnis der Arbeit
an sich, gegen andere Erzeugnisse, worin Arbeitslohn, Zinsen
und Landrente enthalten sind, vertauscht, und wir- erhielten
dann über das, was wir zu erforschen suchen, keinen Auf-
schluß.
2. Dieses Volk steht mit anderen Nationen in keinem
Handelsverkehr, ist von der übrigen Welt getrennt, und die
Kapitalbildung geht von innen heraus ohne einen äußeren
Einfluß vor sich.
Diesen letzteren Fall legen wir unserer nächsten Unter-
suchung zu gründe und nehmen ferner an:
1. daß in dem Schoß der Grebirge dieses Landes alle
Metalle vorhanden sind, welche die europäische Industrie zu
ihren Erzeugnissen und Fabrikaten gebraucht;
2. daß dieser Volksstamm zalilreich genug ist, um die
Teilung der Arbeiten, wie sie in Europa stattfindet, ein-
führen zu können, sobald nur das dazu erforderliche Kapital
vorhanden ist;
3. daß das von diesem Volk bewohnte Land überall
von gleicher Fruchtbarkeit und zugleich so ausgedehnt ist,
daß jeder Bewohner Land umsonst in Besitz nehmen kann.
Unter diesem Volk, welches kein Kapital besitzt, und
wo der Grund und Boden keinen Tauschwert hat, findet
auch kein Verhältnis von Herren und Dienern statt ; jeder
ohne Unterschied ist Arbeiter und muß durch Arbeit sich
seinen Unterhalt erwerben.
Hier haben wir also die einfachsten Zustände vor Augen, 90
und wenn wir diese der Betrachtung unterwerfen, dürfen wir
am ersten hoffen, Aufschluß über die Verbindung zwischen
Arbeitslohn und Zinsen zu erhalten. . ,
— 488 —
Indem wir mm aber den Schauplatz unserer Betrach-
tungen in Gedanken nach den Tropenländern verlegen, wo
unsere Getreidearten nicht gedeihen und nicht die vor-
züglichste Nahrung der Menschen ausmachen , fällt es so-
gleich in die Augen, daß der Roggen hier nicht Wertmesser
und nicht Maßstab für die Subsistenzmittel, die die Menschen
bedürfen, sein kann.
.Hier müssen wir die Subsistenzmittel selbst, die der
Arbeiter während eines Jahrs gebraucht, als die Einheit und
als Maßstab für die Größe des Erzeugnisses annehmen.
Diese Subsistenzmittel bezeichne ich nun mit „S" und
den hundertsten Teil derselben mit „c", so daß .,S" = 100 c ist.
Gesetzt nun, der Arbeiter kann, wenn er fleißig und
sparsam ist, durch seiner Hände Arbeit 10 '^/o mehr als er
zu seinem notwendigen Unterhalt bedarf, also l.i S oder
110c im Jahr hervorbringen: so erübrigt er nach Abzug
dessen, was er zu seinem Lebensunterhalt verwenden muß,
110 c -^ 100 c = 10 c.
Er kann also im Verlauf von 10 Jahren einen Yorrat
sammeln,*) wovon er während eines Jahrs leben kann, ohne
zu arbeiten; oder er kann auch ein ganzes Jahr hindurch
seine Arbeit auf die Verfertigung nützlicher Gerätschaften,
also auf die Schaffung eines Kapitals wenden.
Folgen wir ihm jetzt bei der kapitalschaffenden Arbeit.
91 Mit einem zerschlagenen Feuerstein bearbeitet er das
Holz zu Bogen und Pfeil; eine Fischgräte dient dem Pfeil
zur Spitze. Aus dem Stamm des Pisangs oder der faserigen
Schale der Kokosnuß werden Stricke und Bindfaden gemacht,
*) Aber wird dieser Vorrat uicht verderben? Nun, so mag
er in jedem Jahr ein Zehntel desselben der Verfertigung von
Gerätschaften widmen, und er kommt dann auch in 10 Jahren
damit zustande. Die Untersuchung ist aber leichter zu führen
und zu übersehen, wenn wir von der Schwierigkeit der Auf-
bewahrung des Vorrats abstrahieren.
— 489 —
und erstere zur Sehne des Bogeus, letztere zur Verfertigung
von Fiseliernetzen verwandt.
Im folgenden Jahre wendet er sich dann wieder der
Erzeugung von Lebensmitteln zu; aber er ist jetzt mit Bogen,
Pfeilen und Netzen versehen, seine Arbeit wird mit Hilfe
dieses Geräts viel lohnender, sein Arbeitsprodukt viel größer.
Gesetzt, sein Arbeitserzeugnis — nach Abzug dessen,
was er auf die Erhaltung des Geräts im gleich guten Zu-
stande verwenden muß ■ — steige dadurch von 110 c auf
150 c, so kann er in einem Jahre 50 c erübrigen, und er
braucht jetzt nur 2 Jahre der Erzeugung von Lebensmitteln
zu widmen, um wiederum ein ganzes Jahr auf die Ver-
fertigung von Bogen und Netzen zu verwenden.
Er selbst kann hiervon zwar keine Anwendung machen,
da die im früheren Jalire verfertigten Geräte für sein Be-
dürfnis genügen; aber er kann dasselbe an einen Arbeiter
verleihen, der bisher ohne Kapital arbeitete.
Dieser zweite Arbeiter brachte bisher hervor 110 c; leiht
derselbe nun das Kapital, woran der kapitalerzengende Ar-
beiter die Arbeit eines Jahrs gewandt hat, so ist sein Er-
zeugnis, wenn er das geliehene Gerät im gleichen Wert er-
hält und wieder abliefert*) 150 c.
Das Mehrerzeugnis vermittels des Kapitals beträgt also 40 c.
*) Wie kann aber der verliehene Gegenstand in gleicher Be-
schaffenheit und gleichem Wert erhalten und wieder abgeliefert
werden? Dies geht freilich bei einzelnen Gegenständen nicht an,
wohl aber bei der Gesamtheit der in einer Nation verliehenen
Gegenstände. Wenn jemand z. B. 100 Gebäude von hundert-
jähriger Dauer vermietet unter der Bedingung, daß der Mieter
jährlich ein neues Gebäude errichtet, so behalten die 100 Gebäude, 92
trotz der jährHchen Abnutzung doch gleichen Wert. Bei dieser
Untersuchung müssen wir notwendig unsern Blick auf das Ganze
richten, und wenn hier nur zwei Personen als handelnd dargestellt
sind, so ist dies bloß ein Bild, wodurch die Bewegung, die gleichzeitig
in der ganzen Nation vor sich geht, anschaulich gemacht werden soll.
— 490 —
92 Dieser Arbeiter kann also für das geliehene Kapital eine
Reute zahlen von 40 c, welche der kapitalerzeugende Arbeiter
für seine einjährige Arbeit dauernd bezieht.
Hier treffen wir auf den Ursprung und Grund der Zinsen
und auf ihr Verhältnis zum Kapital.
Wie sich der Lohn der Arbeit verhält zu
der Größe der Rente, die dieselbe Arbeit
schafft, wenn sie auf Kapitalerzeugung ge-
richtet wird: so verhalten sich Kapital und
Zinsen.
In dem vorliegenden Fall ist der Lohn für 1 J. A. =
110 c; die Rente, die das aus der Arbeit eines Jahres hervor-
gegangene Kapital bringt, beträgt 40 c.
Das Verhältnis ist also wie 110 c : 40 c = 100 : 36.4, und
der Zinssatz ist 36,4 "/o.
Aber — kann man einwenden — die Rente von 40 c
ist nicht das Ergebnis von einer Jahresarbeit; denn der
Arbeiter hat 10 Jahre gebraucht, um die Subsistenzmittel,
die er bei der Kapitalschaffung verzehrte, hervorzubringen.
Die Rente ist also das Ergebnis von 10 -|- 1 = H Jahren,
welches für 1 J. A. nur ^''/ii c = 3,C4 c Rente gibt.
Hierauf ist zu erwidern:
Der Arbeiter ohne Kapital erhält für seine Jahresarbeit
in seinem Erzeugnis eine Belohnung von 110 c. Hiervon
muß er aber zu seinem Unterhalt 100 c verwenden, und für
seine Anstrengung selbst wird er nur mit 10 c gelohnt.
Wir müssen also in dem Lohn der Arbeiter zwei Be-
standteile unterscheiden, näijilich:
93 1. was der Arbeiter zu seinem Unterhalt verwenden muß,
um arbeitsfähig zu bleiben ; und
2. was er für seine Anstrengung selbst erhält.*)
93 *) Die Unterscheidung zwischen Lohn für die Arbeit mid
Lohn für die Anstrengung i<t auch zur richtigen Würdigung der
— 491 —
Nach den obigen Annahmen in Zahlen erhält der Arbeiter
für seine Anstrengung während eines Jahres — welche ich
künftig mit „1 J. Anstreng." bezeichnen werde — wenn diese
auf Erzeugung verzehrbarer Artikel gerichtet wird, 10 c; und
wenn sie der Kapitalerzeugung zugewandt wird, 3,g4 c Eente.
Das A'erhältnis zwischen beiden ist also wie 10 : 3,64,
das ist wie 100 : 36,4.
Wir erhalten also für das Verhältnis zwischen Kapital
und Zinsen dasselbe Resultat, wir mögen die Jahresarbeit
oder die Jahresanstreugung zum Maßstab nehmen.
Wird nun, wenn der Zeitpunkt eingetreten ist, wo jeder
Arbeiter des ganzen Volks mit einem Kapital von 1. J. A.
versehen ist, die Kapitalerzeugung noch fortgesetzt werden
oder aufhören?
Stellen wir dem Arbeiter, der Bogen, Pfeile und Netze
besitzt, einen anderen gegenüber, der auch nur spärlich mit
Kapital versehen is't, aber doch Spaten, Beil und Nägel im
Besitz hat, der die Erde umgräbt, anstatt daß jeuer sie mit
einem Stab aufwühlt, der das Holz mit einem Beil, statt 94
mit dem zerschlagenen Feuerstein bearbeitet: so finden wir
bei gleicher Geschicklichkeit, gleichem Fleiß, gleicher An-
strengung und Körperkraft beider doch einen sehr ver-
Verhältnisse im praktischen Leben nicht ohne Bedeutung, wie
folgendes Beispiel zeigen mag-.
Gesetzt, einem Tagelöhner, dessen jährlicher Verdienst 100 Tlr.
beträgt, stirbt seine Kuh von 20 Tlr. Wert. Vergleicht mau nun
seinen Verlust mit seinem Jahreslohn, so erscheint derselbe nicht
erheblich, denn er kann ihn ja durch die Arbeit von ','5 Jahr er-
setzen. Erwägt man aber, daß er von seinem Lohn 90 Tlr. auf
seinen Unterhalt verwendet und verwenden muß, um arbeitsfähig
zu bleiben, daß seine Anstrengung während eines Jahrs nur mit
10 Tlr. gelohnt wird, daß ihm also in seiner Kuh die Frucht der
Anstrengung von 2 Jahren gestorben ist : so erscheint sein Verlust
sehr beklagenswert und fordert das Mitg-efühl zur Unterstützuno- auf.
— 492 —
schieclenen Erfolg der Arbeit. Der zweite mit Spaten und
Beil versehene Arbeiter wird am Ende des Jahres ein weit
größeres Produkt seiner Arbeit aufzuweisen haben als der erste.
Spaten und Beile sind aber selbst Erzeugnisse der
menschlichen Arbeit , und in dem hohen Nutzen , den diese
Werkzeuge gewähren, liegt der Antrieb zu ihrer Hervor-
bringung und somit zur ferneren Kapitalerzeugung.
Bei der Verfertigung von Bogen, Pfeilen usw. bedurfte
der einzelne Arbeiter nicht der Hilfe anderer. Bei der Ge-
winnung und Verarbeitung des Eisens muß aber schon eine
Teilung der Arbeit stattfinden, und wir müssen hier die
kapitalerzeugenden Arbeiter als eine Gesellschaft ansehen,
die sich zu einem gemeinschaftlichen Zweck verbunden hat
und die den Gesamtertrag ihrer Arbeit unter sich verteilt.
Nehmen wir nun an, daß das ganze Volk nach und
nach mit dem genannten Eisengerät versehen sei, und daß
das, was jeder Arbeiter davon gebraucht und anwendet, das
Produkt der Jahresarbeit eines mit der Kapitalerzeugung
beschäftigten Mannes sei: so arbeitet jetzt jeder mit einem
Kapital von 2 J. A.
Bei diesem Kapitalbestand sind die Werkzeuge, die die
menschliche Arbeit wirksamer machen , aber noch sehr un-
vollständig. Die Kapitalerzeugung wird also fortgesetzt, und
so die Nation sukzessive mit einem Kapital von 3, 4, 5 und
meiir J. A. für jeden Arbeiter yersehen werden; und das
Ai'beitsprodukt eines Mannes wird mit dem steigenden Kapital
mehr und mehr wachsen.
Hier drängt sich nun die Frage auf:
95 Wird die Vergrößerung des Arbeitsprodukts mit der
Vergrößerung des Kapitals gleichen Schritt halten, also im
direkten Verhältnis damit stehen, wird z. B. die Anwendung
des Kapitals von 3 J. A. die dreifache Rente des Kapitals
von 1 J. A. also 3 X 40 c = 120 c bringen?
Wir wissen, daß nicht jedes in Gerätschaften, Maschinen,
— 493 —
Gebäuden usw. angelegte Kapital die Arbeit in gleichem
Maße fördert und wirksamer macht.
Die Anlegung und der Gebrauch einer Mühle vermehrt
das Arbeitsprodukt eines ]\Tenschen, der sich mit dem Zer-
reiben des Getreides beschäftigt, mindestens um das Zwanzig-
fache; oder ein Mann kann mit einer Mühle mehr Getreide
imd zugleich besser mahlen als 20 Mann, die dasselbe mit
der Hand zwischen Steinen zerreiben.
Ein Mann, der über einen mit zwei Pferden bespannten
Pflug gebietet, pflügt mehr Land um, als 30 Mann mit dem
Spaten umgraben können.
In der Anlegung imd Verfertigung von Mühlen und
Pflügen findet also die kapitalerzeugende Arbeit eine nütz-
liche, sich hoch belohnende Verwendung. Sind diese aber
einmal für den Bedarf in genügender Menge hergestellt, so
wird die Verfertigung mehrerer Pflüge und Mühlen nicht
bloß keine so hohe Rente wie die zuerst hergestellten,
sondern überhaupt gar keine Heute mehr abwerfen.
Wie nützlich auch ein Instrument oder eine Maschine
sein mag, immer gibt es eine Grenze, wo die Vervielfälti-
gung derselben aufhört, nützlich zu sein und eine Rente
abzuwerfen.
Ist diese Grenze einmal erreicht, so.- muß die kapital-
erzeugende Arbeit sich auf die Hervorbringung anderer Wert-
gegenstände richten, wenn diese auch minder nützlich sind,
und eine geringere Rente tragen als die früher hervorge-
brachten.
Der kapitalerzeugende Arbeiter wird also, sein eigenes 96
Interesse berücksichtigend und verfolgend, seine Arbeit zuerst
auf die Verfertigung solcher Werkzeuge und Maschinen
richten, die seine Kraft am meisten beflügeln, seiner Arbeit
den höchsten Erfolg verschaffen; dann aber, wenn diese in
genügender Menge vorhanden sind, seine Arbeit der Pro-
duktion von Gerätschaften und Maschinen zuwenden, die
— 494 —
auch sehr nützlich, aber doch minder wirksam sind und die
Arbeit minder fördern als die zuerst hervorgebrachten —
wofür er also auch beim Ausleihen mit einer geringeren
Rente vorlieb nehmen muß.
Hier offenbart sich der Grund der für unsere fernere
Untersuchung so wichtigen Erscheinung: daß jedes in
einer Unternehmung oder einem Gewerbe neu
angelegte, hinzukommende Kapital geringere'
Renten trägt als das früher angelegte.
Diese Erscheinung zeigt sich auch überall im praktischen
Leben, wo nicht die Jahresarbeit, sondern das Geld Maßstab
des Kapitals ist. Sehr klar läßt sich dies bei Meliorationen
auf einem Landgut wahrnehmen, wo die ersten zu Ver-
besserungen, z. B. zum Mergeln, verwandten tausend Taler
15% bringen können, während die zweiten tausend Taler
vielleicht nur 10 %, diese dritten nur noch 5 % tragen, und
wo man bei weiter fortgeführten Kapitalanlagen, z. B. bei
Vertiefung der Ackerkrume über einen gewissen Punkt hin-
aus, nur 3, 2 oder gar nur 1 °/o Zinsen erhält.
Ein „Detailhändler oder auch ein Fabrikant", der seine
Waren in der Nähe seines Wohnorts absetzt und ein Kapital
von 10000 Tlr. in seinem Geschäft zu 5% benutzt, kann
ein hinzukommendes Kapital von 1000 Tlr. nur dann an-
wenden, wenn sein Absatz sich vergrößert, wenn er die Waren
in einem weiteren Kreise um seinen Wohnsitz herum absetzt.
97 Dies kann er aber bei sonst gleichbleibenden Umständen
nur dadurch erreichen, daß er den Preis seiner Waren her-
absetzt — was aber eine Verminderung der Nutzung des
zuletzt angelegten Kapitals zur Folge hat.
— 495 —
S 9.
Bildung des Arbeitslohns und des Zinsfusses.
Gibt man das Kapital in Jahresarbeit an, so wird der
Aufwand an menschlichen Kräften, der die Hervorbringung
des Kapitals erfordert hat, zum Maßstab genommen. Drückt
man das Kapital in Geld aus, Avelches selbst ein Erzeugnis
der menschlichen Arbeit und des Kapitals ist, so werden die
aus der Arbeit hervorgegangenen Gegenstände Maßstab des
Kapitals. Welchen von beiden Maßstäben man nun auch
anwendet, so vermehrt, wie wir oben gesehen haben, das neu
hinzukommende Kapital das Arbeitsprodukt des Menschen im
geringeren Grade als das zuvor angelegte Kapital.
Es fragt sich nun, durch welche Reihe diese abnehmende
Wirksamkeit des Kapitals dargestellt werden kann.
Später, wenn die Forderungen, die an eine solche Reihe
gemacht werden müssen, vollständiger vorliegen, wird die
Erforschung des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeits-
produkt Gegenstand einer besonderen Untersuchung werden.
Hier hat sich nun erst das Bedürfnis herausgestellt, eine
Reihe aufzufinden, deren Glieder fortschreitend kleiner werden,
und dieser Forderung entspricht die geometrische Reihe, deren
Grundzahl ein Bruch ist, wie ^lio, (^/lo)-', (9/io)3, (^/lo)^
Um unsere ferneren Untersuchungen an bestimmte Zahlen
knüpfen und dadurch weiter entwickeln zu können, nehme ich
vorläufig an, daß das Arbeitsprodukt eines Mannes durch
Anwendung des 1 sten Kapitals von 1 J. A, um 40 c 98
„ 2 ten „ um ^/lo ^ 40 c = 36 c
„ Sten „ „ '^/lo X 36 c = 32,4 c
und so ferner erhöht werde.
Die Fortführung dieser Rechnung ergibt folgende Skala :
496
Die Arbeit eines Mannes ohne Kapital liefert
Das 1 ste Kapital von 1 J. A. gibt Zuwachs 40 c
„ 2te 3/10X40 =36 c
„ Ste 9/10X36 =32,4 0
., 4te 9/10 X 32,4 = 29,2 c
„ Ste 9 10 X 29,2 =26,3 0
„ 6te ''lioX26,3 =23,7 0
„ 7te 9 10 X 23,7 =21,3 0
,, Ste 'VioX21,3 = 19,2 0
[, 9te 9/10x19,2 =17,3 0
,. lOte 9/10X17,3 = 15,6 0
„Ute 9/10 X 15,6 = 14 0
„ 12te 9/10X14 =12,6 0
„ 13te 9/10x12,6 = 11,30
„ Ute 9/10x11,3 = 10,20
Ganzes
Arbeits-
produkt.
110
c
150
0
186
0
218.4
c
247,6
273.9
c
0
297.6
c
318,9
c
338,1
c
355,4
c
371
c
385
0
397,6
0
408.9
0
419.1
c
Einfluß der Vermehrung des Kapitals auf den
Lohn der Arbeit.
In der Nation, die wir hier vor Augen haben, finden
sich noch keine Kapitalisten, die andere für sich arbeiten
lassen, sondern jeder arbeitet für sich selbst. Die Arbeiter
teilen sich aber in zwei Klassen, nämlich 1. in solche, die
sich mit der Kapitalerzeugnng beschäftigen, und 2. in solche,
die mit einem geliehenen Kapital auf eigene Rechnung arbeiten.
99 Die der zweiten Klasse angehörigen werde ich ,. Arbeiter"
ohne weiteren Beisatz nennen. Was diese nach Abzug der
Zinsen des angeliehenen Kapitals vom Arbeitsprodukt übrig
behalten, ist der Lohn ihrer Arbeit.
Steht die Gesellschaft auf der Stufe des Wolilstaudes,
daß jeder mit einem Kapital von 1 J. A. versehen ist, so
— 497 —
erhalten die Ausleiher für das Kapital von 1 J. A. 40 c
Rente.
Wird die Kapitalerzeugung dann noch fortgesetzt und es
dahin gebracht, daß auf jeden Arbeiter 2 J. A. Kapital fallen,
so können die Ausleiher für das zweite Kapital nicht 40 c,
sondern nur 36 c erhalten , weil der Arbeiter dasselbe nicht
höher als zu 36 c nutzen kann und es ganz verschmähen
würde, wenn mehr dafür verlangt wird.
Werden die Arbeiter nun aber für das erste Kapital
von 1 J, A. noch fortwährend 40 c, oder wie für das zweite
Kapital nur 36 c Rente zahlen?
Wenn irgend ein kapitalerzeugender Arbeiter, der mit
der Schaffung des zweiten Kapitals fertig geworden ist,
dasselbe einem Arbeiter zu 36 c Rente anbietet, so wird
dieser, der seinem Gläubiger bisher 40 c für das Kapital
von 1 J. A. zahlte, das teuere Kapital kündigen und das
wohlfeilere dafür annehmen. Der kapitalerzeugende Arbeiter,
dem sein ausgeliehenes Kapital gekündigt ist, hat indessen
auch das zweite Kapital zustande gebracht und hat jetzt
zwei Kapitale zu verleihen. Diese Kapitale können aber
gar keine Anwendung finden, wenn er sich nicht entschließt,
mit 36 c Rente pro J. A. Kapital vorlieb zu nehmen. Da
diese Kapitale ihm dann aber ganz nutzlos sind, so wird er
sich bequemen müssen, sowohl das erste als das zweite
Kapital für 36 c Rente zu verleihen.
Man kann zwar einwenden , daß das aus der ersten 100
J. A. hervorgegangene Kapital in Gerätschaften anderer Art
besteht als das durch die zweite J. A. hervorgebrachte Gerät,
daß eins nicht das andere ersetzen und folglich auch nicht
maßgebend für dasselbe werden könne.
Darauf kommt es hier aber auch nicht an, sondern es
ist durch die Kapitalvermehrung die Vergütung für die auf
Kapitalerzeugung gerichtete Arbeit in dem Verhältnis von
40 : 36 gesunken, und die kapitalerzeugende Arbeit ^^drd
Thünen, Der isolierte Staat. 32
— 498 —
ferner mit 36 c Rente bezahlt, sie mag auf die Verfertigung
von Bogen und Netzen oder auf die von Beilen und Spaten
gerichtet sein ; denn wenn der eine Arbeitszweig eine höhere
Belohnung fände als der andere, so würden sich demselben
so viele Arbeiter zuwenden, daß das Gleichgewicht hergestellt
würde.
So wie der Preis einer Ware nicht für die verschiedenen
Käufer verschieden sein, nicht nach dem individuellen Wert^
den sie für die einzelnen Käufer hat, bestimmt werden kann,
sondern für alle gleich gestellt werden muß: so kann auch
der Preis des Kapitals, d. i. die dafür zu zahlende Eente,
nicht nach dem Nutzen, den das Kapital im ganzen dem
Anleiher gewährt, festgesetzt werden. Oder, für Waren von
gleichem Wert, für Kapitale, deren Hervorbringung ein
gleiches Quantum Arbeit erfordert, können nicht zu gleicher
Zeit zwei verschiedene Preise stattfinden.
Die Rente, die das Kapital im ganzen beim
Ausleihen gewährt, wird bestimmt durch die
Nutzung des zuletzt angelegten Kapitalteil-
chens. Dies ist einer der wichtigsten Sätze in der Lehre
von den Zinsen.
Nach der obigen Skala erwirbt der Arbeiter, der mit
einem geliehenen Kapital von 2 J. A. arbeitet
101 durch seine bloße Arbeit 110 c
„ Anwendung des 1 sten Kapitals . . 40 c
„ 2ten „ . • 36 c
Sein Arbeitsprodukt ist also . 186 c
Davon muß er an den Kapitalisten abgeben für
zwei Kapitale ä 36 c 72 c
Es behält also . 114 c
anstatt daß er bei der Anwendung eines Kapitals von 1 J. A.
nur 110 c für sich behält.
Wendet der Arbeiter ein geliehenes Kapital von 3 J. A.
an, so ist sein Erwerb
499
durch die Arbeit selbst
110
c
„ das Iste Kapital
40
c
., 2te
36
c
.. 3te
Im
ganzen
32,4
c
218,4
c
Davon zahlt er an den Kapitalisten
die Rente
von
drei Kapitalien ä 32,4 c
Dem Arbeiter vei
bleiben
97,2
c
121,2
c
Die
Verminderung der Rent
e b
3i m
An-
wachsen des Kapitals kommt also dem Arbeiter
zugute und erhöht den Lohn seiner Arbeit.
Während man in Europa den gedrückten Zustand der
arbeitenden Klasse so häufig der zunehmenden Anwendung
von Maschinen zuschreibt, wird in dem gesellschaftlichen
Zustand, den wir hier vor Augen haben, die Lage der Ar-
beiter immer blühender und glänzender, je ausgedehnter beim
Anwachsen des Kapitals die Anwendung von Maschinen wird.
In der Tat scheint es widernatürlich und widersprechend,
daß durch die weise Benutzung der Naturkräfte und der die
Arbeit so sehr fördernden Maschinen das Los der zahlreichsten
Klasse der G-esellschaft um so drückender werden sollte, jei02
mehr gleichzeitig ihre Arbeit dadurch wirksamer und lohnen-
der wird.
Die weitere Untersuchung muß uns auf den Grund
dieses Widerspruchs führen.
§ 10.
Einfluss des Anwachsens des Kapitals auf den
Zinsfuss.
Der Zinsfuß ergibt sich, wie oben schon gezeigt ist, aus
dem Yerhältnis, wie eine gleiche Quantität Arbeit z. B.
1 J. A. im Lohn und in Renten sich bezalilt macht.
32*
— 500 —
Lohn und Reute steheu hier in demselben Verhältnis wie
verwandtes Kapital zu den daraus hervorgehenden Zinsen.
Wird mit einem Kapital von 1 J. A. gearbeitet, so be-
zahlt sich die Arbeit während eines Jahrs im Lohn mit
110 c, in der Rente mit 40 c; das Verhältnis ist \de 110 : 40,
40
und der Zinsfuß = -rjTr = 36,4 ^/o.
Bei der Anwendung von 2 J. A. Kap>ital beträgt der Lohn
114 c, die Rente 36 c und der Zinsfuß^prj = 31,6%.
Für 3 J. A. Kapital ist der Lohn 121.2 c, die Rente
32,4 c und der Zinsfuß = ^- = 26,7 o/o.
' 121,2 '
Für 4 J. A. ist der Lolm 130,s c, die Rente 29,2 c, und
'599
der Zinsfuß ^^^ = 22,3 «/o.
130,^
Vergleichung zwischen Arbeitslohn, Rente und
Zinsfuß beim "Wachsen des Kapitals.
Arbeits-
lohn
Eente Zinsfuß
Für 1 J. A. Kapital ....
110 c
40 c
36,4 «/o
j) "^ r !! j; ....
114 c
36 c
31,6 „
. 3 „ „ , . . . •
121.2 c
32,1 c
26„ „
4
130,8 c
29,., c
22,3 „
103 Beim Wachsen des Kapitals sinkt der Zinsfuß in einem
viel stärkeren Verhältnis als die Rente, weil gleichzeitig der
Arbeitslohn steigt, und die Rente, dividiert durch den Arbeits-
lohn, den Zinsfuß ergibt.
Hier ist die Arbeit, durch welche das Kapital hervor-
gebracht ist, Maßstab des Kapitals. In der Wirklichkeit wird
in der Regel das Kapital in Geld ausgedrückt und angegeben,
und es ist ungewöhnlich, die Größe eines Kapitals -nach der
— 501 —
Zahl der Jahresarbeit eines Tagelöhners, über die man ver-
mittels dieses Kapitals zu gebieten hat, oder die man dafür
erkaufen kann, zu ermessen — obgleich dies über den Wert
eines Kapitals in verschiedenen Ländern und zu verschiedenen
Zeiten ein weit helleres Licht verbreitet als die Angabe
in Geld.
Bei der Bestimmung des Zinsfußes macht es übrigens
keinen Unterschied, wenn das Kapital statt in J. A. in Geld
ausgedrückt wird.
Es sei z. B. c = 1 Taler , so ist der Lohn für 1 J. A.
= 110 Tlr., das Kapital von 1 J. A. auch = 110 Tlr. und
die Rente, die dieses Kapital gibt = 40 Tlr. Die Eente,
durch das Kaj^ital dividiert, gibt den Zinsfuß ; dieser ist also
= iTu = 3ß.^ "'«■
In gleicher Weise ergibt sich, wenn mit 2 J. A. Kapital
gearbeitet wird , der Zinsfuß zu 31,6 °/o , wie dies auch bei
dem angewandten Verfahren nicht anders sein kann.
§ 11.
Einfluss des Anwachsens des Kapitals auf die
Grösse der Rente, die die kapitalerzeugende
Arbeit gewährt.
Wenn der kapitalerzeugende Arbeiter, wie wir gesehen
haben, für jedes neugeschaffene, über den bisherigen Bedarf
hinausreichende Kapital eine immer geringere Rente erhält, 104
und wenn derselbe durch dies neugeschaffene Kapital zugleich
den Wert seiner älteren Kapitale, durch das Sinken der
Einnahme von denselben, vermindert, so entsteht die Frage :
was kann ihn denn bewegen, mit der Hervorbringung von
Kapital fortzufahren ?
— 502 —
Wir müssen uns hier erinnern, daß das Kapital ein
Produkt der Arbeit ist und daß dasselbe nur gebildet wird
aus dem, was der Arbeiter mehr hervorbringt, als er wieder
verzehrt.
Je geringer der Überschuß des Arbeiters ist, desto mehr
Jahre muß er arbeiten, oder — wenn wir uns die Ai'beiter
in einer gesellschaftlichen Yerbindung denken — desto größer
muß die Zahl der Arbeiter sein, um einen Vorrat zu schaffen,
der hinreicht, einen Mann, welcher im engeren Sinn Kapital '
schafft, d. h. Gerätschaften verfertigt, Häuser baut usw., ein
Jalir hindurch mit Lebensmitteln zu unterhalten.
Die Erwerbung eines Hauses, dessen Erbauung die
Jahresarbeit von 10 M. erfordert, kostet 20 Jalires-Anstren-
gungen, wenn der Arbeiter in einem Jahr so viel erwirbt,
als er in zwei Jahren zu seinem Unterhalt bedai'f. Beträgt
z, B. der Arbeitslohn 200 c, der unterhalt des Arbeiters
100 c und der jährliche Überschuß desselben auch 100 c, so
kostet die Erbauung des Hauses 10 X 200 c = 2000 c, und
2000
um 2000 c zu erübrigen, müssen -jt^ = 20 Mann ver-
neint ein Jahr hindurch arbeiten. Die Erwerbung des Hauses
kostet also die Jahres- An strengung von 20 Mann.
Beträgt dagegen der Lohn nur 110 c, der Überschuß
10 c, so kostet die Errichtung des Gebäudes 10 X HO c =
1100 c, und das Haus kann dann nur durch die Jahres-
Anstrengung von -jt^ — = 110 Mann erworben werden.
105 Die Produktionskosten des Kapitals können
also angegeben und gemessen werden durch die
Zahl der Jahres-Anstrengungen, die zur Erlan-
gung desselben erforderlich sind.
Die Erzeugung des Kapitals wird immer kostbarer, je
geringer der Überschuß des Arbeiters ist, oder je geringer
der Arbeitslohn bei gleichbleibender Konsumtion ist.
— 503 —
Hoher Arbeitslohn vermehrt die Produldionskosten der
"Waren, vermindert aber die Produktionskosten des Kapitals.
Der Zweck des kapitalerzeugenden Arbeiters ist, für seine
Jahresarbeit die möglichst höchste Rente zu erlangen. Nun
fällt einerseits mit dem vermehrten Kapital der Zinssatz,
also die Einnahme aus dem Kapital ; andererseits aber steigt
mit dem Kapital der Arbeitslohn und durch den erhöhten
Lohn vermindern sich die Kosten der Kapitalerzeugung.
Bei der Kapitalschaffung sind also zwei sich gegenseitig
beschränkende Momente wirksam — und es läßt sich schon
liieraus mit Wahrscheinlichkeit schließen, daß es in der Ver-
größerung des Kapitals einen Punkt gibt, bei welchem die
kapitalerzeugende Arbeit das Maximum der Rente gibt.
Einige Beispiele in Zahlen werden dies dem Auge näher
führen.
Das Kapital betrage 2 J. A., so ist das Arbeitsprodukt
aus der Arbeit an sich 110 c
aus dem 1. Kapital 40 c
aus dem 2. Kapital 36 c
Summa 186 c
Hiervon muß der Arbeiter für das geliehene
Kapital von 2 J. A. abgeben ä 36 c = 72 c
Es bleiben dem Arbeiter . . . 114 c
Besitzt der kapital erzeugende Arbeiter selbst das Kapital,
womit er arbeitet, so muß er doch die Zinsen davon in An-
rechnung bringen, weil er durch Ausleihen dasselbe so hoch 106
hätte nutzen können.
Yoü obigen 114 c verwendet der kapitalerzeugende
Arbeiter zu seinem Unterhalt 100 c, und er behält für seine
Jahres-Anstreugung einen Überschuß von 14 c.
Um ein Kapital zu sammeln, welches gleich dem Lohn
114
für 1 J. A. ist, gebraucht er also — ^-t — = 8,ii Jalire. Es
bringen also 8,i4 M., die gemeinschaftlich an der Kapital-
— 504 —
erzeugung arbeiten, ein Kapital von 1 J. A. hervor. Dies
Kapital gibt, wenn es ausgeliehen wü'd, eine Rente von 36 c.
Diese unter 8.i4 M. verteilt, macht für jeden 4,42 c Rente.
Für 3 J. A. Kapital
ist das Arbeitsprodukt 110 -|- 40 + 36 + 32,4 = 218,4 c
Davon gehen an Zinsen ab für 3 Kapitale ä 32,4 = 97,2 c
Dem Arbeiter verbleiben 121,2 c
Der Überschuß des Arbeiters beträgt . . 21,2 c
Um ein Kapital zu sammeln, das gleich dem Lohn für
121 2 c
1 J. A. ist, wird die Jahres- Anstrengung von — ^^y^ =
5,72 M. erfordert. Die Rente für das Kapital von 1 J. A. be-
trägt 32,4 c. Ein Arbeiter erhält also für seine Jahres-An-
32,4 c
strengung -^ = o,6c c Rente.
0,<2
Für 4 J. A. Kapital
ist das Ai'beitsprodukt 110 + 40 -|- 36 + 32,4 + 29,2 = 247,6 c
Hiervon ab die Zinsen von 4 Kapitalien ä 29,2 c = 116,s c
Es bleiben für den Ai-beiter 130,s c
und der Überschuß des Arbeiters beträgt . 30,s c
Zum Ansammeln eines Kapitals von 1 J. A. , welches
29,2 c Rente trägt, gehört die Jahres- Anstrengung von
130 8 c
107 OA ' = 4,25 M. Ein Mann erwirbt also durch seine
30,8 c '
29 o c
Jahres- Anstrengung eine Rente von " '"_ = 6,S7 c.
Die Rente des kapital erzeugen den Arbeiters, welche liei
der Anwendung von 2 J. A. Kapital nur 4,42 c beträgt, steigt
also mit 3 J. A. Kapital auf 5,ct; c und mit 4 KapitaHen von
1 J. A. auf 6,87 c.
"Wir ersehen hieraus, daß die kapitalerzeugenden Arbeiter
bei vermehrtem Kapital und sinkendem Zinssatz doch durch
ihre Arbeit eine größere Rente erwerben als bei geringem
Kapital und hohem Zinssatz, daß sie also durch ihr eigenes
— 505 —
Interesse angetrieben werden, das Kapital zu vermehren,
obgleich dadui-ch das Produkt ihrer Arbeit, d. i. das Kapital,
durch das Sinken des Zinssatzes, einen geringeren Preis erhält.
Wollte man hiergegen einwenden, daß zwar die kapital-
erzeugenden Arbeiter durch die A^erraehrimg des Kapitals
sich eine größere Rente verschaffen, daß aber deren Interesse
erfordere, das größere Kapital nur bei ihrer eigenen Arbeit
anzuwenden, den übrigen Arbeitern aber nichts davon zu-
kommen zu lassen, damit der Zinssatz die frühere Höhe be-
hielte: so muß man dagegen erwägen, daß die kapitaler-
zeugeuden Arbeiter kein Monopol besitzen, und daß die andern
Arbeiter sich sogleich der Kapitalerzeugmig zuwenden würden,
wenn die darauf gewandte Arbeit höher gelohnt wird als die
sonstige Arbeit.
Dies Überti-eteu der Arbeiter der 2. Klasse in die der
1. Klasse würde so lange fortdauern, bis das Gleichgewicht
wieder hergestellt ist, d. i. bis beide Gattungen von Arbeit
gleich hoch gelohnt werden.
Hier kommt nun die Frage ziu" Sprache, welchen ge-
meinschaftlichen Maßstab gibt es für die Belohnung beider
Gattungen von Arbeit, da die für die eine Gattung in einer 108
dauernden Rente, die für die andere aber im Erzeugnis selbst
sich ausspricht.
Hierauf ist zu entgegnen : wenn der Arbeiter seinen
Überschuß gegen Zinsen ausleiht, so verwandelt sich der Lohn
für seine Jahres- Anstrengung in einen dauernden Zinsenbezug,
der mit der Rente des kapitalerzeugeuden Arbeiters verglichen,
und nach demselben Maßstab — z. B. in Talern, oder in
Scheffel Roggen — gemessen werden kann.
Gesetzt nun, die beiden Klassen von Arbeitern wenden
ein verschiedenes Kapital an, die der 1. Klasse z. B. 3 J. A.,
während die der 2. Klasse nur mit einem Kapital von 2 J. A.,
arbeiten.
Die Rente des kapitalerzeugeuden Arbeiters beträgt dann.
— 506
vrie oben gezeigt ist, 5,g6 c. Bei der Anlegung von 2 J. A.
Kapital ist der Lohn 114 c, der Überschuß 14 c und der
36 e
Zinsfuß ..-, , =31,6 ^/o. Der Arbeiter bezieht also für
114 c
seinen Überschuß 14 c X
31.r>
TÖÜ"
= 4,42 c, während der Ar-
beiter der 1. Klasse 5,6g c ßente erhält.
Wenden dagegen die Arbeiter gleichfalls ein Kapital von
3 J. A. an, so ist der Lohn = 121,2 c. der Überschuß =
32,4
21,2 c, der Zinsfuß =
121,2
den Überschuß betragen dann 21,2 X
= 26.7 ^lo, und die Zinsen für
26,7
100
= 0,G6 C.
also
gerade so viel, als die Rente des kapitalerzeugeuden Ar-
beiters beträgt. Bei gleicher Kapitalanlage findet demnach
das Cxleichgewicht in der Belohnung beider Gattungen von
Arbeiten statt, und es ist dann kein Grund zum Übertreten
der Arbeiter von einer Klasse in die andere vorhanden.
109 Die Eente des kapitalerzeugenden Arbeiters beträgt,
wenn gearbeitet wird, mit einem Kapital
«..
Eeute
Differenz
von 2 J. A
„ 3 J. A
,. 4 J. A
4,42 c
5,66 C
6,87 C
1.24 c
1,21 C
Diese Rente nimmt also zu mit dem "Wachsen des
Kapitals, aber diese Zunahme selbst oder die Differenz der
Rente für zwei aufeinanderfolgende Kapitale nimmt ab, wenn
die Kapitale wachsen. Diese Wahrnehmung bestärkt die
schon oben geäußerte Vermutung, daß diese Rente nicht
fortwähi'end mit dem Kapital wächst, sondern bei einem ge-
wissen Punkt ihr Maximum erreicht. Um hierüber aufs klare
zu kommen, ist die begonnene Rechnung weiter fortgeführt,
und das Resultat in nachstehender Tabelle zusammengetragen.
507
^.1 p
'3 ^
^
■^ o
^
gg
o
r-
^
o
■3
^
V*
^
:i
—
o
3C
Öo
^
X
o
CO
C p-^ OJ
zti
^^
»cT
o"
o''
X^
x"
x"
x"
x"
^i2P^
3 ?i
F =
^
C
c
s
-
s
j;
c
c
K
bf c- S
?j
o
o
«
o
— .— «
—
r-
»j
^
CD
— ■
3
cß
brg-^
T-l
x"
»O"
-*"■
fO"
c<r
of
CO"
cvT
1—1
1^-^ g
11
ll
II
11
II
II
11
II
II
11
11
•-" < :S
2 o
" 1—1
Zh ~*^
5Q -.
fg
1-1
Od'
t5 iS
1^'
2 |C5(M i-H
■~,
^-<3
ü
•*
j,
rr
^
„
N
CO
o
'^ ' 'p-
o
O
32"
■^'
• es"
'T^
_r
cT
O-"
iC
ö'"^ CS
-"
...
(M
(M
'^ä
CM
T- (
■'"'
1— t
Ph
"-S
o
t^
»
GC ^S
w
V— 4
^
CQ
x'
iC
S<1
^
X
t>
^ o
CC
IC
!M
3Q
1—1
■r^
T-l
S
^ -X
-
-
V
^
•*
-
^
u-
r-
o
■--"2
o
o
-+
«— '
^
?a"
vo
wi
-(T
o"
I-O
(M
cc
-*
i^
iO
X
Cl
1-H
^ S-«
1-1
:E <
-tJ i
.-2.t: s
*^
^
N
er
^
T'
CO
■3
c^
O
'cj ^ -—
o
^
-r
^—i~
o~
cvT
ic:'
cf
-+"
oT
vC
^■£^
■.—1
(M
'^
i^
X
c^
'—4
■^-5
"'"'
''"^
tH
■-H
T-(
T-l
'''^
tH
^
C^
1 o
o — ^
^'ö a
Ü
_ ^ Oi
*J
^
^
ffj
Tl.
o
■>
O
S S 2
o
o
7Q
^;"
zc
T— (
C^l
wi
rc
iC
^
-r
t-
CC
— f
~f
lC
lO
ire c=t^
T— l
^^
^~'
T— (
T— <
"""^
fi-ö
-U +="
42^
^
ij
^
o
15,
o
-
_,
■^
o
C^ r*«
^
^
w
X
D-"
CO
O-"
X
X
O
■»-H
'^ o
1— (
i_^
X
-*
i>-
c»
T— (
Tft'
o
r^
u- r^
T-H
^
(M
(M
S<]
CC
cC'
cc
et
■< S<
J
<'
-<
<
<
<
-<
«rj
-<
-<■
<
<
5"
— ■
— ■
^-;
'-j
t-l
^"
»-rj
^
^'
^.
^-
—
C:
-,
^
^
^
O
O
c~
X
Ci
o
110
— 508 —
111 Folgerung. Die Rente, die der kapitalerzeugende Ar-
beiter für seine Jahresarbeit erhält, steigt mit dem wachsen-
den Kapital trotz des gleichzeitig abnehmenden Zinssatzes^
erreicht aber bei der Kapitalanlage von 8 J. A. den höchsten
Punkt und sinkt von da an immer tiefer herab.
Das eigene Interesse der Ai-beiter treibt sie an, das-
Kapital so weit zu vermehren, bis die Arbeit mit der liöchsten
Eente belohnt wird — hier so weit, daß auf jeden Arbeiter
8 J. A. an Kapital fallen.
Bei dem Maximum der Rente, womit hier die Arbeit
belohnt werden kann, beträgt der Arbeitslohn 184,5 c, der
Zinsfuß 10.4 o/o.
Einfluss der Fruchtbarkeit des Bodens und des
Klimas auf die Höhe des Arbeitslohns und des
Zinsfusses.
Wenn infolge der mindern Fruchtbarkeit des Bodens
der mit gleichem Kapital versehene Arbeiter ein um ^/4 ge-
ringeres Arbeitsprodukt hervorbringt als in TabeDe A, so
sinken auch Zinsenbetrag und Arbeitslohn um ^U, wie sich
sogleich ergibt, wenn man dieselbe Rechnung, wonach die
Tabelle A entworfen ist, auf den Fall anwendet, wo das
Arbeitsprodukt eines Mannes ohne Kapital ^U X HO = 82-/?
und der Zuwachs durch das 1. Kapital ^/iX 40 = 30 ausmacht.
Alsdann aber erreicht der Arbeitslohn bei der Anwendung
von 1, 2, 3 und selbst von 4 J. A. Kapital noch nicht den
Betrag der notwendigen Subsistenzmittel des Arbeiters. Yiel-
weniger noch kann unter diesen Verhältnissen durch die
Arbeit selbst Kapital geschaffen werden. Erst dann, wenn
das relative Kapital bis 5 J. A. gestiegen ist, gewährt die
— 509 —
Arbeit bei einem Lohn von ^U X 142,4 = 106,s einen Über-
schuß von 6,s welcher zur Kapitalbildung verwandt werden
kann.
Es muß also das Kapital dem Menschen vorangehen^ 112
wenn dieser überhaupt nur subsistieren soll.
Dieser Zustand ist aber der durch ganz Europa herr-
schende; denn selbst in unsern mildesten Himmelsstrichen,
im Süden von Italien und Grriechenland , müßte ein Volk
ohne alles Kapital, d. i. ohne Kleidung, Wohnung, Gerät-
schaften usw. elend umkommen.
Aber das Kapital ist nicht (wie die Welt nach Feuer-
bach) aus und durch sich selbst, aus innerer Notwendigkeit,
entstanden, sondern ist — das Erzeugnis menschlicher Arbeit.
Also das Kapital ist die Bedingung der Subsistenz der
Menschen, ist aber nicht von Uranfang dagewesen, sondern
entstanden aus der Arbeit von Menschen, die noch kein Ka-
pital besaßen.
Hier treffen wir auf einen Zirkelschluß, auf einen un-
löslich scheinenden Widerspruch.
Irre ich nicht, so spiegelt sich in der Wissenschaft, da
wo von Arbeitslohn und Zinsfuß die Rede ist, dieser Wider-
spruch auch überall ab und vielleicht liegt in der Nichtlösung
desselben der Grund, warum das, was über diesen Gegen-
stand gesagt worden, so ungenügend ist.
In der Tat habe ich mich seit mehr als 20 Jahren be-
müht, ein Gesetz für die Verbindung zwischen Kapital und
Arbeitsprodukt aufzufinden, durch welches jener Widerspruch
gelöst wird — aber stets vergebens.
Zwar ist es nicht schwer, für die höhern Grade des
relativen Kapitals eine das Verhältnis zwischen diesem und
dem Arbeitsprodukt darstellende Skala zu entwerfen, die der
Wirklichkeit annähernd entspricht; wird aber die sich auf
diese Weise bildende Reihe bis zu den niedern Graden des
— 510 —
Kapitals, oder gar bis Xull, d. i. bis zum rrsi^rung desselben
fortgeführt, so zeigt sich abermals derselbe ^N'^iderspruch.
113 Das Arbeitsprodukt p ist eine Funktion von q, wenn q
die Größe des angewandten Kapitals bezeichnet; aber keine
der von mir fast in allen algebraischen Formen aufgestellten
Gleichungen erhellt das Dunkel, das hier herrscht.
Erst spät, zu spät wegen der verlorenen Zeit und Mühe,
ist mir der Grund der ünlöslichkeit der Aufgabe, den ich in
nachstehenden Betrachtungen gefunden, klar geworden.
Xur da, wo die Natur freiwillig, d. i. ohne Zutun des
ilenschen, Pisang und Kokospalmen erzeugt, wo die "Wärme
des Klimas weder Kleidung noch Wohnung zu den absoluten
Bedürfnissen des Menschen macht, nur da kann die Wiege
der Menschheit gestanden haben, und nur da kann aus der
Arbeit an sich Kapital erwachsen.
Nachdem in diesem paradiesischen Lande Kapitale ge-
sammelt sind, gleichzeitig aber auch die Volksmenge sich so
vermehrt hat, daß der Eaum beengt wird, indem aller frucht-
bare Boden das Eigentum einzelner geworden ist, können
einzelne Stämme sich abtrennen, auswandern und mit Hilfe
des erworbenen Kapitals — Vieh, Nahrungsmittel, Gerät-
schaften usw. — auch in solchen Ländern, wo der Mensch
ohne Kapital nicht leben kann, ihren reichlichen Unterhalt
finden, mehr verdienen, als wenn sie sich in ihrem Vater-
lande für Lohn verdungen hätten.
Nachdem an diesem neuen Wohnplatz abermals neue
Kapitale gesammelt sind, nachdem die Volksmenge sich wieder
so vermehrt hat, daß der Eaum wieder beengt wird, können
Auswanderer, die mit einem hinreichenden Kapital versehen
sind, sich nach unwirtbaren Gegenden, wo selbst die so wenig
bedürfenden Wilden nicht leben können, die also an sich un-
bewohnbar sind, begeben und dort doch einen vöUig ge-
nügenden Unterhalt finden.
Ja, wir können weiter schließen, daß Länder, die wir
— 511 —
jetzt noch wegen ihres unfruchtbaren Bodens oder wegen
ihres ungünstigen Khmas für unbewohnbar halten, einst, wenn
die Kapitale durch ihre weitere Vermehrung noch wohlfeiler
geworden , in Kultur genommen und Menschen ernähren
werden. Je wohlfeiler das Kapital wird, d. i. für je geringere
Zinsen dasselbe zu haben ist, desto mehr erweitert sich die
Bewohnbarkeit der Erde.
Auch Eiu-opa gehört zu den Ländern, die nur durch Ein-
wanderung von Menschen, die mit Kapital versehen waren,
bevölkert werden konnten.
Die Dnlöslichkeit der obigen Aufgabe erklärt sich nun
dadurch,
daß das uranfängliche Kapital nicht in Europa geschaffen
ist, sondern aus Ländern stammt, wo andere Gesetze der
Kapital bildung herrschen als hier.
Das ursprüngliche Kapital in Europa ist ein eingewan-
dertes und- folgt nicht den Gresetzen, die wir von unserm
Standpunkt aus überblicken.
Mit dieser Erkenntnis hört aber zugleich der Widerspruch
auf, indem wir es nun aufgeben, für die Entstehung der ur-
anfänglichen Kapitale und die der höhern Grade ein und
dasselbe, beide umschließende Gesetz aufsuchen zu wollen.
Sollte nicht auch, diesem Fall analog, in andern und
noch höhern Beziehungen manche Aufgabe uns deshalb un-
löslich erscheinen, weil wir durch ein einheitliches Gesetz
erklären und begreifen Avollen, was ganz verschiedenen Ur-
sprungs ist, — was nur zum Teil unserm Schauplatz an-
gehört, zum Teil aber nicht bloß einem andern Weltteil,
sondern selbst einer andern Welt entsprossen sein mag?
Anwendung. 115
Es mag erlaubt sein, wenn auch mit teilweiser Wieder-
holung des bereits Gesagten, hieran noch folgende, sich mir
bei diesem Gegenstand aufdrängende Betrachtung zu knüpfen.
— 512 —
Nur in solchen Gegenden der Erde, die wie Südindien,
Mittelafrika, Peru in der Region des Pisang und der Kokos-
palme liegen, konnte das Menschengeschlecht seinen Ursprung
nehmen.
Hier in diesen von der Xatur so reich begabten Ländern
lebten die Menschen so lange im Überfluß, als sich für die
wachsende Bevölkerung noch immer herrenloses Land fand.
Nachdem aber alles fruchtbare Land in Besitz genommen
imd zum Eigentum einzelner geworden, mußte bei weiter
steigender Bevölkerung ein Teil des Volks sich verdingen
und für Lohn arbeiten. Dieser Lohn sinkt dann allmählich
bis zu einem Punkt, wo es vorteilhafter wird, nach andern
minder fi'uchtbai'en und von der Natur minder begünstigten
Ländern, die aber noch herrenloses Land enthalten, aus-
zuwandern und dort mit Hilfe des erworbenen und mit-
gebrachten Kapitals den Boden zu bebauen.
Dieser Gang der Entwicklung ist in aUen geistigen An-
lagen des Menschen, in dem von der Natur dem Menschen
als Instinkt mitgegebenen Streben nach Förderung seines
Wohlseins und endlich auch in der Beschaffenheit der phy-
sischen AVeit so fest begründet, und ist so naturgemäß, daß
wir die durch Auswanderung bewirkte, allmähliche Ver-
breitung des Menschengeschlechts über die ganze Erde als
dem Weltplan entsprechend betrachten dürfen.
Blicken wir dagegen auf diejenigen Staaten, aus denen
die Auswanderung erfolgt, so ist diese für sie keineswegs
erfreulich. Der Staat verliert dadurch die produktive Kraft
116 der Auswanderer; er verliert das Kapital, das auf deren
Erziehung verwandt ist ; er verliert das Kapital, das dieselben
mitnehmen.
Wird eine solche Auswanderung regelmäßig und dauernd,
so kann es geschehen, daß dieser Staat, trotz aller seiner
nützlichen Anstalten und Einrichtungen, nur für einen andern
— 513 —
Staat arbeitet, selbst aber weder an Macht noch Eeichtum
zunimmt.
Dies wird um so empfindlicher, Avenn die Auswanderung
die Richtung nach einem Staat nimmt, der mit dem eigenen
einst in feindliche Berührung geraten kann. Dieser arbeitet
dann selbst dahin, einst im Kampf mit dem anderen Staat
unterliegen zu müssen.
Hemmen aber läßt sich dies nicht ; denn der Mensch auf
dem jetzigen Standpunkt der Bildung läßt sich das Recht
der Freizügigkeit nicht mehr nehmen — und vermöchte eine
Regierung dies auch, so Aväre Übervölkerung, Not und Em-
pörung doch die endliche Folge davon.
Auch der mächtigste und unbeschränkteste Monarch der
Erde ist ohnmächtig, wenn er sich der Erfüllung des Welt-
plans entgegen stemmt.
So bleiben also die Staaten dem Weltgeist gegenüber
im Zustande des Zwangs und unversöhnt mit dem über sie
waltenden Geschick.
Ist denn — so müssen wir fragen — dieser Widerspruch
naturgemäß und demnach unversöhnlich?
Auch die Individuen sind einem Zwange, den die Gesetze
des Staats auflegen, unterworfen. Aber diesen ist die Macht
gegeben, sich des Zwangs zu entheben und zur Freiheit zu
gelangen, wenn sie dem egoistischen, auf das eigene Interesse
gerichteten Streben entsagen, das Wohl des Staats zum Ziel
ihrer Handlungen machen und durch tieferes Erkennen ihrer
höheren Bestimmung sich selbst freiwillig die Schranken 117
stecken, die der Staat durch seine auf das Wohl des Ganzen
gerichteten Gesetze als Zwang auflegt.
Gibt es nun für die Staaten und ihre Lenker keine solche
Versöhnung mit dem Geschick, keine solche Erhebung zur
Freiheit wie den Individuen gestattet ist, müssen sie fort und
fort im Zustande des Zwanges und des Entgegenstrebens
gegen den Weltplan verharren?
Thünen, Der isolierte Staat. 33
— 514 —
Schwerlich kann diese Versöhnung anders stattfinden,
als wenn die Staaten es aufgeben, sich selbst als den Mittel-
punkt der Erde, die anderen Nationen aber als Werkzeuge
zu ihrem Nutzen zu betrachten.
Die Versöhnung kann und wird stattfinden, wenn die
Staaten das Wohl der Menschheit zum Ziel ihres Strebens
machen, wenn sie zur Menschheit sich verhalten, wie jene
zur Freiheit gelangten Individuen sich zum Staat verhalten.
Zum Wandeln auf dieser Bahn gehört gewiß fester Mut
und anfangs auch die Darbringung von Opfern. Aber wie
die Individuen, die ihrer Bestimmung gemäß handeln, auch
ungesucht dafür belohnt werden, so würde auch für die
Staaten der Lohn nicht ausbleiben. Die Regierung, die das.
Vertrauen gewonnen, daß sie auf dieser Bahn beharrlich
fortschreiten werde, würde sich die anderen Völker geistes-
untertan machen und dadurch an Einfluß und Macht
mehr gewinnen, als diu-ch Vermehrung der Volksmenge und
des Reichtums oder durch Gebietsvergrößerung gewonnen
werden kann.
England hat schon Spuren einer solchen Richtung ge-
zeigt — in der Sklavenemanzipation, in Canning's Be-
strebungen, in dem Frieden mit China, und neuerdings auch
in seiner Handelspolitik. Vermöchte England es, allen Egois-
mus gegen das Auslaad abzustreifen und die momentan be-
llStretene Bahn für immer zu wandeln, so könnte sein materielles^
noch mehr aber sein geistiges Übergewicht eine noch nicht
geahnte Höhe erreichen.
Nach dieser Unterbrechung kehren wir zu unserer Unter-
suchung zurück und geben in nachstehender Tabelle eine
Übersicht der Resultate für ein Verhältnis, wo das Arbeits-
produkt 3/4 dessen beträgt, was wir in der Tabelle A (§ 11)
zur Grundlage genommen haben.
515
.s >
119
^ (M
r-"~ °0~ crT '^
CD ^ « r^ " M ^ «
^ -,-1 o
N
O 05+5
2^S
:t3 <
■IS OS
^ Ä o
Mi;-'
OJ .— _
_ rt "W
a ö CO
«43
W
<1
O ^
•t-H T— I
33*
— 516 —
120 Vergleichung der Resultate in den Tabellen
A und B.
Die höchste Belohnung der Arbeit in Retiten findet statt,
in A bei der Kapitalanlage von 8 J. A., in B bei 10,5 J. A.
Kapital.
Bei diesem Höhepunkt in der Belohnung der Arbeit ist
der Arbeitslohn in A 184,5 c, in B 167 c, und der Zinsfuß
ist in A 10,4 ^/o, in B 6,65 %.
Die Verminderung der Fruchtbarkeit des Bodens bewirkt
also:
1. daß, um jenen Höhepunkt zu erreichen, eine größere
Kapitalanlage erforderlich ist;
2. daß sowohl der Arbeitslohn als der Zinsfuß sinken;
letzterer aber in weit größerem Verhältnis als ersterer.
Zu bemerken ist noch, daß die Verminderung des zwischen
Arbeiter und Kapitalisten zu teilenden Arbeitsprodukts nicht
allein durch verminderte Fruchtbarkeit des Bodens veranlaßt
wird, sondern ebensowohl Folge einer auf das Erzeugnis ge-
legten und der Größe desselben proportionalen Abgabe sein
kann.
§ 13.
Reduktion der Wirksamkeit des Kapitals
auf Arbeit.
Wir verlassen jetzt mit unseren Betrachtungen die Tropen-
welt und wenden uns den europäischen Zuständen zu, wo der
Mensch ohne Mitwirkung des Kapitals nichts hervorzubringen
vermag und ohne Beihilfe des Kapitals nicht einmal sub-
sislieren kann.
Hier ist jedes Erzeugnis das gemeinschaftliche Werk von
Arbeit und Kapital, und es entsteht nun die Frage, ob der
— 517 —
Anteil, den jede dieser Potenzen an dem gemeinsamen Pro-
dukt hat, sieh erlvennen und ausscheiden lasse.
Zur Lösung dieser Frage steilen wir nachstehende Be-121
trachtungeu an.
"Wenn das Kapital Q in Scheffel Eoggen oder in Taler
oder irgendeinem anderen Wertmaß angegeben ist, und der
Arbeitslohn a -}- y in eben dem Wertmaß ausgedrückt als
bekannt angenommen wird : so ergibt sich , wenn man mit
a -f- 3^ iii Q dividiert, wie groß das Kapital in Jahresarbeiten
einer Arbeiterfamilie ausgedrückt ist, oder über wie viele
J. A. einer Familie der Kapitalist mit dem Kapital Q zu ge-
bieten hat.
Diese Arbeiterzahl sei = no so ist — j — = nq, und
Q =_nq {a-{-y).
Übergibt nun der Kapitalist dies Kapital einem Unter-
nehmer, welcher dasselbe in einem Gewerbe oder in einer
Gegend, wo keine Landrente stattfindet, im Landbau anlegt,
und stellt dieser Unternehmer n Arbeiter an, so arbeitet jeder
nq
derselben mit einem Kapital von = <[ J.- A. Kapital.
Wenn man nun von dem Eohertrage des Gewerbes oder
des Landbaues in der Gegend, wo keine Landrente existiert,
alle Auslagen des Unternehmers, mit alleinigem Ausschluß
des Arbeitslohns und der an den Kapitahsten zu zahlenden
Zinsen, abzieht und von dem sich dann ergebenden Über-
schuß noch den Gewerbsprofit des Unternehmers (nach § 7)
in Abzug bringt, so bleibt der Teil des Ertrags übrig, den
wir (§ 6, Nr. 3) das Arbeitsprodukt genannt imd für
den Arbeiter, der mit einem Kapital von q J. A. arbeitet,
mit „p" bezeichnet haben.
Es ist gleichgültig, in welchem Wertmaß p angegeben
wird, ob in Roggen oder Geld usw., nur muß das Wertmaß
dasselbe sein, worin Q und a -(- }" angegeben sind.
— 518 —
Dieses Arbeitsprodukt p ist das gemein scliaftliclie Er-
zeugnis von Arbeit und Kapital und kommt, da jede andere
122 Gewerbsausgabe bereits abgezogen ist , einzig und allein
zwischen dem Kapitalisten und dem Arbeiter zur Teilung.
Auf welche Weise findet nun diese Teilung statt?
Die n Arbeiter, welche in dem Gewerbe angestellt sind,
bringen ein Produkt von up hervor. Hiervon erhalten die
n Arbeiter an Lohn n (a 4- j)- Nach Abzug dieses Lohns
verbleibt dem Kapitalisten eine Rente von n (p — [a -j~ y])-
Das verwandte Kapital beträgt nq (a -\- y).
Die Rente dividiert durch das ange^^'audte
Kapital ergibt den Zinssatz, den wir mit z bezeichnen.
z ist also = Mp-fa + y]) _ Pzii^)
oq (a 4- y) q (a + y)
Dieser Ausdruck für den Zinssatz ist (bei dem Begriff,
den wir mit den Symbolen p, q und a -j- y verbinden) von
allgemeiner, absoluter Gültigkeit. Eben so entschieden gültig
müssen aber auch die Folgerungen sein, die sich aus dieser
Gleichung mathematisch ableiten lassen.
Ausz==P^:^^^
q (a + y)
folgt qz (a -f- y) = p — (a + y)
und (1 + qz) (a + y) = p,
also a + v = ^j— 7
^- l + qz
Also der Arbeitslohn ist gleich dem Arbeitsprodukt,
dividiert durch Eins plus dem mit dem Zinssatz multipli-
zierten, in Jahres-Arbeiten ausgedrückten Kapital.
Die Rente, die der Kapitalist bezieht, ergibt sich, wenn
man von dem Arbeitsprodukt den Arbeitslohn abzieht; diese
beträgt also
p _ p-fpqz — p _ pqz
p —
1 -j- qz 1 -f- qz l + qz
— 519 —
Das Verhältnis, in welchem die Belohnung der Arbeit 123
zu der des Kapitals steht, ist also wie
1 -}- qz 1 + q^
Setzt man den Lohn des Arbeiters = A, so ist die
Rente des Kapitalisten = Aqz.
Die Reute von q T. A. Kapital ist also gleich dem Lohn
Ton qz Arbeitern, und die Rente von 1 J. A. Kapital ist
gleich dem Lohn von z Arbeitern.
Da nun, wie weiter unten nachgewiesen werden wird,
bei der Erzeugung eines und desselben Produkts p ein Teil
des Kapitals durch vermehrte Arbeit, und wiederum ein Teil
der Arbeit durch hinzukommendes Kapital ersetzt werden
kann: so erscheint das Kapital als Mitarbeiter, welches mit
■dem Lohnarbeiter in Konkurrenz tritt. Nun steht es aber
in der Macht des Unternehmers, der mit dem Kapital Q eine
Arbeiterzahl =^ n arbeiten läßt, dem relativen Kapital q, wo-
mit ein Mann arbeitet, durch Vergrößerung oder Verringerung
von n jede beliebige Größe zu erteilen. Der Unternehmer,
sein Interesse kennend und verfolgend, wird das relative
Kapital q gerade so weit erhöhen, bis die Kosten der Arbeit
des Kapitals und der des Menschen im direkten Verhältnis
mit der Wirksamkeit beider bei der Produktion stehen.
Die Wirksamkeit des Kapitals muß das Maß für die
Belohnung desselben sein: denn wäre die Arbeit des Kapitals
wohlfeiler als die der Menschen, so würde der Unternehmer
Arbeiter abschaffen, im entgegengesetzten Fall aber die Ar-
beiter vermehren.
Es muß demnach die Wirksamkeit des Kapitals zu der
der menschlichen Arbeit ebenso wie die Belohnung derselben
in dem Verhältnis von z zu 1 stehen — und die Belohnung
des Kapitals durch die dafür zu zahlenden Zinsen ist also 124
weder zufällig noch ungerecht.
Wir gelangen hierdurch zu der für unsere Untersuchung
— 520 —
hochwichtigen Erkenntnis, daß, wenn Kapital und menscli-
liche Arbeit durch ein und dasselbe Maß, nämlich die Jahres-
arbeit eines Mannes, gemessen werden,
d er Zinssatz z d er Faktor ist, durch welchen
das Verhältnis der Wirksamkeit des Kapi-
tals zu der der menschlichen Arbeit ausge-
drückt wird.
Dadurch sind wir nun in den Stand gesetzt, die Mit-
wirkung des Kapitals bei der Produktion eines Tauschguts *)
auf Arbeit zu reduzieren.
Durch diese Reduktion ist es dann möglich, die Produk-
tionskosten eines Erzeugnisses, insofern keine Landrente darin
enthalten ist, ganz in Arbeit auszudrücken, und die Arbeit
wird dadurch Avahrhaft zum Wertmesser für die Tauschgüter.
Wir können nun aber auch umgekehrt ein in Erzeugnissen
z. B, Roggen angegebenes Kapital auf J. A. reduzieren, indem
■wir dies Kapital mit dem Lohn für eine Jahresarbeit, welcher
P
Lohn hier dem Wert der Arbeit gleich ist, nämlich mit
i+az
*) Die Landwirte verstehen unter dem Wort „Gut" stets ein
Landgut. Die Xationalökonomen dagegen nennen alles, was den
Menschen ein Bedürfnis hefriedigen kann, ein Gut, und wenn
dies Gut neben dem Gebrauchswert noch einen Tauschwert hat,
ein wirtschaftliches Gut. In einem Buch, welches sowohl
für Landwirte als Nationalökonomen geschrieben wird, ist es für
den Verfasser sehr unbequem, daß ein und dasselbe Wort in zwei
Wissenschaften verschiedene Bedeutungen hat. Um den Mißver-
ständnissen, die hieraus entspringen können, vorzubeugen, bemerke
ich, daß ich unter dem Wort „Gut" stets ein Landgut verstehe;
die wirtschaftlichen Güter der Nationalökonomen aber nenne ich
mit dem Herrn Professor Hermann in . seinem gründlichen und
scharfsinnigen Werk „Staatswirtschaftliche Untersuchungen".
München 1832. (S. 1, 4 und 70.) Tauschgüter oder auch
Wertgegenstände.
— 521 —
di\'iclieren. So ist z. B. das Kapital Q = Q : .. ■ 125
= — ^±~i^- J. A. , wenn nämlich p das in Roggen aus-
gesprochene Arbeitsprodukt eines mit dem Landbau be-
schäftigten Arbeiters ist.
Ist das Kapital Q in Silber angegeben, so muß, um
dasselbe in J. A. auszudrückeu, Q ebenfalls mit 3— j — dividiert
' ^ l+qz
•werden; wo dann aber p das in Silber bestehende Arbeits-
produkt eines in einer Silbermine angestellten Arbeiters be-
deutet.
Ist das Kapital in J. A. angegeben , so zeigt dies das
Quantum der in der Vergangenheit vollbrachten, in einem
Gegenstand fixierten Arbeit an — und wenn dies Kapital
bei der Produktion neuer Tauschgüter angewandt wird , so
gibt z, wie oben gezeigt ist, das Verhältnis der Wirksamkeit
zwischen der in der Vergangenheit vollbrachten fixierten
Arbeit und der gegenwärtigen Arbeit an. Jene ist in ihrem
Produkt — dem Kapital — vollendet, diese ist stetig fort-
schreitend.
Schon Adam Smith hat die Arbeit als den eigent-
lichen ursprünglichen Maßstab für den Wert der Tausch-
güter bezeichnet. Aber Adam Smith beschränkt doch
sogleich die Anwendung dieses Maßstabes auf den ersten
rohen Zustand der menschlichen Gresellschaft, wo noch wenig
oder gar kein Kapital vorhanden war, und der Boden noch
keine ßente trug.
Ricardo — und nach ihm Mac Gull och — betrachtet
dagegen die Ai'beit als den einzigen immer gültigen Maßstab
für den Wert der Tauschgüter. Nach Ricardo ist in dem
Preise der Tauschgüter weder Kapitaluutzung noch Landrente
.enthalten, sondern bloß Arbeit.
— 522 —
Er betrachtet nämlich das in Gebäuden, Maschinen usw.
enthaltene Kapital selbst als Erzeugnis der Arbeit, und es
126 müßte hiernach, da keine Kapitalnutzung in Anschlag ge-
bracht wird, nur berechnet werden, wieviel von dieser Arbeit
nach Verhältnis der Dauer dieses fixen Kapitals in das
Produkt übergeht, um das Arbeitsquantum zu bestimmen,
das mit Einschluß der gegenwärtig verrichteten Arbeit in
dem Produkt enthalten ist.
Dieser sonst so scharfsinnige Schriftsteller übersieht
dabei aber
1. daß zur Erzeugung des fixen Kapitals nicht bloß Arbeit,
sondern auch schon Kapitalnutzung verwandt ist;
1. daß bei der Benutzung von Masclünen nicht bloß ihre
Abnutzung, sondern auch die Zinsen ihres Ankauf-
preises vergütet werden müssen.
Überhaupt ist bei Ricardo das Kapitel vom Wert
ungemein schwer verständlich. Bei genauerer Analj'se findet
sich aber, daß der Grund davon darin liegt, daß Ricardo
sich selbst nicht treu bleibt; denn wenn er S. 21 seines
Werks*) bei der Preisbestimmung der Tauschgüter der
Kapitalszinsen gar nicht erwähnt und die Arbeit allein als
Wertmesser anerkennt, bringt er S. 28, wo seine Prinzipien
zur Anwendung kommen, für den Gebrauch der Maschinen
eine Annuität in Rechnung, in w^elcher nicht bloß die Er-
stattung der Abnutzung, sondern auch die Zinsen des An-
scbaffungskapitals enthalten sind — und somit gibt er,
ohne eine Erklärung imd ihm selbst anscheinend unbewußt,
es wieder auf, die Arbeit als den einzigen Wertmesser an-
zuerkennen.
Sehr merkwürdig aber ist, daß Ricardo auf der letzten
Seite des Kapitels vom Wert selbst eingesteht, daß das Ge-
*) Grundsätze der politischen Ökonomie von Ricardo, mit
Anmerkungen von Sa y, übersetzt von Schmidt. Weimar, 1821.
— 523 —
sagte nur für den ersten rohen Zustand der Gesellschaft
völlig richtig sei, und somit das, was er als allgemeine Ge-
setze aufgestellt hat, selbst wieder aufliebt.
Von einem Maßstab, wonach Kapitalnutzung auf Arbeit 127
zu reduzieren sei, kann hiernach bei E i c a r d o nicht die Eede
sein. Dies ist aber überhaupt auch nicht möglich, so lange
man Gewerbsprofit mit Kapitalszinsen zusammenwirft und
in dem Arbeitslohn nicht den Lohn für die Arbeit au sich
von den Zinsen trennt, die der Arbeiter für sein in Kleidung,
Hausgerät, "Wohnung usw. enthaltenes Yermögen empfängt.
Zur Erläuterung der vorstehenden Sätze- mag es dienlich
sein, ein Beispiel in Zahlen hinzuzufügen.
Zu diesem Zweck nehmen wir einstweilen, und da dies
mit unserer früheren Voraussetzung nicht übereinstimmt,
nur für den vorliegenden Fall an, daß die Silberminen in
dem isolierten Staat zerstreut liegen, und daß das mindest
ergiebige Silberbergwerk, dessen Ausbeutung zur Befriedigung
<les Bedürfnisses noch notwendig ist, an der Grenze der
kultivierten Ebene gelegen ist. Denken wir uns nun , daß
Silberminen von gleicher Ergiebigkeit mit der letzteren sich
noch tiefer in die Wildnis hinein erstrecken , daß diese
Minen aber nicht bearbeitet werden: so kann diese Nicht-
benutzung keinen anderen Grund haben , als den , daß der
Wert des aus denselben zu gewinnenden Silbers die Aus-
beutungskosten nicht mehr deckt.
Die Ausdehnung des Bergbaues findet also ebenso wie
die des Getreidebaues dort eine Schranke, wo der Wert des
Erzeugnisses mit den Produktionskosten desselben ins Gleich-
gewicht tiitt.
Aus diesem Grunde kann das zuletzt bearbeitete Berg-
werk ebensowenig als das zuletzt angebaute Getreideland
■eine Rente abwerfen.
Da nun in dieser Gegend, vorausgesetzt, daß kein Staats-
— 524 —
monopol liinclernd in den Weg tritt, Kapital und Arbeit sich
ebensowohl dem Bergbau als dem Landbau zuwenden
können: so müssen auch in beiden Anwendungen Kapital
und Arbeit gleich hohe Nutzungen geben.
128 Nach der Formel a -j- J = tt_ — spricht sich der Ar-
beitslohn in einem Anteil am Erzeugnis aus. In dem einen
Fall besteht aber das Erzeugnis in Silber, im anderen Fall
in Getreide. Soll nun das dem Arbeiter zufallende Quantum
Silber eine Entschädigung für das Quantum Getreide sein^
welches er beim Landbau sich hätte erwerben können : so müssen
beide Quanta gleichen Tauschwert haben. Hier ist also die
Bildungsstätte für den Tauschwert zwischen Silber und
Getreide.
Nun sei das Arbeitsprodukt eines Mannes beim Berg-
bau = 7V2 Pfd. Silber, beim Landbau = 240 Schtl. Roggen,
so ist der Anteil des Arbeiters, der dessen Lohn bildet, im
ersten Fall zr-r — Pfd. Silber, im zweiten Fall
l-|-qz * ' 1-1-1^
Scheffel Roggen.
Der Zinsfuß z , welcher bei beiden Anwendungen des
Kapitals gleich hoch sein muß, betrage 1/20 oder 5 ^/o.
Das Kapital q, womit ein Mann arbeitet, ist aber, da
die verschiedenen Gewerbe sehr verschiedene Kapitalanlagen
erfordern, von ungleicher Größe. Gesetzt, es sei q beim
Landbau = 12, beim Bergbau ^20; so ist der Lohn der
75
Arbeit beim Bergbau -1 1 9A v~i/~ "^ ^^/^ Pfd. Silber,
240 240
beim Landbau = -. — j — r^-,. . ,, = — z = 150 Scheffel
1 -}- 12 X /20 1,G
Roggen.*)
*) Es darf niclit übersehen werden, daß wir, nach unserer Vor-
setzung im § 6, hier Arbeiter von gleicher Kenntnis, Geschicklich-
keit und Tüchtigkeit vor Augen haben, die gleich befähigt für
den Bergbau wie für den Landbau sind.
— 525 —
Hier sind also 3^/4 Pfd. Silber ein Äquivalent für 150
Scheffel Roggen, d. h. mit S'^/i Pfd. Silber kann der Arbeiter
durch Austausch ebenso viele Bedürfnisse befriedigen als mit 129
150 Schfl. Roggen. Mithin haben 3^!i Pfd. Silber gleichen
Tauschwert mit 150 Schfl. Roggen. Den in Geld oder edlen
Metallen ausgedrückten Tauschwert eines Erzeugnisses pflegt
man den Preis desselben zu nennen. Demnach ist der Preis
3 ""
eines Scheffels Roggen = ^-^ = 0,025 Pfd. Silber.
Dieses an der Grenze der kultivierten Ebene sich bildende
Wertverhältnis zwischen Silber und Getreide ist die Grund-
lage für die Preisbestimmung des Getreides durch den ganzen
isolierten Staat. Aber es tritt zu dieser Grundlage ein an-
deres Moment hinzu, durch dessen Mitwirkung der Preis des
Getreides in den verschiedenen Gegenden des isolierten Staats
ein ganz anderer wird als an der Grenze. Dies Moment
ist begründet in der verschiedenen Beweglichkeit des Silbers
und des Getreides.
Die Kosten der Versetzung der edlen Metalle auf
30 Meilen sind im Verhältnis zu ihrem Wert so geringe,
daß wir sie gleich Null nennen dürfen.
Dagegen sind die Transportkosten des Getreides auf
30 Meilen im Verhältnis zum Wert höchst bedeutend.
Im ersten Teil § 4 sind die Sätze entwickelt, wonach
diese Transportkosten zu berechnen sind, und die Anwen-
dung derselben auf den vorliegenden Fall gibt folgende
Resultate.
2400
Für eine Ladung von 2400 Pfd. = —^-r = 28,6 BerL
Scheffel Roggen betragen nach § 4 auf einer Strecke von
V m ., . 41 X Schfl. Roggen + 26 x Tlr.
X Meilen die Transportkosten ^^ — ;-
Nach § 23 endet der Anbau des Bodens bei einer Ent-
fernung von 31,5 Meilen von der Stadt. Setzt man nun
— 526 —
130 31,5 für X in obige Formel, so betragen die Frachtkosten für
eine Ladung von 28,6 Sclifl. Roggen
1291, Schfl.Eoggen + 8191h.. ^
48,5 ' ' '
Hiernach betragen für 150 Schü. Roggen auf 31,5 Meilen
die Frachtkosten 131,9 Schfl. Roggen -\- 78,g Tlr.
Der Gesamtaufwand beträgt also
150 + 131,9 Schfl. = 281,9 Schfl. Roggen
und 78,6 Tlr.
Die Produktion des Roggens am Ort der Erzeugung
kostet ä Schfl. ^Uo Pfd. Silber
dies macht für 281,9 Schfl 7,05 Pfd. Silber
78,6 Tlr. haben einen Silber wert von . 3,93 „ „
zusammen .... 10,98 Pfd. Silber,
Die Lieferung von 150 Schfl. Roggen nach der Stadt
kostet also 10,9s Pfd. Silber, und da das Geti'eide aus der
31,5 Meilen entfernten Gegend zur Befriedigung des Bedürf-
nisses der Stadt noch notwendig ist, so muß auch der Preis
des Getreides in der Stadt diesem Kostenaufwand entsprechen.
Es haben demnach 150 Schfl. Roggen, die an der Grenze
nur 3,75 Pfd. Silber wert waren, in der Stadt selbst den
Wert von 10,9s Pfd. Silber.
Nimmt man nun das Silber zum Maßstab, so hat das
Getreide in der Stadt fast den dreifachen Wert des Getreides
an der Grenze, und nimmt man das Getreide zum Wert-
messer, so ist das Silber in der Stadt fast auf Vs des Werts,
den es an der Grenze hatte, gesunken.
Es ist aber irrig, wenn man, wie Lotz tut, den Wert
der edlen Metalle in verschiedenen Ländern allein nach den
Getreidepreisen abmißt. In Moskau kann man mit 1 Pfd.
Silber unstreitig weit mehr Getreide ankaufen als in London ;
aber in London erhält man für dasselbe Quantum- Silber ein
131 größeres Quantum an Kolonial-, Fabrik- und Manufaktur-
waren als in Moskau. Ebenso sind auch im isolierten Staat
die Preise der meisten Fabrikwaren in Silber angegeben in
der Stadt niedriger als an der Grenze.
Die obige Berechnung der Frachtkosten gründet sich auf
die ehemaligen sehr schlechten mecklenburgischen Land-
straßen. Auf Chausseen, Eisenbahnen und Kanälen kommen
die Frachtkosten natürlich sehr viel niedriger zu stehen.
Auf das Mehr oder Weniger kommt es hier aber nicht
an, sondern nur auf das Prinzip, woraus das "Wertverhältnis
zwischen Silber und Getreide hervorgeht. So viel leuchtet
aber von selbst ein, daß in dem Maß, als die Kommuni-
kationsmittel sich vervollkommnen, auch die Differenzen, die
in dem Wertverhältnis zwischen Silber und Getreide an ver-
schiedenen Orten stattfinden, sich mindern.
Über die Theorie des Preises sind ganze Bücher ge-
schrieben, ohne daß dadurch eine Einstimmigkeit der An-
sichten erreicht ist.*)
Da in vorstehendem als Grundsatz angenommen ist, daß
die Produktionskosten 'der Waren Maßstab für den Tausch-
wert der Erzeugnisse sind, so bedarf dieser Gegenstand hier
noch einer weiteren Erörterung.
Adam Smith nennt den Preis, der den Produktions-
kosten entspricht, den natürlichen Preis derselben.
Say**) erklärt dagegen A. Smith 's Unterscheidung
zwischen natürlichem Preis und Marktpreis für chimärisch
und hält die Konkurrenz oder das Verhältnis zwischen An- 132
gebot und iSTachfrage für den einzigen Regulator des Preises.
Wenn wir auf einem Markt beobachten , wie sich die
Preise bilden, so sehen wir allerdings, daß der Mangel oder
*) Sehr schätzbar ist Herrn ann's Abhandlung „Vom Preise"
S. 66 — 136 des angeführten Werks.
**) In der Note zu Eicardo's „Gnmdsätze der politischen
Ökonomie" S. 95 der Übersetzung.
— 528 —
Überfluß eiaer Ware und das damit in Verbindung stehende
"Verhältnis von Angebot und Nachfrage hier entscheidend ist.
Die Produktionskosten der Ware kommen hier so wenig in
Betracht, daß der Verkäufer sich nur lächerlich macht, wenn
er sich darauf beruft.
Aber die Konkurrenz ist nur die äußere Erscheinung
einer tiefer liegenden Ursache, und man darf nicht, wie Say,
sich mit der Auffassung der Erscheinung begnügen, sondern
muß den Grund zu erforschen suchen.
Was ist die Ursache, daß zu einer gegebenen Zeit der
Markt mit einer gewissen Ware überfüllt ist?
Antwort. In der voraufgegangenen Zeit hat die Er-
zeugung dieser Ware einen ungewöhnlichen Vorteil gewährt
und infolgedessen die Produktion sich erweitert.
Was ist die Ursache der mangelhaften Versorgung des
Markts mit einer Ware?
Antwort. Die Produktion derselben ist in der vorher-
gehenden Zeit mit Verlust verbunden gewesen und infolge
dieses Verlustes die Produktion eingeschränkt.
Das Schwanken der Marktpreise ist aber unvermeidlich,
weil die einzelnen Produzenten den künftigen Bedarf nicht
übersehen können und erst durch den Marktpreis selbst
darüber belelirt werden, ob Mangel oder Überschuß von ihrer
Ware vorhanden ist.
Das Gesagte gilt von Waren, die zu jeder Zeit in be-
liebiger Menge hervorgebracht werden können. Anders ver-
hält es sich mit dem Getreide, wo der Mangel oder Über-
fluß \on der geringeren oder größeren Jahresfruchtbarkeit
133 abhängt. Faßt man aber längere Perioden, in welchen die
Einwirkung der Witterung auf die Vegetation fast als eine
konstante Potenz erscheint, ins Auge: so bewirkt auch hier
das Übergewicht der Durchschnitts-Marktpreise über die
Produktionskosten eine größere Erzeugung und vermehrtes
Angebot von Getreide; umgekehrt aber bewirkt das Sinken
— 529 —
der Marktpreise unter die Erzeugungskosten eine verminderte
Hervorbringuug von Getreide.
Aus den angeführten Gründen muß also ein stetes
Streben zur Ausgleichung der Marktpreise mit den Produk-
tionskosten, aus dem eigenen Interesse der Unternehmer her-
vorgehend, wirksam sein. Sehr schön und bezeichnend sagt
hierüber A. Smith:
„Der natürliche Preis ist gleichsam der Mittelpunkt,
„gegen welchen die wandelbaren Marktpreise beständig
„gravitieren."
Im Durchschnitt einer längeren Periode werden deshalb
die ]klarktpreise mit den durch die Kosten regulierten Pro-
duktionskosten nahe zusammenfallen.
Zwischen dem Preise einer "Ware und den Produktions-
kosten derselben findet das Gleichgewicht statt, wenn das
Gewerbe, wodurch diese Ware hervorgebracht wird, weder
Verlust noch ungewöhnlichen Gewinn bringt.
Woran — so muß man nun fragen — ist aber Gewinn
und Verlust zu ermessen?
Ich antworte: Wenn durch den Preis der Waren die
Arbeit von gleicher Qualität in allen Gewerben gleich
hoch gelohnt wird, so findet das Gleichgewicht statt,
und diese Durchschnittsbelohnung ist der Maßstab für die
Produktionskosten wie für Gewinn und Verlust.
Daß in den meisten Waren auch Kapitalnutzung und'
Landrente als Elemente des Preises enthalten sind, ändert
an diesem Satz im wesentlichen nichts; denn wenn man 134
Landrente und Kapitalszinsen als Auslagen in Abzug bringt,
so ergibt sich, wie hoch der Produzent für seine Arbeit ge-
lohnt wird.
Der Satz : „die Produktionskosten bestimmen den Durch-
schnittspreis einer Ware", ist aber nur in der Beschränkung
wahr, daß der Gebrauchswert oder die Nützlichkeit der Ware
T Lünen, Der isolierte Staat. ^*
— 530 —
den Kosten ihrer Hervorbringung mindestens gleich ge-
achtet wird.
Wer seine Arbeit Spielereien zuwendet, z. B. eine Uhr
in einer Nußschale, oder einen Großmogul von Gold u. dgl.
verfertigt, darf auf eine Vergütung seiner Arbeit nicht rechnen,
weil der Gebrauchswert seiner Fabrikate weit unter den
Fabrikationskosten steht. Aber Kuriositäten dieser Art kommen
nie dauernd auf den Markt, imd nur solche Waren, deren
Gebrauchswert die Produktionskosten mindestens deckt,
können Gegenstände des regelmäßigen Handels werden.
AYaren und Gerätschaften, deren Produktion mit gleich-
bleibenden Kosten unbeschränkt erweitert werden kann, wozu
die meisten Fabrikate gehören, können nie dauernd über
dem Produktionspreis stehen, wie weit auch ihr Ge-
brauchswert diesen übersteigen mag.
Ein auffallendes Beispiel hierzu liefert der Pflug. V^'äre
dies Instrument nicht vorhanden, und müßte der Boden mit
dem Spaten bearbeitet werden : so würde Europa wohl kaum
die Hälfte seiner jetzigen Bevöllvcrung ernähren können.
Aber man bezahlt im Pfluge nicht den Nutzen, den er ge-
währt, sondern nur die geringfügigen Yerfertigungskosten.
Bei Erzeugnissen dagegen, die nur mit vermehrten
Kosten in größerer ilenge hervorgebracht werden können,
wie z. B. Getreide, steigt der Preis so hoch, bis Produk-
tionskosten und Gebrauchswert im Gleichge-
wicht sind.
135 Hierin liegt, beiläufig gesagt, ein Grund, warum mit
der wachsenden Bevölkerung der Tauschwert des Getreides
gegen Fabrikate stetig steigen muß.
Die Gold- und Silberminen gehören in dieser Beziehung
mit dem Getreide in eine Kategorie. Denn wenn nicht neue,
reichlialtige Minen entdeckt werden, und der Bedarf an Gold
und Silber nur aus den schon länger bebauten Bergwerken
erlangt werden kann, so ist die Gewinnung dieser edlen
— 531 —
Metalle, da sie aus immer größerer Tiefe genommen werden
müssen, aucli mit stets wachsenden Kosten verknüpft. Der
Bergbau muß dann, ebenso wie der Bau des Getreides, seine
Grenze finden, wenn die Gewinnungskosten der edlen Metalle
den durch die Zahlungsfähigkeit der Käufer bedingten Ge-
brauchswert derselben erreichen.
In der als Tatsache angenommenen Voraussetzung, daß
das mindest ergiebige Silberbergwerk an der Grenze des iso-
lierten Staats wirklich angebaut wird, liegt demnach schon
der Beweis, daß die Produktionskosten des Silbers aus diesem
Bergwerk nicht dessen Gebrauchswert übersteigen — daß wir
also auch berechtigt sind, die Produktionskosten des Silbers
zum Maßstab für den Tauschwert desselben anzunehmen.
Höher als diese Produktionskosten kann aber der Tauschwert
des Silbers nicht sein — denn sonst würden die weiterhin
in der "Wildnis liegenden Minen nicht uuangebaut bleiben.
Unseren Betrachtungen liegen also die möglichst einfachen
A^erhältnisse zu gründe. Weder der Bergbau noch der
Landbau geben hier eine Rente, und sowohl beim Süber als
beim Getreide sind Produktionskosten und Gebrauchswert im
Gleichgewicht.
Durch die vorstehenden Betrachtungen haben wh' über 136
das AVesen des Zinsfußes und des Arbeitslohns einiges Licht
erhalten, indem wir
1. zu der Erkenntnis gelangt sind, daß z das Yerhältnis
der "Wirksamkeit des Kapitals zu der Wirksamkeit der
gegenwärtig vollbrachten Arbeit bezeichnet; und
2. für den Arbeitslohn den allgemein gültigen Ausdruck
a 4" y = -^ — j- gefunden haben.
Damit sind wir aber doch erst an die Pforten unserer
eigentlichen Untersuchung gelangt. Denn in jenem Ausdruck
ist a 4" y "^cin z abhängig, so daß wir stets z als bekannt
34*
— 532 —
aonehmeu müssen, wenn wir a -|- y bestimmen wollen. Nun
ist aber auch p keine konstaute Größe, sondern wächst und
fällt mit q, ist also abhängig von q. Von dem Wert von
p hängen aber wiederum die Werte von y und z ab. Es
sind demnach p, y und z Funktionen von >[. Die Aufgabe
ist also die: für ein gegebenes q die "Werte von p, y und z
zu finden.
Während man in den meisten Wissenschaften die Unter-
suchung mit einzelnen feststehenden und als gegeben be-
trachteten Sätzen beginnt, haben wir es hier mit Potenzen
zu tun, die in einer steten Wechselbeziehnng zueinander
stehen, und wovon keine einzige als gegeben angenommen
werden darf.
Dadurch aber wird unsere Untersuchung so schwierig
und verwickelt — und es fragt sich, ob so viele Gleichungen
gefunden werden können, als zur Bestimmung der unbekannten
Größen erforderlich sind.
137 § 14.
In dem isolierten Staat ist an der Grenze des-
selben die Werkstätte für die Bildung des Ver-
hältnisses zwischen Arbeitslohn und Zinsfuss.
Um zu erforschen, wie Arbeitslohn und Zinsfuß einer
aus dem anderen hervorgehen, und um den Arbeitslohn un-
abhängig vom Zinsfuß darzustellen, müssen wir den mög-
lichst einfachen Fall, wo das ganze Arbeitsprodukt zwischen
dem Arbeiter und Kapitalisten geteilt wird, und wo der dritte
Faktor bei der Preisbestimmung, die Landrente, die Aufgabe
nicht noch verwickelter macht, unsern Betrachtungen zu
gründe legen.
— 533 —
Dies nun ist der Fall an der Grenze der kultivierten
Ebene des isolierten Staates, wo jenseits des Kreises der
Dreifelderwirtschaft Land von gleicher Fruchtbarkeit mit
dem der kultivierten Ebene umsonst zu haben ist.
Zwar gibt das Land im Kreise der Viehzucht, jenseits
der angebauten Ebene, noch einige Rente; aber diese ist so
gering, daß sie als verschwindend zu beträchten ist — und
da deren Berücksichtigung die Untersuchung wohl verwickelter
machen, aber im Resultat doch nichts ändern würde: so
abstrahieren wir ganz davon und setzen die Laudrente des
Bodens jenseits des Kreises der Dreifelderwirtschaft gleich
Null.
An der Grenze der kultivierten Ebene ist es in die Wahl
des Arbeiters gestellt, ob er ferner für Lohn arbeiten oder
mit Hilfe der angesammelten Ersparnisse ein Stück Land
urbar macheu, Gebäude usw. errichten und sich ein Eigentum
erwerben will, auf welchem er künftig für eigene Rechnung
arbeitet.
Sollen die Arbeiter in dieser Gegend von der Anlegung
von Kolonistenstellen oder Gütchen abgehalten und bewogen
werden, noch ferner bei ihrem bisherigen Herrn für Lohn zu
arbeiten, so muß dieser Lohn nebst den Zinsen, die sie durch
Ausleihen für ein zur Anlegung der Kolonisten stelle erforder- 138
liches Kapital beziehen, gleich sein dem Arbeitsprodukt,
das sie auf der Kolonistenstelle, die von einer Arbeiter-
familie bestellt werden kann, hervorbringen können.
Ist nun der Lohn = a -|- y Schfl. Roggen,
das Arbeitsprodukt . . . = P „ v
das zur Anlegung des Güt-
chens erforderliche Kapital =^ q J. A.
welches in Scheffel Roggen
ausgedrückt = '1 (a -|- j) Schfl. ist,
und endlich der Zinsfuß . . = z °/o,
— 534 —
so muß, wenn hier ein Gleichgewicht stattfinden soll
a -f y -f- 'l (a + y) z = p sein.
P
qz
p — (a + y)
Das gibt a + y ^ -. , ; und
•i (a + y)
Hier sind a, p und q bestimmte, y und z aber unbe-
stimmte Größen.
Es kommt nun alles darauf an, eine Gleichung zwischen
y und z aufzufinden , denn von der Lösung dieser Aufgabe
hängt die Bestimmung des Verhältnisses zwischen Arbeits-
lohn und Zinsfuss ab.
Der Versuch zur Lösung dieser Aufgabe soll im nächsten
Paragraphen gemacht w^erden.
Um dort aber den Zusammenhang nicht zu oft und zu
lange durch Erhebung von Zweifeln und Einwürfen gegen
die Richtigkeit des Verfalirens unterbrechen zu müssen, wollen
wir die aus der Vergleichung mit der Wirklichkeit sich er-
hebenden Bedenken im voraus anführen und zu beseitigen
suchen.
139 IL
Wir behaupten, daß der an der Grenze des isolierten
Staats sich bildende Arbeitslohn und Zinsfuß normierend für
den ganzen Staat ist, und haben diese Behauptung hier zu
rechtfertigen.
A. Arbeitslohn.
Nicht der Geldlohn, sondern der reelle Lohn, d. i. die
Summe der Lebensbedürfnisse und Genußmittel, die der
Arbeiter sich für seinen Lohn verschaffen kann, muß durch
den ganzen isolierten Staat gleich hoch sein; denn wäre
an einer Stelle dieser reelle Arbeitslohn höher als an einer
anderen, so würde durch das Zuströmen der Arbeiter aus den
— 535 -^
Gegenden mit geringerem Lohn das Gleichgewicht sich gar
bald herstellen.
An der Grenze der kultivierten Ebene des isolierten
Staats, wo herrenloses Land in ungemessener Menge zu
haben ist, bestimmt weder die Willkür der Kapitalisten
noch die Konkurrenz der Arbeiter noch die Größe der not-
wendigen Subsistenzmittel die Höhe des Lohns; sondern das
Produkt der Arbeit selbst ist Maßstab für den Lohn der
Arbeit. Hier muß also auch die Werkstatt für die Bildung
des natürlichen Arbeitslohns sein , welcher maßgebend für
den ganzen isolierten Staat wird.
In der Wirklichkeit ist dies freilich ganz anders; denn
hier finden wir in der Höhe des Arbeitslohns enorme Yer-
scliiedenheiten, z. B. zwischen Polen und Nordamerika.
Hier aber sind die Verschiedenheit der Sprache, der
Sitten, der Gesetze, der Einwirkung des Klimas auf die
Gesundheit usw. und die Kostspieligkeit der Übersiedelung
nach einem fernen Lande die Ursachen, warum die Ver-
schiedenheit im Lohn nicht ausgeglichen wird.
Diese Hemmungen der Ausgleichung sind dagegen im
isolierten Staat überall nicht vorhanden,
B. Zinsfuß. 140
Der an der Grenze des isolierten Staates sich bildende
Zinsfuß muß für den ganzen Staat maßgebend werden, da
das so leicht bewegliche Kapital sich stets dahin wendet,
wo es die höchste Nutzung gewährt, und der Zinssatz sich
dadurch liberall gleichstellt.
In der Wirklichkeit sind in verschiedenen Ländern die
Abweichungen im Zinssatz fast ebenso bedeutend als die im
Arbeitslohn.
Während in England und Holland der gewöhnliche Zins-
satz 3 bis 4:% beträgt, ist dieser in Rußland und mehreren
nordamerikanischen Staaten 6 bis 7 ^/o. Daß diese Differenz
— 536 —
sich nicht durch das Überströmen der Kapitalien von einem
Lande nach dem andern ausgleicht, erklärt sich leicht, wenn
man erwägt, daß die Kapitalisten nicht geneigt sein können,
ihr Geld nach Ländern zu verleihen, wo die Justizpflege
mangelhaft und parteiisch ist, oder wo die Richter gar be-
stechlich sind — indem sie dort weder für die richtige Zins-
zahlung noch für die Zurückzahlung des Kapitals Sicherheit
erlangen können.
Auffallend und einer nähern Untersuchung wert ist es
dagegen, daß in den verschiedenen Provinzen einer und der-
selben ilonarchie, wo dasselbe Gesetzbuch gilt, und die Justiz-
pflege strenge und unparteiisch ist, dennoch ein so verschie-
dener Zinssatz stattfinden kann, wie dies im preußischen
Staat der Fall ist. Denn während in der Provinz Branden-
burg und in Yorpommern der Zinsfuß auf 3^/2 bis 4 ^lo
herabgesunken, ist in der Provinz Ostpreußen der Zinssatz
bei Anleihen an Privatpersonen auf 5 "^/o stehen gelilieben.
Hier möchte es schwer sein, zu entscheiden, ob der
höhere Zinssatz in Ostpreußen Folge einer höhern Kapital-
nutzung oder einer mindern Sicherheit für die Gläubiger
141 sei — wenn nicht der Kurs der Pfandbriefe hierüber Auf-
schluß gäbe. Nach der „Allgemeinen preußischen Zeitung"
war am 13. Juli 1846 an der Berliner Börse der Kurs
der ostpreußischen Pfandbriefe 96-^3 %
der pommerschen „ 96'/s „
der kur- und neumärkischen Pfandbriefe . . 98V4 ,,
Die Pfandbriefe dieser drei Provinzen tragen gleich viel,
nämlich 3V2 ^lo Zinsen.
Für die Sichei'heit der Pfandbriefe haften alle dem
Kreditverein beigetretenen Güter solidarisch, und nur auf
einen Teil des Werts der Güter werden zur ersten H3q:)othek
Pfandbriefe erteilt. Die Sicherheit der Pfandbriefe ist also
weit größer als die der Privatanleihen.
Da nun in dem Kurs und Wert der ostpreußischen und
— 537 —
kiumärkischen Pfandbriefe bei gleichem Zinssatz nur ein
unerheblicher unterschied, nämlich der von 96-^/s bis 98V4
stattfindet, während in dem Zinssatz bei Privatanleihen sich
eine so bedeutende Abweichung zeigt, so müssen wir schließen,
daß der hohe Zinsfuß in Ostpreußen durch Unsicherheit der
Anleihen auf dortige Güter hervorgerufen und erhalten wird.
Ob diese größere Unsicherheit der Privatanleihen in Ost-
preußen, verglichen mit anderen Provinzen, von dem Natioual-
C'harakter der Bewohner, oder von den größeren Schwankungen
in den Güterpreisen (weil die Einnahme dieses Landes fast
ganz von den Konjunkturen im Getreidehaodel abhängig ist),
oder von der größern Gefahr, Schauplatz des Krieges zu
werden, herrührt, oder ob diese Ursachen gemeinschaftlich
wirksam sind, — dies muß ich anderen zur Beurteilung und
Beantwortung überlassen. Außer diesen Ursachen kann aber
auch noch die größere Entfernung von Berlin — diesem Sitz
der großen Kapitalisten — zur Erhöhung des Zinssatzes in
Ostpreußen beitragen. Denn da, wo der Grund und Boden
keine völlige Sicherheit für eine Anleihe gewährt, und der 142
Kredit mehr auf die Persönlichkeit des Schuldners basiert
ist. wird der Kapitalist diesen nicht gerne aus den Augen
verlieren, um, wenn Gefahr eintritt, sein Kapital kündigen
und einziehen zu können. In einem solchen Fall wird also
der Kapitalist sein Geld in der Nähe seines AA^ohnsitzes etwas
wohlfeiler ausleihen als in weiter Ferne.
"Wie dem aber auch sein mag, so ist die Differenz in
dem Zinsenbezug für Pfandbriefe und Privatanleihen stets
als eine Assekuranzprämie für die Gefahr, die mit dem Ver-
leihen des Kapitals auf letztere Weise verbunden ist, zu be-
trachten.
Da wir nun in dem isolierten Staat unter „Zinsfuß"
nur den Zinsenbezug nach Abzug der Assekurauzprämie ver-
stehen, so kann auch aus der Tatsache, daß in einer und
derselben Monarchie in den verschiedenen Provinzen für aus-
— 538 —
geliehene Kapitalien Zinsen von sehr verschiedenem Betrag
gezahlt werden, kein Argument gegen die Gleichheit des
Zinsfußes in allen Gegenden des isolierten Staats entnommen
werden,
III.
Unsere Untersuchungen beruhen auf der Voraussetzung,
daß der isolierte Staat sich im beharrenden Zustand befindet.
Demnach muß aber auch seine Größe und Ausdehnung un-
verändei-lich sein. Indem wir hier aber im Gedanken neue
Güter im Kreise der Viehzucht anlegen, liandeln wir dadurch
anscheinend gegen unsere eigene Voraussetzung,
Nun ist aber das einzelne Gut gegen das Ganze nur
als ein unendlich kleiner Punkt zu betrachten — und w^enn
wir trotz dieses Zuwachses das Ganze als noch im beharren-
den Zustand befindlich ansehen : so ist unser Verfahren dem
in der Analysis des Unendlichen analog und kann auch durch
diese gereclitfertigt werden.
143 Verwandelt sich nämlich x in x -|- dx, so wird diese
Größe im Wert noch immer = x, also dx = 0 gerechnet.
Das Difterential, dx, erhält aber seine Bedeutung, wenn es
als Faktor mit einer anderen endlichen Größe verbunden ist.
In der Parabel, deren Abszisse ^ x, Parameter = a und
Ordinate ^ y , ist y- = ax und y = l ax. Wächst hier
X um dx, so ist das Element der PJäche, oder der unendlich
kleine Zuwachs , den die Fläche erhält , = dx V ax. In
diesem Element spiegelt sich das Gesetz ab, nach welchem
die Figur konstruiert ist — und aus dem Integral dieses
Elements = -/s x V ax = -/s xy ergibt sich der Flächen-
inhalt der Figur.
Hier ist dx wieder verschwunden, und wir finden durch
diese Rechnung nicht den Inhalt einer Paraljel, deren Abszisse
^ x -H dx, sondern den der Parabel für die Abszisse = x.
Aber auch ohne Zuhilfenahme der Differentialrechnung
läßt sich dies Verfahren vielleicht anschaulich rechtfertigen.
— 539 —
Man denke sich , daß ■ infolge eines zu geringen Lohns
nicht einzelne, sondern sehr viele Arbeiter ihre Überschüsse
auf die Anlegung neuer Güter verwenden und die kultivierte
Ebene wesentlich erweitern. Da aber die Zahl der Arbeiter,
unserer Voraussetzung gemäß, konstant ist, wird auf den
schon bestehenden Gütern Mangel an Arbeitern eintreten,
und um der ferneren Auswanderung nach der "Wildnis Ein-
halt zu tun, werden die Besitzer den Lohn so weit erhöhen
müssen, daß die Auswanderung unvorteilhaft wird. Ist dann
aber schon eine bedeutende Erweiterung der kultivierten
Ebene erfolgt, so wird mehr Korn als bisher nach der Stadt
gebracht, und da die Zahl der Konsumenten sich nicht ver-
mehrt hat, muß der Preis des Korns in der Stadt und damit
auch in der ganzen kultivierten Landfläche sinken. Damit
sinkt aber auch die Landrente der neu angelegten Güter
unter Null herab. Der endliche Erfolg des Herabsinkens
der Landrente unter Null aber ist , daß die Ansiedelungen 144
wieder verlassen werden, wenn die Gebäude verfallen sind.
Damit wird die kultivierte Ebene wieder auf ihren
früheren umfang beschränkt, und der beharrende Zustand
tritt wieder ein.
Sobald aber die Gutsbesitzer versuchen, den Lohn unter
das Maß herabzudrücken, das die Arbeiter durch Arbeit auf
eigene Eechnung in der Wildnis verdienen können, beginnt
dasselbe Spiel von neuem. Da dies aber für die Gutsbesitzer
wegen des daraus entstehenden Mangels an Arbeitern mit
großem Nachteil verbunden ist: so genügt die bloße Mög-
lichkeit für die Arbeiter, sich in der Wildnis anzusiedeln,
ohne daß d i e s T a t w i r d , die Gutsbesitzer zur Bezahlung
eines Lohns zu nötigen, der mit dem, den der Arbeiter durch
Ansiedelung und Arbeit auf eigene Rechnung erlangen kann,
im Gleichgewicht ist.
Der beharrende Zustand kann demnach nur bei dem sich
auf diese Weise bildenden normalen Arbeitslohn stattfinden.
540 —
IV.
Wir gründen unsere nachfolgende Untersuchung über
die Kapitalerzeugung durch Arbeit auf die Annahme, daß
die Arbeiter ihren Überschuß, oder den Teil des Lohns,
welchen sie nach Abzug der notwendigen Subsistenzmittel
übrig behalten, zu dem angegebenen Zweck verwenden.
Bei dem Blick auf die Wirklichkeit kann man dagegen
einwenden, daß der Lohn der Arbeiter in dem größten Teil
von Euroi^a nicht mehr beträgt, als was sie zum Unterhalt
ihrer Familien notwendig bedürfen, daß ihr Überschuß gleich
Null sei, und somit keine Kapitalerzeugung durch die Arbeiter
stattfinden könne.
Dieser Einwurf verliert aber aus nachstehenden zwei
verschiedenen Griinden für die gegenwärtige Untersuchung
seine Bedeutung:
145 1. Bei der Konstruktion des isolierten Staates ist ein
Arbeitslohn zugrunde gelegt, der dem Arbeiter aller-
dings gestattet Ersparnisse zu machen.
2. In den letzten Dezennien ist die Volksmenge in fast
allen europäischen Ländern um ungefähr ein Prozent
jährlich gestiegen. In der arbeitenden Klasse ist die
Vermehrung verhältnismäßig mindestens ebenso groß
gewesen als in der Klasse der Wohlhabenden. Der
Lohn der Arbeiter, wie geringe er auch sein mag, hat
also doch ausgereicht, um mehr Kinder zu erziehen,
als zur Erhaltung der Bevölkerung in gleicher Zeit
nötig war.
Unserer Untersuchung liegt aber die Voraussetzung des
beharrenden Zustandes in der Volksmenge zugrunde, und
unter dieser Bedingung würden die Arbeiter, selbst bei ihrem
jetzigen geringen Lohn, einen Überschuß gehabt haben, der
zur Kapitalerzeugung verwandt werden könnte.
— 541 —
"Wir haben in I. gesehen, daß um die Anlegung neuer
Kolonistenstellen und damit die Auswanderung der Arbeiter
7A1 verhüten, a -|- y -|~ 'i (^ H~ j) ^ = P sein muß. In
"Worten ausgedrückt lautet dies so: der Arbeitslohn nebst
den Zinsen des zur Anlegung einer Kolonistenstelle erforder-
lichen Kapitals muß gleich sein dem Arbeitsprodukt des mit
einem Kapital von q J. A. verseheneu Arbeiters.
In dieser Gleichung sind, wie schon angeführt, a, p
und q gegebene, y und z aber unbestimmte Größen, und
der Gleichung kann bei sehr verschiedenen Werten von y
und z Genüge geleistet werden.
Um ein Beispiel in Zahlen geben zu können, wollen wir
q, das Kapital ^= 12 J. A.,
p, das Arbeitsprodukt = 3 a,
a, die Subsisteuzmittel = 100 c setzen,
wo c den hundertsten Teil der in Scheffel Roggen ausge-146
drückten Bedürfnismittel des Arbeiters bezeichnet.
Die obige Gleichung erhält dann folgende Form:
100 c + y + (1200 c -}- 12 y) z = 300 c.
Setzt man nun für y nach und nach andere Werte, so
liefert dies folgende Resultate:
1. Für y = 20 c
ist 120 c + (1440 c) z = 300 c,
und z = 12,5 %.
2. Für y = 60
ist 160 c + 1920 cz -300 c;
z = 7,3 o/o.
3. Für y -= 100
ist 200 c + 2400 cz = 300 c ;
z = 4,2 o/o.
Durch die obige Gleichung ist also für das A^erhältnis
zwischen Arbeitslohn und Zinsfuß noch nichts entschieden.
— 542 —
Dies Verhältnis ist aber für den Arbeiter keineswegs
gleichgültig: denn das Streben des Lohnarbeiters muß dar-
auf gerichtet sein, für seinen Überschuß y, wenn er den-
selben auf Zinsen legt, die höchste Rente zu beziehen.
Diese Rente = yz ist aber nach den verschiedenen
"Werten von y und z sehr verschieden und beträgt
12.5
für y = 20 c und z -= 12.5 "/o ... 20 c X -joiT^ '-^^ ^'
7.3
y = 60 c und z = 7,3 "^/o ... 60 c X -. .-.'-. = 4,3s c.
4.-^
y = 100 c und z = 4,2 % . . . 100 X -..-.,-, = 4,20 c.
Wir wenden uns jetzt der Kapitalerzeugung diu'ch Arbeit
zu, um die Frage zu lösen, in welchem Verhältnis y und z
zueinander stehen müssen, wenn der Arbeiter für seine An-
strengung das Maximum an Rente beziehen soll.
147 § 15.
Die Kapitalerzeugung durch Arbeit.
"Wir denken uns, daß sich eine Zahl von Arbeitern zu
einer Gesellschaft verbindet, um an der Grenze der kul-
tivierten Ebene des isolierten Staats ein neues Gut von der
Größe wie die älteren Güter dieses Staats anzulegen.
Die zu diesem Zweck verbundenen Arbeiter teilen sich
in zwei Abteilungen — wovon die eine sich mit der Urbar-
machung des Feldes, der Errichtung der Gebäude, der Ver-
fertigung von Gerätschaften usw. beschäftigt: die andere
aber einstweilen bei der Arbeit für Lohn verbleibt und
durch ihren in Roggen sich aussprechenden Überschuß die
Subsistenzmittel liefert, welche die mit der Anlegung des
Guts beschäftigten Arbeiter konsumieren.
— 543 —
Unter diesea Verhältnissen wird durch die Anlegung
des Gutes von dem bereits vorhandenen Nationalkapital
nichts konsumiert ; die Summe dieser Wertgegenstände ist
nach der vollendeten Schaffung des Gutes gerade noch eben
so groß wie vor derselben.
Das neuangelegte Gut kostet nur Arbeit, und nichts
anderes als Arbeit.
Die Eente, die das Gut trägt, fällt demnach einzig und
allein den kapitalerzeugenden Arbeitern, die das Gut durch
ihre Arbeit geschaffen haben, anheim — und diese Rente
ist der Lohn ihrer Arbeit.
Diese Gesellschaft von kapitalerzeugenden Arbeitern
bedarf nach vollendeter Anlegung des Guts einer Zahl von
Lohnarbeitern, die das neue Gut bestellen imd bewirtschaften.
Der Lohn dieser Arbeiter kann aber nicht willkürlich und
auch nicht nach dem in den älteren Gütern üblichen Lohn
bestimmt werden. Dieser Lohn muß vielmehr so hoch sein,
daß der Überschuß des Arbeiters auf Zinsen gelegt, also yz 148
gleich der Kente des kapitalerzeugenden Arbeiters wird:
denn wäre dies nicht der Fall, so würden — da wir Arbeiter
von gleicher Kraft, Kenntnis und Gesclücklichkeit voraus-
setzen — die Lohnarbeiter augenblicklich zur Kapitalerzeugung
übergehen.
Wir haben hier also eine zwiefache Verkettung zwischen
Arbeit und Kapital: einmal indem aus der Arbeit unmittel-
bar Kapital erwächst, und zweitens indem die kapitalerzeu-
genden Arbeiter nunmehr die Stellung des Kapitalisten gegen
den Lohnarbeiter einnehmen.
Hier unter den einfachsten Verhältnissen, wo keine
Landrente als dritte Potenz verwirrend einwirkt, — hier
muß sich die Verbindung zwischen Arbeitslohn und Zinsfuß
enthüllen lassen, wenn die Aufgabe, die wir uns gestellt
haben, überhaupt lösbar sein soll.
Die Bestimmung des Arbeitslohns ist hier in die Hände
— 544 —
der Arbeiter selbst gelegt, und der aus der Bestimmung der
Arbeiter hervorgehende Lohn ist, wie vorhin nachgewiesen,
normierend für den ganzen isolierten Staat.
Die Willkür der Arbeiter findet bei dieser Feststellung
ihres Lohns keine andere Schranke als die des eigenen
Interesses.
Bei der Kapitalerzeugung kann aber der Arbeiter kein
anderes Ziel haben als das, für seine Arbeit die höchst
mögliche Rente zu erlangen.
Derjenige Arbeitslohn, welcher das Maximum der Rente
bringt , muß also Ziel des Strebens sein , und da diesem
Streben nichts hemmend entgegentritt, so wird dieser Arbeits-
lohn auch der wirkliche werden.
Damit werden Avir zu der Frage geführt: bei welcher
Höhe des Arbeitslohns erlangt der Arbeiter für seine An-
strengung das Maximum der Rente?
I Um diese Frage zu beantworten, nehmen wir folgende
Sätze an:
Die Bestellung des neu gegründeten Gutes erfordere die
fortdauernde Arbeit von n Tagelöhnerfamilien.
Die Anlegung des Gutes habe die Jahresarbeit von
nq M. (ntj Arbeiterfamilien) erfordert. Zu der Schaffung
eines neuen Gutes gehört unstreitig nicht bloß Arbeit, sondern
auch Anwendung von Kapital. Nach § 13 können wir aber
die Mitwirkung des Kapitals auf Arbeit reduzieren und
somit die Anlagekosten ganz in Arbeit angeben.
Jeder von den das Feld bestellenden Tagelöhnern arbeitet
dann mit einem Kapital von (| J. A. (q Jahresarbeiten einer
Arbeiterfamilie).
Der mit einem Kapital von q J. A. versehene Arbeiter
bringe ein jährliches Erzeugnis von p (Scheffel Roggen)
hervor.
Das Gesamtprodukt der n Arbeiter ist demnach = np.
Die Subsistenzmittel, welche der Arbeiter zur Erhaltung
— 5-45 —
seiner Arbeitsfähigkeit notwendig bedarf, betragen a Scheffel
Eoggen oder deren Äquivalent.
Die nq mit der Anlegung des Guts während eines
Jahres beschäftigt gewesenen Arbeiter haben konsumiert anq
(Scheffel Roggen).
Von der mit Erzeugung von Lebensmitteln beschäftigten
Abteilung der Gesellschaft behält jeder Arbeiter von seinem
Lohn, nach Abzug seiner Konsumtion, einen Überschuß von
y Schfl. Roggen, oder dessen Äquivalent.
Zur Hervorbringung der bei der Anlegung des Guts
verzehrten anq Schfl. sind also — — mit der Produktion der-
y
selben beschäftigten Arbeiter erforderlich.
Die Zahl der Arbeiterfamilien, aus deren gemeinschaft-
lichen Arbeit das Gut hervorgegangen ist, beträgt demnach
, anri (a + y)
^^ y y
Die n Tagelöhner , welche das Feld bestellen , erhalten 150
jeder a -f- y (Schfl. Roggen) an Lohn. Die Gesamtausgabe
an Lohn beträgt also n (a -|- y).
Zieht mau diese Ausgabe von dem Gesamterzeugnis
= np ab, so verbleibt eine Gutsrente von np — n (a -[- y)-
Diese dauernde Gutsrente ist das Eigentum von
nq ^ — y^-^ kapitalerzeugenden Arbeitern.
Die Jahresarbeit eines mit der Kapitalerzeugung be-
schäftigten Arbeiters wird also gelohnt mit einer Rente
(a -f y) (p — [a -f- y]) y
von n (p - [a + y]) : nq ^ ■ = ^(a + y)^
In diesem für die Größe der Rente gefundenen Ausdruck
ist z nicht vorhanden und y die einzige noch unbestimmte
Größe.
Bemerkung. Da in dieser Formel für die Rente n
verschwunden ist, so werden wir künftig auch nur den
Thünen, Der isolierte Staat. oo
— 546 —
auf einen Arbeiter fallenden Gutsteil und das Kapital,
womit ein Mann arbeitet, in Betracht ziehen. Wir
müssen uns dann aber stets erinnern, daß hier nicht
von einer Xolonistenstelle , die von einer Familie be-
wiiischaftet werden kann, sondern von einem in der
Größe den anderen Gütern des isolierten Staats gleichen
Gut die Rede ist. Denn sonst würden wir ein stören-
des und ver^\"in'endes Moment, nämlich den Einfluß,
welchen die verschiedene Größe der Güter auf das
Arbeitsprodukt und auf die Gutsrente ausübt, in unsere
Untersuchungen einmischen.
Bei welchem "Wert von y erlangt nun die obige Fimktion
für die Größe der Rente das Maximum?
"Wir wollen, um dies annähernd zu erforschen und um
zugleich den Einfluß der verschiedenen Werte von y auf die
Größe der Rente anschaulich zu machen, zuerst ein Beispiel
in Zahlen geben.
151 Es sei a = 100 c ; p = 300 c ; q = 12 J. A.
Nun sei erstens y = 20 c.
Die mit der Anlegung des Gutes beschäftigten Arbeiter
verzehren aq = 1200 c.
Da jeder mit der Erzeugung von Lebensmitteln be-
schäftigte Arbeiter einen Überschuß von y = 20 c liefert,
so sind zm- Hervorbringung der bei der Anlegung des Gutes
1200 c
verzehrten Lebensmittel ^^^ = 60 andere Arbeiter er-
20 c
forderlich.
Die Schaffung des Gutes kostet also die Jahresarbeit von
12 -f 60 = 72 M.
Von dem Arbeitsprodukt des das Feld bestellenden
Tagelöhners 300 c,
geht dessen Arbeitslohn ab mit 120 c.
Die Rente dieses Gutsteils beträgt also . . . 180 c.
547 —
Diese Rente unter 72 Mann verteilt, gibt für einen kapital-
. , . 180 c ^ ^ ^
«rzeugenclen Arbeiter „,-, = i,5 c Kente.
Zweitens sei y = 50 c.
Zur Erzeugung der 1200 c bei der Anlegung des Gutes
1200
verzehrten Lebensmittel sind dann
50
= 24 M. erforderlich.
Die Schaffung des Gutes kostet dann nur 12 -f- 24' =
36 J. A. Die Rente von dem Gutsteil beträgt
300 — 150 = 150 c. Diese unter 36 M. verteilt, gibt für
150 c
jeden kapitalerzeugenden Arbeiter
36
4,iG c Rente.
In nachstehender Tabelle sind die Resultate dieser Be-
rechnung für mehrere Werte von y zusammengestellt.
152
>>*
Bei der An-
•^ legung des
S Gutes sind
beschäftigt
von
120 c
12
150 c
12
180 c
12
210 c
12
240 c
12
270 c
12
300c
12
Zur Erzeugung der
verzehrten Lebens-
mittel sind er-
forderlich
Summe
der
kap. erz.
Arbeiter
aq
M.
q (a -{- y)
Die
Gutsrente
beträgt
p — (a + y)
Ein kap. erz.
Arbeiter
erwirbt Rente
(p — [a-f y])y
q (a -I- y)
1200
20
1200
50
1200
80
1200
110
1200
140
1200 _ „
T7Ö ~~ ^'"^
1200
^00 =^
= 60
= 24
- 15
= 10.9
= 8..
72
36
27
22,0
20,.„
19,06
18
180 c
150 c
120 c
90 c
60 c
30 c
0
2,50 c
4,16 c
4,44 C
3,91 0
2,9. c
1,57 (-*
0
35*
— 548 —
Mit dem "Wachsen des Arbeitslolius und des damit ver-
bundenen größeren Überschusses nimmt die Zahl der zur
Schaffung des Gutes erforderlichen Ai-beiter ab, weil dann
die bei der Anlegung des Gutes verzehrten Lebensmittel durch
eine geringere Zahl von Arbeitern erzeugt werden. Die.
Xapitalerzeugung selbst wird also wohlfeilei'. Mit der Steige-
rung des Lohns nimmt aber gleichzeitig die Gutsrente ab,
weil der das Feld bestellende Tagelöhner dann einen größeren
Teil von seinem Arbeitserzeugnis erhält.
Es zeigt sich hier deshalb, daß die Rente des kapital-
erzeugenden Arbeiters zwar anfangs mit dem Lohn wächst,
bei weiterer Steigerung des Lohnes aber wieder fällt imd
sogar Xull wird, wenn der Ai'beitslohn das ganze Produkt
hinwegnimmt.
Die ungemessene Steigerung des Lohnes liegt also keines-
wegs im Interesse der kapitalerzeugenden Arbeiter.
153 Aus dem anfänglichen Steigen der auf einen Mann
fallenden Reute beim '\\"achsen des Ai'beitslohns und dem
nachherigen Fallen der Rente bei ferner wachsendem Lohn
ergibt sich, daß es eine Höhe des Arbeitslohns gibt, bei
welcher die Rente das Maximum erreicht.
Durch fortgesetztes Probieren ließe sich dieser Punkt
annähernd, jedoch nur selten mit absoluter Genauigkeit finden.
"Wenn aber auch letzteres der Fall wäi'e, so würde man doch
das hier waltende Gesetz nicht daraus erkennen, und man
vs'ürde bei veränderten Zahlenverhältnissen dieselbe Rechnung
immer aufs neue vollführen müssen.
Die Differentialrechnung bietet aber das Mittel dar,
nicht bloß die Aufgabe mit mathematischer Genauigkeit zu
lösen, sondern auch für den hier gesuchten Arbeitslohn einen
Ausdruck zu finden, der für alle und jede Zahlenverhältnisse
gültig ist und der somit das Gesetz selbst offenbart.
— 549 —
Die Rente des kapitalerzeugeuden Arbeiters ist
_ (p — [a + y])y
q (a + y)
Bei welchem Wert von y erreicht diese Funktion das
Maximum ihres Werts?
Um diesen Wert von y zu finden, muß bekanntlich die
Funktion in bezug auf y diiTerenziert, und das Differential
= 0 gesetzt werden.
^ /(P— [a+y])n ^ j| (py — ay — y^)
V q(a + y) / q(a + y)
= q [a + yj (P — a — 2 y) dy — (py — ay — y-j qdy = 0
also : (a 4" y) (P — a — 2 y) = py — ay — y-
ap — a- — 2ay -{- py — ay — 2y- = py — ay — y-
ap — a- — 2ay — 2y- = — y-
y- -|- 2ay = ap — a-
-|J a^ = + a^ 154
(a + y) ^ = ap
a -f- y = 1 ap
Diesen, nicht aus dem Verhältnis zwischen
Angebot und Nachfrage entspringenden, nicht
nach dem Bedürfnis des Arbeiters abgemessenen,
sondern aus der freien Selbstbestimmung der
Arbeiter hervorgehenden Lohn I ap nenne ich
den naturgemäßen oder auch, den natürlichen
Arbeitslohn.
In Worten ausgedrückt sagt diese Formel: der natur-
gemäße Arbeitslohn wird gefunden, wenn man die not-
wendigen Bedürfnisse des Arbeiters (in Korn oder Geld
ausgesprochen) mit dem Erzeugnis seiner Arbeit (durch das-
selbe Maß gemessen) multipliziert und hieraus die Quadrat-
wurzel zieht.
Da a: 1 ap = ] ap : p
so ist der naturgemäße Arbeitslohn die mittlere Proportional-
— 550 —
zahl zwischen dem Bedürfnis des Arbeiters und seinem
Arbeitsprodukt, d. i. der Lohn übersteigt das Bedürfnis io
demselben Maße, wie das Erzeugnis den Lohn übersteigt.
Beispiel in Zahlen:
Es sei a = 100c, p = 3a = 300c, q = 12,
so ist Vap = y 30 000 c^ = 173,2 c.
Die Rente ist dann 300 — 173,2 = 126,8.
12 X 173 2
Zur Kapitalerzeugung gehören ^ö ^ = -8,39 M.
Die Rente von 126,s unter 28,3o M. verteilt gibt für
1 M . . . 4,4064.
Da für den Arbeitslohn 173,2 = Vap die Rente des
kapitalerzeugenden Arbeiters das Maximum erreichen soll, so
muß sowohl für den Lohn von 174 als von 172 diese Rente
geringer sein als die hier gefundene.
155 Probe. 1. Es sei der Lohn = 174
so ist die Rente 300 — 174 = 126;
zur Kapitalerzeugung sind erforderlich:
12 X 174
^ = 28,22 M. ; diese erlangen eine Rente von 126.
126
Auf einen Mann fällt eine Rente von 773 — = 4,4645
28,22 '
2. Es sei der Lohn = 172.
Die Rente beträgt dann 300 — 172 = 128 ;
die Schaffung des Gutes kostet die Arbeit von
12 X 172
72
= 28,C7 M.
128
Auf 1 M. fällt eine Rente von -55 — = 4,4646.
28,67 '
— 551 —
§ 16.
Bei welchem Zinsfufs erlangt der Lohnarbeiter für
seinen Überschufs den höchsten Betrag an Zinsen?
DieEente dividiert durch das Kapital, wo-
raus diese entsprungen ist, ergibt den Zinssatz,
Die Rente von dem Gutsteil, den wir hier vor Augen
haben, beträgt p — (a -[- j) Schfl.
Das in diesem Grutsteil enthaltene Kapital beträgt q J. A.,
welche bei dem Lohn von a -|- y = <! (a + y) Scheffel sind.
Der Zinsfuß z ist demnach = - — ,
q (a + y)
Aus z=P-^V^f) folgt
•1 (a + y)
qz (a 4- y) = p — (a + j)
(1 4- qz) (a + y) = p,
und a -f- y = ^j — 1~ — wie auch schon § 13 gezeigt ist.
Der Überschuß y ist also q — ; — a. 156
1 -\- qz
Beim Ausleihen gibt dieser Überschuß einen Zinsenbetrag
pz
von yz = -z — ^j — az.
1 -}- cp
Bei welchem Wert von z erreicht nun diese Funktion
ihr Maximum?
Das Differential dieser Funktion gleich Null gesetzt, gibt
(1 + qz) pdz-pqzd^ _ ^^^^ _
(1 + qz)-'
also p -f- Piz — • pqz ^ a (1 -f- '[z)^
(l+qz2) = -P^; 1 + qz = V-^
^ a a '
t 1 V ^ Vap — a
folglich z = ~
ap
FinO —
Diesen Wert von z in a + v = -z — \ gesetzt,
' " 1 -|- qz ° '
gibt a 4" y = —
, 1 ap — a ap
1 -\ = — j-i- — = 1 ap
' a a -j- ] ap — a ^
Also bezieht der Lohnarbeiter für seinen Überschuß die
höchsten Zinsen, wenn der Arbeitslohn = l ap ist, und sein
Interesse fällt demnach mit dem des kapitalerzeugenden
Arbeiters zusammen.
Beispiel in Zahlen. Für p = 3a = 300c
und q ^=12, sei
1. y = 80e,
p — (a + y) 120 1 ^ „,
^° ''' ' = -jw^rr = i2xm =18- ^^'''^''
i57 Für den Überschuß y = 80 erfolgen dann an Zinsen
80 X 0,0555 = 4,44.
2. y = Vap — a = 73,2.
300 — 173,2 126,s , „,
= 0,1 ",0.
7,29 ''/O.
Das Verhältnis zwischen Arbeitslohn und Zinsfuß kommt
uns aber noch unter anderen Formen zur Anschauung, imd
wir dürfen uns bei dem hier gefundenen Resultat nicht
beruhigen, dasselbe nicht für erwiesene Wahrheit halten,
ehe wir die Überzeugung gewonnen, daß die von anderen
Standpunkten ausgehenden Betrachtungen kein Resultat
liefern, was dem hier gefundenen widerstrebt. Wir müssen
deshalb, ehe wir weiter gehen, uns dieser ernsten Unter-
suchung zuwenden.
z ist dann =
12 X 173,2
2078,4
yz = 73,2 X 0.061
ist dann =
4,4(55.
3. y = 60.
z ist dann =
300 — 160
12 X 160
140
~ 1920 "
yz = 60 X 0,0720
= 4,37.
— 553 —
§ 17.
Das Kapital als Arbeit ersetzend.
Gesetzt, es sei auf einem Gute ein Torfmoor vorhanden,
aus welchem in jedem Jahr das Wasser geschöpft werden
muß, um Torf stechen zu können, und dies Wasserschöpfen
erfordere die Jahresarbeit eines Mannes.
Wird hier nun ein Kanal gezogen, durch welchen das
Torfmoor entwässert wird: so ersetzt das auf die Anlegung
des Kanals verwandte Kapital die jährlich wiederkehrende
Arbeit eines Mannes.
Hier wird also durch das Kapital geradezu Arbeit er- 158
spart; das Kapital verrichtet jetzt die Arbeit, die sonst von
einem Mann verrichtet wurde.
Hatte die Grabung des Kanals z. B 20 J. A. erfordert,
so verzinst sich das angelegte Kapital mit 5 %.
Die Kapitalnutzung spricht sich hier nicht in Scheffel
Roggen oder Taler Geld, sondern in Jahresarbeiten aus.
Der sich hier ergebende Zinssatz ist unabhängig von der
Höhe des Arbeitslohns, und unabhängig von der Fruchtbar-
keit des Bodens und der damit in Yerbindung stehenden
Größe des Arbeitsprodukts.
Zeigen sich hier nun Arbeitslohn und Arbeitsprodukt
als einflußlos auf den Zinssatz, so muß dies zu der Frage
führen, ob für die Bildung des Zinsfußes nicht noch ganz
andere Bestimmungsgründe vorhanden sind als die, welche
wir bisher in Betracht gezogen haben.
Es gibt beim Landbau viele Meliorationen und Opei'a-
tionen, wobei durch eine Kapitalanlage an jährlich wieder-
kehrender Arbeit erspart werden kann: so z. B. durch Er-
richtung von Scheunen statt der Kornfeimen, durch Weg-
räumung von Steinen, die das Ackern erschweren, durch
Anschaffung von Dreschmaschinen usw. Aber diese Opera-
tionen bezahlen sich nicht alle crleich hoch. Während es
— 554 —
einige geben tann, wo die jälirlich wiederkehrende Arbeit
eines Mannes schon durch eine Kapitalanlage von 10 J. A.
ersetzt \vird, gibt es andere, wo dieser Effekt erst aus der
Kapitalverwendung von 20, 30 oder gar 50 J. A. hervorgeht.
Es fragt sich also, wo der Landwirt auf dieser Stufen-
leiter der Meliorationen inne halten, welche er, seinem In-
teresse folgend, unternehmen, welche er unterlassen muß.
Die Antwort ist: er wird mit Yorteil alle Meliorationen
unternehmen, bei welchen der Effekt, verglichen mit der
159 Kapitalanlage , größer ist als der Zinssatz, zu welchem er
Kapital angeliehen erhalten kann. Ist dieser Zinssatz z. B.
5 ^lo , so wird er alle MeKorationen ausführen , bei welchen
die jährliche Arbeit eines Mannes durch die Kapitalanlage
von 15, 16, 17, 18, 19 J. A. ersetzt wird; aber er wird die-
jenigen unterlassen, bei welchen er zur Erreichung dieses
Effekts 21, 22, 23 u. s. f. J. A. aufwenden muß.
Diese Verwendung des Kapitals setzt also die Kenntnis
des Zinssatzes schon voraus — und es ergibt sich, daß die
Bildungsstätte des Zinsfußes nicht hier, sondern anderswo
gesucht werden muß.
Das Kapital hat einerseits die Eigenschaft, Arbeit zu
ersetzen, Und andererseits ist das Kapital das Erzeugnis
menschlicher Arbeit. Wie ist in dieser Wechselwirkung
Einheit und Klarheit zu finden?
Um die Lösung dieser Aufgabe zu versuchen , bringen
wir die Arbeitser sparung durch das Kapital in Verbindung
mit der Kapitalerzeugung durch Arbeit.
Gesetzt, die Kapitalanlage von k J. A. ersetze die jähr-
lich wiederkehrende Arbeit eines Mannes. Das Gut, dessen
Bestellung sonst n Arbeiter erforderte, wovon jeder mit einem
Kapital von q J. A. arbeitet, kann nach der Vermehrung des
Kapitals um k J. A. einen Tagelöhner entbehren, wodurch
am Lohn a -j- y Scheffel erspart werden. Die gesamte
Kapitalanlage ist dann ni| -j- k J. A. Das Gesamtprodukt,
— 000 —
welches für n Arbeiter np Scheftel betrug, bleibt unver-
ändert = np.
Die Gutsrente beträgt dann np — (n — 1) (a -[- y) 5 diese
mit dem Kapital = (nq -|- k) (a -j- y) dividiert,
gibt den Zinssatz z = -^ ■ , . , — , '
(nq + k) (a + y)
Die Rente des kapitalerzeugenden Arbeiters ist = yz.
T. , (a (p — [a + v]) ) y
Früher war vz = -^^-^ l -p . j; /^ _ ^g^
nq (a + y)
(p_[a-f-y])y
q (a + y)
Da hier die Frage ist, wie groß k sein muß, wenn die
Ersetzung der menschlichen Arbeit durch das Kapital weder
Vorteil noch Nachteil bringen soll, so müssen wir beide
Werte von yz gleich setzen. Dies gibt
(p — [a4-y])y ^ (np— [n -1] [a + y|)y_
Ci (a + y) (nq + k) (a + y) '
also npq — nq (a -\- y) + ^P — ^ (a + y)
= npq — nq (a -f y) + '1 i^ + y)-
Demnach ist kp — k (a -[- y) ^= 1 (a -|- y) ;
q (a + y)
also k =
Nun ist aber z =
p — (a + y)
P — (a + y)
q (a + y)
und folglich k = — . Wir erhalten hier also Avieder das
schon in § 13 gefundene Resultat, nämlich: Der Zinsfuß
z zeigt das Verhältnis an, in welchem die Leis-
tung von 1 J. A. Kapital zu einer sich wieder-
holenden Jahresarbeit steht.
Während es bei der Anlage des Kanals den Anschein
hatte, als sei es gleichgültig, ob der Arbeitslohn hoch oder
niedrig, der Boden fruchtbar oder uu fruchtbar ist, indem
dieselbe Melioration immer dieselben Prozente trägt, ergibt
— 556 —
es sich jetzt ans der Gleichung k = , ' ." — : = —
^ ^ p — (a + y) z
daß k sowohl von p als von y abhängig ist, und daß es
von der Höhe des durch p, j und q bestimmten Zinsfußes
abhängt, wie w^eit die auf Arbeitsersparung gerichtete Me-
lioration mit Nutzen getrieben werden l^ann.
161 Bei der Anlegung eines neuen Gutes erheischt es das
Interesse der kapitalerzeugenden Arbeiter, die Zahl der an-
zustellenden Lohnarbeiter soweit zu vermehren, bis das durch
den zuletzt angestellten Arbeiter hervorgebrachte Mehr-
erzeugnis durch den Lohn, den derselbe erhält, absorbiert
wird. Ebenso liegt es im Interesse der kapitalerzeugenden
Arbeiter, die Kapitalanlage so hoch zu steigern, bis aus der
Kapitalvermehrung keine erhöhte Rente für sie mehr her-
vorgeht. Da aber ein Teil der Arbeiter durch Kapital, und
umgekehrt ein Teil Kapital durch mehr angestellte Arbeiter
ersetzt werden kann: so müssen auf der Grenze, bis zu
welcher Kapital und Arbeit mit Nutzen zu verwenden sind,
die Kosten der Arbeit durch die Menschen im Gleichgewicht
sein mit den Kosten der Arbeit durch das Kapital — und
dieses Gleichgewicht findet statt, wenn k = — ist.
Für q = 12, p = 300 c, und y = 73,2 c haben wir im
vorigen Paragraphen z = 6,i ^/o gefunden. Alsdann ist k =
— = -7^ = 16,1. In diesem Fall sind alle Meliorationen,
Z 0,061 ' '
bei welchen durch die Kapitalanlage von 12, 14, 15 bis I6.4
J. A. die Arbeit eines Mannes erspart wird, vorteOhaft und
müssen konsequenterweise schon bei der Anlegung des Gutes
vollführt werden. Die Kosten dieser Meliorationen sind also
schon in dem Anlagekapital des Gutes = nq J. A. enthalten.
Dagegen würden Meliorationen, bei w^elchen die Arbeit eines
Mannes erst durch die Kapitalanlage von 17, is J. A. ersetzt
wird, die Rente der kapitalerzeugenden Arbeiter vermindern.
I
Wir haben durch unsere Untersuchungen das Resultat
erlangt, daß wenn das schon vorhandene Kapital nq um
k J. A. vermehrt wird , dann dasselbe Gesamtprodukt np,
zu dessen Hervorbringung früher n Arbeiter erforderlich 162
waren, durch n — 1 Arbeiter erzeugt wird.
Das Kapital von k J. A., verbunden mit dem durch
den Austritt des einen Arbeiters frei gewordenen Kapital
von q J. A. liefert demnach ein Erzeugnis von p Scheffeln,
gleich dem Erzeugnis eines mit einem Kapital von q J. A.
versehenen Arbeiters,
Aus 1 J. A. Kai^ital geht also ein Produkt von ^ !
Scheffel hervor.
Hier erscheint das Kapital selbst als Arbeiter. Indessen
ist das Kapital an sich ein totes und kann nur durch die
Hand des Menschen wirksam werden; aber indem es die
Wirksamkeit des Menschen erhöht, erscheint es als Mitarbeiter.
In diesem Sinn ist es zu nehmen, wenn hier und in
der Folge von der Arbeit des Kapitals die Rede ist.
§ 18.
Die Nutzung des zuletzt angelegten Kapital-
teilchens bestimmt die Höhe des Zinsfusses.
In unseren früheren Untersuchungen über die Entstehung
des Kapitals findet sich die Begründung dieses Satzes. Auch
ist dort nachgewiesen, daß bei der Erhöhung der Kapital-
anlage jedes später angelegte Kapital eine geringere Nutzung
abwirft als das früher angelegte.
Die Nutzung des zuletzt angelegten Kaj)itals spricht sich
in dem Zuwachs aus, den das Arbeitsprodukt des Mannes,,
der mit Hilfe dieses Kapitals arbeitet, erhält.
— 558 — .
Die Steigerung des relativen Nationalkapitals erfolgt
nicht sprungweise, z. B. von 6 auf 7 J. A., sondern ist ein
stetiges, alle Zwischenräume durchlaufendes Wachsen.
163 Es folgt hieraus, daß wir das zuletzt entstandene und
angelegte Kapitalteilchen, durch dessen Nutzung der
Zinsfuß bestimmt werden soll, sehr klein — genau genommen,
unendlich klein — annehmen müssen.
Diesem gemäß teilen wir das Kapital von 1 J. A. in
n Teile — wo n jede, also auch eine sehr große Zahl be-
deuten kann — und betrachten den Zuwachs des Kapitals
um — J. A. als dasjenige Kapitalteilchen , durch dessen
Verhältnis zum Zuwachs des Arbeitsprodukts eines Mannes
der Zinsfuß reguliert wird.
Bei der Anwendung eines Kapitals
von ({ J. A. sei das Arbeitsprodukt p
von ([-i J. A V-7-ß.
Letzteres vom ersteren abgezogen , gibt für — J. A.
Kapital den Zuwachs zum Arbeitsprodukt = ß.
■ — J. A. Kapital gibt eine Rente von ,5, und da sich
nach dieser Rente die des ganzen Kapitals richtet, so ist die
für 1. J. A. Kapital zu zahlende Rente = nß- Setzen wir
nun n/5 = «, so ist die für das ganze Kapital von q J. A. zu
zahlende Rente = «q.
Unter p verstehen wir, wie in den Voraussetzungen
ausführlich erörtert ist, den Teil des Gesamtprodukts, der
nach Abzug aller mit dem Gewerbsbetrieb verbundenen
Kosten, sowie der Administrationskosten und des Gewerbs-
profits — übrig bleibt, und zwischen Kapitalisten und
Arbeiter zur Verteilung kommt.
— 559 —
Der Arbeiter, welcher mit einem gelielienen Kapital von
q J. A. operiert, bringt ein Erzeugnis hervor von . . p
Davon hat er an Zinsen zu zahlen «("i
für seine Arbeit verbleibt ihm p— «q.
Wir erhalten dadurch für den Ai-beitslohn den neuen
Ausdruck A = p — «q.
Bei dem Lohn von p — «q hat das Kapital p den Wert 164
von q (p — «q) Scheffel. Die Eente , die dies Kapital ab-
wirft, beträgt «q Scheffel. Die Rente, dividiert durch das
Kapital, ergibt den Zinsfuß.
an «
Demnach ist z = — , ^, =
q(p— «q) p — «q
Hier haben wir zu untersuchen, ob die beiden Methoden,
wonach wir 1. den Arbeitslohn = ] ap, und
9
= p— «q
gefunden haben, miteinander im Einklang oder im AVider-
spruch stehen.
Bei der Untersuchung über die Schaffung eines neuen
Gutes durch Arbeit betrachteten wir q und p (Kapital und
Produkt) als gegebene Größen und fragten nur, wie hoch
der Arbeitslohn sein müsse, damit für diese Werte von
q und p der kapitalerzeugende Arbeiter das Maximum der
Rente erlange — und indem wir dort von dem Verhältnis,
worin q und p zueinander stehen mögen, abstrahierten und
beide mit Kalkül als konstante Größen behandelten, haben
wir in Vap einen Ausdruck für den Arbeitslohn erhalten,
der für jeden AVert von q und p gültig ist, so daß für den
Arbeitlohn Vap immer die höchste Rente erfolgt, welches
Verhältnis auch zwischen q und p stattfindet, welchen Wert
auch jeder dieser Buchstaben repräsentieren mag.
Auch ist q in dem Ausdruck für den Arbeitslohn = l'ap
ganz verschwunden. Dagegen erhält q in dem Ausdruck für
den Zinsfuß = — seine Bedeutung wieder.
— 560 —
Da aber mit dem Wert von q der Wert von p steigt
und fällt, so ist auch der Arbeitslohn i'ap abhängig von
der Größe von q.
165 Wenn nun gleich die Rente des kapitalerzeugenden
Arbeiters für jeden Wert von q das Maximum erreicht, wenn
der Arbeitslohn den AVert von Vap erlangt, so ist doch dies
Maximum ein Bedingtes, indem sich mit der Änderung von
q auch der Betrag der Rente ändert.
Nun können wir, auch ohne die Grleichung zwischen q
und p zu kennen, wissen, daß dieser Rentenbetrag nicht mit
q ins Ungemessene steigt. Denn sonst müßte es vorteil-
hafter sein, auf einem schon vorhandenen Gut das Kapital,
womit ein Mann arbeitet, auf 100 ja 1000 J. A. zu steigern,
als ein neues Gut anzulegen — was offenbar nicht der
Fall ist.
Es muß also auch dann, wenn der Arbeitslohn stets
= Vap bleibt, beim zunehmenden Wert von q einen Punkt
geben, bis zu welchem die Rente des kapitalerzeugenden
Arbeiters steigt, dann aber wieder fällt — und erst bei diesem
Punkt findet das unbedingte Maximum der Rente statt.
Bei der Anlegung eines neuen Gutes ist es in die Willkür
der kapitalerzeugenden Arbeiter gestellt, welche Größe sie
dem relativen Kapital q geben wollen. Hier können sie kein
anderes Ziel haben, als die höchste Belohnung ihrer Arbeit
in einer Rente. Das Maximum der Rente wird also auch
Bestimmungsgrund für die Größe von q.
Unserer Untersuchung über die Kapitalerzeugung durch
Anlegung neuer Güter liegt die Annahme zu gründe, daß
die Arbeiter den ])raktischen Sinn haben, zu wissen, welche
Größe von <[ ihnen am vorteilhaftesten ist — und unter
dieser Voraussetzung ist ([ eine bestimmte, unveränderliche
Größe, und die Rente, die sich dann für den Arbeitslohn
von Vap ergibt, ist das unbedingte Maximum.
Theoretisch ist aber diese Aufgabe durch unsere bis-
— 561 —
herigen Untersuchungen nicht gelöst, und zur vollständigen
Lösung derselben gehört auch die Kenntnis der Gleichung 166
zwischen q, p und «.
In Ermangelung dieser Kenntnis können wir indessen
der Lösung näher kommen, wenn wir « als variabel, p und q
aber als konstaut betrachten, und durch den Kalkül erforschen,
in welchem Yerhältnis « zu q und p stehen muß, wenn die
Arbeitsrente die höchste sein soll.
Der Arbeitslohn a -j- y ist = p — «q
Der Überschuß y ^= p — «q— a
a
Der Zinsfuß z =
p— «q
(p — «0 — a)«
Die Arbeitsreute vz also =
p— «q
Bei welchem Wert von « erreicht nun die Arbeitsrente
das Maximum?
(p — «q — a) «
Die Funktion in bezug auf « differenziert
p — «q ^
imd das Differential gleich Null gesetzt, ergibt
(p — «q) (p — 2«q — a) d« -|- ('^^P — "■'! — "■^) qcl" = 0
also p- — «pq -f- 2«2q- — ap -j" "^'i
-2«pq
-[-«pq — «^q" — «aq
p-— 2«pq -|- «-q- — ap ^ U
(p_«q)2 = ap
p— «q = Vap
Beim Maximum der Arbeitsrente ist also gleichzeitig
der Arbeitslohn = p — «q und auch gleich > ap.
"Wie abweichend auch der Arbeitslohn p — «q von dem
= jap bei den verschiedenen Werten von q sein mag, so
fallen sie doch zusammen, wenn q die Höhe erlangt, bei
welchem die Arbeitsrente das Maximum erreicht.
Thünen, Der isolierte Staat. 36
562 —
167
Beispiel in Zahlen auf Grundlage der Tabelle B.
Für das
ist das
Arbeits-
produkt
Der Arbeitslohn
Die Arbeitsreute,
Kapital
entweder
oder
Avenn der Lohn
q
P
p— «q
Vap
p— «q ] ap
6 J. A.
223,2 c
116,, c
149,4 c
2,51 e ' 4,07 c
7 J. A.
239,2
127,2
154.,
3,43 4-27
8 J. A.
253^6
138,4
159,2
3,96 4.3 g
'9 J. A.
266,e
149,6
163,3
4,31 4,4,,
10 J. A.
278.3
161,3
166 8
4.4. 4.4«
11 J. A.
288.S
173,3
170.0
4,45 4.45
12 J. A.
298,3
181,3
172,,
4,35 4,41
168
Au.s der Yergleichung der Resultate, die die beiden
Formeln p — «q und ] ap liefern, ergibt sich :
1. daß bei den niederen Graden der Kapitalanlage so-
wolil Arbeitslohn als Arbeitsrente nach der letzteren
bedeutend hoher sind als nach der ersteren ;
2. daß diese Differenz abnimmt, wenn die KaiJitalanlage
steigt ;
3. daß in diesem Beispiel die Arbeitsreute, nach beiden
Formeln berechnet, gleich wird bei einer Kapital-
anlage, die zwischen 10 imd. 11 J. A. fällt;
4. daß, wenn diese Gleichheit stattfindet, der Arbeits-
lohn p — «q gleich Vap ist;
'). daß, wenn das Kapital über diesen Punkt hinaus
wächst, die Arbeitsrente sowohl nach der einen als
nach der anderen Formel wieder abnimmt;
6. daß die Arbeitsrente bei dem Lohn p — «q, wenn
dieser größer oder kleiner ist als >ap, stets kleiner
ist , als bei dem Lohn von l ap , und daß , wenn wir
uns q als stetig wachsend denken, es nur einen ]\Io-
ment gibt, wo beide Formeln gleiche Arbeitsrente
geben, nämlich dann, wenn p — «q = Vap ist.
— 563 —
Wir haben jetzt zu untersuchen, wie und wodurch die
Ausgleichung zwischen den beiden Bestimmungsgründen für
den Arbeitslohn hervorgerufen und bewirkt wird, und da-
durch uns den Weg zur Bestimmung der Höhe des relativen,
d. i. des auf einen Arbeiter im Durchschnitt fallenden Kapitals,
zu bahnen.
Um dies anschaulicher zu machen, wollen wir zuvörderst
ein Beispiel in Zahlen geben.
Da wir erst später den Versuch machen können, eine
Skala zu entwerfen, die für unsere europäischen Zustände
das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeitsprodukt darstellt,
so müssen wir unsere Beispiele wiederum der Tabelle B,
entnehmen, obgleich die darin aufgestellte Skala erst einzelnen
Bedingungen Genüge leistet und nicht alle Anforderungen,
die an eine solche Skala gemacht werden müssen, befriedigt.
Ein hier in Betracht kommender Mangel der Tabelle ß.
ist, daß darin a nicht durch die Differenz im Arbeitsprodukt
von zwei naheliegenden Kapitalteilchen, sondern von zwei
um eine ganze Jahresarbeit auseinander liegenden Kapitalen
gefunden wird.
Nach der Methode, die Rente aus der Nutzung des
zuletzt angelegten Kapitals zu berechnen — welche wir die
erste Methode nennen wollen — ist laut Tabelle B.
für das Kapital q = G J. A.
das Produkt p = 223,2 c
der Zuwachs «, den das Produkt durch
das letzte Kapital erhalten hat . . . = 17,8 c
der Arbeitslohn p — «i| = llG.i c
«
der Zinsfuß = 15,:; '^/o igg
p — «q ' ^""^
die Rente des Arbeiters = 2,5i c.
Nach der zweiten Methode ist
für q = 6 und p = 223.2 c:
der Arbeitslohn ] ap = 149.4 c
36*
— 564 —
der Zinsfuß '- = 8,23 ^lo
ap '
die Rente des Arbeiters = 4,07 c.
Hier sind also, nach der zweiten Methode berechnet,
Lohn und Rente des Arbeiters beträchtlich höher, der Zins-
fuß aber viel niedriger als nach der ersten Methode.
Denken wir uns nun, daß das relative Nationalkapital
so gering ist, daß auf einen Arbeiter nur 6 J. A. Kapital
kommen, und nehmen wir ferner an, daß die kapitalerzeugeu-
den Arbeiter bei der Gründung des Guts anfänglich eben-
falls nur eine Kapitalanlage von 6 J. A. auf den von einem
Arbeiter zu bestellenden Gutsteil verwenden, so wird, da
die Arbeiter durch die Kapitalschaffung die Bestimmung
des Lohns in ihrer Macht haben, und der Lohn ] ap für sie
der vorteilhafteste ist, der Arbeitslohn von 116,4 c auf 149,4 c
steigen und der Zinsfuß, zum großen Nachteil für die älteren
Güter, von 15.3 auf 8,23 % herabsinken.
Bei einer so geringen Kapitalanlage können aber nur
Gebäude von geringer Haltbarkeit aufgeführt werden, ihre
Reparatur und Wiederherstellung nimmt einen großen Teil
der Zeit des den Acker bestellenden Arbeiters hinweg und
vermindert sein Arbeitserzeugnis; es kann ferner für ein so
geringes Kapital nur sclilechtes Ackergerät und Vieh von
geringer Güte angeschafft werden, wodurch die Arbeit an
Produktivität gar sehr verliert.
170 Eine Erhöhung der Kapitalanlage von 6 auf 7 J. A. muß
also das Arbeitserzeugnis des das Feld bestellenden Lohn-
arbeiters wesentlich erhöhen. Nach der Tabelle beträgt der
Zuwachs «, den das Produkt dadurch erlangt, 16 c.
Nun ist es ganz und gar in die Willkür der kapital-
erzeugenden Arbeiter gestellt, ob sie nach Vollendung des
1. Guts ein 2. Gut anlegen, oder ob sie auf dem ersten Gut
das Kapital vermehren wollen. Ihr eigenes Interesse wird
— 565 —
sie hierin leiten, und so kommt es zur Frage, was am vor-
teilhaftesten für sie ist.
Die Schaffung eines Kapitals von 1 J. A. erfordert
a -1- V
" jährliche Arbeiten eines ilannes, oder die Arbeit von
a + V
' Mann auf ein Jahr. Dies Kapital von 1. J. A.
bringt eine Rente von «. Bei der Kapital Schaffung Avird also
die Jahresarbeit eines Mannes gelohnt mit einer Rente von
— -f- . In dem vorliegenden Fall ist « = IG c, a -|- y
16 X 49 4
= 149a und y = 49,i c. Dies gibt — ^äq — ^ ^ •"';'*- ^•
Bei der Schaffung eines neu hinzukommenden Kapitals
erwirbt also der Arbeiter eine Rente von 5,42 c, während er
durch Anlegung eines 2. Guts mit 6 J. A. Kapital auf jeden
Lohnarbeiter nur 4,07 c Rente erwerben würde.
Die Erhöhung des Kapitals auf dem schon bestehenden
Gut zeigt sich also viel vorteilhafter als die Anlegung eines
2. Guts.
Da wir das, was allgemein vorteilhaft ist, auch als zur
Verwirklichung gelangend betrachten müssen, so wird die
Erhöhung des Kapitals von 6 auf 7 J. A. auch eine dem
vergrößerten Arbeitsprodukt entsprechende Erhöhung des 171
Arbeitslohns zur Folge haben.
Für r] = 7 ist p = 239,2 c
der Arbeitslohn Vap also l 2392<) = 154,7 c
der Zmsfuß = <,si "/o.
aq '
Die Rente des Arbeiters = 4,27 c.
Durch die Anlegung eines 2. Guts mit 7 J. A. Kapital
auf jeden Lohnarbeiter erwirbt der kapitalerzeugende Arbeiter
also eine Rente von 4.2? c. Hier kommt es aber wieder zur
Frage, ob es für ihn nicht vorteilhafter ist, seine Arbeit auf
— 566 — •
die Vermehrung des Kapitals auf dem schon bestehenden
Gut zu verwenden.
Für q = 8 beträgt p 2r)3,(: c
q = 7 „ p 239,2 c.
Der Zuwachs «, den das Arbeitsprodukt durch die Er-
höhung des Kapitals von 7 auf 8 J. A. erhält, beträgt dem-
nach 14,4 c.
Durch die Jahresarbeit von —^ — = — — M. wird
y 1 ap — a
das Kapital von 1 J. A. hervorgebracht. Für 1 ap ^ 154,7 c
ist — = ' '' = 2,83. Die Rente « = 14,4 c wird
1 ap — a o4,7 '
also durch die Arbeit von 2,S3 M. erworben; dies beträgt
für 1 M. 5,0'.t c.
Dieselbe Arbeit, welche auf die Gründung eines 2. Guts
verwendet, mit 4,2t c Rente gelohnt wird, macht sich durch
Vermehrung des Kapitals auf dem schon vorhandenen Gut
mit 5,ort c Rente bezahlt. Die A^'erwendung der Arbeit zu
letzterem Zweck zeigt sich also abermals vorteilhaft.
Aber diese mit Vorteil verbundene Steigerung des
Kapitals kann nicht ins Unendliche gehen, sondern muß
eine Grenze haben.
172 Wo ist die Grenze, und wie ist sie zu bestimmen?
Bei der Gründung eines neuen Gutes erwirbt der kapital-
erzeugende Arbeiter eine Rente von -, — ] — ^-^^. Setzt
^ q (a -f y)
man hier }'ap für a -\- y, so verwandelt sich diese Formel in
(p — 1 ap) (1 ap — a) p ] ap — 2ap -\- a Vap
q 1 ap p ) ap
_ (p — 2 I ap -f- a) Vap _ ap — 2a 1 ap -|- a-
q Vap aq
_ (V'ap — a)^
aq
— i)67 —
Bei der Termeliruug des relativen, auf einen Arbeiter
fallenden Kapitals erwirbt der kapitalerzengende Arbeiter eine
«y « (l ap — a)
Rente von
a-{-y Tap
c 1 " (Vap — a) . (lap — a)-
Solange nun -^^ großer ist als , so-
^ Vap ^ aq '
lange muß auch die Yermehrung des relativen Kapitals
vorteilhafter sein als der Anbau bisher unkultivierter Felder.
w 1 1 (Vap — a)2 «(Vap — a)
Wn-d dagegen ^^ — —^ großer als ^7^ , so
ai[ I ap
wird die Anlegung neuer Güter gewinnbringender als die
Verwendung der Arbeit auf Erhöhung des relativen Kapitals.
Die Arbeit nach beiden Richtungen wird aber gleich
« (jap — a) (l'ap — ap
hoch gelohnt, wenn — ^ — = - — .
* ' I ap aq
Aus dieser Gleichstellung folgt
a«C| = jap (] aj) — a) = ap — a 1 ap;
also «q ^ p — lap,
und p — «q = Vap.
Das hier beobachtete Verfahren kann das Bedenken
erregen und den Einwurf hervorrufen, daß durch die Her-
vorbringung eines neuen Kapitals, bei gleich bleibender
Arbeiterzahl , das relative Nationalkapital erhöht wird, und 173
das hinzukommende Kapital eine geringere Rente als das
früher angelegte bringt, daß also — wie auch aus den in
Zahlen angeführten Beispielen erhellt — für das Kapital von
q -{- 1 J. A. der Zuwachs « kleiner ist als für das Kapital
von q J. A.
Dieser Einwurf würde begründet sein, wenn das relative
Kapital auf einmal um 1 J. A. gesteigert würde. Aber diese
Steigerung erfolgt in kaum merklichen Abstufungen, und
jeder Abstufung folgt eine entsprechende Erhöhung des
Arbeitslohns, die wiederum eine neue Kapitalschaffung vor-
— 568 —
teilhaft macht. Denkt man sieh, daß das hinzukommende
Kapital von 1 J. A. unter n Arbeiter verteilt wird, so steigt
dadurch das relative Kapital von q auf (| -| J. A. Da
nun n jede Zahl, also auch jede beliebig große Zahl be-
deuten kann, so kommt der Zuwachs, den das Arbeitsprodukt
durch die Steigerung des Kapitals von q auf q -| J. A.
erhält, dem Zuwachs durch das vorhergehende Kapitalteilchen,
« a
d. i, ^? = — so nahe als man will ; oder — ist die Grenze
n ' n
der Näherung.
Die Rente von dem unter n Arbeiter verteilten Kapital
von 1 J. A. nähert sich also unendlich dem Wert von «, und
damit nähert sich auch p — «q unendlich dem Wert von Vap.
Die Frage, wie die auf so verschiedenen Wegen ge-
fundenen, ganz verschiedenen Ausdrücke für den Arbeitslohn
miteinander in Emklang zu bringen, und wie die Höhe des
relativen Kapitals zu bestimmen sei, findet nun durch diese
Untersuchung die folgende Lösung.
So lange p — «q kleiner als } ap, ist die Erhöhung des
relativen Kapitals vorteilhafter als die Anlegung neuer Güter.
174 Erst dann, wenn Vap = p— ^''l, <^^- i- wenn q =
geworden, findet das unbedingte Maximum der
Arbeitsrente statt.
Übersteigt q diesen Wert, so sinkt die Arbeitsrente.
Es liegt also im Interesse der Arbeiter, q genau die Größe
zu geben, bei welcher dessen Wert =^ ist, mithin
ist dieser Wert von q Bestimmungsgrund für die Höhe des
relativen Kapitals.
— 569 —
Gar sehr muß ich fürchten, durch die algebraischen
Eechnungen die Geduld mehrerer meiner Leser ermüdet zu
haben; denn mir ist nicht unbekannt, wie lästig und un-
be(j[uem die Buchstaben form ein vielen , selbst manchen Ge-
lehrten sind.
Aber die Anwendung der Mathematik muß
doch da erlaubt werden, wo die Wahrheit ohne
sie nicht gefunden werden kann.
Hätte man in anderen Fächern des Wissens gegen den
mathematischen Kalkül eine solche Abneigung gehabt, wie in
der Landwirtschaft und der Nationalökonomie, so wären wir
jetzt noch in völliger Unwissenheit über die Gesetze des
Himmels ; und die Schiffahrt, die durch die Erweiterung der
Himmelskunde jetzt alle Weltteile miteinander verbindet,
würde sich noch auf die bloße Küstenfahrt beschränken.
§ 19.
Der Arbeitslohn ist gleich dem Mehrerzeugnis,
was durch den, in einem grofsen Betrieb, zuletzt
angestellten Arbeiter hervorgebracht wird.
Denken wir uns einen Güterkomplex, auf welchem mehr
als hundert Arbeiter angestellt sind.
Das Maß von Arbeit, das die Bewirtschaftung dieser 175
Güter erfordert, ist keineswegs eine bestimmte Größe.
Der Acker kann mehr oder minder sorgfältig bestellt,
der Ausdrusch des Korns, das Auflesen der Kartoffeln mehr
oder minder rein beschafft werden — und damit ändert sich
das erforderliche Quantum Arbeit,
Wählen wir hier das Aufnehmen der Kartoffeln als
Beispiel.
Werden bloß die nach dem Ausgraben oder Aushacken
— 570
oben auf liegenden Kartoffeln gesammelt, so kann eine Person
täglich mehr als 30 Berliner Scheffel auflesen. Verlangt
man aber, daß die Erde mit der Handhacke aufgekratzt wird,
um noch mehrere mit Erde bedeckte Kartoffeln zu sammeln,
so sinkt das Arbeitsprodukt einer Person sogleich tief herab.
Je mehr man aber auf das Reinauflesen der Kartoffeln dringt,
desto kleiner wird das Arbeitsprodukt, und wenn man auch
den letzten in einer Ackerfläche von 100 Quadratruten ent-
lialtenen Scheffel ernten will, so erfordert dieser letzte
Scheffel so viele Arbeit, daß der zu diesem Zweck angestellte
Mensch sich von seinem Arbeitsprodukt nicht einmal sättigen,
viel weniger seine anderen Bedürfnisse befriedigen kann.
Gesetzt, das ganze auf einem Ackerstück von 100 Quadrat-
ruten gewachsene Quantum Kartoffeln betrage 100 Berliner
Scheffel. Gesetzt ferner, es werden davon geerntet:
Alsdann ist der Mehrertrag
durch die zuletzt angestellte
Person :
Wenn zum Auflesen ange-
gestellt
werden :
4 Personen
80 Scheffel
•^ „
86,0
6 „
91
7
94
8 „
96
9 „
9.7,3
10 „
98,2
^1 „
98,8
12
99,2
G,i; Scheffel
3,0
2,0
U
0,.
0,.;
0,4
176 Bis zu welchem Grade der Reinheit muß nun der Land-
wirt beim konsequenten Verfahren das Aufnehmen der Kar-
toffeln betreiben lassen?
Unstreitig bis zu dem Punkt, wo der Wert des mehr
erlangten Ertrags durch die Kosten der darauf verwandten
Arbeit kompensiert wird.
Beträgt z. B. der Wert der zum Schaffutter verwandten
— 571 —
Kartoffeln irgendwo 5 ßl. pr. Scheffel und ist der Tagelohn
8 ßl. pr. Person: so bringt die Anstellung der 9. Person
einen ]\Ielirertrag von l.s Scheffeln ä 5 ßl. ^ 6,5 ßl., kostet
dagegen 8 ßl. und bringt einen Verlust von 1,5 ßl. Dagegen
wird durch die 8, angestellte Person mit einem Kosteuauf-
wand von 8 ßl. ein Mehrertrag von 2 Scheffeln ä 5 ßl. =
10 ßl., also ein Überschuß von 2 ßl. gewonnen. Man wird
demnach, um den höchsten Reinertrag zu erlangen, ca. 8,(;
Tagearbeiten einer Person auf das Aufnehmen der Kartoffeln
verwenden, und sich mit einem Ertrag von ca. 96,s Scheffeln
begnügen müssen.
Unter Verhältnissen aber, wo der Tagelohn auf 15 ßl.
steigt — wie dies bei einem sehr ausgedehnten Kartoffelbau,
wo Leute aus der Ferne zugezogen werden müssen, leicht
der Fall sein kann — bezahlt der Mehrertrag durch die
Anstellung der 7. Person nur noch gerade den Tagelohn,
und von den 100 Scheffeln, welche überhaupt gewachsen sind,
werden dann konsequenterweise nur 94 Scheffel geerntet.
Können dagegen die Kartoffeln durch Verwendung zum
Pferdefutter, zum Branntweinbrennen oder andern Fabrika-
tionen zu 16 ßl. pr. Scheffel genutzt werden, so ist bei einem
Tagelohn von 8 ßl. die A''erwendung von 11 Tagearbeiten einer
Person noch zweckmäßig und von den in der Erde befindlichen
100 Scheffel Kartoffeln werden dann 98,.s Scheffel geerntet.
Bei einem Tagelohn von 15 ßl. und dem Wert der Kar- 177
toffeln von 16 ßl. pr. Scheffel bezahlt sich dagegen die An-
stellung einer 11. Person nicht völlig mehr.
Der Grad der Reinheit, bis zu welchem der Ausdrusch
des Korns aus dem Stroh stattfinden muß, ist ähnlichen
Regeln unterworfen wie das Auflesen der Kartoffeln.
Der bei der Eiuerntung des Getreides oft sehr beträcht-
liche Körnerverlust kann durch Anstellung mehrerer Arbeiter
bedeutend vermindert werden, indem dann einesteils der
richtige Zeitpunkt zum Mähen, Binden und Einfahren besser
eingehalten, und die Ernte schneller beschafft, andernteils
aber statt des Mähens mit der Sense das Hauen mit dem
Siget oder das Schneiden mit der Sichel eingeführt werden
kann. Auch hier wird man konsequenterweise die Zahl der
Arbeiter so weit steigern, als der Wert des durch sie Er-
sparten noch die Ausgabe an Tagelohn deckt oder um eine
Kleinigkeit überwiegt.
Es folgt hieraus nun :
1. daß eine Steigerung des Arbeitslohns bei gleichbleiben-
dem Wert der Produkte eine Verminderung der an-
zustellenden Arbeiter und gleichzeitig eine Verringerung
des Ertrags der einzusammelnden und auszudreschen-
den Früchte bewirkt;
2. daß eine Steigerung des Werts der Produkte bei gleich-
bleibendem Arbeitslohn gerade die entgegengesetzte
Wirkung hat, indem alsdann mehr Arbeiter mit Vorteil
angestellt, und die Früchte sorgfältiger eingesammelt
und reiner ausgedroschen werden können , also einen
größern Ertrag liefern ;
3. da es im Interesse der Unternehmer liegt — diese
mögen Landwirte oder Fabrikanten sein — die Zahl
ihrer Arbeiter so weit zu steigern, als aus deren Ver-
178 melirung noch ein Vorteü für sie erwächst, so ist die
Grenze dieser Steigerung da, wo das ilehrerzeugnis
des letzten Arbeiters durch den Lohn, den derselbe
erhält, absorbiert wird; umgekehrt ist also auch der
Arbeitslohn gleich dem Mehrerzeugnis des letzten Ar-
beiters.
Da die Zalü der Arbeiter sich nicht um einen Bruchteil
vermehren oder vermindern läßt, so kann auch bei einem
Betrieb im Kleinen der Punkt, wo sich Erwerb und
Kosten kompensieren, nicht genau getroffen werden; diese
Ungleichheit im einzelnen gleicht sich aber im großen Ganzen
wieder aus, indem in dem einen Fall mehr, in dem anderen
— 573 —
Fall weniger Arbeiter angestellt werden, als das MaximuiL
des Reinertrages erheischt.
Da sich dieser Übelstand des kleinen Betriebs nicht bloß
auf die Zahl der Arbeiter, sondern auch auf die Zahl des zu
haltenden Zugviehes und der zu verwendenden Insti'umente
und Maschinen erstreckt, so ist dies, beiläufig gesagt, eins
der Momente, die den Betrieb im Großen begünstigen.
In dem vorstehenden Beispiel ist zwar nur von der
vollständigeren Gewinnung dessen, w^as der Boden hervor-
gebracht hat, die Rede gewesen ; aber die daraus gezogenen
Folgerungen haben ihre volle Gültigkeit auch für die auf
Erhöhung der Produktivität des Bodens und Hervorbringung
größerer Ernten gerichteten Arbeiten.
Durch Vermehrung der Arbeitskräfte kann der Boden
sorgfältiger geackert, gereinigt und entwässert, der richtige
Zeitpunkt zur Saatbestellung besser eingehalten, und dadurch
der gleichmäßige Ertrag der Früchte mehr gesichert, und
deren Durchschnittsertrag wesentlich erhöht werden. Anderer-
seits kann in den meisten Verhältnissen die Produktions-
kraft des Bodens durch Auffahren von Moder, Mergel uud
den Erdarten, die der Acker nicht in genügender Menge
besitzt , gar sehr gesteigert werden. Alle solche Verbesse- 179
rungen haben aber das Gemeinschaftliche, daß mit ihrer
quantitativen Steigerung die Wirkung nicht im direkten,
sondern in abnehmendem Verhältnis wächst und zuletzt
sogar gleich Null werden kann.
Nehmen wir hier das Auffahren von Moder zum Beispiel.
Gesetzt, daß auf irgend einem Acker die Auffuhr von
Moder einen halben Zoll dick den Ertrag um ^;2 Korn
(1/2 Berliner Scheffel auf 100 Quadratruten) erhöht, so wird
das Auffahren eines 2. halben Zolls den Ertrag nicht um
^/2, sondern etwa um -Vs Korn, eines 3. halben Zolls um
ca. ^/4 Korn usw. vermehren, bis bei weiterer Steigerung
— 574 —
der Moderauffuhr gar keine Erhöhung des Ertrags mehr
stattfindet und zuletzt gar eine nachteilige Wirkung eintritt.
Da nun die Arbeitskosten im direkten Verhältnis mit
der Stärke der Moderauffuhr wachsen, der Erfolg aber immer
mehr abnimmt und zuletzt gleich Null wird: so muß es
hier — wie bei allen vorhin genannten landwirtschaftlichen
Operationen — einen Punkt geben, wo die Kosten der Arbeit
den Wert der Verbesserung erreichen, und dies ist der Punkt,
bis zu welchem die Meliorationen konsequenterweise geführt
■ werden müssen.
Auch nicht bloß bei den einzelnen landwirtschaftlichen
Operationen, sondern auch bei der Wahl eines niedrigeren
oder höheren Wirtschaftssystems — in welchem der höhere
Ertrag durch einen vermehrten Arbeitsaufwand erkauft wird
— so wie bei der Frage, ob Boden geringerer Qualität —
auf welchem die Arbeit mit einem geringeren Produkt als
auf gutem Boden gelohnt wird — des Anbaues wert sei, ist
das A^erhältnis zwischen Kosten und Wert der Arbeit der
Angelpunkt, von dem die Entscheidung abhängt.
180 Ja, man kann sagen, daß die ganze Aufgabe der ratio-
nellen Landwirtschaft darin besteht, für jeden einzelnen Zweig
derselben in den beiden aufsteigenden Reihen „vermehrte
Arbeit und erhöhtes Erzeugnis" die korrespondieren-
den Glieder aufzufinden, um den Punkt zu bestimmen, wo
sich Wert und Kosten der Arbeit das Gleichgewicht halten
— denn wenn die Arbeit bis zu diesem Punkt ausgedehnt
wird, erreicht der Reinertrag das Maximum.
Das Fortkommen des praktischen Landwirts liängt zum
sehr großen Teil davon ab, ob er den Takt besitzt, diese
Aufgabe annähernd zu lösen. Dieser Takt fehlt den bloß
theoretisch gebildeten Landwirten in der Regel ganz. Dies
kann aber kaum anders sein; denn die Landwirtschafts-
wissenschaft ist nach dieser Seite hin noch völlig unaus-
gebildet, und in den Lehrbüchern derselben wird dieser Gegen-
— 575 —
stand, der das Ganze durchdringen und an dem sich alles
zur Einheit heranbilden sollte, kaum berührt.
Interessant ist in Beziehung auf diesen Gegenstand eine
YergleichuDg zwischen Deutschland und Nordamerika.
In ersterem Lande können bei einem Tagelohn von 12 ßl.
und einem Preise des Roggens von 1 Tlr. 12 ßl. per Scheffel
Arbeiten unternommen und schlechtes Land angebaut werden,
wo die Tagesarbeit eines Mannes nur mit einem Produkt
von i'ö Scheffel Roggen gelohnt wii-d.
In Nordamerika kostet nach den gemäßigtsten Angaben
die Tagesarbeit eines Mannes mindestens 32 ßl., und der
Wert des Berliner Scheffel Roggen erreicht im Innern des
Landes schwerlich den Wert von 1 Tlr. Dort ist also jede
landwirtschaftliche Operation , bei welcher die Tagesarbeit
eines Mannes nicht ein Produkt von -/s Scheffel Roggen her-
vorbringt, mit Verlust verbunden.
Welchen enormen Unterschied im Landbau beider Länder 181
ruft dieser einzige Umstand hervor!
In einem Zeitungsartikel aus Nordamerika, worin die
Rede davon ist, welche Stände von den Einwanderern am
besten ihr Fortkommen finden, heißt es:
„Am wenigsten machen hier die studierten Ökonomen
„ilu- Glück: denn es kommt bei uns nicht darauf an, dem
„Boden einige Prozent Früchte mehr abzugewinnen, sondern
„darauf, an der kostbaren Arbeit zu sparen".
Dieser Vorwurf trifft geradezu die Wissenschaft, wie sie
gelehrt wird. Denn das Studium der echten Wissenschaft
müßte befähigen, alle Verhältnisse richtig zu würdigen, und
vor solchen Fehlern zu schützen. Bewirkt aber das Studium
der Wissenschaft in ihrem gegenwärtigen Zustand gerade das
Gegenteil, so ist dies ein Beweis ihrer Mangelhaftigkeit.
Immer noch will das alte Phantom, als gäbe es ein für
alle Entwicklungsstufen der menschlichen Gesellschaft gül-
tiges Ideal der Landwirtschaft, als sei jedes niedere Wirt-
— 576 —
Schaftssystem, jede extensive, arbeitsparende Wirtschaft ein
Beweis von der Unwissenheit der praktischen Landwii-te —
ans unseren landwirtschaftlichen Scluiften nicht weichen.
Die russische Regierung sendet seit einigen Jahren
öfters junge gebildete Männer, die aber gewöhnlich keine
Kenntnis der praktischen Landwirtschaft besitzen, nach
Deutschland, um die dortigen Wirtschaften kennen zu lernen
und um Vorlesungen auf den landwh'tschaftlichen Akademien
zu hören. Diese erlangen dadurch die Kenntnis, wie in
dichtbevölkerten Ländern mit 3- bis 6000 Menschen auf der
Quadratmeile die Landwirtschaft zweckmäßig zu betreiben
ist. Werden aber die Lehrvorträge auf den Akademien nicht
mit steter Beziehung auf das Verhältnis zwischen Wert und
Kosten der Arbeit gehalten, bleiben die jungen Männer
182 hierüber in Unwissenheit, und wenden sie dann nach der
Zurückkunft in ihr Vaterland das Erlernte in Gegenden an,
wo nur 500 — 1000 Menschen auf der Quadratmeile leben,
wo das Getreide 30 Meilen weit verfahren werden muß, und
wo in der Regel nur Absatz für das Korn ist, wenn in
anderen europäischen Ländern Miß wachs gewesen: so führen
ihre erworbenen Kenntnisse nur zum Ruin ihres Vermögens
und ihr Beispiel, statt zur Nachahmung zu reizen, wird zum
Schreckbild gegen den sogenannten rationellen Betrieb der
Landwirtschaft.
Selbst in Deutschland fehlt es nicht an solchen, die als
Opfer einer voreiligen Einführung der Fruchtwechselwirt-
schaft gefallen sind,
„Der Wert der Arbeit des zuletzt angestellten
Arbeiters ist auch der Lohn derselben."
Dieser aus den vorliegenden Betrachtungen hervor-
gehende Satz gestattet eine so vielfache Anwendung auf das
gesellscliaftliche Leben, daß es wohl erlaubt sein mag, den
systematischen Gang unserer Untersuchung zu unterbrechen.
— o^^ —
den isolierten Staat mit seiner kulturfälligen Wildnis und
der Voraussetzung des beharrenden Zustandes seiner Be-
völkerung auf eine kurze Zeit zu verlassen und uns der
Wirküclikeit zuzuwenden.
Wie in dem als Beispiel aufgeführten großen Güter-
komplex, so ist auch in der Wirklichkeit das Streben der
Unternehmer ganz allgemein, die Zahl ihrer Arbeiter so weit
zu vermehren, bis aus der ferneren Vermehrung kein Vor-
teil für sie erwächst, d. i. bis der Lohn der Arbeit den Wert
der Arbeit erreicht — weil dies in der Natur der Sache
lind im Interesse der Unternehmer begründet ist.
Der Lohn aber, den der zuletzt angestellte Arbeiter er-
hält, muß normierend für alle Arbeiter- von gleicher Ge-
schicklichkeit und Tüchtigkeit sein; denn für gleiche 183
Leistungen kann nicht ungleicher Lohn gezahlt
werden.
"Wenn aber schon jetzt in der Wirklichkeit der Arbeits-
lohn den Wert der Arbeit erreicht, und das Volk sich dennoch
in einer gedrückten, armseligen Lage befindet, wie ist dann
eine Ablülfe möglich?
Proudhon (in seiner Philosophie der politischen Ökonomie)
ist unwillig darüber, daß der Notar für ein Dokument, welches
er in einer Stunde entwirft, so viel erhält, als der Tage-
löhner für eine zwölfstündige , schwere Arbeit. Derselbe
Schriftsteller findet es ferner unrecht, daß der Fabrikaufseher
eine höhere Besoldung erhält als der Packträger.
Fragen wir aber, was bewegt den Fabrikherrn zur
höheren Besoldung des Aufsehers. Es ist nicht Gunst, nicht
Menschenliebe, nicht Freundschaft ; er würde ihn augenblick-
lich abschaffen, wenn er ihn entbehren könnte, wenn der
Nutzen, den ihm der Aufseher bringt, nicht mindestens
seinem Gehalt gleich käme. Es ist also auch hier der Wert
der Leistung Maßstab für die Besoldung.
Statt des AVerts der Arbeit die Länge der Arbeitszeit
Thünen, Der isolierte Staat. 37
— 578 —
zum Maßstab für den Lohn einführen zu wollen, ist eine
Chimäre.
Erhält nun aber der Ai'beiter in seinem Lohn den Wert
seiner Arbeit, so ergibt sich, daß die gedrückte Lage der
Arbeiter nicht aus der Hab- und Gewinnsucht der Grund-
und Fabrikherrn hervorgeht, indem diese — da hier von
einer Almosenerteilung nicht die Rede ist — für die Arbeit
nicht mehr zahlen können, als was sie ihnen wert ist, daß
also die Quelle des Elends der arbeitenden Klasse anderswo
und tiefer liegend gesucht werden muß.
Man kann hiergegen folgenden Einwurf machen:
„Wenn auch die zuletzt angestellten Arbeiter nicht mehr
184 hervorbringen , als was sie an Lohn empfangen, so liefern
doch die früher angestellten Arbeiter den Unternehmern einen
sehr beträchtlichen Überschuß, der denselben die Mittel gibt,
einen höheren Lohn zu zahlen, und es fehlt also niu' an dem
guten Willen der Unternehmer, das Los der Arbeiter zu
verbessern."
In diesem Einwurf findet aber eine Vermischung und
Verwechselung der moralischen Verpflichtung mit der ge-
werblichen statt.
In nationalökonomischer Beziehung darf keine Arbeit
unternommen werden, die nicht die Kosten deckt: denn
sonst würde die Arbeit, die den Nationalreich-
tum schaffen soll, denselben im Gegenteil ver-
mindern und aufzehren — und durch Verminderung
des Nationalkapitals würde das Volk nur noch elender
werden.
Die moralische Verpflichtung der Reichen, die Not der
Armen zu mildern, darf nicht auf diesem Wege, sondern
muß auf andere Weise zur Tat werden.
Auch würde der einzelne Fabrikherr, der Arbeiten unter-
nähme, die ihm die Kosten nicht wieder einbringen, sein
Vermögen nutzlos opfern, wenn nicht alle anderen dasselbe
— 579 —
täten. Aber auch die Gemeinschaft und Verbindung aller
Fabrikherren eines Landes zu diesem Zweck würde nicht
immer ausreichen: denn die Fabriken, welche Erzeugnisse
für das Ausland liefern oder im eigenen Lande die Kon-
kurrenz der Ausländer zu bestehen haben, würden dadurch
zugrunde gehen und deren Arbeiter dann völlig brotlos
werden.
Betrachten wir jetzt, um uns diesen Gegenstand noch
klarer zu machen, die notwendigen Wirkungen des Steigens
und Fallens des Arbeitslohns.
Gesetzt, es finde eine Erhöhung des Lohns statt, ohne
daß die Zahl der Arbeiter abnimmt. Alsdann kosten die
zuletzt angestellten Arbeiter den Grund- und Fabrikherren
mehr, als sie ihnen einbringen. Diese werden dann, ihrem 185
Interesse folgend — und dies ist kein Unrecht, sondern liegt
in ihrem Beruf — Arbeiter entlassen und damit so lange
fortfahren, bis das Produkt des letzten bleibenden Arbeiters
im Wert dem erhöhten Arbeitslohn gleich wird. Dadurch
werden aber eine Menge Arbeiter brotlos, und um nicht zu
verhungern, werden diese sich entschließen müssen, wieder
für den früheren Lohn zu arbeiten, d. h. eine Erhöhung des
Lohns ist unter diesen Verhältnissen nicht möglich.
Wenn andererseits die Bevölkerung in den arbeitenden
Klassen zunimmt, während der kultivierte Boden und das
Kapital dieselbe Größe behalten : so können die hinzukommen-
den Arbeiter bei dem bisherigen Lohn keine Anstellung mehr
erhalten. Denn da dieser Lohn schon das ganze Produkt
des letzt angestellten Arbeiters liinwegnimmt, und jeder
weiter angestellte Arbeiter ein immer geringeres Produkt
liefert, so würde die Aufnahme der hinzukommenden Arbeiter
bei dem bisherigen Lohnsatz für die Unternehmer geradezu
mit Verlust verbunden sein. Nur dann, wenn diese Ar-
beiter mit einem geringeren Lohn vorlieb nehmen, können
die Unternehmer sie anstellen und neue Arbeiten voll-
37*
— 580 —
führen lassen, deren Wert dem erniedrigten Lohn ent-
spricht.
Yermehren sich nun aber die Arbeiter, trotz des sinken-
den Lohns, foxi; und fort, so muß auch der Lohn immer
tiefer sinken, -weil die Arbeit, die ihnen gegeben werden
kann, immer weniger produktiv wird.
Wenn nun mit der wachsenden Bevölkerung die Arbeit
auf immer unergiebigere Objekte, auf immer schlechteren
Boden ausgedehnt werden muß, wo findet sich dann eine
Grenze im Sinken des Lohns?
Diese Grenze findet sich erst dann, wenn die Arbeit so
wenig produktiv wird, daß das Arbeitsprodukt gleich a, d. i.
186 gleich den notwendigen Subsistenzmitteln wird; denn für
einen geringeren Lohn als den, der zu seinem Lebensunterhalt
erforderlich ist kann der Mensch nicht arbeiten.
Nun sind aber die Individuen in der Wirklichkeit nicht,
wie wir im isolierten Staat angenommen haben, von gleicher
Kraft, Gesundheit und Geschicklichkeit, sondern in allen
diesen Beziehungen selir ungleich. Es kommt also zur Frage,
für welche dieser Arbeiter der Lohn auf a herabsinken soll.
Lies hängt wiederum von der Zahl der sich anbietenden
Arbeiter ab. Sind diese in Überzahl vorhanden, so werden
nur die gesundesten und kräftigsten Anstellung finden; die
anderen bleiben brotlos. Da aber die Kraft des Menschen
in den verschiedeneu Lebensepochen nicht gleich bleibt,
sondern im Alter abnimmt , so kann es dahin kommen , daß
auch die tüchtigsten Arbeiter nur in der Blüte der Jugend
und der männlichen Kraft Anstellung finden im Alter aber
darben müssen.
Da aber Religion und Menschlichkeit gebieten, und es
auch von allen Regierungen als Pflicht erkannt ist, keinen
]\[en sehen aus ]\Iangel umkommen zu lassen : so fallen alle
die, deren Arbeitserzeugnis nicht zur Deckung ihrer not-
wendigen Subsistenzmittel ausreicht, der Versorgung durch
— 581 —
die Armenkasse anheim. Die Zahl der Hilfsbedürftigen kann
sich aber zuletzt so vermehren, daß die Last der Unterhaltung
für die "Wohlhabenden überwältigend wird.
Dies ist gegenwärtig*) schon in Irland der Fall, wo
trotz der ungeheuren Unterstützung von 50 bis 60 Millionen
Taler, welche die englische Nation edelmütig dem Bruder-
volk reicht, dennoch Tausende vor Hunger sterben.
Die gegenwärtige Not in Irland ist hervorgegangen aus
dem gleichzeitigen Mißraten der Kartoffeln und des Getreides. 187
Es ist aber mit Bestimmtheit vorauszusehen, daß bei der
Fortdauer einer rücksichtslosen Volksvermeh-
rung dieselbe Not, nach einigen Dezennien, auch bei guten
Ernten eintreten wird und dann vöUig unheilbar ist.
Diesen Betrachtungen liegt die Voraussetzung zugrunde,
daß während die Volksmenge steigt, Kapital und kultivierte
Bodenfläche dieselbe Größe behalten. Es läßt sich aber leicht
nachweisen, daß wenn auch letztere wachsen, aber in einem
geringeren Grade als die Volksmenge, dennoch dieselben
Residtate, nur später, zum Vorschein kommen müssen.
Friede erzeugt Wohlstand, Wohlstand Übervölkerung,
Übervölkerung Elend.
Wie ist aus diesem Zauberkreise herauszukommen?
Aber soll denn — so müssen wir fragen — nach jeder
kurzen Zeit des Friedens, der Erholung und des aufblühenden
Wohlstandes das Menschengeschlecht in der großen Melirzahl
immer aufs neue dem Elende entgegengehen?
Liegt es im Plan der Vorsehung, daß in dem Maß, als
die Erde bewohnter wird, die Zukunft immer düsterer, das
Elend immer größer und unausweichlicher werden soll?
Sicherlich nicht.
Aber welches sind denn die Bedingungen, an deren Er-
füllung die Vorsehung das Glück der Menschheit geknüpft hat?
*) Geschrieben im Jahre 1846.
— 582 —
Dies ist eben das große Problem, das uus vorliegt —
welches wir Her nur anführen, auf dessen ahnendes Er-
forschen wir aber noch nicht eingehen können.
Die richtige Auffassung des hier verhandelten Gegen-
standes könnte wohl dazu dienen, manche Irrwege in den
Vorschlägen der Sozialisten abzuschneiden. Mögen die
Sozialisten ihre ganze Aufmerksamkeit darauf richten, die
Arbeit produktiver zu machen ; gelingt ihnen dies, so werden
sie das Los der Arbeiter wahrhaft verbessern.
188 Es darf aber nicht übersehen werden — was indessen
schon aus dem ganzen Gang der Untersuchung erhellt — ,
daß der Wert der Arbeit, in dem Sinn, wie dieser Ausdruck
hier genommen ist, keineswegs feststehend und unabhängig
von anderen Potenzen ist; denn er ist abhängig von der
Ergiebigkeit des Objekts, -worauf die Arbeit gerichtet wird.
Wie hoch oder niedrig aber auf der Stufenleiter der Er-
giebigkeit das Objekt steht, dem die Arbeit zugewandt wird,
hängt ab von dem größeren oder geringeren Angebot von
Arbeitern. Die Grenze aber, bis zu welcher vermittels des
großen Angebots von Arbeitern Wert und Lohn der Arbeit
herabsinken kann, bildet die Summe der notwendigen Sub-
sistenzmittel des Arbeiters.
Zwischen Wert der Arbeit, Angebot von Arbeit und
Unterhaltsmitteln des Arbeiters findet also eine Kettenver-
bindung statt.
Die älteren Nationalökonomen haben bloß die beiden
letzten Glieder dieser Kette in Betracht gezogen und da-
durch viel zur Unklarheit des Begi'iffs vom Arbeitslohn
beigetragen. *)
Großes Unrecht haben die Nationalokonomen dadurch
*) Kau ist meines Wissens der erste, der diesem Mangel ab-
hilft, Indern derselbe in seinen Grundsätzen der Volkswirtschafts-
lehre den Satz aufstellt: „der Preis der Arbeit hängt ab von
dem Wert, den Kosten und dem Mitwerber."
— 583 —
begangen, daß sie den aus den beiden von ihnen in Betracht
gezogenen Faktoren sich bildenden Arbeitslohn für den natur-
gemäßen genommen und daraus den Schluß gezogen haben,
daß von der Vorsehung selbst den Arbeitern nichts anderes
bestimmt sei, als was zur Fristung ihres Lebens notwendig ist.
Höher fassen die Sozialisten die Aufgabe auf ; denn diese
verlangen für den Arbeiter nicht bloß Unterhalt, sondern
auch Lebensgenuß und Bildung.
Über das Yerhältnis des Sozialismus zur National- 189
Ökonomie oder Volkswirtschaftslehre spricht Stein in
seinem geistreichen Werk „der Sozialismus und Kommunis-
mus des heutigen Frankreichs" sich in folgenden Worten aus :
„Die Volkswirtschaftslehre hat an sich eben nur die
„Aufgabe, das daseiende Verhältnis von Besitz und Arbeit
„zu erkennen, selbst da, wo sie es in seinem tiefsten Leben,
„seinen Gesetzen erfaßt; sie kann die künftige Bildung des-
„selben wohl voraussagen, aber nicht^ selbst bestimmen, denn
„sie hat kein höchstes Grundprinzip, das keinem anderen
„untergeordnet wäre. Dieses aber stellt der Sozialismus in
„der Idee der Bestimmung des Menschen auf, und damit
„setzt er sich über die Volkswirtschaftslehre, als das sie
„Benutzende und Beherrschende; jene ist wesentlich be-
,,greifend, er ist gestaltend."
. Ich kann den hier der Nationalökonomie gemachten
Vorwurf nicht unbegründet finden, aber derselbe trifft doch
nur die Wissenschaft in ihrer jetzigen Gestalt, nicht das
Wesen der Wissenschaft selbst. Denn nichts hindert, daß
sie das Grundprinzip des Sozialismus in sich aufnimmt und
zu dem ihrigen macht. Ja, ich habe gefunden — wie der
Verfolg dieser Schrift zeigen wird — daß das tiefere Ein-
dringen in die Frage : „welches ist der naturgemäße Arbeits-
lohn?" in den letzten Stadien unmittelbar zu der Frage über
die Bestimmung des Menschen führt.
Nach meiner Ansicht können wir nur durch A^'erschmel-
— 584 —
zung beider Wissenschaften der Erforschung der Wahrheit
näher kommen. Durch eine solche Vereinigung würden
dann auch der Phantasie der Sozialisten, mit ihren aus der
Unkenntnis der Gesetze der Nationalökonomie entpringenden
Vorschlägen die Flügel beschnitten werden.
Auch P r 0 u d h 0 n — in seiner Philosophie der politischen
190 Ökonomie — ist dieser Ansicht, indem er durch eine Reform
der Nationalökonomie die Aufgabe der Sozialisten zu lösen hofft.
Nach dieser Abschweifung kehren wir zum isolierten
Staat zurück.
Das Kapital au sich ist ein Totes, und vermag ohne die
bewegende Kraft des Menschen nichts hervorzubringen.
Ebensowenig aber vermag in unserem europäischen
Klima der mit keinem Kapital — Kleidung, Lebensmitteln, Ge-
rätschaften usw. — versehene Mensch etwas hervorzubringen.^
Das Arbeitsprodukt p ist das gemeinschaftliche Erzeugnis
von Arbeit und Kapital.
Wie ist hier nun der Anteil, den diese beiden Paktoren,
jeder für sich an dem gemeinschaftlichen Produkt haben, zu
ermessen ?
Die Wirksamkeit des Kapitals haben wir ermessen an
dem Zuwachs, den das Arbeitsprodukt eines Mannes durch
Vergrößerung des Kapitals, womit er arbeitet, erlangt. Hier
ist die Arbeit eine konstante, das Kapital aber eine ver-
änderliche Größe.
Wenn wir dies Verfahren beibehalten, aber umgekehrt
das Kapital als gleichbleibend, die Arbeiterzahl als wachsend
betrachten, so muß auch bei einem Betrieb im großen die
Wirksamkeit der Arbeit durch den Zuwachs, den das Ge-
samtprodukt durch die Vermehrung der Arbeiter um einen
erhält, der Anteil des Arbeiters an dem Produkt zu unserer
Kenntnis gelangen.
Gesetzt das in einer Unternehmung verwandte Gesamt-
— 585 —
kapital sei gleich nq J. A. Der Unternehmer, seinem Interesse
folgend, vermehrt die Zahl seiner Arbeiter so lange, bis der
zuletzt Angestellte nur noch ein Mehrerzeugnis hervorbringt,
welches seinem Lohn gleich ist.
Wie groß ist nun das Erzeugnis des letzten Arbeiters?
Wenn n Arbeiter angestellt werden, so arbeitet jeder 191
mit einem Kapital von q J. A. Das Produkt eines jed,en
Arbeiters ist == p, dessen Lohn = A, die Eente des Unter-
nehmers, der n Arbeiter beschäftigt, also = u (p — A).
Wird ein Arbeiter entlassen, so bleiben n — 1 Arbeiter,
wovon jeder mit einem Kapital von f ^ 1 q J, A. arbeitet.
Wir bezeichnen dies Kapital mit q', wo dann q' größer als
(| ist. Das Arbeitsprodukt des Mannes, der mit q' J. A.
Kapital arbeitet, bezeichnen wir mit p'. Da das Arbeits-
produkt eines Mannes wächst, wenn das Kapital, womit er
arbeitet, steigt, so ist p' ebenfalls größer als p. Die Differenz
zwischen beiden, oder p' — p sei = 7; also p' = p -}- ;'. Das
Gesamtprodukt ist dann = (n — 1) p' = (n — 1) (p -|- /).
Die Ausgabe an Arbeitslohn ist für n — 1 Arbeiter =
(n - 1) A.
Die Eente des Unternehmers beträgt demnach
(n-l)(p + ;')-(n-l) A.
Hat nun der Unternehmer konsequenterweise die Arbeiter-
zahl so weit gesteigert, daß der letzte nur noch seinen Lohn
hervorbringt, so muß seine Rente dieselbe Größe haben, er
mag n oder n — 1 Arbeiter augestellt haben. Demnach muß
np — nA = (n — 1) (p -j- y) — (n — 1) A sein,
oder np — nA = np — p -}- (n — 1) / — nA -|- A,
also 0 = — p + (n — 1) /' + A,
und A = p — (n — 1) y.
Nimmt man nun n unendlich groß, so verschwindet 1
gegen n, und
A wird = p — n 7.
— 58G —
Das Kapital ^^^ q = q (1 + ^+ ^i^ + ^J^ )
192 kommt, wenn man n unbegrenzt wachsen läßt, dem Wert von
i[-\- — q so nahe als man will. Nun haben wir aber im
vorigen Paragraphen für — J. K. Kapital die Änderung im
Produkt = /? gefunden. Hier finden wir die Differenz im
Arbeitsprodukt, wenn das Kapital sich um — J. A. ändert
= p' — p = ?'■ (.Wenn nun für das Kapitalteilcheu von
— J. A. die Änderung im Produkt = ß ist, so beträgt
diese Änderung für q solcher Kapitalteilchen /?q, also ist
7 = /?q ^ und da wir uß = a gesetzt haben , so ist auch
n/ = «q, folglich
A = p — d;' = p — «q.
Dasselbe Resultat haben wir aber auch schon im vorigen
Paragraphen erhalten.
Wir erlangen also durch die beiden verschiedenen Me-
thoden :
1. Die Rente aus dem Zuwachs, den das erhöhte Kapital
zum Produkt liefert, und
2. den Arbeitslohn aus dem Mehrerzeugnis des zuletzt
angestellten Arbeiters bei gleichbleibendem Gesamt-
kapital zu bestimmen,
für den Arbeitslohn denselben Ausdruck, A = p — «q.
Wir haben aber im vorigen Paragraphen gesehen, daß
der Vorteil bei Anlegung neuer Güter mit dem bei Er-
höhung des relativen Nationalkapitals erst dann ins Gleich-
gewicht tritt, und der beharrende Zustand erst dann statt-
finden kann, wenn
p — «q = Vap ist.
— 587 —
Der üach der hier angewaudteu Methode gefundene
Arbeitslohn p — «q muß also in dem, mit einer kultur-
fähigen Wildnis umgebenen, isolierten Staat ebenfalls
=: 1 ap werden.
§ 20. 193
Die Produktionskosten des Kapitals und der
Kapitalrente.
Im § 5 ist die Frage aufgestellt, ob nicht zwischen den
Produlitionskosten des Kapitals und dem Preis desselben,
d. i. dem Zinssatz, wofür man das Kapital angeliehen er-
halten kann, ein ähnliches Verhältnis stattfindet wie zwischen
den Produktionskosten der Tauschgüter und deren Preis.
Es sind dann bei der Entwicklung der Regeln, wonach
der Preis sich bildet, im § 13 die Tauschgüter in zwei Klassen
geteilt, und zwar umfaßt die erste Klasse die Tauschgüter,
welche mit gleichbleibenden Kosten in beliebiger Menge
hervorgebracht werden können, während zur zweiten Klasse
die Tauschgüter gehören, deren erweiterte Produktion mit
wachsenden Kosten verbunden ist.
• Zu der ersten Klasse gehören Gerätschaften, Maschinen
und manche andere Gegenstände. In diesen wird nicht der
Nutzen, den sie gewähren, bezahlt, sondern die Produktions-
kosten werden zum Regulator für den Preis. Hier scheint
demnach jede Verbindung zwischen Gebrauchswert und
Produktionskosten aufgehoben zu sein. Dies ist jedoch nicht
der Fall, wie sich aus nachstehender Betrachtung er-
geben wird.
"Wir haben im § 13 unter den Gegenständen von sehr
hohem Gebrauchswert und sehr geringem Preis den Pflug
als Beispiel aufgeführt, und wollen nun auch bei imserer
jetzigen Betrachtung dies Instrument zum Grunde legen.
— 588 —
Der Gebrauchswert der Pflüge übersteigt vielfach deren
durch die Produktiojiskosten regulierten Preis. Welches ist
nun aber die Grenze der Yermelirung derselben, und wie
viele Pflüge wird man z. B. auf einem Gut, welches 24 Zug-
pferde hat, halten?
194 ^lan kann hier mit 10 Pflügen ausreichen, weil die
Pferde selten sämtlich zum Pflügen gebraucht Averden;
man kann aber für diese seltenen Fälle auch 12 Pflüge an-
schaffen, und wenn man jede Störung in der Arbeit, die
durch das Zerbrechen eines Pfluges entsteht, vermeiden will,
können auch 14 Pflüge hier Anwendung finden.
Wie groß nun auch die Nutzung der zuerst angeschafften
Pflüge sein mag, so wii'd doch die des zuletzt hergestellten
14. Pflugs entweder sehr geringe sein oder auch die Zinsen
vom Kaufpreis nebst der jährlichen Wertverminderung nicht
mehr decken.
Fragen wir nun nach der Grenze der Vermehrung der
Pflüge, so' lautet die Antwort:
die Pflüge werden so lauge vermehrt, bis der zuletzt
angeschaffte Pflug nur noch die Kosten seiner Ver-
fertigung und Unterhaltung deckt.
So wenig also auch der Gebrauchswert oder die
Nutzung der Pflüge über den Preis derselben im all-
gemeinen entscheidet, so wird dadurch doch die Grenze
ihrer Vermehrung festgestellt.
AVie mit dem Pflug, so verhält es sich auch mit allen
, Waren, die mit gleichbleibenden Kosten für das Stück un-
beschränkt vermehrt werden können.
Zu den Tauschgütern der zweiten Klasse gehört das
Getreide, wenn der erhöhte Bedarf nur durch den Anbau
von minder fruchtbarem, oder minder günstig gelegenem
Boden als der bisher in Kultur gewesene, oder endlich auf
einem und demselben Boden cur durch Einführung einer
intensiveren kostspieligeren Wirtschaft befriedigt werden kann.
— 580 —
Es geliöreu ferner dazu alle Metalle, die, wenn keine neuen
3Iineu entdeckt werden, aus dem Schoß der Erde in immer
größerer Tiefe herausgeholt werden müssen. Die Ver-
mehrung der -^-irtschaftlichen Güter dieser Gattung findet 195
in dem Gebrauchswert derselben von vorne herein ihre
Schranken.
"Welches bildet nun aber die Schranke für die Ver-
mehrung des Kapitals, und welches ist das Maß für die
Produktionskosten des Kapitals?
Die Anwendung des Kapitals macht, wie im Vorher-
gehenden vielfach gezeigt ist, die menschliche Arbeit pro-
duktiver. Mit dem größeren Produkt der Arbeit wächst der
Überschuß , und mit diesem die Leichtigkeit der Kapital-
erzeugung. Die Produktion des Kapitals wird also immer
wohlfeiler, je mehr sich Kapital bildet. In dieser Beziehung
stehen Kapital und Tauschgüter der zweiten Klasse im
geraden Gegensatz miteinander — indem bei jenem die
Vermehrung immer wohlfeiler, bei diesem immer kost-
spieliger wird. Die Erweiterung des Gebrauchs erlangt das
Kapital dadurch, daß es in dem Maß, als es wohlfeiler
wird, mehr und mehr an die Stelle der menschlichen Ar-
beit tritt.
Die Kapitalerzeugung müßte demnach unbegrenzt fort-
gehen, wenn nicht mit der Vermehrung des Kapitals die
Nutzung desselben gleichzeitig abnähme.
Diese Abnahme der Nutzung entspringt aus zwei Ur-
sachen.
1. Wenn die wirksamsten Geräte, Maschinen usw., woraus
das Kapital besteht, in genügender Menge vorhanden
sind, so muß, wie § 10 ausführlich erörtert ist, die
fernere Kapitalerzeugung sich auf Gerätschaften usw.
von minderer Wirksamkeit richten.
2. Im Landbau führt der Zuwachs an Kapital, wenn der-
selbe überall eine Anwendung finden soll, zum Anbau
— 590 —
von minder ergiebigen, minder günstig gelegenen Län-
dereien oder auch zu einer intensiveren, mit größeren
196 Kosten verbundenen Wirtschaft — und in diesen Fällen
bringt das zuletzt angelegte Kapital eine geringere
Rente als das zuvor angelegte.
Diese Doppelseite des Kapitals macht die Lösung der
gestellten Aufgabe sehr schwierig. Auch geht daraus her-
vor, daß das Kapital weder zur ersten noch zur zweiten
Klasse der Tauschgüter gehört, sondern eine eigene Klasse
bildet.
Der Überschuß, den die Arbeit liefert, kann eine zwei-
fache Bestimmung erhalten, er kann nämlich verwandt
Averden :
a) zur Ansammlung und Aufbewahrung eines Vorrats,
in der Absicht, späterhin, ohne zu arbeiten, davon zu
leben ;
b) zur produktiven Anlegung im Landbau oder in den
Gewerben.
In ersterer Beziehung ist das schrankenlose Wachsen
des Kapitals dem Arbeiter günstig, weU damit Lohn und
Überschuß wachsen und der Arbeiter dann in kürzerer Zeit
den Vorrat erwirbt, von welchem er späterhin, ohne zu
arbeiten, leben kann.
Aber der A'orrat ist noch nicht Kapital, sondern nur
Stoff zum Kapital, und verliert dann, wenn er ohne einen
Ersatz zu liefern, verzehrt wird, die Dauer, welche erforder-
lich ist, um dem Begriff von Kapital zu entsprechen.
Dem Vorrat fehlt aber noch eine andere wesentliche
Eigenschaft des Kapitals, nämlich die, daß dasselbe durch
produktive Anlegung die menschliche Arbeit wirksamer macht.
Die Vorräte in den Händen eines Kaufmanns zum
Zweck des Verkaufs bilden allerdings ein Kapital,
durcli welches den Konsumenten die Erlangung ihrer Be-
dürfnisse erleichtert und minder kostspielig gemacht wird,
l
— 591 —
■wodurch also der Natioualwohlstand gefördert wird. Da-
gegen würden A^orräte, die ein Kaufmann sammelt und
liegen läßt, um späterhin im Müssiggang davon zu leben,
dem Kapital nicht angehören.
Scheiden wir nun die Vorräte, die nicht werbend an-
gelegt werden, vom Kapital aus und verstehen unter diesem 197
nur das Vermögen, das eine Rente trägt, so vereinfacht
sich unsere Aufgabe gar sehr, indem nun nicht das Kapital
selbst, sondern die Frucht desselben, d. i. die
Rente, Gegenstand des Begehrs wird.
Damit gelangen wir nun zu der Frage:
Welches sind die Produktionskosten der Rente, und
unter welchen Verhältnissen wird die Rente mit
den mindesten Kosten erzeugt?
Das Kapital ist Erzeugnis der Arbeit; aber dieses Er-
zeugnis ersetzt wiederum die menscliliche Arbeit und dient
selbst wieder zur Schaffung neuer Kapitale. Zwischen Ka-
pital und Arbeit findet demnach eine enge A^erbindung und
stete "Wechselwirkung statt, die untrennbar scheint.
Da aber das ursprüngliche Kapital (§ 8) rein
aus der menschlichen Arbeit hervorgegangen ist, und da es
(§13) gelungen ist, die Wirksamkeit des Kapitals auf Arbeit
ziu'ückzuführen : so ist auch die Arbeit, als Schöpferin des
Kapitals, der einzig richtige Maßstab für die Produktions-
kosten des Kapitals und der Rente.
Aber so wie der Preis der Waren durch das Minimum
der Produktionskosten reguliert wird und die durch un-
gescMckte und unrichtige Verwendung von Kapital und
Arbeit vergrößerten Kosten in dem Preise der Waren nicht
vergütet werden — so muß auch hier das Minimum von
Arbeit, wodurch eine Rente hervorgebracht werden kann,
den 31aßstab für die Produktionskosten bilden.
Auf die Quantität Arbeit, welche zur Erzeugung einer
Rente von gegebener Größe erforderlich ist, hat aber die
— 592 —
Höhe des Arbeitslohns den wesentlichsten Einfluß, und unsere
Aufgabe wird nun die:
198 den Arbeitslohn zu erforschen, bei welchem die Rente
mit dem mindesten Aufwand von Arbeit erzeugt wird.
Wir wählen hier für den Arbeitslohn den Ausdruck
a -}- y? iii welchem y eine noch völlig unbestimmte Zahl ist.
Die auf Kapitalerzeugung durch Schaffung eines neuen
Gutes gerichtete Jahresarbeit wird nach § 15 gelohnt mit
einer Rente
(p-[a + y])y
von ) — — ~ —
q (a + y)
Die verlangte Rente sei = ar.
Alsdann sind zur Erzeugung derselben
ar: ^P-f^ + ^j'^ = arq(aj-_y) ^^.^^.^^^, ^^.^^^._
q(a + y) (P — fa + y]y
derlich.
Beispiel. Es sei r = |, die verlangte Rente also = a
= 100 c; p sei = 300 c und q = 12, so verwandelt sich
obige Formel
. 1200 c (100 c 4- y) ■
^^ (300 c — [100 c -f- yj y
Die Zahl der Arbeiter, welche zur Produktion einer
Rente von 100 c erforderlich sind, beträgt dann, wenn
y = 20 ist 40
y = 60 „ 22,8
y = 100 „ 24.
Es zeigt sich hier, dali die Zahl der erforderlichen
Arbeiter mit der Erhöhung des Lohns nicht fortwährend
abnimmt, indem bei dem Lohn von a -|- y = 200 c die Er-
zeugung der Rente von 100 c mehr Arbeiter erfordert als
beim Lohn von 160 c.
Es muß demnach einen "Wert von y geben, bei welchem
die Rentenerzeugung den mindesten Aufwand von Arbeit
erfordert.
— 593 —
Diesen "W^ert von y finden wir, wenn wir von obiger
Funktion das Differential nehmen, und dieses gleich Null
setzen.
JlTTl (fi I I TT")
• Das Differential von - — \ , ^, 199
(p _ [a 4- yj) y
ist gleich arq (p — [a + y]) ydy — (a + 3^) (p — a — 2y) dy
=- py — ay — y- — ap + a^
— py 4- 2ay + 2y2
4- ay
j^ 4- 2ay + a2 — ap = 0
also y2 -\- 2ay -\- a.~ ^ ap
und a -|- y = l'ap.
Für p = 3U0 c ist l ap = 173 c
und y = Vap — a = 73 c.
Alsdann aber beträgt, wenn q wie oben = 12 gesetzt
wird, die Zahl der zur Erzeugung einer Rente von 100 c
erforderlichen Arbeiter = 22,4.
Der Arbeitslohn Vap erfüllt also die Bedingung, die
Rente mit dem 3Iinimum von Arbeitskräften zu erzeugen.
"Welches ist nun der Zinssatz, wenn die Rente mit dem
mindesten Aufwand an Arbeit hervorgebracht wird?
Der allgemeine Ausdruck für den Zinssatz ist
^ _ p — (a + y)
q(a + y)
Setzt man hier Vap für a-[-y, so wird
p — Vap _ Vp — ^'a _ Vap — a
~ qVap ~ qVa ~~ aq
Für den FaU, daß der Überschuß y = Vap — a ist, er-
halten wir also für den Zinssatz z den einfachen Ausdruck
aq ■ y
Nimmt man für a, p und y den Scheffel Roggen zum
Thünen, Der isolierte Staat. 2b
— 594 —
Maßstab, so bezeichnet aq die Zahl der Scheffel Koggen,
200 oder deren Äquivalent, welche von q Arbeitern bei der
Kapitalschaifung durch Anlegung eines neuen Gutes (§ 15)
verzehrt werden. Zur Erzeugung dieser aq Scheffel sind, da
jeder Arbeiter einen Überschuß von y Scheffel hervorbringt,
— Arbeiter erforderlich,
y
"Wir erhalten demnach das merkwürdige Resultat,
daß der Zinsfuß gleich ist der Eins, dividiert durch
die Zahl der Arbeiter, welche die bei der Kapital-
schaffang verzehrten Subsistenzmittel produziert
haben.
Es darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß
dieser Satz nur für den Arbeitslohn = ] ap und für den
Überschuß y r= i ap — a gültig ist.
Das Gesetz für die Teilung zwischen Kapitalisten
und Arbeitern.
In welchem Verhältnis muß das Arbeitsprodukt zwischen
dem Arbeiter und dem Besitzer des Kapitals, womit gearbeitet
wird, geteilt werden, und welcher Lohn kommt hiernach
dem Arbeiter zu?
Die Lohnarbeiter können mit Recht folgende zwei
Forderungen macheu :
1. Die Arbeit, durch welche das Kapital erzeugt ist.
soll pr. Jahresai'beit mit keiner höheren Rente belohnt werden
als die Jahresarbeit des Lohnarbeiters, wenn dieser den
Überschuß, der ihm von seinem Lohn nach Abzug der uot-
Av endigen Unterhaltungsmittel verbleibt, gegen Zinsen aus-
leiht. Oder mit anderen Worten: beide Gattungen von
— 595 —
Arbeit, nämlicli die im Kapital enthaltene und die für
Lohn geleistete, sollen (gleiche Qualität vorausgesetzt) auch
gleiche Renten liefern.
2. Der Arbeitslohn muß die Höhe haben, bei welcher
die Erzeugung der Kaj^italrente mit dem mindesten Aufwand
von Arbeit erlangt wird.
Der zweiten Forderung wird , wie im vorigen Para- 201
graphen nachgewiesen ist, entsprochen, wenn der Arbeitslohn
= y ap ist.
Ob dieser Arbeitslohn auch der ersten Forderung Genüge
leistet, mag nachstehende Berechnung entscheiden.
Bei dem Arbeitslohn = l' ap beträgt nach § 15 die
Rente, welche der kapitalerzeugende Arbeiter erlangt
(p — V ap) (V ap — a) _ (}' p — l' a) ((' ap — a)
q V ap "~ q 1' a
(Vap — a) (Vap — a) _ (V ap — a)-
aq aq
Für den Lohnarbeiter beträgt bei dem Überschuß von
V ap — a, und dem Zinssatz die Rente
aq
0' ap — a) (V ap — a) ^
0 ^P - ^) aq^ = aq
Bei dem Arbeitslohn = 1' ap und dem Zinssatz von
— ist also die Belohnung für die im Kapital steckende
Arbeit und für die Lohnarbeit im Gleichgewicht.
Verlangt dagegen der Arbeiter von dem Kapitalisten
einen Lohn, der ]' ap übersteigt, so ist diese Forderung eine
unbillige und ungerechte, die zurückgewiesen werden muß;
denn er verlangt dann für Arbeiten von gleicher Qualität
eine ungleiche Belohnung. Auch widerstreitet eine solche
Forderung dem eigenen Interesse des Arbeiters, der durch
Ansammlung eines Vermögens seine Lage verbessern will,
weil mit dem höhern Lohn als ]' ap, wenn dieser Lohnsatz
38*
— 596 —
allgemein wird, durcli das damit verbundene Sinken des
Zinssatzes, die Rente, welche der Arbeiter erwirbt, statt zu
steigen, sich vermindert, wie aus § 15 hervorgeht.
Im vorigen Paragraphen ist die Frage: „Welches die
Schranke für die Vermehrung des Kapitals bildet", auf-
geworfen, und wir können jetzt diese Frage dahin beant-
202 Worten, daß, wenn die Arbeiten in den Gewerben und Fa-
briken, welche Konsumtions-Artikel liefern, mit einer höhern
Rente als bei der Kapitalerzeugung belohnt werden, die Kapi-
talvermehrung bei konstant bleibender Bevölkerung aufhört.
"Wir haben jetzt das Verhältnis zwischen Arbeitslohn
und Zinsfuß nach vier verschiedenen ]\Iethoden und Gesichts-
punkten zu bestimmen gesucht; wir haben nämlich
1. die Ka]3italerzeugung durch Arbeit untersucht; dann
2. das Kapital als Arbeit ersetzend betrachtet; ferner
3. den Zinsfuß durch die Nutzung des zuletzt angelegten
Kapitalteilchens bestimmt; und endlich
4. das Mehrerzeugnis durch den zuletzt angestellten Ar-
beiter als Maß für den Arbeitslohn angenommen.
Da nun aus allen diesen Untersuchungen der Arbeits-
lohn = V ap siegreich hervorgegangen ist : so glaube ich —
wenn man den, der Organisation des Menschen und der
physischen Welt entsprechenden Lohn, den naturgemäßen
nennt — jetzt den Satz aufstellen zu dürfen:
der naturgemäße Arbeitslohn ist = }' ap.
Einfluss der Fruchtbarkeit des Bodens auf Ar-
beitslohn und Zinsfuss.
Wir haben den naturgemäßen Arbeitslohn = V ap ge-
funden; aber wir müssen jetzt fragen, ob hierin für den
Arbeiter eine Garantie liege, daß sein Lohn nicht ein arm-
— 597 —
liclier werde, da dieser von der Größe von p abhängt, und da
der "Wert von p wiederum von der Fruchtbarkeit des Bodens,
worauf Kapital und Arbeit verwendet wird, abhängig ist.
Der Wert von i ap wird nämlich immer kleiner, je mehr
p abnimmt, und wenn p = a ist, sinkt der Arbeitslohn auf a, 203
d. i. auf den Betrag der notwendigen Subsistenzmittel herab.
Um den Einfluß der Fruchtbarkeit des Bodens näher
kennen zu lernen, wollen wir nun für p nach und nach
andere Werte setzen.
1. Es sei p = 300 c, so ist für a = 100 c, und q — 12
der Arbeitslohn A = }' ap = 173 c,
der Zinssatz z = = 6,i ^/o.
ac| '
2. p sei = 200.
Alsdann ist A = l ap = 142
und Z=:^P^^=:3,5%.
aq '
3. Für p = 150
ist A = 1' ap = 122
}' ap = a
und z = — = 1.83 "/o
aq
4. Es sei p = a = 100 c,
so ist A = 1 ap = 100
, V ap — a
und z = = 0
aq
Wir sehen hier also, daß Arbeiter und Kapitalisten
an der Steigerung der Produktion ein gemein-
schaftliches Interesse haben, daß beide verlieren,
wenn die Produktion abnimmt, und beide gewinnen, wenn
sie zunimmt.
Aufgabe. Den Wert von p zu finden, wenn z = 2 % ist.
. 1 ap — a V 100 p — 100 2
Alsdann ist — = zr^^;^. = -rr^
aq 1200 100
— 598 —
204 also r 100 p — 100 = 24
V 100 p = 124
100p =1242= 15376
p = 153,76
und A = V ap = 124
Bei einem so niedrigen Zinssatz wird aber schwerlich
neues Kapital gesammelt werden — da dies doch auch von
selten der Kapitalisten Entsagung von Genüssen fordert —
und es wird sich wohl kein Kapitalist finden, der sein Kapital
in einem Unternehmen, welches nur 2% einträgt, anlegen
möchte. Aber selbst dann, wenn dies gescliähe, übersteigt
der Arbeitslohn die Bedürfnisse des Arbeiters noch um 24%.
Solange der Arbeitslohn = l' ap ist, solange
— und dies ist von entscheidender Wichtigkeit
— ist auch der Arbeiter gegen Not und Mangel
geschützt.
Ganz anders verhält sich dies in unseren europäischen
Verhältnissen, wo kein herrenloses Land mehr zu finden,
und dem Arbeiter die Möglichkeit genommen ist, sich dem
niedrigen Lohngebot seines Lohngebers durch den Anbau
eines bisher unkultivierten Stück Landes zu entziehen.
Hier entscheidet die Konkurrenz über die Höhe des
Lohns ; hier ist der Arbeitslohn = a -|- J, wo y völlig un-
P — (a + y)
bestimmt ist, und der Zinssatz z ist hier = : — i — > —
' a (a + y)
Je kleiner nun y wird, desto mehr wächst z, wie nach-
stehendes Beispiel zeigt:
Es seia = 100, p = 200, q = 12, so ist
für y = 50, z = 2,7? %.
y = 25, z = 5,0
y = 10, z = 6,S2
y = 0, z = 8,33
205 Es liegt also im Interesse der Unternehmer und Kapi-
— 599 —
talisten, den Lohn immer tiefer herabzudrückeu, und während
der Arbeiter für seinen Lohn nur noch die notwendigen
Lebensbedürfnisse sich verschaffen kann, genießt der Kapi-
talist den hohen Zinssatz von 8^/3%.
Hier scheidet sich also nicht bloß das Interesse der
Kapitalisten von dem der Arbeiter, sondern das Interesse
beider steht sich diametral entgegen.
In diesem entgegengesetzten Interesse liegt
nun der Grrund, warum Proletarier und Be-
sitzende fortan sich feindlich gegenüberstehen
und unversöhnt bleiben werden, solange der
Zwiespalt in ihrem Interesse nicht gehoben ist.
Aber nicht bloß dem Wohlstand seines Lohnherrn, sondern
auch dem Nationalwohlstand steht der Arbeiter interessenlos
gegenüber.
Durch Entdeckungen im Fabrikwesen, durch Anlegung
von Chausseen und Eisenbahnen, durch Anknüpfung neuer
Handelsverbindungen usw. kann von Zeit zu Zeit das National-
einkommen sich gar sehr steigern. Aber bei unserer jetzigen
gesellschaftlichen Organisation wird der Arbeiter davon nicht
berührt, seine Lage bleibt wie sie war, und der ganze Zu-
wachs am Einkommen fällt den Unternehmern, Kapitalisten
und Grundbesitzern anheim.
Im Jahre 1836 war in Mecklenburg die mittlere Pacht
für eine Last guten Ackers (6000 Quadratruten) ca. 100 Tlr.
N-/3. Seitdem ist die Pacht pr. Last Acker auf 150 bis
200 Tlr.' N-/3 gestiegen.
Yon dieser außerordentlichen Zunahme des National-
einkommens ist aber dem Arbeiterstande nichts zugeflossen,
und es konnte demselben bei unserem sozialen Organismus
nichts zufließen.
"Wäre aber die gesellschaftliche Organisation derart 206
gewesen, daß hiervon den Arbeitern auch nur ein Fünftel
hätte zuteil werden müssen: so würde sich Glück und Zu-
— 600 —
friedenheit über Tausende von Familien verbreitet haben,
die Aufregungen und Gewalttaten, wodurch die Arbeiter sich
im Frühjahr 1848 einen höheren Lohn erzwangen, wären
unterblieben, und das schöne patriarchalische Band, welches
früher zwischen Herrn und Untergebenen bestand, wäre nicht
zerrissen worden.
Der Übergang aus der Klasse der Arbeiter zu dem
Stande der Besitzenden könnte zur Ausgleichung dienen,
wenn nicht in dem niedrigen Lohnsatz selbst das Hemmnis
gegen diesen Übergang enthalten w^äre, und zwar aus fol-
genden beiden Gründen:
1. Bei dem jetzigen Lohnsatz können die Arbeiter ent-
weder gar keine oder doch nur unbedeutende Kapitale
sammeln, und die Schaffung neuer Kapitale wird da-
durch fast zum Monopol der Unternehmer, Kapitalisten
und Grundbesitzer.
2. Bei dem geringen Lohn vermögen die Arbeiter nicht,
ihren Kindern den Unterricht geben zu lassen, der zur
Erlangung der Kenntnisse, welche zum Betrieb eines
Gewerbes oder zu einer höheren Stellung in der
bürgerlichen Gesellschaft befähigen, erforderlich ist.
So liegt also in dem niedrigen Lohn der Grund zur
Fortdauer desselben. Wie ist aus diesem Zirkel heraus-
zukommen?
Alle diese Übelstände, an denen der soziale Zustand
Europas erkrankt ist, fallen für den Arbeitslohn Vap hinweg.
In Vap ist der Lohn des Arbeiters dem Wert seines
Erzeugnisses proportional; in unseren gegenwärtigen Zu-
207 ständen ist der Lohn des Arbeiters von seinem Arbeits-
produkt ganz unabhängig.
In der Trennung des Arbeiters von seinem
Erzeugnis liegt die Quelle des Übels.
Die Arbeiter im Verdung haben vor denen im Tagelohn
den großen Vorzug, daß der Verdienst des Arbeiters mit
\
— 601 —
seinem Fleiß steigt und fällt, daß also der Arbeiter ge-
vrissermaßeu für sich selbst und deshalb mit mehr Lust
und Liebe zur Sache arbeitet. Dennoch aber kann bei der
Arbeitslohnung nach der Stückzahl, durch die Konkurrenz
der Arbeiter untereinander, der Verdienst derselben tief
herabsinken.
Beim Yerdung wird nur die Quantität Arbeit,
nicht aber der im Erzeugnis enthaltene Wert der Arbeit
bezahlt; während beim Lohn = Vap der Arbeiter unmittel-
bar an dem Wert seiner Arbeit teilnimmt.
Ob und unter welchen Bedingungen der Arbeitslohn
Vap für unsere europäischen Zustände möglich ist — dies
geht aus unseren bisherigen Untersuchungen nicht hervor,
sondern wird Gegenstand der Fortsetzung dieser Schrift sein.
Soviel aber leuchtet ein, daß wenn auch die voll-
ständige Zurückführung zum naturgemäßen Arbeitslohn niclit
möglich wäre, doch die Übelstände sehr gemindert werden,
w^enn die Arbeiter auch nur einen Teil ihres Lohns im An-
teil an dem Erzeugnis ihrer Arbeit erhalten.
Blicken wir nun auf die Zustände in den nordamerika-
nischen Freistaaten.
Dort ist, wie im isolierten Staat, fruchtbarer Boden in
ungemessener Menge umsonst oder für eine Kleinigkeit zu
liaben.
Dort kann, wie im isolierten Staat, nur die Entfernung
Yom Marktplatz der Ausbreitung der Kultur Sehranken setzen.
Aber diese Schranken werden durch die Dampfschiffahrt auf 208
den Flüssen, durch die Anlegung von Kanälen und Eisen-
bahnen immer weiter hinausgeschoben.
Dort kann also der Arbeitslohn }' ap zur A^erwirklichuug
gelangen und ist in der Tat dazu gelangt; denn wir finden
in Amerika zwischen Arbeitslohn und Zinsfuß ein ähnliches
— 602 —
Verhältnis, wie wir es aus unseren Formeln für fruchtbaren
Boden entwickelt haben.
Infolge dieses Verhältnisses zwischen Arbeitern und
Kapitalisten finden wir in Nordamerika allgemeinen Wohl-
stand, der mit Riesenschritten wächst; dort findet keine
schroffe Absonderung zwischen den verschiedenen Ständen
statt, und zwischen ihnen herrscht Eintracht und Friede;
und selbst unter der geringeren Volksklasse sind die ersten
Schulkenntnisse — Lesen, Schreiben und Rechnen — all-
gemeiner verbreitet als in Europa.
Die ersten Menschen , welche unter einem noch günsti-
geren Himmelsstrich die Erde betraten, mußten in einer
ähnlichen Lage sein — und deshalb hat man vielleicht diesen
Zustand den paradiesischen genannt.
Ist nun ein solcher Zustand mit der Dichtheit der Be-
völkerung unverträglich und für immer von der Erde ver-
schwunden?
Oder kann die Menschheit durch höhere Ausbildung der
Geisteskräfte und durch Unterordnung der Leidenschaften
unter die Herrschaft der Vernunft diesen Zustand wieder
zurückführen, und ist es vielleicht die Aufgabe des Menschen-
geschlechts, das, was die ersten Menschen ohne Verdienst,
durch die Gunst der Natur empfingen, durch eigenes Ver-
dienst wieder zu erringen, und somit zu seinem geistigen
Eigentum zu erheben?
209 § 23.
Anwendung der gefundenen Formeln auf
konkrete Fälle.
In der bisherigen Untersuchung sind Arbeitsprodukt,
Zinsfuß und Arbeitslohn durch Buchstabenformeln aus-
gedrückt. Die Buchstaben repräsentieren jeden Zaliienwert,
— 603 —
und die darin ausgedrückten Formeln erheben sich dadurch
zur allgemeinen Gültigkeit.
Für den konkreten Fall nehmen aber die Buchstaben
einen bestimmten Zahlenwert an, und wenn die Formel
richtig ist, muß sich auch in den in Zahlen ausgesprochenen
Resultaten Gesetzmäßigkeit zeigen.
Bei unserer nächsten Untersuchung über das Verhältnis
zwischen Arbeitslohn und Landrente, welche Gegenstand des
zweiten Abschnitts dieser Schrift sein wird, bedürfen wir
schon der Angabe in Zahlen von a, p, q, y und z für einen
konkreten Fall.
Diese Zahlen dürfen aber nicht willkürlich angenommen,
sondern müssen der Wirkhchkeit entnommeu werden, weil die
Wirklichkeit der Prüfstein ihrer Richtigkeit sein soll.
In Ermangelung anderer Data werde ich nun den Wert
dieser Buchstaben für die Verhältnisse des Gutes Tellow zu
ermitteln suchen und die desfallsigen Berechnungen dem
folgenden Teil dieser Schrift beifügen.
Bei der großen Wichtigkeit, welche in dem gegen-
wärtigen Augenblick die Frage hat, wieviel Einkommen
der Tagelöhner zu einem anständigen, vor Mangel ge-
schützten Leben bedarf, lege ich aber schon jetzt in der
Anlage A. die Berechnung über die ünterhaltskosten und
das Einkommen einer Tagelöhnerfamilie zu Tellow in dem
14jährigen Zeitraum, von 1833 bis 1847, hier zur Prü-
fung vor.
Wer erkannt hat, was in bezug auf die Arbeiter das 210
Rechte ist, auf dem lastet auch die moralische Verpflichtung,
das Rechte zur Vollziehung zu bringen — soweit dies in
seinen Kräften steht.
Schon seit mehr als 20 Jahren habe ich den lebhaften
Wunsch gehegt, meinen Tagelöhnern einen Anteil an der
Gutseinnahme als Zulage zu erteilen; diese Zulage aber
— 604 —
nicht zu ilu^er Verfügung zu stellen, sondern zur Bildung
eines Kapitals für sie zu verwenden.
Damals standen der Verwirklichung meines AVunsches
zwei Hindernisse entgegen, nämlich
1. die Verpflichtung gegen meine Familie; und
2. die Besorgnis, daß eine solche Einrichtung Unzufrieden-
heit und Aufregung unter den Arbeitern auf den be-
nachbarten Gütern zur Folge haben könne.
Nachdem aber das erste Hindernis sein Gewicht ver-
loren hatte, und nun auch im Frühjahr 1848, infolge der
gewaltigen Volksbewegung, auf fast allen Gütern den Ar-
beitern bedeutende Zugeständnisse gemacht wurden, konnte
ich weiter kein Bedenken tragen, den lange gehegten Wunsch
zur Ausführung zu bringen.
Die desfalls gemachten Bestimmungen sind in der An-
lage B. enthalten.
Bei Einrichtungen dieser Art muß aber vor allem der
endliche Erfolg ins Auge gefaßt werden.
Ein Beispiel mag dies näher erläutern.
Die Ausgabe an den Arzt und Apotheker kostet für
eine Tagelöhnerfamilie dem Gutsherrn im Durchschnitt
ca. 3 Tlr. N -/3 jährlich. Gibt nun der Gutsherr infolge
einer Übereinkunft dem Tagelöhner jährhch 3 Tlr. unter
der Bedingung, daß dieser die Kurkosten bei künftigen
Krankheitsfällen selbst tragen soll, so wird dadurch die Aus-
211 gäbe des Gutsherrn weder vermehrt noch vermindert. Aber
welche Änderung geht damit in der Lage und im Glück
der Tagelöhnerfamilie vor! Trifft nun den Mann eine
ernste, langwierige Krankheit, so wird derselbe es nur selten
mit der Pflicht gegen seine Familie zu vereinigen wissen,
eine so große Summe, wie der Betrag der Kurkosten ist,
auf sich selbst zu verwenden.
In der Begel aber wird er das zu diesem Zweck er-
haltene Geld nicht aufgehoben, sondern verzehrt haben und
— 605 —
dann bleibt er gerade in der Zeit der Xot hilflos danieder
liegen.
In den Fällen, wo durch den bisherigen Lohnsatz die
wirklichen Bedürfnisse und die billigen "Wünsche der Arbeiter
befiiedigt sind, wird eine Zulage durch Erhöhung des Tage-
lohns eine ähnliche Erscheinung zur Folge haben. Die
Grenußmittel der Tagelöhner grenzen so nahe an ihre Be-
dürfnismittel, daß kaum eine Scheidelinie zu ziehen ist, und
man darf ihnen deshalb nicht die Kraft zumuten — die
selbst vielen Begüterten fehlt — den augenblicklichen Genuß
der Sorge für die Zukunft zu opfern. Der Arbeiter wird
im Gegenteil in den meisten Fällen die Zulage verzehren,
für das Alter nichts aufheben , die Armut im Alter aber
um so bitterer empfinden, je mehr er sich an größere Be-
dürfnisse gewöhnt hat, die er dann nicht mehr befrie-
digen kann.
Weit schlimmer aber ist es noch, daß durch die an keine
Bedingung geknüpfte Erhöhung des Tagelohns das sich
gegenüberstehende Interesse von Lohngebern und Arbeitern
nicht vermittelt wird, und so das Grundübel unserer sozialen
Zustände in voller Schroffheit bestehen bleibt.
Alllage A. 213
Bereclmuiiff
der
Unterhaltskosten und des Einkommens
Tagelöhnerfamilie zu Tellow
in dem Zeitraum
von 1833 bis 1847.
214 Inhalt.
Seite
§ 1. Verdienst einer Tagelöhnerfamilie 609
§ 2. Ertrag und Kosten der Kühe 618
S 3. Wert der Emolumente, welche die Tagelöhner erhalten 641
§ 4. Sonstige mit der Haltung einer Tagelöhnerfamilie ver-
bundene Kosten 645
§ 5. Kosten der Arbeit einer Tagelöhnerfamilie .... 652
§ 6. Versuch zur Bestimmung des Einkommens einer Tage-
löhnerfamilie 655
§ 7. Übersicht der Kornkonsumtion der Dorfbewohner . . 665
§ 1. 215
Jährlicher Verdienst einer Tagelöhnerfamilie zu
Tellow, welche keinen Hofgänger*) hält, in dem
Zeitraum vom 1. Juli 1833 bis 1. Juli 1847.
Bemerkung. Die Data zur Berechnung des Arbeits-
quantums, das die Arbeiter verrichten, sind aus der zehn-
jährigen, genau geführten, und zu einer Übersicht vereinigten
Arbeitsreclmung aus den Jahren 1810 bis 1820 entnommen.
1. Drescherlohn.
In dem Zeitraum von 1833 bis 1847 hat der Durch-
schnittsertrag des Korns, mit Ausschkiß des Rapses, 7447 Schfl.
9 3Itz. Rostocker Maß**) auf Roggen reduziertes Korn***)
betragen.
Hiervon mögen ungedroschen in Garben verfüttert sein
ca. 80 gehäufte Schfl. Hafer gleich 50 Schfl.. auf Roggen
reduziert.
Ausgedroschen sind demnach 7397 Schfl. 9 Mtz. Die
Drescher erhalten den 16. Scheffel.
*) Unter „Hofgänger" wird ein Dienstbote verstanden, welcher
statt der Fran die Arbeiten für den Hof verrichtet.
**) Ein Eostocker Scheffel ist gleich ■'!■, Berliner Scheffel.
***) Bei der Reduktion auf Eoggen ist gerechnet:
1 Schfl. Weizen gleich IVs Schfl. Eoggen,
1 Schfl. Eoggen gleich 1 Schfl. Eoggen,
1 Schfl. Gerste gleich ^^ Schfl. Eoggen,
1 gehäufter Schfl. Hafer gleich "/g Schfl. Eoggen,
1 halbgehäufter Schfl. Hafer gleich %6 Schfl. Eoggen,
1 Schfl. Erbsen gleich 1 Schfl. Eoggen.
Thünen, Der isolierte Staat. 39
— 610
216
Der Dresclierlohn beträgt demnach 462
Sclieffel 6 Mtz.
Von schlecht lohnendem, oder in Mieten
gestandenem Korn erhalten die Drescher
statt des 16. den 14. ScheiTel. Die hieraus
hervorgehende Zulage mag etwa 5 '^'o des ur-
sprünglichen Drescherlohns betragen. Dies
macht auf 462«/i6 Schfl. — 23i/s Schfl. Der
Drescherlohn beträgt also im ganzen 462*^/i6
4- 231/s = 4851/2 Schfl. An Tagelöhnern
sind in dieser Periode 11 gehalten. Auf
einen Tagelöhner fällt also an Drescherlohn
4851/2
11
Nach dem zehnjährigen Durchschnitt von
1810 bis 1820 hat ein Mann pro Tag ge-
droschen 4,52 auf Roggen reduzierte Scheffel.
Hiernach sind zum Dreschen von 7379''/it;
Scheffel erforderlich gewesen 1637 Tage-
arbeiten. 11 Tagelöhner haben 1637 Tage
gedroschen. Dies beträgt für einen Mann
149 Tage.
2. Torfstechen.
Soweit es sich mit Wahrscheinlichkeit
aus den Rechnungen der Jahre 1810 bis
1820 ermitteln läßt, sind in jenem Zeit-
raum von 2541/2 Mann jährlich an Torf
N
Tlr.
2/
/s
Rostocker
Schfl.
Eogg-en
44 -'/ir,
—
»
44 -'1.;
— 611
Transport
gestochen, für den Hof 186,850 Soden
für das Dorf 286,000 „
zusammen 472,850 Soden
Ein Mann hat also täglich 1858 Soden
gestochen.
In dem Zeitranm von 1833 bis 1847 sind
durchschnittlich jährlich gestochen zirka
480 Tausend Soden, von 11 Tagelöhnern.
Dies gibt für jeden Tagelöhner 43,636;
davon sticht er für sich selbst 10,000. Be-
zahlt werden 33,636 Soden ii Tausend 8 ßl.
Zum Stechen von 33,636 Soden gebraucht
der Arbeiter ~fk^Q~ = 18,i Tage.
Verdienst pro Tag 14,9 ßl.
3. Bracligräbeu aufräumen.
In den 9 Jahren von 1811 bis 1820 sind
von 623V2 Mann 5179 ßuten Brachgräben
aufgeräumt.
Dies macht pro Mann 8,3i Euten. Be-
zahlt sind:
für 5179 Euten a l^U ßl. . . 6474 ßl.,
Zulage für schwierigere Gräben
2 Taler oder . . . .... 96 ßl.
zusammen 6570 ßl.
N73
Tlr.l ß
Schfl.
442/1.;
29
29 442/16
39*
— 612 —
218
Transport
Ein Mann hat täglich verdient n^^oii,-,
= 10,5 ßl.
Angenommen: 1. daß in dem Zeitraum
von 1833 bis 1847 gleichfalls jährlich
— 7^ — ^575 Ruten aufgeräumt sind;
623-/2
2. daß dies wie früher — ^ — = 69,3 Mann
erfordert hat; 3. daß für das Aufräumen
bezahlt sind — ^ — = 730 ßl. jährlich: so
fällt auf jeden der 11 Arbeiter, welche in
diesem Zeitraum gehalten sind,
730
a) an Verdienst ■... = 66 ßl. = . . .
b) an Tagesarbeiten ^1 = 6,3.
4. Sonstige Grabeuarbeiteii.
Die Ziehung neuer Gräben im Acker, in
den "Wiesen, an den "Wegen und um die
Holzkämpe, ferner das Aufi'äumen der
Scheide- und "Wiesengräben hat in den
Jahren 1810 bis 1820 im Durchschnitt jähr-
lich 74,3 Mann erfordert. Im Jahr 1818/19
war nach einer speziellen Berechnung der
! N
,Tlr.
ß
Roggen
Schfl.
i 5
i;
1
29
18
442/16
6
47
1
442/ir.
— 613 —
Transport
Yerdienst eines Mannes bei diesen Arbeiten
10,9 ßl. pro Tag.
Diese Sätze auf die vorliegende Periode
angewandt, gibt für jeden der 11 Tage-
löhner :
74,3
a) die Zahl der Arbeitstage ^pj— = 6,r
b) den Verdienst, 6,7 Tage ä 10,3 ßl. =
5. Sonstige Akkordarbeiten,
als Mergel- und Moderaufladen, Modern
mit Handkarren, Erde karren usw.
Vom Jahr 1815 an — in welchem das
Mergelfahren im großen zuerst begann —
bis zum Jahr 1820 haben die im Akkord
vollbrachten Meliorationsarbeiten jährlich
gekostet an Geldlohn 171 Taler 22 ßl. Im
Jahr 1818/19 hat bei diesen Arbeiten ver-
dient :
der Mann pro Tag 11,27 ßl.
die Frau „ „ 7,53 „
Aus diesen Daten läßt sich aber nicht
mit Bestimmtheit entnehmen, wie hoch in
der letzten Periode von 1833 bis 1847 der
Verdienst eines Mannes pro Tag und die
Zahl der dieser Arbeit gewidmeten Tage
gewesen ist.
NVa
Tlr.l ß
6 47
25
Roggen 219
Schfl.
44^/16
8 24
44^/16
QU
220
Transport
Denn wenn auch der Geldbetrag der
Meliorationsarbeiten ungefähr derselbe ge-
blieben sein mag, so hat sich doch die Art
der Melioration (an die Stelle des Mergeins
ist das Modern und die Wiesenverbesserung
getreten) wesentlich geändert, und damit
auch die Jahreszeit, in welcher diese Ar-
beiten vollbracht sind. Andererseits hat die
Zahl der Familien und das Verhältnis, in
welchem Männer und Frauen an den Melio-
rationsarbeiten teilgenommen, eine Ände-
rung erlitten.
Nach ^^elfacher, sorgfältiger Yergleichung
werden jedoch die nachstehenden Annahmen
sich der Wahrheit ziemlich nähern.
Bei den Meliorationen arbeitet der Mann
jährlich 22 Tage, und verdient täglich
1U,5 ßl., macht
die Frau 44 Tage, und verdient täglich 6 V2 ßl.
(Der Betrag kommt weiterhin in Rechnung.)
6. Das Hacken im Deputat.
Jeder Häclier erhält an Korn:
maclit auf Roggen
14 Schfl. Roggen . . . . = 14 Schfl.
12 Gerste .... ^ 9
2 hai'bgehäufte Schfl. Hafer = IVs ",
2 Schfl. Erbsen . . . . = 2 „
Summa 26 Vs Schfl.
ll \2/
Tlr.l ß
Eoggen
Schfl.
24
442/in
39
13 15
442/iG
- 615 —
Transport
Au Geld erhielt der Hacker in der ersten
Hälfte dieser Periode 11 Taler, in der
zweiten Hälfte 12 Taler; im Durchschnitt
also 111/2 Taler.
Für dieses Deputat arbeiten die Hacker
vom 24. März bis 10. November = 33
Wochen = 231 Tage.
Davon fallen für die Arbeit aus :
Sonntage 33
Festtage 41/2
zum Torfstechen für die Leute selbst 6
zum Torf einfahren 1
ein Markttag . 1
das Erntefest 1/2
durch Krankheiten etwa 5
ol^
Zu Arbeiten für die Herrschaft
bleiben 180 Tage.
Wenn die Deputatisten krank sind, wird
ihnen für jeden Tag, an welchem sie nicht
arbeiten, 4 ßl. in Abzug gebracht; dies
macht für 5 Tage — 20 ßl., und von den
111/2 Tlr. G-eldlohn verbleiben ihnen 11
Tlr. 4 ßl.
180 Arbeitstage der Hacker kosten dem-
nach 11 Tlr. 4 ßl. und 26i/s Scheffel
Roggen; dies macht pr. Tag 2,96 ßl. und
0,115 Schfl. Roggen.
N^/s I Eoggen 221
Tlr.! ß Schfl.
13
15
442/iG
13 15
442/16
G16
222
Transport
Beim Preise des Roggens von 40 ßl.
pr. Scheffel sind 0,i45 Schfl. = 5,80 £1.
Hierzu der Geldlohn von . . . 2,96 „
gibt an Lohn für einen Arbeitstag N- 's 8,76 ßl.
In der ersten Hälfte dieser Periode sind
2 Tagelöhner, in der zweiten Hälfte aber
ist nur 1 Tagelöhner als Hacker auf Deputat
gesetzt gewesen ; im Durchschnitt also 1^/2.
Diese haben an Dej)utat erhalten:
11/2 X 11 Tlr. 4 ßl. = 16 Tlr. 30 ßl.
11 '2 X 261/8 Schfl. = 393/16 Schfl. Roggen.
Da die Tagelöhner sich jahresweise beim
Hacken ablösen, so muß dies Deputat auf
11 Mann repartiert werden; dies gibt für
jeden
Die Hacker arbeiten li 2 X 180 = 270
Tage. Auf jeden der 11 Tagelöhner fallen
270
also ^Y ^^ 24,5 Arbeitstage beim Hacken.
7. Arbeiten im Tagelolin.
Im Durchschnitt der 10 Jahre von 1810
bis 1820 hat ein Tagelöhner für die Herr-
schaft gearbeitet 284,f; Tage.
N
Tlr.
2/
ßoggen
Schfl.
13
1
15
25
442/16
3»/l6
14
40
47 11/16
— 617 —
Trausport
Die bisher aufgeführten Arbeiten nehmen
davon hinweg:
1. das Dreschen 149 Tage
2. das Torfstechen .... 18,i „
3. das Aufräumen der Bracli-
gräben 6,3 „
4. die sonstigen Grabenar-
beiten 6)^ ?5
5. die übrigen Aktordarbeiten 22,o ,,
6. das Hacken 24,5 ,,
226,oTage.
Für Arbeiten in Tagelohn bleiben 58 Tage.
Davon mögen fallen auf die Winterperiode
vom 1. November bis 1. März 15 Tage,
von welchen jeder Tag mit 7 ßl. bezahlt
wird, macht
und 43 Tage auf die Sommerperiode, in
welcher 8 ßl. Tagelohn gegeben wird, macht
8. Deputat.
Jeder Tagelöhner erhält, statt des früher
für ihn gesäeten Scheffels Roggen . . ,
9. Arbeiten der Frau.
Nach dem zehnjährigen Durchschnitt ha-
ben die Frauen, welche keinen Hofgänger hal-
ten, im Jahr gearbeitet 175,i Tage. Davon
N% I Roggen 223
Tlr.l ß Schfl.
14 40! 4711/10
24, 9' 5211/16
61S
224
Transport
sind — wie oben angegeben ist — im
Akkord gearbeitet 44 Tage ä 6^/2 ßl. . .
Für die anderen Arbeiten bleiben 131,i
Tage.
Die Frau leistet für die Wohnung usw.
uuentgeltliclie Hoftage 104.
Bezahlt werden 27,4 Tage a 4 ßl. . .
iTlr.
24
Roggen
Schfl.
46
14
5211/16
Der Jahresverdienst eines Tagelöhners,
der keinen Hofgänger hält, beträgt demnach 1 32
21
5211/16
§ 2.
Berechnung des Ertrags und der Kosten der zu
Tellow gehaltenen Kühe für den Zeitraum vom
1. Juli 1833 bis 1. Juli 1847.
Unter den Emolumenten, welche die Arbeiter erhalten,
nimmt die Haltung einer Kuh eine bedeutende Stelle ein.
Um die Kosten einer Tagelöhnerfamilie berechnen zu können,
muß man deshalb wissen, welches der Reinertrag der Kühe
ist, und wie viel die Haltung einer Kuh füi- die Dorfleute
dem Gut kostet.
Die Ermittelung des Rohertrags der Kühe an Butter
usw. und der Kosten, welche mit der Kuhhaltung verbunden
sind, hat aber da, wo die Meiereiwirtschaft mit der Haus-
wirtschaft verbunden ist, sehr große Schwierigkeiten ; indem
— 619 —
einesteils der Verbrauch an Milch und Butter schwer zu
kontrollieren und in Zahlen anzugeben ist, und indem andern-
teüs die mit der Milchwirtschaft beschäftigten Leute neben- 225
her viele andere Arbeiten in der Haushaltung besorgen.
Sehr willkommen war es mir daher, daß Herr Stau-
dinger, der auf dem Gut Wüstenfelde bei einer beträcht-
lichen HoUänderei die Meiereiwirtschaft von der Hauswirt-
schaft ganz trennte, die Güte hatte, mir die Resultate seiner
HoUänderei vom Jahr 1827/28 vorzulegen, und mir dann
die Notizen, welche ich zur Berechnung der auf die einzel-
nen Zweige fallenden Arbeiten und Kosten bedurfte, bereit-
willig mitteilte.
In der nachstehenden Berechnung sind nun die aus
der Wüstenfelder Rechnung gezogenen Daten , uameutlich
die über die mit der Meiereiwirtschaft verbundenen Ar-
beiten benutzt und mit den Modifikationen, welche die ver-
änderten Verhältnisse nötig machten , zur Basis genommen.
In bezug auf den Rohertrag der Kühe zu Tellow ist
zu bemerken:
1. daß der Milchertrag der Kühe für jedes Jahr aus den
Rechnungen zu ersehen ist;
2. daß in den Jahren 1845—48 auch der Butterertrag
stets angeschrieben ist;
3. daß die Rechnungen den Preis der Butter für jedes
Jahr genau ergeben; und
4. daß für das Jahr 1845/46 eine sorgfältig geführte
detaillierte Berechnung über den Wert sämtlicher Pro-
dukte, die die Kühe geliefert haben, vorliegt, und
daß hiernach der Wert der Milch pr. Pott berechnet
worden.
— 620 —
226 Milchertrag. Im Durchschnitt der 14 Jahre von 1833
bis 1847 hat die Kuh 1682 Pott*) Milch gegeben.
Buttergehalt der Milch. Im Durchschnitt der drei
Jahre von 1845 bis 1848 sind zu einem Pfund Butter
erforderlich gewesen 15-/3 Pott Milch.
Butterertrag. Wenn sämtliche MOch zur Butterproduk-
1682
tion verwandt wäre, so hätte die Kuh zt^ht- = 107,4
Pfund Butter gegeben.
Yiehrasse. Die Herde besteht ungefähr zu gleichen
Teilen aus jütländischen und angelschen Kühen. Das
Gewicht der Kühe im lebenden Zustand schätze ich
auf 650 Pfund.
Butterpreis. Im Durchschnitt der 14 Jahre ist der
Preis des in einem Pfundfaß gemessenen und nach
einer benachbarten Stadt frisch verkauften Pfundes
Butter gewesen — 7,77 ßl. N^/s. Im Durchschnitt der
drei Jahre von 1845 bis 1848 sind 100 gemessene
Pfunde = 107,5 Pfunde ä 32 Lot gewesen. Der
Preis des richtigen Pfundes von 32 Lot ist demnach
7,77 X ^^ = 7,23 ßl. N2/3.
Wert der Milch auf dem Gute selbst. Aus der
detaillierten Berechnung vom Jahr 1845/46 hat sich
ergeben, daß durch die Einnahme für Butter, nach Ab-
zug der Verkaufs- und Transportkosten derselben, und
durch die Nutzung der sauren Milch, vermittels der
Schweinemastung , ein Pott Milch auf dem Gut, also
an dem Erzeugungsort selbst, in diesem Jahr den Wert
von 0,6953 ßl. N2/3 hatte.
*) 100 Pott sind eiuer glaubwürdigen Angabe nach gleich
79 Berliner Quart.
— 621 —
Der Preis der Butter ist gewesen im Jahr 1845/46 227
8,05 ßl. N2/3
im Durchschnitt der Jahre 1833 — 1847 7,23 ßl. pr. Pfund
von 32 Lot. Das Verhältnis zwischen beiden Preisen
ist also wie 8,05 : 7,23 = 1000 : 898.
Da der "Wert der Milch durch den Preis der Butter
bedingt wird, so ergibt sich hieraus für den Zeitraum
von 1833 bis 1847 der Wert eines Pott Milch =
898
0,6953 X TKKK = 0,625 Odcr ^/s ßl.
"Wert des Erzeugnisses einer Kuh im Durch-
schnitt der Jahre 1833 bis 1847. Der Milch-
ertrag einer Kuh, die jährlich 1682 Pott Milch gibt,
hat den Wert von 1682 X '^/s = 1051 ßl. = 21 Tlr. 43 ßl.
Hierzu kommt der Wert des Kalbes. Der Durch-
schnittspreis eines nüchternen, 1 bis 3 Tage alten Kalbes
ist ca. 32 ßl. Da aber nicht jede Kuh jährlich ein Kalb
bringt, indem einzelne Kühe güst bleiben oder versetzen
oder tote Kälber zur Welt bringen, so kann man hierfür
10 % abrechnen, und die Einnahme von der Kuh durch
das Kalb bleibt dann 29 ßl.
Der ganze Wert des Erzeugnisses einer Kuh ist dem-
nach 21 Tlr. 43 ßl. + 29 ßl. = 22 Tlr. 24 ßl. N^/s.
Berechnung der Unkosten, die mit der Kuhhaltung
verbunden sind.
1. Arbeitskosten bei der Milchwirtschaft.
Zu Wüstenfelde sind diese Kosten, mit Ausschluß des
Butterns während des Sommers — wo dies durch ein Pferd
betrieben wurde — für 109 Kühe berechnet zu 229 Taler
15 ßl. Dies macht pr. Kuh 2 Tlr. 5 ßl.
622
228 Die Unterhaltskosten eines Mädchens in der Meierei-
wirtschaft sind dort berechnet zu 55 Tlr. 46 ßl.
Obige 229 Tlr. 15 ßl. sind gleich den Unterhaltskosten von
229 Tlr. 15
55 Tlr. 46
4,1 Mädchen.
Auf 109 Kühe kommen 4,i Mädchen ; dies gibt
26.6 Kühe auf 1 Mädchen. Die Kühe hatten
durchschnittlich 1882 Pott Milch gegeben; zu
1 Pfund Butter waren 17, 4C Pott Milch er-
forderlich, und der Butterertrag pr. Kuh war
107,8 Pfund.
Zu Tellow steigern sich diese Kosten dadurch,
daß der Lohn der Mädchen höher ist, daß das
Buttern durch Menschen geschieht, und daß das
ßüttenscheuern im Sommer nicht, wie in Wüsten-
felde, vor dem Milchen geschieht — der Berech-
nung zufolge um 20 ßl. pr. Kuh.
Die Arbeitskosten betragen hier demnach pr.
Kuh 2 Tlr. 5 ßi. + 26 ßl. =
2. Aiifsjichtskosten.
"Wenn auf 100 Kühe eine Meierei gehalten
wird, die das fiahmen, Butterbereiten und andere
Nebenarbeiten besorgt, zugleich aber auch die
Aufsicht führt, so rechne ich die Unterhaltskosten
derselben auf 80 Tlr.
den Lohn 40 „
120 Tlr.
Tlr. 1 ß
31
31
— 623
Transport
Diese 120 Tlr. auf 100 Kühe verteilt, gibt für
eine Kuh 1 Tlr. 9,6 ßl.
Wenn Hauswirtschaft und Milchwirtschaft mit-
einander verbunden sind, so ist es fast unmög-
lich zu bestimmen, welcher Teil der Unterhalts-
kosten der Wirtschafterin auf jeden der beiden
Zweige fällt.
Ich setzQ deshalb, wie in einer abgeschlossenen
Meiereiwirtschaft, die auf eine Kuh fallenden
Aufsichtskosten an zu
3. Salz und Butter.
Zu Wüstenfelde sind in 6 Jahren für 625 Kühe
gebraucht 110 Schfl. Dies macht pr. Kuh jähr-
lich 0,175 Schfl. ä 20 ßl
4. Feuerung:.
Zu AVüstenf elde sind pr. Kuh gerechnet 250 Soden
Torf, oder Vio Fuder Ellernholz. Podewils rechnet
pr. Kuh V;. Klafter Ellernholz.
Hier nehme ich pr. Kuh 300 Soden Torf an,
das Tausend zu 20 ßl. gerechnet, gibt ....
5. Arznei
nebst dem Schrot, welches die Kühe zuweilen
nach dem Kalben bekommen
Tlr. 1 ß
229
31
9,0
0,5
6,1
— G24 —
230
NVs
Transport
6. Zinsen vom Wert des Milcheugeräts.
So wie das Milchengesclürr hier bisher gewesen
ist, mag der AVert desselben pr. Kuh 2 Tlr. be-
tragen. Hiervon die Zinsen zu 4 ^/o
Wenn eiserne Satten statt der hölzernen Bütten
gehalten, alles Milchengeschirr mit eisernen Bän-
dern versehen, und eine Buttermühle gehalten
wird, so steigen die Anschaffungskosten des
Milchengeräts weit höher — wogegen sich dann
aber die Erhaltungskosten des Gescliirrs und die
Arbeitskosten für das Milchenwesen vermindern.
7. Abnutzung und Erhaltungskosten des
Milchengeräts.
Diese schätze ich pr. Kuh zu
8. Abnutzung oder jährliclie Wertver-
minderung der Kühe.
Um diese mit einiger Genauigkeit zu ermitteln,
ist eine spezielle Berechnung erforderlich. Der
nachstehenden Rechnung liegen nun folgende An-
sätze zugrunde:
1. Yon 100 Kühen sterben jährlich drei, und
zwei Kühe werden wegen geringen Milch-
ertrags oder sonstiger Fehler ausgeschlossen.
2. Die Starken werden eingeschossen, wenn
sie dreijährig (d. h. im 3. Lebensjahr) sind,
und kosten das Stück 24 Tlr. N2/.3.
Tlr.
6,1
3,8
12
4 I 21,9
— 625 —
Transport
3. die Kühe werden abgesetzt, wenn sie 13 jährig
sind. Der Verkaufspreis der alten Absatz-
kühe und der jüngeren, wegen geringen Milch-
ertrages ausgeschlossenen Kühe ist 16 Tlr.
N2/3.
Aus welcher Kopfzahl besteht nun eine Herde,
die jährlich 100 Starken einschießt?
Vorhanden sind:
Beim Ankauf
100 3jälirige,
davon nach
1 Jahre . .
95 4 jährige,
5? 11
2
Jahren .
90,3 5 jährige,
H 5)
3
)?
85,8 6 jährige,
51 •>■)
4
•>■>
81.5 7 jährige,
?1 5)
5
V
77,4 8 jährige,
•>■) ?J
6
■>■)
73,5 9 jährige,
V V
7
V
69,8 10 jährige,
5? V
8
55
66,3 11jährige,
7? 5J
9
55
63 12 jährige.
Summe 802,0.
Im Herbst jedes Jahrs beim Eintritt der Star-
ken besteht also diese Herde aus 802,(; Haupt,
Dann sind aber außerdem noch vorhanden
€4 X ^^/2o = 60 dreizehnjährige Absatzkühe, die
verkauft werden.
Tlr. I ß
231
4 21,9
4 21,9
Thünen, Der isolierte Staat.
40
— 626 —
•232
Transport
Die Einnahme für 60 Kühe a 16 Tlr. be-
trägt 960 Tlr.
Außer diesen Absatzkülien beträgt der
jährliche Abgang 100 -f- 60 = 40 Haupt,
darunter sind: Gestorbene . 24 „
wegen Mangelhaftigkeit Aus-
geschossene 16 „
Für letztere "werden eingenommen
a 16 Tlr 256 „
Die Häute der 24 gestorbenen Kühe
haben, ä 2 Tlr., einen Wert von , . 48 „
Summe der Einnahme für verkaufte
Kühe und Häute 1264 Tlr.
Die Ausgabe für 100 Starken beträgt 2400.
Die Erhaltung einer Kuhherde von 802,g Haupt,
in gleicher Zahl und gleichem Wert, kostet dem-
nach 2400 -^ 1264 = 1136 Tlr. Auf eine Kuh
fällt demnach
9. Zinsen vom Wert der Kiilie.
Wenn man den Wert der 4- und 5jährigen
Kühe dem der 3 jährigen gleich setzt und zu 24 TLr.
pr. Stück annimmt; vom 5jährigen bis zum
18 jährigen Alter aber eine Wertsabnahme von
24 bis zu 16 Tlr., also für jedes Jahr 1 Tlr.
in Anrechnung bringt, so ist der Wert einer
Tlr. j ß
~ 2l7
1 20
627 —
Transport
regelmäßigen, aus 803 Haupt bestehenden Herde
folgender :
3 jährige
Kühe
100
4 jährige
7)
95
5 jährige
V
90,3
TIr.
285,3 ä 24
= 6847,2 Tlr.
6 jährige
Kühe
85,8 a 23
))
= 1973,4 „
7 jährige
?i
81,5 ä 22
51
= 1793,0 „
S jährige
5'
77,4 ä 21
5?
= l'J25,4 „
9 jährige
5'
73,5 ä 20
11
- 1470,0 „
10 jährige
»
69^8 ci 19
11
= 1326,2 „
11jährige
5)
66,3 a 18
11
= 1193,4 „
12 jährige
)5
63 ä 17
V
= 1071,0 „
802,0 17299,6 Tlr.
802,6 Haupt haben einen Wert von 17 299,6 Tlr.
Dies macht pr. Haupt — 21,55 Tlr. Hiervon
die Zinsen von 4 "/o, macht 0,s62 Tlr
10. Zinsen vom Wert der Schweine.
Insofern die Schweine als Mittel zur Ver-
wertung der sauren Milch gehalten werden, ge-
hört die Ausgabe auf das Konto der Kühe.
Rechnet man zu diesem Zweck auf 8 Kühe
3 Schweine, ä 10 Tlr. Wert, so fallen auf eine
Kuh die Zinsen von 3'^/i Tlr., gleich ....
N^/a 233
Tlr.
41,9.
41,4
6 42,i
40*
— 628 -
■234
Transport
11. Meiereigebäude.
Die Erbauungskosten eines solchen Gebäudes
für 60 Kühe betragen ca. 800 Tlr.; davon die
Zinsen 32 Tlr. — ßl.
Die Abnutzung, Reparatur und die
Braudkassenbeiträge zu ^/i; % des
Erbauungskapitals berechnet, macht 6 „ 32 „
Für Reinigung des Schornsteins 1 „ 32 „
40 Tlr. 16 ßl.
Diese 40 Tlr. 16 ßl. auf 60 Kühe verteilt gibt
12. Schweinestall.
Für eine Holländerei von 60 Kühen betragen
die Erbauungskosten eines solchen Stalls zirka
200 Tlr. Die dafür in Anrechnung zu bringende
Tlr.
ß
6
42,5
i
1
32,3
Th-.
auf
a
60
4W6 o/o, beträgt 9 Tlr.
Kühe verteilt, gibt für
Miete = 200
32 ßl. Diese
jede Kuh
Diese 12 Ausgabeposten, welche zusammen
7 Tlr. 34^.2 ßl. betragen, faUen weg, wenn statt
der Hofkuh eine Dorfkuh gehalten wird.
34,5
G29
Transport
Fortsetzung der Ausgabeberechnung,
und zwar der Kosten, welche auch auf
die Kühe der Dorfleute fallen,
13. Kosten des Kulihirteii.
Der Kuhhirt kostet mit Deputat uud Emolu-
menteu, nach Abzug der Dienstleistung seiner
Frau*) ca. 93 Th-.
In dem 14 jährigen Zeitraum von 1833 — 47
sind inkl. der Dorfkühe und der Bullen auf der
Weide gewesen 827^/2 Haupt. Dies macht im
Durchschnitt jährlich 59 Haupt.
In der zweiten Hälfte dieser Periode sind
sämtliche Dorfkühe im Winter auf dem Hofe
durchgefuttert. In der ersten Hälfte dieses Zeit-
raums blieb aber noch ein Teil dieser Kühe im
Dorf. Die Zahl der im ganzen auf dem Hofe
durchgefutterten Kühe beträgt 784. Dies macht
im Durchschnitt jährlich 56. Im Sommer und
Winter zusammen beträgt also die Zahl der Kühe,
wofür der Kuhhirt gehalten ist,
Die Kosten des Kuhhirten =
Haupt repartiert, gibt pr. Kuh
59 4- 56
= 571/2
93 Tlr. auf 57^/2
*") Das Deputat, welches der Kuhhirt an Korn
und Geld erhält, beträgt ungefähr 5 Tlr. weniger
als der Jahresverdienst eines Tagelöhners.
N
Tlr.
ß
7
1
34,5
30
9
16,5
235
— 630 —
236
Transport
(Für eine Herde von 86 Kühen, wie sie sich
gegenwärtig zu Tellow befindet, vermindern sicli
diese Kosten pr. Kuh um 26 ßl.)
14. Hilfe beim Tränken des Viehes durch
ein Hofmädchen.
Diese Arbeit nimmt täglich etwa ^/i der Arbeits-
zeit eines Mädchens in Anspruch. Dies macht
in 195 Tagen 49 ganze Arbeitstage. Den Tag
zu 7 ßl. gerechnet, macht 7 Tlr. 7 ßl., und diese
auf 56 Haupt repartiert, gibt pr. Kuh . ...
15. Ställe ausmisten.
Diese Arbeit erfordert auf 25 Haupt wöchent-
lich die Tagesarbeit einer Frau. Hiernach sind
für 56 Haupt in 195 Tagen an Tagearheiten einer
Frau erforderlich — 62,i. Die Kosten der Arbeit
einer Frau sind berechnet, für den Zeitraum
vom 1. Nov. bis 25. März pr. Tag zu 6-'/;) ßl.,
„ 25. März „ 14. Mai „ „ „ 9V3 „
„ 1. Nov. „ 14. Mai im Durchschnitt 7 „
Diese Arbeit kostet also 62,4 Fr., a 7 ßl. =
9,1 Tlr., und beträgt für eine Kuh
16. Errichtuiift- einer Milchen})ucht.
Diese wird in der Regel zu ^U DR. pr- Kuh an-
gelegt und hat für 59 Kühe einen Umfang von
26 Ruten.
Tlr. I ß
631 —
Transport
Nach einer besonderen Berechnung kostet eine
Rute an Arbeit von Menschen und Pferden,
nebst den Zinsen vom Wert der Pföste und
Koppelricke, und deren Abnutzung — 5^/4 ßl.
Dies gibt für 26 Ruten 3 Tlr. 6 ßl., und für
jede der 59 Kühe
17. EiTichtuiig- einer Naclitkoppel.
In den 14 Jahren ist nur etwa 4 mal eine
Nachtkoppel gemacht, deren Umfang ca. 200 Ruten
betrug und deren Errichtung 200 X 5^/4 ßl. =
23 Tlr. 46 ßl. kostete. Für 4 Jahre beträgt
dies 95 Tlr. 40 ßl., und in 14 Jahren durch-
schnittlich 6 Tlr. 40 ßl. auf das Jahr. Auf
59 Kühe verteilt, gibt dies pr. Kuh
18. Zinsen und Abnutzung
von Kuhketten, Häckselladen, Wassertrögen, For-
ken usw. Zinsen pr. Kuh etwa .... 2 ßl.,
Reparatur und Abnutzung ungefähr . . 3 ,,
19. Das Reinigen und Zerstoßen der mit
den Kühen verfütterten Runkelrüben,
nebst dem Sclmeiden des dazu er-
forderlichen Häcksels.
Wenn mit 56 Kühen täglich 14 Scheffel
Runkelrüben verfüttert werden, so erfordert
Tlr. ] ß
~9
— 632
238
Transport
a) das Reinigen und Zerstoßen 1/2 F. 3V2 ßl.,
b) das Schneiden von 28—35 Scheffel
Häcksel V2 M 5'U „
c) das Holen der Runkeln aus der
Miete kostet ca I1/2 „
lOVi ßl.
Die Ausgabe von 10^4 ßl. täglich macht auf
den ganzen Winter von 195 Tagen 41 Tlr. 31 ßl.
und auf eine Kuh 35,g ßl.
Die Fütterung mit Runkeln hat aber nur in
den letzten Jahren, und dann auch nur mit einem
Teil der Kühe stattgefunden. Im ganzen mag
die Zeit, in welcher Runkeln gefuttert sind, für
sämtliche Kühe berechnet, einen Winter, also den
14. Teil dieses Zeitraums umfassen.
35,6 ßl. in 14 Jahren ergibt für die Kuh in
einem Jahr
20. Miete für den Stallraum einer Kuh.
Wenn man die Zinsen von den Erbauungs-
kosten eines Viehhauses, die Abnutzung, die Re-
paraturkosten und die Brandkassenbeiträge zu-
sammen berechnet — hiervon die Miete für den
oberen Raum zur Aufbewahrung des Heues ab-
rechnet : so ergibt sich, nach einer speziellen Be-
rechnung, daß auf eine Kuh an Miete für den
Stallraum fällt
N
Tlr.
V3
ß
9
43,&
2,s
19,9
10
■
18
633 —
Transport
21. Miete für den Scheuiieuraum zur
Aufbewahrung des Heues.
Nach der augefülirten Berechnung beträgt diese
Miete für 1 Fuder Heu 11,5 ßl.
Die Kühe haben im 14 jährigen Durchschnitt
pr. Haupt 1,15 Fuder Heu erhalten. Auf eine
Kuh fällt demnach l,i5 X 11,5 ßl. . . . . .
22. Werlmngskosten des Heues.
In dem zehnjährigen Zeitraum von 1810—20
haben die Werbungskosten des Heues pr. Fuder
47,4 ßl. N2/3 betragen.*)
Die Kuh hat von 1833 — 47 jährlich l,i5 Fuder
Heu erhalten.
Die AVerbungskosten des Heues beiragen dem-
nach für eine Kuh l,i5 X 47,4 ßl
23. Beitrag* zur Brandkasse
für die Versicherung der Kuh , ungefähr Vi %
des Werts
*) Das Gewicht des Fuders Heu wird beim Ein-
fahren zu 1800 Pfund angenommen, wovon im Stall
10 — 12 o/o durch weiteres Eintrocknen und Verdunsten
verloren gehen. Dem Vieh wird deshalb das Fuder
nur zu 1600 Pfd. angerechnet.
Tlr. ! ß
239
10
18
13,2
6,5
2,5
11 40,2
634 —
240
Transport
24. TJnterlialtung der Bullen.
Von den hier für die Kühe berechneten Kosten
.von . 11 Tlr. 40,2 ßl.
fallen für den Bullen weg die
Aiiikel Nr. 1,2,3,4,6,7,10,11
und 12, welche zusammen be-
tragen 5 ,, 17,1 ,,
Es bleiben 6 Tlr. 23,i ßl.
Dagegen ist die jährliche Werts-
verminderung des Bullen wohl
doppelt so hoch anzuschlagen als
die einer Kuh. Es kommen des-
halb hinzu . . . ■ 1 Tlr. 20 ßl.
Summe der auf einen Bullen
fallenden Kosten 7 Tlr. 43,i ßl.
Rechnet man nun, daß auf 100 Kühe 3 Bullen
gehalten werden müssen, so kommen von diesen
Kosten auf eine Kuh 7 Tlr. 43,i ßl. X ^/loo.
1V2'
■1-^ ,3
Tlr. ß
11
Summe aller auf eine Kuh fallenden Kosten
Der Rohertrag der Kuh ist
Der Reinertrag ist also
40,2
11,4
12 3,6
22 I 24
10 20,4
Anmerkung. Bringt man aber, wie dies gewöhnlich
geschieht, die Zinsen und Unterhaltungskosten der für die
HoUänderei nötigen Gebäude nicht in Abzug, so fallen die
sub Nr. 11, 12, 20 und 21 aufgeführten Artikel mit 1 Tlr.
25,1 ßl. aus den Kosten weg und der Ertrag der Kuh wird
dann berechnet zu 11 Tlr. 4r),5 ßl. Wis.
— 635 —
100 Kühe geben demnach einen Reinertrag von 100 X "-^41
10 Tlr. 20,i ßl. = 10421/2 Tlr,
100 Kühe und 3 Bullen, zusammen also 103 Haupt,
bezahlen das Futter, das sie erhalten, mit 1042 V2 Tlr.
Dies gibt pr. Haupt 10 Tlr. 6 ßl. WI3.
Die genaue Berechnung des Reinertrags der Kühe und
der sich daraus ergebenden Nutzung des Futters dient nicht
bloß zur richtigen Ermittelung der Kosten einer Tagelöhner-
familie, sondern ist dem Landwirt durchaus notwendig zur
Beantw^ortung und Entscheidung der Fragen:
1. Ist der Anbau der Wurzelgewächse zum Viehfutter
für das gegebene Lokal zweckmäßig und vorteilhaft'?
2. Welcher Aufwand darf auf die Verbesserung der
Wiesen zur Erlangung eines höheren Heuertrages
gemacht werden?
Wenn zuvor die Aufgabe gelöst ist, aus dem Reinertrag
einer Kuh den Futterwert von Gras, Heu und Stroh dar-
zustellen : so ergibt sich, wenn für den Acker die Kosten der
Besamung mit Klee- und Grassamen, fiü' die Wiesen die
Kosten des Grabenaufräumens und der sonstigen Unterhaltung
in Abzug gebracht werden , der Reinertrag der Ackerweide
und der Wiesen.
Man darf aber nicht glauben, daß dieser Reinertrag
identisch ist mit der Landrente. Denn wenn wir auch für
aUe Getreidearten und die sonst gebauten Gewächse den
Reinertrag auf ähnliche Weise berechnen und auch für diese
die Zinsen und Unterhaltungskosten der Gebäude, die sie er-
— 636 —
fordero, in Anrechnung und Abzug bringen : so werden damit
doch die allgemeinen Kulturkosten nicht erfaßt und gedeckt.
Zu diesen allgemeinen Kulturkosten gehören, wenn man
auch die Abgaben an Staat und Kirche — die von der Land-
242rente selbst zu entnehmen sind — davon ausschließt, doch
noch folgende:
1. Administrationskosten und Gewerbsprofit des Unter-
nehmers, oder Unterhalt und Glewinn des Pächters;
2. Zinsen vom Wert des Wohnhauses und Erhaltungs-
kosten desselben;
3. Zinsen vom Betriebskapital ;
4. Unterhaltung von Wegen, Brücken und Scheidegräben ;
5. Kosten der Unterhaltung einer Schule für die Dorf-
kinder.
Die außerordentliche Meinungsverschiedenheit der Land-
wirte über die Frage:
ob und inwieweit aus der gewöhnlichen Viehhaltimg
eine Landrente vom Boden gewonnen wird,
entspringt hauptsächlich daraus, daß man gewöhnlich die
Kostenansätze nicht aus der Wirklichkeit — den längere Zeit
geführten Rechnungen — entnimmt, sondern einer trügeri-
schen, oberflächlichen Ansicht folgt und dann manche Aus-
gabeposten ganz übersieht und vergißt.
63<
Teilung- der Kosten der Meiereiwirt-
schaft in solche, die mit der Größe
des Milchertrags im Verhältnis
stehen, und in solche, die von der
Zahl der Kühe ahhängig sind.
1. Arbeitskosten
2. Auf Sichtskosten. Diese mögen etwa
zu ''Is der ersten und zu ^/s der
zweiten Klasse angehören, dies gibt
3. Salz zur Butter
4. Feuerung
5. Arzenei
6. Zinsen vom Wert des Milchengeräts
7. Abnutzung desselben
8. Abnutzung der Kühe
9. Zinsen vom Wert der Kühe . . .
10. Zinsen vom Wert der Schweine .
11. Das Meiereigebäude
12. Der Schweinestall
13. Kosten des Kuhhirten
14. Hilfe beim Tränken der Kühe . .
15. StäUe ausmisten .......
16. Errichtung einer Milchenbucht . .
17. Errichtung einer Nachtkoppel . .
18. Zinsen und Abnutzung von Kuh-
ketten, Wassertrögen usw. . . .
19. Reinigen und Zerstoßen der Runkel-
rüben
20. Miete für den Stallraum ....
23. Beitrag zur Brandkasse für Yer-
sicherung der Kuh
24. Unterhaltung der Bullen ....
Summe
, Kosten, diej
i mit dem !
Milchertrag
im Verhält
nis stehen.
iTlr.l ß
19
2,4
3,5
6
3,8
12
7,2
32,3
7,7
4 I 45,9
Tlr.
Kosten, die 243
unabhän-
gig vom
Milchertrag
sind.
ß
12
7,2
20
41,4
30
6,1
7,8
2,6
5,(i
2,5
19^9
2,5
11,4
34
— 638 —
244 Die "Werbungs- und Ai;fbewalirungskostea des Heues
gehören — da mit der Steigerung der Heufütteruug der
Milchertrag nicht im direkten Verhältnis wächst — vreder
der einen noch der anderen Klasse an, sondern bilden eine
eigene Ausgabenklasse.
Die mit der Meiereiwirtschaft verbundenen Kosten zer-
fallen demnach in drei Klassen, und betragen pr. Kuh
A. Kosten, die mit dem Milchertrag im Verhältnis stehen
4 Tlr. 45,9 ßl.
B. Kosten, die auf die Kühe selbst fallen 5 ., 34 „
C. Aufbewahrungs- und Werbekosten des
Heues 1 „ 19,: „
wie oben 12 Tlr. 3,6 ßl.
Die Kuh gibt einen Rohertrag von 22 „ 24 „
Die Ausgabenklassen A und B be-
tragen 10 „ 31.9 „
Wenn die Werbe- und Aufbewahrungs-
kosten des Heues nicht in Abzug gebracht
werden, so liefert die Kuh einen Über-
schuß von 11 „ 40,1 „
Die Zahl der Kälber, die geboren werden, steht im Ver-
hältnis mit der Zahl der Kühe. Die Einnahme für Kälber
ist pr. Kuh berechnet zu 29 ßl. Zieht man diese von den
Kosten, die auf die Kühe selbst fallen, ab, so bleibt die Aus-
gabenklasse B 5 Tlr. .j ßl. = 5,1 Tlr. pr. Kuh.
Der Milchertrag der Kuh ist 1682 Pott. Die mit dem
Milchertrage im Verhältnis stehenden Kosten betragen 4 Tlr.
45,9 ßl.
Für 1 Pott Milch betragen diese Kosten
237,9 ßl. X -y^ = 0,111 ßl.
— 639 —
Der "Wert der Milch pr. Pott ist oben berechnet zu 245
0,025 ßl.
Hiervon ab die Kosten pr. Pott mit .... 0,i4i „
gibt Überschuß für 1 Pott Milch 0,484 ßl.
Für 100 Pott Milch beträgt demnach der Überschuß
48,4 ßl. = 1,01 Tlr.
Der Milchertrag einer und derselben Kuh ist keine be-
ständige Größe, sondern ändert sich mit der Quantität und
Qualität des Putters, das sie erhält. Es ist deshalb von be-
deutendem Interesse für den Landwirt, zu wissen, wie sich
mit dem Milchertrag der Kuh deren Reinertrag ändert.
Durch die Trennung der Ausgaben, die mit dem Milch-
ertrag steigen und fallen, von den Ausgaben, die sich stets
gleich bleiben, die Kuh mag viel oder wenig Milch geben,
sind wir nun in den Stand gesetzt, durch die aus der Wirk-
lichkeit entnommene Berechnung für einen gegebenen Milch-
ertrag den Überschuß darzustellen, den die Kühe von gleicher
Rasse und gleicher Güte, für jeden — durch die Fütterung
bedingten — Grad des Milchertrags liefern.
— 640
246 Darstellung des Überschusses einer Kuh hei ver-
schiedenem Milchertrag, wenn Werbe- und Aufbe-
Avahrungskosten des Heues nicht abgezogen werden.
Milchertrag
von einer Kuh
Wert des
Milchertrags
pro 100 P.
zu 1,01
Tlr. N2/3
Unkosten
pro Kuh
Tlr. N^s
Überschuß
vou einer
Kuh
Tlr. N'^/3
2000 Pott
1900 „
1800 „
1700 „
1682 „
1600 „
1500 „
1400 „
1300 „
1200 „
1100 „
1000 „
900 „
800 „
700 „
600 „
505 „
20,20
19,19
18,18
17,17
16,99
16,1G
15,15
14,1-1
13,10
12,1.
11,11
10,10
9,09
8,08
7,07
6,0G
5,10
5,10
15,10
14,09
13,os
12,07
11,89
11,00
10,05
9,04
8,03
7,02
6,01
5,00
3,99
2,98
1,97
0,9G
0
G41 —
§ 3.
Wert der Emolumente, welche die Tage-
löhner zu Tellow erhalten.
1. Die Wohiiiing.
Nach einer Berechnung, die sich auf Behrens
Landbaukunst gründet, kostet die Erbauung eines
Dorfhauses (hier Katen genannt) von 4 Wohnun-
gen und der Größe, wie die hiesigen älteren Katen
sind, 900 Tlr. 6 ßl., oder ungefähr 1000 Tlr.*)
Dies macht für eine Wohnung 250 Tlr.
Hiervon die Zinsen zu 4%
Die Wertsverminderung, die Eeparaturen und
die Brandkassenbeiträge sind zu jährlich '-'Ig^Io
vom Erbauungskapital berechnet; dies macht .
Für Reinigung des Schornsteins
Die Wohnung . .
2. Garten-, Kartoffel- und Leinland.
30 Quadratruten Garten ä 3 ßl
50 Quadratruten Kartoffelland, inkl. der Be-
ackerung ä Quadratrute 3 ßl
30 Quadratruten Leinland auf ausgesuchtem
stark gedüngten Acker ä Quadratrute 3V2 ßl.
Garten- und Ackerland . . .
*) Von den in neuerer Zeit erbaviten Katen kommt
die mit 2 Stuben und 2 Kammern versehene Woh-
nung auf ca. 452 Tlr. N^/s zu stehen.
Tlr. 1 ß
10
12 16
Thünen, Der isolierte Staat.
41
642 —
248
"S. Feuerung;.
a) Brennholz.
Die Dorfleute erhalten jeder 3 Fuder 20 jähriges
Bruch- oder 30 jähriges Kiefernholz. Außerdem
erhalten die Leute noch 1 — 2 Fuder Sammel-
und Rodeholz, was aber keinen Verkaufswert hat.
Der Faden (von 196 Hamburger Kubikfuß
Raumgehalt) Bruch oder Kiefernholz _ hatte in
dieser Periode nur den äußerst niedrigen Preis
von 2 Tlr. 4 ßl.
Hiernach ist der Verkaufswert eines Fuders
von jenem Holz — exkl. der Kosten des Hauens,
was die Leute selbst verrichten — zu 34^/2 ßl.
berechnet.
Dies macht für 3 Fuder ....'....
Hierzu für das- Anfahren der 3 Fuder a 6 ßl.
b) Torf.
Die Dorfleute erhalten jeder 14 Tausend Soden
Torf ä 1/12 Kubikfuß, wovon sie selbst 10 Tausend
Soden stechen und 4 Tausend vom Herrn geliefert
erhalten.
An Stecherlohn ist pr. Tausend Soden 9 ßl.
zu berechnen, was man auf dem hiesigen Moor
an fremde Arbeiter würde zahlen müssen; dies
macht für 4 Tausend
Das Anfahren des Torfs erfordert 3 Fuhren
a 9 ßl
NVa
Tlr.
7
18
36
27
40
— 643
Transport
Für das Torfmoor ist aber auch eine Land-
pacht zu berechnen, und diese auf die Zahl der
Soden, die das Moor jährlich dauernd zu liefern
vermag, zu repartieren. Ich rechne diese Land-
pacht zu 4V2 ßl. pr. Tausend, macht für
14 Tausend
Feuerung
4. Haltung einer Kuh.
Nach der Berechnung im vorigen Paragraphen
beträgt der Reinertrag einer Kuh
Yon den mit der Haltung der Kühe verbun-
denen Kosten fallen die Ausgabeartikel Nr. 12
bis Nr. 24 ebensowohl auf die Dorf- als auf die
Hofkühe. Diese betragen 12 Tlr. 3,6 ßl. minus
7 Tlr. 34^2 ßl '. . . . .
NVs 249
Tlr. I ß
10
Die Haltung der Dorfkuh kostet demnach . .
Dagegen zahlen die Leute an Werbelohn für
das Heu
Dem Gut kostet demnach die Dorfkuh . . .
5. Weide für zwei Zuchtgänse nebst deren
Jungen.
Der Wert derselben ist sehr schwierig zu
schätzen. Nach einer ins Einzelne gehenden
Schätzung glaube ich jedoch annehmen zu können,
daß die zwei jungen erwachsenen Gränse, welche
die Leute dafür an den Hof abgeben, ein ziemlich
14
14 37
— 24
41*
644
250
genügendes Äquivalent für die Gänse weide sind
— weshalb hier dafür nichts in Rechnung ge-
bracht wird.
6. Ein Schaf zum Erntefest.
Zum Erntefest erhält jede Dorffamilie das
Fleisch von einem Schaf, 25 — 30 Pfd. an Ge-
wicht. Das Pfund zu 1^/i ßl. gerechnet, gibt
7. Kaff.
Die Arbeiter erhalten außer dem Drescherlohn
an Korn jede 3 "Wochen 2 Schfl. Kaff; im
ganzen "Winter also 14 Schfl. Außerdem er-
halten die Dorfleute noch die Hülsen und
Spelzen vom Saatklee und Saatthimothee. Den
Futterwert dieses Kaffs schätze ich auf ca. . .
NVs
Tlr.
8. AVollgeld.
Die Dorfleute erhalten zurückgezahlt, was sie
mehr als 16 ßl. für das Pfund WoUe zahlen.
Im Durchschnitt kauft jeder ungefähr 9 Pfd.
AVolle, und die Vergütung hat etwa 6 ßl. j^ro
Pf'md betragen.*) Dies macht ,1,6
*) Der Ankauf der "Wolle ist für die Dorfleute be-
sonders lästig und zeitraubend, weil sie die Wolle
auf entfernt liegenden Bauerdörfem aufsuchen müssen.
Es sind deshalb jetzt zu Tellow Laudschafe, welche
Spinnwolle tragen , angeschafft : und es wird beab-
sichtigt, den Leuten statt des Wollgeldes, künftig
8 Pfd. Wolle unentgeltlich zu geben — wodurch
der Wert der Emolumente um 2 bis 2 ',2 Tlr. steigen
wird.
— 30
64b
Ziisammeiistelliing.
1. Die Wohnung
2. Garten-, Kartoffel- und Leinland . . . . •
3. Feuerung
4. Eine Kuli in AYeide und Futter .....
5. Weide für Gänse. Diese wird entschädigt
durch die Abgabe von 2 Gänsen
6. Ein Schaf zum Erntefest
7. Kaff
8. Wollgeld
Wert der Emolumente
§ 4.
Sonstige mit der Haltung einer Tage-
löhnerfamilie verbundene Kosten.
1. An den Arzt, A^ undarzt und Apotheker
für die Dorfleute, inkl. Fuhren und Boten,
pr. Familie ungefähr
2. Speisung der Kranken im Dorf.
Diese ist pr. Familie anzuschlagen zu ... .
N^/a
Tir.
12
7
5
14
41
3. Beitrag zu der Kuhversicheruug.
Wenn im Dorf eine Kuh stirbt, so ersetzt der
Gutsherr Vs des Werts der Kuh; das 2. Drittel
wird von den Dorfbewohnern, die eine Kuh
halten, aufgebracht, und den Rest trägt der Be-
schädigte, dem aber die Haut der Kuh verbleibt.
— 646
252
Yon den 28 bis 30 Kühen, welche im Dorf
gehalten werden, stirbt jährlich etwa eine Kuh,
an Wert ca. 21 Tlr. Der Beitrag des Guts-
herrn ist also jährlich 7 Tlr. Für eine Tage-
löhnerfamilie, die eine Kuh hält, ist demnach ein
jährlicher Beitrag erforderlich von
4. Fuhren für die Leute,
bei Hochzeiten, Kindtaufen, Sterbefällen, ferner
die Fuhren zum Herholen der Dienstboten für
die Tagelöhner, zum Einholen der Kartoffeln,
des Flachses usw. Diese sind für eine Familie
anzuschlagen zu
(Umzüge der Tagelöhner haben nicht statt-
gefunden.)
5. Branntwein.
In der Heu- und Kornernte, beim Schaf-
waschen und anderen schweren Arbeiten erhalten
die Leute regelmäßig Branntwein. Die hieraus er-
wachsenden Kosten betragen pr. Familie ungefähr
6. Kosten der 3Iusik und der Bewirtung
bei den Tanzfesten der Leute.
Außer dem Erntefest haben die Leute ge-
wöhnlich noch 4 Tanzfeste jährlich. Die Kosten
derselben sind pr. Familie angeschlagen zu . ,
N73
Tlr. ß
12
40
40
42
647 —
7. Unterstützung: der Witwen, der
Alten und Scliwaclien.
Es ist schon im Anfang dieser Schrift
erwähnt, daß der Tagelohn, den der
Arbeiter erhält, keinen Maßstab für
dessen Verdienst und für die Kosten
der Arbeit abgibt.
Wir haben deshalb die Jahresarbeit
einer Familie als Einheit unseren Be-
trachtungen zu gründe gelegt. Aber
auch dieser Maßstab ist nur dann ge-
nügend, wenn er aus dem Durchschnitt
der Lebensjalire der Arbeiter entnommen
wird. Denn die Arbeitskraft und die
Bedürfnisse der Menschen sind in den
verschiedenen Lebensepochen gar sehr
verschieden.
Um einen richtigen Maßstab für die
Kosten der Arbeit zu erlangen, müssen
wir also die Lebensarbeit einer
Familie mit den Unterhaltskosten der-
selben während- des ganzen Lebens ver-
gleichen.
Auf einem größeren Gut, wo sich
Arbeiter von allen Altersklassen finden,
ergibt sich dies, wenn man die üuter-
haltskosten der wirklichen Arbeiter und
die der arbeitsunfähig gewordenen oder
der Unterstützung bedürfenden Menschen
zusammenfaßt, und die gefundene Summe
auf die Zahl der arbeitsfähigen Familien
N73
Tlr. ! ß
Summa 253
Tlr. I fi
648 —
254
repartiert. Diesem Prinzip gemäß ist nun
nachstehende Berechnung entworfen.
a) Die Witwen, welche keine kleine
Kinder haben, wohnen gewöhnlich bei
ihren erwachsenen Kindern und erhalten
dann jährlich:
Eine Kuh zur Hälfte: an Wert
3 Schfl. Roggen a 40 ßl. . . .
25 DR. Kartoffelland ä 3 ßl. .
15 DR. Leinland ä 3V2 ßl. . .
1 Fuder Holz inkl. Fuhrlohn zu
Das gibt für 4 solcher Witwen, die
in diesem Zeitraum vorhanden waren
b) In dem Zeitraum von 1833—47
sind zwei Männer gestorben, wovon jeder
eine Witwe mit 4 Kindern hinterließ.
Jede dieser Witwen erhielt
1. die vollen Emoluraente, Avie früher
der Mann, an Wert
2. An Korn. Für sich 3 Schfl. Roggen,
für jedes Kind 3 Schfl. Roggen
und 2 Schfl. Gerste, zusammen
15 Schfl. Roggen ä 40 ßl
8 Schfl. Gerste a 30 ßl
1
Summa
NVs N%
Tlr. fi 1 Tlr. ' ß
7
i
6
2
24
1
27
1
4
—
40
13
1
5
i
1
52
20
: 41
33
12
24
i' 5
—
59
9
52
20
649
Transport
Dagegen mochte der Wert der Arbeit
dieser noch in voller Kraft sich befin-
denden Frauen den dafür gezahlten
Tagelohn übersteigen um ca
Tlr. I ß
Summa 255
Tlr.
ß
59 9
81
bleibt . .
Dies macht für die beiden Witwen
Gereicht ist diese Unterstützung wäh-
rend 3 Jahre. Dies gibt ......
Diese Unterstützung von 265 Tlr.
42 ßl. auf 14 Jahre verteilt, gibt für
jedes Jahr
c) Während dieses ganzen Zeitraums
ist ein alter invalider Mann auf dem
Hofe gespeist, dessen Unterhalt nach
Abzug des Werts seiner geringfügigen
Leistungen anzusclüagen ist auf
d) Bei anhaltenden Krankheiten er-
halten die Dorfleute eine unentgeltliche
Gabe an Korn. Dafür sind im Durch-
schnitt jährlich zu rechnen
e) Außerodentliche Unterstützung der
Dorfleute in dem Notjahr 1846/47.
Das den Dorfleuten in diesem Jahr
gemachte Geschenk an Kartoffeln und
Korn hatte, nach den damaligen Preisen
berechnet, einen Wert von mindestens
40
81
265
52
20
10
47
46
42
19
45
— 6
122 20
— 650
256
Transport
300 Tlr. Dieses auf 14 Jahre verteilt,
gibt für ein Jahr
Summa
N%
N^/s
Tlr.
ß
Tlr.
ß
122
20
21
20
Summa . .
Auf 22 Familien verteilt, die im
Durchschnitt dieses Zeitraums im Dorf
gewohnt haben , ergibt sich für eine
Familie
*) Aiaßer den hier angeführten Artikeln
sind häufig Geschenke an Milch, Viktualien,
Obst, Kleidungsstücken usw. an die Dorf-
leute verabreicht. Da aber nur in seltenen
Fällen ein wirkliches Bedürfnis der Leute
Ursache und Veranlassung zu diesen Ge-
schenken gewesen ist, so glaube ich diese
Ausgabe nicht auf das wirtschaftliche,
sondern auf das herrschaftliche Konto setzen
zu müssen.
Zusaiiimeiistelliiiij2; der sonstigen Kosten.
1. An Arzt und Apotheker .......
2. Speisung der Kranken
2. Beitrag der Kuhversicherung
4. Fuhren für die Dorfleute
~). Branntwein
6. Kosten der Tanzfeste
7. Unterstützung der Witwen usw
Summe der sonstigen Kosten .
143 40*
26
N
Vs
Tlr. ß
3
—
1
—
—
12
—
40
—
40
—
42
6
26
13 46
651 —
N%
257
Bemerkung. Die Unterstützung an die
Witwen usw. ist für das ganze Dorf berechnet zu
Die Ausgabe an Arzt und Apotheker beträgt
für 22 FamiUen ä 3 Th-
Die Speisung der Kranken ä Familie 1 Tlr.
Die Unterstützung, welche bei der gänzlichen
Aufhebung des patriarchalischen A^erhältnisses
zwischen Gutsherrn und Arbeitern wegfallen
würde, beträgt
Am Schluß des Jahres 1847 betrug die Zahl
der Dorfbewohner 138, und mag im Jahr 1833
etwa 126, im Durchschnitt also 132 betragen
haben. Es ergibt sich hieraus das bedeutsame
Eesultat, daß an einem Orte, wo eigentliche Arme
gar nicht vorhanden sind, doch zur Verhütung der
Verarmung und des Mangelleidens eine Beihilfe
231 Tlr. 40 ßl.
- = 1 Tlr. 36 ßl. pr. Kopf
von
132
sich als erforderlich gezeigt hat.
Tlr.
143
66
22
231
40
40
652
258 § 5.
Kosten der Arbeit einer Tagelöhnerfamilie zu
Tellow in dem Zeitraum von 1833—1847.
1. Der Verdienst einer Tagelöliner-
familie beträgt nach § 1 . . . .
2. Wert der Emolumente, die der
Tagelöhner erhält (§3)
3. Sonstige Kosten einer Tagelöhner-
familie (§4)
Summa . . .
Hiervon geht ab für die 8 Pfund
Hede, welche die Frau des Arbeiters
unentgeltlich spinnt, ä Pfd. 3 ßl. . .
bleibt . . .
Es fragt sich nun, wie hoch der
Scheffel Roggen in Geld anzuschlagen ist.
Der Verkaufspreis alles Korns, das
in dem 14 jährigen Zeitraum verkauft
ist, beträgt für einen auf Roggen re-
duzierten Scheffel 0,94 Tlr. N-/3. Die
gesamten Transport-, Verkaufs- und
Konservationskosten des Korns, welche
früher zu 0,ii2 Tlr. pr. Scheffel be-
rechnet wurden, sind jetzt durch An-
legung der Chaussee auf ca. 0,os Tlr.
herabgesunken.
Der Wert des auf Roggen reduzierten
Scheffels Korn beträgt also auf dem Gute
selbst 0,;.i -f- 0,0« = 0,8g Tlr. N^/^.
Tlr. I
32
41
13
21
33
IG
Roggen
Schfl.l Mtz.
87
22
24
86
46
52 11
52
11
11
653 —
Tlr. I ß
259
Zufällig fällt dies mit dem Wert, den das
Xorn in der Periode von 1810—15 hatte, worauf
alle Berechnungen im 1. Teil basiert sind, fast
ganz zusammen.
Demnach sind 52 Sclifl. 11 Mtz. a Scheffel
0,86 Tlr
Hierzu die Geldausgabe mit
Die Gesamtkosten der Tagelöhnerfamilie be-
tragen
Dafür hat der Dienstherr nach dem Durch-
schnitt der 10 jährigen Rechnung von 1810 — 20
die Arbeit des Mannes während 284,6 Tage,
und die der Frau 175,4 Tage.
■ Einen Arbeitstag der Frau rechne ich im
Durchschnitt gleich 2/3 Arbeitstag des Mannes;
dies macht 175,4 X -is = 116,ii.
Die Arbeit der Familie auf Tage des Mannes
reduziert, beträgt demnach 284,6 -|- 116,9 = 401,5.
401,5 Arbeitstage des 31annes kosten 132 Tlr.
13 ßl. Dies beträgt im Durchschnitt des ganzen
Jahrs
für den Arbeitstag des Mannes . . . 15,8 ßl.
„ „ „ der Frau 15,s X ^/s = 10,5 ßl.
Hierunter sind aber die Tage, an welchen
Mann und Frau im Verdung arbeiten, mit-
begriffen. Will man nun wissen, wie hoch ein
Arbeitstag im Tagelohn zu stehen kommt, so muß
das, was der Arbeiter im Verdung durch erhöhte
Anstrengung über den Tagelohn verdient, von der
Kostensumme abgezogen, und der Rest auf die Zahl
45
86
15
46
132
13
— 654 —
260 der Arbeitstage verteDt werden. Der Mann verdient in 53. i
Yerdungtagen 13 Tlr. 15 ßl.
Wenn man annimmt, daß von diesen 53,i Tagen 10 in
die Periode vom 1. November bis 1. März fallen, in welcher
der Tagelohn nur 7 ßl. ist, würde der Mann, wenn er stets
im Tagelohn gearbeitet hätte, verdient haben:
in 43,1 Tagen ä 8 ßl 7 Tlr. 9 ßl.
in 10 „ ä 7 ßl 1 .. 12 „
8 Tlr. 31 ßl.
Der Mehrverdienst durch die Akkord-
arbeiten ist also 13 Tlr. 15 ßl. — 8 Tlr. 31 ßl. 4 Tlr. 32 ßl.
Die Frau verdient in 44 Yerdungtagen
ä 6V2 ßl 5 Tlr. 46 ßl.
Im Tagelohn würde sie verdient haben:
in 44 Tagen ä 4 ßl 3 Tlr. 32 ßl.
Jetzt also mehi' . . 2 Tlr. 14 ßl.
Hierzu der Mehrverdienst des Mannes . 4 Tlr. 32 ßl.
gibt im ganzen einen Mehrverdieust von . . 6 Tlr. 46 ßl.
Beim Dreschen verdient der Mann in
149 Tagen Wis Schfl. Roggen ä Scheffel
0,86 Tlr. gibt 37 Tlr. 46 ßl.
Im Tagelohn würde er in dieser Zeit
verdient haben:
a) in 75 Tagen vom 1. Nov. bis 1. März
a 7 ßl 10 Tlr. 45 ßl.
b) in 74 Tagen der übrigen Zeit a 8 ßl. 12 Tlr. 16 ßl.
23 Tlr. 13 ßl.
— 655 —
Der Mehrverdienst beträgt demnach: 261
1. beim Dreschen 14 Tlr. 33 ßl.
2. bei den anderen Arbeiten ... 6 Tlr. 4G ßl.
Summe 12 Tlr. 31 ßl.
Zieht man diese von dem gesamten Kostenbetrage einer
Arbeiterfamilie ab, so bleiben 132 Tlr. 13 ßl. — 21 Tlr. 31 ßl.
-=110 Th-. 30 ßl.
Dem Dienstherrn kosten demnach 401 '/2 Tage des
Mannes 110 Tlr. 30 ßl.
Demnach kostet der Arbeitstag eines Mannes im Tage-
lohn 13.2 ßl. N^'/3,
einer Frau 8,s ßl.
§ 6.
Versuch zur Berechnung des Einkommens einer
Tagelöhnerfamilie zu Tellow.
Hierüber können natürlich die Gutsrechnungen keine
vollständige Auskunft geben, und es müssen hier unver-
meidlich viele Schätzungen zu Hilfe genommen werden.
Da ich indessen die Einsichtigsten und Zuverlässigsten unter
den hiesigen Arbeitern dabei zu Rat gezogen habe, so darf
ich hoffen, daß die nachstehende Berechnung der Wirklich-
keit ziemlich nahe kommen wird.
Das Einkommen der Arbeiter entspringt:
1. aus dem, was sie von ihrem Dienstherrn an Lohn,
Emolumenten usw. beziehen;
2. aus der Wertsvermehrung, die sie den Emolu-
menten usw. durch ihre für sich selbst darauf ver-
wandten Arbeiten erteilen ;
3. aus dem geringfügigen Kapital, was in ihrem Vieh
enthalten ist.
656
262 ^r. 1.
Die Kosten einer Tagelöhnerfamilie, oder der "Werts-
betrag dessen, was eine solche Familie von ihrem Dienst-
herrn bezieht, ist Einkommen für dieselbe und beträgt, wenn
man die 24 ßl. für das Spinnen von 8 Pfund Hede nicht
in Abzug bringt, nach § 5 132 Tlr. 37 ßl.
;; N^'3 : x^/3
i Tlr. ' ß Tlr. i ß
Transport — — 132 37
Xr. 2. Die Kuh.
Dem Arbeiter kommt der ganze Roh
ertrag der Kuh zu Nutzen. Dieser be- ,
trägt nach § 2 ' 22 ; 24
Die Kuh verursacht dagegen mit
Ausschluß der schon unter Nr. 1 be-
rechneten 24 ßl. Werbungskosten des
Heues dem Arbeiter folgende Kosten:
1. Abnutzung und Wertsverminderung
der Kuh jährlich
2. Erhaltung des Milchengeräts . . i — 12
1 j 20
bleibt 21
li
Dagegen betragen die in Nr. 1 den !
Arbeitern für die Haltung einer Kuh
angerechneten Kosten 14 13
Die Dorfleute nutzen also die Kuh
höher als der Betrag der Kosten, den
die Haltung der Kuh dem Gut ver-
ursacht, um
— 6 39
139
28
657
Transport
Nr. 3. Kartoffel- und Gartenland.
"Wenn man das im Garten gebaute
Gemüse im Wert den Kartoffeln, die
daselbst geerntet werden können, gleich-
setzt, so ist der Ertrag von SO QR.
Kartoffelland in Anschlag zu bringen.
Bestellt werden,
mit Eßkartoffeln 60 DR.
mit Yiehkartoffeln .... 20 DR.
Geerntet sind zu Tellow im 14 jähri-
gen Durchschnitt von 100 DR-
an Viehkartoffeln . 140,s Rost. Schfl.
an Eßkartoffeln . . 88,5 „ „
Hiernach beträgt die Ernte
von 60 DR. Eßkartoffeln 53,i Schfl.
von 20 DR. Viehkartoffeln 28,2 .„
Hiervon geht an Untermaß durch an-
hängende, später abfallende Erde, durch
Eintrocknen und Verfaulen etwa 10 "/o
ab, und es bleiben
Eßkart. Viehkart.
47,8 Schfl. 25,4 Schfl.
Ferner geht ab die
Saat mit . . . 4.s „ 2,s ,.
Zum Verbrauch
bleiben . . .
43 Schfl. 22,6 Schfl.
Tlr. ß
Thünen, Der isolierte Staat.
42
658 —
264
Tlr. I
V2/
Tlr. 1 fi
Transport
Da die Kartoifeln hier keinen regel-
mäßigen Verkaufsartikel bilden, so kann
der Wert derselben nur nach den Pro-
duktionskosten ermessen werden.
Nach einer speziellen Berechnung
haben, bei dem angegebenen Ertrag, die
Produktionskosten der Kartoffeln mit
Anrechnung des Werts des durch die
Kartoffelernte konsumierten Dungs, be-
tragen: für den Scheffel Eßkartoffeln
ungefähr 10 ßl.
Yiehkartoffela 6 ßl.
Der Wert der zum Verbrauch kom-
menden Kartoffeln ist demnach
43 Schfl. a 10 ßl. =
und 22,6 „ a 6 „ =
In Nr. 1 ist dem Arbeiter angerechnet
für 80 DR. Land ä 3 ßl
Die Nutzung des Ackers ist also
durch die darauf verwandte Arbeit er-
höht um
Nr. 4. Obst.
Der Wert des in dem Garten durch-
schnittlich geernteten Obstes ist an-
zuschlagen zu
139' 28
11
46
40
38
G 38
1 —
147 18
1
— 659 —
Transport
Nr. 5. Leinland, 30 GR.
Für den Hof ist seit längerer Zeit
kein Flachs gebaut, und der Ertrag
desselben also nicht aus den Gutsrech-
nungen zu ersehen.
Nach der Angabe des Yorliäkers Mil-
hahn hat derselbe von 30 DR. im Durch-
schnitt etwa 80 Pfund geschwungenes
Flachs geerntet.
Bemerkung. Der Leinsamen wird
stets auf ausgesucht schönem Acker ge-
sät, der im Jahr vorher Dreesch ge-
legen, im Herbst, nach zu voriger starker
Düngung, umgebrochen, und im Früh-
jahr mit Sorgfalt bestellt wird. Dieser
Behandlung des Ackers in Verbindung
mit dem von Zeit zu Zeit wiederholten
Ankauf von Riga'schem Leinsamen ist
der hohe Flachsertrag zuzuschreiben.
Der Preis des Flachses ist im Durch-
schnitt 4 ßl. pr. Pfund.
Wenn die Frau diesen Flachs im
Winter verspinnt — was in der Regel
geschieht — so verdoppelt sie dadurch
N%
Tlr.
Tlr. i ß
265
147
147
18
18
42=»
660
266
Transport
den Wert des Flachses, erhöht denselben
also bis zu 8 ßl. i^r. Pfund.
Dies gibt 80 Pfund ä 8 ßl
Der Ertrag an Samen ist gewöhn-
lich 2 Schfl. Yon 30 DR. Davon ab
zur Saat 1/2 Schfl., bleibt zum Ver-
kauf 1^2 Schfl. a 1 Tlr. 16 ßl. =
Tlr. I ß
Tlr. I ß
13
16
147 18
Einnahme
In der Kostenrechnung Nr. 1 sind
für 30 DR. Leinland ä 3^2 ßl. ange-
rechnet
Gewinn der Familie durch ihre Arbeit
Bemerkung. Es geht hieraus
hervor, von welcher Wichtigkeit es für
den Wohlstand der Arbeiter ist, reich-
liches und gutes Leinland zu er-
halten.
Haben die Dorfleute nicht hinreichen-
des Flachs zum Verspinnen, so geht
ein großer Teil der Arbeitskraft der
Frauen in den langen Winterabenden
ungenutzt verloren.
Nr. 6. Gänsehaltung.
Von 2 Zuchtgänsen kann man durch-
schnittHch 13 Junge rechnen, die im
Herbst noch leben.
15
16
13
160 1 25
661 —
Transport
Hiervon werden 2 Gänse zur Yer-
gütimg für die Weide an den Hof ab-
gegeben.
Von den übrigen 11 Gänsen verijauft
der Arbeiter durchschnittlich 5 Stück
u 32 ßl
und schlachtet 6 Gänse für sich ein, die
gemästet a 12 Pfund einen "Wert haben
von 6 X 1 Tlr. 12 ßl
Einnahme
Ausgabe für die Gänsehaltung:
1. Zum Unterhalt der beiden Zucht-
gänse mit ihren 13 Jungen wer-
den im Sommer gekauft ca. 7 Schfl.
Gerste ä 27 ßl
2. Zum Unterhalt der beiden alten
Gänse' während des Winters:
2 Schfl. Hafer
3. Zur Mästung von 6 Gänsen 6 Schfl.
Hafer -
4. Hütelohn für 15 Gänse ä 3 ßl.
5. Beitrag zu den Unterhaltskosten
des Gänserichs
6. Wert des verzehrten Xaffs . . .
Ausgabe
Es bleibt Gewinn auf die Gänse-
haltung
Tlr. I i3
N73
Tlr. ß
267
16
24
10 40
45
—
40
2
24
—
45
6
—
20
36
160
25
162 29
662
268
Transport
Bemerkung. Wird dem Tagelöhner
die Gänsehaltung genommen, und dem-
selben eine Entschädigung dafür ge-
geben, die dem bisherigen Gewinn
gleichkommt, so steht der Tagelöhner
sich eben so gut wie früher — vor-
ausgesetzt, daß er den Ankauf der be-
nötigten Federn nicht unterläßt, und
daß ihm die Mühe des Ankaufens ver-
gütet wird.
Dessenungeachtet aber verliert der
Staat dadurch an Einkommen, indem
das Hüten der Gänse und das Pflücken
des Krauts für dieselben größtenteils
von schwachen Personen und von
Kindern geschieht, deren Arbeitskraft
dann ungenutzt bleibt.
Nr. 7. Scliweiiiehaltung.
Die Tagelöhner schlachten durch-
schnittlich ein gemästetes Schwein von
ca. 250 Pfund Schlachtgewicht und
15 Pfund Flomen. Der Wert des-
selben ist:
250 Pfund Fleisch ä 3 ßl
15 Pfund Flomen a 6 ßl. . • • • •
^^ /3
Tlr. ß
X^/3
Tlr. 1 ß
15
1
17
162 29
30
42
24
162 29
i
- 663 —
Transport
Der Aufwand für die Schweine-
haltung beträgt dagegen:
1. Ankauf eines Ferkels
2. Gerste zur Futterung des jungen
Schweins 3 Schfl. ä 27 ßl . • •
3. Kartoffeln 22,6 Schü. ä 6 ßl. . .
4. Wert der sauren Milch, die das
Schwein erhält ca
5. Wert des Eaffs für die Schweine
6. Erbsen zur Mästung des Schweins
8 Schfl. ä 36 ßl.=^=)
7. Verlust durch Sterbefälle jähr-
lich ca
Tlr. I ß
Unkosten
Diese vom Wert des Schlachtschw^eins
-- 17 Tlr. 24 ßl. abgezogen, bleibt
14
24
33
40
10
16
27
N% 269
Tlr. ß
162 29
162 29
*) Der Mittelpreis des Eoggens, gleich dem der Erbsen, beträgt
zwar 0,s6 Tlr. oder 41,3 ßl. pr. Scheffel und ist bei der Kostenberech-
nung den Tagelöhnern auch so hoch angeschlagen. Da aber die
Arbeiter, wenn das Korn über den Mittelpreis gilt, niemals mehr
als 40 ßl. für den Scheffel Eoggen oder Erbsen bezahlen, dagegen
aber, wenn das Korn unter dem Mittelpreis gilt, nur den Markt-
preis zahlen, so erreicht auch der Preis, den die Dorfleute im
Durchschnitt für das Korn geben, nicht den Mittelpreis. Hier ist
deshalb der Scheffel Eoggen oder Erbsen nur zu 36 ßl. angerechnet.
Der hieraus entspringende Verlust hätte anscheinend bei der Be-
rechnung der Kosten einer Tagelöhuerfamilie in Anschlag gebracht
— 664 —
270
Transport
dem Arbeiter für die Mühe des Futterns
eine Belohnung von
Bemerkung. Der Wert der sauren
Milch, die das Schwein erhält, mußte
hier unter die Unkosten gesetzt werden,
weil dieser Wert sonst den Arbeitern
zweimal als Einkommen angerechnet
wäre, indem derselbe schon in der
Nutzung der Kuh enthalten und ange-
rechnet ist.
Nr. 8. Nutzung: der Hühner.
Diese mag nach Abzug des Werts
des Korns, das sie verzehren, ungefähr
betragen
Nr. 9. Sammelweizen.
Durch das Sammeln der Ähren in
den Weizenstoppeln, welches größtenteils
durch die Kinder verrichtet wird, erlangt
jede Familie im Durchschnitt jährlich
ungefähr 2 Schfl. Weizen ä 1 Tlr. 8 ßl.
NVs
Tlr. I fi
■\f2'
•L^ /3
Tlr. ! ß
- : 162
2
29
45
32
2 16
Summe des Einkommens einer Tage-
löhnerfamilie
oder 196 Tlr. 18 ßl. Pr. Courant.
168
26
werden müssen. Derselbe wird aber dadurch einigermaßen kom-
pensiert, dali die Dorfleute für das Korn, wenn es unter dem
Mittelpreis gilt, nicht den Wert, den es auf dem Gut selbst hat,
sondern den Marktpreis bezahlen — wodmxh also die Verkaufs-
und Trausportkosten erspart werden.
— 665 —
Dem Giitsherrn kostet die Unterhaltung einer
Tagelöhnerfamilie 132 Tlr. 13 ßl. N2/3.
Der Tagelöhner erwirbt also durch die Arbeit,
die er mit seiner Frau und seinen Kindern für
sich selbst verrichtet, und durch das gering-
fügige Kapital, das in seinem Vieh steckt, eine
Vermehrung seines Einkommens von 168 Tlr.
26 ßl. minus 132 Tlr. 13 ßl. = 36 Tlr.
13 ßl. W-I3.
Dazu tragen bei:
1. Die Kuh
2. Garten- und Kartoffelland
3. Das Obst
4. Der Flachsbau und das Spinnen ....
5. Die Gänse
6. Das Schwein
7. Die Hühner
8. Das Ährenlesen
9. Das Spinnen der Hofhede
Summe
N^/3
Tlr.
6
39
6
38
1
—
13
7
2
4
2
45
—
32
2
16
—
24
271
36 I 13
§ 7.
Übersicht der Kornkonsumtion der Dorfbewohner
zu Tellow.
Eine solche Übersicht ist schwer zu erlangen, weil die
Arbeiter einen großen Teil des Weizens, den sie als Drescher-
lohn verdienen, auswärts verkaufen, und das Quantum
"Weizen, das sie selbst konsumieren, dann nicht zu ermitteln
ist. Zufällig hat das Jahr 1847—48 hiervon eine Ausnahme
— 666 —
272 gemacht, indem in diesem Jahr aller Weizen, den die Drescher
übrig hatten, an den Hof verkauft und somit in Rechnung
gekommen ist. Ich habe diese sich nicht wieder darbietende
Gelegenheit benutzt, mir über diesen Gegenstand Kenntnis
zu verschaffen, und da dies auch für andere — als statistische
Notiz — Wert haben kann, so teile ich das Ergebnis nach-
stehend mit.
— 667 —
■4^
50
■o
,.
ZI a t:
5 =t: &■! «■
_00
:r
■-S
?r
s § ii§ -f
Oi 05
?i
Öo
00
r^
(M 00
o
05
l^
'TC
o c^
1— )
CD
I-H
a
■~o
O
s? «
aj r-
1
■d«
•e "
-^ t^
1
CO
1
'^
a «^
■^ T— t
(M
00
._-
ö «
_:;
ST
rt ^
'^ Ö'
1
Ö
1
lo
M ^
'vt* C]
^
o
t— 1
■i-H
CO
o
5^1
^
i^
2 -a
(U o
O Ö5
1
^
1
CO
CÜ «3
lO o
^
o
.^
9 *
bß 3
ir.
r- ÖD
1
^
1
CT)
CO CO
1
O
1
r^
o CO
CO CO
L^
^
S sd
N _r;
O '— 1
r-
1
■rH
X
'S O
"^
1
^
Ci
> c»
.*'
_cß =iL
a
c
-fcj
^
a
tß
o
0)
p
o
a;
sjabr von .Tobani
848 haben die Do
n bekommen:
o
Q
53
o
.2
cd
'S
CO
CO
CM
ü
CM
O
a
3
d
Ol
a
o
■TS
o
d
■5
'S
'S
00
CD
a
'S
S
ir-H S
>
^^H
r^
a
^ a
a 2 ^
c^
'S
: CS
2
o
CO
o
5
5
tH
s
s
O
'S
H
1— 1
d
s:
'S
'a
s
S 3 "^
^ 'S
'c?
3"
Q
J O
Q
CO
a CO
1 Ol
CO
^*
273
— 668 —
274 Am Schluß des Jalires 1847 — also in der Mitte des
Reclinungsjahres — betrug die Zahl der Dorfbewohner an
Erwachsenen 82 Köpfe
an Kindern unter 14 Jahr 56 „
zusammen 138 Köpfe.
Diese haben konsumiert 1637 ^"/lo auf Roggen reduzierte
Scheffel Korn. Dies gibt die Konsumtion pr. Kopf 11,S7 Schfl.
Es fragt sich nun, wie viel von diesem Korn mit dem Yieh
verfüttert und wie viel von den Menschen selbst verzehrt ist.
Nach den Ansätzen im vorigen Paragraphen können wir
das mit dem Vieh, was einer Familie gehört, verfütterte
Korn annähernd berechnen, wie folgt:
Auf Roggen
reduzierte
Scheffel.
1. Für die alten Zuchtgänse im
Winter
2. Fürdie jungen Gänse im Sommer
3. ^Zur Mästung von 6 Gänsen
4. ZumFutterfürdasjungeSchwein
5. Zur Mästung des Schweins*)
2 Schfl. Hafer,
7 Schfl. Gerstel
6 Schfl. Hafer;
3 Schfl. Gerste
8Schfl.Erbseni
6. Zum Futter für die Hühner 1 2 Schfl. Gerste
l-'lG
5^/16
3«/l6
2^/lG
8
18/16
Summe
;r
Die "Zahl der wohnhaften Familien betrug in diesem
Jahr 23. Auf jede Familie kommen also durchschnittlich
0 Personen.
*) In dem vorliegenden Jahr waren die Erbsen mißrateu, und
die Schweine sind deshalb statt der Erbsen grüCtenteils mit Gerste
ffemästet.
— 669
Der Korn verbrauch pr. Familie beträgt . . 71,2 Schfl. 275
Hiervon sind mit dem Yieh verfüttert .... 21,5 ,,
Zur Konsumtion für 6 Personen bleiben . . . 49,7 Schfl.
Dies gibt pr. Kopf 8,2s Schfl. Rostocker Maß, gleich 5,!ii
Berliner Scheffel.
Es ist aber zu bemerken, daß wegen des durch die
Kartoffelkrankheit bewirkten Mißratens der Kartoffeln der
Kornverbrauch in diesem Jahr größer gewesen ist als in
den früheren Jahren.
Aus dem Jahr 1840 — 41, in welchem die Kartoffelkrank-
heit noch nicht herrschte, besitze ich eine Rechnung über
den Kornverbrauch von 7 Deputatistenfamilien — die nicht
dreschen und folglich auch keinen Drescherlohn beziehen —
wovon die Resultate hier zur Vergleichung einen Platz finden
mögen.
Der gesamte Kornverbrauch dieser 7 Familien betrug
inkl. des Sammelweizens:
Schfl.
Mtz.
Auf Roggen
reduziert
Schfl. I Mtz.
"Weizen
Roggen
Gerste .
Hafer .
Erbsen .
14
12
19
246
8
246
155
—
116
60
4
37
58
12
58
—
—
478
11
8
4
10
12
13
Summe
Die 7 Familien bestanden im Durchschnitt des ganzen
Jahres aus 26 Erwachsenen
19^4 Kindern unter 14 Jahr
zusammen 45V4 Personen.
47813/16
Der Verbrauch ist also
451/4
= 10,58 Schfl, pr. Kopf.
— 670 —
276 Der Yerbrauch pr. Kopf war also im Jahr 1S40 — 41 bei
einer giitea Kartoffelernte um I.29 Schfl. geringer als im
Jahr 1S47 — 48, in welchem die Kartoffelkrankheit herrschte.
Für eine Familie von 6 Personen beti-ägt demnach der
durch die Kartoffelkrankheit bewirkte Mehrverbrauch 6 X 1,29
= 7^/4 Schfl. Roggen. Der Ankauf von l'^U Schfl. Roggen
ist aber für Arbeiterfamilien, die auch früher nur notdürftig
zu leben hatten, fast im erschwinglich. Sollte die Kartoffel-
krankheit unglücklicherweise fortdauern, so ist schon aus
diesem Grunde die allgemeine Erhöhung des Arbeitslohns
eine Notwendigkeit.
Außer dem hier angeführten Korn kauft jede Familie
noch ^/2 bis ^U Schfl. Buchweizengrütze.
Das Malz, das die Leute gebrauchen, macheu sie ent-
weder selbst oder tauschen es gegen Gerste ein.
Bei der Berechnung des Korn Verbrauchs eines ganzen
Staats müßte auch noch das Korn, das zum Brennen des
im Lande konsumierten Branntweins verwandt wird, in
Rechnung gebracht werden.
Anlage B.
277
Bestimmungen
über den
Anteil der Dorfbewohner zu Tellow
an der
Gutseinnahme.
673 —
§ 1. 279
Verzeichnis der Einnahmeposten, an welchen die
Dorfbewohner künftig einen Anteil haben sollen:
1. Einnahme für verkauftes Korn aller Art, mit Ausschluß
des Korns, das an die Dorfbewohner selbst verkauft wird,
2. für Raps, Rübsen, Dotter und andere Olgewächse,
3. für Kleesamen und Saatgras,
4. für Kartoffeln, mit Ausschluß der an die Dorfbewohner
verkauften,
5. für das aus der hiesigen Holzung verkaufte Holz,
6. von der Schäferei,
7. von der Holländerei (Kuhhaltung) und der Schweinezucht.
§ 2.
Das Rechnungsjahr beginnt mit dem 1. Juli und schließt
mit dem 30. Juni.
Am Schluß jedes Rechnungsjahres soll der gesamte
Kornvorrat, sowie der Vorrat an Öl-, Klee- und Gras-
samen nachgemessen und zu folgenden Preisen veranschlagt
werden :
Der Rost. Schfl. Weizen zu .... 1 Tlr. 16 ßl. Pr. Cour.
)1 II T) -Koggen ^ Tl ' " 55 55 5)
55 55 55 vjerste „ ob „ „ ,,
„ „ „ Hafer (gehäuftes
Maß) _ „ 30 „ „ „
„ „ „ Erbsen und Wicken .1 „ ■ — „ „ „
„ ;, ,, Raps und Rübsen . .1 „ 32 „ „ „
55 55 55 -UOtter ■'-55 55 55 55
,, „ „ Kleesamen (roter wie
weißer) 7 „ 24 „ „ „
„ „ „ Timotheesamen . . . 2 „ 24 „ „ „
Thüiien, Der isolierte Staat. 43
— 674 —
280 Ergibt sich aus dieser Berechniiug, daß der Wert des
Vorrats am Schluß des Rechnungsjahrs größer ist, als er
beim Beginn des Rechnungsjahrs war, so wird dieser Mehr-
wert der Einnahme hinzugefügt, ergibt sich dagegen ein
Minderwert, so wird dieser von der baren Einnahme ab-
gezogen.
§ 3.
Ebenso wie beim Korn soll auch der Mehr- oder Minder-
wert der Pferde, Kühe, Schafe und Schweine beim Schluß des
Rechnungsjahres der baren Einnahme zu- oder abgerechnet
werden.
Bei dieser Berechnung sollen angesclilagen werden :
die Pferde und Fohlen pr. Stück zu 70 Tlr. Pr. Cour.,
die Kühe und Bullen 20 ,, ,, „
die Schafe von jedem Alter pr. Kopf zu 2 .. ., „
die Schweine von jedem Alter ... 8 .. .. „
§ 4.
Von der auf diese Weise ermittelten Einnahme sollen
nachstehende Ausgaben abgezogen werden:
1. Die Ausgabe für den Ankauf von Korn, Ölgewächsen.
Kartoffeln, Klee- und Grassamen ;
2. die Ausgabe für den Ankauf von Pferden, Kühen,
Schafen und Schweinen;
3. alle Kriegssteuern und Kriegskosten, mit Ausschluß
der Lieferung und Verwendung der Naturalien, die
auf dem Gut selbst erzeugt werden:
4. der Verlust, der durch ein Brandunglück entsteht, in-
sofern dieser Verlust die Entschädigung übersteigt,
welche die Brandversicherungsgesellschaften leisten.
— 675 —
§ 5. 281
"Wenn nach Abzug dieser vier Ausgaben die nach obiger
Bestimmung ermittelte Einnalime die Summe von 5500,
schi'eibe Fünf Tausend Fünf Hundert, Taler preußisch Courant
übersteigt, so soll von diesem Mehrbetrag jedem zu den
nachstehend angeführten Klassen gehörigen Dorfbewohner
ein halbes Prozent zu gut geschrieben werden.
Folgende Dorfbewohner sollen hieran teilnehmen:
1. alle arbeitsfähigen, im Besitz einer Wohnung sich be-
findenden, mit Mann und Frau, oder statt letzterer
mit einem Dienstboten für das Gut arbeitenden Be-
wohner des Dorfs. Dahin gehören alle arbeitsfähigen
Tagelöhner, deren Frauen Hofdienste leisten;
2. die Deputatisten, nämlich der Statthalter, der Vorhäker,
der Holzwärter, der Stellmacher und der Kuhliirt;
3. der Schullehrer und der Schäfer;
4. der Weber, wenn er die iu der Ernte ihm obliegende
Hilfsleistung treu erfüllt;
5. die Knechte, deren Frauen ein Haus im Dorf bewohnen
und für das Gut arbeiten.
In den Häusern, wo ein noch arbeitsfähiger Mann mit
seinem erwachsenen, alle schweren Arbeiten verrichtenden
Sohn zusammen wohnt, soll das halbe Prozent zu gleichen
Teilen zwischen Yater und Sohn geteilt werden.
Bemerkung. Die Einnalime von den genannten Artikeln
nach Abzug der angeführten Ausgaben hat für das Gut
Tellow im Durchschnitt der 14 Jahre von 1833 — 47 be-
tragen ca. 7500 Tlr. Pr. Cour. Bliebe nun die Einnahme
unverändert, so würde nach diesen Bestimmungen der Anteil
jedes Dorfbewohners jährlich 10 Tlr. Pr. Cour, betragen.
Stiege aber infolge fortschreitender Bodenkultur diese Ein-
nahme um 1000 Tlr. jährlich, so würde der Anteil des
Arbeiters sich nicht in dem Verhältnis von 75 : 85, sondern 282
43*
— 676 —
von 10 : 15 vermehren. Das Interesse der Arbeiter ist hier-
durch auf- das innigste mit der Steigerung der Produttion
verknüpft. Die Zahl der Dorfbewohner, welche einen Anteil
an der Gutseinnahme haben, beträgt gegenwärtig 21.
§ 6.
Sollte in einzelnen unergiebigen Jahren oder durch
besondere Unglücksfälle die Einnahme nicht die Summe von
5500 Talern Pr. Cour, erreichen, so wird das daran Fehlende
von der Einnahme des nächsten Jahrs oder der nächst-
folgenden Jahre abgezogen, und erst von dem dann bleiben-
den, den Betrag von 5500 Tlr. Pr. Cour, übersteigenden
Überschuß erhalten die Dorfbewohner den Anteil von einem
halben Prozent.
§ 7.
Wer sich einer Veruntreuung oder eines Diebstahls
schuldig macht, möge dieser auch noch so geringfügig sein,
und dessen überwiesen wird, ist der Teilnahme an der
ferneren Gutseinnahme verlustig. Ob diese Ausschließung
für immer oder nur auf gewisse Jahre stattfinden soll, bleibt
dem Ermessen des Gutsherrn überlassen. Auch behält der
Gutsherr sich vor, wegen ernster Vergehen, wie grober
Widerspenstigkeit, Versuche zu Aufreizungen und dergleichen,
eine solche Ausschließung zu verfügen.
§ s.
Der Zweck dieser Einrichtung ist:
1. daß die Dorfbewohner an dem Wohl und Wehe des
Gutsherrn unmittelbar teilnehmen, gleichsam mit ihm
eine Familie bilden sollen;
'2. daß die Arbeiter sich einer durch den Zinsengenuß
"283 mit jedem Jahr um etwas erhöhten, stetig wachsenden
Einnahme erfreuen sollen; und
— 677 —
3. daß vor allem dem Arbeiter ein sorgenfreies, heiteres
Alter gesichert werde, daß, nachdem er sein kräftiges
Mannesalter in angestrengter Tätigkeit vollbracht, er
im späten Alter, wo Kraft imd Gesundheit schwinden,
nicht darben, nicht der Gnade anderer leben, nicht
seinen Kindern zur Last fallen soll, sondern vielmehr
in den Stand gesetzt werde, seinen Kindern noch
etwas hinterlassen zu können.
§ 9.
Zur Erstrebung dieses Ziels werden nun nachstehende
Yerfügungen getroffen :
1. Jeder Dorfbewohner, der nach obigen Bestimmungen
sich zur Teilnahme an der Gutseinnahme eignet, er-
hält ein Sparkassenbuch, in welchem sein Anteil an
der Gutseinnahme jedes Jahr verzeichnet wird.
2. Von der im Buch verzeichneten Summe zahlt der
Gutsherr 4^ g "/o oder von jedem Taler einen Groschen
Zinsen pro anno.
3. Die Einschreibung des Anteils an der vom 1. Juli des
verflossenen bis zum 30. Juni des laufenden Jahres
erfolgten Gutseinnahme, so wie die Auszalilung der
Zinsen, geschieht zu Weihnachten jedes Jahrs — und
es soll auch diese Gabe in allen Beziehungen als ein
AVeihnachtsgeschenk betrachtet werden.
4. Das in die Sparkassenbücher eingetragene Kapital ist
von beiden Seiten unkündbar, solange nicht der In-
haber desselben das 60. Lebensjahr zurückgelegt hat.
Sobald aber der Dorfbewohner das Alter von 60 Jahren
erreicht hat, soll ihm sein Kapital zur freien Ver-
fügung gestellt werden.
5. Stirbt der Mann, ehe er das Alter von 60 Jahren er- 284
reicht hat, so erbt seine Witwe das im Buch ver-
— 078 —
zeiclinete Kapital. Ob dann aber die Witwe über das
ganze Kapital verfügen, oder ob ein Teil desselben für
die nachgelassenen Kinder zurückbehalten werden soll
— dies bleibt in jedem einzelnen Fall dem Ermessen
• des Gutsherrn anheimgestellt '
Diese Bestimmungen treten sogleich in Kraft und sind
schon für das Jahr vom 1. Juli 1847 bis 1. Juli 1848 gültig.
Die hier getroffene Anordnung erlischt mit dem Tode des
jetzigen Gutsherrn und soll nicht bindend für dessen Söhne
sein. Aber dieselben sollen verpflichtet sein, für die voll-
ständige Sicherheit der in den Sparkassenbüchern einge-
tragenen Kapitalien jede mögliche Sorge zu tragen und zu
Weihnachten jedes Jahrs die Zinsen auszuzahlen.
Sollten indessen meine Söhne oder auch die Dorf-
bewohner es der vollständigen Sicherheit wegen für ange-
messen halten, diese kleinen Kapitalien in eine öffentliche
Sparkasse zu geben, so erhalten die Dorfbewohner die Zinsen,
welche diese Sparkasse zahlt.
Tel low, den L5. April 1848.
J. H. V. Thünen.
285 Yertoesseruiigeu.
Auf S. 540 (Orig. S. 145) Z. 7 v. u. lese mau Zahl statt Zeit.
„ „ ool ( „ „ 156) „ 1 V. 0. „ „ — ^q— » ap
Lippert & Co. (G. Pätz'sche Buchdr.), Naumburg a. S.
to
's;'
CO
p (.^
>
•H cö
C -P
•H C/3
a: (D
•H
C
O
»-3
•H
• to
K Eh
^
University of Toronto
Library
DO NOT
REMOVE
THE
CARD
FROM
THIS
POCKET
Acme Library Card Pocket
LOWE-MARTIN CO. LIMITED