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Full text of "Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Nationalökonomie"

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izialwissenschaftlicher  Meister.  XIII. 


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J/H.  von  Thürieh 

er  isolierte  Staat 


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Jena,  Verlag  von 
Gustav   Fischer 


Der  isolierte  Staat 

in  Beziehung  auf 

Landwirtschaft  und  Nationalökonomie 


von 


Johann  Heinrich  von  Thünen. 


cl.   -^ufe.:,      ^' 


(  Neudruck  nach  der  Ausgabe  letzter  Hand  (2.  bzw.  1.  Auflage, 
1842  bzw.  1850),  eingeleitet  von 
Professor  Dr.  Heinrich  Waentig  in  Halle  a.  S. 


(S?-\- 


4j3 


Jena. 

Verlag   von    Gustav  Fischer. 
1910. 


(1.  9.5-7 


Thüiien. 

Johann  Heinrich  v.  Thünen  wurde  am  24.  Juni  1783  zu 
Kanari enhausen  in  Jeverland.  Oldenburg,  als  Sproß  eines  alt- 
freien friesischen  Grundbesitzergeschlechtes  geboren,  dessen 
Adel  und  ünabhängigkeitssinn  in  ihm  zu  besonderer  Ver- 
körperung gelangten.  In  frühester  Jugend  verlor  er  den 
A^ater,  der  bei  seinen  für  die  damalige  Zeit  bedeutenden 
Kenntnissen  in  Mathematik  und  Mechanik  gerade  diesem 
Sohne  Führer  und  Berater  hätte  werden  können.  So  mußte 
denn  die  Mutter,  Tochter  eines  aus  Franken  eingewanderten 
Buchhändlers  und  Ratsherrn  in  Jever,  schön  und  liebreich, 
tätig  und  gebildet,  wie  sie  uns  geschildert  wird,  die  Erzie- 
hung ihrer  Kinder  selbst  übernehmen,  die  sie  bis  zu  ihrer 
Wiederverheiratung  im  Jahre  1789  völlig  selbständig  leitete. 
Tief  muß  der  Einfluß  gewesen  sein,  den  sie  auf  das  Gemüt 
des  sinnigen  und  ernsten  Knaben  ausübte.  Die  Tränen  meiner 
Mutter  haben  mich  erzogen,  soll  Thünen,  in  reifen  Jahren 
auf  seine  Kindheit  zurückblickend,  von  ihr  gesagt  haben. 

Der  Mutter  nach  iiirer  neuen  Heimat  Hooksiel,  einem 
kleinen  Hafenort  an  der  Jahde,  folgend,  besuchte  Thünen, 
geistig  frühreif,  körperlich  nur  schwach  entwickelt,  zunächst 
die  dortige  Orts  schule,  dann  die  „hohe"  Schule  in  Jever,  von 
Anbeginn  mit  der  Absicht,  sich  später  der  Landwirtschaft 
zu  widmen.  Im  Jahre  1799  finden  wir  ihn  dann  als  Zög- 
ling auf  Gerrietshausen  bei  Hooksiel  damit  beschäftigt,  sich 
zunächst  die  wichtigsten  technischen  Kenntnisse  anzueignen. 


—     IV     — 

Der  Besuch  der  von  Staudinger  geleiteten  ]and^\ärtschaftlicllen 
Lehranstalt  in  Groß-Flottbeck  bei  Hamburg,  ergänzt  durch 
den  vertraulichen  Verkehr  mit  dem  in  der  damals  hochbe- 
rühmten englischen  Landwirtschaft  erfahrenen  Etatsrat  von 
Voght,  förderte  ihn  wohl,  befriedigte  ihn  jedoch  nicht.  Sein 
schon  damals  auf  die  theoretische  Durchdringung  auch  jedes 
praktischen  Problems  gerichteter  Geist  wollte  sich  am 
fleißigen  Sammeln  bloßen  WissensstolTes  nicht  genügen  lassen. 
Zwanzigjährig  beklagt  er  sich  bei  seinem  Bruder  über  jene 
Lehrzeit,  bedauernd,  zuviel  mit  untergeordneten  Arbeiten, 
zu  wenig  mit  wissenschaftlichen  Studien  beschäftig  gewesen 
zu  sein.  Erst  Albrecht  Thaer  in  Celle,  den  er  1803  auf- 
suchte und  neben  Adam  Smith  sein  Leben  lang  als  seinen 
Lehrer  verehrte,  wies  ihm  neue  Bahnen.  Und  die  Universität 
Göttingeu,  die  er  im  Herbste  desselben  Jahres  bezog,  brachte 
seine  theoretische  Ausbildung  zum  Abschluß. 

Nur  ein  kurzes  Jahr  sollte  er  akademischer  Bürger  sein. 
Eine  Ferienreise,  die  er  zu  Studienzwecken  im  Herbste  1804 
nach  Mecklenburg  unternahm,  führte  eine  unerwartete  Wen- 
dung in  seinem  Leben  herbei.  Seine  Verlobung  mit  der 
Schwester  eines  Studiengenossen  und  der  Wunsch,  die  Ge- 
liebte sobald  als  möglich  heimführen  zu  können,  bewogen 
ihn,  die  Universität  zu  verlassen  und  auch  das  väterliche 
Gut  Wassens  zu  verkaufen,  um  sich  in  Mecklenburg  als 
praktischer  Landwirt  niederzulassen.  Freilich  waren  die 
Zeitläufe  einem  solchen  Unternehmen  nicht  günstig.  Erst 
am  14.  Januar  1806  konnte  die  Hochzeit  stattfinden.  Und 
das  der  allgemeinen  Unsicherheit  wegen  von  Tliünen  zunächst 
nur  gepachtete  Gut  Rubkow  bei  Anklam,  wo  er  nach  längerer 
Suche  sein  Heim  aufschlug,  erwies  sich  bei  näherer  Prüfung 
als  schlecht  kultiviert  und  wenig  ertragsreich.  Kriegsnöte 
und  Einquartierung,  Steuern  und  Seuchen  kamen  hinzu. 
Trotz  hingebender  Arbeit  wollte  es  dem  jungen  Gutsherrn 
nicht  gelingen,  die  sich  immer  erneut  auftürmenden  Schwierig- 


—    V    — 

keiten  zu  überwinden,  und  er  mochte  von  Glück  sagen,  daß 
er  sich  im  Juni  1808  wieder  freimachen  konnte.  Daß  er  auch 
unter  diesen  erschwerenden  Bedingungen  seine  wissenschaft- 
lichen Studien  fortzusetzen  wußte,  beweist,  wie  sehr  sie  ihm 
inneres  Bedürfnis  waren.  Thaers  Eintreten  für  die  englische 
Fruchtwechselwirtschaft  setzte  er  eine  maßvolle  Kritik  ent- 
gegen. Zu  einer  grundsätzlichen  Auseinandersetzung  fehlten 
damals  Ruhe  und  Sammlung.  Erst  der  Ankauf  des  Gutes 
Tellow,  zu  dem  sich  Thüuen  nur  zögernd  entschloß,  machte 
seinem  unsteten  Leben  ein  Ende.  Im  Jahre  1810  ließ  er 
sich  dort  mit  den  Seinen  nieder. 

Da  hat  er  dann  zjehn  Jahre  lang  still  und  zurückgezogen 
für  sich  gelebt,  sein  Gut  zu  einer  allbestaunten  Musterwirt- 
schaft erhebend,  seine  freie  Zeit  aber  einer  bis  in  die  kleinsten 
Einzelheiten  genauen  Buchhaltung  widmend,  die  ihm  die  un- 
erschütterlichen Grundlagen  für  weitgreifende  theoretische 
Untersuchungen  liefern  soUte.  „Ich  fing  die  Tellow'schen 
Rechnungen  in  einem  solchen  Umfange  an,  als  ich  nur 
irgend  ausführen  konnte,  und  als  der  Zweck  meines  Kalküls 
erfordert",  schreibt  er  an  seinen  Bruder.  „Arbeitsrechnung, 
Korn-  und  Geldrechnung  mußten  gleich  umfassend  und  gleich 
genau  geführt  werden,  und  dies  mußte  fast  alles  von  meiner 
Hand  geschehen,  weil  sonst  dem  Ganzen  Einheit  und  innere 
Glaubwürdigkeit  gefehlt  hätte."  Nur  höchster  wissenschaft- 
licher Enthusiasmus  konnte  die  unerträgliche  Nüchternheit 
einer  solchen  Arbeit  einigermaßen  verklären.  Um  die  Wende 
des  Jahres  1820  war  das  Ziel  erreicht.  Mehrere  kleine 
fach  wissenschaftliche  Abhandlungen  über  landwirtschaftliche 
Fragen  bilden  die  Vorläufer  des  Hauptwerkes,  doch  vergingen 
noch  lange  Jahre,  ehe  Thünen  das  Fazit  seiner  Forschungen 
und  Überlegungen  vor  der  Öffentlichkeit  zu  ziehen  wagte, 
obwohl  die  ersten  Keime  des  „Isolierten  Staates"  sich  weit 
in  die  Vergangenheit  zurückverfolgen  lassen. 

,,Schon  in  früher  Jugend,  als  ich  im  Institut  des  Herrn 


—    YI     — 

Staudinger  zu  Fiottbeck  den  Laiidbau  ia  der  Nähe  Hamburgs 
kennen  lernte,  faßte  ich  die  erste  Idee  des  isolierten  Staates 
auf",  schreibt  Thüneu  von  sich  selbst.  Eine  1803  verfaßte 
„Beschreibung  der  Landwirtschaft  im  Dorfe  Groß-Flottbeck" 
enthält  bereits  die  ersten  Andeutungen.  Immer  bestimmter 
treten  die  charakteristischen  Züge  hervor.  Jetzt,  als  das 
Werk  so  gut  wie  vollendet  ist,  kann  er  sich  nicht  davon 
losreißen.  Er  hat  nicht  den  Ehrgeiz,  als  Schriftsteller  zu 
glänzen,  er  fürchtet  sich  vor  Anfeindungen,  scheut  sich  da- 
vor, in  das  Literaturgezänk  hineingezogen  zu  werden !  Freunde 
müssen  dem  Widerstrebenden,  dem  eS  nur  um  die  eigene 
klare  Einsicht  zu  tun  gewesen,  fast  mit  Gewalt  das  Manu- 
skript entreißen  und  zum  Druck  bringen,  den  Perthes  in 
Hamburg  übernimmt.  Ganze  75  Taler,  d.  h.  in  Büchern 
und  erst  nach  Absatz  von  400  Exemplaren  zahlbar,  bietet 
er  —  wahrlich  ein  Zeitbild  —  dem  Autor  als  Honorar  für 
das  unsterbliche  Werk! 

„Untersuchungen  über  den  Einfluß,  den  die  Getreide- 
preise, der  Reichtum  des  Bodens  und  die  Abgaben  auf  den 
Ackerbau  ausüben,  war  der  Titel  des  Buches,  das  1826  als 
erster  Teil  „des  isolierten  Staates  in  Beziehung  auf  Land- 
wirtscliaft  und  Nationalökonomie"  erschien.  Der  Erfolg  war 
ein  gewaltiger,  und  die  philosophische  Fakultät  der  Univer- 
sität Rostock  brachte  nur  die  allgemeine  Stimmung  zum 
Ausdruck,  als  sie  Thünen  1830  zu  ihrem  Ehrendoktor 
ernannte.  Eine  zweite  vermelirte  und  verbesserte  Auflage 
des  Buclies  erschien  1842,  Doch  war  die  Aufgabe,  die  der 
Forscher  sich  gestellt,  bis  jetzt  nur  teilweise  gelöst.  Ein 
Traum  ernsten  Inhalts,  „Über  das  Loos  der  Arbeiter",  nieder- 
geschrieben im  Jahre  1826,  läßt  uns  tiefe  Blicke  in  des 
Denkers  menschenfreundliche  Seele  tun.  Es  ist  ihm  be- 
schieden gewesen,  auch  seine  sozialpolitischen  Untersuchungen 
wenigstens  einigermaßen  zu  Ende  zu  führen.  In  der  als  erste 
Abteilung  des  zweiten  Teiles   des  Isolierten  Staates   1850 


~    VII    — 

veröifentlicliten  Abhandlung  „Der  naturgemäße  Arbeitslohn 
und  dessen  Verhältnis  zum  Zinsfuß  und  zur  Landrente"  sind 
ihre  Avichtigsten  Ergebnisse  niedergelegt. 

Es  war  die  höchste  Zeit.  Ein  ihm  1848  angetragenes 
Mandat  für  die  Frankfurter  Reichsversammlung  hatte  er  aus 
Gesundheitsrücksichten  ablehnen  müssen.  Und  am  22.  Sep- 
tember 1850  machte  ein  Schlagfluß  seinem  Leben  ein  sanftes 
Ende.  Er  starb  auf  Tellow.  Sein  Haus  hatte  er  sorgfältig 
bestellt.  So  ist  auch  sein  wissenschaftlicher  Nachlaß  erhalten 
geblieben.  Er  erschien  als  2.  Abteilung  des  2.  Teiles  und 
als  3.  Teil  des  isolierten  Staates  im  Jahre  1863.  Wichtiger 
noch  sind  die  Briefe  Thünens,  die  H,  Schumacher-Zarchlin 
in  seiner  Thünenbiographie  veröffentlicht  hat.  Sie  ergänzen 
in  glücklicher  Weise  das  Bild  des  Forschers,  das  wir  aus 
seinen  Werken  empfangen.  Auf  seinem  Grabstein  prangt 
das  Zeichen  Väp^  die  Formel,  die  er  für  „den  naturgemäßen, 
oder  auch  den  natürlichen  Arbeitslohn"  gefunden  zu  haben 
glaubte  und  die  nach  seinen  eigenen  Worten  besagt,  daß 
„der  naturgemäße  Arbeitslohn,  die  mittlere  Proportionalzahl 
zwischen  dem  Bedürfnis  des  Arbeiters  und  seinem  Arbeits- 
produkt" sich  ergebe,  „wenn  man  die  notwendigen  Bedürf- 
nisse des  Arbeiters  (in  Korn  oder  in  Geld  ausgesj)rochen) 
mit  dem  Erzeugnis  seiner  Arbeit  (durch  dasselbe  Maß  ge- 
messen) multipliziert  und  hieraus  die  Quadratwurzel  zieht." 
Heute  weiß  jedermann,  was  Thünen  übrigens  bereits  bei 
seinen  Lebzeiten  selbst  erfuhr,  daß  mit  diesem  Satze  in  der 
Sozialpolitik  nichts  anzufangen  ist.  Und  in  der  Tat  liegt  des 
Forschers  Epoche  machende  Bedeutung  auf  einem  anderen 
Gebiete. 

„Der  heutige  Tag  wird  in  meinem  Leben  einen  be- 
deutenden und  angenehmen  Abschnitt  machen",  so  schrieb 
Thünen  in  der  Sj^lvesternacht  1820  an  seinen  Bruder.  „Denn 
ich  habe  heute  eine  zehnjährige,  höchst  mühsame  Arbeit 
vollendet.    Als  ich  vor  15  Jahren  zuerst  den  Gesetzen  über 


—    VIII    — 

die  AussaüguDgskraft  der  Gewächse  usw.  auf  die  Spur  kam, 
wurde  ich  von  diesen  Ideen  begeistert;  sie  schienen  mir 
wichtig  genug,  um  ihrer  Fortbildung  mein  Leben  zu  widmen. 
Es  war  füi-  mich  eine  schöne  Zeit,  als  ich,  meiner  Phantasie 
freien  Spielraum  lassend,  Sclilüsse  auf  Schlüsse  baute  und 
immer  zu  neuen  Entdeckungen  fortschxitt.  Aber  ich  bemerkte 
zu  meinem  Leidwesen  bald,  daß  alles,  was  ich  auf  diese 
Weise  schuf,  in  seinen  Endresultaten  doch  nie  mit  der 
Wirklichkeit  übereinstimmen  konnte,  und  daß  wenn  ich  etwas 
wahrhaft  Nützliches  und  praktisch  Brauchbares  hervorbringen 
wollte,  ich  mir  die  Grundlage  zu  meinem  Kalkül  erst  aus 
der  Erfalirung  nehmen  müsse.  Als  ich  dies  erkannt  hatte, 
legte  ich  mir  das  harte  Gesetz  auf,  mit  dem  Fortschreiten 
der  Ideen  inne  zu  halten  und  alle  Kraft  und  Zeit  auf  die 
Erforschung  der  Wü'klichkeit  zu  verwenden."  So  ward 
denn  für  ihn  seit  jener  Einsicht  die  Feststellung  des  Er- 
fahrungsinhaltes zum  Ausgangspunkte  aller  Betrachtung. 
Jedoch  drängte  ihn  sein  Erkenntnistrieb  gebieterisch  über  diese 
Grenze  hinaus.  ">  Er,  der  Smith  mit  gutem  Grunde  den  Vor- 
wurf machte,  er  habe  sich  in  einigen  wichtigen  Fällen  damit 
begnügt,  das  Leben  „abzuschreiben",  statt  es  zu  erklären, 
durfte  nicht  selbst  dort  Halt  machen.  Und  er  bediente  sich 
dabei,  ohne  Ricardo  gekannt  zu  haben,  von  Anfang  an  einer 
abstrakt  isolierenden  Methode,  die  er  meisterhaft  zu  hand- 
haben verstand,  „einer  Form  der  Anschauung",  von  der  er 
sagte,  sie  scheine  ihm  einer  so  ausgedehnten  Anwendung 
fähig,  daß  er  sie  „für  das  Wichtigste  in  seiner  ganzen  Schrift 
halte". 

Diese  Anschauungsform  war  der  ,, isolierte  Staat",  eine 
„bildliche  Darstellung  die  den  Überblick  erleichtert  und  er- 
weitert", ein  „Spiegel,  den  die  Theorie  hinstellt,  um  in  ihm 
die  verworrenen  imd  sich  kreuzenden  Linien  der  Erscheinung 
in  reiner  Perspektive  sichtbar  werden  zu  lassen".  Es  handelt 
sich  um  eine  Hilfskonstruktion,  eine  „Geistesoperation  analog 


—    IX    — 

dem  Verfahren,  welches  wir  bei  allen  Versuchen  in  der 
Physik  wie  in  der  Landwirtschaft  anwenden,  wo  wir  näm- 
lich nur  die  eine  zu  erforschende  Potenz  quantitativ  steigern, 
alle  übrigen  Momente  aber  unverändert  lassen".  Damit  ver- 
läßt der  Forscher  keineswegs  den  festen  Boden  der  Wirk- 
lichkeit. Vielmehr  ist  „das  Prinzip,  welches  dem  isolierten 
Staat  seine  Gestaltung  gab,  auch  in  der  Wirklichkeit  vor- 
handen ;  aber  die  Erscheinungen,  die  dasselbe  hier  hervor- 
bringt, zeigen  sich  in  veränderten  Formen,  weil  zugleich 
sehr  viele  andere  Verhältnisse  und  Umstände  mitwirken". 
Diese  gerade  gilt  es  auszuschalten.  „So  wie  der  Geometer 
mit  Punkten  ohne  Ausdehnung,  mit  Linien  ohne  Breite 
rechnet,  die  doch  beide  in  der  Wirklichkeit  nicht  zu  finden 
sind :  so  dürfen  auch  wir  eine  wirkende  Kraft  von  allen 
Nebenumständen  und  allem  Zufälligen  entkleiden ,  und  nur 
so  können  wir  erkennen,  welchen  Anteil  sie  an  den  Erschei- 
nungen hat,  die  uns  vorliegen." 

Wenn  wir  aber  jede  wirkende  Kraft  von  allen  Neben- 
umständen und  allem  Zufälligen  entkleiden,  sie  für  die  wissen- 
schaftliche Betrachtung  isolieren  dürfen,  können  wir  es  auch 
immer?  Thünen  selbst  hat  seine  Methode  wohl  für  „aus- 
gedehnter Anwendung  fähig",  keineswegs  für  die  allein 
richtige  erklärt.  Ja,  seine  eigenen  Untersuchungen  zeigen 
die  Grenzen  ihrer  Anwendbarkeit.  Sie  führte  ihn  bei  seinen 
Forschungen  über  den  Einfluß,  den  die  Getreidepreise,  der 
Reichtum  des  Bodens  und  die  Abgaben  auf  den  Ackerbau 
ausüben,  zu  unvergänglichen  Wahrheiten ;  im  besonderen  auch 
zu  einer  Richtigstellung  von  Smiths  fehlerhafter  Grund- 
rententheorie im  Sinne  Ricardos,  dessen  hohe  Verdienste  er 
willig  anerkannte.  Dagegen  versagte  sie  bei  seinen  mit 
leidenschaftlichem  Eifer  durchgeführten  Spekulationen  über 
den  „naturgemäßen"  Arbeitslohn.  Und  doch  sind  auch  Thünens 
sozialpolitische  Betrachtungen  fruchtbar  gewesen.  Mit  genialem 
Scharfblick  erkannte  er,  der  ländliche  Einsiedler,  bereits  um 


-    X    — 

die  Mitte  der  zwanziger  Jahre  des  vorigeü  Jalirhuaderts  die 
Gefahren,  denen  die  moderne  Gesellschaft  entgegengehe, 
wenn  es  nicht  gelinge,  die  Frage:  „Welches  ist  der  natur- 
gemäße Anteil  des  Arbeiters  an  seinem  Erzeugnis?-'  im  Wege 
friedlichen  Ausgleichs  auf  der  Grundlage  wissenschaftlicher 
Forschung  zu  beantworten.  Ja,  noch  mehr;  damals  bereits 
sah  er,  daß  der  Kern  des  sozialen  Problems,  die  Beseitigung 
oder  doch  Überbrückung  der  sozialen  Klassengegensätze, 
schließlich  eine  Bildungsfrage,  d.  h.  „nicht  anders  als  durch 
Änderung  des  Volkscharakters"  zu  lösen  sei.  Und  vielleicht 
kommt  das  „Traumbild",  das  er  sehnsuchtsvoll  von  der 
gesellschaftlichen  Ordnung  einer  besseren  Zukunft  entwarf, 
der  Wirklichkeit  näher  als  das  der  meisten  seiner  Vorgänger 
und  Nachfolger. 

Mit  List  und  Rodbertus  zusammen  gehört  Thünen  zu 
jener  Gruppe  von  Forschern,  die,  obwohl  außerhalb  des  aka- 
demischen Lebens  und  damit  jeder  schulmäßigen  Organi- 
sation stehend,  für  die  neuere  Entwicklung  der  deutschen 
Nationalökonomie  bahnbrechend  geworden  sind.  Der  historisch- 
realistischen Schule  trugen  sie  die  Leuchte  voran.  Von 
ihnen  dreien  ist  Thünen  vielleicht  der  glücklichste,  jedenfalls 
deijenige  gewesen,  der,  wenngleich  auch  er  seiner  Zeit 
vorauseilte,  schon  vor  seinem  Tode  voll  gewürdigt  worden 
ist.  In  einem  ganz  besonderen  Sinne  war  er  Denker. 
„Es  gibt",  sagt  er  einmal,  „keine  wüi'digerc,  mehr  fördernde 
Beschäftigung  als  diese:  den  Gedanken  in  seinen  letzten 
Schlupfwinkeln  zu  verfolgen  und  Jagd  auf  seine  eigenen  Irr- 
tümer zu  machen."  Nicht  der  praktische  Zweck  der  Er- 
kenntnis lag  ihm  zunächst  am  Herzen,  sie  selbst  war  ihm 
leiden scliaftliches  Bedürfnis.  Dazu  vereinigte  er  in  sich  nach 
Ehrenbei'g  zwei  Arten  wissenschaftlicher  Begabung,  die  sich 
nur  selten  in  einem  Individuum  in  solcher  Vollendung  zu- 
sammenfinden, die  Fähigkeit  zum  genauen  beobachten  und 
die  zum  streng  logischen  denken.     Und  indem  er  nun,  wie 


—    XI    — 

Rodbertus  bemerkt,  „die  exakteste  Methode  mit  dem  menscheu- 
freuQdlichsten  Herzens  verband",  entstanden  jene  Arbeiten, 
denen  als  den  "Werken  des  Genius  ewige  Jugend  verliehen 
ist.  Darum  hat  Eoscher  recht,  wenn  er  von  ihnen  sagt: 
„Sollte  imsere  Wissenschaft  jemals  sinken,  so  gehören  die 
Werke  Thünens  zu  denjenigen,  an  denen  sie  die  Möglichkeit 
hat,  sich  wieder  aufzurichten." 

W. 


Der  isolierte  Staat 

in  Bezieliiing  auf 

Landwirtschaft  und  Nationalökonomie. 

Erster  Teil. 

Untersuchungen  über  den  Einfluß,  den   die  Getreide- 
preise, der  Eeiclitum   des  Bodens  und  die  Abgaben 
auf  den  Ackerbau  ausüben. 

Von 

Johann  Heinrich  von  Thünen 

auf  Tellow  iu  Mecklenburg. 


Rostock  1842. 


Vorrede  zur  zweiten  Auflage. 


Die  erste  Auflage  dieser  Schrift,  welche  seit  sieben 
Jahren  vergriiTen  ist,  erschien  im  Jahre  1826. 

In  dieser  zweiten  Auflage  haben  namentlich  die  Kapitel 
über  Landrente,  Statik  des  Landbaues,  Viehzucht  und  Eaps- 
bau  beträchtliche  Zusätze  erhalten.  Auch  habe  ich  das  Ganze 
nochmals  einer  sorgfältigen  Prüfung  unterworfen,  einzelne 
Punkte  schärfer  bestimmt,  und  da,  wo  eine  längere  Erfahrung 
mein  Urteil  berichtigt  hat,  Aenderungen  getroffen. 

Vorzüglich  ist  mein  Bemühen  dahin  gerichtet  gewesen, 
Punkte,  die  teils  durch,  teils  ohne  meine  Schuld  missver- 
standen sind,  ausführlich  zu  erörtern  und  zu  erläutern,  und 
ich  hoffe,  dass  dadurch  das  Verständnis  dieser  Schrift  be- 
deutend erleichtert  ist. 

Da  mir  noch  Materialien,  die  mit  dem  hier  abgehandel- 
ten Gegenstand  in  Verbindung  stehen,  genug  vorliegen,  um 
einen  zweiten  Theii  zu  bilden,  so  habe  ich  diese  Auflage  des  VI 
Werks,    so  weit   es  bisher  erschienen  ist,  als   ersten   Teil 
bezeichnet. 

In  dem  zweiten  Teil  wird  der  isolierte  Staat  unter  ver- 
änderten Voraussetzungen  betrachtet  werden,  um  die  Ein- 
wirkung anderer  Potenzen,  als  die  hier  in  Betracht  gezogenen, 

1* 


—     4     — 

kennen  zu  lernen  und  zu  erforschen.  Ferner  gedenke  ich 
in  demselben  die  Berechnungen  über  die  Bearbeitungskosten 
und  den  Reinertrag  des  Bodens,  welche  dieser  Schrift  zum 
Grunde  liegen,  mitzuteilen,  die  Untersuchung  über  die  Forst- 
Avirtschaft  zu  erweitern,  und  Aufsätze  über  die  mittlere  Ent- 
fernung, über  den  Chausseebau  etc.  hinzuzufügen. 

Da  demnach  der  zweite  Teil  Abhandlungen  enthalten 
wird,  die  eine  Trennung  zulassen,  und  da  es  ungewiss  ist, 
ob  ich  die  Ausarbeitung  des  Ganzen  werde  vollenden  können, 
so  wird  der  zweite  Teil  vielleicht  heftweise  erscheinen. 

Noch  bitte  ich  die  Leser,  die  dieser  Schrift  ilu'e  Zeit 
und  Aufmerksamkeit  schenken  wollen,  sich  durch  die  im 
Anfang  gemachten,  von  der  Wirklichkeit  abweichenden  Vor- 
aussetzungen nicht  abschrecken  zu  lassen,  und  diese  nicht 
für  willkürlich  und  zwecklos  zu  halten.  Diese  Voraus- 
setzungen sind  vielmehr  notwendig,  um  die  Einwirkung 
einer  bestimmten  Potenz  —  von  der  wir  in  der  Wirklichkeit 
VII nur  ein  unklares  Bild  erhalten,  weil  sie  daselbst  stets  im 
Konflikt  mit  andern  gleichzeitig  whkeuden  Potenzen  er- 
scheint —  für  sich  darzustellen  und  zum  Erkennen  zu  bringen. 

Diese  Form  der  Anschauung  hat  mir  im  Leben  über 
so  viele  Punkte  Licht  und  Klarheit  gegeben  und  scheint  mir 
einer  so  ausgedehnton  Anwendung  fähig,  dass  ich  sie  fiu- 
das  Wichtigste  in  dieser  ganzen  Schrift  halte. 

Tellow,  im  März  1842. 


J.  H.  V.  Thüiieii. 


Inhalt.  '^ 


Erster  Abschnitt. 

Gestaltung-  des  isolierten  Staats. 

Seite 

i;    1.  .  Voraussetzungen 11 

§    2.    Aufgabe 12 

S    3.    Erster  Kreis.    Freie  Wirtschaft 12 

i?    i.    Bestimmung  des  Getreidepreises  in  den  verschiedenen 

Gegenden  des  isolierten  Staats 15 

§    öa.  Begriff  der  Landrente 23 

i;  5  b.  Einfluß  der  Getreidepreise  auf  die  Landrente  ...  29 
g  6.  Einfluß  der  Getreidepreise  auf  das  Wirtschaftssystem  52 
§  7  a.  Einige  Sätze  aus  der  Statik  des  Landbaues  ....  57 
j?    7  b.  Weitere    Ausführung   einiger   Teile   der    Statik    des 

Landbaues 63 

ij    8.    In  welchem  Verhältnis  mu(J   bei  der  Dreifelderwirt- 
schaft Acker  und  Weide  gegeneinander  stehen,  wenn 
der  Acker  sich  in  gleicher  Dungkraft   erhalten   soll?       90 
i5    9.     Wie  verhält  sich   der  Körnerertrag  des  Roggens  in 

der  Koppelwirtschaft   zu  dem  in  der  Dreifelderwirt-  X 
Schaft,  wenn  die  Ackerflächen,  auf  denen  beide  Wirt- 
schaftsarten betrieben  werden,   im   ganzen  gleichen 
Reichtum  an  Pflauzennahrung  enthalten?     ....       93 
§  10.    Arbeitsersparung  in  der  Dreifelderwirtschaft  im  Ver- 
hältnis zur  Koppelwirtschaft 97 

i?  11.    Über  den  Einfluß,   den   die  Entfernung   des  Ackers 

vom  Hofe  auf  die  Arbeitskosten  hat 98 


-     6     — 

Seite 
Zusätze.     A.  Über  die  mittlere  Entfernung  des  Ackers 

vom  Hofe         105 

B.  t'ber  die  Lage  der  Höfe  in  Mecklenburg-  108 

§  12.    Bestimmung   der  Landrente   der  Dreifelderwirtschaft  113 
§  13.    Einfluß  der  Entfernung  des  Ackers  vom  Hofe  auf  die 

Arbeitskosten  bei  der  Dreifelderwirtschaft     ....  115 
g  14  a.  Vergleichung  der  Landrente  bei  der  Koppelwirtschaft 

und  der  Dreifelderwirtschaft 120 

§  14  b.  Erläuterungen 126 

§  15.  Verhältnis  der  Dungproduktion  und  der  mit  Korn 
bestellten  Fläche  in  der  Koppel-  und  in  der  Drei- 
felderwirtschaft      129 

§  16.     Wirtschaftssystem  mit  höherer  Dungproduktion     .     .  130 
§  1 7.    Resultate  einer  Vergleichung  zwischen  der  belgischen 

und  der  mecklenburgischen  Wirtschaft 142 

§  18.    Anführung  einiger  anderer  Rücksichten  bei  der  Wahl 

eines  Wirtschaftssystems 160 

XI  §  19.    ZAveiter  Kreis.    Forstwirtschaft 176 

§  20.  Rückblick  auf  den  ersten  Kreis,  in  besonderer  Be- 
ziehung auf  den  Bau  der  Kartoffeln 199 

§  21.    Dritten  Kreis.     Fruchtwechselwirtschaft 221 

§  22.     Vierter  Kreis.     Koppelwirtschaft 224 

§  23.    Fünfter  Kreis.     Dreifelderwirtschaft 225 

§  24.     Durch  welches  Gesetz  wird   der  Preis  des  Getreides 

bestimmt? 225 

§  25.    Ursprung  der  Landrente 229 

§  26  a.  Sechster  Kreis.    Viehzucht 231 

§  26  b.  Fortsetzung 246 

§  26  c.  Fortsetzung 254 

Zweiter  Abschnitt. 

Vergleichung  des  isolierten  Staats  mit  der 
Wirklichkeit. 
§  27.    Rückblick  auf  den  Gang  unserer  Untersuchung    .     .    264 
§  28.    Verschiedenheiten  zwischen  dem  isolierten  Staat  und 

der  Wirklichkeit 268 


Seitp. 

§  29.    Branntweiübreuuerei 275 

§  30.    Schäferei 277 

§  31.    Anbau  der  Handelsgewächse 291 XTI 

§  32.    Zu  welchem  Preise   kann  Flachs  und  Leinwand  aus 
den  verschiedenen  Gegenden   des   isolierten    Staates 

nach  der  Stadt  geliefert  werden? 312 

§  33.    Über  die  Beschränkung  der  Handelsfreiheit  ....  318 


Dritter  Abschnitt. 

Wirkung  der  Abgaben  auf  den  Ackerbau. 

§  34.    Abgaben,   die  mit   der  Größe  des  Betriebes  im  Ver- 
hältnis stehen 325 

A.  In  BeziehuBg  auf  den  isolierten  Staat     .     .     .    325 

B.  In  Beziehung  auf  die  Wirklichkeit 329 

§  35.     Wirkung  der  Abgabe,  wenn  die  Konsumtion  au  Korn 

dieselbe  bleibt 333 

§  36.     Auflagen  auf  Gewerbe  und  Fabriken 339 

§  37.    Konsumtionssteuer  und  Kopfsteuer 343 

§  38.    Auflagen  auf  die  Landrente 346 

Anhang 352 

Erklärangen    und   Bemerkungen    zu    den    bildlichen    Dar- 
stellungen des  isolierten  Staats .  386 


xiii  Mafs,  Münze  und  Gewicht, 

■welche  in  dieser   Schrift  vorkommen. 


Längenmaß.  Die  uiecklenburgische  Ente  von  16  Lübecker 
Fuß  ä  129,0  Pariser  Linien. 

Flächenmaß.  Die  mecklenbiirgische  Quadratrute  von  256 
Lübecker  Quadratfuß. 

Getreidemaß.  Der  Berliner  Scheffel  von  2744,3  Pariser  Kubik- 
zoll  Inhalt. 

Münze.  Wenn  von  Talern  ohne  weiteren  Beisatz  die  Rede  ist, 
so  sind  hierunter  Tlr.  Gold,  fünf  auf  einen  Ld'or  gerechnet, 
zu  verstehen.  Es  ist  aber  auch  öfters  nach  Talern  N% 
(Neue  %)  gerechnet,  welche  nach  dem  18  Guldenfuß  geprägt 
sind,  und  wovon  12  eine  Mark  fein  Silber  enthalten. 

Bei   der  Reduktion  der  neuen  Münzsorte  auf   die    andere 
sind  immer  14  Taler  N'^s  gleich  15  Taler  Gold  gerechnet. 

GeAvicht.  Das  Hamburger  Pfund  von  10080  holländischen 
Assen.  Der  Zentner  ist  immer  zu  100  solcher  Pfunde  gerechnet. 

VergleichuDg  derselben 
mit  denen  einiger  anderer  Länder. 

a.   Preußen. 

Maß.  Der  preußische  (rheinländische)  Fuß  liält  139,is  Pariser 
Linien;  die  Rute  12  Fuß;  der  Morgen  180  QK 


100  mecklenbiirg-ische  QFuß  sind  gleich  85,9i  preuß.  □Fuß. 

100  mecklenburgische  rjR.  sind  ^  152,72  preuß.  DE. 

Der  preußische  Morgen  hält  117,s6  meckl.  OE. 

Die  Ernte  von   10  Berl.  Scheffel  auf  100  meckl.  n^-  be-  XIV 
trägt  auf  den  Morgen  11,78  Berl.  Scheffel. 
Münze.    Preußisch  Kurant,   nach   dem   21   Guldenfuß    geprägt. 
6  Tlr.  NVs  sind  =  7  Tlr.  preuß.  Kur. 

Der  Ld'or  ist  demnach  zum  Kurs  von  5  Tlr.  13  V»  Silber- 
groschen gerechnet. 
Gewicht.      Das    preuß.   Pfund    hält  9750    holländische   Assen; 
100  Hamburger  Pfund  sind  demnach  =  103,38  Berl.  Pfund. 

b.   Österreich. 

Der  Wiener  Fuß  hält  140,i3  Pariser   Linien;   der  Klafter  6  Fuß. 
Das  Joch  (Jochart)  hält  1600  QKlafter  =  57  600  GFaß. 
100  meckl.  DFiiß  sind  =  84,74  Wiener  \JF\iß. 
100  meckl.  [JR.  sind  —  0,377  Jochart. 
1  Jochart  ist  =■  265,5o  meckl.  QE. 
Das  österr  eichische  Getreidemaß.    Die  Wiener  Metze  hält 
3101  Pariser  K,  Z.    Der  BerHner  Scheffel  ist  =  0,885  Metzen. 
Die  Ernte  von  10  Berliner  Scheffel  auf  100  meckl.  QE.  be- 
trägt 23.30  Wiener  Metzen  vom  Joch. 
Gewicht.     Das  Wiener  Pfund  hält  11656  holländische  Assen. 
100  Hamb.  Pfund  sind  =  86,4s  Wiener  Pfund. 

c.   Eugland. 

Maß.    Der  englische  Fuß  hält  135,ie  Pariser  Linien.     Der  Acre 
4840  QYards  =  43560  QFuß. 
100  meckl.  nFuß  sind  =  91,o8  englische  DFuß. 
100  meckl.  ^E.  sind  =  0,535  engl.  Acre. 
1  Acre  ist  =  186,8o  meckl.  QE. 
Das    englische    Getreidemaß.      Der   Bushel    enthält   1780 
Pariser  K.  Z. 
Der  Berliner  Scheffel  ist  =  1,542  Bushel. 
Die  Ernte  von  10  Berl.  Scheffel  pr.   100  meckl,  QE.   ist 
=  28,80  Bushel  pr.  Acre. 


—     10    — 

Gewi  cht.     Das   englische   Pfund  hat  9439  holländische  Assen. 
100  Hamburger  Pfund  sind  .=  106,79  englische  Pfund. 

XV  d.  Frankreich. 

Maß.     Das  Meter  hält  iiS^^^  Pariser  Linien.    Der  Hektar  lOOÜO 
QMeter. 
100  meckl.  GFuE  sind  =  8,^67  CMeter. 
100  meckl.  \JR.  sind  =  0.2,,  Hektar. 
1  Hektar  ist  =  461,6o  meckl.  QE. 
Das  französische   Getreidemaß.      Der   Hektoliter   enthält 
5046,1  Pariser  K.  Z. 
Der  Berliner  Scheffel  ist  =  0,544  Hektoliter. 
Die  Ernte   von   10  Berl.  Scheffel  pr.   100  meckl.   [IE.   ist 
=  25,1  Hektoliter  vom  Hektar. 
Gewicht.    Das  Kilogramm  hat  20816  holländische  Assen. 
100  Hamburger  Pfund  sind  =  48,40  Kilogramm. 


Die  vorstehende  Berechnung  ist  nach  den  Angaben  in  Thaers 
englischer  Landmrtschaft ,  Band  2.  entworfen.  In  späterer  Zeit 
ist  aber,  wie  ich  meine,  die  Größe  des  englischen  Getreidemaßes, 
des  Bushel,  etwas  verändert  worden. 


Erster  Abschnitt.  i 

Gestaltung  des  isolierten  Staats. 


§  1- 

Voraussetzungen. 

Man  denke  sich  eine  sehr  große  Stadt  in  der  Mitte 
einer  fruchtbaren  Ebene  gelegen,  die  von  keinem  schiifbaren 
Fhisse  oder  Kanäle  durchströmt  wird.  Die  Ebene  selbst  be- 
stehe aus  einem  durchaus  gleichen  Boden,  der  überall  der 
Kultur  fähig  ist.  In  großer  Entfernung  von  der  Stadt  endige 
sich  die  Ebene  in  eine  unkultivierte  Wildnis,  wodui'ch  dieser 
Staat  von  der  übrigen  Welt  gänzlich  getrennt  wird. 

Die  Ebene  enthalte  weiter  keine  Städte,  als  die  eine 
große  Stadt,  und  diese  muß  also  alle  Produkte  des  Kunst- 
fleißes für  das  Land  liefern ,  so  wie  die  Stadt  einzig  von 
der  sie  umgebenden  Landfläche  mit  Lebensmitteln  versorgt 
werden  kann. 

Die  Bergwerke  und  Salinen,  welche  das  Bedürfnis  an 
Metallen  und  Salz  für  den  ganzen  Staat  liefern,  denken  wir 
uns  in  der  Nähe  dieser  Zentralstadt  —  die  wir,  weil  sie 
die  einzige  ist,  künftig  schlechthin  die  Stadt  nennen  werden 
—  gelegen. 


12     — 


§  2. 


Aufgabe. 

Es  entsteht  nun  die  Frage:  wie  wird  sich  unter  diesen 

Verhältnissen  der  Ackerbau   gestalten,    und  wie  wird   die 

2  größere   oder  geringere  Entfernung  von   der  Stadt  auf  den 

Landbau  einwirken,  wenn  dieser  mit  der  höchsten  Konsequenz 

betrieben  wird. 

Es  ist  im  allgemeinen  klar,  daß  in  der  Nähe  der  Stadt 
solche  Produkte  gebaut  werden  müssen,  die  im  Verhältnis 
zu  ihrem  Wert  ein  großes  Gewicht  haben,  oder  einen  großen 
Eaum  einnehmen,  und  deren  Transportkosten  nach  der  Stadt 
so  bedeutend  sind,  daß  sie  aus  entfernten  Gegenden  nicht 
mehr  geliefert  werden  können ;  so  wie  auch  solche  Produkte, 
die  dem  Verderben  leicht  imterworfen  sind  und  frisch  ver- 
braucht werden  müssen.  Mit  der  größeren  Entfernung  von 
der  Stadt  wird  aber  das  Land  immer  mehr  und  mehr  auf 
die  Erzeugung  derjenigen  Produkte  verwiesen,  die  im  Ver- 
hältnis zu  ihrem  Wert  mindere  Transportkosten  erfordern. 

Aus  diesem  Grunde  allein  werden  sich  lun  die  Stadt  ziem- 
lich scharf  geschiedene  konzentrische  Kreise  bilden,  in  welchen 
diese  oder  jene   Gewächse   das  Haupterzeugnis  ausmachen. 

Mit  dem  Anbau  eines  anderen  Gewächses,  als  Haupt- 
zweck betrachtet,  ändert  sich  aber  die  ganze  Form  der  Wirt- 
schaft, und  wir  werden  in  den  verschiedenen  Kreisen  ganz 
verschiedene  Wirtschaftssysteme  erblicken. 


§  3. 
Erster  Kreis. 

Freie  Wirtschaft. 

Die  feineren  Gartcngewiiclisc ,   welche   teils  den  Trans- 
port auf  Wagen   aus  weiterer  Ferne  nicht  ertragen  können, 


—    13    — 

wie  Blumenkohl,  Erdbeeren,  Salat  ii.  m.  a.,  und  deshalb  nach 
der  Stadt  getragen  werden  müssen,    teils    nur  in  kleinen 
Quantitäten  und  ganz  frisch  abzusetzen  sind,  können  nur  in  3 
der  Nähe  der  Stadt  gebaut  werden. 

Die  Gärten  werden  also  die  nächsten  Umgebungen  der 
Stadt  einnehmen. 

Außer  den  feineren  Gartengewächsen  ist  die  frische  Milch 
eines  der  notwendigen  Bedürfnisse  der  Stadt,  deren  Erzie- 
lung in  diesem  ersten  Kreise  geschehen  muß :  denn  die  Milch 
ist  nicht  bloß  sehr  schwierig  und  kostbar  zu  transportieren, 
sondern  sie  wird  auch,  besonders  bei  gi'oßer  Hitze,  nach 
wenigen  Stunden  ungenießbar,  und  kann  deshalb  aus  gi'ößeren 
Entfernungen  nicht  zur  Stadt  gebracht  werden. 

Der  Preis  der  Milch  muß  so  hoch  steigen,  daß  das  Land, 
was  zum  Zweck  der  Milcherzeugung  verwandt  wird,  durch 
kein  anderes  Produkt  höher  genutzt  werden  kann.  Da  die 
Ackerpacht  in  diesem  Kreise  sehr  hoch  ist,  so  kommt  ver- 
mehrte Arbeit  hier  wenig  in  Betracht.  Von  der  kleinsten 
Fläche  die  größte  Menge  Viehfutter  zu  gewinnen,  ist  hier 
die  Aufgabe.  Man  wird  also  möglichst  vielen  Klee  bauen 
und  Stallfütterung  treiben :  denn  es  ist  entschieden,  daß  man 
bei  der  Stallfütterung,  wo  der  Klee  zur  rechten  Zeit  gemäht 
werden  kann,  von  derselben  Fläche  weit  mehr  Vieh  unter- 
halten kann,  als  bei  der  Beweidung,  wo  die  jungen  Pflanzen 
durch  das  Zertreten  und  Abreißen  stets  in  ihrem  Wachstum 
gestört  werden.  Oder,  wenn  man  der  größeren  Reinlichkeit 
wegen  die  "Weide  dennoch  vorziehen  sollte,  so  können  die 
Weideplätze  nur  klein  sein,  und  das  Vieh  wird  doch  größ- 
tenteils mit  abgemähtem  grünen  Klee  und  mit  dem  Abfall 
von  Kartoffeln,  Kolü,  Rüben  usw.  unterhalten  werden. 

Der  unterscheidende  Charakter  dieses  Kreises  ist,  daß  hier 
der  Dung  größtenteils  aus  der  Stadt  angekauft  und  nicht, 
wie  in  den  entfernteren  Gegenden,  auf  den  Gütern  selbst  er- 
zeugt wird. 


—     14     — 

4  Dies  gibt  diesem  Kreise  das  Übergewicht  über  die  ent- 
fernteren und  macht  es  möglich,  daß  hier  Produkte  verkauft 
werden  können,  die  die  anderen  Kreise  zur  Erhaltung  der 
Fruchtbarkeit  des  Bodens  selbst  behalten  müssen. 

Verkauf  von  Heu  und  Stroh  ist  hier,  neben  der  Müch- 
produktion,  Hauptzweck.  Da  die  entfernteren  Gregenden  hier- 
bei nicht  in  Konkurrenz  treten  können,  so  muß  der  Preis  dieser 
Produkte  so  hoch  steigen,  daß  das  Land  dadurch  am  höchsten 
genutzt  wird.  Das  Korn  ist  hier  nur  Nebensache,  denn  dies 
kann  wegen  minderer  Landrente  und  geringeren  Arbeitslohns 
in  den  abgelegenen  Kreisen  wohlfeiler  gebaut  werden.  Man 
würde  den  Kornbau  ganz  aufgeben,  wenn  dieser  nicht  zur 
Gewinnimg  des  Strohes  notwendig  wäre,  und  man  opfert 
durch  dickes  Säen  einen  Teil  der  Kornernte  auf,  um  nur 
mehr  Stroh  zu  erhalten. 

Außer  der  Milch,  dem  Heu  und  Stroh  muß  dieser  Kreis 
die  Stadt  noch  mit  allen  den  Produkten  versehen,  die  durch 
den  Transport  aus  einer  weiten  Entfernung  zu  kostbar  werden. 
Diese  sind:   Kartoffeln,  Kohl,  Rüben,   grüner  Klee  u.  m.  a. 

Die  kleinen,  nicht  verkäuflichen  Kartoffeln  und  der  Abfall 
von  Kohl,  Rüben  usw.  können  als  Futter  für  die  Milchkühe 
hier  ebenfalls  am  höchsten  benutzt  werden. 

Reine  Brache  findet  in  diesem  Distrikte  aus  zwei  ver- 
schiedenen Ursachen  nicht  statt:  erstens,  weil  die  Landrente 
zu  hoch  ist,  um  einen  großen  Teil  des  Feldes  unbenutzt 
lassen  zu  dürfen ;  zweitens,  weil  durch  den  unbeschränkten 
Ankauf  des  Dungs  die  Kraft  des  Bodens  so  hoch  gehoben 
werden  kann,  daß  die  Gewächse,  auch  ohne  die  sorgfältige 
Bearbeitung  des  Bodens  durch  die  Brache,  dem  Maximum 
ihres  mögliclien  Ertrages  nahe  kommen. 

Man  wird  die  Früchte   so  hintereinander  folgen  lassen, 

daß    jedes    Gewächs    den    Boden    in    einem    für    dasselbe 

5 günstigen   Zustande   vorfindet;    aber   man   wird   nicht,    des 

bloßen  Wechsels  wegen,  Früchte  bauen,  die  durch  ihr  Preis- 


—    15    — 

Verhältnis  unvorteilhaft  für  diese  Gegend  sind.  Hier  findet 
also  die  sogenannte  freie  Wirtschaft  —  die  in  der  Frucht- 
folge keiner  Yorausbestimmung  unterworfen  ist  —  ihren  Platz. 
Der  Dungankauf  aus  der  Stadt  ist  am  vorteilhaftesten 
für  den  Teil  des  Kreises,  der  der  Stadt  am  nächsten  liegt. 
Mit  der  wachsenden  Entfernung  nimmt  dieser  Vorteil  rasch 
ab,  indem  dadurch  nicht  allein  die  Anfuhr  des  Düngers, 
sondern  auch  das  Verfahren  der  erbauten  Produkte  verteuert 
wird.  Bei  zunehmender  Entfernung  von  der  Stadt  kommen 
wir  bald  in  eine  Glegend,  wo  es  schon  zweifelhaft  wird,  ob 
man  noch  mit  Vorteil  Dung  aus  der  Stadt  holen  kann,  und 
wir  müssen  dann  bald  die  Gegend  treffen,  wo  es  entschieden 
vorteilhafter  ist,  den  Dung  selbst  zu  produzieren,  als  ihn  zu 
kaufen  —  und  hier  ist  dann  die  Grenze  des  ersten,  und 
der  Anfang  des  zweiten  Kreises. 


§  4. 

Bestimmung  des  Getreidepreises  in  den  ver- 
schiedenen Gegenden  des  isolierten  Staats. 

Ehe  wir  nun  zur  Betrachtung  der  Wirtschaft  des  zweiten 
und   der  folgenden  Kreise  übergehen  können,  müssen  wir 
vorher   zu  bestimmen   suchen ,  wie  der  Preis  des  Getreides 
sich  mit  der  Entfernung  von  der  Stadt  ändert. 
Wir  haben  angenommen: 

1)  daß  die  Zentralstadt  der  einzige  Marktplatz  für  das 
Getreide  sei; 

2)  daß  in  dem  ganzen  Staat  kein  schiffbarer  Kanal  sei,  und 
alles  Getreide  zu  Wagen  nach  der  Stadt  gebracht 
werden  müsse. 

Unter  diesen  Umständen  normiert  der  Getreidepreis  in 
der  Stadt   für  das  ganze  Land.    Auf  dem  Lande  kann  aber 


—    16    — 

6 der  "Wert  des  Korns  nicht  so  hoch  sein,  als  der  Marktpreis 
in  der  Stadt  ist;  denn  um  diesen  Preis  zu  erhalten,  muß 
das  Korn  erst  nach  der  Stadt  gefahi-en  werden,  und  soNiel, 
wie  dieses  kostet,  um  so  viel  geringer  ist  der  Wert  des 
Korns  auf  dem  Lande  als  in  der  Stadt. 

Um  das  Verhältnis  der  Wertsverminderung  des  Ge- 
treides in  Zahlen  auszusprechen,  ist  es  notwendig,  einen 
Standpunkt  aus  der  Wirklichkeit  zu  entnehmen,  und  diesen 
in  den  isolierten  Staat  mit  hinüber  zu  nehmen. 

Auf  dem  Gute  T.  (Tellow),  Avelches  5  Meilen  von  dem 

Marktplatz   Rostock  entfernt  ist,  haben  die  Transportkosten 

für  eine  Fuhre  Korn  nach  dieser  Stadt,  im  Durchschnitt  von 

5  Jahi'en,   betragen:    3^/io  Rostocker  ScheiTel  Roggen  und 

52 
IjTTTT   Taler  N-Zs;    welches    in  Berliner  Schelfein   und  in 

57 
Gold ,     den    Ld"or    zu    5    Taler    gerechnet,    2^?^^  Berliner 

Scheffel   Roggen   und   Ittttt  Taler  Gold  ausmacht*). 

Die  gewöhnliche  Ladung  für  ein  Gespann  von  4  Pferden 
beträgt  2400  tl.  Das  Futter,  was  für  die  Pferde  auf 
2  Tage  mitgenommen  werden  muß,  wiegt  ungefähr  150  ^.; 
an  Korn  kann  also  geladen  werden  2400  —  150  =  2250  ^., 
welches  37  ^/2  Rostocker  oder  26,78  Berliner  Schfl.  ausmacht. 
7         Annahme.     In   der  Zentralstadt  des  isolierten  Staats 

sei  der  Mittelpreis  des  Roggens  für  den  Berliner  Schfl. 

1  ^  2   Tlr.   Gold ,    und   der  Maßstab    ffh-  die   Transport- 


*)  Der  Rostocker  Scheffel  ist  gleich  -'j-;  Berliner  Schcft'el; 
14  Taler  N'^/j  sind  bei  dieser  und  bei  allen  folgenden  Reduktionen 
gleich  15  Tlr.  Gold  gerechnet.  Wenn  im  Verfolg  dieser  Schrift 
von  Talern  und  Scheffeln  ohne  weiteren  Beisatz  die  Rede  ist,  so 
sind  hierunter  immer  Taler  Gokl  und  Berliner  Scheffel  zu  ver- 
stehen. 


—    17    — 

kosten   des   Getreides    sei   derselbe,    den   wir   aus    der 

Wirklichkeit  für  das  Gut  T.  gefunden  haben. 

Wir  fragen  nun,  wie  hoch  wird  unter  diesen  Voraus- 
setziuigen  der  Wert  des  Getreides  in  dem  isolierten  Staate, 
auf  dem  5  Meilen  von  der  Stadt  entlegenen  Gute  sein? 

Für  eine  Fuhre  von  26,7s  Berl.  Schfl.  Roggen  w^erden 
in  der  Stadt  eingenommen  26,78  X  1^/2  =  40,i7  Tlr.  Gold. 
Die  Transportkosten  betragen  1,63  Tlr.  Gold  und  2,57  Schfl. 
Roggen.  Zieht  man  diese  ab,  so  bleiben  von  der  Einnahme 
38,54  Tlr.  minus  2,57  Schfl.  Roggen.  Oder  für  26,78  Schfl. 
Roggen,  die  nach  der  Stadt  gefahren  sind,  und  für  2,57  Schfl., 
die  der  Transport  gekostet  hat,  zusammen  also  für  29,35  Schfl. 
Roggen,  beträgt  die  Geldeinnahme  38,54  Tlr.  Dies  macht  für 
1  Schfl.  1,313  Tlr. 

Für  10  Meilen  Entfernung  von  der  Stadt  erfordert  die 
Fuhre  hin  und  zurück  4  Tagereisen. 

An  Futter  muß  alsdann  mitgenommen  werden  300  U.. 
Die  Kernladung  beträgt  also  2400  —  300  =  2100  fl. 

Die  Transportkosten  betragen  2  X  2,5?  =  5,i4  Schfl. 
Roggen  und    2  X  1,63  =  3,26      Tlr. 

Durch  eine  ähnliche  Rechnung,  wie  oben,  ergibt  sich 
dann,  daß  bei  der  Entferniing  von  10  Meilen  der  Wert  des 
Scheffels  Roggen  auf  dem  Gute   selbst   l,i36  Taler  betiägt. 

Aus  der  Anwendung  dieser  Berechnung  auf  größere 
Entfernungen  geht  nun  folgende  Tabelle  hervor: 

1000  Berüner  Schfl.  Roggen  sind  Gold      { 

wert :  Taler 

In  der  Stadt  selbst 1500 

Auf  dem  Gute  5    Meilen    von    der    Stadt    entfernt    1313 

10    „   1136 

15    „   968 

20    „   809 

25    „   656 

30   „   512 

Thünen,  Der  isolierte  Staat.  2 


—     18    — 

Taler 
Auf  dem  Gute  35  Meilen   von   der    Stadt    entfernt      374 

40       „ •     .      242 

45       „ 116 

49,95  Meilen  . 0 

Unter  diesen  Yerhältnissen  ist  der  Transport  des  Korns 
auf  50  Meilen  unmöglich,  weil  die  ganze  Ladung  oder  deren 
Wert  auf  der  Hin-  und  Zurückreise  von  den  Pferden  und 
den  dabei  angestellten  Menschen  verzehrt  wird. 

Aus  dieser  Ursache  müßte  in  der  Entfernung  von  50 
Meilen  die  Kultur  des  Bodens  aufhören,  wenn  auch  die 
Hervorbringung  des  Korns  gar  keine  Kosten  verursacht;  da 
aber  die  Produktion  des  Getreides  überall  Arbeit  und 
Kosten  erfordert,  so  wird  der  Reinertrag  des  Laudbaues 
schon  in  weit  geringerer  Entfernung  von  der  Stadt  aufhören, 
und  mit  dem  Reinertrag  endet  aucli  die  Kultur  des  Bodens. 

Es  mag  unrichtig  erscheinen,  bei  der  Berechnung  der 
Trausi:)ortkosten  für  große  Entfernungen  anzunehmen,  daß 
der  Wagen  das  Futter,  welches  die  Pferde  auf  der  Hin- 
und  Zurückreise  gebrauchen,  gleich  mitnimmt,  da  doch  das 
Futter  auf  der  Rückreise  wohlfeiler  zu  kaufen  sei,  als  es 
hier  durch  die  Verminderung  der  Ladung  kostet. 

Das  Futter,  was  unterwegs  gekauft  wird,  ist  nicht  für 
den  Preis,  den  es  an  dem  Orte  beim  Verkauf  wirklich  gilt, 
9  zu  haben ,  sondern  es  muß  auch  der  Handelsvorteil ,  den 
der  Wirt  oder  der  Unterhändler  dafür  nimmt,  mitbezahlt 
werden.  Jedoch  kann  die  Bezahlung  dieses  Handelsprofits 
nicht  so  kostbar  Averden,  als  die  Mitnahme  des  Futters  auf 
großen  Reisen. 

Für  weite  Entfernungen  kommt  aber  noch  folgender 
Punkt  in  Betracht: 

Die  Transportkosten  sind  danach  berechnet,  was  sie  für 
eine  Entfernung  von  5  Meilen  wirklich  kosten.  Die  Pferde, 
welche  im  Sonuner  das  Feld   bestellen,   verfahren   hier  im 


—     19    — 

Winter  das  Korn.  Es  brauchen  also  keine  besonderen  Pferde 
dazu  gehalten  zu  werden,  und  auf  das  Konto  des  Korn  Ver- 
fahrens kommen  bloß  diejenigen  Kosten,  welche  durch  die 
verstärkte  Arbeit  der  Pferde  selbst  hervorgebracht  werden, 
als  Hufbeschlag,  Abnutzung  des  AVagengeräts ,  vermehrtes 
Futter  usw.;  nicht  aber  die  Zinsen  vom  Kapital  wert  der 
Pferde,  und  das  Futter,  was  die  Pferde  im  Winter  zu  ihrem 
Lebensunterhalt  gebrauchen. 

Für  weite  Entfernungen  müssen  aber  zum  Kornverfahren 
eigene  Gespanne  gehalten  werden,  und  dadurch  vermehren 
sich  die  Transportkosten  in  Schfl.  Roggen  ausgedrückt,  für 
die  entfernten  Gegenden  sehr  beträchtlich. 

Diese  erhöhten  Kosten  betragen  wahrscheinlich  reich- 
lich soviel,  als  durch  den  Ankauf  des  Futters  unterwegs  er- 
spart werden  kann ;  wenigstens  vermindern  sich  die  beiden  hier 
wissentlich  gemachten  Fehler  gegenseitig,  und  ich  habe  unter 
mehreren  Versuchen  die  Transportkosten  auf  eine  andere 
Art  zu  berechnen,  der  hier  gewählten  Methode,  als  der  zu- 
treffendsten, den  Yorzug  geben  müssen. 


In  der  Folge  kommen   wir  oft  in  die  Lage,  den  Wert 
des  Roggens  auch  für   solche  Entfernungen   von   der  Stadt, 
die  in  obiger  Tabelle  mit  angeführt  sind,  wissen  zu  müssen.  10 
Wir  bedürfen  deshalb  einer  allgemeinen  Formel,  und  müssen, 
ehe  wir  weiter  gehen,  folgende  Frage  lösen. 

Wie   hoch  ist   der  Wert   des  Roggens  auf  einem  Gute, 
welches  x  Meilen  vom  Marktplatze  entfernt  ist? 

Die  ganze  Ladung  eines  Wagens  beträgt  2400  Z^-,  oder 

2400 
da  wir  den  Schfl.  Roggen   zu  84  fL  annehmen,  -qj—  Schfl. 

Roggen.  Hiervon  geht  aber  das  mitzunehmende  Pferdefutter 
ab,  welches  auf  .5  Meilen  150  //.,  auf  x  Meilen  also  30  x  it. 
beträgt. 

2* 


—    20    — 
Zur  Stadt  gebracht  werden    also  nur  2400  —  30  x  ü.^ 
oder  ~ — -5-j Schfl.  Roggen;   wofür  die  Einnahme,   den 

Schfl,  Roggen   zu   IV2   Tk.   gerechnet, 57 — '—  X   1^''2 

=z  '- T-7- Taler  beträgt. 

Die  Transportkosten  betragen  auf  5  Meilen  2,57  Scheffel 
Roggen  und  l,e3  Taler;  auf  x  Meilen  also 

2,57  X  Schfl.  +  1,63  X     ^^^^^ 

5 

T^       1      rv       1,  3600  —  45  X    _,  , 

von  der  Einnahme  =  07 Taler  müssen   ab- 
gezogen werden 
die  Transportkosten                   =  — \. ""' ^• 

., ,   3600—45  X    ^,             1,63  X  Th-.           2,57  x  Schfl. 
Dies  gibt  gl Tk. '—^ V 

,       18000  —  361,92  X    ^  ,  2,57  X  Schfl. 

oder  ttjt;^ — Taler 


420  ""'"'  5 

Dies  ist  die  reine  Einnahme   für   die   nach  der  Stadt 

gebrachte     Ladung      von     - — -^-j Scheffel    Roggen; 

2400  —  30 X 
11 öl— — —     Scheffel     Roggen      sind     also      im     Wert 

=  TpTj — ^ Taler  —  ~^., —    Scheffel     Roggen 

oder  ^ Schfl.  Roggen  -\ — ^^ —  Scheffel   Roggen 

18000  —  361,92  X     ^,      ^         12000  +  65,88  x    _,  ,  ^  „ 
^  42Ö Tlr.,also   ^^^ Schfl.  R. 

=  ^^^^^~Q^^'"'^  Taler,    oder    12000    +   65,S8X    Seh.    R. 
_  18000  —  361,92  X  Taler. 


—    21    — 
Hieraus  ergibt  sich 

der    Wert    eines     Scheffels    Roergen  T?i7^r/r"i"r--'  ^"    Tlr. 

°°       12000  -f-  60,88  X 

Diese  Formel   kann    mit   einer    sehr   geringen    Abwei- 
chung in   folgende  verkleinert  werden:    1  Scheffel  Roggen 
273 — 5,5  X 


182 -fx 


Taler. 


Berechnung  der  Fracht,  die  es  kostet,  eine 

volle  Ladung  von  2400  /''    nach  der  Stadt 

zu  bringen. 

Soll  die  ganze  Ladung  nach  der  Stadt  kommen,  so 
müssen  den  mit  Waren  oder  Produkten  beladenen  Wagen 
andere  Wagen,  die  das  für  die  Pferde  nötige  Futter  fahren, 
beigesellt  sein. 

Für  5  Meilen  Entfernung  von  der  Stadt  besteht  sonst 
die  Ladung  eines  Wagens  aus  2250  fi.  Korn  oder  Waren, 
und  aus  150  fl.  Futter.  Hier  wird  also,  um  15  volle  La- 
dungen ä  2400  fl.  nach  der  Stadt  zu  bringen,  ein  Wagen 
mit  Futter  für  die  Pferde  erfordert. 

16  Gespann  Pferde,  deren  Arbeit  16  X  (2,57  Schfl. 
Roggen  -j-  1,63  Th\)  kostet,  bringen  also  nur  15  Ladungen 
nach  der  Stadt,  welches  an  Fracht  oder  Transportkosten  für  12 

1  fi 
eine  volle  Ladung  j^-  (2,57  Schfl.  Roggen  -\-  1,C3  Tlr.)  ergibt. 

Auf  10  Meilen  Entfernung  muß  sonst  ein  Wagen  300  /^. 
Futter  mitnehmen,  und  die  Ladung  selbst  beträgt  nur 
2100  fl.  Auf  7  Wagen  mit  voller  Ladung  kommt  also  1  Wagen 
mit  Futter,  und  die  Fracht  für  eine  volle  Ladung,  die  nach 

der  Stadt  gebracht  wird,  beträgt  also  y  (2,57  SchH.  Roggen 

+  1,G3  Tk.). 

Auf  X  Meilen  Entfernung  beträgt  das  mitzunehmende 


—     22     — 

Futter  für  jeden   Wagen   30  x  /?. ,    und    die  Ladung  bleibt 

2400  —  30  X  it.    Sollen   nun  einige  Wagen  ganz  mit  Korn 

beladen  werden,  so  muß  für  jeden  30  x  it.  Futter  auf  einem 

anderen  Wagen  mitgenommen  werden.     Ein   Wagen    kann 

,      T.  .      2400  — 30  X 

also  das  J  utter  für  ■ 7^ andere  Wagen  mitnehmen ; 

30  X  °  ' 

oder  auf  - — ^ä Wagen   mit  voller  Ladung  gehört  ein 

Wagen  mit  Futter. 

- — g^^ ^-1  Wagen  =   —--     Wagen,      wovon 

.   ,        2,57xSchfl.  Eoggen  -4-  1,63  x  Tlr.      ,     ,  , 

jeder  — ^f ' — kostet,    die    zu- 

,      2400    (2,57  X    Schfl.    Roggen    +    1,64  x    Tlr.) 

sammen  also   ^tt"  ~~~ 

30  X  o 

kosten,  bringen  - — ^^^-^ — ^  volle  Ladungen  nach  der  Stadt. 

Die    Fracht    für    jede    einzelne    Ladung    beträgt    also 

/  2,57  X  Scheffel  Roggen  -[-  1,63  x  Taler   \  2400 

\  5  /  2400  — 30  X 

1  c 
;^3  =     (2,57  X    Scheffel     Roggen    -|-    1,63  x    Taler)      ^^  

41x  Schfl.  +  26x  Tlr.       ^^         .  ^     ^ 

=     ^,7, — ' .      Nun    ist    der    rreis    eines 

80  —  X 

Schfl.   Roggen   in  der  x  Meilen   von   der  Stadt  entfernten 

273  —  5,5X 

^^^^^^   =     182  +  X  • 

Setzen    wir  in  obiger  Formel   für  den   Roggen   diesen 

Preis,  so  erhalten  wir 

11193  X  —  225x2       26  X       _    15925  x  —  199,5x2 

(182^'x)'  (80  —^)  +  "80  —  x    ~  (182  +  x)  (80  —  x). 

Diese  Formel  stimmt  bis  auf  eine  unbedeutende  Kleinigkeit 

.    .  ,       .  .          199,5X 

mit  folgender  überein:   -|qo~  i — :• 


Ich  nehme  nun  hiernach,   in  allen   folgenden  Berech- 
nnngen,  die  Fracht  oder  die  Transportkosten  für  eine  Ladung 

von    2400   U.   zu  ^39 '1_^^  Tlr.  an. 

Ist  nun  die  Entfernung  so  beträgt  die  Fracht 

von  der  Stadt,  oder  für  eine  Ladung 

x=l 1,00  Tlr. 

X=5 5,33       „ 

X    =    10 10,4        „ 

X  =  20 19,8      „ 

X  =  30 28,2      „ 


§  5a. 

Begriff  der  Landrente. 

Wir  müssen  die  Gutseinkünfte  von  dem  Ertrage,  den 
der  Boden  an  sich  gibt,  genau  unterscheiden. 

Ein  Gut  ist  stets  mit  Gebäuden,  Einzäunungen,  Bäumen 
und  anderen  Gegenständen  von  Wert,  die  vom  Boden  ge- 
trennt werden  können,  versehen.  Die  Einkünfte,  die  ein 
Gut  gewährt,  entspringen  also  nicht  ganz  aus  dem  Grund  14 
und  Boden,  sondern  sind  zum  Teil  nur  Zinsen  des  in  diesen 
Wertgegenständen  steckenden  Kapitals. 

Was   nach  Abzug  der  Zinsen  vom  Wert  der  Gebäude, 
des  Holzbestandes ,  der  Einzäunungen  und   überhaupt  aller  . 
Wertgegenstände,  die  vom  Boden  getrennt   werden 
können,  von  den  Gutseinkünften  noch  übrig  bleibt,  und  so- 
mit dem  Boden  an  sich  angehört,   nenne  ich  Landrente. 

AVer  ein  Gut  kauft,  auf  welchem  sämtliche  Gebäude, 
Bäume  und  Einzäunungen  niedergebrannt  sind,  wird  bei  der 
Veranschlagung  des  Werts  zwar  zuerst  berechnen,  welchen 
Reinertrag  dieses  Grundstück,  nachdem  es  mit  Gebäuden  etc. 


—     24     — 

versehen  ist,  geben  -vsttcI  —  dann  aber  die  Zinsen  des  auf 
Errichtung  der  Gebäude  etc.  zu  verwendenden  Kapitals  in 
Abzug  bringen,  und  nach  der  dann  übrig  bleibenden  Rente 
den  Kaufpreis  bestimmen. 

Was  sich  hiernach  im  praktischen  Leben  so  einfach  dar- 
stellt, hat  aber  in  der  wissenschaftlichen  Auffassung  Schwierig- 
keiten gefunden  und  zu  Begriffsverwirrungen  geführt. 

Nach  Adam  Smith*)  —  dem  in  diesem  Punkt,  bis  auf 
die  neuere  Zeit,  die  mehrsten  Lehrer  der  Staatswirtschaft 
gefolgt  sind  —  bildet  das,  was  von  dem  Produkt  eines  Land- 
guts oder  von  dem  Geldbetrag  dieses  Produkts  übrig  bleibt, 
nachdem  der  Pächter  die  Arbeiter  bezahlt,  die  übrigen  Wirt- 
schaftskosten getragen,  und  für  sein  aufgewandtes  Kapital 
den   üblichen  Kapitalgewinn   gezogen   hat,   „die  Landreute". 

Hieraus  und  aus  der  Anwendung,  die  Adam  Smith  von 
dem  Worte  „Landrente"  macht,  folgt,  daß  derselbe  die  Ein- 
15künfte,  welche  der  Gutsherr  von  einem  verpachteten  Gute 
bezieht,  „Landrente"  nennt. 

Diese  Rente,  welche  ich  künftig  .,die  Gutsrente"  nennen 
werde,  ist  aber,  wie  wir  gesehen  haben,  zusammengesetzt  aus 
der  Rente  des  Bodens  und  den  Zinsen  vom  Wert  der 
Gebäude  etc. 

Zwischen  der  Größe  des  auf  diese  Weise  in  einem  Gute 
angelegten  Kapitals  und  der  Rente  vom  Boden  selbst,  ist 
aber  kein  bestimmtes  Verhältnis  vorhanden,  sondern  es  kann 
vielmehr  nach  Verschiedenheit  des  Preises  der  Produkte,  der 
]»hysi.schen  Beschaffenheit  des  Bodens  etc.  zwischen  beiden 
jedes  Verhältnis  stattfinden.  In  Adam  Smiths  Landrente 
(Gutsrente)  liegt  also  in  keiner  Weise  ein  Maßstab  für  die 
eigentliche  Land-  oder  Bodenrente.  Indem  man  den  Preis 
der  Waren  in  die  drei  Bestandteile:    Arbeitslohn,   Kapital- 


*)  Man  vergleiche  dessen  Untersuchuugen  übir  den  National- 
reiehtum  11.  Kapitel. 


gewinn  und  Landrente  zerlegt,  während  die  Landrente  —  in 
Adam  Smiths  Sinn  —  selbst  wiederum  ein  unbestimmtes 
Maß  von  Kapitalgewiun  enthält,  verschwindet  alle  Klarheit 
und  Bestimmtheit  der  Begriife. 

Will  man  hiernach  zeigen,  wie  eine  Änderung  im 
Kapitalgewinn,  bei  gleichbleibendem  Arbeitslohn  und  unver- 
änderter Landrente,  auf  den  Preis  der  Waren  wirkt:  so 
bleibt  der  Teil  des  Kapitalgewinns,  welcher  in  der  Land- 
rente (Gutsrente)  enthalten  ist,  unberücksichtigt.  Will  man 
andererseits  darstellen,  wie  eine  Erhöhung  der  Landrente, 
wenn  Arbeitslohn  und  Kapitalgewiun  dieselben  bleiben,  den 
Preis  der  Waren  ändert,  so  erhöht  man  mit  der  Landrente 
zugleich  den  darin  enthaltenen  Teil  des  Kapitalgewinns, 
welcher  doch  unverändert  bleiben  soll  —  und  so  gelangt 
man  in  beiden  Fällen  zu  unrichtigen  Resultaten. 


Adam  Smiths  Ansicht  von   der  Landrente  gründet  sich  16 
wohl  auf  folgende  Betrachtung. 

Das  in  den  Gebäuden  eines  Guts  angelegte  Kapital 
kann  nicht  wieder  hinweggenommen  und  in  ein  anderes 
Gewerbe  gesteckt  werden.  Es  ist  dadurch  gleichsam  mit  dem 
Boden  verwachsen  und  kann  nur  Zinsen  tragen,  wenn  der 
Boden  bebaut  wird.  Wenn  nun  infolge  des  Fallens  der 
Preise  der  ländlichen  Erzeugnisse  die  Gutsrente  so  tief  sinkt, 
daß  sie  weniger  beträgt  als  die  Zinsen  des  in  dem  Wert 
der  Gebäude  steckenden  Kapitals :  so  verschwindet  die  Boden- 
rente nicht  allein,  sondern  wird  sogar  negativ.  Dies  kann 
aber  den  Eigentümer  des  Guts  nicht  abhalten,  den  Boden 
ferner  zu  kultivieren,  indem  er  sonst  alle  Einkünfte  seines 
verwandten  Kapitals  verlöre.  Bleibt  dagegen  die  Gutsrente 
unverändert,  während  der  landübliche  Zinsfuß  steigt :  so  sinkt 
die  Bodenrente  genau  um  so  viel,  als  die  Rente  vom  an- 
gelegten Kapital  steigt.  Zwischen  beiden  Arten  von  Renten 
findet  also  eine  Wechselwii'kung  statt,  und  da  der  Landbau 


—     26    — 

noch  fortdauert,  wenn  auch  die  Bodenrente  schon  negativ 
geworden :  so  scheint  es,  als  sei  die  Trennung  der  Gutsrente 
in  Boden-  und  Kapitalrente  unzulässig  und  zugleich  auch 
unnütz,  da  die  Gutsrente  (Landrente  nach  Adam  Smith) 
doch  der  eigentliche  Regulator  sei. 

So  erscheint  es  allerdings,  wena  man  die  Betrachtung 
auf  einzelne  Fälle  und  auf  kurze  Zeiträume  beschränkt.  Aber 
anders  stellt  es  sich  dar,  wenn  der  Blick  auf  das  Allgemeine 
gerichtet,  und  der  letzte  Erfolg  ins  Auge  gefaßt  wird. 

Denken  wir  uns,  daß  ein  durch  Arbeit  und  Sparsamkeit 
neu  geschaffenes  Xapitel  in  den  vorhandenen  Gewerben  zu 
dem  üblichen  Zinssatz  keine  Anwendung  mehr  finde, 
daß  der  Besitzer  des  Kapitals  sich  deshalb  entschließt,  ein 
17  bisher  unbenutztes,  wertloses  Stück  Land  zu  kultivieren  und 
mit  Gebäuden  zu  versehen,  und  daß  der  Kapitalist  bei  dieser 
Anwendung  seines  Kapitals  von  demselben  gerade  den  im 
Lande  üblichen  Gewinn  bezieht.  Wenn  wir  nun  —  um 
nicht  zwei  voneinander  ganz  unabhängige  Potenzen  zugleich 
in  Betracht  zu  ziehen,  und  dadurch  die  Übersicht  zu  ver- 
wirren —  von  den  Kosten  der  Urbarmachung  des  Bodens 
hier  ganz  abstrahieren :  so  besteht  unter  diesen  Yerhjiltnissen 
die  ganze  Gutsrente  aus  Kapitalgewinn,  und  die  Bodenrente 
selbst  ist  =  0. 

Gesetzt  nun,  der  Zinsfuß  stiege  von  4  auf  5%  bei 
unveränderten  Gutseinkünften:  so  wird  die  Bodenrente  ne- 
gativ, aber  wegen  der  Unbeweglichkeit  des  in  den  Gebäuden 
angelegten  Kapitals  wird  der  Landbau  fortgesetzt. 

Werden  aber  die  Gebäude  durch  eine  Feuersbrunst  in 
Asche  gelegt,  so  wird  kein  neues  Kapital  zum  Wiederaufbau 
derselben  angeschafft,  und  der  Boden  bleibt  wieder  wüst 
liegen. 

Die  Feuersbrunst  zerstört  auf  einmal;  der  Zahn  der 
Zeit  bewirkt  ebenfalls  eine  Zerstörung  der  Gebäude,  nur  viel 


—     27     — 

langsamer.  Siud  die  Gebäude  durch  ihr  Alter  einmal  un- 
brauchbar geworden  und  zusammengefallen,  so  werden  sie 
unter  diesen  Verhältnissen  auch  nicht  wieder  aufgebaut, 
und  das  Land  bleibt  dann  gleichfalls  wüst  liegen. 

Sind  nun  im  Laufe  eines  Jahrhunderts  sukzessive  100 
solcher  Güter  entstanden,  und  beträgt  die  Dauer  der  auf 
diesen  Gütern  errichteten  Gebäude  100  Jahre :  so  wird  jähr- 
lich eins  dieser  Güter  verlassen  werden,  und  nach  einem  Jahr- 
hundert ist  die  ganze  neue  Schöpfung  wieder  verschwunden. 

Über  den  dauernden  Anbau  des  Bodens  entscheidet 
also  nicht  die  Größe  der  Gutsrente,  sondern  allein  die  Größe 
der  Bodenrente. 

Aus  Adam  Smiths   Ansicht  von   der  Landrente,    nach  18 
welcher  die  Zinsen  des  auf  die  Errichtung  der  Gebäude  ver- 
wandten Kapitals  als  Bodenertrag  angesehen  werden,  gehen 
mehrere  Irrtümer  seines  Systems  hervor,  namentlich: 

1.  daß  der  Boden  überall,  wo  er  bebaut  wird,  eine  Rente 
abwerfe ; 

2.  daß  die  auf  den  Landbau  gewandte  Arbeit  vorteil- 
hafter und  produktiver  sei  als  die  auf  die  Gewerbe 
gewandte ; 

3.  daß  die  Natur  beim  Landbau  mitarbeite,  während  sie 
bei  den  Manufakturen  nichts  tue. 

Hierauf  ist  in  der  Kürze  zu  entgegnen: 

1.  Wenn  man  die  Zinsen  vom  Wert  der  Gebäude,  worin 
eine  Manufaktur  betrieben  wird,  nicht  in  Abzug  bringt, 
so  liefert  dies  Gewerbe  gleichfalls  eine  Rente. 

2.  Wenn  ein  solcher  Abzug  nicht  stattfindet,  so  bleibt  von 
dem  Arbeitsj)rodukt  der  Arbeiter,  nachdem  der  Unter- 
nehmer für  seine  Mühe  und  für  das  in  Maschinen, 
Vorräten  etc.  (mit  Ausschluß  der  Gebäude)  steckende 
Kapital  den  üblichen  Gewinn  bezogen  hat,  weit  mehr 
übrig,  als  die  Konsumtion  der  Arbeiter  beträgt;  die 
Arbeit  ist  hier  also  ebenfalls  sehr  produktiv. 


—    28    — 

3.  Ohne  Mitwirkung  der  Naturkräfte  können  die  Gewerbe 
ebensowenig  als  der  Landbau  betrieben  werden. 

Daß  ein  so  tiefer  Denker  wie  Adam  Smith,  in  dessen 
Untersuchungen  über  den  Nationalreichtum  ich  eine  un- 
erschöpfhche  Quelle  der  Belehrung  finde,  weil  in  ihnen  die 
Werkstatt  des  forschenden,  erfindenden  Geistes  dem  Be- 
schauer geöffnet  ist  —  daß  ein  solcher  Mann  über  das  Wesen 
der  Ijandrente  im  Dunkeln  blieb,  während  er  über  so  viele 
andere  Gegenstände  der  Staatswirtschaft  ein  so  helles  Licht 
verbreitete,  läßt  sich  vielleicht  aus  folgender  Ursache  erklären : 
19  Adam  Smiths  System  ist  ursprünglich  wohl  aus  dem 
physiokratischen  System  Jiervorgegangen ,  und  wenn  Adam 
Smith  auch  den  falschen  Satz  der  Physiokraten :  „die  auf 
den  Landbau  gewandte  Arbeit  ist  die  einzige  produktive" 
milderte  und  berichtigte,  so  kannte  er  doch  das  innere  Wesen 
des  Landbaues  nicht  genug,  um  sich  durch  eigene  Anschauung 
von  dem  Irrtum  der  Physiokraten  ganz  losmachen  zu  können. 

Ricardo  berichtigt  in  seinem  Werk  über  politische  (Jko- 
nomie  —  welches  ich  beim  ersten  Entwurf  dieser  Schrift  noch 
nicht  kannte  —  Adam  Smiths  Ansicht  von  der  Landrente 
und  stellt  folgenden  Satz  auf:  „die  Bodenrente  ist  der  Geld- 
betrag, den  der  Eigentümer  für  die  Benutzung  der  ursprüng- 
lichen und  unzerstörbaren  Kräfte  seines  Bodens  erhält." 

Dieser  Definition  gemäß  trennt  Kicardo  auch  die  Zinsen 
des  in  den  Gebäuden  steckenden  Kapitals  von  dem  Ertrage 
des  Bodens  selbst. 

Es  ist  interessant  und  lehrreich  zu  sehen,  wie  Say  in 
seinen  Noten  zu  Ricardos  Werk  und  in  seinem  Traite 
d'ucononiie  politi(]ue  die  richtige  Ansicht  Ricardos  zu  be- 
kämpfen und  die  irrige  festzuhalten  bemüht  ist. 

Wenn  dies  aber  einem  Mann  von  Says  Geistosklarheit 
begegnen  kann,  so  liegt  darin  eine  Warnung  für  jeden,  auf 
seiner  Hut  zu  sein,  um  sicli  die  Geistesfrcilieit  zu  bewahren. 

Man  muß  die  Kraft  haben,  zu  vergessen  was  man  weiß, 


—     29     — 

um  eine  Wahrheit,  die  mit  den  eigenen  Irrtümern  im  AVider- 
streit  ist,  auffassen  und  in  sich  aufnehmen  zu  können. 


Da  Adam  Smiths  Begriff  von  der  Landrente  noch  viele 
Anhänger  hat  und  die  Übertragung  dieses  Begriffs  auf  das 
was  ich  Landrente  nenne,  notwendig  verwirrend  auf  alles, 
was  im  Verfolg  dieser  Schrift  über  diesen  Gegenstand  gesagt 
wird,  wirken  muß :  so  habe  ich  geglaubt,  durch  eine  Gegen-  20 
einanderstellung  beider  Ansichten  dem  Mißverständnis  vor- 
beugen zu  müssen. 


§  5  b. 

Einflufs  der  Getreidepreise  auf  die  Landrente. 

Wir  kommen  nun  zu  dem  Punkte,  von  wo  die  Unter- 
suchungen des  A^erfassers  eigentlich  begonnen  haben. 

Er  fühlte,  durch  eine  innere  Notwendigkeit  getrieben, 
das  Bedürfnis,  über  den  Einfluß  der  Getreidepreise  auf  den 
Landbau  und  über  die  Gesetze,  wodurch  der  Getreidepreis 
reguliert  wird,  zur  klaren  Ansicht  zu  gelangen. 

Zur  Lösung  dieser  Aufgabe  war  eine  genaue  aus  der 
Wirklichkeit  selbst  geschöpfte  Berechnung,  über  die  mit  dem 
Landbau  und  mit  jedem  einzelnen  Zweige  desselben  ver- 
knüpften Kosten,  unentbehrlich. 

Dem  Verfasser  lagen  zu  diesem  Zwecke,  die  von  ihm 
selbst  geführten,  sehr  ins  einzelne  gehenden  Rechnungen  des 
Gutes  T.  vor. 

In  dem  Arbeitsjournal  dieses  Guts  wird  jede  auf  dem 
ganzen  Gute  geschehene  Arbeit  verzeichnet,  und  dies  Journal 
wird  am  Ende  des  Jahres  in  eine  Übersicht  zusammen- 
getragen, woraus  sich  dann  ergibt,  wie  viele  Menschen  zum 


—     30     — 

Hacken,  Mähen  usw.  erforderlich  waren,  und  wie  gi'oß  das 
Arbeitsr^uantum  eines  Arbeiters,  eines  Gespanns  Pferde  usw. 
gewesen  ist. 

Die  Geld-  und  Kornrechnung,  verbunden  mit  der  Arbeits- 
rechnung, liefern  die  Data  zu  der  Berechnung  der  Kosten 
der  arbeitenden  Kräfte,  z.  B.  der  Kosten  einer  Tagelöhner- 
familie, eines  Gespanns  Pferde,  eines  Wechselhackens  usw. 

Aus  der  Quantität  Arbeit,  die  die  Bestellung  eines 
Feldes  und  die  Einerntuug  einer  Frucht  erfordert,  und  aus 
21  den  Kosten  der  Arbeiten  ergeben  sich  dann  die  Produktions- 
kosten dieser  Frucht ;  und  endlich  geht  aus  dem  Roherträge 
nach  Abzug  der  Produktionskosten  der  reine  Überschuß, 
den  der  Anbau  der  Frucht  liefert,  hervor. 

Eine  solche  Berechnung  des  Reinertrags  jeder  einzelnen 
Frucht,  der  Holländerei,  der  Schäferei  und  jedes  einzelnen 
Zweigs  der  Wirtschaft,  habe  ich  von  dem  Gute  T.  für  die 
fünf  Jahre  von  1810  bis  1815  durchgeführt  —  und  diese 
spezielle  BerechnuDg  hat  mit  der  Summe  des  Rein- 
ertrags eine  Übereinstimmung  bis  auf  29,>.  Taler  jährlich 
gegeben. 

Die  Resultate  dieser  Rechnung  sind  nun  die  Grundlage 
für  alle  in  dieser  Schrift  weiterhin  vorkommenden  Berech- 
nungen und  Folgerungen. 

Indem  wir  aber  von  den  Erfahrungen,  die  ein  einzelnes 
Gut  in  einem  bestimmten  Zeitraum  geliefert  hat,  ausgehen, 
wird  die  eigentliche  Aufgabe  für  unsere  nächsten  Unter- 
suchungen folgende: 

wie  muß  sich  die  Landrente  und  die  Bewirt- 
schaftungsart des  Gutes  T.  ändern,  wenn  wir 
stufenweise  immer  niedrigere  Kornpreise  an- 
nehmen. 

Der  isolierte  Staat  ist  bei  dieser  ganz  auf  der  Wirklich- 
keit beruhenden  T^ntersuchung  nur  eine  bildliche  Dar- 
stellung,   eine    Form,    die    den    Überblick    erleichtert    und 


—    31      — 

erweitert*);   die  wir  aber  nicht  aufgeben  dürfen,   weil  sie, 22 
wie  die  Folge  ergeben  wird,  so  reich  an  Resultaten  ist. 


*)  Ein  Fremicl,  dem  ich  das  Manuskript  mitteilte,  machte  zu 
dieser  Stelle  folgende  Bemerkung: 

„Ein  Spiegel ,  den  die  Theorie  hinstellt ,  um  in  ihm  die  ver- 
„worrenen  und  sich  kreuzenden  Linien  der  Erscheinung,  in  reiner 
„Perspektive  sichtbar  werden  zu  lassen." 

„  —  Eine  Form,  mit  der  wir  den  Brennpunkt  der  Erscheinung 
„meinen  getroffen  zu  haben,  so  daß  wir  fast  analytisch  daraus 
„die  einzelnen  vereinigten  Richtungen  entwickeln  können,  indem  (22) 
„wir  zugleich   durch  eine  geistige  Synthesis  das  Ganze  natur- 
„gemäß  erbauen.'" 

„  —  Was  wir  tun,  ist  im  Grunde  dies,  daß  wir  einen  kleinen 
„bestimmten  Punkt  der  Erfahrung,  ein  einzelnes  Gut,  zur  wissen- 
„schaftlichen  Höhe,  d.  h.  zur  Allgemeinheit  zu  erheben  versucht 
„haben;  denn  in  der  Tat  muß  jedes  Glied  eines  organischen 
„Ganzen  auch  in  dieser  vereinzelten  Gestalt  den  allgemeinen 
„Typus  an  sich  hervortreten  lassen,  und  nur,  indem  wir  das  all- 
„gemeine  Gesetz  an  solchen  bestimmten  Punkten  nachzuweisen, 
„oder  das  Vereinzelte  unter  seiner  urbildlichen  Form  aufzustellen 
„imstande  sind,  können  wir  sagen,  daß  uns  die  erscheinende  Welt 
„und  ihr  Gesetz  klar  geworden  sei.  Und  zu  solcher  Auffassung 
„sind  wir  hier  vollkommen  berechtigt,  ja  aufgefordert;  denn  die 
„bürgerliche  Gesellschaft  und  der  Staat  sind  keine  Maschine, 
„bei  der  Ursache  und  Wirkung  sich  trennte,  sondern  ein  wahrhaft 
„organisches  Gebilde,  daher  hier  eben  so  alles  bewirkt  als  selber 
„wirkend  wird,  kurz  es  findet  hier  eine  Wechselwirkung  statt." 

„Bei  einer  Wechselwirkung  ist  aber  klar,  wie  sehr  daselbst 
„jeder  Punkt,  jedes  Moment,  sobald  es  im  ganzen  tätig  ist,  auch 
„den  ganzen  Zusammenhang  müsse  in  sich  aufgenommen  haben, 
„um  nur  tätig  sein  zu  können.  Solchen  Zusammenhang  nach 
„seinem  Bedürfnis  einzusehen,  ist  die  Aufgabe  des  denkenden 
„Landwirts,  der  aber  eben  durch  diesen  Zusammenhang  in  die 
„Sphäre  der  Nationalökonomie  wird  verwiesen  werden.  Was  ihm 
„dann  früher  äußere  Not  und  Notwendigkeit  däuchte,  wird  ihm 
„nun  als  Gesetz  innerer  Belebung  befriedigend  entgegentreten." 


—     32     — 

Id  dem  isolierten  Staat  nelimen  die  Kornpreise  immer 
mehr  ab,  je  weiter  ein  Gut  von  der  Stadt  entfernt  liegt. 
Wenn  wir  nun  für  das  Gut  T,  berechnen,  wie  sukzessiv 
verminderte  Preise  auf  die  Bewirtsehaftuugsart  des  Guts 
23  einwirken :  so  können  wir  für  jeden  angenommenen  Preis  in 
dem  isolierten  Staat  einen  Standpunkt  nachweisen,  wo  der- 
selbe Preis  stattfindet.  Wir  können  uns  dann  das  Gut 
nach  dieser  Gegend  versetzt  denken,  und  wir  erhalten  dadurch 
eine  bildliche  Yorstellung,  gleichsam  eine  Karte  der  Ver- 
änderungen, die  das  Gut  durch  die  verminderten  Kornpreise 
erlitten  hat. 

Die  Arbeiten,  welche  mit  der  Produktion  des  Getreides 
verbunden  sind,  zerfallen  in  2  Klassen: 

1.  in  solche,  die  sich  nach  der  Größe  des  Feldes  richten ; 

2.  in  solche,  die  mit  der  Größe  der  Ernte  im  Verhältnis 
stehen. 

Zur  ersten  Klasse  gehören :  das  Pflügen,  Hacken,  Eggen, 
Säen,  Grabenaufräumen  usw. ;  denn  für  einen  und  denselben 
Boden  bleiben  diese  Arbeiten  gleich,  das  Feld  mag  reiche 
oder  kümmerliche  Ernten  tragen.  Die  Größe  dieser  Arbeiten 
wird  durch  die  physische  Beschaffenheit  des  Bodens  bedingt, 
nicht  durch  den  Ertrag.  Ich  nenne  diese  Arbeiten  Bestellungs- 
arbeiten, und  die  Kosten  derselben  Bestellungskosten. 

In  die  zweite  Klasse  kommen :  das  Einfahren  des  Korns, 
das  Dungfahren,  das  Dreschen  u.  m.  a.  Das  Einfahren  und 
Dreschen  richtet  sich  augenscheinlich  nach  der  Größe  der 
Ernte,  aber  dies  ist  nicht  minder  bei  den  Duugfuhreu  der 
Fall ;  denn  der  Boden  wird  im  Verhältnis  der  Größe  der 
Ernten  erschöpft  und  bedarf  in  dem  Maße,  wie  die  Aus- 
saugung größer  wird,  auch  einen  größeren  Dungersatz.  Die 
Kosten  dieser  Arbeiten  fasse  ich  unter  der  gemeinschaft- 
lichen Benennung  der  Erntekosten  zusammen. 

Für  einen  und  denselben  Boden  hängt  der  größere  oder 
geringere    Kornertrag    —    wenn    die    Wirtschaft    und    alle 


—    33    — 

anderen   einwirkenden  Potenzen    dieselben   bleiben    —  von  24 
dem  Reichtum  des  Bodens  an  Pflanzennahrung  ab.*) 

Da  die  Bestellungskosten  immer  gleich  bleiben ,  die 
Erntekosten  aber  mit  dem  Kornertrage  im  dii-ekten  Verhält- 
nisse zu-  oder  abnehmen,  so  sind  wir,  wenn  diese  beiden 
Klassen  von  Ausgaben  genau  und  scharf  geschieden  sind, 
dadurch  in  den  Stand  gesetzt,  den  Geldertrag  eines  Guts 
für  alle  Grade  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  zu  berechnen. 

Die  aus  den  auf  dem  Gute  T.  gemachten  Erfahrungen 
entnommenen  Data,  augewandt  auf  einen  Gerstenboden  erster 
Klasse,  und  auf  die  Mecklenburgische  siebenschlägige  Koppel-  25 
Wirtschaft  mit  der  Fruchtfolce : 


*)  Es  ist  hier  immer  nur  von  einer  und  derselben  Bodenart 
die  Rede,  die  aber  auf  verschiedenen  Stufen  des  Eeichtums  steht. 
Man  kann  imstreitig  durch  eine  aussaugende  Wirtschaft  einen 
Boden  von  10  Körnern  Ertrag  bis  zu  4  Körnern  herunterbringen, 
und  bei  diesem  niederen  Ertrag  erspart  man  zwar  an  Ernte- 
kosten, aber  der  Boden  erfordert  dennoch  dieselben  Bestellungs- 
kosten wie  früher  bei  dem  höheren  Ertrage. 

Bodenarten  von  verschiedener  phj'sischer  Beschaffenheit 
können  bei  gleichem  Dung-  und  Humusgehalt  ebenfalls 
einen  sehr  verschiedenen  Ertrag  geben,  —  der  Tonboden  vielleicht 
10,  der  Sandboden  nur  6  Kömer,  und  ersterer  erfordert  denn  weit 
größere  Bestellungskosten  als  letzterer.  In  diesem  Werke  aber 
ist  die  Einwirkung  verschiedener  Bodenarten  auf  den  Ertrag  und 
auf  die  Bearbeitiingskosten  nirgends  Gegenstand  der  Untersuchung. 
Ich  muß  bei  dieser  Gelegenheit  bemerken,  daß  die  hier  vor- 
kommenden Zahlenverhältnisse,  von  einem  einzelnen  Punkte  der 
Erfahrung  entnommen,  auch  nur  für  diesen  einzelnen  Fall  zu- 
treffend sind,  daß  von  jedem  anderen  Standpunkte  aus  die  Be- 
rechnung mit  anderen  Zahlen  beginnen  und  andere  Resultate  in 
Zahlen  liefern  muß-,  daß  dagegen  die  hier  beobachtete  Methode 
allgemein  anwendbar  ist,  und  daß  das  von  jedem  einzelnen  Stand- 
punkte aus  Betrachtete  immer  dieselben  Folgerungen  zuläßt. 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  3 


34 


1.  Brache, 

2.  Roggen, 

3.  Gerste, 

4.  Hafer, 

5.  Weide, 

6.  Weide, 

7.  Weide, 
geben  die  nachstehenden  Resultate. 


Eine  Ackerfläche  von  100000  Mecklenburgisclien  Qiia- 
drati'uten  gibt,  wenn  der  Kornertrag  10  Berliner  Scheffel 
Roggen  auf  100  DRut.  ist,*)  und  der  Wert  des  Roggens 
auf  dem  Gute  selbst  —  also  nach  Abzug  der  Transportkosten  — 
1,291  Taler  Gold  für  den  Berliner  Scheffel  beträgt, 

einen  Rohertrag  von 5074  Tlr.  Gold. 

Die  Ausgaben  betragen: 

1.  Der  Wert  der  Aussaat  von  den 

drei  Halmfrüchten  und  dem  Klee  626     „        „ 

2.  Bestellungskosten 873     „        „ 

3.  Erntekosten 765    „        „ 

26  4A.  Allgemeine  Kulturkosten,   die   sich  auf   keinen 

einzelnen  Zweig  der  Wirtschaft  repartieren  lassen, 
nämlich : 

a)  Administrationskosten ; 

b)  Unterhaltungskosten  der  Gebäude; 


*)  Da  der  Austlruck:  „der  Boden  gibt  auf  100  QjEut.  so 
und  so  viele  Berliner  SchÜ.  Ertrag,"  so  lang  und  schleppend  ist, 
und  doch  so  oft  wiederkehren  müUte,  so  habe  ich  es  vorgezogen, 
in  der.  Folge  den  Ertrag  in  Körnern  anzugeben.  Unter  Körner- 
ertrag verstehe  ich  aber  immer  den  Ertrug,  den  eine  Fläche  von 
100  Meckl.  Q'Rut.  in  Berliner  Scheffeln  gibt  ^-  wodurch  denn 
alle  Unbestimmtheit,  die  sonst  mit  der  Angabc  des  Ertrags  in 
Körnern  verbunden  ist,  verschwindet. 


—    35    — 

c)  Beiträge  zu  den  Brand-  und  Hagelassekuranz- 
Kompagnien  ; 

d)  Abgaben  au  Prediger  und  Scliullelirer ; 

e)  Zinsen   des  Betriebskapitals;   (die  Zinsen  vom 
Wert  des  Inventarii  sind  repartiert); 

f)  Unterstützung  der  Armen  auf  dem  Gute ; 

g)  Unterhaltung  des  Nachtwächters; 

h)  Unterhaltungskosten  der  Wege  und   Brücken, 

der  Bäche  und  Grenzgräben; 
i)  Vermischte  Ausgaben,  die  das  Ganze  der  Wirt- 
schaft betreffen. 
4B.  Zinsen   vom  Wert  der  Gebäude  und   den   Ein- 
zäunungen. 
Die  allgemeinen  Kulturkosten  betragen  mit 
den  Zinsen  vom  Wert  der  Gebäude  etc.  beim 

Zinsfuß  von  5%  zusammen*) 1350   Tlr. 

oder  26,G  '^'o  vom  Rohertrage,  mit  welchem  diese 
Ausgaben  zwar  nicht  ganz  genau,  aber  doch  am 
mehrsten  im  Verhältnis  stehen. 

Die   Summe   dieser  \ier  Ausgaben    beträgt     3614     ,. 

diese  vom  Rohertrage 5074     „ 

abgezogen ,    bleibt   der  völlig   reine  Ertrag  des 

Bodens,  oder  die  Landrente 1460      „ 

Noch  muß  ich  darauf  aufmerksam  machen,  daß  unter 27 
den  eben  genannten,  mit  dem  Landbau  verbundenen  Aus- 
gaben, keine  Abgaben  an  den  Staat  aufgeführt  und  auch 
nicht  darunter  begriffen  sind.  Der  Zweck  unserer  Unter- 
suchung fordert  nämlich,  daß  wir  den  isolierten  Staat  im 
allgemeinen  und  den  Landbau  desselben  insbesondere  zuerst 
unter  der  Bedingung  betrachten,  daß  gar  keine  Abgaben  an 
den  Staat  stattfinden.    Was  wir  Landrente  nennen,  ist  also 


*)  In   der  Folge   sind   die    sub   4B    aufgeführten   Ausgaben 
unter  der  Benennung  „allgemeine  Kulturkosten"  mitbegriffen. 

3* 


—    36    — 

der  reine  Geldertrag  des  Bodens,   von  dem  noch  keine  Ab- 
gabe entnommen  ist. 

Nach  den  obigen  Sätzen  können  wir  nun  auch  die  Land- 
rente desselben  Bodens,  der  wegen  minderen  Reichtums  an 
Pflanzennahrung  auf  einer  niedrigeren  Stufe  der  Frucht- 
barkeit steht,  berechnen. 

Es  sei  z.  B.  der  Körnerertrag  des  Roggens  =  8  Schfl. 
Der  Ertrag  des  Roggens  ist  zugleich  der  Maßstab  für  das 
Gedeihen  der  beiden  nachfolgenden  Halmfrüchte  und  der 
Ergiebigkeit  der  Weide,  und  steht  dadurch  im  direkten 
Verhältnisse  mit  dem  gesamten  Rohertrage. 

Für  10  Körner  war  der  Rohertrag  5074  Tlr. ;  für 
8  Körner  also  ^lio  X  5074  =  4059  Tk. 

Die  Aussaat  bleibt  unverändert      =     626  Tlr. 
Die  Bestellungskosten  bleiben        =     873     „ 
Die  Erntekosten  richten  sich   nach 
dem       Ertrag       und        betragen 
8/io  X  765  =     612     „ 

Die  allgemeinen  Kulturkosten,  mit  In- 
begriff der  Zinsen  vom  "Wert 
der  Gebäude,  stehen  im  Verhält- 
nis mit  dem  Rohertrage  und  sind 
demnach  =  ^/lo  X  1350  =  1080    „ 


Summa  der  Kosten  —  3191 


Die  Landrente  beträgt  868  Tlr. 
28  Diese  Berechnungen,  wo  das  Geld  zum  Maßstab  dient, 
können  aber  nur  für  einen  Standpunkt  und  für  einen  ge- 
wissen Getreidepreis  —  hier  l,'>'.ii  Tlr.  für  den  Scheffel  — 
zutrefTend  sein,  und  das  Resultat  ändert  sich  mit  der  leisesten 
Änderung  des  Getreidepreises.  Da  aber  in  unserem  isolierten 
Staat  der  Roggen  in  den  verschiedenen  Kreisen  einen  so  sehr 
verschiedenen  Geldpreis  hat:  so  müssen  wir,  um  allgemeine 
Formeln    zu   entwerfen,    den   Roggen    selbst    zum    Maßstab 


—    37     — 

nehmen,  insoweit  Ausgabe  und  Einnahme  damit  im  Ver- 
hältnis stehen  und  sich  dadurch  messen  lassen. 

Der  Rohertrag  einer  reinen  siebenschlägigen  Koppel- 
wirtschaft, wie  wir  sie  eben  angenommen  haben,  besteht 
teils  aus  Getreide,  teils  aus  Produkten  der  Yiehzucht.  Die 
außer  dem  Roggen  noch  erzeugten  Getreidearten,  Gerste  und 
Hafer,  können  nach  Verhältnis  ihres  inneren  Werts  und 
ihrer  Nahrhaftigkeit  auf  Roggen  reduziert  werden,  und  somit 
läßt  sich  die  ganze  Getreideernte  in  Scheffeln  Roggen  aus- 
drücken. 

Im  Preisverhältnis  zwischen  dem  Roggen  und  den 
animalischen  Produkten  —  Fleisch,  Butter,  Wolle  usw.  — 
lassen  sich  zwei  verschiedene  Fälle  denken : 

1.  Insofern  das  Fleisch  durch  seine  größere  Nahrhaftigkeit 
eine  größere  Quantität  Brot  ersetzt,  wird  zwischen  Fleisch 
und   Brot  ein   feststehendes  Preisverhältnis   stattfinden. 

2.  Insofern  die  Erzeugung  der  animalischen  Produkte  im 
Verhältnis  zu  der  Kornproduktion  mehr  oder  minder 
kostbar  ist,  werden  auch  die  animalischen  Produkte  zu 
einem  höheren  oder  niedrigeren  Preise,  im  Verhältnis 
gegen  den  Getreidepreis,  zu  Markt  gebracht  werden  können. 
Wir  legen  bei  unserer   Untersuchung   den  ersten   Fall 

zum  Grunde,  und  nehmen  an :  daß  der  Preis  der  animalischen 
Produkte  an  jedem  Orte  des  Staates  mit  dem  Getreidepreis  29 
in  demselben  Verhältnis  stehe. 

Demnach  kann  auch  der  Wert  der  animalischen  Pro- 
dukte, die  der  Landbau  liefert,  in  Schfl.  Roggen  ausgedrückt, 
und  somit  der  Rohertrag  ganz  in  Roggen  angegeben  werden. 

Ob  nun  aber  diese  Annahme  für  unseren  isolierten  Staat 
die  richtige  ist  oder  nicht,  wird  aus  der  Folge  dieser  Unter- 
suchung hervorgehen. 

Unter  den  verschiedenen  Ausgaben  beim  Landbau  besteht 
die  Aussaat  fast  ganz  aiis  Getreide  und  braucht  nur  ihrem 
wirklichen  Betrage  nach  auf  Roggen  reduziert  zu  werden. 


—    38    — 

Yon  den  Bestellungs- ,  Ernte-  und  allgemeinen  Kiütur- 
kosten  besteht  ein  Teil  geradezu  aus  Korn,  z.  B.  Dresclier- 
lolin,  Speisung  des  Gesindes,  Futter  für  die  Pferde  u.  m.  a. 
Ein  zweiter  Teil  wird  durch  Korn  und  Geld  zusammen 
bezahlt.  So  richten  sich  z.  B.  der  Tagelohn  des  gewöhnlichen 
Ä.rbeiters  und  die  Arbeitspreise  der  Handwerker  nicht  ganz 
nach  dem  Kornpreise ;  aber  sie  sind  teurer  in  der  Gegend, 
wo  der  Mittelpreis  des  Kornes  hoch  ist,  wohlfeiler,  wo 
dieser  niedrig  ist.  Diese  Ausgaben  müssen  also  durch 
Roggen  und  Geld  zugleich,  und  zwar  in  dem  Maße,  als 
jedes  in  dem  Preise  der  Arbeit  enthalten  ist,  ausgedrückt 
werden.  Der  dritte  und  letzte  Teil  dieser  Ausgaben  ist  von 
dem  Getreidepreise  ganz  und  gar  unabhängig,  z.  B.  Salz 
und  alle  Metalle;  denn  wenn  diese  auch  an  dem  Orte,  wo 
sie  gewonnen  und  verarbeitet  werden ,  mit  dem  Getreide- 
preise der  Gegend  in  einer  gewissen  Verbindung  stehen :  so 
gibt  doch  der  Roggenwert  derjenigen  Gegend ,  wo  sie  ver- 
braucht werden,  gar  keinen  Maßstab  ihres  Preises  ab ;  ja  sie 
können  sogar  in  den  Ländern,  wo  das  Getreide  am  wohl- 
feilsten ist,  am  teuersten  sein,  wenn  sie  nämlich  aus  weiter 
30  Ferne  dahin  gebracht  werden  müssen.  Dieser  Teil  der  A>is- 
gaben  muß  also  in  Geld  ausgedrückt  bleiben. 

Welcher  Anteil  der  ganzen  Ausgabe  durch  Geld,  und 
wieviel  davon  durch  Korn  zu  bezahlen  und  auszudrücken 
sei  —  dies  muß  notwendig  für  jedes  Land,  ja  für  jede 
Provinz  verschieden  sein.  Je  mehr  ein  Staat  seine  Bedürf- 
nisse selbst  erzeugt,  je  mehr,  durch  eine  gleiclimäßigo  Ver- 
breitung der  Fabriken  und  des  Bergbaues  über  das  ganze 
Land,  die  Transportkosten  beim  Umtausch  der  Waren  ver- 
mindert werden ,  umsomehr  wird  der  Roggen  Maßstab  des 
Wertes  der  Dinge  sein  und  ein  um  so  größerer  Teil  der 
den  Landbau  treffenden  Ausgaben  kann  in  Roggen  aus- 
gedrückt werden.  Je  ärmer  dagegen  ein  Land  an  Fabriken 
ist,  je  mehr  das  Land  seine  Bedürfnisse  durch  Umtausch 


—    39    — 

vou  "Waren  und  durch  den  Handel  aus  weiter  Ferne  erhält, 
je  entfernter  also  Konsumenten  und  Produzenten  voneinander 
wohnen,  um  so  größer  wird  der  Anteil  sein,  der  von  obigen 
Ausgaben  in  Geld  ausgedrüelit  werden  muß. 

So  verschieden  nun  auch  für  verschiedene  Standpunkte 
dieses  Verhältnis,  in  Zahlen  ausgesprochen,  erscheinen  muß, 
so  gewiß  ist  es  doch,  daß  ein  solches  Verhältnis  überhaupt 
an  jedem  Orte  stattfindet,  daß  es  z.  B.  kein  einziges  Land 
gibt,  wo  diese  Ausgaben  ganz  in  Geld,  kein  einziges,  wo 
sie  ganz  in  Korn  angegeben  werden  dürfen.  Von  jedem 
anderen  Standpunkt  aus  wird  man  die  Rechnung  mit  anderen 
Zahlen  beginnen;  aber  die  Methode  bei  der  Entwicklung 
der  Resultate  aus  diesem  Verhältnis  wird  überall  die- 
selbe sein. 

Wir  nehmen  bei  unseren  ferneren  Berechnungen  einen 
Standpunkt  an,  wo  von  den  genannten  Ausgaben  Vt  in 
Geld  und  ^U  in  Korn  angegeben  werden  muß. 

Die  oben  gegebene  Berechnung  des  Ertrags  von  100  000 
CHRuten  Ackerland  erhält  dann  folgende  Gestalt: 

Der  Rohertrag  war  bei  dem  Ertrage  von   10  Körnern  3 
=   5074  Tlr.      Dieser   Geldwert   des  rohen  Ertrags  findet 
statt,   wenn   der  Scheffel  Roggen   auf  dem  Gute  den  Wert 
von  1,291  Tlr.  hat. 

In  Roggen  ausgedrückt  ist  also  der  rohe  Ertrag  =  v— ^ 

=  3930  Scheffel  Roggen. 

626 

Der    Wert    der    Aussaat    beträgt    626    Taler,    oder   r^ 

°  '  1,291 

=  485  Scheffel  Roggen. 

Die  Bestellungskosten  betragen      ....    873  Tlr.; 
hiervon  1/4  in  Geld 218    „ 


in  Korn  muß  angegeben  werden    .    .    .     655  Tlr. 
655  Tlr.   sind   gleich  j^—  =  507  Schfl.  Roggen. 


—    40    — 

Die  Erütekosten  betragen 765  Tlr. ; 

hiervon  Vi  mit 192    „ 

bleibt  in  Korn  auszudrücken 573  Tlr. ; 

573 

573  Tlr.   sind  gleich  q —  =  444  Schfl.  Roggen. 

°  1,291  °° 

Der     Betrag      der      allgemeinen     Kultur- 
kosten ist 1350  Th-.; 

hiervon  i,  4  in  Geld 337*)  „ 

der  Rest  von  1013  Tlr. 

muß  ebenfalls  in  Roggen  angegeben 

werden,   und  beträgt  y^—  =  784  Schfl.  Roggen. 

32  Die  vier  genannten  Ausgaben  betragen  zusammen  2220 
Schfl.  Roggen  und  747  Tlr.  Zieht  man  diese  Ausgabe  von 
dem  Rohertrage  =  3930  Schfl.  Roggen  ab,  so  bleibt  ein 
Überschuß  an  Xom  von  1710  Schfl.  Roggen,  wovon  dann 
die  Geldausgabe  von  747  Tlr,  abgezogen  werden  muß,  um 
die  reine  Landrente  zu  finden.  Da  dieser  Abzug  hier  aber 
nicht  wirklich  geschehen  kann,  so  muß  dies  durch  das 
Zeichen  „-f-"  bloß  angezeigt  werden. 

Die  Landrente  beträgt  demnach  1710  S.  R.  ~  747  Tlr. 
Nachdem  wir  für  die  Größe  der  Landrente  eine  so  einfache 
Formel  gefunden  haben,  können  wir  den  Betrag  der  Land- 
rente für  jeden  beliebigen  Kornpreis  in  Geld  angeben. 

a)    für  den  Preis  von  2  Tlr.  für  den  Schfl.  Roggen 
beträgt    die    Landrente    1710    Scheffel    Roggen    a    2    Taler 
=  3420  Tlr.  —  747  Tlr.  =  2673  Tlr. 


*)  Um  die  Eechnung  nicht  zu  sehr  zu  erschweren,  sind  hier 
und  in  den  folgenden  ähnlichen  Rechnungen  die  Brüche  teils 
weggelassen,  teils  sind  dafür  zur  Ausgleichung  ganze  Zahlen  ge- 
setzt. Da  wir  hier  mit  ziemlich  großen  Zahlen  rechnen,  so  kann 
die  Richtigkeit  der  Resultate  dadurch  niclit  wesentlich  verletzt 
werden. 


—    41    — 

b)    Für  den  Preis  von  IV2  Tlr. 
ist    die    Landrente    =     1710    X    IV2    =    2565    —    747 
=  1818  T]r. 

c)   Für  den  Preis  von  1  Tlr. 
beträgt  die  Landrente  1710  X  1  =  1710  —  747  =  963  Tlr. 

d)   Für  den  Preis  von  V2  Tlr. 
ist  die  Landrente  1710  X  V2   =   855  —  747  =  108  Tlr. 

Es  ergibt  sich  daraus,  daß  die  Landrente  in  einem  viel 
größeren  Verhältnisse  als  der  Kornpreis  abnimmt.  Die 
Landrente  verschwindet  endlich  gänzlich,  wenn  1710  Schfl. 
Eoggen  im  "Wert  gleich  747  Tlr.  sind,  und  dies  ist  der 
Fall,  wenn   der  Scheffel  Roggen  0,437  Tlr.  oder  21  ßl.  gilt. 

Die  Berechnung  der  Landrente  für  Boden  von  ver- 
schiedenen Graden  der  Fruchtbarkeit  ist  in  nachfolgender 
Übersicht  zusammengestellt. 

a)   Für  10  Körnerertrag.  ^°^5.^°  ^f'^33 

ociin.  llr. 

Der  Rohertrag 3930 

Die  Aussaat 485  — 

Die  BesteUungskosten 507  218 

Die  Erntekosten 444  192 

Die  allgemeinen  Kulturkosten 784  337 

Ausgaben  2220     -f     747 

Die  Landrente  gleich 1710     -f-      747 

Die  Landrente  verschwindet  wenn  1  S.  gilt  0,437 

Wenn  der  Körnerertrag  um  ^/lo  ab- 
nimmt, so  vermindern  sieh: 

1.  der  Rohertrag  um     ...    393  Schfl. 

2.  die  Erntekosten   um    44  Schfl.   19  Th-. 
(eigentlich  um  44,4  Schfl.  u.  19,2  Tlr.) 

3.  die  allgemeinen  Kultur- 
kosten um  ....     78  Schfl.  34  Tlr. 
(genauer  78,4  Schfl.  u.  33,?  Tlr.) 

4.  die  Landrente  um  271  Schfl.  —  53  Tlr. 


—     42     — 

b)  für  9  Körnerertrag.  <5*^hfl^^             T^ 

Der  Rohertrag 3537 

Die  Aussaat 485 

Die  BesteUungslcosten 507                  218 

Die  Erntekosten 400                  173 

Die  allgemeinen  Kosten 706                  303 

Ausgaben  2098  -f       ^94 

Die  Landrente 1439  -^        ü94 

Die  Landrente  verschwindet,  wenn  der 

Schfl.  Roggen  gilt 0,482 

M  c)   Für  8  Körnerertrag. 

Der  Rohertrag 3144    _^ 

Die  Aussaat 485 

Die  Bestellungskosten 507  +        218 

Die  Erntekosten 356  -{-        154 

Die  allgemeinen  Kulturkostcn  ....  628  -|-        269 

Ausgaben  1976  -j-       641 

Die  Landrente 7    .  1168  -;-        641 

Die  Landrente   wird   =   0,    wenn   der 
Schfl.  Roggen  gilt 0,549 

d)   Für  7  Körnerertrag. 

Der  Rohertrag 2751 

Die  Aussaat 485 

Die  ßestellungskosten  .......  507  +       218 

Die  Erntekosten 312  -f       135 

Die  allgemeinen  Kulturkosten   ....  550  -|"        235 

Die  Ausgaben  1854  -j-       588 

Die  Landrente '.    .  897  ~-       588 

Die  Landrente  wird  =  0   beim  Preise 

des  Roggens  von 0,g5ü 


—    43    — 

\    T?"     p  r-"  i.  Eo2:2:en  Geld 

e)    iur  6  Kornerertras-.  „  f"  _, 

°  Sehn.  Tlr. 

Der  Rohertrag 2358 

Die  Aussaat 485 

Die  Bestellungskosten 507        +        218 

Die  Erntekosten 268        -|-        116 

Die  allgemeinen  Kulturkosten  ....      472        -|~        201 

Die  Ausgaben  1732       -j-       535 

Die  Landrente ~      626        ^       535 

Die     Landrente     verschwindet,     wenn 

1  Schfl.  Roggen  gilt 0,855 

f)   Für  5  Schfl.  Körnerertrag  35 

Der  Rohertrag 1965 

Die  Aussat 485 

Die  Bestellungskosten 507       +        218 

Die  Erntekosten 224       -j-         97 

Die  allgemeinen  Kulturkosten  ....      394        -j-        167 

Die  Ausgaben  1610       -j-       ^82 

Die  Landrente 355       ~       482 

Die  Ijandi'ente  wird  =  0,  wenn  1  Schfl. 

Roggen  gilt 1,358 

g)    Für  den  Ertrag  von  4  ^'2  Körnern. 

Der  Rohertrag 1769 

Die  Aussaat 485 

Die  Bestellungskosten 507        -|-        218 

Die  Erutekosten 202        -j-          87 

Die  allgemeinen  Kulturkosten  ....  355        -|~        150 

Die  Ausgaben  1549        -f"       455 

Die  Landrente ]  220        ^f^       455 

Die  Landreute  wird  =  0,  wenn  der  Schfl. 

Roggen  gilt 2,06s 


-     44    — 

Es  zeigt  sich  hier  allgemein  folgendes  Gesetz: 
Je  mehr  die  Fruchtbarkeit  des  Bodens  abnimmt,   desto 
kostbarer  wird  die  Erzeugung  des  Korns  —  und  Boden  von 
geringer  Fruchtbarkeit  kann  nur  bei  hohen  Getreidepreisen 
angebaut  werden. 

Ehe  wir  weiter  gehen,  müssen  wir  zuvor  einen  Blick 
auf  das  bisher  beobachtete  Verfahren  zurückwerfen  und 
fragen,  ob  aus  den,  von  einem  Standpunkte  aus,  gemachten 
Beobachtungen,  allgemeingültige  Gesetze  entwickelt  werden 
können. 
36  Man  kann  und  wird  sagen: 

„Die  Berechnungen  über  die  Kosten  der  Arbeit,  über 
„das  Verhältnis  des  rohen  zum  reinen  Ertrag,  mögen  mit 
„noch  so  großer  Genauigkeit  aus  der  Wirklichkeit  entnommen 
„sein :  so  sind  sie  doch  nur  für  den  einen  Standpunkt,  für 
„dies  eine  Gut  gültig.  Schon  auf  dem  benachbarten  Gute 
„ist  alles  anders:  hier  ist  nicht  mehr  derselbe  Boden,  hier 
„sind  nicht  mehr  dieselben  Arbeiter.  Der  Boden  kann  schwerer 
„oder  leichter  zu  bearbeiten  sein,  die  Arbeiter  können  mehr 
„oder  weniger  tätig  und  kräftig  sein;  der  Boden  selbst  er- 
„fordert  also  eine  größere  oder  geringere  Quantität  Arbeit, 
„und  die  Arbeit  selbst  kann  nach  Verschiedenheit  der  arbeiten- 
„den  Kräfte  wohlfeiler  oder  kostbarer  werden.  Die  von  dem 
„ersten  Gute  entlehnten  Berechnungen  werden  hier  also 
„nirgends  genau  zutrellen,  und  die  Richtigkeit  derselben  ist 
„ganz  an  den  Ort  gebunden,  von  dem  sie  hervorgegangen 
„sind.  Aus  dem,  was  nur  an  einem  Orte  und  sonst  nirgends 
„gültig  ist,  köimen  aber  auch  keine  allgemeingültigen  Gesetze 
„hervorgehen ." 

Ich  antworte  hierauf: 

Es  ist  allerdings  wahr,  daß  diese  Berechnungen  schon 
auf  dem  Itenachbarton  Gute  nicht  mehr  völlig  zutreffen,  viel 
weniger  also  noch  auf  sehr  entfernten  Gütern,  unter  einem 


—    45    — 

anderen  Himmelsstrich,  mit  Arbeitern  von  einem  anderen 
Nationalcharakter.  Aber  ich  frage:  wird  der  Landwirt,  der 
lange  auf  einem  Griite  gewohnt  und  der  durch  die  möglichst 
genaue  Beachtung  aller  gemachten  Erfahrungen  sich  eine 
genaue  Kenntnis  der  Kosten  und  des  Reinertrags  des  Land- 
baues verschaift  hat,  —  wird  dieser  Landwirt,  nach  einem 
anderen  Gute  versetzt,  von  seinen  auf  dem  ersten  Grute  er- 
worbenen Kenntnissen  nun  nichts  mehr  gebrauchen  können? 
Wäre  dies  der  Fall,  so  würde  jeder  Landwirt  mit  einer 
Orts  Veränderung  seine  Lehrjahre  von  neuem  beginnen  müssen,  37 
ehe  er  die  Wirtschaft  zu  führen  verstände,  so  könnte  keiner 
die  Landwirtschaft  anders  als  an  dem  Orte,  wo  er  künftig 
wohnen  sollte,  erlernen.  Dies  kann  und  wird  man  nicht 
zugeben  wollen.  Also  muß  auch  in  den  an  einem  Orte 
erworbenen  Kenntnissen  etwas  liegen,  was  allgemeingültig 
und  nicht  an  Zeit  und  Ort  gebunden  ist.  Und  gerade  dies 
Allgemeingültige  ist  es,  was  wir  hier  zu  erforschen  streben. 

In  dem  Yorhergehenden  sind  hauptsächlich  drei  Sätze 
ausgesprochen,  deren  Allgemeingültigkeit  behauptet  wird,  und 
von  deren  Richtigkeit  die  Richtigkeit  unserer  Untersuchung 
abhängig  ist,  weshalb  ich  sie  hier  zusammenstelle  und 
wiederhole. 

Erster  Satz.  Der  Wert  des  Getreides  auf  dem  Gute 
selbst  nimmt  ab  mit  der  größeren  Entfernung  des  Gutes 
vom  Marktplatze. 

Je  entfernter  das  Gut  vom  Marktplatze  ist,  desto  größer 
sind  die  Transportkosten  des  Getreides,  folglich  um  so  geringer 
der  Wert  desselben  auf  dem  Gute  selbst. 

Das  Getreide  hat  ebenso,  wie  jede  andere  Ware,  gar 
keinen  Wert,  wenn  sich  kein  Konsument  findet,  der  dessen 
bedarf.  In  unserem  isolierten  Staat  finden  sich  für  das 
Getreide,  was  mehr  als  zum  eigenen  Bedarf  gebaut  ist, 
keine  anderen  Konsumenten ,  als  die  Bewohner  der  Stadt. 
AVird   nun  aus  so  sehr  entfernten  Gegenden  Korn  nach  der 


—    46    — 

Stadt  gefahren,  daß  das  Zugvieh  während  der  Eeise  die 
eine  Hälfte  der  Ladung  oder  deren  Wert  selbst  verzehrt,  und 
nur  die  andere  Hälfte  zum  Verkauf  und  zur  Konsumtion 
nach  der  Stadt  gelangt:  so  ist  es  sehr  begreiflich,  daß  man 
auf  dem  Lande  mit  2  Schfl.  Roggen  nicht  mehr  Geld 
erkaufen  kann,  als  mit  einem  Scheffel  in  der  Stadt. 

Doch  dieser  Satz  bedarf  vielleicht  so  wenig  einer  Er- 
läuterung als  eines  Beweises. 
38  Zweiter  Satz.  Die  Preise  der  Bedürfnisse  des  Land- 
wirts stehen  nicht  alle  im  Yerhältnis  mit  dem  Kornpreise; 
oder  die  Kosten,  die  die  Kultur  des  Bodens  erfordert,  können 
in  verschiedenen  Gegenden  nicht  mit  einer  und  derselben 
(^)uantität  Getreide  bezahlt  werden. 

Dieser  Satz  geht  aus  dem  ersten  Satze  hervor;  denn 
eine  Ware,  die  in  der  Stadt  mit  einem  Schfl.  Roggen  in 
gleichem  Preise  steht,  muß  in  der  entfernten  Gegend,  wo  der 
Roggen  nur  den  halben  Wert  liat,  im  Preise  gleich  2  Schfl. 
Roggen  sein,  vorausgesetzt,  daß  diese  Ware  nicht  anders  als 
aus  der  Stadt  zu  haben  ist. 

Wir  haben  oben  Salz  und  Metalle  als  AVaren  von  dieser 
Gattung  genannt;  dasselbe  gilt  vom  Tuch  und  von  anderen 
Waren ,  die  nicht  auf  dem  Lande  fabriziert  werden  können. 

Dies  erstreckt  sich  aber  auch  auf  die  Besoldungen  und 
Honorare  der  höheren  Stände.  Der  Arzt,  der  Beamte  u.  m.  a. 
können  ihre  Bildung  nur  in  der  Stadt  erhalten ;  das  Kapital, 
was  sie  auf  ihre  Ausbildung  verwandt  haben,  richtet  sich  nach 
den  Preisen  in  der  Stadt,  und  um  dies  Kapital  wieder  ver- 
gütet zu  erhalten,  dürfen  ihre  Arbeiten  nicht  im  Verhältnis 
des  Roggenpreises  der  Gegend,  wo  sie  wohnen,  bezahlt  werden. 

Dritter  Satz.  Von  den  mit  der  Produktion  des  Ge- 
treides verbundenen  Kosten  steht  ein  Teil  im  Verhältnis 
mit  der  Größe  der  bestellten  Fläche,  ein  anderer  Teil  mit 
der  Größe  der  Ernten. 

Zu  jenem  Teil  habe  ich  die  Aussaat-  und  Bestcllungs- 


—    47     — 

kosten,   zu  diesem  die  Erntekosten  und  allgemeinen  Kultur- 
kosten gerechnet. 

Man  kann  die  Richtigkeit  der  von  mir  gemachten  Ein- 
teilung in  Zweifel  zielien ;  man  kann  sagen,  daß  die  Aussaat 
und  die  Bestellungskosten  nicht  unverändert  bleiben ,  wenn 
der  Ertrag  von  derselben  Fläche  sich  ändert,  ferner  daß  die  39 
Erntekosten  nicht  gleich  bleiben,  wenn  dieselbe  Ernte  von 
einer  größeren  oder  geringeren  Fläche  gewonnen  wird.  Aber 
nimmermelu'  wird  man  behaupten  können,  daß  die  Arbeit  des 
Pflügens  sich  nach  der  Größe  der  Ernte,  oder  daß  die  des 
Einfahrens  des  Getreides  sich  ganz  nach  der  Größe  des 
Feldes  richte.  Wie  man  nun  auch  die  von  mir  gewählte 
Einteilung  modifizieren  mag,  immer  wird  man  darauf  zurück- 
kommen, daß  irgend  ein  Anteil  der  Arbeit  der  Größe  des 
bestellten  Feldes,  ein  anderer  der  Größe  der  Ernte  propor- 
tional sei,  und  hierin  liegt  schon  die  Anerkennung  des  oben 
ausgesprochenen  Satzes. 


Wenn  nun  jemand  ein  anderes  Gut  —  unter  Verhält- 
nissen, die  denen  des  Gutes  T.  nicht  ähnlich  sind  —  zum 
Standpunkt  seiner  Betrachtung  nähme,  die  Kosten  der  Arbeit, 
die  Prodtiktionskosten  des  Getreides,  die  Landrente  usw. 
nach  den  aus  der  Wirklichkeit  entnommenen  Daten  berech- 
nete, und  dann  auf  der  Basis  der  obigen  Sätze  und  nach 
derselben  hier  beobachteten  Methode  die  Rechnung  fortführte 
und  Folgerungen  daraus  zöge :  so  würde  sich  aus  der  Yer- 
gleichung  beider  Untersuchungen  ergeben,  daß  die  Rechnungen 
mit  ganz  verschiedenen  Zahlen  geführt  wären;  aber  es 
würde  sich  finden ,  daß  in  manchen  Endresultaten  und  Fol- 
gerungen, wenn  diese  in  Worten  ausgesprochen  werden, 
wieder  eine  völlige  Übereinstimmung  herrsche. 

Was  nun  dasselbe  Verfahren,  auf  ein  3.  und  4.  Gut 
usw.  augewandt,  als  Gemeinschaftliches,  Übereinstimmendes 
ergäbe,  das  würden  wir  als  allgemeines  Gesetz  anerkennen 


—    48    — 

müssen:  denn  was,  von  jedem  Standpunkt  aus  betrachtet, 
sich  immer  gleich  zeigt,  das  muß  auch  allgemeine,  an  Ort 
und  Zeit  nicht  gebundene,  Gültigkeit  haben. 
40  Wii-  könnten  mehrere  in  dieser  Schi-ift  entwickelte 
Resultate  als  Beispiele  aufstellen,  wenn  wir  diese  vorweg 
anführen  dürften ;  aber  wir  können  uns  auch  schon  auf  das 
im  vorhergehenden  dargestellte  Gesetz,  daß  die  Produktion 
des  Getreides  immer  kostbarer  wird,  je  ärmer  der  Boden  ist, 
beziehen. 

Diese  Gesetze  müssen,  gerade  weil  sie  allgemein  sind,  in 
jeder  Wirtschaft,  auf  jedem  Gute  wirksam  sein.  Die  Größe 
der  Ernte,  des  Reinertrages  usw.,  ist  der  sichtbare  Ausdruck 
dieser  Gesetze,  modifiziert  durch  örtliche  Einwirkungen. 

Wenn  wir  für  einen  einzelnen  Standpunkt  die  Größen, 
worin  sich  die  Natur  ausspricht,  aus  der  Natur  selbst  schöpfen 
(durchaus  aber  nicht  willkürlich  annehmen)  und  dann  mit 
Konsequenz  aus  den  bekannten  Größen  und  den  allgemeinen 
Grundsätzen,  Folgerungen  und  Resultate  ziehen :  so  können 
wir  versichert  sein,  daß  auch  in  diesen  —  nur  aus  einem 
Standpunkt  entnommenen  —  Resultaten  sich  die  allgemeinen 
Gesetze  ausgesprochen  haben.  Aber  sicherlich  ist  nicht  jedes 
gefundene  Resultat  ein  allgemeines  Gesetz,  sondern  manches 
ist  nur  eine  bloße  örtlich  gültige  Regel. 

Da  nun  der  Einzelne  nicht  imstande  ist,  die  Unter- 
suchung von  mehreren  Standpunkten,  viel  weniger  noch  von 
jedem  Standpunkt  aus,  anzustellen  (wodurch  nach  obigem 
das  Allgemeingültige  von  dem  bloß  Örtlichgültigen  geschieden 
wird):  so  ist  es  sehr  wichtig,  Merkmale  aufzufinden,  woran 
auch  der  einzelne  Beobachter  die  Gesetze  von  den  bloß 
örtlich  gültigen  Regeln  unterscheiden  könne. 

Ein  solches  Hilfsmittel  gewährt  ims  nun  die  Buchstaben- 
rechnung. Erlaubt  nämlich  die  Natur  des  Gegenstandes,  daß 
man  statt  der  Zahlen  Buchstaben  setzt,  und  gibt  daim  die 
mit  Buchstaben    durchgeführte    Rechninig    noch    eben    den 


—    49    — 

Ausspruch ,  den  die  Zahlen  gaben :  so  ist  dieser  Ausspruch 
ein  allgemeines  Gesetz  und  keine  von  der  Ortlichkeit  ab- 
hängende Regel. 

Als  Beispiel,    und  um  das  Verfahren  zu  zeigen,  wollen  41 
wir  liier  die  Landrente   und  den  Preis  des  Roggens,  wobei 
die  Landrente   =   0  wird,    durch  eine  allgemeine  Formel 
darstellen. 

Der  Körnerertrag  sei  =      x 

Der  Rohertrag  r=    ax     Taler 

Die  Aussaat  koste  b        „ 

Die  Bestellungskosten  seien  =       c        „ 

Zwischen  dem  Rohertrage  und  den  Kosten,  die 
mit  der  Größe  der  Ernten  im  Verhältnis  stehen, 
nämlich  den  Erntekosten  und  allgemeinen  Kultiu"- 
kosten  zusammen,  finde  das  Verhältnis  von 
1  :  q  statt,  wo  q  ein  Bruch  sein  muß,  weil 
diese  Kosten  nur  einen  Teil  der  Ernte,  niemals 
aber  die  ganze  Ernte,  hinwegnehmen  können. 
Da  nun  1  :  q  ==  ax  :  aqx,  so  ist  der  Betrag 
der  mit  dem  Rohertrage  im  Verhältnis  stehenden 
Kosten  =  aqx    Taler. 

Der  Teil  von  den  Arbeits-  und  allgemeinen  Kulturkosten, 
der  in  Geld  angegeben  werden  muß,  betrage  p  Teile;  der, 
welcher  in  Korn  ausgedrückt  werden  muß,  beträgt  dann 
1— p  Teile,  wo  p  ein  Bruch  ist.  Der  Wert  des  Roggens 
auf  dem  Gute  selbst  sei  =  h  Taler. 

Drückt  man  die  Ausgaben  in  Korn  und  Geld  zugleich 
und  zwar  in  dem  Maße,  wie  jeder  Teil  darin  enthalten  ist, 
aus,  so  ergibt  sich  folgende  Rechnung: 

Der  Rohertrag  ist  gleich t-    Scheffel    Roggen 

Die  Aussaat -r-    Scheffel:   Roggen 

Thünen,  Der  isolierte  Staat.  ^ 


—    50    — 

Die  BesteUuDgskosten      .    .    .        ~^   ^   Schfl.  +  pc.  Tlr. 

42  Die  Ernte-  und  Kulturkosten   ^  ~P^  ^^^  Schfl.  +  apqx  Tlr. 
Die  Landrente  ist  dann  gleich 
(f  J  +  d-PJ^+d-PM'^)  seM.  ^  p(aqx+c)  Tlr. 

Wird  die  Landrente  =  0,  so  sind 
^^_b  +  (l_p)c+(l-p)aqx|    ^^^    ^  p(aqx  +  c)  TU-.; 

also  (ax— b— (1— p)  (aqx-|-c))  Schfl.  =  hp  (aqx  +  c)  Tlr.; 

also  1  Scheffel  =  hp  (aqx-fc)  ^^^^^^ 

ax  —  b  —  (1— p)  (aqx  -f-  c) 

Der  Zweck  dieser  Rechnung  war  der,  zu  untersuchen, 
wie  der  vermehrte  oder  verminderte  Körnerertrag  auf  den 
Preis  wirke,  bei  welchem  die  Landrente  =  0  wird. 

In  der  hier  gefundenen  Formel  ist  aber,  da  x  sowohl 
im  Zähler  als  im  Nenner  vorkommt,  noch  nicht  zu  erkennen, 
ob  der  Preis  für  den  Roggen  höher  oder  niedriger  wird, 
wenn  x,  oder  der  Körnerertrag,  steigt.  Wir  müssen  deshalb 
mit  dieser  Formel  einige  Verwandlungen  vornehmen. 

Der  Preis  für  ein  Schfl.  ist  == hp  (aqx-fc) ^^^^ 

ax  —  b  —  (1 — p)  (aqx-|-c)     • 

also  auch  = 


ax  —  b 

i (1  — P) 

aqx  -\-c         ^        '- 


Nun  setzen  wir  aqx  -j-  c  =  z ;  wo  z  wächst,  wenn  x  wächst, 

z  - 

und  umgekehrt.    Alsdann  ist  x  =  — 

von  X  in  obige  Formel  gesetzt,  ergibt 


und  umgekehrt.    Alsdann  ist  x  = .       Diesen    Wert 

ap 


hp 


az  —  ao  —  baq   —   (1  —  p)    —  a  —  ( ~ •  ]  —  (1  —  p). 

aqz  — 


ac  -|-  baq 
aq 


—    51    — 

Nun   wird    — ~^ — -  unstreitig  immer   kleiner,   je   mehr   z 

wächst ;  je  kleiner  aber  der  negative  Teil  des  Nenners  wird,  43 
um  so  mehr  wächst  der  ganze  Nenner.  Da  nun  auch  x 
wächst,  wenn  z  größer  wird,  und  für  ein  wachsendes  x  der 
Nenner  immer  größer  wird,  während  der  Zähler  unverändert 
bleibt:  so  nimmt  auch  die  Größe  des  ßruolis,  wodurch  der 
Preis  des  Roggens  ausgedrückt  ist,  immer  mehr  ab,  je  größer 
X  wird;  und  umgekehrt,  je  kleiner  x  wird,  um  so  mehr 
wächst  der  Preis  des  Roggens. 

Das  Gesetz,  „je  mehr  die  Fruchtbarkeit  des  Bodens 
abnimmt,  um  desto  kostbarer  wird  die  Erzeugung  des  Korns", 
ist  hierdurch  nun  ganz  allgemein  bewiesen. 

In  der  Tat  hätte  es  nicht  der  Mühe  gelohnt,  einen  ein- 
fachen, schon  bekannten  Satz,  der  auch  durch  bloßes  Räsonne- 
ment  überzeugend  dargetan  werden  kann,  durch  eine  aus- 
führliclie  Rechnung  zu  erweisen,  wenn  es  hier  nicht  zugleich 
Zweck  gewesen  wäre,  die  Methode,  wie  der  Beweis  geführt 
werden  kann,  zu  zeigen,  und  die  Gesichtspunkte,  wonach 
die  folgenden  Untersuchungen  zu  betrachten  sind,  ein  für 
allemal  festzustellen. 


Aufgabe.  Für  ein  Gut,  dessen  Körnerertrag  =  8  ist, 
die  Landrente  zu  bestimmen,  wenn  dies  Gut  x  Meilen  von 
der  Stadt  entfernt  ist. 

Für  100  000  DRut.  Ackerland  ist  beim  Ertrage  von 
8  Körnern  die  Landrente  =  1168  Schfl.  Roggen  ~  641  Tlr. 

Der  Scheffel  Roggen  hat  nach  §  4  auf  einem  Gute, 
welches  x  Meilen  von  der  Stadt  entfernt  liegt,   den   Wert 

von      1  «2  -4-  x      '^^^^^"'      ^iö    Landrente    ist    also    gleich 

1168  X  (273- 5,5  X) 

■ 182+1 ^^^  ^^^®^'' 

4* 


—    52    — 

202202— 7065 X   ^  , 

=     182  +  x ^^^''- 

44  Wenn  x  oder  die  Entfernung       So    ist    die    Landrente    von 
vom  Marktplatz  beträgt  100  000  DR.  Acker  beim  Er- 

trage von  8  Körnern 

1  Meile 1066  Taler 

5  Meilen 892      „ 

10       „  685      „ 

15       „  488      „ 

20       „  301      „ 

25       „  124      „ 

28,6 0      „ 


§  6. 

Einflufs  der  Getreidepreise  auf  das  Wirtschafts- 
system. 

Annahme.  In  dem  isolierten  Staat  habe  der  Boden, 
mit  alleiniger  Ausnahme  des  ersten  Kreises,  überall 
den  Grad  der  Fruchtbarkeit,  daß  in  der  7  schlägigen 
Koppelwirtschaft  der  Roggen  nach  der  Brache  einen 
Erti-ag  von  8  Körnern  liefere  (8  Schfl.  von  100 
DRut. ,  oder  9,14  Schfl.  vom  Magdeburger  Morgen). 
Auch  besitze  die  noch  unkultivierte  Wildnis  einen 
Boden  von  derselben  physischen  Beschaffenheit,  von 
demselben  Reichtum  an  Pflanzennahrung,  und  folg- 
lich von  derselben  Ertragsfähigkeit,  wie  die  schon 
kultivierte  Ebene. 
Für  einen  Boden  von   diesem  Körnerertrag  beträgt  die 

Landrente  nach  §  5  auf  100000  DRut.  1168  Scheffel  Roggen 

~  641  Taler. 


—    53    — 

Die  Landrente  verschwindet,  oder  wird  =  0,  wenn 
1168  Schfl.  Roggen  641  Tlr.  gelten,  welches  für  den  Schtl. 
0,549  Tlr.  oder  26,4  ßl.  ausmacht. 

Es  entsteht  nun  die  Frage :  in  welcher  Gegend  des  iso- 
lierten Staats  hat  der  Schtl.  Roggen  den  "Wert  von  0,549  Tlr. 

Im   §  4  haben  wir  gefunden,  daß  auf  dem  x  Meilen 45 
von  der  Stadt  entfernten  Gut  der  Schfl.  Roggen  den  "Wert 

von  ^Qr>- ,  ' —  Tlr.  hat.  Setzen  wir  nun  0,549  = 
""     ^  ■  ^"^     SO  ergibt  sich  aus  der  Auflösung  der  Gleichung, 

loo  — j—  X 

daß  X  =  28,6  ist,  und  daß  also  in  der  28,6  Meilen  von  der 
Stadt  entfernten  Gegend  der  Schfl.  Roggen  den  Preis  von 
0,549  Tlr.  hat. 

Also  gibt  ein  Gut,  unter  den  angenommenen  Verhält- 
nissen in  der  Entfernung  von  28,g  Meilen  von  der  Stadt 
keine  Landrente  mehr. 

In  einer  größeren  Entfernung  als  28,g  Meilen  wird  die 
Landrente  negativ,  d.  h.  der  Landbau  ist  mit  Verlust  ver- 
bunden, und  das  Land  kann  deshalb  hier  nicht  mehr  bebaut 
werden. 

"Wenn  nun  hier  die  Grenze  der  Kultur  für  die  Koppel- 
wirtschaft ist,  so  folgt  daraus  noch  nicht,  daß  dies  die  ab- 
solute Grenze  der  Kultur  sei;  denn  wenn  es  irgendein 
"Wirtschaftssystem  gäbe,  bei  welchem  die  Bestellung  des 
Ackers  weniger  Arbeit  und  folglich  weniger  Kosten  ver- 
ursachte als  bei  der  Koppelwirtschaft,  so  müßte  bei  dem 
Preise  von  0,549  Talern  für  den  Scheffel  Roggen  noch  ein 
Überschuß  und  eine  Landrente  bleiben,  uud  also  der  Anbau 
des  Landes  in  noch  größerer  Entfernung  von  der  Stadt 
möglich  sein. 

"Wir  müssen  nun  in  Betracht  ziehen,  wie  der  zu  einem 
Gute  gehörende  Acker,  wenn  dieser  auch  von  durchaus 
gleicher   Beschaffenheit    und    gleicher   Ertragsfähigkeit    ist, 


—    54    — 

doch  einen  selir  verschiedenen  Wert  hat,  je  nachdem  er  dem 
Hofe  näher  oder  ferner  liegt.  Die  Kosten  der  Dungfuhren 
und  des  Einfalu-ens  der  Produkte  stehen  in  geradem  Ver- 
hältnis mit  der  Entfernung  des  Ackers  vom  Hofe.  Für  die 
46  übrigen  Arbeiten,  die  auf  dem  Felde  selbst  geschehen,  geht 
der  Teil  der  Zeit,  den  die  Menschen  und  Pferde  zum  Hin- 
und  Zurückgehen  gebrauchen,  verloren;  und  dieser  Teil 
wächst  ebenfalls  mit  der  größeren  Entfernung  vom  Hofe. 
Die  Arbeitskosten  sind  also  geringer  für  den  nahe  am  Hofe 
liegenden  Acker  als  für  den  entfernteren ;  bei  gleicher  Frucht- 
barkeit muß  jener  also  einen  höheren  Reinertrag  geben 
als  dieser. 

Wenn  beim  Preise  von  0,5io  Taler  für  den  Scheffel  Roggen 
der  Ertrag  eines  ganzen  Gutes  in  der  Koppelwirtschaft  =  0 
ist,  die  vordere  Hälfte  des  Ackers  aber  einen  größeren  Er- 
trag gibt  als  die  entferntere  Hälfte:  so  folgt  daraus,  daß 
der  Reinertrag  der  ersten  Hälfte  positiv,  der 
Reinertrag  der  zweiten  aber  negativ  sein  müsse, 
und  daß  der  Gewinn,  den  die  Bebauung  des 
näheren  Ackers  gibt,  durch  den  Verlust,  den 
der  Anbau  des  entfernteren  bringt,  wieder  ver- 
schlungen wird,  und  so  der  Reinertrag  des 
Ganzen  zu  0  herabsinkt. 

Die  Koppelwirtschaft,  deren  Reinertrag  im  ganzen  —  0 
ist,  wird  also  dann  wieder  zum  Reinertrag  gelangen,  wenn 
der  entferntere  Acker  unbebaut  liegen  bleibt,  und  nur  der 
nähere  kultiviert  wird.  Unter  dieser  Bedingung  endet  auch 
die  Kultur  noch  nicht  bei  der  Entfernung  von  28,r,  Meilen 
von  der  Stadt. 

Aber  auch  diese  Koppelwirtschaft,  bloß  auf  den  näheren 
Boden  beschränkt,  muß  bei  noch  größerer  Entfernung  vom 
Marktplatze,  oder  was  dasselbe  ist,  bei  noch  niedrigeren 
Kornpreisen  endlich  einen  Punkt  finden ,  wo  ihr  Reinertrag 
verschwindet,    und    es   wird   eine  zweite  Arbeitsersparung 


—    55    — 

notwendig,    wenn    der    Anbau   des   Bodens    daselbst    nicht 
enden  soll. 

In  der  Koppelwirtschaft  ist  der  Aufbruch  des  Dreesches 
und  die  Zubereitung  desselben  zur  "Wintersaat  besonders 
kostbar.  Bei  einer  Mürbebrache  —  d.  i.  einer  Brache,  47 
welcher  kein  Dreesch,  sondern  eine  angebaute  Frucht  vor- 
angegangen ist  —  wird  das  Hacken  der  Dreeschfurche  und 
ungefähr  die  Hälfte  des  Eggens,  welches  eine  Dreeschbrache 
erfordert,  erspart.  Eine  Wirtschaft  mit  einer  Mürbebrache 
kann  also  da  noch  rentieren,  wo  eine  Koppelwirtschaft  keinen 
Reinerti-ag  mehr  gibt,  vorausgesetzt,  daß  der  Körnerertrag 
sich  gleich  bleibe,  welches  durch  das  Yerhältnis  zwischen 
Ackerland  und  Weide  immer  zu  erreichen  ist. 

Eine  Wirtschaft  mit  einer  Mürbebrache  ist  aber  nur 
dann  möglich,  wenn  man  den  Acker  nicht  mehr  abwechselnd 
zur  Weide  niederlegt,  sondern  ihn  jedes  Jahr  beackert,  wo- 
gegen dann  der  entferntere  Teil  des  Feldes  zur  beständigen 
Weide  für  das  Vieh  liegen  bleibt.  Dies  bringt  wieder  eine 
neue  Ersparung,  indem  nun  die  Aussaat  von  Kleesamen  wegfällt. 

Nach  diesen  aus  der  Natur  der  Sache  hervorgegangenen 
notwendigen  Yeränderungen ,  stimmt  nun  unsere  Wirtschaft 
in  den  wesentlichsten  Punkten  mit  der  Dreifelderwirtschaft 
überein;  und  wir  wenden  uns  jetzt  zu  der  näheren  Be- 
trachtung dieses  so  weit  verbreiteten  Wirtschaftss^^stems. 


Bei  der  Darstellung  des  Verhältnisses  zwischen  der 
Koppelwirtschaft  und  der  Dreifelderwirtschaft  müssen  fol- 
gende 4  Fragen  beantwortet  werden: 

1.  Um  wieviel  wohlfeiler  wird  die  Bestellung  der 
Mürbebrache  als  die  der  Dreeschbrache? 

2.  In  welchem  Yerhältnis  stehen  die  Arbeitskosten  beim 
Landbau  mit  der  Entfernung  des  Ackers  vom  Hofe? 

3.  In  welchem  A^erhältnis  müssen  bei  der  Dreifelder- 
wirtschaft Acker  und   Weide  gegeneinander  stehen,    wenn 


—    56    — 

48 diese  Wirtschaft,  ebenso  wie  die  Koppelwirtschaft  sich  in 
gleicher  Dungkraft  erhalten  soll,  ohne  einen  Dungzuschuß 
von  außen  zu  erhalten? 

4.  "Wenn  zwei  Ackerflächen  im  ganzen  gleichen  Reich- 
tum an  Pflanzennahrung  enthalten,  die  eine  aber  in  Koppel- 
wirtschaft, die  andere  in  Dreifelderwirtschaft  liegt  —  wie 
verhält  sich  dann  der  Körnerertrag  des  Roggens  in  der  ersten 
Wirtschaft  zu  dem  in  der  zweiten  Wirtschaft? 

Die  Beantwortung  der  3ten  und  4ten  Frage  setzt  die 
Kenntnis  der  Statik  des  Landbaues  voraus,  und  kann  ohne 
diese  eben  so  wenig  verstanden  als  dargestellt  werden. 

Ich  sehe  mich  deshalb  genötigt,  einige  Hauptsätze  der 
Statik  des  Landbaues  vorangehen  zu  lassen.  Da  aber  eine 
ausführliche  Darstellung  dieser  Lehre  hier  einen  unverhältnis- 
mäßigen Raum  einnehmen  würde:  so  kann  ich  diese  Sätze 
nur  liinstellen ,  ohne  auf  Entwicklung  der  Gründe  und  auf 
Erläuterungen  einzugehen.  Ich  muß  deshalb  diejenigen 
meiner  Leser,  denen  dieser  neue  Zw^eig  unseres  Wissens 
noch  unbekannt  sein  sollte,  und  die  sich  eine  genauere 
Kenntnis  davon  zu  verschatfen  wünschen,  auf  die,  diesen 
Gegenstand  betreifenden  Schriften  der  Herren  Thaer,  v. 
WulfTen,  v.  Riese,  Bürger,  v.  Voght,  Seidl,*)  und  auf  meine 
im  8ten  Jahrgang  der  Mecklenburgischen  Annalen  befind- 
liche Abhandlung  verweisen. 


*)  Das  Werk  des  Herrn  Professors  Hlubeck  „die  Ernährung 
der  Pflanzen  und  die  Statik  des  Landbanes"  habe  ich  erst  nach 
Vollendung  dieser  Schrift  erhalten  und  deshalb,  zu  meinem  Be- 
dauern, dasselbe  hier  weder  benutzen  noch  berücksichtigen  können. 


—    57    — 

§  7a. 
Einige  Sätze  aus  der  Statik  des  Landbaues, 

Die  Erzeugung  der  Getreideernten  bewirkt  eine   Ver- 
minderung der  im  Acker  enthaltenen  Pflanzennahrung,    Ein 
Acker,  der  100  Schfl.  Roggen  getragen  hat,  ist  um  dasjenige  49 
Quantum  Pflanzennahrung,   was   zur  Erzeugung  dieser  100 
Schfl.  verwandt  ist,  ärmer  geworden. 

Keine  Frucht  vermag  es,  sich  des  ganzen  im  Acker  be- 
findlichen Reichtums  an  Pflanzennahrung  in  einem  Jahre 
anzueignen. 

Das  Verhältnis  zwischen  dem,  was  die  Ernte  dem  Acker 
in  einem  Jahre  an  Pflanzennahrung  entzogen  hat,  und  dem 
ganzen  Reichtum  des  Ackers,  nenne  ich  die  relative  Aus- 
saugung, Diese  ergibt  sich  aus  der  Abnahme  der  Größe 
der  nacheinander  folgenden  Ernten :  ist  z.  B.  der  Ertrag  der 
Isten  Roggenernte  100  Schfl,  gewesen,  und  eine  2te  Roggen- 
ernte gibt  dann  bei  gleicher  Bestellung,  gleicher  Witterung 
und  gleichen  sonst  noch  einwirkenden  Umständen  nur 
80  Schfl,;  so  sagen  wir,  daß  die  relative  Aussaugung  des 
Roggens  ^/ö  betragen  habe. 

Aus  der  relativen  Aussaugung  schließen  wir  nun  auf 
den  ganzen  Reichtum  des  Ackers :  war  z,  B.  der  Ertrag  des 
ersten  Roggens  100  Schfl.,  die  relative  Aussaugung  Vs,  so 
enthielt  der  Acker  vor  der  Ernte  Pflanzennahrung  für  500 
Schfl.  Roggen,  nach  der  Ernte  nur  noch  für  400  Schfl. 

Das  Quantum  Pflanzennahrung,  was  dem  Acker  durch 
die  Ernte  von  einem  Berliner  Scheffel  Roggen  entzogen 
wird,  wird  ein  Grad  genannt  und  durch  „1°"  bezeichnet. 

Die  Aussaugung  der  übrigen  Getreidearten  wird  durch 
das  Verhältnis,  worin  diese  im  Wert  und  in  der  Nahrhaftig- 
keit gegen  den  Roggen  stehen,  bestimmt,  und  ich  nehme 
an,  daß  die  Ernte  von 


—    58    — 

1  Schfl.  Weizen  eine  Aiissaugung  bewirkt  von    .     IVs^ 

1  Schfl.  zweizeiliger  Gerste ^l4P 

1  gestrichenem  Schfl.  Hafer V2^ 

50  Für  eine  siebenschlägige  Koppelwirtschaft  auf  einem 
Gerstenboden  Ister  Klasse  nehme  ich  nach  den  auf  dem 
Gute  T.  gemachten  Erfahrungen  und  Beobachtungen  folgen- 
des Verhältnis  des  Ertrages  der  verschiedenen  Schläge  an: 
wenn  der  Iste  Sclüag  .  .  100  Seh.  Roggen  von  1000  GR 
bringt,  so  gibt  der  2te  Schlag  100  Seh.  Gerste, 
und  der  3  te  Schlag    .     .     .     120  Seh.  Hafer. 

Der  4te,   5te  und   6te  Schlag  im  Durchschnitt  liefern 
dann  auf  jede  270  QRut.  den  "VVeidebedarf  für  eine 
Kuh,   die   täglich   17  //.  auf  Heu  reduziertes  Gras 
verzehrt,  und  140  Tage  auf  dem  Dreesch  selbst  (also 
mit  Ausschluß   der  Stoppel-  und  Wiesenbehütung) 
ihre  Nahrung  findet. 
Der  7te  Schlag  gibt  in  der  Dreeschbrache  den  fünften 
Teil  der  Grasproduktion,  den  ein  Weideschlag  liefert. 
Nach  den  auf  dem  Gute  T.   in   den  Jahren   1811  und 
1816  angestellten  Probewiegungen   über  das  Verhältnis  des 
Korns  zum  Stroh,   verglichen  mit  den  auf   einigen   anderen 
Mecklenburgischen  Gütern  angestellten  Wiegungen,  habe  ich 
als  Durchschnittsverhältnis  angenommen,  daß  mit 
1  Schfl.  Roggen  an  Stroh  geerntet  wird     ....     190  /^. 
1  Schfl.  Weizen  —  wenn  der  Weizen   stehend  war     190  fi. 
1  Schfl.  AVeizen  —  wenn  ^/s  des  Weizens  aus  Lager- 
korn besteht 200  /^ 

1  Schfl.  zweizeiliger  Gerste 93  /<5. 

1  Schfl.  Hafer 64,5  a 

Der  Weizen  gibt  bei  gleichem  Körnerertrage  eine  ge- 
ringere Strohmasse  als  der  Roggen;  aber  das  Weizenstroh 
hat  ein  spezifisch  größeres  Gewicht  als  das  Roggenstroh, 
und  ich  habe  auch  in  späteren  Jahren  das  Gewicht  des  mit 
einem  Scliil.  Weizen   geernteten  Strohes   nicht  geringer  ge- 


—    59    — 

fanden  als  beim  Roggen ;  jedoch  mag   dies  Verhältnis   bei  51 
schwachem  Weizen  mit  kurzem  Stroh  anders  sein. 

Eine  mögliclist  sorgfältige  Berechnung  des  auf  dem 
Gute  T.  in  den  5  Jahren  von  1810  bis  15  verfütterten 
und  eingestreuten  Strohes  und  des  verfütterten  Heues  und 
Korns,  verglichen  mit  der  Zahl  der  abgefahrenen  Fuder 
Dung,  ergibt  als  Resultat,  daß  1  Fuder  Dung  aus  der  Yer- 
fütterung  und  Einstreuung  von  878  iL  trockenem  Futter 
entstanden  ist.  Nimmt  man  nun,  wie  gewöhnlich,  das 
Gewicht  eines  vierspännigen  Fuders  Dung  zu  2000  4L  an, 
so  hat  ein  Pfund  trockenes  Futter  2,28  U.  Dung  gegeben. 
Es  ergibt  sich  hier  eine  in  der  Tat  überraschende  Über- 
einstimmung mit  der  Annahme  des  Herrn  Staatsrats  Thaer, 
der,  durch  Beobachtungen  im  großen  geleitet,  schon  vor 
vielen  Jahren  den  Faktor  für  die  Dungvermehrung  zu  2,3 
bestimmte. 

Für  den  Faktor  2,3,  den  ich  nun  bei  den  ferneren  Berech- 
nungen  zum  Grunde  lege,   gehören  zu  einem  Fuder  Dung 

2000 
von  2000^.-0—     =    870   iL    trockenes    Futter,     und    ich 

Z,3 

Averde  in  der  Folge  unter  1  Fuder  Dung  immer  diejenige 
Dungmasse  verstehen,  die  durch  Yerfütterung  und  Ein- 
sti-euung  von  870  iL  trockenem  Futter  zu  ^/s  aus  Heu  und 
^/u  aus  Stroh  bestehend  entstanden  ist. 

Wir  können  hiernach  die  Quantität  Dung,  welche  die 
Kornernten  durch  das  Stroh  zurückgeben,  berechnen. 

Für  100  SchelTel  Roggen  beträgt  die  Slrohernte 
100  X  190  =  19  000  iL  Stroh,  und  hieraus  erfolgen 
19000 


870 


21,8  Fuder  Dung. 


Für   100  Schfl.   Gerste  ist   der   Strohgewinn   93  X  100 

9300 
9300  /(!'.,    und    der  Dunggewinn   -„  j-    ==    10,7    Fuder; 


—     60    — 
52  die    Ernte    von    120    Scheffel    Hafer    bringt    120    X    64,5 
=  7740  a  Stroli   und  -g™  =  8,9  Fuder  Dung.*) 

Es  ist  allgemein  bekannt,  daß  die  "Weide  oder  das 
Dreeschliegen  den  Boden  bereichert. 

Nach  vieljährigen  Beobachtungen  hat  es  sich  mir  als  sehr 
wahrscheinlich  ergeben,  daß  die  Pflanzenuahrung,  -svelche  von 
den  auf  der  "Weide  wachsenden  Gräsern  und  Kleeai'ten  kon- 
sumiert wird,  durch  die  im  Boden  zurückbleibenden  und 
beim  Umbruch  des  Dreesches  in  Verwesung  übergehenden 
"Wurzeln  dieser  Gewächse  wieder  ersetzt  werde,  daß  also 
aller  während  der  Beweidung  auf  den  Dreesch  fallende  Dung 
als  eine  Vermehrung  des  Duuggehalts  des  Bodens  zu  be- 
trachten ist  —  jedoch  unter  der  Bedingung,  daß  der  Dreesch 
nicht  älter  als  3  Jahre  werde. 

Aus  der  Zahl  der  Kühe,   die*  die  "Weide   ernährt,  läßt 

sich  die  Grasproduktion  des  Dreesches  berechnen.    Eine  Kuh, 

von  500  bis  550  //.  Gewicht  im  lebenden  Zustand,  verzehrt 

in  140  Tagen  a  17  fi.  —  2380  /l  auf  Heu  reduziertes  Gras, 

welches  auf  270  DRut,  als  dem  Weidebedarf  einer  Kuh, 

gewachsen  ist.     Auf   1000  DRut.   ist  die  Produktion  dem- 

2380  yc  1000 
nach 27Ö =   ^^1^  ^-  ^eu.     Der   aus    der  "Weide 

in  einem  Jahre  hervorgehende  Dunggewinn  beträgt  hiernach 

8815 

-öyQ-   ~   10,1   Fuder,    auf  einem   Gerstenboden,    der   einen 

Roggenertrag  von  10  Körnern  gegeben  hat. 


*)  Dieser  Berechnmig  liegt  noch  die  Annalime  zum  Grunde, 
daß  aus  der  Verfutteruug  und  Einstreuung  von  100  11.  Stroh 
eine  grüUere  Quantität  Dung  erfolgt  als  aus  der  Verfutterung 
von  10(.)  //.  Heu,  und  daß  die  geringere  Qualität  des  8trohdüngers 
im  Vergleich  mit  dem  Dung  aus  Heu  durch  die  grüLere  Quantität 
kompensiert  wird. 


—    61    — 

Der  Brache  messen  wir  eine  doppelte  Wirkung  bei :  53 
nämlich  erstens,  daß  sie  die  im  Boden  befindliche  Pflanzen- 
nahrung  zu  einem  höhereu  Grade  von  Wirksamkeit  bringt; 
und  zweitens,  daß  sie  den  Eeichtum  des  Bodens  durch  die 
auf  der  Brache  wachsenden  Gräser  und  Kräuter,  welche 
teils  untergepflügt,  teils  vom  Vieh  abgefressen  und  in  Dung 
verwandelt  werden,  wirklich  vermehrt. 

In  der  Yermehrung  des  Reichtums  schätze  ich  die 
Dreeschbrache  gleich  Vs  einer  Dreeschweide,  und  die  Mürbe- 
brache  in  der  Dreifelderwirtschaft,  wenn  sie  erst  zu  Johannis 
umgebrochen  wird,  gleich  ^,'3  einer  Dreeschweide. 

In  einer  Wirtschaft,  die  in  einem  beharrenden  Zustande 
ist,  d.  h.  die  im  Ertrage  und  im  Reichtum  des  Bodens 
sich  gleich  bleibt,  muß  die  Aussaugung  mit  dem  Ersätze  im 
Gleichgewicht  sein.  Reduzieren  wir  nun  den  Ertrag,  den 
die  aussaugenden  Getreidesaaten  gegeben  haben,  auf  Scheffel 
Roggen  und  drücken  den  Ersatz,  den  der  Acker  durch 
Düngung  und  Weide  erhalten  hat,  in  Fuder  Dung  aus:  so 
ergibt  sich  aus  der  Gleichstellung  der  Aussaugung  und  des 
Ersatzes,  für  wie  viele  Scheffel  Roggen  Nahrung  in  einem 
Fuder  Dung  enthalten  ist,  oder  was  dasselbe  ist,  durch  wie- 
viele Scheffel  Roggen  dem  Boden  ein  Fuder  Dung  entzogen  wird. 

Die  Anwendung  dieser  Rechnung  auf  verschiedene  Boden- 
arten hat  ergeben,  daß  dies  Verhältnis  nach  der  Güte  des 
Bodens  verschieden  ist.  Die  Produktion  einer  gleichen  Ernte 
kostet  dem  guten  Boden  weniger  Dung  als  dem  schlechten. 

Bei  unseren  folgenden  Berechnungen  ist  ein  Boden  zum 
Grunde  gelegt,  der  sich  in  der  siebenschlägigen  Koppelwirt- 
schaft ohne  äußeren  Zuschuß  in  gleicher  Dungkraft  erhält  — 
und  auf  diesem  Boden,  der  mit  dem  Gerstenboden  Iter  Klasse 
wahrscheinlich  zusammenfällt,  kostet  die  Produktion  von 
3,2  Schfl.  Roggen  dem  Acker  ein  Fuder  Dung,  oder  ein 
Fuder  Dung  ist  gleich  3,2'^. 


—    62    — 


54  FruchtbarkeitszustaacT 

einer  siebenschlägigen  Koppelw-irtschaft,  jeden  Schlag  zu 
1000  nRut.  gerechnet. 


Reichtum  zu  Anfang  des  Umlaufs  . 

Ister  Schlag.    Eoggen 

2ter    Schlag.    Gerste 

3ter    Schlag.    Hafer 

4ter    Schlag.    Weidel 

5ter    Schlag.    Weide) 

6ter  Schlag.  Weide j 
7ter  Schlag.  Brache  .  .  .  .  . 
Summe  der  Dungerzeugung  .  .  . 
Der  Hafer  ließ  im  Acker  zurück  . 
73,7  Fuder  Dung  ä  3,2°  sind  gleich 
Der  2te  Umlauf  beginnt  mit      .     . 


bt)   • 

S.  CS 

S 

Ersatz 
Fuder 
Dung 

— 

— 

500° 

— 

100 

lOQo 

400° 

21,8 

100 

750 

3250 

10,7 

120 

60« 

2650 

8,9 

— 

— 

— 

30,3 

— 

— 

— 

2,0 

— 

— 

— 

73„ 

— 

— . 

265° 

— 

— 

235..0 

— 

äOO.sO 


Fr uchtbarkeitszu stand 
einer  Dreifelderwirtschaft,  jedes  Feld  zu  1000  DR.  gerechnet. 


Eeichtum  zu  Anfang  des  Umlaufs  . 
1  stes  Feld.    Roggen  ..... 

2tes   Feld.    Gerste 

3tes    Feld.    Brache 

Summe  der  Dungerzeugung  .  . 
Die  Gerste  ließ  im  Acker  zurück 
36,ß  Fuder  Dung  ä  3,2**  sind  gleich 


100 
100 


1000 
750 


5000  i     — 


4000 
3250 


3250 


21,8 

10„ 
4,1 


36,6 


Der  2te  Umlauf  beginnt  mit.     .     .     .  |    —    ,    —     442,o0      — 

55  In  der  Koppelwirtschaft  war  die  Dungerzeuguug  eines 
Weideschlages  10,i  Fuder  für  einen  Reichtum  des  Bodens 
von   265°.      Ein   Boden,    dessen    Reichtum    =    325*^,    wie 


—    63    — 

der  nach  der  Gerstenernte  ist,  würde  zur  Weide  niedergelegt 

325 

^X^  X  10,1  =  12,4  Fuder  Dung  erzeugen.  Da  nun  an- 
genommen ist,  daß  die  Dungerzeugung  einer  Mürbebrache 
Vs  von  der  eines  Weideschlags  beträgt:    so  sind  hier  dafür 

12  4 

-^  =  4,1  Fuder  in  Rechnung  gebracht. 


§  7b. 

Weitere  Ausführung  einiger  Teile  der  Statik 
des  Landbaues. 

Die  Ein-wirkung  des  Bodens,  vermöge  welcher  aus  der 
Hingabe  einer  und  derselben  Quantität  Pflanzennahrung, 
z.  B.  eines  Fuders  Dung,  der  eine  Boden  eine  größere 
Ernte  produziert  als  der  andere,  nenne  ich  die  Qualität  des 
Bodens  und  bezeichne  den  Grad  derselben  durch  die  Zahl 
der  Schfl.  Koggen ,  deren  Produktion  dem  Acker  ein  Fuder 
Dung  kostet.  Der  Tonboden  besitzt  eine  höhere  Qualität 
als  der  Sandboden,  und  während  die  Qualität  des  "Weizen- 
bodens 1  ster  Klasse  auf  3,s^,  vielleicht  auf  4^  steigt,  beträgt 
diese  auf  dem  Haferboden  1  ster  Klasse  nur  etwa  2V2*^,  nimmt 
mit  dem  steigenden  Sandgehalt  immer  mehr  ab,  und  sinkt 
auf  dem  Flugsand  bis  zu  Null  herab. 

Die  Erfahrung  lehrt,  daß  die  relative  Abnahme  des 
Ertrags  zw^eier,  unter  gleicher  Vorbereitung,  ohne  wieder- 
holte Düngung  nacheinander  folgenden  Ernten,  auf  ver- 
schiedenen Bodenarten  sehr  ungleich,  größer  auf  dem  Sand- 
ais auf  dem  Tonboden  ist. 

Diejenige  Einwirkung  des  Bodens,  durch  welche  diese 
Erscheinung  hervorgebracht  wird,  nennt  Herr  v.  Wulffen 
die  Tätigkeit  des  Bodens.    Unter  sonst  gleichen  Umständen  56 


—    64    — 

entspringt  aber  die  Abnahme  des  Ertrags  der  Ernten  aus 
der  Abnahme  der  Pflanzennahrung  im  Boden,  und  Herr 
T.  Wulffen,  dem  die  Statik  so  vieles  verdankt,  hat  hierauf 
den  Satz  gegründet,  daß  die  Fruchtbarkeit  als  das  Produkt 
zweier  Faktoren,  nämlich  der  Tätigkeit  und  des  Reichtums 
des  Bodens  zu  betrachten  sei.  Die  Fruchtbarkeit  aber  findet 
ihr  Maß  im  Erzeugnis,  und  wenn  man  die  Tätigkeit  mit 
T,  den  Reichtum  mit  R  und  die  Ernte  mit  E  bezeichnet, 
so  ist  E  =:  TR.  Die  Tätigkeit  bezeichnet,  der  wievielste 
Teil  des  Gehalts  an  Pflanzennahrung  in  die  eine  Ernte 
übergeht,  und  durch  deren  Produktion  hinweggenommen 
wird.  Die  Tätigkeit  des  Bodens  steigt,  je  mehr  der  Sand- 
gehalt derselben  zunimmt,  und  steht  in  dieser  Beziehung 
in  umgekehrtem  Verhältnis  mit  der  Qualität  des  Bodens. 
Nimmt  man  den  Roggen  nach  reiner  Brache  zum  Maßstab 
für  die  Größe  der  Tätigkeit,  so  beträgt  diese  auf  dem 
Gerstenboden  Ve  bis  Vs,  während  sie  auf  dem  Roggenbodeu 
auf  Vi  bis  '^/lo  steigt. 

Bringt  man  gleiche  Quantitäten  Pflanzennahrung  z.  B. 
10  Fuder  Dung  auf  verschiedene  Bodenarten,  z.  B.  auf 
Tonboden  von  3,8*^  Qualität,  und  auf  Sandboden  von  2V2° 
Qualität,  so  wird  dem  ersteren  Boden  dadurch  Nahrung  für 
10  X  3,8  =  38  Schfl.  Roggen,  dem  letzteren  aber  nur  für 
10  X  2,5  =  25  Schfl.  Roggen  erteilt;  oder  der  Reichtum 
des  ersteren  wird  dadurch  um  38*^,  des  letzteren  aber  nur 
um  25°  erhöht.  Der  Reichtum  des  Bodens  ist  also  selbst 
das  Produkt  zweier  Faktoren,  und  bezeichnet  man  den  Dung- 
und  Humusgehalt  des  Bodens  mit  H,  die  Qualität  mit  Q, 
so  ist  R  =  QH. 

Reichtum  des  Bodens  ist  nicht  Materie,  sondern  Pro- 
duktionsfähigkeit. Dung  ist  nicht  Reichtum,  sondern  wird 
57  erst  durch  die  Einwirkung  des  Bodens  zum  Reichtum.  Die- 
selbe Quantität  Dung  erzeugt  auf  verschiedenen  Bodenarten 
einen  verschiedenen  Grad  des  Reichtums. 


—    65    — 

Auf  einem  und  demselben  Boden  stehen  Dunggehalt, 
oder  überhaupt  Gehalt  an  auflöslicher  Pflanzennahrung  und 
Reichtum  oder  Produktionsfähigkeit  im  direkten  Verhältnis 
zueinander.  Hier  kann  man  also  —  wie  auch  in  dieser 
Schrift,  wo  immer  nur  von  einer  Bodenart  die  Rede  ist, 
geschehen  —  mit  dem  Worte  „Reichtum"  beide  Begriffe, 
nämlich  den  der  Materie  und  den  der  Produktionsfähigkeit, 
verbinden,  ohne  unrichtige  Resultate  zu  erhalten. 

Sobald  aber  von  der  Statik  im  allgemeinen  die  Rede 
ist,  welche  alle  Bodenarten  zum  Gegenstand  der  Betrachtung 
hat,  ist  es  unerläßlich,  für  Materie  und  Produktionsfähigkeit 
auch  verschiedene  Ausdrücke  zu  wählen. 

Ich  nenne  jene  „Humus",  diese,  mit  v.  Wulffen,  „Reich- 
tum". Unter  Humus  verstehe  ich  aber  nicht  alle 
verbrennlichen  Stoffe,  welche  im  Boden  befind- 
lich sein  können,  als  Holz-  und  Heidewurzeln, 
Wiesen-  und  Schlammmoder  usw.,  sondern  be- 
schränke die  Bedeutung  des  Wortes  „Humus" 
auf  die  Rückstände  der  früheren  Mistdüngungen 
und  derRasenfäulnis  eines  2-  höchstens  3 jähri- 
gen Dreesches.  Diesem  gemäß  setze  ich  auch  bei  allen 
statischen  Untersuchungen  einen  Boden  voraus,  der  durch 
eine  Jahrhunderte  hindurch  fortgesetzte  Kultur  alle  seine  ur- 
sprünglichen,  vegetabilischen  Substanzen  gänzlich  verloren, 
nur  Mistdüngungen  erhalten,  und  niemals  länger  als  2  bis 
3  Jahre  in  einem  Umlaufe  zur  Weide  gelegen  hat. 

Setzen  wir  nun  in  die  Gleichung  E  =  TR,  für  R  den 
Wert  QH,  so  erhalten  wir  die  Gleichung  E  =  TQH. 

In   diesem  Ausdruck   für  die  Ernte  gehören  die  beiden  58 
Faktoren  T   und  Q   dem  Boden  an  sich,   d.  i.   den  minera- 
lischen   Bestandteilen,    der    Faktor    H    aber    dem    Humus 
oder    den    Resten    animalischer    und    vegetabilischer    Sub- 
stanzen an. 

Die    Gesamteinwirkung    des   Bodens    auf    die    Hervor- 
Thiinen,  Der  isolierte  Staat.  5 


—    66    — 

bringung  der  Ernte  spricht  sich  also  in  TQ,  oder  dem 
Produkt  aus  den  beiden  Faktoren  T  und  Q  aus. 

Wir  nehmen  nun  irgendeinen  Boden  A  zum  Stand- 
punkt der  Betrachtung  und  vergleichen  damit  einen  anderen 
Boden  B  von  verschiedener  physischer  Beschaffenheit.  In 
beiden  Bodenarten  sei  der  Humusgehalt  gleich  groß,  und 
der  Humus  selbst  gleichartig  und  gleichen  Ursprungs.  Wenn 
nun  beide  Bodenarten  bei  völlig  gleicher  Behandlung  doch 
einen  verschiedenen  Ertrag  an  Früchten  liefern ,  so  müssen 
wir  diese  Verschiedenheit  der  Ernten  der  Yerschiedenheit 
in  der  physischen  BeschafTenheit  des  Bodens  beimessen. 

Die  Gesamteinwirkung  des  Bodens  auf  die  Größe  der 
Ernten,  verglichen  mit  einem  anderen  zum  Standpunkt 
gewählten  und  zur  Einheit  angenommenen  Boden,  nenne  ich 
mit  dem  Freiherrn  v.  Yoght*):  „das  Erdvermögen",  und 
bezeichne  dasselbe  mit  Y. 

Wir  haben  aber  oben  die  Gesamteinwirkung  des  Bodens 
auch  gleich  TQ  gefunden.  Demnach  ist  Y  =  TQ;  oder 
das  Erdvermögen  ist  gleich  Tätigkeit  mal  Qualität  des  Bodens. 
59  Gesetzt  die  Ernte  des  Bodens  B  betrage,  bei  gleichem 
Humusgehalt,  nur  -'/lo  der  Ernte  des  Bodens  A:  so  verhält 
sich  die  Einwirkung  des  Bodens  auf  die  Größe  der  Ernten, 
oder  das  Erdvermögen  des  Feldes  A  zu  dem  des  Feldes  B, 
wie  1 :  ^ko. 

Es  verhält  sich  aber  1  :  "/lo  wie  10  :  9  oder  100  :  90 
u.  s.  f.     Da  es  unbequem  sein  kann,  mit  Brüchen  zu  rechnen, 


*)  Dies  stimmt  freilich  nicht  mit  den  Definitionen,  welche 
der  Freiherr  v.  Yoght,  in  seinen  Ansichten  der  Statik,  vom  Erd- 
vermögen gibt,  luid  wonach  dasselbe  bald  als  Tätigkeit,  bald  als 
Qualität  erscheint,  überein.  Aber  eine  vieljährige,  mit  dem  jetzt 
verstorbenen  Herrn  v.  Voght  geführte  Korrespondenz  hat  mich 
überzeugt,  daß  derselbe  mit  dem  Wort  „Erdvermügen"  den  hier 
p,ngegebenen  Sinn  verbindet- 


—     67     — 

und  es  hier  nur  auf  die  Gleichheit  des  Verhältnisses  an- 
kommt: so  können  wir  das  Erd vermögen  in  A  willkürlich 
zu  10  oder  100  usw.  annehmen,  und  das  Erdvermögen  in 
B  ist  alsdann  9  oder  90. 

Des  Freiherrn  v.  Voght  Annahme  einer  ganzen  Zahl 
für  das  Erdvermögen  ist  hierdurch  gerechtfertigt.  Nur  muß 
man  keinen  Augenblick  vergessen,  daß  die  willkürliche  An- 
nahme einer  ganzen  Zahl  für  das  Erdvermögen  nur  dann 
zulässig  ist,  wenn  eine  Vergleich ung  zweier  Felder  statt- 
findet. Sobald  die  Vergleichung  wegfällt,  verliert  die  will- 
kürlich angenommene  Zahl  alle  Bedeutung  und  macht  die 
Rechnung  unklar. 

Beispiel.  Es  sei  auf  dem  einen  Felde  die  Tätigkeit 
=  i/e,  die  Qualität  =  3^,  auf  dem  anderen  Felde  die  Tätig- 
keit =  ^/s,  die  Qualität  =  3,6^,  so  ist  das  Erdvermögen  des 
1  sten  Feldes  =  i/e  X  3  =  0,5o,  des  2ten  =  Vs  X  3,6^  =  0,45, 
und  das  Verhältnis  des  Erd  Vermögens  zwischen  beiden  ist 
0,50  :  0,45  =  10  :  9. 

Das  Feld  D  habe  mit  dem  Felde  A  einen  Boden  von 
gleicher  physischer  Beschaffenheit,  der  Humusgehalt  beider 
Felder  aber  sei  ungleich:  so  ist  bei  völhg  gleicher  Behand- 
lung die  Verschiedenheit  in  der  Größe  der  Ernten  eine  Folge 
des  ungleichen  Humusgehalts  beider  Felder. 

Hypothese.  Bei  Gleichartigkeit  der  Pflanzennahrung 
aber  ungleicher  Quantität  derselben,  steht  bei  Gleichheit  des 
Bodens,  des  Klimas,  der  Vorfrucht,  der  Bearbeitung,  der 60 
Tiefe  der  Ackerkrume  und  aller  auf  die  Vegetation  ein- 
wirkenden Potenzen  —  die  Größe  der  Ernten  im  direkten 
Verhältnis  mit  der  Quantität  der  im  Boden  enthaltenen 
auflösüchen  Pflanzenuahrung. 

"Wenn  nun  auf  den  Feldern  A  und  D  von  gleicher 
physischer  Beschaffenheit  der  Humusgehalt  in  dem  Verhältnis 
von  1 :  s/io  steht,  so  ist  dieser  Hypothese  gemäß  das  Verhältnis 
der  Ernten  von  A  und  D  ebenfalls  wie  1 :  ^/lo  oder  wie  10  :  8. 

5* 


—     68    — 

Aufgabe.  Wenn  in  den  Feldern  A  und  B  das  Erd- 
vermögen verschieden,  der  Humusgehalt  aber  gleich,  in  den 
Feldern  B  und  D  dagegen  das  Erdvermögen  gleich,  der 
Humusgehalt  verscliieden  ist  —  das  Verhältnis  der  Ernten 
zwischen  A  und  D  zu  finden. 

Das  Erd vermögen   des  Feldes   B,  gleich  dem  von   D, 
sei  gleich   ^.'lo   des  Erdvermögens  von  A.      Der  Gehalt  an 
Pflanzennalirung  in  D   verhalte   sich  zu  dem  in  B   und  A 
wie  */io  :  1.     So  ist  das  Verhältnis  der  Ernten 
von  A  :  B  =  1  :  ^/lo 
von  B  :  D  =  1  :  ^/lo 


also  A  ; 

;  D  =  1  :  9/10  X  ^/lo  = 

1  :  '-/loo. 

Allgemein  ausgedrückt  sei 

Das  Erd-      Der  Humus- 
vermögen          gehalt 

des  Feldes  A  —            V                   H 

Die  Ernte 
E 

„        „       B-             V                    H 
„        „       D  -             V                    h 

so  ist  das  Verhältnis  der  Ernten 

X 

von  A 

:  B  ==  V  :  V 

von  B 

:  D  =  H  :  h 

also  A  :  D  =  VH  :  vh. 

vh 
61  Die  Ernte  von  D  ist  also  =   tttt   mal  Ernte   von   A,   oder 

X  =  ^  .  E. 

In  Worten   ausgedrückt,    sagt   diese    Proportion:     Die 

Ernten  zweier  Felder  verhalten  sich,   wie  die  Produkte  aus 

den  beiden  Faktoren,  Erd  vermögen  und  Humusgehalt,   sich 

gegeneinander  verhalten, 

vh 
Der   Ausdruck    ^„    .    E    kann    unter    verschiedenen 

Formen  dargestellt  werden,  ohne  daß   der  Wert  desselben 
eine  Änderung  erleidet. 


—    69    — 

hs  ist  Damnen  ^is  •  ^    =   vli  .  ^^     =     v    :    ^^j- 

Die  letztere  Form  sagt: 

Man  dividiere  das  Produkt  der  beiden  Faktoren  (V,  H) 
des  Feldes  A  mit  der  Ernte  (E)  dieses  Feldes ;  der  Quotient 
ergibt,  wie  viele  Einheiten  des  Produktes  zur  Erzeugung 
einer  zum  Maßstab  genommenen  Quantität  Roggen  z,  B. 
eines  Scheffels  erforderlich  sind,  und  mit  diesem  Quotienten 
in  das  Produkt  der  beiden  Faktoren  (v,  h)  des  Feldes  D 
dividiert,  gibt  die  Größe  der  Ernte  dieses  Feldes. 

Dieses  Verfahren  ist  zuerst  von  Herrn  v.  Wulffen  an- 
gewandt, später  wieder  aufgegeben;  dann  aber  von  dem 
Herrn  v.  Yoght  angenommen,  und  trotz  allen  Widerspruchs 
beharrlich  beibehalten. 

Unter  den  hier  vorausgeschickten  Suppositionen  leidet 
die  Richtigkeit  des  Verfalirens  keinen  Zweifel.  Herr  v.  Voght 
verwechselt  aber  Humusgehalt  mit  Reichtum;  denn  was 
derselbe  Dungvermögen  nennt,  kann  der  Natur  dieser  Methode 
nach  nicht  R  =  QH  sein,  sondern  ist  =  H:  auch  erscheint 
bei  ihm  das  Erdvermögen  nicht  als  TQ,  sondern  als  T  mit  62 
60  multipliziert.  Um  nun  Herrn  v.  Voghts  Formel  mit  der 
hier  dargestellten  Methode  in  Einklang  zu  bringen,  muß 
das  in  Graden  ausgedrückte  Dungvermögen  mit  Q  dividiert, 
das  Erdvermögen  aber  mit  Q  multipliziert  und  mit  60  dividiert 
werden  —  indem  Herr  v.  Yoght  das  Erdvermögen,  um  es 
zur  ganzen  Zahl  zu  erheben,  60  fach  genommen  hat. 

Über  die  Größe  des  Erdvermögens  auf  den  verschiedenen 
Bodenarten  sind  noch  sehr  wenig  Beobachtungen  angestellt. 
Wie  es  mir  scheint,  findet  das  Maximum  des  Erd Vermögens 
weder  auf  dem  Saud-  noch  auf  dem  Ton-,  sondern  auf  dem 
sogenannten  Mittelboden,  vielJeicht  auf  dem  Gerstenboden 
2ter  Klasse  statt.  Könnte  man  im  frischen  Dünger  die 
Wirkung,  die  derselbe  als  Ferment  auf  den  im  Boden  be- 
findlichen Humus  ausübt,  von  der  Wirkung,  die  derselbe  als 


—    70    — 

unmittelbare  Pflauzennalirung  hat,  trennen,  und  letztere  für 
sich  darstellen:  so  würde  der  Mehrertrag,  der  durch  die 
Zuführung  eines  Fuders  Dung  in  der  nächsten  Ernte  er- 
langt -wird,  Maßstab  des  Erdvermögens  sein;  und  derjenige 
Boden,  der  von  dem  zugeführten  Dünger  in  der  nächsten 
Ernte  den  höchsten  Mehrertrag  lieferte,  besäße  zugleich  das 
Maximum  des  Erd Vermögens. 

"Wenden  wir  eine  ähnliche  Betrachtung,   wie  die  vor- 
liegende,   auf  Bodenarten   von  verschiedener  Qualität    und 
Tätigkeit  an,  so  ergeben  sich  folgende  Resultate : 
63         Auf  Boden  A  und  B  sei  Tätigkeit,  T,  und  Humusgehalt, 
H,  gleich,  die  Qualität  aber  verhalte  sich  wie  Q  :  q. 

Auf  Boden  B  und  C  verhalte  sich,  bei  gleicher  Qualität, 
q ,  und  gleichem  Humusgehalt ,   H ,   die  Tätigkeit  wie  T  :  t. 

■Auf  Boden  C  und  D  sei  bei  gleicher  Qualität,  q,  und 
gleicher  Tätigkeit,  t,  das  Verhältnis  des  Humusgehalts  wie 
H:h. 

Alsdann  ist  das  Verhältnis  der  Ernten 
von  A  :  B  =  Q  :  q 
B  :C  =  T:t 
C  :  D  =  H  :  h 
also  A  :  D  =  TQH  :  t<ih. 
Oder  die  Ernten  von  A  und  D  verhalten  sich  wie  die  Pro- 
dukte aus  den  drei  Faktoren :  Tätigkeit,  Qualität  und  Humus- 
gehalt beider  Bodenarten. 

Es  ist  aber  Qualität  mal  Humusgehalt  gleich  Reichtum, 
und  wenn  wir  R  für  QH  und  r  für  qh  setzen:  so  ist  das 
Verhältnis   zwischen   den  Ernten  von  A  und  D  wie  TR  :  tr 

und  X  oder  die  Ernte  von  D  ist  =  ^ts  •  E. 

iK 

Wir  gelangen  also  durch  unsere  Untersuchung  zu  der 
v.  Wulftenschen  Formel,  wonach  zwischen  den  Ernten  zweier 
Felder  das  Verhältnis  stattfindet,  wie  zwischen  den  Pro- 
dukten aus  den  beiden  Faktoren,  Tätigkeit  und  Reichtum. 


—    71     — 

Wir  haben  nun  für  x,  oder  die  Ernte  von  D,  drei  ver- 
schiedene Ausdrücke  erhalten,  nämlich: 

I.  X  3=  ^  .  E 
TT  T  -  ^^      F 

in.  X  =  ^^  .  E. 

Diese  drei  Ausdrücke  für  x  entspringen  aus  einer 
Wurzel  und  sind  alle  richtig;  ihre  Yerschiedenheit  rührt  nur 
daher,  daß  die  drei  Faktoren  T,  Q,  H,  in  I.  und  III.  paar- 
weise und  zwar  in  verschiedenen  Verbindungen  zusammen- 
gesetzt sind.  In  I.  sind  T  und  Q  verbunden  und  das  Pro- 64 
dukt  ist  =  V  gesetzt;  in  III.  sind  dagegen  Q  und  H  ver- 
bunden und  in  ihrer  Verbindung  =:  R  gesetzt. 

Wenn  die  Bearbeiter  der  Statik  sich  bisher  so  wenig 
haben  vereinigen  können,  so  liegt  dies  nicht  daran,  daß  sie 
in  der  Sache  selbst  sehr  abweichender  Meinung  sind,  sondern 
daß  sie  sich  über  die  Methode,  wonach  zu  verfahren,  nicht 
einigen  können.  Die  Hauptiu'sache  hiervon  ist,  meiner  An- 
sicht nach,  daß  sie  nicht  alle  auf  die  Ertragsfähigkeit  ein- 
wirkenden Faktoren  in  ihre  Formeln  aufnehmen,  sondern 
diese,  und  zwar,  auf  ungleiche  Weise,  miteinander  verbinden. 

Der  Wunsch,  zur  Ausgleichung  dieser  Meinungsver- 
schiedenheiten beizutragen,  und  dadurch  von  den  Beratungen 
über  die  Form  endlich  zu  der  über  die  Sache  selbst  zu 
füliren,  hat  den  Verfasser  veranlaßt,  diesen  Gregenstand  aus- 
führlicher zu  behandeln,  als  es  in  einer  der  Statik  nicht 
eigens  gewidmeten  Schrift  vielleicht  erlaubt  ist. 

Außer  den  drei  genannten  Potenzen,  Tätigkeit,  Qualität 
und  Humusgehalt  üben  Vorfrucht  und  Bodenbearbeitung  einen 
sehr  bedeutenden  Einfluß  auf  die  Größe  der  Ernten  aus. 

Wir  wissen,  daß  das  Wintergetreide  in  die  Stoppel  einer 
Halmfrucht  gesät  nur  70  bis   80  %,  in  die  Erbsenstoppel 


—     72    — 

gesät  nur  80  bis  85  ^.'o  von  dem  trägt,  was  dieser  Boden, 
bei  gleichem  Reichtum,  nach  reiner  Brache  getragen  hätte; 
wir  wissen  ferner,  daß  Hafer  nach  Klee  oder  nach  einer 
Schotenfrucht  gebaut,  bei  gleichem  Bodenreichtum,  einen 
größeren  Ertrag  gibt  als  nach  einer  Halmfrucht. 

Für  diese  Einwirkung  der  Vorfrucht,  verbunden  mit  der 
durch  die  Vorfrucht  selbst  schon  bedingten  Verschiedenheit 
der  Bodenbearbeitung,  nehme  ich  einen  eigenen  Faktor  an, 
nenne  ihn  „Faktor  der  Kultur",  bezeichne  ihn  mit  „K"  und 
setze  ihn  für  die  nach  reiner  Brache  folgende  Frucht  gleich  1. 
65  Wir  erhalten  dadurch  für  die  Größe  der  Ernten,  in 
Jahren  von  mittlerer  Fruchtbarkeit,  folgende  Gleichung: 
E  =  TQHK. 

Herr  v.  Wullfen  drückt  die  Einwirkung  der  Vorfrucht 
durch  eine  Änderung  des  Faktors  T  aus,  zieht  sich  dadurch 
aber  den  oft  gemachten  Vorwurf  zu,  daß,  da  T  Tätigkeit 
des  Bodens  genannt  wird,  dieser  Faktor  für  einen  und 
denselben  Boden  auch  nicht  als  eine  veränderliche  Größe 
behandelt  werden  dürfe. 

Mir  scheint  deshalb  der  Gegenstand  an  Klarheit  zu 
gewinnen,  wenn  wir  für  die  Einwirkung  der  Vorfrucht  und 
Bearbeitung  —  also  für  das,  was  zunächst  in  der  Macht 
des  Landwirts  steht  —  einen  eigenen  Faktor  annehmen ;  die 
Tätigkeit  aber  als  eine  dem  Boden  inhärierende  Eigenschaft 
betrachten.  Die  Einwirkung  der  AVitterung  auf  die  Größe 
der  Ernten  in  verschiedenen  Jahren  kommt  in  der  Statik  des 
Landbaues  ebensowenig  in  Betracht  als  beim  Ertragsan- 
schlag und  bei  dem  darauf  gegründeten  Kauf-  oder  Pacht- 
preis eines  Gutes.  In  allen  statischen  Untersuchungen  werden 
immer  Jahre  von  mittlerer  Fruchtbarkeit,  für  welche  der 
Durchschnittsertrag  aus  einer  langen  Reihe  von  Jahren  das 
Maß  ist,  vorausgesetzt. 

Der  Ertrag,  den  ein  Acker  bei  mittlerer  Jahresfruchtbar- 
keit geben  würde,  wird  die  Ertragsfähigkeit  desselben  genannt. 


—    73    — 

Alle  bisherigen  Systeme  der  Statik  des  Landbaues  grün- 
den sich  auf  die  Voraussetzung,  daß  die  Ertragsfälligkeit  des 
Bodens  mit  dem  Reichtum  desselben  —  und  also  für  den- 
selben Boden  auch  mit  dem  Humusgehalt  —  im  direkten 
Verhältnis  stehe,  daß  also  ein  Boden  mit  einem  zweifachen 
Humusgehalt  auch  einen  zweifachen  Ertrag  liefere. 

In   der  Tat  w^ar  auch  der  Eingang  in   die  Statik  ohne  66 
eine  solche  Annahme  nicht  zu  finden. 

Die  späteren  auf  diesen  Gegenstand  gerichteten  Be- 
obachtungen haben  aber  ergeben: 

1,  daß,  wenn  man  Ackerstücke  von  gleicher  Boden- 
beschalTenheit  und  gleichem  Reichtum  mit  3,  4, .  5,  6  usf. 
Fuder  Dung  pr.  100  DRuten  befährt,  jedes  mehr  hinzu- 
gefügte Fuder  Dung  einen  immer  geringeren  Zuwachs  am 
Ertrage  liefert; 

2.  daß  beim  fortgesetzten  Anbau  des  Bodens  mit  aus- 
saugenden Gewächsen  ohne  Dungersatz  der  Ertrag  nicht  bis 
zu  Null  herabzubringen  ist,  sondern  sich  einem  Beharrungs- 
punkt, verschieden  nach  der  verschiedenen  physischen  Be- 
schaffenheit des  Bodens,  immer  mehr  nähert. 

Für  letzteres  findet  sich  auf  dem  Gute  Tellow  ein 
frappanter  Belag.  Hier  hat  nämlich  ein  zum  Ausbauen 
bestimmtes  Stück  Land  in  der  12ten  Saat  nach  der  Düngung, 
ohne  einen  anderen  Ersatz  zu  erhalten,  als  den,  welchen 
die  zeitweise  eingeschobene  Weide  gewährte,  noch  einen  sehr 
bedeutenden  Ertrag  gegeben,  und  in  dem  Ertrage  der  letzten 
6  Saaten  ist  keine  Abnahme  bemerklich. 

Lägen  Fakta  genug  vor,  um  aus  den  Gliedern  der  Reihe, 
welche  diese  Fakta  bilden,  das  allgemeine  Glied,  oder  das 
Gesetz,  wonach  die  Reihe  fortgeht,  mathematisch  zu  be- 
stimmen, so  wäre  es  der  Statik,  als  solcher,  gleichgültig, 
aus  welchen  Ursachen  jene  Erscheinung  entspringt.  Solange 
aber  die  Fakta  noch  so  sparsam  sind,  daß  jener  mathematische 
AVeg  nicht  betreten  werden  kann,  drängt  sich  uns  das  Be- 


—     74    — 

dürfnis  nach  einer  Erklärung  auf  —  und  so  habe  ich,  nach  den 
mir  vorliegenden  Erscheinungen,  mir  folgende  Ansicht  gebildet. 

Dung,  Humus,  selbst  ganze  Heuhaufen  verschwinden, 
wenn  sie  der  Luft  melirere  Jahre  ausgesetzt  sind  —  bis  auf 
67  den  geringen  Gehalt  an  mineralischen  Stoffen  —  fast  gänz- 
lich. Hier  ist  die  allmähliche  Yerflüchtigung  der  Stoffe,  aus 
welchen  jene  Substanzen  bestehen,  dem  Auge  sichtbar.  Aber 
unseren  Sinnen  nicht  wahrnehmbar,  und  selbst  den  bisherigen 
chemischen  Analysen  entgehend,  ist  das,  was  der  Boden  an 
pflauzeunährenden  Gasen  —  die  ich  mit  dem  Kollektivnamen 
„Humusgas"  benennen  möchte  —  aus  der  Atmosphäre  wieder 
empfängt.  Daß  aber  ein  solches  Empfangen  wirklich  statt- 
findet, ergibt  sich  daraus,  daß  rohe,  aus  dem  Untergrund 
heraufgebrachte  Erde,  welche  anfangs  sich  ganz  unfruchtbar 
zeigt,  nach  mehrjähriger  Berührung  mit  der  Luft  fruchtbar 
wird  und  Pflanzen  nährt.  Selbst  Sand  aus  den  um  die 
Tannenkämpe  gezogenen  Gräben,  etwa  10  Jahre  in  einem 
Wall  gelegen,  dann  wieder  in  die  Gräben  zurückgebracht,  hat 
hier  eine  merkwürdige,  jedoch  nur  einige  Jahre  anhaltende 
Fruchtbarkeit  gezeigt.  Auch  führt  die  statische  Untersuchung 
über  die  Ursachen  der  Qualität  des  Bodens  schon  a  priori 
zu  Sätzen,  die  mit  dem,  was  die  Beobachtung  der  Natur 
ergibt,  übereinstimmen. 

Wie  im  Feuchtigkeits-  und  Wärmegehalt  zwischen  Boden 
und  Atmosphäre  ein  Streben  nach  Ausgleichung  stattfindet, 
so  daß  der  ausgetrocknete  Boden  Feuchtigkeit  aus  der  Atmo- 
sphäre anzieht,  der  nasse'Boden  dagegen  Wasser  ausdünstet, 
so  mag  auch  in  bezug  auf  den  Gehalt  an  Humusgas  zwischen 
Boden  und  Atmosphäre  eine  stete  Wechselwirkung,  ein 
Streben  nach  Ausgleichung  stattfindet  —  imd  so  wie  der 
Boden  in  dem  Maße,  als  er  stärker  mit  Wasser  geschwängert 
ist,  auch  stärker  ausdünstet,  der  trockene  Boden  aber  um 
so  mehr  Feuchtigkeit  einsaugt,  je  größer  die  Differenz  im 
Wassergehalt  des  Bodens  und  der  Atmosphäre  ist:  so  können 


—    75    — 

wir  auch  analogiscli  schließen,  daß  der  Boden  um  so  mehr 
Humusgas  an  die  Atmosphäre  abgibt,  je  reicher  er  an  Humus 
ist,  aber  auch  um  so  mehr  Humusgas  einsaugt,  je  geringeres 
sein  Humusgehalt  ist,  daß  also  die  Atmosphäre  auf  den  reichen 
Boden  raubend,  auf  den  armen  Boden  bereichernd  wirkt. 

Dieser  Ansicht  folgend,  ist  es  denkbar,  daß  der  Boden 
beim  fortgesetzten  Kornbau  ohne  Dungersatz  vermittels  der 
beim  verminderten  Humusgehalt  verstärkten  Einsaugung 
atmosphärischer  Stoffe,  mit  Zuhilfenahme  des  geringfügigen 
Ersatzes  aus  den  Stoppeln  und  AVurzeln  des  Getreides,  auf  einer 
gewissen  Höhe  des  Ertrages  zum  beharrenden  Zustand  gelangt. 

Wenn  nun  auch  zwischen  Humusgehalt  und  Ertrag  des 
Bodens  kein  direktes  Verhältnis  stattfindet,  so  müssen  doch, 
da  jede  Vermehrung  des  Humusgehaltes  eine  Erhöhung  des 
Ertrages  bewirkt,  beide  miteinander  in  Verbindung  und  in 
irgendeinem  Verhältnis  zueinander  stehen. 

Welches  ist  nun  dieses  Verhältnis? 

Annahme.  Auf  zwei  Feldern  von  gleichem  Boden, 
aber  ungleichem  Humusgehalt,  verhält  sich  bei  gleicher  Be- 
handlung der  Ertrag  wie  die  Quadratwurzel  aus  dem  in 
Zalilen  angegebenen  Humusgehalt  beider  Felder. 

Beispiel.  In  dem  im  Felde  A  pr.  100  DRut.  befind- 
lichen Humus  sei  so  "siel  Pflanzennahrung  enthalten ,  als  in 
36  Fuder  Dung;  der  Körnerertrag  dieses  Feldes  sei  =  10; 
im  Felde  B  sei  dagegen  der  Humusgehalt  im  Wert  =  25 
Fuder  Dung:  so  verhalten  sich  die  Ernten  von  A  und  B 
wie  V  36  :  }  25  =  6  :  5. 

Da  nun  A  10  Körner  liefert,  so  ist  der  Ertrag  von  B 
=  5/6  X  10  =  81/3  Körner. 

Auf  gleiche  Weise  findet  man 

für  den  Humusgehalt  den  Ertrag 

=  16  ^li-,  X  10  =  6-^/3  Körner 

=     9  3/^;  >/  10  =  5  „ 

=    4  '-i/G  X  10  =  31/3      „ 


—    76    — 

69  Weder  die  Atmosphäre  noch  die  Pflanze  vermag  es,  dem 
Boden  den  letzten  Rest  seines  Humusgehaltes  zu  entziehen. 
Ist  nun  der  Humusgehalt  des  Bodens  bis  zu  dem  Grade 
vermindert,  daß  das,  was  die  Pflanze  sich  noch  an  Humus 
zuzueignen  vermag,  durch  die  "Wurzel  und  Stoppel  der 
Pflanze ,  und  durch  die  Stoppelweide  ersetzt  werden  kann : 
so  tritt  der  beharrende  Zustand  ein.  Die  Ertragsfähigkeit 
des  Bodens  in  diesem  Zustand  —  entspringend  aus  der 
Einsaugung  atmosphärischer  Stoffe  —  nenne  ich  die  imma- 
nente. 

Diese  immanente  Ertragsfähigkeit  ist  gar  selir  von  der 
pliysischen  Beschaffenheit  und  besonders  von  der  "wasser- 
haltenden  Kraft  des  Bodens  abhängig  und  sinkt  auf  dem 
Sandboden  bis  nahe  zu  Null  liinab,  während  sie  auf  dem 
Touboden  vielleicht  3  bis  4  Körner,  und  bei  einer  au  Humus- 
gas reichen  Atmospliäre  wahrscheinlich  noch  mehr  beträgt. 

Aus  der  Tatsache,  daß  die  immanente  Ertragsfähigkeit 
auf  den  verscliiedenen  Bodenarten  so  sehr  verschieden  ist,  geht 
zugleich  das  wichtige  Resultat  hervor,  daß  die  Ernährung 
der  Pflanzen  auf  einem  an  Humus  armen  Boden  nicht  allein 
durch  Einsaugung  atmosphärischer  Stoffe  vermittels  der 
Blätter  der  Pflanzen,  sondern  auch,  und  im  beträchtlichen 
Grade,  durch  Einsaugung  dieser  Stoffe  vermittels  des  Bodens 
geschieht. 

Ich  bin  weit  entfernt  zu  glauben,  daß  durch  obige  An- 
nahme —  nach  welcher  sich  die  Ertragsfähigkeit  des  Bodens 
wie  die  Quadratwurzel  aus  dem  Humusgehalt  desselben  ver- 
hält —  das  Gesetz  selbst,  was  die  Natm"  hier  beobachtet, 
gefunden  sei.  Aber  durch  diese  Annahme,  in  Verbindung 
mit  der  Ansicht,  daß  der  Boden  um  so  mehr  Humusgas  ein- 
saugt, je  ärmer  er  an  Humus  ist,  sind  die  beiden  oben  an- 
geführten Fakta,  welche  mit  der  Theorie  im  "Widerspruch 
waren,  damit  wieder  in  Einklang  gebracht  —  und  dies  muß 
vorläufig  genügen,  bis  fernere  Versuche  und  Beobachtungen 


—    77     — 

Data  geliefert  haben,  die  uns  der  Erkenntnis  des  Gesetzes 70 
selbst  näher  führen  können. 

In  den  statischen  Tableaux  einer  Fruchtfolge,  wo  es 
hauptsäclilich  nur  auf  die  Lösung  der  Frage,  ob  die  Frucht- 
folge aussaugend  oder  bereichernd  sei,  und  auf  die  Ermitt- 
lung des  Reichtums  in  allen  Schlägen  zusammen  ankommt, 
kann  die  Hypothese,  daß  der  Ertrag  im  direkten  A^erhältnis 
mit  dem  Reichtum  stehe,  auch  ferner  eine  Anwendung  finden ; 
denn  die  Differenz  zwischen  dem  Reichtum  der  einzelnen 
Schläge  und  dem  mittleren  Reichtum  ist  nicht  so  bedeutend, 
daß  aus  der  Anwendung  jener  H3^pothese  ein  erheblicher 
Irrtum  entstehen  könnte. 

Wenn  es  aber  zur  Frage  gestellt  wird,  wie  hoch  sich 
die  Bereicherung  des  Bodens  bezalüt,  und  wo  die  Grenze  ist, 
bei  welcher  die  Bereicherung  des  Bodens  aufhört  vorteilhaft 
zu  sein  —  dann  ist  die  Anwendung  jener  Hypothese  völlig 
unzulässig  und  auf  Irrwege  führend. 


"Wenn  Ertrag  und  Humusgehalt  auf  demselben  Boden 
nicht  im  direkten  Verhältnis  zueinander  stehen,  so  sind 
Tätigkeit,  Qualität,  Humusgehalt,  und  somit  auch  Tätigkeit 
und  Reichtum  keine  voneinander  unabhängige,  sondern  korre- 
spondierende Größen,  Avas  hier  aber  nur  angedeutet,  nicht 
ausführlich  dargelegt  werden  kann.  Für  die  aufblühende 
Generation  bietet  sich  dadurch  ein  weites  Feld  zu  Beobach- 
tungen, Versuchen  und  Forschungen  dar.  Sind  erst  Data 
genug  gesammelt,  so  wird  die  Statik  des  Landbaues  einst 
auch  ihren  Euklid  finden. 


Aus  den  Entdeckungen  in  der  Chemie,  und  namentlich 
aus  den  verdienstvollen  Untersuchungen  des  Herrn  Professors 
Sprengel  hat  sich  ergeben,  daß  in  allen  Pflanzen  mineralische 
Stoffe,  wie  KaLk,  Kali,  Schwefelsäure,  Talkerde  u.  m.  a.  ent-  71 
halten  sind,  daß  diese  Stoffe  als  Nahrungsmittel  der  Pflanzen 


—    78    — 

zu  betrachten  sind,  und  daß  der  Acker  in  sehr  vielen  Fällen 
durch  Zuführung  dieser  Mineralien  fruchtbarer  wird. 

Auch  in  der  praktischen  Landwirtschaft  hat  sich  dies 
durch  die  große  Wirkung  des  Mergels,  des  Gipses  und 
naehrerer  anderer  mineralischen  Stoffe  vollkommen  bestätigt. 

In  der  Statik  betrachten  wir  dagegen  mit  Herrn  v.  "Wulffen 
die  Erde  nur  als  die  Werkstatt  zur  Bereitung  der  Pflanzen- 
nahruug,  die  Reste  abgestorbener  animalischer  und  vegetabi- 
lischer Substanzen  aber  als  die  wesentliche  Quelle  der  Er- 
nährung der  Pflanzen. 

Erde  und  Humus  erscheinen  hier  also  gewissermaßen 
als  Gegensätze.  Durch  die  chemischen  Untersuchungen  ist 
nun  aber  die  Scheidewand  zwischen  beiden  gefallen,  und 
das  Gebäude  der  Statik  scheint  dadurch  in  seinen  Grund- 
vesten  erschüttert  zu  sein.  Man  ist  sogar  geneigt,  nicht 
bloß  die  Existenz  der  Statik,  sondern  selbst  die  Möglichkeit 
derselben  abzuleugnen. 

Ein  so  ernster  Vorwurf  bedarf  der  Prüfung  seiner  Richtig- 
keit; und  ich  erlaube  mir  deshalb,  meine  Erfahrungen  über 
die  Bedingungen  und  die  Umstände,  unter  denen  die  mine- 
ralischen DünguDgsmittel  eine  große  Wii'kung  zeigen,  so 
wie  meine  aus  diesen  Erfahrungen  entsprungenen  Ansichten 
mitzuteilen. 

Auf  dem  Gute  T.  habe  ich  die  Erfahrung  gemacht,  daß 
der  Mergel  auf  trocknem  Sand,  auf  rohem  Lehmboden,  und 
auf  dem ,  seit  Jahrhunderten  kultivierten ,  reichen  und  kräf- 
tigen Boden  in  der  Nähe  des  Hofes  wenig  oder  gar  keine 
Wirkung  äußerte,  während  auf  dem  feuchten  Mittelboden, 
wo  Sauerampfer  (Rumex)  wuchs,  die  Wirkung  des 
72 Mergels  enorm  war,  so  daß  die  Ernten  dadurch  um  30  bis 
40  *^/o  gesteigert  wurden.  Diese  Erfahrung,  verbunden  mit 
der  Wahrnehmung,  daß  nach  dem  richtig  vollführten  Mergeln 
der  Saucramj)fer  gänzlich  vom  Acker  verschwindet,  führten 
lüich  schon  j   ehe  Sjli'engels  Untersuchungen  bekannt  waren, 


—    79    — 

auf  den  Gedanken,  daß  die  Wirknag  des  ]\lergels  von  der 
Gegenwart  einer  Säure  im  Boden  abhängig  sei,  und  ich  habe 
diese  Ansicht  bereits  im  Jahre  1829  (in  den  mecM,  landw. 
Annalen,  Jahrg.  16)  ausgesprochen. 

Diese  Ansicht  veranlaßte  den,  leider  zu  früh  verstorbenen 
Herrn  Schröder  zu  Quitzenow  zu  einer  Reihe  von  Unter- 
suchungen auf  verschiedenen  Feldern,  welche  in  den  meck- 
lenb.  landw.  Annalen,  Jahrg.  IG,  S.  520,  mitgeteilt  sind. 

Beim  Eintauchen  des  Lackmuspapiers  in  die  zu  einem 
Brei  erweichte  Erde  ergaben   sich   ihm    folgende  Resultate: 

Reicher  Boden  in  der  Nähe  des  Hofes  rötete  das  Lack- 
muspapier nur  schwach ;  mit  dem  abnehmenden  Bodenreich- 
tum in  größerer  Entfernung  vom  Hofe  nahm  die  Rötung 
sukzessive  zu  und  wurde  sehr  stark  auf  einem  Acker,  der 
früher  zur  beständigen  Weide  gelegen  hatte ;  auf  gemergeltem 
Acker  und  auch  auf  Feldern ,  wo  der  Mergel  die  Wirkung 
versagte,  änderte  sich  die  Farbe  des  Papiers  wenig  oder 
gar  nicht. 

Hier  zeigte  sich,  daß  die  Größe  der  Wirkung  des  Mergels 
mit  dem  Grad  der  Rötung  des  Lackmuspapiers,  also  mit 
dem  größeren  oder  geringereu  Gehalt  des  Bodens  an  Säure 
im  Verhältnis  stand,  und  daß  der  Erfolg  des  Mergeins  im 
voraus  aus  dem  Verhalten  des  Bodens  gegen  das  Lackmus- 
papier erkannt  werden  könne. 

Bei  ferner  fortgesetzten  A^ersuchen  fand  Herr  Schröder, 
daß  ein  Zusatz  von  Mergel  zu  der  Erde,  welche  das  Lack- 
muspapier rot  gefärbt  hatte,  die  blaue  Farbe  des  Lackmus- 
papiers wiederherstellte,  und  daß  ein  Zusatz  von  Mist  das 
gerötete  Lackmuspapier  ebenfalls,  wenn  auch  im  schwächeren  73 
Grade  als  der  Mergel,  wieder  blau  färbte.  Der  Mist  von 
Schafen  stand  in  dieser  Beziehung  dem  Mergel  am  nächsten ; 
diesem  folgte  der  Pferde-  und  dann  der  Rindviehdung. 

Er  folgt  hieraus  das  wichtige  Resultat,  daß  der  Mist, 
vorzüglich  aber  der  Schafmist,    die   im  Boden   befindliche 


—    80    — 

Säure   neutralisiert  —  woraus   sich   dann   auch  die  geringe 
AVirkung  des  Mergels  auf  reichlich  gedüngtem  Boden  erklärt. 

Diesen  Erfahrungen  und  Untersuchungen  zufolge  ist  die 
Gegenwart  einer  Säure  —  wahrscheinlich  der  Humussäure  — 
die  Bedingung,  unter  welcher  der  Kalk  sich  als  Düngungs- 
mittel zeigt,  und  der  Kalk  ist  dann  nur  das  Vehikel,  um  die 
Humussäure  in   auflösliche  Pflanzennahrung  zu  verwandeln. 

Diese  aus  den  Erfahrungen,  welche  das  Mergeln  dar- 
bietet, geschöpfte  Ansicht  wird  durch  die  Aufklärungen,  die 
dieser  Gegenstand  durch  die  Untersuchungen  des  Herrn 
Professors  Sprengel  späterhin  erhalten  hat,  nicht  widerlegt, 
sondern  vielmehr  bekräftigt.  Denn  nach  Sprengel  ist  der 
humussaure  Kalk  ein  treffliches  Nahrungsmittel  für  die 
Pflanzen,  und  wird  durch  die  Verbindung  mit  dem  im  Mist 
enthaltenen  Ammoniak  leicht  löslich,  während  die  Humus- 
säure selbst  im  Wasser  sehr  schwer  löslich  ist. 

Ein  sehr  wesentlicher  Unterschied  zwischen  den  mine- 
ralischen Düngungsmitteln  und  den  animalisch-vegetabilischen 
Dungmitteln  zeigt  sich  ferner  darin,  daß  wenn  der  Boden 
von  jenen  eine  gewisse  Quantität  erhalten  hat,  ein  fernerer 
Zusatz  desselben  Minerals  sich  auf  die  Beförderung  des 
Pflanzenwachstums  völlig  wirkungslos  zeigt,  während  jeder 
fernere  Zusatz  von  animalisch-vegetabilischem  Dung  eine 
immer  üppigere  —  wenn  auch  nicht  immer  einträglichere  — 
Vegetation  zur  Folge  hat. 
74  Zu  Tellow  und  auf  anderen  mecklenburgischen  Gütern 
hat  sich  in  der  Wirkung  kein  Unterschied  gezeigt,  wenn 
10,  20  oder  40  K.  F.  Mergel  auf  die  Quadratrute  gebracht 
wurden.  Zwei  Mergelarten  von  11  "/o  und  von  30  ^/o  Kalkgehalt 
in  gleicher  Stärke  nebeneinander  gefahren,  ließen  keinen  Unter- 
schied im  Stande  der  darauffolgenden  Frucht  wahrnehmen. 
Eine  zweite  Mergelung  zeigt  da,  wo  beim  ersten  Mergeln 
richtig  verfahren  ist,  keine  Wirkung  —  ausgenommen,  wenn 
der  Boden  an  Nässe  leidet,  und  wieder  Sauerampfer  erzeugt. 


—    81    — 

Auch  beim  Gips  zeigt  sich  eine  ähnliclie  Erscheiming. 
Bei  einem  zu  T.  geraachten  Versuch  konnte  zwischen  dem, 
mit  1/2  U.  und  dem  mit  12  it.  Gips  pro  Quadratrute  be- 
streuten Klee  kein  unterschied  wahrgenommen  werden ;  und 
auf  einer  Wiese,  die  seit  9  Jahren  jährlich  mit  1/2  fl.  Gips 
pro  Quadratrute  bestreut  wurde,  scheint  der  Gips  alhnählich 
seine  Wirkung  mehr  luid  mehr  zu  versagen. 

Aber  auch  diese  Erscheinungen  finden  in  der  neueren 
Chemie  ihre  Erklärung.  Der  Gehalt  der  Pflanzen  an  mine- 
ralischen Stoffen  ist  sehr  gering,  und  eine  kleine  dem  Boden 
erteilte  Quantität  dieser  Stoffe  genügt  dem  Bedürfnis  der 
Pflanzen  auf  mehrere  Jahre.  Bringt  man  nun  von  diesen 
Stoffen  mehr  auf  den  Acker,  als  zu  der  chemischen  Kon- 
stitution der  Pflanzen  und  zur  NeutraHsation  der  im  Boden 
befindlichen  Säuren  erforderlich  ist,  so  wird  der  Rest  für 
die  Vegetation  indifi'erent,  oder  wirkt  nur  noch  physisch, 
wie  Ton  und  Sand. 

Es  gibt  aber  auch  Bodenarten,  auf  welchen  die  meisten 
mineralischen  Düngungsmittel  sich  erfolglos  zeigen*).  So 
hat  z.  B.  auf  dem  am  Hofe  liegenden  Acker  des  Gutes  T.  75 
der  Mergel  auf  den  Höhen  gar  keine,  in  den  Niederungen 
nur  eine  sehr  geringe  Wirkung  gezeigt;  der  Gips  äußert 
hier  ebenfalls  nur  eine  geringe  Wirkung,  während  derselbe 
auf  dem  vom  Hofe  entfernteren  Acker  mit  großem  Erfolge 
angewandt  wird.  Auch  haben  Knochenmehl  und  Kochsalz 
sich  bei  den  damit  angestellten  Versuchen  auf  diesem  Acker 
wie  auf  dem  ganzen  Felde  bis  jetzt  wirkungslos  gezeigt. 

Ein  solcher  Boden  ist  nicht  durch  mineralische  Düngungs- 
mittel, sondern  nur  durch  verstärkte  Mistdüngungen  zu  einem 
höheren  Ertrage  zu  bringen. 

*)  Ich  bemerke  jedoch,  daß  ich  die  stickstoffhaltigen  Körper, 
wie  Salpetersäure  und  Ammoniak  und  deren  Verbindungen  mit 
anderen  Stoften  nicht  zu  den  mineralischen,  sondern  zu  den  or- 
ganischen Dungmitteln  rechne. 

Thünen,  Der  isolierte  Staat.  6 


—    82    — 

Vorzüglicli  ist  es  der  schon  lange  in  Kultur  befindliche, 
gut  entwässerte  und  reichlich  mit  Mist  gedüngte  Boden,  auf 
welchem  die  mineralischen  Dfingnngsmittel  nur  einen  ge- 
ringen, oder  auch  gar  keinen  Erfolg  äußern. 

Nun  geht  aus  den  chemischen  Analysen  selbst  hervor, 
daß  im  Mist,  d.  i.  in  den  mit  Streustroh  untermischten 
Exkrementen  des  Yiehes,  alle  mineralischen  Stoffe,  welche 
die  Pflanze  zu  ihrer  Konstitution  bedarf,  schon  enthalten 
sind.  Es  ist  also  auch  begreiflich,  daß  ein  nach  kurzen 
Zeiträumen  regelmäßig  und  reichlich  mit  Mist  gedüngter 
Acker  keinen  Mangel  an  jenen  mineralischen  Stoffen  hat, 
imd  daß  eine  Zuführung  derselben  sich  hier  fruchtlos  zeigt. 

Nach  unserer  oben  gegebenen  Definition  besteht  aber 
der  Humus  aus  den  Rückständen  fiüherer  Mistdüngungen, 
und  es  sind  folglich  im  Humus  auch  alle  zur 
Ernährung  unserer  Kulturpflanzen  erforder- 
lichen mineralischen  Stoffe  vorhanden. 

Wenn  aber  durch  zu  häufige  Wiederkehr  von  Kultur- 
pflanzen, die  vorzugsweise  einzelne  Bestandteile  des  Humus 
sich  aneignen,  wenn  z.  B.  durch  den  Rapsbau  der  Kali- 
gehalt, durch  den  Kleebau  der  Gips,  durch  den  Flachsbau 
76  der  Talkerdegehalt  des  Humus  erschöpft  und  somit  das 
normale  Verhältnis  in  den  Bestandteilen  des  Humus  auf- 
gehoben ist;  oder  wenn  durch  langes  Dreeschliegen  bei 
schlechter  Entwässerung  der  Humus  versäuert  ist;  oder 
endlich,  wenn  die  im  Humus  ursprünglich  enthaltenen  Salze 
durch  starken  Wasserzufluß  ausgelaugt  und  Aveggeschwemmt 
sind  —  dann,  aber  nach  meiner  Ansicht  auch  nur  dann, 
wird  die  Zuführung  mineralischer  Stoffe  von  großem  Erfolge 
begleitet  sein. 

Was  in  der  Statik  „Humus"  heißt,  darf  mit  dem,  was 
die  Chemiker  so  benennen,  durchaus  nicht  verwechselt 
werden,  da  diese  allen  der  Yerw^esung  unterworfen  gewese- 
nen organischen  Stoffen,  ohne  Rücksicht  auf  ihren  Ursprung, 


—    83      — 

den  Nameu  „H^iwi^is"  erteilen.  Einen  wesentlichen  Be- 
standteil des  Humus  bildet  die  Humnssänre,  und  diese  ist 
sowohl  im  Torf  als  in  dem  Mistrückstand  enthalten.  In 
dem  Gedeihen  unserer  Kulturpflanzen  macht  es  aber  einen 
sehr  wesentlichen  Unterschied,  ob  die  im  Boden  enthaltene 
Humussäure  aus  dem  Torf  oder  aus  den  früheren  Mist- 
düngungen entsprungen  ist,  und  das  Yerhalten  der  Pflanzen 
gegen  beide  mit  einem  Namen  benannte  Säuren  zeigt,  daß 
diese  keineswegs  identisch  sind.  Aus  diesem  Grunde  haben 
die  chemischen  Analysen  des  Bodens  über  den  Gehalt  des- 
selben an  wirklicher  Pflanzennahrung  uns  überall  noch  keine 
Aufklärung  gegeben.  Es  ist  deshalb  wichtig  und  vielleicht 
sehr  folgenreich  für  die  Zukunft,  daß  nach  Herrn  Professor 
Liebig,  die  Chemiker  es  jetzt  erkannt  haben,  daß  die  Humus- 
säure, je  nachdem  sie  aus  Torf  oder  aus  Stärke  gewonnen, 
ist,  in  ganz  verschiedenem  Verhältnis  aus  Kohlenstoff,  Wasser- 
stoff und  Sauerstoff  zusammengesetzt  ist. 

Da  nun  im  Humus  —  in  der  statischen  Bedeutung  — , 
solange  derselbe  im  normalen  Zustand  ist,  schon  alle  zur 
Ernährung  der  Pflanzen  erforderlichen  mineralischen  Stoffe 
enthalten  sind,  ein  fernerer  Zusatz  dieser  Mineralien  aber 
nur  mechanisch  und  physisch  wie  die  übrige  Erde  wirkt:  so  77 
ist  die  Entgegensetzung  von  Erde  und  Humus  dadurch  auch 
gerechtfertigt. 

Die  Aufgabe  der  Statik  ist:  den  Verlust  an  Ertrags- 
fähigkeit, den  der  Boden  durch  die  Ernten  erleidet,  und  den 
Zuwachs  an  Ertragsfähigkeit,  den  derselbe  durch  Zuführung 
einer  gegebenen  Quantität  Mist  erhält,  für  die  verschiedenen 
Bodenarten  in  Zahlen  anzugeben. 

Der  Statik  an  sich  ist  es  gleichgültig,  welche  Bestand- 
teile des  Mistes  und  des  Humus  die  eigentliche  Pflanzen- 
nahrung bilden,  ob  das  Wasser,  nach  v.  Helmont,  der  Kohlen- 
stoff nach  Hassenfratz,  oder,  wie  die  neuere  Chemie  will, 
die  im  Mist   enthaltenen  mineralischen  Bestandteile  die  Ur- 

6* 


—     84    — 

Sache  der  günstigen  Ein^Yirkung  desselben  auf  die  Vegetation 
sind.  Die  Statik  hat  es  nur  mit  der  Größe  der  Gesamtwirkung 
aller  im  Mist  enthaltenen  düngenden  Stoffe  zu  tun.  Dadurch 
wird  sie  aber  von  der  Argrikulturchemie  völlig  unabhängig, 
und  die  durch  Beobachlungeu  und  Yersuche  gefundenen 
Zalilen  für  die  Wirkung  einer  gegebenen  Quantität  Dung 
bleiben  unverändert,  welchen  Bestandteil  des  Mistes  man 
jetzt  oder  künftig  als  den  eigentlich  nährenden  anerkennen  mag. 

Hätte  man  nicht  eher  Landbau  treiben  wollen,  als  bis 
man  darüber  einig  gewesen,  wie  und  durch  welche  Bestand- 
teile der  Mist  wirke:  so  wäre  das  Menschengeschlecht  ver- 
hungert. Ebensowenig  aber  wie  der  praktische  Landbau 
darf  die  Statik  ihre  Fortbildung  bis  zur  Lösung  jener  Frage 
aufschieben. 

Aber  die  Chemie  kann,  namentlich  in  der  fruchtbaren 
Anwendung,  die  Herr  Professor  Sprengel  davon  auf  die 
Landwirtschaft  gemacht  hat,  manche  Probleme,  zu  deren 
Lösung  wir  auf  dem  Wege  der  bloßen  Beobachtung  vielleicht 
78 Jahrhunderte  gebrauchen,  auf  einmal  in  ein  helles  Licht 
stellen  und  dadurch  die  Statik  sehr  fördern ;  sie  kann,  wenn 
das  normale  Verhältnis  in  den  Bestandteilen  des  Humus 
gestört  ist,  uns  zeigen,  welche  Stoffe  wir  dem  Acker  zuführen 
müssen,  um  ihn  fruchtbarer  zu  machen  und  dadurch  dem 
praktischen  Landbau  höchst  nützlich  werden.  Kein  rationeller 
Landwirt  kann   ferner  der  Kenntnis  der  Chemie  entbehren. 


Der  Kohlenstoff  bildet  der  Quantität  nach  den  Haupt- 
bestandteil unserer  Kulturpflanzen ;  auch  im  Mist  und  Humus 
maclit  der  Kohlenstoff  den  hervorragendsten  Bestandteil  aus ; 
der  Boden  trägt  um  so  üppigere  Früchte,  je  mehr  Mist  und 
folglich  auch  Kohlenstoff  derselbe  empfängt;  beim  fort- 
gesetzten Anbau  des  Bodens  nimmt  der  Ertrag  der  nach- 
einander folgenden  Früchte  fortsclu'eiteud  ab,  aber  der  Boden 


—    85    — 

erhält   seine  Fruchtbarkeit  wieder,   wenn   ihm  Mist,   mithin 
auch  Kohlenstoff,  zugeführt  wird. 

Aus  diesen  einfachen  Tatsachen  hat  sich  die  Meinung 
gebildet,  daß  unsere  Kulturgewächse  ihren  Bedarf  an  Kohlen- 
stoff zum  großen  Teil  aus  dem  Boden  beziehen. 

In  neuerer  Zeit  hat  aber  Herr  Professor  Liebig  in  seiner 
Schrift  „Die  organische  Chemie"  S.  56  folgende  Behauptung 
aufgestellt : 

„Im  allgemeinen  erschöpft  keine  Pflanze  in  ihrem  Zu- 
„stande  der  normalen  Entwicklung  den  Boden,  in  Beziehung 
„auf  seinen  Gehalt  an  Kohlenstoff;  sie  macht  ihn  im  Gegen- 
„teil  reicher  daran." 

Wenngleich  durch  diese  frappante  Behauptung  die  Statik 
des  Landbaues  nicht  gefährdet  wird,  so  Imt  die  Schrift  des 
Herrn  Professors  Liebig  doch  zu  viel  Aufsehen  erregt,  und 
der  Gegenstand  ist  für  die  Lehre  von  der  Ernährung  der 
Pflanzen  zu  wichtig,  um  denselben  hier  ganz  mit  Still- 79 
schweigen  übergehen  zu  dürfen. 

Die  obige  Behauptung  stützt  sich  hauptsächlich  auf 
folgende  zwei  Argumente: 

1.  Nach  Sprengel  löst  sich  ein  Teil  der  Humussäure 
in  2500  Teilen  Wasser;  die  Humussäure  verbindet  sich  mit 
Alkalien,  Kalk  und  Bittererde  und  bildet  damit  (setzt  Herr 
Professor  Liebig  hinzu)  Verbindungen  von  gleicher 
Löslich  keit. 

Der  Herr  Verfasser  berechnet  dann,  wie  viele  Humus- 
säure mit  den  in  der  Asche  der  Pflanze  befindlichen  al- 
kalischen Basen  in  die  Pflanze  übergegangen  sein  kann,  und 
findet  den  in  dieser  Humussäure  enthaltenen  Kohlenstoff', 
verglichen  mit  dem  Kohlenstoffgehalt  der  Pflanze,  ver- 
schwindend klein. 

Nach  Sprengel,  auf  den  der  Verfasser  sich  hier  doch 
beruft,  erfordert  aber  das  humussaure  Kali  nicht  2500  Teile, 
sondern  nur  ^/2  Teil  Wasser  zur  Lösung. 


—    86    — 

Aus  der  unrichtigen  Annahme  folgt  aber  unmittelbar 
die  Wertlosigkeit  der  darauf  gestützten  Berechnung. 

2.  Nach  Herrn  Professor  Liebigs  Angabe  wachsen  auf 
einer  Fläche  von  2500  Quadratmeter  (zirka  115  mecklen- 
burgische Quadratruten): 

a)  mit  Holz  bestanden,  jährlich  2650  U.  lufttrocknes  Holz, 
worin  1007  //.  Kohlenstoff  enthalten  sind; 

b)  mit  Roggen  besäet,  2580  iL  Korn  und  Stroh,  mit  einem 
Kohlenstoffgehalt  mit  1020  U.-^ 

c)  mit   Runkelrüben  bestellt,   18—20000  U.^   worin   ohne 
die  Blätter  936  iL  Kohlenstoff  enthalten  sind ; 

d)  auf  derselben  Fläche  Wiese  erhält  man  im  Durchschnitt 
2500  iL  Heu  mit  1008  iL  Kohlenstoff. 

80  2500  Quadratmeter  Wiese,    Wald,   bringen  mithin  hervor  an 

Kohlenstoff 1007  //.; 

das  Kulturland  von  gleicher  Fläche, 

Runkelrüben  ohne  Blätter 936  /^., 

Getreide 1020  iL. 

Hieran  reiht  nun  der  Herr  Verfasser  folgende  Betrach- 
tungen und- Schlüsse: 

„Wo  nimmt,  muß  man  fragen,  das  Gras  in  den  Wiesen, 
„das  Holz  im  Walde  seinen  Kohlenstoff  her,  da  man  ihm 
„keinen  Dünger,  keinen  Kohlenstoff  zugeführt  hat,  und  woher 
„kommt  es,  daß  der  Boden,  weit  entfernt,  an  Kohlenstoff 
„ärmer  zu  werden,  sich  jährlich  noch  verbessert. 

„Niemandem  wird  es  in  den  Sinn  kommen ,  den  Ein- 
„fluß  des  Düngers  auf  die  Entwicklung  der  Kulturgewächse 
„zu  leugnen,  allein  mit  positiver  Gewißheit  kann  man  be- 
„haupten ,  daß  er  zur  Hervorbringung  des  Kohlenstoffs  in 
„den  Pflanzen  nicht  gedient,  daß  er  keinen  direkten  Ein- 
„fluß  darauf  gehabt  hat,  denn  wir  linden  ja,  daß  der  Kohlen- 
„stoff,  vom  gedüngten  Lande  hervorgebracht,  nicht  mehr 
„beträgt  als  der  Kohlenstoff  des  ungedüngten.  Die  Frage 
„nach    der  Wirkungsweise   des  Düngers  hat   mit  der  nach 


—    87    — 

„dem  Ursprung  des  Kohlenstoffs  nicht  das  Geringste  zu  tun. 
„Der  Kohlenstoff  der  Vegetabilien  muß  notwendigerweise 
„aus  einer  anderen  Quelle  stammen ,  und  da  es  der  Bodea 
„nicht  ist,  der  ihn  liefert,  so  kann  diese  nur  die  Atmosphäre 
„sein." 

Der  Herr  Verfasser  der  organischen  Chemie  hat  hierbei 
aber  übersehen,  daß  eine  Wiese,  die  nie  einen  Ersatz  durch 
Bewässerung  oder  durch  Dungzufuhr  bekommt,  sich  nicht 
auf  dem  Ertrage  von  2500  it  Heu  pr.  2500  DMeter  erhält, 
sondern  von  Jahr  zu  Jahr  geringere  Ernten  liefert  und  im 
Beharrungszustande  nur  noch  etwa  1/4  des  früheren  Ertrags 
bringt. 

Diese  Abnahme  des  Ertrags  an  Heu,  und  damit  auch 81 
an  Kohlenstoff  im  gewonnenen  Heu,  kann,  da  die  Atmo- 
späre  immer  dieselbe  Fülle  von  kohlensaurem 
Gas  darbietet,  nur  daher  rühren,  daß  die  späteren  Gras- 
ernten weniger  Kohlenstoff  aus  dem  Boden  aufnehmen,  weil 
die  früheren  Ernten  einen  Teil  des  Kohlenstoffgehalts  des 
Bodens  hinweggenommen  und  zu  ihrer  Nahrung  verwandt 
haben. 

"Was  der  Herr  Verfasser  als  Grundlage  für  die  Richtig- 
keit seiner  Behauptung  aufstellt,  dient  also  gerade  zum  Be- 
weis für  das  Gegenteil. 

Daß  übrigens  das  Verhältnis,  in  welchem  die  Pflanzen 
den  erforderlichen  Kohlenstoff  aus  der  Atmosphäre  und  aus 
dem  Boden  nehmen,  bei  Gewächsen  von  verschiedenen 
Gattungen  gar  sehr  verschieden,  anders  bei  den  Bäumen  als 
bei  den  Halmfrüchten  und  wiederum  anders  bei  den  Schoten- 
gewächsen ist  —  dies  ist  in  der  Statik,  wie  in  der  praktischen 
Landwirtschaft  längst  bekannt  und  anerkannt.  Die  Ermitte- 
lung dieses  Verhältnisses  ist  gerade  eine  der  wichtigsten, 
aber  auch  schwierigsten  Aufgaben  der  Statik. 


—    88    — 

Seit  der  Bearbeitung  der  Isteü  Auflage  dieser  Schrift 
sind  jetzt  16  Jahre  verflossen,  und  es  kann  nicht  fehlen, 
daß  meine  Ansichten  in  der  so  jungen  Wissenschaft,  der 
Statik  des  Landbaues,  bei  unausgesetzten,  sorgfältigen  Be- 
obachtungen sich  seitdem  weiter  ausgebildet  und  in  manchen 
Punkten  geändert  haben,  wie  sich  auch  schon  aus  dem  Vor- 
hergehenden ergibt.  Da  ich  nun  aber  nicht  die  Zeit  daran 
wenden  kann,  welche  erforderlich  wäre,  um  alle  in  dieser 
Schrift  vorkommenden,  auf  statische  Sätze  sich  gründenden 
Berechnungen  neu  zu  formieren,  so  hätte  diese  2te  Auflage 
82 ganz  unterbleiben  müssen,  wenn  aus  meinen  jetzigen  An- 
sichten wesentlich  veränderte  Resultate  hervorgingen. 

Glücklicherweise  aber  kommen  in  dieser  Schrift  die 
schwierigsten  und  am  wenigsten  festgestellten  Sätze  der 
Statik  über  das  Verhältnis  zwischen  Reichtum  und  Ertrag 
bei  verschiedenen  Stufen  des  Reichtums  und  über  die 
Änderung  der  Tätigkeit  und  Qualität  mit  der  Änderung  der 
Bodenart  hier  gar  nicht  zur  Sprache,  indem  in  dieser  Schrift 
immer  nur  von  einem  und  demselben  Boden,  der  in  bezug 
auf  seinen  Reichtum  im  beharrenden  Zustande  ist,  und  der 
überall  nach  reiner  Brache  8  Körner  liefert,  die  Rede  ist. 

Zwar  ist  hier  vielfach  derselbe  Boden  auf  verschiedenen 
Stufen  des  Ertrages  in  Betracht  gezogen,  aber  von  dem 
diesen  Ertragsstufen  entsprechenden  Bodenreichtum  ist  dann 
nicht  die  Rede,  und  man  kann  den  Reichtum  des  Bodens, 
der  mehr  oder  weniger  als  8  Körner  liefej't,  überall  =  x 
setzen  oder  als  unbekannt  annehmen,  ohne  daß  sich  dadurch 
im  Resultat  etwas  ändert.  Nur  in  den  statischen  Tableaux 
über  den  Reichtum  des  Bodens  in  den  verschiedenen  Wirt- 
schaftssystemen findet  hiervon  eine  Abweichung  statt.  Unseren 
Berechnungen  liegt  der  aus  der  Erfahrung  entnommene  Satz 
zu  Grunde,  daß  auf  dem  Gersteboden  von  8  Körnern  Er- 
trag die  relative  Aussaugung  ^5  und  der  Reichtum  400°  in 
1000  DR.   beträgt.     Nun   sind  aber  die  Tableaux  nicht  für 


—    89    — 

Boden  von  8,  sondern  von  10  Körnern  Ertrag  berechnet, 
und  der  Eeichtum  desselben  zu  500^,  also  im  direkten  Yer- 
Mltnis  mit  dem  Ertrage  stehend,  angenommen,  was  nach 
meiner  jetzigen  Ansicht  nicht  richtig  ist.  Da  aber  diese 
Tableanx  nur  zur  Vergleichung  dienen,  von  dem  Er- 
trage von  8  Körnern  als  Angelpunkt  ausgehen  und  auch 
Avieder  darauf  zurückgehen,  so  hat  dies  keine  weitere  Folge. 

Die   Substituierung  von  Tableaux  für  8  Körner  Ertrag  83 
und  400*^   Eeichtum   wäre   leicht  gewesen ,    hätte    aber   im 
Verfolg  der  Schrift  eine  Menge  Korrekturen  erfordert,  ohne 
die  Resultate  der  Untersuchung  zu  ändern. 

Meine  späteren  Erfahrungen  haben  mich,  auch  in  dem 
Teil  der  Statik,  der  in  dieser  Schrift  zur  Anwendung  kommt, 
zu  einigen  Änderungen  in  den  Zahlenverhältnissen  geführt; 
aber  diese  Änderungen  sind  nicht  von  der  Art,  daß  dadurch 
die  Richtigkeit  der  in  Worten  ausgesprochenen  Endresultate 
dieser  Untersuchung  erschüttert  wird. 

Dagegen  haben  meine  später  gesammelten  Erfahrungen 
über  den  Ertrag  und  die  Aussaugung  des  Rapses  Resultate 
gegeben,  die  von  meinen  früheren  Annahmen  sehr  abweichend 
sind.  Das  Kapitel  über  den  Rapsbau  ist  deshalb  ganz  um- 
gearbeitet. 

Um  den  Lesern  eine  Übersicht  meiner  späteren  statischen 
Ansätze  zu  geben  und  zugleich  die  Form  meiner  Berechnung 
darzulegen,  habe  ich  am  Schluß  dieses  Buches  im  Anhang 
sub.  Nr.  1  ein,  in  neuester  Zeit  entworfenes  statisches  Tableaux 
von  der  10  schlägigen  Wirtschaft,  welche  jetzt  zu  Tellow  auf 
der  dem  Hofe  zunächst  liegenden  Hälfte  des  Acker  eingeführt 
ist,  mitgeteilt. 


90    — 


In  welchem  Verhältnis  mufs  bei  der 
Dreifelderwirtschaft  Acker  und  Weide  gegen- 
einander stehen,  wenn  der  Acker  sich  in  gleicher 
Dungkraft  erhalten  soll? 

Die  Dreifelderwirtschaft,  deren  Reiclitiam  zu  Anfang  des 
Umlaufs   500°  war,   hatte  am   Ende   desselben   noch  442,2° 
Reichtum  und  verliert  also  in  einem  Umlaufe  57,8°. 
84         Ein  Fuder  Dung  ist  gleich  3,2°;   zu   57,8°  gehören  also 

o7  8 

-— ^  =  18  Fuder  Dung,  und  eines  solchen  jährlichen  Zu- 
schusses bedarf  die  Dreifelderwirtschaft,  wenn  sie  in  gleicher 
Dungkraft  bleiben  soll. 

Wenn  nun  dieser  Dungzuschuß  allein  aus  der  mit  dem 
Acker  vei'bundenen  Weide  hervorgehen  soll,  so  fragt  es  sich, 
wieviele  Quadratruten  Weide  erforderlich  sind,  um  18  Fuder 
Dung  für  das  Ackerland  zu  liefern. 

Da  diese  Weide  nie  aufgebrochen  und  verjüngt  wird, 
so  ist  sie  viel  schlechter  als  die  Weide  in  der  Koppelwirt- 
schaft und  steht  in  der  Produktivität  zu  letzterer  ungefähr 
in  dem  Verhältais  von  2:3;  weshalb  eine  Kuh ,  oder  eine 
dafür  zu  substituierende  Zahl  Schafe,  anstatt  270  DR-  hier 
405  DR-  zur  Weide  bedarf.  In  der  Koppelwirtschaft  er- 
zeugen 1000  DR-  Weide  10,i  Fuder  Dung,  hier  aber,  weil 
die  Dungerzeugung  mit  der  Grasproduktion  im  Verhältnis 
steht,  nur  2/3  dieses  Quantums,  also  2/3  X  10,i  =  6^/4  Fuder. 

Wird  nun  die  Weide  durcli  Schafe  genutzt,  so  kann  die 
Hälfte  des  Düngers,  den  die  Weide  gibt,  für  das  Ackerland 
gewonnen  werden,  wenn  die  Schafe  des  Nachts  auf  der 
Bi'aohe  in  Hürden  liegen.     Unter  diesen  Bedingungen  geben 


—    91    — 

1000  QR.  Weide   ß'^/4  X  V2   =   3'^/s   Fuder  Dung  für  das 

Ackerland  ab. 

Der    Dungbedarf   des  Ackerlandes   ist   18   Fuder;    um 

18 
diese  zu  gewinnen  werden  erfordert  ^    X    1000   QR-   = 

5333  DR.  Weide. 

Wenn  also  die  3  F.  W.  sich  in  sich  selbst  erhalten  soll, 
so  müssen  3000  GR.  Ackerland  mit  5333  DR.  Weide  ver- 
bunden sein ;  oder  von  8333  DR.  muß  der  Acker  3000  DR., 
die  Weide  5333  DR.  betragen. 

Für  eine  Fläche   von  100  000  DR-   wird   unter  diesem  85 
Verhältnis  der  Acker  betragen 

8333  :  3000  =:  100000  :  |^  X   100000  =   36000   DR. 

5333 

Die  Weide  beträgt  alsdann  '^^  X   100000   =  64000   DR. 

Die  reine  Koppelwirtschaft  kann  ebensowenig  als  die 
reine  3  F.  W.  ohne  Wiesen  bestehen,  weil  zur  Unterhaltung 
des  Viehes  im  Winter  das  Heu  unentbehrlich  ist,  wenn 
dies  nicht  durch  eine  sehr  kostbare  Körnerfütterung  ersetzt 
werden  soll. 

Der  Zweck  unserer  Untersuchung  fordert  aber,  daß  wir 
das  Ackerland,  sowohl  in  seinem  Geldertrage  als  in  seiner 
Duugproduktion ,  für  sich  allein,  also  getrennt  von  den 
Wiesen  betrachten,  und  es  fragt  sich  nun,  wie  aus  dem 
Reinertrage  eines  aus  Acker  und  Wiesen  zusammengesetzten 
Guts  der  Reinertrag  und  die  Duugproduktion  jedes  dieser 
beiden  Gegenstände  gefunden  werden  kann. 

Der  Wert  des  Heues  zerfällt  in  zwei  Teile:  Istens  in 
seinen  Futterwert,  und  2tens  in  den  Wert,  den  der  aus 
der  Verfütterung  des  Heues  erfolgende  Dung  hat. 

Der  Futterwert  des  Heues  läßt  sich  aus  der  reinen 
Nutzung,  den  das  Milchvieh  und  die  Schafe  geben,  be- 
rechnen. 


—    92    — 

Den  Dangwert  des  Heues  habe  ich  nach  folgendem 
Prinzip  bestimmt: 

Man  denke  sicli  das  zu  einem  Gute  gehörende  Aclcer- 
land,  von  gleicher  Güte  und  gleichem  Reichtum  in  zwei  Ab- 
schnitte geteilt.  Der  erste  Abschnitt  erhalte  den  sämtlichen 
aus  den  Wiesen  erfolgenden  Dungzuschuß  und  liege  in  einer 
Koppelwirtschaft  mit  einer  verhältnismäßig  so  gi'oßen  Korn- 
aussaat, daß  sie  sich  mit  Hilfe  des  Dungzuschusses  nur  ge- 
rade in  gleicher  Dungkraft  erhält.  Der  zweite  Abschnitt 
liege  in  einer  Koppelwirtschaft,  bei  welcher  das  Verhältnis 
86  der  Korn  Saaten  zu  den  Weidenschlägen  von  der  Art  ist,  daß 
sie  sich  in  und  durch  sich  selbst  in  derselben  Dungkraft, 
worin  sie  einmal  ist,  erhält.  Der  höhere  reine  Geldertrag 
des  ersten  Abschnittes  von  gleicher  Fläche  ist  dann  allein 
dem  Dungzuschuß  beizumessen,  und  aus  der  Größe  dieses 
Zuschusses,  verglichen  mit  dem  Geldüberschuß,  ergibt  sich 
dann  der  Geldwert  eines  Fuders  Dung. 

Die  Statik  liefert  die  Data  zu  einer  solchen  Berechnung. 

Wie  aber  das  Verhältnis  zwischen  Acker  und  Weide  in 
der  3  F.  W.  verändert  wird,  wenn  das  Ackerland  einen 
Teil  seines  Dungbedarfs  von  den  Wiesen  erhält,  mag  folgen- 
des Beispiel  zeigen: 

Gesetzt  mit  der  Fläche  von  100000  DR.  Acker  und 
Weide  seien  Wiesen  verbunden,  deren  jährlicher  Ertrag 
100  Fuder  Heu  ä  1800  ü.  ausmache. 

Ein  Fuder  Heu  von  1800  //.  liefert  durch  Verfütterung 

-rT=r-  —  2,07  Fuder  Dung;  durch  100  Fuder  Heu  erhält  das 

8<0  '  *' 

Ackerland  einen  Zuschuß  von  207  Fuder  Dung. 

Eine  Ackerfläche  von  300(1  DH-  bedarf  eines  jährlichen 

Zuschusses  von  18  Fuder  Dung;  207  Fuder  reichen  also  hin 

207 
für    ^g  -  X   3000   ^   34  500   Gß-    Ackerland.      Zieht   man 

diese  34500  DR.  von  der  ganzen   Fläche  =  100000  QR. 


I 


—    93    — 

ab,  so  bleiben  nocli  65  500  DR-,  tlie  keinen  weiteren  Znschul^ 

erhalten  können,  nnd  die  sich  in  sich  selbst  erhalten  müssen. 

Unter  dieser  Bedingung  beträgt  aber  das  Ackerland,  wie  wir 

36 
oben  gefunden  haben,  -zr~-r  der  ganzen  Fläche,  und  die  Weide 

-r—    derselben,    welches   für  eine  Fläche  von   65500   QR. 

an  Acker  65 500  X  -tkq    =    23  580    DR-,    mid    an    Weide 87 

64 
65500  X  ^^   =  ^1920  DR.  ergibt. 

Es  beträgt  demnach 

1.  das  Ackerland,  was  sich  durch  den  Dung- 
zuschuß aus  den  Wiesen  erhält     ....  34500  DR- 

2.  das  Ackerland,  was  seinen  Dungbedarf  von 

der  Weide  erhält .     .  23  580  DR. 

Summe  des  Ackers  58080  DR. 

3.  die  Weide 41920  DR. 

Auf  Acker  von  einem  niedrigeren  Körnerertrag  reicht  der- 
selbe Dungzuschuß  für  eine  größere  Ackerfläche  hin. 


§  9. 
Wie  verhält  sich   der  Körnerertrag  des  Roggens 
in  der  Koppelwirtschaft  zu  dem  in  der  Dreifelder- 
wirtschaft, wenn  die  Ackerflächen,  auf  denen 
beide  Wirtschaftsarten  betrieben  werden,  im 
ganzen  gleichen  Reichtum  an  Pflanzen- 
nahrung enthalten? 

Wenn  man  eine  3  F.  W,  in  eine  siebenschlägige  Koppel- 
wirtschaft umlegt,  so  wii'd  nun  die  ganze  auf  dem  Hofe  befind- 
liche Dangmasse  auf  den  Tten  Teil  des  Feldes  gebracht,  anstatt 
daß  sie  bisher  auf  den  3ten  Teil  dieses  Feldes  verteilt  wurde. 


—     94     — 

Aus  diesem  Grunde  muß  also  der  ßoggeu  schon  im 
ersten  Jahre  nach  der  Umlegung  einen  höheren  Ertrag  geben 
als  früher  in  der  3  F.  W. ;  aber  dieser  erhöhte  Ertrag  be- 
weist keineswegs  einen  erhöhten  Reichtum  des  ganzen  Fel- 
des —  welcher  im  ersten  Jahre  noch  gar  keine  Veränderung 
erlitten  haben  kann  — ,  sondern  rührt  bloß  von  der  größereu 
Konzentrieruug  des  Dungs  auf  einen  Teil  des  Feldes  her. 

Wir  dürfen  also  durchaus  nicht  Koppel-  und  Dreifelder- 

88  wirtschaften ,    die  einen   gleichen   Körnerertrag  im   Roggen 

geben,  miteinander  vergleichen;   sondern   wir  müssen  aus- 

mitteln,  wie  bei  gleichem  Reichtum  beider  Ackerflächen  der 

Körnerertrag  sich  gegeneinander  verhalte. 

Der  Reichtum  des  ganzen  Feldes  ergibt  sich  aus  der 
Summe  des  Reichtums  der  einzelnen  Schläge.  Während  des 
Sommers  ist  die  im  Boden  befindliche  Quantität  Ptlanzen- 
nahrung  einer  steten  Veränderung  unterworfen,  indem  durch 
den  Pflanzen  Wachstum  auf  den  Geti-eidefeldern  eine  stete 
Aussaugung,  auf  den  "Weideschlägen  eine  fortgehende  Dung- 
erzeugung bewirkt  wird.  Wir  wählen  deshalb  den  Frühling 
zum  Zeitpunkt  der  Betrachtung,  wo  die  Vegetation  noch 
nicht  begonnen  hat,  und  alle  Schläge  noch  den  Grad  von 
Reichtum  haben,  der  für  ihren  Ertrag  die  Norm  abgibt. 

Um  verschiedene  Wirtschaftssysteme  in  dieser  Beziehung 
miteinander  vergleichen  zu  können,  müssen  wir,  außer  dem 
im  Acker  wirklich  befindlichen  Reichtum,  auch  noch  den 
auf  dem  Hofe  befindlichen,  aus  der  Ernte  des  vorigen  Jahrs 
erzeugten  oder  noch  zu  erzeugenden  Dung  in  die  Rechnung 
mit  aufnehmen.  Denn  wenn  in  dem  einen  Wirtschafts- 
system der  Dang  schon  im  Frühjahr,  in  dem  anderen  erst 
nach  vollendeter  Saatbestellung  abgefahren  wird,  und  man 
nun  bloß  auf  den  im  Acker  befindlichen  Reichtum  Rücksicht 
nähme:  so  würde  dies  nicht  zu  der  Übersicht  führen,  wie- 
viel Reichtum  im  ganzen  zur  Hervorbringung  einer  gegebenen 
Ernte  erforderlich  ist.     Die  letztere  Wirtschaft  kanu  nämlich 


—    95    — 

ohne   das  auf   dem  Hofe  befindliche  Dungkapital  den  ange- 
nommenen Ertrag  nicht  liefern. 

Die  Data  zu  einer  solchen  Berechnung  können  wir  aus 
den  in  §  7  mitgeteilten  Tabellen  über  den  Fruchtbarkeits- 
zustand der  K.  W.  und  der  3  F.  W.  entnehmen.  Nur  ist  89 
noch  zu  bemerken,  daß,  da  wir  in  der  K.  W.  Weidegang 
voraussetzen,  der  durch  die  Weide  erzeugte  Dung  auf  dem 
Felde  selbst  bleibt  und  nicht  nach  dem  Hofe  kommt;  da  nun 
die  Dungerzeugung  eines  Weideschlages  lU,i  Fuder  beträgt, 
so  wird  der  Reichtum  dieses  Schlages  mit  jedem  Jahr  um 
10,1  X  3,2»  =  32,30  erhöht. 

Reichtum  einer  siebeDsclilägigen  Koppelwirtschaft 

beim  Ertrage  von  10  Körnern. 

Grade. 

Ister  Schlag.    Roggen  enthält 500° 

2ter  Schlag.      Gerste 400» 

3ter  Schlag.      Hafer 325« 

4ter  Schlag.      Weide 265» 

5ter  Schlag.      Weide 297,3" 

6ter  Schlag.      Weide 329,60 

7ter  Schlag.      Brache 361,9^' 

Düngung  aus  dem  Stroh  41,4  Fuder  a  3,2°  ....     132,5° 

In  7000  DR.  sind  enthalten .  2611,3° 

dies  macht  auf  1000  DR 373° 

Reichtum  einer  Dreifelderwirtschaft  beim  Ertrage 
von  10  Körnern. 

Grade. 

Istes  Feld.    Roggen 500° 

2tes  Feld.     Gerste      . 400° 

3tes  Feld.     Brache 325° 

Düngung  aus  dem  Stroh  32^/2  Fuder  a  3,2°  ....     104° 

3000  DR.  enthalten .     .  1329° 

dies  macht  auf  1000  DR 443° 


—    96    — 

Um  einen  Körnerertrag  =  10  im  Roggen  hervorzu- 
bringen, bedarf  die  Dreifelderwirtschaft  in  1000  DR.  Acker 
eines  Reichtums  von  443°,  während  in  der  Koppelwirtschaft 
90  ein  Reichtum  von  373°  dazu  hinreicht.  Der  Reichtum  von 
373°  in  1000  GR.  würde  dagegen  in  der  Dreifelderwirtschaft 
nur  8,4  Körner  hervorbringen ;  denn 

443°  :  373°  =  10  :  ^  X  10  =  8,4. 
443  ' 

Derselbe  Acker,  welcher  in  der  3  F.  W.  einen  Ertrag 
von  8,4  Körnern  gab,  wird  also  nach  der  ümlegung  in  eine 
sieben  schlägige  K.  W.  einen  Ertrag  von  lii  Körnern  liefern, 
ohne  daß  der  Reichtum  des  Feldes  im  ganzen  erhöht  wäre; 
oder,  die  Koppelwirtschaft  von  10  Körnern  und  die  Drei- 
felderwirtschaft von  8.4  Körnern  Ertrag  stehen  auf  gleicher 
Stufe  des  Reichtums. 

Reichtum  einer  sechssclilägigen  Fruchtwechselwirt- 
schaft,   wenn   der  Kartoffelschlag  und  der  Roggen- 
schlag nach  Wicken  jeder  500"  enthalten. 

Grade. 
Ister  Schlag.    Kartoffeln 500° 

2ter  Schlag.      Gerste       400° 

3ter  Schlag.      Mähklee 325° 

4ter  Schlag.      Roggen 299° 

oter  Schlag.      "NVicken  zu  Grünfutter,  nach  der 

Düngung 525° 

6ter  Schlag.      Roggen 500° 

0000  DR.  enthalten .  2549° 

dies  macht  für  lOOO  CJR 425" 

Die  F.  AV.  W.  kann  fast  sämtlichen  aus  der  Ernte  des 
vorigen  Jahrs  hervorgegangenen  Dung  im  Frühjahr  zu  Kar- 
toffeln und  Wicken  verwenden.  Aus  diesem  Grunde  ist  hier 
auch  für  den  auf  dem  Hofe  befindlichen  Dung  nichts  in 
Rechnung  gebracht. 


—    97    — 

"Wenn  jemand  den  Geldertrag  einer  F.  W.  W.  (Frucht-  91 
Wechsel  Wirtschaft)  mit  dem  einer  K.  W.  vergleicht  und  für 
beide  Wirtschaftsarten  denselben  Körnerertrag  in  Roggen 
annimmt:  so  berechnet  er  in  der  ersten  Wirtschaft  den 
Ertrag  eines  Ackers  von  425*'  und  in  der  zweiten  den  von 
373*^  mittlerem  Reichtum. 

Die  Nichtbeachtung  dieses  Umstandes  gibt  zu  sehr  ge- 
fährlichen Irrtümern  Anlaß. 

Bei  der  Vergleichung  zweier  Wirtschaftssysteme  muß 
man  unstreitig  Acker  von  gleichem  Reichtum  zu  gründe 
legen.  Nun  verhält  sich  in  der  K.  W.  der  mittlere  Reich- 
tum zu  dem  des  Roggen  Schlages  wie  873"  zu  500'',  in  der 
F.  W.  W.  aber  wie  425°  zu  500*^.  Für  einen  Acker  von 
373°  mittlerem  Reichtum  wird  der  Roggenschlag  in  der 
F.  W.  W.  nur  439°  erhalten;  denn  425  :  500  =  373  :  439. 
Oder,  mit  anderen  Worten,  wenn  eine  K.  W.  in  eine  F. 
W.  W.  umgelegt  wird,  so  erhält  der  Roggenschlag  statt 
500°  jetzt  439°  Reichtum,  und  der  Körnerertrag  muß  schon 
aus  dieser  Ursache  von  10  auf  8,s  zurücksinken. 


§  10. 

Arbeitsersparung  in  der  Dreifelderwirtschaft  im 
Verhältnis  zur  Koppelwirtschaft. 

Die  Berechnung  der  Arbeitskosten  einer  Mürbebrache 
kann  ich  nicht,  wie  bei  der  Dreeschbrache,  aus  einer  viel- 
jährigen ,  über  ein  und  dasselbe  Feld  gefiihrten  Arbeits- 
rechnung entnehmen.  Aber  ich  habe  in  früheren  Jahren  von 
2  Gütern  durch  eigene  Anschauung  und  größtenteils  durch 
eigene  Rechnungsführung  mir  Notizen  über  das  Verhältnis 
zwischen  den  Arbeitskosten  einer  Mürbebrache  und  denen 
fhünen,  Der  isolierte  Staat.  7 


—    98    — 

einer  Dreeschbrache  gesammelt.     Auch  habe  ich   späterhin 

Gelegenheit  gehabt,  vergleichende  Beobachtungen  über  diesen 

92  Gegenstand  anzustellen.     Aus  jenen  Notizen,  verbunden  mit 

diesen  vergleichenden  Beobachtungen,  ist  nun  nachstehende 

Berechnung  entsprungen. 

N%         N2/3 
Tlr.  Tlr. 

Jn   der  Koppelwirtschaft  kostet  die  Bearbeitung 

von  10000  DR.  Dreeschbrache —     274,5 

Die  Bearbeitung  einer  Mürbebrache 
kostet  weniger: 

1.  das  Hacken  des  Dreesches 43 

2.  das  Eggen  der  Dreeschfähre 17,6 

3.  das  Eggen   der  Brache  kostet  statt  24,3  Tlr. 

nur  6,5  Tlr.,  also  weniger 17,8 

4.  das   Eggen    der    Wendfähre    statt    21,4   Tlr. 

nur  16  Tlr.,  also  weniger 5,4 

5.  das    Aufräumen    der    Gräben    statt   9,3    Tlr. 

nur  4,6  Tlr 4,7 

Es  werden  also  erspart 88,5 

Die  Bearbeitung   von    lOoOO  nR.  Mürbebrache 

kostet  demnach 186(2)*). 


§  11- 

Über  den  Einflufs,  den  die  Entfernung  des  Ackers 
vom  Hofe  auf  die  Aibeitskosten  hat. 

In  dieser  Hinsicht  sind  die  Arbeiten  in  folgende 
4  Klassen  zu  teilen : 

Iste  Klasse.  Arbeiten,  deren  Größe  ganz  von  der  Ent- 
fernung abhängt,  z.  B.  Dungfahren  und  Einfahren  des  Kornes. 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  beziehen  sich  auf  die  am 
Schlüsse  dieses  Bandes  hinzugefügten  Bemerkungen. 


—    99    -^ 

2te  Klasse.  Arbeiten,  die  des  Tags  ein  zweimaliges 
Hin-  und  Hergehen  erfordern,  die  aber  durch  Regen  häufig 
unterbrochen  werden,  z.  B.  Mähen,  Binden  und  andere 93 
Erntearbeiten.  Ich  nehme  an,  daß  diese  Unterbrechung  im 
Durchschnitt  täglich  einmal  stattfindet,  so  daß  für  diese 
Klasse  der  dreifache  Zeitverlust,  den  das  Hin-  und  Zurück- 
gehen verursacht,  in  Rechnung  kommt. 

3te  Klasse.  Arbeiten,  die  ein  zweimaliges  Hin-  und 
Zurückgehen  erfordern,  durch  den  Regen  aber  nicht  leicht, 
wenigstens  nicht  so  häufig  als  die  Erntearbeiten  unterbrochen 
werden.  Dahin  gehören  Hacken ,  Eggen ,  Säen ,  Graben- 
machen usw. 

Das  Hacken  mit  Ochsen  scheint  zwar  nicht  zu  dieser 
Klasse  zu  gehören,  da  die  Hacker  des  Morgens  nach  dem 
Felde  gehen  und  erst  des  Abends  zurückkehren,  also  den 
Weg  nach  dem  Orte  der  Arbeit  nur  einmal  des  Tags  hin- 
und  zurückraachen.  Die  Ochsen  müssen  aber,  da  sie  täglich 
3  mal  gewechselt  werden,  den  Weg  4  mal  zurücklegen,  wo- 
durch sie  bei  weiten  Entfernungen  sehr  angegriffen  werden. 
Man  kann  deshalb  das  Hacken  füglich  mit  zu  dieser  Klasse 
rechnen. 

4te  Klasse.  Arbeiten,  die  auf  dem  Hofe  selbst  ge- 
schehen ,  als  Dreschen ,  Dungaufladen ,  Kornabladen  usw. 
Diese  bleiben  immer  gleich,  die  Entfernung  des  Ackers  vom 
Hofe  mag  sein,  welche  sie  wolle. 

Die  Kosten  der  Bedüngung  des  Feldes  und  das  Ein- 
holen des  Kornes  vom  Felde  gehören  zu  verschiedenen 
Klassen. 

Bei  der  Bedüngung  des  Feldes  gehört  die  Gespann- 
arbeit zur  Isten  Klasse,  das  Streuen  des  Dungs  auf  dem 
Felde  zur  3ten,  und  das  Aufladen  auf  dem  Hofe  zur  4ten 
Klasse  der  Arbeiten. 

Die  genauere  Berechnung  hat  ergeben,  daß  von  den 
gesamten  Kosten  der  Bedüngung  des  Feldes 

7* 


—    100    — 

zur  Isten  Klasse  gehören  '/lo 
3ten        „  „        Vio 

4  teil        .,  „        -/lo 

94  Von  den  Arbeiten  beim  Einbringen  des  Kornes  gehört 
die  Gespanaarbeit  zur  Isten  Klasse,  das  Aufstaken  und  Laden 
des  Kornes  auf  dem  Felde  zur  2ten  und  das  Abstaken  und 
Tassen  oder  Bansen  zur  4ten  Klasse. 

Von  den  in  meinen  Arbeitsrechnungen  unter  der  Rubrik 
„Auf-  und  Abladen"  zusammengefaßten  Arbeiten,  betragen 
die  Kosten  der  Arbeit  auf  dem  Felde  fast  ganz  genau  Vs 
und  die  der  Arbeit  auf  dem  Hofe  -/s  des  Ganzen. 

Die  mittlere  Entfernung  des  Ackers  vom  Hofe  beträgt 
auf  dem  Gute  T. ,  welclies  bei  einer  unregelmäßigen  Figm- 
160000  DRut.  Ackerland  enthält,  circa  210  Ruten. 

Wie  ändern  sich  nun  die  Arbeitskosten, 
wenn  dieseEntfernung  sich  ändert,  und  welcher 
Anteil  der  Arbeitskosten  bleibt  dann  noch,  wenn 
die  Entfernung  des  Ackers  vom  Hofe  =  0  ist? 

Die  Arbeitszeit  der  Leute  beträgt  hier  vom  24  sten  März 
an  bis  zum  24 sten  Oktober,  in  welcher  Zeit  die  meisten 
Feldarbeiten  geschehen,  im  Durchschnitt  Ky-.s  Stunden. 

Die  Arbeiter  gebrauchen,  nach  meiner  Beobachtung,  zum 
Hin-  und  Zurückgehen  von  210  Ruten  circa  32  Minuten. 

Für  die  Arbeiten  der  2ten  Klasse,  die  ein  dreimaliges 
Hin-  und  Zurückgehen  erfordern,  gehen  also  täglich  3  X  32 
=  96  Minuten  für  die  eigentliche  Arbeit  verloren,  welches 
•^/20  der  ganzen  Arbeitszeit  ausmacht. 

Von  den  Arbeiten  der  2ten  Klasse  erfordert  das  Hin- 
und  Zurückgehen  2  X  32  =  64  Minuten,  und  die  Arbeits- 
zeit wird  dadurch  um  ^/lo  verkürzt. 

Die  Angabe  der  mittleren  Entfernung  bezieht  sich  auf 
die  Länge  der  geraden  Linie  vom  Mittelpunkt  des  Hofes 
bis  zu  dem  Punkt,  der  die  mittlere  Entfernung  repräsentiert. 
Wegen   der  zwischen  beiden  Punkten  liegenden  Kornfelder, 


—    101    — 

Wiesen,  oder  tiefen  Gräben  können  aber  die  Arbeiter  und 
Gespanne  nicht  die  gerade  Linie  verfolgen,  sondern  müssen,  95 
um  von  einem  Punkt  zum  anderen  zu  gelangen,  einen  mehr 
oder  minder  beträchtlichen  Umweg  machen.  Es  ist  kaum 
möglich,  das  Verhältnis  der  Länge  der  geraden  Linie  zu  der 
des  Umweges  für  das  ganze  Feld  im  Durchschnitt  mit  einiger 
Genauigkeit  anzugeben.  Da  aber,  ohne  eine  solche  Angabe 
nur  diejenigen  Leser,  die  die  Ortlichkeit  des  Gutes  T.  kennen, 
von  diesen  Rechnungen  eine  zutreffende  Anwendung  auf 
andere  Güter  machen  könnten:  so  muß  ich  mir  hier  eine 
Schätzung  erlauben  —  und  dieser  Schätzung  zufolge  nehme 
ich  an,  daß  auf  dem  Gute  T.  die  Länge  der  geraden  Linie, 
wonach  die  mittlere  Entfernung  angegeben  ist,  sich  zu  der 
Länge  des  wirklich  zurückgelegten  Weges  wie  100  zu  115 
verhalte. 

Da  den  hierüber  angestellten  Beobachtungen  zufolge  die 
Arbeiter  zum  Hin-  und  Zurückgehen  einer  Strecke,  welche 
in  gerader  Richtung  210  Ruten  beträgt,  32  Minuten  ge- 
brauchen:   so    würde    daraus    folgen,    daß    der   in    32   Mi- 

115 
nuten   zweimal  wirklich   zurückgelegte  Weg  210  X  ^Tja  = 

2411/2  Ruten  beträgt. 

Bei  ähnlichen  Figuren  von  ungleicher  Größe  stehen 
die  wirklich  zu  durchlaufenden  Wege  im  direkten  Verhältnis 
mit  der  mittleren  Entfernung  in  beiden  Figuren. 

Auf  einem  und  demselben  Gute  ändert  sich  mit  der 
Einteilung  des  Feldes  und  der  Lage  der  Schläge  das  Ver- 
hältnis zwischen  der  Länge  der  geraden  Linie  und  der  des 
Umweges.  Haben  die  Schläge  nicht  die  Richtung  auf  den 
Hof  zu,  sondern  stoßen  sie  unter  einem  rechten  Winkel  auf 
einen  das  Feld  durchschneidenden  Weg:  so  verhält  sich, 
wenigstens  für  einen  Teil  jedes  Schlages,  die  gerade  Richtung 
zu  dem  Umweg  wie  die  Länge  der  Hypothenuse  eines  recht- 
winklichten   Dreiecks    zu   der  Länere   beider   Katheten   zu- 


—     102    — 

96  sammen,  für  das  gleichschenklige  Dreieck  also  wie  V  2  :  2  = 
1  :  y  2,  also  =  100  :  141. 

Bei   der  Wahl   der  Schlageinteilung  eines  Feldes   ver- 
dient dies  Moment  eine  ernste  Berücksichtigung. 


Nach   den   schon  öfters  angeführten  Berechnungen  vom 
Gute   T.   betragen    auf  70000  DRnt.   Acker  von   210   Rut. 
mittlerer  Entfernung,  beim  Ertrage  von  10  Körnern 
die  Bestellungskosten  569,s  Tlr.  N-Zs 
die  Erntekosten     .     .  499,5  Tlr. 
Nach  einer  speziellen  Berechnung,  deren  Mitteilung  hier 
zu  viel  Raum  einnehmen  würde,  gehören 

zur 
1  steil  Kl.   2tenK].    SteiiKl.    4ten  Kl. 

a)  von   den  Bestelluugs- 

kosten  568,3  Tl.  l,r.  Tl. 

davon  gehören  der  Ent- 
fernung an  ^/lo  0 
also              •                        56,8 

b)  von   den  Erntekosten  160,i  Tl.    96,s  Tl.         13,s       228,s 
davon  gehören  der  Ent- 
fernung an       1  ^/■20  ^/lo  0 

also  160,1  14,5  1,1 

Von  den  Bearbeitungskosten,  welche  70000  DR.  Acker 
in  der  Entfernung  von  210  Ruten  vom  Hofe  und  beim  Er- 
trage von  10  Körnern  erfordern,  kommen  (mit  Weglassung 
der  Brüche) 

a)  von  den  Bestellungskosten  =  570  Tlr.  N-';] 
auf  die  Entfernung  vom  Hofe     57  Tlr.  N-Zs 
oder    10    %    vom    Ganzen; 
unabhängig  von  der  Entfer- 
nung sind 513  Tlr. 

97  b)  von  den  Erntekosten         =  ,500 


—    103    — 

auf  die  Entfernung  vom   Hofe  176  Tlr. 
oder  35,2  "/o  vom  Ganzen ;    un- 
abhängig von    der  Entfernung 

sind 324  Tlr. 

Die  Ernte  der  hier  angegebenen  Acker- 
fläche liefert  nach  Abzug  der  Arbeitskosten 
und  der  allgemeinen  Kulturkosten  eine 
Landrente  von 954    Tlr.    WIs 

Wenn  wir  nun  die  durch  die  Entfer- 
nung verursachten  Kosten  einstweilen  bei- 
seite setzen,  oder  was  dasselbe  ist,  die  Ent- 
fernung r=  0  annehmen,  so  werden  von 
den  in  Ausgabe  gebrachten 

570  Tlr.  Bestellungskosten  erspart    ...        57       „        ,, 
500  Tlr.  Erntekosten .     .       176       „        „ 

Bei  der  Entfernung  :=  0  wird  also 
die  Landrente  betragen 1187    Tlr.    Wis 

Mit  jeden  210  Ruten  Entfernung  ändert 
sich  die  Landrente  um 233       „        „ 

N2/3 

Es  ist  demnach  Tal  er 

für        0  Entfernung  die  Landrente 1187 

210  Ruten 954 

420      „         721 

630      „         488 

840      , 255 

1050      „         22 

1070      „         0 

Für  Acker  von  niederem  Körnerertrag  bleiben  die  Be- 
stellungskosten dieselben,  und  die  Erntekosten  nehmen  mit 
dem  Ertrage  ab.  Dasselbe  Verhältnis  findet  für  die  Kosten,  98 
die  die  Entfernung  des  Ackers  vom  Hofe  verursacht,  st-itt. 
Für  einen  Ertrag  von  9  Körnern  gehören  der  Ent- 
fernung an: 


104    — 


a)  von  den  Bestellungskosten 57    Tlr. 

b)  von    den   Erntekosten    176   X    ''  lo    =       158      „ 


N2,^3 


215    Tlr.    K2/3 
Die  Landrente  steigt  oder  fällt  also  mit  jeden  210  Rut. 

Entfernung  um  215  Taler. 

Mit    einem    Kornertrag   vermindern    sieh    die    Kosten 

der  Entfernung   um   18  Tlr.   (genauer  um   17,6   Tlr.),    diese 

sind   also   für   den   Ertrag    von   8  Körnern   =   215  —   18 

=  197  Tlr. 

Hiernacli  ist  nun  folgende  Tabelle  berechnet: 
Die  Landrente  von  70000  Cß^it.  Ackerland  beträgt: 
bei  dem  Körnerertrac:  von 


wenn    die    Entfernung    des 
Ackers  vom  Hofe  ist: 


0  Entfernung  .... 
Mit  jeden  210  Euten  Ent- 
fernung ändert  sieh  die  Land- 
rente um 

210  Euten  Entfernung   .     . 

420 

443 

«30  ., 

646  ,, 

S13  „ 

840  „ 

yo2  „       „ 

1050  „ 

1070  ., 


10  K. 

9  K. 

8  K. 

7  K. 

6  K. 

^ 

^ 

^ 

& 

c 

H 

s^ 

H 

1187 

975 

763 

551 

339 

(233) 
954 

(215) 
760 

(197) 
566 

(179) 
372 

(161) 
178 

721 

515 

369 

193 

17 
0 

488 

330 

172 

14 
0 

255 

115 

0 

— 

0 

22 

0 

—    105    — 

Zusätze.  99 

A.  Über  die  mittlere  Entfernung  des  Ackers  vom  Hofe. 

Der  Ausdruck  „mittlere  Entfernung"  bedarf,  da  er  in 
einem  anderen  als  dem  gewöhnlichen  Sinn  genommen  ist, 
einer  Erklärung. 

Wenn  man  bei  der  Bedüngung  eines  Schlages,  der  eine 
regelmäßige  Figur,  z.  B.  ein  gleichschenkliges  Dreieck  bildet, 
die  Weite  des  Weges,  die  die  Pferde  mit  dem  Isten,  2ten, 
3ten  und  allen  folgenden,  bis  zur  vollendeten  Bedüngung 
des  ganzen  Schlages,  abgefahrenen  Fuder  machen,  ausmißt, 
aufzeichnet  und  summiert,  und  dann  die  so  gefundene  Summe 
diu'ch  die  Zahl  der  abgefahrenen  Fuder  dividiert:  so  ergibt 
sich  die  mittlere  Entfernung,  in  dem  Sinne  wie  wir  diese 
hier  genommen  haben.  Mmmt  man  nun  auf  einer  Linie, 
die  den  Schlag,  in  der  Richtung  vom  Hofe  nach  der  Grenze 
zu,  in  zwei  gleiche  Teile  teilt,  einen  Punkt,  der  so  weit  vom 
Hofe  entfernt  ist,  als  die  gefundene  mittlere  Entfernung 
ausweist:  so  ist  dieser  Punkt  gleichsam  der  Repräsentant 
für  die  Entfernung  aller  Teile  des  ganzen  Schlages,  und  es 
würde  in  Hinsicht  der  Weite  des  beim  Dungfahren  zu 
machenden  Weges  ganz  gleichgültig  sein,  ob  man  den  Dung 
nach  allen  Teilen  des  Schlages  führe,  oder  ob  man  allen 
Dung  nach  diesem  Punkte  auf  einen  Haufen  brächte. 

Einfacher  wird  die  Aufgabe  noch,  wenn  man  für  das 
Mergelfahren,  statt  -des  Dungfahrens  die  mittlere  Entfernung 
sucht.  Man  kann  sich  dann  das  zu  befahrende  Feld,  welches 
aber  regelmäßig,  z.  B.  ein  rechtwinkliges  Viereck  sein  muß, 
in  lauter  kleine  Quadrate  geteilt  denken,  wo'auf  jeden  Durch- 
schnittspunkt eine  Karre  Mergel  kommt.  Die  Summe  aller 
Entfernungen,  von  jedem  einzelnen  Durchschnittspunkt  bis 
zu  einer  Ecke  des  Vierecks  (der  Mergelgrube)  dividiert  durch 


106    — 


die  Zahl   der   Durclischuittspunkte ,   gibt   dann   die  mittlere 
100  Entfernung. 

Soviel  ich  weiß,  ist  die  Mathematik  auf  die  Ausmitte- 
luDg  der  mittleren  Entfernung  in  dem  angegebenen  Sinn 
noch  nicht  angewandt,  und  bis  jetzt  keine  Formel  dafür  ge- 
funden. Meine  vieljährigen  Bemühungen,  eine  solche  Formel 
darzustellen,  sind  sehr  lange  fruchtlos  gebliehen,  und  noch 
in  der  1  sten  Auflage  dieser  Schrift  mußte  ich  erklären,  daß 
ich  kein  allgemeines  Gesetz  für  die  Bestimmung  der  mittleren 
Entfernung  habe  finden  können. 

Durch  diese  Erklärung  ist  Herr  Wirtschaftsrat  Seidl 
veranlaßt  worden,  sich  mit  der  Lösung  dieser  Aufgabe  zu 
beschäftigen,  und  derselbe  findet  (Ökonomische  Neuigkeiten, 
Jahrgang  1829,  Stück  Nr.  4) 
für  das  rechtwinklige  Dreieck  ABC 
dessen  Grundlinie  AB  =  r,  Höhe 
=  X  ist,  die  mittlere  Entfernung 
aller  Punkte  des  Dreiecks  von  dem 
Scheitelpunkte  A  = 


2/3- 


A 


B 


Nach  meiner  durch  das  Urteil 
eines  ausgezeichneten  Mathematikers 
bestätigten  Ansicht  hat  aber  Herr  Seidl  die  Richtigkeit  seines 
Verfahrens  bei  der  Auffindung  dieser  Formel  nicht  erwiesen. 
Herr  Wirschaftsrat  Seidl  summiert  nämlich,  vermittels 
der  Integralrechnung,  in  dem  Ausdruck  ]  (a~  -f"  J")  "^^i® 
Glieder  der  aus  dem  wachsenden  y  entstehenden  Reihe,  wo 
doch  jedes  Glied  wieder  unter  dem  Wurzelzeichen  steht, 
ebenso,  als  wenn  das  Wurzelzeichen  gar  nicht  vorhanden 
wäre  —  welches  nicht  zulässig  ist. 
101  Indessen  wurde  ich  durch  Herrn  Seidls  mich  nicht 
befriedigende  Lösung  der  Aufgabe  zu  erneuerten  Unter- 
sucliungen  fortgerissen,   und   vor  einigen  Jahren   gelang  es 


I 


—     107 


mir  endlich,  das  lange  ersehnte  Ziel  zu  erreichen  und  eine 
Formel  aufzufinden,  deren  Richtigkeit  mit  mathematischer 
Schärfe  zu  erweisen  ist. 

Die  Darstellung  der  Methode,  wodurch  diese  Formel 
gefunden  ist,  und  die  Ausführung  des  Beweises  würden  aber 
an  dieser  Stelle  zu  viel  Eaum  einnehmen,  und  den  Haupt- 
gegenstand dieses  Buches  zu  lange  unterbrechen;  ich  muß 
deshalb  diese  Mitteilung  für  den  2ten  Teil  dieses  Werkes 
versparen  und  mich  hier  auf  die  Darlegung  des  Resultates 
der  Untersuchung  beschränken. 

Für  das  2-echtwinklige  Dreieck  ABC,  wo  die  Grund- 
linie =  r,  die  Höhe  =  x,  ist  die  mittlere  Entfernung  aller 
Punkte  des  Dreiecks  vom  Scheitelpunkt  A 

Für  r  :=  1  ist  diese  Formel 


1/3 


i;3   1  (1  4-  x2)  +    3^  lg.  nat.  (X  +  V(l  +  ^'))- 

Die  Seidische  Formel  ist  füi'  r  =  1, 
2/3  V(l  -f  1/3  x2). 
Yergleichung  des  Ergebnisses  beider  Formeln. 

Für  r  =  1  beträgt  die  mittlere  Entfernung 


Nach 

Hr.  Seidls 

Formel 

Nach 
meiner 
Formel 

Differenz 

zwischen 

beiden 

0,6939 

0,6935 

0,0004 

0,7698 

0,7652 

0,0046 

7,7268 

6,7365 

0,9903 

für  X  =  1/2 
X  =  1 
X  =  20 

Wir   sehen   aus    diesen  Beispielen,    daß   die  Seidische 
Formel  für  Dreiecke,  deren  Höhe  nicht  größer  als  die  Grund- 102 
linie  ist,   sehr  wenig  —  für  die  Dreiecke,   deren  Höhe   die 
Grundlinie    vielfach    übersteigt,    aber   sehr   bedeutend    von 
unserer  Formel  abweicht.     So  beträgt  für  x  =  1   die  Ab- 


—     108    — 

Aveichuug  mar  •'/lo  "o,  für  x  =  V2  gar  uur  'Vioo  '^/o,  für  x  == 
20  dagegen  14,t  ^/o 

Obgleich  Hrn.  Seidls  Formel  auf  mathematische  Eich- 
tigkeit  keinen  Anspruch  machen  darf,  so  vei'liert  sie  dadurch 
doch  für  manche  Fälle  nicht  die  praktische  Brauchbarkeit. 
Denn  da,  wo  es  auf  die  letzte  Genauigkeit  nicht  ankommt, 
kann  sie  für  Dreiecke,  deren  Höhe  die  Länge  der  Grund- 
linie nicht  übersteigt,  ohne  erheblichen  Irrtum  augewandt 
werden;  und  sie  hat  dann  vor  der  von  mir  aufgestellten 
Formel  den  Vorzug,  daß  die  Eechnung  in  Zahlen  nach  der- 
selben viel  einfacher  und  bequemer  ist,  als  nach  der  mei- 
nigen, bei  welcher  man  stets  logarithmische  Tafeln  zu  Hilfe 
nehmen  muß. 

Die  Seidische  Formel  bleibt  also,  nachdem  wir  den 
Grad  ihrer  Genauigkeit  für  jeden  speziellen  Fall  ermitteln 
können,  ein  willkommenes  Geschenk  für  die  praktische  Land- 
wirtschaft. 

B.    Über  die  Lage  der  Höfe  in  Mecklenburg. 

Wenn  mau  die  Lage  der  Höfe  auf  den  meisten  Gütern 
in  Mecklenburg  und  Vorpommern  betrachtet:  so  muß  man 
über  die  Widersinnigkeit  der  Anlage  erstaunen. 

Sichtlich  tragen  sie  die  Spuren  ihrer  ersten  Entstehung 
noch  an  sich  und  sind  als  historische  Denkmäler  der  ersten 
Ansiedelungen  zu  betrachten.  "Wo  ein  See,  ein  Fluß,  ein 
Bach  ist,  da  lehnen  sich  die  Höfe  daran,  und  aller  Acker 
liegt  in  einer  oft  unabsehbaren  Strecke  an  einer  Seite  des 
Hofes.  Der  erste  Kultivator  einer  wilden  und  bisher  öden 
Gegend  hatte  ganz  recht,  wenn  er  seinen  Wohnsitz  an  einem 
See,  Fluß  oder  Bach  aufschlug,  weil  er  sich  dadurch  das 
erste  und  notwendigste  Bedürfnis,  das  Wasser,  auf  die  min- 
103  dest  kostbarste  Weise  verschaffte,  und  weil  er  zuerst  nur  so 
wenig  Acker  in  Kultur  nahm,  daß  die  Entfernung  desselben 


—    109    — 

vom  Hofe  höchst  imbecleiitend  blieb.  Als  aber  in  den  folgen- 
den Jahrhunderten  Wohlstand  und  Bevölkerung  stiegen,  der 
Ackerbau  sich  ausdehnte,  die  Viehherden  vermehrt  wurden  — 
da  trieb  der  Besitzer  des  Hofes  sein  Yieh  so  weit,  bis  er 
auf  ein  natürliches  Hindernis,  einen  Bach,  einen  Morast 
usw.  stieß,  oder  bis  ein  Grenznachbar  ihn  an  der  weiteren 
Ausbreitung  mit  Gewalt  hinderte.  In  der  neueren  Zeit  sind 
nun  selbst  diese  Viehweiden  größtenteils  zu  Acker  gemacht 
worden,  der  aber  wegen  seiner  großen  Entfernung  häufig 
einen  negativen  Reinertrag  gibt. 

So  sind  unsere  Güter  entstanden  und  im  Laufe  der  Zeit 
verwandelt;  aber  die  Höfe  der  großen  Güter  stehen  noch 
auf  derselben  Stelle,  wo  einst  der  erste  Ansiedler  seine 
Hütte  aufschlug. 

In  Gegenden,  wo  es  keine  Flüsse  und  Seen  gibt,  ist 
zwar  die  Sache  minder  schlimm ;  aber  auch  hier  laufen 
häufig  die  Gutsgrenzen  geschlungen  oder  mit  steten  Aus- 
und  Einbiegungen  nebeneinander  hin,  und  zugleich  ist  es 
nicht  selten,  daß  von  zwei  benachbarten  Gütern,  der  Acker 
des  einen  bis  nahe  an  den  Hof  des  andern  reicht,  während 
dieses  Gut  sich  mit  seinem  Acker  wieder  dem  Hofe  eines 
dritten  Gutes  nähert. 

"Wir  sind  durch  unsere  vorhergehenden  Berechnungen  in 
den  Stand  gesetzt,  den  Verlust,  der  aus  dieser  unregelmäßigen 
Lage  der  Höfe  entspringt,  für  einen  gegebenen  Fall,  in 
Zahlen  auszusprechen,  und  der  Gegenstand  ist  wichtig  genug, 
um  noch  einen  Augenblick  dabei  zu  verweilen. 

Gesetzt,  das  Gut  A  habe  ein  Stück  Acker  von  70000 
Dßut.  ä  8  Körner  Ertrag,  welches  von  dem  Hofe  des  Gutes 
A  400  Ruten,  von  dem  des  benachbarten  Gutes  B  aber  nur  104 
100  Ruten  entfernt  ist.  Das  Gut  B  besitze  dagegen  ein 
Stück  Acker  von  gleicher  Größe  und  Güte,  welches  ebenfalls 
400  Ruten  entfernt  ist,  dem  Hofe  des  Gutes  C  aber  bis 
auf  100  Ruten  nahe  liegt. 


—     110     — 

Um  wieviel  wird  nun  die  Landrente  des  Gutes  B 
steigen,  wenn  es  das  400  Ruten  entfernte  Stück  an  C 
abtritt,  und  dagegen  das  100  Euten  entfernte  Stück  von 
A  wieder  erhalt? 

Für  das  Gut  B  geben  70000  GRut.  Acker  a  S  Körner 
Ertrag, 

1.  auf  100  Ruten  Entfernung  eine  Land- 
rente von   763   -f-    197   X   ^   =  669  Tlr. 

2.  auf  400  Ruten  Entfernung  eine  Land- 

40<  I 
rente   von  768   -i-    197   X   ij^   =  388    „ 

Durcli  den  Umtausch  gewinnt  das  Gut  B  281  Tlr. 

Landreote  und  an  Kapital  wert  beim  Zinsfuß 

von  5  '^,0 5620    ,, 

Das  Gut  C  gewinnt  diu-ch  die  Erwerbung 
von  70000  [jR.  Acker,  welche  nur  100 
Ruten  vom  Hofe  entfernt  sind, 

an  Landrente 669    „ 

an  Kapitalwert 13380    „ 

Durch  diese  Veränderung  gewinnt  also 
das  Gut  B  an  Kapital  wert  ....  5620    „ 

das  Gut  C    „  „  .     .     .     .  13380    „ 

zusammen  19000  Tlr. 
das  Gut  A  verliert  dagegen,  dm*ch  die 
Abtretung   von   70000  QRut.  Acker 

an  Wert 7  760    „ 

bleiben  11240    „ 
105         Die  drei  Güter  zusammen   haben  also  bloß   durch  die 
bessere  Verteilung  des  Ackers   11240  Thlr.  an  Kapitalwert 
gewonnen. 

Es  ist  zu  bemerken,  daß  der  aus  diesem  Umtausch  des 
Grundeigentums  hervorgehende  Gewinn,  nicht  wie  der  Ge- 
winn  bei  einem  gewöhnlichen,  sogenannten   guten  Handel, 


—   111   — 

wo  der  eine  Kontrahent  soviel  verliert  als  der  andere  ge- 
winnt, zu  betrachten  ist;  sondern  dieser  Gewinn  ist  ein 
reiner  Zuschuß  zum  Nationaleinkommen  imd  zum  National- 
vermögen. 

Bedenkt  man  nun,  daß  fast  auf  keinem  Gute  die  Gebäude 
in  der  Mitte  der  Feldmark  stehen,  daß  fast  jedes  Gut  durch 
Abrundung  und  Austausch  gewinnen  kann:  so  muß  man 
erstaunen  und  trauern  über  die  Größe  des  Kapitals,  das  für 
den  Nationalreichtum  auf  diese  Weise  ohne  irgendeinen  Er- 
satz verloren  geht.  Wollte  man  diesen  Verlust  an  National- 
vermögen für  Mecklenburg  in  Geld  anschlagen:  so  würde 
bei  den  niedrigsten  Ansätzen  die  Rechnung  doch  immer 
einige  Millionen  Taler  ergeben. 

Aber  warum,  kann  und  muß  man  fragen,  sind  denn 
diese  Gutsgrenzen  so  unveränderlich,  unveränderlicher  sogar 
als  die  Grenzen  der  Staaten? 

Dem  Austausch  steht  zuerst  die  Anhänglichkeit  an  das 
bisher  besessene  Eigentum  entgegen.  Man  überschätzt  nur 
zu  leicht  den  Wert  des  Grundstücks,  das  man  schon  lange 
in  Besitz  gehabt,  oder  gar  von  den  Vorfahren  ererbt  hat, 
und  an  dessen  Verbesserung  man  eigene  Mühe  und  Kosten 
verwandt  hat.  Aber  diese  Anhänglichkeit  im  steten  Wider- 
streit mit  der  klaren  Einsicht  und  dem  wohlverstandenen 
Interesse  würde  doch  nicht  Generationen  und  Jahrhunderte 
lündurch  den  Umtausch  verhindert  haben,  wenn  nicht  andere 
reellere  Hindernisse  mitgewirkt  hätten. 

Diese  finden  wir  nun  genügend  in  folgendem:  106 

1.  In  der  Größe  der  Abgaben,  die  in  Mecklenburg  nicht 
bloß  beim  Verkauf  ganzer  Güter,  sondern  auch  beim 
Verkauf  einzelner  Gutspeiiinenzien  erlegt  werden,  und 
die  beim  Umtausch  sogar  doppelt,  d.  h.  von  dem  Wert 
jedes  der  beiden  an  einen  anderen  Besitzer  überge- 
gangenen Grundstücke,  entrichtet  werden  müssen; 

2.  in  den  Kosten,  welche  die  Vermessung  des  angekauften 


—     112    — 

oder  verkauften  Stücks,  die  Umschreibung  im  Steuer- 
kataster usw.  verursacht; 
3.  in  den  Schuldverhältnissen  der  Güter,   wodurch  näm- 
lich kein  Stück  des  Gutes  ohne  spezielle  Einwilligung 
aller  Gutsgläubiger    weder  verkauft    noch    vertauscht 
werden  kann. 
Die  hohe  Abgabe  beim  Verkauf  ganzer  Güter  ist   der 
Eultur  des  Bodens  nicht  hinderlich,  sondern  vielmehr  günstig, 
indem  sie  das  leichtsinnige  Übergehen   der  Güter  von  einer 
Hand  in  die  andere  hemmt  und  vermindert;  aber  sicherlich 
ist  die  Abgabe  auf  den  Austausch  einzelner  Gutsteile  höchst 
nachteilig  für  den  Nationalwohlstaud. 

Da  diese  Abgabe  in  Verbindung  mit  den  anderen 
Schwierigkeiten  stark  genug  ist,  um  fast  alle  Austauschungen 
zu  verhindern :  so  würde  auch  die  Aufhebung  derselben  kein 
Opfer  sein ,  oder  doch  nur  ein  sehr  geringes  Defizit  in  den 
Staatsrevenuen  hervorbringen.  Wollte  man  auch  dieses 
Defizit  decken:  so  könnte  dies  durch  eine  geringe  Erhöhung 
der  Abgaben  beim  Verkauf  ganzer  Güter  ohne  allen  Nach- 
teil für  die  Landeskultur  geschehen. 

Ob  und  wie  nun  aber  die  dritte,  aus  den  Schuldver- 
hältnissen der  Güter  hervorgehende  Schwierigkeit  zu  ent- 
107  fernen  sei  —  darüber  wage  ich  kein  Urteil  zu  fällen.  Aber 
es  ist  voraus  zu  sehen,  daß  wenn  wir,  in  unserem  alt  ge- 
wordenen "Weltteil,  die  Fesseln,  die  die  Zeit  und  das  Her- 
kommen um  uns  geschlungen,  nicht  zu  lösen  wissen,  wir  im 
Ackerbau  und  Nationalwohlstand  gegen  die  frisch  aufblühen- 
den Staaten  der  neuen  Welt  gar  bald  zurückstehen  werden. 
Auf  den  Dörfern ,  wo  die  Bauern  im  Dorfe  zusammen- 
wohnen und  ihren  Acker  nicht  zusammenhängend,  sondern 
Stück  um  Stück  liegen  haben ,  und  wo  diese  Stücke  dann 
vom  Dorf  bis  zur  Feldscheide  reichen,  da  ist  der  Verlust  an 
Landrente  noch  sehr  ^'iel  größer  als  bei  den  schlecht  arron- 
dierten, aber  in  großen  Flächen  zusammenhängenden  Gütern. 


-     113    — 

Diese  Dörfer  erleiden  alle  Nachteile  der  großen  Güter,  ohne 
daß  sie  irgendeinen  ihrer  Vorteile  genießen.  Ein  Staat, 
der  lauter  solche  Bauerndörfer  hätte,  könnte  nur  ein  unbe- 
deutendes Nationaleinkommen  besitzen  und  würde  deshalb 
in  der  Verteidigung  gegen  einen  äußeren  Feind  höchst  ohn- 
mächtig sein. 

Die  Kraft  der  Menschen  und  der  Zugtiere  wird  hier 
durch  ein  müßiges  Hin-  und  Hergehen  auf  dem  Felde  ver- 
schwendet; und  wenn  sonst  eine  mit  dem  Landbau  beschäf- 
tigte Arbeiterfamilie  auf  fruchtbarem  Boden  gar  wohl  die 
Lebensmittel  für  zwei  Familien  erzielen  kann ,  so  verzehrt 
sie  hier  fast  alles  wieder,  was  sie  durch  ihre  Arbeit  dem 
Boden  abgewonnen  hat,  und  sie  kann  zum  Unterhalt  der 
Stadtbewohner  nur  sehr   wenig  an  Lebensmitteln  abgeben. 

Die  Abhilfe  ist  hier  aber  schwierig,  weil  der  entlegene 
Boden  dieser  Dörfer  gewöhnlich  so  mager  ist,  daß  er  die 
Kosten  des  Aufbaues  neuer  Gebäude  nicht  bezahlen  und 
auch  keine  Familie  ernähren  würde.  —  Doch  dieser  Gegen- 
stand gehört  nicht  weiter  zu  unserer  Untersuchung. 


§  12. 

Bestimmung  der  Landrente  der  Dreifelder-      108 
Wirtschaft. 

Da  diese  Bestimmung  sich  ganz  auf  die  Berechnungen 
stützt,  die  ich  aus  den  auf  dem  Gute  T.  gemachten  Er- 
fahrungen für  eine  Koppelwirtschaft  entworfen  habe:  so 
finde  ich  mich  veranlaßt,  hier  zuvor  die  Resultate  dieser 
Berechnungen  mitzuteilen. 


Thünen,  Der  isolierte  Staat. 


—     114 


Sieben  schlägige  Koppelwirtschaft  auf  70000  CR. 
Ackerland,  beim  Ertrage  von  10  Körnern. 


Jeder  Schlag  zu 
10000  Ge- 

4^ --^ 

Bestellungs- 
kosten 
Tlr.  N2/3 

c 

Iß   N 

+^    in 

bJD 
oi 

r 

ister  Schla 

g  Brache 

— 

274,5 

— 

— 

21,8 

— 

2ter 

Roggen 

143., 

2,2 

217,6 

— 

1274 

— 

3ter 

Gerste 

122,, 

165,0 

158.5 

— 

932,s 

— 

4ter 

Hafer 

125,0 

125,3 

123,, 

— 

757,8 

— 

5ter 

Weide 

18,5 

2,8 

— 

— 

109,4 

— 

6ter 

Weide 

— 

— 

— 

— 

109,4 

— 

7  ter 

Weide 

— 

— 

— 

— 

109,, 

— 

Summe 

409., 

569,s 

499,5 

882 

3314,6 

954 

Mit  1  Korn 

Ertrag  än- 

(lern 

sich 

— 

— 

59 

88,2 

331,5 

193,3 

Für  100  000  DR- Acker 

macht  dies  in  Tlr.  Gold 

626,, 

872., 

764,0 

1350 

5073.4 

1460,2 

Diese  Berechnung  ist  dieselbe,  welche   der  in   §  5  ge- 
gebenen Bestimmung  der  Landrente  für  die  Koppelwirtschaft 
zur  Grundlage  dient. 
Die  Bearbeitung  einer  Dreeschbrache   kostet 

auf  10  000  Gßut 274,-.  Tlr.  N2;;! 

Die    Mürbebrache    erspart    nacli     §    1"    an 

Kosten 88..-)      „      „ 

109  Eine    Mürbebrache    von    Kmkio    DR-    kostet 

also 186        „      „ 

dies  raaclit  für  12000  CR 223,2      „      „ 

Die  Bestcllungskosten  des  Gersteschlags,  sowie  die 
Erntekosten  des  Roggens  und  der  Gerste  sind  bei  gleicliem 
Körnerertrage  denen  in  der  Koppelwirtschaft  gleicli. 


—    115    — 

Dreifelderwirtschaft  auf  100  000  DR.,  wovon  12  000  DR. 

Brache,  12  000  DR.  Roffgen,  12  000  DR.  Gerste  und 

64000  DR.  Weide  sind,  beim  Ertrage  von 

10  Körnern. 


+3  -M 

CG  ^^ 

CO 

PI     ü 

Bestellungs- 
kosten 
Tlr.  N^ 

W  IN 

Allgemeine 

Kulturkosten 

Tlr.  N% 

Koher  Ertrag 
Tlr.  N2/3 

Tu       . 

Istes  Feld  Brache 

— 

223,, 

— 

— 

43,s 

— 

2  tes       „     Roggen 

172,2 

2,2 

261,1 

— 

1528,8 

— 

3  tes       „     Gerste 

146,s 

198,0 

190,2 

— 

1119,1 

— 

Die  Weide  64000  DR- 

— 

— 

— 



391*) 

— 

Summe 

319 

423,, 

451,3 

820 

3083,0 

1069,3 

Dies  macht  in  Tlr.  Gold     341,«     453,6     483,5     878,6  3303,,   1145,, 


§  13. 

Einflufs  der  Entfernung  des  Ackers  vom  Hofe  auf 
die  Arbeitskosten  bei  der  Dreifelderwirtschaft. 

Für  36000  DRut.  Ackerland  betragen  nach  dem  vorigen 

§  die  Bestellungskosten 423,i  Tlr.  N-'/s 

die  Erntekosten 451,:i      ,,       „ 

*)  Es  beträgt  nämlich  in  der  Koppelwirtschaft  auf  10000  [JR. 

1)  Die  Nutzung  der  Weide 91„    Tlr. 

2)  Die  Ersparung  von  Dungfuhren  durch   den 

auf  die  Weide  gefallenen  Dung 17,,      „ 

10000  DRiit.  Dreesch  geben  ErtraglÖ9,4    Tlr. 

In   der  i).  F.  W.   fällt   die   Ersparung   an  Dungfahren  weg, 

und  die  Nutzung  der  Weide  verhält  sich  zu  der  in  der  K.  W.  wie 

2  :  3  bei  gleicher  Fläche.  Diese  Nutzung  beträgt  also  auf  10000  D^- 

91„  X  '/s  =  61,1  Tlr.  und  dies  macht  für  64000  \JR.  391  Tlr. 

8* 


110 


-    116    — 

In  Beziehung  auf  die  in  §  11  gemachte  Klassifikation 
gehören  zur 

Isten  Klasse  2ten  Kl.  3ten  Kl.  4ten  Kl. 
Tlr.  K%       Tlr.  ^%  Tlr.  K^j,  Tlr.  N^/^ 

a)  von   den  Bestellungs- 
kosten           —  —         324,4        1,2 

davon  gehören  der  Ent- 
fernung an    ...     .         —  —  ^/lo        — 
also         —              —  42,3       — 

b)  von      den       Ernte- 
kosten         145,9  86,8  12,3     206,3 

davon  gehören  der  Ent- 
fernung an    ...     .          1               2/20  ^,10        0 
also       145,9            13  1,2       0 
Mit    jeden    210    Ruten    Entfernung    vom 
Hofe  ändern   sich  also  die  Bestellungs- 
kosten um 42,3   Tlr.  N-^'ö 

die  Erntekosten  um 160,i     „       „ 

zusammen  um      202,4   Tlr.  N^/g 
Bei  dem  Ertrage  von  9  Körnern  betragen 
die  durch  die  Entfernung  hervorgebrach- 
ten Bestellungskosten 42,3   Tlr.  N"-'/3 

Erntekosten  160,i  X  -'/iö  —      144,i     „       „ 

zusammen      186^4  Tlr.  Wis 

Die  Koppelwirtschaft  verbreitet  ihren  Ackerbau  über 
die  ganze  ackerbare  Fläche ;  die  Dreifelderwirtschaft  benutzt 
111  dagegen  von  einer  Fläche  von  100000  DR-  nur  36000  QR. 
als  Acker. 

Wenn  nun  in  der  Koppelwirtschaft  für  100000  DR. 
Ackerland  die  mittlere  Entfernung  vom  Hofe  210  Ruten 
beträgt,  wie  groß  wird  dann  in  der  Dreifelderwirtschaft 
die  mittlere  Entfernung  für  36000  DRut.  zunächst  am  Hofe 
liegenden  Ackers  sein. 


—    117    — 

Bei  ähnlicheQ  Figuren  verhalten  sich  die  mitlleren  Ent- 
fernungen wie   die   Quadratwurzeln  aus   dem   Flächeninhalt 
der  Figuren ; 
also  )' 100000  :  V  36  000  =  210  :  x 

190 
oder    316        :      190       =  210  :  ^.^  X  210  =  126. 

olb 

Bei  gleichem  Flächeninhalt  des  Ganzen  verhält  sich  also 
die  mittlere  Entfernung  des  Ackers  in  der  K.  W.  zu  der  in 
der  D.  F.  W.  wie  210  :  126. 

Die  Kosten,  welche  der  Entfernung  angehören,  betragen 
in  der  D.  F.  W.  für  36000  DR.  Acker  von  10  Körnern 
Ertrag  202,4  Tlr.  N^/s,  wenn  die  mittlere  Entfernung  des 
Ackers  vom  Hofe  =  210  Ruten  ist. 

Diese  Kosten  nehmen  in  geradem  Verhältnis  mit  der 
Entfernung  ab  oder  zu;  sie  sind  also  ffir  126  Ruten  Ent- 
fernung 210  :  126  =  202,4  :  ^  X  202,4 

=      121,5  Tlr.  N-'/3. 

Hiervon. betragen  die  Bestellungskosten        25,5  „        „ 

die  Erntekosten    .     .        96  ,i    ■     i» 
Die  D.  F.  W.  erspart  also  dadurch,  daß  sie  bei  gleicher 
Landfläche  ihren  Acker  soviel  näher  am  Hofe  hat,   als  die 
K.  W., 

an    Bestellungskosten         42,3  —   25,5   =        16,.s  Tlr.  N-/3II2 

an  Erntekosteu                 160,i   —  96      =        64,i  „        „ 

zusammen    80,!t  Tlr.  N^/s 
Für  einen  Ertrag  von  9  Körnern  ist 

die  Ersparung  an  Bestellungskosten      .     .        16,8  Tlr.   N-/3 

an  Erntekosten  64,i  X  -Vio                       —        57,7  „        „ 

74,5  Tlr.   N2/3 


118    — 


In  der  Dreifelderwirtschaft  von  10  Körnern 
Ertraff  waren 


Ol       . 

Bestellungs- 
kosten 
Tlr.  N'^/s 

Erntekosten 
Tlr.  N% 

Allgemeine 

Kulturkosten 

Tlr.  N^/s 

-es-  1    öS- 

Bei  210  Eut.  mittlerer 

Entfernung 

319 

423,, 

451,, 

820 

3083,0 

1069,3 

Bei   126  Rut.  mittlerer 

Entfernung     Averden 

erspart 

— 

16:8 

64,1 

—         — 

— 

Es  bleiben 

319 

406,„ 

387,2      820    3083      1150,2 

In  Taler  Gold  ai 

isgedrückt  macht  dies 

für  10  Körner 

341,8 

435,6 

414,8 

878.6 

3303,2 

1232,, 

mit  1  Korn  ändert  sich 

— 

— 

(41,5) 

(87,8) 

(330,3) 

(201) 

für  9  Körner 

341,8 

435,6 

373,3 

790,8 

2972,9 

1031,, 

Wenn  Aussaat  und  Rohertrag  ganz  in  Korn  —  den 
Schfl.  Roggen  zu  l,2ai  Tlr.  Gold  gerechnet  —  die  Arbeits- 
und allgemeinen  Kulturkosten  aber  zu  '^/i  in  Korn  und  zu 
1/4  in  Geld  ausgedrückt  werden;  so  entspringt  aus  dem 
Yorstehenden  folgende  Tabelle,  in  der  die  Brüche  weg- 
gelassen oder  ausgeglichen  sind. 


—     110     — 
Dreifelderwirtschaft  auf  100000  DR. 


113 


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120 


114  §  14  a. 

Vergleichung  der  Landrente  bei  der  Koppel- 
wirtschaft und  der  Dreifelderwirtschaft. 

Wollen  wir  die  Laudrente,  welche  diese  beiden  AVirt- 
schaftsarten  geben,  miteinander  vergleichen:  so  müssen  wir 
für  beide  nicht  bloß  denselben  Boden  und  eine  gleiche  Land- 
fläche, sondern  auch  einen  gleichen  mittleren  Reichtum  des 
Ackers  zu  Grunde  legen. 

Nun  haben  wir  im  §  9  gesehen,  daß  ein  Feld,  welches 
in  der  K.  W.  10  Körner  an  Roggen  gibt,  bei  gleichbleibendem 
Reichtum  in  der  D.  F.  W.  nur  einen  Roggenertrag  von  8,4 
Körnern  liefert. 

Um  zu  erfahren,  welches  AMrtschaftssystem  für  ein  ge- 
gebenes Verhältnis  am  vorteilhaftesten  sei,  müssen  wir  also 
die  Landrente  der  K.  W.  von  10  Körnern  mit  der  Land- 
rente der  D.  F.  "W.  von  8,4  Körnern  Ertrag  vergleichen. 

Nach  §  5  ist  die  Landrente  von  100000  DR.  Acker 
in  der  Koppelwirtschaft  bei 

10  Körnern 1710  Schfl.  R.   ~       747  Tlr., 

und  nach  dem  vorigen  §  in 

der    Dreifelderwirtschaft 

bei  8,4  K 1000      „        „    -|-        381     „ 

Es  ist  nämlich  für  8  Körner 

die  Landrente    ....      928      „       „    ~       368     „ 
Mit  1  Korn  steigt  oder  fällt 

die  Landrente  um  181  Seh. 

R.-^  32  Tlr.,  mit ''10  Korn 

also  um  (181  Schfl.  ~  32 

Tlr.)  X  Vio  =  72      „        „    -f-  13     „ 

für  8*/]o  Körner  also     1000  Schfl .^T^j^       381   Tlr. 


—    121    — 

Die  Landrente  beträgt  demnach  115 

a)  beim  Preise  von  VI2  Tlr.  für  den  Schfl.  Roggen, 

in  der  K.  W.  1710  X  1^/2  ^  747  =  1818  Tlr. 

in  der  D.  F.  W.  1000  X  1^2    :    381  :r^  1119  Tlr. 

Die  K.  AV.  gibt  mehr  Landrente    699  Tlr. 

b)  beim  Preise  von  1  Tlr.  für  den  Schfl.  Roggen, 

in  der  K.  W.  1710  X  1       ^  747  =     963  Tlr. 

in  der  D.  F.  W.  1000  X  1        :    381  =     619  Tlr. 

Die  K.  W.  gibt  mehr     344  Tlr. 

c)  beim  Preise  von  1/2  Tlr.  für  den  Schfl.  Roggen, 

in  der  K.  W.  1710  X    ^2   ~  747  =     108  Tlr. 

in  der  D.  F.  W.  1000  X     V2   -^  381  =     119  Tlr. 

Die  K.  W.  gibt  weniger      11  Tlr. 

Folgerung.  Es  findet  also  kein  absoluter  Vorzug  der 
Koppelwirtschaft  vor  der  Dreifelderwirtschaft  statt;  sondern 
es  wird  durch  die  Getreidepreise  bedingt,  ob  dieses  oder 
jenes  Wirtschaftssystem  in  der  Anwendung  vorteilhafter  ist. 
Sehr  niedrige  Korupreise  führen  zur  Dreifelder-,  höhere 
Preise  zur  Koppelwirtschaft. 

Für  den  Preis  des  Roggens  von  0,437  Tlr.  pr.  Schfl. 
ist  die  Landrente  der  Koppelwirtschaft 

1710  X  0,437  —  747  =     0  Tlr. 

Die  Landrente  der  Dreifelderwirtschaft  ist  dann 
1000  X  0,437  —  381  =  56  Tlr. 

Folgerung.  Bei  einem  Kornpreise,  der  so  niedrig  ist, 
daß  in  der  Koppelwirtschaft  die  Kosten  nicht  mehr  bezahlt 
werden,  kann  das  Land  durch  die  Dreifelderwirtschaft  noch 
mit  Yorteil  angebaut  werden. 

Es  muß  einen  gewissen  G-etreidepreis  geben,  bei  welchem 
das  Land  durch  K.  W.  eben  so  hoch  als  durch  die  D.  F.  W.     ' 
genutzt   wird.      Diesen   Preis    findet  man,    wenn  man    die 
Landrente  beider  Wirtschaftsarten   sich  gleich   setzt.     Z.  B.  116 
für  den  Ertrag  von  10  Körnern  wären 


—     122    — 

1710  Schfl.  R.  —  747    Tlr.    =  1000  Sclifl.  R.  —  381  Tlr. 

—1000 -[-  747  :=  1000 +    747 

710  Schtl.  Roggen  =     366  Tlr. 

also    1  Schfl.  Roggen  =    0,5ig  Tlr. 

Ist  der  Roggenpreis  höher  als  0,5ig  Tlr.,  so  ist  für 
einen  Äcker  von  10  Körnern  Ertrag  die  Koppelwirtschaft 
vorteilhafter;  ist  der  Preis  niedriger,  so  bringt  die  Drei- 
felderwirtschaft einen  höheren  Reinertrag. 

In  unserem  isolierten  Staat,  wo  der  Mittelpreis  des 
Roggens  in  der  Stadt  selbst  IV2  Tlr.  beträgt,  hat  nach  §  4 
der  Roggen  auf  dem  Gnte,  welches  29.;»  Meilen  von  der 
Stadt  entfernt  liegt,  ebenfalls  den  Wert  von  0,5ii;  Thlr. 

Hätte  nun  die  Ebene  des  isolierten  Staates  den  Grad 
von  Fruchtbai-keit ,  daß  sie  statt  8  Körner,  wie  wir  an- 
genommen haben,  10  Körner  trüge:  so  würde  die  Koppel- 
wirtschaft bis  29,11  Meilen  von  der  Stadt  reichen,  dort  auf- 
hören und.  der  Dreifelderwirtschaft  Platz  machen. 

Bei   noch  mehr  sinkenden  Preisen  wird   aber  auch  die 

Landrente  der  Dreifeldei'wirtschaft  immer  geringer,  und  wir 

müssen  zuletzt  auf  einen  Punkt  kommen,  wo  sie  :=;  0  wird. 

Dies   findet   statt,   wenn    1000   Schfl.  R.  —  381   Tlr.   =   0 

oder   1000   Schfl.  ^R.   =  381   Tlr.  sind, 

also  1    Schfl. 'r.        0,3si    Tlr.  gilt. 

Dieser  Preis  findet  statt  auf  dem  Gute,  welches  34,7 
Meilen  von  der  Stadt  entfernt  ist. 

Für  diesen  Grad  von  Fruchtbarkeit  würde  also  das  Land 
in  der  Dreifelderwirtschaft  bis  auf  34,7  Meilen  Entfernung 
von  der  Stadt  bebaut  werden  können,  und  der  konzentrische 
Kreis,  den  die  Dreifelderwirtschaft  einnimmt,  hätte  dann 
eine  Ausdehnung  von  34,7  —  29,9  =  4,8  Meilen. 
117  Die  hier  für  den  Ertrag  von  10  Körnern  gegebenen 
Berechnungen  auf  Acker  von  niederem  Grade  der  Frucht- 
'  barkeit  angewandt,  habe  ich  in  den  nachstellenden  Tabellen 
zusammengetragen. 


—    123    — 


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—     125    — 
Die  Dreifelderwirtschaft. 


119 


Bei  einem  Reichtum 
der  hervorbringt 

fängt  an  in 

der  Ent- 
fernung von 

endet  in  der 
Entfernung 

hat  eine 
Ausdeh- 

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D.  F.  W. 

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Körner 

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Meüen 

Meilen 

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4,s 

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7,50 

27,s 

33,3 

5.5 

8 

6,72 

24„ 

31,5 

6,s 

7 

5,58 

19,8 

28,e 

8,s 

6 

5,64 

10,5 

23,0 

13,1 

5,4 

4,53 

0 

18,6 

18.ß 

Die  genauere  Ansicht  dieser  Tabellen  zeigt  uns,  daß  bei 
einem  gegebenen  Getreidepreise  der  reichere  Boden  durch 
Koppel wirt scliaft ,  der  ärmere  Boden  durch  Dreifelderwirt- 
scliaft  höher  genutzt  wird:  daß  es  also  völlig  Ivonsequent  sein 
könnte,  wenn  in  einer  Gegend,  die  denselben  Getreidepreis, 
abei"  Boden  von  verschiedener  Fruchtbarkeit  hat,  Koppel-  und 
Dreifelderwirtscliaften  nebeneinander  bestehen.  So  ist  z.  B. 
für  den  Preis  von  1  Tlr.  für  den  Scheffel  Roggen  die  Land- 
rente beider  Wirtschaftsarten  im  Gleichgewicht,  wenn  der 
Acker  den  Reichtum  hat,  der  in  der  K.  W.  6,3,  in  der 
D.  F.  W.  5,3  Körner  hervorbringt,  und  in  diesem  Falle  ist  es 
gleichgültig,  welche  Wirtschaftsart  hier  betrieben  wii'd ;  aber 
Jeder  Boden  höheren  Ertrags  muß  durch  K.  W.,  jeder  Boden 
niederen  Ertrags  durch  D.  F.  W.  genutzt  werden.  Nun  ist 
aber  der  Reichtum  des  Bodens  eine  veränderliche  Größe 
und  steht  mehr  oder  weniger  in  der  Gewalt  des  Landwirtes. 
Es  kann  also  auch  dann,  wenn  die  Getreidepreise  sich  gleich  120 
bleiben,  durch  die  Vermehrung  des  Bodenreichtums  allein, 


—    126    — 

ein  höheres  Wirtschaftssystem  auf  demselben  Gute  zweck- 
mäßig und  nützlich  werden. 

In  unserem  isolierten  Staate  haben  wir  es  nur  mit  Boden 
von  einer  und  derselben  Fruchtbarkeit  zu  tun,  und  hier  würde, 
wenn  der  Boden  statt  8  nur  5,4  Körner  trüge,  die  K.  W. 
durch  die  D.  F.  W.  selbst  bei  dem  Preise  von  1^/2  Tlr. 
gänzlich  verdrängt  werden.  In  diesem  Falle  würde  nämlich 
die  D.  F.  W.  bis  an  die  Tore  der  Stadt  reichen,  wenn  der 
Boden  des  ersten  Kreises  durch  den  Dimgaukauf  aus  der 
Stadt  nicht  einen  höheren  Reichtum  erhalten  hätte. 

Folgerung.  Niedrige  Kornpreise  und  geringe  Frucht- 
barkeit des  Bodens  haben  auf  die  Bewirtschaftungsart  eine 
und  dieselbe  Wirkung:  beide  führen  zur  Dreifelderwirtschaft. 


§  14b. 
Erläuterungen. 

In  dem  isolierten  Staat  ist  vorausgesetzt: 

1.  daß  die  Wirtschaft  überall  mit  Konsequenz  betrieben 
wird ; 

2.  daß  die  Wirtschaften  in  bezug  auf  den  Bodenreichtum 
im  beharrenden  Zustande  bleiben ;  und 

o.  daß  der  Boden,  mit  Ausschluß  des  Kreises  der  freien 
Wirtschaft,  überall  die  Fruchtbarkeit  besitzt,   um  in 
der  7  schlägigen  K.  W.  nach  reiner  Brache  8  Körner 
tragen  zu  können. 
Aus  der  Vereinigung  dieser  Voraussetzungen  folgt,  daß 
für  die  Natur  des  Bodens,   den   wir  im  isolierten  Staat  vor 
Augen  haben,  und  unter  den  daselbst  obwaltenden  Verhält- 
nissen, eine  Bereicherung  des  Bodens  über  den  Punkt  hinaus, 
wo  derselbe  8  Körner  trägt,  nicht  vortoilliaft,  und  daß  eben- 
121  sowenig  eine  Verminderung  des  Bodenrciclitums  unter  diesen 
Punkt  konsequent  sein  würde. 


—     127     — 

Die  Erörterung  der  Frage,  ob  diese  Voraussetzungen 
untereinander  selbst  verträglich  sind,  ob  namentlich  nicht 
beim  Ertrage  von  8  Körnern  die  Bereicherung  des  Bodens 
noch  vorteilliaft  sei,  gehört  —  weil  durch  die  Vermengung 
zweier  verschiedener  Untersuchungen,  die  Klarheit,  welche 
hier  erstrebt  wird ,  verloren  gehen  würde  —  nicht  liierher, 
sondern  wird  Gegenstand  der  Betrachtung  im  2ten  Teil 
dieses  Werkes  werden. 

Hier  ist  die  Aufgabe,  den  Geldertrag  der  verschiedenen 
"Wirtschaftssysteme  für  gleichen  Boden  mit  gleichem  Reich- 
tum, unter  der  Bedingung,  daß  die  Wirtschaften  im  be- 
harrenden Zustand  bleiben,  kennen  zu  lernen  und  zu  ver- 
gleichen; und  erst  dann,  wenn  diese  Aufgabe  gelöst  ist,  kann 
die  Frage:  unter  welchen  Verhältnissen  und  bis  zu  welchem 
Grade  die  Bereicherung  des  Bodens  vorteilhaft  sei,  zur 
Sprache  kommen  und  einer  Lösung  entgegen  sehen. 

Um  aber  unsere  Untersuchung  beginnen  zu  können, 
mußte  irgendein  Ertrag  des  Bodens  zu  Grunde  gelegt 
werden,  und  um  von  dem,  was  sich  in  der  Wirklichkeit  als 
der  Durchschnittsertrag  ganzer  Provinzen  ergibt,  nicht  zu 
weit  abzuweichen,  habe  ich  für  den  isolierten  Staat  den 
Ertrag  zu  8  Körnern  angenommen.  Genug,  für  die  uns 
vorliegende  Aufgabe  muß  die  Annahme  des  Ertrags  von. 
8  Körnern  als  mit  der  Konsequenz  verträglich  und  über- 
einstimmend betrachtet  werden. 

Es  kann  demnach  in  dem  isolierten  Staat  kein  anderer 
Ertrag  als  der  von  8  Körnern  staltfinden,  und  wenn  dennoch- 
in  den  vorstehenden  Tabellen  für  diesen  Boden  Ertragsstufen 
von  5  bis  10  Körnern  angeführt  und  in  Betracht  gezogen 
sind:  so  fordert  dies  eine  Erläuterung. 

Wenn  in  der  Wirklichkeit  Boden  ähnlicher  Art  und  unter.122 
ähnlichen  Vei'hältnissen   wie   im   isolierten  Staat   vorkommt, 
der  nur  5  Körner  trägt,   so   muß  dieser,   bei  konsequenter 
Bewirtschaftung,  so  weit  bereichert  werden,  daß  der  Ertrag, 


—     128    — 

auf  8  Körner  steigt,  also  auch  nicht  in  D.  F.  W.  sondern 
in  K,  W.  gelegt  werden.  Fehlt  aber  die  Konsequenz  der 
Bewirtschaftung,  wie  dies  in  der  Wirklichkeit  nicht  selten 
vorkommt,  und  bleibt  der  Boden  auf  der  niedrigen  Stufe 
des  Reichtums  im  beharrenden  Zustande :  so  ist  die  D.  F.  W. 
vorteilhafter  als  die  K.  W. 

Wenn  ich  nun  in  obigen  Tabellen  den  Boden  als  auf 
verschiedenen  Ertragsstufen  stehend  angeführt  habe,  während 
im  isolierten  Staat  nur  der  Ertrag  von  8  Körnern  stattfinden 
kann:  so  gehören  diese  Ertragsstufen  Wirtschaften  aus  der 
Wirklichkeit  an,  die  unter  analogen  Verhältnissen  mit  denen 
des  isolierten  Staates  bei  diesem  Ertrage  im  beharrenden  Zu- 
stande bleiben  und  somit  dem  Gesetz  der  Konsequenz 
nicht  unterworfen  sind. 

Auf  einer  anderen  Bodenart,  als  der  hier  zu  Grunde 
gelegten,  wird  auch  bei  konsequenter  Wirtschaft  der  Be- 
harrungsertrag ein  anderer  als  der  von  8  Körnern,  auf  dem 
Sandboden  ein  niedrigerer,  auf  dem  Tonboden  ein  höherer  sein. 

Man  würde  also ,  wenn  man  in  dem  isolierten  Staat 
sukzessive  andere  Bodenarten  zu  Grunde  legte,  und  die 
erhaltenen  Resultate  nebeneinander  stellte,  auch  bei  kon- 
sequenter Wirtschaft,  eine  Skala  von  verschiedenen  Erträgen 
erhalten. 

Da  aber  die  verschiedenen  Bodenarten  gar  sehr  ver- 
schiedene Bearbeitungskosten  verursachen,  so  müßten  diese 
auch  für  jede  Bodenart  besonders  berechnet  werden,  und  es 
würde  sich  dann  ergeben,  daß  die  Landrente  dieser  Boden- 
arten von  der  in  obigen  Tabellen  für  denselben  Körnerertrag 
berechneten  Landi-ente  bedeutend  abweicht  —  und  wenn 
123  für  den  Preis  des  Roggens  von  IV2  Tlr.  pro  Schfl.  nach 
unserer  Berechnung  die  Landrente  der  D.  F.  W.  schon  beim 
Ertrage  von  :V^/i  Körnern  verschwindet,  so  mag  dagegen  auf 
Sandboden  die  D.  F.  W.  noch  beim  Erlrage  von  3  Körnern 
betrieben  werden  köinicn. 


—    129    — 

Man  kann  in  der  Wirklichkeit  vielleicht  D.  F.  "W.  nach- 
weisen, die  beim  Ertrage  von  2V2  Körnern  fortbestehen; 
aber  gewöhnlich  betreiben  unter  solchen  Verhältnissen  die 
Landwirte  Nebengewerbe,  wovon  sie  leben;  und  immer  ist 
dann  die  Untersuchung  anzustellen,  ob  der  Landbau  auch 
die  Zinsen  der  vorhandenen  Gebäude  vergüte,  ob  nicht  trotz 
des  fortgesetzten  Anbaues  des  Bodens  die  Landrente  selbst 
negativ  sei. 


§  15. 

Verhältnis  der  Dungproduktion  und  der  mit 

Korn  bestellten  Fläche,  in  der  Koppel- 

und  in  der  Dreifelderwirtschaft. 

Es  ist  schon  früher  gesagt,  und  es  erhellt  auch  aus  dem 
ganzen  Gang  der  Untensuchung,  daß  hier  nur  von  solchen 
Koppel-  und  Dreifelderwirtschaften  die  Rede  ist,  welche  sich 
in  und  dnrch  sich  selbst,  also  ohne  äußeren  Dungzuschuß, 
in  gleichem  Reichtum  erhalten. 

In  der  Dreifelderwirtschaft  geht  die  Hälfte  des  Dungs, 
den  die  Weide  gibt,  für  den  Acker  und  also  auch  für  den 
Getreidebau  verloren,  und  diese  Weide  selbst  ist  wenig  pro- 
duktiv. Wegen  dieser  geringen  Dungerzeugung  kann  sie 
von  100  000  GR.  nur  24000  DR.  mit  Korn  bestellen,  wenn 
sie  sich  in  gleicher  Dungkraft  erhalten  soll. 

Die  Koppelwirtschaft  benutzt  dagegen  den  Dung,  den 
die  bessere  Weide  gibt,  ganz,  und  dies  bewirkt,  daß  sie  '^h 
der  Fläche,  oder  von  100000  DR.  circa  43000  CR.  mit  Korn 
bestellen   kann  und  sich  doch  in  gleicher  Dungkraft  erhält. 

Obgleich  nun   die  Koppelwirtschaft  durch  ihre  stärkere  124 
Dungerzeugung  eine  so  viel  größere  Fläche  mit  Korn  bestellen 
kann  als  die  D.  F.  W. ,   so  wird    diese  bei  niedrigen  Korn- 
preisen  noch   vorteilhafter  als  jene,   und  sie  kann  da  noch 
Tbü neu,  Der  isolierte  Staat,  3 


—     130     — 

fortdauern,   wo   die  K,  W.   einen  negativen  Reinertrag  gibt 
und  also  aufhören  muß. 

Bei  sehr  niedrigen  Kornpreisen  können  also  die  Kosten, 
welche  die  größere  Dungerzeugung  in  der  K.  W.  verui'saeht, 
durch  den  Ertrag,  den  die  größere  mit  Korn  besäete  Fläche 
bringt,  nicht  gedeckt  werden;  oder  mit  anderen  Worten, 
der  Dung  kostet  mehr  als  er  wert  ist. 

Im  entgegengesetzten  Fall,  wenn  die  Kornpreise  hoch 
sind,  oder  wenn  die  Fruchtbarkeit  des  Bodens  sehr  groß  ist, 
und  zumal  wenn  beide  Ursachen  zusammenwirken ,  über- 
wiegt die  Landrente  der  K.  W.  die  der  D.  F.  W.  bei  weitem. 
So  ist  z.  B.  für  den  Ertrag  von  10  Körnern  und  den  Preis 
von  11/2  Tlr.  die  Landrente  von  100000  DRut. 

durch  Koppelwirtschaft  genutzt 1818  Tlr. 

durch  Dreifelderwirtschaft 1119     „ 

der  Mehrertrag  der  K.  AV.  also  .     .     .     .     .     .      699^Tlr". 

Hier  verschwinden  die  Kosten,  die  die  Dungerzeugnng 
in  der  K.  W.  verursacht,  gegen  den  Nutzen,  den  dieser  Dung 
durch  einen  vergrößerten  Kornbau  bringt. 


§  16. 
Wirtschaftssystem  mit  höherer  Dungproduktion. 

Aus  dem  Vorhergehenden  läßt  sich  schon  schließen,  daß 
bei  sehr  erhöhten  Kornpreisen,  verbunden  mit  einer  großen 
Fruchtbarkeit  des  Bodens,  wir  endlich  auf  einen  Punkt 
kommen  müssen,  wo  eine  noch  stärkere  Dungerzeugung  als  in 
der  Koppelwirtschaft  stattfindet,  sich  reichlich  bezahlen  wiid. 
125  Daß  aber  eine  noch  höhere  Dungproduktion  möglich  ist, 
liegt  klar  vor  Augen;  denn 

1.  hat  die  K.  W.  noch   eine   reine  Brache,    welche   zwar 
in    manclicn    andoi'on    Beziehungen    sehr   nützlicli   ist, 


—     131     — 

zur  Dungvermehrung  selbst  aber  sehr  wenig  beiträgt, 
indem    sie    nur  den   5ten   Teil  des   Dungs,    den    die 
Weide  erzeugt,  hervorbringt; 
2.  ist  die  "Weide   selbst  bei  weitem   nicht   so  produktiv, 
als  sie  sein  könnte,  indem  sie  immer  in  die  Schläge 
kommt,  die  schon  drei  Kornsaaten  nach  der  Düngung 
getragen  haben,  und  deshalb  auf  einer  geringen  Stufe 
des  Reichtums  stehen. 
Der  Nutzen   der  Brache  bestellt  hauptsächlich  in   fol- 
gendem : 

1.  wird  der  Dreesch  durch  die  Brache  mit  den  geringsten 
Arbeitskosten  zur  'Aufnahme  der  Wintersaat  tauglich 
gemacht;  denn  man  kann  zwar  den  Dreesch  auch 
durch  die  Frühjahrsbearbeitung  mürbe  machen,  aber 
dies  ist  mit  einer  großen  Arbeitsvermehrung  ver- 
bunden und  kostet  30  bis  50  ^lo  mehr  als  die  regel- 
mäßige Brachbearbeitung  im  Sommer,  wo  die  Rasen- 
fäulnis der  Bearbeitung  zu  Hilfe  kommt; 

2.  wird  der  Dung-  und  Humusgehalt  des  Bodens  durch 
die  Brache  in  eine  so  große  Wirksamkeit  gesetzt,  daß 
dies  durch  keine  Yorfrucht  in  dem  Grade  zu  er- 
reichen ist. 

So  wird  z.  B.  ein  Boden,  der  nach  der  Brache  6  Körner 
an  Roggen  trägt,  nach  grün  abgemähten  Wicken  nur  un- 
gefähr 5  Körner  geben.  Daß  einzelne  Jahre  und  gewisse 
Bodenarten  hiervon  eine  Ausnahme  machen,  kann  die  Regel 
nicht  umstoßen,  daß  die  Brache  die  beste  Vorbereitung  zur 
Wintersaat  ist;  wohl  aber  wird  das  Verhältnis  in  Zahlen 
ausgesprochen  (hier  wie  6  zu  5  angenommen)  nach  Ver- 
schiedenheit des  Bodens,  der  Bearbeitung  und  des  Klimas  126 
sehr  verschieden  sein. 

Dieser  Minderertrag  des  Roggens  nach  den  Wicken 
rührt  aber  nicht  bloß  von  einer  durch  diese  Frucht  be- 
wirkten  Erschöpfung  des  Bodens  her,  indem   dieser  auch 

9* 


—    132    — 

dann  noch  stattfindet,  wenn  der  Acker  nach  der  Aberntung 
der  Wicken  denselben  Dunggehalt  wie  die  Brache  hat; 
sondern  entspringt  daraus,  daß  die  Bearbeitung  des  Bodens 
minder  vollkommen  gewesen  ist,  und  daß  ein  geringerer 
Teil  der  ganzen,  im  Boden  befindUchen  Dung-  und  Humus- 
masse, zur  Nahrung  für  die  Pflanzen  zubereitet  und  ge- 
schickt gemacht  ist,  welches  ich  durch  den  Ausdruck  „ge- 
ringere Wirksamkeit  des  Dungs"  bezeichne  (3). 

Auf  das  Credit  der  Vorfrucht  kommen  zu  stehen: 

1.  Wert  des  gewonnenen  Viehfutters; 

2.  Wert  des  Dungs,  den  das  Futter  mehr  gibt,  als  die 
Produktion  desselben  dem  Acker  kostet  —  wodurch 
dann  eine  größere  Ausdehnung  des  Kornbaues  möglich 
wird. 

Das  Debet  der  Vorfrucht  enthält: 

1.  vermehrte  Bestellungskosten, 

2.  Kosten  der  Aussaat, 

3.  Verminderung  des  Ertrages  der  Windersaat,  welche 
der  Vorfrucht  unmittelbar  folgt. 

Es  entsteht  nun  die  Frage:  bei  welchem  Getreidepreis 
und  bei  welchem  Körnerertrag  des  Ackers  wird  das  Credit 
der  Vorfrucht  dem  Debet  derselben  gleichkommen? 

Wenn  die  Data  zu  einer  solchen  Berechnung  gegeben 
sind,  so  muß  sich  dieser  Punkt  unstreitig  ebenso  scharf 
darstellen  lassen,  als  dies  bei  der  Bestimmung  der  Grenze 
zwischen  der  Koppelwirtschaft  und  der  Dreifelderwirtschaft 
geschehen  ist.  Aber  diese  Rechnung  wird  doch  sehr  ver- 
127  wickelt  werden ,  und  ich  vermag  sie  für  jetzt  noch  nicht 
zu  geben;  da  einesteils  zu  wünschen  ist,  daß  zuvor  die 
Aussaugung  des  Grünfutters  schärfer  und  bestimmter  er- 
mittelt werde,  als  bis  jetzt  geschehen  ist,  und  da  andern- 
teils  ich  die  Zeit  noch  nicht  daran  habe  wenden  können, 
welche  die  Durchfülirung  einer  solclien  Rechnung  erfordert. 
Ich  begnüge  mich  daher  mit  der  Anführung  einzelner  Grund- 


—    133    — 

Züge,  die,  wie  ich  glaube,  aus  der  durchgeführten  Berechnung 
hervorgehen  würden. 

Bei  einer  mittehnäßigen  Fruchtbarkeit  des  Ackers  wird 
erst  bei  einem  sehr  hohen  Kornpreis  die  Abschaffung  der 
Brache  vorteilhaft  sein  können :  denn  wenn  auch  die  ver- 
mehrte Arbeit  durch  höhere  Preise  bald  bezahlt  wird,  so  ist 
doch  der  verminderte  Ertrag  des  Winterkorns  von  so  großem 
Einfluß  auf  den  Reinertrag,  daß  der  vergrößerte  Kornbau, 
etwa  bis  zur  Hälfte  der  ganzen  Fläche,  diesen  Verlust  nur 
schwer  und  nur  bei  sehr  hohen  Korupreisen  wird  decken 
können. 

Der  Wert  des  gewonnenen  Viehfutters  kann  aber  unter 
Yerhältnissen ,  wie  sie  im  isolierten  Staat  stattfinden ,  w^o 
nämlich  wegen  der  Konkurrenz  der  unkultivierten  Gegenden 
die  Preise  der  Viehprodukte  so  niedrig  sind,  daß  die  Vieh- 
zucht ■  —  wie  die  Folge  ergeben  wird  —  teils  eine  sehr 
geringe,  teils  gar  keine  Landrente  abwirft,  zur  Deckung 
jenes  Verlustes  nur  wenig  beitragen. 

Betrachten  wir  aber  einen  Boden  von  sehr  hoher  Frucht- 
barkeit, so  ändern  sich  diese  Verhältnisse  gar  sehr. 

Mit  der  steigenden  Dungkraft  des  Ackers  steigt  der 
Körnerertrag  bis  zu  einem  gewissen  Punkt. 

Die  Steigerung  des  Kornertrages  kann  aber  nicht  wie 
die  der  Dungkraft  unbegrenzt  sein ;  sie  findet  diese.  Grenze 
vielmehr  in  der  Natur  der  Pflanze,  die  auch  beim  größten 
Überfluß  an  Nahrung  ein  gewisses  Maß  von  Größe  und 
Ertrag  nicht  überschreiten  kann.  Hat  der  Boden  nun  eine 
solche  Dungkraft,  daß  die  darauf  gesäten  Pflanzen  zum  128 
Maximum  ihres  Ertrages  gelangen  können :  so  ist  jeder 
fernere  Zusatz  von  Dung  nutzlos,  ja  er  wird  sogar  schädlich, 
indem  er  das  Lagern  des  Getreides  und  dadurch  einen  ver- 
minderten Ertrag  hervorbringt. 

Gesetzt  das  Maximum  des  Roggenertrages  für  einen  ge- 
gebenen Boden   sei   =   10  Körner.     Erhöhen  wir  nun  die 


-    134    — 

Dnngkraft  dieses  Bodens  noch  um  ^,5,  so  daß  er  die  Fähig- 
.  keit  bekäme  12  Körner  zu  produzieren,  wenn  die  Natur  der 
Pflanze  dies  erlaubte :  so  wird  auf  diesem  Boden  nach  reiner 
Brache  Lagerkorn  gebaut  werden.  Wenn  nun  aber  statt 
der  Brache  gi-üne  Wicken  genommen  werden ,  so  wird  die 
Wirksamkeit  des  im  Boden  befindlichen  Dungs  und  Dung- 
rückstandes so  weit  vermindert,  daB  der  Boden  nun  wiederum 
10  Körner  produziert. 

Unter  diesen  Umständen  fällt  also  der  Nachteil  der 
Vorfrucht  auf  die  nachfolgende  Winterung  ganz  weg;  auf 
dem  Debet  der  Vorfrucht  bleiben  bloß  noch  die  vermehrten 
Bestellungskosten  und  die  Kosten  der  Aussaat,  welche  aber 
schon  bei  mäßigen  Kornpreisen  durch  den  vermehrten  Duug- 
gewinn   und   dadurch  erweiterten  Kornbau   ersetzt  werden. 

Es  leidet  also  keinen  Zweifel,  daß  unter  diesen  Ver- 
hältnissen die  Abschaffung  der  Brache  konsequent  ist  — 
vorausgesetzt,  daß  die  physische  Beschaffenheit  des  Bodens 
und  das  Klima  nicht  von  der  Art  sind,  daß  die  Brache  durch- 
aus notwendig  ist. 

Mit  der  Abschaffung  der  Brache  ändert  sich  aber  die 
ganze  Form  der  Koppelwirtschaft.  Um  die  Bearbeitung  des 
Dreesches  zur  A^orfrucht  zu  erleichtern,  wird  man  es  vor- 
teilhaft finden,  den  Dreesch  nicht  mehr  drei  Jahre,  sondern 
nur  ein,  höchstens  zwei  Jahre  zur  Weide  liegen  zu  lassen. 
Um  die  Verwilderung  des  Ackers,  die,  wenn  es  keine  reine 
129 Brache  gibt,  so  leicht  stattfindet,  zu  vermeiden,  wird  eine 
ausgezeichnete  Aufmerksamkeit  auf  die  Folge,  in  welcher 
die  Früchte  nacheinander  am  besten  gedeihen,  notwendig. 
Man  wird  die  Fruchtfolge  so  wählen ,  daß  für  jede  Frucht 
die  möglichst  beste  Bearbeitung  stattfinden  kann,  und  daß 
die  abgeerntete  Frucht  den  Reichtum  des  Bodens  in  der 
größten  zu  erreichenden  Wirksamkeit  für  die  folgende  Saat 
ninterläßt  —  eine  Vorsicht,  die  in  der  Koppelwirtschaft  auch 
nicht  überflüssig,  aber  nicht  so  notwendig  ist,  und  die  da- 


—    135    — 

selbst  anderen  Rücksichten  weichen  muß.  —  Mit  einem 
Wort :  hohe  Fruchtbarkeit  des  Bodens,  verbunden  mit  guten 
Kornpreisen,  verwandelt  die  Koppelwirtschaft  in  Frucht- 
wechsel Wirtschaft. 

Wenn  für  einen  gegebenen  Boden  das  Maximum  des 
Mittel ertrages  an  Roggen  =  10  Körner  ist,  welches  in  der 
Tschlcägigen  K.  W.  einen  mittleren  Reichtum  von  STS*^  in 
lüOO  GRut.  voraussetzt :  so  kann  in  dieser  Wirtschaftsform 
ein  Zusatz  von  Reichtum  keine  Anwendung  mehr  finden, 
weil  dieser  nur  Lagerkorn  und  also  verminderten  Ertrag 
hervorbringen  würde.  Wer  nun  die  Koppelwirtschaft  als  die 
Grenze  der  Kultur  ansieht,  wird  auf  einem  Boden  von  diesem 
Reichtum  die  Schätze,  die  sich  auf  einem  Felde  an  Moder 
und  Mergel  finden,  entweder  gar  nicht  benutzen  können, 
oder  er  wird  das,  was  er  durch  die  Anwendung  dieser 
Mittel  dem  Acker  gegeben  hat,  durch  eine  vergrößerte  Korn- 
aussaat augenblicklich  wieder  hinwegnehmeu  müssen  und 
somit  kein  größeres  produktives  Kapital  im  Acker  fundieren 
können. 

In  der  Fruchtwechselwirtschaft  findet  aber  ein  weit 
größerer  mittlerer  Reichtum  noch  eine  nützliche  Anwendung : 
denn  1.  ist  schon  durch  die  gleichmäßigere  Verteilung  des 
Reichtums  in  allen  Schlägen  ein  größerer  mittlerer  Reichtum 
erforderlich,  um  10  Körner  an  Roggen  hervorzubringen,  und 
2.  muß  wegen  der  durch  die  Vorfrucht  verminderten  Wirk- 130 
samkeit  des  Dungs  der  Reichtum  des  Roggen  Schlages  selbst 
bedeutend  höher  sein,  wenn  dieser  das  Maximum  von 
10  Körnern  liefern  soll. 

Aus  der  ersten  Ursache  ist  nach  §  9  in  der  6  schlägigen 
F.  W.  W.  der  mittlere  Reichtum  425*^,  wenn  der  Roggen- 
schlag nach  Wicken  500*^  enthalten  soll ;  aus  der  zweiten 
Ursache  gehören  aber  zur  Hervorbringung  von  10  Körnern 
600»  Reichtum. 

Das   Maximum   des   Ertrages   der   Kartoffeln   und   des 


—    136    — 

Grünfütters  liegt  nicht  so  nahe  als  beim  Getreide,  und  ihr 
Anbau  ist  gerade  auf  solchem  Boden,  der  über  500'^  Eeichtuui 
enthält,  am  vorteilhaftesten.  Sollen  nun  die  Schläge  unter 
sich  in  dem  Verhältnis  des  Reichtums  bleiben,  wie  dies  in 
§  9  angegeben  ist,  so  wird  für  einen  Körnerertrag  an  Roggen 
=  10,  auch  der  Kartoffelschlag  600°  erhalten,  und  der 
mittlere  Reichtum  wird  dann  um  \'o  erhöht,  also  von  425° 
auf  425  X  l^'s  =  510°  gebracht. 

Da  in  der  F.  W.  W.  der  Reichtum  nur  für  die  Winter- 
saat, nicht  aber  für  die  Kartoffeln,  das  Sommerkorn  und 
das  Grünfutter  eine  mindere  Wirksamkeit  hat,  als  in  der 
K.  W. :  so  ist  auch  der  Reinertrag  dieser  Wirtschaft  sehr  ^iel 
höher,  als  der  der  Koppelwirtschaft  von  10  Körnern  Ertrag. 

Es  findet  also  in  der  F.  W.  W.  ein  mittlerer  Reichtum 
von  510°  eine  nützliche,  produktive  Anwendung,  während  in 
der  K.  W.  nur  373°  mittlerer  Reichtum  nützlich  verwandt 
werden  können;  oder  die  F.  W.  W.  kann  510°  mittleren 
Reichtum  zinstragend  im  Boden  fundieren,  die  K.  W.  nur  373°. 

In  Staaten,  deren  Konsumtion  durch  die  Produktion 
gerade  gedeckt  wird,  die  also  weder  Korn  ausführen  noch 
einführen,  steht  sicherlich  die  Bevölkerung  mit  der  Summe 
der  erzeugten  Lebensmittel  in  irgendeinem  Verhältnis.  Nun 
131  erzeugt  die  K.  W.  von  gleicher  Fläche  eine  viel  größere 
Masse  von  Lebensmitteln,  als  die  D.  F.  W. ,  aber  eine  viel 
geringere  als  die  F.  W.  W. ,  wenn  der  Körnerertrag  des 
Roggens  in  allen  drei  Wirtschaftsarten  gleich  ist;  und  wenn 
die  K.  W.  von  10  Körnern  Ertrag  etwa  3000  Menschen  auf 
der  Quadratmeile  ernährt,  so  wird  die  D.  F.  W.  nur  un- 
gefähr für  2000,  die  F.  W.  W.  aber  vielleicht  für  4000  Men- 
schen auf  der  Quadratmeile  den  Lebensunterhalt  verschaffen. 

Die  F.  W.  W.  ist  ein  herrliches  Mittel,  um  einen  reichen 
Boden  hoch  zu  benutzen ;  aber  für  armen  Boden  ist  sie  ein 
Mittel,  um  den  Reinerti-ag,  den  andere  Wirtschaftsarten 
hier  gegeben  hätten,  zu  vernichten. 


—    137    — 

Wenn  man  die  Quantität  Gras  berechnet,  die  eine 
Dreeschweide  jährlich  hervorbringt,  und  diese  dann  mit  dem 
Heuertrag  des  roten  Mähklees  vergleicht,  so  wird  man  auch 
bei  Boden  von  gleicher  Dungkraft  einen  sehr  beträchtlichen 
Unterschied  in  der  Produktion  zugunsten  des  Mähklees  finden. 

Da  dieser  Yorzug  des  Mähklees  auch  dann  noch  statt- 
findet, wenn  die  Weidepflanzen  selbst  größtenteils  aus  rotem 
Klee  bestehen:  so  geht  hieraus  hervor,  daß  die  beständige 
Störung,  welche  die  Weidepflanzen  in  ihrer  Vegetation  durch 
das  Abbeißen  und  Zertreten  erleiden,  sehr  nachteilig  auf 
den  Wachstum  des  Grases  und  des  Klees  -wirkt. 

Die  Dungerzeugung  und  der  Futtergewinn  werden  also 
beträchtlich  Vermehrt,  wenn  man  die  Dreeschweiden  in 
Felder  mit  grün  gemähten  Futterkräutern  verwandelt,  — 
welches  Stallfütterung  statt  Weidegang  herbeiführt. 

Mit  der  durch  die  Stallfütterung  erhöhten  Dungerzeuguug 
kann  nun  abermals  der  Korabau  erweitert  werden,  und  wenn, 
nach  einer  oberflächlichen  Berechnung,  die  F.  W.  W.  mit 
Weidegang  circa  50  %  der  Ackerfläche  mit  Korn  bestellen  132 
kann;  so  wird  die  F.  W,  W.  mit  Stallfütterung  vielleicht 
55  %  der  Ackerfläche  dem  Getreidebau  widmen  können  und 
doch  in  demselben  Grad  von  Reichtum  verbleiben.*) 

In  wärmeren  Klimaten  kann  auf  fruchtbarem  Boden  in 
die  Stoppel  des  abgeernteten  Getreides  noch  eine  zweite 
Frucht,  als  Rüben,  Spörgel  usw.  gebaut  werden.  Dies  ist 
gleichsam  ein  beschleunigter  Umlauf:  man  baut  in  einem 
Jalire    zwei  Früchte,   zu    deren  Hervorbringung   in  kälteren 


*)  Es  ist  hier  immer  um-  von  einem  guten  Höheboden  die 
Eede,  der  sich  in  der  7  schlägigen  K.  W.  ohne  Dungzuschuß  er- 
halten kann.  Für  jeden  minder  guten  Boden  würde  ein  so  aus- 
gedehnter Kornbau  zum  Verderben  gereichen  —  und  dies  wird 
selbst  auf  dem  guten  Boden  der  Fall  sein ,  wenn  Weizen  statt 
Roggen  gebaut  wird. 


—    138    — 

Klimaten  zwei  Jahre  gehören.  Da  die  Stoppel frucht' immer 
zum  Yiehfutter  dient,  und  hierzu  nur  solche  Gewächse  ge- 
nommen werden,  die  durch  Verfütterung  mehr  Dung  wieder- 
geben, als  die  Produktion  derselben  dem  Acker  gekostet 
hat:  so  hat  die  Aussaugung  der  Getreidefrucht  in  der  Dung- 
erzeugung der  Stoppelfrucht  ein  stetes  Gegengewicht.  Ein 
Teil  der  durch  die  Halmfrucht  bewirkten  Aussaugung  wird 
durch  den  Ersatz,  den  die  Stoppelfrucht  liefert,  wieder  aufge- 
hoben, und  so  ist  es  nicht  zu  verwundern,  daß  diese  Wirt- 
schaften 60  bis  70  ^lo  der  Ackerfläche  mit  Korn  und  Handels- 
gewächsen bestellen  können,  ohne  den  Reichtum  des  Bodens 
zu  erschöpfen. 

Allemal  aber  gehört  neben  einem  ausgezeichnet  frucht- 
baren Boden  ein  hoher  Wert  der  Produkte  dazu,  wenn  diese 
im  Sturm  gewonnenen  Ernten  (wie  sich  ein  anonymer  Schrift- 
steller ausdrückt)  die  Kosten  bezahlen  sollen. 

Nach  dem  Zeugnis  bewährter  Schriftsteller  bewii'kt  der 
rote  Klee,  in  manchen  Gegenden,  gar  keine  Aussaugung, 
sondern  eine  Bereicherung  des  Bodens. 
133  In  Mecklenburg  sprechen  dagegen  die  Erfahrung  und. 
die  überwiegende  Meinung  den  Satz  aus,  daß  der  rote  Klee 
als  eine  aussaugende  Frucht  zu  betrachten  sei. 

Es  ist  ferner  in  Mecklenburg  und  Neu-Pommern  sehr 
häufig  bemerkt,  daß  Felder,  welche  aus  der  D.  F.  W.  zur 
K.  W.  übergegangen  sind,  in  den  ersten  Umläufen  sehr 
üppigen  Klee,  sowohl  weißen  als  roten  getragen  haben ; 
daß  aber  in  den  spätem  Umläufen  dieser  Boden  weder  durch 
einen  erhöhten  Reichtum,  noch  durch  den  Mergel  den  ersten 
großen  Klee-Ertrag  wieder  liefert. 

Wie  läßt  sich  nun  für  diese  anscheinend  widersprechen- 
den Tatsachen  eine  gemeinschaftliche  Ursache  auffinden. 

Mir  scheint  es,  daß  sich  diese  Erfahrungen  unter  einen 
Gesichtspunkt  auffassen  lassen,  wenn  man  annimmt,  daß  in 
dem  Dung    irgendein  Stoff  —  gleichviel,    Avelcher    es  sei 


—    139    — 

und  wie  er  genannt  werde  —  enthalten  ist,  der  von  den 
Halmfrüchten  nicht  ergriffen  wird,  dagegen  aber  dem  Klee 
ganz  vorzüglich  zusagt. 

Kommt  nun  der  Klee  auf  einen  Boden,  der  schon  lange 
kultiviert  ist,  bisher  aber  bloß  Korn  getragen  hat :  so  findet 
der  Klee  diesen  Stoff  als  Rückstand  aller  früheren  Düng- 
ungen im  Boden  vor,  und  gedeiht  wegen  der  ihm  gerade 
angemessenen,  im  Übermaß  vorhandenen  Nahrung  in  einem 
ungemeinen  Grade.  Der  Boden  verliert  dann  durch  den 
Klee  einen  Stoff,  der  für  das  Korn  indiffei-ent  war,  und 
erhält  dagegen  durch  die  Stoppeln  und  Wurzeln  des  Klees 
eine  Düngung  zurück,  die  für  das  Korn  wirksam  ist.  Das 
Korn  findet  dann  eine  vermehrte  Masse  des  demselben  zu- 
sagenden Nahrungsstoffes  vor,  und  wenn  man  nun  das  Ge- 
deihen des  Korns,  vor  und  nach  dem  Klee,  zum  Maßstab 
der  Aussagung  nimmt,  so  muß  der  Klee  weit  mehr  be- 
reichernd als  aussaugend  erscheinen. 

Sobald  aber  der  Klee,  in  die  regehnäßige  Fruchtfolge  134 
aufgenommen,  so  oft  wiedergekehrt  ist,  daß  der  eigentümliche 
Nahrungsstoff  erschöpft  ist:  so  findet  derselbe  im  nächsten 
und  in  allen  folgenden  Umläufen  von  diesem  eigentümlichen 
Stoff  nur  so  viel  vor,  als  in  der  frischen  Düngung  davon 
enthalten  war.  Da  aber  dies  Quantum  zur  Ernährung  des 
Klees  nicht  hinreicht,  so  greift  derselbe  den  für  das  Korn 
geeigneten  Nahrungsstoff  im  verstärkten  Maß  an,  und  so  zeigt 
sich  der  Klee  dann  nicht  mehr  bereichernd,  sondern  aussaugend. 

Wahrscheinlich  ist  der  für  den  roten  und  der  für  den 
weißen  Klee  geeignete  Stoff,  w^enn  auch  nicht  identisch  doch 
ähnlich,  und  da  in  der  K.  W.  der  weiße  Klee  in  jedem 
Umlauf  über  das  ganze  Feld  kommt :  so  findet  hier  gar  keine 
Anhäufung  des  Klee-Nahrungsstoffs  statt.  Bringt  man  nun 
zur  Abwechselung  auf  diesen  Boden  einmal  roten  Klee,  so 
muß  dieser  größtenteils  von  den  für  das  Korn  geeigneten 
Stoffen  leben  und  zeigt  sich  dann  aussaugend. 


—     140     — 

Mag  aber  diese  Erklärung  begründet  oder  unbegründet 
sein,  so  l^ann  ich  doch,  nacii  meinen  bisherigen  Erfahrungen 
und  Beobachtungen,  den  grün  gemähten  AVici^en  und  dem 
roten  Klee,  —  wenn  diese  in  jedem  Umlaufe  regelmäßig 
wiederkehren  —  keine  bereichernde  Kraft  beimessen ;  sondern 
ich  muß  vielmehr  annehmen,  daß  diese  Gewächse,  welche 
eine  so  große  Masse  Futter  liefern  und  welche,  bei  der  regel- 
mäsigen  Wiederkehr,  nur  in  dem  Maße  wachsen,  als  sie  Reich- 
tum im  Boden  vorfinden,  eine  aussaugende  Wirkung  auf 
den  Boden  ausüben.  Es  scheint  mir  aber  gewiß,  daß  der 
rote  Klee,  auch  nach  Abzug  dessen,  was  seine  Produktion 
an  Dung  gekostet  hat  —  auf  einem  für  denselben  geeigneten 
Boden  —  einen  beträchtlich  größeren  Dungüberschuß  liefert, 
als  eine  Dreeschweide  auf  diesem  Boden  zu  geben  vermag. 
135  Das  Credit  der  Stallfütterung  in  Yergleichung  mit  dem 
Weidegang  des  Viehes  enthält  demnach: 

1.  vermehrtes  Futter. 

2.  vergrößerte  Dungerzeugung  und  dadurch  bewirkte 
größere  Ausdehnung  des  Kornbaues. 

Das  Debet  enthält: 

1.  die  kostspieligere  Aussaat  von  Wicken  und  rotem  Klee- 
samen, in  Yergleichung  mit  der  Kleeaussaat  zur  Weide; 

2.  die  durch  den  Wickenbau  vermehrten  Bestellungskosten  ; 

3.  die  Anfahrungskosteu  des  Grünfutters  nacli  dem  Hofe : 

4.  die  Kosten  des  Abfahrens  des  aus  dem  Grünfutter 
erfolgten  Dungs  —  welche  beim  Weidegang  ganz  er- 
spart werden. 

Die  durch  die  Stallfütterung  verursachten  Kosten  sind 
nicht  unbedeutend,  und  nur  auf  einem  Boden  von  hohem 
Wert  wird  der  erweiterte  Kornbau  und  das  vermehrte  Yieh- 
futter  diese  Kosten  decken  und  überwiegen  können. 

Ein  Boden  von  gennger  Fruchtbarkeit  kann  diese  Kosten 
nicht  wieder  bezahlen,  und  für  einen  solchen  Boden  wird 
diese  Wirtschaft  um  so  vererblicher,  als  die  erwartete  Futter- 


—     141    — 

und  DungvermehruDg  in  eine  Yerminderung  umschlägt;  in- 
dem die  Futterkränter  hier  ganz  versagen,  einen  noeli  ge- 
ringeren Ertrag  als  der  Weideklee  und  die  Weidegräser  geben 
und  kaum  die  Kosten  des  verwandten  Samens  ersetzen. 

In  einer  Koppelwirtschaft  von  1(»  Körnern  Ertrag  hat 
der  535  Ruten  vom  Hofe  entfernte  Acker  nach  §  11  noch 
die  Hälfte  des  Werts  von   dem  am  Hofe  liegenden  Acker. 

In  der  mit  Stallfütterung  verbundenen  Fruchtwechsel- 
wirtschaft  werden  die  Arbeiten,  deren  Größe  in  geradem 
Verhältnis  mit  der  Entfernung  vom  Hofe  stehen ,  nämlich 
das  Einfahren  der  Feldfrüchte  und  das  Abfahren  des  Dungs, 
außerordentlich  vermehrt.  Wenn  man  hierüber  eine  eben 
so  genaue  Berechnung,  als  die  für  die  Koppelwirtschaft  136 
gegebene  anstellte:  so  würde  man  wahrscheinlich  finden,  daß  . 
für  diese  Wirtschaftsart  der  300  Ruten  vom  Hofe  entfernte 
Acker  schon  auf  die  Hälfte  des  Wertes  des  am  Hofe  liegen- 
den Ackers  herabsinkt. 

Es  läßt  sich  also  wohl  mit  Sicherheit  annehmen,  daß 
F.  W,  W.  mit  Stallfütterung  sich  nur  bei  kleinen  Gütern 
über  das  ganze  Feld  ausbreiten  kann;  daß  aber  auf  großen 
Gütern,  auch  beim  hohen  AVert  des  Bodens,  dieses  Wirt- 
schaftss^'stem  nur  auf  dem  vorderen  Teil  des  Ackers  vor- 
teilhaft und  ausführbar  ist,  der  entferntere  Acker  dagegen 
dm'ch  K.  W.  höher  genutzt  würd. 

Da  nun  beim  hohen  Wert  des  Bodens,  —  der  aus  der 
Fruchtbarkeit  des  Bodens  und  aus  dem  Preise  der  Erzeug- 
nisse gemeinschaftlich  entspringt,  —  die  F.  W.  W.  mit  StaU- 
fütterung  auf  kleinen  Gütern  einträglicher  ist  als  die  K.  W., 
so  können  wir  umgekehrt  schließen,  daß  mit  dem  steigenden 
Wert  des  Bodens  die  Güter  von  mäßiger  Größe  mehr  und 
mehr  den  Yorzug  vor  den  großen  Gütern  erhalten;  und  in 
der  Tat  finden  wir  in  allen  Ländern,  wo  eine  sehr  hohe 
Kultur  des  Bodens  stattfindet,  nur  Güter  von  geringem  oder 
mäßigem  Umfange. 


142    — 


§  17. 

Resultate   einer  Vergleichung  zwischen  der  bel- 
gischen und  der  mecklenburgischen  Wirtschaft. 

"Wir  legen  hier  für  beide  Wirtschaftsarten  einen  Boden 
zu  Grunde,  auf  welchem  die  relative  Aussaugung  des 
Roggens  ^/g  beträgt. 

Fruchtfolge  der  belgischen  "Wirtschaft,  die  wir  hier  zum 
Gegenstand  der  Betrachtung  nehmen: 

1.  Kartoffeln, 

2.  Roggen  und  Stoppelrüben, 
137                 3.  Hafer, 

4.  Klee, 

5.  Weizen  und  Stoppel rüben. 

Die  Fruchtfolge  der  mecklenburgischen  Wirtschaft; 
welche  wir  bei  dieser  Yergleichung  zu  Grunde  legen,  ist 
die  gewöhnliche  in  der  siebenschlägigen  Koppelwirtschaft 
stattfindende  Fruchtfolge,  die  wir  oben  schon  augeführt  haben. 

Reichtmii  und  Ertrag  der  belgischen  Wirtschaft. 

(jeder  Schlag  zu  10000  DRut.)       ^grljjj"'         Ertrag 

1.  Kartoffeln ,    .    .     .  7680     11500  Schfl. 

2.  Roggen (5974  1056  Schfl. 

Rüben —  6500  Ztr. 

3.  Hafer  . 7650  1650  Schfl. 

4.  Klee 6910  3150  Ztr.  Heu 

5.  Weizen 7349  1056  Schfl. 

Rüben —  6500  Zti-. 

In  50000  DRut.  sind  enthalten  7  .^365630 
dies  macht  für  lOOoO  □Rut.  .    .    .    7313", 


—     143    — 

Reichtum  und  Ertrag  der  mecklenburgischen 
Wirtschaft. 

(jeder  Schlag  zu  10000  DRut.)       ^'^^         ^^^^^^ 

1.  Roggen 6336  1056  Schfl. 

2.  Gerste 5280  1056  Schfl. 

3.  Hafer 4488  1267  Schfl. 

4.  Weide 3854  898  Ztr.  Heu 

5.  Weide 4145  898  Ztr.  Heu 

6.  Weide 4435  898  Ztr.  Heu 

7.  Brache   —  enthält  im  Frühjahr  4726  180  Ztr.  Heu 
Hierzu  die  Düngung  aus  dem  Stroh  1552 

In  70000  DRut.  sind  enthalten  .     .  34816« 
dies  macht  für  10000  DRut.  .     .     .    4973«. 

Bei  gleichem  Körnerertrag  an  Winterkorn  verhält  sich  138 
also  der  mittlere  Reichtum  des  mecklenburgischen  Ackers  zu 
dem  des  belgischen  wie  4973«  zu  7313«  oder  wie  100  zu  147. 

Meine    Berechnungen    liefern    als    endliches    Resultat 
folgende  Übersicht  der  Kosten  und  der  Landrente: 


—    144    — 
A.   der  belgischen  Wirtschaft  auf  100  000  DRut. 


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Bestelluugs- 

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kosten 

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Erntekosten 

1        1 

1            1 

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Dungfuhren 

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Allgemeine 

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1            I 

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Kulturkosten 

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Summe  der 

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1            1 

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Kosten 

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—     145    — 
ß.  der  mecklenburgischen  Wirtschaft  auf  100  000  DR.  139 


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Allgemeine 

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Summe  der 

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1^ 

CD 

Thünen,  Der  isolierte  Staat. 


10 


—     146     — 

1. 

Es  ist  zuvörderst  zu  bemerken,  daß  der  Ertrag  des 
Winterkorns  in  Belgien  mit  dem  Ertrage,  den  der  Weizen 
zu  T.  im  Durchsclmitt  gegeben  hat,  fast  genau  zusammen- 
140  fällt.  Der  Versuch,  den  Weizen  zu  T.  zu  einem  noch  höheren 
]ilittelertrag  zu  bringen,  hat  aufgegeben  werden  müssen, 
weil  der  Weizen  sich  dann  lagerte  und  einen  verminderten 
Ertrag  lieferte.  Wir  können  also  den  belgischen  Mittelertrag 
von  lu,5t3  Körnern  zugleich  als  das  Maximum  des  Mittel- 
ertrages auf  gutem  Höheboden  ansehen.*) 

2. 

Mit  dem  Ertrage  von  10,56  Körnern  ist  in  der  Koppel- 
wirtschaft eine  Landrente  von  1600  Tlr.  N-/3  verbunden, 
und  weil  der  Körnerertrag  nicht  weiter  gesteigert  werden 
kann:  so  ist  auch  in  der  reinen  Koppelwirtschaft,  wo  reine 
Brache  gehalten,  und  aller  Dung  derselben  zugeführt  wird, 
eine  höhere  Landrente  nicht  zu  erreichen. 

Dagegen  liefert  die  belgische  Wirtschaft  bei  demselben 
Körnerertrage  eine  Landrente  von  2779  Tlr.  N-/3;  oder  bei 
dem  Ertrage  von   lO.so  Körnern  verhält   sich  die  Landrente 


*)   Zu  Tellow  war   der  Durchschnittsertrag  von   100  QEut. 
in  Berliner  Scheffeln 

in  dem  vom  vom 

Zeitraum  Weizen        Eoggen 

von  1810  bis  20  . lO,^^  Schfl.    9,85  Schfl. 

1820  bis  30 11,37       „     11,30      „ 

1830  bis  40 lO^pa       „     ll.ip      „ 

30  jähriger  Durchschnitt  10„8  Schfl.  IG,»«  Schfl. 
Der  geringere  Ertrag  des  Weizens  in  der  letzten  Periode,  im 
Vergleich  mit  dem  der  beiden  früheren  Perioden,  rührt  teils  von 
der  Ahnahme  der  Wirkung  des  Mergels,  teils  von  einer  Andening 
der  Fruchtfolge  her,  vermöge  welcher  mehr  Weizen  in  die  Stoppel 
einer  Vorfrucht  gesäet  wurde  als  früher. 


—     147     — 

der   mecklenburgisclien    Wirtschaft   zu    der   der   belgisclien 
Wirtschaft  wie  100  zu  174. 

Der  Rohertrag  beider  Wirtschaftsarten  verhält  sich  wie 
5137  zu  11081,  oder  wie  lOü  zu  216. 

Denken  wir  uns  nun  diese  beiden  verschiedenen  Wirt- 141 
Schäften  über  zwei  Staaten  von  gleichem  Umfange  verbreitet: 
so  muß  in  dem  Reichtum,  der  Bevölkerung  und  der  Macht 
beider  Staaten  ein  enormer  Unterschied  stattfinden. 

Die  Bevölkerung  steht  wahrscheinlich,  wenn  auch  nicht 
im  direkten  doch  im  nahen  Verhältnis  mit  dem  rohen  Er- 
trage. Wir  haben  oben,  aber  freilich  als  eine  bloße  Mut- 
maßung, angenommen,  daß  die  Koppelwirtschaft  von  10 
Körnern  Ertrag  einer  Bevölkerung  von  3000  Menschen  auf 
der  Quadratmeile  Nahrung  verschaffe.  Hiernach  würde  eine 
K.  W.  von  10,oG  Körnern  Ertrag  circa  3200  Menschen  auf 
der  Quadratmeile  ernähren;  und  da  in  dieser  Beziehung 
die  K.  W.  sich  zur  B.  W.  (belgischen  Wirtschaft)  wie 
100  :  216  verhält:  so  würde  der  Staat,  in  welchem  die  bel- 
gische Wirtschaft  betrieben  wird,  circa  6900  Einwohner  auf 
der  Quadratmeile  enthalten  können. 

Es  lohnt  wohl  der  Mühe,  diese  hypothetische  Berechnung 
mit  der  Wii'klichkeit  zu  vergleichen,  und  sie  dadurch  zu 
berichtigen. 

Nach  Hassels  Handbuch  der  Erdbeschreibung  und  Sta- 
tistik enthielten  im  Jahre  1817 


10* 


—     148 


die  Provinzen 

Größe 
[jM  eilen 

Zahl  der 
Einwohner 

Einwohner 
auf  der 
nMeile 

Hennegau 

79,38 

430  156 

5419 

Südbrabant 

66,24 

441  222 

6660 

Antwerpen 

47,8s 

287  347 

6001 

Ostflandern 

49,10 

600184 

12223 

Westflandern 

68,01 

519  400 

7634 

Dep.  du  Xord 

109.00 

871  990 

7932 

420.54 

3  150  299 

142         Diese  6  Provinzen,  in  welchen  der  belgische  Ackerbau 
am  vorzüglichsten  betrieben  wird, 

enthalten   also  auf  420,5i  CMeilen    3150209  Einwohner; 
dies  macht  für  eine  (^)uadratmeile  7  491    Einwohner. 

So  viel  ich  weiß,  bedarf  Belgien  in  der  Regel  keiner 
Korneinfuhr.  Ist  dies  richtig,  und  ernährt  also  Belgien 
seine  Bevölkerung  selbst,  so  bleibt  unsere  Berechnung  noch 
hinter  der  "Wirklichkeit  zurück. 

Wenn  der  Reichtum  eines  Staats  nicht  weiter  zunimmt, 
sondern  im  beharrenden  Zustande  ist;  so  wird  die  Landreute 
von  der  unproduktiven  Klasse  der  Nation  verzehrt.  Die  Zahl 
der  unproduktiven  Menschen,  die  ein  Staat  ernähren  kann, 
hängt  also  wesentlich  mit  der  Größe  der  Landrente  zusammen. 

Da  auch  das  Militär  zu  dieser  Klasse  der  Staatsbürger 
gehört:  so  wird  der  Staat  um  ein  so  größeres  Heer  auf- 
stellen und  unterhalten  können,  also  um  so  mächtiger  nach 
Außen  sein,  je  größer  die  Landrente  ist. 


149    - 


Welches  ist  nun  aber  der  Hebel,  die  eigentliche  Grund- 
ursache des  Übergewichts  des  belgischen  Äckerbaues?  Ist 
dies  Übergewicht  an  Klima,  Boden  und  geographische  Lage 
gebunden ;  oder  steht  es  in  der  Macht  des  Landwirts,  eine  ähn- 
liche —  wenn  auch  nicht  gleiche  —  hohe  Kultur  einzuführen. 

Um  diese  Fragen  zu  beantworten,  müssen  wir  den  Reich- 
tum, den  der  Acker  bei  der  belgischen  Wirtschaft  enthält, 
mit  dem  bei  der  mecklenburgischen  Wirtschaft  vergleichen. 

Nach  der  zu  Anfang  dieses  Paragraphen  gelieferten  Be- 
rechnung erfordert  die   belgische  Wirtschaft  einen  mittlem 
Reichtum   des  Ackers  von  731,3"  in  1000  DR-;   die  meck- 
lenburgische Wirtschaft  aben  nur  497 ,3", 
ersterer  also  mehr  234". 

Die  B.  W.   enthält  auf  gleichem  Flächenraum   und  bei  143 
gleichem    Körnerertrag   im   AVinterkorn    einen    um    beinahe 
50  "/o  höheren  Reichtum  des  Ackers,  als  die  M.  W. 

Also  wird  die  größere  Landrente  der  B.  W.  zwar  von 
gleichem  Flächenraum,  aber  nicht  von  gleichem  Reichtum 
des  Ackers  gewonnen;  und  welchen  Anteil  auch  Klima, 
Boden,  Fruchtfolge,  Xationalcharakter  der  Belgier  usw.  an 
dem  höheren  Ertrag  des  belgischen  Ackers  haben  mögen, 
immer  ist  der  hohe  Reichtum  des  Bodens  die  Grundbedingung, 
ohne  welche  alle  anderen  günstigen  Einw^irkungen  nicht  den 
hohen  Ertrag  hervorbringen  können. 


Vergleichung  beider  Wirtschaftsarten  bei  niedrigeren 
Stufen  der  Fruchtbarkeit  des  Ackers. 

Betrachten  wir  die  oben  mitgeteilten  Tableaux  über  die 
Landrente  beider  Wirtschaften  genauer,  so  finden  wir,  daß 
der  glänzende  Vorzug  der  B.  W.  immer  mehr  und  mehr 
schwindet,   je    mehr   der   Körnerertrag   abnimmt:   ja   beim 


—     150     -^ 

Ertrage  von  6  Körnern  gibt  die  K.  W.  schon  eine  höhere  Land- 
reute als  die  B.  W.,  und  die  Landrente  der  letzteren  Wirtschaft 
wird  schon  bei  5,6S  Körnern  =  0,  während  die  Landrente 
der  K.  W.  erst  bei  dem  Ertrage  von  5,32  Körnern  verschwindet. 

Dieses  Resultat  wird  noch  auffallender,  wenn  man  er- 
wägt, daß  die  belgische  Wirtschaft  bei  gleichem  Körner- 
ertrage einen  viel  größeren  Bodenreichtum  enthält,  als  die 
mecklenburgische. 

Die  belgische  Wirtschaft  bedarf  zur  Produktion  von 
10,56  Körnern  auf  100000  DRnt.  Acker  eines  Reichtums  von 
73130^;  dies  macht  für  den  Ertrag  von  einem  Korn  6925^. 
144  Die  mecklenburgische  Wirtschaft  bedarf  zur  Hervor- 
bringung eines  gleichen  Körnerertrags  in  100  000  DR.  Acker 
nur  49730»  Reichtum,  also  für  1  Korn  47 10». 

Beim  Ertrage  von  6  Körnern  enthält  demnach 
die  B.  W.  (J  X  0925  =  41550« 
die  K.  W.  6  X  4710  =  28260». 

Die  belgische  Wirtschaft  gibt  hier  bei  einem  um  13  290» 
höheren  Reichtum  eine  geringere  Landrente  als  die  Koppel- 
wirtschaft. 

Bei  dem  Ertrage  von  5,6s  Körnern,  wo  die  Landrente 
der  belgischen  Wirtschaft  =  0  wird,  enthält  der  Acker  noch 

ßO 

5  ^  X  6925  r=  39334»  Reichtum. 

Die  Landrente  der  mecklenburgischen  Wirtschaft  ver- 
schwindet dagegen   erst,  wenn   der  Acker   nur   5,32  Körner 

32 
trägt,     und     also    einen     Reichtum    von     5     jr^  X  4710 

=  25057»  enthält. 

Ein  Acker,  der  in  100000  DRut.  39334»  Reichtum 
enthält  und  der  durch  B.  W.  genutzt  gar  keine  Landrente 
abwirft,    wird,    durch    K.    W.   genutzt,    einen    Ertrag   von 

39334 

r,f^-    =    8,35    Körnern    geben    und    eine   Landrente    von 


—    löl   — 

35 
818,2  -[-  iTjA  X  305,4  =   925.1    Tlr.   abwerfen.     Wenn   nun 

umgekehrt  auf  einem.  Boden  von  dieser  Fruelitbarkeit  die 
B.  W.  eingeführt  wird :  so  wird  dadurch  die  ganze  Landrente 
von  925,1  Tlr.,  welche  die  K.  "NV.  hier  bisher  gegeben  hat, 
vernichtet. 

Dies   mag  wohl  zur  Warnung  dienen ,  keine  Wirtschaft 
aus  fremden  Ländern  nachzualunen  und  bei  sich  einzuführen, 
wenn   man   nicht  alle   Verhältnisse,    worin    diese  ihre  Be- 
gründung findet,  klar  überschaut  und  das  innere  Wesen  des  145 
Landbaues  zuvor  erforscht  hat. 

Dies  mag  ferner  erklären,  warum  die  Ansetzung  von 
Kolonisten  aus  Belgien  und  der  Pfalz  fast  immer  unglück- 
liche Resultate  geliefert  hat:  man  gab  ihnen  in  der  Regel 
einen  Boden ,  wo  die  Fortführung  ihrer  heimatlichen  Wirt- 
schaft eine  Torheit  w^ar,  wo  sie  verderben  mußten,  wenn 
sie  nicht  zur  landüblichen  Wirtschaft  übergingen  —  und  so 
wurde  ihr  Beispiel,  anstatt  zur  Nacheiferung  zu  reizen,  eine 
Warnung  gegen  alle  Neuerungen. 

In  dem  nördlichen  Brabant  liegen  noch  jetzt  große  mit 
Heide  bewachsene  Flächen  öde  imd  wüst.  Da  dieser  Boden 
in  seiner  physischen  Beschaffenheit  nicht  zu  dem  ganz 
schlechten  gehört,  indem  er  noch  Heide  und  teilweise  Eichen 
trägt,  und  in  einer  Ebene  liegt,  die  nur  wenig  über  dem 
Wasserspiegel  des  nahen  Meeres  erhaben  ist ;  da  ferner  diese 
Fläche  rings  von  großen  Städten  umgeben  ist,  in  deren  Nähe 
das  Land  einen  hohen  Wert  hat:  so  muß  es  notwendig  be- 
fremden, daß  selbst  die  belgische  Industrie  an  der  Urbar- 
machung dieses  Bodens  scheiterte. 

Woher  mag  dies  rühren? 

Daß  der  kostspielige  belgische  Landbau  sich  auf  einem 
Boden  von  dieser  Art  nicht  bezahlt  macht,  so  gewiß;  daß 
die  belgischen  Fruchtfolgen  einen  armen  Boden  nicht  be- 
reichern,   sondern   völlig    erschöpfen,    ist    ebenfalls  gewiß. 


—     152    — 

Haben  nun  die  Belgier  —  wie  es  der  Fall  zu  sein  scheint  — 
hier  eine  ähnliche,  wenn  auch  nicht  gleiche  Wirtschaft  als 
auf  ihrem  reichen  Boden  versucht :  so  mußten  diese  Ver- 
suche notwendig  fehlschlagen. 

Vielleicht  würde  hier  dem  mecklenburgischen  Landwirt 
gelingen,  was  dem  belgischen  Landwirt  bisher  mißlang: 
vielleicht,  ich  möchte  sagen  wahrscheinlich,  wäi-en  diese 
146  Heiden  längst  in  kultiviertes  Land  umgeschaffen ,  wenn  die 
Koppelwirtschaft  an  den  Ufern  der  Maas  bekannt  und  land- 
üblieh  gewesen  wäre. 

Die    K.    W.    von    10,5g    Körnern    und    die   B.    W.    von 
7,18  Körnern   Ertrag   enthalten   gleichen  Reichtum,   nämlich 
497300  in  100000  DRut. 
Die    K.    AV.    gibt    von    diesem    Reichtum 

eine  Landrente  von 1600    Tlr.    X-Zs 

Die    B.    W.    gibt    von    diesem    Reichtum 

eine  Landrente  von 854,3        „       ,, 

Der  Reichtum  des  Bodens  wird  also  durch  K.  W.  viel 
höher  genutzt  als  durch  B.  W. ,  und  diese  wird  erst  da 
vorteilhaft,  wo  der  Reichtum  des  Bodens  so  hoch  steigt, 
daß  die  K.  W.  denselben  wegen  Lagern  des  Getreides  nicht 
melir  nutzen  kann. 


Die  B.  W.  bestellt  von  der  ganzen  Ackerfläche  60  ^/o 
mit  Getreide  und  erhält  sich  dabei  in  gleicher  Fruchtbarkeit, 
während  die  M.  W.  nur  43  ^/o  der  Ackerfläche  mit  Getreide 
bestellen  darf,  wenn  sie  sich  in  und  dm-ch  sich  selbst  in 
gleicher  Kraft  erhalten  soll. 

Die  Belgier  erreichen  dieses  Resultat  dadurch,  daß  sie 

1.  den  Klee,  als   die  wichtigste  duugerzeugende  Frucht, 

in    einen    eben    so   reichen    Boden    bringen,    als    das 

Winterkorn   selbst,   während   die  Mecklenburger  ihre 

Weide  nur  in  solche  Schläge  nehmen,  die  durch  drei 


—    153    — 

Korusaaten  bereits  einen  großen  Teil  ihres  Reichtums 
verloren  haben ; 

2.  daß  sie  den  Klee  nicht  vom  Yieh  abweiden  lassen, 
"wodurch  sonst  eine  bis  fast  auf  die  Hälfte  verminderte 
Kleeproduktion  und  eine  ungefähr  um  ein  Diittel  ver- 
minderte Dungerzeugung  entstehen  würde,  sondern 
ihn  abmähen  und  mit  dem  Vieh  auf  dem  Stall  ver- 147 
füttern,  —  und  diese  beiden  Ursachen  zusammen  be- 
wirken, daß  der  einzige  belgische  Kleeschlag  =  20  % 
der  Ackerfläche  in  der  Dungerzeugung  den  drei  meck- 
lenburgischen "Weideschlägen  =  48  ^io  der  Ackerfläche 
fast  gleichkommt; 

3.  daß  sie  die  Stoppel  des  Wintergetreides  noch  in  dem- 
selben Jahre  mit  Rüben  bestellen  und  so  von  dem- 
selben Felde  nach  der  aussaugenden  Halmfrucht  noch 
eine  Frucht  gewinnen,  die  mehr  Dung  wiedergibt,  als 
sie  dem  Acker  entnomnaen  hat. 

Meine  Berechnungen  über  den  Geldertrag  und  die  Kosten, 
sowie  über  die  Dungkonsumtiou  und  den  Dungersatz  der 
einzelnen  Schläge  —  die  ich  gerne  vorgelegt  hätte,  um  das 
prüfende  und  berichtigende  Urteil  des  Publikums  darüber 
zu  vernehmen ,  die  ich  hier  aber  nicht  mitteilen  kann ,  weil 
sie  zu  vieler  Erörterungen  und  Erklärungen  bedürften ,  und 
dadurch  zu  vielen  Raum  einnehmen  würden  —  ergeben,  daß 
der  Kartoffelschlag  von  10000  DR.  durch  den  Wert,  den 
die  Kartoffeln  als  Viehfutter  haben,  nach  Abzug  der  vei'- 
wandten  Arbeitskosten  nur  einen  Greldüberschuß  von  25,5  Tlr. 
N2/3  liefert,  und  daß  der  Dungersatz,  den  die  Kartoffeln 
durch  ihre  A^erfütterung  geben,  die  Dungkonsumtion,  die 
ihre  Ernte  bewirkt  hat,  nur  um  46,2^  überwiegt.*) 

Hiernach  wären  also  die  Kartoffeln  in  beiden  Beziehungen 
fast  als  eine  neutrale  Frucht  zu  betrachten;  man  könnte  die 

*)  Hiermit  ist  zu  vergleichen,  was  im  Anhang  sub  Nr.  5 
über  diesen  Gegenstand  gesagt  ist. 


154    — 


Brache  an  ihre  Stelle  setzen ,  ohne  daß  dadurch  weder  der 
Geldertrag  noch  die  Dungerzeugung  wesentlich  verändert 
würde.  Aber  der  Kartoifelbau  erspart  die  in  der  Koppel- 
wirtschaft so  kostspielige  Brachbearbeitung  zum  größeren 
14sTeil,  indem  nach  den  Kartoffeln  nur  einmal,  bei  der  Brach- 
bearbeitung aber  viermal  zum  Eoggen  gepflügt  werden  muß 
—  und  dadurch  wird  der  Kartoifelbau  von  großer  Bedeutung 
für  den  Reinertrag  der  belgischen  Wirtschaft. 

Der  Anbau  der  Futtergewächse  gibt  in  Belgien  so  wenig 
als  anderswo  einen  bedeutenden  Reinertrag;  aber  der  Bau 
des  Klees  und  der  Rüben  wird  durch  die  Dungerzeugung, 
die  allein  einen  ausgedehnten  Korn  bau  möglich  macht,  der 
Bau  der  Kartoffeln  durch  die  Ersparung  der  Brachbearbeitung 
wichtig  und  notwendig. 

6. 

Aus  der  zu  Anfang  dieses  Paragraphen  gelieferten 
Gegeneinanderstellung  des  Ertrages  und  des  im  Acker  be- 
findlichen Reichtums  geht  hervor 


an  Reichtum  im  Acker 

erforderlich  ist 

daß  zur  Produktion  von 

a)  in  der  belg.  b)  in  d.  uieckl. 

Wirtschaft      Wirtschaft 

1  Schfl.  Weizen 

R     0 

")96 

— 

1      „      Roggen 

6,o" 

6« 

1      „      Hafer 

4,c/ 

a     0 

1      „      Gerste 

— 

50 

1       „      Kartoffeln 

n     0 

— 

1  Ztr.  Kleeheu 

2,2» 

— 

1    „     auf  Heu  reduziertes  Weide- 

gras 

— 

4,3° 

Für   die  M.  W.   nehme  ich  femer 

an,  daß  zur  Produktion  von  1  Schfl. 

Weizen  gehört 

— 

6° 

1  Schtt.  Kartoffeln 

— 

^;e07 

—     155    — 

Wenn  man  Weizen   und  Roggen  zusarameu  nimmt ,   so  149 
gehören  in  Belgien  zur  Produktion  von  1  Sehfl.  Winterkorn 

^-^^^4^'  =  G,TsO  Reichtum. 

In    Mecklenburg    gehören    dagegen    zu 

einem  Schfl.  Winterkorn  6"  „ 

Also  sind  6*^  Reichtum  nach  reiner  Brache  für  den 
Pflanzenwachstum  ebenso  wirksam  als  6,78*^  nach  einer 
Vorfrucht.  Das  Verhältnis  der  Wirksamkeit  des  Dungs 
nach  reiner  Brache  zu  der  nach  einer  Vorfrucht,  ist  also 
wie  6,78  :  6  =  11,3  :  10;  oder  wo  nach  reiner  Brache  11,3 
Körner  wachsen  könnten ,  da  wachsen  nach  der  Vorfrucht 
nur  10  Körner. 

Wo  die  Bearbeitung  des  Bodens  minder  vollkommen 
als  in  Belgien  ist,  da  wird  auch  der  Nachteil  der  Vorfrucht 
auf  die  Wirksamkeit  des  Reichtums  immer  größer,  und  für 
eine  gewöhnliche  Bearbeitung  möchte  das  früher  angenom- 
mene Verhältnis  von  12  :  10  ziemlich  zutreffend  sein. 

Für  den  Hafer,  der  niemals  nach  der  Brache  kommt, 
müßte  der  Reichtum  des  Bodens  in  Belgien  ebenso  wirksam 
sein,  als  in  Mecklenburg.  Wir  finden  aber,  daß  in  Belgien 
zu  der  Produktion  von  einem  Schfl.  Hafer  4,64'',  in  Mecklen- 
burg nur  3,51^  Reichtum  gehören.  Die  Erklärung  über 
diese  Abweichung  finden  wir  in  der  verschiedenen  Bestellung 
des  Hafers.  Die  Belgier  bringen  nämlich  die  starke  Düngung 
zum  Hafer,  wenn  unter  diesen  Klee  gesäet  werden  soll,  erst 
mit  der  Saatfurche  unter.  Bei  dieser  Behandlung  ist  die 
Düngung  für  den  Hafer  selbst  fast  ganz  unwirksam.  Aber 
wahrscheinlich  wollen  die  Belgier  gerade  dies,  damit  der 
Hafer  sich  nicht  lagere  und  den  Klee  ersticke,  und  damit 
dem  Klee  die  ganze  Düngung,  ohne  Abzug,  zu  Nutzen  komme. 

Daß  der  Klee  in  Belgien  von  demselben  Reichtum  fast  150 
den  doppelten  Ertrag  gibt,   liegt  teils  im  belgischen  Klima, 
welches  dem   Kleewuchs  viel   günstiger   ist,    hauptsächlich 


—    156    — 

aber  darin,  daß  wir  ihn  in  Mecklenburg  abweiden  und  zer- 
treten lassen,  während  derselbe  in  Belgien  vom  Yiehtritt 
nicht  gestört,  sondern  regelmäßig  abgemäht  wird. 


Wenn  man  von  dem  Erlrage  des  Getreides  und  der 
Kartoffeln  die  Aussaat  abzieht,  und  den  hieraus  hervor- 
gehenden Überschuß  mit  der  Summe  der  auf  der  Produktion 
derselben  verwandten  Arbeitskosten  vergleicht:  so  ergibt  sich 
hieraus,  wieviel  ein  Scheffel  von  jedem  dieser  Gewächse  an 
Arbeitskosten  (also  mit  Ausschluß  der  allgemeinen  Kultur- 
kosten) erfordert  hat. 

Meine  Berechnungen  geben  hierüber  folgende  Resultate: 


Die  Produktion 

von 

kostet  an 

Arbeitslohn 

a)  in  der  belg. 

b)ind.  meekl. 

Wirtschaft 

Wirtschaft 

Schilling  ^% 

SchiUing  N^/j 

1  Sc-lifl.  Weizen 

19., 



1       „      Koggen 

1H.7 

20,0 

1      „      Gerste 

— 

15,:, 

1      „      Hafer 

13,. 

11,-. 

1       „      Kartoffeln 

3,. 

— 

kostet  an  Saat  un 

d  Arbeitslohn 

1  Ztr.  KleelR'u 

4,3 



1     „     Kuben 

1,:. 

— 

1     „     auf  Heu  reduziertes, 

aber 

nicht  erworbenes,   sondern 

vom 

Vieh  abgehütetes  G 

ras 

— 

o„ 

151         Es   ist   zu   bemerken ,   daß   bei   dieser   Berechnung   der 
Preis  von  1  Tlr.  12  ßl.  N-,:i  für  den  Berliner  Schtl.  Koggen 


-     157     — 

zum  Grunde  liegt,  und  daß,  da  die  Arbeitskosten  mit  dem 
Preise  des  Getreides  steigen  oder  fallen ,  diese  Bereeiinung 
auch  nur  für  diesen  einen  Getreidepreis  gültig  ist. 

Die  Arbeitskosten  zur  Produktion  eines  Scheffels  Roggen 
betragen  in  Mecklenburg  25.0  ßl. ,  in  Belgien  dagegen  nur 
18,7  ßl.  Hier  zeigt  sich,  der  große  Einfluß,  den  der  Kartoffel- 
bau statt  der  Brache  auf  die  Ersparung  der  Arbeitskosten  hat. 

Den  Roggen  nach  Kartoffeln  zu  nehmen,  ist  eine  schlechte 
Fruchtfolge.  Dessen  ungeachtet  ernten  die  Belgier  das  Maxi- 
mum, was  diese  Frucht  im  Durchschnitt  mehrerer  Jahre 
geben  kann;  es  zeigt  sich  hier  also,  daß  ein  Fehler  in  der 
Fruchtfolge  auf  einem  reichen  Boden  durch  eine  höchst  sorg- 
fältige Bearbeitung  unschädlich  gemacht  werden  kann.  Ein 
solcher  Verstoß  gegen  die  Regeln  des  Fruchtwechsels  würde 
sich  dagegen  auf  ärmeren  Boden  strenge  bestrafen. 


Bemerkiiugeu  und  Erkläniugeu. 

Was  den  Verfasser  zu  der  Vergleichung  zwischen  der 
belgischen  und  der  mecklenburgischen  Wirtschaft  bewog, 
war  das  genauere  Studium  von  Schwerz  herrlichem  AVerke 
über  die  belgische  Landwirtschaft.  Er  fand  in  diesem  Werke 
eine  solche  Menge  schätzbarer  Data,  er  fand  die  Angaben 
mit  solcher  Vorsicht  und  Umsicht  gewählt  und  in  demselben 
einen  solchen  inneren  Zusammenhang,  daß  er  glaubte,  durch 
die  Zusammenstellung  und  Vergleichung  derselben  mit  seinen 
eigenen  Erfahrungen,  eine  für  ihn  selbst  höchst  lehrreiche 
Arbeit  zu  unternehmen  —  und  diese  Erwartung  hat  ihn 
nicht  getäuscht. 

Als  der  Verfasser  diese  Vergleichung  unternahm,  war  152 
es    nicht    seine   Absicht,    sie    dieser   Schrift,    welche    zum 
größeren  Teil  bereits  6  Jahre  vor  dem  Erscheinen  im  Druck 
zum  erstenmal  niedergeschrieben  wurde,  einzuverleiben ;  aber 


—     158     — 

nach  Vollendung  derselben  fand  er  in  den  Resultaten  einen 
so  nahen  Zusammenhang  mit  den  in  dieser  Schrift  bereits 
entwickelten  Sätzen,  daß  er  glaubte,  die  Resultate  selbst 
dem  Publikum  hier  mitteilen  zu  dürfen  —  obgleich  er  die 
Mangelhaftigkeit  dieser  Yergleichung ,  für  welche  die  Ein- 
heit des  Standpunktes  fehlt,  sehr  wohl  erkennt  und  deshalb 
diese  Arbeit  nur  für  einen  Versuch  ausgeben  kann  und  will. 

Wo  die  Berechnungen  auf  Punkte  kamen,  die  in  dem 
Schwerzschen  Werke  nicht  angeführt  sind,  da  mußte  die 
Lücke  durch  die  für  T.  gefundenen  Verhältnisse  ergänzt 
werden  —  dies  war  zum  Teil  bei  der  Bestimmung  der 
Erntekosten,  besonders  aber  bei  der  Bestimmung  der  all- 
gemeinen Kulturkosten  unvermeidlich. 

Wo  zur  Fortführung  der  Berechnung  Annahmen  über 
die  Aussaugung  der  Wurzelgewächse  und  des  Grünfutters, 
sowie  über  Quantität  und  Wert  des  Ersatzes,  den  sie  liefern, 
nicht  zu  vermeiden  waren,  da  hat  der  Verfasser  die  Sätze 
angenommen,  welche  nach  seiner  Erfahrung  und  nach  der 
Summe  seiner  Beobachtungen  ihm  als  die  richtigsten  er- 
scheinen; aber  er  ist  weit  entfernt,  diese  Sätze  schon  füi' 
entschieden  zu  halten,  er  sieht  vielmehr  der  Zeit,  wo  seine 
Ansicht  durch  entscheidende  Versuche  und  durch  Erfahrungen 
im  großen  berichtigt  werden  wird,  mit  Verlangen  entgegen. 

Die  große  Abweichung,  welche  in  den  von  Schwerz 
angeführten  Marktpreisen  der  Viehkartoffeln,  des  Klees,  des 
Strohes  und  anderer  zum  Viehfutter  bestimmten  Gewächse 
von  dem  Futterwert,  den  ich  diesen  Gewächsen  anrechne, 
stattfindet,  macht  hier  eine  Erklärung  notwendig. 
153         In  den  Marktpreisen  dieser  Gewächse  sind  enthalten: 

a)  der  Futterwert, 

b)  der  Dungwert, 

c)  die  Transportkosten   dieser  Gewächse,   von  dem  Orte 
ihrer  Erzeugung  bis  zum  Marktplatz. 

Eine  sorgfältige  Prüfung  und  vergleichende  Berechnung 


—     159     — 

hat  mich  überzeugt,  daß  auch  ia  Belgien  der  Reinertrag  vom 
Yieh,  und  also  auch  der  Futterwert  der  vom  Vieh  verzehrten 
Gewächse  nicht  bedeutend  ist,  und  daß  der  größere  Teil 
des  hohen  Marktpreises,  den  diese  Gewächse  in  Belgien 
haben,  aus  dem  hohen  Wert,  den  der  Dung  in  diesem  Lande 
hat,  entspringt. 

Meine  Berechnungen  ergeben  für  100000  DR.  Acker  in 
der  belgischen  Wirtschaft  einen  Pachtpreis  von  3797,2  Tlr.  N-/o. 

Die  wdrkliche  Pacht  des  Ackers,  für  den  diese  Berech- 
nung entworfen  ist,  beträgt  nach  Herrn  Diercxsens  Angabe 
im  2ten  Teil  S.  398  des  Schwerzschen  Werkes  54  Florins 
pr.  Bunder,  welches  im  100000  DR.  Acker  —  3706  Tlr.  N^/s 
ausmacht. 

Zwischen  meiner  Berechnung  und  der  wirklich  bezahlten 
Pacht  findet  also  eine  Differenz  von  91,2  Tlr.,  oder  von  circa 
212%  statt. 

Die  Kornpreise  sind  in  meiner  Berechnung  so  ange- 
nommen, wie  Herr  Diercxsen  sie  in  seinen  Notizen  angibt, 
wonach  der  Berliner  Schfl.  Roggen  auf  1  Tlr.  12  ßl.  N-Zs 
kommt.  Bei  der  Vergleichung  der  belgischen  mit  der  meck- 
lenburgischen AVirtschaft  mußten  notwendig  für  beide  Wirt- 
schaftsarten dieselben  Getreidepreise  zu  Grunde  gelegt 
werden,  und  es  ist  hier  deshalb  der  mecklenburgischen 
Wirtschaf-t  der  Schfl.  Roggen  ebenfalls  zu  1  Tlr.  12  ßl.  N'^/s 
angerechnet.  Dieser  Preis  stimmt  zwar  beinahe,  aber  doch 
nicht  völlig  genau  mit  dem  Preise  überein ,  der  in  dem  154 
übrigen  Teil  dieser  Schiift  angenommen  ist.  Aus  diesem 
Grunde,  und  auch  weil  in  der  Verteilung  der  allgemeinen 
Kulturkosten  und  in  einigen  Ausätzen  der  Statik,  kleine 
Änderungen  getroffen  sind,  kann  nun  die  hier  für  die  K.  W. 
gefundene  Landrente  nicht  völlig  mit  der  früher  für  diese 
Wirtschaft  berechneten  Landrente  übereinstimmen. 

Es  kann  ferner  die  Berechnung  über  die  belgische  Wirt- 
schaft, weil  sie  nicht  von  einem  und  demselben  Standpunkt 


—     160    — 

mit  unseren  früheren  Untersuchungen  ausgegangen  ist,  nicht 
dazu  dienen,  den  Platz,  den  die  belgische  Wirtschaft  in 
unserem  isolierten  Staat  einnehmen  könnte,  nachzuweisen. 
Die  hier  gelieferte  Yergleichung  muß  deshalb  als  eine  ein- 
geschobene, fiir  sich  bestehende  Abhandlung  betrachtet  werden. 


§  18. 

Anführung   einiger  anderer  Rücksichten  bei  der 
Wahl  eines  Wirtschaftssystems. 

In  dem  Vorgehenden  haben  wir  untersucht,  wie  die 
beiden  Potenzen :  Getreidepreis  und  Eeichtum  des  Bodens, 
das  zu  wählende  Wirtschaftssystem  bestimmen.  Diese  Po- 
tenzen sind  zwar  die  wichtigsten  aber  keineswegs  die  ein- 
zigen, die  auf  die  Wahl  eines  Wirtschaftssystems  einwirken. 
Um  den  Einfluß  der  genannten  beiden  Potenzen  zu  er- 
forschen, mußten  wir  sie  aus  dem  Konflilit,  worin  sie  in  der 
Wirklichkeit  mit  den  übrigen  Potenzen  stehen,  herausreißen, 
sie  gleichsam  freimachen,  damit  das,  was  jede  —  unter  ge- 
gebenen Umständen  —  für  sich  allein  vermöge,  sichtbar 
werde.  Wir  haben  zu  diesem  Zweck  alle  übrigen  Potenzen 
als  gleichbleibende,  beständige  Größen  angenommen,  und 
nun  waren  diese  beiden  Potenzen  als  die  einzigen  ver- 
änderlichen, auch  die  einzigen,  die  bei  unserer  Untersuchung 
in  Betracht  kamen. 
155  Unter  anderen  Verhältnissen  oder  bei  anderen  Gesichts- 
punkten kann  aber  eine,  oder  können  melu-ere  der  von  uns 
als  beständige  Größen  betrachteten  Potenzen  als  veränder- 
liche erßcheinen  oder  gedacht  werden ;  und  dann  wird  der 
Einfluß,  den  das  Wachsen  oder  Abneluuen  dieser  Größen 
auf  das  Wirtschaftssystem  ausübt,  zum  Gegenstand  einer 
neuen  Forschung. 


—     161     — 

Die  aus  solchen  veränderten  Suppositionen  hervorgehen- 
den neuen  Untersuchungen  gehören  zwar  nicht  wesentlicli 
zum  Zweck  dieser  Schrift;  aber  ich  glaube  doch,  um  Miß- 
verständnissen möglichst  vorzubeugen,  einige  der  wichtigsten 
Rücksichten  dieser  Art  anführen  zu  müssen. 

A.  Wirtschaften  mit  wachsendem  Reichtum  des  Bodens. 

Man  pflegt  bei  der  Vergleichuug  zweier  Wirtschafts- 
systeme es  als  einen  Vorzug  des  einen  oder  des  anderen 
anzuführen,  daß  durch  dasselbe  der  Acker  von  Umlauf  zu 
Umlauf  an  Reichtum  und  Ertrag  zunehme. 

Nun  ist  es  aber  kein  wesentliches  Attribut  des  einen 
oder  anderen  Wirtschaftssystems,  daß  es  den  Boden  be- 
reichere oder  erschöpfe.  Man  kann  den  Acker  ebensowohl 
durch  Koppel-  und  Fruchtwechselwirtschaft,  als  durch  Drei- 
felderwirtschaft aussaugen.  Eine  6  schlägige  F.  W.  W.  mit 
4  Kornsaaten  ist  so  wie  die  7  schlägige  K.  W.  mit  4  Halm- 
früchten eine  aussaugende  Wirtschaft;  dagegen  sind  die 
7  schlägige  F.  W.  W.  mit  3  und  die  6  schlägige  K.  W.  mit 
2  Kornsaaten  bereichernde  Wirtschaften.  Nicht  in  der  Frucht- 
folge, nicht  in  dem  Wirtschaftss3"stem  liegt  es,  ob  eine 
Wirtschaft  eine  bereichernde  oder  erschöpfende  sei;  sondern 
lediglich  in  dem  Verhältnis  zwischen  den  dungerzeugenden 
und  den  erschöpfenden  Früchten  —  für  welches  Verhältnis 
ich ,  der  Kürze  wegen ,  mich  künftig  des  Wortes  „Saaten- 
verhältnis" bedienen  werde. 

Stellt  man  zwei  Güter  mit  zwei  verschiedenen  Wirt- 156 
Schaftssystemen  gegeneinander  und  nimmt  für  das  eine  ein 
bereicherndes,  für  das  andere  ein  erschöpfendes  Saaten- 
verhältnis an,  und  will  man  nun  aus  dem  endlichen  Erfolge 
—  gleichviel  ob  dieser  aus  einer  richtigen  Berechnung,  oder 
aus  der  wirklichen  Erfahrung  hervorgehe  —  dartun,  welches 
Wirtschaft ssj^stem  den  Vorzug  verdiene:  so  beantwortet  diese 
Untersuchung  nur  die  Frage,  ob  der  durch  die  schonende 
T hü nen,  Der  isolierte  Staat.  11 


—     162    — 

Wirtschaft  bereicherte  Boden  am  Ende  einen  höheren  "Wert 
habe,  als  der  in  seinem  vorigen  Zustand  gebliebene  ärmere 
Boden  —  eine  Frage,  über  deren  Beantwortung  an  sich  gar 
kein  Zweifel  stattfinden  kann. 

Bei  einer  solchen  Gegeneinanderstellung  muß  stets  das- 
jenige Wirtschaftssystem,  dem  man  das  am  meisten  be- 
reichernde Saatenverhältnis  zuteilt  den  Sieg  davontragen. 

Soll  die  A^ergleichung  zweier  Wirtschaftssysteme  nicht 
zur  Begriffsverwirrung,  sondern  zur  klaren  Einsicht  führen, 
so  müssen  folgende  Gesichtspunkte  scharf  geschieden  werden : 

1.  Wenn  der  Zweck  der  Wirtschaft  ist,  den  Boden  in 
Hinsicht  seines  Reichturas  in  einem  beharrenden  Zu- 
stand zu  erhalten ,  welches  Wirtschaftssj^stem  liefert 
dann  den  höchsten  Geldertrag? 

2.  unter  welchen  Verhältnissen  ist  es  vorteilhaft,  den 
Reichtum  des  Bodens  auf  Kosten  des  Geldertrages  zu 
erhöhen ,  und  bis  zu  welchem  Grade  kann  der  Reich- 
tum des  Bodens  mit  Vorteil  vermehrt  werden? 

3.  Wenn  der  Zweck  der  Wirtschaft  nicht  auf  den  höchsten 
Geldertrag,  sondern  auf  die  Bereicherung  des  Bodens 
gerichtet  ist,  durch  welches  Wirtschaftssystem  wird 
dann  die  Vermehrung  des  Reichtums  mit  den  min- 
desten Kosten  en-eicht? 

157  Die  Lösung  der  ersten,  aber  nicht  die  der  zweiten  imd 
dritten  Aufgabe  ist  Gegenstand  dieser  Schrift;  wir  haben 
zwar  Acker  von  verschiedenen  Stufen  des  Reichtums  neben- 
einander gestellt  und  miteinander  verglichen ,  aber  immer 
liaben  wir  den  Acker  als  im  beharrenden  Zustande  befindlich 
betrachtet  und  betrachten  müssen.  Die  zweite  und  dritte 
Aufgabe,  fast  noch  wichtiger  als  die  erste,  erwarten  ihre 
Lösung  vielmehr  von  den  dereinstigen  Fortschritten  der 
Statik  des  Laqdbaues, 


—     Iü8     — 

B.    Verhältnis   des  Henertrages   aus   den  Wiesen  zur 
Grösse  des  Ackerlandes. 

Wemi  mit  einem  Gute,  welches  in  Koppel-  oder  Drei- 
felderwirtschaft liegt,  keine  Wiesen  verbunden  sind,  und  das 
Xutzvieh  im  Winter  mit  bloßem  Stroh  unterhalten  wird: 
so  magert  das  Vieh  im  Winter  soweit  ab,  daß  es  den  größten 
Teil  des  auf  der  Weide  verzehrten  Grases  zu  seiner  Er- 
holung und  Herstellung  der  Beleibtheit  anwenden  muß  und 
nur  einen  geringen  Teil  desselben  auf  die  Erzeugung  von 
Milch  oder  Wolle  verwenden  kann.  Unter  diesen  Umständen 
ist  aber  der  Rohertrag  des  Viehes  so  gering,  daß  dadurch 
die  Kosten  der  A^iehhaltung  kaum  gedeckt  werden,  daß  folg- 
lich nicht  bloß  das  verfutterte  Stroh,  sondern  auch  die  Weide 
selbst  gar  keine  Nutzung  abwirft. 

In  einem  solchen  Verhältnis  wird  es  notwendig,  dem 
Vieh  im  Winter  durch  Körnerfutter  zu  Hilfe  zu  kommen  — 
sei  es  nun,  daß  man  das  Korn  rein  gibt,  oder  daß  man  das 
Stroh  nicht  rein  ausdreschen  läßt  —  um  dasselbe  in  einem 
solchen  Zustand  zu  erhalten,  daß  wenigstens  die  Nutzung 
der  Weide  nicht  ganz  verloren  gehe. 

Das  Zugvieh  muß,  wie  es  jedem  einleuchtet,  immer  in 
dem  Stande  erhalten  werden,   daß   es  die  geforderte  Arbeit  158 
vollbringen  kann.    Fehlt  das  Heu,  so  muß  dies  augenschein- 
lich durch  Körnerfütterung  ersetzt  werden. 

Vergleichen  wir  aber  die  Produktionskosten  des  Klee- 
heues und  der  Kartoffeln  mit  denen  des  Getreides,  so  finden 
wir,  daß  dieses  ein  weit  teureres  Futter  ist,  als  Kleeheu 
und  Kartoffeln. 

Bei  den  Berechnungen   über   die    belgische   Wirtschaft 
fanden  wir,  daß  die  Hervorbringung 
von  1  Schfl.  Hafer  an  Arbeitskosten  erforderte    13,i  ßl. 

1       „      Kartoffeln 3,3  ßl. 

1  Ztr.  Kleeheu 4,s  ßl. 

U* 


—     164    — 

Nach  anderen  Beobachtungen  und  Berechnungen  —  die 
hier  aber  nicht  mitgeteilt  werden  können  —  nehme  ich  ferner 
an,  daß  ein  Schü.  Hafer  inklusive  des  mit  demselben  ge- 
ernteten Strohes  für  das  Nutzvieh  und  zum  Teil  auch  für 
das  Zugvieh  —  bei  -welchem  aber  nicht  das  ganze  Quantum 
der  Körner  durch  Heu  ersetzt  werden  kann  —  einen  gleichen 
Futterwert  habe  mit  117  //.  Ivleeheu,  oder  mit  2^/3  Schfl. 
Kartoffeln. 

Die  Hervorbringung 

von  117  //.   Heu  kostet  an   Arbeit  :r^   X   -4,3    =   5^  3   ßl., 

von  21/3  Schfl.  Kartoffeln  2^1-3   X   3,3   =   7,7     ßl., 

von  1  Schfl.  Hafer  13,i     ßl. 

Die  Kosten   der  Haferfütteruug  verhalten   sich  hiernach 
zu  denen  der  Kartoffelfütteruug  wie  100  :  58,  und 
zu  denen  der  Kleeheufütterung  wie  100  :  40. 

Oder,  wenn  man  bisher  für  100  Tlr.  Hafer  mit  dem 
Nutzvieh  verfütterte,  so  erspart  man  durch  die  Substitution 
der  Kartoffeln  42  Tlr.,  und  durch  die  des  Kleeheues  60  Tlr. 

Es  folgt  hieraus,  daß  mau  in  solchen  Dreifelder-  und 
Koppelwirtschaften ,  wo  das  Heu  entweder  ganz  fehlt ,  oder 
159  doch  nicht  in  hinreichender  Menge  vorhanden  ist,  seine  Zu- 
flucht nicht  zur  Körnerfütterung,  sondern  zum  Anbau  der 
Futtergewächse  nehmen  muß.  Da  nun  diese  Futtergewächse 
in  keinem  anderen  Wirtschaftssystem  so  wohlfeil  erzeugt 
werden  können,  als  in  der  Fruchtwechselwirtschaft ;  so  folgt 
hieraus  ferner,  daß  diese  Güter  einen  solchen  Teil  ihrer 
Ackerfläche,  der  hinreichend  ist,  das  nötige  Winterfutter  an 
Heu,  Kartoffeln  usw.  zu  liefern,  in  F.  W.  W.  legen  müssen, 
wenn  auch  der  Getreidepreis  nicht  die  Höhe  und  der  Acker 
niclit  den  Grad  von  Fruchtbarkeit  erlangt  hat,  wo  diese 
"Wirtschaftsart  für  die  ganze  Ackerfläche  zweckmäßig  wäre. 

Aber  nur  auf  reichem  Boden  wird  die  Produktion  der 
Futtergewächse  wohlfeil :  auf  armem  Boden  versagt  der  Klee 


—     165    — 

ganz,  und  die  Kartoffeln  geben  einen  so  geringen  Ertrag, 
daß  ihre  Produktion  leicht  das  Doppelte  von  dem  kostet, 
was  wir  hier  dafür  berechnet  haben. 

Wir  werden  dadurch  zu  einer  neuen  interessanten  Frage 
geführt. 

Wird  nämlich  bei  mangelnden  Wiesen  auf  Acker  von 
mittlerem  oder  geringem  Reichtum  es  zweckmäßig  sein,  einen 
Teil  des  Ackers  in  hohe  Dungkraft  zu  setzen  und  F.  W.  W. 
darauf  einzuführen,  wenn  die  Bereicherung  dieses  Teiles  der 
Ackerfläche  uur  auf  Kosten  des  anderen  größeren  Teiles 
geschehen  kann? 

Ich  wage    hierüber  kein   bestimmtes   Urteil   zu   fällen 
aber  ich  glaube,  daß  die  genauere  Untersuchung  diese  Frage 
bejahend  beantworten  würde. 

Je  ärmer  indessen  der  Acker  im  ganzen,  je  schlechter 
die  physische  Beschaffenheit  des  Bodens  ist,  um  desto  größer 
sind  die  Schwierigkeiten  beim  Anbau  der  Futtergewächse  — 
und  es  erklärt  sich  hieraus,  warum  in  Gegenden,  wo  solcher 
Boden  vorherrscht,  die  Wiesen  einen  so  hohen  Wert  haben, 
daß  ihr  Besitz  fast  die  Bedingung  ist,  unter  welcher  man  160 
nur  Ackerbau  treiben  kann. 

Für  unseren  isolierten  Staat  haben  wir  angenommen, 
daß  mit  dem  Acker  eine  solche  Wiesenfläche  verbunden  ist, 
die  das  für  die  K.  W.  und  für  die  D.  W.  nötige  Heu  liefert, 
und  daß  der  aus  dem  Wiesenheu  erfolgende  Dung  nicht  der 
ganzen  Ackerfläche,  sondern  nur  eineui  in  einer  besonderen 
Rotation  liegenden  Teil  des  Ackers  zugute  komme.  Wir 
haben  diesen  Teil  dann  nicht  weiter  beachtet,  sondern  unsere 
Untersuchung  allein  auf  die  größere  Abteilung  der  Acker- 
fläche —  die  sich  in  und  durch  sich  selbst  erhalten  muß, 
und  der  das  nötige  Wiesenheu,  gegen  Bezahlung  des  Futter- 
wertes und  gegen  Zurückgabe  des  daraus  erfolgenden  Dimges 
geliefert  wird  —  gerichtet. 

Wir  hätten  ebensogut  annehmen   können   —  und  viel- 


—     166    — 

leicht  wäre  die  Sache  dadurch  noch  klarer  geworden  —  daß 
gar  keine  Wiesen  vorhanden  wären,  daß  die  Ackerfläche 
jedes  Gutes  in  zwei  Abteilungen  läge,  wovon  die  kleinere 
der  Gewinnung  des  nötigen  Winterfutlers  gewidmet,  durch 
F.  W.  W.  genutzt  würde,  während  die  größere  Abteilung  in 
der  Bewirtschaftungsart  den  Gesetzen  folgte,  die  aus  der  Ände- 
rung der  Getreidepreise  und  des  Bodenreichtums  hervorgehen. 

C.   Stallfütterung. 

Die  Erfahrung  lehrt,  daß  eine  reichlich  und  mit  kräf- 
tigem Futter  genährte  Kuh  das  verzehrte  Futter  weit  höher 
bezahlt,  als  eine  kärglich  unterhaltene  Kuh. 

Bei  der  Stallfütterung  erhalten  die  Kühe  in  der  Regel 
nicht  bloß  eine  reichliche  Sommerfütterung,  sondern  auch 
eine  kräftige  Winterfütterung. 

Stellt  man  nun  den  Ertrag  einer  im  Sommer  und  Winter 
gleichmäßig  reichlich  gefütterten  Kuh  neben  den  Ertrag  einer 
161  Weidekuh,  die  im  Sommer  gut,  im  Winter  aber  kärglich  ge- 
nährt wird:  so  zeigt  sich  nicht  bloß  im  Rohertrag,  sondern 
auch  im  Reinertrag  ein  sehr  großer  Unterschied  zugunsten 
der  Stallfütterung. 

Nun  ist  aber  die  kärgliche  Winterfütterung  keineswegs 
notwendig  mit  der  Weidewirtschaft  verbunden;  es  ist  viel- 
mehr gar  kein  Grund  vorhanden ,  warum  diese  nicht  eben 
so  reichlich  gegeben  werden  könnte,  als  bei  der  Stall fütterung. 

Bei  der  Vergleichung  der  Stallfütterung  mit  der  Weide- 
wirtschaft müssen  deshalb  folgende  zwei  Gesichtspunkte 
genau  unterschieden  werden. 

1.  Welchen  Anteil  an  dem  hölieren  Ertrag  der  Stallkuh 
hat  die  stärkere  und  gleichmäßigere  Fütterung  während 
des  ganzen  Jahres V 

2.  Wenn  die  Wcidckuh  ebenso  reiclilich  imd  gleichmäßig 
ernährt  wird  als  die  Stallkuh,  welche  Vorzüge  bleiben 
dann  nocii  der  Stallfütterung  ? 


—    167    — 

Die  gleichmäßig  reichliche  Unterhaltung  des  Yiehes 
während  des  ganzen  Jahres  ist  von  der  größten  Wichtigkeit. 
Bei  der  Somraerslallfütterung  ist  diese  Gleichmäßigkeit, 
wenn  nur  Grünfutter  in  hinreichender  Menge  vorhanden  ist, 
leicht  zu  erreichen.  Bei  der  Weidewirtschaft  ist  dies  aber 
mit  größeren  Schwierigkeiten  verbunden :  denn  in  den 
Monaten  Mai  und  Juni  ist  der  Wachstum  des  Grases  so 
lebhaft,  daß  das  Vieh  nicht  alles  verzehren  kann,  sondern 
einen  Teil  desselben  in  Halme  schießen  läßt,  während  in 
den  Monaten  Juli  und  August  der  Graswuchs  nachläßt,  und 
das  Vieh  dann  in  der  Regel  Mangel  leidet,  wenn  es  auf  die 
Dreeschweiden  allein  angewiesen  ist. 

Um  diesem  Übel  abzuhelfen,  müßte  man  in  den  Monaten 
Juli  und  August  von  Zeit  zu  Zeit  frische  Weide  auf  einmal 
gemähten  Wiesen  und  auf  der  Kleesloppel  einräumen  können; 
oder  man  müßte   zur  Aushilfe   einiges  Grünfutter  nach  der  162 
Weide  fahren. 

Kann  auf  diese  Weise  die  Gleichmäßigkeit  in  der  Er- 
nährung des  Viehes  gesichert  werden,  und  erhalten  die 
Weidekühe  dasselbe  Winterfutter,  was  die  Stallkühe  be- 
kommen ;  so  ist  w^eiter  kein  Grund  abzusehen ,  warum  die 
Weidekühe  von  einer  gleiclien  Quantität  Futter  nicht  auch 
ebenso  viel  Milch  und  Butter  produzieren  sollten,  als  die 
Stallkühe. 

Ich  habe  deshalb  auch  im  §  16,  wo  von  der  Stall- 
fütterung die  Rede  ist,  keine  höhere  Nutzung  des  Futters 
durch  Stallkühe  als  durch  Weidekühe  angenommen,  sondern 
der  Stallfütterung  nur  die  wesentlichen,  von  ihr  unzertrenn- 
lichen Vorzüge  und  Nachteile  zugute  und  zur  Last  geschrieben. 

Die  Grundbedingung,  unter  der  die  Stallfüttei'ung  über- 
haupt nur  möglich  ist ,  ist  die ,  daß  der  Boden  reich  genug 
sei,  um  Mäheklee  statt  des  Weideklees  und  der  Gräser  tragen 
zu  können. 

Ist  diese  Grundbedingung  erfüllt,  so  besteht  der  wesent- 


—     IfiR     — 

liehe  Yorteil  der  Stallfütterung  darin,  daß  der  Klee  gemäht, 
statt  abgeweidet  wird ,  wodurch  ein  beträchtlich  größeres, 
fast  doppeltes  Quantum  an  Futter,  und  eine  größere  Dung- 
erzeugung, d.  i.  ein  größerer  Überschuß  des  Ersatzes  über 
die  Aussaugung,  von  derselben  Fläche  und  demselben  Reich- 
tum des  Bodens  gewonnen  wird. 

Ob  der  ini  Stall  gewonnene  Mist  einen  höheren  oder 
geringeren  Wert  hat,  als  der  auf  die  Weide  gefallene,  zu 
welchem  sich  auch  eine  beträchtliche  Menge  pflanzennähren- 
der Gase  beim  Aushauchen  des  Viehes  gesellt,  ist  mir  lange 
zweifelhaft  geblieben.  Eine  längere  Erfahrung  hat  mich  nun 
aber  überzeugt,  daß  selbst  dann,  wenn  die  Grasproduktion 
163 sich  gleich  bliebe,  die  Bereicherung  des  Bodens  durch  die 
zweijährige  Weide  nicht  das  Doppelte ,  noch  weniger  aber 
durch  die  dreijährige  Weide  das  Dreifache  dessen  beträgt, 
was  die  einjährige  Weide  dem  Boden  an  Reichtum  erteilt, 
und  daß  von  dem  auf  die  Weide  gefallenen  Dung  ein  um 
so  größerer  Teil  veiflüchtigt  wird,  je  länger  er  der  Luft  aus- 
gesetzt bleibt,  d.  i.  je  später  der  Umbruch  des  Dreesches  erfolgt. 

Andererseits  sind  aber  mit  der  Stallfütferung  wesentlich 
und  unzertrennlich  Arbeiten  und  Kosten  verbunden,  die  bei  der 
Weidewirtschaft  nicht  stattfinden,  als  Einholen  des  Grünfutters, 
Abfahren  des  im  Sommer  im  Stall  gemachten  Dungs  u.  m.  a. 

Ob  nun  Stallfütterung  oder  Weidewirtschaft  vorteilhafter 
sei,  hängt  ganz  davon  ab,  ob  der  Wert  des  durch  die  Stall- 
fütterung mehr  gewonnenen  Futtei'S  und  Dungs  größer  oder 
geringer  sei  als  der  Betrag  der  Kosten,  die  durch  die  Stall- 
fütterung verursacht  werden. 

Dies  ist  aber  wieder  abhängig  von  dem  größeren  oder 
geringeren  Preis,  den  das  Futter  und  der  Dung  haben,  und 
so  sehen  wir  auch  hier,  daß  der  Preis  der  landwirtschaft- 
lichen Produkte  neben  dem  Reichtum  des  Bodens  am  Ende 
darüber  entscheidet,  ob,  wann  und  wo  die  Stallfütterung  den 
Vorzug  vor  der  Weidewirtschaft  hat. 


—    169    - 

D.   Modifikationen  der  verschiedenen  Wirtschafts- 
systeme. 

Unsere  Untersuchungen  haben  ergeben,  daß  sowohl  durch 
den  Übergang  von  niedrigen  zu  hohen  Getreidepreisen ,  als 
auch  durch  die  stufenweise  Erhöhung  des  Reichtums  im 
Boden,  drei  verschiedene  Wirtschaftssysteme,  nämlich  Drei- 
felder-, Koppel-  und  Fruchtwechselwirtschaft  notwendig 
werden. 

Die    charakteristischen    Merkmale    dieser    Wirtschafts- 164 
Systeme  in  der  Beziehung,  worin  wir  sie  hier  betrachten,  sind : 

a)   Für  die  Dreifelderwirtschaft, 

1.  ein  Teil  des  Feldes  liegt  beständig  zur  Weide, 

2.  der  dritte  Teil   des  Ackers  ist  jährlich  reine  Brache, 

3.  aller  Dung  wird  nach  der  reinen  Brache  gebracht. 

b)   Für  die  Koppelwirtschaft, 

1.  die  gesamte  Ackerfläche  wird  wechselweise  zum  Ge- 
treidebau und  zur  Weide  benutzt, 

2.  in  jedem  Umlauf  kommt  eine  reine  Dreesch- 
brache vor, 

3.  aller  Dung  wird  nach  der  Brache  gebracht, 

4.  die  Kornsaaten  und  reifwerdenden  Schotengewächse 
werden  ohne  Unterbrechung  durch  Klee  oder  grün  ge- 
mähte Wicken  nacheinander  genommen,  und  die  Weide 
kommt  nach  den  Kornsaaten  in  Schläge,  die  den  ge- 
ringsten Reichtum  enthalten. 

c)    Für  die  Fruchtwechselwirtschaft, 

1.  aller  Acker  trägt  Früchte,  und  es  findet  keine  reine 
Brache  statt, 

2.  die  Düngung  wird  zu  Futtergewächsen  verwandt,  und 
diese  kommen  in  diejenigen  Schläge,  die  den  höchsten 
Reichtum  enthalten, 

3.  Kornsaaten  und  Futtergewächse  w^echseln  miteinander  ab. 


—     170    — 

Diese  Wirtschaftssysteme  sind  aber  selir  vieler  Modi- 
fikationen fähig,  indem  eine  der  charakteristischen  Eigen- 
schaften des  einen  Systems  aufgeopfert  und  dafür  eine  Eigen- 
schaft des  anderen  Systems  aufgenommen  werden  kann.  Es 
entstehen  dadurch  gemischte  Wirtschaften,  die  in  der  Mitte 
zwischen  den  reinen  Formen  stehen  und  den  Übergang  von 
der  einen  zur  anderen  Form  bilden. 
165  Da  die  gemischten  Wirtschaften  in  unzähligen  Ab- 
stufungen sich  bald  mehr,  bald  minder  dem  Charakter  der 
reinen  Wirtscliaftssysteme  nähern  können,  so  ist  es  unmög- 
lich sie  alle  aufzuführen,  viel  weniger  noch  mfiglich  sie  alle 
in  der  Theorie  zu  berücksichtigen.  Es  wird  hier  genügend 
sein,  in  die  Stufenleiter  der  reinen  Formen  einige  der  Haupt- 
modifikationen, die  sie  erleiden  können,  mit  aufzunehmen. 

1.  Reine  Dreifelderwirtschaft. 

2.  Dreifelderwirtschaft,  die  ihre  Weide  von  Zeit  zu  Zeit, 
etwa  alle  9  Jahre,  einmal  aufbricht,  ohne  Düngung 
ein  paar  Kornsaaten  davon  nimmt  und  dann  wieder 
zur  Weide  niederlegt. 

Diese  Wirtschaft  verwendet  die  Kosten  der  Dreesch- 
bearbeitung —  die  durch  die  Kornernten  vielleicht  nicht  be- 
zahlt werden  —  um  durch  das  geerntete  Stroh  einen  Dnng- 
zuschuß  für  das  eigentliche  Ackerland  zu  erhalten,  und  um 
die  Weide  zu  verjüngen. 

3.  Koppelwirtschaften ,  die  in  einer  Rotation  neben  der 
Dreeschbrache  uocli  eine  Mürbebrache  haben  und  dann 
das  Land  länger  als  drei  Jahre  zur  Weide  liegen  lassen. 
Eine  solche  Wirtschaft  ist  die  12  schlägige  K.  W.  mit 
folgender  Fruchtfolge:  1.  Dreeschbrache,  2.  Winterkorn, 
3.  Sommerkorn ,  4.  Mürbebrache ,  5.  Winterkorn ,  C. 
Soramerkorn,  7.  Sommerkorn,  8.  bis  12.  Weide.  Diese 
Wirtschaft  trägt  noch  die  Spuren  des  Überganges  aus 
der  D.  W.  an  sich,  indem  sie  die  Mürbebrache  bei- 
behält und   das  Land  viele  Jahre   hintereinander   zur 


—     171     — 

^\^eide  liegen  läßt.  Sie  vermindert  die  Kosten  der 
Dreeschbearbeitung,  indem  sie  diese  auf  den  12  ten  Teil 
des  Feldes  beschränkt  und  trägt  dafür  den  Nachteil, 
daß  ihre  4-  und  5  jährige  Weide  wenig  Gras  und  Dung 
erzeugt. 

4.  Eeine  Koppelwirtschaft,  die  keine  Mürbebrache,  sondern  166 
nur  Dreeschbrache  hält. 

5.  Koppelwirtschaft,  die  neben  der  Brache  noch  einen 
Teil  des  Nachschlags  oder  des  Vorschlags  düngt.  Diese 
Wirtschaft  bleibt  in  der  äußeren  Gestalt  der  reinen 
Koppelwirtschaft  völlig  ähnlich ;  aber  sie  hat  schon  die 
wesentliche  Eigenschaft,  daß  die  Weide  nicht  mehr  in 
mageren,  sondern  —  wenigstens  zum  Teil  —  in  reichen 
Acker  kommt,  mit  der  F.  W.  W.  gemein,  und  ist  des- 
halb als  ein  t^bergang  zu  derselben  zu  betrachten. 

6.  Reine  Fruchtwechselwirtschaft. 

Die  angeführten  Modifikationen  ergeben  sich  schon  dann, 
wenn  auch  die  gesamte  Ackerfläche  vom  Hofe  bis  zur  Scheide 
in  gleichmäßiger  Dungkraft  ist.  Wenn  aber  der  entfernte 
Acker,  \vie  dies  in  der  Wirklichkeit  gewöhnlich  der  Fall, 
magerer  ist  als  der  übrige  Teil  des  Ackers:  so  werden  da- 
durch neue  Modifikationen  begründet. 

Die  größereu  Kosten,  die  der  Anbau  des  entfernten 
Ackers  verursacht,  bringen  allein  schon  die  Tendenz  hervor, 
den  entlegenen  Acker  in  der  Bewirtschaftungsart  von  dem 
übrigen  Acker  zu  trennen.  Vereinigt  sich  hiermit  nun  noch 
Ungleichheit  des  Reichtums,  so  ist  diese  Trennung  entschieden 
zweckmäßig.  Bei  der  Koppelwirtschaft  entsteht  dadurch  ein 
vSogenanntes  Binnenfeld  und  ein  Außenfeld.  Beide  unter- 
scheiden sich  dann  in  der  Be Wirtschaft ungsart  dadurch,  daß 
in  dem  Binnenfelde  das  Verhältnis  zwischen  den  korntragen- 
den Schlägen  und  den  Weideschlägen  größer,  in  dem  Außen- 
felde aber  geringer  ist,  als  dies  sein  würde,  wenn  die  ganze 
Fläche  in  einer  Rotation  läge ;  daß  also  ersteres  im  größeren 


-     172    — 

Verhältnis  dem  Kornbau,  letzteres  im  überwiegenden  Ver- 
hältnis der  Weide  gewidmet  ist. 
167  Wir  haben  im  §  14  gesehen,  daß  in  imserem  isolierten 
Staat  die  D.  AV,  schon  bei  dem  Preise  von  0,470  Tlr.  für 
den  Schfl.  Roggen  betrieben  werden  kann,  und  daß  erst 
bei  einem  Preise,  der  höher  als  0,g65  Tlr.  für  den  Schfl.  ist, 
die  K.  W.  einen  größei^en  Reinertrag  gibt  als  die  D.  W. 
Gäbe  es  nun  keine  anderen  als  die  reinen  Wirtschaftsformen, 
so  würde  der  Acker  bei  den  Preisen,  die  zwischen  0,i7o  Tlr. 
und  0,t;ft')  Tlr.  liegen,  nur  durch  D.  W.  genutzt  werden 
können,  während  hier  doch  schon  eine  stärkere  Dung- 
erzeugung, als  die  reine  D.  W.  liefert,  vorteilhaft  wird,  wenn 
diese  nur  mit  minderen  Kosten  als  bei  der  reinen  K.  W. 
bewirkt  werden  kann  —  welches  beides  durch  die  gemischten 
Wirtschaften  geschieht. 

Wir  haben  ferner  im  §  IG  gesehen,  daß  in  der  reinen 
Koppelwirtschaft  nur  ein  mittlerer  Reichtum  von  373"  in 
1000  CRut.  genutzt  werden  kann,  während  die  F.  W.  W. 
einen  mittleren  Reichtum  von  .jIO''  nützlich  verwendet.  Sollte 
nun  beim  steigenden  Reichtum  die  K.  W.  plötzlich  und  auf 
einmal  zur  F.  W.  W.  übergehen:  so  würde  hier  eine  Wirt- 
schaft eingeführt  w-erden,  für  die  der  Boden  noch  nicht  reich 
genug  ist,  und  durch  die  deshalb  der  reine  Geldertrag  ver- 
mindert würde.  Die  K.  W.  mit  gedüngtem  Nachschlag 
kann  einen  höheren  mittleren  Reichtum  als  373"  sehr  gut 
nutzen ,  ohne  in  ihrer  Organisation  kostbarer  zu  werden, 
als  die  reine  K.  W.  —  und  sie  wird  dadurch  zu  einer 
nützlichen  Stufenleiter  zwischen  der  reinen  K.  W.  und  der 
F.  W.  W. 

Denken  wir  uns  nun  statt  des  beharrenden  Zustandes 
ein  leises  und  allmähliches  aber  dauerndes  Steigen  des 
Getreidepreises  und  des  Bodenreichtums  —  wie  dies  auch 
iQ  der  Wh-klichkcit  in  der  Regel  der  Fall  ist  —  so  würden 
wir  in   einer  einzelnen  Wirtschaft  im  Laufe   der  Zeit  alle 


—     173     — 

Formen   erblicken ,   die  wir  hier  als  vereinzelt   und   neben- 168 
einander  stehend  betrachtet  haben. 

Sind  nämlich  die  beiden  Potenzen  —  Getreidepreis  imd 
Bodenreichtum  —  soweit  gestiegen,  daß  eine  etwas  mehr  Kosten 
erfordernde  Wirtschaft  als  die  D.  "W.  sich  bezahlen  würde, 
aber  noch  nicht  hoch  genug,  um  die  reine  K.  W.  vorteilhaft 
zu  machen,  so  wird  eine  gemischte,  aus  beiden  Formen  zu- 
sammengesetzte Wirtschaft  eingeführt  werden.  Da  nun  diese 
gemischte  Wirtschaft  sich  in  unzähligen  Modifikationen  bald 
mehr  der  einen,  bald  mehr  der  anderen  Form  anschließen 
kann:  so  wird  auch  für  jede  Stufe  des  Getreidepreises  und 
des  Bodenreichtums  eine  dieser  Stufe  genau  entsprechende 
Wirtschaftsform  gefunden  werden  können.  Es  wird  —  die 
Konsequenz  der  Bewirtschaftung  voi'ausgesetzt  —  das  leise 
Steigen  beider  Potenzen  stets  von  einer  leisen  Veränderung 
in  der  Wirtschaftsform  begleitet  sein,  bis  diese  endlich  zur 
reinen  K.  W.  übergeht. 

Aber  auch  hier  wird,  wenn  die  beiden  genannten 
Potenzen  fortwährend  wachsen ,  nur  ein  augenblickliches 
Verweilen,  kein  Ruhen  und  Beharren  stattfinden. 

Die  Wirtschaft  zu  der  Dungkraft  gelangt,  daß  die  Brache 
keine  stärkere  Düngung  erträgt,  wird  bei  noch  mehr  steigen- 
dem Reichtum  den  entbehrlichen  Dung  zur  Bedüngung  des 
Nachschlags,  d.  i.  des  dritten  Kornsclilages,  in  welchen  der 
Klee  gesät  wird,  verwenden.  Der  Klee,  w'elcher  sonst  in 
den  magersten  Acker  kam,  erhält  nun  einen  reichen  Boden, 
welcher  nach  vollendeten  Weidejahren  in  der  Brache  ent- 
weder gar  nicht  oder  doch  nur  schwach  gedüngt  werden 
darf.  Dadurch  wird  dann  der  Teil  des  Nachschlages,  der 
gedüngt  werden  kann,  in  einem  von  Umlauf  zu  Umlauf 
verstärkten  Maße  vergrößert,  bis  auch  diese  Verwendung 
des  Dunges  ihr  Ziel  erreicht  hat.  Die  fernere  Steigerung 
des  Reichtums  führt  dann  die  Abschaffung  der  Brache 
herbei ,     und    mit    derselben     verschwindet    zugleich    die  16y 


—     174    — 

Koppelwirtschaft,   und   die  Fruchtwechselwirtschaft  tritt  an 
ihre  Stelle. 


In  den  gebirgigen  Gegenden  dienen  nur  die  Täler  zum 
Ackerbau  und  die  Berge  werden  bloß  zur  Weidp  genutzt. 
Hier  ist,  wenn  die  Berge  die  Beackerung  durchaus  nicht  ge- 
statten, eine  Verbreitung  der  Koppelwirtschaft  über  die 
ganze  Feldmark  unmöglich.  Es  kann  also  bei  steigenden 
Getreidepreisen  und  steigendem  Eeichtum  des  Bodens  der 
Übergang  von  der  D.  W.  zur  F.  W.  \V.  nicht,  wie  auf  ebenem 
Boden,  vermittels  der  K.  W.  geschehen. 

Wenn  nun  die  Ebene  im  Verhältnis  zu  den  Gebirgs- 
weiden  und  den  Wiesen  so  klein  ist,  daß  der  Reichtum  des 
Ackers,  trotz  der  aussaugenden  D.  W.  anwächst,  so  entstellt 
die  Frage:  wie  und  bei  welchem  Grade  des  Reichtums 
diese  Wirtschaft  zur  F.  W.  W.  übergehen  muß. 

Meine  Berechnungen  erstrecken  sich  nicht  auf  diesen 
besonderen  Fall,  und  ich  kann  deshalb  theoretisch  hierüber 
nichts  entscheiden.  Die  Praxis  hat  diese  Frage  aber  schon 
längst  dahin  gelöst,  daß  unter  solchen  Verhältnissen  ein 
Teil  der  Brache,  oder  auch  die  ganze  Brache  mit  Kartoffeln, 
Klee,  Erbsen,  Flachs  usw.  bestellt  wird.  Eine  bestellte 
Brache  hört  aber  auf  Brache  zu  sein,  und  die  D.  W.  verliert 
unter  diesen  Umständen  ihre  wesentlichsten  charakteristischen 
Merkmale.  Sie  kommt  vielmehr  in  dem  Hauptpunkt,  der 
Abschaffung  der  Brache  und  der  Nutzung  des  ganzen  Acker- 
landes, mit  der  F.  W.  W.  überein;  entbehrt  dagegen  aber 
alle  Vorteile,  die  aus  einem  richtigen  Fruchtwechsel  ent- 
springen. Es  leidet  daher  wohl  keinen  Zweifel ,  daß  unter 
solchen  Umständen  die  F,  W.  W.  vorteilliafter  als  die  D.  W. 
170 mit  bestellter  Brache  sei;  und  in  der  Tat  sind,  seitdem  durch 
unseren  Lehrer  der  wissenschaftlichen  Landwirtscliaft,  durch 
Thaer,  die  Fruchtwechselwirtschaft  unter  uns  bekannt  und 
ein    Gegenstand   des   Nachdenkens    aller    gebildeten    Land- 


—     175     - 

wirte  geworden  ist,  eine  Menge  solcher  D.  W.  in  dem  ge- 
birgigen Teil  von  Schlesien,  Mähren  und  Sachsen  zur  F.  W.  W. 
übergegangen. 


Wir  haben  bei  unseren  Untersuchungen  zwai-  Boden  von 
verschiedenen  Stufen  des  Reichtums,  aber  immer  nur  Boden 
von  einer  und  derselben  physischen  Beschaffenheit  vor  Augen 
gehabt.  In  der  AVirklichkeit  finden  wir  dagegen  fast  auf 
jedem  Gute  Boden  von  verschiedener  Qualität  vor.  Der 
Zweck  dieser  Schrift  erlaubt  es  keineswegs,  hierauf  weiter 
einzugehen;  aber  einleuchtend  muß  es  sein,  wie  kompliziert 
die  Aufgabe  der  Wahl  des  Wirtschaftssystems  wird,  wenn 
Verschiedenheit  im  Reichtum  des  Ackers ,  Verschiedenheit 
in  der  Qualität  des  Bodens  neben  der  ungleichen  Entfernung 
des  Ackers  vom  Hofe  auf  einem  und  demselben  Gute  zu- 
sammentreffen ;  einleuchtend  muß  es  sein,  daß,  wie  vollendet 
auch  einst  die  Theorie  der  Landwirtschaft  dastehen  möge, 
dennoch  das  Geschäft  des  Landwirts,  wenn  er  nicht  blinder 
Nachahmer  sein,  sondern  sich  der  Gründe,  wonach  er  handelt, 
stets  bewußt  sein  will,  niemals  mechanisch  werden  kann, 
sondern  immer  ein  ernstes  und  tiefes  Studium  seines  Stand- 
punktes und  der  Verhältnisse  der  bürgerlichen  Gesellschaft 
erfordern  wird. 


Nachdem  die  Untersuchungen  bis  zu  diesem  Punkt  fort- 
gefüh]-t  sind ,  können  wir  jetzt  zu  dem  isolierten  Staat, 
und  zwar  zur  Bestimmung  der  sich  um  die  Stadt  bildenden 
Kreise  zurückkehren. 


—     176    — 

§  19. 
171  Zweiter  Kreis. 

Forstwirtschaft. 

Die  Ebene  des  isolierten  Staats  muß  die  Stadt  niclit 
bloß  mit  Lebensmitteln  versorgen,  sondern  auch  den  Bedarf 
derselben  an  Brennholz,  Bauholz,  Nutzholz,  Kohlen  usw. 
liefern. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  in  welcher  Gegend  des  iso- 
lierten Staates   die  Erzeugung  des  Holzes   stattfinden   wird. 

Nehmen  wir  den  Preis,  den  das  Holz  in  der  Stadt  hat 
als  gegeben,  z.  B.  IG  Taler  für  den  Faden  Buchenbrenn- 
holz von  224  Kubikfuß,  und  rechnen  die  Transportkosten 
eines  Fadens  pr.  Meile  zu  2  Tlr. ,  so  ergäbe  sich  hieraus, 
daß  aus  einer  größeren  Entfernvmg  als  8  Meilen  gar  kein 
Brennholz  zur  Stadt  gebracht  werden  könnte,  wenn  auch  die 
Produktion  des  Holzes  nichts  kostete  und  der  Boden  gar 
keine  Landrente  tragen  sollte. 

Hieraus  folgte  dann ,  daß  die  entfernten  Gegenden  von 
der  Produktion  des  Holzes  zum  Zweck  des  Verkaufs  nach 
der  Stadt  ausgeschlossen  wären,  und  daß  die  Holzerzeugung 
in  der  Nähe  der  Stadt  geschehen  müsse. 

Nehmen  wir  dagegen  bloß  den  Preis  des  Getreides  als 
bekannt  an  (zu  1^/2  Tlr.  für  den  Schfl.  Roggen)  und  fragen 
nun,  wie  hoch  wird  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  der 
Preis  des  Holzes  in  der  Stadt  sein,  so  wird  dadurch  die 
Aufgabe  sehr  viel  schwieriger. 

Holz  und  Getreide  haben  keinen  gemeinschaftlichen 
Maßstab  ihres  Gebrauchswertes:  eins  kann  nicht  durch  das 
andere  ersetzt  werden. 

„Warum,  könnte  jemand  sagen,  sollte  der  Faden  Holz 
,,nicht  40  Tlr.  gelten  können,  wenn  auch  der  Schll.  Roggen 


I 


—     177     — 

„nur  1^/2  Tlr.  gilt.  Ist  dies  aber  möglich ,  so  sind  Eure  172 
„Schlüsse,  daß  das  Holz  in  der  Nähe  der  Stadt  erzeugt 
„werden  müsse,  völlig  ungültig;  es  kann  vielmehr  aus  großer 
„Entfernung  geliefert  werden.  Der  Einwand,  den  Ihr  macht, 
..daß  ein  solches  Preisverhältnis  nirgends  stattfinde,  kann 
,, nichts  entscheiden :  denn  fast  überall  sind  noch  Reste  der 
.,alten  Urwälder  vorhanden,  und  wo  diese  sich  nicht  mehr 
„finden,  wird  der  Markt  doch  mehr  oder  minder  von  anderen 
„Gegenden  mit  Holz  aus  den  Urwäldern  versorgt.  Die  Er- 
„zeugung  der  Urwälder  hat  dem  Menschen  aber  keine  Arbeit, 
„Pflege  und  Kapitalanlage  gekostet,  und  sie  haben  deshalb 
„an  dem  Orte,  wo  sie  sich  finden,  kaum  einen  höheren 
„Tauschwert  als  das  Wasser,  so  hoch  auch  der  Gebrauchs- 
„wert  sein  mag.  In  dem  isolierten  Staat  aber,  wo  immer 
„nur  der  endliche  ■ —  an  das  Zeitmaß  nicht  gebundene  — 
„Erfolg  Gegenstand  der  Untersuchung  ist,  müssen  alle  Ur- 
„wälder  als  längst  verschwunden,  und  alle  Waldungen  als 
„durch  menschliche  Arbeit  hervorgebracht,  betrachtet  werden. 
„Ihr  müßt  also  einen  inneren  Zusammenhang  zwischen  Ge- 
,,treide-  und  Holzpreisen  nachweisen,  Avenn  Eure  Schlüsse 
„Gültigkeit  haben  sollen." 

Wir  müssen  die  Konsequenz  dieses  Einwurfes  einräumen 
und  nun  versuchen,  ob  wir  der  gemachten  Forderung  Genüge 
leisten  können. 

Der  Preis  eines  Faden  Holzes  in  der  Stadt  sei  also  un- 
bekannt, oder  gleich  y  Taler. 

Denken  wir  uns  nun  eine  Buchen waldung  von  100000 
GRut.  in  100  Kaveln  geteilt,  wovon  jährlich  eine  gehauen 
wird :  so  werden  wir  bei  einer  regelmäßigen  Bewirtschaftung 
eine  Kavel  mit  einjährigen,  eine  Kavel  mit  zweijährigen  usw_ 
bis  zu  hundertjährigen  Bäumen  haben. 

Der  Ertrag  der  gefällten  Kavel  sei      ...    500  Faden.  173 
Die  Zwischennutzungen ,  die  dadurch  entstehen, 
daß   aus  den  Kaveln  mit  jüngerem  Holz  die  zu 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  12 


—     178    — 

dicht  stehenden  Bäume  weggenommen   werden, 

mögen  ebenfalls  betragen 500  Faden. 

Summe  des  Ertrages    1000  Faden. 

Die  mit  der  Bewirtschaftung  dieses  Forstes  verbundenen 
Kosten,  als  Administrations-  oder  Aufsiehtskosten,  Besamung 
oder  Bepflanzung  der  abgeholzten  Kavel,  Nachpflanzung  der 
ausgegangenen  Bäume  usw.  wollen  wir  nach  Abzug  der 
Nutzung,  die  die  Mast  und  die  Jagd  liefern,  zu  500  Tb. 
jährlich  anschlagen. 

So  wie  wir  beim  Landbau  nicht  den  ganzen  Reinertrag 
eines  Gutes,  sondern  nur  den  Teil  desselben,  der  nach  Abzug 
der  Zinsen  des  in  den  Gebäuden  und  anderen  Wertsgegen- 
ständen  steckenden  Kapitals  übrig  bleibt,  als  Landrente  be- 
trachtet haben :  so  dürfen  wir  auch  bei  der  Forstwirtschaft 
nicht  den  ganzen  Ertrag,  sondern  nur  den  Teil,  der  nach 
Abzug  der  Zinsen  des  in  dem  Holzbestande  steckenden  Kapitals 
übrig  bleibt,  als  Landrente  oder  als  Ertrag  des  Grund  und 
Bodens  an  und  fiu-  sich  betrachten. 

Der  Ackerbau  kann  nicht  ohne  die  Anlegung  eines  in 
Gebäuden  usw\  steckenden  Kapitals  betrieben  werden ;  die 
Betreibung  der  Forstwirtschaft  setzt  voraus,  daß  Bäume  von 
einjährigem  bis  hundert-  oder  mehrjährigem  Alter  vorhan- 
den sind. 

Man  könnte  den  ganzen  Holzbestand  aller  100  Kaveln 
—  einen  hinreichend  großen  Markt  vorausgesetzt  —  auf  ein- 
mal niederschlagen,  verkaufen,  und  das  daraus  gelöste  Geld 
auf  Zinsen  geben;  und  nur  insofern  als  der  jährliche  Rein- 
ertrag aus  dem  Holze,  den  Betrag  der  auf  diese  Weise  zu 
174 erlangenden  Zinsen  überstiege,  könnte  man  den  Grund  und 
Boden  selbst  einen  Wert  beilegen. 

Gesetzt  nun,  der  Holzbestand  aller  loO  Kaveln  sei  im 
Wert  =  15000  Faden  ausgewachsenes  Holz;  so  würden, 
beim  Zinsfuß  von  5^/o,  die  Zinsen  des  im  Holzbestande 
steckenden  Kapitals  gleich  dem  Werte  von  750  Faden  Holz 


—     179     - 

sein.  Werden  diese  von  dem  jährlichen  Ertrag  der  Waldung 
=  1000  Faden  abgezogen,  so  bleibt  die  Nutzung  des  Grund 
luid  Bodens  selbst  =  250  Faden. 

Auf  diese  250  Faden  fallen  nun  alle  mit  der  Forstwirt- 
schaft verbundenen  Ausgaben :  denn  wenn  jemand  den  ganzen 
Holzbestand  niedergeschlagen  und  zu  einem  Geldkapital  ge- 
macht hätte,  so  würden  alle  diese  Ausgaben  ihn  nicht  mehr 
treffen  —  und  nur  um  den  Mehrertrag  von  250  Faden  zu 
erhalten,  werden  die  mit  der  Forstbewirtschaftimg  verbun- 
deneu Kosten  noch  ferner  verw^andt. 

Sind  die  jährlichen  Ausgaben  =:  500  Tlr.,  so  betragen 
die  Produktionskosten  für  einen  Faden  auf  dem  Stamme 
selbst  —  also  ohne  Fäll-  und  Schlaglohn  —  2  Taler. 

In  den  Produktionskosten  —  in  dem  Sinne,  wie  ich 
diesen  Ausdruck  nehme  —  ist  keine  Landrente  enthalten : 
denn  nur  aus  dem  Überschuß  des  wirklichen  Preises  über 
die  Produktionskosten  geht  erst  die  Landrente  hervor. 

Kostet  nun  das  Fällen  und  Zerschlagen  des  Holzes  einen 
halben  Taler  pr.  Faden:  so  wird  der  Faden  an  Ort  nnd 
Stelle  selbst  2V-2  Taler  kosten. 

Dieser  Preis  ist  aber,  so  wie  jeder  andere  in  Geld  aus- 
gediiickte  Preis  nur  für  einen  Standpunkt  gültig,  und  ändert 
sich  mit  der  Änderung  der  Getreidepreise.  Die  Lösung  un- 
serer Aufgabe  fordert  aber  Ansätze,  die  für  jeden  Standpunkt 
in  dem  isolierten  Staat  gültig  sind. 

Wir  müssen  hier  deshalb,  eben  so  wie  dies  bei  den  Be- 175 
rechnungen  über  den  Ackerbau  geschehen  ist,   ^i  der  Aus- 
gabe in  Geld  und  ^'i  derselben  in  Roggen  ausdrücken. 

Von  den  Produktionskosten  eines  Fadens  ^  2^  2  Tlr. 
bleiben  also  Vi  X  2i/i'  =  O,^-'  Tlr.  in  Geld  ausgedrückt, 
und  in  Korn  müssen  ^/i  X  2^/2  =  l,s;8  Tlr.  angegeben 
werden.  Ist  nun  die  Berechnung,  wonach  der  Faden  2^/2  Tlr. 
kostet,  für  einen  Standpunkt  entworfen,  w^o  der  Schfl. 
Roggen   l,2iti   Tlr.  gilt,   so   sind    l,t<8   Tlr.  im  Werte  gleich 

12* 


—     180    — 

l,ss 

zr^  =  l,i(;  Schü.  Roggen;  und  somit  betragen  die  Pro- 
duktionskosten eines  Faden  Holzes,  allgemein  ausgedrückt, 
1,4«  Sehfl.  Roggen  +  0,62  Tlr. 

Nun  können  wir  aber  nach  §  4  den  Preis  des  Roggens 
fiir  jeden  Standpunkt  in  dem  isolierten  Staat  berechnen :  der 
Schfl.  Roggen   gilt   nämlich  in   der  x  Meilen  von  der  Stadt 

entfernten    Gegend     "  ■.  ^,-.   .         Tlr.     Wird   der  Roggen  zu 

io^  — j—  X 

diesem  Preise  angerechnet,   so   sind   l,4i;  Schfl.  Roggen  -\- 

0,02  Taler  =     ^^o  i  '       Tlr.;    oder    die  Produktionskosten 
'  182 -|-x 

in   der  x  Meilen  von  der  Stadt  entfernten  Gegend  betragen 

f..       1    7-    1         '^11 ''',4X   ^  , 

für   1  laden  ^too   i Taler. 

182  -|-  X 

Es  fragt  sich  ferner,  wie  hoch  die  Transportkosten  eines 
Fadens  zu  stehen  kommen,  wenn  dieser  aus  einer  x  Meilen 
entfernten  Gegend  nach  der  Stadt  geliefert  wird. 

Die  Transportkosten  einer  Ladung  von  2400  ft  betragen 

199  5  X 
nach  §  4  auf  x  Meilen  T^^r—  Taler. 
"^  182 -j-x 

1''6         Wenn  nun  der  Faden  2  Ladungen  ausmacht,  so  kommen 

.399  x 
die    Transportkosten    eines    Fadens    auf    ioq-^x: — ;  Tlr.   zu 

stehen. 

Wird  dann  das  Holz  auf  einem  Boden  erzeugt,  der 
keine  Landrente  abwirft:  so  kann  dasselbe  für  einen  Preis, 
der  hinreichend  ist,  die  Produktioiis-  und  Transportkosten  zu 
vergüten,  nach  der  Stadt  geliefert  werden. 

In  der  Koppelwirtschaft,  deren  Landrente  wir  hier  zum 
Maßstab  nehmen  müssen,  gibt  die  28,(;  Meilen  von  der  Stadt 
entfernte  Gegend  keine  Landrenle  mehr.  Setzen  wir  nun 
in  die  für  die  Produktions-  und  TransiDortkosten  des  Holzes 
gefundenen    Formeln    fiir   x   den  Weit   von    28,r, :    so    ergibt 


—     181     — 

sich ,  daß  der  Preis  eines  Faden  Holzes  in  der  Stadt  selbst 
ö5,r,  Taler  sein  miiß. 

Da  das  Holz  für  die  Stadt  ein  unentbelirliches  Be- 
dürfnis ist:  so  wird  aucli  dieser  hohe  Preis  bezahlt  werden 
müssen ,  im  Fall  das  Holz  ans  den  nähereu  Gegenden  nicht 
wohlfeiler  geliefert  werden  kann. 

Für  das  in  den  der  Stadt  näher  gelegenen  Gegenden 
gebaute  Holz  vermindern  sich  die  Transportkosten ;  aber  das 
Holz  muß  hier  auf  einem  Boden  erzeugt  werden,  der  eine 
Landrente  abwirft,  und  durch  den  Preis  des  Holzes  müssen 
nicht  bloß  die  Produktions-  und  Transportkosten,  sondern 
auch  die  Laudrente  bezahlt  werden. 

Die  Landrente  für  eine  Ackerfläche   von   100000  GH-, 

welche  x  Meilen  von   der  Stadt   entfernt  ist,   beträgt  nacli 

„  202202  — 7065x 

§  o  -iQo   I Taler.      Der  Ertrag   des    Grund    und 

182  -j-  X  ° 

Bodens  an  Holz  ist  auf  100000  DR.  250  Faden;   auf  einen  177 

Faden   fällt  also   (mit  Weglassung  der  kleinen  Brüche)  an 

^      ,      ^      809  —  28,3x  ^  , 
Landrente     — ,  .^o   1 —       Taler. 
182  -f-  X 

Die  drei  Bestandteile,   aus  denen  der  Preis  des  Holzes 

in  dei-  Stadt  zusammengesetzt  ist,  betragen  dann : 

a)    Produktionskosten     .,  ,,.^   ,    ' "    Taler, 
182  -J-  X  ' 


li)   Transportkosten 
c)    Landrente   .     . 


399x 
18i:-fx 
809  —  28,3X 

182-fx 


1320  -4-  363,3x  ^  , 

zusammen  — tö^i —  Taler. 

182  -f-  X 

Es  muß  also  der  Preis  eines  Faden  Holzes  in  der  Stadt 
1320  -f-  363,3X  ^  , 

18"^  I  ^ —  Taler  betragen,  und  wenn  wir  nun  für  x  nach 

und  nach  andere  Werte  annehmen,  so  muß  sich  hieraus  er- 


—     182    — 

geben,   aus  welcher  Gegend   des  isolierten  Staats   das  Holz 
am  wohlfeilsten  nach  der  Stadt  geliefert  werden  kann. 

Wenn   x   oder    die  Entfer-  so    ist  y    oder    der    Preis 

nuijg    von     der    Stadt    be-  eines  Faden  Holzes  in   der 

trägt :  Stadt : 

28,G  Meilen 55,6  Taler 

20         „ 42,5      „ 

10         „ 25,s       „ 

'  V 20,4       „ 

4         „ 14,^.       „ 

1  „ 9,2       „ 

0         V "^^^       „ 

178  Denken  wir  uns  nun  für  einen  Augenblick,  daß  die 
Erzeugung  des  Brennholzes  in  der  Gegend  geschehe,  wo 
der  Boden  keine  Landreute  gibt,  so  wiu'de  der  Preis  des 
Fadens  in  der  Stadt  selbst  55,6  Taler  betragen.  Die  Be- 
wohner der  nähereu  Gegenden  würden  dann  aber  bald  be- 
merken, daß  sie  ihren  Boden  durch  die  Holzkultur  höher 
nutzen  könnten,  als  durch  den  Getreidebau;  sie  würden  das 
Holz  zu  einem  niedrigeren  Preise  liefern  und  dadurch  die 
entfernten  Bewohner  des  isolierten  Staates  mit  ihrem  Holz 
vom  Markte  verdrängen.  Dies  würde  so  fortgehen,  bis  am 
Ende  die  Holzkultur,  zum  Zweck  des  Verkaufes  nach  der 
Stadt,  auf  die  der  Stadt  ganz  nahe  gelegene  Gegend,  von 
wo  das  Holz  am  wohlfeilsten  geliefert  werden  kann,  be- 
schränkt wäre. 

Die  Kultiu'  eines  Gewächses,  welches  erst  ein  Jahr- 
hundert nach  der  Saat  eine  volle  Ernte  gibt,  kann  aber  nicht 
plötzlich  und  augenblicklich  von  einer  Gegend  zur  anderen 
wandern.  Es  ist  daher  nicht  zu  verwundern,  wenn  wir  in 
der  Wirklichkeit  Gegenden,  die  durch  ihren  Boden  sowohl 
als  durch  ihre  Lage  auf  die  Holzkultur  verwiesen  sind,  jetzt 
iinf'h  von  allem  Holz  entblößt  finden. 


—     183     — 

Um  endlich  den  Preis,  den  das  Holz  in  der  Zentralstadt 
unseres  isolierten  Staates  haben  wird,  bestimmen  zu  können, 
müßte  die  Größe  des  Bedarfes  gegeben  sein.  Das  Quantum, 
dessen  die  Stadt  bedarf,  bestimmt  die  Größe  der  Fläche, 
die  der  Holzkultur  gewidmet  werden  muß,  und  der  Preis, 
zu  welchem  das  Holz  von  dem  entferntesten  Punkte  dieser 
Fläche  nach  der  Stadt  geliefert  weiden  kann,  ist  die  Norm 
für  den  Preis  des  Holzes  in  der  Stadt.  Müßte  z.  B.  die 
Holzkultur  bis  auf  7  Meilen  von  der  Stadt  ausgedehnt 
werden,  so  würde  der  Preis  eines  Fadens  in  der  Stadt 
20,4  Taler  betragen. 

Der  am  äußersten  Eande  dieses  der  Holzkultur  gewid-179 
meten  Kreises  liegende  Boden  gibt  dann  dieselbe,  oder  viel- 
mehr eine  sehr  wenig  höhere  Landrente,  als  dieser  Boden 
durch  Ackerbau  benutzt  gegeben  hätte.  Eine  gleiche  Fläche, 
die  der  Stadt  nur  um  eine  Meile  näher  liegt,  gibt  aber, 
durch  Ersparung  an  den  beträchtlichen  Transportkosten  des 
Holzes,  schon  eine  sehr  viel  höhere  Landrente,  und  so  muß 
die  Landrente  des  durch  die  Holzproduktion  benutzten  Bodens 
mit  der  Annäherung  zum  Marktplatz  in  einem  sehr  viel 
gi-ößeren  Verhältnis  steigen,  als  bei  der  Nutzung  des  Bodens 
durch  die  Koppelwirtschaft. 

Wir  sind  nun  also  dahin  gelangt,  den  inneren  Zusammen- 
hang in  dem  Preisverhältnis  zweier  Produkte  —  Getreide 
und  Brennholz  —  die  sich  eins  durch  das  andere  nicht  er- 
setzen lassen,  nachweisen  zu  können. 

Bei  Produkten,  die  sich  eins  durch  das  andere  ersetzen 
lassen,  die  also  einen  gemeinschaftlichen  Maßstab  ihres  Ge- 
brauchswertes haben,  wird  das  Steigen  oder  Fallen  der 
Preise  auch  für  beide  gemeinschaftlich  sein,  und  das  Preis- 
verhältnis selbst  zwischen  beiden  wird  dadurch  wenig  oder 
gar  nicht  geändert  werden. 

Bei  Produkten  aber,  denen  dieser  gemeinschaftliche 
Maßstab  fehlt,  kann  eine  Änderung  im  Bedarf  des  einen  oder 


—     184     — 

anderen  Produktes   eine   große  Veränderung  in   dem   I'reis- 
verhältnis  hervorbringen. 

Wenn  z.  B.  in  unserem  isolierten  Staat,  durch  Erfindung 
der  Sparöfen,  der  Holzverbrauch  in  der  Stadt  so  weit  ein- 
geschränkt würde,  daß  ein  Kreis  von  5  Meilen  im  Halb- 
messer —  anstatt  früher  von  7  Meilen  —  um  die  Stadt 
zur  Erzeugung  des  Holzbedarfes  genügte,  so  würde  dadurch 
der  Preis  eines  Fadens  um  etwa  4  Tlr.  oder  um  circa 
20  "/o  fallen. 
180  Der  hierdurch  entbehrlich  gewordene  äußere  Rand  des 
Holzkreises  würde  dann  dem  Ackerbau  gewidmet  werden 
und  also  Korn  hervorbringen.  Dieser  Teil  ist  aber  im  Ver- 
hältnis zu  der  ganzen  dem  Ackerbau  gewidmeten  Fläche  so 
unbedeutend,  daß  dadurch  nur  ein  geringes  kaum  merkliches 
Sinken   des  Getreidepreises  hervorgebracht   werden   konnte. 

Stand  früher  der  Faden  Brennholz  in  gleichem  Preise 
mit  14  Schfl.  Roggen,  so  wird  derselbe,  nach  dieser  Ver- 
änderung, nur  noch  den  Preis  von  circa  12  Schfl.  Roggen 
behalten. 

Erfindungen  und  Verbesserungen  in  der  Produktion 
bringen  eine  ähnliche  Wirkung  wie  die  verminderte  Kon- 
sumtion hervor. 

Der  Verfasser  hat  bei  den  vorstehenden  Berechnungen 
über  die  Forstwirtschaft  die  Angaben  über  die  Ausgaben 
und  den  Ertrag  nicht  —  wie  dies  bei  den  Berechnungen 
über  den  Ackerbau  der  Fall  war  —  aus  der  Wirklichkeit 
entnehmen  können,  sondern  die  Zahlen,  um  nur  die  Rechnung 
beginnen  zu  können,  nach  einer  Schätzung  annehmen  müssen. 
Eine  Untersuchung,  die  mit  Schätzungen  und  Annahmen  be- 
ginnt, kann  aber,  selbst  wenn  sie  sich  in  den  Schlüssen  und 
Folgerungen  konsequent  bleibt,  nur  zeigen,  wie  für  solche 
Annahmen  der  Erfolg  sei ,  nicht  wie  derselbe  in  der  Wirk- 
lichkeit ist. 


—    185    — 

Kann  man  aber  die  Grenze,  innerhalb  welcher  die  au- 
genonameoen  Zahlen  möglicherweise  von  der  Wirklichkeit 
abweichen  können,  angeben;  kann  man  nachweisen,  daß  auch 
für  diese  mögliche  Grenze  die  entwickelten  Resultate  noch 
gültig  sind:  so  ist  dadurch  auch  die  Richtigkeit  derselben 
dargetan. 

Wir  wollen   nun   diese   Grenze   möglichst  weit,   weiter 
als  irgendeine  Wahrscheinlichkeit  dafür  vorhanden  ist,  hin- 
ausschieben, und  annehmen,  daß  in  dem  einen  Fall  die  Pro- 181 
duktionskosten  des  Holzes  das  Achtfache  unserer  Annahme,  in 
dem  anderen  Fall  aber  nur  den  achten  Teil  derselben  betragen. 

Erster  Fall.  Die  Produktionskosten  sollen  das  Acht- 
fache der  obigen  Annahme  betragen. 

Die  Erhöhung  der  Produktionskosten  kann  aus  zwei 
verschiedenen  Ursachen  hervorgehen:  entweder  1.  aus  der 
Erhöhung  der  mit  der  Forstkultur  im  ganzen  verbundenen 
Ausgaben  bei  gleichbleibendem  Holzertrage ;  oder  2.  aus  der 
Verminderung  des  Holzertrages  bei  gleichbleibenden  Ausgaben. 

a)  Die  mit  der  Forstwirtschaft  im  ganzen  verbundenen 
Ausgaben  sollen  auf  das  Achtfache  unserer  Annahme  steigen, 
während  der  Holzertrag  derselbe  bleibt. 

Alsdann  betragen 

r      -D     1  ,r      ,     .        /511— 7,4X\   ^  4088  —   59,2  X 

die    Produktionskosten        .,„-,,  —     8  =     thh— i — - — 

\   182  -|-  X  /  182  -\-  X 

399  X 

die  Transportkosten zr^^ — r— 

182  -|-  X 

,.-.,,  809  —  28,3X 

die  Landrente — ,,^-.    , — - — 

182  -|-x 


4897  + 311,5  X 
Summe j^gö  -J-  x — 


Der  Preis  eines  Faden  Holzes 

ist  dann  für  x  =  20 55  Tlr. 

X  =  10 42     „ 

X  =     0 27     ., 


—  .186    — 

b)  Der  Holzertrag  soll  nur  den  achten  Teil  unserer  An- 
nahme betragen,  die  Ausgaben  sollen  aber  dieselben  bleiben. 
Alsdann  betragen 

.     ^     .  ,   .      ,  4088  — 59,2x 

182  die  Produktionskosten — tott-j 

182 -|-x 

399  X 

die  Transportkosten ^^^    . — 

809  —  28,3  x\    ^  6472  —  226,4  x 


die  Landrente.     ^82  +  x     )   -    " 182  +  x 

10560  +  113,4x 

Summe  tettx — 

182  -|-  X 

Der  Preis  eines  Fadens 

ist  dann  für  x  =  20 63  Tlr. 

X  =  10 61     „ 

X  =     0 58     „ 

Zweiter  Fall.  Die  Produktionskosten  sollen  nur  den 
achten  Teil  von  dem ,  was  wir  dafüi-  angenommen  haben 
betragen. 

a)  Die  Ausgaben  sollen  sich  bis  auf  den  achten  Teil 
vermindern,  der  Ertrag  aber  bleibe  derselbe.  Alsdann  er- 
geben sich 

,.    T.     n  ,   .      ,  /511  — 7,4X\    „      61  — 0,9x  ^, 

die  Produktionskosten  =    -Tnö~i •  o  =  ioo  "i J^^^'- 

\   182  +  ^  /  1°2  -|-  X 

399  X 
die  Transportkosten  = ^,^    ■ 

,.    ,      ,  809  — 28,3X 

die  Landrente  = — ,  ^.v    . 

lö2  -\-  X 

870  4-  3697x 
Summe  — i82^~^c — 

Der  Preis  eines  Fadens  ist  dann  für 

X  =  20 41  Tlr. 

X  =  1" 24    „ 

X  --     0 5    „ 


—     1^7     — 

h)  Die  Ausgaben  im  ganzen  sollen  dieselben  bleiben,  der 

Ertrag  steige  dagegen  auf  das  Achtfache.     Alsdann  betragen 

1-      T.     1  ,.-      ,     .        /511  — 7,4x\    ^^        61— 0,9X^, 

die    Produktionskosten        .,  oo    i :  8  =     ..^o    i J-"-   183 

\    182  -|-  X  /  182  -\-  X 

..    m              ,  399  X 

die  iransportkosten i»o    \ 

y     j      ,      ,         /809-28,3x\       ^  101  -  3,5  X 

die  Landrente       ^-^g^  +  x    j   •   ^  =       182  +  ^ 

162  +  394.6  x 
Summe  — 182+^^ 

Der  Preis  eines  Fadens  ist  also  für 

X  =  20 40  Tlr. 

X  .=  10 21     „ 

X  =     0 1     „ 

Die  hier  in  Betracht  gezogenen  Fälle  geben  immer  das 
Resultat,  daß  das  in  der  Nähe  der  Stadt  erzeugte  Holz  zu 
einem  niedrigeren  Preise  nach  der  Stadt  geliefert  werden 
kann,  als  das  in  der  ferneren  Gegend  erzeugte  Holz.  Da 
wir  nun  mit  Gewißheit  behaupten  dürfen,  daß  bei  einer 
konsequenten  Bewirtschaftung  —  denn  für  die  Inkonsequenz 
gibt  es  weder  Eegel  noch  Schranke  —  Ertrag  und  Aus- 
gaben bei  der  Forstkultur  nicht  außerhalb  der  hier  gesteckten 
Grenzen  liegen  können :  so  ist  auch  der  Satz,  „daß  die  Holz- 
produktion in  der  Nähe  der  Stadt  geschehen  müsse",  hier-  . 
durch  erwiesen. 


Wir  haben  durch  diese  Untersuchung  eine  Formel  er- 
halten, die  nicht  bloß  zur  Bestimmung  des  Holzpreises  dient, 
sondern  in  der  Tat  von  einer  solchen  allgemeinen  Gültigkeit 
ist,  daß  wir  dadurch  für  den  isolierten  Staat  den  Preis  jedes 
landwirtschaftlichen  Produktes  bestimmen,  und  die  Gegend, 
wo  der  Anbau  desselben  geschehen  muß,  nachweisen  können  — 
wenn  Produktionskosten,  Landrente  und  Bedarf  bekannt  sind. 


-     188    - 

184  Um  dieses  au  einem  Beispiel  zu  zeigen,  wollen  wii-  uns 
die  Frage,  ,,zu  welchem  Preise  kann  der  Schfl.  Roggen  zur 
Stadt  geliefert  werden,  und  in  welcher  Gegend  ist  der  An- 
bau desselben  am  vorteilhaftesten",  vorlegen  und  zu  beant- 
worten  suchen. 

Nach  §  5  geben  100  000  DR.  Ackerland  einen  Roh- 
ertrag   von    3144    Schfl.    Roggen;     eine    Ladung    enthält 

2400 

-Qj-   =   28,(;   Schfl.  Roggen;    3144   Schfl.   sind   also   gleich 

-p^ —  =  110  Ladungen. 

Die  mit  der  Erzeugung  dieser  Ernte  verbundenen  Aus- 
gaben, oder  die  Pi'oduktionskosten ,  betragen  1976  Schfl. 
Roggen  -j-  641  Tlr. ,  welche  auf  110  Ladungen  verteilt,  für 
eine  Ladung  18  Schfl.  Roggen  -j-  ö.ss  Tlr.  ausmachen. 

Für    den    Schfl.    Roggen    den    Preis    von    "-iqo  "T~^t~ 

Taler  gesetzt,   ergeben   sich  hieraus  die  Produktionskosten 

,    ,                4914  — 99x    ,    ,  5975  — 93,2X 

für   eme   Ladung    =    -^g^    ,   ^ \-  5,S3  =  — ^ggi^ 

Taler.     Die  Landrente  von  100  000  QRuten  Ackerland  oder 

r-     iin  r    1  ü  w  .   202202  -  7065x 

für  110  Ladungen  Roggen   betragt  ioo  n ^''^ 

io_    — |—   X 

eine  Ladung  fällt  also  an  Landreute  — iqo  „i,  ^  • 

Für  eine  Ladung  :=  28,r,  Schfl.  Roggen  betragen  demnach 

T    13    1  1  ^-      1     .  5975  —  93,2  X 

die  Produktionskosten ..o,^ — -, 

182  -\-  X 

die  Transportkosten ^  ^,.   ','  -— 

'■  182  -f-  X 

,.    T      ,      ,  1838  —  64,2  X 

die  Landrente — tt^h — i — ^ — 

182  -\-  X 


7813  -f  42,1  X 

Summe  — ts^ti 

182  -|-  X 


—     189 


ruacli 

ist  der  Preis 

einer  Ladunt^- 

eines  Schett'els  185 

Roggen 

Roggen 

X     =:= 

20  Meilen 

42.0  Tlr. 

IV2  Tlr. 

X    =: 

10      „ 

42,0     „ 

11/2     „ 

X    = 

0      „ 

42..     „ 

IV2     „ 

Auf 

unsere  Frage 

erhalten  wir 

also 

die 

Antwort :   daß 

lur 


aus  allen  Gegenden  des  isolierten  Staates  (soweit  der  Boden 
durch  Kornbau  noch  eine  Landrente  abwirft)  der  Scheffel 
Roggen  zu  1^/2  Tlr.  nach  der  Stadt  geliefert  werden  kann, 
und  daß  der  Anbau  des  Getreides  für  alle  Gegenden  des 
isolierten  Staates  gleich  vorteilhaft  ist. 

Dies  muß  so  sein,  denn  die  Berechnung  der  Größe  der 
Landrente  für  die  verschiedenen  Gegenden  beruht  gerade 
auf  der  Voraussetzung,  daß  der  Schfl.  Roggen  in  der  Stadt 
11/2  Taler  gelte.  Diese  Berechnung  konnte  also  zu  keiner 
Erweiterung  der  Einsicht  führen ;  aber  sie  gibt  eine  interes- 
sante Bestätigung  von  der  Richtigkeit  des  beobachteten  Ver- 
fahrens und  wird  dadurch  höchst  wichtig,  daß  wir  nun  für  jedes 
Gewächs,  wovon,  im  Verhältnis  zum  Getreide,  die  Produktions- 
kosten und  die  auf  eine  Ladung  desselben  fallende  Landrente 
bekannt  sind,  den  Preis,  den  dasselbe  in  der  Stadt  haben  muß, 
und  die  Gegend,  wo  es  erzeugt  werden  muß,  bestimmen  können. 

Anwendung  dieser  Formel  auf  verschiedene  andere  Ge- 
wächse. 

Erstes  Gewächs,  für  welches  die  Landrente  dieselbe 
wie  beim  Getreide  ist,  die  Produktionskosten  aber  nur  die 
Hälfte  betrafen. 


Die  Produktionskosten  betrag-en  dann 


die  Transportkosten  für  eine  Ladung 


2987  —  46 X 

182  +  X 

199,5  X 


182  +  X 

,.     r      ,      .  1838   —   64,2  X 

die  Landrente — i^f^ — , — 

182  -f-  X 


Summe 


4825  -f  88,7  X 
18'2"+  X 


—      190     — 

186  Für   X    =    2<)    3Ieilea    beträgt    der   Preis    einer 

Ladung 32,7  Tlr. 

X    =    10        „        29,7     „ 

X    =      0        „        26,5     „ 

Dieses  Gewächs  kann  also  wohlfeiler  aus  der  Nähe  der 
Stadt,  als  aus  der  Ferne  geliefert  werden,  und  der  Preis, 
den  dasselbe  in  der  Stadt  haben  wird,  läßt  sich  angeben, 
sobald  bekannt  ist,  wie  weit  der  Anbau  desselben  sich  aus- 
dehnen muß,  um  den  Bedarf  der  Stadt  zu  befriedigen. 

Zweites  Gewächs.  Gleiche  Landrente,  dopjDelte 
Produktionskosten. 

TT-       •,               -■■     <.              -.       T-            13788 — 51,1  X 
Hier   beträgt   die   Summe    der  Kosten    -i  q.>    i  — : 

Für   X    =    20    Meilen    beträgt    der   Preis    einer 

Ladung 63,2  Tlr. 

X    =    10        „         69,2     ,, 

X    =      0        „         75,7     „ 

Der  Anbau  dieses  Gewächses  muß  also  in  einer  von 
der  Stadt  fernen  Gegend  stattfinden. 

Drittes  Gewächs.  Gleiche  Produktionskosten,  halbe 
Landrente. 

Für    dieses   Gewächs   beträgt   die   Summe    der  Kosten 
6894  4-  74,2  X 
182  +  X 
Füi'   X    =    20   Meilen    beträgt    der   Preis    einer 

Ladung 41,5  Th-. 

X    =    10        „         39,7     .. 

X   =-     <•       „        :^7,...    „ 

Der  Anbau    dieses  Gewächses   geschieht   in   der  Nähe 

der  Stadt. 

Y  i  e  r  t  e  s     Gewächs.      Gleiche    Produktionskosten, 

doppelte  Landrente. 

9651   --   22.1  X 
iy7         Summe  der  Kosten  — vs^rr 

iö-    -t-   X 


-    191     — 

Für   X    =:    20    Meilen    beträgt    der   Preis    einer 

Ladung 45,g  Tlr. 

X    =    10        „         49,1     „ 

X   =     0        „        53,0     ., 

Der  Anbau    dieses   Gewächses  gehört  in    die   von    der 

Stadt  entfernte  Gegend. 

Aus  der  genaueren  Betrachtung  der  vier  liier  entwickelten 

Fälle  ergeben  sich  folgende  allgemeine  Gesetze: 

1.  Bei  gleichen  Produktionskosten  für  eine  Ladung  muß 
dasjenige  Gewächs,  auf  welches  die  größte  Landrente 
fällt,  am  fernsten  von  der  Stadt  gebaut  werden. 

2.  Bei  gleicher  auf  eine  Ladung  fallender  Landrente  muß 
dasjenige  Gewächs,  was  die  größten  Produktionskosten 
erfordert,  in  größerer  Entfernung  von  der  Stadt  ge- 
baut werden. 

Aufgabe.  Zu  welchem  Preise  kann  ein  Erzeugnis, 
wovon  eine  Ladung  vierzehn  mal  so  viele  Produktions- 
kosten, und  doppelte  so  viele  Transportkosten  erfordert 
als  der  Roggen ,  zur  Stadt  geliefert  werden ,  wenn 
dieses  Erzeugnis  gar  keine  Landrente  abwerfen   soll. 

^.      -p     ,  ,,.      ,      .        _  ,  83650-1305X 

Die   Produktionskosten    betragen    dann      — ^t^,— s 

°  182  -j-  X 

399  X 

die  Transportkosten töp^ — i — 

^  182  -}-  X 

,    "T~      83  650  —  906x 

Summe  der  Kosten  — .-„h — i 

182  -|-  X 

Für  X  =  30  Meilen    ist    der  Preis    einer  Ladung 

266    Tlr.,      eines    Pfundes     5,3     ßl. 

X  =  10        „  388      „  7,.s     ßl. 

X  =     0        „  460      „  9,2     ßl. 

Dieses  Erzeugnis   kann    also   aus    der  30  Meilen    ent-188 
fernten   Gegend   fast  zur  Hälfte  des  Preises,   den   die  un- 
mittelbar an  der  Stadt  gelegene  Gegend  dafür  haben  mußte, 
nach  der  Stadt  geliefert  werden.     Kann   nun   die  entfernte 


—     192    — 

Gegend  den  Bedarf  der  Stadt  befriedigen :  so  muß  die  Her- 
vorbringuDg  dieses  Produktes  für  die  der  Stadt  näheren 
Gegenden  mit  großem  Verlust  verbunden  sein. 

Nach  dieser  Unterbrechung  kehren  wir  jetzt  zu  der 
Betrachtung  der  Forstkultur  zurück. 

Wir  haben  bei  unseren  Berechnungen  den  jälirlichen 
Holzertrag  zu  1000  Faden,  und  den  Holzbestand  aller  Kaveln 
zusammen  im  Wert  gleich  15000  Faden  angenommen.  Hier- 
nach verhält  sich,  dem  Wert  nach,  der  Zuwachs  zu  dem 
Bestände  wie  1  zu  15;  oder  der  jährliche  Holzzuwachs  be- 
trägt Vi5  des  Holzbestandes. 

Die  Erfahrung  hat  aber  vielfach  gelehrt,  daß  es  beim 
Ankauf  eines  Gutes  höchst  gefährlich  ist,  die  mit  dem  Gute 
verbundene  Waldung  nach  der  Quantität  des  Holzbestandes 
abzuschätzen  und  dann  nach  der  Schätzung  zu  kaufen. 
Manche  Käufer  haben  dadurch  großen  Schaden  gelitten, 
einige  sogar  ihr  ganzes  Vermögen  verloren.  Es  zeigte  sich 
nämlich  später,  daß  das  Holz  keine  volle  Zinsen  trug,  d.  h. 
daß  der  jährliche  Holzertrag  nicht  1/20,  sondern  oft  nur  i/;;o, 
oder  gar  nur  1/40  des  Holzbestandes  ausmachte,  daß  also 
auch  das  auf  den  Ankauf  der  Waldung  verwandte  Kapital 
nur  3^3  oder  gar  nur  2V2  %  Zinsen  bi-achte. 

Auch  besitzen  wir  Abschätzungen  von  Waldungen,  in 
welchen  der  jährliche  Zuwachs,  von  Forstkundigen  selbst, 
nur  zu  Vio  des  Holzbestandes  angenommen  wird. 

Nehmen  wir  nun  an,  daß  das,  was  die  Erfahrung  lehrt, 
in  der  Natur  des  Baumes  selbst  begründet  sei,  daß  vermöge 
189  dieser  Natur  der  Bäume  die  Waldungen  nicht  mehr  als  um 
-/40  ihres  Bestandes  jährlich  zunehmen  können ,  und  ent- 
wickeln wir  dann  die  hierin  liegenden  Folgen:  so  gelangen 
wir  zu  sehr  merkwürdigen  Resultaten. 

1.  Der   mit   Holz    bestandene   Boden    bringt    nicht    bloß 
keine  Landrento,   sondern   der  Ertrag  des  Bodens   ist 


—    193    — 

sogar  negativ,  indem  die  Zinsen  des  im  Holzbestande 
steckenden  Kapitals  schon  das  Doppelte  des  jährlichen 
Ertrags  ausmachen. 

2.  Jeder  Waldbesitzer,  der  sein  eigenes  Interesse  kennt, 
muß  das  sämtliche  Holz  auf  einmal  niederschlagen 
und  verkaufen,  indem  er  durch  das  aus  dem  Holz- 
verkauf zu  lösende  Kapital  die  doppelten  Zinsen  be- 
zieht, und  den  Grund  und  Boden  der  Waldung  noch 
obenein  erhält,  den  er  ebenfalls  verkaufen  kann.  Ist 
der  Markt  zu  beschränkt,  um  alles  Holz  auf  einmal 
verkaufen  zu  können,  .so  muß  der  Besitzer  das  jähr- 
lich gefällte  Revier  nicht  wieder  mit  Holz  besamen  — 
und  so  wird  er,  zwar  langsamer,  aber  nicht  minder 
gewiß,  mit  der  Ausrottung  des  Waldes  zustande  kommen. 

3.  Ein  solches  allmähliches  Ausrotten  der  Wälder  muß 
den  Preis  des  Holzes  steigern ;  aber  das  ist  das  be- 
sondere dieses  Falles,  daß  die  höchsten  Holzpreise  die 
Foi'stkultur  nicht  vorteilhaft  machen,  und  die  Wälder 
nicht  vor  der  ferneren  Ausrottung  schützen  können: 
denn  mit  den  erhöhten  Holzpreisen  wächst  auch  das 
in  dem  Holzbestande  steckende  Kapital,  und  die  Zinsen 
von  demselben  betragen  immer  doppelt  so  viel  als  die 
Einkünfte  aus  der  Waldung.  Hohe  Holzpreise  machen 
also  die  Ausrottung  der  Wälder  nur  noch  vorteilhafter 
und  reizen  um  so  mehr  dazu  an.  Nur  das  Herabsinken 
des  Zinsfußes  bis  unter  2^/2  "/o  kann  der  Vernichtung  190 
der  Wälder  ein  Ziel  setzen.  Tritt  aber  das  Sinken 
des  Zinsfußes  nicht  ein,  und  soll  ein  so  unentbehr- 
liches Material,  wie  das  Brennholz  ist,  nicht  glänzlicli 
von  der  Erde  verschwinden :  so  müssen  die  Regie- 
rungen allen  Privatpersonen  die  freie  Disposition  über 
ihre  Waldungen  nehmen  und  die  Besitzer  mit  Gewalt 
zwingen,  von  ihrem  Eigentum  nur  den  halben  Nutzen 

zu  ziehen,  den  sie  haben  könnten.    Nach  dieser  Ver- 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  13 


—     194    — 

letznng  des  Eigentumsrechts  wird  aber  die  AValdkultiir 
mit  der  höchsten  Nachlässigkeit  betrieben  -werden,  nud 
somit  kann  auch  die  Maßregel  nur  auf  eine  kurze  Zeit 
Hilfe  gewähren. 
Betrachten   wir  dagegen   den   Wachstum   eines   jungen 
Baumes,  etwa  den  einer  jungen  Tanne,   so  finden  wir,  daß 
die  zweijährige  Tanne  die  einjährige  an  Masse  vielleicht  um 
das  Zehnfache  übertrifft,  daß  die  dreijährige  Tanne  wiederum 
etwa  das  Siebenfache  der  zweijährigen  beträgt  u.  s.  f.,   daß 
also  der  jährliche  Zuwachs  nicht  bloß  einen  Teil  der  Masse, 
die  der  Baum  schon  hatte,   ausmacht,   sondern  diese  Masse 
selbst  vielfach  übertrifft.    In  den  folgenden  Lebensjahren  des 
Baumes  steigt  die  absolute  Zunahme  an  Masse  von  Jahr  zu 
Jahr,  aber  die  relative  Zunahme,  d.  h.  der  jährliche  Zuwachs 
im  Yerhältnis   zur  Masse   des   Baumes,    muß   dennoch  ab- 
nehmen ,  weil  die  Masse ,   mit  der  der  Zuwachs  verglichen 
wird,   immer   größer  wird.     Ist  nun  etwa  im  fünften  Jahre 
der  jährliche  Zuwachs  der  Masse,  die  der  Baum  schon  hatte, 
gleich,   so  wird  dann  im  sechsten  Jahre  der  Zuwachs  etwa 
'■^/lo,  im  siebenten  Jahre  vielleicht  ^^/loo  u.  s.  f.  betragen. 

Bei  dieser  stufenweisen  Abnahme  des  relativen  Zu- 
wachses müssen  wir  unstreitig  zuletzt  auf  einen  Punkt 
kommen,  wo  der  jährliche  Zuwachs  ^.'20  der  Masse  des  Baumes 
beträgt. 
191  Denken  wir  uns  statt  des  einzelnen  Baumes  ein  ganzes 
Holzrevier,  oder  eine  Kavel,  worin  lauter  Bäume  von  gleichem 
Alter  stehen :  so  muß  auch  für  diese  ganze  Fläche  ein  Zeit- 
punkt eintreten,  wo  der  Holzzuwachs  gerade  ^/20  des  gauzen 
auf  dieser  Fläche  befindlichen  Ilolzbestandes  ausmacht. 

Wird  nun  die  Kavel  gerade  in  diesem  Zeitpunkt  ab- 
geholzt, und  vergleicht  man  dann  den  Holzertrag  mit  der 
Summe  des  Holzbestandes  aller  der  Kavelu,  die  mit  Bäumen 
von  einjährigem  bis  zum  hanbaren  Alter  besetzt  sind,  so 
wird  sich  ergeben,  daß  der  jährliche  Ertrag  mehr  als  ^/20  des 


—     195    — 

Holzbestandes  ausmacht:  denn  da  der  Zuwachs  in  der  hau- 
baren Kavel  noch  ^ho  beträgt,  in  allen  Kaveln  mit  jüngeren 
Bäumen  aber  bedeutend  stärker  ist,  so  muß  auch  der  Zu- 
wachs im  Durchschnitt,  d.  i.  für  alle  Kaveln  zusammen, 
größer  als  ^  20  sein. 

Ist  es  also  einerseits  völlig  entschieden ,  daß  die  Natur 
der  Bäume  einen  noch  stärkeren  relativen  Zuwachs  als  1/20 
möglich  macht,  und  ist  andererseits  die  Erfahrung,  daß  in 
manchen  Wäldern  der  Zuwachs  nur  ^'40  beträgt,  unbestreit- 
bar: so  folgt  hieraus,  daß  die  Bewirtschaftung  solcher 
Waldungen  höchst  unrichtig  und  fehlerhaft  sein  müsse. 

In  Waldungen,  wo  100-  und  200jährige  Bäume  mit 
Bäumen  von  10-  und  2()  jährigem  Alter  zusammenstehen  und 
untermischt  sind ,  in  welchem  Bäume  vorhanden  sind ,  die 
überhaupt  nicht  mehr  wachsen,  aber  einen  großen  Raum 
einnehmen  und  das  junge  Holz  unterdrücken,  wo  folglich 
der  absolute  Zuwachs  selbst  sehr  geringe  ist,  und  dieser  mit 
sehr  großem  Holzbestand  verglichen  werden  muß;  da  kann 
auch  leicht  der  relative  Zuwachs  bis  zu  ^'lo  und  noch  tiefer 
herabsinken. 

Eine   solche  Forstkultur  oder   vielmehr  Unkultur  kann 
nur  da  gerechtfertigt  werden,  wo  das  Holz  nicht  abzusetzen 
ist,  und  der  Boden  selbst  einen  so  geringen  Wert  hat,  daß 
die  Kosten   des  Ausrodens  der  Baumstämme  und  der  Yer-192 
Wandlung  des  Forstgrundes  in  Ackerland  nicht  bezahlt  werden. 

In  den  früheren  Jahrhunderten  mochte  dies  für  einen 
großen  Teil  Deutschlands  der  Fall  sein.  Die  Verhältnisse 
haben  sich  seitdem  sehr  geändert ;  aber  diese  Änderung  der 
Verhältnisse  hat  nicht  überall  eine  Änderung  in  der  Behand- 
lung der  Forsten  hervorgebracht,  und  wir  finden  auch  in 
unseren  Tagen  noch  viele  Waldungen,  die  auf  die  herkömm- 
liche aber  jetzt  höchst  unkonsequente  Weise  behandelt 
werden. 

Aber  auch  da,  wo  die  lichtige  Einsicht  schon  vorwaltet, 

13* 


—     196    — 

können  die  "Wälder  nur  allraählicli  aus  ihrem  Naturzustande 
gerissen  werden:  denn  so  wie  das  Lebensalter  der  Bäume 
das  des  ilenschen  weit  übertriift,  so  gehören  auch  mehrere 
Menschenalter  dazu,  um  die  richtige  Forstkultur  über  eine 
ganze  "Waldfläche  zu  verbreiten. 

Bei  einer  richtigen  Forstkultur  werden  nur  Bäume  von 
gleicliem  Älter  zusammenstehen  dürfen,  und  diese  werden 
gefällt  werden  müssen,  ehe  der  relative  Wertzuwachs  bis 
auf  5  ^:'o  —  den  für  den  isolierten  Staat  angenommenen 
Zinsfuß  —  herabsinkt.  Bei  Hochwaldungen  werden  dann 
die  Bäume  nicht  auswachsen  dürfen,  die  ümtriebszeit  wird 
viel  kürzer,  als  das  Lebensalter  der  Bäume  reicht,  sein 
müssen ;  und  es  steht  zur  Frage,  ob  der  Umtrieb  der  Buchen- 
waldung, den  wir  hier  zu  100  Jahren  angenommen  haben, 
nach  diesen  Grundsätzen  nicht  kürzer  sein  müsse. 

Die  Rücksicht,  daß  das  Holz  von  mehr  ausgewachsenen 
Bäumen  als  Brennmaterial  einen  höheren  Wert  hat  und 
teurer  bezahlt  wird  als  das  Holz  von  jungen  Bäumen,  kann 
zwar  den  Umtrieb  über  den  Zeitpunkt  hinaus,  wo  der  relative 
Holzzuwachs  5  "/o  beträgt ,  verlängern :  aber  doch  nur  auf 
wenige  Jahre:  denn  diese  Wertzunahme  des  Holzes  als 
193  Brennmaterial  kann  nicht  lange  die  durch  den  Zinseuverlust 
steigenden  Produktionskosten  überwiegen. 

Ganz  anders  verhält  sich  dies  mit  dem  Bauholz.  Dieses 
muß  eine  gewisse  Stärke  haben,  wenn  es  überhaui^t  brauch- 
bar sein  soll,  und  die  Bäume  dürfen  nicht  eher  gefällt 
werden,  als  bis  sie  diese  Stärke  erreicht  haben.  Der  Um- 
trieb wird  also  viel  länger  sein  müssen  als  bei  der  Brenn- 
hol zerzielung.  Die  Produktionskosten  des  Bauholzes  werden 
dadurch  selir  bedeutend  vermehrt:  da  dasselbe  aber  nicht 
entbehrt  werden  kann :  so  muß  auch  eine  gleiche  Masse, 
z.  B.  ein  Kubikfuß,  um  so  höher  bezalilt  werden,  je  stärker 
das  Holz  ist,  und  zwar  muß  der  Preis  so  hoch  und  in 
dem    Maße    steigen,     daß    dadurch    die    Produktionskosten 


—     197     — 

des  Bauholzes  von  jedem  Grade  der  Stärke   genau  vergütet 
werden. 

Das  Bauholz  muß  also  bei  gleichem  Gewicht  einen 
höheren  Preis  haben  als  das  Brennholz,  und  die  Transport- 
kosten im  Verhältnis  zum  "Wert  betragen  bei  ersterem 
weniger  als  bei  letzterem. 

Aus  diesem  Grunde  muß  auch  in  dem  der  Forstkullur 
gewidmeten  Kreise  des  isolierten  Staates  die  Erzeugung  des 
Bauholzes  in  dem  von  der  Stadt  entferntesten  Teile  dieses 
Kreises  geschehen. 

Der  Abfall  vom  Bauholz  würde,  als  Brennholz  benutzt, 
die  Transportkosten  nach  der  Stadt  nicht  tragen  können, 
aber  durch  das  Verkohlen  in  ein  Material  von  geringerem 
spezifischen  Gewicht  verwandelt,  kann  es  noch  mit  Vorteil 
nach  der  Stadt  gebracht  werden ;  und  so  wird  der  äußere 
Rand  des  Holzkreises  die  Stadt  nicht  bloß  mit  Bauholz, 
sondern  auch  noch  mit  Kohlen  versorgen. 

An  dem  inneren,  der  Stadt  am  nächsten  liegenden  Rand 
des  Holzkreises  wird  es  vielleicht  vorteilhaft,  schnellwüchsige 
Bäume  zu  kultivieren,  deren  Holz  als  Brennmaterial  freilich 
keinen  so  hohen  Wert  hat,  wie  das  Buchenholz,  die  aber  194 
von  derselben  Fläche  einen  größeren  jährlichen  Ertrag  an 
Holz  liefern;  während  die  mehr  entfernte  Gegend  nur  noch 
Brennholz  vom  höchsten  Wert  nach  der  Stadt  bringen  kann. 

So  würden  in  dem  der  Forstkultur  gewidmeten  Kreise 
selbst  wieder  mehrere  Abteilungen  oder  konzentrische  Ringe 
entstehen,  in  denen  die  Kultur  auf  Erzielung  verschieden- 
artiger Bäume  gerichtet  wäre. 

Dieser  Kreis  muß  die  Stadt  und  den  Kreis  der  freien 
Wirtschaft  mit  Holz  versorgen ;  aber  nicht  die  rückwärts 
liegenden,  oder  von  der  Stadt  mehr  entfernten  Kreise.  Diese 
erzielen  nämlich  ihren  Bedarf  an  Holz  selbst,  können  aber 
nichts  zur  Stadt  liefern,  und  sind  in  dieser  Beziehung  für 
die  Stadt  indifferent ;  weshalb  denn  auch  bei  der  Betrachtung 


—    19S    — 

der  übrigen  Kreise  der  Holzkultur  uiclit  weiter  erwähnt 
werden  wird. 

Gesetzt  der  Preis  des  Brennholzes  sei  21  Tlr.  für  den 
Faden,  wie  hoch  wird  dann  die  Landrente  in  den  verschie- 
denen Gegenden  des  Kreises  der  Forstwirtschaft  sein? 

Die  Einnahme  für  einen  Faden  beträgt  21  Tlr. 

,       ^  182  +  X        3822  + 21 X  ^, 

oder   21  X  ,g2  ^-^  =  ^82^.^    Tlr. 

Die  Produktionskosten  betragen  für  einen  Faden 
5n-J7,4x 
182  +  X     -^^'• 

399  X 

Die  Trausportkosten  ^„^^    f — -  Tlr. 

Diese  beiden  Ausgaben  von  der  Einnahme  abgezogen, 
ergibt  sich  eine  Landrente  für  die  Fläche,  worauf  ein  Faden 

TT  1       ••  1    ^  33^1  "~  370,6x 

Holz  wachst,  von t^^k~, ih'. 

'  182  -|-  X 

195         Für  eine  Fläche  von  100000  DR.,  auf  welcher  250  Faden 

■■    .      .    .       ..     T      n           /3311   —  370,G  x\  ^,^ 
wachsen,  beträgt  also  die  Landrente  I i'oo^j^^ )  -^-'• 

Für  x  =  0  beträgt  die  Landrente  4548  Tlr, 

X  =  1 4017  „ 

x  =  2 3492  „ 

X  =  4 2458  „ 

X  =  7  .  • 948  „ 

An  dem  äußeren  Rande  des  Holzla-eises  ist  die  Land- 
rente, die  die  Forstkultur  gibt,  der  des  angrenzenden  Acker- 
landes gleich;  aber  diese  Landrente  steigt  mit  der  An- 
näherung zu  der  Stadt  wegen  der  Ersparung  der  bedeuten- 
den Transportkosten  sehr  rasch,  und  beträgt  bei  der  Stadt 
selbst  4548  Tlr.:  während  die  reine  Koppelwirtschaft,  wenn 
sie  ebenso  wie  in  den  entfernten  Gegenden  betrieben  würde, 
hier  nur  eine  Landrente  von  1111  Tlr.  abwerfen  könnte. 


199 


§  20. 

Rückblick  auf  den   ersten  Kreis,   in  besonderer 
Beziehung  auf  den  Bau  der  Kartoffeln. 

Die  Untersuchungen  in  den  vorigen  Paragraphen  haben 
ergeben,  daß  die  Erzeugung  des  Brennholzes  in  der  Nähe 
der  Stadt  geschehen  müsse,  und  daß  die  Forstkultur  im  Ver- 
hältnis zum  Ackerbau  eine  immer  höhere  Landrente  ge- 
währt, je  näher  sie  bei  der  Stadt  betrieben  wird. 

Wir  haben  aber  früher  schon  angenommen ,  daß  der 
Kreis  der  freien  Wirtschaft  die  nächste  Umgebung  der  Stadt 
einnehmen  Averde.  Wir  haben  diese  Annahme  zwar  mit 
Gründen  unterstützt;  aber  die  Gründe  selbst  sind  nicht  tief 
genug  entwickelt,  um  die  aufgestellte  Behauptung  beweisen 
zu  können,  und  wir  müssen  deshalb  diesen  Gegenstand  noch 
einmal  zur  Untersuchung  ziehen. 

Die  freie  Wirtschaft  und  die  Forstwirtschaft  kämpfen  196 
gleichsam  um  die  Stelle,  wo  sie  betrieben  werden  sollen: 
beide  machen  Anspruch  auf  die  nächste  Umgebung  der  Stadt. 
Da  sie  aber  nicht  unter-  und  nebeneinauder  betrieben  werden 
können,  so  entsteht  die  Frage,  welche  der  beiden  Wirt- 
schaftsarten den  Sieg  davon  tragen  und  die  andere  ver- 
drängen werde. 

Nun  muß  konsequenterweise  in  jeder  Gegend  diejenige 
AVirtschaft  getrieben  werden,  durch  welche  der  Boden  am 
höchsten  benutzt  wird ,  und  die  obige  Frage  wird  also  auf 
die  Frage:  „welche  Wirtschaftsart  gibt  in  der  nächsten 
Umgebung  der  Stadt  die  höchste  Landrente?"  zurückgeführt. 

Wir  müssen  also  untersuchen,  ob  in  der  Nähe  der  Stadt 
die  Kultur  eines  anderen  Gewächses  eine  noch  höhere  Land- 
rente gewährt  als  die  Forst wiitschaft;  und  wir  wenden  uns 
in  dieser  Beziehung  zu  der  Betrachtung  des  Anbaues  der 
Kartoffel. 


-     200     — 

Preis  der  Kartoffeln  in  der  Stadt. 

Zwischen  Kartoffeln  und  Roggen  findet  ein  gemeinschaft- 
liches Maß,  nämlich  das  ihrer  Nahnmgsfähigkeit  statt,  und 
wenn  —  was  hier  vorausgesetzt  wird  —  keine  besondere 
Vorliebe  für  die  eine  oder  andere  Frucht  statt  hat:  so  wird 
der  Preis  beider  genau  in  dem  Verhältnis  ihrer  Nahrungs- 
fähigkeit stehen. 

Nun  stimmen  die  chemischen  Analysen  und  die  Er- 
fahrungen bei  der  Viehfütterung  fast  alle  darin  überein,  daß 
drei  gehäufte  Scheffel  Kartoffeln  im  Mehlgehalt  sowohl  als 
in  der  Ernährungsfähigkeit  einem  Scheffel  Roggen  gleich 
sind ;  und  wir  nehmen  hiernach  den  Preis  eines  Scheffels 
Kartoffeln  in  der  Stadt  selbst  zu  1/3  des  Roggenpreises,  also 
zu  1/2  Tlr.  pr.  Schfl.  an. 
197  Bei  den  nachfolgenden  Berechnungen  über  den  Ertrag 
der  Kartoffeln  und  den  mit  dem  Bau  derselben  verbundenen 
Kosten  liegen  die  im  §  17  mitgeteilten  Untersuchungen  über 
die  belgische  AVirtschaft  zu  Grunde. 

AVir  haben  dort  angenommen,  daß  bei  gleichem  Reich- 
tum des  Bodens  auf  derselben  Fläche,  wo  1  Schfl.  Roggen 
wäclist,  9  Schfl.  Kartoffeln  wachsen,  und  gefunden,  daß  die 
Erzeugung  von  5,7  Schfl.  Kartoffeln  nicht  mehr  Arbeit  kostet, 
als  die  von  1  Schfl.  Roggen. 

Eine  Frucht,  die  im  Verhältnis  zum  Roggen  von  der- 
selben Fläche  das  Dreifache  an  Nahrungsstoff  liefert,  und 
die  die  Arbeit  des  Menschen  mit  dem  doppelten  Quantum 
an  Nahrungsstoff'  belohnt,  ist  in  der  Tat  so  merkwürdig, 
und  ihre  allgemeine  Verbreitung  ist  so  sehr  geeignet,  eine 
gänzliche  Revolution  in  dem  Betrieb  der  Landwirtschaft 
hervorzubringen,  daß  wir  der  Betrachtung  dieser  Frucht  not- 
wendig einen  Platz  in  dieser  Schrift  widmen  müßten,  wenn 
wir  auch  nicht  durch  die  Bestimmung  der  Grenzen  des  ersten 
Kreises   unseres   isolierten  Staates  dazu  aufgefordert  wären. 


—    201     — 

Wir  haben  schon  frülier  bei  der  Annahme,  daß  die 
Ebene  des  isolierten  Staates  den  Grad  von  Reichtum  habe, 
daß  der  Boden  nach  reiner  Brache  überall  8  Körner  an 
Roggen  t]-age,  den  Kreis  der  freien  Wirtschaft  hiervon  aus- 
genommen, und  diesem  wegen  des  Dungankaufes  aus  der  Stadt 
einen  viel  höheren  Reichtum  erteilt.  In  den  folgenden  Be- 
rechnungen nehme  ich  für  diesen  Kreis  denselben  Boden- 
reichtura  an,  den  wir  im  §  17  für  die  belgische  Wirtschaft 
ausgemittelt  haben. 

Wenn  die  geernteten  Kartoffeln  mit  dem  Vieh  verfüttert 
werden,  so  geben  sie  durch  die  Yerfütterung  reichlich  so  viel 
Dung  zurück,  als  ihre  Produktion  dem  Acker  gekostet  hat. 
Ganz  anders  verhält  sich  dies  aber,  wenn  die  Kartoffeln 
nicht  verfüttert,  sondern  verkauft  werden. 

So  wie  beim  Getreidebau  nicht  aller  Acker  mit  Ge- 198 
treide  bestellt  werden  kann,  sondern  ein  Teil  des  Feldes 
Gewächse  tragen  muß,  die  mehr  Dung  wiedergeben,  als  sie 
dem  Acker  entnommen  haben,  damit  die  durch  das  Getreide 
bewirkte  Aussaugung  ersetzt  werde,  so  kann  auch  beim  Bau 
der  Kartoffeln  zum  Zweck  des  Verkaufes  nicht  die  ganze 
Ackerfläche  mit  Kartoffeln  bestellt  werden. 

Will  man  berechnen,  wieviel  eine  gegebene  Fläche,  z.  B. 
von  100000  DR.,  an  Kartoffeln  jährlich  liefern  kann,  und 
will  man  den  Ertrag  an  Nahrungsstoff,  den  dieselbe  Fläche 
durch  den  Bau  der  Kartoffeln  gibt,  mit  dem,  den  dieselbe 
Fläche  durch  den  Bau  des  Getreides  bringen  würde,  ver- 
gleichen :  so  muß  zuvor  ausgemittelt  werden,  der  wievielste 
Teil  der  ganzen  Fläche  Kartoffeln  tragen  kann,  wenn  der 
Acker  sich  in  und  durch  sich  selbst  in  gleichem  Reichtum 
erhalten  soll. 

Beim  Getreidebau  wird  stets  mit  dem  Korn  zugleich 
Stroh  geerntet,  und  dieses  Stroh  ersetzt  schon  einen  Teil 
der  Aussaugung;  aber  der  Ersatz,  den  das  Stroh  liefert,  ist 
doch  nicht  hinreichend,  um  die  ganze  Aussaugung  zu  decken. 


—     202     — 

In  einer  7  schlägigen  Koppelwirtschaft  mit  der  Fnichtfolge : 
1.  Brache,  2.  Roggen,  3.  Gerste,  4.  Hafer,  5.  Weide,  6.  Weide, 
7.  Weide,  finden  wir  ebenso  viele  Weideschläge  als  Korn- 
schläge; und  wenn  anf  gutem  Boden  diese  Wirtschaft  sich 
in  gleicher  Kraft  erhält,  so  folgt  daraus,  daß  ein  Schlag  mit 
Getreide  mit  einem  Weideschlag  verbunden  sein  muß,  wenn 
die  Äussaugung,  die  die  Korusaat,  nach  Abzug  des  Ersatzes 
aus  dem  mitgeernteten  Stroh,  bewirkt,  ersetzt  werden  soll; 
oder  die  Aussaugung  eines  Getreideschlages  ist  so  groß,  wie 
die  Dungerzeugung  eines  Weideschlages  und  der  Ersatz  aus 
dem  Stroh  zusammen. 

Die   Kartoffeln   geben,   wenn   das  Kraut  derselben   auf 
dem  Acker  bleibt,   kein  Stroh  zurück,  und  ihre  Aussaugung 
199  muß  also  ganz  durch  den  Anbau  dungerzeugender  Gewächse 
ersetzt  werden. 

Wenn  wir  nun,  um  zu  einer  leichteren  Übersicht  zu 
gelangen,  einen  Weideschlag  zur  Einheit  nehmen,  so  können 
v/ir  fragen :  wie  viele  Weideschläge  müssen  mit  einem  Kar- 
toffelschlag verbundeu  sein,  um  die  Aussaugung  der  Kar- 
toffeln durch  die  Dungerzeugung  der  Weide  zu  decken. 

Nun  ist  aber  die  absolute  Aussaugung  der  Kartoffeln 
um  so  größer,  auf  je  reicheren  Boden  sie  kommen,  oder  je 
größer  der  Ertrag   derselben   ist:    die   Dungerzeugung  der 
AVeide  ist  ebenfalls  größer  auf  reichem,  geringer  auf  armem 
Boden.      Um    die  Aussaugung   eines    Kartoffelschlages    von 
gegebenem  Reichtum  zu  decken,  ist  eine  größere  Zahl  vonJ 
Weideschlägen  erforderlich,   wenn   die  Weide  auf  magereal 
Boden,    eine  geringere  Zahl,    Avenn   sie  auf  reichen  Bodeal 
kommt. 

Meine  hierüber  angestellten  Berechnungen  ergeben  fol- 
gendes. 

a)  Wenn  der  Kartoffelschlag  denselben  Reichtum,  wie  der] 
Gersteschlag,  die  Weideschläge  aber  gleichen  Reichtum} 
mit  den  Weideschlägen  in  der  Koppelwirtschaft  haben; 


—     203     — 

so  gehören   zum  Ersatz   der  durch  die  Kartoffeln  be- 
wirkten Aussaugnng   2"^/3  (genauer  2,76)  "Weideschläge. 

b)  Wenn  der  Kartoffelschlag  und  die  Weideschläge  gleichen 
Reichtum  enthalten:  so  muß  ein  Kartoffel  schlag  mit 
l^/fi  AVeideschlägen  verbunden  sein. 

c)  Werden  die  Kartoffeln  auf  sehr  reichem  Boden  ei-- 
zengt,  wo  Kleebau  und  Stallfütterung  stattfindet,  und 
wo  Klee  und  Kartoffeln  in  Boden  von  gleichem  Reich- 
tum kommen:  so  ersetzen  l^/a  (genauer  1,46)  Klee- 
schläge die  Aussaugung  eines  Kartoffelschlages. 

Wollen  wir  nun  den  Ertrag  an  Nahrungsstoff,  den  der 
Kartoffelbau  im  Verhältnis  zum  Getreidebau  Hefert,  ver-200 
gleichen,  so  finden  wir  in  dem  unter  a)  betrachteten  Fall 
1.  daß  3  Getreideschläge  a  1000  QRut.  auf  Boden,  der  in 
der  Koppelwirtschaft  10  Körner  liefert,  einen  Ertrag  von 
235  auf  Roggen  reduzierte  Schfl.  geben ;  2.  daß  ein  Kartoffel- 
schlag von  dem  Reichtum  des  Gersteschlages  dagegen 
720  Schfl.  Kartoffeln  =  240  auf  Roggen  reduzierte  Schfl. 
hervorbringt.  Um  die  Aussaugung  zu  decken,  müssen  die  3 
Getreideschläge  mit  3  Weideschlägen,  der  Kartoffel  seh  lag  mit 
2^li  Weideschlägen  verbunden  sein.  Zu  der  Hervorbringung 
von  235  Schfl.  Roggen  gehören  also  6  Schläge,  und  zu  der 
Produktion  von  720  Schfl.  Kartoffeln  =  240  Schfl.  Roggen 
gehören  3''/i  Schläge. 

Beim  Getreidebau  bringt  also  ein  Schlag  von  10(10  QR- 

235 
an   Nahrungsmasse    auf    Roggen    reduziert    "y.    =  39  Schfl. 

240 
hervor;     beim    Kartoffelbau    liefert    aber    ein    Schlag  jösT 

=  64  auf  Roggen  reduzierte  Schfl.  Das  Verhältnis  des  Er- 
trages zwischen  Getreide  und  Kartoffeln  ist  also  wie  39  zu 
64,  oder  wie  100  zu  164. 

Das    bei    der   ersten    oberflächlichen    Ansicht    sich   er- 
gebende Verhältnis,  nach  welchem  die  Kartoffeln  von  gleicher 


—     204     — 

Fläche  dreimal  soviel  Nahrungsstoff  liefern  als  der  Roggen, 
erleidet  also  bei  genauerer  Prüfung  eine  große  Ermäßigung; 
dessenungeachtet  bleibt  aber  das  t^bergewicht  der  Kartoffeln 
noch  immer  höchst  bedeutend. 

Wo  aber  der  Dung  nicht  auf  dem  Gute  selbst  erzeugt 
wird,  wo  die  Aussaugung  der  Kartoffeln  durch  den  Ankauf 
von  Dung  ersetzt  werden  kann,  da  behält  auch  der  Satz,  daß 
die  Kartoffeln  im  A^erhältnis  zum  Roggen  von  gleicher  Fläche 
die  dreifache  Masse  an  Nahrungsstoft'  für  Menschen  liefern, 
seine  völlige  Richtigkeit. 
201  Wir  werden  also  auch  den  Kartoffelbau  in  der  zwei- 
fachen Beziehung,  1.  wenn  der  Dung,  dessen  der  Kartoffel- 
bau bedarf,  auf  dem  Gute  selbst  erzeugt  wird,  und  2.  wenn 
der  Dung  zu  den  Kartoffeln  angekauft  wird,  untersuchen 
müssen. 

A.  Wenn  der  Kartoff'elbau  in  einer  sich  in  und  durch 
sich  selbst  in  gleicher  Kraft  erhaltenden  Wirtschaft  betrieben 
wird,  und  ein  Kartoft'elschlag  zu  diesem  Zweck  mit  II/2  Klee- 
schlägen verbunden  ist. 

Meine  über  diese  Wirtschaft  angestellten  Berechnungen 
ergeben  für  eine  Ladung  von  24  Schfl.  Kartoffeln 

489  —  4,7  X  ^, 

1.  die  Produktionskosten -.qq    i    ~    J^^r. 

199,5  X 

2.  die  Transportkosten iq9  _i_  » 

/182  -f  x\        2184  4- 12  X 

3.  die  Einnahme  12  Tlr.  oder  12  (109  _l~^J  —      139  -L  x 

Zieht  man   von  der  Einnahme  die   Produk- 
tions- und   Transportkosten   ab,   so   bleibt 

1695  —  182,8  X 
eine  Landrente  von — ipo    1    ^ 

Dies  ist  die  Landrente  für  eine  Fläche,  auf  der  jährlich 
eine  Ladung  Kartoffeln  zum  Verkauf  erzeugt  wird.  Nun 
kann  aber,  meinen  Berechnungen  zufolge,  eine  Ackerfläche 


144U  X  ^- 


—     205    — 

von  100000  riRut.,  wovon  40000  nRut.  mit  Kartoffeln  und 
60000  DRut.  mit  Klee  bestellt  werden,  nach  Abzug  der 
kleinen  nur  zum  Viehfutter  taugliehen  Kartoffeln,  jährlich 
1-440  Ladungen  zum  Verkauf  liefern. 

Die    Landrente    von    100  000   DRut.    beträgt    demnach 
/1695  —  182,8  x\  _  2440  800  — 263  232x 
182  +  X      j  ^  182  +  X 

Ist  die  Entfernung  von  der  so  beträgt  die  Landrente  202 

Stadt,  oder  für  100000  DRut. 

X  =  0 13  411  Tlr. 

X  =  1 11899     „ 

X  =  4 7  462     „ 

X  =  7 3165     „ 

X  =  9,8 0     „ 

B.  Wenn  der  Dung,  den  der  Kartoft'elbau  erfordert,  aus 
der  Stadt  angekauft  wird. 

Anstatt  daß  in  der  ersten  Wirtschaft  nur  40  "^/o  der 
Ackerfläche  dem  Kartoff'elbau  gewidmet  werden  durften,  kann 
hier  die  ganze  Tläche  mit  dieser  Frucht  bestellt  werden, 
und  100000  DRut.  Acker  können  statt  1440  nun  36(»0  La- 
dungen Kartoffeln  nach  der  Stadt  liefern. 

Diese  Wirtschaft  hat  dagegen  folgende  Ausgaben,  die 
der  ersten  Wirtschaft  fremd  waren : 

1.  die  Kosten    der  Anfuhr    des   Dunges   von    der    Stadt 
nach  dem  Acker; 

2.  den  Ankauf  des  Dunges. 

Die  Produktion  von  24  Scheffel  Kartoffeln  kostet  nach 
meinen  Ansätzen  dem  Acker  O,;»!  Fuder  Dung,  Avofür  ich 
hier,  zur  Erleichterung  der  Rechnung,  1  Fuder  annehme,  so 
daß  also  für  jede  Ladung  Kartoffeln,  die  nach  der  Stadt 
geliefert  wird,  ein  Fuder  Dung  zurückgebracht  werden  muß. 

Wenn  nun  jeder  mit  Kartoffeln  nach  der  Stadt  fahrende 
Wagen    ein   Fuder  Dünger  zurückbringt :    so   erfordert   die 


—     20(5     — 

AnscbaffuQg  des  üiiuges  keine  besonderen  Fuhren :  aber  die 
Pferde  haben  auf  der  Hin-  und  Zurücki-eise  stets  eine  volle 
Ladung,  und  werden  also  stärker  angestrengt.  In  Ermange- 
lung eines  Maßstabes  aus  der  Wirklichkeit  nehme  ich  an, 
daß  die  Fracht  für  eine  auf  der  ßückreise  mitgenommene 
Ladung  halb  soviel  als  die  gewöhnliche  Fraclit  betrage,  daß 

199 5 X : 2 
203  also   die  Anfuhrkosten   eines  Fuders  Dung  auf   ^^.l   i        =^ 

°  182  -\-  X 

99  7  X 
,  „^  ^ ,- —  zu  stehen  kommen. 
182  -\-  X 

Welches  ist  nun  aber  der  Preis  eines  Fuders  Dung  in 
der  Stadt,  und  nach  welchen  Prinzipien  wird  dieser  Preis 
reguliert '? 

Xaeh  Adam  Smith  läßt  sich  der  Preis  aller  Waren  in 
die  drei  Elemente:  Arbeitslohn,  Kapitalgewiun  und  Land- 
rente auflösen.  Wir  sind  durch  unsere  Untersuchungen 
darauf  geführt,  den  Preis  der  landwirtschaftlichen  Erzeug- 
nisse in  die  drei  Bestandteile :  Produktionskosten,  Trausport- 
kosten und  Landrente  zu  zerlegen;  und  wenn  auch  Produk- 
tions- und  Transportkosten  sich  unleugbar  wieder  in  Arbeits- 
lohn und  Xapitalgewinn  auflösen  lassen ,  so  sind  wir  doch 
durch  den  Gang  unserer  Untersuchung  zu  dieser  Trennung 
bis  jetzt  noch  nicht  aufgefordert  worden. 

Die  Substanz,  von  deren  Preisbestimmung  hier  die  Rede 
ist,  kann  aber  weder  Ware  noch  Produkt  genannt  werden, 
imd  vergeblich  werden  wir  fragen :  wieviel  Arbeitslohn, 
Kapitalgewinn  und  Landrente  ihre  Hervorbringung  gekostet 
habe;  oder  wie  groß  die  Produktionskosten  und  Transport- 
kosten derselben  seien,  und  wieviel  die  auf  ihre  Erzeugung 
fallende  Landrente  betrage.  Diese  Substanz,  deren  Hervor- 
bringung unfreiwillig  ist,  deren  (^»uantität  weder  durch  Ver- 
mehrung, noch  durch  Verminderung  der  Nachfrage  ver- 
größert oder  verkleinert  werden  kann,  und  die  der  Besitzer, 
sei  es  auch   mit   noch   so  großen  Kosten  verbunden ,   weg- 


—     207     — 

schaffen  muß,  die  folglich  für  ihu  einen  negativen  Wert 
hat  —  eine  solche  Substanz  ist  in  der  Tat  von  so  eigen- 
tümlicher Ai't,  daß  der  Preis  derselben  durch  keins  der 
vorhin  genannten  Gesetze  bestimmt  werden  kann,  und  die 
Frage,  wie  der  Preis  derselben  auszumitteln  sei,  erhält  da- 
durch ein  eigenes  Interesse. 

Wir  können   diese  Frage  hier  aber  noch  nicht   beant-204 
Worten,   sondern  müssen  vorläufig  den   Preis   eines  Fuders 
Stadtdünger  als  unbekannt  oder  gleich  a  Tlr.  annehmen. 

In  dieser  Wirtschaft,  wo  der  Dung  angekauft  wird,  be- 
tragen nach  meiner  Berechnung  für  eine  Ladung  Kartoffeln 

1.  die  Produktionskosten "   ^ — ;— ^  Tlr. 


2.  die  Transportkosten  der  Kartoffeln 


3.  die  Kosten  der  Dungfuhre 


182  +  X 
199,5  X 
182  +  X 
99.7  X 


•     •     ■         182  +  X 
4.  der  Dungankauf a 


Q  1      V    f       526  4- 291,7  X      , 

Summe  der  Kosten  — —!. — r 4-  a 

182  -f-  X  ' 

Die  Einnahme    beträgt    12    Tlr.    oder    12    (jg.^^P"^ 

_  2184  -f  12 X 
^      182  -f-  X 
Die    Unkosten    von     der    Einnahme 
abgezogen,     bleibt    Landrente     für 

1658  —  279.7X 


eine  Ladung 


182  -f  X 

Für  100000  GR.,   welche  3600  Ladungen  Kartoffeln  liefern, 

beträgt    also     die    Landrentc    3600    ( — %=r^ — ~ — —  —  a) 

V     182  -|-  X  / 

Taler. 

Die  Landwirte,    die    den   Kreis    der   freien   Wirtschaft 
bewohnen,  haben  stets  die  Wahl,  ob  sie  den  Dung  auf  ihrem 


208 


eigenen  Felde  erzeugen,  oder  denselben  aus  der  Stadt  an- 
kaufen wollen ;  und  sie  werden  letztei-es  nur  dann  tun,  wenn 
der  aus  der  Stadt  gekaufte  Dung  ihnen  wohlfeiler  zu  stehen 
kommt,  als  der  in  der  eigenen  Wirtschaft  erzielte  Dünger. 
205  Wir  haben  die  Laudrente  beider  Wirtschaftsarten  ge- 
funden, iukI  wenn  wii'  diese  einander  gleich  setzen:  so  muß 
sich  ergeben,  zu  welchem  Preise  das  Fuder  Dung  bezahlt 
werden  kann. 

Es  sei  demnach 
die  Landrente  der  Wirt-  gleich   der  Landrente    der 


oder 


also 


Schaft  A 
/1695  —  182,8X' 
l     182  -f  X 
6780  —  731,2X 


1440   = 


Wirtschaft  B 
/1658  —  279,7x 
[     182  +  X      ~ 
16580  —  2797  X 


a    3600 


182  +  X 

oder  10  a 

also  a 

Ist  die  Entfernung  von 
der  Stadt,  oder 


182  -f  X 
9800  —  2065,8  X 

182^  X 
980  —  206,GX 


—  10a 


Taler. 


~  182  4-  X 

so  ist  a,   oder  der  Wert  eines 
Fuders  Dung 


X  =  0  Meilen 5,4  Tlr. 

4,^     . 

3,1     „ 

!,'•'     » 

t>,S3     „ 

0       „ 


X 

= 

1       1, 

X 

= 

2      V 

X 

= 

3       „ 

X 

= 

4      „ 

X 

— 

4,75    „ 

Es 

er 

n'ibt   si 

ergibt  sich  hieraus:  daß  der  unmittelbar  an  der 
Stadt  wohnende  Landwirt  das  Fuder  Dihiger  mit  5,i  Taler 
bezahlen  könnte,  ohne  daß  es  ihm  teurer  zu  stehen  käme, 
als  wenn  er  dasselbe  auf  seinem  eigenen  Acker  erzeugen 
wollte;  daß  aber  bei  größerer  Entfernung  von  der  Stadt, 
der  Preis,  den  die  dort  wohnenden  Landwirte  für  den 
Dung  zahlen  können,  rasch  abnimmt;   und  daB  endlich  der 


—    209    — 

4^,4  Meilen  entfernt  wohnende  Landwirt  auf  die  Erwerbung 
des   Stadtdüngers    zwar  noch   die   Kosten   der  Anfuhr  ver-206 
wenden,  für  den  Dung  selbst  aber  gar  nichts  bezahlen  kann. 

Bei  der  Preisbestimmung  des  Stadtdüngers  sind  also 
gar  sehr  verschiedene  Interessen  im  Spiel.  Die  Stadt- 
bewohner müssen  den  Dung  los  sein,  wenn  sie  auch  nichts 
dafür  erhalten,  sondern  sogar  noch  für  das  Wegschaifen 
desselben  bezahlen  sollten;  die  der  Stadt  nahe  wohnenden 
Landwirte  können  einen  hohen,  die  ferner  wohnenden  Land- 
wirte dagegen  nur  einen  niedrigen  Preis  dafür  zahlen. 
Welches  dieser  verschiedeneu  Interessen  wird  nun  die  Ober- 
hand gewinnen,  und  den  Preis  bestimmen? 

Wir  müssen  hier  zwei  Fälle  unterscheiden: 

1.  wenn  der  Stadtdünger  in  so  großer  Menge  vorhanden 
ist,  daß  er  auf  allen  bis  zu  4^/4  Meilen  von  der  Stadt 
entfernten  Gütern  nicht  ganz  verbraucht  werden  kann ; 

2.  wenn  die  Quantität  des  Stadtdüngers  nicht  so  groß  ist, 
daß  dadurch  der  Dungbedarf  aller  bis  zu  4^/4  Meüen 
entfernten  Güter  befriedigt  werden  kann. 

Im  ersten  Fall  wird,  nachdem  die  ganze  Gegend  bis 
auf  4^/4  Meilen  von  der  Stadt  mit  Dung  versorgt  ist,  noch 
ein  Teil  übrig  bleiben,  der  auf  Kosten  der  Stadt  weggeschafft 
werden  muß.  Wollte  unter  diesen  Umständen  die  Stadt 
sich  den  Dung,  den  die  Landwirte  abholen,  bezahlen  lassen, 
z.  B.  0,83  Tlr.  für  das  Fuder  nehmen:  so  würden  dadurch 
alle  Landwirte,  die  weiter  als  4  Meilen  von  der  Stadt 
wohnen,  das  Dungholen  aufgeben,  der  übrig  bleibende  Teil 
würde  vergrößert,  und  die  auf  die  Wegschaffung  desselben 
zu  verwendenden  Kosten  würden  bedeutend  vermehrt  werden. 
Die  Stadt  wird  also,  wenn  sie  ihrem  eigenen  Interesse  nicht 
entgegen  handeln  will,  dem  entfernt  wohnenden  Landwirte 
den  Dung  umsonst  überlassen  müssen.  Wird  aber  dann 
die  Stadt  sich  den  Stadtdung  von  dem  nahe  wohnenden  207 
Landwirt  bezahlen  lassen  können,  wenn  der  ferne  wohnende 
Tliünen,  Der  isolierte  Staat.  14 


—     210    — 

ihn  umsonst  erhält?  wird  der  Verkäufer  einer  Ware  den 
Preis  derselben  nach  dem  Nutzen,  den  sie  dem  Käufer 
bringt,  bestimmen  und  sie  dem  einen  wohlfeil,  dem  anderen 
teuer  verkaufen  können?  Dies  scheint  ohne  willkürliche 
Zwangsmaßregeln  nicht  erreichbar  zu  sein ;  und  so  müssen 
wir  annehmen,  daß  unter  den  gegebenen  Umständen  der 
Stadtdung  überall  keinen  Preis  erhalten,  sondern  umsonst 
zu  haben  sein  wird. 

Im  zweiten  Fall,  wenn  der  Dung  nicht  in  hinreichender 
Menge  vorhanden  ist,  um  den  Bedarf  der  ganzen  Gegend, 
die  denselben  nützlich  verwenden  kann,  zu  befriedigen, 
werden  die  näher  und  ferner  wohnenden  Landwirte  mit- 
einander in  Konkurrenz  treten.  Wäre  z.  B.  der  Dung  an- 
fänglich umsonst  zu  haben:  so  wüixle  derselbe  zum  Teil 
nach  den  entfernten  Gegenden  gebracht  werden,  und  die 
näheren  Gegenden,  für  die  derselbe  doch  einen  so  hohen 
Wert  hat,  würden  ihren  Bedarf  nicht  erhalten.  Um  sich 
diesen  Bedarf  zu  versichern ,  würden  die  Bewohner  der 
näheren  Gegend  gezwungen  werden,  für  den  Dung  einen 
Preis  zu  bezahlen,  der  hinreichend  wäre,  das  Abholen  des- 
selben nach  fernen  Gegenden  unvorteilhaft  zu  macheu.  Ge- 
setzt die  Quantität  Stadtdung  wäre  hinreichend  für  den  Be- 
darf eines  Kreises  von  4  Meilen  um  die  Stadt  herum,  so 
w^erden  sie  0,83  Tlr.  für  das  Fuder  zahlen  müssen:  denn 
wollten  sie  weniger,  z.  B.  nur  ^/2  Tlr.  für  das  Fuder  geben, 
so  würde  die  hinter  diesem  Kreise  liegende  Gegend  den 
Dung  noch  mit  Vorteil  kaufen  und  abholen  können,  und  die 
nähere  Gegend  erlüelte  dann  nicht  ihren  Bedarf, 

Wir  legen  nun  bei  unserer  Berechnung  über  die  Land- 
rente diesen  letzten  Fall  zu  Grunde  und  nehmen  an,  daß 
208  das  Fuder  Dung  in  der  Stadt,  oder  vielmehr  vor  den  Toren 
derselben,  0,83  Tlr.  koste. 

Setzen  wir  in  die  oben  gefundene  Formel  für  a  den 
Wert  von  0,83  Tlr.,  so  beträgt  die  Landrente  der  AVirtschaft 


211    — 


B  auf  100000  DRut.  Ackerland 
/1658  —  279,TX 


I      239    I    ^       —    0,83 1  3600  Taler. 

Für  die  Entfernung  von  beträgt    demnach    die    Land- 

der  Stadt,  oder  rente 

für  X  =  0  Meüen 29  808  Tlr. 

X  -  1      „         ......     24126     „ 

X  =.  2      „         18  504     „ 

X  =  3      „         12948     „ 

X  =  4      „         7467     „ 

In  diesem  Kreise  nimmt  die  Landrente  des  Bodens  mit 
der  Annäherung  zu  der  Stadt  von  Meile  zu  Meile  in  einem 
ungewöhnlich  großen  Verhältnis  zu.  Dies  rülirt  von  dem 
Zusammenwirken  zweier  Ursachen  her:  erstens  werden  hier 
Produkte  gebaut,  die  im  Verhältnis  zu  ihrem  Preise  große 
Transportkosten  erfordern,  und  zweitens  vermindern  sich  die 
Anfuhrkosten  des  Dungs  im  direkten  Verhältnis  mit  der 
Abnahme  der  Entfernung  von  der  Stadt. 

Die  Landrente,  die  unsere  Berechnung  für  den  Boden, 
der  in  der  nächsten  Umgebung  der  Stadt  liegt,  angibt,  er- 
scheint aber  so  enorm  hoch,  daß  wir  veranlaßt  werden  zu 
fragen:  ob  in  der  Wirklichkeit  irgendwo  ein  Beispiel  von 
einer  so  hohen  Landrente  vorkomme. 

Nun  dürfte  es  uns  aber  nicht  befremden,  wenn  in  der 
"Wirklichkeit  kein  solches  Beispiel  aufzuweisen  wäre:  denn 
erstens  gründen  sich  unsere  Berechnungen  auf  einen  Boden, 
der  nicht  bloß  den  höchsten  nützlich  zu  verwendenden  Reich- 
tum enthält,  sondern  auch  von  einer  vorzüglichen  physischen 
Beschaffenheit  ist,  und  ein  solcher  Boden  mag  in  zusammen-  209 
hängenden  größeren  Flächen  wohl  nur  selten  vorkommen; 
zweitens  gibt  es  in  der  Wirklichkeit  keine  beträchtliche, 
viel  weniger  eine  sehr  große  Stadt,  die  nicht  an  einem 
schiffbaren  Fluß  läge ;  durch  den  Fluß  wird  aber  der  Kreis, 
der  die  Stadt   mit  Kartoffeln   versorgt,  gar  sehr  erweitert, 

14* 


—    212    — 

und  dies  hat,  wie  wir  bald  sehen  werden,   die  Folge,  daß 
der  Preis  der  Kartoffeln   pr.  Scheffel  unter  Vs  des  Roggen- . 
Preises  heruntersinkt. 

Bei  genauerer  Nachforschung  finden  wir  aber  nicht  bloß 
Beispiele  einer  gleichen,  sondern  einer  noch  höheren  Land- 
rente vor. 

In  den  ersten  Dezennien  dieses  Jahrhunderts  gaben  bei 
Hamburg  die  Viehweiden,  die  in  der  nächsten  Umgebung 
der  Stadt  liegen,  eine  Pacht  von  einer  Mark  pr.  Dßut., 
welches  circa  37  Tlr.  Gold  für  100  DKut.  beträgt. 

Nach  Sinclair  (Grundgesetze  des  Ackerbaues  Seite  558) 
trägt  ein  Acre  Gartenland  in  der  Nähe  von  London 

an  Pachtzins 10  Pf.  Sterling 

an  Armentaxen,  Zehnten  und  anderen  Ab- 
gaben     8  Pf.        „ 

zusammen  also  18  Pf.  Sterling ; 
dies  macht  für  100  DRut.  ungefähr  58  Taler. 

Nun  ist  der  Pachtzins  zwar  noch  keine  reine  Landreate, 
sondern  von  der  Pacht  müssen  die  Zinsen  des  in  den  Glas- 
fenstern der  Treibhäuser  und  Mistbeete,  den  Bewehrungen 
usw.  steckenden  Kapitals  abgezogen  weiden ,  um  die  wirk- 
liche Landrente  zu  finden;  aber  diese  Zinsen  können  sehr 
beträchtlich  sein,  und  die  reine  Nutzung  des  Bodens  über- 
wiegt doch  noch  die,  welche  wir  für  den  isolierten  Staat 
gefunden  haben. 
210  So  hoch  nun  auch  durch  die  hohe  Nutzung  der  Kauf- 
preis dieses  Bodens  in  der  Nähe  der  großen  Stadt  steigen 
muß,  so  ist  dies  doch  nur  das  Vorspiel  einer  ungleich 
höheren  Steigerung  des  Grundwertes  in  der  Stadt  selbst. 
Wer  außer  den  Toren  der  Stadt  ein  neues  Haus  bauen  und 
sich  eine  Baustelle  dazu  kaufen  will,  wird  dafür  nicht  mehr 
als  den  Wert,  den  diese  Stelle  zur  Produktion  von  Garten- 
gewächsen hatte,  zu  bezahlen  brauchen.  Nach  der  Erbauung 
des  Hauses  verwandelt  sich  die  Landrente,  die  dieser  Platz 


—    213     — 

sonst  gab,  in  Grruudrente ;  aber  der  Betrag  beider  ist  an 
dieser  Stelle  noch  völlig  gleich.  Weiter  nach  der  Stadt 
herein  steigt  aber  diese  Grundrente  immer  höher,  bis  am 
Ende  in  der  Mitte  der  Stadt,  oder  an  dem  Hauptmarktplalz, 
die  bloße  Stelle,  wo  ein  Haus  stehen  kann,  mit  mehr  als 
100  Tlr.  für  die  DRute  bezahlt  wird. 

Forschen  wir  den  Ursachen,  warum  die  Grundrente  der 
Häuser  nach  der  Mitte  der  Stadt  hin  immer  mehr  steigt, 
genauer  nach;  so  finden  wir  diese  in  der  Arbeitsersparung, 
der  größeren  Bequemlichkeit  und  der  Verminderung  des 
Zeitverlustes,  bei  der  Betreibung  der  Geschäfte;  wir  finden 
also,  daß  die  Grundrente  und  die  Landrente  durch  ein  und 
dasselbe  Prinzip  reguliert  werden. 


Wir  müssen  hier  bemerken,  daß,  wenn  wir  auch  die 
Landrente,  die  der  Bau  der  Kartoffeln  abwirft,  berechnet 
haben,  sich  dadurch  die  Landrente,  die  der  Boden  in  diesem 
Kreise  wirklich  gibt,  noch  nicht  bestimmen  läßt :  denn  erstens 
erlaubt  die  Natur  der  Gewächse  nicht,  daß  sie,  ohne  Ab- 
wechslung mit  anderen  Gewächsen,  alle  Jahre  auf  derselben 
Stelle  gebaut  werden ;  und  zweitens  muß  in  diesem  Kreise 
noch  eine  Menge  anderer  Gewächse  erzeugt  werden,  die 
teils  eine  höhere,  teils  eine  geringere  Landrente  als  die 211 
Kartoffeln  gewähren. 

Die  Kartoffeln  können  also  auf  jedem  Gute  nur  einen 
Teil  des  Feldes  einnehmen,  und  die  Landrente  des  ganzen 
Feldes  ergibt  sich  erst  aus  dem  Reinertrag  aller  in  einer 
Rotation  vorkommenden  Gewächse.  Diese  Berechnung  kann 
aber  nur  von  einem  Landwirte  geliefert  werden,  der  selbst 
in  der  Nähe  einer  großen  Stadt  wohnt  und  die  Data  dazu 
aus  seiner  eigenen  Wirtschaft  entnimmt.  Eine  solche  Unter- 
suchung würde  sehr  schwierig,  aber  auch  höchst  instruktiv 
sein,  und  sie  würde  manche  Dunkelheit  in  der  Theorie  der 
Landwirtschaft  zur  Sprache  bringen  und  aufhellen. 


—    214    — 

Allemal  •  aber  werden  die  Kartoffeln  einen  großen  Teil 
des  Ackers  in  dem  Kreise  der  freien  Wirtschaft  einnehmen, 
und  wir  können  aus  der  Kenntnis  der  Landrente,  die  der 
Kartoffelbau  gewährt,  genugsam  auf  die  wirkliche  Landrente 
schließen,  um  die  Frage,  welchen  Platz  die  freie  Wirtschaft 
und  die  Forstwirtschaft  in  dem  isolierten  Staat  einnehmen 
werden,  entscheiden  zu  können. 

In  der  nächsten  Umgebung  der  Stadt  beträgt  die 
Landrente 

der  Wirtschaft  A,  die  den  Dung  zu  den  Kar- 
toffeln selbst  produziert 13  411  Tlr. 

der  Wirtschaft  B,  die  den  Dung  zu  den  Kar- 
toffeln ankauft 29808    „ 

der  Forstwirtschaft,   wenn   der  Faden  Holz   in 

der  Stadt  21  Tlr.  gut .    .       4548    „ 

A'ier  Meilen  von  der  Stadt  entfernt  beträgt  die 
Landrente 

der  Wirtschaft  A ^462    „ 

der  Wirtschaft  B 7-467     „ 

der  Forstwirtschaft 2458    ,, 

212  Wenn  nun  auch  wegen  des  notwendigen  Wechsels  der 
Früchte  in  der  Fruchtfolge  solche  Gewächse  aufgenommen 
werden  müssen,  die  eine  mindere  Nutzung  von  derselben 
Fläche  geben  als  die  Kartoffeln,  wenn  auch  dadurch  die 
Landrente  des  ganzen  Feldes  bis  zur  Hälfte  dessen,  was 
der  mit  Kartoffeln  besteDte  Teil  bringt,  herabsinken  sollte: 
so  liberwiegt  dessenungeachtet  in  der  Nähe  der  Stadt  die 
Landrente  der  freien  Wirtschaft  in  der  Forstwirtschaft  noch 
sehr  bedeutend. 

Die  Forstkultur  weicht  hier  wegen  der  hohen  Land- 
rente, die  der  Boden  trägt,  zurück  und  wird  nach  einem 
Boden  von  minderer  Landrente  verwiesen. 

Bis  auf  4  Meilen  von  der  Stadt,  oder  so  w^eit  als  der 
Dungankauf  aus  der  Stadt  reicht,  ist  das  Übergewicht  der 


—    215    — 

freien  Wirtschaft  völlig  entschieden.  Weiterhin  träte  die 
Forstkultur  in  Kollision  mit  der  Wirtschaft  A,  die  den  Dung 
zu  den  Kartoffeln  selbst  produziert,  und  würde  auch  von 
dieser  noch  eine  Strecke  zurückgedrängt  werden,  wenn  der 
Boden  hier  noch  denselben  Reichtum  wie  in  der  Nähe  der 
Stadt  hätte.  Wir  haben  aber  angenommen,  und  wir  müssen 
dieser  Annahme  treu  bleiben ,  daß  der  Boden  nur  soweit, 
als  der  Dungankauf  aus  der  Stadt  reicht,  einen  höheren 
Reichtum  als  der  übrige  Teil  der  großen  Ebene  enthält. 

Es  bleibt  also  nur  noch  zu  untersuchen,  ob  auf  Boden 
von  minderem  Reichtum,  der  nach  reiner  Brache  8  Körner 
an  Roggen  trägt,  durch  den  Anbau  der  Kartoffeln  zum  Zweck 
des  Verkaufes  die  Landrente  so  hoch  steigt,  daß  dadurch 
die  Forstkultur  zurückgedrängt  wird;  wodurch  sich  dann 
ein  neuer  Kreis  mit  einer  eigentümlichen  Wirtschaftsart 
zwischen  dem  Kreise  der  freien  Wirtschaft  und  dem  der 
Forstwirtschaft  bilden  würde. 

Wir  bedürfen   zu  dieser  Untersuchung  der  Lösung  der 
Frage:   wie  verändern   sich  die  mit  der  Erzielung  der  Kar- 
toffeln verbundenen  Arbeitskosten   auf  Boden  von   verschie-213 
denem  Erti-age? 

Meine  Berechnung,  welche  sich  auf  die  zu  T.  gemachten 
Erfahrungen  gründet,  ergibt  hierüber  folgendes: 
Wenn  100  DR.  einen  Er-  so  betragen  die  Arbeitskosten 

trag  geben  von  für  1  Schfl.  Kartoffeln 

115  Sclifl.  Kartoffeln 3,8  ßl. 

100      „  „  4,2  ßl. 

90      „  „  4,6  ßl. 

80      „  „  5,1  ßl. 

70      „  „  5,7  ßl. 

60      „  „  6,5  ßl. 

50      „  „  7,8  ßl. 

Diese  Berechnung  ist  zwar  nicht  so  genau,  wie  die 
über   den  Kornbau,    teils   weil   der   Kartoffelbau    nicht   im 


—    216    — 

großen  betrieben  ist,  hauptsächlich  aber  weil  die  bei  den 
Kartoffeln  vorkommenden  Arbeiten  zum  Teil  nur  summai'isch, 
nicht  speziell  in  den  Rechnungen  aufgezeichnet  sind,  wo- 
durch denn  bei  der  Trennung  der  Kosten,  in  solche,  die 
mit  dem  Ertrage,  und  in  solche,  die  mit  der  Größe  des 
Feldes  im  Verhältnis  stehen,  einige  Schätzungen  nicht  ver- 
mieden werden  konnten ;  aber  ich  glaube  doch,  daß  das  hier 
Mitgeteilte  von  dem,  was  eine  völlig  genaue  Berechnung  er- 
geben würde,  sich  nicht  weit  entfernen  wird. 

Es  muß  bemerkt  werden,  daß  die  angeführten  Arbeits- 
kosten nicht  die  sämtlichen  Produktionskosten  ausmachen; 
denn  in  diesen  sind  außer  den  Arbeitskosten  auch  noch  die 
allgemeinen  Kulturkosten  enthalten. 

"Wir  finden  hier,  daß  beim  Ertrage  von  115  Schfl.  auf 
100  DR.  der  Schfl.  Kartoffeln  3,8  ßl.  an  Arbeit  kostet;  in 
der  belgischen  Wirtschaft  kostet  dagegen  nach  §  17  bei 
gleichem  Ertrage  der  Schfl.  niu'  3,3  ßl.  an  Arbeit.  Dieser 
214  unterschied  liegt  einesteils  darin ,  daß  wir  hier  die  Kon- 
servationskosten  der  Kartoffeln  —  Umstechen,  Abkeimen 
usw.  —  mit  berechnet  haben,  dort  aber  nicht,  daß  also  diese 
Berechnung  angibt,  was  die  Kartoffeln  beim  Verbrauch,  jene 
aber,  was  sie  gleich  nach  der  Einerntung  kosten;  anderen- 
teils kann  es  aber  gar  wohl  sein ,  daß  die  Kartoffeln  in 
Belgien,  wo  der  Anbau  derselben  im  großen  stattfindet,  und 
die  Leute  mit  den  dabei  vorkommenden  Arbeiten  und  Hand- 
griffen besser  bekannt  sind,  wohlfeiler  erzeugt  werden  als  hier. 

Aus  der  obigen  Zusammenstellung  ergibt  sich,  daß  die 
Arbeitskosten,  welche  die  Hervorbringung  eines  Scheffels 
Kartoffeln  verursacht,  bei  dem  abnehmenden  Ertrag  des 
Bodens  sehr  stark  zunehmen,  daß  diese  auf  dem  Boden,  der 
nur  50  Schfl.  von  100  DR-  liefert,  doppelt  soviel  betragen, 
als  auf  einem  Boden  von  115  Schfl.  Ertrag  auf  gleicher 
Fläche.  "Wenn  nun  auf  dem  reichen  Boden  die  Hervor- 
bringung  von   G  Schfl.  Kartofi'eln   ungefähr   so   viele   Arbeit 


—     217    — 

kostet  als  die  von  1  Schfl.  Roggen,  so  wird  dagegen  auf 
ärmerem  Boden  die  Erzielung  von  3  Schfl.  Kartoffeln  beinahe 
soviel  kosten  als  die  von  1  Schfl.  Roggen.  Nehmen  wir 
die  Arbeit  selbst  zum  Maßstab,  so  ergibt  sich  hieraus  das 
Resultat,  daß  auf  reichem  Boden  dieselbe  Arbeit  durch  den 
Kartoffelbau  zweimal  soviel  Nahrungsmasse  für  Menschen 
hervorbringt  als  durch  den  Getreidebau;  daß  aber  auf 
ärmerem  Boden  die  auf  den  Kartoffelbau  verwendete  Arbeit 
kein  größeres  Produkt  hervorbringt  als  die  dem  Getreidebau 
gewidmete  Arbeit. 

Wenn  nun  einerseits  auf  Boden,  der  nur  8  Körner 
trägt,  die  Produktionskosten  der  Kartoffeln  so  bedeutend 
gesteigert  werden;  wenn  wir  andererseits  erwägen,  daß  auf 
Boden  von  diesem  Reichtum  kein  Kleebau  mit  Stallfütteruug 
stattfinden  kann,  daß  dann  aber  zum  Ersatz  der  Aussaugung 
des  Kartoffelschlags  2^/4  Weideschläge  erforderlich  sind,  daß  215 
folglich  nur  ein  geringer  Teil  der  Ackerfläche  mit  Kartoffeln 
bestellt  werden  darf :  so  können  wir  uns  auch  ohne  genauere 
Berechnung  davon  überzeugen,  daß  ein  Boden  von  diesem 
Reichtum  4  Meilen  von  der  Stadt  gelegen,  durch  den  An- 
bau der  Kartoffeln  zum  Zweck  des  Verkaufs  nicht  bis  zu 
einer  Landrente  von  2458  Tlr.  gehoben  werden,  und  daß 
folglich  die  Forstkultur  durch  eine  solche  Wirtschaft  nicht 
zurückgedrängt  werden  kann. 

Es  wird  also   der  Kreis  der  Forstwirtschaft  sich  dem 
Kreise  der  freien  Wirtschaft  unmittelbar  anschließen. 


Wir  haben  immer  den  Preis  der  Kartoffeln  als  bekannt 
angenommen  und  daraus  die  Landrente,  die  der  mit  Kar- 
toffeln besteUte  Boden  bringt,  berechnet;  wir  müssen  nun 
auch  umgekehrt  für  den  Fall,  daß  die  Landrente  gegeben 
ist,  den  Preis,  zu  dem  die  Kartoffeln  geliefert  werden  können, 
bestimmen. 


—    218 


Bei  dieser  üntersiichuDg  lege  ich  wiederum  die  belgische 
Wirtschaft,  die  im  §  17  betrachtet  "worden,  zu  Grrunde. 

Die  Landrente  dieser  Wirtschaft,  die  weder  Kartoffeln 
noch  Heu  und  Stroh  verkauft,  und  ihre  ganze  Einnahme 
aus  dem  Verkauf  von  Geti-eide  und  A^iehprodukten  bezieht, 
ist  3749  Schfl.  Roggen  ~  2044  Tlr. 


Wenn  nun  der  Schfl.  Roggen 


273 


182 +  x 

,     •    T      1      .    •    .-,  T  -1  1      ,    651469 

tragt  die  Landrente  m  (jeld  ausgednickt 


Tlr.  gilt,  so  be- 
22664  X, 


Tlr 
182 +  x 

AVird  auf  einem  Boden,  der  durch  die  gewöhnliche 
Wirtschaft  diese  Landrente  abwirft,  die  vorhin  betrachtete, 
den  Verkauf  der  Kartoffeln  bezweckende  Wirtschaft  A  ein- 
geführt; so  kommt  auf  jede  der  1440  Ladungen  Kartoffeln, 
die  diese  Wirtschaft  hervorbringt. 


216  an  Landrente 

die  Produktionskosten  betragen  wie  in  der 
Wirtschaft  A 


die  Transportkosten 


452  — 15,7  X 
182 +  x 

489  —  4,7  X 
182  +  X 

199,5  X 
182  +  X 


Summe  der  Kosten 
st  die  Entfernung  von      so  ist  der  Preis 

941  +  179,1  X 
182  +  X 

der  Stadt  oder 

einer  Ladung 

eines    Scheffels 

X  =  0  Meilen 

.     .      5,2  Tlr.    .     . 

.    10,4  ßl. 

X  =  1 
X  =  2 

15 

.     .      6,1     „      .     . 

.    .      7,1     „      .    . 

19, 
•    14,2    „ 

X  =  3 

?) 

.    .      8      „      .    . 

.    16      „ 

X  =  4 

X   =   7,5 

55 
55 

.    .      8,f.    „     .    .    . 
.    .    12      „      .    . 

•    17,8    „ 
24 

•       "^           55 

Der  Preis,  zu  welchem  die  Kartoffeln  zu  Markt  gebracht 
werden  können,  hängt  also  gar  selir  ab  von  der  Entfernung 


—    219    — 

zwisclien  dem  Orte,  wo  sie  produziert,  und  dem,  wo  sie 
konsumiert  werden.  Beträgt  diese  Eutfernung  nur  1  Meile, 
so  ist  der  Preis  der  Kartoffeln  12,2  ßl.  pr.  Schfl. ;  wächst 
aber  die  Entfernung  bis  zu  7,5  Meilen ,  so  steigt  der  Preis 
bis  auf  24  ßl. 

Nun  wird  der  Anbau  der  Kartoffeln  unstreitig  so  nah 
als  möglich  bei  dem  Orte,  wo  sie  konsumiert  werden,  ge- 
schehen, \md  nur  in  dem  Fall,  wenn  der  Bedarf  einer  Stadt 
so  groß  ist,  daß  dieser  aus  der  nahe  liegenden  Gegend  nicht 
befriedigt  werden  kann,  müssen  die  Kartoffeln  ans  weiterer 
Ferne  zu  Markt  gebracht  werden. 

Die  Größe  des  Bedarfes  entscheidet  also  über  den  Preis 
der  Kartoffeln,  und  diese  werden  deshalb  in  einer  großen 
Stadt  sehr  viel  teurer  sein  als  in  einer  kleinen.  Wäre  aber  217 
der  Bedarf  einer  Stadt  so  groß,  daß,  um  diesen  zu  be- 
friedigen, der  Preis  der  Kartoffeln  mehr  als  ^/s  des  Roggen- 
preises betragen  müßte,  so  würde  das  Getreide  ein  wohl- 
feileres Nahrungsmittel  als  die  Kartoffeln  werden,  und  dann 
würde  der  Verbrauch  derselben  soweit  eingeschränkt  werden, 
bis  der  Preis  wieder  auf  Vs  des  Roggenpreises  herunterginge. 

Das  gemeinschaftliche  Maß ,  das  zwischen  Roggen  und 
Kartoffeln  durch  das  Verhältnis  der  Nahrhaftigkeit  statt- 
findet, bestimmt  also  das  Maximum  des  Preises  der  Kar- 
toffeln bei  einem  sehr  großen  Bedarf;  bei  einem  geringeren 
Bedarf  wird  aber  der  Preis  der  Kartoffeln  nicht  durch  dieses 
Verhältnis  der  Nahrhaftigkeit,  sondern  durch  die  Kosten, 
die  es  verursacht,  sie  zu  Markt  zu  bringen,  reguliert. 

Nun  ist  die  Stadt  des  isolierten  Staates  von  einem 
solchen  Umfange,  daß  der  Bedarf  derselben  an  Kartoffeln 
durch  den  Kreis  der  freien  Wirtschaft  nicht  ganz  wird  be- 
friedigt werden  können;  der  Preis  der  Kartoffeln  muß  also 
bis  zum  Maximum  steigen,  und  unsere  obige  Annahme,  daß 
die  Kartoffeln  in  der  Stadt  selbst  ^/s  des  Roggenpreises 
gelten  werden,  ist  dadurch  gerechtfertigt. 


—    220    — 

Es  verdient  bemerkt  zu  werden,  daß  die  Kartoffeln, 
obgleich  sie  im  Verhältnis  zum  Getreide  ein  so  großes 
Quantum  Nahrungsstoff  von  derselben  Fläche  liefern,  dennoch 
wenig  geeignet  sind,  eine  sehr  große  Stadt  ohne  Beihilfe 
des  Getreides  mit  Lebensmittteln  zu  versorgen. 

In  der  Wirtschaft  A  fanden  wir,  daß  die  Landrente 
beim  Bau  der  Kartoffeln  auf  einem  sehr  reichen  Boden  schon 
bei  9,3  Meilen  Entfernung  von  der  Stadt  verschwindet, 
während  der  Getreidebau  auf  Boden  von  weit  minderem 
Reichtum  bis  31,5  Meilen  von  der  Stadt  eine  Landrente 
abwirft.  Wären  nun  die  Kartoffeln  das  einzige  vegetabilische 
218  Nahrungsmittel ,  so  müßte  die  Kultur  des  Bodens  schon  bei 
9,3  Meilen  von  der  Stadt  enden,  der  isolierte  Staat  würde 
also  eine  geringe  Ausdehnung  haben,  und  die  Stadt  selbst 
würde  eine  seiir  viel  geringere  Volksmenge  enthalten  müssen. 

Die  Kartoffeln  bieten  noch  Stoff  zu  manchen  Fragen 
und  Untersuchungen  dar.  So  könnte  man  z.  B.  die  Fragen 
aufwerfen : 

1.  welche  Einwirkung  hat  die  Verbreitung  des  Kartoffel- 
baues, wenn  die  Kartoffeln  zur  Nahrung  für  Menschen 
verwandt  werden,  auf  den  Getreidepreis; 

2.  welchen  Einfluß  hat  die  Einführung  des  Kartoffel- 
baues, wenn  die  Kartoffeln  zum  Viehfutter  verwandt 
werden,  auf  den  Preis  der  Viehprodukte  und  auf  die 
Größe  der  Landrente,  welche  die  Viehzucht  gewährt? 

Zu  einer  solchen  Untersuchung  und  zur  Lösung  der  auf- 
gestellten Fragen  sind  wir  aber,  indem  uns  die  dazu  nötigen 
Vordersätze  fehlen,  hier  nicht  berechtigt.  Nur  folgende  Be- 
merkung dürfte  hier  noch  an  ihrer  Stelle  sein. 

Die  Kartoffeln  können,  wie  wir  gesehen  haben,  in  dem 
isolierten  Staat  nach  einer  kleinen  Stadt  zu  der  Hälfte  des 
Preises,  den  sie  in  der  großen  Stadt  haben,  geliefert  werden. 
In  der  Wirklichkeit  wird  durch  die  Lage  der  Städte  an 
Flüssen  dieser  Unterschied  gemindert,  aber  nicht  aufgehoben. 


—    221    — 

So  wie  nun  die  Kartoffeln  mehr  und  mehr  ein  Hauptnahrungs- 
mittel  werden  und  den  Verbrauch  des  Getreides  beschränken, 
so  muß  sich  auch  der  Unterschied  in  dem  Arbeitslohu,  der 
in  beiden  Städten  gezahlt  wird,  mehr  und  mehr  vergrößern. 
Denn  wenn  auch  der  reelle  Arbeitslohn,  d.  i.  die  Summe 
der  Lebensbedürfnisse,  die  sich  der  Arbeiter  für  seinen  Lohn 
verschaffen  kann,  in  beiden  Städten  völlig  gleich  ist;  so 
muß  doch  dieser  Lohn  in  Geld  ausgedrückt,  nach  der  Ver-219 
schiedenheit  des  Preises  der  ersten  Lebensbedürfnisse  sehr 
verschieden  ausfallen. 

Nun  können  Fabrik-  und  Manufakturwaren  an  dem  Orte, 
wo  der  Arbeitslohn  am  niedrigsten  ist,  wenn  alle  übrigen 
Umstände  gleich  sind,  auch  am  wohlfeilsten  fabriziert  werden ; 
und  so  liegt  in  der  größeren  Verwendung  der  Kartoffeln  zur 
menschlichen  Nahrung  ein  Hemmnis  gegen  die  Anhäufung 
der  Menschen  in  sehr  großen  Städten.  (5) 


§  2L 
Dritter  Kreis. 

Fruchtwechselwirtschaft. 

Um  die  Fällung  emes  Urteils  über  die  Frage,  ob  die 
Fruchtwechselwirtschaft  hier  einen  Platz  findet,  zu  erleichtern, 
wird  es  dienlich  sein,  die  Verhältnisse  des  isolierten  Staats, 
die  auf  diese  Frage  einen  entscheidenden  Einfluß  haben, 
übersichtlich  zusammen  zu  stellen. 

1.  Der  Boden  besitzt  überall  den  Reichtum,  um  in  der 
7  schlägigen  K.  W.  nach  reiner  Brache  8  Körner  im 
Roggen  tragen  zu  können,  und  dieser  Boden  soll,  in 
bezug  auf  seinen  Reichtum,  im  beharrenden  Zustande 
bleiben. 


—     222    — 

2.  Der  Preis  des  Roggens  in  der  Stadt  ist  1^/2  Taler 
pr.  Scheffel. 

3.  Der  isolierte  Staat  besitzt  einen  bloß  Viehzucht  treiben- 
den Kreis,  und  durch  die  Konkurrenz  dieses  Kreises 
wird  der  Preis  der  Viehprodukte  so  tief  herabgedrückt, 
daß  in  den  übrigen  Gegenden  des  isolierten  Staats  — 
mit  Ausnahme  des  Kreises  der  freien  Wirtschaft  — 
der  Anbau  der  Futtergewächse  teils  nur  eine  geringe, 
teils  gar  keine  Landrente  abwirft. 

4.  Nach  der  im  §  15  von  der  F.  W.  W.  gegebenen 
Definition,   bildet  der  bloße  Wechsel  von  Halm-  und 

220  Blattfrüchten  noch  keine  F.  W.  W.,  sondern  die  Wirt- 

schaft erhält  erst  dann  diese  Benennung,  wenn  mit 
dem  Wechsel  zwischen  Halm-  und  Blattfrüchten  die 
Abschaffung  der  reinen  Brache  verbunden  ist. 

5.  Die  in  dieser  Schrift  vorkommenden  Berechnungen 
über  den  Ertrag  verschiedener  Wirtschaftssysteme  sind 
auf  die  Erfahrungen  eines  Gutes  basiert,  wo  Boden 
und  Klima  gemeinschaftlich  dahin  wirken,  daß  Roggen 
nach  grün  gemähten  Wicken,  bei  gleichem  Bodenreich- 
tum, nur  5/6  des  Ertrags,  den  der  Roggen  nach  reiner 
Brache  gibt ,  liefert ;  wo  also  der  Faktor  der  Kultur 
für  Roggen  nach  Wicken  nur  0,S3  beträgt, 

6.  Die  geringeren  Kosten,  die  mit  dem  Anbau  des  dem 
Hofe  nahe  liegenden  Ackers  im  Vergleich  mit  dem  des 
entlegenen  Ackers  verbunden  sind,  bringen  die  Tendenz 
hervor,  jenen  Acker  von  diesem  in  der  Bewirtschaf- 
tungsweise zu  trennen,  und  auf  dem  näher  liegenden 
Acker  eine  mehr  intensive  Wirtschaft  einzuführen. 

Diesem  entgegen  steht  die  Schwierigkeit,  nach  einer 
solchen  Trennung,  mit  dem  Vieh  nach  der  entfernteren 
Weide  zu  gelangen,  was  in  manchen  Fällen  dann  nur 
durch  besondere  Viehtriften  zu  erreichen  ist.  In  der 
Wirklichkeit  finden  wir  deshalb  auch,  wenn  die  Figur 


—     223     — 

des  Feldes  keine  Teilung  in   Binnen-   und  Außenfeld 
zulässig  macht,  in   der  Regel  keine  solche  Trennung. 
Für  den   isolierten  Staat  haben  Avir  nun  gleichfalls 
angenommen,  daß  diese  Schwierigkeit  überwiegend  sei, 
daß  deshalb  jene   Tendenz   nicht  zur  Tat  wird,   und 
daß   eine  und  dieselbe  Wirtschaftsform  sich  über  das 
ganze  Feld  verbreitet. 
7.  Unseren   Untersuchungen   liegt  die  Voraussetzung    zu 
Grunde,   welche  auch  im  §  15  ausgesprochen  ist,  daß 
mit  dem  Ackerland  Wiesen  verbunden  sind,   die   das 221 
für  das  D.  F.  W.  und  K.  W.  nötige  Heu  liefern,  wo- 
von der  Dung  aber  einem  in  einer  besonderen  Rotation 
hegenden  Teil  des  Ackers,   der  hier  nicht  weiter  in 
Betracht  gezogen  ist,  zugute  kommt. 
Für  die  D.  F.  W.   und  K.  W,   fällt  also  das  Bedürfnis 
weg,  Heu  zur  Winterfütterung  des  Yiehes  auf  dem  Acker 
selbst  zu  erbauen.     Zu  einer   Mehrerzeugung  an   Heu  auf 
dem  Acker  und  somit  zu  einer  Annäherung  an  die  F.  W.  W., 
könnten  diese  Wirtschaften  sich  deshalb  nur  dann  bewogen 
finden,  wenn  der  Wert  des  mehr  erzeugten  Dungs,  und  der 
Reinertrag  des  mehr  gehaltenen  Yiehes  die  Kosten  des  An- 
baues der  Futtergewäclise  deckten. 

Legen  wir  nun  diese  Bedingungen,  die  teils  schon  in 
unseren  Voraussetzungen  enthalten  sind,  teils  als  notw^endige 
Folgerungen  daraus  hervorgehen,  den  im  §  16  über  die 
F.  AV.  W.  angestellten  Untersuchungen  zu  Grunde,  so  er- 
gibt sich  auch  ohne  spezielle  Berechnung  das  Resultat: 

daß  eine  keine  reine  Brache  haltende,  sich  über  die 
ganze    Gutsfläche    ausdehnende    Frucht  Wechsel  Wirt- 
schaft in  dem  isolierten  Staat  keine  Stelle  findet. 
Auch  zeigt   das  im  §  16  mitgeteilte  Resultat  einer  ins 
einzelne  gehenden  Berechnung  des  Ertrags  der  belgischen 
Wirtschaft    sehr   bestimmt,    daß    eine   intensive  Wirtschaft 
erst  bei  einem  weit  höheren   Bodenreichtum   als    dem    im 


—    224    — 

isolierten   Staat  angenommenen  vorteilhafter   wird,   als   die 
extensive  Wirtschaft. 

Indessen  mußte  für  ein  Wirtschaftssystem,  welches  bei 
zunehmendem  Wolilstand  der  Nationen  einst  das  herrschende 
werden  wird,  hier  doch  als  dritter  Kreis  die  Stelle  be- 
zeichnet werden,  welche  dasselbe  unter  anderen  Voraus- 
setzungen im  isolierten  Staat  einnehmen  würde,  und  von 
222  der  es  hier  nur  durch  die  vorausgesetzten  Bedingungen  und 
vorzüglich  durch  die  Annahme  einer  gleichmäßigen,  und 
zwar  nicht  hohen  Fruchtbarkeit  der  ganzen  Ebene  verdrängt  ist. 


Vierter  Kreis, 

Koppelwirtschaft. 

Der  Kreis,  in  welchem  die  Koppelwirtschaft  betrieben 
wird,  endet  nach  §  14  in  der  Entfernung  von  24.7  Meilen 
von  der  Stadt,  ^vo  die  K.  W.  der  Dreifelderwirtschaft,  die 
dort  vorteilhafter  wird,  weichen  muß. 

Die  Koppelwirtschaft  wird  liier  zwar  überall  stattfinden, 
aber  sie  wird  nicht  in  allen  Gegenden  dieses  sehr  ausgedehnten 
Kreises  eine  und  dieselbe  Form  haben,  sondern  vielmehr  alle 
die  Modifikationen  erleiden,   deren   sie  nach  §  18  fähig  ist. 

In  dem  vorderen  Teil  dieses  Kreises  wird  die  K.  W. 
in  ihrer  reinen  Form  erscheinen,  aber  mit  der  zunehmenden 
Entfernung  von  der  Stadt  und  dem  verminderten  Wert  des 
Getreides  werden  stets  auf  Arbeitsersparung  hinzielende  Ver- 
änderungen eintreten ;  und  an  der  äußeren  Grenze  dieses 
Kreises  wird  beim  Übergang  selbst  die  K.  W.  der  D.  F.  W. 
schon  sehr  ähnlich  sein. 


—    225    — 

§  23. 

Fünfter  Kreis. 

Dreifelderwirtschaft. 

Die  Dreifelderwirtschaft  fängt  nach  §  14  in  der  Ent- 
fernung von  24,7  Meilen  von  der  Stadt  an,  und  endet  in 
der  Entfernung  von  31,5  Meilen,  wo  die  Landrente  der- 
selben, wenn  die  Wirtschaft  auf  Kornverkauf  begründet  ist, 
gleich  0  wird. 

Jenseits  dieser  Grenze  kann  bei  dem  Preise  von  1^/2  Tlr. 
für  den  Schfl.  Roggen  kein  Korn  zum  Zweck  des  Verkaufs 
nach  der  Stadt  gebaut  werden,  und  es  muß  also  der  Korn- 223 
Überschuß,  den  diese  fünf  Kreise  liefern,  mit  dem  Kornbedarf 
der  Stadt  im  Gleichgewicht  sein. 


§  24. 

Durch  welches   Gesetz  wird   der  Preis    des  Ge- 
treides bestimmt? 

Um  diese  Frage  beantworten  zu  können,  müssen  wir  für 
einen  Augenblick  annehmen ,  daß  in  dem  isolierten  Staat, 
nachdem  derselbe  die  Gestalt  gewonnen  hat,  die  wir  in  den 
vorhergehenden  Untersuchungen  entwickelt  haben,  der  Preis 
des  Roggens  in  der  Stadt  selbst  von  1^'2  Tlr.  bis  zu  1  Tlr. 
für  den  Schtl.  heruntergehe. 

Dem  31,5  Meilen  von  der  Stadt  entfernten  Gute  kostet 
die  Produktion  des  Schfl.  Roggen  0,47  Tlr.,  die  Transport- 
kosten  für  1  Schfl.  Roggen  bis  zur  Stadt  betragen  1,03  Tlr. 

Dieses  Gut  wird  also,  sobald  der  Schfl.  Roggen  in  der 
Stadt  selbst  nur  1  Tlr.  gilt,  kein  Korn  nach  der  Stadt  liefern 
können.  In  einer  ähnlichen  Lage  sind  alle  Güter,  denen 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  15 


—     226     — 

der  Schfl.  Roggen  an  Produktions-  und  Transportkosten  nach 
der  Stadt  mehr  als  einen  Taler  kostet,  und  dies  ist  der  Fall 
für  alle  Güter,  die  weiter  als  23,5  Meilen  von  der  Stadt 
entfernt  liegen. 

Indem  nun  die  ganze  Gegend,  welche  weiter  als  23,5 
Meilen  von  der  Stadt  entfernt  ist,  kein  Korn  mehr  zur  Stadt 
liefert,  muß  in  der  Stadt  selbst,  vorausgesetzt,  daß  die  Be- 
völkerung und  die  Konsumtion  unverändert  geblieben  sind, 
der  größte  Mangel  entstehen,  wodurch  die  Preise  augen- 
blicklich wieder  steigen.  Das  heißt  mit  anderen  Worten: 
der  Preis  von  1  Tlr.  ist  hier  unmöglich. 

Die   Stadt    kann   ihren   Kornbedarf  nur   dann  geliefert 
erhalten,  wenn  sie  einen  Preis  dafür  bezahlt,  der  hinreichend 
ist,  dem  entferntesten  Produzenten,  dessen  Korn 
224 sie    noch    bedarf,    mindestens    die    Produktions- 
und Transportkosten  des  Korns  zu  vergüten. 

Nun  ist  aber  der  Kornbedarf  der  Stadt  so  groß,  daß 
zur  Hervorbringung  desselben  der  Korn  bau  bis  31,5  Meilen 
von  der  Stadt  ausgedehnt  werden  muß;  und  weil  in  dieser 
Entfernung  nur  dann  Korn  für  die  Stadt  gebaut  werden 
kann,  wenn  der  Mittelpreis  des  Roggens  IV2  Tlr.  beträgt, 
so  kann  auch  kein  niedrigerer  Preis  stattfinden. 

Nicht  bloß  für  unseren  isolierten  Staat,  sondern  auch  in 
der  Wirklichkeit,  wird  der  Preis  des  Korns  durch  folgendes 
Gesetz  bestimmt: 
Der  Preis  des  Korns  muß  so  hoch  sein,  daß 
die  Landrente  desjenigen  Guts,  welchem  die 
Produktion  und  Lieferung  des  Getreides  nach 
dem  Markt  am  kostspieligsten  wird,  dessen 
Anbau  aber  zur  Befriedigung  des  Getreide- 
bedarfs noch  notwendig  ist,  nicht  unter  Null 
herabsinkt. 

Der  Geti-eidepreis  ist  also  weder  willkürlich  noch  zu- 
fällig, sondern  an  feste  Regeln  gebunden. 


—     227     — 

Fände  dagegen  eine  dauernde  Yeränderung  in  dem 
Bedarf  statt,  so  bringt  dies  auch  eine  dauernde  Änderung 
in  dem  Getreidepreis  hervor. 

Verminderte  sich  z.  B.  die  Konsumtion  so  weit,  dai5  ein 
Kreis  von  einem  Halbmesser  von  23,5  Meilen  den  Bedarf 
der  Stadt  befriedigen  könnte,  so  würde  dadurch  auch  der 
Mittelpreis  des  Getreides  bis  zu  1  Tlr.  für  den  Schfl.  Roggen 
heruntersinken. 

Vermehrte  sich  im  Gegenteil  die  Konsumtion,  so  wiu'de 
die  bisher  kultivierte  Ebene  den  Bedarf  der  Stadt  nicht  mehr 
befriedigen  können,  und  die  mangelhafte  Versorgung  des 
Marktes  würde  höhere  Preise  erzeugen.  Durch  die  Erhöhung 
des  Preises  würden  die  entlegensten  Güter,  welche  bisher 225 
keine  Landrente  trugen,  einen  Überschuß  gewähren,  der  eine 
Landrente  begründet;  der  hinter  diesen  Gütern  liegende 
Boden  würde  noch  mit  Vorteil  angebaut  werden,  die  kul- 
tivierte Ebene  würde  sich  so  weit  erweitern,  als  die  Produk- 
tion des  Korns  noch  eine  Landrente  abwirft. 

Sobald  dies  geschehen,  würden  Produktion  und  Kon- 
sumtion wieder  im  Gleichgewicht  sein ;  aber  der  Getreide- 
preis bliebe  für  immer  erhöht. 

Die  Erhöhung  der  Produktion  bringt  ähnliche  Wir- 
kungen auf  den  Getreidepreis  hervor,  wie  die  verminderte 
Konsumtion. 

Würde  z.  B.  der  Ertrag  des  Bodens  in  dem  isolierten 
Staat  von  8  auf  10  Körner  erhöht,  und  der  Bedarf  der 
Stadt  bliebe  derselbe :  so  würde  ein  viel  geringerer  Teil  der 
Ebene  zur  Versorgung  der  Stadt  mit  Lebensmitteln  hin- 
reichend sein ;  der  übrige  Teil  der  Ebene  wäre  dann  für  die 
Stadt  entbehrlich,  und  im  Fall  bei  dieser  Fruchtbarkeit  des 
Bodens  ein  Kreis,  dessen  Halbmesser  23,5  Meilen  beträgt, 
den  Bedarf  der  Stadt  befriedigen  könnte,  würde  der  Preis 
des  Roggens  bis  zu  1  Tlr.  für  den  Schü.  heruntergehen. 

Wäre  dagegen  die  Erhöhung  des  Körnererti-ags  von  einer 

15* 


—    228    — 

solchen  Steigerung  der  Konsumtion  begleitet,  daß  der  Ge- 
treidepreis fortwährend  derselbe  bliebe:  so  würde  dies  zu 
einer  ungemein  großen  Zunahme  der  Bevölkerung  und  des 
Nationalreichtums  führen. 

Wenn  das  Gut,  dessen  Boden  8  Körner  trägt,  ungefähr 
4  Körner  zur  Versorgung  der  Städte  abgeben  kann,  so  wird 
dagegen  das  G-ut  mit  einem  Bodenertrage  von  10  Körnern 
mindestens  5^/2  Körner  abgeben  können.  Zugleich  erweitert 
sich  nach  §  14  mit  dem  steigenden  Körnerertrag  des  Bodens 
226  der  Anbau  der  Ebene  von  31,5  bis  zu  34,7  Meilen  von  der 
Stadt.  Durch  diese  gleichzeitige  Steigerung  der  intensiven 
und  der  extensiven  Kultur  würde  die  Bevölkerung  des  ganzen 
Staates  um  etwa  50  %  vermehrt  werden  können ;  und  diese 
größere  Volksmenge  würde  ebenso  reichlich  ernährt  werden 
als  früher  die  kleinere. 

Die  Größe  der  Konsumtion  in  der  Stadt  muß,  wenn 
man  nicht  einzelne  Jahre  sondern  längere  Zeiträume  über- 
blickt, mit  der  Größe  des  Einkommens  dieser  Stadt  im  Ver- 
hältnis stehen.  Bei  einem  gleichbleibenden  Ertrage  des 
Bodens  wird  also  das  Steigen  oder  Fallen  der  Getreide- 
preise von  dem  Zunehmen  oder  Abnehmen  des  Einkommens, 
welches  die  konsumierende  Klasse  der  Staatsbürger  genießt, 
abhängen. 

Die  Marktpreise  des  Getreides  stimmen  selten  oder  fast 
nie  mit  dem  Mittelpreise  desselben  überein :  sie  sind  vielmehr 
im  steten  Schwanken  begrilTen,  stehen  bald  höher,  bald 
niedriger  als  der  Mittelpreis  und  hängen  von  dem  momen- 
tanen Überfluß  oder  Mangel  ab. 

Da  die  Kapitalauslagen  beim  Landbau  zur  Errichtung 
von  Gebäuden  usw.  erst  nach  einer  langen  Reihe  von  Jahren 
wieder  erstattet  werden :  so  entscheidet  auch  der  Marktpreis 
eines  Jahres  und  die  daraus  hervorgehende  Gutseinnahme 
nicht  über  die  richtige  oder  unrichtige  Verwendung  dieses 
Kapitals. 


—    229    — 

Bei  unseren  Untersuchungen,  die  bisher  stets  auf  den 
letzten  Erfolg,  aber  niemals  auf  die  Erscheinungen,  die  sich 
bei  dem  Übergange  aus  einem  Zustande  in  den  anderen 
zeigen,  gerichtet  gewesen  sind,  haben  wir  deshalb  immer 
auch  nur  den  Mittelpreis  des  Getreides,  der  sich  aus  dem 
Durchschnitt  der  Marktpreise  einer  großen  Reihe  von  Jahren 
ergibt,  zu  gründe  legen  können. 


§  25.  227 

Ursprung  der  Landrente. 

Wenn  zu  gleicher  Zeit  Roggen  aus  der  weitesten  Ent- 
fernung und  aus  der  nächsten  Umgebung  der  Stadt  zu  Markt 
gebracht  wird :  so  kann  der  in  der  Ferne  gebaute  Roggen 
nicht  unter  1^/2  Tlr.  pro  Scheffel  verkauft  werden,  weil  er 
den  Produzenten  so  viel  kostet;  dagegen  könnte  der  in  der 
Nähe  wohnende  Produzent  seinen  Roggen  ungefähr  zu  einem 
halben  Taler  verkaufen,  und  er  erhielte  doch  die  sämthchen 
auf  die  Produktion  und  den  Transport  des  Roggens  ver- 
wandten Kosten  wieder  ersetzt. 

Nun  kann  aber  dieser  weder  gezwungen,  noch  kann  es 
ihm  zugemutet  werden,  seine  Ware  von  gleicher  Güte  zu 
einem  niedrigeren  Preise  als  dem,  den  jener  dafür  erhält,  zu 
verkaufen. 

Für  den  Käufer  hat  der  aus  der  Nähe  zu  Markt  ge- 
brachte Roggen  ebenso  vielen  Wert  als  der  aus  der  Ferne, 
und  es  kümmert  ihn  nicht,  ob  dieser  oder  jener  mehr  her- 
vorzubringen gekostet  hat. 

Was  nun  der  Produzent  aus  der  Nähe  der  Stadt  für 
seinen  Roggen  mehr  erhält,  als  was  er  ihm  kostet,  das  ist 
für  ihn  reiner  Gewinn. 


—     230     — 

Da  dieser  Gewinn  dauernd  ist  und  jährlich  wiederkehrt, 
so  gibt  auch  der  Grund  und  Boden  seines  Gutes  eine  jähr- 
liche Eente. 

Die  Landrente  eines  Gutes  entspringt  also 
aus  dem  A^orzug,  den  es  vor  dem,  durch  seine 
Lage  oder  durch  seinen  Boden,  schlechtesten 
Gute,  welches  zur  Befriedigung  des  Bedarfs 
noch  Produkte  hervorbringen  muß,  besitzt. 

Der  Wert  dieses  Vorzugs,  in  Geld  oder  Korn  ausgedrückt, 
bezeichnet  die  Größe  der  Landrente. 
228  Diese  aiis  imseren  bisherigen  Untersuchungen  hervor- 
gehende Erklärung  des  Ursprungs  der  Landrente  ist  aber 
nicht  vollständig  und  erschöpfend ;  denn  andere  Unter- 
suchungen, die  im  2  ten  Teil  dieses  Werkes  mitgeteilt  werden 
sollen,  ergeben,  daß  bei  völliger  Gleichheit  der  Güter  in  der 
Fruchtbarkeit  des  Bodens,  in  der  Lage  zum  Absatz  der 
Produkte,  und  in  allen  auf  deren  Wert  iutluierenden  Po- 
tenzen ,  der  Boden  dennoch  eine  Landrente  abwerfen  kann, 
wenn  nur  kein  unkultivierter  Boden  umsonst  mehr  zu  haben  ist. 

Es  muß  also  noch  eine  andere  tiefer  liegende  Ursache 
der  Entstehung  der  Landrente  vorhanden  sein,  als  die  des 
Wertvorzugs  des  einen  Gutes  vor  dem  anderen. 

Die  hier  angegebene  Ursache  kann  dadurch  aber  weder 
widerlegt  noch  aufgehoben  werden,  sondern  muß  in  dem 
allgemeinen  Gesetz  mit  enthalten  sein. 

Es  wird  deshalb  auch  in  der  Wirklichkeit,  —  wo  in 
der  Regel  schon  irgendein  Boden ,  der  keine  Landrente  ab- 
wirft, in  Kultur  genommen  ist  —  der  Wertvorzug  eines 
Bodens  vor  dem  durch  seine  geringe  Fruchtbarkeit  und 
seine  Lage  schlechtesten  aber  bereits  angebauten  Boden, 
zum  Maßstab  für  die  Größe  der  Landrente   dienen   können. 


—    231    — 

§  26a. 
Sechster  Kreis. 

Viehzucht. 

Wir  haben  zwar  im  §  23  gesehen,  daß  die  Kultur  des 
Bodens,  wenn  die  Wirtschaft  auf  Korn  verkauf  begründet 
ist,  bei  31,5  Meilen  von  der  Stadt  endet;  aber  hieraus  folgt 
noch  nicht,  daß  dies  die  absolute  Grenze  der  Kultur  sei: 
denn  wenn  es  Produkte  gibt,  die  im  Verhältnis  ihres  Wertes 
mindere  Ti-ansportkosten  erfordern  als  das  Getreide,  so  können 
diese  hier  noch  mit  Yorteil  erzeugt  werden. 

Solche   Produkte  liefert  nun    die   Viehzucht;    und   wir 229 
wenden  uns  jetzt  zu  der  Berechnung  des  Ertrags,   den  eine 
sogenannte  Holland erei  oder  Kuherei  hier  geben  wird.     Zu- 
vor müssen  wir  aber  die  Kosten,  die  der  Transport  der  Butter 
von  hier  nach  der  vStadt  verursacht,   zu  bestimmen  suchen. 

Die  Fracht   für  eine  Ladung  von  2400  U.  beträgt  nach 

^  4  1  Qo    I  —  Taler.     Setzen  wir  x  =  31,ö,   so  finden  wir, 

iOii   — |—    X 

daß  für  diese  Entfernung  von  der  Stadt  die  Transportkosten 
^'/lo  ßl.  für  ein  Pfund  betragen. 

Der  Transport  der  Butter  kann  aber  aiis  mehreren 
Gründen  nicht  so  wolüfeil  sein  als  der  des  Getreides. 
Erstens  kann  das  Verfahren  der  Butter  nicht  wie  das  des 
Korns  bis  zum  Winter,  wo  die  Pferde  doch  oft  unbeschäftigt 
sind,  verschoben,  sondern  diese  muß  frisch  und  also  in  kleinen 
Quantitäten  verkauft  und  verfahren  werden.  Es  werden 
also  oft  halbe  Ladungen  zur  Stadt  geschickt  werden  müssen ; 
oder  der  Transport  wird  durch  Fuhrleute  geschehen,  die, 
weil  sie  aus  dem  Frachtfahren  ein  Gewerbe  machen  und 
davon  leben,  eine  höhere  Fracht  haben  müssen,  als  was  der 
Transport  durch  eigene  Pferde  kostet.  Auch  wird  im  letzteren 


232     — 


Fall  der  Verkauf  der  Butter  durch  einen  anderen  als  den 
Produzenten  geschehen  müssen,  und  so  gesellen  sich  dann 
zu  der  Fracht  noch  die  Kosten  des  Verkaufs  der  Butter 
hinzu.  Zweitens  muß  die  Butter  bei  der  Versendung  in 
Fässer  geschlagen  werden,  deren  Anschaffung  mit  Kosten 
verbunden  ist,  und  die  durch  ihr  eigenes  Gewicht  die  Fracht 
für  die  Butter  vermehren. 

Diesen  Gründen  zufolge  nehmen  wir  an,  daß  die  Trans- 
port- und  Verkaufskosten  für  ein  Pfund  Butter  auf  5  Meilen 
1/5  ßl,  auf  25  Meilen  1  ßl.  und  auf  30  Meilen  Vb  ßl.,  also 
230  ungefähr  das  Doppelte  von  dem,  was  wir  für  das  Korn  be- 
rechnet haben,  kosten  wird.  Wir  wollen  dabei  keine  Rück- 
sicht darauf  nehmen,  daß  die  Transportkosten  pr.  Meile  mit 
der  größeren  oder  geringeren  Entfernung  von  der  Stadt 
sich  ändern,  sondern  diese  gleichstellen;  weil  die  Ver- 
fahrungskosten  der  Butter  im  Verhältnis  zu  dem  Wert  der- 
selben so  gering  sind,  daß  die  Gleichstellung  kaum  einen 
bemerkbaren  Einfluß  auf  die  Richtigkeit  der  Rechnung,  die 
dadurch  aber  sehr  viel  klarer  und  einfacher  wird,  äußern  kann. 
Wenn  nun  der  Preis  der  Butter  auf  dem  Marktplatz 
9  ßl.  WIb  pr.  Pfund  von  36  Lot  beträgt, 


so  gehen  an  Transportkosten 
ab  für  eine  Entfernung  von 
der  Stadt 
von   0  Meilen 
10      „ 
20      „ 
30      „ 

40      „          ...    1^/5 
50 2 


1/5  ßl. 

2/5  ßl. 

4/5  ßl. 

11/5  ßl. 

ßl. 

ßl. 


der  W^ert  der  Butter  auf 
dem  Gute  selbst  ist  dann 


8V0  ßl.  pr.  ü. 

83/5  ßl.  „ 

8V5  ßl.  „ 

74/5  ßl.  „ 

7-V5  ßl. 

7  ßl.  „ 


Nach  §  4  beträgt  der  Wert  eines  Schfl.  Roggen  auf 
dem  30  Meilen  von  der  Stadt  entfernten  Gut  O.512  Tlr,, 
also  nur  ungefähr  ^'3  des  Marktpreises.  Der  Wert  der 
Butter    in    dieser    Entfernvmg   von    der   Stadt   ist   dagegen 


—     233     — 

noch  7^/5  ßl.  pr.  /^.,  welches  beinahe   '•Is   des  Marktpreises 
ausmacht. 

Das  Übergewicht  der  näheren  Gegenden,  welches  beim 
Kornbau  so  bedeutend  ist,  wird  in  Hinsicht  der  Viehproduk- 
tionen sehr  geringe ;  ja  diesem,  aus  den  minderen  Transport- 
kosten entstehenden  Übergewicht  treten  die  minderen  Kosten, 
welche  in  den  entfernten  Gegenden  mit  der  Hervorbringuug 
der  Yiehprodukte  verbunden  sind,  direkt  entgegen. 

Die  Kosten  des  Unterhalts  der  Leute,  welche  bei  der 
Yiehzucht  gebraucht  werden,  die  Erbauungs-  und  Erhaltungs-  231 
kosten  der  Gebäude,  welche  fiir  das  Vieh  notwendig  sind, 
so  wie  die  meisten  anderen  Ausgaben  bei  der  Viehzucht, 
richten  sich  zum  größeren  Teil  nach  dem  Kornpreise  und 
müssen  da,  wo  der  Schfl.  Roggen  einen  halben  Tlr.  wert  ist, 
sehr  viel  geringer  sein,  als  da,  wo  der  Roggen  1^/2  Tlr.  gilt. 

Ob  aber  die  Ersparung  an  Produktionskosten  in  den 
entfernten  Gegenden  die  Vermehrung  der  Transportkosten 
deckt  oder  überwiegt,  werden  wir  aus  der  folgenden  Be- 
rechnung ersehen. 

Um  aber  Mißverständnisse  zu  heben,  die  dadurch  ver- 
anlaßt sind,  daß  ich  in  der  Isten  Auflage  dieser  Schrift 
bloß  das  Resultat  meiner  Rechnung  angeführt  habe, 
glaube  ich  die  Erfahrungen  und  Schlüsse,  auf  denen  jenes 
Resultat  beruht,  hier  zuvor  mitteüen  zu  müssen. 

Um  den  Futterwert  von  Heu,  Stroh  und  Gras  zu  er- 
mitteln, ist  der  Reinertrag,  den  die  besseren  Holländereien 
in  Mecklenburg  in  dem  Zeitraum  von  1810 — 15  (welcher 
allen  Berechnungen  in  dieser  Schrift  zu  gründe  liegt)  bei 
der  Verpachtung  gaben,  zum  Maßstab  genommen. 

Die  Pacht  pr.  Kuh  ist  unter  der  Bedingung,  daß  der 
Holländer  (Kuhpächter)  kein  Deputat  an  Korn,  aber  auf 
10  Pachtkühe  eine  Freikuh  nebst  Weide  und  Rauhfutter  für 
2  Pferde  und  1  bis  2  Fohlen  erhält,  zu  I21/2  Tlr.  N^/s  oder 
13  Tlr.   18  ßl.   Gold  angenommen  —   eine  Pacht,    welche 


—     234     — 

in    jener    Zeit    für    die    besseren    HoUändereien    die    land- 
übliche  war. 

Für  eine  HoUänderei  von   60  verpachteten 
Kühen  beträgt  demnach  die  Einnahme 

60  X  12V2 =      750   Th\   WIs. 

Die   auf  den  Verpächter  fallenden  Kosten 
und  Ausgaben  als  Wohnung,  Gartenland 
und  Feuerung  für  den  Holländer,   Un- 
232       terhaltung  des  Kuhhirten,  Zinsen  vom 
Wert  der  Kühe,  Abnutzung  oder  Wert- 
verminderung der  Kühe,   Unterhaltung 
der   Nachtkoppel    usw.    betragen   nach 
einer  spezifizierten  Rechnung  ....    303  Tlr.   25   ßl. 

bleiben    446  Tlr.   23   ßl. 
Hiervon  gehen  noch  ab:  die  Werbungskosten 
für    53^4    Fuder   Heu    (^/i    Fuder   pr. 
Haupt)  a  Fuder  1  Tlr.    .     .     .     .     .     .       53  Tlr.    12   ßl. 

bleibt  Reinertrag    393  Tlr.    11   ßl. 

Das  Futter,   was   60  Pachtkühe,   6  Freikühe,   2  Bollen 

und    3    Pferde,    zusammen    71   Haupt   an   Gras,   Heu    und 

Stroh  erhalten,  wird  also  benutzt  zu  393  Th'.  11  ßl. 

das  Futter  für  1  Haupt  also  zu  5,54  Tlr.  N^/s. 

Zu  bemerken  und  7.u  beachten  ist,  daß  die  Kühe,  wovon 
hier  die  Rede,  von  der  kleinen  jütländischen  Rasse  sind,  und 
im  lebenden  Zusta,nd  500  bis  550  /t  wiegen. 

Diese  zur  Bestimmung  des  Futterwerts  von  Heu,  Stroh 
und  Gras  entworfene  Berechnung  reichte  aber  zur  Lösung 
der  vorliegenden  Aufgabe  nicht  aus,  indem  zu  diesem  Zweck 
der  Butterertrag  der  Kühe  und  sämtliche  mit  der  Butter- 
produktion verbundenen  Kosten  bekannt  sein  müssen. 

Es  war  deshalb  notwendig,  für  eine  HoUänderei  von 
der  Größe  und  Güte,  wie  wir  sie  bei  der  Verpachtung  an- 
genommen, eine  Berechnung  des  Ertrags  und  der  Kosten, 
bei  Betreibung  auf  eigene  Rechnung,  zu  entwerfen  —  und 


—     235    — 

ich  legte   hierbei   die   zu   T.   bei  einer   kleinen   HoUänderei 
iu  den  Jahren  1810 — 15  gemachten  Erfahrungen  zu  gründe. 

Die  Külie  hatten  in  diesem  Zeiti^aum  im  Durchschnitt 
pr.  Stück  jährlich  1185  Pott  Milch  gegeben. 

Die  Butter,  welche  nach  Befriedigung  des  Bedürfnisses  233 
der  Haushaltung  übrig  blieb,  wurde  nach  einer  nahe  liegenden 
kleinen  Stadt  in  einzelnen  Pfunden  verkauft.  Es  ist  hier 
aber  der  Gebrauch,  daß  die  nach  den  Städten  verkaufte 
Butter  nicht  gewogen,  sondern  mit  einem  sogenannten  Pfund- 
faß gemessen  wird.  Dies  Pfundfaß  enthält  aber  mehr  als 
ein  Pfund  oder  32  Lot  Butter,  und  aus  mehrmaligen 
"Wiegungen  ergab  sich  damals,  daß  es  im  Durchschnitt 
36  Lot  Butter  faßte. 

Der  Butterertrag  der  Kühe  konnte,  da  das  in  der  Haus- 
haltung verbrauchte  Quantum  Butter  und  Rahm  nicht  zu 
ermitteln  Avar,  aus  den  Rechnungen  selbst  nicht  direkt  ent- 
nommen werden;  um  denselben  aber  mit  einiger  Genauigkeit 
auszumitteln ,  ist  der  Rahm  von  einer  bestimmten  Quantität 
Milch  zu  verschiedenen  Zeiten  des  Jahres  —  jedoch  nicht 
regelmäßig  in  jedem  Monat  —  zur  Probe  gebuttert,  und 
nach  dem  Ergebnis  dieser  Proben  ist  angenommen,  daß  aus 
100  Pott  Milch  durchschnittlich  6  gemessene  Pfunde  a  36 
Lot  Butter  erfolgt  sind. 

Der  mecklenburgische  Pott  wird  im  gewöhnlichen  Leben 
zu  ^b  preußische  Quart  gerechnet.  Nach  einer  mir  mit- 
geteilten Angabe,  deren  Richtigkeit  ich  aber  nicht  verbürgen 
kann,  hält  das  mecklenburgische  Pottmaß  Aö^ls  Pariser  K.  Z., 
das  preußische  Quart  dagegen  57^/i  P.  K.  Z.  —  und  hier- 
nach sind  100  mecklenburgische  Pott  gleich  79  preuß. 
Quart. 

Diesen  Daten  gemäß  wurde  dann  bei  der  Berechnung 
des  Reinertrags,  den  eine  HoUänderei  von  71  Haupt,  aus 
69  Kühen  und  2  Bullen  bestehend,  bei  eigenem  Betrieb 
geben  würde,  angenommen: 


—     '236     — 

l'.  daß  die  Kühe  im  Durchschnitt  jährlich  1200  Pott  Milch 
geben ; 

2.  daß   aus   100  Pott  Milch   6  gemessene  Pfund   Butter 
234  erfolgen,   und  der  Butterertrag  einer  Kuh  also   1200 

X  TTjß  =  ''2  gemessene  Pfund  ä  36  Lot  =  81  Ham- 
burger Pfund  ä  32  Lot  =  83,7  Berliner  Pfund  betrage ; 

3.  daß  der  Mittelpreis  der  Butter  für  das  Pfund  von 
36  Lot,  nach  Abzug  der  Verkaufs-  und  Transport- 
kosten, 8^/5  ßl.  N2/3  sei. 

Hieraus  ergibt  sich  folgende  Einnahme: 

69   Kühe   ä   72    gemessene   Pfund    geben 

4968  Z/'.  Butter  ä  8%  ßl.,  macht      .     .    890Tlr.  5ßl.N-/3 
Der  Wert    der  Kälber   und   die   Nutzung 
der  abgerahmten  Milch  zur  Käseberei- 
tung und  zui*  SchAveinemästung  ist  an- 
geschlagen   zu    1/4    des   Wertes   der 

Butter,  also  zu .     .    222Tlr.25m. 

Summe    1112  Tlr.  30ßl. 

Die  Ausgaben  betragen: 

1.  Gehalt  und  Beköstigung  einer  die  Auf- 
sicht führenden  Meierin 120Tlr.— ßLN-3 

(Bei  der  Verpachtung  bezieht  diese  der 

Pächter.) 

2.  "Werbekosten  für  53^/1  Fuder  Heu   .     .      53   „    12  „ 

3.  Die  sämtlichen  übrigen  Kosten,  welche 
mit  der  Kuhhaltung  und  der  Butter- 
produktion bei  eigenem  Betrieb  ver- 
bunden sind ,  betragen  nach  der  spe- 
ziellen Berechnung     ....     .     .     .    542   „     4  „ 

Summe  der  Kosten    715  Tlr.  16  ßl. 


—    237     — 

Diese    von    der    Einnahme    abgezogen    gibt  235 

einen  Überschuß  von 397  Tlr.  14  ßl. 

Bei  der  Verpachtung  betrug  der  Überschuß  393     „     11  ,. 

Differenz"  4  Tlr.  3  ßl. 
Es  kann  also,  wenn  beide  Betriebsweisen 
gleichen  Vorteil  gewähren  sollen,  das  Ge- 
halt der  Meierin  noch  um  4  Tlr.  3  ßl.  er- 
höht werden. 
Mit  Hinzurechnung  dieser  4  Tlr.  3  ßl.  be- 
tragen die  sämtlichen  Kosten 719  Tlr.  19  ßl. 

Das  Futter,  was  69  Kühe  und  2  Bullen,  im 
ganzen  also   71   Haupt,    verzehren,   wird 

dann  bezahlt  mit 393  Tk.  11  ßl. 

Will  man  nun,  wie  dies  hier  der  Fall  ist,  ermitteln, 
wieviel  auf  das  Quantum  Futter,  was  von  einer  Kuh  ver- 
zehrt wird,  an  Butter,  an  Einnahme,  Ausgabe  und  Über- 
schuß fällt :  so  müssen  die  dafür  gefundenen  Summen  nicht 
durch  69,  sondern  durch  71  geteilt  werden. 

Es  fällt  demnach  auf  eine  Kuh 

Tlr.  N% 

1.  Butterertrag,  %>^2  =  4968^^^  ^^^^^^^^ 

Pfund  ä  Pfund  36  Lot. 

2.  Wert  des  Kalbes  und    der  abgerahmten   Milch 

zu  ^li  des  Wertes  des  Butterertrags  angenommen 

70 
=  -r  =  171/2  a  Butter. 
4 

Q   P  1^  •       T,        1112  Tlr.  30  ßl.        ..     _,       . 

3.  üeldemnahme, s-j =  lo,67  llr.  oder 

871/2  U.  Butter  i\  8^/5  ßl.  W.'s  =  15,67  236 

A    A         V.      719  Tlr.  19  ßl.  ^^ 

4.  Ausgabe,    ^^^i =  10,i3 

.    TTK       ^.   a   393Tlr.  11  ßl.  _ 

5.  Überschuß,  ^. =  0,54 

'71  ' 


—     238    — 

Zu  bemerken  ist  aber,  daß  unter  den  für  die  Yielihaltung 
und  Butterproduktion  berechneten  Kosten  die  Zinsen  vom 
"Wert  des  Yiehstalles  und  die  übrigen  allgemeinen  Kultur- 
kosten nicht  mitbegriffen  und  nicht  aufgeführt  sind.  Da  aber 
erst  das,  was  nach  Abzug  der  allgemeinen  Kulturkosten  von 
dem  Überfluß,  den  die  Viehhaltung  gewährt,  übrig  bleibt, 
eine  Landrente  bildet:  so  führt  dies  zu  der  Frage,  wie  die 
auf  die  Viehhaltung  fallenden  allgemeinen  Kulturkosten  aus- 
zumitteln  und  zu  bestimmen  sind.  (6) 

Da  mü'  in  der  Wirklichkeit  keine  reinen  Vieh  wirtschaften, 
sondern  nur  solche  Wirtschaften,  in  welchen  die  Viehzucht 
mit  Äckerbau  verbunden  ist,  bekannt  sind,  so  kann  ich  diese 
Frage  aus  der  Erfahrung  nicht  lösen.  Es  ist  aber  sehr 
schwierig,  einen  Teilungsgrundsatz  aufzustellen,  nach  welchem 
die  allgemeinen  Kulturkosten  einer  aus  Ackerbau  und  Vieh- 
zucht zusammengesetzten  Wirtschaft  auf  jeden  dieser  beiden 
Zweige  repartiert  werden  können ;  oder  wieviel  von  den 
allgemeinen  Kulturkosten  eines  ganzen  Gutes  dem  Ackerbau 
allein  zur  Last  fällt,  luid  wieviel  davon  auf  die  Viehzucht 
gehört. 

Soviel  ist  klar,  daß  eine  reine  Viehwirtschaft  diejenigen 
Gebäude  haben  muß,  welche  zum  Stall  für  das  A^'ieh,  zur 
Aufbewahrung  des  Heues,  und  zu  Wohnungen  für  die  mit 
der  Viehzucht  beschäftigten  Menschen  dienen,  und  daß  des- 
halb die  Zinsen  vom  Wert  dieser  Gebäude,  sowie  die  Unter- 
haltungskosten derselben  auf  das  Konto  dieser  Wirtschaft 
kommen. 

Die  übrigen  im  §  5  unter  die  allgemeinen  Kulturkosten 
gerechneten  Ausgaben,  als  Administrationskosten,  Beiträge 
237 zu  den  Assekuranzkompagnien  usw.,  kommen  auch  in  einer 
reinen  Viehwirtschaft  vor;  aber  sie  sind  von  einer  gleichen 
Fläche  nicht  so  bedeutend  als  beim  Ackerbau,  weil  die  Vieh- 
zucht weniger  Arbeit  erfordert,  und  ihr  rohes  Produkt  selbst 
nicht  von  so  großem  Wert  ist.    Nach  dem  Wert  des   rohen 


—     239     — 

Produkts  uud  nach  der  Quantität  Arbeit  richtet  sich  aber 
die  Größe  der  allgemeinen  Kulturkosteu. 

Für  die  Verhältnisse  von  T.  habe  ich  nach  einer  ins 
einzelne  gehenden  Schätzung  die  allgemeinen  Kulturkosten 
einer  Viehwirtschaft  zu  20  ^lo  vom  Wert  des  rohen  Produkts 
angenommen. 

Der  rohe  Ertrag  von  einer  Kuh  ist  in  T.  15,07  TIr.  N-Zs 
Die    allgemeinen     Kulturkosten    betragen 

hiervon  20^/0  oder    ....    3,iy    Tlr. 
Die   Arbeitskosten   betragen  .     .  10,i3     „ 

Diese  beiden  Ausgaben   zusammen  13,26      „        „ 

Der  völlig  reine  Überschuß,    welcher  eine 

Landrente   begründet,    beträgt   also  für 

eine  Kuh 2,4i  Tlr.  Wis 

"Wir  wollen  nun  erwägen,  wie  sich  die  Landrente,  die 
der  Boden  durch  die  Betreibung  der  Viehzucht  gewährt,  in 
verschiedenen  Entfernungen  von  der  Stadt  verhält. 

Nach  §  14  wird  die  Landrente  gleich  0,  wenn  der  Preis 

14 

eines   Schfl.   Roggens   =   0,47    Taler    Gold,    oder   0,4?  X  p 

=  0,45  Taler  N-/3  ist.  Da  durch  diesen  Preis  bloß  die 
Arbeitskosten  und  die  anderen  auf  den  Kornbau  zu  ver- 
wendenden Ausgaben  gedeckt  werden,  so  kann  auch  in  einer 
noch  größeren  Entfernung  von  der  Stadt  als  31,5  Meilen 
der  Preis  des  Roggens  nicht  unter  0,45  Tlr.  N-/3  sinken; 
und  wir  nehmen  deshalb  für  den  ganzen  Kreis  diesen 
Preis  an. 

Das  Getreide  ist  für  diesen  Kreis  kein  Gegenstand  des  238 
Handels,  weil  kein  Absatz  dafür  ist,  und  der  ganze  Getreide- 
bau beschränkt  sich  bloß  auf  die  Befriedigung   des   eigenen 
Bedürfnisses. 

Wir  haben  oben  für  ein  Verhältnis,  wo  die  Preise  der 
Viehprodukte  sich  nach  den  Preisen  des  Getreides  richten, 
die   Ausgaben    zum   Teil  in   Geld    zum   Teil   in  Korn   aus- 


240 


gedrückt.  Für  diesen  Kreis,  in  welchem  Korn  und  Vieh- 
produkte  in  einem  ganz  anderen  Wertverhältnis  zueinander 
stehen ,  läßt  sich  —  wenn  man  einen  allgemeinen  Maßstab 
haben  will  —  die  Wirtschaftsausgabe  nicht  mehr  durch 
Korn  und  Geld  allein  ausdrücken ,  sondern  man  muß  den 
Teil  der  Ausgabe,  der  in  der  Verwendung  von  Viehprodukten 
besteht,  auch  in  Viehprodukten  angeben  und  nicht  auf 
Korn  reduzieren. 

Eine  völlig  genaue  Unterscheidung  und  Berechnung 
ist  hier  nicht  zu  eiTeichen;  aber  ich  glaube,  daß  wir  uns 
der  Wahrheit  sehr  nähern ,  wenn  wir  die  allgemeinen 
Kulturkosten  in  Viehprodukten,  die  Arbeitskosten  aber  wie 
bisher  zu  ^/i  in  Korn  und  zu  ^  i  in  Geld  ausdrücken. 

Der  Ertrag  einer  Kuh  ist  gleich  87V2  U.  Butter. 

Hiervon  ^/ö  ab  für-  allgemeine  Kulturkosten    17 V2 

bleiben 

Die  Arbeitskosten  betragen  für  eine  Kuh 
Hiervon  1/4  in  Geld  macht     .     .     2.53  Tlr. 

'^U  in  Korn 7,6o     „ 

7,00  Taler  sind  in  T.,  wo  der  Scheffel 
1,205  Taler  Wh  wert  ist,  gleich  6,3  Schfl. 
Eoggen. 

Allgemein    ausgedrückt    ist    demnach 
der  Reinertrag  einer  Kuh 

=  70  U.  Butter  -^  2,53  Tlr.  N2/3  ~  6,3  Schfl.  Roggen. 

239         Für  eine  Entfernung  von   5  Meilen  von   der  Stadt  ist 

der  Wert  von  70  IL  Butter  ä  8^/5  ßl.   .     .     .    12,83  Tlr.  Wh 


70  U.  Butter. 
10,13   Tlr.   N-/3. 


Die  Ausgabe: 
6,3  Schfl.  Roggen  il  1,313  Tlr.  Gold, 

oder  1,225  Tlr.  W^^  =      7,72 
an  Geld 2,53 


bleibt  Reinertrag     2,58  Tlr.  N^/s 


—    241    — 

Für  10  Meilen  Entfernung. 
Die  Einnahme: 

70  n.  Butter  a  S^/ö  ßl 12,5i    Tlr.    Wh 

Die  Ausgabe: 
■6.0  Schfl.  Roggen  a  l,i36  Tlr.  Gold, 

oder  1,06  Tlr.  Wlz  =        6,gs 

■an  Geld 2,53 

der  Reinertrag        3,33    Tlr.   Wh 

Für  20  Meilen  Entfernung. 
Die  Einnahme: 

70  n.  Butter  ä  8V5  ßl 11, oo    Tlr.    N-  8 

Die  Ausgabe: 
«,:;  Schfl.  Roggen  ä  0,soo  Tlr.  Gold, 

oder  0,755  Tlr.  N2'3  =        4,76 

-au  Geld .    .        2,53 

der  Reinertrag        4,67    Tlr.  Wiz 

Für  30  Meilen  Entfernung. 
Die  Einnahme: 

70  n.  Butter  a  7^5  ßl ll,3s    Tlr.  N-^/3 

Die  Ausgabe: 
6,3  Schfl.  Roggen  ä  0,512  Tlr.  Gold, 

oder  0,47s  Tlr.  N-'t!  =        3,oi 

an  Geld 2,53 

der  Reinertrag        5,84    Tlr.  N-V3 

Für  40  Meilen  Entfernung.  240 

Die  Einnahme: 
70  //.  Butter  ä  7-/5  ßl.  =  10,so    Tlr.    N-'/s 

Die  Ausgabe: 
■6,3  Schfl.  Roggen  u  0,47  Tlr.  Gold, 

oder  0,45  Tlr.  Wh  =        2,83 

an  Geld 2,53 

der  Reinertrag        5,44   Tlr.  N-'3 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  16 


242     

Für  50  Meilen  Entfernung. 

Die  Einnahme: 

70  U.  Butter  a  7  ßl 10,2i    TIr.   X-  s 

Die  Ausgabe: 
6,3  Schfl.  Roggen  ä  0,47  Tlr.  Gold, 

oder  0,45  Tlr.  W.-^  =       2,S3 

an  Geld 2,53 

der  Reinertrag       4,s5    Tlr.   N-'3 

Die  Landrente,  die  der  durch  Yiehzucht  benutzte  Boden 
gewälirt,  ist  also  am  niedrigsten  in  der  Xähe  der  Stadt,  steigt 
allmählich  mit  der  gi-ößeren  Entfernung  und  ist  am  höchsten 
bei  30  Meilen  Entfernung  (eigentlich  bei  31,5  Meilen). 
Von  diesem  Punkt  an  sinkt  die  Landrente  wieder,  aber  nur 
so  wenig,  daß  sie  bei  50  Meilen  Entfernung  noch  4,85  Th'., 
also  noch  fast  doppelt  so  hoch,  als  in  der  Nähe  der  Stadt  ist. 

Da  die  Viehzucht  bei  50  Meilen  Entfernung  noch  mit 
so  großem  Vorteil  betrieben  werden  kann,  so  wird  auch 
hier  noch  nicht  die  Grenze  dieser  Wirtschaft  sein;  sondern 
sie  muß  sich  soweit  ausdehnen,  bis  die  Transportkosten  am 
Ende  den  Ertrag  verschlingen,  und  die  Landrente  =  0  wird. 

Dieser  Kreis    erhält    dann    aber  eine  ungemein  gi'oße 

Ausdehnung,  und  es  werden  so  viele  animalische  Produkte 

nach  der  Stadt  gebracht  werden,    daß    diese  außer  allem 

241  Verhältnis  mit  dem  zum  Verkauf  gebrachten  Korn   kommen 

und  nicht  mehr  konsumiert  werden  können. 

Die  Produktion  kann  wohl  momentan,  aber  nie  dauernd 
den  Bedarf  übersteigen ;  denn  das,  was  über  den  Bedarf  zu 
Markt  gebracht  wird,  findet  entweder  gar  keinen  Käufer^ 
oder  muß  doch  zu  einem  so  niedrigen  Preise  verkauft  werden, 
daß  dadurch  die  Produktions-  und  Transportkosten  nicht 
vergütet  werden.  Ist  die  Preisverminderuug  dauernd,  imd 
ist  die  Hervorbringung  eines  Produktes  oder  einer  Wai"e 
fortwährend  mit  Verlust  verbunden:    so   müssen  diejenigen 


—     243     — 

Produzeuten,  denen  die  Hervorbringung  am  kostspieligsten 
wird ,  zuerst  damit  aufhören ,  und  diese  Einschränkung  der 
Produktion  muß  solange  fortgehen,  bis  am  Ende  die  Pro- 
duktion mit  dem  Bedarf  wieder  im  Gleichgewicht  ist.  Von 
den  Produzenten  werden  alsdann  nur  diejenigen  übrig 
bleiben,  die  durch  ihre  Lage  oder  andere  Umstände  am 
meisten  begünstigt  sind,  so  daß  sie  auch  bei  dem  vermin- 
derten Preise  noch  bestehen  können. 

Gesetzt  nun,  daß  durch  den  großen  Überfluß  der  zu 
Markt  gebrachten  Butter,  der  Preis  derselben  von  9  ßl.  bis 
zu  52/3  ßl,  für  das  Pfund  herunterginge ;  in  welcher  Gegend 
des  isolierten  Staats  wird  dann  die  Produktion  der  Butter 
aufhören  müssen? 

Fällt  der  Mittelpreis  der  Butter  um  o^r,  ßl.  pr.  fl.,  so 
vermindert  dies  die  Einnahme  von  einer  Kuh  um  70  X 
.3,33  ßl.  =  233  ßl.  =  4,85  Tlr.  N-/3,  und  diese  Verminderung 
ist  für  jede  Gegend,  sie  sei  5  oder  50  Meilen  von  der  Stadt 
entfernt,  ganz  gleich. 

Die   Arbeitskosten    und    die    allgemeinen    Kulturkosten 
werden  durch  die  Preisverminderung  der  Butter  nicht  ver- 
ändert,  sondern  bleiben   so,  wie  wir  sie  für  den  Preis  von 
9  ßl.  berechnet  haben,  und  die  Mindereinnahme   geht  also 242 
von  dem  Reinertrage  selbst  ab. 

Der  Reinertrag  von  einer  Kuh 

war  beim  dem  Preise  ist  bei  dem  Preise 

bei     5  Meilen  Entfernung 
10       „ 
20       „ 
30       „ 
40       „ 

50       „  ,       „ 

Es  ergibt  sich  hieraus,  daß  bei  dem  Preise  der  Butter 
von  5,67  ßl.  für  das  Pfund  in  der  Nähe  der  Stadt  die  Vieh- 

16* 


von  9  ßl. 

von  5,67  ßl, 

2,.-,s  Tlr. 

— 

2,27  Tlr. 

3,3.      „ 



1,52      „ 

4,67       „ 

— 

0,18       „ 

5,84      „ 

+ 

0,99       „ 

5,44      „ 

+ 

0,59       „ 

4,85      „ 

0         „ 

-     244     — 

haltung  zum  Zweck  der  Butterproduktion  nicht  bloß  keinen 
Reinertrag  gibt,  sondern  mit  einem  wirklichen  Verlust  ver- 
bunden ist.  Mit  der  größeren  Entfernung  von  der  Stadt 
wird  dieser  Verlust  allmählich  geringer  und  verschwindet 
endlich  bei  einer  Entfernung  von  21,5  Meilen.  Von  hier  an 
geben  die  Kühe  einen  Reinertrag,  der  anfänglich  mit  der 
zunehmenden  Entfernung  wächst,  bei  31,5  Meilen  aber  seinen 
höchsten  Punkt  erreicht,  dann  wieder  abnimmt  und  endlich 
bei  50  Meilen  Entfernung  ganz  verschwindet. 

Das  Resultat,  daß  die  Butterproduktion  nur  in  den  ent- 
fernten Gegenden  mit  Vorteil  betrieben  werden  kann,  hätten 
wir  auch  schon  aus  der  im  §  19  mitgeteilten  allgemeinen 
Formel  —  vermöge  welcher  sich  für  jedes  Gewächs,  dessen 
Produktionskosten  und  dessen  Ertrag  von  einer  gegebenen 
Fläche  bekannt  sind,  die  Stelle  nachweisen  läßt,  wo  dasselbe 
erzeugt  werden  muß  —  entwickeln  können.  Nach  dieser 
Formel  ist  im  §  19  für  ein  Produkt,  welches  in  Hinsicht 
der  Produktionskosten  sich  wie  14  : 1  und  in  Hinsicht  dei' 
243  Transportkosten  wie  2  :  1  gegen  Roggen  verhält  —  und  un- 
gefähr in  diesem  Verhältnis  werden  Butter-  und  Gedreide- 
produktion  gegeneinander  stehen  —  berechnet  worden,  daß 
dasselbe  aus  der  Nähe  der  Stadt  nur  zu  9,2  ßl. ,  aus  der 
.30  Meilen  entfernten  Gegend  aber  zu  5,3  ßl.  das  Pfund  nach 
der  Stadt  geliefert  werden  könne.  Kann  nun  —  wie  es 
hier  der  Fall  ist  —  der  ganze  Bedarf  durch  die  entlegene 
Gegend  befriedigt  werden,  so  bestimmt  der  Preis,  zu  welchem 
diese  Gegend  ein  solches  Produkt  nach  der  Stadt  liefern 
kann,  auch  den  Mittelpreis  dieses  Produkts  in  der  Stadt 
selbst,  und  es  geht  hieraus  hervor,  daß  die  Erzeugung 
dieses  Produkts  in  der  Nähe  der  Stadt  mit  Ver- 
lust verbunden  sein  muß. 

Es  scheint  demnach,  daß  die  der  Stadt  näher  gelegenen 
Kreise  die  Viehzucht  ganz  aufgeben  und  sich  bloß  dem  weit 
einträglicheren  Kornbau  widmen  müßten. 


—    245    — 

Dies  würde  anch  unstreitig  der  Fall  sein,  wenn  es  nicht 
durch  ein  merkwürdiges  Gesetz  der  Natur  verhindert  und 
unmöglich  gemacht  würde. 

Die  Pflanzen nahrung,  die  dem  Boden  durch  die  Hervor- 
bringuug  des  Getreides  entzogen  wird,  kann  dem  Acker  nicht 
durch  das  Auffaliren  von  Heu  oder  Stroh  in  dem  natürlichen 
Zustande  ersetzt  werden,  sondern  diese  Substanzen  müssen 
durch  die  Yerfütterung  mit  dem  Yieh  in  Dung  verwandelt 
werden. 

Das  Vieh  ist  also  als  eine  unentbehrliche  Maschine 
anzusehen ,  wodurch  Heu  und  Stroh  in  Dung  verwandelt 
werden;  und  die  Viehzucht  muß  mit  Ackerbau  verbunden 
bleiben,  wenn  sie  auch  gar  keine  Einnahme  gewähren  sollte. 

Durch  diesen  Umstand  erhält  nun  aber  die  Frage:  „ob 
bei  sinkenden  Preisen  der  Viehprodukte  die  nähern  oder  ent- 
fernteren Gegenden  die  Viehzucht  aufgeben  müssen",  eine 
andere  Entscheidung. 

Die  näheren  Gegenden  können  den  A^erlust,  der  aus  der  244 
Viehzucht  entsteht,  tragen,  weil  der  Kornbau  eine  Landrente 
abwirft;   die   entfernteren  Gegenden,   die  keine  andere  Ein- 
nahme aJs  aus  dem  Vieh  haben,  müssen  die  Viehzucht  auf- 
geben, sobald  sie  nicht  mehr  rentiert. 

Um  nun  endlich  den  Preis,  den  die  Butter  in  der  Stadt 
haben  wird,  angeben  zu  können,  müßte  die  Quantität,  die 
gebraucht  wird,  und  die  Grüße  der  Fläche,  die  zu  der 
Erzeugung  dieser  Quantität  erforderlich  ist,  bekannt  sein. 

Der  Preis  muß  nämlich  so  hoch  sein,  daß  das  entlegenste 
Gut,  dessen  Anbau  aber  zur  Befriedigung  des  Bedarfs  der 
Stadt  noch  notwendig  ist,  die  sämtlichen  auf  die  Produktion 
und  den  Transport  verwandten  Kosten  ersetzt  erhält. 

Ist,  wie  wir  annehmen,  zur  Befriedigung  des  Bedürf- 
nisses der  Stadt  die  Betreibung  der  Viehzucht  bis  auf  50 
Meilen  von  der  Stadt  notwendig:  so  mus  der  Preis  der 
Butter  so  hoch  sein,   daß   dem   50  Meilen   entfernten  Gute 


—     24G     — 

die  Kosten  der  Viehzucht  ersetzt  werden ;  es  müssen  also  70  tt. 
an  Ort  und  Stelle  selbst  5,36  Tlr.  Wh  wert  sein,  das 
Pfund  also  3,:  ßl.,  und  da  die  Transportkosten  2  ßl.  pr. 
Pfund  betragen,  so  muß  der  Mittelpreis  der  Butter  in  der 
Stadt  =  5,7  ßl.  N2/3  sein. 

In  der  Entfernung  von  40  Meilen  von  der  Stadt 
kostet  das  Pfund  zu  produzieren  ebenfalls  .  .  3,:  ßl.  N-Zs, 
die  Transportkosten  bis   zur  Stadt  betragen     .     l,c    „      „ 

zusammen  5,3  ßl.  N-/:;. 
Könnte  der  Kreis  von  40  Meilen  um  die  Stadt  herum 
den  Bedarf  der  Stadt  liefern,  so  würde  der  Mittelpreis  der 
Butter  5.:;  ßl.  N-.3  pr.  Pfund  sein.  In  diesem  Fall  ver- 
schwindet aber  die  Landrente  bei  40  Meilen  Entfernung, 
anstatt  daß  diese  Gegend  noch  eine  Landrente  abwirft,  wenn 
245  die  Kultur  des  Bodens  sich  bis  auf  50  Meilen  von  der  Stadt 
ausdehnt. 

In  der  Entfernung  von  30  Meilen  kostet  die  Produktion 
von  70  n.  Butter  5,54  Tk.  W-.z,  dies  macht  für  1  //. 
3,8  ßl.  Die  Butter  aus  dieser  Gegend  nach  der  Stadt  zu 
fahren  kostet  1,2  ßl.  Eeicht  nun  dieser  Kreis  für  das 
Bedürfnis  der  Stadt  hin,  so  kann  das  Pfund  Butter  zu 
3.8  -j-  1,2  =  5  ßl.  N-'3  gekauft  werden. 


§  26  b. 
Fortsetzung. 

Durch  diese  Untersuchung  sind  wir  nun  zu  der  Kenntnis 
des  wichtigen  Gesetzes  gelangt: 

daß  unter  Verhältnissen ,   wie  die  des  isolierten  Staats, 
die  aus  der  Viehzucht  entspringende  Landrente  in  den 


—     247     — 

der  Stadt  näher  gelegeaen  Gegenden,  mit  Ausnahme 
des  Kreises  der  freien  Wirtschaft,  unter  Null  herab- 
sinken und  negativ  werden  muß. 

Man  hat  aber  häufig  nicht  erkannt,  daß  durch  diese 
Untei'suchung  ein  Gesetz  gefunden  ist,  sondern  behauptet,  das 
erhaltene  Resultat  sei  nur  dadurch  erlangt,  daß  bei  der 
Untersuchung  Kühe  mit  geringem  Milch-  und  Butterertrag 
zum  Grunde  gelegt  worden,  leide  aber  keine  Anwendung  auf 
Kühe  von  größerem  Ertrage. 

Zur  Prüfung  dieser  Behauptung  werde  ich  jetzt  von 
einem  anderen  Standpunkt  ausgehen  und  diese  Berechnungen 
auf  eine  Holländerei  von  großem  Butterertrage  gründen. 

Zu  diesem  Zweck  lege  ich  der  folgenden  Untersuchung 
naclistehende  Supposition  zu  Grunde: 

Die  Kühe  der  kleinen  Jütländischen  Rasse  sollen  durch 
bessere  Ernährung  auf  das  Doppelte  des  früheren  Butter- 
ertrages  gebracht   werden   können,    und    2    X  70   =    140 
gemessene  Pfunde  ä  36  Lot  oder   158,5  Hamburger  Pfunde  246 
Butter  geben. 

Die  zuerst  in  Betracht  gezogene  Holländerei  von  10  U. 
Batterertrag  pr.  Kuh,  wollen  wir  mit  „A"  und  die  von 
doppeltem  Ertrag  mit  „B"  bezeichnen. 

Wir  haben  nun  zuerst  zu  erwägen,  in  welchem  Verhält- 
nis mit  dem  höheren  Butterertrag  die  Ausgaben  steigen. 

Die  mit  der  Viehhaltung  und  Butterproduktion  ver- 
bundenen Kosten  lassen  sich  in  2  Klassen  teilen,  nämlich 

1.  in  solche,  die  mit  der  Zahl  der  Kühe  im  Verhältnis 
stehen  und  unverändert  bleiben,  wie  gering  oder  groß 
auch  der  Milchertrag  sein  mag;  und 

2.  in  solche,  die  mit  der  Größe  des  Milch-  und  Butterertrags 

im  Vei'hältnis  stehen,  und   damit  steigen   oder  fallen. 

Zur  ersten  Klasse  gehören:   Unterhaltungskosten  des 

Kulihirten,  Zinsen  vom  Anschaffungskapital  der  Kühe  u.  m.  a. 

Nach   einer   hierüber  entworfenen   Berechnung  —  die 


—     248     — 

jedoch  auf  vollständige  Genauigkeit  keinen  Anspruch  machen 
kann  —  gehört  von  den  10,i3  Tlr.  Kosten ,  welche  auf  eine 
Kuh  von  70  U.  Butterertrag  fallen,  ungefähr  die  eine  Hälfte 
zur  Isten  und  die  andere  Hälfte  zur  2ten  Klasse. 

Für  die  Kuh  von  dem  doppelten  Butterertrag  vermehren 
sich,  da  die  Kosten  der  1  sten  Klasse  dieselben  bleiben,  die  der 
2teD  Klasse  aber  verdoppelt  werden,  die  Gesamtkosten  um 
50  *^/o,  und  betragen  also  10,i3X  1^'-'  =  lo,20  Taler  N- 3 :  und 
zwar  in  Roggen  imd  Geld  zusammen  ausgedrückt 

6,3    X  IV2  =  9,45  Scheffel  Roggen, 
und  2,53  X  IV2  =  3,80  Tlr.  Wh. 

Von  den  allgemeinen  Kulturkosten  gehört  ein  Teil,  wie 
Miete  für  den  Viehstall,  der  1  sten  Klasse,  ein  anderer  Teil, 
247  z.  B.  die  für  den  Scheunenraum,  den  das  Heu  einnimmt,  zu 
berechnende  Miete,  der  2ten  Klasse  an,  während  die  Admini- 
strationskosten  vielleicht  zu  gleichen  Teilen  beiden  Klassen 
angehören. 

Wenden  wir  nun  auch  hier  denselben  Maßstab  wie  bei 
den  anderen  Kosten  an :  so  betragen  die  allgemeinen  Kultur- 
kosten, welche  bei  der  Kuh  von  70  it.  Butterertrag  zu  17  V2  //. 
angenommen  sind,  für  die  Kuh  vom  doppelten  Ertrage 
171/2  X  1^/2  =  20  iL.  Butter. 

Der  Ertrag  einer  Kuh  aus   der  Holländerei  B   ist  also: 

Butter 140  //.  a  36  Lot, 

Wert  des  Kalbes   und   der  abge- 
rahmten Milch,  auf  Butter  reduziert 
140  X  Vi  ^  35    „ 
zusammen  175  it.. 
Hiervon    ab    für    allgemeine    Kultur- 
kosten      26    „ 

zur  Einnahme  kommen 149  Hj.. 

Bei  dem  Preise  von  9  ßl.  N-/3  für  das  it.  Butter  be- 
trägt die  Geldeinnahme  149  X  'Vis  =  27,94  Taler  N-':i 
pr.  Kuh. 


—     249 


Die  Transportkosten  betragen  auf  20  Meilen  für  das 
//.  Butter  1  ßl.,  für  149  U.  also  3  Taler  5  ßl.  =  3,io  Tlr.  Wh. 
Auf  5  Meüen  betragen  demnach  die  Transportkosten  für 
149  it.  Butter  0,g2  Tlr.  und  auf  10  Meilen  1,24  Tlr.  Wh. 

Fügen  wir  nun  den  für  die  Kühe  der  HoUänderei  A 
berechneten  Ausgaben  50  %  hinzu,  so  ergibt  sich  folgender 
Reinertrag  der  Kühe  aus  der  HoUänderei  B,  in  den  ver- 
schiedenen Entfernungen  von  der  Stadt: 


Ein- 

Trans- 

Sonstige 

Rein- 

Entfernung von 

nahme 

port- 

Aus- 

ertrag 

der  Stadt 

pr.  Kuh 

kosten 

gaben 

pr.  Kuh 

Tlr.  N^/a 

Tlr.  N^/a 

Tlr.  N2/3 

Tlr.  N2/3 

5  Meilen 

27,94 

0,6. 

1<^?38 

1J,94 

10       „ 

27,04 

1,54 

13S82 

12,88 

20       „ 

27,94 

2,4S 

10,94 

14,52 

30       „ 

27,94 

3,72 

8,31 

1^)91 

40       „ 

27,94 

4,96 

8,04 

14,94 

50       „ 

27,94 

6;20 

8,04 

13,70 

100       „ 

27,94 

12,40 

8,04 

7,50 

160,5     „ 

27,94 

19,90 

8,04 

0 

248 


Bei  dem  Preise  von  9  ßl.  für  das  Pfund  Butter  würde 
sich  also  der  Kreis  der  Viehzucht  bis  auf  eine  Entfernung 
von  160  Meilen  ausdehnen,  und  der  Markt  mit  Butter  so 
überschwemmt  werden,  daß  dafür  gar  keine  Anwendung 
mehr  zu  finden  wäre.  Der  Preis  der  Butter  muß  also  fallen 
und  zwar  so  weit,  bis  die  verminderte  Produktion  mit  dem 
Bedarf  ins  Gleichgewicht  tritt. 

Wenn  die  Kühe  den  doppelten  Butterertrag  geben  soUen, 
so  wird  zwar  jede  Kuh  eine  größere  Weide-  und  Wiesen- 
fläche zu  ihrer  Ernährung  bedürfen,  und  es  werden  also 
weniger  Kühe  als  früher  gehalten  werden  können,  aber  von 
gleicher  Fläche  wird  doch  mehr  Butter  produziert  werden, 


—    250    — 

und  wenn  früher  der  Kreis  der  Yiehzucht  bis  auf  50  Meilen 
von  der  Stadt  ausgedehnt  werden  mußte,  um  den  Bedarf  der 
Stadt  zu  befriedigen,  so  mag  jetzt  ein  Kreis  von  40  Meilen 
im  Halbmesser  dazu  genügen.  Ist  dies  aber  der  Fall,  so 
sinkt  der  Preis  der  Butter  so  tief,  daß  der  Reinertrag  der 
249  Kühe  in  der  Entfernung  von  40  Meilen  von  der  Stadt  =  0 
wird.  Dies  findet  statt,  wenn  durch  die  Einnahme  für  149  tl. 
Butter  die  Transportkosten  von  4,90  Tlr.  und  die  sonstigen 
Ausgaben  von  8,04  Tlr.  pr.  Kuh  gerade  gedeckt  werden,  d.  i. 
wenn  das  Pfund  Butter  in  der  Stadt  4,2  ßl.  N-/:j  gilt.  Durch 
das  Sinken  des  Preises  der  Butter  von  9  ßl.  auf  4,2  ßl.  sinkt 
aber  der  Reinertrag  der  Kühe  in  allen  Gegenden  des  isolierten 
Staats  um  14,;a  Tlr.  Demnach  bleibt 
in  der  Entfernung  der  Reinertrag  einer  Kuh 

von     5  Meilen        =:        11,94  —  14,o4  =   —  3,oo  Tlr.  N-  3 

10  „  =  12,88  —  14,94  =  —  2,0.:  „ 

20  „  =  14,52  -  14,94  ^  -  0,42  „ 

30  „  =  15,91  —  14,94  ^  +  0,97  „ 

40  „  =  14,94  —  14,94  =  0  „ 

Da  es  hier  aber  unsere  Aufgabe  ist,  zu  zeigen,  welchen 
Einfluß  es  hat,  wenn  wir  unsere  frühere  Untersuchung  auf 
eine  Holländerei  von  größerem  Ertrage  gegründet  hätten,  so 
müssen  wir  von  dem  angegebenen  Gesichtspunkt  abstrahieren 
und  annehmen,  daß  die  Zahl  der  Kühe  in  dem  Maße  ver- 
mindert wird,  als  der  Ertrag  pr,  Kuh  steigt,  daß  die  Butter- 
produktion im  ganzen  dieselbe  bleibt,  und  daß  also  der 
Kreis  der  Yiehzucht  sich  noch  wie  früher  bis  50  Meilen 
von  der  Stadt  ausdehnt. 

Alsdann  ist  der  Reinertrag  der  Külie  in  der  Entfernung 
von  50  Meilen  von  der  Stadt  =  0,  welches  voraussetzt, 
daß   149   U.  Butter  6,20  -f  8,01   =   14,24  Tlr.  Wh  gelten. 

14,21 

Der   Preis    der  Butter    in   der   Stadt    ist   alsdann    ^rj^ 
0,o-.5(i  Tlr.  Wh  =  4,.;  ßl.  Wir.  pr.  Pfund. 


251 


Bei  dem  Butterertrage  von  70  U.  pr,  Kuh  und  der  Aus- 
dehnung des  Kreises  der  Viehzucht  bis  auf  50  Meilen  von  250 
der  Stadt  stellt  sich,   wie   wir  oben  gefunden  haben,   der 
Preis  der  Butter  in   der  Stadt  auf   5,7  ßl.  N-/.5   pr.  Pfund, 
also  um  1,1  ßl.  höher  als  hier. 

Wenn  der  Preis  der  Butter  pr.  Pfund  4,t;  ßl.  beträgt, 
so  gehen  von  der  für  den  Butterpreis  von  9  ßl.  berechneten 
Einnahme  13,;  Tlr.  Wlz  pr.  Kuh  ab,  und  es  bleibt 


in  der  Entfernung 
von  5  Meilen 
10  „ 
'20  ,. 
30  „ 
40  „ 
50       „ 


der  Reinertrag  einer  Kuh 

11,M  —  13,7  =  —  1,76  Tlr.  W-:, 

12,88    -    13,7  =.  _   0,82       „ 

14,52    -    13,7  =  +   0,82       „ 

15,01    -     13,7  ::=  +    2,21        „ 

14,94    —    13,7  r=  +1,21       „ 

13,70    —    13,7  z=              0            „ 


Vergleichung. 


Der  Reinertrag  einer  Kuh  ist 

In  der  Entfernung 

wenn  sie                 wenn  sie 

von  der  Stadt 

70  Pfund  Butter    140  Pfund  Butter 

gibt                         gibt 

von    5  Meilen 

-  2,„  Tlr.  N% 

-  l„o  Th.  WU 

10      „ 

1:52       )) 

-0,82       „ 

•20      „ 

0,18         ?7 

+   0,82       „ 

30      „ 

+    0,09       „ 

+   2,21        „ 

40      „ 

+    0,59       „ 

+    1)24       ,j 

50      „ 

0 

0 

Der  Leser,  welcher  der  bisherigen  Untersuchung  mit 
Aufmerksamkeit  gefolgt  ist,  wird  dies  Resultat  als  not- 
wendig daraus  hervorgehend  anerkennen.  Aus  dem  Zu- 
sammenhang herausgerissen  aber,  muß  es  paradox,  ja  wider- 


—    252    — 

sinnig,   erscheinen,    daß  Kühe   von   70  iL.  und  von  14(i  U. 

251  Butterertrag  fast  gleichen  Reinertrag  geben  sollen. 

Es  mag  deshalb  nicht  überflüssig  sein,  hier  wiederholt 
zu  bemerken,  daß  eine  allgemeine  intensive  Steigerung  der 
Produktion,  bei  gleichbleibender  Konsumtion,  ein  Sinken  des 
Preises  des  in  größerer  Menge,  oder  mit  geringeren  Kosten 
hervorgebrachten  Erzeugnisses  zur  Folge  haben  muß ,  und 
daß  das  Sinken  des  Preises  die  Wirkung  der  erhöhten 
Produktion  auf  den  Reinertrag  neutralisieren,  oder  gar  über- 
wiegen kann. 

Wenn  ein  einzelner  Landwirt  den  Ertrag  seines  Bodens 
erhöht,  oder  einen  neuen  Kiüturzweig,  z.  B.  den  Rapsbau, 
mit  Vorteil  einführt:  so  übt  das  Mehrerzeugnis,  was  er  zu 
Markt  bringt,  keinen  bemerkbaren  Einfluß  auf  den  Preis 
dieses  Pxoduktes  aus.  Wenn  aber  alle  Landwirte  eines 
großen  Staates  denselben  Kulturzweig  in  gleicher  Aus- 
dehnung betreiben,  so  wird  dadurch  der  Preis  dieses  Er- 
zeugnisses wesentlich  geändert.  Kann  nun  nach  dem,  durch 
den  aUgemeinen  Anbau  verursachten  Sinken  des  Preises 
dieses  Gewächses  dasselbe  noch  mit  Vorteil  kultiviert 
werden:  so  bleibt  dieser  Kulturzweig  dem  Lande  dauernd, 
widrigenfalls  ist  derselbe  aber  nur  eine  ephemere  Erscheinung. 

In  der  Erhebung  dessen,  was  nur  in  der  Beschränkung- 
wahr  ist,  zur  Allgemeinheit  und  in  der  unbedingten  An- 
empfehlung dessen,  was  zufällig  dem  Einzelnen  vorteilhaft 
geworden,  liegt,  wie  die  landwirtschaftliche  Literatur  nach- 
weist, die  Quelle  großer  Irrtümer. 

Bei  der  Erforschung  allgemein  gültiger  Gesetze  darf  die 
Wechselwirkung,  die  zwischen  der  Größe  der  Produktion 
und  der  Höhe  der  Preise  stattfindet,  nie  außer  acht  gelassen 
werden.  Die  Kenntnis  der  Gesetze,  wodurch  der  Preis  der 
Waren    und   Erzeugnisse   reguliert  wird,    ist    deshalb    dem 

252  rationellen  Landwirt  unentbehrlich,  und  die  Nationalökonomie 
wird  dadurch  zur  Grundlage  der  höheren  Landwirtschaft 


I 


I 


Nach  dieser  Abschweifung  kehren  wir  zu  unserem 
Gegenstand  zurück. 

Die  hier  gemachte  Supposition ,  daß  eine  Kuh  von  der 
kleinen  jütländischen  Rasse,  bei  mittlerem  Grade  der  Be- 
leibtheit, 500—550  U.  wiegend,  durch  bloße  Gras-  und  Heu- 
fütterung, im  Durchschnitt  ganzer  Herden,  bis  zum  Ertrage 
von  140  n.  a  36  Lot  oder  158,5  //.  ;\  32  Lot  Butter  gebracht 
werden  könne,  ist  in  der  Wirklichkeit  wolü  nirgends  erreicht. 

Um  sich  einem  solchen  Ertrage  auch  nur  zu  nähern, 
müßte  nicht  bloß  ein  ausgewählter  Viehstamm  vorhanden 
sein,  sondern  das  Vieh  müßte  im  Sommer  auch  eine  so 
überflüssige  Weide  haben,  daß  es  sich  stets  die  jüngsten  und 
nahrhaftesten  Gräser  und  Kräuter  auswählen  könnte,  und 
dürfte  ferner  im  AVinter,  ohne  Zugabe  von  Stroh,  nur  mit 
Heu  von  der  feinsten  und  kräftigsten  Art  genährt  werden. 

Die  Fütterung  des  Viehes  mit  Wurzelgewächsen  oder 
gar  mit  Korn  kann  aber  im  Ki-eise  der  Viehzucht  gar  nicht 
stattfinden,  denn  der  Reinertrag  der  Kühe  ist  hier  so  ge- 
ring, daß  die  Ernälu'ung  des  Viehes  mit  Gewächsen,  deren 
Gewinnung  im  Verhältnis  ihres  IS'ahrungsgehaltes  mehr 
Arbeit  kostet  als  die  des  Heues,  diesen  Reinertrag  sogleich 
unter  Null  herabdrücken  würde. 

Bei  der  kräftigen  Ernährung  der  Kühe  würde  das  Ge- 
wicht derselben  wahrscheinlich  auf  550  bis  600  U.  steigen, 
und    auf    100   U.  Körpergewicht   fiele    dann    ein   jährlicher 

Butterertrag  von   ^-'''  =  27,:.  tt. 

0,75 

Für  eine  große  Kuh,  Oldenburger  oder  Schweizer  Rasse, 
von  1100  U.  Gewicht,  betrüge  dies  302  //.  Butter  aufs  Jahr. 

Dies  übersteigt  aber  noch  die  höchsten  Angaben,  welche  wir  253 
über  den  Butterertrag  der  Kühe  aus  anderen  Ländern  besitzen. 

Da  aber  selbst  bei  der  Annahme  eines  enormen,  sich  in 
der  Wirklichkeit  nicht  findenden  Butterertrags  der  Kühe 
dennoch  das  Resultat, 


—     254     — 

daß  im  isolierten  Staat  in  den  der  Stadt  näher  ge- 
legenen Gegenden  die  Landrente  ans  der  Viehzucht 
negativ  -«ird, 
sich  herausstellt:  so  scheint  mir  ein  strenger  Beweis  der 
Notwendigkeit  dieses  Resultats,  welcher  allerdings  durch 
Buchstabenrechnung  geliefert  werden  kann,  überflüssig  zu 
sein.  Auch  ergibt  sich  dies  Gesetz  schon  aus  der  bloßen 
Berücksichtigung  des  Umstandes,  daß  mit  der  größeren  Ent- 
fernung von  der  Stadt  die  Produktionskosten  der  Butter, 
wegen  des  verminderten  Getreidepreises ,  stärker  ab- 
nehmen als  die  Transportkosten  der  Butter  wachsen. 

Dies  Gesetz  scheint  mir  aber  für  die  wissenschaftliche 
und  selbst  für  die  praktische  Landwirtschaft  so  wichtig  zu 
sein,  daß  ich  glaubte,  dui'ch  ausführliche  Erörterungen  in 
dieser  neuen  Ausgabe  dasselbe  gegen  ferneres  Mißverstehen 
möglichst  schützen  zu  müssen.  (7) 


§  26  c. 
Fortsetzung. 

Zwischen  dem  Fleisch  und  dem  Getreide  findet  ein 
gemeinschaftliches  3Iaß,  nämlich  das  der  Ernähruugsfähig- 
keit  statt,  und  wir  müssen  uns  die  Frage  vorlegen,  ob  denn 
der  Preis  des  Fleisches,  der  Butter  usw.  allein  durch  die 
Kosten,  die  es  verursacht,  diese  Erzeugnisse  zu  Markt  zu 
bringen,  und  nicht  auch  durch  das  Verhältnis  der  Er- 
nähningsfähigkeit  bestimmt  werde. 

Nun  finden  wir  in  der  Wirklichkeit  bei  allen  zivilisierten 
Nationen  —  also  mit  Ausschluß  der  bloß  Viehzucht  treibenden 
254  Nomadenvölker  —  daß  eine  gleiche  Nahruugsmasse  im  Fleisch 
viel  höher  bezahlt  wird  als  im  Brot. 


—     255     — 

Dieser  höhere  Preis  des  Fleisches  entspringt  aus  zwei 
Quellen, 

1.  Es  findet  eine  allgemeine  Vorliebe  für  Fleischspeisen 
statt,  und  jeder,  der  nicht  in  der  äußersten  Dürftigkeit 
lebt,  verwendet  einen  Teil  seiner  Einnahme  auf  die 
Erlangung  dieses  wohlschmeckenden  und  kräftigen 
Nahrungsmittels. 

2.  Die  Gemüse  und  die  Kartoffeln  sind  —  mit  alleiniger 
Ausnahme  der  sehr  großen  Städte  —  überall  ein  weit 
wohlfeileres  Nalrrungsmittel ,  als  das  Brot  und  die 
aus  dem  Getreide  bereiteten  Mehlspeisen;  aber  die 
Nahrungsmasse  ist  in  ihnen  zu  wenig  konzentriert,  als 
daß  sie  das  einzige  Nahrungsmittel  der  arbeitenden 
Klasse  ausmachen  könnten.  Werden  aber  bei  der 
Speisung  die  Gemüse  mit  Fleisch,  in  welchem  die 
Nahrungsmasse  noch  viel  konzentrierter  als  im  Ge- 
treide ist,  verbunden:  so  ersetzt  diese  A^erbindung 
das  Brot  und  die  Mehlspeisen  vollkommen,  und  der 
Arbeiter  kann  nun  das,  was  er  bei  dem  Ankauf  der 
Gemüse  statt  des  Getreides  erspart  hat,  zur  Bezahlung 
eines  höheren  Preises  für  das  Fleisch  verwenden. 

Dies   führt  uns  noch  einmal  auf  die  Kartoffeln  zurück. 

Gesetzt  ein  Pfund  Fleisch  enthalte  gleiche  Nahrungs- 
masse mit  dem  Brot,  was  aus  zwei  Pfund  Roggen  erfolgt: 
so  sind  42  tt.  Fleisch  =  84  U.  Roggen  =  1  Schfl.  Roggen 
=  3  Schfl.  Kartoffeln  und  also  14  tl.  Fleisch  +  2  Schfl. 
Kartoffeln  gleich  1  Schfl.  Roggen. 

Gilt  nun  der  Schfl.  Roggen 1  Tlr.  24  ßl. 

der  Schfl.  Kartoffeln  12  ßl. ;  2  Schfl.  also  ^_^ 24  ßl. 

so  erspart  der  Arbeiter 1  Tlr., 

welchen  er  zum  Ankauf  von   14  U.  Fleisch  verwendet;   er 255 
kann  also,  ohne  daß  hieraus  ein  Verlust  für  ihn  entspränge, 
das  Pfund  Fleisch  mit  3,4  ßl.  bezahlen,  obgleich  er  dieselbe 
Nahrungsmasse  im  Brot  zu  1,7  ßl.  erkaufen  könnte. 


—    256     — 

Nach  Campbell  (siehe  Thaers  Grundsätze  der  rationellen 
Landwirtschaft,  Band  4,  Seite  222)  bewirkt  bei  der  Ochsen- 
mastung  die  Yerfütternng  von  1  Schfl.  Kartoffeln  einen 
Fleischansatz  von  3  U..  Nach  Thaer  (Seite  369  des  an- 
geführten Werkes)  nimmt  ein  Mastochse,  der  täglich  40  U. 
gutes  Heu  bekommt,  täglich  2  <fL  zu. 

Nach  Campbells  Angabe  würden  zur  Hervorbringung 
von  42  ft.  Fleisch,  die  nach  unserer  Annahme  gleiche 
Nahrungsmasse  mit  1  Schfl.  Eoggeu  enthalten,  die  Ver- 
fütterung  von  14  Schfl.  Kartoffeln  erforderlich  sein,  während 
vor  der  Verfütterung  schon  in  3  Schfl.  Kartoffeln  soviel 
Nahrungsstoff  enthalten  war  als  in  1  Schfl.  Roggen. 

Es  folgt  hieraus  also,  daß  durch  die  Verwandlung  der 
Kartoffeln  in  Fleisch  die  absolute  Nahrungsmasse  fast  bis 
auf  ^/5  vermindert  wird. 

Kann  nun  1  Schfl.  Roggen  durch  14  U.  Fleisch  -\-  2  Schfl. 
Kartoffeln  ersetzt  Averden,  und  sind  zur  Hervorbringung  von 
14  €(.  Fleisch  4-/8  Schfl.  Kartoffeln  erforderlich:  so  werden 
4-'/3  -f  2  =  62/3  Scheffel  Kartoffeln  einen  Scheffel  Roggen 
ersetzen. 

Da  von  derselben  Fläche,  wo  1  Schfl.  Roggen  wächst, 
mehr  als  6-/3  Schfl.  Kartoffeln  geerntet  werden,  so  kann 
auch  nach  dieser  Berechnung  —  die  aber  keineswegs  An- 
spruch auf  Vollständigkeit  und  Genauigkeit  machen  soll  • — 
durch  die  Verbreitimg  des  Kartoffelbaues  eine  größere  Zahl 
Menschen,  als  früher  durch  den  Getreidebau,  ernährt  werden, 
aber  bei  weitem  keine  so  viel  größere  Zahl  als  manche  be- 
hauptet haben. 
256  Verlassen  wir  für  einen  Augenblick  die  Voraussetzungen, 
daß  der  Landbau  des  isolierten  Staates  im  beharrenden  Zu- 
stande bleiben,  und  die  Wildnis  selbst  noch  einen  kultur- 
fähigen Boden  haben  soll,  und  denken  uns  dann,  daß  in  dem 
isolierten  Staate  der  bisher  bloß  Viehzucht  treibende  Kreis 
allmählich,  und  zwar  bis  zur  Grenze  des  kulturfähigen  Bodens, 


angebaut  udcI  dem  Getreidebau  gewidmet  werde:  so  nimmt 
dadurch  einerseits  die  Menge  der  Yiehprodukte ,  die  nach 
der  Stadt  geliefert  wird,  ab,  und  andererseits  vermehrt  sicli 
<lie  Zahl  der  Konsumenten  mit  dem  erweiterten  Anbau  der 
Ebene.  Die  geringere  Quantität  von  Viehprodukten  muß 
■dann  unter  eine  größere  Zahl  von  Konsumenten  verteilt 
werden,  und  die  auf  jeden  einzelnen  fallende  Portion  muß 
-also  viel  kleiner  als  früher  sein. 

Es  entsteht  die  Frage,  welchen  Einfluß  diese  Ver- 
änderung auf  den  Preis  der  animalischen  Produkte  haben 
wird,  und  wie  nun  die  geringere  Produktenmenge  unter 
■die  verschiedenen  Klassen  der  Staatsbürger  verteilt  werden 
wird. 

Bei  der  maugeDiaften  Versorgung  des  Marktes  mit  Fleisch 
Avird  durch  die  Konkurrenz  der  Käufer  eine  Steigerung  des 
Preises  hervorgebracht.  Der  Ärmere  kann  für  das  Fleisch 
nur  den  Preis  zahlen,  den  es  ihm  im  Verhältnis  zu  anderen 
Nahrungsmitteln  wert  ist.  Steigt  der  Preis  höher,  so  muß 
er  den  Verbrauch  desselben  aufgeben  oder  wenigstens  ein- 
schränken. Der  Eeiche  dagegen  kann  und  wird  für  die 
wohlschmeckendere  Fleischspeise  einen  höheren  Preis  zahlen, 
-als  das  AVertverhältnis  zum  Getreide  angibt.  Indem  nun 
der  Reiche  gerade  durch  diesen  höheren  Preis  den  Armen 
von  dem  Ankauf  des  Fleisches  abhält,  kann  sein  Tisch  noch 
■ebenso  reichlich  als  früher  mit  Fleisch  besetzt  sein ;  während 
<lie  arbeitende  Klasse  sich  mit  den  wohlfeileren,  aber  minder 
kräftigen  vegetabilischen  Speisen  begnügen  muß. 

So   führt  also   dieser  t^bergang   zur  höheren  Kultur  zu 
-einer  filr  die  Arbeiter  sehr  unerfi^eulichen  Beschränkung  der  257 
gewohnten  Bedürfnisse. 

Steigen  aber  bei  weiterem  Fortsclireiten  des  Reichtums 

der  Nation   die  Preise   der  animalischen  Produkte   so  hoch, 

daß   Kartoffeln   zum  Viehfutter   mit  Vorteil   gebaut   werden 

können :    so   findet  auf  einmal   ein   große   Vermehrung  der 

Tliünen.  Der  isolierte  Staat.  17 


—    258    — 

Yiehprodukte  statt,  und  die  Portion,  die  auf  jeden  einzelnen 
fällt,  kann  nun  wieder  beträchtlich  vergrößert  werden. 

Nach  meinen  Berechnungen  ernährt  ein  Morgen  mit 
Kartoffeln  2^/3  mal  soviel  Vieh,  als  ein  Morgen  Dreeschweide 
auf  Boden  von  gleichem  Reichtum. 

Ist  nun  der  Arbeitslohn  so  hoch,  daß  der  Arbeiter  den 
höheren  Preis  für  die  animalischen  Produkte  bezahlen  kann 
—  und  dies  muß  man  voraussetzen,  weil  ohne  die  Kon- 
kurrenz der  arbeitenden  Klasse  der  Preis  schwerlich  so  hoch 
hätte  steigen  können  —  so  wird  der  Arbeiter  den  Verbrauch 
der  Fleischspeisen  vermehren  und  zu  einer  behaglichen 
Lebensweise  übergehen  können. 

Ein  solcher  Zustand  der  bürgerlichen  Gresellschaft  bietet 
aber  noch  eine  andere  sehr  erfreuliche  Seite  dar. 

Wenn  nämlich  in  einem  Mißwachsjahre  die  Ernte  für 
den  Bedarf  nicht  ausreicht,  so  können  nun  die  zur  Yieh- 
mastung  bestimmten  Kartoffeln  direkt  zur  menschlichen 
Nahrung  verwandt,  das  Yieh  aber  mager  geschlachtet 
werden ,  und  da  hierdurch  die  sonst  in  Fleisch  verwandelte 
Xahrungsmasse  fast  verfünffacht  wird :  so  ist  es  fast  un- 
möglich, daß  eine  Nation,  die  diese  Stufe  des  Wohlstandes 
einmal  erstiegen  hat,  jemals  von  einer  Hungersnot  heim- 
gesucht werden  kann. 

Vermehrt  sich  dagegen  in  einem  Staat  durch  die  Ein- 
führung des  Kartoffelbaues  die  Volksmenge  so  sehr,  und 
258  sinkt  infolge  dieser  Vermelu'ung  der  Ai'beitslohn  so  tief,  daß 
der  Arbeiter  für  seinen  Lohn  nur  Kartoffeln  erkaufen  kann, 
und  ohne  Beihilfe  animalischer  Speisen  ganz  oder  größten- 
teils von  Kartoffeln  leben  muß:  so  ist  dieser  Zustand  des 
Staates  einer  der  bejammernswürdigsten. 

Die  Kartoffeln  können  nicht,  wie  das  Getreide,  von 
einem  Jahr  zum  anderen  aufgehoben  werden :  es  kann  der 
IJberfluß  des  einen  Jahres  nicht  den  Mangel  des  anderen 
ersetzen. 


—    259    — 

Mißraten  oun  die  Kartoifeln,  so  ist  keine  Rettung  durch 
den  Übergang  von  einem  teuren  zu  einem  wohlfeilen  Nah- 
rungsmittel —  wie  der  vom  Fleisch  zu  Kartoffeln  —  möglich, 
und  es  tritt  der  Zustand  ein,  wovon  Malthus  sagt:  „wenn 
„aber  das  Yolk  in  der  Regel  vom  allerniedrigsten  Nahrungs- 
„mittel  lebt,  dann  bleibt  gar  keine  Zuflucht  übrig  als  viel- 
„leicht  etwas  Baumrinde,  viele  aber  müssen  notwendig  des 
,,eigentHchen  Hungertodes  sterben." 

In  diesem  Fall  wird  also,  so  paradox  dies  auch  scheinen 
mag,  gerade  durch  die  Kartoffel  die  Geißel  einer  öfters 
wiederkehrenden  Hungersnot  herbeigeführt.  Irland  bietet 
vielleicht  schon  jetzt  das  Beispiel  eines  solchen  Zustaudes  dar. 

So  hat  also  auch  hier  die  Natur  es  der  Willkür  des 
Menschen  überlassen,  ob  er  das  herrliche  Geschenk,  was 
sie  ihm  gab,  zu  seinem  Verderben  oder  zu  seinem  Heil  be- 
nutzen will. 


ViehmastuDg. 


Das  gemästete  Vieh  kann  ohne  bedeutende  Kosten  nach 
entfernten  Marktplätzen  getrieben  werden,  und  die  Mästung 
kann  hier  wohlfeiler  als  in  den  der  Stadt  näher  gelegenen 
Gegenden,  wo  der  Boden  eine  beträchtliche  Landrente  ab- 
wirft, geschehen.  Da  jedoch  das  Treiben  des  sehr  fetten 
Viehes  auf  weite  Strecken  mit  vieler  Beschwerde  und  mit  25!) 
bedeutender  Abmagerung  des  Viehes  verbunden  ist:  so  kann 
es  sein,  daß  die  Mästung  hier  nur  begonnen,  aber  erst  in 
einer  der  Stadt  näheren  Gegend  vollendet  wird. 

Aufzucht  von  jungem  Vieh. 

Das  Jungvieh  kann  mit  geringer  Mühe  und  unbedeu- 
tenden Kosten  von  einem  Orte  zum  anderen  getrieben  werden. 
Da  in  diesem  Kreise  die  Landrente   des  Bodens   und   der 

17* 


—    260    — 

Wert  des  Futters  sehr  niedrig  sind:  so  kann  auch  vou 
hieraus  das  Jungvieh  so  woUfeil  geliefert  werden,  daß  keine 
andere  Gegend  des  isolierten  Staates  die  Konkurrenz  damit 
aushalten  kann. 

Der  Ivreis  der  Koppelwirtschaft  kann  seinen  Boden 
durch  Kuherei  zum  Zweck  der  Butterproduktion  viel  höher 
nutzen  als  durch  Aufzucht;  und  dieser  Kreis  wird  seinen 
ganzen  Bedarf  an  Jungvieh  aus  dem  Kreise  der  Yiehzucht 
kaufen. 

In  der  Wirklichkeit  kann  in  solchen  Gegenden,  wo  der 
Lage  und  den  übrigen  Verhältnissen  nach  die  Aufzucht  un- 
vorteilhaft ist,  es  doch  zuweilen  für  einzelne  Landwirte 
zweckmäßig  sein,  ihren  Bedarf  an  Jungvieh  selbst  aufzuziehen 
—  wenn  sie  nämlich  den  Zweck  haben,  eine  bessere  Rasse 
als  die  gewöhnliche  zu  erzielen.  In  dem  isolierten  Staat 
aber,  wo  wii-  für  alle  Landwirte  gleiche  Intelligenz  und 
also  auch  gleiche  Kenntnis  der  guten  A^iehrassen  annehmen, 
entscheidet  die  Lage  des  Gutes  allein  über  die  Zweckmäßig- 
keit oder  Unzweckmäßigkeit  der  Aufzucht. 


Wenn  der  Bedarf  der  Stadt  an  animalischen  Produkten 
eine  Ausdehnung  der  Viehzucht  bis  50  Meilen  um  die  Stadt 
herum  erfordert,  so  ist,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  der 
260  Mittelpreis  der  Butter  in  der  Stadt  =  5,67  ßl.  Wls  für  das 
Pfund,  und  mit  diesem  Preise  der  Butter  wird  der  Preis 
der  anderen  tierischen  Erzeugnisse,  als  Wolle,  fettes  Fleisch 
usw.  im  Verhältnis  stehen. 

Der  Reinertrag  einer  Kuh  beträgt  nach  unseren  obigen 
UntervSuchungen  für  die  Gegend,  welche  von  der  Stadt  ent-, 
fernt  ist:    30  Meilen     0,9r.  Tlr.  N^/s, 
40      „  0,5..     „ 

50      „  0        „ 

Die  Landrente  ist  also  in  diesem  ganzen  Kreise  äußerst  ge- 
ringe,  und   der  Ertrag  der  Güter  besteht  fast  nur  aus  den 


—    261    — 

Zinsen  des  Kapitals,  welches  auf  die  Errichtung  der  Gebäude, 
auf  die  Anschaffung  des  Inventarii  usw.  verwandt  ist. 

In  diesem  Kreise  wird  nicht  mehr  Korn  gebaut,  als 
zur  Ernährung  der  mit  der  Viehzucht  beschäftigten  Menschen 
erforderlich  ist.  Der  Gewinn  an  Stroh  ist  also  äußerst 
gering,  und  es  darf  nicht  mehr  Vieh  gehalten  werden,  als 
mit  diesem  wenigen  Stroh  und  mit  dem  Heu  von  den  natih^- 
lichen  Wiesen  im  Winter  durchgefüttert  werden  kann. 

Die  Sommerweide  für  das  Vieh  ist  hingegen,  da  fast 
der  sämtliche  Acker  der  Güter  zur  Weide  liegt,  so  reichlich, 
daß  das  Vieh  nicht  alles  Gras  verzehren  kann,  und  daß  ein 
Teil  des  Grases  ungenutzt  verfault. 

Durch  den  Anbau  von  Futterkräutern  und  Wurzel- 
gewächsen läßt  sich  aber  die  Winterfütterung  nicht  ver- 
mehren, weil  die  dadurch  verursachten  Kosten  durch  den  sehr 
geringen  Ertrag  des  Viehes  gar  nicht  ersetzt  werden  können. 

Die  Wiesen  sind  also  der  einzige  Maßstab  für  die  Zahl 
des  Viehes,  welches  gehalten  werden  kann,  und  man  wird 
die  geringe  Landreute,  welche  aus  der  AVirtschaft  hervor- 
geht, einzig  und  aliein  den  Wiesen  zuschreiben,  weil  die 
Weide  im  Überfluß  vorhanden  ist  und  nur  durch  die  Wiesen 
genutzt  werden  kann. 

Dieser  Kreis  kann  also  im  Verhältnis  zu  seiner  großen  261 
Ausdehnung    nur   eine  geringe   Quantität   Viehprodukte   zu 
Markte  bringen. 

Auch  ist  die  Bevölkerung  dieses  Kreises  äußerst  gering, 
und  ein  Gut  von  gleichem  Umfange,  welches  in  der  Nähe 
der  Stadt  30  Kamillen  ernährt,  wird  hier  kaum  3  Familien 
Beschäftigung  und  Nahrung  geben. 

Mit  50  Meilen  Entfernung  von  der  Stadt  hört  endlich 
die  Landrente  von  der  Viehzucht  ganz  auf,  und  weil  in 
einer  größeren  Entfernung  die  Zinsen  des  auf  die  Wirtschaft 
verwandten  Kapitals  nicht  mehr  bezahlt  werden,  muß  auch 
dieser  letzte  Kulturzweig  hier  enden. 


—     262     — 

Hinter  dem  Kreise  der  Yielizuclit  können  nun  noch 
einige  Jäger  zerstreut  in  den  Wäldern  leben ,  welche  mit 
der  Beschäftigung  und  der  Lebensart  der  Wilden  auch  die 
Sitten  derselben  annehmen  werden.  Die  einzige  Kommuni- 
kation, welche  diese  Jäger  mit  der  Stadt  haben,  besteht 
darin,  daß  sie  ihre  w^enigen  Bediu-fnisse  für  die  Felle  Avilder 
Tiere  eintauschen. 

Dies  ist  dann  die  letzte  Einwirkung,  welche  die  Stadt 
auf  diese  Ebene,  die  weiterhin  zur  menschenleeren  Wildnis 
wird,  ausübt. 

Ein  Reisender,  der  den  isolierten  Staat  durchreiste, 
würde  in  w^enig  Tagen  alle  jetzt  bekannten  Wirtschafts- 
systeme praktisch  angewandt  erblicken.  Die  regelmäßige 
Folge,  worin  er  die  verschiedenen  Wirtschaftssysteme  nach- 
einander wahrnähme,  würde  ihn  vor  dem  Irrtum  bewahren, 
als  läge  es  nur  an  der  Unkenntnis  der  Landwirte,  daß  die 
Kultur  der  entfernten  Gegenden  nicht  so  gut  ist,  als  die  in 
der  Nähe  der  Stadt. 
2()2  Die  höheren  Wirtschaftssysteme  haben  dadurch,  daß  sie 
künstlicher,  komplizierter  sind  und  zugleich  höhere  Ein- 
sichten und  Kenntnisse  erfordern,  füi*  das  Auge  etwas 
Blendendes  und  Yerfiihrerisches. 

Da  nun  diese  höheren  Wirtschaftsarten  an  den  Orten, 
wo  sie  landüblich  sind,  unleugbar  einen  größeren  Ertrag 
geben  und  den  Boden  höher  benutzen,  so  ist  der  Irrtum, 
,,daß  man  nur  die  nötigen  Kenntnisse  zu  besitzen  brauche, 
lun  ein  höheres  Wirtschaftssystem  in  eine  w^eniger  kultivierte 
Gegend  einzufüiiren",  leicht  zu  entschuldigen,  aber  auch  um 
so  gefährlicher. 

Unsere  Untersuchungen  haben  ergeben,  daß  eine  Koppel- 
oder Fruchtwechsel  Wirtschaft  auf  einem  Gute  in  dem  Kreise 
der  Dreifelderwirtschaft  eingeführt,  von  der  Zeit  wdeder  hin- 
weggespült werden  und  spurlos  verschAvinden  muß. 


—    263    — 

Umgekehrt  wird  eine  Dreifelderwirtschaft,  in  den  Kreis 
der  Koppel-  oder  Friichtwechselwirtschaft  verpflanzt,  nicht 
bestehen  können;  aber  ein  solcher  Versuch  ist  zu  wenig 
einladend,  der  Nachteil  zu  sehr  in  die  Augen  fallend,  als 
daß  er  oft  gemacht  werden  könnte. 

Der  isolierte  Staat  stellt  in  Hinsicht  des  Ackerbaues  zu- 
gleich das  Bild  eines  und  desselben  Staates  in  verschiedenen 
Jahrhunderten  dar. 

Vor  einem  Jahrhundert  wurde  in  Mecklenburg  bloii 
Dreifelderwirtschaft  getrieben,  und  diese  war  den  damaligen 
Verhältnissen  allein  angemessen.  In  den  frühesten  Zeiten 
waren  Jagd  und  Viehzucht  wahrscheinlich  die  einzigen 
Quellen  der  Ernährung.  Dagegen  wird  im  nächsten  Jahr- 
hundert die  Fruchtwechsel  Wirtschaft  hier  vielleicht  ebenso 
allgemein  sein,  als  jetzt  die  Koppelwirtschaft. 

So  wie  der  Reichtum  und  die  Bevölkerung  eines  Staats 
steigen,  so  wird  auch  ein  mehr  intensiver  Landbau  vorteil- 263 
haft.  Sind  die  Verhältnisse  nun  bis  zu  dem  Punkt  gereift, 
daß  die  Anwendung  eines  höhei^en  Wirtschaftssystems  nütz- 
lich wird,  so  ist  auch  das  Werk  des  Landwirts,  der  diese 
Wirtschaft  zuerst  einführt,  der  Vergänglichkeit  nicht  unter- 
worfen. Diese  Wirtschaft  wird  sich  nicht  bloß  auf  seinem 
Oute  erhalten,  sondern  sich,  zwar  langsam  aber  unwider- 
stehlich, über  das  ganze  Land  verbreiten  und  so  die  land- 
übliche Wirtschaft  werden. 

Dies  Avar  in  Mecklenburg  der  Fall,  als  die  Koppel- 
wirtschaft zuerst  eingeführt  wurde;  dies  war  in  England 
der  Fall,  als  die  Koppel-  und  Dreifelderwirtschaft  der  Frucht- 
wechselwirtschaft weichen  mußten. 


264  Zweiter  Abschnitt. 

Vergleichung   des  isolierten  Staats 
mit  der  Wirklichkeit. 


§  27. 
Rückblick  auf  den  Gang  unserer  Untersuchuncf. 

In  der  vorhergehenden  Darstellung  der  Gestaltung  des 
isolierten  Staats  sind  die  Verhältnisse  des  Gutes  Tellow  zu 
Grunde  gelegt,  indem  wir  entwickelt  haben,  wie  die  "Wirt- 
schaft dieses  Gutes  sich  ändern  würde,  Avenn  dasselbe  dem 
Marktplatz  für  die  landAvirtschaftlichen  Erzeugnisse  näher 
oder  ferner  gedacht  wird. 

Wir  haben  im  §  5  angenommen,  daß  der  Rohertrag* 
eines  Gutes  sich  ganz  in  Korn  angeben  lasse,  und  daß  der 
Preis  der  animaHschen  Produkte  mit  dem  Preise  des  Ge- 
treides im  Verhältnis  stehe. 

Diese  Annahme  ist  allerdings  wahr  und  zutreffend,  wenn 
wir  die  wirklichen  Verhältnisse  eines  kultivierten  Staates, 
der  von  keinen  rohen,  bloß  Viehzucht  treibenden  Ländern 
umgeben  ist,  vor  Augen  haben.  Die  durchgeführte  Dar- 
stellung des  isolierten  Staats  zeigt  uns  aber  selbst,  daß  das 
Gut  T.  in  einer  Gegend  liegt,  wo  die  Einwirkung  der  rohen, 
bloß  Viehzucht  treibenden  Länder  sich  schon  sehr  vermindert 


—     265    — 

hat ;  und  daß  in  dem  isolierten  Staat  das  Verhältnis  zwischen 
den  Preisen  der  Viehprodukte  und  des  Kornes  nicht  dasselbe 
sein  kann,  was  auf  dem  Gute  T.  stattfindet. 

Wir   müssen    deshalb   untersuchen,   inwiefern   sich  die 265 
Gestaltung  des  isolierten  Staats  ändert,  wenn  der  Preis  der 
animalischen  Produkte   von   dem   Preise   des   Getreides  un- 
abhängig ist. 

Für  T,  ist  der  Preis  der  Butter  9  ßl.  und  nach  Abzug 
der  Transportkosten  8^/5  ßl.  N-/3  pr.  tt.  von  36  Lot ;  in  dem 
isolierten  Staat  kann  der  Marktpreis  der  Butter  nach  imserer 
Berechnung  nur  5,7  ßl.  betragen,  aber  der  Wert  derselben 
auf  dem  Gute  selbst  nimmt  mit  der  Entfernung  des  Gutes 
von  der  Stadt  nicht  so  rasch  ab,  als  der  des  Getreides. 
Legen  wir  nun  in  unserer  Berechnung  diesen  Preis  für  jenen 
zu  Grunde,  so  werden  wir  in  der  Nähe  der  Stadt  die 
Landrente  geringer  finden,  aber  diese  Landrente  nimmt  mit 
der  wachsenden  Entfernung  von  der  Stadt  nicht  so  schnell 
ab,  und  sie  wird  für  das  25  Meilen  entfernte  Gut  schon 
größer  sein,  als  wir  sie  augegeben  haben  —  weil  die  Butter 
ungeachtet  des  geringeren  Marktpreises  hier  doch  schon 
einen  höheren  Wert  hat,  als  wenn  ihr  Preis  sich  nach  dem 
Getreidepreis  dieser  Gegend  richtete. 

Wir  haben  ferner  bei  unseren  Untersuchungen  einen 
Standpunkt  zu  Grunde  gelegt,  w^o  die  mit  dem  Landbau 
verbundenen  Ausgaben  zu  ^  1  in  Geld  und  zu  ^.'4  in  Korn 
ausgedrückt  werden  müssen  —  und  wir  konnten  dadurch 
für  das  gegebene  Gut  bei  jedem  Wechsel  der  Getreidepreise 
den  Reinertrag  und  die  Bewirtschaftungsart  bestimmen. 

Dann  haben  wir  aber  auch  die  Veränderung  in  den 
Getreidepreisen  durch  die  größere  oder  geringere  Entfernung 
vom  Marktplatz,  also  gleichsam  räumlich  dargestellt  und  auf 
diese  Weise  den  isolierten  Staat  konstruiert. 

Nun  ist  aber,  wie  wir  bereits  im  §  5  erwähnt  haben, 
das  Verhältnis,   in  welchem   die  Ausgaben   in  Geld   und  in 


—     26G     — 

Korn  auszudrücken  sind,  keineswegs  gleichbleibend,  sondern 
mit  dem  Standpunkt  selbst  veränderlich,  und  dies  läßt  sich 
in  dem  isolierten  Staat  noch  weit  klarer  übersehen,  als  in 
der  Wirklichkeit. 
266  Der  Preis  aller  Waren  und  Materialien,  die  der  Land- 
wirt des  isolierten  Staats  nur  aus  der  Stadt  erhalten  kann, 
richtet  sich  nicht  nach  dem  Getreidepreis  der  Gegend,  wo 
der  Landwirt  wohnt,  sondern  dieser  muß  den  Preis,  den 
die  Waren  in  der  Stadt  haben  und  dann  noch  die  Fracht 
von  der  Stadt  bis  zu  seiner  Gegend  dafür  zahlen. 

In  dem  Preise  der  Arbeitserzeugnisse  der  Handwerker, 
die  auf  dem  Lande  wohnen,  sind  enthalten: 

1.  die  Auslage  für  Lebensmittel  und  andere  Bedürfnisse, 
die  sie  während  der  Arbeit  verbrauchen, 

2.  die  Auslage  für  das  rohe  Material. 

Wird  das  Material,  was  der  Handwerker  verarbeitet, 
z,  B.  das  Eisen ,  aus  der  Stadt  bezogen ,  so  richtet  sich  der 
Preis  seines  Arbeitserzeugnisses  nur  zum  geringeren  Teil 
nach  dem  Getreidepreis  der  Gegend,  wo  der  Handwerker 
wohnt;  wird  dagegen  das  rohe  Material  auf  dem  Lande 
selbst  erzeugt,  z.  B.  Flachs,  so  stehen  die  Fabrikationskosten 
der  Leinwand  fast  ganz  im  Verhältnis  mit  dem  Getreide- 
preise, indem  nur  dasjenige,  was  der  Leinweber  zu  seiner 
Wohnung,  seinen  Gerätschaften  und  seinem  Unterhalt  aus' 
der  Stadt  kaufen  muß,  in  Geld  ausgedrückt  werden  darf. 

Wir  finden  also,  daß  von  den  mit  dem  Landbau  ver- 
bundenen Ausgaben,  alles  dasjenige,  was  der  Landwirt  un- 
mittelbar aus  der  Stadt  bezieht,  und  alles  was  die  auf  dem 
Lande  lebenden,  für  den  Landwirt  arbeitenden  Handwerker 
aus  der  Stadt  erkaufen,  in  Geld  ausgedrückt   bleiben  muß. 

Für  Güter  von  gleich  großem  Betrieb  ist  also  auch  die 
für  Waren  und  Materialien  in  der  Stadt  selbst  zu  zahlende 
Summe  gleich  groß,  diese  Güter  mögen  der  Stadt  nahe  oder 
ferne  liegen.    Aber  dem  Landwirt  des  isolierten  Staats  kosten 


—     267     — 

<liese  Warea  außer  dem  Ankaufspreis  auch  noch  die  Fracht 
für  dieselben  von  der  Stadt  bis  zu  seiner  Gegend ;  oder  der  267 
Preis  dieser  Waren  ist  auf  dem  Lande  um  den  Betrag  der 
Fracht  inkhisive  der  Handelskosten  höher  als  in  der  Stadt. 
Die  Fraclit  —  wovon  nach  §  4  wieder  ein  Teil  in  Geld 
ausgedrückt  werden  muß  —  wächst  aber  mit  der  größeren 
Entfernung  von  der  Stadt,  und  so  fällt  auf  die  entfernter 
liegenden  Güter  eine  erhöhte  Ausgabe  sowohl  an  Geld  als 
-an  Getreide. 

Bei  der  Übertragung  unserer  von  einem  Standpunkt 
ausgegangenen  Berechnung  auf  den  isolierten  Staat  findet 
also  eine  zweifache  Abweichung  statt: 

1.  ist  der  Ertrag  aus  der  Viehzucht  in  den  entfernten 
Gegenden  größer  als  unsere  Berechnung  angibt: 

2.  kommt  für  die  entfernten  Gegenden  noch  die  Fracht 
für  die  aus  der  Stadt  zu  kaufenden  Bedürfnisse  in 
Ausgabe. 

Beide  Abweichungen  wirken  sich  einander  entgegen  und 
bringen  dadurch  wieder  eine  Annäherung  zu  dem  Resultat 
unserer  Berechnung  hervor. 

Wie  nun  aber  auch  die  Landrente  in  Zahlen  aus- 
gesprochen sich  hierdurch  ändern  mag,  so  bleiben  doch  fol- 
gende Hauptresultate  unserer  Untersuchung  ganz  unverändert : 

Die  Koppelwirtschaft  muß  bei  sehr  niedrigen  Kornpreisen 
zu  der  Dreifelderwirtschaft  übergehen,  weil  diese  das  Ge- 
treide mit  geringeren  Arbeitskosten  produzieren  kann. 

Bei  noch  mehr  verringerten  Getreidepreisen  hört  auch 
die  Landrente  der  Dreifelderwirtschaft  auf,  und  sie  kann 
kein  Korn  mehr  nach  der  Stadt  liefern. 

Hinter  dem  Kreise  der  Dreifelderwirtschaft  bildet  sich 
dann  der  Kreis  der  Yiehzucht. 

Diese  Hauptresultate  und  mit  ihnen  alle  daraus  ge- 
zogenen Folgerungen  bleiben  unverändert,  aber  die  Aus- 
<lehnung  der  Kreise,  in  Zahlen  ausgesprochen,  und  die  Grenze, 


—     26s    — 

■\vo  zwei  Wirtschaftsarten  sich  trenneu.  wird  der  Meilenzahl 
268 nach  sich  ändern.  Diese  Zahlen  dienen  hier  aber  nur  zur 
YersinuHchung  der  Idee  und  sind  keineswegs  von  einem 
wesenthchen  Einfluß  auf  die  entwickelten  Hauptgesetze: 
denn  es  ist  in  dieser  Beziehung  gleichgültig,  ob  z.  B.  der 
Kreis  der  Dreifelderwirtschaft  einige  Meilen  näher  oder  ent- 
fernter von  der  Stadt  anfängt. 

Auch  läßt  sich,  wie  im  Anhang  sub  Nr.  8  dargetan 
ist,  die  Ungleichheit,  welche  daraus  entsteht,  daß  mit  der 
zunehmenden  Entfernung  von  der  Stadt  der  Wert  des  Ge- 
treides und  der  Wert  der  Viehprodukte  nicht  in  gleichem 
Verhältnis  abnehmen,  durch  eine  Änderung  des  Bruches, 
welcher  anzeigt,  der  wievielste  Teil  der  Ausgabe  in  Geld 
auszudrücken  ist,  genau  wieder  ausgleichen»  Wenn  nun 
auch  die  aus  der  Wirklichkeit  entnommene  Quote  von  ^  i 
für  die  Verhältnisse  des  isolierten  Staats  nicht  zutreffend 
sein  kann:  so  ist  das  Verfahren  selbst,  die  Viehprodukte 
ihrem  Wert  nach  auf  Roggen  zu  reduzieren,  dadurch  doch 
völlig  gerechtfertigt,  und  die  Möglichkeit,  auf  diesem  Wege 
richtige  Resultate  zu  erlangen,  dargetan. 


§  28. 

Verschiedenheiten  zwischen  dem  isolierten  Staat 
und  der  Wirklichkeit. 

Die  wirklichen  Staaten   und  Länder  sind  in   folgenden 
Punkten  von  dem  isolierten  Staat  wesentlich  verschieden: 

1,  Es  gibt  in  der  WirkUchkeit  kein  Land,  wo  der  Boden 
überall  gleichen  Reichtum  enthielte,  und  durchweg 
von  gleicher  physischer  Beschaffenheit  wäre. 

2.  Es  gibt  keine  einzige  große  Stadt,  die  nicht  an  einem 
Fluß  oder  schiffbaren  Kanal  läee. 


—    2G9    — 

o.  Jeder  Staat  von  bedeutendem  Umfange,  mit  einer 
großen  Hauptstadt,  hat  außer  dieser  Hauptstadt  noch 
viele  kleineVe  Städte,  die  zerstreut  im  Lande  liegen. 
4.  In  der  Wirklichkeit  findet  selten,  oder  fast  nie,  eine 269 
so  starke  Einwirkung  der  rohen ,  bloß  Viehprodukte 
liefernden  Landstriche  auf  den  Preis  der  animalischen 
Erzeugnisse  statt,  ,wie  dies  im  isolierten  Staat  der 
Fall  ist. 

Ad  1. 
Unsere  Untersuchungen  im  ij  14  haben  das  Eesultat 
gegeben,  daß  niedrige  Kornpreise  in  ihrer  Wirkung  mit  einer 
gej'ingen  Dungkraft  des  Bodens  darin  übereinstimmen,  daß 
beide  die  Koppelwii-tschaft  in  Dreifelderwirtschaft  verwan- 
deln, und  daß  beide,  wenn  sie  noch  mehr  vermindert  werden, 
die  Landrente  am  Ende  bis  zu  0  herunterbringen. 

Man  könnte  nun  ebenso,  wie  wir  hier  den  Preis  des 
Getreides  veränderlich,  die  Fruchtbarkeit  des  Bodens  gleich- 
bleibend angenommen  haben,  eine  zweite  Darstellung  unter- 
nehmen, in  welcher  der  Getreidepreis  gleichbleibend,  die 
Fruchtbarkeit  des  Bodens  dagegen  veränderlich  wäre,  imd  dann 
diese  zweifache  Darstellung  auf  die  Wirklichkeit  anwenden. 
Diese  zweifache  Darstelhmg  ist  aber,  wenigstens  in 
dieser  Beziehung,  entbehrlich,  weil  wir  schon  aus  der  bis- 
herigen, den  Standpunkt,  den  ein  Gut  von  niedrigerem  Grade 
der  Fruchtbarkeit  bei  dem  Getreidepreise  von  IV2  Tlr.  fin- 
den Scheft'el  Roggen  einnehmen  würde,  nachweisen  können, 
wie  aus  der  Lösung  der  nachfolgenden  Aufgaben  hervor- 
gehen wird.*) 

*)  Es  ist  hierbei  aber  nicht  auiier  acht  zu  lassen,  was  im 
§  14b  gesagt  ist,  daß  nämlich  Wirtschaften,  die  anf  gleichem 
Boden  und  imter  gleichen  Verhältnissen  einen  verschiedenen  Koru- 
ertrag  geben,  dem  Gesetz  der  Konsequenz  nicht  unterworfen  sind, 
und  nicht  dem  isolierten  Staat,  sondern  der  Wirklichkeit  an- 
gehören. 


—     270     — 

270  Erste   Aufgabe.     Welche  Landrente  wird    ein   Gut, 

84 
dessen  Acker  ö  X    -rrjö   ~   ^i-   Körner  in   der  Dreifelder- 
wirtschaft trägt,  gewähren,  wenn  der  Scheffel  Roggen  auf 
dem  Gute  selbst  1^/2  Tlr.  wert  ist;  und  in  welcher  Gegend 
des  isolierten  Staats  findet  eine  gleiche  Laudrente  statt  V 
Nach  der  im  §  14  gelieferten  Tabelle  beträgt  die  Land- 

84 
rente    der  Dreifelderwirtschaft  von   .)  X  rj^.  =  4,2  Körnern 

Ertrag  240  Scheffel  Roggen  -f-  246  Tk.  Bei  dem  Preise 
von  1^/2  Tlr.  für  den  Scheffel  sind  240  Scheffel  Roggen 
360  Taler  wert;  die  Laudrente  beträgt  also  360  —  246  ^ 
114  Tlr. 

In  dem  isolierten  Staat  ist   bei  dem  Ertrage  von  8  X 

84 

^^„    rrr    6,72    Köruem    die   Landrente    =    G96    Scheffel    ~ 

327  Tlr. 

Die  Landrente  beider  Wirtschaften  wird  also  gleich, 
wenn   696  Scheffel  Roggen  ~  327  Tlr.   =    114    Tlr.    sind 

4-  327  -f   327 

also  696  Scheffel  Roggen 441  Tlr. 

dies  macht  für  1  Scheffel 0,683  Tlr. 

und  diesen  Preis  hat  der  Roggen  auf  dem  ungefähr  26  Meilen 
von  der  Stadt  entfernten  Gute. 

Es  ist  also  die  Landrente  eines  Gutes  von  4,2  Körnern 
bei  dem  Roggenpreise  von  l^i-i  Tlr.  pr.  Sclieffel  gleich  der 
Landrente  desjenigen  Gutes,  welches  in  dem  isolierten  Staate 
26  Meilen  von  der  Stadt  entfernt  ist. 

Zweite  Aufgabe.  Bei  welchem  Körnerertrag  wird 
die  Landrente  der  Dreifelderwirtschaft  —  0,  wenn  der 
Scheffel  Roggen  auf  dem  Gute  1^/2  Tlr.  wert  ist? 

84 

271  Nach   §    14  ist  für  (10  —  x)  ^^^   Körner    die    Land- 


—    271    — 

rente  1000  Schfl.  —  152  x  Schfl.  -^  381  Taler  +  27  x  Tlr. 
Den  Scheffel  zu  IV2  Tlr,  gerechnet,  gibt  dies 
1500  Tlr.  —  228  X  Tlr.  —  381  Taler  -f  27  x  Tlr. 
oder  1119  Tlr.  —  201  x  Tlr. 

Wenn  mm  die  Landrente  =  0  sein  soll, 
so  sind  201 X  =  1119 
also     .    ,    X  =  5,57 

Der  gesuchte  Körnerertrag,  für  welche  die  Landrente  = 

84 
100 


84 
U  wird,  ist  also  (10  —  5,5t)  .-^  =  3,72. 


Dritte  Aufgabe.  Bei  welchem  Körnerertrag  ist  die 
Nutzung  des  Bodens  durch  Koppelwirtschaft  eben  so  hoch 
als  die  durch  Dreifelderwirtschaft,  wenn  für  beide  Wirt- 
schaftsarten der  Wert  des  Scheffels  Roggen  auf  dem  Gute 
V'2  Tlr.  beträgt? 

Die  Landrente  beider  Wirtschaftsarten  wird  gleich,  wenn 
nach  §  14 

1710  Schfl.  —  271 X  Schfl.  —  747  Tlr.  +  53  x  Tlr.,  als  die  272 
Landrente  der  K.  W.,  gleich  ist  1000  Schfl.  —  152  x  Schfl. 
—  381  Tlr.  +  27x  Tlr.,  der  Landrente  der  D.  F.  W. 

Alsdann  sind 

710  Schfl.  —  119x  Schfl.  —  36G  Tlr.  +  26  x  Tlr.  =  0. 

Für  einen  Scheffel  Roggen  den  Wert  von  1^/2  Tlr.  ge- 
setzt, gibt  dies 

1065  Taler  —  366    Taler  —  178,5  x  Tlr.  -f-  26  x  Tlr.  =  0 
also  699  Tlr.  —  152,5  x  =  0 
oder  X  ==  4,58. 

Für  einen  Reichtum  des  Ackers,  bei  welchem  die  Koppel-  273 

Wirtschaft    10  —  4,58   =   5,42   Körner,    die  Dreifelderwirt- 

84 
Schaft  aber  (10   —  4,58)  :r^^    =    4,55    Körner   gibt,   ist   also 

hei   dem    Preise    von    IV2   Taler  für   den   Scheffel  Roggen 


.die  Laudreute  der  Koppelwirtschaft  der  der  Dreifeldenvirt- 
scliaft  gleich. 

Ad  2. 

"Wenn  es  ausgemittelt  ist,  wieviel  wohlfeiler  der  Traus- 
port des  Korns  zu  Wasser,  als  der  zu  Lande  zu  stehen 
kommt,  so  hat  es  keine  Schwierigkeit,  den  Standpunkt  eines 
Gutes,  welches  sein  Korn  zu  "Wasser  nach  dem  Markt  schicken 
kann,  zu  bestimmen. 

Gesetzt,  die  Schiffsfi-acht  betrüge  ^/lo  der  Landfracht,  so 
ist  ein  Gut,  welches  an  einem  Fluße  liegend  100  Meilen 
vom  Marktplatz  entfernt  ist,  in  Hinsicht  des  "^'ertes  des 
Getreides  auf  dem  Gute  und  der  daraus  entspringenden 
"X'erhältuisse  dem  Gute  gleich,  welches  in  dem  isolierten 
Staat  10  Meilen  von  der  Stadt  entfernt  ist. 

Ein  Gut,  welches  ö  Meilen  vom  Fluß  entfernt  liegt, 
trägt  dann  die  Kosten  von  5  Meilen  Landfraclit  und  100 
Meilen  Schiffsfracht  und  wäre  dem  Gute  des  isolierten 
Staats  gleich,  welches  15  Meilen  von  der  Stadt  entfernt  ist. 

Ad  3. 
Die  kleinen  Städte,  welche  zerstreut  im  Lande  liegen, 
müssen  ebensowohl  als  die  Hauptstadt  mit  Lebensmitteln 
versorgt  werden,  und  diejenigen  Güter,  die  in  der  Nähe 
einer  solchen  kleinen  Stadt  liegen,  werden  ihr  Korn  nach 
dieser  Stadt  —  solange  sie  noch  etwas  bedarf  —  und  nicht 
nach  der  Hauptstadt  liefern.  Die  Zahl  der  Güter,  oder  die 
Fläche  Landes,  welche  erforderlich  ist,  um  diese  Stadt  mit 
274 den  nötigen  Lebensmitteln  zu  versorgen,  könnte  man  das 
Gebiet  der  Stadt  nennen.  Der  Hauptstadt  geht  dieses  Ge- 
biet verloren,  indem  sie  von  dort  keine  Produkte  mehr  er- 
hält, und  die  kleine  Stadt  wirkt  auf  die  Hauptstadt  in  Hin- 
sicht der  Versorgung  mit  Lebensmitteln  ebenso,  als  wenn 
jenes  Gebiet  in  eine  Sandwüste  verwandelt  wäre,  die  nichts 
hervorbringt.      Denkt   man   sich   nun   die   große  Ebene   des 


—     273     — 

isolierten  Staats  mit  vielen  solchen  Sandflächen  untermischt, 
so  muß  der  Bedarf  der  Hauptstadt  aus  weiterer  Ferne  her- 
beigeschafft werden,  und  die  Kreise  müssen,  um  den  Bedarf 
zu  liefern,  ausgedehnt  werden.  Mit  dieser  größeren  Aus- 
dehnung wachsen  aber  die  Transportkosten  des  Getreides, 
welches  von  dem  äußeren  Rand  der  Ackerbau  treibenden 
Ebene  nach  der  Stadt  geliefert  wird,  und  eine  solche  Ver- 
mehrung der  Trau  sportkosten  hat,  wie  wir  gesehen  haben, 
eine  Steigerung  des  Getreidepreises  in  der  Hauptstadt  zur 
Folge. 

In  den  kleinen  Städten  wird  aber  der  Preis  des  Ge- 
treides nach  ganz  anderen  Gesetzen  bestimmt,  als  wenn 
diese  Städte  mit  ihrem  Gebiet  isoliert  lägen.  Die  Güter, 
welche  in  diesem  Gebiet  liegen,  haben  die  Wahl,  ihr  Korn 
entweder  nach  dieser  kleinen  Stadt  zu  liefern,  oder  es  nach 
der  Hauptstadt  zu  fahren.  Was  der  Marktpreis  des  Ge- 
ti'eides  in  der  Hauptstadt  nach  Abzug  der  Verfahrungskosten 
ausmacht,  d.  h.  was  der  Wert  des  Kornes  auf  dem  Gute  ist, 
das  muß  die  kleine  Stadt  den  Produzenten  bezahlen,  wenn 
diese  bewogen  werden  sollen,  ihr  Korn  derselben  zu  überlassen. 

Die  Getreidepreise  in  den  kleinen  Städten  werden  also 
durch  den  Marktpreis  in  der  Hauptstadt  bestimmt:  ja  sie 
sind  ganz  und  gar  davon  abhängig. 

Wir  können  uns  statt  der  kleinen  Städte  eigene  Staaten 
von  beträchtlichem  Umfange  denken,  und  auch  diese  können 
beim  freien  Handel  sich  der  Allgewalt,  welche  die  große  Stadt 
in  der  Bestimmung  der  Getreidepreise  ausübt,  nicht  entziehen. 

Ad  4.  27.5 

Die  Einwirkung  der  rohen,  bloß  Yiehprodukte  liefernden 
Landstriche  auf  andere  Länder  ist  in  der  Wirklichkeit  durch 
weite  Entfernungen  oder  durch  Eingangszölle  entweder  sehr 
geschwächt  oder  auch  ganz  aufgehoben. 

Lägen  Podolien  und  die  Ukraine  westlich  der  Weichsel 

Thünen.  Der  isolierte  Staat.  18 


—     274    — 

und  könnten  die  Yiehprodukte  von  dort  zollfrei  nach  Berlin 
geliefert  werden:  so  würde  auch  jetzt  noch  im  nordwest- 
lichen Deutscliland  die  Landrente  aus  der  Viehzucht  sehr 
gering  sein. 

Mit  der  Yerminderung  oder  dem  gänzlichen  Aufhören 
einer  solchen  Einwirkung  wird  aber  das  Preisverhältnis 
zwischen  Getreide  und  animalischen  Erzeugnissen  wesentlich 
geändert  und  zugunsten  der  letzteren  gesteigert.  Die  Vieh- 
zucht kann  dann  überall  eine  mehr  oder  minder  beträchtliche 
Rente  abwerfen  —  imd  dies  hat  dann  auf  die  Grenzbestim- 
mung zwischen  D.  F.  W.  und  K.  "W. ,  noch  mehr  aber  auf 
die  zwischen  K.  W.  und  F.  W.  W.  einen  bedeutenden  Ein- 
fluß. Der  Versuch  zur  Erforschung  der  Gesetze,  die  dann 
obwalten,  würde  hier  zu  weitab  führen,  wird  aber  Gegenstand 
der  Untersuchung  im  zweiten  Teil  dieser  Schrift  werden. 

Das  Prinzip,  welches  dem  isolierten  Staat  seine  Ge- 
staltung gab,  ist  auch  in  der  Wirklichkeit  vorhanden,  aber 
die  Erscheinungen,  die  dasselbe  hier  hervorbringt,  zeigen 
sich  in  veränderten  Formen,  weil  zugleich  sehr  viele  andere 
Verhältnisse  und  Umstände  mitwirken. 

So  wie  der  Geometer  mit  Punkten  ohne  Ausdehnung, 
mit  Linien  ohne  Breite  rechnet,  die  doch  beide  in  der 
"Wirklichkeit  nicht  zu  finden  sind:  so  dürfen  auch  wir  eine 
wirkende  Kraft  von  allen  Nebenumständen  und  allem  Zu- 
fälligen entkleiden,  und  nur  so  können  wir  erkennen,  welchen 
Anteil  sie  an  den  Erscheinungen  hat,  die  uns  vorliegen. 
276  Da  es  für  ein  einzelnes  Gut  möglich  ist,  einen  Stand- 
punkt in  dem  isolierten  Staat  aufzufinden,  der  mit  den  Ver- 
hältnissen desselben  übereinstimmt;  so  läßt  sich,  abgesehen 
von  der  Schwierigkeit  der  Ausführung,  die  Möglichkeit  nicht 
leugnen,  für  ein  ganzes  Land  eine  Karte  zu  entwerfen,  auf 
welcher  der  Kreis,  wozu  eine  Gegend  gehört,  durch  die 
Färbung  angedeutet  wäre.  Eine  solche  Karte  würde  eine 
höchst  interessante  und  instruktive  Übersicht  gewähren.    Die 


—     275    — 

Kreise  "würden  aber  nicht,  wie  in  unserem  isolierten  Staat, 
regelmäßig  aufeinander  folgen ,  sondern  bunt  durcheinander 
gemischt  sein :  es  könnte  z.  B,  das  100  Meilen  von  der  Haupt- 
stadt entfernte,  aber  an  einem  Flusse  liegende  und  mit  einem 
sehr  fruchtbaren  Boden  versehene  Gut  zum  dritten  Kreise 
gehören,  während  das  10  Meilen  von  der  Stadt  liegende 
Gut  mit  Sandboden  zum  sechsten  Kreise  gehörte. 


Wir  wenden  uns  jetzt  zu  der  Betrachtung  eines  mit  der 
Landwirtschaft  natürlich  verbundenen  Gewerbes  und  einiger 
Kulturzweige,  deren  im  ersten  Abschnitt,  um  den  Zusammen- 
hang nicht  zu  unterbrechen,  keine  Erwähnung  geschehen  ist, 
und  die  wir  jetzt  mit  Beziehung  auf  die  Wirklichkeit  durch- 
gehen können. 


§  29. 
Branntweinbrennerei. 

Das  Getreide  kann  aus  dem  Kreise  der  Viehzucht  nicht 
mehr  nach  der  Stadt  geliefert  werden,  weil  die  Transport- 
kosten desselben  zu  hoch  zu  stehen  kommen ;  verwandelt 
man  aber  das  Getreide  in  ein  Fabrikat,  welches  im  Ver- 
hältnis zu  seinem  Wert  geringere  Transportkosten  erfordert : 
so  kann  der  Ackerbau  in  dem  näheren  Teil  dieses  Kreises 
noch  mit  Vorteil  betrieben  werden.  Ein  solches  Fabrikat 
ist  der  Branntwein,  indem  der  Spiritus,  der  aus  100  Schfl. 277 
Roggen  gewonnen  wird,  kaum  das  Gewicht  von  25  Schfl. 
Roggen  hat. 

Der  Abfall  der  Brennerei,  oder  die  Branntweinschlempe, 
wird  am  zweckmäßigsten  zur  Viehmastung  benutzt.  Da  nun 
der  Kreis  der  Viehzucht  ohnehin  schon  auf  Viehmastung 
angewiesen  ist,  und  da  hier  das  Getreide  und  das  Brennholz 

18* 


—     276     — 

den  möglichst  niedrigsten  Preis  haben :  so  vereinigt  sich  hier 
aUes,  was  Branntweinbrennerei  vorteilhaft  machen  kann. 

Der  Branntwein  kann  deshalb  von  hier  aus  auch  so 
wohlfeil  geliefert  werden,  daß  keine  andere  Gegend  des 
isolierten  Staats,  viel  weniger  die  Stadt  selbst,  die  Konkurrenz 
damit  aushalten  kann  —  wenn  vollkommene  Gewerbefreiheit 
stattfindet:  denn  es  ist  leicht  einzusehen,  daß  die  Hervor- 
bringung des  Branntweins  in  der  Stadt,  wo  Korn  und  Holz 
den  dreifachen .  Preis  haben  und  wo  der  nominelle  Arbeits- 
lohn viel  höher  ist,  auch  mindestens  2  bis  3  mal  so  viel  kosten 
muß,  als  wofür  diese  Gegend  den  Branntwein  liefern  kann. 

Wenn  durch  den  Gewerbezwang  die  Branntweinbrennerei 
nur  in  den  Städten  betrieben  werden  darf,  so  bewirkt  dies 
eine  Verminderung  des  Nationaleinkommens,  indem  eine 
große  Menge  Kräfte  zum  Transport  des  Kornes  und  des 
Brennmaterials  ohne  allen  Nutzen  verschwendet  werden.  Da 
aber  die  größte  Wohlfeilheit  des  Branntweins  aus  anderen 
Rücksichten  nicht  wünschenswert  ist,  so  kann  der  Staat  die 
Fabrikation  desselben  mit  einer  starken  Abgabe  belegen,  wo- 
durch derselbe  den  Preis  wieder  erhält,  wofür  der  Städter 
ihn  sonst  geliefert  hat;  und  diese  A^erteuruug  des  Brannt- 
weins wird  für  den  Staat  wohltätiger  wirken,  als  jene  durch 
unnütze  Verwendung  von  Kräften  —  die  auf  andere  nütz- 
liche Beschäftigungen  gerichtet  produktiv  verwandt  werden 
können  —  hervorgebrachte  Teurung. 
278  Die  Abteilung  des  Kreises  der  Viehzucht,  in  welcher 
die  Branntweinfabrikalion  stattfindet,  wird  Dreifelderwirt- 
schaft treiben,  weil  durch  diese  das  zum  Brauntweinbrennea 
erforderliche  Korn  am  wohlfeilsten  erzeugt  wird. 

Die  Wirtschaft,  in  welcher  Branntweinbrennerei  mit 
Viehmastung  verbunden  ist,  gibt  einen  viel  größeren  Dung- 
gewinn, als  die  auf  Kornverkauf  gerichtete  Dreifelderwirt- 
schaft; erstere  kann  also  auch  einen  größeren  Teil  des 
Ackers  mit  Getreide  bestellen,  ohne  denselben  zu  erschöpfen. 


Sehen  wir  nun  bloß  auf  die  Feldeinteilung  der  Wirtschaf- 
ten, so  werden  wir  die  die  Branntweinbrennerei  betreibende 
Abteilung  und  im  Grunde  auch  den  ganzen  Viehzucht  trei- 
benden Kreis  —  wo  aber  der  Ackerbau  nur  einen  kleinen 
Teil  des  Feldes  einnimmt  —  zum  Kreise  der  Dreifelder- 
wirtschaft rechneu  müssen.  Sehen  wir  dagegen  auf  die 
Hauptprodukte,  die  die  Wirtschaft  liefert  —  und  ich  ziehe 
diesen  Teilungsgrund  aus  mehreren  Ursachen  hier  vor  — 
so  müssen  wir  die  Gegend,  welche  Getreide  nach  der  Stadt 
bringt,  von  der,  welche  bloß  Branntwein  und  Viehprodukte 
dahin  liefert,  trennen  und  ich  nenne  diese  Gegend  vorzugs- 
weise den  Kreis  der  Dreifelderwirtschaft. 

Die  Landrente  der  auf  Kornverkauf  gerichteten  Drei- 
felderwirtschaft wird  bei  31,5  Meilen  von  der  Stadt  =  0. 
Branntweinbrennerei  und  Viehzucht  geben  an  dieser  Stelle 
aber  noch  eine  Landrente.  Die  Kreise  der  Dreifelderwirt- 
schaft uud  der  Viehzucht  müssen  sich  da  scheiden,  wo  die 
Landrente  beider  Wirtschaftsarten  gleich  hoch  ist ;  der  Kreis 
der  Dreifelderwirtschaft  kann  also  nicht  bis  31,5  Meilen  von 
der  Stadt  reichen,  sondern  muß  schon  in  etwas  geringerer 
Entfernung  von  der  Stadt  aufhören.  Wir  sind  aber,  da  wir 
die  Grüße  der  Laudrente,  die  der  Boden  durch  Branntwein-  279 
brennerei  und  Viehzucht  gibt,  nicht  kennen,  auch  nicht  im- 
stande, diese  Entfernung  in  Zalilen  anzugeben. 


§  3ü. 
Schäferei. 


Seit  der  Einfühnmg  der  Merinos  in  Deutschland  hängt 
die  Nutzung  einer  Schäferei  fast  ganz  von  der  Güte  der 
Herde  ab  und  ist  so  wenig  an  Gegend  und  Boden  gebunden. 


—     278     — 

daß  sich  schlecliterdings  nicht  allgemein  angeben  läßt,  welche 
Landrente  der  Boden,  durch  Schäferei  benutzt,  abwirft. 

Sind  einst  die  feinen  Herden  so  allgemein  geworden, 
und  ist  einst  die  Kenntnis  der  höheren  Schafzucht  so  ver- 
breitet, daß  jeder,  für  die  Bezahlung  des  Preises,  den  die 
Aufzucht  der  Schafe  kostet,  sich  iu  den  Besitz  eiuer  feineu 
Herde  setzen  kann,  und  diese  auch  zu  behandeln  versteht: 
so  wird  auch  der  Reinertrag  der  Schäfereien  Maßstab  für  die 
Größe  der  Landrente  des  zur  Schafzucht  benutzten  Bodens 
werden.  Yon  diesem  Zustand  sind  wir  jetzt  aber  noch  weit 
entfernt  und  so  lange  dieser  nicht  erreicht  ist,  so  lange  ist 
auch  die  höhere  Nutzung  der  feinen  Schafzucht  im  VerhäJtnis 
zur  Rindviehzucht  nicht  als  Landrente,  sondern  als  Zins  des 
in  der  feinen  Herde  steckenden  Kapitals  und  als  Belohnung 
der  Industrie  des  Schafzüchters  zu  betrachten. 

Die  Einführung  der  feineu  Schafe  in  Deutschland  und 
die  allmähliche  Verdrängung  der  Schafe  mit  grober  Wolle  ist 
von  manchen  interessanten  Erscheinungen  begleitet  gewesen. 
Die  gröberen  Schafe  gaben  noch  vor  30  Jahren  so  ge- 
ringen Ertrag,  daß  der  Boden  durch  solche  Schäfereien  be- 
nutzt, gar  keine  Landrente  abwarf.  Die  feinsten  Herden 
geben  dagegen  einen  so  hohen  Reinertrag,  daß  selbst  der 
Kornbau  oft  minder  einträglich  ist  als  die  Schafzucht,  und 
diese  ist  dadurch  für  den  gegenwärtigen  Moment  die  Angel, 
280  um  welche  sich  die  ganze  Wirtschaftseinrichtuug  dreht.  Um 
über  die  Zweckmäßigkeit  einer  Wirtschaft  ein  Urteil  fällen 
zu  können,  muß  man  jetzt  zuerst  die  Schäferei  besehen :  denn 
die  Güte  der  Herde  entscheidet  darüber,  welchen  Aufw^and 
man  znv  Gewinnung  des  Futters  machen  darf.  Ist  die 
Herde  von  der  ersten  Qualität,  so  bezahlt  sich  selbst  die 
Körnerfütterung  reichlich,  vielmehr  also  noch  die  Kartoffel- 
und  Kleefütterung;  und  ein  Gut,  welches  sonst  durch 
seinen  Bodenreichtum  und  durch  seine  Lage  bei  einer  kou- 
secjuenten  Bewirtschaftung  auf  Koppelwirtschaft  verwiesen 


—    279     — 

wäre,  kann   dann  mit  Vorteil   zur  Fruchtwechsel  Wirtschaft 
übergehen. 

Die  große  Einträglichkeit  der  feinen  Schafzucht  hat  im 
östlichen  Deutschland  fast  bei  allen  Landwirten  das  Streben, 
sich  feine  Herden  zu  verschaffen,  hervorgebracht.  Da  nun 
die  Schafe  sich  ziemlich  schnell  vermehren,  und  außerdem 
noch  beträchtliche  Herden  von  Merinos  aus  Spanien  und 
Frankreich  eingeführt  sind,  die  echten  Schafe  selbst  sich 
also  beträchtlich  vermehrt  haben ;  und  andererseits  fast  alle 
Schäfereien  durch  Zulassung  von  Merinoböcken  veredelt 
worden  sind :  so  hat  die  Produktion  der  feinen  Wolle  im 
östlichen  Deutschland  seit  30  Jahren  in  einem  ganz  außer- 
ordentlichen Grade  zugenommen. 

Man  glaubte  anfänglich,  daß  mit  dieser  exzessiven  Ver- 
mehrung der  feinen  Wolle  der  Preis  derselben  sehr  bald 
fallen  und  durch  Überfüllung  des  Marktes  bald  unter  den 
Preis,  der  zur  Deckung  der  Produktionskosten  erforderlich 
ist,  sinken  würde. 

Diese  Furcht  hat  sich  bis  jetzt  aber  so  wenig  bestätigt, 
daß  vielmehr  bei  dem  Sinken  der  Preise  aller  anderen  land- 
wirtschaftlichen Erzeugnisse  der  Preis  der  feinen  Wolle  fast 
die  vorige  Höhe  behalten  hat  und  also  relativ,  d.  i.  im  Ver- 
hältnis zum  Getreide,  gar  selir  gestiegen  ist.  Die  vermehrte 
Produktion  ist  stets  von  einer  gleichen  Schritt  haltenden  281 
vermehrten  Nachfrage  begleitet  gewesen,  und  der  Preis  der 
feinen  AVoile  übersteigt  den  Preis,  wofür  sie  zu  Markt  ge- 
bracht werden  kann  oder  den  natürlichen  Preis  noch  bei 
weitem. 

Wie  kann  nun  aber  der  Preis  einer  Ware  oder  eines 
Erzeugnisses  solange  über  dem  natürlichen  Preis  stehen,  und 
wie  kann  eine  so  außerordentlich  vermehrte  Produktion  noch 
immer  Abnehmer  finden  und  verbraucht  werden? 

Ich  erkläre  mir  dies  hauptsächlich  aus  folgenden  beiden 
Ursachen : 


—     280     — 

1.  aus  den  Eütdeckungen  und  Yerbesserungen  in  den 
Tuchfabriken;  und 

2.  aus  der  Bildung  eines  neuen  Scliafstammes  in  Sachsen- 
der die  spanischen  Stämme  an  Feinheit  der  Wolle 
weit  übertrifft. 

In  dem  Preise  des  Tuches  und  anderer  Wollenwaren 
machen  die  Fabrikationskosten  den  größeren,  die  Kosten  des 
rohen  Materials  oder  der  Wolle  nur  den  kleineren  Bestand- 
teil aus.  Wenn  nun  durch  große  und  ausgezeichnete  Ver- 
besserungen in  den  Fabiiken  die  Fabrikationskosten  des 
Tuches  und  anderer  Wollenwai-en  bedeutend  vermindert 
werden,  so  hat  dies  die  dreifache  Wirkung: 

1.  daß  der  Preis  der  Wollenwaren  abnimmt; 

2.  daß  der  Verbrauch  dieser  Waren  wächst;  und 

.3.  daß  das  rohe  Material,  die  Wolle,  in  größerer  Menge 
begehrt  wird,  und  der  Preis  derselben  steigt. 
Wenn  der  Käufer  zwischen  Waren,  die  eine  durch  die 
andere  ersetzt  werden  können,  die  Auswahl  hat,  so  wählt  er 
diejenige,  die  bei  gleicher  Brauchbarkeit  für-  ihn  die  wohl- 
feilste ist.  Sinkt  mm  der  Preis  des  Tuches,  während  der 
Preis  der  anderen  Bekleidungsmittel  derselbe  bleibt,  so  ver- 
282mehi*t  sich  der  Verbrauch  des  Tuches,  und  der  der  anderen 
Bekleidungsmittel  wird  eingeschränkt.  Um  den  vermehrten 
Bedarf  an  Tuch  zu  liefern  wird  eine  größere  Quantität  Wolle 
als  früher  erfordert,  zu  deren  Hervorbringung  der  Produzent 
nur  durch  erhöhte  Preise  bewogen  werden  kann.  Bei  der 
steigenden  Nachfi-age  nach  Tuch  wird  auch  der  Fabrikant 
einen  höheren  als  den  gewöhnlichen  Gewinn  ziehen  und 
dadurch  zur  Erweiterung  seiner  Fabrik  aufgefordert  werden. 
Die  Vorteile  der  neuen  Entdeckungen  teilen  sich  also  an- 
fangs zwischen  dem  Käufer,  dem  Fabrikanten  und  dem 
Produzenten  des  rohen  Materials.  Die  Fabriken  können  aber 
in  kurzer  Zeit  soweit  vermehrt  und  erweitert  werden,  daß 
aie  den  Begehr  an  Fabrikaten  befriedigen  können,  und  dann 


—    281    — 

hört  der  höhere  Gewinn  in  Unternehmungen  dieser  Art  auf : 
langsamer  geht  die  Vermehrung  des  rohen  Materials  von- 
statten, und  so  wird  auch  der  Gewinn  des  Produzenten  bei 
der  Erzeugung  dieses  Materials  längere  Zeit  dauern;  aber 
endlich  muß  auch  hier  die  Hervorbringung  mit  dem  Begehr 
ins  Gleichgewicht  treten,  und  dann  kommt  zuletzt  der  ganze 
Vorteil  der  Entdeckung  dem  Käufer  oder  Verbraucher  der 
Ware  zunutzen. 

In  Sachsen  ist  durch  sorgfältige  Auswahl  der  Zuchttiere. 
und  vielleicht  auch  durch  klimatische  und  örtliche  Ein- 
wirkungen, eine  Schafrasse  von  hoher  Feinheit  der  Wolle 
entstanden,  wovon  in  Spanien  selbst  nur  Individuen  aber 
keine  ganzen  Stämme  vorhanden  sind. 

Die  hochfeine,  sehr  sanfte  und  geschmeidige  Wolle  der 
sächsischen  Schafe  —  Elektoralschafe  genannt  —  ist  im 
hohen  Grade  zur  Verfertigung  der  feinen  Zeuge,  die  zur 
Bekleidung  der  Damen  dienen,  geeignet;  während  die  minder 
feine,  kräftige  aber  barsche  Wolle  der  spanischen  Schafe  — 
der  Infantadorasse  —  hierzu  nicht  tauglich  ist.  Diese  feineu 
Zeuge,  welche  früher  gar  nicht  aus  Wolle  verfertigt  wurden,  283 
vertreten  und  verdrängen  jetzt  zum  Teil  die  seidenen  und 
baumwollenen  Zeuge ;  und  so  schafft  sich  die  Elektoralwolle 
selbst  einen  Markt,  der  vielleicht  noch  einer  großen  Aus- 
dehnung fähig  ist. 

Indem  nun  die  Elektoralwolle  zu  Waren  verwandt  wird, 
die  früher  gar  nicht  existierten ,  kann  durch  die  Hervor- 
bringung dieser  Wolle  der  Bedarf  an  anderen  Wollgattungen 
nicht  abnehmen,  und  es  kann  deshalb  die  Produktion  der 
Wolle  im  ganzen  beträchtlich  zunehmen,  ohne  daß  dadurch 
sogleich  ein  Überfluß  entsteht. 

Vor  wenigen  Jahren  noch  war  in  einem  großen  Teil 
des  ösl  liehen  Deutschlands  das  reich  wollige  Infantadoschat" 
das  Ziel  des  Strebens,  und  ein  Schaf  von  dieser  Basse,  was 
neben   einer  mäßigen  Feinheit  der   Wolle  und  neben   dem 


—     282     — 

Wollreichtum  noch  andere  wünschenswerte  Qualitäten  zeigte, 
wurde  als  ein  Muster,  als  das  Ideal  eines  Schafes  betrachtet, 
und  es  sind  sehr  große  Summen  von  den  Landwirten  des 
nördlichen  Deutschlands  zur  Anschaffung  solcher  Herden 
verwandt. 

Jetzt  bereuen  manche  ihren  Irrtum*),  indem  man  nun 
das  Elektoralschaf  mit  hochfeiner  Wolle  als  das  Ideal  eines 
Schafes,  als  dasjenige,  wodurch  man  Grund  und  Boden  am 
höchsten  nutzen  kann,  ansieht. 

Aber  war  denn  dies  wirklich  ein  Irrtum,  gibt  es  hierin 
etwas  absolut  Vollkommenes,  gibt  es  eine  Wolle,  die  für 
alle  Zeiten  die  gesuchteste  sein  wird,  und  von  der  man 
sagen  kann,  daß  die  Scliafe,  die  diese  Wolle  tragen,  stets 
die  einträglichsten  sein  werden ;  oder  ist  ein  solches  Ideal 
mit  dem  Fortschreiten  der  Schafzucht  dem  Wechsel  unter- 
worfen ? 
284  Das  reichwollige  Infantadoschaf  trägt  ebeusoviele  Wolle, 
als  das  Landschaf  mit  grober  Wolle.  Der  Übergang  von 
diesem  zu  jeaem,  oder  die  Veredlung  des  Landschafes  bis 
zum  Grade  der  Feinheit  des  Infantadoschafes ,  ist  also  mit 
keiner  Verminderung  der  Wollschur  verbunden  und  bezahlt 
sich  hoch  durch  den  steigenden  Wert  der  Wolle. 

Nun  ist  es  aber  wohl  schon  allgemein  anerkannt,  daß 
die  höchste  Feinheit  der  Wolle  nicht  mit  dem  höchsten 
Wollreichtum  verträglich  ist,  daß  von  einem  gewissen  Punkt 
an  die  höhere  Feinheit  nur  auf  Kosten  des  Wollertrages  er- 
reicht werden  kann. 

War  nun  vor  einigen  Jahren  der  Preis  der  feinen  Wolle, 
wie  das  Infantadoschaf  sie  trägt,  1  Tlr.  pr.  Pfund  und 
trug  dieses  Schaf  3  it.  Wolle,  so  brachte  jedes  Schaf  durch 

*)  Ich  bitte  iiieiue  Leser,  zu  berücksichtigen,  daß  dies  im 
Jahre  1825  geschrieben  ist.  Seit  dieser  Zeit  hat  sich  die  Wage 
wieder  gar  sehr  zugunsten   der  mittelfeinen  Schäfereien  geneigt. 


—    283    — 

seine  Wolle  3  Tlr.  ein ;  gab  dagegen  das  Elektoralschaf 
1^/4  it.  Wolle  ä  1^/2  Tlr..  so  war  der  Wert  des  Vließes 
2^'' 's  Tlr.,  also  -^/s  Tlr.  weniger  als  beim  lufantadoschaf ;  und 
man  hatte  also  Recht,  das  Infantadoschaf  dem  Elektoralschaf 
vorzuziehen. 

Nun  ist  aber  aus  den  beiden  Ursachen,  1.  daß  es  vor- 
teilhafter war,  feine  Wolle  als  hochfeine  Wolle  zu  erzeugen; 
und  2.  daß  durch  bloße  Veredlung  der  Landschafe  schon 
jene,  aber  nicht  diese  Wolle  in  beträchtlicher  Menge  her- 
vorgebracht ist,  die  Produktion  der  feinen  Wolle  so  stark 
geworden,  daß  der  Markt  reichlich  damit  versehen  und  der 
Preis  derselben  gesunken  ist,  während  der  Preis  der  hoch- 
feinen Wolle  fast  unverändert  geblieben.  Gilt  jetzt  z.  B, 
das  Pfund  feine  Wolle  noch  36  ßl. ,  so  trägt  das  Infantado- 
schaf für  2Vi  Tlr.,  das  Elektoralschaf  aber  noch  immer  für 
2^/s  Tlr.  Wolle. 

Man  hat  also  ganz  recht,  das  Elektoralschaf  jetzt  dem 
Infantadoschaf  vorzuziehen;  aber  das  allgemeine  Streben, 
Elektoral wolle  zu  erzeugen ,  wird  binnen  wenigen  Jahren 
eine  so  große  Quantität  davon  hervorbringen,  daß  auch 285 
hiermit  der  Markt  reichlich  versehen  wird,  und  der  Preis 
derselben  fällt  —  und  man  wird  sich  dann  wieder  ein  anderes 
Ziel  zum  Gegenstand  des  Strebens  stecken  müssen. 

Mit  dem  Fallen  des  Preises  der  hochfeinen  Wolle  werden 
auch  die  daraus  verfertigten  Waren  im  Preise  fallen  und 
dadurch  aufhören,  ein  Gegenstand  des  Luxus  zu  sein.  Bei 
der  Vorliebe  der  Reichen,  nur  solche  Waren  zur  Bekleidung 
zu  nehmen,  die  so  teuer  sind,  daß  die  Minderwohlhabenden 
von  dem  Gebrauch  derselben  ausgeschlossen  bleiben,  könnten 
die  feinen  wollenen  Zeuge,  gerade  durch  ihre  Wohlfeilheit 
wieder  aus  der  Mode  kommen  und  die  seidenen  und  baum- 
wollenen Zeuge  ihre  Stelle  wieder  einnehmen. 

Zum  Glück  für  den  Produzenten  ist  aber  noch  eine 
weitere  Steigerung  der  Wollfeinheit  möglich :    man    findet 


—     284     — 

nämlich  iu  den  hochfeinen  Schäfereien  einzelne  Tiere  von 
einer  noch  weit  hervorragenderen  Wollfeinheit,  die  man  aber 
nicht  zu  vermehren  suclit,  weil  sie  wegen  des  äußerst  ge- 
ringen Wollertrags  bis  jetzt  nicht  einträglich  sind. 

Wahrscheinlich  wird  aber  einst,  wenn  die  hochfeine 
Wolle  erst  in  hinreichender  Menge  vorhanden  ist,  der  Preis 
dieser  höchst  feineu  Wolle  so  sehr  steigen,  daß  es  vorteil- 
haft wird,  diese  bis  jetzt  nicht  beachteten  Individuen  her- 
vorzusuchen  und  aus  ihnen  ganze  Stämme  zu  bilden.  Die 
Schafe,  die  diese  höchst  feine  Wolle  tragen,  liefern  nur  einen 
Wollertrag  von  1  bis  1^/2  U..  Die  Produktionskosten  der- 
selben kommen  also  sehr  hoch  zu  stehen ,  und  da  die  Ver- 
fertigung der  Zeuge  aus  so  feiner  Wolle  ebenfalls  sehr  kost- 
spielig ist:  so  werden  diese  Waren  so  teuer  sein,  daß  sie 
stets  ein  Gegenstand  des  Luxus  der  Eeichen  bleiben. 

Yielleicht  werden   einst  aus   der  Wolle   Fabrikate   von 

ebenso    ungleichem    Wert    wie    jetzt    aus    dem    Flachs    — 

286  welcher  zum   Material  für  die  grobe   Leinwand   und   auch 

für    die    feinsten     Brüsseler    Spitzen     dient    —    verfertigt 

werden. 

Wenn  aber  zuletzt  auch  die  hüchstfeine  Wolle  in  hin- 
reichender Menge  produziert  wird,  wenn  Angebot  und  Be- 
gehr gleich  geworden,  und  der  beharrende  Zustand,  wo 
weder  eine  Einschräukung  der  Produktion  noch  eine  Er- 
weiterung derselben  vorteilhaft  ist^  eintritt  —  nach  welchen 
Gesetzen  wird  dann  der  Preis  der  Wolle  und  der  Preis  der 
verschiedenen  Wollsorten  unter  sich  bestimmt  werden? 

Mit  dieser  Frage  müssen  wir  eine  andere,  nämlich  die: 
„in  welcher  Gegend  des  isolierten  Staates  wird  die  W^oll- 
produktion  stattfinden?"  verbinden. 

Wenn  der  beharrende  Zustand  eingetreten  ist,  so  finden 
die  Gesetze,  welche  wir  für  die  Preisbestimmung  anderer 
Produkte  entwickelt  haben,  auch  auf  die  Wolle  ihre  volle 
Anwendung. 


-     285    — 

Aus  den  im  §  19  dargestellten  Formeln  hat  sich  bei 
•v\-eiterer  Entwicklung  ergeben, 

1.  daß  von  zwei  Produkten,  die  dem  Gewicht  nach 
gleichen  Ertrag  von  einer  gegebenen  Fläche  liefern, 
dasjenige,  welches  die  meisten  Produktionskosten  er- 
fordert, am  fernsten  von  der  Stadt  erzeugt  werden  muß ; 

2.  daß  bei  gleichen  Produktionskosten  die  Erzeugung  des- 
jenigen Produktes,  welches  dem  Gewicht  nach  von 
derselben  Fläche  den  mindesten  Ertrag  bringt,  hinter 
dem  anderen,  d.  h.  ferner  von  der  Stadt,  geschehen  muß. 

Nun  sind  die  Produktionskosten  der  Butter  bei  gleichem 
Gewicht,  z.  B.  einer  Ladung,  geringer  als  die  der  Wolle, 
imd  von  derselben  Fläche  kann  ungleich  mehr  Butter  aJs 
Wolle  erzeugt  werden.  In  dem  isolierten  Staat  wird  also 
•die  Kuherei  die  nähere  Gegend,  die  Schäferei  die  der  Stadt 
fernere  Gegend  einnehmen. 

Die  feinen  Schafe  ti-ageu  weniger  Wolle  als  die  gröberen,  287 
erfordern  aber  kräftigeres  Futter  und  sorgfältigere  Wartung. 
Da  nun  eine  gegebene,  der  Schafzucht  gewidmete  Fläche 
weniger  feine  als  grobe  Wolle  liefert,  und  da  zugleich  die 
nämliche  Quantität  feiner  Wolle  mehr  Produktionskosten 
erfordert  als  die  grobe:  so  müssen  auch,  wenn  keine 
andere  Umstände  entgegenwirken,  die  feineren 
Schäfereien  hinter  den  gröberen,  oder  in  größerer  Entfernung 
von  der  Stadt  ihre  Stelle  finden. 

Da  ferner  die  entlegene  Gegend  eine  geringere  Land- 
rente gibt  als  die  nähere:  so  folgt  daraus,  daß  die  minder 
feineu  Schäfereien  eine  höhere  Landreute  geben,  also  ein- 
träglicher sein  werden,  als  die  feinen  Schäfereien,  obgleich 
der  Preis  der  feinen  Wolle,  wegen  der  größeren  Produktions- 
kosten ,  stets  höher  bleiben  wird ,  als  der  der  gröberen 
WoUe. 

Ich  muß  hier  wiederholen .  daß  dieser  Satz  auf  den 
Voraussetzungen : 


—     286    — 

1.  daß  alle  Schafzüchter  gleiche  Intelligenz  und  Kennt- 
nisse besitzen; 

2.  daß  die  feinen  Schafe  in  solcher  Menge  vorhanden 
sind,  daß  man  sie  ebensowohl  als  die  groben  Schafe 
für  die  Aufzuchtkosten  erkaufen  kann, 

beruht,  und  daß  derselbe  also  da,  wo  diese  Voraussetzungen 
nicht  stattfinden,  auch  keine  Anwendung  finden  kann. 

Wenn  wir  in  der  Wirklichkeit  von  diesem  vorausgesetzten 
Zustande  auch  noch  sehr  weit  entfernt  sind:  so  läßt  sich 
doch  nicht  leugnen,  daß  das  Resultat  der  fortschreitenden 
Kultur  eine  stete  Annäherung  zu  demselben  ist,  und  daß 
schon  in  dem  allgemeinen  Streben  nach  höherer  Kultur  die 
Tendenz  liegt,  im  Laufe  der  Zeit  diesen  Zustand  mehr  und 
mehr  herbeizuführen. 
288  In  der  Wirklichkeit  sind  wir  in  Hinsicht  der  Schäferei 
noch  in  der  Periode  des  Übergangs  begriffen;  in  dem  iso- 
lierten Staat  sehen  wir  dagegen  diesen  Übergang  als  vollendet 
an,  und  betrachten  nur  den  letzten  an  das  Zeitmaß  nicht 
gebundenen  Erfolg. 

Ich  habe  oben  gesagt :  „wenn  keine  andere  Umstände 
entgegenwirken";  denn  es  könnte  z.  B.  sein,  daß  das  feine 
Schaf  in  den  nie  umgebrochenen,  steppenähnliclien  Weiden 
des  Kreises  der  Yiehzucht  und  der  D.  F.  W.  ausartete  und 
wieder  grobe  Wolle  erzeugte.  In  diesem  Fall  müßte  die 
Erzielung  der  feinen  Wolle  in  dem  entlegeneren  Teile  des 
Kreises  der  Koppelwirtschaft  geschehen,  und  der  Butter- 
produktion müßte  soviel  Land  entzogen  werden,  als  zur 
Hervorbringung  des  Bedarfs  an  feiner  Wolle  notwendig 
wäre.  Die  feinen  Schäfereien  würden  dann  eine  höhere 
Landreute  gewähren,  also  einträglicher  sein,  als  die  groben 
Schäfereien;  aber  immer  würde  in  dem  der  Stadt  zimächst 
gelegenen  Teil  des  Kreises  der  Koppelwirtschaft  die  Kuherei 
vorteilhafter  sein  und  einen  höheren  Ertrag  gewähren,  als 
die  feinste  Schäferei. 


—     287     — 

Die  Frage,  ob  Quantität  und  Qualität  des  dem  Schafe 
gereichten  Futters  uud  der  Weide  auf  die  Güte  und  Feinheit 
der  Wolle  einwirke,  ist  also,  wenn  wir  auf  den  endliehen 
Erfolg,  den  unsere  Bemühungen  bei  der  Schafzucht  haben 
werden,  sehen,  von  der  äußersten  Wichtigkeit,  Fände  es 
sich  z.  B. ,  daß  die  Produktion  der  Wolle  von  der  höchsten 
Qualität  an  gewisse  Gegenden  oder  gar  an  einzelne  Güter 
gebunden  wäre:  so  würden  diese  Gegenden  oder  diese  Güter, 
ebenso  wie  die  Weinberge,  die  einen  ausgezeichnet  schönen 
Wein  liefern,  stets  eine  hohe  Rente  abwerfen,  weil  die 
Hervorbringung  dieser  Wollgattung  dann  nicht  willkürlich 
vermehrt  werden  könnte. 

Obgleich  unsere  bisherigen  Untersuchungen  das  Resultat  289 
gegeben  haben,  daß,  wenn  einst  die  Seltenheit  der  feinen 
Herden  aufgehört  hat,  und  die  Wollproduktion  mit  dem 
Bedarf  ins  Gleichgewicht  getreten  ist,  die  feinen  Schäfereien 
dann  einen  minderen  Ertrag  als  die  Kühe  und  vielleicht 
einen  geringeren  Ertrag  als  die  groben  Schäfereien  geben 
werden:  so  darf  uns  dies,  aus  mehreren  Gründen,  doch 
nicht  von  den  ferneren  Bestrebungen  zur  Veredlung  und 
Verbesserung  unserer  Herden  abhalten. 

a)  Wenn  aucli  die  jetzige  hohe  Nutzung  der  feinen 
Schäfereien  nur  während  der  Übergangsperiode  stattfindet, 
und  aufliört,  sobald  der  beharrende  Zustand  eingetreten  ist; 
so  erfordert  doch,  wie  die  Erfahrung  bereits  gelehrt  hat, 
dieser  Übergang  einen  sehr  langen  Zeitraum.  Sachsen  hat 
nun  schon  seit  60  Jahren,  das  übrige  östliche  Deutschland 
seit  ungefähr  30  Jahren,  die  Früchte  dieses  Übergangs  ge- 
nossen, und  leicht  möglich  können  noch  30  Jahre  verfließen, 
ehe  dieser  Übergang  ganz  vollendet  ist.*)    Denn  einesteils 


*)  Diese  im  Jahre  1825  ausgesprochene  Vermutung  hat  sich 
nicht  bestätigt.  Denn  wenn  auch  der  Durchschnittspreis 
der  feinen  und  besonders  der  mittelfeinen  Wolle  in  der  seit  diesem 


—     288    — 

wird  mit  dem  Sinken  der  "Wollpreise  der  Verbrauch  der 
wollenen  Waren  noch  immer  zunehmen,  die  Nachfrage  nach 
feiner  Wolle  wird  also  noch  wachsen  und  wird  selbst  durch 
die  steigende  Produktion  noch  nicht  sobald  befriedigt  werden ; 
anderenteils  wird  durch  die  vielen  Fehler,  die  bisher  bei 
den  Kreuzungen  der  Herden  gemacht  sind,  und  die  auch 
290 ferner  wohl  nicht  ausbleiben  werden,  die  Vermehrung  der 
hochfeinen  Schafe  gar  sehr  verzögert. 

b)  Das  östliche  Deutschland  allein  kann  schwerlich  so 
viele  feine  Wolle  hervorbringen,  daß  der  Preis  derselben  bis 
zu  dem  natürlichen  Preise  herabsinkt.  Dies  wird  vielmehr 
erst  dann  geschehen,  wenn  Polen,  Rußland,  Ungarn,  Austra- 
lien usw.  die  feine  Schafzucht  im  großen  und  mit  Erfolg 
betreiben.  Die  genannten  Länder  sind  in  dieser  Beziehung 
für  den  europäischen  Markt  das,  was  der  Kreis  der  Viehzucht 
für  den  isolierten  Staat  ist.  Wäre  nun  die  Vermutung,  daß 
das  feine  Schaf  auf  den  Steppeuweiden  und  auf  den  be- 
ständigen Weiden  der  Dreifelderwirtschaften  ausartet,  be- 
gründet, so  würde  auch  das  östliche  Deutschland  noch  lange 
Zeit  vorzugsweise  in  den  Besitz  der  feinen  Schäfereien 
bleiben :  denn  die  wirksame  Verpflanzung  der  feinen  Herden 
nach  jenen  Ländern,  wäre  dann  au  die  Ei-höhung  der  Kultur 
des  Bodens,  an  die  Einführung  der  Koppelwirtschaft  statt 
der  Dreifelderwirtschaft  gebunden  und  könnte  nur  lang- 
samen Schrittes  vorwärts  gehen.  Einst,  nach  einem  längeren 
Zeitraum,  werden  aber  unstreitig  auch  diese  Länder  höher 
kultiviert  sein,  und  dann  wird  dort,  wo  der  Boden  eine  nocli 


Zeitpiinkt  verflossenen  Periode  noch  über  dein  Produktionspreise 
j^estanden  hat:  so  ist  doch  in  dtiu  letzten  Jahren  der  Preis  der 
feinen  Wolle  so  tief  gesunken,  daß  bei  der  Fortdauer  dieses  Zu- 
staiides,  auf  dem  besseren  Boden  —  wenigstens  in  ]\Iecklenburg  — 
die  KuLhaltung  schon  jetzt  vorteilhafter  wird,  als  die  Haltung 
einer  feinen  Schäferei. 


—    289    — 

geringere  Landrente  gibt  als  bei  uns  im  östlichen  Deutsch- 
land, auch  die  feine  Schafzucht  einträglicher  sein  als  hier. 
Aber  ehe  noch,  durch  den  allmählichen  Übergang  zu 
diesem  Zustand,  die  feine  Wolle  bis  auf  ihren  natürlichen 
Preis  herabgesunken  ist,  wird  die  feine  Schafzucht  in  den 
reicheren  und  höher  kultivierten  Ländern  des  westlichen 
Europas,  namentlich  in  Frankreich,  schon  längst  unvorteilhaft 
geworden  sein.  Die  Vermehrung  der  feinen  Schafe  in  den 
östlichen  Staaten  ist  also  mit  einer  Verminderung  derselben 
in  den  westlichen  Ländern  verbunden,  wodurch  die  Periode 
des  Überganges  notwendig  sehr  verlängert  werden  muß. 

c)  Wenn  aber  dies  alles  auch  nicht  wäre,  wenn  die 29t 
Wolle  auch  schon  jetzt  zu  dem  Preise,  den  man  beim  völlig 
freien  Handel  durch  ganz  Europa  den  natürlichen  Preis 
nennen  könnte,  herabgesunken  wäre:  so  sind  wir  doch  bei 
den  gegenwärtig  vorherrschenden  Sperrsystemen  sclilechthiu 
auf  die  Erzeugung  feiner  Wolle  verwiesen. 

Der  Weltmarkt  von  London  ist  für  alle  unsere  anderen 
landwirtschaftlichen  Erzeugnisse  verschlossen,  und  bloß  für 
die  Wolle  offen.  Durch  diese  Sperrungen  sind  nun  alle 
Bande,  die  die  Nationen  früher  aneinander  knüpften,  zer- 
rissen; keins  der  Gesetze,  wodurch  beim  freien  Handel  der 
Preis  des  Getreides  bestimmt  wird,  kann  wirksam  werden; 
jeder  Staat  will  für  sich  ein  isolierter  Staat  sein. 

Die  westlichen  Staaten  haben  durch  die  Sperrung  einen 
unnatürlichen  hohen  Getreidepreis  erzwungen,  während  dieser 
in  den  östlichen  sonst  kornausführenden  Ländern  unnatürlich 
niedrig  geworden  ist.  Der  Weltmarkt  von  London ,  der 
früher  den  Preis  aller  unserer  landwirtschaftlichen  Erzeug- 
nisse regulierte,  bestimmt  jetzt  nicht  mehr  den  Preis  unseres 
Getreides,  aber  noch  den  der  Wolle.  Der  Weizen  gilt  jetzt 
in  London  das  Dreifache  von  dem,  was  er  in  den  Häfen  der 
Ostsee  gilt,  der  Preis  der  Wolle  ist  in  London  nur  um  den 
Betrag  der  Transportkosten  höher  als  bei  uns,  und  während 

Thünen,  Der  isolierte  Staat.  19 


—     290     — 

der  Preis  des  Getreides,  des  Fleisches,  der  Butter  usw.  bei 
uns  bis  zum  Unwert  gesunken  ist,  ist  der  Preis  der  Wolle 
geblieben,  wie  ihn  der  freie  Welthandel  reguliert. 

Dies  ist  nun  der  eigentliche  Grund,  warum  dje  Schaf- 
zucht so  außer  allem  Yerhältnis  bei  uns  einträglicher  ist, 
als  die  Rindviehzucht  und  Pferdezucht.  Wir  werden  dadurch 
nicht  bloß  aufgefordert,  sondern  gezwungen,  unsere  ganze 
Kraft  und  Aufmerksamkeit  auf  die  Schafzucht  zu  richten. 
2;)2  Auch  beim  völlig  freien  Handel  gilt  wegen  der  bedeu- 
tenden Transportkosten  der  Weizen  in  den  Häfen  der  Ostsee 
nur  2/3,  höchstens  -Vi  des  Londoner  Marktjsreises.  Für  den 
englischen  Landwirt  ist  dadurch  der  Kornbau,  auch  ohne 
alle  weitere  Begünstigung,  gar  viel  vorteilhafter  als  für 
uns,  und  der  Kornbau  muß  in  England  eine  hohe  Landrente 
gewähren.  Dieses  Übergewicht  des  englischen  Landbaues 
wird  dagegen  bei  der  AVoll Produktion  höchst  unbedeutend: 
denn  die  rohe  Einnahme  von  der  Scliäferei  —  insofern 
diese  aus  der  Wolle  erfolgt  —  ist  in  England  nur  soviel 
höher,  als  der  Traiis]3ort  der  Wolle  nach  dem  Londoner 
Markt  weniger  kostet.  Wir  können  also  eine  Weidefläche 
oder  eine  gegebene  Quantität  Futter  durch  Schäferei  fast 
eben  so  hoch  nutzen  wie  die  Engländer.  Der  Eeinertrag  ist 
aber  bei  uns  aus  eben  den  Gründen,  warum  in  dem  isolierten 
Staat  die  Landrente  aus  der  Yiehzucht  in  der  Nähe  der 
Stadt  negativ,  in  der  größeren  Entfernung  positiv  ist,  bei 
nns  sehr  viel  höher,  und  die  Engländer  werden  also  beim 
freien  Handel  nie  die  Konkurrenz  mit  uns  aushalten  können. 
Je  größer  die  Differenz  in  den  Kornpreisen  wird ,  um  i^<'> 
größer  wird  der  Verlust,  den  die  Schafzucht,  insofern  diese 
auf  Wollproduktion  gerichtet  ist,  in  England  bringt,  um  so 
höher  der  Gewinn,  den  sie  hier  gibt,  und  so  muß  unfehlbar 
das  Sperrsysteni  und  die  dadurch  bewirkte  künstliche  Teurunu- 
des  Getreides,  das  Sinken  der  Schafzucht  in  England  uml 
das  Emporblühen  derselben  bei  uns  zur  Folge  haben. 


—     291     — 

d)  Die  liühere  Schafzucht  erhält  dadurch  noch  einen 
besonderen  Reiz,  daß  die  Regeln,  wonach  hier  verfalrren 
werden  muß,  nicht  so  klar  vorliegen,  wie  bei  anderen  Kultur- 
zweigeu  der  LandAvirtschaft,  und  zum  Teil  selbst  noch  un- 
erforscht sind.  So  wie  der  Ertrag,  den  die  Schäferei  liefert.  29;} 
von  der  Güte  der  Herde  abhängt,  so  hängt  wiederum  die 
Erhaltung  und  weitere  Veredlung  der  Herde  von  der  Per- 
sönlichkeit des  Landwirtes,  von  seiner  Aufmerksamkeit  imd 
seiner  mehr  oder  minder  richtigen  Ansicht  ab.  Nun  ist  es 
aber  sehr  zu  bezweifeln,  ob  die  Kenntnisse,  welche  zur 
höheren  Veredlung  einer  Herde  gehören,  jemals  ein  Gemein- 
gut werden  können,  und  ob  die  mechanische  Erlernung  von 
Regeln  oder  die  Nachahmung  eines  Vorbildes  hier  jemals 
ausreichen  wird.  Reicht  dies  aber  nicht  zu,  so  wird  auch 
der  Ertrag  der  vorzüglichsten  Schäfereien  niemals  ganz  zur 
Landrente  übergehen,  sondern  ein  Teil  desselben  wird  Lohn 
der  richtigeren  und  tieferen  Einsicht  bleiben.  - 


§  31. 
Anbau  der  Handelsgewächse. 

Wir  haben,  wie  schon  früher  angeführt  ist,  angenommen, 
daß  der  Acker  jedes  Gutes  in  zwei  Abteilungen  geteilt  .sei. 
wovon  die  erstere,  größere  Abteihmg  sich  in  und  durch  sich 
selbst  in  gleicher  Kraft  erhält,  die  zweite  Abteilung  aber  den 
Dung  aus  den  Wiesen  bekommt  und  in  der  Bewirtschaftungs- 
art  anderen  Regeln  folgt  als  die  erste. 

In  dem  ersten  Abschnitt  dieser  Schrift,  wo  von  der 
Gestaltung  des  isolierten  Staates  die  Rede  war,  und  wo  wir 
die  verschiedenen  Wirtschaftssysteme  in  ihrer  reinen,  ein- 
fachen  Form   betrachteten,   durften   wir  nur  die  erste  Ab- 

19* 


—     292    — 

teilung  des  Ackers  iu  Betracht  ziehen  imd  kouuten  des 
Anbaues  der  Handelsgewäclise  gar  nicht  erwähnen. 

Nun  ist  es  aber  mit  unseren  übrigen  Annahmen  voll- 
kommen verträglich,  wenn  wir  uns  denken,  daß  der  Anbau 
der  Handelsgewächse  in  der  zweiten  Abteilung  stattfindet,  und 
wir  müssen  jetzt  untersuchen,  in  welcher  Gegend  des  isolierten 
Staates  die  Kultur  der  verschiedenen  Arten  von  Handels- 
gewächsen, deren  die  Stadt  bedarf,  betrieben  Averden  wird. 
294  Im  §  19  ist  der  Satz,  daß,  bei  gleichen  Produk- 
tionskosten, dasjenige  Gewächs,  auf  welches 
eine  größere  Landrente  fällt,  ferner  von  der 
Stadt  gebaut  werden  muß,  ausgesprochen.  Bei  der 
Anwendung  dieses  Satzes  auf  bestimmte  Gewächse  muß  nun 
die  Frage :  „wie  für  ein  gegebenes  Gewächs  die  auf  dasselbe 
fallende  Landrente  ausgemittelt  werden  könne"  zur  Sprache 
kommen. 

In  der  7  schlägigen  Koppelwirtschaft  muß  jeder  Ge- 
treideschlag mit  einem  Weideschlag  verbunden  sein,  um  die 
durch  den  Getreidiebau  bewirkte  Aussaugung  zu  ersetzen. 
Nehmen  wir  nun  —  um  die  Frage  zu  vereinfachen  —  vor- 
läufig an ,  daß  hier  von  derjenigen  Gegend ,  wo  die  Vieh- 
haltung, also  auch  der  Weideschlag,  gar  keine  Landrente, 
aber  auch  keinen  Verlust  bringt,  die  Rede  sei:  so  muß  der 
Getreideschlag  die  Landrente  von  2  Schlägen  tragen ,  oder 
auf  den  Getreideschlag  fällt  die  doppelte  Landrente  von  dem, 
was  dieser  der  Fläche  nach  tragen  würde. 

Vergleicht  man  nun  mit  dem  Getreide  ein  Gewächs,  das 
den  Boden  noch  stärker  erschöpft,  z.  B.  zwei  Weideschläge 
statt  eines  zum  Ersatz  der  bewirkten  Aussaugung  bedarf, 
so  wird  diesem  Gewächs  die  dreifache  Landrente  von  der- 
jenigen Fläche,  wo  dasselbe  gebaut  ist,  zur  Last  fallen.  Bei 
gleichem  Ertrage,  dem  Gewicht  nach,  wird  also  stets  das- 
jenige Gewächs,  welches  die  größte  Aussaugung  bewirkt,  auch 
die  größte  Landrente   zu  tragen   haben ,   und  dem  oben  er- 


—    293    — 

wähnten  Gesetz  zufolge  wird  also  das  den  Boden  am  meisten 
erschöpfende  Gewächs  am  fernsten  von  der  Stadt  erzeugt 
werden  müssen. 

Findet  dies  aber  schon  dann  statt,  wenn  die  Landrente 
der  Weideschläge  =  0  ist;  so  muß  dies  noch  um  so  mehr 
der  Fall  sein,  wenn  die  Weideschläge  in  der  Nähe  der  Stadt 
eine  negative,  in  größerer  Entfernung  aber  eine  positive  Land-  2i)5 
rente  geben :  denn  das  stärker  erschöpfende  Gewächs,  in  der 
Nähe  der  Stadt  gebaut,  muß  dann  nicht  bloß  die  dreifache 
Landrente  von  der  Fläche,  auf  w^elcher  es  erzeugt  wird, 
tragen,  sondern  auch  noch  den  Verlust,  den  die  zwei  mit 
demselben  verbundenen  Weideschläge  bringen,  mit  über- 
nehmen; während  für  dasselbe  Gewächs,  in  größerer  Ent- 
fernung von  der  Stadt  gebaut,  von  der  dreifachen  Landrente 
der  Ertrag,  den  die  beiden  Weideschläge  geben,  wieder  in 
Abzug  kommt. 

In  Verbindung  mit  den  im  §  19  aufgestellten  Gesetzen 
gehen  hieraus,  für  die  Bestimmung  der  Reihenfolge,  in 
welcher  die  verschiedenen  Handelsgewächse  nacheinander 
gebaut  werden  müssen,  folgende  Sätze  hervor: 

1.  bei  gleichen  Produktionskosten  und  demselben  Ertrag, 
dem  Gewicht  nach,  muß  dasjenige  Gewächs,  welches 
den  Boden  am  stärksten  erschöpft,  am  fernsten  von 
der  Stadt  gebaut  werden; 

2.  bei  gleichem  Ertrage  und  gleicher  Aussaugung  wird 
dasjenige  Gewächs,  welches  die  meisten  Produktions- 
kosten erfordert,  in  der  entlegeneren  Gegend  erzeugt; 

3.  bei  gleicher  Aussaugung  und  gleichen  Produktionskosten 
muß  das  Gewächs,  was  von  einer  gegebenen  Flüche 
den  kleinsten  Ertrag,  dem  Gewicht  nach,  liefert,  in  der 
größeren  Entfernung  von  der  Stadt  erzielt  werden. 

Wir  kommen  jetzt  zu  der  Anwendung  dieser  Sätze  auf 
einzelne  Handelsgewächse.  Über  den  Grad  der  Aussaugung 
der  meisten  dieser  Gewächse  herrscht  aber  unter  den  Land- 


—     294     — 

Wirten  eine  solche  Meinungsverschiedenheit,  daß  es  fast 
scheint,  als  sei  die  Erfahrung  von  Jahrtausenden,  während 
welcher  die  Landwirtschaft  schon  betriehen  ist,  rein  ver- 
loren gegangen.  Unter  diesen  Umständen  darf  man  auch 
die  Zahlen,  wodurch  ich  in  dem  Folgenden  den  Grad  der 
29B  Aiissaugung  der  Handelsgewächse  bezeichne,  nur  wie  Zahlen, 
womit  man  eine  Buchstabenformel  zu  erläutern  pflegt,  an- 
sehen: jedoch  muß  ich  hinzufügen,  daß  ich  sie  durch  keine 
richtigeren  zu  ersetzen  weiß. 

1.  Raps. 

In  früherer  Zeit  hielt  man  in  Mecklenburg  den  Kaps 
für  sehr  aussaugend,  und  ich  habe  auch  in  der  ersten  Auflage 
dieser  Schrift,  der  Autorität  v.  Thaer  und  v.  Voght  folgend, 
die  Aussaugung  desselben  hoch  angenommen.  Auch  habe  ich 
damals  den  Ertrag  des  Rapses  viel  zu  hoch  angeschlagen, 
indem  ich  bei  unzulänglichen  eigenen  Erfahrungen,  die  Data, 
welche  mir  ein  benachbartes  Gut  darbot,  wo  der  Rapsbau 
im  kleinen  auf  sehr  fruchtbarem  Boden  mit  ausgezeichnetem 
Erfolge  betrieben  wurde,  meinen  Ansätzen  zu  gründe  legte. 

Seit  jener  Zeit  hat  sich  aber  in  Mecklenburg  der  Raps- 
bau fast  auf  allen  Gütern  mit  besserem  Boden  verbreitet,  und 
ist  auf  einzelnen  Gütern  bis  zur  Besamung  eines  ganzen- 
Schlages  ausgedehnt.  Ich  kann  deshalb  jetzt  neben  meinen 
eigenen  längeren  Erfahrungen  auch  die  auf  anderen  Gütern 
geraachten  Beobachtungen  benutzen  und  der  folgenden  üntej- 
suchung  zu  gründe  legen. 

Der  Rapsbau  ist  in  Mecklenburg  für  viele  Landwirlo 
die  Quelle  des  Wohlstandes  und  in  Verbindung  mit  dem 
Mergeln  ein  Hebel  zur  Steigerung  der  Pacht-  und  Kauf- 
preise der  Güter  geworden.  Da  nun  der  Rapsbau  in  Ländern, 
Avo  derselbe  noch  nicht  eingeführt  ist,  künftig  Ahnliches 
leisten  kann,  so  glaube  ich  mich  über  diesen  Gegenstand 
hier  ausführlich  verbreiten  zu  dürfen. 


—    295    — 

Aussaugung  des  Rapses. 

Es  gibt  in  Mecklenburg  ein  Gut  (Bülow),  wo  bei  einer 
den  Acker  nicht  schonenden  Fruchtfolge  der  Rapsbau  auf 
ganzen  Schlägen  seit  ungefähr  30  Jahren  betrieben  ist  — 297 
und  dieses  Gut  ist  in  der  Kultur  nicht  zurückgegangen, 
sondern  fortgeschritten.  Dies  Faktum  allein  ist  jedoch  für  die 
geringe  Aussaugung  des  Rapses  nicht  entscheidend;  denn 
dieses  Gut  hat  eine  sehr  bedeutende  Heuwerbung  und  be- 
sitzt vorzügliche  Moder,  welche  in  großen  Quantitäten  auf 
den  Acker  gebracht  ist. 

Der  selige  Domänenrat  Pogge  zu  Roggow  —  welcher, 
um  nach  dem  hinten  im  Felde  gesäten  Raps  zu  gelangen, 
mitten  durch  den  vorderen  gleichmäßig  gedüngten  Acker 
einen  Streifen  mit  Raps,  das  übrige  Land  aber  mit  Roggen 
besäte  —  fand,  daß  der  Hafer  in  der  dritten  Saat  auf  dem 
Streifen,  der  Raps  getragen  hatte,  besser  stand,  als  da,  wo 
in  der  ersten  Saat  Roggen  gewesen  war.  Sein  Sohn,  Herr 
J.  Pogge,  jetzt  auf  Roggow  —  zu  dessen  Umsicht  und  Ge- 
nauigkeit im  Experimentieren  ich  das  vollste  Vertrauen  habe 
—  stellte  zur  Ermittlung  der  Aussaugung  des  Rapses  einen 
eigenen  Versuch  an  und  fand,  daß  der  Hafer,  dem  erstens 
Raps,  zweitens  Weizen  vorangegangen  war,  einen  größeren 
Ertrag  gab  als  der  Hafer,  welcher  bei  sonst  gleicher  Be- 
handlung nach  Weizen  in  der  ersten  und  Gerste  in  der 
zweiten  Saat  folgte. 

Abgesehen  von  diesen  einzelnen  Beobachtungen  zeigte  es 
sich  im  allgemeinen  bei  der  ersten  Einführung  des  Raps- 
baues, daß  der  Weizen  nach  Raps  fast  eben  so  üppig  wuchs 
als  nach  reiner  Brache,  und  die  Aussaugung  des  Rapses 
schien  durch  die  im  Acker  zurückbleibenden  Wurzeln  und 
Stoppeln  und  durch  die  im  Herbst  abfallenden  Blätter  dieser 
Pflanze  größtenteils  gedeckt  zu  werden.  Indessen  habe  ich, 
so  wie   mehrere  andere   Landwirte,   bemerkt,   daß  bei  der 


—     296    — 

Wiederkehr  des  Rapses  auf  derselben  Stelle  der  nach  dem- 
selben folgende  Weizen  gegen  den  Brachweizen  weit  mehr 
298  zurücksteht  als  in  der  ersten  Rotation,  und  daß  jener  stehen 
bleibt,  wenn  dieser  sich  lagert.  Es  scheint  hiernach,  als 
wenn  der  Raps  einen  eigentümlichen  Stoff  —  vielleicht 
Kali  —  vorzugsweise  zu  seiner  Nahrung  auswählt,  Avenn 
derselbe  in  hinreichender  Menge  vorhanden  ist;  dann  aber, 
wenn  der  angehäufte  Vorrat  von  diesem  Stoff  konsumiert 
ist,  die  anderen  Bestandteile  des  Dunges  sich  mehr  aneignet. 
Aus  der  Summe  der  mir  bis  jetzt  vorliegenden  Er- 
falirungen  und  Beobachtungen  glaube  ich  nun  mit  einiger 
Wahrscheinlichkeit  folgern  zu  dürfen,  daß  die  Aussaugung 
des  Rapses,  wenn  derselbe  nicht  öfter  als  alle  12 — 14  Jahre 
auf  derselben  Stelle  wiedei'kehrt ,  sich  zu  der  Aussaugung 
des  Roggens  wie  2  zu  3  verhält  —  daß  also  ein  Schlag  Raps 
-'3  soviel  Dung  konsumiert,  als  ein  Sclilag  Roggen  auf  Boden 
von  gleichem  Reichtum. 

Ertrag  des  Rapses. 

In  dem  Zeitraum  von  1830 — 40,  wo  der  Rapsbau  zu 
T.  zwai"  nicht  im  großen,  aber  doch  in  größerer  Ausdehnung 
als  früher  betrieben  ist,  betrug  der  Durchschnittsertrag  des 
Rapses  7, 10  Berliner  Scheffel  von  100  DR. 

Die  Ertragsfähigkeit  des  Bodens,  auf  welchem  der  Ra])s 
gebaut  ist,  schätze  ich  für  den  Roggen  (abgesehen  davon, 
daß  diese  Frucht  sich  bei  einem  solchen  Bodenreichtum 
lagern  würde)  auf  12  Schfl.  pr.  100  DR. 

Die  Notizen,  welche  ich  von  anderen  Gütern  über  den 
Durchschnittsertrag  des  Rapses  auf  ähnlichem  Boden  erhalten 
habe,  stimmen  hiermit  ziemlich  überein,  und  im  all- 
gemeinen nehme  ich  an,  daß  der  Durchschnittsertrag  des 
Rapses  sich  dem  Maße  nach  zu  dem  des  Roggens  wie  6:10 
verhält,  welches  auf  Boden  von  12  Schfl.  Roggenertrag  12  X ''  10 
1=  7,2  Schfl.  Raps  pr.  100  DR.  beträgt. 


—     297     — 

Der  Rapsertrag  pr,  100  Dß.  war  in  den  früheren  Jahren  299 
bedeutend  größer  als  jetzt  und  betrug  in  dem  Zeitraum  von 
1820—30  zu  T.  9,72  Schfl.  Diese  Abnahme  des  Ertrages 
rührt  zum  Teil  daher,  daß  bei  dem  Anbau  im  kleinen  der 
Acker  für  den  Raps  noch  sorgfältige]-  ausgewählt  werden 
konnte;  hauptsächlich  aber  entspringt  diese  Abnahme  aus 
der  ungeheuren  Vermehrung  der  Todfeinde  des  Rapses  — 
der  Glanz-  und  Rüsselkäfer,  wovon  jene  die  Blüten  verzehren, 
diese  die  Schoten  anbohren.  Diese  Käfer  waren  bei  der 
ersten  Einführung  des  Rapsbaues  in  so  geringer  Menge  vor- 
handen, daß  sie  kaum  bemerkt  wurden ;  mit  der  Ausbreitung 
des  Rapsbaues  hat  aber  ihre  Yermehrüng  so  zugenommen 
und  ihre  Yerheerungen  sind  in  den  drei  letzten  Jahren  so 
arg  geworden,  daß  die  Rapsfelder  zum  Teil  umgehaekt 
werden  mußten. 

Es  findet  ferner  eine  Abnahme  des  Ertrages  des  Rapses 
statt,  wenn  derselbe  in  der  zweiten  Rotation  auf  derselben 
Stelle  gebaut  wird,  wo  er  in  der  ersten  Rotation  gestanden 
hat,  und  dies  zeigt  sich  auch  dann,  wenn  der  Boden  noch 
denselben  Reichtum  und  für  andere  Früchte  dieselbe  Er- 
tragsfähigkeit wie  im  ersten  Umlauf  besitzt.  Dies  wird  zwar 
nicht  von  allen  Landwirten  zugestanden,  und  es  gibt  auch 
Bodenarten,  wo  diese  Abnahme  langsamer  erfolgt  und  erst 
später  bemerkbar  wird,  auch  kann  derselbe  durch  Auffahren 
gewisser  Moderarten  entgegen  gewirkt  werden:  aber  der 
obige  Satz,  der  sich  auf  die  Beobachtungen  im  allgemeinen 
und  auf  die  Erfahrungen  in  den  Menschen,  wo  der  Rapsbau 
seit  Jahrhunderten  heimisch  ist,  stützt,  wird  dadurch  nicht 
entkräftet. 

Beträgt  nun,  unserer  obigen  Annahme  gemäß,  die  Aus- 
saugung einer  Rapsernte  -/s  von  dem,  was  eine  Roggenernte 
diesem  Boden  entnehmen  würde,  so  erschöpft  eine  Rapsernte 
von  7,2  Schfl.  den  Boden  um  12^  X  -/s  =  8";  die  auf  einen  300 
geernteten  Scheffel  Raps  fallende  Aussaugung  beträgt  also  l.ii". 


298 


Berechnung    der   Landrente,    welche    dem    Raps 
zur  Last  fällt. 

Die  Roggenernte  von  12  Scheffeln  kostet  dem  Boden 
12^,  die  Rapsernte  von  7.2  Scheffeln  entnimmt  dem  Boden 
80  Reichtum. 

Der  Roggen  liefert  12  X  190  =  228(i  //.  Stroh,  woraus 

2280 

-qjrr  =  2,62  Fuder  Dung  erfolgen,  die  auf  einem  Boden  von 

3,-'0  Qualität  2,r,2  X  3,.'  =  8,3^o  Reichtum  ersetzen.  Nach 
Abzug  dieses  Ersatzes  bleibt  für  den  Roggen  eine  Erschöpfung 
von  12«  —  8,38»  =  3,02«. 

Den  Strohgewinn  des  Rapses  habe  ich  bei  einer  mitt- 
leren   Ernte    im    Jahre    1838   zu    1200  f^f.  pr.   100  GRuten 

1200 
geschätzt.    Daa'aus   erfolgen    ^- .    =    1,3>  Fuder  Dung  und 

1,38  X  3,2  =  4,42^  Reichtum.  Den  Ersatz  aus  dem  Stroh 
abgezogen,  bleibt  die  Aussaugung  8*^'  —  4,42*^  =  3,3-°. 

Obgleich  der  Raps  den  Boden  bedeutend  weniger  er- 
schöpft als  der  Roggen,  so  bedarf  derselbe  des  geringeren 
Strohgewinns  wegen  doch  fast  genau  denselben  Dungzuschuß 
wie  der  Roggen  —  und  wenn  ein  Roggenschlag  zur  Deckung 
der  Aussangung  des  Ersatzes,  den  ein  Weideschlag  gewährt, 
bedarf:  so  muß  ein  Rapsschlag  ebenfalls  mit  einem  Weide- 
ächlage  verbunden  sein,  um  das  Gleichgewicht  im  Boden- 
reichtum zu  erhalten. 

Auf  den  Rapsschlag  fällt  also  auch  dieselbe  Landrente, 
wie  auf  den  Roggen  schlag. 

Yerteilt  man  aber,  wie  dies  die  nachfolgende  Berech- 
nung fordert,  die  Landrente  auf  die  geerntete  Scheffelzahl: 
so  müssen  7,2  Schfl,  Raps  soviele  Landrente  als  12  Seht). 
301  Roggen ,  1  Schfl.  Raps  also  l^/a  mal  soviel  als  1  Schfl. 
Roggen  tragen. 


—     299     — 

Produktionskosten  des  Rapses  imYergleichmit 
denen  des  Roggens. 

a)  Roggen. 
Ein  Schlag  von  10000  DR.  nnd  1200  Schfl.  Ertrag  ei> 

fordert : 

Tlr.  N%    Tlr.  N«/, 

Bestellungskosten 274,5  .      — 

Einsaat 145,7  .       — 

Erntekosten  inkl.  des  Dreschens    ...  —  .  190,s 

Dungfnhren  zum  Ersatz  der  Aussaugung  —  .      70,s 

Allgemeine  Kulturkosten  2fi,(;  '^'o  vom 

Rohertrag —  .382 

420,2  .  64.3,1  • 


1063,3. 
Für  1200  Schfl,  betragen  demnach  die  Produktionskosten 
1063,3  Tlr. 

Dies  macht  für  1  Schfl.  Roggen  0,sm;  Tlr.  N-/.;. 

b)  Raps. 
Für    einen   Schlag    von    10 000  DR.   nnd    720   Scheffel 

Ertrag  betragen: 

Tlr.  N'^3  Tlr.  N^, 

die  Bestellungskosten  274,:.  Tlr.  X  1  Vs^  =     308,s  .  — 

die  Einsaat.     .     :     . 1.5,n  .  — ■    ' 

lie  Erntekosten —  .  206,t> ' 

die  Dungfuhren  70,n  X  -  3  =  .     .     .     .       —  .  47,-' ' 

ilie  allgemeinen  Kulturkosten    ....       —  .  325,3   ■ 

323.-  .  579,4  '' 


Die   Produktionskosten  von  720  Schfl.  betragen  903,-'. 
Dies  macht  für  1  Schfl.  Raps  1,25  r  Tlr.  Wlo.     , ,     , 
Zwischen  den  Produktionskosten   des  Roggensimd  de^302 

Rapses  findet  also  das  Verhältnis  von  0,is8r, :  1,254  =  100  :  141,1 

statt. 


—     300     — 

Erklärungen  zu  vorstehender  Berechnung. 

Die  Bearbeitung  der  Brache  zum  Raps  muß  sorgfältiger 
sein,  in  kürzerer  Zeit  beschafft  werden,  und  teilweise  ist 
eine  Fahre  mehr  erforderlich  als  zum  Roggen ;  auch  fällt  die 
Saatbestellung  des  Eapses  mit  den  dringenden  Geschäften 
der  Kornernte  zusammen.  Aus  diesen  Gründen  habe  ich  die 
Kosten  der  Brachbearbeitung  zum  Raps  um  ^Is  höher  als 
zum  Roggen  angenommen. 

Die  Erntekosten  des  Rapses  sind  liier  so  angesetzt,  wie 
meine  Berechnung  für  das  Jahr  1S38,  wo  der  f^aps  zu 
Tellow  eine  Mittelernte  lieferte,  sie  ergeben  hat. 

Wenn  der  Durchschnittspreis  des  Rapses,  wie  ich  an- 
nehme, l-Zsmal  so  hoch  ist  als  der  des  Roggens:  so  ist  der 
Wert  der  Rapsernte  dem  der  Roggenerntc  gleich.  Die  all- 
gemeinen Kulturkosten  stehen  im  Verhältnis  mit  dem  Roh- 
ertrage, und  es  würden  hiernach  dem  Rapsschlage  eben  so 
wie  dem  Roggenschlage  382  Tlr.  dafür  anzurechnen  sein. 
Da  aber  der  Raps  keinen  Scheunenraum  erfordert,  so  geht 
das,  was  dem  Roggen  dafür  angerechnet  ist,  mit  ö6,:  Tlr. 
davon  ab,  und  es  bleiben  alsdann  325,.i  Tlr. 


Transportkosten  des  Rapses. 
Der  Raps  hat  pr.  Scheftel  beinahe  dasselbe  Gewicht 
wie  der  Roggen,  und  in  dieser  Beziehung  könnten  auch  die 
Transportkosten  für  beide  Früchte  gleich  hoch  gerechnet 
werden.  Da  aber  der  Raps  nicht  wie  der  Roggen  im  Winter, 
sondern  gewöhnlieh  gleich  nach  der  Rapsernte  —  also  zu 
einer  Zeit,  wo  die  Geschäfte  dringend  sind,  und  die  Ab- 
wesenheit der  Pferde  vom  Gut  häufig  mit  Versäumnis  anderer 
303 wichtiger  Arbeiten  verbunden  ist  —  verfahren  wird:  so 
schlage  ich  die  Transportkosten  desselben  20  %  höher  an,  als 
die  des  Roggens."^) 

*)  Der  Gebraiu'li,  (U-n  Kaps  gleich  nach  ilt-r  Krnte  desselben 


—    301     — 

1q  welchem  Verhältnis  stehen  die  Preise,  zu  denen 

der    Raps    aus    den    verschiedeneu    Gegenden     des 

isolierten   Staates    nach    der  Stadt   geliefert   werden 

kann,   und  in  welcher  Gegend  gewährt  der  Rapsbau 

den  höchsten  Reinertrag? 

Xachdem  wir  das  Verhältnis,   was   zwischen  Raps  und 

Koggen    in    bezug    auf   Produktionskosten,    Landrente    und 

Transportkosten  stattfindet,  ermittelt  haben,  sind  wir  durch 

die  im  §  17  dargestellte  Formel  für  die  Kosten,  zu  welchen 

der  Roggen   aus  jeder   Gegend   des  isolierten   Staates   nach 

dei  Stadt  geliefert  werden  kann,   in  den  Stand  gesetzt,  die 

vorliegende  Aufgabe  zu  lösen. 

Für   eine  Ladung   von   28,(;  Scheffel  Raps  betragen,   in 
der  Entfernung  von  x  Meilen  von  der  Stadt, 

die  Produktionskosten 

5975  —  93,2  X  _  8449  —  131,sx 

182-1-  X       ^  -^''^'  ~       182  -{-  X 

die  Landrente 

1838  —  64,2  X  ,     _  3063  —  107  x 

182  -I-  X       ^    ^^  ~        182  +  X 

die  Transportkosten 
199,3  x_  _   J39,ix 


182  -|-  X  ^    '■     ~   182  -}-  X 


^  ,      ..    ,         11512  +  0,GX 

Summe  der  Kosten     — :r7T^ — J — 

182  -f-  X 


zu  verkaufen  uud  zu  verfahren ,  scheint  zwar  mit  dem  ßapsbau 
nicht  notwendig-  verbunden  zu  sein;  ich  habe  aber  in  einer  auf 
der  Wirklichkeit  beruhenden  Berechnung  mir  in  einzelnen  Punkten 
ieine  abweichenden  Annahmen  erlauben  wollen. 


—     302     — 

den  Preis  .       c-  v,  t.  i 

304   .       Dies  gibt  einer  Laduii-       ^i"esbcheüel< 

Tlr.  Gold  Tlr.  Gold 

für  X  r=     0  Meilen 63,;3    —    —     2,2i 

■     X  =±=  10      „ 60,0     —    —     2,1*. 

X  =  20      „        57,0    —    —     2,00 

X  =  30      „        ......     54,1     —    —     1,90      *) 

Bei  dem  Preise  des  Eoggens  von  1,:.  Tlr.  pr.  Sohtl. 
kann  also  der  Schfl.  Raps  aus  der  30  Meilen  entfernten 
Gegend  zu  1,-;»  Tlr. ,  aus  der  Nähe  der  Stadt  aber  nur  zu 
2,21  Tlr.  G.  geliefert  werden. 

Da  die  entfernte  Gegend  den  Bedarf  der  Stadt  an  Raps 
befriedigen  kann,  so  muß  der  Preis  desselben  auch  bis  zu 
1,'j  Tlr.  heruntergehen.  Alsdann  ist  aber  der  Rapsbau  in 
der  Nähe  der  Stadt  mit  Verlust  verbunden  und  muß  hier 
folglich  aufgegeben  werden. 

Für  die  Wirklichkeit  folgt  hieraus:  daß  beim  freien 
Handel,  die  reicheren  Staaten  im  Rapsbau  —  bei  gleichem 
Bodenreichtum  —  die  Konkurrenz  mit  den  ärmeren  nicht 
aushalten  können,  und  daß  der  Rapsbau  den  Ländern  mit 
niedrigen  Getreidepreisen  und  geringer  Landrente  angehört, 
und  daselbst  einträglicher  ist  als  der  Getreidebau. 

Der  Rapsbau   gehört  also   nicht   in  England   zu  Hause. 

und   auch   nicht  auf   dem   H  ü  h  e  b  o  d  e  u   in   Belgien    und 

305 Holland,**)  während  in  den  dortigen  Marschen  der  Vorzuo. 

*)  Wenn   die  Trausportkosten    des  ßapses   nicht   höher  an- 

jj;enommen  werden  als  die  des  Roggens,  so  ist  der  Lieferungsprei< 

,,..       .       ,     ,.  11512    :    39.3  X 

tiir   eine  Laduuff    =  — — ttt^ — : : 

^  182  -}-  X       - 

„     x  =    0  o-ibt  dies  68.3  Tlr. 

.,     X  =  10      „        „     ÖS^o     „ 

..     X  =  20     ,,        .,     53„     „ 

.,     X  =  30     „        .,     48,s     ., 

**)  Da  der  Bedarf  au  Kaps  durch  die  Produktion  der  Länder 

mit  niedriger  Landrente  bis  jetzt  noch  nicht  befriedigt  wird,   m.i 


—    303    — 

den  der  Boden  durch  seinen  außerordentlichen  Reichtum 
dem  Rapsbau  gewährt,  die  hier  in  Betracht  gezogenen  Nach- 
teile überwiegt. 

Wenn  wir  nun  gleich  das  Resultat  erhalten  haben,  daß 
in  den  Ländern,  wo  Boden  und  Getreide  einen  geringen 
Wert  haben ,  der  Rapsbau  einträglicher  sein  muß  als  der 
Geti'eidebau ,  so  ist  dies  doch  an  die  Bedingung  geknüpft, 
daß  der  Boden  reich  genug  sei,  um  üppigen  Raps  hervor- 
bringen zu  können.  Denn  die  Erfahrung  lehrt,  daß  der 
Raps  auf  armem  Boden  den  nachteiligen  Einflüssen  der 
Witterung  und  selbst  den  Verheerungen  der  Käfer  weit 
weniger  widersteht  als  auf  reichem  Boden  beim  üppigen 
Wachstum  der  Pflanzen.  Wenn  der  Raps  auf  reichem 
Boden  'Vio  des  Roggenertrages  gibt,  so  wird  er  auf  armem 
Boden  kaum  die  Hälfte  dessen,  was  der  Roggen  bringt, 
tragen  —  und  damit  hört  der  Raps  auf,  eine  einträgliche 
Frucht  zu  sein. 

Da  die  Data,  worauf  die  obige  Rechnung  basiert  ist, 
aus  der  Wirklichkeit  genommen  sind,  so  scheint  es,  als  müsse 
sich  auch  aus  der  Vergleichung  des  gefundenen  Produktions- 
preises mit  dem  wirklich  bestehenden  Durchschnittspreise 
des  Rapses  unmittelbar  ergeben,  ob  der  Rapsbau  hier  vor- 
teilhaft sei  oder  nicht. 

Ein  Hauptmoment  zur  Lösung  dieser  Frage  liefert  die 
obige  Rechnung  allerdings ;  aber  zur  Entscheidung  der  Frage, 
wie  sie  hier  gestellt  ist,  gehört  doch  noch  die  Berücksichtigung  306 
folgender  Momente: 

1.  Bei   der    Untersuchung   über    den    Bau   der  Handels- 
gewächse   haben  wir   in    dem   isolierten    Staat   einen 


steht  der  Preis  des  Rapses  so  hoch,  daß  auch  die  reichen  Länder 
mit  hoher  Laudrente  denselben  noch  mit  Vorteil  erzeugen  können 
—  und  hieraus  erklärt  es  sich,  warum  in  den  Ländern  mit  ge- 
ringerem Bodenwert  der  Eapsbau  so   gewinnbringend  sein  kann. 


—     304     — 

Standpunkt,  wo  die  Landrente  aus  der  Viehzucht 
gleich  Null  ist,  zu  gründe  gelegt.  Es  ist  deshalb 
auch  in  obiger  Berechnung  vom  Stroh  nur  der  Dung- 
wert, nicht  aber  der  Futterwert  in  Anschlag  gebracht. 
In  der  Wirklichkeit  muß  aber  der  Futterwert  des 
Strohes,  sowolü  vom  Raps  als  vom  Roggen,  dem 
AVert  der  Körner  liinzugerechnet  werden. 

2.  Der  Raps  wintert  in  einzelnen  Jalu-en  aus  oder  wird 
auch  von  den  Kälern  so  selu-  beschädigt,  daß  er  um- 
gebrochen werden  muß.  Die  zu  substituierende  Frucht 
liefert  fast  nie  den  Ertrag,  den  der  Raps  bei  einer 
Mittelernte  gegeben  hätte,  und  verursacht  außerdem 
die  Kosten  einer  zweiten  Bearbeitung  und  Besamung, 
lu  dem  isolierten  Staat,  wo  bei  der  angenommenen 
Gleichheit  des  Bodens  und  des  Klimas  dieser  Zuwachs 
an  Produktionskosten  alle  Felder  auf  gleiche  Weise 
trifft,  und  wo  schon  aus  dem  Verhältnis  der 
Preise,  zu  welchen  der  Raps  geliefert  werden  kann, 
hervorgeht,  in  welcher  Gegend  der  Rapsbau  vorteil- 
haft ist,  konnte  dieser  Punkt  unberücksichtigt  bleiben. 
Wenn  aber,  wie  hier,  der  Preis  des  Rapses  als  gegeben 
betrachtet  wird,  und  aus  der  Vergleichung  desselben 
mit  dem  Produktionspreis  die  Vorteilhaftigkeit  des 
Rapsbaues  ermessen  werden  soll,  muß  dies  Moment 
mit  in  Betracht  gezogen  werden. 

3.  Der  Raps  ist  eine  vortreffliche  Vorfrucht  für  den 
Weizen,  und  es  wird  deshalb  dm'ch  seine  Aufnahme 
in  die  Fruchtfolge  keine  Wintersaat,  sondern  nur  eine 
minder  einträgliche  Sommersaat  verdrängt  —  was  auf 

307  den    Reinertrag    der  Wirtschaft    nur    günstig  wirken 

kann.  Die  Größe  dieses  Vorteils  kann  aber  nur 
aus  der  durchgeführten  Berecluiung  des  Reinertrages 
beider  Fruchtfolgen  —  mit  und  ohne  Raps  —  erkannt 
werden. 


—    305    — 

Diese  drei  Punkte  lassen  sich  schwerlich  in  einer  all- 
gemeingültigen Formel  aufnehmen  imd  darstellen,  und  jeder 
wird  sie  nach  seiner  Örtlichkeit  und  seinen  Verhältnissen 
zu  lösen  suchen  müssen. 


Auf  die  Entscheidung  der  Frage:  „ob  in  einem  Lande 
der  Rapsbau  vorteilhaft  sei,  oder  nicht",  übt  die  kleine  In- 
sektenwelt einen  merkwürdigen  Einfluß  aus. 

Der  Schaden,  den  die  Käfer  dem  Eaps  jetzt  in  Mecklen- 
burg zufügen,  ist  so  bedeutend,  daß  dadurch  der  Durch- 
schnittsertrag des  Rapses  mindestens  um  20  ^'/o  gegen  früher 
gesunken  ist,  und  daß  wir,  wenn  diese  Käfer  nicht  vor- 
handen wären,  auf  einen  Mittelertrag  von  9  Schfl.  statt 
7,2  Schfl.  pr.  100  DR.  rechnen  könnten. 

Die  Differenz  im  Kornertrage  von  7,2  und  9  Schfl.  macht 
im  reinen  Geldertrag  einen  enormen  Unterschied  und  be- 
wirkt, daß  andere  Provinzen,  in  welchen  die  Kapskäfer  noch 
nicht  in  Menge  vorhanden  sind,  den  Raps  mit  viel  größerem 
Vorteil  erzeugen  können  als  Mecklenburg,  selbst  dann,  wenn 
sie  sich  durch  ihre  sonstigen  Verhältnisse  weniger  zum 
Rapsbau  eignen  sollten. 

Die  Natur  selbst  scheint  dadurch,  daß  sie  den  Käfern 
eine  weit  stärkere  Vermehrung  gestattet,  als  der  Erweiterung 
der  Rapsfelder  entspricht,  den  Raps  zur  Wanderpflanze  be- 
stimmt zu  haben. 

Gehörten  alle  Provinzen,  südlich  des  baltischen  Meeres,  308 
einem  einzigen  Gutsherrn,  so  würde  dieser  es  seinem  In- 
teresse gemäß  finden,  mit  dem  Rapsbau  zu  wechseln;  er 
würde  den  Rapsbau  in  einer  Provinz  aufgeben,  sobald  die 
verheerenden  Käfer  sich  bedeutend  vermehrt  haben,  denselben 
nach  einer  anderen  entfernten  Provinz  verpflanzen,  und  erst 
dann  mit  dem  Rapsbau  nach  der  ersteren  zurückkehren, 
wenn  die  Käfer  aus  Mangel  an  Nahrung  umgekommen  sind. 

Was  hier  dem  einzelnen  großen  Gutsbesitzer  vorteilhaft 
Tljünen,  Der  isolierte  Staat.  20 


—     306     — 

wäre,  würde  jetzt  auch  der  Gesamtheit  der  Grundbesitzer 
nützlich  sein ;  da  aber  bei  der  Zersplitterung  des  Eigentums 
und  bei  dem  Mangel  an  Einheit  des  Willens  eine  solche 
Operation  nicht  ausgeführt  werden ,  und  die  Gesetzgebung, 
ohne  Verletzung  des  Eigentumsrechts,  nicht  einschreiten 
kann:  so  bleibt  das  Übel  zum  großen  Nachteil  des  Ganzen 
ein  dauerndes. 

Für  die  einzelnen  Landwirte,  die  in  einer  Provinz 
wohnen,  wo  der  Rapsbau  noch  nicht  heimisch  ist,  der  Boden 
sich  aber  dazu  eignet,  liegt  hierin  die  wichtige  Lehre: 

bei  der  Einführung  des  Rapsbaues  denselben  sogleich 

im   großen  zu  betreiben,   ihn  aber  —  wenigstens  für 

längere  Zeit  —  ganz  wieder  aufzugeben,  wenn  aller, 

für  den  Raps  geeignete  Boden  diese  Frucht  einmal 

getragen  hat. 

Außer  in  den  Niederungen  -w-ird  aber  das  Mergeln  dem 

Rapsbau   fast  überall   vorangehen   müssen,   wenn   der  Raps 

gedeihen  und  einträglich  sein  soll. 

Gibt  nun  der  Gewinn,  den  der  Rapsbau  verspricht,  den 
Antrieb  zum  Mergeln,  so  wird  auch  in  den  minder  kultivierten 
Ländero  des  östlichen  Europas  mit  der  Wanderung  des  Rapses 
sich  gleichzeitig  Wohlstand  und  höhere  Kultur,  und  zwar 
bei  konsequentem  Verfahren  nicht  yorübergehend,  sondern 
dauernd  verbreiten. 
309  Obgleich  bei  dem  Anbau  des  Rapses  im  großen,  d.i. 
auf  einem  großen  Teil  der  Gutsfläche,  die  Produktionskosten 
des  Rapses  —  wegen  Zuziehung  fremder  Arbeiter,  oder 
wegen  Versäumnis  anderer  wichtiger  Arbeiten  zur  Zeit  der 
Rapsernte  —  höher  zu  stehen  kommen  als  beim  Anbau  im 
kleinen,  und  auch  der  Ertrag  sinkt,  weil  dann  minder  aus- 
gewählter Acker  mitbesät  werden  muß:  so  ist  doch  der  Vor- 
teil, Raps  auf  Acker  zu  bauen,  der  diese  Frucht  nie  getragen 
hat  und  zugleich  dem  Käferfraß  ausgesetzt  ist,  so  bedeutend, 
daß  jene  Nachteile  dadurch  gar  sehr  überwogen  werden. 


—    307     — 

In  Mecklenburg  sind  einige  intelligente  Landwirte  nach 
diesem  Prinzip  verfahren,  haben  ganze  Schläge  mit  Raps 
bestellt,  enorme  Einnahmen  davon  gehabt  imd  große  Summen 
dadurch  gewonnen. 

Wenn  aber,  nachdem  alle  günstigen  Umstände,  die  allein 
den  Anbau  des  Rapses  im  großen  rechtfertigen  und  vor- 
teilhaft machen  können,  verschwunden  sind,  der  Rapsbau 
nicht  eingeschränkt,  sondern  fortwährend  in  gleicher  Aus- 
dehnung betrieben  wird:  so  müssen  die  durch  die  ersten 
energischen  Maßregeln  gewonnenen  Summen  sukzessive  wieder 
Terloreu  gehen. 

2.   Tabak. 

Der  Tabak  mag  in  Hinsicht  der  Aussaugung  dem  Roggen 
ungefähr  gleichkommen,  wenn  von  dem  Tabak  die  Strünke, 
Tou  dem  Roggen  das  Stroh  dem  Acker  zurückgegeben  wird. 
Auch  in  Hinsicht  des  Ertrages  dem  Gewichte  nach  wird 
zwischen  beiden  Gewächsen  kein  bedeutender  Unterschied 
stattfinden.  Die  Produktionskosten  des  Tabaks  sind  aber 
ohne  Vergleich  höher,  und  aus  diesem  Grunde  muß  die  Er- 
zeugung des  Tabaks  hinter  der  des  Getreides,  oder  in  dem 
Xreise  der  Viehzucht  geschehen. 

3.   Zichorien.  310 

Die  Produktionskosten  und  die  Aussaugung  dieses  Ge- 
Avächses  sind  mir  nicht  bekannt ;  der  Ertrag  an  AVurzeln  ist 
-aber  dem  Gewicht  nach  so  groß,  daß  auf  jede  Ladung  nur 
eine  gringe  Landrente  fällt  und  wahrscheinlich  auch  nur 
geringe  Produktionskosten  kommen;  die  Erzeugung  dieses 
Gewächses  geschieht  deshalb  in  der  Nähe  der  Stadt. 

4.   Kleesamen. 

Die  Produktionskosten  des  Kleesamens  sind,  da  das 
Abdreschen  und  Enthülsen  des  Samens  viel  Arbeit  kostet, 
nicht   unbedeutend.     Die   Aussaugung,    die    der   Samenklee 

20* 


—    308    — 

bewirkt,  scheint  mir  nicht  beträchtlich  zu  sein,  und  wird 
durch  den  Ersatz,  den  die  mitgeernteten  Kleestengel  geben, 
wahrscheinlich  reichlich  gedeckt.  Dagegen  ist  der  Ertrag 
von  einer  gegebenen  Fläche  so  gering,  daß  auf  eine  Ladung 
Kleesamen  dennoch  eine  bedeutende  Landrente  fällt.  Aus 
diesem  Grunde  wird  die  Erzielung  des  Samenklees  in  der 
entlegeneren  Gegend  des  Kreises  der  Koppelwirtschaft  ge- 
schehen, und  der  der  Stadt  nähere  Teil  dieses  Kreises  wird 
es  vorteilhafter  finden,  den  Kleesamen  zu  kaufen,  als  ihn 
selbst  zu  erzeugen. 

5.   Flachs. 

Die  Flachsernte,  von  einer  gegebenen  Fläche,  beträgt 
ungefähr  ^U  von  dem,  was  der  Roggen  hier  dem  Gewichte 
nach  gegeben  hätte;  oder  der  Ertrag  des  Flachses  verhält 
sich  zu  dem  des  Roggens  wie  1  :  4. 

Wenn  eine  Flachsernte  den  Boden  eben  so  stark  er- 
schöpft wie  eine  Gei'stenernte,  so  gehören  —  obgleich  die 
Gerste,  wegen  des  Ersatzes  aus  dem  Stroh,  nur  einen  Weide- 
schlag zur  Deckung  der  Erschöpfung  bedarf  —  zum  Ersatz 
der  Anssaugung  eines  Schlages  mit  Flachs  2  (genauer  2,07) 
311  Weideschläge,  wenn  der  Flachs  in  der  Koppelwirtschaft  auf 
Boden  von  dem  Reichtum  des  Gerstenschlages  gebaut  wird. 

Wenn  von  den  Kosten,  die  mit  dem  Flachsbau  verbunden 
sind,  der  Wert  der  Ernte  an  Leinsamen  abgezogen  wird ;  so 
finde  ich  nach  meinen  Berechnungen  das  Vtihältnis  zwischen 
den  Produktionskosten  des  Flachses  und  denen  des  Roggens 
wie  1352  :  182,  oder  wie  7,5  :  1. 

Die  Bedingungen,  von  denen  jede  einzelne  schon  imstande 
ist,  den  Anbau  eines  Gewächses  hinter  den  des  Getreides 
zu  verweisen,  sind  also  beim  Flachs  alle  vereinigt,  und  der 
Flaciisbau  wird  deshalb  nicht  bloß  hinter  dem  Getreidebau^ 
sondein  erst  hinter  dem  Tabaks-  und  Rapsbau  seine  Stelle 
finden. 


—    309    — 

Ich  enthalte  micli  der  Anführung  mehrerer  Handels- 
gewächse,  weil  ich  den  Anbau  derselben  zum  Teil  gar  nicht, 
zum  Teil  nicht  genügend  aus  eigener  Erfahrung  kenne. 


Wir  finden  also,  daß  die  Mehrzahl  der  Handelsgewächse 
nicht  in  der  Nähe  der  Stadt,  sondern  in  dem  Kreise  der 
Viehzucht  gebaut  wird.  Dieser  Kreis,  wenn  er  bloß  auf 
Viehzucht  beschränkt  bliebe,  äußerst  dünn  bevölkert  seia 
würde,  erhält  durch  die  Branntweinbrennerei  und  den  Anbau 
<ler  Handelsgewächse  einen  bedeutenden  Zuwachs  an  Er- 
werbsquellen lind  an  Bevölkerung.  Besonders  kann  der 
Flachsbau  einer  großen  Menschenzahl  Beschäftigung  und 
Unterhalt  geben.  Nach  einer  hierüber  angestellten  Berech- 
nung finde  ich.  daß  eine  Tagelöhnerfamilie,  die  im  Sommer 
•den  Flachs  erzielt,  im  Winter  verspinnt  und  zu  Leinwand 
verwebt,  von  300  DRuten  guten  Acker  mit  Flachs  ihren 
ünterfialt  beziehen  kann,  wenn  sie  auch  für  den  Acker  2o  Tlr. 
Pacht  bezahlt.  iJurch  den  ausgedehnten  Flachsbau  ist  es 
auch  allein  erklärlich,  wie  in  der  Provinz  Ostflandern,  in 
welcher  außer  Gent  doch  keine  bedeutende  Stadt  liegt,  12000312 
Menschen  auf  der  Quadratmeile  ihren  Unterhalt  finden  können. 

Der  vordere  Teil  des  Kreises  der  Viehzucht  bietet  das 
interes.sante  Schauspiel  einer  ziemlich  gut  kultivierten  Gegend, 
<iie  wenig  oder  fast  gar  keine  Landrente  gibt,  dar.  Denn 
■der  Preis  der  hier  erzeugten  Gewächse  kann  nicht  so  hoch 
steigen,  daß  daraus  eine  irgend  beträchtliche  Landrente  her- 
vorginge, weil  sonst  der  rückwärts  liegende  Teil  dieses  sehr 
ausgedehnten  Kreises  ebenfalls  die  Kultur  dieser  Gewächse, 
die  sämtlich  nur  geringe  Transportkosten  erfordern,  betreiben 
und  den  Preis  derselben  tiefer  niederdrücken  würde.  Fast 
die  sämtlichen  Einkünfte  dieses  Landstriches  bestehen  also 
aus  Kapitalgewinn  und  Arbeitslohn. 


—    310     — 

Wir  haben  im  §  5  gesehen,  daß  auf  Boden  von  10 
Körnern  Ertrag  die  Produktionskosten  für  einen  Scheffel 
Roggen  0,437  Tlr.  und  auf  Boden  von  5  Körnern  Ertrag* 
1,358  Tlr.  betragen,  daß  also  die  Produktion  des  Getreides 
auf  reichem  Boden  um  sehr  vieles  wohlfeiler  ist  als  auf 
ärmerem  Boden.  Dieses  ist  nun  mit  den  Handelsgewächsen 
ebenfalls,  aber  noch  in  weit  stärkerem  Maß  der  Fall.  Die 
meisten  Handelsgewächse  erfordern  nämlich  durch  eine  sorg- 
fältige Bearbeitung  des  Bodens,  durch  Behacken,  Anhäufen^ 
Jäten  usw.  so  viele  Arbeiten,  die  mit  der  Größe  des  be- 
stellten Feldes  und  nicht  mit  der  Größe  der  Ernte  im  Ver- 
hältnis stehen,  daß  die  größere  Ernte  des  reichen  Bodens 
wenig  mehr  kostet,  als  die  geringe  des  ärmeren  Bodens^ 
und  daß  der  Anbau  dieser  Gewächse  fast  nur  auf  solchem 
Boden ,  der  für  das  Getreide  —  weil  dieses  sich  lagern 
würde  —  zu  reich  ist,  mit  A'orteil  betrieben  werden 
kann. 

Wenn  wir  uns  nun  in  Beziehung  auf  die  Kultur  der 
Handelsgewächse  zu  der  Wirklichkeit  wenden :  so  finden  wir 
313 hier  nicht  den  gleichen  Reichtum  des  Bodens,  wie  in  dem 
isolierten  Staat,  sondern  wir  finden  in  der  Regel,  daß  in 
den  hochkultivierten  Ländern  mit  den  höheren  Getreidepreisen 
zugleich  ein  großer  Reichtum  des  Bodens  verbunden  ist, 
und  daß  umgekehrt  in  den  minder  kultivierten  Ländern 
niedrige  Kornpreise  und  geringer  Reichtum  des  Bodens  ge- 
wöhnlich zusammentreffen. 

Legen  wir  uns  nun  die  Frage  vor:  „in  welchem  Lande 
die  Kultur  der  Handelsgewächse  beim  freien  Handel  am  vor- 
teilhaftesten ist":  so  tritt  hier  dem  Vorteil,  den  das  ärmere 
Land  durch  geringen  Arbeitslohn  und  niedrige  Landrente 
besitzt,  der  Vorzug,  den  das  reiche  Land  durch  seinen  reichen 
Boden  hat,  direkt  entgegen.  Der  Vorzug  des  reichen  Bodens 
beim  Anbau  der  Handelsgewächse  ist  aber  so  bedeutend,  daß 
dadurch  gar  häufig  die  Ersparung  an  Arbeitslohn  und  Land- 


—    311     — 

rente  in  dem  ärmeren  Lande  nicht  bloß  kompensiert,  sondern 
auch  überwogen  wird. 

Dies  ist  nun  —  neben  der  höheren  Industrie  des  Volkes 
und  der  besseren  Kenntnis  der  Behandlung  dieser  Ge- 
wächse —  der  eigentliche  Grund,  warum  wir  in  den  reichen 
Ländern  noch  eioen  ausgedehnten  Anbau  der  Handels- 
gewächse nicht  bloß  zum  .eigenen  Bedarf,  sondern  selbst  zur 
Ausfuhr  nach  anderen  Ländern  erblicken.  So  finden  wir 
noch  jetzt,  daß  der  Flachsbau,  der  in  die  minder  kultivierten 
Gegenden  des  östlichen  Europas  gehört,  den  Hauptkultur- 
zweig in  Ostflandern,  dem  Garten  Europas,  ausmacht.  So- 
bald aber  in  den  Ländern  am  baltischen  Meer  der  Boden 
einen  höheren  Grad  von  Reichtum  erlangt  hat  —  und  dies 
zu  erreichen  steht  in  der  Macht  des  Landwirtes  —  wird 
dieser  Kulturzweig  in  Flandern  unvermeidlich  sinken ,  und 
dieses  Sinken  wird  um  so  rascher  herbeigeführt  und  um  so 
mehr  beschleunigt  werden,  wenn  die  niederländische  Re- 
gierung fortfährt,  durch  hohe  Einfuhrzölle  auf  das  Getreide 314 
die  Differenz  in, den  Kornpreisen  beider  Gegenden  zu  steigern. 

Auch  in  England  wird  trotz  des  hohen  Arbeitslohnes 
und  der  hohen  Landrente  der  Anbau  der  Haudelsgewächse 
betrieben  und  durch  Zölle  auf  die  Einfuhr  derselben  be- 
günstigt. Durch  die  englische  Kornbill  ist  aber  die  Differenz 
in  den  Kornpreisen  so  hoch  gestiegen,  daß  die  Engländer 
es  jetzt  schon  vorteilhaft  finden,  Dungmaterial  (Knochen,  Raps- 
kuchen usw.)  statt  Korn  von  uns  zu  kaufen.  Wenn  nun 
England  bei  seiner  Kornbill  beharrt,  so  werden  die  dortigen 
Landwirte  gar  bald  gewahr  werden,  daß  der  Dung  bei  ihnen 
zu  teuer  ist,  um  denselben  an  die  meistens  sehr  aussaugenden 
Handelsgewächse  zu  verwenden ,  und  werden  den  fernen 
Ländern  mit  niedrigen  Kornpreisen  den  Anbau  dieser  Gewächse 
überlassen  und  die  Einfuhr  derselben  gestatten  müssen.*) 

*)  Der  hohe  ZoU  auf  Eaps  ist  seitdem  bereits  aufgehoben. 


—    312    — 


§  32. 


Zu  welchem  Preise  kann  Flachs  und  Leinwand 

aus  den  verschiedenen  Gegenden  des  isolierten 

Staates  nach  der  Stadt  geliefert  werden? 

Nach  den  oben  mitgeteilten  Daten  über  den  Flachsbau 
ist  die  Aussangung  eines  Schlages  mit  Flachs  gleich  dem 
Ersatz,  den  zwei  Weideschläge  geben.  Von  3000  GRnten 
Acker  können  also  nur  1000  QR-  Flachs  tragen,  wenn  der 
Reichtum  des  Bodens  erhalten  werden  soll,  während  von 
dieser  Fläche  1500  QR-  mit  Getreide  bestellt  werden  können, 
ohne  den  Boden  zu  erschöpfen. 

In  den  Gegenden,  wo  die  Landrente  der  Weideschläge 
=  0  ist,  fällt  aus  diesem  Grunde  auf  einen  Schlag  mit 
Flachs  eine  1^/2  mal  so  hohe  Landreute  als  auf  das  Getreide, 
315  und  da  auf  derselben  Fläche,  dem  Gewicht  nach,  nur  V4  so 
viel  Flachs  als  Roggen  wächst,  so  kommt  auf  eine  Ladung 
Flachs  von  2400  ft.  sechsmal  soviel  Landrente  als  auf  eine 
Ladung  Roggen. 

Nun  ist  aber  in  der  Nähe  der  Stadt  die  Landrente  der 
Weide  negativ,  in  größerer  Entfernung  positiv,  und  aus 
diesem  Grunde  fällt  auf  den  in  der  Nähe  der  Stadt  gebauten 
Flachs  mehr,  auf  den  in  der  Ferne  erzeugten  Flachs 
weniger  als  die  6 fache  Landrente.  Wir  sind  aber  durch 
die  bisherigen  Uutersuchimgen  nicht  in  den  Stand  gesetzt,  den 
hieraus  entspringenden  Unterschied  in  Zahlen  anzugeben,  und 
wir  müssen  uns  hier  damit  begnügen,  für  den  ganzen  iso- 
lierten Staat  dem  Flachs  die  6 fache  Landrente,  von  dem, 
was  das  Getreide  trägt,  anzurechnen.  Unsere  Rechnimg  muß 
dann  aber  den  Preis  des  in  der  Nähe  der  Stadt  gebauten 
Flachses  zu  niedrig,  und  den  des  in  der  Ferne  erzeugten  zu 
hoch  angeben. 


—    313    — 

Nehmen  wir  die  Produktionskosten  des  Flachses  zu  7,:. 
die  Landrente  zu  6  im  Verhältnis  zum  Getreide  an,  so  be- 
tragen für  eine  Ladung  Flachs  von  2400  U. 

die  Produktionskosten — tttttt 

182 -f-x 

die  Transportkosten — ^^^    , — ^ — 

;,.       r        ;^         .  11028  -  385x 

die  Landrente — TTs-rT 

182  -j-  X 

55840  —  884,5x 

Summe  töh— s 

182  -\-  X 

ist  der  Preis 

Für  einer  Ladung  eines  Pfundes 

x  =  0    Meilen  304  Tlr.  6,1  ßl. 

X  =  10       .,  245    „  4,9    ,, 

x  =  28       ,,  148     „  3,0    „ 

Das  Pfund  Flachs  kann  also  aus  der  28  Meilen  entfern- 316 
ten  Gegend  um  3,i  ßl. ,   oder  um  ungefähr  50%  wohlfeiler 
geliefert  werden  als  aus  der  Nähe  der  Stadt. 

Es  ist  noch  zu  bemerken,  daß  bei  allen  diesen  Berech- 
nungen die  Landrente,  die  die  Koppelwirtschaft  gibt,  nor- 
miert. Wollte  man  die  Landrente,  die  die  freie  Wirtschaft 
gewährt,  zum  Grunde  legen,  so  würde  der  in  der  Nähe  der 
Stadt  erzeugte  Flachs  noch  ungleich  höher  zu  stehen  kommen. 


Wenn  aus  dem  Flachs  grobe  Leinwand  gemacht  wird, 
so  betragen  —  nach  den  Notizen,  die  ich  hierüber  habe  er- 
halten können  —  die  Kosten  des  Spinnens  von  2400  U. 
Flachs  und  die  Kosten  des  Webens  und  des  Bleichens  der 
aus  diesem  Flachs  gemachten  Leinwand  zusammen  413  Tlr. 
"Vergleicht  man  diese  mit  den  Produktionskosten  einer  Ladung 
Roggen,  welche  zu  Tellow  18,2  Tlr.  betragen,  so  ergibt  sich, 
daß  die  Kosten ,   eine  Ladung  Flachs  in  Leinwand   zu  ver- 


—    314     — 

wandeln,  oder  die  Fabrikationskosten  der  Leinwand  sich  zu 
den  Produktionskosten  des  Roggens  wie  22,7  zu  1  verhalten. 
Nun  können  aber  die  Fabrikationskosten  der  Leinwand^ 
in  Geld  ausgedrückt,  nicht  allenthalben  gleich  hoch  sein^ 
sondern  diese  ändern  sich  mit  dem  Geldpreis  der  Arbeit  und 
des  Getreides.  Um  also  die  Fabrikationskosten  der  Leinwand 
für  jede  Gegend  des  isolierten  Staates  angeben  zu  können^ 
müssen  wir  sie  durch  eine  allgemeine  Formel  ausdrücken, 
und  hierzu  sind  wir  durch  das  obige  Verhältnis  in  den 
Stand  gesetzt. 

Multipliziert  man  nämlich  diesem  Verhältnis  zu  Folge 
die  im  §  19  angegebenen  Produktionskosten  für  eine  Ladung 
Roggen  mit  22,7,  so  ergibt  sich,  daß  die  Fabrikationskosten 
der  Leinwand,  die  aus  24U0  IL  Flachs  gemacht  wird,  betragen 


317 


/5975-93,2x\  ^^ 
\      182 +  x     ]  2^'' 

= 

135632  — 21 16x 

182  4-x 

Taler. 

Hiernach  fallen 

an 

Fabrikationskosten 

auf  eine  Ladung 

auf  ein  Pfund 

für  X  r=     0  Meilen 

745  Tlr. 

14,9  ßl. 

X  =  10      „ 

596    „ 

11,0     „ 

x=28      „ 

363     „ 

7,3     „ 

Aus  dem  ganzen  Gang  unserer  Untersuchung  erhellt, 
daß  wir  den  reellen  Arbeitslohn  oder  die  Summe  der  Lebens- 
bedürfnisse, die  sich  der  Arbeiter  für  seinen  Lohn  erkaufen 
kann ,  für  alle  Gegenden  des  isolierten  Staates  gleich  hoch 
annehmen;  der  Geldpreis  der  Arbeit  ist  dagegen  nacli  der 
Verschiedenheit  des  Preises  des  Getreides  und  der  übrigen 
Lebensbedürfnisse  gar  sehr  verschieden,  und  diese  Verschieden- 
heit im  Geldlohn  bringt  eine  solche  Verschiedenheit  in  den 
Fabrikationskosten  der  Leinwand  hervor,  daß  die  Verwandlung 
von  2400  U.  Flachs  in  Leinwand  in  der  Nähe  der  Stadt  745, 
in  der  28  Meilen  entfernten  Gegend  aber  nur  363  Tlr.,  also 
noch  etwas  weniger  als  die  Hälfte  kostet. 


—     315    — 

Bei  der  Yerwandlung  des  Flachses  in  gebleichte  Leia- 
wand  gehen  ungefähr  25  %  von  dem  Gewicht  des  Flachses 
verloren ;  oder  die  Leinwand  wiegt  25  ^/o  weniger  als  der 
Flachs  wog,  aus  welchem  sie  verfertigt  ist. 

Die    Transportkosten    einer    Ladung    Flachs     betragen 

199  5X 
-^Qtj  '■ —  Taler.       Die    Transportkosten     der    aus    diesem 

Flachs  verfertigten  Leinwand  betragen  ^ii  weniger,  also  nur 
149,6x 
182+^x    ^^^''- 

Wollen  wir  nun  den  Preis,   zu  welchem  die  Leinwand 
aus  den  verschiedenen  Gegenden  des  isolierten  Staates  nach 
der  Stadt  geliefert  werden  kann,  bestimmen:  so  müssen  wir 318 
sowohl  die  Kosten,   die  der  Flachsbau  verursacht,   als  auch 
die  Fabrikationskosten  der  Leinwand  zusammenstellen. 
Für  2400  fi.   Flachs  betragen 

die  Produktionskosten ^Z^  -. — 

182  -f-  X 

,.    ^      ,      ,                                                     11028  -  385x 
die  Landrente ^^c,  i 

,.    ^  ,   .,     .      ,            ,      .   .          ,           135632— 2116x 
die  Fabrikationskosten  der  Leinwand.     .          ^-...^i 

-1-  m  1  TT-  T  149 ,6X 

die  Transportkosten  der  Leinwand     .     .  ^^o  i  — 

^  191472— 3050,4X 

Summe  -r,,.-,— i 

182 -[-X 

Für  ist  der  Preis  der  Leinwand,  die  gemacht  ist 

aus  2400  f(.  Flachs  aus  1  &>.  Flachs 

X  =     0  Meilen     .     .     .  1052  Tlr 21,o  ßl. 

x=  10       , 838    „ 16,s    „ 

x=  28      „      ....     505    „ 10,1    „ 

Die  Bewohner  der  Stadt  würden  also  die  Leinwand  um 

mehr  als  doppelt  so  hoch  bezahlen  müssen,  wenn   der  Bau 

des  Flachses  und  die  Fabrikation  der  Leinwand  in  der  Nähe 


—     316     — 

der  Stadt  geschehen  müßte,   als  wenn  sie  dieselbe  aus  der 
28  Meilen  entfernten  Gegend  beziehen  können. 


Die  Anwendung,  die  wir  von  der  zur  Preisbestimmung 
der  landwirtschaftlichen  Erzeugnisse  entworfenen  Formel  auf 
die  Ausmittlung  der  Fabrikationskosten  der  Leinwand  und 
auf  die  Preisbestimmung  derselben  gemacht  haben,  muß 
auf  den  Gedanken  leiten,  ob  es  nicht  möglich  sei,  für  die 
verschiedenen  Fabriken  und  Gewerbe  die  Gegend  zu  bestimmen, 
wo  sie  am  vorteilhaftesten  betrieben  werden,  und  von  wo 
aus  die  Fabrikate  am  wohlfeilsten  geliefert  werden  können. 
319  Wer  die  Fabrikgeheimnisse  durchdringen  könnte  und  eine 
so  vollkommene  Kenntnis  aller  Gewerbe  besäße,  daß  er  von 
jedem  einzelnen  die  auf  eine  gegebene  Quantität  fabrizierter 
Ware  fallende  Quote  von  Kapitalanlage,  Arbeitslohn  und 
Gewerbsprofit  angeben  könnte,  würde  allerdings  ein  solches 
Tableau  entwerfen  können. 

Es  würde  sich  daraus  ergeben,  daß  nicht  alle  Fabriken 
und  Manufakturen  in  die  Hauptstadt  zusammengedrängt 
würden,  sondern  daß  ein  großer  Teil  derselben  seinen  Sitz 
in  der  Gegend,  wo  das  rohe  Material  am  wohlfeilsten  er- 
zeugt wird,  nehmen  würde,  daß  also  der  isolierte  Staat  nicht 
bloß  die  eine  große  Stadt,  sondern  noch  sehr  viele  kleinere 
Städte  enthalten  müsse. 

Dies  streitet  wider  unsere  erste  Annahme;  aber  wir 
bedurften  dieser  Annahme  auch  nur  zuerst,  um  die  Unter- 
suchung zu  vereinfachen.  Denn  wir  haben  späterhin  im  §  28 
gesehen,  daß  die  kleineu  Städte  auf  die  Preisbestimmung 
der  landwirtschaftlichen  Erzeugnisse  keinen  Einfluß  haben, 
sondern  hierin  von  der  Hauptstadt  ganz  und  gar  abhängig 
sind.  Nur  muß  die  Zentralstadt  der  Hauptmarktplatz  bleiben, 
imd  in  ihr  müssen  alle  ländlichen  Erzeugnisse  den  höchsten 
Preis  haben ;  daß  dies  aber  stattfinde,  ist  schon  dadurch  hin- 
länglich motiviert,  daß  diese  Stadt  1.  in  der  Mitte  der  Ebene 


—     317     — 

liegt,   2.  der  Sitz  der  Regierung  ist  und   3.   die  sämtlichea 
Bergwerke  in  ihrer  Nähe  hat. 

Eine  solche  auf  die  Stellung  der  Fabriken  gerichtete 
Untersuchung  würde  aber,  wenn  sie  praktische  Brauchbarkeit 
erlangen  soll,  zwei  Gesichtspunkte,  die  bei  der  Preisbestim- 
mung der  landwirtschaftlichen  Punkte  nicht  zur  Sprache 
gekommen  sind,  mit  aufnehmen  müssen. 

1.  Wir  finden  in  der  "Wirklichkeit,  daß  in  allen  reichen 
Ländern  der  Zinsfuß  sehr  viel  niedriger  ist  als  in  den 
ärmeren  Ländern  —  ob  dies  nun  in  der  Natur  und  320 
dem  Wesen  der  Sache  selbst  begründet  ist,  oder  von 
der  Spaltung  in  verschiedene  Staaten  herrührt,  muß 
hier   dahingestellt    bleiben.  —  Nun   gibt  es   mehrere 

.  Fabriken  und  Manufakturen,  in  denen  die  Zinsen  der 
Kapitalanlage  einen  Hauptbestandteil,  der  Arbeitslohn 
und  die  Auslage  für  das  rohe  Material  einen  verhält- 
nismäßig minder  bedeutenden  Teil  der  jährlichen  Aus- 
gabe ausmachen;  alle  diese  Fabriken  werden  deshalb 
in  dem  reicheren  Staat  betrieben  werden  müssen,  wenn 
auch  das  rohe  Material  und  der  Arbeitslohn  daselbst 
viel  höher  zu  stehen  kommen.  Bei  dieser  Untersuchung 
wird  also  die  Zerlegung  des  Preises  der  Waren  in  die 
drei  Bestandteile:  Arbeitslohn,  Kapitalgewinn  und 
Landrente  notwendig. 

2.  Von  der  Größe  des  Marktes  und  des  Absatzes  hängt 
der  Umfang  und  die  Ausdehnung,  die  eine  Fabrik  an 
einem  Orte  erlangen  kann,  ab,  und  von  der  Größe  der 
Unternehmung  ist  wiederum  der  Grad,  bis  zu  welchem 
die  Verteilung  der  Arbeit  und  die  Ersetzung  der 
menschlichen  Kräfte  durch  Maschinen  getrieben  werden 
kann,  abhängig.  Dieses  hat  aber,  wie  Adam  Smith 
überzeugend  dargetan  hat,  auf  den  Preis,  zu  welchem 
eine  Ware  geliefert  werden  kann,  den  entscheidendsten 
Einfluß. 


—    318    — 

Aus  diesen  beiden  Ursachen  werden  manche  Fabriken, 
die  dem  ärmeren  Lande  anzugehören  scheinen,  weil  das  rohe 
Material  daselbst  erzeugt  wird,  doch  mit  größerem  Vorteil  in 
dem  reicheren  Lande  betrieben  werden  können,  und  das 
ärmere  Land  wird  diese  Waren  von  dort  zu  einem  niedrigeren 
Preis,  als  was  sie  demselben  bei  der  eigenen  Fabrikation 
kosten  würden,  beziehen  können. 


321  §  33. 

Über  die  Beschränkung  der  Handelsfreiheit. 

Wie  wird  es  auf  den  Wohlstand  des  isolierten  Staates 
wirken,  wenn  durch  gewaltsame  Verfügungen  der  Regierung 
der  Flachsbau  und  die  Leinwandfabrikation  nach  einer  der 
Stadt  näheren  Gegend  verpflanzt  werden? 

Um  uns  einen  solchen  Fall  nur  als  möglich  zu  denken, 
müssen  wir  annehmen ,  daß  der  isolierte  Staat  in  zwei  ver- 
schiedene Staaten  gespalten  werde. 

Wir  wollen  nun,  um  die  Folgen  einer  solchen  Spaltung 
untersuchen  zu  können,   folgende  Voraussetzungen  machen: 

1.  Die  Zentralstadt  mit  einem  Kreis  um  die  Stadt  herum, 
der  l.ö  Meilen  im  Halbmesser  hat,  bilde  einen  eigenen 
Staat  A; 

2.  der  übrige  Teil  der  Ebene,  und  zwar  in  der  Ausdeh- 
nung, wie  Avir  diese  bisher  betrachtet  haben,  bilde 
einen  zweiten  Staat  B,  den  wir  im  Gegensatz  mit  dem 
ersten  den  ärmeren  Staat  nennen  wollen; 

3.  jeder  Staat  sorge  nur  für  sein  eigenes  Interesse,  selbst 
dann,  wenn  der  eigene  Vorteil  nur  auf  Kosten  des 
anderen  Staates  zu  erreichen  ist. 


—    319    — 

Gesetzt  nun,  der  reiche  Staat  A  verbiete  die  Einfuhr 
des  Flachses  und  der  Leinwand,  um  das  Geld,  was  sonst 
dafür  aus  dem  Lande  ging,  zu  ersparen,  und  um  die  eigenen 
Untertanen  zur  Erzeugung  des  Flachses  und  zur  Fabrikation 
der  Leinwand  zu  bewegen ;  wie  wird  dies  auf  den  Wohlstand 

1.  des  reichen  die  Einfuhr  beschränkenden  Staates  A   und 

2.  des  ärmeren  Staates  B  wirken? 

Um  die  Beantwortung  dieser  Frage  möghchst  zu  verein- 
fachen, wollen  wir  annehmen,  daß  in  allen  übrigen  Punkten 
noch  eine  vollkommene  Handelsfreiheit  zwischen  beiden 
Staaten  stattfinde. 

Nach  dem  Verbot  der  Einfuhr  wird  die  Erzeugung  des  322 
Flachses  und  die  Fabrikation  der  Leinwand  an  der  Grenze 
des  Staates  A,  also  in  der  Entfernung  von  15  Meilen  von 
der  Stadt  geschehen  müssen.  Hier  gibt  der  Boden  aber  schon 
eine  beträchtliche  Laudrente,  und  der  Arbeitslohn  ist  wegen 
der  höheren  Getreidepreise  bedeutend  höher  als  in  der  30 
Meilen  von  der  Stadt  entfernten  Gegend.  Die  Leinwand 
kann  also  von  hier  aus  nur  zu  einem  viel  höheren  als  dem 
früheren  Preis  nach  der  Stadt  geliefert  werden.  Da  aber 
die  Leinwand  ein  unentbehrliches  Bedürfnis  ist,  so  werden 
die  Bewohner  der  Stadt  diesen  höheren  Preis  zahlen  müssen. 

Dem  Landwirt  des  Staates  A,  der  früher  Getreide,  jetzt 
Flachs  erzeugt,  erwächst  aber  aus  der  Einführung  des  Flachs- 
baues trotz  dieser  Steigerung  des  Flachspreises  kein  Vor- 
teil. Denn  da  1.  der  Getreidepreis  durch  diese  Veränderung 
nicht  steigt,  sondern  —  wie  wir  weiterhin  sehen  werden  — 
eher  etwas  fällt,  so  ist  auch  die  aus  dem  Getreidebau  her- 
vorgehende Landrente  mindestens  nicht  gestiegen;  und  da 
2.  innerhalb  der  den  Kornbau  betreibenden  Kreise  die  Größe 
der  Landrente  durch  den  Getreidebau  bestimmt  wird  —  wie 
aus  allen  früheren  Untersuchungen  hervorgeht  —  so  kann 
auch  der  Flachsbau  auf  der  Stelle,  wo  er  jetzt  betrieben 
wird,   keine  höhere  Landrente  geben,  als  der  Getreidebau. 


—     320     — 

Es  wird  also  durch  die  Einführung  des  Flachsbaues  nur  die 
Pflanze,  wodurch  der  Boden  genutzt  wird,  aber  nicht  die 
Nutzung  des  Bodens  selbst  geändert. 

Der  Bezirk,  in  welchem  jetzt  der  Flachsbau  betrieben 
wird,  kann  von  dem  Boden,  der  Flachs  statt  Korn  trägt,  keiu 
Getreide  mehr  nach  der  Stadt  liefern ;  und  da  alles  Korn,, 
was  dieser  Distrikt  sonst  erzeugte,  zur  Versorgung  der  Stadt 
notwendig  war:  so  entsteht  in  der  Stadt  ^Mangel  an  Ge- 
treide. 
323  Woher  soll  nun  das  fehlende  Getreide  genommen 
werden  ? 

Der  sonst  den  Flachs  erzeugende  Distrikt  in  dem  ärmeren 
Staat  B  kann  wegen  der  großen  Transportkosten  bei  dem 
Preise  von  1^/2  Tlr.  für  den  Schfl.  Roggen  kein  Getreide 
nach  der  Stadt  liefern.  Soll  der  Mangel  ersetzt  werden,  so 
muß  der  Preis  des  Getreides  steigen  und  zwar  so  hoch  steigen^ 
daß  der  sonst  Flachsbau  betreibende  Distrikt  —  oder  eigent- 
lich die  Gegend,  die  Branntweinbrennerei  und  Rapsbau  be- 
treibt —  zum  Kornbau  übergehen  und  Korn  nach  der  Stadt 
liefern  kann. 

Aber  gibt  es  denn  in  der  Stadt  einen  unerschöpflichen 
Fonds,  aus  dem  höhere  und  immer  höhere  Getreidepreise 
bezahlt  werden  können,  und  aus  welcher  Quelle  fließt  denn 
das  Geld  zur  Bezahlung  des  feuern  Getreides? 

Es  gibt  in  der  Stadt  eine  große  Menge  Menschen,  deren 
ganzer  Erwerb  nur  gerade  hinreicht,  sich  bei  den  bisherigen 
Mittelpreisen  die  notdürftigsten  Lebensmittel  zu  verschaffen. 
So  wie  der  entfernteste  Produzent  den  Schfl.  Roggen  nicht 
unter  1''2  Tlr.  nach  der  Stadt  liefern  kann,  so  kann  wieder- 
um die  arbeitende  Klasse  keinen  höheren  Preis  bezahlen. 
So  wie  das  Fallen  des  Getreides  unter  den  bisherigen 
Mittelpreis  die  Kultur  des  äußeren  Randes  der  kornbauenden 
Ebene  unmöglich  macht,  den  Acker  wieder  der  Wildnis  über- 
liefert   und    die  Menschen    zur  Auswanderung   zwingt:    so 


—    321    — 

bringt  das  Steigen  des  Mittelpreises  des  Getreides  Ver- 
armung und  Auswanderung  unter  der  arbeitenden  Klasse  in 
der  Stadt  hervor  —  wenn  keine  neuen  Erwerbsquellen  er- 
öffnet werden. 

Aber  das  Sperrsystem  selbst  hat  nirgends  neue  Erwerbs- 
quellen geschaffen,  wodurch  der  Lohn  des  Arbeiters  erhöht 
und  dieser  zur  Bezahlung  eines  höheren  Getreidepreises  in 
den  Stand  gesetzt  werden  könnte.  Im  Gegenteil  leidet 
durch  die  Verteuerung  eines  notwendigen  Bedürfnisses  — 324 
der  Leinwand  —  der  Wohlstand  aller,  und  der  Arbeiter 
insbesondere,  behält,  nachdem  er  einen  größeren  Teil  seines 
Lohnes  für  den  Ankauf  der  Leinwand  hat  hingeben  müssen, 
einen  geringeren  Teil  zum  Ankauf  des  Getreides;  der  Preis 
des  Getreides  wird  also,  anstatt  zu  steigen,  fallen  müssen, 
wenn  der  Arbeiter  noch  ferner  bestehen  soll. 

Also  keine  Erhöhung  des  Getreidepreises  und  folglich 
keine  Möglichkeit,  den  körn  bautreiben  den  Kreis  zu  erweitern. 
Der  Distrikt,  welcher  früher  den  Flachs  erzeugte,  kann  sich 
nicht  zum  Kornbau,  nicht  zur  Kultur  anderer  Gewächse 
wenden,  weil  der  Preis  des  Getreides  und  der  Handels- 
gewächse den  Anbau  derselben  in  dieser  Entfernung  von  der 
Stadt  nicht  lohnt.  Der  bisher  kultivierte  Boden  muß  unan- 
gebaut  liegen  bleiben  und  den  Viehherden  eingeräumt 
werden,  und  alle  Menschen,  die  bisher  vom  Flachsbau  lebten, 
verlieren  ihren  Erwerb  und  müssen  auswandern. 

Mit  der  Verwüstung  des  Distrikts,  der  bisher  den  Flachs- 
bau betrieb,  und  mit  dem  Verschwinden  aller  Menschen, 
die  bisher  ihren  Unterhalt  davon  zogen,  hören  nun  aber  auch 
alle  Bedürfnisse,  die  die  Menschen  an  Eisenwaren,  Tuch, 
Gerätschaften  usw.  hatten,  und  die  sie  bisher  aus  der  Stadt 
bezogen,  auf.  Die  Bergbearbeiter,  die  Fabrikanten,  Hand- 
werker usw.,  welche  die  Waren  für  diesen  Distrikt  bisher 
lieferten,  verlieren  dadurch  ihren  ganzen  Erwerb  untl  müssen 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  21 


—     322     — 

eben   sowohl,    als   die  Bewohner  des  Distrikts    selbst  aus- 
wandern oder  umkommen. 

Die  endliche  Folge  dieser  Beschränkung  der  Handels- 
freiheit ist  also  die: 

1.  daß  in  dem  ärmeren  Staat  B,  der  die  Flachskultur 
betreibende  Distrikt  mit  allen  vom  Flachsbau  lebenden 

325  Menschen  gänzlich  verschwindet; 

2.  daß  die  Stadt  des  reichen  Staates  A  alle  Fabrikanten, 
Handwerker  usw.,  die  bisher  für  diesen  Distrikt  ar- 
beiteten ,  verliert  und  also  an  Größe ,  Reichtum  und 
Bevölkerung  abnimmt. 

Indem  also  der  reiche  Staat  durch  die  Beschränkung 
der  Handelsfreiheit  dem  Wohlstand  des  ärmeren  Staates  un- 
vermeidlich eine  tiefe  Wunde  schlägt,  verwundet  er  sich 
selbst  zugleich  nicht  minder  tief. 

Es  verdient  bemerkt  zu  werden,  daß  auch  ohne  alle 
Repressalien  von  selten  des  ärmeren  Staates,  die  Sperrung 
dennoch  nicht  minder  verderblich  auf  den  reichen  Staat 
zurückwirkt. 

Während  es  in  der  Theorie  der  Nationalökonomie 
schwierig  ist,  eine  richtige  und  vollständige  Definition  von 
dem  Nationalreichtum  zu  geben  und  die  Kennzeichen  von 
dem  Wachstum  oder  Sinken  desselben  mit  Bestimmtheit 
anzugeben,  haben  wir  in  dem  isolierten  Staat  an  der  Aus- 
dehnung oder  Verengung  der  kultivierten  Ebene  ein  sinnlich 
wahrnehmbares,  untrügliches  Kennzeichen  von  dem  zu-  oder 
abnehmenden  Reichtum  des  Staates. 

Wir  liaben  hier  die  Wirkung  der  Beschränkung  des 
freien  Verkeiirs  zwar  nur  an  einem  einzigen  landwirtscliaft- 
lichen  Erzeugnis,  dem  Flachs,  gezeigt;  wir  werden  aber, 
wenn  wir  jeden  anderen  Kulturzweig  der  Landwirtschaft 
zum  Gegenstand  der  Betrachtung  nehmen,  dieselben  Schlüsse 
wiederholen  müssen  und  dann  auch  dasselbe  Resultat  er- 
iialten.     So   wird    z.   B.    die  gewaltsame   Verpflanzung  der 


—     323     — 

Schafzucht,  oder  des  Rapsbaues  nach  einer  der  Stadt  näheren 
<jegend  stets  ein  und  dasselbe  Resultat:  „Verengung  der 
kultivierten  Ebene  und  Abnahme  der  Größe  der  Stadt''  her- 
Torbringen. 


Werfen  wir  nun  einen  Blick  auf  die  europäischen 
Slaaten,  so  finden  wir  zwischen  den  verschiedenen  Ländern 
Europas,  in  Hinsicht  auf  Kulturzustand,  Bevölkerung,  Ge-326 
treidepi-eis  und  Landrente  einen  nicht  minder  großen  Unter- 
schied als  zwischen  den  verschiedenen  Gegenden  des  iso- 
lierten Staates. 

Zwischen  der  Umgebung  von  London  und  den  Provinzen 
<les  östlichen  Rußlands,  an  den  Ufern  der  Wolga  und  des 
Uralflusses,  findet  in  dieser  Beziehung  vielleicht  noch  ein 
größerer  Unterschied  statt,  als  in  dem  isolierten  Staat,  zwischen 
■der  Umgebung  der  Zentralstadt  und  dem  äußersten  Rand 
des  Kreises  der  Viehzucht. 

So  wie  in  dem  isolierten  Staat  die  Beschränkung  des 
Handels  nicht  bloß  dem  ärmeren  Staat  einen  Teil  seiner 
Bewohner  und  seines  Reichtums  kostet,  sondern  auch  auf 
den  reicheren  Staat  verderblich  zurückwirkt:  so  muß  auch 
die  Handelsbeschränkung  zwischen  den  europäischen  Staaten, 
die  auf  verschiedenen  Stufen  der  Kultur  stehen,  nicht  bloß 
den  Ackerbau  des  ärmeren  Landes  niederdrücken,  sondern 
auch  dem  reichen  Staat  einen  Teil  seiner  Macht  und  seiner 
Größe  entziehen. 

Und  dennoch  sehen  wir  jetzt  in  den  eui'opäischen  Staaten 
Sperrungen  und  Handelsbeschränkungen  überall  angewandt. 

Man  hat  es  aufgegeben,  die  Kultur  der  Gewächse,  die 
dem  Süden  angehören ,  im  Norden  erzwingen  zu  wollen ; 
man  verstattet  den  Austausch  der  Produkte  verschiedener 
Klimate  und  glaubt,  daß  dies  dem  Nationalwohl  vorteilhaft 
sei;  man  hat  es  aber  leider  in  unseren  Tagen  verkannt,  daß 
<ler  Austausch  von  Produkten   zwischen  Völkern,   die  unter 

21* 


—     324    — 

einem  Himmelstrich  wohnen,  aber  auf  verschiedenen  Stufen 
der  Kultur  stehen,  eben  sowohl  von  der  Natur  geboten  und 
eben  so  vorteilhaft  für  die  Nationen  sei,  als  wenn  die  Ver- 
schiedenheit der  Erzeugnisse  durch  die  Verschiedenheit  de& 
Klimas  herbeigeführt  wird. 


327  Es  verdient  noch  der  Erwähnung,  daß  der  Landwirt 
des  isolierten  Staates,  der  seinen  Standpunkt  richtig  erkennt^ 
damit  auch  zugleich  die  Erkenntnis  dessen,  was  er  zu  tun 
hat,  besitzt. 

Wir  haben,  um  die  Bildung  und  Gestaltung  des  isolierten 
Staates  zu  entwickeln,  keines  anderen  Prinzips  als  der  An- 
nahme, daß  jeder  sein  eigenes  Interesse  richtig  erkenne  und 
darnach  handele,  bedurft.  So  wie  nun  aus  dem  Zusammen- 
wirken aller,  von  denen  jeder  seinen  eigenen  richtig  ver- 
standenen Vorteil  erstrebt,  die  Gesetze,  wonach  die  Gesamt- 
heit handelt,  hervorgehen,  so  muß  wiederum  in  der  Befol- 
gung dieser  Gesetze  der  Vorteil  des  Einzelnen  erhalten  sein. 
Während  der  Mensch  nur  seinen  eigenen  Vorteil  zu 
verfolgen  wähnt,  ist  er  das  Werkzeug  in  der  Hand  einer 
höheren  Macht  und  arbeitet,  ihm  selbst  oft  unbewußt,  an 
dem  großen  und  künstlichen  Bau  des  Staates  und  der  bürger- 
lichen Gesellschaft  —  und  die  Werke,  die  die  Menschen,  als- 
Gesamtheit  betrachtet,  hervorbringen  und  schaffen,  so  wie 
die  Gesetze,  wonach  sie  dabei  verfahren,  sind  gewiß  nicht 
weniger  der  Aufmerksamkeit  und  Bewunderung  würdig,  als- 
die  Erscheinungen  und  Gesetze  der  physischen  Welt. 


Dritter  Abschnitt.  328 

Wirkung  der  Abgaben  auf  den 
Ackerbau. 


Der  isolierte  Staat  hat  die  im  ersten  Abschnitt  darge- 
stellte Form,  unter  der  Bedingung,  daß  überall  gar  keine 
Abgaben  erhoben  werden,  gewonnen :  denn  es  sind  im  §  5, 
wo  der  Reinertrag  des  Ackers  nach  einem  aus  der  Wirklich- 
keit entnommenen  Verhältnis  berechnet  ist,  die  Abgaben  an 
den  Staat  nicht  mit  unter  die  Ausgaben  gestellt,  und  was 
w^ir  Landrente  nennen,  ist  der  Reinertrag  des  Bodens,  wenn 
keine  Abgaben  stattfinden. 

Gesetzt  dieser  Staat,  der  bisher  keine  Steuern  kannte, 
werde  mit  den  in  den  europäischen  Staaten  üblichen  Ab- 
gaben belegt,  wie  wird  dies  auf  den  Ackerbau  und  auf  den 
ganzen  Zustand  der  Nation  zurückwirken? 


§  34. 

Abgaben,    die   mit   der  Gröfse   des  Betriebs   im 
Verhältnis  stehen. 

A.    In  Beziehung  auf  den  isoUerten  Staat. 

Die  Konsumtionssteuer,  insofern   sie  die  notwendigsten 
Lebensbedürfnisse,  als:   Salz,  Mehl  usw.  mit  ergreift,  die 


—     326     — 

Kopfsteuer,  die  Yiehsteuer,  die  Zölle,  die  Gewerbesteuer^ 
die  Stempeltaxe  und  so  manche  andere  Steuern  belaster» 
sämtlich  die  Landgüter  im  Verhältnis  der  Größe  ihres  Be- 
triebes und  ohne  Rücksicht  auf  den  Reinertrag  des  Bodens. 

Ein  Gut  in  dem  isolierten  Staat,  welches  30  Meilen  von 
der  Stadt  entfernt  ist,  wii-d  zu  diesen  Steuern  eben  so  viel 
beitragen  müssen,  als  das  10  Meilen  entfernte  Gut,  wenn 
der  Betrieb  auf  beiden  Gütern  gleich  groß  ist,  d.  h.  wenn 
beide  Güter  zu  ihrer  Bewirtschaftung  gleiche  arbeitende 
Kräfte  und  gleichen  Kapitalaufwand  erfordern. 
329  Das  31,5  Meilen  von  der  Stadt  entfernte  Gut  muß  nach 
§  14  Dreifelderwirtschaft  treiben,  und  diese  kann  (§  8)  nur 
24%  der  Ackerfläche  mit  Getreide  bestellen:  das  10  Meilen 
von  der  Stadt  entfernte  Gut  treibt  dagegen  Koppelwirtschaft, 
welche  dem  Getreidebau  43  ".  o  der  Ackerfläche  widmet.  Da 
nun  einerseits  die  Koppelwirtschaft  einen  so  viel  größeren 
Teil  des  Feldes  mit  Getreide  bestellt,  und  andererseits  die 
Bestellung  des  Ackers  (§  10)  in  der  Koppelwirtschaft  kost- 
spieliger ist,  als  in  der  Dreifelderwii-tschaft :  so  wird  die 
Größe  des  Betriebs  auf  dem  31,5  Meilen  entfernten  Gut  nur 
ungefähr  halb  so  viel  betragen,  als  auf  dem  10  Meilen  von  der 
Stadt  entfernten  Gut,  wenn  beide  Güter  von  gleichem  Flächen- 
inhalt angenommen  werden. 

Ist  der  Betrag  der  Steuern  von  dem  näheren  Gut  z.  B. 
200  Taler  auf  100000  DRuten  Flächeninhalt,  so  wird  das- 
entfernte  Gut  100  Taler  Abgaben  entrichten  müssen.  Die 
Landrente  des  ersten  Gutes  beträgt  (§  5)  von  lOOOOOGRuten 
685  Taler;  nach  Bezahlung  der  Abgaben  bleiben  also  dem 
Gutsbesitzer  noch  485  Taler  übrig. 

Der  Besitzer  des  entferntesten  Gutes,  wovon  die  Land- 
rente =  0  ist,  dessen  ganzes  Emkommen-auf  die  Zinsen  vom 
Kapitalwert  der  Gutsgebäude  und  des  Inventars  beschränkt  ist, 
muß  die  Abgabe  von  100  Talern  von  seinem  Kapital  entnehmen. 

Ein  jährlich  vermindertes  Kapital   hört  aber  sehr  liald 


—     327     — 

auf,  Kapital  zu  sein,  und  dann  muß  der  Besitzer  die  Kultur 
des  Bodens  aufgeben  und  den  Acker  unbebaut  liegen  lassen. 

Wollte  man  sagen :  der  Besitzer  dieses  Gutes  hat  zwar 
keine  Landrente  einzunehmen,  aber  er  genießt  die  Zinsen 
des  Kapitals,  welches  in  den  Gebäuden  und  dem  Inventar 
steckt,  und  er  kann  die  ihm  aufgelegte  Steuer  von  den  Zinsen 
bezahlen;  so  muß  man  hierauf  erwidern:  daß  Niemand  sein 330 
Kapital  in  einem  Gewerbe  stecken  läßt,  wenn  dieses  Kapital 
keine  Zinsen  trägt.  Der  Fabrikant  hört  auf,  Waren  zu  fabri- 
zieren, wenn  er  sein  Kapital  durch  Ausleihen  höher  nützen 
kann,  als  durch  seine  Arbeit:  der  Landwirt  wird  in  diesem 
Fall  auf  die  Erhaltung  der  Gebäude  keine  Kosten  melu'  ver- 
wenden, und  wenn  diese  endlich  den  Einsturz  drohen,  wird 
er  sein  Yieh  verkaufen,  das  Gut  verlassen,  ein  anderes  Ge- 
werbe ergreifen  oder  auswandern. 

In  einer  ähnlichen  Lage  sind  alle  Güter,  deren  Land- 
rente dem  Betrage  der  Abgabe  nicht  gleich  kommt,  und  die 
Abgabe  wird  hier  dieselbe  Wii"kung,  nur  langsamer  und 
später,  hervorbringen. 

Nun  trägt  aber  in  dem  Kreise  der  Dreifelderwirtschaft 
erst  dasjenige  Gut,  welches  26,4  Meilen  von  der  Stadt  ent- 
fernt ist,  von  der  angegebenen  Fläche  eine  Landrente  von 
100  Taler;  und  bis  so  weit  wird  also  die  auf  Kornproduktion 
gerichtete  Kiütur  des  Bodens  durch  die  neue  Steuer  ver- 
nichtet werden.  Diese  Gegend  wird  dann  zwar  nicht  ganz 
menschenleer  bleiben,  sondern  es  wird  dort  statt  des  Korn- 
baues künftig  Viehzucht  getrieben  werden ;  aber  dafür  wird 
nun  der  äußere  Rand  des  Kreises  der  Viehzucht  ganz  ver- 
lassen, und  dieser  Teil  des  Staates  wird  durch  die  Abgabe 
in  unbebautes  Land  verwandelt. 

AJle  in  dieser  nun  verlassenen  Gegend  bisher  lebenden 
Menschen  werden  brotlos,  weil  sie  keine  Arbeit  finden,  wo- 
durch sie  sich  ernähern  könnten:  denn  da  der  Staat  in 
seinem  blühenden  Zustande  so  viele  Menschen  hatte,  daß  alle 


—    328     — 

nützlichen  Arbeiten  vemchtet  wurden,  so  können  die  aus 
dem  verlassenen  Distrikt  hinzukommenden  Arbeiter  nirgends 
mehr  nützlich  beschäftigt  werden  und  also  auch  nirgends 
Erwerb  und  Unterhalt  finden.  Aber  nicht  bloß  die  mit  dem 
331  Ackerbau  beschäftigten  Menschen,  sondern  auch  alle  Bewohner 
der  Stadt ,  die  sonst  für  diesen  nun  verödeten  Distrikt  ar- 
beiteten ,  Handwerker,  Fabrikanten,  Krämer  usw.  verlieren 
ebenfalls  ihren  Erwerb  und  ihren  Unterhalt.  Die  ganze  hier- 
durch überflüssig  gewordene  Volksmenge  muß,  um  der  gänz- 
lichen Verarmung  und  dem  Elende  zu  entgehen,  auswandern 
und  sich  ein  anderes  Vaterland  aufsuchen. 

Nachdem  die  Kultur  des  Bodens  auf  einen  engeren  Kreis 
beschränkt  ist,  und  nachdem  die  Auswanderung  der  dadurch 
überflüssig  gewordenen  Menschen  vollendet  ist,  kehrt  alles 
zu  seinem  vorigen  Gleichgewicht  zurück ;  aber  der  Staat  hat 
an  Ausdehnung  und  Bevölkerung  verloren  und  hat  zugleich 
einen  Teil   seines  Kapitals  und  seiner  Landrente  eingebüßt. 

Eine  solche  gewaltsame  Wirkung  übt  die  Steuer  nur  da 
aus,  wo  sie  neu  eingeführt  wird ;  ist  hingegen  das  Abgaben- 
system von  der  ersten  Bildung  des  Staates  an  dasselbe  ge- 
blieben: so  hat  sich  die  Kultiu"  des  Bodens  nicht  weiter 
ausgedehnt,  die  Bevölkerung  hat  sich  nicht  weiter  vermehrt, 
als  mit  den  Abgaben  verträglich  war;  und  alles  ist  hier  in 
einem  eben  so  vollkommenen  Gleichgewicht,  als  in  dem  Staat, 
der  gar  keine  Abgaben  erhebt. 

Würden  aber  in  einem  solchen  Staat  die  bestehenden 
Abgaben  auf  einmal  und  für  immer  abgeschaftt,  so  müßten 
sich  hier  die  entgegengesetzten  Erscheinungen  zeigen :  es 
würden  Kapitalien  gesammelt  werden,  die  dadurch  einen 
Wert  erlialtcn,  daß  sie  mit  Vorteil  auf  die  Urbarmachung  des 
wüsten  Bodens  verwandt  werden  könnten,  es  würde  sich 
Beschäftigung  und  Nahrung  für  eine  größere  Menge  Menschen 
finden,  und  wo  dies  der  Fall  ist,  vermehrt  sich  die  Volks- 
menge sehr  schnell. 


—    329    — 

Die  Wirkung  der  Abgabe  ist  also  die:  daß  sie  den 
Wachstum  des  Staates  hemmt,  die  Zunahme  der  Bevölkerung 
und  die  Vermelu'ung  des  Kapitals  der  Nation  beschränkt. 

B.   In  Beziehung  auf  die  Wirklichkeit.  332 

So  wie  in  dem  isolierten  Staat  die  Abgabe  die  stärkste 
Wirkung  auf  das  entfernteste  Gut  ausübt,  so  wird  in  der 
AVirklichkeit  —  wo  in  der  Regel  die  Entfernung  vom  Markt- 
platze nicht  so  groß  ist,  daß  dadurch  die  Landrente  bis  0 
herabsinkt  —  das  Gut  mit  dem  schlechtesten  Boden  am  ersten 
und  stärksten  bedrückt. 

Nun  findet  sich  aber  in  der  Wirklichkeit  auf  einem  und 
demselben  Gute  fast  nie  die  vollkommene  Gleichheit,  die  wir 
in  Hinsicht  auf  die  Güte  des  Bodens  für  den  isolierten  Staat 
angenommen  haben.  Fast  jedes  Gut  besteht  aus  einem  Ge- 
misch von  gutem  und  schlechtem  Boden,  von  Acker,  der  zum 
Teil  eine  hohe,  zum  Teil  eine  geringere  Ertragsfähigkeit  besitzt. 

Der  Wert  des  Ackers  kann  aus  verschiedenen  Ursachen 
imd  in  mehreren  Verhältnissen  sehr  gering  sein  und  sich 
dem  Nullwert  nähern. 

Dahin  gehört  der  Acker: 

1.  von  einer  schlechten  physischen  Beschaffenheit; 

2.  von  geringem  Reichtum; 

3.  der  sehr  weit  vom  Hofe  entfernt  liegt ; 

4.  der  zu  seiner  Entwässerung  vieler  und  tiefer  Gräben 
bedarf ; 

5.  der  nahe  an  Wiesen  und  mit  diesen  fast  in  einem 
Niveau  liegt  —  indem  dieser  Acker  sehr  schwierig  zu 
bestellen  ist    und  einen  höchst  mißlichen  Ertrag  gibt; 

6.  der  mit  vielen  in  spitzen  Winkeln  zusammenlaufenden 
Gräben  durchschnitten  ist,  wodurch  alle  Bestellungs- 
arbeiten gar  sehr  verzögert  werden ; 

7.  der  viele  Steine  enthält; 

8.  der  von  hohem  Holz  umgeben  ist  usw. 


—    330     — 

Es  möchte  sehr  schwierig  sein,  auch  nur  ein  einziges 
Gut  von  bedeutendem  Umfange  nachzuweisen,  in  welchem 
333  sich  kein  Acker  findet,  der  den  einen  oder  den  anderen  der 
angeführten  Mängel  trägt  und  deshalb  einen  geringen  Wert 
hat.  Auf  den  meisten  Gütern  kommt  der  Acker  von  dieser 
Art  in  bedeutender  Menge  vor;  und  in  manchen  Gegenden 
ist  dieser  Acker  überwiegend,  und  der  von  höherem  Wert 
zeigt  sich  nur  als  Ausnahme,  gewöhnlich  in  der  Nähe  der 
Dörfer. 

Durch  eine  neue  Abgabe  wird  die  Landi-ente  eines  solchen 
Bodens,  der  bisher  einen  geringen  Reinertrag  gegeben  hat, 
auf  0  oder  unter  0  gebracht. 

Jedes  Gut  muß  oder  sollte  doch  dann  die  Kultur  dieses 
Bodens  aufgeben  und  sich  auf  den  Anbau  des  besseren  Ackers, 
der  auch  nach  der  Einführung  der  Abgabe  noch  eine  Land- 
rente gibt,  beschränken. 

So  wie  in  dem  isolierten  Staat  die  Wirkung  der  Abgabe 
sich  dadurch  im  großen  zeigt,  daß  die  ganze  entfernte  Gegend 
unbebaut  liegen  bleibt;  so  äußert  sich  dies  hier  im  kleinen 
auf  jedem  einzelnen  Gut,  wo  der  entfernteste  oder  schlechteste 
Acker  unangebaut  bleibt. 

Ob  aber  der  fünfte  Teil  aller  Güter  eines  Landes  für 
die  Kultur  verschwindet,  oder  ob  von  jedem  Gut  der  fünfte 
Teil  aufgeopfert  wird,  kann  auf  die  Verminderung  der  Be- 
völkerung und  des  Nationalvermögens  nur  eine  und  dieselbe 
Wirkung  äußern. 

Es  zeigen  sich  hier  aber  dem  Auge  keine  ganz  ver- 
lassenen Dörfer,  und  die  Verwüstung,  die  die  Abgabe  ange- 
richtet hat,  kann  dem  Blick  des  Staatsmannes,  dem  der 
innere  Zustand  der  Familien  leicht  verborgen  bleibt,  eher 
entgehen;  aber  er  kann  sie  erkennen  an  dem  von  Jahr  zu 
Jahr  abnehmenden  Ertrag  der  Abgabe.  Denn  jede  neue  Auf- 
lage, die  stark  genug  ist,  eine  solche  Wirkung  hervorzubringen, 
muß  im  ersten  Jahr  den   stärksten  Ertrag  geben,  aber  all- 


—    331     — 

mählich  weniger  bringen,  weil  sich  die  Bevölkerung  und  das 
Nationalvermögen  vermindern ,  von  denen  die  Abgabe  er-  334 
hoben  wird;  und  erst  dann,  wenn  die  Wirivung  der  Auflage 
vollendet  ist,  d.  h.  wenn  die  Kultur  so  weit  beschränkt  ist, 
daß  sie  bei  dieser  Auflage  bestehen  kann,  wird  der  Ertrag 
der  Steuer  sich  gleich  bleiben. 

Noch  unterscheidet  sich  der  isolierte  Staat  darin,  daß 
wir  angenommen  haben,  die  Landwirtschaft  werde  mit  höchster 
Konsequenz  betrieben,  während  wir  in  der  AVirklichkeit  eine 
solche  Konsequenz  —  besonders  in  der  Übergangsperiode  von 
einem  Zustand  zum  anderen  —  nur  als  Ausnahme,  nicht  als 
Regel  vorfinden.  Dem  Landwirt  des  isolierten  Staates  trauen 
wir  es  zu,  daß  er  bei  veränderten  Verhältnissen  seine  Wirt- 
schaft ändere,  und  daß  er  den  Anbau  eines  Ackers,  desseu 
Landrente  jetzt  negativ  sein  würde,  nicht  fortsetzt,  sondern 
aufgibt. 

In  der  Wirklichkeit  ist  aber  die  landübliche  Wirtschaft 
nicht  das  Produkt  eines  durchgreifenden ,  alle  Verhältnisse 
überschauenden  Gedankens,  sondern  das  Werk  mehrerer 
Greschlechter  und  Jahrhunderte:  durch  langsame  aber  stete 
Verbesserungen,  durch  das  Bemühen,  dieselbe  den  Zeit-  und 
Ortsverhältnissen  immer  mehr  anzupassen,  ist  sie  das  gewor- 
den, was  sie  jetzt  ist,  und  in  der  Regel  hat  sie  ihr  Ziel  sehr 
\del  besser  erreicht,  als  man  gewöhnlich  glaubt. 

Die  auf  diese  Weise  so  langsam  entstandene  Wirtschafts- 
form kann  aber  nicht  rasch  und  augenblicklich  zu  neuen, 
großen  Veränderungen  übergehen.  Wenn  durch  ein  plötzlich 
eintretendes  neues  Verhältnis,  z.  B.  durch  eine  neue  Auflage, 
die  alte  Wirtschaftsform  zweckwidrig  wird,  so  dauert  es 
doch  lauge,  ehe  man  sich  von  der  alten,  sonst  so  bewährt 
gefundenen  Form  trennt  und  die  Wirtschaft  mit  den  neuen 
Verhältnissen  in  Übereinstimmung  bringt. 

In  der  Praxis  wird  deshalb  die  Einführung  der  neuen 
Steuer  die  Kultur  des  schlechten  Bodens  nicht  augenblick- 


—    332    — 

licli  aufheben,  sondern  man  wird  diesen  nach  wie  vor  be- 
stellen. 
335  Hierdurch  entsteht  aber  für  den  Landwirt  eine  doppelte 
Ausgabe;  er  muß  erstens  die  neue  Steuer  bezahlen  und 
zweitens  den  Verlust  tragen,  den  der  Anbau  des  schlechten 
Ackers  bringt;  oder,  was  dasselbe  ist,  von  dem  Ertrage 
des  guten  Ackers  muß  nun  nicht  bloß  die  Steuer  bezahlt 
werden,  die  auf  dem  Anbau  desselben  haftet,  sondern  auch 
noch  die  Steuer  von  dem  schlechten  Acker. 

Durch  den  hieraus  hervorgehenden  Ausfall  in  der  Ein- 
nahme kann  der  Pächter  die  Pacht,  der  verschuldete  Eigen- 
tümer die  Zinsen  nicht  mehr  aus  den  Gutseiukünften  ent- 
nehmen und  das  Fehlende  muß  dann  häufig  durch  Verminde- 
rung des  Betriebskapitals  und  des  Inventars  herbeigeschafft 
werden.  Mit  dem  verminderten  Inventar  ist  dann  die  gute 
Bestellung  des  ganzen  Feldes  unmöglich;  aber  die  Macht 
der  Gewohnheit  ist  so  groß,  die  Überzeugung,  daß  schlechter 
Acker,  der  noch  einen  bemerkbaren  Rohertrag  gibt,  keinen 
Reinertrag,  sondern  nur  Verlust  bringt,  so  schwer  zu  gewin- 
nen, daß  man  auch  in  einem  solchen  Fall  gewöhnlich  lieber 
das  ganze  Feld  schlecht  bestellt,  als  einen  Teil  desselben 
liegen  läßt,  wodurch  dann  aber  die  Einkünfte  des  ganzen 
Guts  vernichtet  werden  können. 

Nur  nach  mehreren  solchen  Erfahrungen  und  nach 
längerer  Zeit  wird  die  landübliche  Wirtschaft  sich  den  neuen 
Verhältnissen  anpassen  und  die  Kultur  auf  den  Acker  be- 
schränken, der  die  Kosten  bezahlt.  Durch  diesen  langsamen 
und  schwankenden  Übergang  geht  aber  der  Nation  ein  weit 
größeres  Kapital  verloren,  als  die  Abgabe  selbst  nötig  machte. 

In  der  Wirklichkeit,  wo  in  der  Regel  ein  allmähliches 
Fortschreiten  des  Wohlstandes  stattfindet,  kann  die  Wirkung 
einer  neuen  Abgabe  nicht  rein  zum  Vorschein  kommen,  denn 
sie  wirkt  hier  —  falls  sie  nicht  sehr  hoch  ist  —  nicht  zer- 
störend,   sondern    nur    hemmend    auf   den    Wachstum    des 


—    333    — 

Nationalreichtums.  In  dem  isolierten  Staat,  wo  kein  Fort- 336 
schreiten,  sondern  ein  beharrender  Zustand  stattfindet,  so 
lange  dieser  nicht  durch  äußere  Einwirkungen  gestört  wird, 
zeigt  sich  dagegen  die  natürliche  Wirkung  der  neuen  Ab- 
gabe in  dem  Rückwärtsschreiten  des  Wohlstandes  und  der 
Bevölkerung. 


§  35. 

Wirkung  der  Abgabe,  wenn   die  Konsumtion  an 
Korn  sich  gleich  bleibt. 

Das  bisher  Gesagte  ist  nur  für  den  Fall  gültig,  wenn 
durch  die  neue  Steuer  die  Kornkonsumtion  abnimmt.  Wo 
aber  das  Volk  reich  genug  ist,  um  einen  höheren  Preis  für 
das  Getreide  bezahlen  zu  können,  iind  die  Konsumtion  selbst 
sich  gleich  bleibt,  da  ist  die  Wirkung  der  Auflagen  ganz 
anders. 

Wenn  z.  B.  in  dem  isolierten  Staate  die  entfernten 
Gegenden  infolge  der  Abgabe  aufhören,  Korn  nach  der 
Stadt  zu  liefern,  so  entsteht  hieraus  augenblicklich  Mangel 
in  der  Stadt;  der  Mangel  erzeugt  höhere  Preise,  der  höhere 
Preis  macht  es  den  entfernten  Gegenden  wieder  möglieh,  Korn 
für  die  Stadt  zu  bauen,  und  so  ist  das  Gleichgewicht  wieder 
hergestellt.  Da  nun  der  Bedarf  der  Stadt  nicht  anders  be- 
friedigt werden  kann,  als  wenn  der  Kornbau  sich  bis  auf 
31,5  Meilen  von  der  Stadt  ausdehnt:  so  muß  der  Preis  des 
Korns  auch  so  hoch  steigen,  daß  dem  entferntesten  Gut  nicht 
bloß  die  Produktions-  und  Transportkosten  des  Getreides, 
sondern  auch  die  neu  hinzugekommene  Auflage  ersetzt  wird. 

In  diesem  Fall  muß  also  der  Konsument  des  Korns  die 
ganze  auf  den  Ackerbau  gelegte  Abgabe  bezahlen. 


—    334    — 

Nacli  den  Lehren  des  physiokratischen  Systems  fallen 
alle  auf  die  Gewerbe  gelegten  Abgaben  doch  zuletzt  auf  den 
Landbau  zurück.  Wenn  ein  Handwerker  z.B.  eine  Gewerbe- 
337 Steuer  von  10  Tlr.  bezahlen  muß,  so  legt  er  diese  10  Tlr. 
z\par  aus,  aber  um  bestehen  zu  können,  muß  er  den  Preis 
seiner  Waren  so  weit  erhöhen,  daß  er  die  gemachte  Auslage 
wieder  ersetzt  erhält.  Diesen  Ansichten  zu  Folge  wäre  es 
viel  zweckmäßiger,  die  Abgabe  direkt  auf  den  Landbau  zu 
legen,  als  sie  durch  einen  weiten  Umweg  von  demselben 
zu  erheben. 

Wir  haben  aber  gesehen,  daß  die  auf  den  Landwirt  ge- 
legte Abgabe  nicht  von  ihm  selbst,  sondern  von  dem  Kon- 
sumenten des  Korns  bezahlt  wird  —  wenn  die  Konsumtion 
dieselbe  bleibt. 

Während  nun  Landwirte  und  Gewerbetreibende  die  ihnen 
aufgelegte  Abgabe  von  sich  auf  Andere  wälzen,  können  da- 
gegen die  von  Besoldungen  lebenden  Staatsdiener  den  Preis 
ilirer  Arbeit  nicht  eigenmächtig  erhöhen,  und  diese  müssen 
nicht  bloß  die  ihnen  selbst  aufgelegte  Abgabe,  sondern  auch 
den  erhöhten  Preis  aller  Lebensbedürfnisse  bezahlen.  Unter 
diesen  Umständen  werden  sich  aber  keine  Konkurrenten  zu 
den  Staatsämtern  mehr  finden,  und  der  Staat  wird  ge- 
zwungen werden,  die  Besoldungen  seiner  Beamten  so  weit 
zu  erhöhen,  daß  die  Abgabe  selbst  und  die  erhöhten  Preise 
aUer  Bedürfnisse  dadurch  vergütet  werden. 

Es  scheint  demnach,  daß,  mit  Ausnahme  der  von  ihren 
Zinsen  lebenden  Kapitalisten,  jeder  andere  Stand  für  die 
Abgabe  entschädigt  wird,  und  daß  der  Staat  die  Abgaben 
bis  aufs  äußerste  erhöhen  kann,  ohne  dadurch  das  Wohl 
des  Ganzen  zu  gefährden,  indem  von  allen  seinen  tätigen 
Bürgern  kein  einziger  dadurch  bedrückt  wird,  weil  jeder  die 
Abgabe  nur  vorschießt,  nicht  selbst  bezahlt. 


—     335    — 

Die  Schlüsse,  wodurch  wir  dieses  sehr  auffallende  Resul- 
tat erhalten,   beruhen  auf  der  Voraussetzung,   daß  nach  der 
Einführung  der  Abgabe  die  Konsumtion  dieselbe  bleibt,  und 
wir  haben  nun  zu  untersuchen,  ob  diese  Voraussetzung  richtig  338 
ist,  oder  nicht. 

Wie  wir  bereits  im  §  33  erwähnt  haben,  wird  der  Preis 
des  Getreides  nicht  einseitig  durch  den  Betrag  der  Kosten, 
den  das  Zumarktbringen  desselben  dem  Landwirt  verursacht^ 
sondern  zugleich  auch  durch  das  Vermögen  der  Konsumenten, 
diesen  Preis  zahlen  zu  können,  bedingt. 

In  der  Stadt  sowohl  als  auf  dem  Lande  gibt  es  eine 
große  Menge  Menschen ,  deren  Einkommen  nur  gerade  liin- 
reicht,  die  notwendigsten  Bedürfnisse  zu  erkaufen.  Steigt 
der  Preis  des  Gretreides,  so  reicht  ihr  Einkommen  oder  ihr 
Erwerb  nicht  hin,  sich  dasselbe  in  genügender  Menge  zu  ver- 
schaffen. Wie  unentbehrlich  das  Getreide  auch  sein  mag, 
immer  kann  der  ärmere  Konsument  nicht  mehr  dafür  hin- 
geben, als  sein  Erwerb  und  sein  Vermögen  zusammen  be- 
tragen :  reicht  beides  nicht  aus,  so  muß  er  sich  mit  kleineren 
Quantitäten  behelfen,  also  hungern  und  zuletzt  umkommen, 
wenn  er  nicht  auf  Kosten  der  übrigen  Staatsbürger  eine 
Unterstützung  aus  der  Armenkasse  erhält. 

Gesetzt  nun,  es  stiege  in  dem  isolierten  Staat,  infolge 
einer  direkt  oder  indirekt  auf  den  Ackerbau  fallenden  Abgabe, 
der  Preis  des  Getreides :  so  muß,  weil  die  ärmeren  Bewohner 
der  Stadt  diesen  Preis  nicht  zahlen  können,  die  Konsumtion 
abnehmen.  Da  aber  in  dem  Augenblicke,  wo  die  Abgabe 
eingeführt  wird,  die  Produktion  noch  nicht  abgenommen  hat, 
und  also  kein  wirklicher  Mangel  an  Getreide  stattfindeu 
kann:  so  muß  durch  die  verminderte  Konsumtion  Überfluß 
an  Getreide  entstehen,  der  Preis  desselben  wieder  fallen  und 
zwar  so  tief  fallen,  daß  auch  die  ärmere  Klasse  sich  das- 
selbe wieder  in   genügender  Menge  verschaffen  kann,   d.  h. 


—     336    — 

das  Getreide  sinkt  wieder  bis  zu  seinem  vorigen  Mittelpreise 
herunter. 
339  Bei  diesem  Mittelpreise  kann  aber  der  Ackerbau,  nach- 
dem derselbe  mit  einer  Abgabe  belastet  ist,  nicht  mehr  in 
der  bisherigen  Ausdehnung  betrieben  werden,  luid  es  treten 
nun  alle  im  vorigen  §  angeführten  Wirkungen  der  Abgabe 
ein,  als  Verengung  der  kultivierten  Ebene,  Auswanderung 
der  Bewohner  des  verlassenen  Distrikts  und  der  Stadtbewohner, 
die  für  diesen  Distrikt  arbeiteten. 

Wenn  der  Staat  im  beharrenden  Zustande  ist,  und  alle 
Verhältnisse  im  Gleichgewicht  sind,  so  fällt  der  Preis,  den 
die  Konsumenten  zahlen  können,  mit  dem  Preise,  wozu  die 
entferntesten  Produzenten  das  Getreide  liefern  können,  genau 
zusammen,  und  wir  haben  deshalb  in  dem  ersten  Abschnitt 
dieser  Schrift  diesen  zweifachen  Bestimmungsgrund  des  Ge- 
treidepreises nicht  zu  berücksichtigen  brauchen.  Sobald 
aber  durch  Einführung  von  Abgaben  oder  durch  andere  Ein- 
wirkungen der  Staatsgewalt  das  bisherige  Gleichgewicht  ge- 
stört wird,  entfernen  sich  auch  die  beiden  bestimmenden 
Ursachen  voneinander. 

Der  Preis,  den  die  Konsumenten  zahlen  können,  steht 
dann  entweder  unter  oder  über  dem  Preise,  wozu  der  ent- 
fernteste Produzent  das  Korn  liefern  kann.  Da  ersterer  auf 
keine  Weise  erhöht  werden  kann  —  wenn,  wie  hier  voraus- 
gesetzt wird,  keine  neuen  Erwerbsquellen  eröffnet  werden  — 
so  wird  letzterer,  im  Fall  er  höher  ist,  sinken  müssen,  bis  er 
wieder  mit  dem  ersten  zusammenfällt:  und  dies  geschieht 
dadurch,  daß  die  Kultur  sich  von  dem  Boden,  der  bei  diesem 
Preise  nicht  bebaut  werden  kann,  zurückzieht  und  sich  auf 
den  Boden  beschränkt,  der  auch  bei  diesem  Preise  die  Abgabe 
tragen  kann.  Kann  aber,  im  entgegengesetzten  FaU,  das 
Volk  einen  höheren  Preis  für  das  Getreide,  als  den,  wozu 
es  geliefert  werden  kann,  zahlen:  so  wird  zwar  anfangs 
dieser  Lieferungspreis  normieren,  aber  Bevölkerung  und  Kon- 


—    337     — 

sumtion  werden  dann  rasch  zunehmen,  die  kultivierte  Ebene  340 
muß  sich  erweitern,   mit  der  Erweiterung  steigt  der  Liefe- 
rungspreis und  steigt  bis  dahin,  daß  er  mit  dem  Preise,  den 
■das  Volk  zahlen  kann,  zusammenfällt. 

Diesem  gemäß  finden  wir  auch  in  der  "Wirklichkeit  in 
allen  reichen  Ländern  hohe,  und  in  allen  armen  Ländern 
niedrige  Kornpreise. 

Ein  Getreidemangel,  selbst  eine  Hungersnot  in  dem 
nördlichen  Norwegen  bringt  keine  hohe  Kornpreise  weder  in 
den  übrigen  europäischen  Ländern,  noch  in  Norwegen  selbst 
hervor,  weil  das  Volk  zu  arm  ist,  um  hohe  Preise  bezahlen 
zu  können.  Dagegen  steigert  ein  mäßiger  Kornbedarf  in  Lon- 
don den  Getreidepreis  durch  ganz  Europa,  und  aus  allen 
Häfen  des  Kontinents  eilen  dann  SchiiTe  mit  Getreide  nach 
diesem  Weltmarkt. 


Wir  finden  in  unseren  Tagen  bei  allen  europäischen 
Staaten  ein  Streben,  durch  hohe  Zölle  oder  durch  gänzliche 
Einfuhrverbote  das  fremde  Getreide  vom  inländischen  Markt 
zu  entfernen,  um  durch  künstlich  erzeugte  hohe  Preise  den 
inländischen  Ackerbau  zu  heben. 

Daß  der  Ackerbau  durch  hohe  Getreidepreise  intensiv 
imd  extensiv  gehoben  wird,  ist  völlig  begründet  und  geht 
auch  aus  allen  unseren  bisherigen  Untersuchungen  hervor; 
aber  man  hat  es  übersehen,  daß,  wenn  man  hohe  Getreide- 
preise erzwingen  will,  man  auch  zugleich  das  Volk  reich 
machen  muß,  um  diese  hohen  Preise  zahlen  zu  können.  Ge- 
-schieht  dies  nicht  gleichzeitig,  so  ist  die  Erhöhung  des  Ge- 
treidepreises nur  von  kurzer  Dauer,  und  der  Preis  sinkt  dann 
Tiach  einigen  Jahren  wieder  so  weit,  bis  er  mit  den  Zahl- 
mitteln der  Konsumenten  im  Gleichgewicht  ist.  Durch  die 
künstliche  Steigerung  der  Getreidepreise  vertreibt  man  zu- 
gleich die  Fabriken  und  Manufakturen,  die  für  das  Ausland  341 
arbeiten,  indem  diese  nach  den  Ländern  mit  niedrigen  Korn- 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  22 


—     338    — 

preisen  wandern;  dadurch  werden  aber  die  Zahlmittel  der 
Nation  nicht  vermehrt,  sondern  vermindert,  und  die  endliche 
Folge  dieser  Maßregel  muß,  statt  der  beabsichtigten  Erhöhung^ 
Verminderung  der  dauernden  Getreidepreise  sein. 


Die  Wirkung,  welche  eine  Abgabe  bei  ihrer  ersten  Ein-- 
führung  äußert,  muß  von  der,  welche  sie  in  ihrem  letzten 
Erfolg  hervorbringt,  genau  geschieden  werden,  weil  zwischen 
beiden  ein  großer  Unterschied  stattfindet. 

Die  erste  Einführnng  einer  Abgabe  bringt  Verarmung 
und  Unglück  unter  das  Volk,  weil  das  um  den  Betrag  der 
Abgabe  verminderte  Gesamteinkommen  noch  unter  dieselbe 
Menschenzahl  verteilt  werden  soll,  und  weil  die  überflüssig 
gewordenen,  nicht  mehr  zu  ernährenden  Menschen  nicht  frei- 
willig auswandern,  sondern  erst  durch  einen  für  alle  ver- 
verblichen  Kampf  um  die  Existenz  gleichsam  ausgelost  werden 
müssen,  indem  diejenigen,  die  in  diesem  Kampf  unterliegen^ 
zur  Auswanderung  gezwungen  werden. 

Ist  aber  durch  Auswanderung  oder  durch  Verminderung 
der  Ehen  die  Menschenzahl  mit  dem  Volkseinkommen  wieder 
ins  Gleichgewicht  getreten;  so  ist  es  keineswegs  notwendig, 
daß  irgendein  Mitglied  der  aktiven  Stände  (den  Grund- 
besitzer rechne  ich  nur  in  der  Eigenschaft  als  Administrator 
seines  Guts,  aber  nicht  in  der  Beziehung  als  Empfänger  der 
Landrente  zu  den  aktiven  Ständen)  schlechter  zu  leben  braucht, 
d.  h.  für  seine  Arbeit  weniger  Genußmittel  erhält,  als  vor 
der  Einführung  der  Abgabe.  Denn  es  hängt  von  dem 
Charakter  des  Volkes  ab,  bis  zu  welchem  Grade 
es  Entbehrungen  und  Anstrengungen  ertragen 
will,  ehe  es  sich  zur  Auswanderung  oder  zur 
342 Verminderung  d er  Ehen  entschließt.  Hat  nun  der 
Volkscharakter,  demgemäß  der  Arbeitslohn  sich  gebildet  hat, 
durch  die  Einführung  der  Abgabe  selbst  keine  Änderung  — 
die  wenigstens   nicht   notwendig  daraus  hervorgeht  —  er- 


—    339    — 

litten:  so  werden  auch  die  aktiven  Stände,  als  Handwerker, 
Tagelöhner,  Pächter  usw.  nach  Bezahlung  der  Abgabe  zu 
ilirem  Unterhalt  nicht  weniger  übrig  behalten  als  früher. 

Auch  finden  wir  in  der  Wirklichkeit,  daß  in  dem  mit 
Steuern  so  hart  belasteten  England  alle  diese  Stände  gewiß 
nicht  weniger  gut  leben,  als  in  Rußland,  wo  die  Abgaben 
geringe  sind. 

Die  schon  lange  bestehenden  Abgaben  sind  also  für  die 
Individuen  keineswegs  ein  Unglück;  aber  der  Staat  selbst 
hat  durch  diese  Abgaben  der  Vermehrung  der  Menschen  und 
des  Nationalvermögens  Schranken  gesetzt  —  er  hat  nicht 
die  Macht,  den  Reichtum  und  die  Bevölkerung  erlangt,  die 
er  ohne  diese  Abgaben  erlangt  haben  würde. 


§  36. 

Auflagen  auf  Gewerbe  und  Fabriken. 

"Wenn  dem  Handwerker  oder  Fabrikanten  eine  beträcht- 
liche Abgabe  auferlegt  wird,  so  ist  er  unstreitig  geneigt,  sich 
diese  Abgabe  durch  Erhöhung  des  Preises  seiner  Waren 
wieder  ersetzen  zu  lassen.  Bei  dem  höheren  Preise  müssen 
aber  viele  Menschen  den  Verbrauch  dieser  Ware  aufgeben 
oder  einschränken ;  der  verminderte  Verbrauch  bewirkt  dann 
einen  Überfluß  an  Waren  dieser  Art,  welches  wiederum 
ein  Sinken  des  Preises  derselben  zur  Folge  hat. 

Können  die  Fabrikanten  und  Handwerker  bei  diesem 
Preise  nicht  bestehen,  so  muß  ein  Teil  derselben  sein  Ge- 
werbe verlassen  und  einen  anderen  Wohnort  aufsuchen. 
Nachdem  dies  geschehen  ist,  wird  der  Markt  sparsamer  ver- 
sorgt, der  Preis  der  Ware  steigt  wieder,  und  muß,  da  die  343 
Arbeit  in  diesem  Gewerbe  nicht  fortwährend  geringer  bezahlt 

22* 


—     340     — 

werden  kann,  als  in  anderen  Gewerben,  zuletzt  so  hoch  steigen, 
daß  dadurch  die  aufgelegte  Abgabe  ersetzt  wird. 

Indem  hierdurch  eine  für  den  Landmann  unentbehrliche 
Ware,  z.  B.  verarbeitetes  Eisen  teurer  wird,  steigen  die  Be- 
arbeiiungskosten  des  Bodens,  die  Landrente  des  von  der 
Stadt  entferntesten  Gutes  sinkt  unter  0  herab,  und  es  zeigen 
sich  dann  dieselben,  schon  öfters  angeführten  Erscheinungen, 
die  eine  auf  den  Ackerbau  gelegte  Abgabe  hervorbringt. 

Sehen  wir  auf  die  Veränderung,  die  der  Preis  der 
Waren  und  der  Produkte  durch  die  Einführung  der  Abgabe 
zuletzt,  d.  h.  nach  vollendeter  Übergangsperiode  erleidet,  so 
finden  wir,  daß  die  Abgabe  auf  den  Preis  der  Waren  und 
auf  den  des  Getreides  ganz  verschieden  wirkt. 

Der  Handwerker  und  der  Fabrikant  erhalten  die  auf  sie 
gelegte  Abgabe  durch  den  erhöhten  Preis  ihrer  Waren  zu- 
rück, und  in  dem  Preise  der  Waren,  die  sie  liefern,  stecken 
nun  nicht  bloß  Arbeitslohn,  Kapitalgewinn  und  Landrente, 
sondern  auch  noch  als  vierter  Bestandteil  der  Betrag  der 
Abgabe.  Dagegen  wird  —  wie  die  Betrachtungen  im  vorigen 
§  ergeben  haben  —  der  Preis  des  Getreides  durch  eine  Ab- 
gabe, sei  es,  daß  diese  direkt  auf  den  Landbau  gelegt  wird, 
oder  daß  sie,  auf  die  Gewerbe  gelegt,  zui*  Vermehrung  der 
Produktionskosten  des  Getreides  beiträgt,  nicht  gesteigert. 

Nun  wissen  wir  aber  ebenfalls  aus  den  Betrachtungen 
im  vorigen  § ,  daß ,  wenn  der  Volkscharakter  sich  nicht 
ändert,  alle  aktiven  Staatsbürger,  also  auch  die  Landbebauer, 
nach  Einführung  der  Abgabe  und  nach  vollendeter  Wirkung 
derselben  noch  eben  so  reichlich  ihren  Unterhalt  sich  erwerben 
können  als  früher,  und  es  fragt  sich  nun,  woher  denn  die 
Landbebauer  die  Entschädigung  für  die  Abgabe  nehmen,  da 
344  dieses  nicht  wie  bei  den  Gewerbetreibenden  durch  Erhöhung 
des  Preises  ihrer  Arbeitsprodukte  geschehen  kann. 

Der  Ackerbau  unterscheidet  sich  darin  sehr  wesentlich 
von  den  Gewerben,  daß  derselbe,  auf  verschiedenen  Boden- 


—     341     — 

arten  betriebeu,  die  uämliche  menschliche  Anstrengung  mit 
einer  sehr  verschiedenen  Quantität  von  Erzeugnissen  belohnt, 
während  bei  den  Gewerben  dieselbe  Tätigkeit  and  Geschick- 
lichkeit auch  immer  ein  gleiches  Arbeitsprodukt  liefert. 

Wenn  eine  Abgabe  auf  die  Gewerbe  gelegt  werden 
könnte,  der  sich  diese  durch  Erhöhung  der  Preise  ihrer  Waren 
nicht  entziehen  könnten,  oder  wenn  durch  künstliche  Maß- 
regeln die  Getreidepreise  fortwährend  über  ihrem  natüi'lichen 
Stand  erhalten  werden  könnten,  so  würde  dies  —  unter 
Voraussetzung  gleicher  Geschicklichkeit  und  Arbeitsfähigkeit 
—  alle  Gewerbetreibenden  gleich  stark  treffen,  und  die  Ge- 
werbe würden,  wenn  die  Belastung  stark  genug  wäre,  sämt- 
lich und  auf  einmal  dadurch  niedergedrückt  werden. 

Bei  der  Landwirtschaft  kann  aber  eine  mit  der  Größe 
des  Betriebs  im  Verhältnis  stehende  Abgabe  nur  den  An- 
bau des  schlechteren  Gutes  —  in  dem  isolierten  Staat  des 
entfernteren  Gutes  —  vernichten,  aber  nicht  zugleich  den  des 
durch  seinen  Boden  oder  durch  seine  Lage  begünstigten  besseren 
Gutes;  und  das  Problem,  wie  der  Landbebauer  auch  nach 
Bezalilung  der  Abgabe  noch  ebensogut  leben  könne  als 
früher,  löst  sich  dadurch,  daß  derselbe  sich  von  dem  schlech- 
teren Boden  zurückzieht  und  seine  Tätigkeit  auf  den  Anbau 
des  besseren  Bodens  beschränkt,  der  auch  nach  Entrichtung 
der  Abgabe  die  Arbeit  des  Tagelöhners,  des  Pächters  oder 
des  Administrators  ebensogut  lohnt,  Avie  früher  der  schlechtere 
Boden,  der  von  keiner  Abgabe  belastet  war. 

Richten  wir  nun  unseren  Blick  auf  den  Einfluß,  den  die 
Abgabe  in  dem  isoliei^ten  Staat  auf  den  Umfang  der  Gewerbe 
und  des  Landbaues  ausgeübt  hat,  so  finden  wir,  daß  alle 
in  gleichem  Verhältnis  gelitten  haben.  Hat  z.  B.  der  Um- 
fang des  Landbaues  um  ^/lo  abgenommen ,  so  haben  alle  345 
für  den  Landbau  arbeitenden  Gewerbe  ebenfalls  um  ^/lo  an 
Umfang,  Kapital  und  Menschenzahl  abgenommen  —  und 
diese  Wirkung  der  Abgabe  bleibt  dieselbe,   sie  mag  auf  ein 


—     342     — 

einzelnes  unentbehrliches  Gewerbe,  oder  auf  die  gesamten 
Gewerbe  oder  auf  den  Landbau  gelegt  sein. 

So  wie  am  mensclilichen  Körper  kein  Glied  verletzt 
werden  kann,  ohne  daß  der  ganze  Körper  mit  leidet,  so  kann 
auch  in  dem  isolierten  Staat  weder  ein  einzelnes  Gewerbe, 
noch  der  Landbau  mit  einer  Abgabe  belastet  werden,  ohne 
daß  alle  anderen  Stände  davon  mit  ergriifen  werden. 

Ganz  anders  verhält  sich  dies  in  der  Wirklichkeit,  wenn 
melirere  Staaten  miteinander  in  Berührung  kommen. 

Wenn  in  einem  europäischen  Staat  mit  freiem  Handels- 
verkehr ein  Gewerbe  zu  stark  mit  Abgaben  belegt  wird,  so 
kann  der  Gewerbetreibende  sich  nicht  durch  eine  Erhöhung 
des  Preises  seiner  Ware  entschädigen,  weil  diese  Ware  in 
anderen  Ländern,  wo  keine  solche  Abgabe  existiert,  noch 
eben  so  wohlfeil  wie  früher  fabriziert  wird,  und  zu  einem 
Preise  eingeführt  werden  kann,  Avofür  das  inländische  Ge- 
werbe sie  nicht  zu  liefern  vermag.  Hier  kann  also  ein  Ge- 
werbe durch  die  demselben  aufgelegte  Abgabe  ganz  nieder- 
gedrückt werden,  während  die  anderen  Stände  fast  unver- 
letzt bleiben,  und  die  durch  die  Abgabe  bewirkte  Abnahme 
an  Reichtum  und  Volksmenge  zeigt  sich  hier  an  einem  ein- 
zelnen Gliede  der  bürgerlichen  Gesellschaft.  Der  Staat  mag 
dadurch,  in  einzelnen  Fällen,  an  absolutem  Reichtum  und  an 
Yolksmenge  vielleicht  nicht  melir  verlieren,  als  wenn  die 
Abgabe  unter  alle  Stände  gleich  verteilt  wäre;  aber  allemal 
wird  dadurch  die  harmonische  Gliederung  des  Ganzen  zer- 
stört. 
346  Auf  diese  Weise  ist  aber  der  Wohlstand  der  einzelnen 
Stände  eines  Staates  nicht  bloß  von  den  Abgaben,  die  in 
diesem  Staat  aufgelegt  werden,  sondern  auch  von  dem  Ab- 
gabensj^stem  anderer  Staaten,  mit  denen  dieser  im  freien 
Handelsverkehr  steht,  abhängig.  Lasteten  z.  B.  in  zwei 
Staaten  A.  und  B.  auf  einem  Gewerbe  bisher  gleiche  Ab- 
gaben, und  der  Staat  A.  hebt  diese  Abgabe  auf,  oder  führt 


—    343    — 

«ine  Ausfuhrprämie  ein,  so  muß  der  Staat  B.  ebenfalls  die 
Abgabe  aufheben  oder  Einfuhrzölle  anlegen,  wenn  der  Wohl- 
stand derer,  die  dies  Gewerbe  im  Staat  B.  betreiben,  nicht 
gefährdet  werden  soll. 

Um  die  harmonische  Gliederung  des  Ganzen  zu  erhalten, 
muß  also  der  Staat  B.  das  schwere  Opfer  bringen,  die  Ab- 
gaben oder  die  Zölle  stets  nach  den  Launen  des  anderen 
Staates  zu  ändern. 

Ob  nun  die  Erhaltung  des  Gleichgewichts  in  dem  Wohl- 
stande der  einzelnen  Stände  dieses  Opfer  wert  sei,  ob  der 
minder  reiche  Staat  in  seinem  Abgabensystem  nie  zur  Unab- 
hängigkeit gelangen,  sondern  stets  der  Spielball  des  reichen 
Staates  bleiben  soll  —  dies  zu  beurteilen  gehört  der  prak- 
tischen Staatswirtschaft  an,   die  außer  meinem  Kreise  liegt. 


Konsumtionssteuer  und  Kopfsteuer. 

Konsumtionsteuern  auf  solche  Waren  gelegt,  die  nicht 
zu  den  notwendigen  Bedürfnissen  gehören  und  die  von  den 
ärmeren  Klassen  des  Volkes  ganz  entbehrt  werden  können, 
beschränken  den  Luxus  der  Reichen  und  Wohlhabenden,  ohne 
die  Ausbreitung  der  Kultur  des  Bodens  und  die  nützliche 
Anwendung  von  Kapitalien  zu  hindern.  Sie  sind  nur  nach- 
teilig für  diejenigen,  die  mit  der  Hervorbringung  und  Ver- 
arbeitung der  Luxuswaren  beschäftigt  sind :  denn  die  Steuer 
vermindert  den  Gebrauch  dieser  Waren,  und  ein  Teil  dieser  347 
Menschen  verliert  dadurch  seinen  Erwerb ;  aber  diese  Klasse 
von  Arbeitern  ist  weder  so  zahlreich  noch  so  wichtig  für  den 


—     344    — 

Staat   wie  diejenige,  die  sich  mit  der  Verarbeitung  der  not- 
wendigen Lebensbedürfnisse  beschäftigt. 

Wird  die  Steuer  auf  Luxuswaren,  die  aus  dem  Aus- 
lande kommen,  gelegt,  so  verlieren  dadurch  bloß  die  Kauf- 
leute, Schiffer  und  Frachtfahrer,  die  den  Transport  dieser 
Waren  besorgen,  ihren  Erwerb. 

Konsumtionssteuern  auf  die  unentbehrlichen  Bedürfnisse 
des  gemeinen  Mannes  gelegt,  sind  weit  nachteihger  als  die 
Kopfsteuern.  Denn  einesteils  ist  die  Erhebung  der  Konsum- 
tionssteuer so  kostspielig,  daß  dadurch  ein  großer  Teil  der 
Einnahme  wieder  verschlungen  wird,  weshalb  denn  den 
Untertanen  weit  melir  entnommen  werden  muß,  als  die 
Staatskasse  bedarf  und  empfängt;  anderenteils  trifft  diese 
Steuer  auch  den  wirklich  Hilfsbedürftigen,  der  nur  von  der 
Wohltätigkeit  anderer  Menschen  lebt;  während  die  Kopf- 
steuer doch  nur  von  denjenigen  Personen  erhoben  wird,  die 
einen  Erwerb  und  ein  wirkliches  Einkommen  besitzen. 

Die  Kopfsteuer,  welche  für  die  ungleichste  aller  Abgaben 
gilt,  weü  sie  ohne  Rücksicht  auf  Einkommen  und  Vermögen 
von  dem  Armen  so  viel  nimmt  als  von  dem  Reichen,  übt 
doch,  wenn  sie  schon  lange  eingeführt  gewesen  ist,  keine 
fortdauernd  störende  Wirkungen  auf  das  Glück  der  Unter- 
tanen aus:  denn  der  gemeine  Arbeiter  muß  so  viel  verdienen, 
daß  er  seine  Familie  ernähren  imd  zugleich  die  Kopfsteuer 
bezahlen  kann.  Dem  Arbeiter  muß  also  die  Steuer  durch 
einen  erhöhten  Arbeitslohn  ersetzt  werden,  und  er  lebt  nicht 
minder  glücklich,  als  der  Arbeiter  in  einem  anderen  Staat^ 
wo  gar  keine  Kopfsteuer  existiert. 
348  Ganz  anders  aber  ist  die  Wirkung  der  Steuer,  wenn  sie 
erst  eingeführt  wird,  welches  sich  am  klarsten  in  dem  iso- 
lierten Staat  übersehen  läßt. 

Der  Arbeiter,  dessen  Verdienst  fast  überall  nur  hinreicht, 
seine  notwendigsten  Bedürfnisse  zu  erkaufen,  wird,  wenn  er 
eine  Kopfsteuer  bezahlen  soll,  einen  größeren  Arbeitslohn  als 


—    345    — 

bisher  haben  müssen.  Die  Erhöhung  des  Arbeitslohnes 
bringt  aber  die  Landrente  des  entferntesten  Gutes  unter  0 
und  hebt  die  Kultur  dieses  Bodens  auf.  Dadurch  verlieren 
aber  alle  Arbeiter,  die  bisher  hier  lebten,  gänzlich  ihren 
Erwerb  und  ihren  Unterhalt :  es  muß  also  unter  dieser 
Menschenklasse  eine  grenzenlose  Not  entstehen,  die  nur  da- 
dm-ch  gehoben  werden  kann,  daß  alle  durch  die  Beschrän- 
kung der  Kultur  des  Bodens  entbehrlich  gewordenen  Men- 
schen auswandern. 

Sobald  dies  geschehen  ist,  können  die  im  Lande  ge- 
bliebenen Arbeiter  ihren  Lohn  steigern,  und  die  Güter,  wel- 
che in  Kultur  geblieben  sind,  können,  weil  sie  eine  Land- 
rente geben,  auf  Kosten  dieser  Landrente  einen  erhöhten 
Arbeitslohn  bezahlen. 

Da  auf  diese  Weise  jede  länger  bestandene  Auflage, 
wenn  sie  nur  nicht  willküiiich  und  unbestimmt  ist,  mit  den 
Yerhältnissen  des  Staates  in  ein  gewisses  Gleichgewicht  ge- 
treten ist,  oder  da  vielmehr  der  Staat  dieser  Auflage  gemäß 
sich  gebildet  hat,  und  der  Untertan  dann  den  Druck  der 
Abgabe  nicht  mehr  empfindet;  wogegen  andererseits  jede 
neue  oder  veränderte  Auflage,  wie  ein  Eingriff  in  das  Eigen- 
tum wirkt,  indem  dadurch  unfehlbar  einige  Zweige  der  Kultur 
oder  der  Industrie  beschränkt  und  die  damit  beschäftigt 
gewesenen  Menschen  • —  wenigstens  so  lange  bis  sie  zu  einem 
anderen  Fach  übergegangen  sind  —  unverdienterweise  brotlos 
werden :  so  möchte  man  hieraus  wohl  schließen  dürfen,  daß 
die  Ungleichheit  der  Abgaben  ein  weit  geringeres  Übel  sei, 
als  die  häufige  Veränderung  derselben. 


346    — 


349 


Auflagen  auf  die  Landreute. 

Wenn  der  Eigentümer  eines  Gutes  einen  Teil  der  Land- 
rente, die  das  Gut  ihm  bringt,  an  den  Staat  abgeben  muß, 
so  ändert  dies  in  der  Form  und  der  Ausdehnung  der  Wirt- 
schaft gar  nichts.  Diejenigen  Güter,  deren  Landrente  nahe 
an  0  ist,  tragen  zu  dieser  Abgabe  sehr  wenig  bei,  und  das 
entfernteste  oder  schlechteste  Gut  wird  davon  gar  nicht  er- 
griffen. Diese  Abgabe  kann  also  so  wenig  auf  die  Ausdeh- 
nung der  Kultur,  als  auf  die  Bevölkerung,  die  Anwendung 
des  Kapitals  und  die  Quantität  der  erzeugten  Produkte  einen 
nachteiligen  Einfluß  äußern :  ja.  wenn  die  ganze  Landrente 
von  der  Abgabe  liinweggenommen  würde,  bliebe  die  Kultur 
des  Bodens  dennoch,  wie  sie  gewesen  ist. 

Auch  in  anderer  Eücksicht  mag  es  für  das  Wohl  der 
Nation  gleichgültig  sein,  ob  die  Landrente  in  den  Händen 
des  Regenten  oder  des  Eigentümers  und  Kapitalisten  ist; 
denn  in  beiden  Fällen  wird  sie  gewöhnlich  unproduktiv  ver- 
wandt. 

Öfters  ist  die  Landrente  w^eit  mehr  in  den  Händen  der 
Kapitalisten  als  der  Eigentümer,  die  zwai-  den  Titel  des  Be- 
sitzers führen,  aber  wenn  sie  einigermaßen  verschuldet  sind, 
den  größeren  Teil  der  Landrente  als  Zinsen  an  die  Kapita- 
listen abgeben  müssen. 

Ob  nun  der  Kapitalist  und  der  reiche  Landeigentümer 
durch  die  Unterhaltung  vieler  Bedienten  und  Luxuspferde, 
und  durch  den  Verbrauch  von  Luxuswaren  die  Landrente 
verzeliren,  oder  ob  der  Staat,  wenn  derselbe  im  Besitz  der 
Landrente  ist,  diese  auf  die  Unterhaltung  des  Militärs  ver- 
wendet, mag  auf  den  Nationalreichtum  keinen  wesentlich 
verschiedenen  Einfluß  ausüben. 


—    347     — 

So  wie  die  Landrente  nicht  durch  Yerwendung  von 
Arbeit  und  Kapital,  sondern  durch  den  zufälligen  Vorzug 
in  der  Lage  des  Gutes  oder  der  Beschaffenheit  des  Bodens  350 
entstanden  ist,  so  kann  sie  auch  wieder  hinweggenommen 
werden,  ohne  daß  dadurch  die  Verwendung  von  Kapital  und 
Arbeit  gestört  oder  vermindert  wird. 

In  dem  isolierten  Staat  betrachten  wii-  die  Landwirt- 
schaft in  einem  beharrenden  oder  gleichbleibenden  Zustande 
und  setzen  voraus,  daß  die  Wirtschaft  auf  allen  Gütern  mit 
gleicher  Kenntnis  und  gleicher  Konsequenz  betrieben  werde. 

Beides  ist  in  Wirklichkeit  nicht  der  Fall,  und  es  ent- 
steht die  Frage,  was  man  hier  Landrente  nennen  könne, 
und  wie  ihre  Größe  auszumitteln  sei. 

Bei  der  Verschiedenheit  von  Tätigkeit  und  Kenntnis, 
womit  die  Landwirtschaft  betrieben  wird,  können  zwei  Güter 
von  gleicher  Lage  und  gleichem  Boden  doch  einen  sehr  ver- 
schiedenen Reinertrag  geben ;  aber  man  kann  deshalb  dem 
schlecht  bewirtschafteten  Gut  keinen  geringeren  Wert  und 
keine  geringere  Landrente  beimessen,  als  dem  anderen  Gut. 
Der  unterschied  rührt  bloß  von  der  Persönlichkeit  des  Be- 
wirtschafters  her  und  verschwindet  wieder,  sobald  der  Be- 
wirtschafter  durch  einen  anderen  ersetzt  wird.  Nur  das 
Dauernde  an  einem  Gute,  die  Lage  und  der  Boden,  nicht 
das  Zufällige  und  Vergängliche,  die  Person  des  Landwirtes, 
kann  den  Wert  und  die  Landrente  eines  Gutes  bestimmen. 

Die  Landrente  des  einzelnen  Gutes  kann  also  nicht  durch 
den  Reinertrag  desselben  bestimmt  werden;  aber  die  Land- 
rente entspringt  wiederum  nur  aus  dem  Reinertrag,  "weil 
sie  nichts  anderes  ist  als  der  Reinertrag,  nach  Abzug  der 
Zinsen  des  in  den  Gebäuden  und  anderen  sich  auf  dem  Gute 
befindenden  Wertgegenständeu  steckenden  Kapitals. 

Derjenige  Reinertrag,  den  ein  Gut  in  der  landüblichen 
AVirtschaft,  bei  einer  gewöhnlichen,  weder  ausgezeichnet 
großen  nocn  geringen  Tätigkeit  und   Kenntnis  des  Bewirf- 


—    348    — 

351  schafters  gibt  oder  geben  tann,  dient  zur  Norm  für  die  Be- 
stimmung der  Landrente. 

Die  Wirkung  einer  gewöhnlichen  Tätigkeit  und  Kennt- 
nis ist  aber  nur  zu  bestimmen  aus  der  Größe  des  Produktes, 
welches  durch  die  Bemühung  aller  Landwirte  eines  ganzen 
Landes  oder  einer  Provinz  hervorgebracht  wird. 

Die  Totalsumme  des  Reinertrages  aller  Güter  eines  ganzen 
Landes  nach  Abzug  der  Zinsen  vom  Wert  der  Gebäude  usw. 
gibt  die  Summe  der  Landrente,  und  diese,  nach  Verhältnis 
der  Güte  des  Bodens  und  der  Lage  auf  die  einzelnen  Güter 
verteilt,  gibt  die  Landrente  des  einzelnen  Gutes. 

Es  ergibt  sich  hieraus,  wie  schwierig  es  sein  muß,  die 
wirkliche  Landrente  eines  Gutes  auszumitteln,  und  es  wäre 
schon  deshalb  nicht  zu  verwunderu,  wenn  wir  finden,  daß 
in  der  Praxis  fast  alle  Versuche  dieser  Art  höchst  verfehlt 
sind ;  aber  gar  sehr  verschlimmert  ist  die  Sache  dadurch,  daß 
man  in  der  Regel  bei  den  Abschätzungen  von  ganz  falschen 
Grundsätzen  ausgegangen  ist.  Man  kann  sich  nicht  über- 
zeugen, daß  es  kultivierten  Acker  gibt,  der  gar  keine  Land- 
rente abwirft,  sondern  man  glaubt  schon  viel  zu  tun,  wenn 
man  4  oder  6  DR-  des  schlechtesten  Ackers  im  Wert  gleich 
einer  Quadratrute  des  besten  Ackers  rechnet ;  so  wenig  aber 
aus  6  mal  0  eins  werden  kann,  so  wenig  können  auch  G  DR. 
des  schlechtesten  Bodens  den  Wert  von  1  DR.  des  besten 
Bodens  haben.  Dann  verwechselt  man  ferner  nur  zu  oft 
die  Landrente  mit  den  Zinsen  des  auf  den  Landbau  ge- 
wandten Kapitals.  Ein  Gut,  welches  keinen  größeren  Über- 
schuß gewähi't,  als  den  Betrag  der  Zinsen  vom  Wert  der 
Gebäude,  vom  Inventar,  vom  Betriebskapital  usw.  gibt  gar 
keine  Landrente,  obgleich  es  seinem  Besitzer  ein  Einkommen 

352  verschafft.  Jede  auf  die  vermeinte  Landrente  eines  solchen 
Gutes  gelegte  Abgabe  wirkt  eben  so  nachteilig  auf  die  Kultur 
des  Bodens,  als  Kopfsteuer,  Viehsteuer  usw. 


—     349     — 

Wenn  die  Landrente  zum  Zweck  der  Belegung  mit  Ab- 
gaben genau  und  richtig  bestimmt  "werden  sollte,  so  würden 
hierzu  Männer  erfordert,  die  sich  eigens  dem  Studium  dieses 
Zweiges  der  Wissenschaft  gewidmet  hätten,  und  die  dann  ihr 
ganzes  Leben  hindurch  kein  anderes  Geschäft  betrieben.  Da- 
durch würde  aber  die  Ausmittelung  der  Landrente  sehr  kost- 
spielig werden,  und  dies  würde  den  Vorzug,  den  die  Auflage 
auf  die  Landrente  durch  ihre  wenig  kostende  Erhebung  vor 
den  meisten  anderen  Steuern  hat.  zum  Teü  wieder  auf- 
wiegen. 

Die  Landrente  ist  aber  in  der  Wirklichkeit  keine  be- 
ständige, sondern  eine  sehr  veränderliche  G-röße:  denn  jede 
Änderung  in  der  landübhchen  Wh'tschaft,  in  dem  Preise  der 
Produkte,  in  dem  Zinsfuß  usw.,  wirkt  auf  die  Größe  der 
Landrente  in  einem  ungemein  hohen  Grade.  Wird  nun  die 
Auflage  auf  die  Landrente  ein  für  allemal  festgesetzt,  und 
steigt  die  Abgabe  nicht,  wenn  die  Landrente-  steigt,  so  ist 
nach  einem  Jahrhundert  der  Ertrag  dieser  Abgabe  schon 
außer  allem  Verhältnis  mit  der  wirklichen  Landrente  und 
mit  den  Bedürfnissen  des  Staates.  Soll  aber  die  Steuer  mit 
der  Landrente  steigen,  so  erfordert  dies  oft  wiederholte  sehr 
kostspielige  Abschätzungen  der  Güter,  und  was  das  Sclilimmste 
ist,  die  Furcht  vor  der  Erhöhung  der  Steuer  hält  die  Land- 
wirte von  Verbesserungen  ab  und  lähmt  die  Fortschritte  der 
Kultm\ 

In  dem  isolierten  Staat  nahmen  wir  an.  daß  der  Ertrag 
des  Bodens  unverändert  bleibe,  und  dort  konnte  die  ganze 
Landrente  dem  Staat  angehören,  ohne  daß  dies  auf  die  Kultm- 
des  Bodens  einen  nachteihgen  Einfluß  hatte.  In  der  Wirk- 
lichkeit findet  aber  mehr  oder  weniger  ein  stetes  Streben 
nach  einem  höheren  Ertrag  statt,  und  die  Möglichkeit  den- 
selben zu  erreichen,  läßt  sich  fast  überall  nachweisen.  Die  353 
Verbesserung  des  Bodens,  wodurch  ein  höherer  Erti-ag  be- 


—    350    — 

wirkt  wird,  erfordert  aber  fast  immer  bedeutende  Kosten^ 
und  in  manchen  Fällen  betragen  die  Zinsen  des  auf  die  Ver- 
besserung verwandten  Kapitals  fast  ebensoviel  als  der  Be- 
trag, um  welchen  der  Reinertrag  des  Gutes  gestiegen  ist. 

Ist  die  Melioration  von  der  Art,  daß  ihre  Wirkung  nicht 
wieder  aufhört,  sondern  stets  fortdauert,  so  wird  auch  die 
Landrente  des  Gutes  dadurch  für  immer  erhöht.  Dieser 
Zuwachs  zur  Landrente  ist  aber  in  der  Entstehung  sehr  ver- 
schieden von  der  älteren  Landrente;  anstatt  daß  diese  ohne 
Mühe  und  ohne  Zutun  des  Besitzers  durch  den  bloßen  Vor- 
zug des  Bodens  oder  der  Lage  des  Gutes  entstanden  ist,  muß 
jener  Zuwachs  durch  die  Verwendung  eines  Kapitals  erkauft 
werden. 

Es  gibt  manche  Verbesserungen,  die,  wenn  sie  einmal 
gemacht  sind,  nicht  wieder  zurückgenommen  werden  können, 
und  die  sich  der  Auflage  ebensowenig  entziehen  können, 
als  die  ältere  Landrente,  z.  B.  die  Verbesserung  der  physischen 
Beschaffenheit  des  Bodens  durch  Lehmauffahren,  die  Ent- 
wässerung von  Sümpfen  durch  Kanäle  usw.  Insofern  als 
die  Abgabe  diese  Werke  nicht  wieder  zerstört,  ist  sie  also 
unschädlich;  aber  sie  wirkt  höchst  nachteilig  dadurch,  daß 
sie  von  ferneren  Verbesserungen  dieser  Art  abschreckt  und 
zurückbehält. 

Nun  gibt  es  aber  wohl  keine  Verwendung  des  Kapitals, 
die  wohltätiger  auf  den  ganzen  Staat  wirkte,  als  die  auf 
die  Verbesserung  des  Bodens  und  auf  die  Erhöhung  der 
Kultur  desselben  gerichtete:  denn  wir  haben  oben  gesehen, 
daß,  wenn  in  dem  isolierten  Staat  die  Produktion  von  8  auf 
10  Körner  steigt,  dann  die  Volksmenge  in  der  Stadt  um 
ungefähr  50%  steigen  kann,  ohne  daß  der  Getreidepreis 
erhöht  zu  werden  braucht. 
354  Da  also  die  Zunahme  eines  Staates  an  Wohlstand,  Macht 
und  Bevölkerung  in  unmittelbarer  Verbindung  mit  der  Zu- 
nahme der  intensiven  Kultur  des  Bodens  steht:   so  ist  eine 


—    351    — 

Abgabe  vom  Boden,  die  oicht  für  lauge  Zeiträume  —  min- 
destens für  ein  Jahrhundert  —  unverändert  bleibt,  sondern 
mit  der  Pacht,  die  derselbe  gibt,  steigt  und  fällt,  und  so  die 
Verbesserung  des  Bodens  mit  belastet  und  diese  dadurch 
hindert  —  unter  allen  Abgaben  vielleicht  diejenige,  die  den 
Wachstum  des  Staates  am  meisten  hemmt. 


Anhang'. 


355  Bemerkung  1  zu  §  7. 

Fruchtfolgen  auf  dem  Gute  Tellow, 

A.  Zeliüschlägige  "Wirtschaft  auf  dem  dem  Hofe  nahe 
liegenden  Teil  des  Ackers: 

1.  Brache  gedüngt, 

2.  Raps, 

3.  Weizen, 

4.  Weide, 

5.  Hafer, 

6.  Kartoffeln, 

7.  Erbsen  und  Bohnen, 

8.  Weizen  gedüngt,  oder  Gerste  uugedüngt, 

9.  Mähklee, 
10.  Weide. 

Jeder  Schlag  ist  zirka  7000  DR-  groß. 

Im  7ten  Schlage  wird  zu  den  Bohnen  im  Frühjahr  ge- 
düngt ;  wo  Erbsen  stehen,  wird  nach  Aberntung  derselben  zum 
Weizen  gedüngt.  Reicht  der  Dung  nicht  aus,  so  wird  der 
ungedüngt  bleibende  Teil  der  Erbsenstoppel  im  folgenden 
Frühjahr  mit  Gerste  besät. 

B.  Fünfschlägige  Wirtschaft  auf  dem  vom  Hofe  ent- 
fernter liegenden  Acker: 

1.  Brache  gedüngt, 

2.  Roggen  und  Weizen, 

356  3.  Hafer  und  Gerste, 


—    353    — 


4.  Weide, 

5.  Weide. 

Jeder  Schlag  enthält  zirka  14600  DK-*: 


Die  Verbindung  zwischen   beiden  Rotationen   zeigt  die 
nachstehende  Figur. 


V.  w. 


In  der  zehnschlägigen  Wirtschaft  wechseln  Brache  und 
Kartoffeln  alle  5  Jahre  ihre  Stelle,  so  daß  der  Schlag  Nr.  1, 357 
welcher  jetzt  Brache  ist,  nach  5  Jahren  Kartoffeln  trägt,  und 
■der  jetzt  mit  Kartoffeln  bestellte  Schlag  Nr.  6  dann  gebracht 
wird.  Aus  diesem  Wechsel  geht  nun  die  oben  angeführte 
rrachtfolge  hervor. 

*)  Durch  die  Besamung"  des  sandigen  Teils  des  Ackers  mit 
Kiefern  ist  die  Ackerfläche,  welche  früher  160000  QR.  betrug, 
jetzt  auf  143000  {JR.  beschränkt. 

Thünen,  Der  isolierte  Staat.  23 


—    3Ö4    — 

Durch  diese  beiden  Rotationen  und  ihre  Verbindung  mit- 
einander wird  erreicht: 

1.  daß  auf  dem  näheren  Acker,  wo  alle  Arbeiten  sehr 
bedeutend  wohlfeiler  zu  stehen  kommen  als  auf 
dem  entlegenen,  eine  relativ  größere  Fläche  zum  An- 
bau von  Früchten,  zu  welchen  geackert  und  gedüngt 
werden  muß,  auf  dem  entfernteren  Acker  dagegen  ein 
relativ  größei'er  Teil  zur  Weide  benutzt  wird; 

2.  daß  man  immer  zu  der  Weide  des  entfernten  Ackers 
gelangen  kann,  ohne  auf  dem  vorderen  Acker  Vieh- 
triften liegen  zu  lassen: 

3.  daß  ein  Fortschreiten  der  Kultur  und  des  Bodenreich- 
tums keine  Abänderung  der  Fruchtfolge  nötig  macht, 
indem  jeder  Zuwachs  an  Reichtum,  in  der  Ausdehnung 
der  10  schlägigen  Wirtschaft  auf  Kosten  der  5  schlägigen, 
eine  vorteilhafte  Anwendung  findet': 

4.  daß  die  dreijährige  Weide,  die  in  der  Gras-  und  be- 
sonders in  der  Dungproduktion  gegen  die  einjährige 
und  zweijährige  Weide  so  sehr  zurücksteht,  wegfällt,. 
und  die  Wirtschaft  —  auf  gutem  Boden  —  dennoch 
eine  bereichernde  bleibt. 

Von  beiden  Rotationen  folgen  nachstehend  die  statischen 
Tableaus,  in  welchen  aber  zur  Vereinfachung  der  Rechnung 
und  der  Übersicht  jeder  Sclüag  als  nur  mit  einer  Fruchtart 
bestanden  angenommen  ist. 

Bei  der  Entwerfung  dieser  Tableaus  habe  ich  meine  zu 
verschiedenen  Zeiten  seit  36  Jahren  aufgefaßten  und  nieder- 
358  geschriebenen  statischen  Ansichten  nochmals  einer  Revision 
unterworfen,  die  Resultate  meiner  über  ein  und  dasselbe  Gut 
geführten  Rechnungen  aus  einer  dreißigjährigen  Periode  zu- 
sammengestellt und  diese  dann  zur  Grundlage  der  für  den 
hiesigen  Boden  und  die  hiesigen  Verhältnisse  entworfenen 
Tableaus  genommen. 

Auf  eine  Erläuterung  imd  Begründung  der  darin  auf- 


—    355    — 

gestellten  Sätze  —  welche  ich  anfangs  beabsichtigte  —  habe 
ich  Verzicht  leisten  müssen,  weil  ich  fand,  daß  jede  Nach- 
weisung auf  eine  frühere  Untersuchung  zurückführte,  welche 
eine  neue  Nachweisung  und  diese  endlich  eine  Mitteilung 
der  Erfalu'ungen  und  Rechnungen,  worauf  sie  sich  gründet, 
nötig  gemacht  hätte  —  was  mit  dem  Gegenstand  und  der 
Tendenz  dieser  Sclirift  sich  nicht  vereinigen  ließ. 


23* 


statisches  Tabieau  einei 

auf  Boden  voa  3,4'^  Qualitä 


Frucht  folge. 
Jeder  Schlag  enthält  1000  QR- 


Ertrags- 
Reichtum  Fähigkeit  für 
Eoggen      I 
nach  Brache 

Scheffel      ' 


Faktor 

der 
Kultur 


1.  Eap<      . 

2.  Weizen 


3.  Weide,  gegipst 


4.  Hafer 

6.  Kartoffeln .     .     .    ' 

Gedüngt  mit  73,3  Fuder,  »3,4°  = 
Eeichtum  zu  Kartoffeln    .     . 

6.  Erhseu 

7.  Weizen      ........ 


923° 
843" 

721,9» 

755,8° 
673,s° 
249,,« 


Gedüngt  mit  54,25  Fuder,  ä  3,4° : 
Eeichtum  an  Weizen  .     .     . 

8.  Klee  zum  Mähen,  gegipst 

9.  Weide 

10.  Brache  

Die  Beweidung  der  Brache  gibt  ■  -f- 
Die  Fruchtfolge  liefert 

einen  Ersatz  von     .      183.83  F.Dg. 
Davon  sind  bereits 

verwandt  73.3-{- 54,25=  127,65  F. 
Zur  Bedimgung  der 

Brache  bleiben     .     .      56.„.. 


923« 
815,8« 
738,5« 
+  184,5« 


120 

109,59 

1 
0 

93,85 

- 

98,25 

1 

120 
106.05 

0 

1 

923° 

804,2« 

779,-0 

807,2« 
r.   0 

^)6 


56,0,  Fud.  Dg.  ä  3,4°  sind  = 


+  190„o 


Der  '2te  Umlauf  beginnt  mit  .  .  . 
Der  Eeichtum   hat  in  einem  Umlauf 

zugenommen  um 

also  jährl.  um  8,05«,  d.  i.  um  0,87  «/o 

des  anfäiigliclien  Eeichtums. 


1003,, 


80,. 


120 

104,55 
101,36 
104.93 


0,S5 


lOschlägigen  Wirtschaft, 

und  0,13  Tätigkeit. 


100«  Er- 

Ertrag 
der  ge- 
gebenen 
Frucht 

1 

Ertrag 

Bereicherung 

Ertragsfähig- 

tragsfähig- 

Aussau- 

Ganze 

von  Klee 

des  Bodens 

keit  im  ge- 
gebenen Fall 

keit  liefern 
eine   Ernte 

gung  pr. 
Scheffel 

Aus- 
saugung 

u.  Weide 
auf  Heu 

durch  die 
Weide  und 

von 

reduziert 

Brache 

Scheffel 

Scheffel 

Scheffel 

Grad 

Grad 

Zentner 

Grad 

120 

60 

72 

Im" 

800 

104,11 

93,1 
Zentner 

96,0 

1,25» 

121,1° 

— 

174 
Scheffel 

— 

163,3 

33,9« 

98,25 

167 

164,1 

0,5« 

820 

114 

1000 

1140 

0,094 

107,^0 

106,05 

81 

85,9 

0,9« 

77,3« 

102 

93,1 

95 

1,25« 

118,8° 

Zentner 

Zentner 

i 

— 

260 

— 

0,09 

24,5° 

271,8 

— 

131 

— 

— 

132,8 

27,5« 

26 

27,3 

5,0« 

Berechnung  des  Ersatzes  der  an 


Die  Ernte 
beträgt   au 
Korn  und 
Kartoffeln 

Scheffel 


1.  Raps 

2.  Weizen 

3.  Weide 

4.  Hafer 

5.  Kartoffeln  (in  Schfl.  ä  100  jT?.) 

Davon  gehen  ab : 

1.  zur  Saat 100  Scheffel 

2.  Untermaß 114        „ 

Zur  Dungproduktion  bleiben 

6.  Erbsen 

7.  Weizen 

8.  Klee  zum  Mähen 

9.  Weide 

10.  Brache 

Summe 


72 
96,« 

164,1 
1140 


214 


926 
85,9 
95 


geführten  10  schlägigen  Wirtschaft. 


Mit  1  Scheffel 

wird  an  Stroh 

geerntet 

Die  Ernte 

beträgt  au 

Stroh 

Faktor 
des  Dung- 
werts 

Dunggewinn 
aus  Stroh, 
Kartoffelnund 
Heu   in   Nor- 
mal-Fudern 
ausgedrückt 

Dunggewinn 
aus  der  Weide 
durch  nächtl. 
Einstallung 
des  Viehes 

tt 

Zentner 

Fuder 

Fuder 

167 

120 

^)21 

13,20 

190 

184,1 

2,ai 

20,34 

— 

— 

— 

— 

")9Ö 

64.5 

105,s 

2,n 

11,6a 

_ 

0,96 

44,« 

213 

183 

2,ao 

21,0. 

190 

180,5 
Heu 

2,21 

19,95 

— 

271,8 

^,44 

33,ie 

— 

— 



— 

8,10 

— 

— 



— 

1,67 

163,90 

1",73 

183,6 


statisches  Tableau  einer! 

auf  Boden  von  3,2*^ 


Fruchtfolge. 
Jeder  Schlag  enthält  1000  QR- 


Eeich- 
tum 

Grad 


Ertrag-s- 

fähigkeit    Faktor 
für  Eoggeu     der 
nach  Brache  Kultur 
Scheffel 


1.  Roggen 600° 

2.  Hafer ÖOO» 

3.  einjährige  Weide,  gegipst 430,3° 

4.  zweijährige  Weide 454,9" 

5.  Brache 468,2" 

Die  Beweidung  der  Brache  gibt +      4,4° 

Die  Fruchtfolge  liefert  einen  Ersatz  von  46,6i 

Fuder  Dung  ä  3,2°  = j  +  149,2° 

Der  2te  Umlauf  beginnt  mit 621,8° 

Der  Reichtum   hat  in   einem   Umlauf  zuge- 
nommen um 

also  jährlich  um  4,3^°,  d.  i.  um 
0,73  pCt.  des  anfänglichen 
Reichtums. 


21.«° 


100 

83,33 
71.75 


Berechnung  des  Ersatzes. 

Die  Kornernte 
beträgt 

Scheffel 

Mit  1  Scheffel 

wird  an  Stroh 

geerntet 

Pfund 

1.  Roggen 

100 
139,1 

190 

2.  Hafer 

3.  einjährige  Weide 

4.  zweijährige  Weide 

5.  Brache 

64,5 

Sschiägigen  Koppelwirtschaft 

Qualität  und  i;>;  Tätigkeit. 


100«  Er- 

Ertrag 
der  ge- 
gebenen 
Frucht 

Ertrag 

Bereicherung 

Ertragsfähig- 

tragsfähig- 

Aussau- 

Ganze   von  Klee 

des  Bodens 

keit  im  ge- 

keit liefern 

gung  pr. 

Aus-     u.  Weide 

durch  die 

gebenen  Fall 

eine  Ernte 

Scheffel 

saugung  auf  Heu 

Weide  und 

von 

reduziert 

Brache 

Scheffel 

Scheffel 

Scheffel 

Grad 

Grad     |  Zentner 

Grad 

100 

100 

100 

10 

100" 

79,16 

175,, 
Zentner 

139,1 

0,5« 

69,5° 

— 

174 

— 



— 

124,s 

24./ 

— 

145 

— 

— 

— 

110,0 

13,3° 

29 

22,6 

4,1« 

Die  Strohernte 
beträgt 

Zentner 

Faktor 

des 

Dungwerts 

Dunggewinn 

aus  dem  Stroh 

in  Normal-Fudern 

ausgedrückt 

Fuder 

Dunggewinn  aus 
der  Weide  durch 
nächtliche  Ein- 
stallung des  Viehes 

Fuder 

190 
89,7 

2 

2,21 

21,0 

9,91 

'^jBl 
6,71 
1,38 

30,01 

15,70 

46, 


—     362     — 

359  Bemerkung  2  zu  §  10. 

Auf  dem  Mittelboden,  den  wir  unseren  Untersuchungen 
im  isolierten  Staat  zugrunde  gelegt  haben ,  kostet  die 
Mürbebrache  weniger  Arbeit  als  die  Dreeschbrache,  weil 

1.  die  Pflugfurche  zum  Aufbruch  des  Dreesches  ganz  er- 
spart wird;  und 

2.  weil  der  sehr  beträchtliche  Teil  des  Eggens,  w^elcher 
zum  Zerreißen  der  Rasenstücke  und  zur  Trennung  der 
Gras-  und  Kleewurzeln  von  der  Erde  erforderlich  ist, 
ganz  wegfällt. 

Ich  habe  geglaubt,  daß,  wenn  aus  der  Erfahrung  ent- 
nommene Sätze  irgendeine  apodiktische  Gewißheit  haben 
können,  der  Satz:  „die  Mürbebrache  kostet  weniger  Arbeit 
als  die  Dreeschbrache"  unter  den  hier  vorausgesetzten  Yer- 
hältnissen  zu  dieser  Kategorie  gehören  müsse. 

Dennoch  sind  Einwürfe  dagegen  erhoben,  und  zwar  von 
so  bedeutenden  Männern,  daß  ich  sie  nicht  unbeachtet  lassen 
darf. 

Die  Einwendungen,  welche  der  sei.  Staatsrat  Thaer  in 
seiner  Rezension  dieser  Schrift  (Mögl.  Annalen  B,  19,  S.  23) 
gegen  diesen  Satz  erhoben ,  und  die  einer  meiner  Freunde 
bei  einer  mündlichen  Besprechung  durch  einige  andere  er- 
gänzt hat,  bestehen  hauptsächlich  in  folgenden : 

1.  Mit  der  Bearbeitung  der  Dreeschbrache  kann  in  der 
Regel  erst  iiu  Juli  der  Anfang  gemacht  werden,  weil 
das  Vieh  der  Weide  zu  bedürftig  ist;  die  Bearbeitung 
muß  also  in  kurzer  Zeit  vollendet  werden. 

2.  Wenn  nach  vorangegangener  Nässe  Dürre  eintritt,  so 
kann  der  Pflug  in  den  vom  Vieh  festgetretenen  Boden 
gar  nicht  eindringen.  Die  harten  Klöße  erfordern  ein 
weit  angestrengteres  Eggen  als  die  Dreeschbrache  und 
können  oft  nur  durch   die  Keule  bezwungen   werden. 


—     363     — 

Zum  Weizen  bedarf  die  Mürbebrache  einer  viermaligen  360 
Bearbeitung,  wenn  der  Acker  gut  zubereitet  werden  seil. 

3.  Der  Sandboden  ist  in  der  Dreifelderwirtschaft  in  der 
Regel  sehr  verqueckt,  und  die  Vertilgung  der  Quecken 
erfordert  in  der  Mürbebrache  weit  mehr  Arbeit  als  in 
der  Dreeschbrache,  wo  die  unteren  Enden  der  Quecken- 
wurzeln schon  abgestorben  sind. 

4.  In  der  Dreifelderwirtschaft  umfaßt  die  Brache  den 
dritten  Teil  des  Ackers,  und  diese  Fläche  ist  im  Yer- 
hältnis  zu  der  vorhandenen  Anspannung  viel  zu  groß, 
als  daß  sie  in  der  gegebenen  kurzen  Zeit  gut  und 
tüchtig  bearbeitet  werden  könnte. 

Diese  Einwendungen  sind  ohne  Zweifel  aus  der  Erfah- 
rung selbst  entnommen  und  verdienen  alle  Beachtung. 

Hier  aber  ist  der  Fragepunkt  nur  der:  ob  diese  Einwürfe 
auf  diejenige  Dreifelderwirtschaft,  wie  sie  aus  den  Suppo- 
sitionen  des  isolierten  Staates  hervorgegangen  ist,  passend 
imd  einer  Anwendung  fähig  sind,  oder  nicht. 

Ich   erlaube   mir   deshalb   nachstehende   Erwiderungen : 

Ad  L  Die  D.  F.  W.  des  isolierten  Staates  hat  64^/0 
der  Ackerfläche  zur  Weide  und  kann  also  nie  in  die  Lage 
kommen,  aus  Mangel  an  Weide  die  Brache  erst  im  Juli  auf- 
brechen zu  müssen. 

Ad  2.  Dies  kann  sich  nur  auf  Lehm-  und  Tonboden 
beziehen.  In  dem  isolierten  Staat  ist  aber,  um  nicht  alles 
untereinander  zu  mengen  und  dadurch  zu  verwirren,  die 
Untersuchung  auf  eine  einzige  Bodenart,  den  Gersten-  oder 
Mittelboden  beschränkt,  imd  dieser  Boden  wird  sehr  selten 
und  fast  niemals  auf  längere  Zeit  dem  Eindringen  des  Pfluges 
widerstehen.  Was  aber  auf  dem  Gerstenboden  ausführbar  ist, 
hört  darum  nicht  auf  für  diesen  Boden  zweckmäßig  zu  sein, 
weil  es  auf  einem  anderen,  dem  Weizenboden,  nicht  anwend- 
bar ist. 

Ad  3.    Der  Sandboden  ist  zwar  mehr  zum  Yerquecken  361 


—    364    — 

geneigt  als  die  besseren  Bodenarten ;  aber  es  ist  keineswegs 
ein  notwendiges  Attribut  der  D.  F.  W.,  den  Sandboden  in 
einen  verqiieckten  Zustand  zu  versetzen,  zumal  da  die  gut 
bearbeitete  Brache  das  wirksamste  Mittel  zur  Yertilgung  der 
Quecken  ist.  Die  Yerqueckung  ist  hier  in  der  Regel  der  nach- 
lässigen Bearbeitung,  oder  auch  der  Besömmerung  der  Brache 
mit  Erbsen  —  also  der  Abweichung  von  der  reinen  D.  F.  W. 
—  zuzuschreiben. 

Da  auf  dem  Sandboden  die  Grasnarbe  selten  sehr  dicht 
ist,  die  Graswurzeln  sich  aber  von  der  daran  hängenden  Erde 
leicht  trennen  lassen,  so  mögen  3  Pflugfurchen  für  die  Dreesch- 
brache hier  öfters  genügend  sein,  und  die  Differenz  zwischen 
den  Kosten  einer  Dreesch-  und  einer  Mürbebrache  wird  dann 
unerheblich.  Da  aber  in  dem  isolierten  Staat  nicht  vom 
Sand-,  sondern  vom  Mittelboden  die  Rede  ist,  so  bleibt  dies 
auch  ganz  ohne  Einfluß  auf  die  Richtigkeit  der  dort  gefun- 
denen Resultate. 

Ad  4.  Wenn  in  einer  Wirtschaft,  die  bisher  so  geord- 
net war,  daß  das  Zugvieh  während  des  Sommers  gleich- 
mäßig beschäftigt  wurde,  der  Kornertrag  durch  Verminderung 
des  Bodenreichtums  sinkt,  so  bleiben  die  Bestellungsarbeiten 
dieselben,  während  die  Ernte-  und  Dungfuhi-en  sich  mindern. 
Es  kann  dann  nicht  mehr  mit  Nutzen  dieselbe  Zahl  von 
Zugtieren  wie  früher  gehalten  werden,  und  die  Folge  davon 
ist,  daß  der  Acker  nicht  zur  rechten  Zeit  und  nicht  mit  der 
gehörigen  Sorgfalt  bestellt  wird. 

In  der  Wirklichkeit  befinden  sich  viele  Dreifelderwirt- 
scliaften,  deren  Ertrag  auf  3  bis  5  Körner  herabgesunken  ist, 
in  dieser  Lage. 

Dieses  Mißverhältnis  zwischen  den  Ernte-  und  Bestellungs- 
362  arbeiten,  zwischen  der  Zahl  des  Zugviehes  und  der  Größe 
des  zu  bearbeitenden  Brachschlages  ist  aber  keineswegs  mit 
der  D.  F.  W.  notwendig  verbunden,  sondern  entspringt  ledig- 
lich aus  der  unkonsequenten  Ausdehnung  des  Ackers  auf  Kosten 


—    365    — 

der  "Weide  und  der  dadurch  bewirkten  Erschöpfung  des 
Bodens. 

In  der  normalen  D.  F.  "\V.  des  isolierten  Staates,  wo 
der  Boden  sich  auf  derselben  Stufe  des  Reichtums  wie  in 
der  Koppelwirtschaft  erhält,  wo  kein  Mangel  an  "Weide  vor- 
handen und  die  Brachbearbeitung  gleich  nach  vollendeter 
Frühjahrssaat  beginnt,  findet  ein  solches  Mißverhältnis  über- 
all nicht  statt. 

Fassen  wir  nun  das  Ganze  zusammen,  so  beziehen  sich 
diese  Einwiu'fe  teils  auf  eine  andere  Bodenart  als  die,  wo- 
von hier  die  Rede  ist,  teils  auf  die  entartete,  verarmte  und 
verwilderte  D.  F.  W.,  wie  sie  in  der  Wirklichkeit  zwar  häufig 
vorkommt,  nach  deren  Mängeln  aber  kein  Urteil  über  eine 
konsequent  betriebene  D.  F.  W.  gefällt  werden  darf. 

Übrigens  kann  es  dem  Landwirt,  welcher  Koppelwirt- 
schaft betreibt,  nicht  zweifelhaft  sein,  ob  die  Bearbeitung 
des  mürben  Ackers  oder  die  des  Dreeschackers  mehr  Arbeit 
kostet,  da  sich  ihm  bei  der  Bestellung  des  Gersten  Schlages 
und  des  Brachschlages  in  jedem  Jahre  eine  Vergleichung 
darbietet. 

Zu  Tellow  betrugen  im  Durchschnitt  der  5  Jahre  von 
1810—15  die  Kosten  des  Eggens  auf  10000  DR. 

a)   auf  mürbem  Acker  im  Gersten  schlag : 

das  Eggen  der  Strekfurche G,5  Tlr.  N'-Zs 

„        „         „    Wendfurche 19,4  „ 

„        „         „    Saatfurche 22,4  „ 

Summe" 48,3  Tlr.  N^/.-; 

b)  in  der  Dreeschbrache:  363 

das  Eggen  der  Dreeschfurche 17,6  Tlr.  N-/3 

„        ,,         ,,    Brachfurche 24,3     „ 

„        „         „    Wendfurche 21,4     „ 

„        „         „    Saatfurche 26,2     „ 

Summe  89,5  Tlr.  N^/a 


—     366     — 

Das  Verhältnis  zwischen  a  nnd  b  ist  also  wie  48,3:89,5  =; 
100  :  185. 

Da  nun  die  Mürbebrache  wie  der  Gersteschlag  nur  drei 
Furchen  bedarf,  so  wird  sich  in  bezug  auf  die  Kosten  des 
Eggens  das  Verhältnis  zwischen  Mürbebrache  und  Dreesch- 
brache auf  queckenfreiem  Mittelboden  ungefähr  ebenso  stellen. 

Bemerkung  3  zu  §  16. 

In  dieser  Schrift  konnte  und  durfte  nur  von  einer 
Bodenart,  unter  gegebenen  klimatischen  Einflüssen,  die  Rede 
sein.  Der  Grad  der  Nützlichkeit  der  Brache  wird  aber  gar 
sehr  durch  Klima  und  Bodenart  bedingt. 

In  heißen  Klimateu  ist  die  Einwirkung  der  Sonnen- 
wärme auf  die  Zersetzung  der  organischen  Stoffe  und  auf 
die  mechanische  Zubereitung  des  Bodens  so  stark,  daß  der 
Acker  in  kurzer  Zeit  zur  Aufnahme  der  Wintersaat  vor- 
bereitet werden  kann.  Zugleich  liegt  hier  zwischen  Ernte 
und  Herbstsaat  eine  lange  Zwischenzeit,  der  Boden  kann 
deshalb  nach  der  Ernte  noch  eine  vollständige  Bearbeitung 
erhalten,  und  hier  kann  die  Brache  unter  Verhältnissen,  bei 
welchen  sie  in  kälteren  Ländern  zweckmäßig  ist,  mit  Nutzen 
abgeschafft  werden. 

In  sehr  kalten  Ländern,  z.  B.  im  nördlichen  Rußland, 
wo  die  Wirkung  der  Sonnenwärme  so  gering  ist,  und  die 
Ernte  mit  der  Herbstsaatzeit  zusammenfällt,  ist  dagegen  die 
Brache  eine  Notwendigkeit. 
364  Aber  auch  unter  demselben  Himmelsstrich  übt  die  Be- 
schaffenheit des  Bodens  auf  den  Grad  der  Nützlichkeit  der 
Brache  einen  wesentlichen  Einfluß  aus.  Auf  dem  sandigen 
Boden  ist  die  Zerkrümelung  der  Erde  leicht,  und  die  Tren- 
nung der  Graswnu'zeln  von  der  anhängenden  Erde  bietet  — 
wenn  nur  keine  Quecken  vorhanden  sind  —  wenig  Schwierig- 
keit dar.  Auf  dem  Tonboden  findet  aber  gerade  das  Gegen- 
teil statt,   und  hier  kann   unter  Verhältnissen,    die  auf  dem 


—    367     — 

!XIittelboden  die  Abschaffung  der  Brache  vorteilhaft  machen, 
die  Brache  dennoch  unentbehrlich  sein. 

Aber  es  gibt  noch  ein  anderes  wesentliches  Moment, 
was  zur  Abschaffung  der  Brache  auf  Sand-  und  zur  Bei- 
behaltung derselben  auf  strengem  Lehm-  und  Tonboden  hin- 
wii'kt  —  was  in  dieser  Schrift  jedoch  nur  angedeutet,  nicht 
ausführlich  erörtert  werden  kann. 

Dung  und  Humus  sind  in  dem  Sandboden  mit  der  Erde 
nur  gemengt,  in  dem  Tonboden  aber  gehen  beide  eine  che- 
mische Verbindung  mit  der  Erde  ein.  Der  Sand  ist  porös 
und  gestattet  der  Luft  freien  Zutritt  zu  den  darin  befind- 
lichen organischen  Resten;  der  Tonboden  dagegegen  ballt 
in  Kluten  (Erdklöße)  zusammen,  bildet  nacli  jedem  starken 
Eegen  eine  Kruste  und  schützt  dadurch  den  Humus  gegen 
Verflüchtigung.  Zugleich  besitzt  der  Ton,  aber  nicht  der 
Sand,  die  Fähigkeit,  pflauzennährende  Gase  aus  der  Atmo- 
sphäre anzuziehen  —  und  aus  dieser  Verschiedenheit  des  Ver- 
haltens der  Bodenarten  gegen  die  Atmosphäre  geht  die  Ver- 
schiedenheit in  der  Qualität  derselben  hervor.  Je  häufiger 
und  sorgfältiger  nun  der  Boden  zumal  in  der  heißen  Jahres- 
zeit bearbeitet  wird,  desto  stärker  wird  die  Verflüchtigung 
des  Humus,  um  so  stärker  aber  auch  die  Einsaugung  pflanzen- 
nährender Gase  auf  dem  Tonboden;  und  wenn  dieser  nicht 
sehr  reich  an  Humus  ist,  so  wird  wahrscheinlich  die  Ver-365 
flüchtigung  durch  die  Einsaugung  überwogen  —  während 
der  Sandboden  bei  der  Bearbeitung  durch  Verflüchtigung 
ärmer  an  pflanzennährenden  Stoffen  wird,  ohne  durch  Ein- 
saugung einen  Ersatz  dafür  zu  erhalten. 

Die  Qualität  des  Bodens  ergibt  sich  für  Wirtschaften 
im  beharrenden  Zustande  aus  der  Vergleichung  der  dem 
Acker  erteilten  Quantität  Dung  mit  der  Größe  der  daraus 
hervorgegangenen  Ernten.  Da  nun  von  dem  Dung  um  so 
weniger  auf  die  Produktion  von  Ernten  verwandt  wird ,  je 
mehr  davon   durch  Verflüchtigung  verloren  geht,  so  wird 


—    368    — 

auch  die  reine  Brache,  den  obigen  Ansichten  nach,  auf 
Sandboden  eine  Verminderung,  auf  Tonboden  aber  eine  Er- 
höhung der  Quahtät  bewirken. 

In  dieser  Schrift  haben  wir  den  zwischen  Sand  und 
Ton  stehenden  Mittelboden  vor  Augen,  auf  welcliem  bei 
einem  Reichtum,  der  dem  Erti'age  von  8  Körnern  entspricht, 
Einsaugung  und  A^erflüchtigung  sich  vielleicht  das  Gleich- 
gewicht halten.  Das  für  diesen  Boden  angenommene  Ver- 
hältnis der  Ernten  nach  reiner  Brache  und  nach  einer  Vor- 
frucht, kann  also  auch  nicht  normierend  sein  für  andere 
Bodenarten  und  selbst  nicht  für  denselben  Boden  unter 
anderen  klimatischen  Einflüssen.  Aber  man  kann  von  jedem 
Standpunkt  aus  ähnliche  Schlüsse  und  Folgerungen  aus  den 
dort  vorliegenden  Tatsachen   ziehen. 

Nur  in  der  Methode  der  Untersuchung,  nicht  in  den 
Zahlen,  kann  Allgemeingültigkeit  erstrebt  werden. 


Bei  einer  Beantwortung  der  Frage :  „wo  und  unter  wel- 
chen Verhältnissen  ist  die  Abschaffung  der  Brache  vorteil- 
haft", darf  folgendes  wichtige  Moment  nicht  außer  acht  ge- 
lassen werden. 
366  Die  Brache  gewährt  den  wesentlichen  Vorteil,  daß  durch 
sie  die  Gespannarbeiten  auf  den  ganzen  Sommer  regelmäßig 
verteilt  werden. 

AVird  die  Brache  abgeschafft,  so  müssen  alle  Dungfuhren 
und  Pflugarbeiten  in  den  Frühlings-  und  Herbstmonaten 
vollbracht  werden,  und  in  den  Monaten  Juni  und  Juli  bleibt 
dann  ein  Teil  der  Gespanne  unbeschäftigt.  Um  die  Acker- 
arbeiten gut  zu  vollführen,  müssen  also  mehr  Gespanne  ge- 
halten werden ,  als  bei  einer  gleichmäßigen  Verteilung  der 
Arbeiten  nötig  gewesen  wäre.  Dadurch  werden  aber  die 
auf  einen  Arbeitstag  fallenden  Kosten  sehr  bedeutend  erhöht, 
und  es  kommen  hier  also  auch  die  Ackerarbeiten  höher  zu 
stehen,  als  in  der  Wirtschaft  mit  reiner  Brache, 


—    369    — 

Bemerkung:  4  zu  §  18. 

Es  gehört  nicht  zum  Wesen  der  mecklenburgischen 
Koppelwirtschaft  —  wie  man  häufig  glaubt  —  drei  Halm- 
früchte aufeinander  folgen  zu  lassen;  sondern  man  hat  fast 
immer  die  Erbsen  und  Kartoffeln  in  dem  '2ten  Korn-  oder 
sogenannten  Gerstenschlag  gebaut  und  hierauf  dann  Gerste 
oder  Hafer  genommen.  Der  Anbau  von  Kartoffeln  und 
Erbsen  war  ehemals  aber  sehr  beschränkt,  und  der  Teil  des 
Ackers,  welcher  damit  nicht  bestellt  wurde,  trug  allerdings 
drei  Halmfrüchte  nacheinander. 

In  der  neueren  Zeit,  wo  die  Schäfereien  so  sehr  ver- 
größert sind,  und  fast  aller  Mittelboden,  durch  Anwendung 
des  Mergels  und  Gipses,  zur  Produktion  der  Schotenge- 
wächse tauglich  geworden  ist,  hat  sich  der  Anbau  der  Erbsen 
imd  Kartoffeln  gar  sehr  erweitert,  und  auf  den  meisten 
Gütern  erstreckt  sich  die  Fruchtfolge  mit  3  Halmfrüchten 
nacheinander   nur   noch  auf  den  kleineren  Teil  des  Feldes. 

Auch  hat  die  Einführung  des  ßapsbaues  zu  einem  367 
besseren  Fruchtwechsel  geführt,  und  auf  mehreren  Gütern 
mit  reichem,  kräftigem  Boden  und  bedeutendem  Heugewinn 
nimmt  man  jetzt:  1.  Brache,  2.  Raps,  3.  Weizen,  4.  Pahl- 
korn  und  Kartoffeln,  5.  Roggen  und  Gerste,  denen  dann  2 
oder  3  Weideschläge  folgen. 

Trotz  des  besseren  Fruchtwechsels  trägt  eine  solche  AVirt- 
schaft,  solange  sie  noch  reine  Brache  hält  und  2 — 3  jährige 
Weide  hat,  doch  die  charakteristischen  Merkmale  der  Koppel- 
wirtschaft an  sich  und  gehört  nicht  der  reinen  Fruchtwechsel- 
wirtschaft an. 

In  dem  isolierten  Staat  mußten  wir,  um  die  Unter- 
suchung zu  vereinfachen,  auch  die  einfachste  Form  der  K.  W., 
bei  welcher  jeder  Schlag  nur  mit  einer  Frucht  bestellt  wird, 
zu  Grunde  legen  und  deshalb  die  Wirtschaft  mit  drei 
nacheinander  folgenden  Halmfrüchten  zum  Gegenstand  der 
Betrachtung  Avählen. 

Thüuen,  Der  isolierte  Staat.  24 


—     370     — 

Bemerkung  5  zu  §  20. 

Der  Inhalt  dieses  §  leidet  an  mehreren  Mängeln,  die 
hier  aufzudecken  und  zu  erörtern  sind, 

I. 

Schwerz  gibt  in  seiner  Beschreibung  der  belgischen 
Wirtschaft  (B.  2,  S.  396)  den  Ertrag  der  Speisekartoffeln  in 
Belgien  zu  300  Sack  pr.  Bunder  an,  welches  115  Berl. 
Scheffel  auf  100  DR.  beträgt. 

In  der  Berechnung  §  20  habe  ich  für  die  Kartoffeln 
auf  dem  reichen  Boden  des  Kreises  der  freien  Wirtschaft 
denselben  Ertrag  angenommen,  den  Schwerz  für  Belgien 
angibt 

Nun  ist  dieser  hohe  Durchschnittsertrag  hier  auf  reichem 
Boden  zwar  wohl  für  Viehkartoffeln,  aber  nicht  für  die  feineu 
Eßkartoffeln,  wie  sie  in  großen  Städten  verlangt  werden, 
368 zu  erreichen.  Es  ist  deshalb  sehr  wahrscheinlich,  daß  die 
Kartoffel,  welche  in  Belgien  Speisekartoffel  genannt  wird, 
eine  gröbere  Sorte  ist,  als  unsere  Eßkartoffel.  Die  gröberen 
Kartoffelsorteu  werden  aber  in  den  großen  Städten  nur  von  der 
ärmeren  Yolksklasse  zur  Speise  verwandt,  dann  aber  nicht  zu  Vs, 
sondern  etwa  zu  ^U  des  Roggenpreises  pr.  Schfl.  bezahlt. 
Der  Preis  der  feinen  Eßkartoffeln  steigt  dagegen  in  den 
großen  Städten  wohl  auf  -/s  bis  ^'2  des  Roggen preises.  Der 
Ertrag  dieser  Kartoffelart  erreicht  aber  nur  ungefähr  -/s  des 
angenommenen  Ertrags. 

Die  Berechnung  über  den  Reinertrag  des  Kartoffelbaues, 
im  Kreise  der  freien  Wirtschaft,  bedarf  also  einer  mehr- 
fachen Modifikation. 

II. 
Zur  Ausmittlung    der   durch    die  Kartoffeln   bewirkten 
Bodenerschöpfung  gibt  es  zwei  verschiedene  Wege. 

a)  Man  vergleicht  den  Ertrag  der  nach  Kartoffeln  folgenden 


—    371    — 

Frucht  mit  dem  Ertrage,  den  diese  Frucht  nach  einem 
anderen  auf  gleichem  Boden   erbauten  Gewächs  gibt, 
b)  Man  beobachtet,  welchen  Einfluß  die  Einführung  des 
Kartoffelbaues  im  großen,  nach  mehreren  Umläufen, 
auf  die  Erhöhung  oder  Verminderung  des  Bodenreich- 
tums ausübt. 
In   meinen   Verhältnissen   konnte  ich   zur  Ausmittlung 
der  Aussaugungskraft  der  Kartoffeln   nur  die  Iste  Methode 
in  Anwendung  bringen,  und  demnach  habe  ich  angenommen, 
daß   die  Produktion  von   8  Scheffel  ä  100  tt.  Viehkartoffeln 
dem  Acker  so   \iel   Dung  kostet,   als   die  Produktion   von 
1  Scheffel  Roggen  zu  81  ft.. 

Da  aber  auch  bei  gleichem  Bodenreichtum  der  Ertrag 
einer  Frucht  nach  verschiedenen  Vorfrüchten  sehr  ungleich 
sein  kann,  und  da  es  so  schwierig  ist,  die  Einwirkung  der 
Vorfrucht  (den  Faktor  der  Kultur)  von  der  Einwirkung  des  369 
Bodenreichtums  zu  unterscheiden  und  zu  trennen,  so  bleibt 
das  auf  diesem  Wege  gefundene  Resultat  immer  ein  unsicheres. 
Weit  sicherer  und  entschiedener  führt  die  zweite  Methode 
zum  Ziel.  Diese  löst  zwar  das  vorliegende  Problem  nicht 
unmittelbar,  sondern  gibt  —  was  noch  wichtiger  ist  —  uns 
Auskunft  darüber,  ob  die  Aussaugung  der  Kartoffel  durch 
den  Ersatz,  den  sie  bei  ihrer  Verwendung  gibt,  gedeckt  oder 
überwogen  wird;  kann  man  aber  den  Ersatz  mit  einiger 
Genauigkeit  bestimmen,  so  geht  hieraus  dann  auch  die  Größe 
der  Aussaugung  hervor. 

Da  nun  in  der  Mark  Brandenburg  schon  seit  einer 
Reihe  von  Jahren  auf  vielen  Gütern  der  Kai'toffelbau  in 
einer  solchen  Ausdehnung  betrieben  wird,  daß  ganze  Schläge 
der  Feldmark  mit  Kartoffeln  bestellt  werden :  so  müssen  wir 
auch  von  dorther  die  Lösung  der  wichtigen  Aufgabe,  wie  sich 
die  Aussaugung  der  Kartoffel  zu  der  des  Getreides  verhält, 
erwarten. 

Nun   ist   die   große  Mehrzahl   der  dortigen  Landwirte 

24* 


—    372     — 

entschieden  der  Ansicht,  daß  sich  der  Bodenreichtum  ihrer 
Felder  seit  der  Einführimg  des  Kartoffelbaues  im  gi-oßen 
bedeutend  gehoben  hat,  und  daß  dies  selbst  dann  stattgefunden, 
wenn  der  größte  Teil  der  gebauten  Kartoffeln  zum  Brannt- 
weinbrennen benutzt  ist,  und  das  Vieh  davon  nur  die 
Schlempe  erhalten  hat. 

Da  diese  Erfahrungen  sich  schon  auf  einen  längeren  Zeit- 
raum erstrecken,  so  scheint  auch  obige  Aufgabe  schon  jetzt 
zur  Lösung  reif  zu  sein. 

Ehe  hierauf  aber  ein  bestimmtes  Urteil  gegründet  -vsärd, 
muß  doch  zuvor  untersucht  werden ,  ob  nicht  mit  der  Ein- 
fühi^ung  des  Kartoffelbaues  gleichzeitig  andere  Meliorationen 
stattgefunden,  und  ob  nicht  mit  der  Verwendung  der  Kar- 
370  toffeln  Umstände  verknüpft  gewesen  sind,  die  an  sich  schon 
eine  Erhöhung  der  Kidtur  bewirken. 

In  dieser  Beziehung  scheinen  mir  folgende  Momente 
einer  näheren  Erwägung  wert  zu  sein. 

1.  So  viel  ich  weiß,  ist  in  der  Mark  erst  mit  oder  nach 
der  Einführung  des  ausgedehnten  Kartoffelbaues  das 
Mergeln  der  Felder  im  großen  betrieben  worden.  Die 
Wirkung  des  Mergels  ist  aber  auf  dem  dafür  geeig- 
neten Boden  so  enorm,  daß  dadurch  auch  ohne  Kar- 
toflelbau  —  wie  dies  in  Mecklenburg  der  Fall  gewesen 
—  eine  an  das  Wunderbare  grenzende  Steigerung  der 
Ertragsfähigkeit  des  Bodens  hervorgehen  kann.  Die 
^^'irkung  des  Mergels  erlöscht  aber  nur  laugsam  und 
erst  aus  der  Vergleichung  des  4ten  Umlaufs  mit  dem 
öten  nach  dem  Mergeln,  bei  einer  6 — 7jährigen  Ro- 
tation, wird  man  auf  gemergeltem  Acker  mit  Sicherheit 
entnehmen  können,  ob  der  Kartoffelbau  den  Boden  be- 
reichert oder  nicht. 

2.  Eine  von  meinem  Neffen  und  ehemaligen  Schüler,  dem 
Herrn  Berlin  auf  Liepen,  mir  mitgeteilte  Ansicht  scheint 


—    373    — 

in  der  vorliegenden  Frage  eine  besondere  Berücksich- 
tigung zu  verdienen, 

Herr  Berlin  ist  nämlich  der  Meinung,  daß  das 
Emporkommen  der  Grüter  in  der  Mark,  welche  im 
großen  Branntwein  aus  Kartoifeln  brennen,  nicht  so 
wohl  von  einer  geringen  Aussaugung  der  Kartoffeln, 
als  vielmehr  von  der  vortrefflichen  Beschaffenheit  des 
Dungs  von  den  mit  Schlempe  gefütterten  Schafen 
herrühre  —  indem  derselbe  nicht  schimmlich  werde, 
sondern  stets  feucht  bleibe  und  dadurch  seinen  Ammo- 
niakgehalt bewahre. 

Diese  Ansicht  gewinnt  gar  sehr  an  Wahrscheinlich- 
keit   durch   Sprengeis   Untersuchungen ,    aus   welchen  371 
hervorgeht,  daß  die  A^erflüchtigung  des  Ammoniaks  aus 
dem  Urin  um   so  geringer  ist,   je   mehr  derselbe  mit 
Wasser  verdünnt  wird. 

Diese  Fixierung  des  Ammoniaks  im  Schafdung  wird 
aber  nicht  allein  durch  die  Verfutterung  von  Schlempe 
aus  Kartoffelbrennereien  bewirkt,  sondern  kann  wahr- 
scheinlich auch  durch  Begießen  des  Schafduugs  mit 
Wasser,  durch  Überfahren  desselben  mit  Wiesenmoder, 
und  nach  Liebigs  Angabe  —  deren  Bestätigung  ich 
sehnlich  erwarte  —  schon  durch  das  bloße  Bestreuen 
des  Dungs  mit  Gips  erreicht  werden. 

Diese  wohltätige  Wirkung  kann  also  auch  nicht 
als  den  Kartoffeln  allein  angehörig  betrachtet  und 
ihnen  bei  der  Bestimmung  ihrer  Aussaugungslo-aft  nicht 
zu  gut  gerechnet  werden. 
3.  Mit  der  Ausdehnung  des  Kartoffelbaues  ist  eine  gänz- 
liche Änderung  in  der  Zeit  der  Dungabfuhr  verbunden. 
Während  sonst  der  Dung  nach  der  Brache  erst  in  der 
Mitte  des  Sommers  abgefahren  wurde,  muß  derselbe 
zu  den  Kartoffeln  schon  am  Ende  des  Winters  auf 
das  Feld   gebracht  werden,   und   das  große  Quantum 


—     374     — 

düngender  Stoffe,  was  sonst  durch  die  Gärung  des 
Dungs  auf  dem  Misthofe  verloren  ging,  wird  jetzt  dem 
Acker  erhalten. 
4.  Die  durch  den  Kartoffelbau  möglich  gewordene  bessere 
Fütterung  des  Viehes  kann  allein  schon  den  Rein- 
ertrag der  Güter  sehr  bedeutend  erhöhen ;  und  da  gut 
genährtes  Vieh  besseren  Dung  gibt,  zugleich  eine  Er- 
höhung des  Bodenreichtums  bewirken. 

Die  Einführung  des  Kleebaues   würde   aber   eine 
ähnliche  Wirkung  hervorbringen,  und  diese  kann  also 
372  auch   nicht  ausschließlich  den  Kartoffeln   angerechnet 

werden.  Nichtsdestoweniger  bleibt  aber  für  den 
meistens  sandigen,  zum  Kleebau  wenig  geeigneten 
Boden  der  Mark  die  Kartoffel  ein  unersetzliches  und 
unschätzbares  Geschenk. 


Ich  muß  es  nun  den  rationellen  Landwirten  in  der 
Mark  und  namentlich  in  der  Gegend  von  Wrietzen  über- 
lassen, den  Anteil,  den  diese  Umstände  dort  an  der  Erhöhung 
der  Bodenkultur  haben,  von  der  durch  den  Kartoffelbau  an 
sich  bewirkten  zu  sondern  und  zu  bestimmen. 

Wenn  nun  auch  die  Erwägung  dieser  Umstände  dazu 
beitragen  dürfte,  die  jetzt  in  der  Mark  vorheiTSchende  Mei- 
nung über  die  Geringfügigkeit  der  Aussaugung  der  Kartoffeln 
zu  modifizieren,  so  ist  doch  andei^erseits  der  Aufschwung, 
den  die  märkischen  Wirtschaften,  w^elche  den  Kartoffelbau 
im  großen  betreiben,  genommen  haben,  zu  entschieden  und 
zu  mächtig,  als  daß  die  früher  fast  allgemein  herrschende 
Meinung:  „die  Kartoffel  sei  eine  sehr  aussaugende  Frucht" 
noch  ferner  festgehalten  und  für  richtig  erkannt  werden  kann. 

Von  einem  der  größten  Güterbesitzer  im  Preußischen, 
auf  dessen  Gütern  Kartoffolbau  und  Branntweinbrennerei  im 
ausgedehntesten  Maß  betrieben  werden,  habe  ich  auf  meine 


—    37")    — 

Frage  über  die  Größe  der  Aussaiigung  der  Kartoffeln  folgende 
Notiz  erhalten : 

„Wenn  die  Hälfte  der  gebauten  Kartoffeln  zum  Brannt- 
,, weinbrennen  benutzt,  die  andere  Hälfte  mit  dem  Vieh 
„verfuttert  wird:    so  wird  auf  Mittelboden  die   Aus- 
„saugung  der  Kartoffeln  durch  den  daraus  gewonnenen 
„Dung  gedeckt/' 
Wenn  man  annimmt,  daß  die  Schlempe  noch  den  halben 
Nahrungsgehalt  der  Kartoffeln,   woraus   sie  hervorgegangen 
ist,  besitzt :  so  würde  nach  meinen  Positionen  über  den  Wert  373 
des  aus  den  Kartoffeln  erfolgenden  Dungs  sich  liiernach  er- 
geben, daß   die  Produktion   von    10,7  Schfl.  Kartoffeln   dem 
Acker  so  viel  Dung  kostet  als  die  von  1  Schfl.  Koggen, 

Da  die  obige  Angabe  auf  der  Basis  einer  langen  und 
vielseitigen  Erfahrung  beruht  und  zugleich  unter  allen  An- 
gaben, die  ich  aus  der  Mark  erhalten  habe,  in  bezug  auf  die 
Geringfügigkeit  der  Aussaugung  der  Kartoffeln  die  gemäßigste 
ist:  so  bin  ich  sehr  geneigt,  mich  derselben  anzuschließen, 
und  ich  nehme  jetzt  an,  daß  die  Produktion  von  1  Scheffel 
Kartoffeln  dem  Acker  0,094*^  Reichtum  kostet. 

HL 

In  der  im  §  20  betrachteten  Wirtschaft  A,  welche  l^'i 
Kleeschläge  mit  einem  Kartoffelschlag  verbindet  und  sich  ohne 
Dungankauf  in  gleichem  Bodenreichtum  erhält,  ist  die  Rente, 
die  der  Kleebau  gewährt,  nach  den  Daten,  die  Schwerz  über 
die  Nutzung  des  Klees  in  Belgien  liefert,  berechnet. 

Nun  leidet  es  aber  keinen  Zweifel,  daß  die  Milchvieh- 
nutzung im  Kreise  der  freien  Wirtschaft  durch  den  Verkauf 
der  frischen  Milch  weit  höher  ist,  als  in  Belgien  durch  den 
Verkauf  der  Buttei',  worauf  sich  die  Schwerzschen  Angaben 
beziehen.  Es  muß  also  auch  die  Rente,  die  der  Kleebau 
gewährt,    in    dem  Kreise   der  freien   Wirtschaft    bedeutend 


—    37G    — 

höher  sein,  als  in   der  hier  zu  Grunde  gelegten  belgischen 

Wirtschaft. 

Bezeichnen  wir  diesen  Mehrbetrag  der  aus  dem  Kleebau 

hervorgehenden  Rente  mit  „R",  so  wird  die  Landrente  der 

....  ,    ,    „,  ,  1695  -  182,sx  1695  -  182,sx     ,   ^ 

Wirtschaft  A  von  rö?r~i auf    ^^o  i — h  R 

182  -\-  X  182  -f-  X  ' 

erhöht. 
374         Aus  der  Gleichstellung  der  Landrente  der  beiden  Wirt- 
schaften A  und  B  ergibt  sich  dann  die  Größe  von  a,   oder 

der  Wert   eines  Fuders   Dung   =    — ^nr^s— f — ~--  -f-   otjtvtt 

löjj  -f-  X  dbUO 

"L> 

Für  X   =   0  ist  dann  a  =  5,4   Taler   -^        o^aä 

'  '  doUU 

_     1  -    A  .  ^ 

X   -    1     „       „      a  _  4,2       .,      —        gg^jQ 

Es  gellt  hieraus  hervor,  daß  so  weit  der  Klee  durch  den 
Milchverkauf  höher  verwertet  wird,  als  durch  den  Butter- 
verkauf, a  oder  der  Wert  eines  Fuders  Dung  niedriger  sein 
muß,  als  im  §  2U  berechnet  worden. 

Hiernach  sinkt  der  Wert  von  a  um  so  tiefer,   je  höher 

der    Wert    von   R    steigt,    und    wird    sogar    =    0,    wenn 

R  980  — 206,6x        .  ,       ^..  ... 

53^=^   =    -,00   I wird,      iur    x    =     1     ist     dann 

3600  182  -\-  X 

T^  =    4,2  Tlr.  und  R  =  15  120  Tlr. 
obOO 

Wenn  es  überhaupt  möglich  wäre,  daß  R  einen  so  hohen 
Wert  erreicht,  so  könnte  dies  doch  immer  nur  in  der  nächsten 
Umgebung  der  Stadt,  mit  Ausschluß  der  Gärten,  der 
Fall  sein. 

Interessant  ist  diese  Formel  aber  dadurch,  daß  es  an  ihr 
sichtbar  wird,  wie  der  Kauf  wert  des  Dungs  von  der  Diffe- 
renz zwischen  der  aus  dem  Ackerbau  und  aus  der  Viehzucht 
hervorgehenden  Rente  abhängig  ist. 


—     377     — 

Die    Hebung    der    hier    gerügten    Mängel    durch    Um- 
arbeitung dieses  §  würde  sehr  zeitraubend  und  mühsam,  aber 
doch  nicht  lohnend    gewesen    sein.      Denn    einesteils  ver- 
mag ich  jetzt  so   wenig   als    früher   den   Wert   von   R    in 
Zahlen    anzugeben,    und    anderenteils    bleibt    die    Methode 
der  Untersuchung,   namentlich  bei  Ausmittlung  des  Dung- 
werts,   unverändert  und  behält  ihren   Wert,    mit  welchen 
Zahlen  die  Rechnung  auch  geführt  werden  mag. 
Was  nun  das  Ergebnis  der  Untersuchung, 
daß  der  Bau  der  Kartoffeln  zum  Zwecke  der  Versor- 
gung der  Stadt  mit  dieser  Frucht  in   der  Nähe  der 
Stadt   und   vor   dem  Kreise   der   Forstwirtschaft   ge- 
schehen müsse, 
betrifft:  so  bleibt  dies  jedenfalls  unverändert  fest  stehen.      375 


Bemerkung  6  zu  §  26. 

Der  hier  vorgelegte  Milch-  und  Butterertrag  der  Kühe 
zu  T.  in  den  Jahren  1810 — 15  ist  allerdings  nur  geringe, 
steht  aber  dem  Ertrage  der  besseren  mecklenburgischen 
HoUändereien  in  jener  Zeit  nicht  nach,  und  gibt  ein  Bild 
des  damaligen  Betriebes  und  Zustandes  der  Milchviehwirt- 
schaft in  Mecklenburg. 

In  der  späteren  Zeit  ist  aber  den  Kühen  zu  T. ,  sowie 
fast  überall  in  Mecklenburg,  eine  reichlichere  Weide  und  ein 
kräftigeres  Winterfutter  zuteil  geworden,  und  der  Milch- 
ertrag der  Kühe  ist  dadurch  bedeutend  erhöht. 

Die  umfassendste  und  vollständigste  Übersicht  des 
Ertrags  einer  mecklenburgischen  HoUänderei  aus  der  neueren 
Zeit  hat  mein  Freund  und  ehemaliger  Schüler,  Herr  S  t  a  u  - 
d  i  n  g  e  r  zu  Ur.  Wüstenfelde  uns  in  den  Mecklenb.  Annalen, 
Jahrg.  20,  S.  1,  mitgeteilt. 

Das  Resultat  dieser  Mitteilung  ist,  daß  in  den  6  Jahren 


—    378     — 

von  1827 — 33  in  einer  Holländerei  von  104  Kühen  eine 
Kuh  durchschnittUch  im  Jahr  1635  Pott  Milcli  und  an 
Butter  97,2  it.  Hamb.  Gewicht,  ä  it.  32  Lot  gegeben  hat. 
Zu  T.  haben  in  den  4  Jahren  von  1832—36  die  Kühe 
im  Diu-chschnitt  jährlich  1826  Pott  Milch  gegeben. 
376  Bei  diesem  Milchertrage  von  Kühen,  die  im  lebenden 
Zustande  ein  Gewicht  von  500 — 550  it.  haben,  kommen  auf 
100  U.  Körpergewicht  mindestens  20  it.  Butterertrag  im  Jahr. 
Nimmt  man  das  Verhältnis  des  Körpergewichts  der 
Kühe  zu  ihrem  Butterertrage  zum  Maßstabe  und  vergleicht 
dann  mit  dem  angeführten  Ertrage  die  wenigen  glaubwür- 
digen, auf  wirklichen  Messungen  und  Wiegungen  in  einer 
Reihe  von  Jahren  beruhenden  Angaben,  welche  wir  über 
den  Milch-  und  Butterertrag  der  Kühe  in  anderen  Ländern 
überhaupt  nur  besitzen:  so  erscheint  der  jetzige  Ertrag  der 
Kühe  in  Mecklenburg  eher  hoch  als  niedrig.  Da  es  nicht 
zu  leugnen  ist,  daß  ein  noch  mehr  verbessertes  Winterfutter 
den  Milchertrag  der  Kühe  noch  bedeutend  erhöhen  —  und 
sich  wahrscheinlich  auch  gut  bezahlt  machen  würde  —  so 
kann  dieser  verhältnismäßig  hohe  Ertrag  wohl  nur  der  Yor- 
züglichkeit  der  mecklenburgischen  Koppelweiden  beigemessen 
werden. 

Bemerkung  7  zu  §  26. 

Selbst  mein  hochverehrter  Lehrer,  der  selige  Staatsrat 
Thaer,  hat  in  seiner  nach  dem  ersten  —  wie  er  selbst  sich 
ausdrückt  —  gespannten  Durchlesen  entworfenen  Kritik  dieser 
Schrift,  es  nicht  erkannt,  daß  hier  ein  für  die  Verhältnisse 
des  isolierten  Staates  allgemein  gültiges  Gesetz  gefunden  ist. 

Aus  diesem  Nichterkennen  entspringt  aber  der  größte 
Teil  der  Einwürfe  und  Ausstellungen,  die  derselbe  gegen 
den  geringen  Reinertrag  der  Viehzucht  und  gegen  die  Nicht- 
anwendbarkeit  der  Fr  acht  Wechselwirtschaft  in  dem  iaolierten 


—    379     — 

Staat  erhoben   hat  —  weshalb  ich  diese  auch  nicht  weiter 
zu  erörtern  brauche. 

Im  übrigen  habe  ich  mehrere  Erinnerungen  dieses  großen  377 
Mannes,  der  von  meiner  Jugend  an  bis  zu  seinem  Tode 
mein  Lehrer  geblieben  ist,  und  der  auf  meine  ganze  land- 
wirtschaftliche Richtung  und  Ausbildung  den  entschiedensten 
Einfluß  ausgeübt  hat  —  bei  der  Ausarbeitung  dieser  zweiten 
Auflage  dankbar  benutzt. 

Bemerkuug  S  zu  §  27. 

Im  §  6  sind  die  animalischen  Erzeugnisse  ihrem  Wert 
nach  auf  Roggen  reduziert,  und  die  Einnahme  dafür  ist  in 
Scheffel  Roggen  ausgesprochen. 

Für  einen  gegebenen  Standpunkt  ist  dies  Verfahren 
allerdings  erlaubt;  bei  der  Übertragung  dieses  Wert  Verhält- 
nisses zwischen  Roggen  und  animalischen  Produkten  auf 
andere  Gegenden  des  isolierten  Staats  entsteht  aber  eine 
Ungleichheit,  weil  die  Transportkosten  der  Butter,  Wolle 
usw.  im  Verhältnis  ihres  Wertes  zum  Roggen  geringer  sind 
als  die  des  Getreides. 

Es  entsteht  nun  die  Frage,  wie  groß  die  aus  dieser 
Berechnungsweise  hervorgehende  Differenz  ist,  und  ob  nicht 
durch  eine  Änderung  des  Teils  der  Ausgabe,  welcher  in 
Geld  ausgedrückt  wird,  diese  Differenz  sich  ausgleichen  läßt. 

Um  dies  an  einem  Beispiel  für  einen  gegebenen  Fall 
zu  ermitteln,  müssen  für  das  Getreide  und  für  die  Vieh- 
produkte sowohl  Einnahme  als  Transportkosten  besonders 
berechnet  werden. 

Mit  Verzichtung  auf  die  letzte  Genauigkeit  —  worauf 
es  in  diesem  Beispiel  nicht  ankommt  —  nehme  ich  an,  daß 
die  Transportkosten  für  das  Getreide  pr.  Meile  ^/so,  für  die 
Viehprodukte  aber  i/i5o  des  Verkaufspreises  betragen. 


—    SSO    — 

378         Nun   sei  auf  einem  gegebenen  Gute 

Roggen       Geld 
Schfl.  Tir. 

der  gesamte  Korn  ertrag  = 6000  — 

die  Einnahme  aus  dem  Yieh —  2400 

Summe  der  Einnahme  6000  2400 
Die  Geldausgabe  betrage  nach  Abzug 
dessen,  was  die  Tagelöhner,  Handwerker 
usw.,  welche  für  den  Betrieb  des  Gutes 
arbeiten,  für  das  benötigte  Korn  zurück- 
zahlen     —  2250 

Die  Ausgabe  an  Korn  in  natura,  inkl.  des 
soeben  erwähnten  an  die  Tagelöhner 
usw.  verabreichten  Korns,  betrage   .     .  3600  — 

Summe  der  Ausgabe  3600  2250 

Überschuß  2400  15Ö 

Für  einen  Standpunkt,  wo  der  Wert  des 
Scheffel  Roggens  auf  dem  Gute  selbst 
1,25    Tlr.    beträgt,    haben    2400    Schfl. 

Roggen  einen  Wert  von —  3000 

Der  Reinertrag  ist  also    —  3150 

AVie  ändert  sich  nun  der  Reinertrag,   wenn  dieses  Gut 
weiter  entfernt  vom  Marktplatz  liegt? 

a)  Bei  10  Meilen  größerer  Entfernung: 

Der  Wert  des  Roggens  fällt  dann  um  10  X  ^''^o  =  ^5, 
also  von  1,25  Tlr.   auf   1   Tlr.  pr.  Schfl.;   die   Einnahme   für 
Yiehprodukte  aber  sinkt  um  10  X  ^'iso  =  ^  i5. 
Die  Einnahme  beträgt  alsdann 

für  2400  Schfl.  Roggen  ä  1  Tlr 2400  Tlr. 

für  Yiehprodukte  2400  X  ^^15  =   .    .    .    .    .    .  2240  _„ 

Summe  4640"Tlr. 
Die  Ausgabe  bleibt  2250     „ 
Der  Reinertrag  ist  239ÖrfIr. 


—    381    — 

b)  Bei  20  Meilen  größerer  Entfernung  beträgt  die  Einnahme  379 

für  2400  Schfl.  Roggen  ä  0,75  Tlr 1800  Tlr. 

für  Yiehprodukte  2400  X  ^^/is  =    •    •    .    •    •  2080     „ 

Einnahme  3880  Tlr. 
Ausgabe  2250     „ 
bleibt  Reinertrag  1630  Tlr. 

c)  Bei  30  Meilen  größerer  Entfernung  beträgt  die  Einnahme 

für  2400  Schfl.  Roggen  a  0,5o  Tlr 1200  Tlr. 

für  Yiehprodukte  2400  X  ^-/i5  =    .    .    .    .    .  1920     „ 

Einnahme  3120  Tlr. 
Ausgabe  2250     „ 
bleibt  Reinertrag    870  Tlr. 
Der  Reinertrag   fällt  also   mit   der   zunehmenden  Ent- 
fernung von  10  Meilen,  oder  mit  der  Abnahme  des  Roggen- 
wertes von  0,25  Tlr.  regelmäßig  um  760  Tlr. 

Yergleichung  mit  der  in   dieser  Schrift 

befolgten  Methode. 

Roggen         Geld 
Schfl.  Tlr. 

Reduziert  man  die  Einnahme  für  Yieh- 
produkte auf  Roggen,  so  ist  —  für  den 
Standpunkt,  wo  der  Scheffel  Roggen 
1^/4  Tlr.  gilt  —  die  Einnahme  von 
2400  Tlr.  für  Yiehprodukte  im  Wert  = 

2400 


1920 


1,25 

Die  Gesamteinnahme  in  Korn  ausgedrückt 

ist  alsdann  6000  +  1920  =  .    .    .    .  7920  — 

Die  Gesamtausgabe  beträgt: 

an  Korn  3600  Schfl.  Roggen  u  1,25  Tlr.  —                 4500 

an  Geld .    — 2250 

Summe  —                 6750 


—    382    — 

Roggen         Geld 
Schfl.  Tlr. 

380  Drückt  man  von   dieser  Geldausgabe  ^/'4, 
also  5062,  in  Roggen  aus,  so  sind  diese 

-^ —  = 40o0  — 

1,25 

In  Geld  bleibt  ausgedrückt  6750  X  0,25  =    —  1688 

Die  Gesamt  ein  nähme  beträgt 7920  — 

die  Ausgabe .  4050      +      1688 

bleibt  3870      ~      1688 
Beim  Preise  von   1,25  Tlr.   für  den  Schfl. 
Roggen  haben  3870  Schfl.  einen  Wert 

von  3870  X  1,25  = —  4838 

Hiervon  ab  die  Ausgabe     .  • —  1688 

bleibt  Reinertrag    —  3150 

Wie  ändert  sich  nun  bei  dieser  Berechnungsweise  der 
Reinertrag  des  Gutes  mit  der  größeren  Entfernung  vom 
Marktplatz  ? 

a)  Bei  10  Meilen  größerer  Eotfernung: 

Der  Wert  des  Roggens  ist  daselbst  1  Tlr.  pr.  Schefi'el. 
Die  Einnahme   beträgt  alsdann    für   3870    Scheffel  Roggen 

a  1  Tlr 3870  Tlr. 

Die  Ausgabe  bleibt  unverändert 1688     „ 

Reinertrag  des  Gutes  2182  Tlr. 

b)  Bei  20  Meilen  größerer  Entfernung: 
Einnahme   für  3870  Schfl.   Roggen    ä  0,75   Tlr.  2902,50  Tlr. 
Ausgabe 1688        „ 

ReinertragT214,50  TlF. 

c)  Bei  30  Meilen  größerer  Entfernung: 
Einnahme  für  3870  Schfl.  Roggen  ä  0,50  Tlr.   .    .  1935  Tlr. 
Ausgabe .  1688     „ 

Reinertrag    247  Tlr. 


—    383    — 

Mit  10  Meilen  größerer  Entfernung  fäUt  also  nach  dieser  381 

Methode  der  Reinertrag  um 967,öo  Tlr. 

Xach  der  Isten  Methode  betrug  diese  Abnahme  nur  760        „ 

Hier  zeigt  sich  also  die  Abnahme  des  Reinertrags,  bei 
steigender  Entfernung  vom  Marktplatz,  bedeutend  größer  als 
nach  der  ersteren  Berechnungsweise. 

Bei  der  in  dieser  Schrift  angewandten  Methode  findet 
aber  ebenfalls  ein  geringeres  Sinken  des  Reinertrags  statt, 
wenn  der  in  Geld  ausgedrückte  Teil  der  Ausgabe  kleiner 
angenommen  wird,  als  hier  geschehen  ist  —  und  dies  führt 
auf  den  Gedanken,  ob  für  die  Geldquote  nicht  eine  Zahl  zu 
finden  ist,  bei  welcher  beide  Methoden  ein  übereinstimmen- 
des Resultat  liefern. 

Demnach  betrage  der  in  Geld  auszudrückende  Teil  ^/x 
der  ganzen  Ausgabe. 

In  Korn  angegeben,  beträgt  die  gesamte  Ausgabe  3600  -\- 

2250 

"-pr^  =  5400  Scheffel  Roggen. 

Hiervon  beträgt  der  ^  x  Teil Scheffel    Roggen, 

und  dieser  Teil,  in  Geld  ausgedrückt,  beträgt  bei  dem  Preise 
von  1,25  Tlr.  pr.  Scheffel  ^  Taler. 

Von  der  Ausgabe  bleiben  alsdann  in  Korn  anzugeben 
5400  _  ^  =.  5400  (^]  Scheffel. 

Der  Rohertrag  ist  6000  +  1920  =  7920  Scheffel. 

/x — 1\  5400 

Die  Ausgabe  beträgt  5400  (-^j  Schfl.  +    -^   Tlr. 


Der  Reinertrag  ist  also 

7920  Schfl.  -^  5400  f^^l  Schfl.  -f-  ^  Tlr. 


—    384    — 

382         Hiernach  ist  der  Reinertrag 

a)  bei  dem  Preise  von  I.25  Tlr.  pr.  ScM. 

=  9900  Tlr.  -  6750    (^)  Tlr.  -  ^   Tlr. 

b)  bei  dem  Preise  von  1  Tk.  pr.  ScM. 

=  7920  Tlr.  -  5400    (^)  Tlr.  -  ^   Tlr. 


Differenz  =  1980  Tlr.  —  1350     1^^  1  Tlr. 

Nach  dem  Ergebnis  der  ersten  Methode  ist  der  Unter- 
schied =  760  Tlr. 

Die  beiden  für  den  Unterschied  gefundenen  Ausdrücke 
gleichgesetzt,  gibt 

1980  —  1350  l^^]  =  760 


1220  =  1350  [^^) 


1220  X  =  1350  X  —  1350 


130  X  =  1350 


X    =    10,4 

.-     •      5400 

Für  X  =  10,4  ist  =  o20. 

'  X 

Der  in  Geld  auszudrückende  Teil  der  Ausgabe  beträgt 
also  520  Scheffel  ä  1,25  Tlr =  650  Tlr. 

Der  in  Korn  anzugebende  Teil  der 
Ausgabe  ist  5400  —  520  .    .    .  =  4880  Sclifl. 

Der  Rohertrag  ist 7920      „ 

Die  Ausgabe  beträgt  ....    4880      „     +  650  Th-. 

Der  Reinertrag  ist  also  .     .     .    3040  Schfl.  -^  650  Tlr. 

Anwendung  dieser  Formel  bei  Berechnung  des 
Reinertrags    des    Guts    in    verschiedenen    Ent- 
fernungen  vom  Marktplatz, 
a)  Für  den  gewälilten  Standpunkt, 

Einnahme:   3040   Schfl.   Roggen   a   I-0   Tlr.  =  3800  Tlr. 

Ausgabe 650    ,, 

Reinertrag  3 150^1r. 


—    385    — 

b)  Für  10  Meilen  größere  Entfernung  vom  ^larkt-  383 
platz, 

Einnahme:  3040  Sehfl.  ä  1  Tlr.  =   .     .     .     .  3040  Tlr. 

Ausgabe 650     „ 

Reinertrag  2390  Tlr. 

c)  Für  20  Meilen  größere  Entfernung, 

Einnahme:  3040  Schfl.  ä  Ojö  Tlr.  =    .    .     .  2280  Tlr. 

Ausgabe 650     „ 

Reinertrag  1630  Tlr. 
(1)  Für  30  Meilen  größere  Entfernung, 

Einnahme:  3040  Schfl.  ä  0,5o  Tlr.  =     .     .     .  1520  Tlr. 

Ausgabe 650     „ 

Reinertrag     870  Tlr. 

Wir  erhalten  also  genau  dieselben  Resultate,  welche  die 
erste  Methode  geliefert  hat. 

Wir  ersehen  hieraus,  daß,  obgleich  Getreide  und  Yieh- 
produkte  ihren  Wert  mit  der  zunehmenden  Entfernung  vom 
Marktplatz  nicht  auf  gleiche  Weise  ändern,  dennoch  die  Re- 
duktion der  Yiehprodukte  auf  Roggen  ziüässig  sein  und 
richtige  Resultate  liefern  kann,  weil  sich  die  aus  dieser 
Reduktion  entspringende  Ungleichheit  durch  eine  Änderung 
des  in  Geld  auszudrückenden  Teils  der  Ausgabe  wieder  aus- 
gleichen läßt. 

Einen  je  größeren  Teil  der  Gesamteinnahme  der  Ertrag 
aus  der  Viehzucht  ausmacht,  um  desto  kleiner  muß  bei  der 
Anwendung  dieser  Methode  der  in  Geld  auszudrückende 
Teil  der  Ausgabe  angenommen  werden. 


Thünen,  Der  isolierte  Staat.  25 


384         Erklärungen  und  Beinerkungeii 

zu  den  nachfolgenden 
bildlichen  Darstellung-en  des  isolierten  Staats. 


Diese,  von  einem  meiner  Freunde  gezeichneten  bild- 
lichen Darstellungen  sind  zwar  zum  Verständnis  der  in  dieser 
Schrift  abgehandelten  Gegenstände  nicht  notwendig,  und  ich 
habe  mich  auch  nirgends  darauf  bezogen,  aber  sie  gewähren 
einen  leichten  und  bequemen  Überblick  der  aus  unseren 
Untersuchungen  hervorgegangenen  Resultate,  und  ich  glaube 
deshalb,  daß  sie  dem  Leser,  der  diese  Schrift  mit  Auf- 
merksamkeit gelesen  hat,  nicht  unwillkommen  sein  werden. 

Zugleich  geben  sie  Gelegenheit,  einige  Bemerkungen, 
die  in  der  Schrift  selbst,  ohne  den  Zusammenhang  zu  unter- 
brechen, keinen  Platz  fanden,  mitzuteilen. 

Ad  Tafel  L 

Diese  Tafel  stellt  den  isolierten  Staat  in  der  Gestalt 
dar,  die  derselbe  nach  den  im  ersten  Abschnitt  dieser  Schrift 
gemachten  Voraussetzungen  und  daraus  gezogenen  Folge- 
rungen gewinnen  muß. 

Nach  §  26  dehnt  sich  der  Kreis  der  Viehzucht  bis  auf 
50  Meilen  von  der  Stadt  aus ;  hier  ist  derselbe,  um  den  Raum 
zu  ersparen,  nur  bis  40  Meilen  von  der  Stadt  gezeichnet. 


587 


Fre.e- 
Wirlschaft. 


Forst-  Fruchtwechsel - 

Wirtschaft.  Wirtschaft. 


Koppel - 
Wirtschaft. 


Dreifelder-  Viehzucht. 

Wirtschaft. 


FafeiT 


S  U  n  20 


25* 


Auf  dieser  Tafel,  sowie  auf  allen  folgenden  Tafeln,  ist  nur 
die  eine  Hälfte  der  sich  um  die  Stadt  bildenden  Kreise  ver- 
zeichnet, weil  die  andere  Hälfte  dieser  nicht  bloß  ähnlich, 
sonderen  vollkommen  gleich  ist,  und  man  sich  dieselbe  leicht 
hinzudenken  kann. 

385  Ad  Tafel  IL 

Diese  Tafel  stellt  die  Gestalt  des  isolierten  Staats  dar, 
wenn  derselbe  von  einem  schiffbaren  Fluß  durchströmt  wird. 

Bei  dieser  Darstellung  liegt  die  Voraussetzung  zu 
Grunde,  daß  die  Schiffsfi'acht  ^/lo  der  Landfracht  beträgt. 

Die  Fruchtwechsel  Wirtschaft ,  welche  auf  der  ersten 
Tafel  nur  einen  schmalen  Streifen  einnimmt,  erweitert  sich 
hier  uugemein  und  erstreckt  sich  längs  des  Flusses  bis  an 
die  Grenze  des  Staats.  Dagegen  weicht  der  Kreis  der  Vieh- 
zucht zurück  und  verschwindet  in  der  Nähe  des  Flusses 
gänzlich. 

Eine  ähnliche  Wirkung,  w^enn  gleich  im  minderen  Maße, 
bringt  die  Anlegung  einer  Kunststraße  hervor.  Werden  diese 
Kunststraßen  nach  allen  Gegenden  der  Ebene  gezogen,  so 
erweitern  sich  alle  Kreise  mit  höherer  Bodenkultur,  aber  sie 
behalten  dann  die  regelmäßige  Form  wie  auf  Tafel  I. 

Der  nicht  schraffierte  Streifen  bezeichnet  das  Gebiet 
einer  kleinen  Stadt.  Unter  Gebiet  der  Stadt  wird  nach 
§  28  die  Landfläche,  welche  die  kleine  Stadt  mit  Lebens- 
mitteln versorgt  und  welche  nichts  nach  der  Hauptstadt  liefert, 
verstanden. 

AVir  können  uns  diese  kleine  Stadt  mit  ihrem  Gebiet 
auch  als  einen  eigenen  unabhängigen  Staat  denken.  In 
einem  solchen  kleinen  Staat  ist  aber,  wie  wir  im  §  28  ge- 
zeigt haben,  der  Getreidepreis  von  dem  Preise  in  der  Zentral- 
stadt ganz  und  gar  abhängig. 

In  einem  ähnlichen  Verhältnis,  wie  die  Nebenstaaten 
zu  der  Zentralstadt,  stehen  die  europäischen  Staaten  zu  dem 


—    389 


Forst - 
Wirtschaft 


Frucht  wechsel- 
Wirlschatt 


Koppel- 
Wirtschaft 


Drsifelder- 
Wirtschaft 


Tafel  U 


-H-t-H \ r 


10  IS  20 


—    390    — 

reichen  Staat,  der  den  höchsten  Getreidepreis  zahlen  kann, 
zu  England  und  namentlich  zu  dessen  Hauptstadt,  London. 
Auch  in  diesen  europäischen  Staaten  wird,  selbst  dann, 
wenn  sie  weder  Korn  einführen,  noch  ausführen,  der  Ge- 
treidepreis durch  den  Weltmarkt  von  London  beherrscht, 
386 und  wenn  dieser  Markt  geschlossen  wird,  sinkt  der  Preis 
des  Getreides  durch  ganz  Europa. 

Ad  Tafel  IIL 

Hier  ist  der  Ertrag  des  Bodens  zu  10  Köruern,  der 
]\Iittelpreis  des  Getreides  in  der  Stadt  selbst  aber  verschieden, 
von  1,5  Tlr.  für  den  Scheffel  Roggen  bis  zu  0,g  Tlr.  her- 
unter, angenommen. 

Diese  Tafel  zeigt  bildlich,  welchen  Einfluß  der  Getreide- 
preis in  der  Stadt  selbst  auf  die  Ausdehnung  der  kultivierten 
Ebene  ausübt.  Auf  dieser  Tafel  ist  aber  nur  der  Halbmesser 
der  kultivierten  Ebene  und  der  einzelnen  konzentrischen 
Kreise  angegeben.  Will  man  hiernach  für  einen  gegebenen 
Getreidepreis,  z.  B.  für  1,05  Tlr.,  eine  ähnliche  Darstellung 
wie  auf  Tafel  1  von  dem  isolierten  Staat  entwerfen,  so  muß 
man  mit  einem  Zirkel  die  Entfernung  von  der  Stadt  bis  zu 
dem  Punkt,  wo  1,05  Tlr.  steht,  messen  und  mit  diesem  Halb- 
messer einen  Kreis  um  die  Stadt  ziehen. 

Auf  gleiche  Weise  verfährt  man  bei  der  Aufzeichnung 
der  einzelnen  konzentrischen  Kreise,  deren  Halbmesser  auf 
der  von  der  Stadt  nach  dem  Punkt  „1,05  Tlr."  gezogenen 
geraden  Linie  zu  messen  ist. 

Da  in  der  vorliegenden  Schrift  des  Einflusses,  den  die 
veränderten  Mittelpreise  in  der  Stadt  selbst  auf  die  Ebene 
des  isolierten  Staats  haben,  gar  nicht  erwähnt  ist,  so  ist  es 
notwendig,  hier  die  Formel  mitzuteilen,  nach  welcher  die 
Dimensionen  auf  dieser  Tafel  berechnet  sind. 

Wenn  man  den  Preis  des  Roggens  in  der  Stadt  zu 
a  Tlr.  und  auf  dem  Lande  zu  b  Tlr.  pr.  Schfl,  annimmt  und 


—    391     — 

ebenso  verfälirt  wie  im  §  4  für  den  Mittelpreis  von  1^/2  Tlr. : 
so  ergibt  sich  der  Wert  eines  Scheffels  Roggen  auf  dem  Lande 

,       ,           (12000— 150 x)  a— 136,92 X 
oder  b   =    12-000  +  65,8sx 5  ^87 

oder  abgekürzt:  b  =  -. ^^    ■     ; — ^^^— ^ 

TT-  f  1  .  1  182  (a  -  b)     • 

Hieraus  folgt  dann  x  =  ^ j — ,     ,    ,-. 

°  2,3  a  -|-  b  -|-  2,1 

Nun  wird  nach  §  14  die  Landrente  der  Dreifelderwirt- 
schaft bei  dem  Ertrage  von  10  Körnern  =  0,  wenn  der 
,  Schfl.  Roggen  einen  Wert  von  0,3s  Tlr.  (genauer  0,3si  Tlr.) 
auf  dem  Lande  hat.  Um  die  Grrenze  des  Kreises  der  D.  W. 
zu  finden,  muß  also  b  zu  0,38  Taler  angenommen  werden. 

Setzen  wir  nun  für  a  nacheinander  die  Werte  von  1,5, 
1,35,  1,20  u.  s.  f.,  so  finden  wir  nach  obiger  Formel  den  Wert 
von  X  für  jede  verschiedene  Glröße  von  a. 

Es  ergibt  sich  hieraus,  daß 
bei  dem  Mittelpreise  der  Halbmesser  der  kultivierten 

Ebene  beträgt 

von  1,50  Taler 34,7  Meilen 

1^35       „        31,7         „ 

1,20       „        28,G        „ 

1,05      „       25,0        „ 

0,i»o      „       20,0        „ 

0,^5      „       16,1        ., 

0,60        „        10,1         „ 

Nach  §  14  scheiden  sich  die  Kreise  der  Koppel-  und 
der  Dreifelderwirtschaft  in  der  Gegend,  wo  der  Schfl.  Roggen 
0,51  Tlr.  (genauer  0,5i6  Tlr.)  gilt.  Setzt  man  nun  b  =  0,5i, 
so  ergibt  sich  durch  eine  ähnliche  Berechnung  die  Grenze 
der  Koppelwirtschaft  für  die  verschiedenen  Werte  von  a, 
oder  für  die  verschiedenen  Mittelpreise  in   der  Hauptstadt. 

Mit  der  Größe  der  kultivierten  Ebene  und  der  Summe  388 


—    392     — 

der  erzeugten  Lebensmittel  steht  notwendig  die  Volksmenge 
in  der  Stadt  im  genauesten  A'erhältnis ,  so  daß  jede  Ver- 
engung der  kultivierten  Ebene  auch  eine  Verminderung  der 
Größe  der  Stadt  zur  Folge  hat. 

Die  Größe  des  Kreises  der  freien  Wirtschaft,  so\de  die 
der  Forstwirtschaft,  steht  in  dh'ektem  Verhältnis  mit  der 
Größe  der  Stadt  und  also  auch  mit  der  der  kultivierten  Ebene. 
Für  die  Fruchtwechselwirtschaft  — -  wovon  hier  aber  auch 
dasjenige  gilt,  was  im  §  21  darüber  gesagt  worden  —  ist 
bei  dem  Preise  von  1^:2  Tlr.  eine  Ausdehnung  von  9,4  Meilen 
angenommen;  mit  den  lallenden  Preisen  nimmt  diese  Aus- 
dehnung rasch  ab  und  wird  schon  bei  dem  Preise  von 
0,!.  Tlr.  =  0. 

Nimmt  man  den  Kreis  der  Koppel-  und  den  der  Frucht- 
wechselwirtschaft zusammen,  so  haben  diese  Kreise 

bei  dem  Preise      eine  Ausdehnung     macht  vom  Halbmesser 

der  Ebene 
von  1,50  Th\         von  21.4  Meüen         =        62  »'o 
1,05     „  13,4      „  =        54  „ 

0,Go     „  l.ß       „  =        15  „ 

Der  Kreis  der  Dreifelderwirtschaft  hat 
bei  dem  Preise      eine  Ausdehnung     macht  vom  Halbmesser 

der  Ebene 
von  l,:,ü  Tlr.  von  4,5  Meilen  =        13  °,'o 

1,05     „  5,4        „  =         21   „ 

0,60     ,,  6,2       „  =        60  „ 

Es  zeigt  sich  hier  dem  Auge,  wie  die  Abnahme  der 
Getreidepreise  nicht  bloß  eine  Verengung  der  kultivierten 
Ebene  (in  der  AVirkliclLlceit  ein  Zurückziehen  der  Kultur  von 
den  schlechteren  Bodenarten),  sondern  gleichzeitig  auch  eiue 
Abnahme  der  intensiven  Kultur  des  Bodens  bewirkt. 
389         Wenn  man  den  Flächeninhalt,  den  die  kidtivierte  Ebene 


—     303     — 

bei  dem  Preise  von  1^/2  Tli-.  hat,  gleich  lOC'O  setzt,   so  ist 
Dach  den  Dimeusionen  auf  dieser  Tafel 

bei  dem  Preise  der  Flächeninhalt  der  Ebene 

von  1,35  Th' 844 

1,20    „       687 

1,03     „       525 

0,?o     \ 367 

0,75     , 217 

Mit  Ausnahme  der  letzten  Zahl  zeigt  sich  in  der  den 
Flächeninhalt  bezeichnenden  abnehmenden  Reihe  eine  ge- 
wisse Regelmäßigkeit,  indem  sich  der  Flächeninhalt  beinahe 
■wie  das  Quadrat  der  Getreidepreise  verhält. 


Wenn  wir  annehmen, 

1.  daß  von  allem  zum  Yerkauf  nach  der  Stadt  gebrachten 
Korn  eine  Abgabe  entrichtet  wird; 

2.  daß  der  Getreidepreis  in  der  Stadt  selbst  unverändert, 
nämlich  stets   1^/2  Tlr.   für  den  Schfl.  Roggen  blei1)t; 

so  hat  dies  für  den  Landwirt  eben  die  Folge,  als  wenn  der 
Getreidepreis  gesunken  wäre,  und  diese  3te  Tafel  dient  dann 
zugleich,  ein  anschauliches  Bild  von  der  AVirkung  dieser 
Abgabe  zu  geben. 

Wird  z.  B.  eine  Abgabe  —  sei  es,  daß  diese  als  Ein- 
gangszoll oder  als  Mahlsleuer  erhoben  wird  —  von  0,3  Tlr. 
für  den  Schfl.  Roggen  eingeführt,  so  erhält  der  Landwirt 
nur  noch  den  Preis  von  1,2  Tlr.  für  den  Schfl.,  und  die 
kultivierte  Ebene  verengt  sich  dann  von  34,7  bis  zu  28,i; 
Meilen. 

Denken  wir  uns  eine  fortgesetzte  Steigerung  der  Abgabe, 
so  bewirkt  dies  eine  stete  Abnahme  der  Ausdehnung  der 
kultivierten  Ebene ;  steigt  die  Auflage  bis  zu  0.;t  Tlr.  pr. 
Schfl.,  so  bleibt  der  Halbmesser  dieser  Ebene  nur  noch 
10,4  Meilen,  und  bei  noch  mehr  erhöhter  Abgabe  muß  endlich  390 


—     394 


der  ganze  Staat  verschwiaden.  Es  zeigt  sieh  hier  anschau- 
lieh, wie  durch  hohe  Abgaben  ein  fruchtbarer  Boden  in  eine 
Wüste  verwandelt  werden  kann. 

Da  nun  einerseits  bei  der  äußersten  Höhe  der  Abgabe 
kein  Objekt  zur  Besteuerung  mehr  übrig  bleibt,  und  die 
Staatskasse  dann  keine  Einnahme  mehr  hat ;  und  da  anderer- 
seits, wenn  gar  keine  Abgabe  erhoben  wird,  der  Staat  zwar 
die  größte  Ausdehnung  erhält,  die  Staatskasse  aber  ebenfalls 
ohne  Einnahme  bleibt:  so  muß  es  einen  Punkt  geben,  bei 
welchem  die  Abgabe  das  Maximum  des  Ertrags  liefert,  und 
es  fragt  sich,  bei  welcher  Höhe  der  Abgabe  dieses  Maximum 
in  dem  vorliegenden  Fall  stattfindet. 


Wenn  die  Ab- 
gabe beträgt 


pr.Schfl.O  Tlr. 
0,15  ,, 
0,30  „ 
0,45  „ 
0,60  „ 
0,75    „ 


so  ist  der  Flächen- 
inhalt der  kultivier- 
ten Ebene 

.  lOOii     .     . 


alsdann  ist  der  Er- 
trag der  Abgabe  in 
A'erhältuiszahlen 

ausgedrückt 
...        0 


.844 126,60 

.687 206,10 

.525 236,25 

.367 220,20 

.217 162,75 

Unter  den  hier  aufgeführten  Fällen  gewährt  also  die 
Abgabe  von  0,45  Tlr.  pr.  Schfl.  den  höchsten  Ertrag  für  die 
Staatskasse.  Jede  fernere  Steigerung  der  Abgabe  vermindert 
den  Ertrag  derselben,  und  was  sehr  bemerkenswert  ist,  die 
Abgabe  von  0,75  Tlr.  pr.  Schfl..  gewährt  keine  höhere  Ein- 
nahme als  die  von  0,22  Tlr. 

Es  zeigt  sich  hier  also,  daß,  wenn  auch  die  Staats- 
gewalt sich  vom  Yolk  lossagt  und  dieses  nur  als  Mittel,  um 
Abgaben  zu  erheben,  betrachtet,  sie  dennoch  durch  eine  un- 
mäßige Steigerung  der  Abgaben  ihren  eigenen  Zweck  gänzlich 
verfehlt. 


—    395    — 

Ad  Tafel  lY.  391 

Diese  Tafel  stellt  den  Einfluß,  den  der  veränderte  Er- 
trag des  Bodens  bei  gleichbleibendem  Getreidepreise  — 
nämlich  l^i2  Tb*,  für  den  Schfl.  Roggen  —  auf  den  isolierten 
Staat  ausübt,  dar,  wobei  aber  die  im  §  14  b  ausgesprochene 
Bedingung,  unter  welcher  hier  nur  ein  verschiedener  Körner- 
ertrag gedacht  werden  kann,  in  Betracht  zu  ziehen  ist. 

So  wie  auf  der  vorigen  Tafel  für  die  verschiedenen 
Abstuf migeu  der  Getreidepreise,  so  ist  hier  für  jeden  Körner- 
ertrag von  10  bis  zu  4  herunter  nur  der  Halbmesser  der 
kultivierten  Ebene  und  der  verschiedenen  konzentrischen 
Kreise  angegeben. 

Die  Dimensionen  auf  dieser  Tafel  gründen  sich  auf  die 
Berechnungen  im  §  14  und  sind  für  die  Ausdehnung  der 
kultivierten  Ebene  folgende: 

bei  dem  Ertrage        ist  der  Halbmesser  der  Ebene 

von  10  Körnern 34,7  Meilen 

9        „         33,3      „ 

8        ?i         31,5      „ 

~  55  28,6         „ 

6        „         .    .    .    •    .    23,6      „ 

•">  5,  13,3  „ 

4  9, 

Die  Vergleichung  dieser  Tafel  mit  der  vorigen  ergibt, 
daß  die  Yerminderung  des  Bodenertrags  eine  noch  stärkere 
Abnahme  der  intensiven  Kultur  bewirkt  als  eine  gleichmäßige 
Abnahme  des  Getreidepreises.  So  beträgt  z.  B.  bei  dem 
Preise  von  l^  2  Tk.  X  0,5  =  0,75  Tlr.  für  den  Schfl.  Roggen 
die  Ausdehnung  der  Koppelwirtschaft  noch  38  %  vom  Halb- 
messer der  kultivierten  Ebene,  wälirend  bei  dem  Ertrage 
von  10  X  0,5  =  5  Körnern  die  Koppelwirtschaft  schon  ganz 
verschwunden  ist. 


i 
i 


Der  isolierte  Staat 

in  Bezielinng  auf 

Lanchvirtschaft  und  Nationalökonomie. 


Zweiter  Teil. 

Der  naturgemäße  Arbeitslohn  und  dessen  Verhältnis 
zum  Zinsfuß  und  zur  Landrente. 


You 

Jolianii  Heiiiricli  you  Tliüiien 

auf  Tellow  in  Mecklenburg. 
Erste  Abteilung. 


Rostock  1850. 


Inhalt. 


Zweiter  Baud. 

Seite 

Einleitung 401 

§    1.    Unklarheit  des  Begriffs  vom  natürlichen  Arbeitslohn  435 

§    2.    Über  das  Leos  der  Arbeiter,  ein  -Traum  ernsten  Inhalts  440 
§    3.    Adam   Smith's  Ansichten  über  Arbeitslohn,   Zinsfuß, 

Landrente  und  Preis 447 

§    4.     Arbeitslohn 462 

§    5.     Über  die  Höhe   des  Zinsfußes,   in   dialogischer  Form  466 

§    6.     Bestimmungen  und  Voraussetzungen 472 

§    7.    Unternehmergewiun ,    Industriebelohnung,    Gewerbs- 

profit 478 

§    8.    Bildung  des  Kapitals  durch  Arbeit 484 

§    9.    Bildung  des  Arbeitslohns  und  des  Zinsfußes      .     .     .  495 

§  10.    Einfluß  des  Anwachsens  des  Kapitals  auf  den  Zinsfuß  499 
§  11.     Einfluß  des  Anwachsens   des  Kapitals  auf  die  Größe 

der  Beute,  die  die  kapitalerzeugende  Arbeit  gewährt  501 

Tabelle  A 507 

§  12.    Einfluß  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  und  des  Klimas 

auf  die  Höhe  des  Arbeitslohns  und  des  Zinsfußes .     .  508 

Anwendung 511 

Tabelle  B 515 

•§  13.    Eeduktion  der  Wirksamkeit  des  Kapitals  auf  Arbeit  516 
§  14.    In  dem  isolierten  Staat  ist  an   der  Grenze   desselben 
die  "Werkstätte   für    die   Büdung    des   Verhältnisses 

zwischen  Arbeitslohn  und  Zinsfuß 532  VI 

§  15.    Die  Kapitalerzeugung  durch  Arbeit 542 


—    400    — 

Seite 
§  16.    Bei  welchem  Zinsfuß   erlaugt   der  Lohuarbeiter   für 

seineu  Überschuß  den  höchsten  Betrag  au  Zinsen?    .    551 

§  17.     Das  Kapital  als  Arbeit  ersetzend      . 553 

§  18.    Die  Nutzung  des  zuletzt  angelegten  Kapitalteilchens 

bestimmt  die  Höhe  des  Zinsfußes 557 

§  19.  Der  Arbeitslohn  ist  gleich  dem  Mehrerzeugnis ,  -was 
durch  den ,  in  einem  großen  Betrieb ,  zuletzt  ange- 
stellten Arbeiter  hervorgebracht  Avird 569 

§  20.  Die  Produktionskosten  des  Kapitals  und  der  Kapital- 
rente   587 

§  21.    Das  Gesetz  für  die  Teilung  zwischen  Kapitalisten  und 

Arbeitern 594 

§  22.    Einfluß  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  auf  Arbeitslohn 

und  Zinsfuß 596 

§23.    Anwendung  der  gefundenen  Formeln  auf  konkrete  Fälle    602 

Anlage  A. 
Berechnung  der  Unterhaltskosten  uud  des  Einkommens  einer 
Tagelöhnerfamilie  zu  Tellow  in  dem  Zeitraum  von  1833 

bis  1847 607 

Anlage  B. 
Bestimmungen  über  den  Anteil  der  Dorfbewohner  zw  Tellow 

an  der  Gutseiunahme 671 


Einleitung. 

Übersicht  und  Kritik  der  im  ersten 

Teile  dieses  Werkes   angewandten 

Methode  nebst  Plan  dieses  zweiten 

Teiles. 


I. 

Adam  Sniitli  war  in  der  Nationalökonomie,  Tliaer 
in  der  wissenschaftlichen  Landwirtschaft  mein  Lehrer. 

Sie  sind  die  Begi-ünder  zweier  Wissenschaften,  und 
manche  ihrer  Lehren  werden  für  immer  unantastbare  Grund- 
lagen der  A\^issenschaft  bilden. 

Was  uns  in  den  Schriften  oder  den  mündlichen  Vor- 
trägen bedeutender  Männer  unzweifelhaft  erscheint,  nehmen 
wir  in  uns  auf,  eignen  es  uns  zu,  und  es  hört  damit  auf, 
Gegenstand  des  eigenen  Forschens  zu  sein. 

Aber  die  Wissenschaft  ist  nie  eine  vollendete,  und  oft 
dient  ein  Fortschritt  in  derselben  dazu,  uns  neue  früher  nicht 
geahnte  Probleme  zu  zeigen. 

Was  nun  in  den  Lehi'en  beider  großen  Männer  mir  als 
unvollendet  erschien,  mein  Bedürfnis  nach  klarer  Einsicht 
nicht  befriedigte  und  mich  dadurch  zm-  eigenen  Forschung 
fortriß,  mag,  wenn  auch  nicht  erschöpfend,  doch  übersicht- 
lich sich  in  folgende  Fragepunkte  zusammendrängen  lassen. 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  26 


—    402     — 

2  1.  Wie  muß  sich  bei  konsequenter  Bewirtschaftung  mit 
der  Änderung  der  Kornpreise  der  Ackerbau  ändern? 

2.  Durch  welche  Gresetze  wird  der  Preis  des  Getreides 
und  des  Holzes  reguliert? 

3.  Hat  das  höhere  "Wirtschaftssystem,  hat  namentlich  die 
Fruchtwechsel  Wirtschaft  einen  absoluten  Vorzug  vor  der 
Koppel-  und  Dreifelderwirtschaft,  oder  ist  der  Yorzug  des 
einen  Wirtschaftssystems  vor  dem  anderen  dm-ch  die  Höhe 
des  Preises  der  landwirtschaftlichen  Erzeugnisse  bedingt? 

4.  Aus  welcher  Ursache  entspringt  die  Landrente,  und 
diu-ch  welches  Gesetz  wird   die  Höhe  derselben   bestimmt? 

5.  Welches  ist  die  endliche  Wirkung  der  auf  den  Land- 
bau gelegten  Abgaben? 

6.  Welches  ist  der  natürhche  Arbeitslohn,  oder  welches 
ist  der  dem  Arbeiter  von  der  Natur  bestimmte  Anteil  an 
seinem  Erzeugnis? 

7.  Dui'ch  welches  Gesetz  wird  die  Höhe  des  Zinsfußes 
bestimmt,  und  welche  Verbindung  findet  zwischen  Zinsfuß 
und  Arbeitslohn  statt? 

8.  Wie  wirkt  die  Größe  des  Geldstocks  auf  den  Zinsfuß 
und  auf  den  Preis  der  Waren? 

9.  Welchen  Einfluß  üben  bedeutende  Verbesserungen 
im  Landbau  und  Erfindung  neuer  Maschinen  für  die  Fabriken 
bei  ihrem  ersten  Auftreten  aus,  und  w^elches  ist  die  endliche 
Wirkung  derselben  ? 

Schon  in  früher  Jugend,  als  ich  im  Institut  des  Herrn 
Staudinger  zu  Flottbeck  den  Landbau  in  der  Nähe  Ham- 
burgs kennen  lernte,  faßte  ich  die  erste  Idee  des  isolierten 
Staats  auf,  und  seitdem  habe  ich  mich  stets  gedrungen  ge- 
fühlt, die  sich  mir  darbietenden  land-  und  staatswirtschaft- 
lichen Probleme  der  Anschauungsweise,  welche  dem  isolierten 
Staate  zu  Grunde  liegt,  zu  unterwerfen,  indem  sich  mir  nur 

3  in  der  Befreiung  des  Gegenstandes  von  allem  Zufälligen  und 
Unwesentlichen  die  Hoffnung  zur  Lösung  des  Problems  zeigte. 


—    403     — 

Beim  Beginn  meiner  Laufbahn  als  praktischer  Landwirt 
suchte  ich  mir  dann  durch  eine  genaue  und  ins  einzelne 
gehende  Rechnungsführung  die  Data  zur  Berechnung  der 
Kosten  und  des  Reinertrags  des  Landbaues  bei  verschiedenem 
Körnerertrage  und  verschiedenen  Getreidepreisen  zu  ver 
schaffen.  Nachdem  diese  Data  aus  einer  fünfjährigen  Rech- 
nung zusammengetragen  und  zu  einer  Übersicht  vereinigt 
waren,  wurden,  auf  diese  Grundlage  gestützt,  die  Unter- 
suchungen begonnen,  welche  im  ersten  Teil  mitgeteilt  sind. 

Da  es  hier  nun  Zweck  ist,  die  bei  diesen  Untersuchungen 
angewandte  Methode  der  Prüfung  und  Kritik  zu  unterwerfen, 
so  erlaube  ich  mir  den  Gang  der  Untersuchung  und  einige 
der  dadurch  gewonnenen  Resultate  der  Erinnerung  des  Lesers 
wieder  vorzuführen. 

IL 

Die  im  ersten  Teile  enthaltenen,  auf  die  Verhältnisse 
des  Guts  Tellow  sich  stützenden  Berechnungen  ergeben  §  ä,  6, 
daß  auf  Boden  von  8  Körnern  Ertrag  im  Roggen  nach 
Brache  die  Landrente  der  Koppelwirtschaft  verschwindet 
oder  gleich  Null  wird,  wenn  der  Wert  des  Berliner  Scheffels 
Roggen  auf  0,549  Taler  Gold  herabsinkt  —  und  mit  dem 
Verschwinden  der  Landrente  hört  auch  der  Anbau  des 
Bodens  auf. 

Durch  eine  Änderung  in  der  Form  der  Wirtschaft  lassen 
sich  aber  Ersparungen  in  den  Wirtschaftskosten  machen,  und 
der  Boden  kann  dann,  wenn  der  Wert  des  Roggens  auch 
unter  0,54;»  Tlr.  per  Schfl.  herabsinkt,  noch  angebaut  werden 
und  selbst  noch  einige  Landrente  geben.  Durch  die  auf 
Kostenersparung  gerichtete  Änderung  in  der  Form  der  Wirt-  4 
Schaft  entspringt  ein  Wirtschaftssystem,  das  mit  der  reinen 
Dreifelderwirtschaft  übereinstimmt. 

Es  ergibt  sich  hier  also  das  Resultat,  daß  beim  Sinken 

26* 


—    404    — 

des  Getreidepreises  es  einen  Punkt  gibt,  wo  die  Dreifelder- 
wirtschaft vorteilhafter  wii'd  als  die  Koppelwirtschaft. 

Aber  auch  die  Landrente  der  Dreifelderwirtschaft  muß 
zuletzt  verschwinden,  wenn  die  Kornpreise  immer  tiefer  her- 
abgehen, und  dies  ist  nach  §  14  a  der  Fall,  wenn  der  Scheffel 
Eoggen  den  Wert  von  O.ito  Taler  Gold  erlangt  —  und  hier 
muß  dann  der  Anbau  des  Bodens  zum  Zweck  des  Korn- 
verkaufs enden. 

Betrachten  wii-  aber  andererseits  die  Wirkimg  steigender 
Kornpreise,  so  treffen  wir  auf  einen  Punkt,  wo  der  Boden 
zu  kostbar  imd  zu  einträglich  wird,  um  noch  ferner  einen 
Teil  desselben  ungenutzt  als  Brache  zu  bearbeiten.  Mit  der 
Aufhebung  der  Brache  geht  die  Koppelwirtschaft  zur 
Fr"ucht  Wechsel  wir  tschaft  über,  und  diese  gewährt 
hier  eine  höhere  Landrente  als  jene. 


Wenn  man  von  dem  Preise,  den  das  Getreide  in  der 
Stadt  hat,  wohin  dasselbe  geliefert  ward,  den  Betrag  der 
Transportkosten  abzieht,  so  ergibt  sich  daraus  der  Wert,  den 
das  Getreide  auf  dem  Gute  selbst  hat.  Mit  der  größeren 
Entfernung  vom  Marktplatz  steigen  die  Transportkosten,  und 
der  Wert  des  Korns  auf  dem  Gute  selbst  nimmt  ab.  Die 
zunehmende  Entfernung  vom  Marktplatz  wirkt  also  vrie  ein 
Sinken  des  Getreidepreises  bei  gleichbleibender  Entfernung. 
Es  läßt  sich  also  der  Einfluß,  den  die  Höhe  des  Ge- 
treidepreises anf  den  Landbau  ausübt,  auch  räumlich  dar- 
stellen, und  aus  dieser  Darstellung  im  Baume  ist  der  isolierte 
Staat  hervorgegangen. 
5  Durch  diese  Auffassung  des  Gegenstandes  wird  mit  der 
ursprünglichen  Aufgabe  zugleich  die  andere  verbunden: 

Wie  muß  mit  der  gi'ößeren  oder  geringeren  Entfernung 
von  der  Handelsstadt  sich  die  Form  der  Wirtschaft 
ändern,  wenn  der  Boden  den  höchsten  Reinertrag 
geben  soll? 


—    405    — 

Aus  der  Erfahrung  lassen  sich  die  Gesetze,  die  hier 
obwalten ,  nicht  iminittelbar  entnehmen ,  denn  in.  der  Wirk- 
lichkeit treten  uns  überall  Ungleichheit  des  Bodens,  un- 
gleicher Reichtum  desselben,  Einwirkung  schiffbarer  Flüsse 
usw.  entgegen ,  und  in  den  Wirtschaften ,  die  wir  in  ver- 
scliiedenen  Entfernungen  von  den  großen  Handelsstädten 
erblicken ,  spricht  sich  —  die  Konsequenz  der  Bewirtschaf- 
tung vorausgesetzt  —  der  Einfluß  aller  dieser  Potenzen 
vereint  aus. 

Um  die  Wirksamkeit  der  einen  Potenz  —  der  Entfernung 
vom  Marktplatz  —  von  dem  Konflikt  mit  der  Wirksamkeit 
iler  anderen  Potenzen  zu  befreien  und  dadurch  zum  Er- 
kennen zu  bringen,  haben  wir  eine  große  Stadt  ohne  schiff- 
baren Fluß  in  einer  Ebene  von  durchaus  gleichartigem  und 
gleich  fruchtbarem  Boden  annehmen  müssen. 

Diese  Geistesoperation  ist  analog  dem  Verfahren,  welches 
wir  bei  allen  Versuchen  in  der  Physik  wie  in  der  Land- 
wirtschaft anwenden,  wo  wir  nämlich  nur  die  eine  zu  er- 
forschende Potenz  quantitativ  steigern,  alle  übrigen  Momente 
aber  unverändert  lassen. 

Unter  diesen  Voraussetzungen  bilden  sich  in  der  Ebene 
des  isolierten  Staates,  wie  im  ersten  Teil  nachgewiesen  ist, 
regelmäßige  konzentrische  Kreise  um  die  Stadt,  in  welchen 
absteigend  freie  Wirtschaft,  Forstwirtschaft,  Fruchtwechsel-, 
Koppel-  und  Dreifelderwirtschaft  betrieben  wird. 

Bei  unbegrenzt  wachsender  Entfernung  von  der  Stadt 
muß  notwendig  ein  Punkt  sich  finden,  wo  die  Produktions- 
und Transportkosten  des  Korns  dem  Preise,  der  in  der  Stadt 
dafür  bezahlt  wird,  gleichkommen,  und  hier  ist  der  Punkt, 6 
wo  die  Landrente  verschwindet,  und  die  Kultur  des  Bodens, 
insofern  diese  auf  Kornverkauf  nach  der  Stadt  basiert  ist,  endet. 

Hieraus  geht  denn  das  im  §  24  ausgesprochene,  den 
Getreidepreis  bestimmende  Gesetz  hervor. 

Aus  dem  Vorzug,   den   die  der  Stadt   näher  gelegenen 


—    406     — 

Güter  vor  den  Gütern  an  der  Grenze  der  kultivierten  Ebene 
haben,  entspringt  die  Landrente,  und  die  Größe  dieses  Vor- 
zugs bestimmt  nach  §  25  den  Betrag  der  Landrente. 

Jenseits  der  Grenze,  wo  die  Kultur  des  Bodens  zum 
Zweck  des  Kornverkaufs  nach  der  Stadt  aufhört,  bildet  sich 
der  Kreis  der  Viehzucht,  welche  hier  noch  mit  einigem  Vor- 
teil betrieben  werden  kann,  weil  die  Transportkosten  der 
Viehprodukte,  wie  Butter,  Fettvieh,  Wolle  usw.,  im  Ver- 
hältnis zum  Wert  derselben  ungleich  geringer  sind,  als  die 
des  Getreides. 

Jenseits  des  Kreises  der  Viehzucht  geht  dann  die  Ebene 
in  eine  menschenleere  Wildnis  über,  durch  welche  der  iso-  ■, 
lierte  Staat  von  der  übrigen  Welt  geschieden  wird.  Den  I 
Boden  dieser  Wildnis  selbst  nehmen  wir  aber  von  gleicher 
Beschaffenheit  und  gleicher  natürlicher  Fruchtbarkeit  mit 
dem  der  übrigen  Ebene  an  —  und  das  Hindernis  der  Ver- 
breitung der  Kultur  nach  diesen  Gegenden  liegt  demnach 
nicht  in  der  Beschaffenheit  des  Bodens,  sondern  allein  in 
der  großen  Entfernung  von  dem  Marktplatz  für  die  länd- 
lichen Erzeugnisse. 

Die  Ausdehnung  des  Kreises  der  Viehzucht  findet  also 
auch  nur  darin  eine  Schranke,  daß  der  Preis  der  Vieh- 
produkte in  der  Stadt  für  den  entferntesten  Produzenten  nur 
noch  die  Produktions-  und  Transportkosten  deckt. 

Mit  der  zunehmenden  Entfernung  von  der  Stadt  mindern 
sich  —  weil  Landrente  und  Kornpreis  abnehmen  —  die 
Produktionskosten  der  Vieherzeugnisse,  wogegen  sich  die 
7  Transportkosten  derselben  mehren.  Da  nun ,  wie  im  §  26 
nachgewiesen  ist,  mit  der  zunehmenden  Entfernung  von  der 
Stadt  die  Produktionskosten  stärker  abnehmen,  als  die  Trans- 
portkosten zunehmen,  und  da  die  Landrente  des  entlegensten 
Gutes  im  Kreise  der  Viehzucht  =  0  ist,  so  folgt  daraus 
(§  26  b)  das  wichtige  Gesetz,  daß  in  den  der  Stadt  näheren 


—    407     — 

Gegenden  (mit  Ausnahme  des  Kreises  der  fieien  Wirtschaft) 
die  Landrente  aus  der  Viehzucht  negativ  sein  muß. 

Die  endliche  Wirkung  einer  neu  eingeführten  Abgabe 
gibt  sich  (Abschnitt  3)  darin  kund,  daß  der  äußere  Rand  der 
Ebene  verlassen  wird,  die  Bodenkultur  sich  auf  einen  engeren 
Kreis  um  die  Stadt  herum  beschränkt,  und  die  Zalü  der  Be- 
wohner des  Staats  sich  vermindert. 

Dies  ist  in  einem  kurzen  Überblick  der  Gang  und  das 
Ergebnis  der  Untersuchungen  des  ersten  Teils. 

Die  Resultate  sind  dort  nicht  durch  Räsonnements  ge- 
funden, sondern  aus  einer  Formel  über  die  Kosten  und  den 
Ertrag  des  Landbaues,  zu  welcher  die  Data  aus  der  Wirk- 
lichkeit entnommen  sind,  abgeleitet  worden,  indem  der  eine 
Faktor  —  der  Kornpreis  —  einer  sukzessiven  Änderung 
unterworfen  wurde. 

Diese  Methode  kann,  weuu  die  Erfahrungen  genau  und 
richtig  aufgefaßt,  und  die  darauf  gebauten  Schlußfolgen 
konsequent  sind,  mathematische  Gewißheit  auf  ein  Gebiet 
übertragen,  worin  beim  bloßen  Räsonnement  sich  die  wider- 
sprechendsten Ansichten  geltend  machen. 

Je  größer  aber  die  Leistungen  dieser  Methode  sein 
können,  und  je  mehr  die  Ergebnisse  derselben  auf  Gewißheit 
Anspruch  machen,  um  so  schärfer  muß  auch  die  Prüfung 
und  Kritik  derselben  sein. 

III.  i 

Das  Abstrahieren  von  der  Wirklichkeit,  ohne  welches 
wir  zu  keiner  wissenschaftlichen  Kenntnis  gelangen,  bietet 
die  zwiefache  Gefahrseite  dar,  daß  wir 

1.  in  Gedanken  trennen,  was  eine  gegenseitige  Wechsel- 
wirkung aufeinander  ausübt,  und 

2.  unseren  Schlüssen  Voraussetzungen  zu  Grunde 
legen,  deren  wir  uns  nicht  klar  bewußt  sind,  sie  deshalb 
nicht    auszusprechen    vermögen    und    dann    für    allgemein 


—    408    — 

gültig  halten,  was  doch  nur  unter  diesen  Yoraussetzungen 
gültig  ist.  — 

Die  Geschichte  der  Xationalökonomie  liefert  hierzu 
manche  frappante  Beispiele. 

Unter  den  im  ersten  Band  teüs  ausgesprochenen,  teils 
stillschweigend  zu  Grunde  gelegten  Yoraussetzungen  be- 
dürfen die  beiden  nachstehenden  einer  besonderen  Prüfung 
und  Beleuchtung. 

1.  Der  Boden  in  der  Ebene  des  isolierten  Staats  ist 
nicht  bloß  ursprünglich  von  gleicher  Fruchtbarkeit,  sondern 
im  Yerfolg  der  Kultur  bleibt  auch  (mit  Ausnahme  des  ersten 
Kreises)  der  Reichtum  des  Bodens  an  Pflanzennahnmg  in 
allen  Gegenden  des  isoHerten  Staats  sich  gleich,  wie  ver- 
schieden daselbst  auch  die  Getreidepreise  sein  mögen. 

2.  Die  Sorgfalt  in  der  Bestellung  des  Ackers,  in  der 
Einerntung  der  Früchte,  dem  reinen  Ausdrusch  usw.  bleibt 
überall  gleich,  der  Scheffel  Roggen  mag  ^2  oder  1^/2  Taler 
gelten.  Nun  haben  wir  die  Konsequenz  der  Bewirt- 
schaftung als  die  höchste  und  unab weisliche  Forderung 
obenanstellen  und  dieser  alles  unterordnen  müssen. 

Es  drängt  sich  also  von  selbst  die  Frage  auf:  „Sind  jene 
beiden  Yoraussetzungen    mit    der  Konsequenz    der  Bewirt- 
schaftung verträglich?" 
9         Ich  muß  hierauf  antworten:  „Xein." 

Die  Gründe  für  diese  Antwort  werden  weiterhin  näher 
entwickelt  werden. 

Yon  dieser  Seite  hätte  der  erste  Teil,  der  hierüber  keine 
Rechtfertigung  gibt,  angegriffen  werden  können  und  müssen 
—  wenn  dem  Buch  eine  in  den  Geist  desselben  eingehende 
Kritik  zuteil  geworden  wäre. 

Stürzt  aber  nicht  mit  der  Erkenntnis  dieses  Mangels 
in  der  Grundlage  das  ganze  Gebäude  des  isolierten  Staats 
zusammen?  Wir  wollen,  um  diese  Frage  zu  erörtern,  einen 
analogen  Fall  anführen  und  in  Betracht  ziehen. 


—    409    — 

Gesetzt,  man  könne  fruchtbare  Ackererde  zu  einem  ge- 
gebenen Preise  ankaufen  und  geliefert  erhalten,  und  es  stände 
in  unserer  Willkür,  die  Ackerkrume  bis  zu  jeder  beliebigen 
Mächtigkeit  zu  erhöhen:  so  würden  wir  uns  die  Aufgabe 
stellen,  zu  ermitteln,  bei  welcher  Mächtigkeit  der  Krume  wir, 
nach  Abzug  der  Zinsen  vom  Ankaufspreis  der  Erde,  vom 
Boden  den  höchsten  Eeinertrag  beziehen. 

Um  hiei-über  ins  Klare  zu  kommen,  würde  man  zuerst 
Versuche  anstellen,  um  zu  erforschen,  wie  und  in  welchem 
Verhältnis  der  Ertrag  au  Früchten  mit  der  zunehmenden 
Mächtigkeit  der  Krume  steigt.  Bei  einem  solchen  Versuch 
würde  man  unstreitig  alle  Ackerstücke  mit  verschiedener  Krum- 
tiefe gleich  stark  besäen  —  weil  man  sonst  zwei  heterogene 
Gegenstände  miteinander  vermischte  und  über  keinen  von 
beiden  durch  den  Versuch  eine  reine  Antwort  erhielte.  Den- 
noch aber  ist  die  Stärke  der  Einsaat  hier  ein  mitwirkendes 
Moment;  denn  es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  die  lOzöllige 
Krume  ein  anderes  Einsaatsquantum  erfordert,  als  die  4zöllige, 
wenn  beide  den  höchsten  Ertrag  an  Früchten  geben  sollen. 

Man  wird  also  einen  zweiten  Versuch  anstellen,  die 
Ackerstücke  mit  verschiedener  Krumtiefe  in  mehrere  Ab- 
teilungen zerlegen  und  diese  in  verschiedener  Stärke  besäen,  10 
lim  zu  ermitteln,  Avelche  Stärke  der  Einsaat  für  jede  Krum- 
tiefe die  angemessenste  ist  und  den  höchsten  Fruchtertrag 
liefert. 

Ebenso  wird  man  die  Größe  des  Einflusses  der  anderen 
noch  mitwirkenden  Potenzen,  als  die  Änderung  der  Qualität 
des  Bodens  bei  veränderter  Tiefe  der  Krume,  die  mit  der 
tieferen  Krume  verbundenen  größeren  Kosten  des  Pflügens 
usw.  einzeln  und  getrennt  von  allen  anderen  zum 
Gegenstand  von  Versuchen  und  Beobachtungen  macheu 
müssen,  um  jene  Aufgabe  vollständig  zu  lösen. 

Sollte  nun  das  Verfahren,  was  wir  in  der  physischen 
AVeit  für  durchaus  richtig  erkennen,  in   der  Gedankenwelt 


—    410    — 

unstatthaft  sein;  sollten  wir  nicht  auch  hier  von  zwei  zu- 
sammenwirkenden Potenzen  erst  die  eine  als  allein  wirkend 
betrachten  und  dann  die  andere  auf  gleiche  Weise  als  allein 
wirksam  der  Betrachtung  unterziehen  dürfen? 

Gewiß  läßt  sich  durch  Analogien  die  Richtigkeit  dieses  Ver- 
fahrens bis  zur  Wahrscheinlichkeit  erheben;  aber  schwerlich 
dürfte  es  auf  diesem  Wege  gelingen,  einen  strengen  Beweis, 
der  keine  entgegengesetzten  Ansichten  zuläßt,  dafür  zu  liefern. 

Auf  die  absolute  Richtigkeit  kommt  hier  aber  alles  an. 

Glücklicherweise  finden  wir  den  Beweis  dafür  in  der 
Wissenschaft,  die  nicht  trügt  —  in  der  Mathematik. 

In  der  Differentialrechnung  wird  nämHch,  wenn  man 
von  einer  Funktion,  die  mehrere  veränderliche  Größen  ent- 
hält, das  Maximum  des  Werts  sucht,  bei  der  Difi'erentiation 
zuerst  nur  die  eine  Größe  als  veränderlich,  die  anderen  aber 
als  konstant  betrachtet,  und  nachdem  man  den  für  diese 
Größe  —  durch  Gleichstellung  ihres  Differentials  mit  Null 
—  gefundenen  Wert  in  die  Funktion  gesetzt  hat,  wird  die 
zweite  veränderliche  Größe  der  Differentiation  unterworfen, 
der  sich  ergebende  Wert  derselben  substituiert,  und  so  fort- 
11  gefahren,  bis  alle  veränderlichen  Größen  aus  der  Funktion 
verschwunden  sind. 

Soll  nun  das  erwiesen  richtige  Verfahren  der  Mathe- 
matiker auch  für  die  Richtigkeit  unserer  Methode  Beweis- 
kraft haben,  so  muß  nachgewiesen  werden,  daß  wir,  wie  sie, 
ein  Maximum  zu  finden  streben  und  zum  Gegenstand  unserer 
Untersuchung  machen. 

In  der  Landwirtschaft  besitzen  wir  durch  vermehrte 
Sorgfalt  in  der  Bestellung  des  Ackers,  der  Einerntung  der 
Früchte  usw.,  durch  Ankauf  von  Dung,  Gips,  Knochenmehl, 
Guano  etc.,  durch  Auffahren  von  Mergel  und  Moder,  durch 
Zuführung  einer  dem  Acker  mangelnden  Erdart  u.  s.  f.  eine 
-Menge  Mittel  nicht  bloß  den  momentanen,  sondern  auch  den 
dauernden  Ertrag  des  Ackers  zu  steigern. 


—    411     — 

Wenn  aber  diese  Verbesserungen  mit  einem  Kosten- 
aufwand erkauft  werden,  der  den  Wert  des  dadurch  erlaugten 
Mehrertrags  übersteigt,  so  führen  sie  nicht  bloß  zum  Ruin 
■des  Landwirts,  der  sie  unternimmt,  sondern  vermindern  auch 
das  Nationalvermögen. 

Nicht  der  höchste  Rohertrag,  sondern  der  höchste  Rein- 
ertrag ist  und  soll  das  Ziel  des  Landwirts  sein. 

Fragen  wir  nun,  wo  ist  die  Grenze,  bis  zu  welcher  die 
Sorgfalt  der  Arbeit  und  die  Bereicherung  des  Bodens  ge- 
trieben werden  darf,  so  lautet  die  Antwort: 

1.  Die  Sorgfalt  der  Arbeit,  z.  B.  beim  Auflesen  der 
Kai'toifeln,  darf  nicht  weiter  gehen,  als  bis  die  zuletzt  darauf 
gewandte  Arbeit  noch  durch  das  Plus  des  Ertrags  vergütet 
wird. 

2.  Die  Bereicherung  des  Bodens  muß  konsequenterweise 
bis  zu  dem  Punkt  getrieben  werden,  aber  auch  da  aufhören, 
wo  die  Zinsen  der  Kosten  des  Dungankaufs,  oder  statt  dessen 
der  Dungerzeugung,  mit  dem  dadurch  erlangten  Mehrertrag 
ins  Gleichgewicht  treten. 

Immer  wird   der  auf  diese  Weise   erlangte  Mehrertrag  12 
durch   einen  Aufwand  von  Kapital  und  Arbeit  erkauft,  imd 
es  muß  einen  Punkt  geben,   wo   der  Wert  des  Mehrertrags 
dem  Meliraufwand  gleich  wird  —  und  dies  ist  zugleich  der 
Punkt,  bei  welchem  das  Maximum  des  Reinertrags  stattfindet. 

Das  Verfahren,  was  wir  bei  unseren  Untersuchungen, 
wo  die  Ermittlung  des  höchsten  Reinertrags  das  Ziel  ist, 
anwenden,  steht  also  mit  der  in  der  Mathematik  bei  der 
Ermittlung  des  Maximums  des  Werts  einer  Funktion  mit 
mehreren  veränderlichen  Größen  als  richtig  erwiesenen 
Methode  im  Einklang,  und  so  wie  der  Mathematiker  von 
den  in  einer  Funktion  enthaltenen  veränderlichen  Größen 
zuerst  bloß  die  eine  als  veränderlich,  die  andere  aber  als 
konstant  betrachtet  und  behandelt,  so  dürfen  auch  wir  von 
den  verschiedenen  auf  den  Reinertrag  einwirkenden  und  mit 


—    412    — 

dem  Kornpreise  in  Verbindung  stehenden  Potenzen  erst  die 
eine  als  allein  wirkend,  die  andere  aber  als  gleichbleibend 
oder  ruhend  ansehen  und  behandeln. 

Damit  ist  denn  auch  die  Zulässigkeit  und  Richtigkeit 
der  im  ersten  Teil  angewandten  Methode  nachgewiesen. 

Aber  im  ersten  Teil  ist  die  Frage:  „Welchen  Einfluß 
übt  die  Höhe  der  Kornpreise  auf  den  Landbau  aus?''  erst 
teilweise,  erst  nach  einigen  Seiten  hin  untersucht  und  ver- 
folgt. Die  Einwirkung  der  Kornpreise  erstreckt  sich  aber 
auf  viele  andere  Gegenstände,  wovon  wir  hier  nur  die  auf 
den  Bodenreichtum  und  auf  die  Sorgfalt  der  Arbeit  anführen 
wollen  —  und  somit  ist  der  erste  Teil  nur  der  Beginn  der 
Arbeit  zur  vollständigen  Lösung  der  Aufgabe. 

Zum  besseren  Verständnis  und  zur  richtigeren  "Würdi- 
gung des  ersten  Teils  lasse  ich  schon  hier  eine  vorläufige 
Betrachtung  über  die  Einwirkung  des  Kornpreises  auf  die 
Iteiden  Potenzen:  Bodenreichtum  und  Sorgfalt  der  Arbeit, 
13  folgen.  Weiterhin  aber  sollen  diese  Punkte  Gegenstand  einer 
eigenen  Untersuchung  werden. 


IV. 

A.  Unter  den  Verhältnissen  des  isolierten  Staats,  wo, 
durch  die  Einw^irkung  des  ausgedehnten,  bloß  Viehzucht 
treibenden  Kreises,  die  Preise  der  Viehprodukte  sehr  niedrig 
sind,  kann,  wie  im  ersten  Teil  nachgewiesen  ist,  die  Ab- 
schaiTung  der  Brache  und  die  Einführung  der  Fruchtwechsel- 
wirtschaft erst  dann  vorteilhaft  werden,  wenn  der  Boden 
einen  Grad  des  Reichtmns  erlangt  hat,  bei  welchem  das 
Korn  nach  reiner  Brache  sicli  lagert.  Der  isolierte  Staat 
ist  aber  auf  die  Voraussetzung  eines  gleichen  Bodenreichtums 
der  ganzen  Ebene  basiert,  und  zwar  ist  eine  Ertragsfähigkeit 
von  8  Körner  (0,4 1  Berliner  Scheffel  vom  preuß.  Morgen)  nach 
reiner  Brache  angenommen. 


—    413    — 

Bei  diesem  Ertrage  findet  aber  keine  Lagerung  des 
Korns  statt. 

Bei  konsequenter  Schlußfolge  hätte  also  in  dem  ersten 
Teil  des  isolierten  Staats  die  Fruchtwechselwirtschaft  eigent- 
lich ausgeschlossen  bleiben  müssen. 

Werfen  wir  nun  in  Beziehimg  auf  die  A^erbindung 
zwischen  Kornpreis  und  Bodenreichtum  einen  Blick  auf  die 
"Wirklichkeit,  so  finden  wir  in  der  Regel  in  den  Ländern 
mit  dichter  Bevölkerung  und  hohen  Kornpreisen  einen  höheren 
Bodenreichtum  als  in  den  dünnbevölkerten  Ländern  mit 
niedrigen  Kornpreisen.  Die  Frage  ist  also  praktisch  schon 
gelöst,  und  es  ist  merkwürdig,  daß  das,  was  der  gesunde 
Sinn  der  praktischen  Landwirte  längst  ausübt,  von  der 
Wissenschaft  im  systematischen  Zusammenhang  noch  nicht 
aufgefaßt  und  dargestellt  ist. 

Wenn  wir  nun  statt  des  mangelnden  wissenschaftlichen 
Beweises  die  Erfahrung,  daß  die  Bodenbereicherung  der 
Erhöhung  der  Gretreidepreise  folgt,  als  auf  A'ernimftgründen  14 
beruhend  ansehen  und  diesen  Satz  auf  den  isolierten  Staat 
auAvenden,  so  wird  dadurch  die  Gestaltung  desselben  wesent- 
lich modifiziert.  Statt  des  gleichen  Reichtums  der  ganzen 
Ebene  sehen  wir  dann  von  der  Grenze  an  nach  der  Stadt 
zu  den  Bodenreiclitum  stetig  wachsen,  und  es  ist  möglich, 
selbst  wahrscheinlich,  daß  in  einer  gewissen  Entfernung  von 
der  Stadt  es  vorteilhaft  wird,  den  Boden  über  den  Punkt 
liinaus  zu  bereichern,  wo  das  Lagern  des  Korns  nach  Brache 
anfängt.  Damit  würde  denn  die  Fruchtwechselwirtschaft 
den  Platz,  der  im  ersten  Teil  zwar  ahnend  angedeutet  ist, 
aber  als  unvereinbarlich  mit  den  angenommenen  Verhält- 
nissen betrachtet  wurde,  wirklich  einnehmen. 

Hier  treffen  wir  also  auf  eine  bedeutende  Abweichung 
Ton  dem  Resultat  des  ersten  Teils,  und  es  könnte  den  An- 
schein gewinnen,  als  sei  die  Methode,  zur  Zeit  nur  eine 
Potenz  in  Betracht  zu  ziehen,  hier  irreführend  geworden. 


—    414    — 

Aber  ohne  die  Annahme  eines  gleichen  Bodenreichtums 
wäre  die  Untersuchung,  wie  die  Entfernung  von  der  Stadt 
an  sich,  d.  i.  ohne  Einwirkung  anderer  Potenzen  wirkt,  gar 
nicht  zu  führen  gewesen  und  wäre  verwirrend  statt  auf- 
klärend geworden. 

Das  Unzutreffende  rülii't  nicht  von  der  Methode,  sondern 
davon  her,  daß  die  Untersuchung  im  ersten  Teü  noch  nicht 
beendigt  und  nur  erst  eine  Seite  der  Aufgabe  gelöst  ist. 

"Wie  in  einer  Funktion,  die  mehrere  veränderliche  Größen 
enthält,  durch  Auffindung  und  Substituierung  des  Werts  der 
einen  Größe  der  Wert  der  Funktion  selbst  noch  unbestimmt 
bleibt  und  diese  Bestimmtheit  erst  dann  erhält,  wenn  alle 
veränderlichen  Größen  entfernt  sind  —  so  auch  hier. 

Zui"  eigentlichen  Lösung  der  Aufgabe  gehört,  daß,  nach- 
dem die  erste  Untersuchung  über  den  Einfluß  der  Entfernung 
15 an  sich  beendigt  ist,  eine  zweite  Untersuchung  über  den 
Einfluß  der  Entfernung  auf  den  angemessensten  Boden- 
reichtum begonnen  und  durchgeführt  Avird;  aus  der  Ver- 
bindung beider  Untersuchungen  geht  dann  ein  vollständiges 
—  wenn  auch  noch  nicht  das  letzte  —  Resultat  hervor. 

In  der  Tat  sind  die  Materialien  zu  dieser  Arbeit  im 
ersten  Teil  schon  größtenteils  enthalten.  Denn  die  Formeln 
zur  Berechnung  des  Reinertrags  sind  nicht  bloß  für  einen 
gegebenen  Kornertrag,  sondern  für  alle  Stufen  des  Ertrags 
bis  zu  10  Körnern  iiinauf  und  damit  auch  für  den  diesen 
Erträgen  entsprechenden  Bodenreichtum  gültig.  Auch  ist  für 
die  Grenze,  wo  sich  Koppel-  und  Dreifelderwirtschaft 
scheiden,  eine  Formel  gefunden,  die  für  alle  Stufen  des  Er- 
ti'ags  gültig  ist.  Nur  für  den  Boden reichtum ,  der  einem 
höheren  Ertrag  als  dem  von  10  Körnern  entspricht,  sind  die 
Berechnungen  und  Formeln  noch  zu  entwerfen. 

Wäre  nun  das  Gesetz,  nach  welchem  Kornpreis  und 
Bodeureichtum  miteinander  verbunden  sind,  gefunden,  so 
könnte   man   aus    den    schon    vorhandenen   Materialien    mit 


—    415    — 

Leichtigkeit  Bodenreichtiiin ,  Ertrag  und  Landrente  für  jede 
Entfernung  von  der  Stadt  angeben,  das  Bild  des  isolierten 
Staats  vervollständigen  und  diesen  dadurch  der  Wirklichkeit 
—  worin  uns  die  Gesamteinwirkung  aller  Potenzen  ent- 
gegentritt —  näher  führen. 

Das  bloße  aus  der  Beobachtung  entnommene  "Wissen, 
daß  in  der  Regel  mit  hohen  Korupreisen  auch  hoher  Boden- 
reichtum verbunden  ist,  reicht  aber  zu  einer  solchen  Arbeit 
nicht  aus.  Es  muß  \äelmehr  die  Notwendigkeit  dieser  Er- 
scheinung nachgewiesen,  und  das  Gesetz  für  die  Wechsel- 
wirkung zwischen  Kornpreis  und  Bodenreichtum  gefunden 
sein,  ehe  dieser  Teil  unserer  Aufgabe  mit  derselben  Schärfe 
und  Genauigkeit  untersucht  und  behandelt  werden  kann, 
wie  der  erste. 

B.  Wenn  auf  einem  Gute,  wo  bisher  alle  Arbeiten  durch  16 
20  Tagelöhnerfamilien  beschafft  wurden,  noch  eine  Familie 
eingesetzt,  und  das  Zugvieh  zugleich  verhältnismäßig  ver- 
mehrt wird,  so  können  Ernte  und  Saat  teils  in  kürzerer 
und  damit  in  der  angemessenen  Zeit  beschafft,  teils  können 
die  Arbeiten  bei  der  Ernte  und  Saat  sorgfältiger  gemacht 
werden;  es  kann  ferner  das  Korn  reiner  ausgedroschen,  es 
können  die  Kartoffeln  reiner  aufgenommen  werden  u.  s.  f. 

Die  Vermelu-ung  der  Arbeiterfamilien  muß  konsequenter- 
weise so  lange  fortgesetzt  werden,  bis  der  durch  den  zuletzt 
angestellten  Arbeiter  erlangte  Mehrertrag  im  Wert  gleich 
dem  Lohn  ist,  den  der  Arbeiter  erhält. 

Der  Mehrertrag  spricht  sich  in  Korn  aus  und  bleibt 
für  ein  und  dasselbe  Wirtschaftssystem  immer  gleich,  welchen 
Preis  auch  das  Korn  haben  mag.  Der  Geldlohn  des  Ar- 
beiters aber  steigt  und  fällt,  selbst  wenn  der  reelle  Arbeits- 
lohn derselbe  bleibt,  nicht  im  direkten  Verhältnis  mit  dem 
Kornpreis,  sondern  ein  Teil  desselben  wird  —  Avie  im  ersten 
Teil  ausführlich  erörtert  ist  —  von  dem  Kornpreis  nicht 
affiziert  und  muß  deshalb  in  Geld  ausgedrückt  bleiben. 


—    416    — 

Gesetzt  nun,  die  Kosten  einer  Ai-beiterfamilie  betragen 
iährlich  60  Scheffel  Roggen  plus  30  Tlr. ;  der  durch  die  zu- 
letzt angestellte  Familie  erlangte  Mehrertrag  des  Gutes  betrage 
100  Scheffel  Roggen,  so  bleibt  dem  Grundbesitzer  ein  Gewinn 
von  40  Schfl.  minus  30  Tlr.  Bei  dem  Preise  des  Roggens  von 
11/2  Tlr.  pr.  Schfl.  beträgt  dennoch  der  Gewinn  60  -f-  30  =  30  Tli\ 
1       „    „      „         „  „  »        „       40-^30  =  10   „ 

■^U  RO    •   30  —    0 

'■*       55         55  5'  55  55  55  55  OU -;- OU  V      „ 

und    bei  dem  Preise  von   -/2   Th\  pr.   Scheffel  verwandelt 
sich  der  Gewinn  in  einen  Verlust  von  10  Th\ 

Es  ergibt  sich  hieraus,  daß   bei  dem   Kornpreise  von 
1^/2  Tli-.   noch  mehr  als   21  Arbeiter  mit  Torteil  angestellt 
17  werden  können,  während  bei  dem  Preise  von  1/2  Tlr.  schon 
der  zwanzigste  Arbeiter  Verlust  bringt. 

Nun  liegt  es  aber  in  der  Natur  des  Landbaues  —  und 
dies  ist  ein  sehr  beachtungswerter  Umstand  — ,  daß  das 
Mehrerzeugnis  nicht  im  geraden  Verhältnis  mit  der  Zahl  der 
mehr  angestellten  Arbeiter  steigt,  sondern  jeder  später  an- 
gestellte Arbeiter  liefert  ein  geringeres  Erzeugnis  als  der 
vorliergehende  —  der  22ste  Arbeiter  weniger  als  der  21ste, 
der  23ste  weniger  als  der  22ste  usw. 

Als  Beispiel  stelle  ich  folgende  Skala  auf: 
Es  bringt  hervor  der  21ste  Arbeiter 100  Schfl. 


22ste 

...      90 

23ste 

.    .    .      81 

24ste 

.    .    .      73 

2Öste 

.    .    .    111 

19te 

.    .    .    123 

Dieser  Skala  nach  bringt  beim  Preise  von  1^/2  Th\  pr. 
Scheffel: 
Der  22ste  Arbeiter  ....  90  Schfl.,  kostet  60  Seh.  -f  80  Tlr. 

liefert  Überschuß  30  Schfl.  u  IV2  Tk.  ~  30  Tlr.  =  15    „ 
Der  23ste  Arbeiter  ....  81  Schfl.,  kostet  60  Seh.  -j-  30    „ 

liefert  Überschuß 21  a  IV2  ~  30  =  II/2    „ 


—    417     — 

Der  24ste  Arbeiter  ....  73  Schfl.,  nach  Abzug  des  Lohns 
bleiben 13  Sclifl.  a  Vh  Tlr.  -i-  30  =  -^  IO1/2  TIr. 

Bei  dem  Preise  von  1^/2  Tlr.  für  den  Scheffel  bringt 
also  die  Anstellung  des  22sten  Arbeiters  noch  Gewinn,  bei 
der  Aufnahme  des  23sten  Arbeiters  kompensieren  sich  Nutzen 
und  Kosten,  während  die  Ansetzung  eines  24sten  Arbeiters 
mit  Verlust  verbunden  ist. 

Bei  dem  Preise  von  ^/2  Tlr.  bringt  der  20ste  Arbeiter 
111  Schtl.  hervor.  Nach  Abzug  des  Lohns  bleiben  hiervon 
51  Schfl.  minus  30  Tlr.  Die  51  Scheffel  haben  einen  Wert  18 
von  25^/2  Tlr.  Der  20ste  Arbeiter  bringt  also  4M2  Tlr.  Ver- 
lust. Der  19te  Arbeiter  liefert  ein  Erzeugnis  von  123  Schtl., 
wovon  nach  Abzug  des  Lohns  63  Schfl.  a  1/2  Tlr.  =  31^/2  -f- 
30  --=  11/2  Tlr.  übrig  bleiben. 

Bei  dem  Preise  von  1^/2  Tlr.  pr.  Scheffel  ist  es  also 
vorteilhaft,  die  Arbeiter  von  20  bis  zu  23  zu  vermehren, 
während  bei  dem  Preise  von  1/2  Tlr.  der  20ste  Arbeiter 
abgeschafft  werden  muß,  um  den  höchsten  Reinertrag  zu 
■erlangen. 

Vergleichen  wir  nun  zwei  Güter  des  isolierten  Staats 
miteinander,  wovon  das  eine  an  der  Grenze  —  wo  der 
Scheffel  Roggen  zirka  1/2  Tlr.  Wert  hat  — ,  das  andere  in 
der  Nähe  der  Stadt  —  mit  einem  Roggenpreise  von  1^/2  Tlr. 
—  liegt,  und  nehmen  an,  daß  beide  nicht  bloß  gleichen 
ßodenreichtum  haben,  sondern  auch  demselben  Wirtschafts- 
system unterworfen  sind,  so  würde  doch,  bloß  wegen  der 
größeren  Sorgfalt  der  Arbeit,  der  Kornertrag  des  letzteren 
Gutes  um  den  Betrag  dessen,  was  der  20ste,  21ste,  22ste  und 
23ste  Arbeiter  erzeugen,  größer  sein,  als  der  Ertrag  des 
ersteren  Guts  —  was  nach  der  aufgestellten  Skala  382  Schfl. 


Welche  Änderung  bewirkt  nun  die  Berücksichtigung 
dieses  Moments  in  der  Gestaltung  des  im  ersten  Teil  dar- 
gestellten isolierten  Staats? 

Tliünen,  Der  isolierte  Staat.  27 


—    418    — 

Gesetzt,  der  Koruertrag  des  Bodens  von  gleichem  Eeich- 
tum  betrage  in  der  Nähe  der  Stadt  8^/2,  an  der  Grenze  des 
Staats  dagegen  nur  7^1 2  Körner. 

Da  diese  Differenz  im  Kornertrag  sich  bei  konsequenter 
Bewirtschaftung  ergibt,  und  der  Landwirt  an  der  Grenze 
es  vorzieht,  von  einem  Boden,  der  8V2  Körner  tragen  kann, 
nur  7^/2  Körner  zu  gewinnen,  so  folgt  daraus,  daß  die  Pro- 
duktionskosten des  Korns  niedriger  zu  stehen  kommen,  wenn 
19 nur  71/2  Körner,  als  wenn  8  Körner  —  der  Normalertrag 
der  Ebene  —  durch  vermehrten  Arbeitsaufwand  gewonnen 
werden.  Nun  wird  durch  die  Größe  der  Produktionskosten 
die  Ausdehnung  des  Anbaues  der  Ebene  bedingt,  und  es 
wird  folglich  auch  bei  Berücksichtigung  dieses  Moments  die 
Meilenzahl,  bei  welcher  der  Anbau  der  Ebene  aufhört,  etwas 
größer  werden,  als  im  ersten  Teil  berechnet  ist.  Auch  mag 
die  Grenze  zwischen  Koppel-  und  Dreifelderwirtschaft  etwas, 
jedoch  nicht  erheblich,  verrückt  werden.  Auf  die  Meilenzahl 
kommt  es  hier  aber  nicht  an,  da  diese  das  Wesen  der  Unter- 
suchung nicht  berührt,  sondern  nur  zur  Versinnlichung  der 
Idee  dient.  Die  Einwirkung  dieses  Moments  ist  nur  quan- 
titativ, nicht  qualitativ,  und  kann  deshalb  bei  der  Kon- 
struktion des  isolierten  Staats  außer  acht  bleiben.  In  anderer 
Beziehung  ist  dagegen  —  wie  sich  weiter  unten  ergeben 
wird  —  die  Beachtung  dieses  Moments  von  großer  Wichtigkeit. 


Hier  mag  sich  nun  noch  eine  Erklärung  auscliließen 
über  ein  Resultat  des  isolierten  Staats,  welches  zur  Zeit  des 
ersten  Erscheinens  des  Buchs  im  Jahr  1826  mit  dem  in  der 
Wirklichkeit  Bestehenden  anscheinend  einen  grellen  Wider- 
spruch bildete. 

Die  Berechnungen  im  ersten  Teil  haben  ergeben,  daß, 
wenn  die  Kornpreise  bis  zu  einem  gewissen  Punkt  sinken, 
der  Übergang  aus  der  Koppel-  zur  Dreifelderwirtschaft  vor- 
teilhaft wii'd,  und  die  Landrente  steigert. 


-    419    -       . 

Nun  waren  in  dem  Zeitraum  von  1820  bis  26  die  Korn- 
preise im  nördlichen  Deutschland  fast  bis  zu  dem  Punkt  ge- 
sunken, wo  nach  dem  isolierten  Staat  die  Dreifelderwirtschaft 
vorteilhafter  wird  als  die  Koppelwirtschaft.  Aber  die  Land- 
wirte jener  Zeit  suchten  und  fanden  ihre  Rettung  in  einer  20 
Wirtschaft  mit  vermehrter  Erzeugung  von  Viehprodukten 
und  nicht  in  dem  Übergang  zur  Dreifelderwirtschaft,  durch 
welche  der  Ertrag  an  Viehprodukten  noch  mehr  beschränkt 
worden  wäre  als  die  Kornproduktion. 

Der  Verfasser  erkannte  bei  Abfassung  des  Buchs  den 
schroffen  Gegensatz  zwischen  der  Wirklichkeit  und  dem  von 
ihm  gefundenen  Resultat  sehr  wohl ;  aber  er  konnte  dasselbe 
nicht  ändern,  weil  es  mit  Notwendigkeit  aus  dem  ganzen 
Gang  der  Untersuchung  hervorging. 

Woher  rührt  aber  dieser  Widerspruch? 

1.  In  dem  isolierten  Staat  ist  der  beharrende  Zustand 
Grundlage  der  Betrachtimg.  Die  Wohlfeilheit  des  Getreides 
in  Deutschland,  hervorgegangen  aus  einer  Reihe  äußerst 
fruchtbarer  Jahre  und  aus  der  gleichzeitig  eingetretenen 
Kornsperre  Englands,  war  ein  unnatürlicher  Zustand,  der 
keine  Dauer  haben  konnte. 

In  dem  Teil  des  isolierten  Staats,  wo  die  Dreifelder- 
wirtschaft herrscht,  muß  sowohl  der  Getreidepreis,  als  der 
Preis  der  Viehprodukte  dauernd  niedrig  sein,  weil  die  Kon- 
sumenten keinen  höheren  Preis,  als  den  zur  Norm  genomme- 
nen zahlen  können. 

In  Deutschland  waren  die  Konsumenten  dagegen  im- 
stande, den  vor  1820  bestehenden  Durchschnittspreis  für  das 
Getreide  zu  zahlen,  und  der  niedrige  Preis  rührte  nicht  von 
dem  Unvermögen  der  Konsumenten,  sondern  von  dem  un- 
mäßigen, den  möglichen  Verbrauch  weit  übersteigenden  An- 
gebot her.  Dies  bewirkte  nun  eine  Änderung  in  der  Lebens- 
weise des  Volks.  Von  dem  Einkommen ,  was  sonst  zum 
Ankauf  des  Getreides  verwandt  werden   mußte,   wurde  ein 

27* 


—     420     — 

beträchtlicher  Teil  erspart,  und  das  Ersparte  größtenteils  airf 
bessere  Bekleidung  und  vermehrten  Genuß  animahscher 
Speisen  statt  der  vegetabilischen  verwandt,  Bedarf  und 
21  Nachfrage  nach  animalischen  Erzeugnissen,  als  Wolle,  Fleisch, 
Butter  usw.,  A\inxlen  dadurch  gar  selir  vermehrt:  Fleisch 
und  Butter  behielten  fast  denselben  Preis  ■«ie  zu  den  Zeiten 
der  hohen  Kornpreise,  und  die  AVolle,  begünstigt  durch  eine 
fast  zollfreie  Einfuhr  in  England,  erhielt  sich  auf  einem  \m- 
natürlich  hohen  Preis.  Xiemals  hat  vielleicht  ein  solches 
Mißverhältnis  in  den  Preisen  zwischen  Korn  und  animalischen 
Erzeugnissen  stattgefunden,  wie  damals.  "Während  früher 
der  Berliner  Scheffel  Roggen  ungefähr  den  Wert  von  9  Pfimd 
Butter  und  von  6  Pfund  "Wolle  hatte,  galten  zu  der  Zeit 
3  bis  4  Pfund  Butter  soviel  als  ein  Scheffel  Roggen,  und 
der  Preis  eines  Pfundes  veredelter  Wolle  überstieg  häufig 
den  des  Scheffels  Roggen,  und  die  hochfeine  Wolle  erreichte 
sogar  pr.  Pfund   den  doppelten  Wert  des  Schelf  eis  Roggen. 

Zwischen  den  Produktionskosten  —  die  sonst  den  Preis 
regulieren  —  und  den  Marktpreisen  schien  jedes  Band  zer- 
rissen zu  sein.  So  abnorme  Verhältnisse  konnten  nicht 
dauernd  sein  imd  sind  jetzt  auch  längst  untergegangen. 

Bei  Erwägung  dieser  Verhältnisse  wird  es  leicht  be- 
greiflich, daß  das  Sinken  des  Kornpreises  allein  bei  hohen 
Preisen  '  der  Viehprodukte  nicht  zur  Dreifelderwirtschaft, 
sondern  zum  erweiterten  Anbau  von  Futterge wachsen  führen 
mußte. 

2.  In  dem  isolierten  Staat  ist  die  kultivierte  Ebene  von 
einem  bloß  Viehzucht  treibenden  Kreise  umgeben,  aus  welchem 
die  Viehprodukte  zu  einem  so  niedrigen  Preis  geliefert  werden, 
daß  die  Rente  aus  der  Viehzucht  in  den  der  Stadt  nahe- 
gelegenen Gegenden  negativ  wird.  Von  dem  größten  Teil 
Deutschlands  sind  dagegen  die  rohen,  bloß  Viehzuclit  treiben- 
den Länder  entweder  so  weit  entfernt,  oder  die  Einfuhr  der 
Viehprodukte  aus  denselben  ist  durch  Zölle  so  erschwert,  daß 


—    421     — 

der  Preis  der  animalischen  Erzeugnisse  hoch  geni;g  ist,  um 
durch  Viehzucht  eine  Reute  vom  Boden  zu  gewinnen. 

Nichts  führt  aber  so  entschieden  zur  Fruchtwechsel- 22 
Avirtschaft,  als  ein  hoher  Preis  der  Tiehprodukte ,  und  das 
Preisverhältnis  zwischen  diesen  und  dem  Korn  ist  eins  der 
A\ichtigsten  Momente  bei  der  Entscheidung  der  Frage,  wo 
die  Fruchtwechselwirtschaft  anfängt  vorteilhafter  zu  werden 
als  die  Koppelwirtschaft. 

In  dem  ersten  Teil  des  isolierten  Staats  konnten  die 
deutschen  Verhältnisse  nicht  berücksichtigt,  noch  weniger 
zu  Grunde  gelegt  werden ,  weil  dadurch  das  Streben  nach 
Erforschung  allgemeiner  Gresetze  in  ein  Suchen  nach  Vor- 
schriften, die  für  ein  Land,  eine  Provinz  gültig,  für  alle 
anderen  Länder  aber  unbrauchbar  und  unanwendbar  sind, 
umgewandelt  "«.väre.  In  diesem  Teil  wird  aber  der  isolierte 
Staat  auch  unter  der  Abänderung,  daß  derselbe  mit  einer 
Sandwüste  statt  der  kulturfähigen  Wildnis  umgeben  ist, 
Gegenstand  der  Untersuchung  w^erden  —  und  die  Resultate, 
die  sich  daraus  ergeben,  werden  den  deutschen  Verhältnissen 
analoger  sein,  als  die  des  ersten  Teils. 

Von  dem  richtigen  Gefühle  geleitet,  daß  der  Satz: 
„Niedrige  Korn  preise  führen  zur  Dreifelderwirtschaft'-  für 
die  deutschen  Verhältnisse  nicht  zutreffend  sei,  hat  man  die 
Richtigkeit  desselben  in  Zweifel  gezogen;  aber  indem  man 
übersah,  daß  das  Unzutreffende  von  der  Verschiedenheit  der 
Verhältnisse  herrülirt,  hat  man  den  Satz  da  angegriffen,  wo 
er  nicht  anzugreifen  ist,  und  Gründe  dagegen  angeführt,  die 
unhaltbar  sind. 

V. 

Ausdehnung  der  Forderung  der  Konsequenz  auf 
alle  Verhältnisse  des  isolierten  Staats. 

Das  Verfahren  bei  der  Konstruktion  des  isolierten  Staats 
ist,   daß   wir  ein   gegebenes   Gut  aus  der   Wirklichkeit  zu 


422     

23  Grunde  legen,  dieses  Gut  im  Gedanken  sukzessiv  nach  ver- 
schiedenen Entfernungen  von  der  Stadt  —  dem  Marktplatz 
—  verlegen  und  nun  die  Frage :  „Wie  wird  sich  die  Wirt- 
schaft dieses  Guts  mit  der  zunehmenden  Entfernung  von  der 
Stadt  ändern  müssen''  zu  lösen  versuchen. 

Hierbei  mußten  wir  die  Konsequenz  der  Bewirtschaftung 
als  eine  unerläßliche  Forderung  aufstellen. 

Auf  diese  Weise  sind  aber  auch  alle  Verhältnisse  dieses 
Guts  aus  der  Wirklichkeit  auf  den  isolierten  Staat  überti'agen. 

Das  in  der  Wirklichkeit  auf  diesem  Punkt  der  Erde 
bestehende  Verhältnis  z\\-ischen  Arbeitslohn  imd  Zinsfuß; 
diese  mecklenburgischen  Landstraßen ;  diese  Größe  der  Güter 
und  so  vieles  andere  liegt  also  der  Konstruktion  des  isolierten 
Staats  zu  Grunde. 

Die  Forderung  der  Konsequenz  wollen  wir 
jetzt  aber  auf  alle  Verhältnisse  des  isolierten 
Staats  ausdehnen.  Damit  werden  wir  nun  zu  den 
Fragen  gedrängt :  Ist  dieser  Arbeitslohn  und  sein  Verhältnis 
zum  Zinsfuß  der  natm-gemäße;  ist  es  konsequent,  Land- 
straßen von  dieser  Beschaffenheit  zu  halten ;  gewähren  Güter 
von  dieser  Größe  die  höchste  Landrente  usw.? 

In  der  Tat  wäi-e  es  ein  wunderbarer  Zufall,  wenn  in 
der  Wirklichkeit,  wo  alles  noch  im  Werden,  jede  Änderung 
nur  eine  Übergangsstufe  zu  einer  höheren  ist  —  wenn  hier 
irgendwo  das  Vernunftmäßige  in  seiner  letzten  Höhe  schon 
zur  Erscheinung  gekommen  wäre.  Wäre  dies  Wunder  aber 
wirklich  geschehen,  so  müßte  doch  nachgewiesen  werden,  daß 
und  warum  das  Bestehende  das  Vernunftgemäße  ist. 

Unsere  Aufgabe  fordert  also  zur  Vollendung  ihrer  Lösung, 
daß  wir  alles  der  Wirklichkeit  Entnommene  der  Prüfung  und 
Kritik  unterwerfen,  das  Gesetzmäßige  aufzusuchen  streben 
\md   dies  —   insofern   es   gefunden   wird   —   statt  des  Be- 

24  stehenden  in  den  isolierten  Staat  übertragen.  Damit  wird 
dem    Blick   die   Aussicht   auf   eine   unabsehbare   Eeihe   von 


—    423    — 

Untersuchiiugen  geöffnet,  wovon  folgende  —  in  Verbindung 
mit  den  schon  früher  angedeuteten  —  als  die  hervorragendsten 
sich  dem  Auge  zuerst  darstellen. 

1.  Welches  ist  der  von  der  Natur  dem  Arbeiter  be- 
stimmte Lohn,  und  durch  welches  Gesetz  wird  die  Höhe 
des  Zinsfußes  bestimmt? 

Das  Kapital  ist  angesammeltes  Arbeitsprodukt,  also  voll- 
brachte Arbeit,  entspringt  mit  der  fortlaufenden  Arbeit  aus 
einer  "Wurzel  —  der  menschlichen  Tätigkeit  — ;  Kapital  und 
Arbeit  sind  also  wesentlich  eins,  nur  in  der  Zeitfolge  ver- 
schieden, wie  Vergangenheit  und  Gegenwart.  Zwischen  beiden 
muß  irgendein  Verhältnis  stattfinden;  welches  ist  dies'? 

Da  diese  Frage  die  Stellung  der  verschiedenen  Stände 
gegeneinander  und  somit  das  Glück  und  die  Wohlfahrt  der 
zalüreichen  Klasse  der  Arbeiter,  wie  die  Verpflichtung  der 
begüterten  Stände  gegen  die  Proletarier  berührt:  so  greift 
die  Untersuchung  über  diesen  Gegenstand  weit  über  die  ur- 
sprüngliche Aufgabe,  den  isolierten  Staat  zu  konstruieren, 
hinaus.  Der  isolierte  Staat  tritt  bei  dieser  den  Menschen 
selbst  betreffenden  Frage  in  den  Hintergrund,  und  die  Unter- 
suchung ist  hauptsächlich  nur  deshalb  an  denselben  geknüpft, 
weil  die  Aufgabe,  wenn  sie  überhaupt  zu  lösen  ist,  mir  nur 
uDter  der  Form  der  Anschauung,  die  dem  isolierten  Staat 
zu  Grunde  liegt,  lösbar  scheint. 

2.  In  welcher  Verbindung  steht  die  Landrente  mit  dem 
Arbeitslohn  und  Zinsfuß? 

3.  Durch  welches  Gesetz  wird  die  Landrente  bestimmt, 
wenn  statt  der  einen  großen  Stadt  lauter  kleine  Städte  von 
gleicher  Größe  und  in  gleicher  Entfernung  voneinander  in 
der  Ebene  des  isolierten  Staats  zerstreut  liegen,  und  in  welcher 
Verbindung  steht  hier  der  Grad  der  Sorgfalt  der  Arbeit  mit  25 
den  Kornpreisen? 

4.  Welchen  Einfluß  übt  die  Größe  des  Geldstocks  auf 
die  Höhe  des  Zinsfußes  aus? 


—    424    — 

5.  Den  Berechnuagen  über  die  Größe  der  Transport- 
kosten, welche  der  Wirklichkeit  entnommen  sind,  liegen  die 
sehr  schlechten  Wege,  wie  sie  im  Anfang  dieses  Jahrhunderts 
in  Mecklenburg  bestanden,  zu  Grunde.  Sicherlich  ist  es 
aber  nicht  vernünftig,  so  sclüechte  Wege  zu  halten  —  wie 
sie  denn  auch  in  Mecklenburg  durch  Anlegung  zahlreicher 
Chausseen  schon  sehr  vermindert  sind  —  und  wenn  wir  uns 
den  isolierten  Staat  anfangs  mit  so  schlechten  Wegen  ver- 
sehen denken,  ja  seine  Gestaltung  und  Ausdehnung  danach 
bestimmt  haben :  so  drängen  sich  bei  der  Forderung,  daß  in 
dem  isolierten  Staat  überall  Konsequenz  herrschen  soll,  die 
Fragen  auf: 

a)  Wo  und  in  welcher  Ausdehnung  können  im  isolierten 
Staat  Chausseen  und  Eisenbahnen  mit  Nutzen  angelegt 
w^erden '? 

b)  Welche  Änderung  geht  mit  der  Anlegung  derselben 
in  der  Ausdehnung  der  kultivierten  Ebene,  der  Bodenkultur 
und  dem  Nationalreichtum  vor? 

6.  Aus  der  Art,  wie  der  isolierte  Staat  konstruiert  ist, 
ergibt  sich  schon,  daß  für  die  gauze  Ebene  Gleichheit  des 
Klimas  angenommen  ist  und  dem  Z^veck  der  Untersuchung 
gemäß  im  ersten  Teil  angenommen  werden  mußte. 

Auch  bietet  der  isolierte  Staat  des  ersten  Teils  wegen 
seiner  geringen  Ausdehnung  keinen  Stoff  zu  Betrachtungen 
über  die  Einwirkung  des  Klimas  auf  den  Landbau  dar. 

Denken  wir  uns  aber  diesen  von  einer  unbegrenzten 
Wildnis  umgebenen  Staat  mit  einem  Eisenbahnnetz  bis  zu 
der  entlegensten  Gegend,  aus  welcher  mit  Hilfe  der  Eisen- 
bahnen noch  Korn  nach  der  Stadt  geliefert  werden  kann, 
durchschnitten :  so  erlangt  der  Staat  eine  solche  Ausdehnung, 
26  daß  durch  die  bloße  Verschiedenheit  des  Klimas  der  Landbau 
im  Süden  des  Staats  einen  ganz  anderen  Charakter  gewinnt 
als  im  Norden. 

Wird   nun   die  Einwirkung  des  Klimas  auf  den  Land- 


—    425    — 

bau  zum  Gegenstand  der  Betrachtung  gemacht,  so  drängen 
sich  eine  Menge  Fragen  zur  Prüfung  und  Beantwortung 
auf,  wovon  wir  hier  als  Beispiel  nur  einige  aufführen  w^ollen. 

a)  Wie  ändern  sich  mit  dem  Klima  die  notwendigen 
Subsistenzmittel  des  Arbeiters,  der  Arbeitslohn,  die  Arbeits- 
fähigkeit der  Menschen  und  die  Kosten  der  Arbeit? 

b)  Wie  ändert  sich  die  Länge  der  Weidezeit  des  Viehes 
mit  dem  Breitengrad,  und  welchen  Einfluß  hat  dies  auf  die 
Erzeugungslvosten  der  Viehprodukte'? 

c)  Welche  Gewächse  sind  dadurch,  daß  sie  die  einträg- 
lichsten sind,  der  Hauptgegenstand  der  Kultur  unter  den 
verschiedenen  Himmelsstrichen  ? 

d)  Welchen  Einfluß  hat  das  Klima  auf  das  Quantum 
Humus,  was  durch  eine  Ernte  von  gegebener  Größe,  z.  B. 
10  Schfl.  von  100  DR-  dem  Boden  entzogen  wird,  und  wie 
ändert  sich  dies  Quantum  mit  dem  Breitengrad  auf  gleichem 
Boden,  bei  gleicher  Lage"? 

7.  Um  den  isolierten  Staat  konstruieren  zu  können,  mußte 
notwendig  der  Preis  des  Getreides  als  bekannt  angenommen 
und  in  einer  bestimmten  Zahl  ausgedrückt  werden.  Dieser 
Preis  kann  aber  weder  willkürlich  noch  zufällig  sein.  Nach- 
dem nun  der  isolierte  Staat  seine  Gestaltung  gewonnen,  und 
wir  uns  die  Aufgabe  gestellt  haben,  die  gemachten  Voraus- 
setzungen aufzuheben  und  dafür  das  Gesetzmäßige  zu  sub- 
stituieren, müssen  wir  die  Frage  auf  werfen: 

Warum  kann  die  Stadt  keinen  höheren  als  den  an- 
genommenen Preis  von   1^/2  Tlr.   pr.  Scheffel  Roggen 
zahlen,    und    welches    sind    die    Ursachen    und    Be- 
dingungen, daß  gerade  dieser  und  kein  anderer  Preis  27 
gezahlt  werden  kann'? 
Da  bei  einer  Steigerung  des  Kornpreises  der  Anbau  der 
Ebene   sich  immer  weiter  ausdehnt,   so  kann  nicht  in   dem 
Mangel  an  Lebensmitteln  die  Schranke  für  den  Wachstum 
der  Stadt  liegen;  sondern  diese  Schranke  muß   in  den  Ver- 


—    426    — 

hältnisseu  der  Stadt  selbst,  iii  der  Schwierigkeit  oder  Uii- 
rnögliehkeit,  melir  Fabrikate  als  bisher  für  ein  bestimmtes 
Quantum  Lebensmittel  hinzugeben,  gesucht  werden. 

8)  Die  Voraussetzung,  daß  der  isolirte  Staat  nur  die 
eine  große  Stadt  enthalte,  dient  zur  Vereinfachung  der 
Untersuchung,  ist  aber  mit  der  Konsequenz  nicht  verträglich 
und  muß  hier  wieder  aufgehoben  werden. 

In  der  Wirkliclikeit  ist  die  Entstehung  der  Städte  oft  vom 
Zufall  abhängig  gewesen.  Neben  der  Hütte  des  ersten  An- 
siedlers schlug  ein  zweiter  seine  Hütte  auf,  weil  die  gegen- 
seitige Dienstleistung  beiden  nützlich  war.  Aus  gleichem 
Grunde  schloß  sich  diesen  ein  dritter,  vierter  usw.  an,  bis 
zuletzt  eine  Stadt  entstand. 

Gar  manche  der  aus  dieser  oder  einer  ähnlichen  Ver- 
anlassimg entstandenen  Städte  würde  man,  wenn  sie  nur 
ti-ansportabel  wären,  gerne  nach  einer  anderen  Stelle  ver- 
setzen. 

In  dem  isolierten  Staat  dagegen,  wo  überall  Konsequenz 
herrschen  soll ,  muß  auch  in  Beziehung  auf  die  Größe  und 
Verteilung  der  Städte  Gesetzmäßigkeit  obwalten.  Als  oberstes 
Prinzip  dürfte  hier  der  Satz  aufzustellen  sein: 

Die  Städte  müssen  in  bezug  auf  Größe  und  Entfernung 
voneinander  so  über  das  Land  verbreitet  sein,  daß 
daraus  das  größte  National-Einkommen  hervorgeht. 

Diesem  Prinzip  aber  wird   entsprochen,  wenn  die  Ge- 
werbe und  Fabriken  da  ihren  Sitz  haben,   wo  sie  am  wohl- 
28  feilsten  fabrizieren  und  ihre  Erzeugnisse   zu  den  niedrigsten 
Preisen  an  die  Konsumenten  gelangen  lassen  können. 

Dies  führt  denn  neben  manchen  anderen  Fragen  auch 
zu  nachstellenden: 

a)  Welche  Gründe  bestimmen  zur  Anhäufung  der  Men- 
schen in  großen  Städten,  und  welche  Fabriken  haben  natur- 
gemäß ihren  Sitz  in  der  Hauptstadt? 

b)  In  welchem  Verhältnis  steht  die  Größe  und  Entfernung 


—    427     — 

der  Landstädte  untereinander  mit  der  dichteren  oder  dünneren 
Bevölkerung  des  Landes? 

c)  Welche  Rückwirkung  hat  die  größere  oder  geringere 
Entfernung  von  den  Landstädten  auf  den  Landbau  und  auf 
die  Bildung  des  Landvolks? 

9.  Durch  welches  Gesetz  wird  der  Preis  der  Viehpro- 
dukte bestimmt,  wenn  der  isolierte  Staat  statt  der  Kreise 
der  Yiehzucht  mit  einer  Sand  wüste  umgeben  ist? 

10.  Der  isolierte  Staat  ist  auf  die  Voraussetzung  ge- 
gründet, daß  der  Boden  desselben  nicht  bloß  von  gleicher 
physischer  Beschaffenheit  sei,  sondern  —  mit  alleiniger  Aus- 
nahme des  Kreises  der  freien  Wirtschaft  —  auch  überall 
gleichen  Reichtum  an  Pflanzennahrung  enthalte. 

Der  Reichtum  des  Bodens  aber  ist  eine  veränderliche 
von  der  Macht  des  Menschen  abhängige  Potenz,  und  so 
drängt  sich  die  Frage  auf,  ob  der  ursprünglich  gleich  frucht- 
bare Boden  bei  konsequenter  Bewirtschaftung  auch  in  allen 
Gegenden  des  isolierten  Staats  von  gleicher  Fruchtbarkeit 
bleiben  werde. 

Der  höhere  Reichtum  des  Bodens  ist  nicht  umsonst  zu 
erlangen,  sondern  muß  durch  Auslagen  oder  durch  eine 
schonende,  mit  zeitweiser  Verminderung  des  Reinertrags  ver- 
bundene Wirtschaft  erkauft  werden.  Einerseits  ist  nun  die 
Größe  des  zu  bringenden  Opfers,  und  andererseits  ist  der 
Nutzen,  den  die  Bereicherung  des  Bodens  gewährt,  von  der  29 
Höhe  des  Getreidepreises  und  des  Preises  der  Viehprodukte 
abhängig,  und  folglich  ist  der  Betrag  beider  —  des  Opfers 
und  des  Nutzens  —  in  den  verschiedenen  Gegenden  des 
isolierten  Staats  gar  sehr  verschieden. 

Es  scheint  demnach  der  angemessene  Reichtum  des 
Bodens  auch  in  einer  gewissen  Verbindung  und  Beziehung 
mit  dem  Preise  der  ländlichen  Erzeugnisse  stehen  zu  müssen. 

Die  aus  dieser  Ansicht  sich  ergebende  Aufgabe  ist  nun 
diese : 


—     428    — 

Bis   zu   welclieni  Punkt   muß    die  Bereicherung    des 

Bodens  in  den  verschiedenen  Gegenden  des  isolierten 

Staats   getrieben    werden,    wenn   der   Forderung   der 

Konsequenz  Genüge  geleistet  werden  soll? 

11.  Da  die  Konstruktion   des  isolierten  Staats  aus   der 

Lösung  der  Aufgabe:    „Wie  wird   sich   die  Wirtschaft   des 

Guts  Tellow  ändern,  wenn  dasselbe  nach  den  verschiedeneu 

Gegenden  des  Staats  verlegt  wird"  hervorgegangen  ist;   so 

liegt  hierin  schon  die  Bedingung,    daß    alle   Güter   dieses 

Staats  die  Größe  des  Gutes  Tellow  haben. 

Nach  dem  hier  gewählten  Standpunkt  müssen  wir  es 
aber  zur  Frage  stellen,  ob  das  Gut  Tellow  die  Größe  hat^ 
bei  welcher  der  Reinertrag  des  Bodens  der  höchste  ist,  und 
wir  werden  dadurch  zu  den  drei  Aufgaben  geführt: 

a)  Wie  kann  unter  gegebenen,  ganz  bestimmten  Verhält- 
nissen ermittelt  werden ,  welche  Größe  die  Güter  haben 
müssen,  damit  der  Boden  die  höchste  Rente  gibt? 

b)  Hat  die  größere  oder  geringere  Entfernung  vom 
Marktplatz  einen  Einfluß  auf  die  zweckmäßigste  Größe  der 
Güter? 

c)  Welchen  Einfluß  hat  das  Steigen  des  Bodenreichtums 
auf  die  zweckmäßigste  Größe  der  Güter? 

30  12,  In  dem  ersten  Teil  ist  nachgewiesen,  wie  mit  der 
größeren  Entfernung  des  Ackers  vom  Hofe  die  Kosten  des 
Landbaues  wachsen,  und  die  Rente  des  Bodens  abnimmt. 

Dort  mußte,  um  die  Untersuchung  nicht  zu  verwirren, 
vorausgesetzt  werden,  daß  der  Acker  vom  Hofe  bis  zur 
Grenze  gleichen  Reichtum  enthalte  und  einem  und  demselben 
Wirtschaftssystem  unterworfen  sei. 

Jetzt,  wo  wir  die  gemachten  Voraussetzungen  eine  nach 
der  anderen  wieder  aufheben,  indem  wir  sie  selbst  zum  Gegen- 
stand der  Untersuchung  machen,  drängen  sich  die  Fragen  auf : 

a)  Ist  es  zweckmäßig,  den  Acker  vom  Hofe  an  bis  zur 
Gutsgrenze  in  gleichen  Reichtum  zu  versetzen,  und  wenn 


—    429    — 

<liese   Frage  verneint    wird,    welche  Abstufung   muß    dann 
stattfinden  ? 

b)  Wie  muß  auf  großen  Gütern  das  Wirtschaftssystem 
auf  dem  Acker  in  verschiedenen  Entfernungen  vom  Hofe 
sich  ändern,  damit  das  Ganze  den  höchsten  Reinertrag  ge- 
währt ■? 

13.  Die  Aufgabe,  vom  Boden  den  liöchsten  Reinertrag 
zu  gewinnen,  schließt  für  die  Güter  des  isolierten  Staats,  die 
nur  zum  eigenen  Verbrauch  Holz  erzeugen,  die  Aufgabe  in 
sich:  „Wie  ist  das  Holz  mit  den  geringsten  Produktions- 
kosten zu  erzielen?-'     Dies  führt  zu  nachstehenden  Fragen: 

a)  Wie  sind  die  Produktionskosten  des  Holzes  für  einen 
gegebenen  Fall  zu  berechnen? 

b)  Wie  ändern  sich  mit  der  zunehmenden  Entfernung 
von  der  Stadt  bei  gleichem  Betrieb  die  Produktionskosten 
■des  Bau-  und  Brennholzes? 

c)  Welche  Änderung  muß  im  Forstbetrieb,  namentlich 
in  der  Umtriebszeit  und  in  der  Durchforstungsmethode  in 
den  verschiedenen  Gegenden  des  isolierten  Staats  mit  der 
Änderung  des  Holzwerts  vorgehen,  wenn  das  Holz  mit  den 
mindesten  Kosten  erzeugt  werden  soll? 

14.  Aus  der  Art,  wie  der  isolierte  Staat  konstruiert  ist,  31 
geht   hervor,   daß   für  die   landwirtschaftlichen  Gebäude  in 
allen   Gegenden    des   Staats   eine    und   dieselbe  Bauart  an- 
genommen ist.    Ist  dies  aber  mit  der  Konsequenz  verträglich? 

Die  zum  Betrieb  der  Landwirtschaft  notwendigen  Ge- 
bäude verursachen  einen  vierfachen  jährlichen  Kostenaufwand, 
nämhch : 

1.  die  Zinsen  von  dem  auf  die  Errichtung  derselben 
verwandten  Kapital, 

2.  die  jährlichen   Unterhaltungs-  oder  Reparaturkosten, 

3.  die  Abnutzung  oder  jährliche  Wertsverminderung, 

4.  die  Assekuranzprämie  gegen  Feuersgefahr. 

Die   sub  2  und  3  aufgeführten  Kosten  vermindern  sich 


—     430    — 

immer  mehr,  je  solider  die  Gebäude  aufgeführt  werden; 
gleichzeitig   steigen  dann  aber  die  Kosten  Nr.  1  und  Nr.  4. 

Es  muß  also  einen  Grad  der  Solidität  der  Bauart  geben,, 
bei  welchem  die  Summe  dieser  Kosten  ein  ]\Iinimum  ist. 

Die  Konsequenz  in  der  Bewirtschaftung  eines  Guts  fordert 
das  Maximum  der  Landrente.  Dieses  Maximum  kann  aber 
nur  erlangt  werden ,  wenn  die  Baukosten ,  bei  vollständiger 
Erreichung  des  Zwecks  der  Gebäude,  den  möglichst  ge- 
ringsten Teil  vom  Gutsertrage  hinwegnehmen.  Die  Er- 
forschung der  Bauart,  bei  welcher  die  auf  den  jährlichen 
Ertrag  zu  repartierenden  Baukosten  das  Minimum  betragen, 
bildet  also  einen  Teil  der  zu  lösenden  Aufgabe. 

Dies  führt  nun  zu  den  Fragen: 

a)  Auf  welche  Weise  sind  die  auf  ein  einzelnes  Jahr 
fallenden  Baukosten  zu  ermitteln,  und  wie  sind  diese  auf 
die  einzelnen  Kulturzweige  zu  repartieren? 

b)  Da  die  Produktionskosten  des  Bauholzes  mit  der  zu- 
nehmenden Entfernung  von  der  Stadt  schon  deshalb,  weil 
die  Landrente  —  ein  Bestandteil  des  Holzpreises  —  so  sehr 

32  abnimmt,  immer  geringer  werden,  und  somit  auch  das  Preis- 
verhältnis zwischen  den  verschiedenen  Baumaterialien,  als 
Eichenholz,  Kiefernholz,  Mauersteinen,  Dachziegeln,  Dachstroh 
usw. ,  sich  mit  der  Entfernung  stets  ändert :  so  kann  auch 
nicht  eine  und  dieselbe  Bauart  für  den  ganzen  isolierten 
Staat  die  vorteilhafteste  sein.  Es  fragt  sich  nun,  wie  mit 
der  zunehmenden  Entfernung  von  der  Stadt  die  Bauarten  — 
z.  B.  mit  Wänden  von  Mauersteinen,  Lehm,  Fachwerk,  Bohlen 
usw.  —  sich  ändern  müssen ,  um  die  auf  jedes  Jahr  im 
Durchschnitt  fallenden  Baukosten  auf  das  Minimum  herab- 
zubringen y 

15.  In  dem  ersten  Teil  ist  zwar  schon  von  der  Wirkung 
der  Abgaben  die  Rede  gewesen;  aber  dort  w^urden  Arbeits- 
lohn, Zinsfuß,  Sorgfalt  der  Bestellung  und  Reichtum  des 
Bodens  als  konstante  Größen  betrachtet.    Bei  der  Erweitenmg 


—    431    — 

unserer  Untersuchung,  wo  alle  diese  Potenzen  als  veränder- 
lich betrachtet  werden,  entsteht  nun  die  Aufgabe: 

Wie  wirken   die  Abgaben  auf  die  genannten  Potenzen? 

16.  In  allen  bisherigen  Untersuchungen  haben  wir  stets 
nur  den  Durchschnittsertrag  des  Bodens  vor  Augen  gehabt, 
oder  was  dasselbe  ist,  Jahre  von  mittlerer  Fruchtbarkeit  an- 
genommen. 

Die  in  der  Wirklichkeit  stattfindende  Ungleichheit  der 
Jahresfruchtbarkeit  bringt  aber  in  den  Wirtschaftsbetrieb 
vielfache  Störungen  und  führt  öfters  Mangel  und  Not  für 
die  Konsumenten  herbei.  Dies  führt  zu  Betrachtungen  über 
die  Fragen: 

a)  Welche  Änderungen  in  dem  regelmäßigen  Wirtschafts- 
betrieb müssen  in  Jahren  von  abnormer  Fruchtbarkeit  vor- 
genommen werden ;  und  äußert  sich  die  Wirkung  solcher  Jahre 
in  allen  Gegenden  des  isolierten  Staats  auf  gleiche  Weise? 

b)  Bei    reichen   wie  bei   schlechten   Ernten   hören   die  33 
Produktionskosten   auf,  Regulator  des  Kornpreises  zu  sein. 
Nach  welchen  Gesetzen   richtet  sich  nun  in  solchen  Jahren 
der  Kornpreis? 

Eine  befriedigende  Beantwortung  der  letzten  Frage  würde 
einen  Anhaltspunkt  für  die  Spekulationen  der  Kornhändler 
geben. 

17.  In  der  Wirklichkeit  ist  alles  Erscheinende,  nur 
Übergangsstufe  zu  einem  unerreichten  noch  fernen  Ziel. 

Im  isolierten  Staat  haben  wir  dagegen  stets  den  end- 
lichen Erfolg,  also  das  erreichte  Ziel,  vor  Augen  gehabt. 
Mit  dem  erreichten  Ziel  tritt  Ruhe  und  damit  der  beharrende 
Zustand  ein  —  und  hier  erblicken  wir  Gesetzmäßigkeit, 
während  in  der  Übergangsperiode  manches  uns  als  ein  un- 
entwirrbares Chaos  erscheint.  Der  beharrende  Zustand  kann 
aber  aus  folgenden  Gründen  in  der  Wirklichkeit  nicht  statt- 
finden. 

1.  Schon  der  einzelne  Mensch  bleibt  in  den  verschiedenen 


—    432     — 

Stadien  seines  Lebens  nicht  derselbe,  noch  weniger  aber 
bleiben  die  nacheinander  folgenden  Generationen  sich  gleich. 
Das  Menschengeschlecht  selbst  ist  noch  im  Ringen  nach  einem 
fernen,  nicht  klar  erkannten,  kaum  erst  geahnten  Ziel  begriffen. 

2.  "Was  auch  von  der  lebenden  Generation  schon  als 
Zweck  und  Ziel  erkannt  ist,  erfordert  doch  zu  seiner  Ver- 
wirklichung eine  Zeitdauer,  die  die  Lebenszeit  des  Menschen 
oft  weit  übersteigt.  — 

3.  In  die  Natur  sind  Eigenschaften  und  Kräfte  gelegt, 
deren  Entdeckung  und  richtige  Benutzung  eine  der  höchsten 
Aufgaben  des  menschlichen  Geistes  zu  sein  scheint,  indem 
dadurch  die  menschliche  Arbeit  lohnender  und  fruchtbringender 
gemacht,  und  somit  das  Wohl  der  Menschheit  im  hohen 
Grade  gefördert  wird.  Aber  die  Natur  enthüllt  dem  Menschen 
ihre  Geheimnisse   nur  allmählich,  und  da  jede  große  Eut- 

34  deckung  eine  Änderung  oder  gar  Umwandlung  in  dem  Leben 
der  büi'gerlichen  Gesellschaft  hervorbringt,  so  ist  auch  das 
Streben  und  das  Ziel  derselben  in  gewerblicher  Beziehung 
selbst  dem  Wandel  unterworfen.  Aber  trotz  dieser  Wandel- 
barkeit liegt  in  dem  einzelnen,  was  wir  der  Betrachtung 
unterziehen,  der  Keim  zu  einer  bestimmten  —  nicht  zu- 
fälligen, nicht  willkürlichen  Entwickelung,  und  wie  wir  wissen 
welcher  Baum  aus  der  in  die  Erde  gelegten  Eichel  einst 
hervorgehen  wird,  so  können  wir  auch  hier  die  aus  der 
Entwickelung  des  Keims  entsprossende  Frucht  —  den  endlichen 
Erfolg  —  unter  der  Voraussetzung,  daß  keine  störenden  Ein- 
wirkungen stattfinden,  im  voraus  erkennen  und  im  Geiste 
anschauen.  Hierin  aber  liegt  die  Berechtigung  bei  unseren 
Untersuchungen,  den  beharrenden  Zustand  ins  Auge  zu  fassen 
und  zu  Grunde  zu  legen. 

Die  durch  diese  Methode  erlangte  Erkenntnis  kann  aber 
wesentlich  dazu  beitragen,  über  die  verwirrenden  Erschei- 
nungen während  der  Entwickelung  und  des  Übergangs  Licht 
zu  verbreiten. 


—    433    — 

Wenden  wir  dies  auf  den  isolierten  Staat  an,  so  finden 
wir  uns  aufgefordert,  die  Wirkungen,  welche  die  Erfinduog 
neuer  Maschinen,  neuer  Kommunikationsmittel  usw.  bei 
ihrem  ersten  Auftreten  auf  den  Wolüstand  der  bürgerlichen 
Oesellschaft  ausüben,  mit  den  Folgen,  die  sich  später 
daraus  entwickeln,  zu  vergleichen  —  somit  also  das  ge- 
heimnisvolle Werden  —  zum  Gegenstand  der  Betrachtimg 
zu  machen. 

Überblicken  wii'  nun  die  Vielseitigkeit  und  Mannig- 
faltigkeit der  aufgestellten  Fragen,  und  erwägen  wir,  daß 
mit  der  Forderung  der  Konsequenz  an  die  aus  der  Wirk- 
lichkeit in  den  isolierten  Staat  übertragenen  Verhältnisse, 
neben  den  angeführten  Punkten  noch  fast  alle  übrigen  Ver- 
hältnisse der  bürgerlichen  Gesellschaft  zur  Untersuchung  ge- 
zogen werden  müssen,  daß  damit  statt  des  Bestehenden  das 
Vernunftmäßige  erforscht,  und  somit  das  Ziel  selbst  aufgestellt 
werden  soll:  so  ergibt  sich  von  selbst,  daß  die  Lösung  der 35 
Aufgabe  nicht  das  Werk  des  einzelnen ,  nicht  einmal  das 
Werk  einer  Generation  sein  kann.  Es  ist  vielmehr  die  Arbeit 
der  Geschichte  selbst,  die  das,  was  von  der  gesamten 
Menschheit  in  mehreren  Geschlechtern  vollbracht  wird,  sammelt 
—  und  so  kann  es  erst  einem  späteren  Forscher,  der  die 
Materialien  vorfindet,  gelingen,  Grund  und  Zweck  der  statt- 
gefundenen Bewegung  in  sich  zum  Bewußtsein  zu  bringen 
und  aus  den  Bruchstücken  ein  systematisches  Ganze  zu  bilden. 
Diese  Erkenntnis  könnte  wohl  den  einzelnen  entmutigen, 
Hand  ans  Werk  zu  legen. 

Hier  aber  zeigt  sich  die  unendliche  Wichtigkeit  des  oben 
gegebenen  Beweises,  daß  das  durch  die  Methode,  nur  eine 
Potenz  als  wirkend,  die  anderen  als  ruhend  oder  konstant  zu 
betrachten ,  erlangte  Resultat  nicht  ein  unwahres ,  sondern 
nur  ein  unvollständiges,  und  darum  letzteres  nur  so  lange 
ist,  bis  alle  anderen  mitwirkenden  Potenzen  einer  ähnlichen 
Untersuchung  unterworfen  sind  —  daß  also  jede  Forschung 

Thünen,  Der  isolierte  Staat.  28 


—    434    — 

über  einen  noch  so  kleinen  Punkt  der  Anfgabe  ein  Baustück 
zur  Aufführung  des  großen  Gebäudes  werden  kann. 

Bei  den  Lesern,  die  in  diese  Ansicht  eingehen  und  die 
ganze  Größe  der  Aufgabe  erfaßt  haben,  glaube  ich  kaum  der 
Entschuldigung  zu  bedürfen,  wenn  hier  überhaupt  nur  Bruch- 
stücke geliefert  werden,  wenn  die  Ausführung  der  einzelnen 
Kapitel  höchst  ungleich  wird,  indem  der  Verfasser  bei  solchen 
Punkten,  die  läugere  Zeit  Gegenstand  der  Betrachtung  für 
ihn  gewesen  sind,  verweilt  und  ins  Detail  geht,  andere  Punkte 
dagegen  bloß  andeutet,  und  wenn  endlich  in  einigen  Kapiteln 
statt  des  Versuchs  zur  Lösung  der  Aufgabe  nur  neue  Fragen 
und  Probleme  aufgestellt  werden,  indem  der  Verfasser  sich 
schon  befriedigt  fühlt,  wenn  er  andere  dadurch  zur  Forschung 
anregen  kann. 


Erster  Abschnitt.  36 


Der  isolierte  Staat  mit  einer  kultur- 
fähigen Wildnis  umgeben  in  bezug 
auf  Arbeitslohn  und  Zinsfufs. 


§  1. 

Unklarheit  des  Begriffs  vom  natürlichen 
Arbeitslohn. 

(Geschrieben  im  Jahr  1842.) 

Alle  nationalökonomischen  Studien  führten  mich  immer 
auf  die  Frage  zurück:  Ist  der  geringe  Lohn,  den  die  ge- 
wöhnlichen Handarbeiter  fast  überall  erhalten,  ein  natur- 
gemäßer, oder  ist  dieser  durch  Usurpation,  der  sich  die 
Arbeiter  nicht  wieder  entziehen  können,  entstanden? 

Da  der  niedrige  Arbeitslohn  seinen  Ursprung  darin  hat, 

daß  die  Kapitalisten  und  Grundbesitzer  von  dem  Erzeugnis, 

das  die  Arbeiter  hervorbringen,   sich  einen   so  großen  Teil 

zueignen :  so  führt  jene  Frage  sogleich  zu  der  anderen  Frage : 

Welches  ist  das  Gesetz,   wonach   die  Yerteilung  des 

Arbeitserzeugnisses  zwischen  Arbeiter,  Kapitalisten  und 

Grundbesitzer  naturgemäß  geschehen  soll? 

Die  Erforschung  dieses  Gesetzes  bietet  nicht  bloß  ein  37 

28* 


—    436    — 

üatioualökoaomisclies  Interesse  dar,  sondern  hat  auch  eine 
sehr  ernste,  moralische  Beziehung. 

Man  kann  von  dem  redlichsten  Willen,  seine  Pflicht 
zu  erfüllen,  beseelt  sein,  und  doch  anderen  großes  Unrecht 
tun  —  wenn  man  nicht  weiß  und  nicht  erkennt,  was 
Pflicht  ist. 

In  dem  Begriff  von  dem,  was  Pflicht  gegen  die  Arbeiter 
ist,  was  dem  Arbeiter  als  Lohn  zukommt,  welche  Forderungen 
des  Arbeiters  man  als  ungerecht  zurückweisen  darf  —  in 
allen  diesen  herrscht  die  freieste  Willkür,  und  jeder  kann 
sich  dies  beantworten,  wie  es  ihm  bequem  ist;  denn  selbst 
die  Wissenschaft  gibt  hierüber  keine  andere  Aufklärung  als 
diese:  „Die  Höhe  des  Arbeitslohns  wird  durch  die  Konkun-enz 
der  Arbeiter,  durch  das  Verhältnis  zwischen  Begehr  nach 
Arbeit  und  Angebot  derselben  bestimmt,"  in  w^elcher  durch 
eine  BegrifTsverwechslung  das  Faktische  für  eine  Erklärung 
—  das,  was  geschieht,  für  den  Grund  der  Erscheinung  ge-: 
nommen  wird.  Ja,  es  hat  die  Ansicht,  als  käme  dem  Ar- 
beiter nichts  zu,  als  was  er  zu  seinem  Lebensunterhalt  not- 
wendig bedarf,  als  sei  die  Summe  der  zur  Erhaltung  des 
Lebens  und  der  Arbeitsfähigkeit  notwendigen  Subsistenz- 
mittel  auch  der  natürliche  Arbeitslohn,  sich  der  Gemüter 
dermaßen  bemächtigt,  daß  das  Gewissen  ruliig  schläft,  so 
lange  der  Arbeiter  nicht  wirkliche  Not  leidet. 

Sobald  denn  diese  Not  sichtlich  stattfindet,  tritt  auch 
das  schöne  religiöse  Gefühl,  die  christliche  Pflicht,  den 
Leidenden  zu  unterstützen,  helfend  und  rettend  auf;  aber  — 
die  Quelle  der  Not  wird  dadurch  nicht  verstopft. 

Am  verderblichsten  aber  wirkt  die  Unklarheit  der  An- 
sicht über  den  natürlichen  Arbeitslohn  bei  der  Auflegung 
von  Abgaben. 

Die  Ständeversaramlungen  der  konstitutionellen  Staaten 

streben  mit  aller  Kraft  dahin,  sich  gegen  Fürstenwillkür  zu 

38  sichern   und   zu  verwahren.     Aber  die  Mitglieder  der  stän- 


—    437     — 

dischen  Versammlungen  gehören  sämtlich  den  gebildeten  und 
wohlhabenden  Klassen  der  Gesellschaft  an,  während  die 
zahlreichste  Klasse,  die  der  gemeinen  Arbeiter,  überall  nicht 
veitreten  ist  —  und  so  kann  es  geschehen,  daß  dieselbe 
Versammlung,  die  so  kräftig  gegen  Fürstenwillkür  auftritt, 
gegen  das  Volk  selbst  Willkür  ausübt  und  durch  Bewilli- 
gung von  Abgaben,  durch  Gesetzesvorschläge  usw.  zum 
Unterdrücker  der  Arbeiter  wird.  Es  bedarf  hierzu  nicht  des 
bösen  Willens,  nicht  einmal  der  Triebfeder  des  Eigennutzes, 
es  bedarf  nur  der  Ansicht,  daß  dem  Arbeiter  nichts  weiter 
zukommt,  als  was  zu  seinem  notwendigen  Unterhalt  er- 
forderlich ist  —  um  ein  solches  Resultat  herbeizuführen. 

Wenn  aber  einst  das  erwachende  Volk  die  Frage  auf- 
stellt und  praktisch  zu  lösen  versucht:  „Welches  ist  der 
naturgemäße  Anteil  des  Arbeiters  an  seinem  Erzeugnis  ?"  so 
kann  ein  Kampf  entstehen,  der  Verheerung  und  Barbarei 
über  Europa  bringt. 

Ein  großes  Übel  ist  es,  daß  diese  Frage  selbst  in  der 
Wissenschaft  noch  nicht  gelöst  ist,  daß  keine  Partei  weiß, 
was  recht  ist,  und  daß  der  aus  den  unlauteren  Motiven  des 
eigenen  Interesses  hervorgehende  Kampf  in  der  Erkenntnis 
der  Pflicht  und  Wahrheit  kein  Gegengewicht  findet. 

Denn  wenn  von  einigen  nationalökonomischen  Schrift- 
stellern —  mit  denen  die  große  Mehrzahl  der  Gewerbs- 
unternehmer aus  Instinkt  übereinstimmt  —  das  zum  not- 
wendigen Lebensunterhalt  erforderliche  Quantum  Subsistenz- 
mittel  für  den  natürlichen  Arbeitslohn  erklärt  wird,  wenn 
von  anderen  Schriftstellern  die  Bestimmung  des  Arbeitslohns 
der  regel-  und  gesetzlosen  KonkuiTcnz  anheim  gestellt  wird : 
so  ist  dadurch  nur  das,  was  in  der  Wirklichkeit  geschieht, 
ausgesprochen. 

Wenn  dagegen  die  Arbeiter  behaupten,  daß  das,  was  in  39 
der  Wirklichkeit  geschieht,   ein  Unrecht  sei:    so   hat  jenes 
vermeintliche  Gesetz  seinen  ganzen  Halt  verloren,  und  statt 


—    438    — 

der  Berufung   auf   die  Erfahrung   muß    ein   auf  Vernunft- 
gründen beruhendes  Gesetz  nachgewiesen  werden. 

Schon  jetzt  zeigen  sicli  in  Frankreich  —  diesem  Herd 
der  sich  über  Europa  verbreitenden  Erschütterungen  —  in 
den  Ansichten  und  Lehren  der  Kommunisten  die  ersten 
Spuren  des  beginnenden,  für  jetzt  noch  unblutigen  Kampfs. 

Dieser  Gegenstand  bietet  aber  noch  eine  andere  tief- 
ernste Seite  dar. 

Wir  finden  in  der  Weltgeschichte,  daß  irgendeine  große 
Idee  das  Menschengeschlecht  Jahrhunderte  hindurch  be- 
schäftigte und  durchdrang,  ja  daß  die  Weltgeschichte  selbst 
in  solchen  Perioden  nur  die  Entwicklung  und  die  allmähliche 
Verwirklichung  der  Idee  darstellt. 

Aber  eine  solche  Realisation  der  Idee  ist  stets  mit  un- 
geheuren Kämpfen,  mit  der  Verheerung  oder  dem  Unter- 
gange ganzer  Reiche  verbunden  gewesen. 

So  haben  die  Religionskriege  fast  ein  Jahrtausend  hin- 
durch die  Erde  erschüttert  und  unsägliches  Elend  über 
Millionen  Menschen  gebracht. 

Jetzt  wird  seit  dem  Beginn  der  französischen  Revolution 
die  Welt  durch  die  Idee  der  konstitutionellen  Freiheit  be- 
wegt. Schon  das  erste  Auftauchen  dieser  Idee  hat  einen 
28 jährigen  Kampf,  der  sich  sukzessive  über  ganz  Europa 
verbreitete,  zur  Folge  gehabt. 

Zwar  ist  gegenwärtig  eine  momentane  Ruhe  eingetreten, 
aber  dies  ist  vielleicht  nur  die  Ruhe  vor  dem  Sturm,  denn 
die  Gärung  hat  noch  nicht  aufgehört,  die  Idee  ist  von  ihrer 
Realisation  noch  weit  entfernt  —  und  es  ist  nicht  abzusehen, 
welche  Stürme  der  Zukunft  noch  bevorstehen. 
40  Aber  jenseits  dieser  Kämpfe  lauscht  schon  ein  anderer, 
der  in  dem  Ringen  nach  konstitutioneller  Freiheit  schon  als 
Keim  enthalten  ist,  und  der  leicht  verderblicher  und  ver- 
heerender werden  kann,  als  irgendeiner  der  früheren. 

Es  ist  ein  betrübendes  Ergebnis  der  Geschichte,  daß  in 


—    439    — 

der  Regel  der  Irrtum  niclit  durch  die  Wahrheit,  die  Un- 
gerechtigkeit nicht  durch  die  Vernunft  und  das  Recht, 
sondern  durch  eine  andere  Ungerechtigkeit  bekämpft  wird, 
und  daß  erst  nach  unzähligen  Schwingungen  nach  beiden 
Seiten  Mn  das  Wahre  und  Rechte  zur  Yerwirklichung  gelangt. 

Adam  Smith  sagt:  Wenn  man  einen  krummen  Stab 
gerade  machen  will,  bringt  man  ilin  nicht  in  die  gerade 
Richtimg,  sondern  biegt  ihn  nach  der  anderen  Seite  hinüber. 

So  auch  begnügen  sich  die  Kommunisten  nicht  damit, 
für  die  Arbeiter  einen  naturgemäßen  Lohn  zu  verlangen, 
sondern  gehen  sogleich  zu  chimärischen  Hoffnungen,  zu  ver- 
nunftwidrigen Forderungen  über. 

Aber  die  Übertreibung  ist  anziehend  und  reißt  die 
Menge  zur  Begeisterung  hin,  während  das  Gemäßigte  aber 
Wahre  die  Menge  kalt  läßt. 

Es  ist  deshalb  sehr  zu  fürchten,  daß  die  Ansichten  der 
Kommunisten  sich  verbreiten  und  in  dem  Gemüt  des  Volks 
Wurzel  schlagen,  zumal  wenn  diese  Ansichten  von  gewandten 
und  beredten,  aber  ungründlichen  Schriftstellern  verkündigt 
und  veröffentlicht  werden. 

Sollten  in  fernerer  Zukunft  die  Kommunisten  unglück- 
licherweise in  Frankreich  jemals  zur  Herrschaft  gelangen, 
und  ihre  Heere,  gleichzeitig  bewaffnet  mit  dem  Schwert  und 
mit  Proklamationen,  die  unseren  Soldaten  Teilung  des  Eigen- 
tums und  Gleichheit  des  Vermögens  verheißen,  unsere  Grenze 
übersclu-eiten  —  welcher  Widerstand  ist  dann  zu  erwarten, 
und  wo  ist  dann  die  Grenze  der  Umwälzungen  und  Ver- 
heerungen —  — ? 

Sicherlich  aber  liegt  es  nicht  in  dem  Plan  des  Welt- 41 
geistes  Qder  der  Vorsehung,  daß  jeder  Fortschritt  in  der 
Ausbildung  des  Menschengeschlechts  erst  nach  unzähligen 
Rückschritten  zur  Tat  werden  und  durch  Ströme  von  Blut 
und  den  Jammer  mehrerer  Generationen  erkauft  werden  soll. 
In  der  Erkenntnis  der  Wahrheit  und  des  Rechten,  in  der 


—     440     — 

Bezähmung  des  Egoismus,  vermöge  welcher  der  Bevorzugte 
freiwillig  herausgibt,  was  er  unrechtmäßig  besitzt,  liegt  das 
Mittel,  das  Menschengeschlecht  seiner  Ausbildung  und  höheren 
Bestimmung  friedlich  und  heiter  entgegenzuführen. 

Wo  aber  Irrtum  und  Egoismus  die  Herrschaft  führen^ 
da  tritt,  wie  die  "Weltgeschichte  zeigt,  die  Nemesis  furchtbar 
rächend  auf.  Die  hohe  und  hehre  Aufgabe  der  Wissenschaft 
aber  ist  es,  nicht  durch  die  Erfahrung,  durch  den  Verlauf 
der  Geschichte,  sondern  durch  die  Vernunft  selbst  die  Wahr- 
heit und  das  Ziel,  wonach  wir  streben  sollen,  zu  erforschen 
imd  zur  Erkenntnis  zu  bringen. 


Über  das  Los  der  Arbeiter. 

Ein   Traum    ern.sten   Inhalts.     Niedergeschrieben    ira   .lahr   1826. 

Es  ist  ein  großes  l'bel,  daß  in  allen  Staaten,  selbst  in 
denen  mit  repräsentativen  Verfassungen,  die  zahlreichste 
Klasse  der  Staatsbürger,  nämlich  die  der  gemeinen  Hand- 
arbeiter, gar  nicht  vertreten  ist. 

Unverhältnismäßig  hoch  ist  die  Belohnung  jedes  Indu- 
strieuntemehmers  {z.  B.  des  Fabrikanten,  des  Pächters  und 
selbst  des  bloßen  Administrators)  im  Vergleich  mit  dem  Lohn 
lies  Handarbeiters. 

Warum  wird  dies  Mißverhältnis  aber  nicht  ausgeglichen 
durch  den  Übertritt  der  geschicktesten  Handarbeiter  zu  der 
42  Klasse  der  Unternehmer,  da  doch  hier  eine  freie  Konkurrenz 
stattfindet? 

Weil  es  den  Arbeitern  an  den  Schuikenntnissen  fehlt, 
ohne  welche  man  bei  aller  sonstigen  Tüchtigkeit  nicht  Unter- 
nehmer, nicht  Administrator  sein  kann. 


—    441    — 

"Warum  aber  mangelt  es  den  Arbeitern  an  diesen  Schul- 
kenntuissen  ? 

Weil  ihr  Lohn  so  geringe  ist,  daß  sie  für  ihre  Kinder 
nicht  den  Aufwand  machen  können,  den  die  Erlernung  dieser 
Kenntnisse  erfordert. 

Warum  aber  ist  der  Lohn  so  geringe? 

Weil  gerade  in  dieser  Klasse  durch  fi-ühe  Ehen  die  Ver- 
mehrung so  stark  ist,  daß  das  Angebot  von  Arbeitern  fast 
immer  stärker  ist,  als  die  Nachfrage  nach  denselben  —  wo- 
durch der  Lohn  so  tief  herabsinkt,  daß  dadurch  gerade  nur 
die  aDernotwendigsten  Lebensbedürfnisse  bestritten  werden 
können.  Ja  es  ist  leider  wahr,  daß  eine  noch  größere  Ver- 
mehrung bloß  durch  den  Hinblick  auf  das  Elend,  was  unter 
einem  Teil  dieser  Klasse  herrscht,  zurückgehalten  wird. 

So  sind  also  die  Arbeiter  an  der  geringen  Belohnung, 
tue  sie  für  ihre  Arbeiten  erhalten,  selbst  schuld. 

Wie  ist  aber  diesem  abzuhelfen? 

Nicht  anders  als  durch  eine  Änderung  des  Volks- 
charakters. 

^klänner  aus  den  mittleren  und  höheren  Ständen,  wenn 
sie  gleich  ein  Kapital  von  einigen  Tausend  Talern,  oder  ein 
Einkommen  von  mehreren  Hundert  Talern  besitzen,  heiraten 
in  der  Eegel  doch  nicht  eher,  als  bis  ihr  Einkommen  hin- 
reicht, eine  Familie  genügend  zu  ernähren  und  den  Kindern 
eine  gute  Erziehung  zu  geben.  Gewöhnlich  findet  dies  nicht 
vor  dem  30.  Jahr  statt.  Sie  wüi-den  viel  früher  heiraten 
können,  wenn  sie  so  leben  und  ihre  Kinder  so  erziehen  wollten,  43 
wie  die  Tagelöhner:  aber  sie  opfern  das  Glück,  was  die 
Ehe  gewähren  kann  (nicht  immer  gewährt),  für  eine  Zeit- 
lang auf,  weil  in  ihren  Augen  ein  ärmliches  Leben  und 
eine  schlechte  Erziehung  ihrer  Kinder  so  große  Übel  sind, 
daß  sie  durch  das  Glück  der  Ehe  nicht  kompensiert  werden. 

Der  Arbeiter  dagegen  heiratet,  wenn  er  nur  eine  Woh- 
nung bekommen  kann,   sobald  er  das  20.  Jahr  überschritten 


—    442    — 

hat  und  nichts  als  die  Kraft  seiner  Arme  mitbringt,  um 
eine  Famihe  zu  unterhalten.  Für  ihn  hat  also  die  Ehe 
mehr  Reiz,  als  alles  Elend,  was  seiner  im  Hintergrunde 
wartet,  als  die  Aussicht,  seine  Kinder  ohne  genügenden 
Unterricht  aufwachsen  zu  lassen,  Abschreckendes  für  ihn 
haben  könnte.  Ihm  genügt  es,  seine  Kinder  bloß  physisch 
aufzuziehen  —  die  geistige  Ausbildung  derselben  ist  für  ihn 
kein  Bedürfnis. 

Welche  Folgen  würde  es  aber  haben,  wenn  der  Yolks- 
charakter  sich  dahin  änderte,  daß  die  Arbeiter,  wie  die 
mittleren  Stände,  ein  vor  Mangel  bewahrtes  Leben,  eine 
geistige  Ausbildung  ihrer  Kinder  zum  Bedürfnis  rechneten 
und  sich  der  Ehe  so  lange  enthielten,  bis  sie  für  die  Befrie- 
digung dieser  Bedürfnisse  gesichert  wären? 

Vermindertes  Angebot  von  Ai'beitern  und  erhöhter 
Arbeitslohn  würde  die  erste  unmittelbare  Folge  davon  sein. 
Wie  soll  aber  der  Tagelöhner  dahin  gelangen,  eine 
geistige  Ausbildung  seiner  Kinder  zu  den  Notwendigkeiten 
des  Lebens  zu  rechnen,  wenn  er  selbst  nicht  den  Trieb 
zur  geistigen  Entwicklung  in  sich  fühlt?  Denn  so  lange 
ihm  dieser  Trieb  fehlt,  wird  er  den  ersparten  Taler  zur 
Befriedigung  sinnlicher  Genüsse  und  nicht  zum  besseren 
Unterricht  seiner  Kinder  verwenden. 

Wollen  wir,  daß  die  Arbeiter,  um  ihren  Kindern  eine 
bessere  Erziehung  zu  geben,  künftig  das  Opfer  bringen  sollen, 
sich  der  Ehe  länger  zu  enthalten:  so  muß  in  der  jetzigen 
44  jüngeren  Generation  das  Bedürfnis  nach  geistiger  Entwicklung 
geweckt  werden.  Dies  kann  aber  nur  durch  besseren  Schul- 
unterricht erreicht  werden  —  und  da  die  jetzigen  Arbeiter 
weder  das  Vermögen,  noch  den  Willen  haben,  die  Kosten 
des  besseren  Unterrichts  zu  bezahlen :  so  müssen  die  Unter- 
richtsanstalten auf  Kosten  des  Staats  errichtet  und  unter- 
halten werden. 

Ist  dies  vollbracht,   ist  der  Lohn  erhöht  und  haben  die 


—    443    — 

Arbeiter  die  Schulbildung  erlangt,  die  der  Gewerbsunter- 
nehmer besitzen  muß :  so  ist  die  Schranke  gefallen,  die  bis- 
her zwischen  beiden  Ständen  stattfand.  Das  Monopol  der 
letzteren  hört  auf,  und  indem  die  Söhne  der  Arbeiter,  die 
a,n  mindere  Bedürfnisse  gewöhnt  sind,  mit  ihnen  in  Kon- 
kiurenz  treten,  wird  der  Gewerbsprofit  vermindert.  Der 
minder  fähige  Teil  der  Gewerbsunternehmer,  mit  Einschluß 
der  Administratoren,  Commis  usw.  wird  dadurch  gezwungen, 
zur  Klasse  der  Handarbeiter  überzugehen;  der  fähigere 
Teil  derselben  wird  eine  Beschäftigung  verlassen,  die  so 
Avenig  Belohnung  mehr  darbietet,  sich  den  Studien  widmen 
und  sich  um  Staatsämter  bemühen  —  und  so  wird  auch 
in  diesem  Fache  eine  große  Konkurrenz  eintreten,  welches 
eine  Verminderung  der  Besoldungen  der  Staatsdiener  und 
eine  Ersparung  an  den  Kosten  der  Staatsverwaltung  zur 
Folge  hat. 

In  einem  solchen  Zustand  der  Gesellschaft  werden  nur 
wenige,  sehr  reiche  Leute  ohne  Arbeit  leben  können:  die 
Handarbeit  wird  sehr  hoch  bezahlt  werden,  und  zA\ischen 
der  Belohnung  des  Handarbeiters,  des  Industrieunternehmers 
und  des  Staatsdieners  wird  ein  weit  geringerer  Unterschied 
als  jetzt  stattfinden. 

Während  jetzt  ein  Teil  der  Menschen  unter  der  Schwere 
der  körperlichen  Anstrengung  fast  erliegt  und  seines  Lebens 
kaum  froh  werden  kann,  der  andere  Teil  aber  sich  der  Arbeit  45 
schämt ,  den  Gebrauch  seiner  Körperkräfte  verlernt  und  dafür 
durch  Mangel  an  Gesundheit  und  Frohsinn  büßt  —  werden 
dann  vielleicht  die  meisten  Stände  ilire  Zeit  zwischen 
geistiger  Beschäftigung  und  mäßiger  körperhcher  Arbeit  teilen, 
und  der  Mensch  so  wieder  zu  dem  naturgemäßen  Zustand 
und  zu  seiner  Bestimmung  —  der  Übung  und  Ausbildung 
aller  seiner  Kräfte   und  Anlagen  —  zurückgeführt   werden. 

Wenn  auch  in  einem  solchen  Zustand  der  Gesellschaft 
nicht    alle    Leidenschaften    der   Menschen    zum    Schweifen 


—     444    — 

gebracht  werden,  so  müssen  doch  die  Verletzungen  des 
Eigentums,  und  die  Verbrechen,  die  aus  der  Not  und  der 
bitteren  Armut  entspringen,  seltener  werden,  ja  fast  ganz 
aufhören. 

Erwägt  man  nun,  daß  mit  der  größeren  Verbreitung  der 
geistigen  Ausbildung  auch  die  Zahl  derer  wächst,  welche 
befähigt  sind,  Entdecliungen  und  Erfindungen  im  Maschinen- 
wesen und  Landbau  zu  machen,  daß  jede  solche  Erfindung 
die  Arbeit  des  Menschen  wirksamer  macht  und  durch  ein 
größeres  Produkt  lohnt,  daß  also  mit  der  steigenden  geistigen 
Kultur  der  Mensch  mehr  und  mehr  der  mühevollen  körper- 
lichen Anstrengung  überhoben  wird :  so  möchte  man  schließen, 
daß  das  menschliche  Geschlecht  nach  Jahrtausenden  zu 
einem  paradiesischen  Zustand  gelangen  könne,  wo  der  Mensch 
sein  Leben  nicht  im  Müßiggang,  sondern  in  einer  mäßigen, 
Geist  und  Körper  übenden,  Gesundheit  und  Frohsinn  stär- 
kenden Tätigkeit  hinbrächte. 

So  wäre  also  das  Paradies  das  Ziel,  Avas  das  mensch- 
liche Geschlecht  erst  nach  langem  Ringen  und  Streben  er- 
reichen kann,  während  die  Tradition  schon  die  ersten  Men- 
schen in  ein  Paradies  versetzt. 


46  Das  Vorstehende  wurde  aufgefaßt  und  niedergeschrieben 
im  Herbst  1826,  als  ich  beim  Studium  der  nationalökonomi- 
schen Werke  von  Say  und  Ricardo  mich  durch  das,  was 
darin  vom  Arbeitslohn  gesagt  ist,  unbefriedigt  fühlte. 

Ich  nannte  dasselbe  „einen  Traum'',  weil  es  den  damals 
in  der  Wissenschaft  und  dem  praktischen  Leben  vorherr- 
schenden Ansichten  so  sehr  entgegenstand ,  daß  es  weit  mehr 
einem  Luftgebilde ,  als  der  Wirklichkeit  anzugehören  schien. 
Unstreitig  ist  es  auch  ein  Phantasiebild,  aber  dessenunge- 
achtet hat  es  auf  meine  Lebensansichten  und  meine  Hand- 
lungen den  entscheidensten  Einfluß  ausgeübt.  Denn  es  ward 
dadurch  die  mit  der  Muttermilch  eingesogene  Ansicht  der 


—    445    — 

Besitzenden,  als  sei  der  Arbeiter  von  der  Natur  selbst  zum 
Lastträger  bestimmt,  als  käme  ihm  für  seine  Anstrengung 
nur  die  Fristung  seines  Daseins  zu  —  für  immer  erschüttert. 

Das  Leben  eines  großen  Teils  der  Landwirte,  Gewerbs- 
unternehmer und  selbst  der  Brotherren  in  den  Städten  wird 
tladurch  verbittert,  daß  sie  im  steten  Kampf  mit  ihren  Ar- 
beitern und  Dienstboten  zubringen  —  indem  sie  das  Ringen 
und  Streben  der  letzteren  nach  einem  besseren  Lose,  als 
«ine  ungerechte  Anmaßung  betrachten,  die  sie  auf  jede  Weise 
und  mit  allen  Kräften  bekämpfen  müssen. 

Niemals  aber  ist  der  Mensch  entschiedener  und  beharr- 
licher im  ünrechthandeln ,  als  wenn  er  durch  einen  Ver- 
standesirrtum das  Unrechte  ffh-  das  Rechte  ansieht,  und  es 
dann  für  Pflicht  hält,  dasselbe  mit  allen  Kräften  aufrecht 
zu  halten  und  durchzuführen. 

Das  Gewissen  mahnt  dann  nicht  ab,  denn  nicht  der  Wille 
begeht  das  Unrecht,  sondern  der  Mangel  an  Einsicht.  Die 
Nemesis  aber  kümmert  sich  um  diesen  Unter- 
schied nicht  —  und  ein  Leben  voll  Bitterkeit,  Kampf 
und  Feindseligkeit  ist  die  Frucht  der  Unwissenheit  und 
des  Irrtums. 

Irrtum  und  Unwissenheit  sind  überall  verderblich,  aber 
wolil  bei  keinem   anderen  Gegenstand   in  so  hohem  Grade, 
als   bei   diesem;    denn    hier   wird    dadurch    die  Ruhe   und 47 
-das  Glück  von  Millionen  Menschen  zerstört. 


Noch  drängt  sich  mir  hier  eine  andere  Betrachtung  auf. 

Als  ich  die  in  dem  Traum  dargestellte  Ansicht  auffaßte, 
stand  diese  der  öffentlichen  Meinung  so  schrofT  entgegen, 
daß  ich  fürchten  mußte,  durch  eine  Bekanntmachung  dieses 
Traums  für  einen  Phantasten  oder  gar  für  einen  Revolutionär 
gehalten  zu  werden,  ohne  daß  ich  glauben  durfte,  daß  der- 
selbe irgend  Anklang  finden  und  Nutzen  stiften  würde.  Ich 
teilte  deshalb  den  Traum  nur  einzelnen  Freunden  mit  und 


—    44G     — 

beschloß,  denselben  nur  in  Verbindung  mit  wissenschaftlicliett 
Untersuchungen  zur  i)ffentlichkeit  zu  bringen. 

Seitdem  ist  noch  kein  volles  Vierteljahrhundert  verflossen' 

—  und  wie  verändert  hat  sich  in  diesem  kurzen  Zeitraum 
die  öffentliche  Meinung  und  die  Nationalanschauung  über 
diesen  Gegenstand. 

Wie  milde,  selbst  matt  erscheint  jetzt  das  in  dem  Traum 
Verlangte,  nachdem  zur  Förderung  des  Wohls  der  ärmsten 
und  zahlreichsten  Volksklasse  die  Sozialisten  die  Aufhebung 
des  Erbrechts,  die  Kommunisten  die  Teilung  des  Eigentums,, 
die  Egalitaires  gar  die  Zerstörung  der  Städte  und  die  Er- 
mordung der  Eeichen  verlangt  haben! 

Kann  aber  im  Publikum  in  der  Auffassung  eines  Gegen- 
standes ein   solcher  Umschwimg  in   so  kurzer  Zeit  erfolgen 

—  wer  vermag  uns  denn  zu  sagen,  welche  Ansichten  nach 
dem  abermaligen  Verlauf  eines  Vierteljahrhunderts  vor- 
herrschend sein,  wie  weit  sie  in  den  untersten  Volksklassen 
verbreitet  sein  werden,  und  welche  Folgen  daraus  entspringen 
mögen. 

Wie  wohltuend  aber  auch  die  in  dem  Traum  enthaltene 
Auffassung  von  der  Zukunft  des  Menschengeschlechts  dem 
48  Gefühl  sein  mag,  indem  sie  uns  mit  dem  Schicksal  versöhnt 
und  in  der  fortrollenden  Geschichte  uns  eine  der  Menschheit 
wohlwollende  Vorsehung  erblicken  läßt  —  immer  ist  dieser 
Traum  nur  eine  Utopie,  solange  die  Möglichkeit  der  Ver- 
wirklichung desselben  nicht  nachgewiesen  ist. 

Zur  Verwirklichung  aber  gelangt  nur,  was  aus  der  Organi- 
sation der  Menschheit  sich  mit  Notwendigkeit  entwickelt. 

Was  helfen  nun  die  frommen  Wünsche  von  höherem 
Lohn  und  größerer  Ausbildtmg  der  Arbeiter,  wenn  nicht  nach- 
gewiesen wird,  daß  beides  mit  den  in  die  menschliche  Natin* 
gelegten  Eigenschaften  und  Kräften  verträglich  ist? 

Sehen  wir  nicht    daß  Fabriken  stille  stehen,   wenn  der 


—    447     — 

Arbeitslohn  steigt;  wird  nicht  bei  einem  höheren  Lohn  der 
Anbau  ganzer  Strecken  minder  fruchtbaren  Bodens  aufhören, 
und  dieser  wüst  liegen  bleiben  —  und  wird  dann  das  Los 
der  Arbeiter  nicht  noch  trüber  werden,  als  es  jetzt  ist? 

Nur  das  tiefere  Eindringen  in  die  Wissenschaft,  welche 
uns  die  aus  der  menschlichen  Natur  entspringenden  Gesetze 
klar  macht,  kann  über  diese  Fragen  Aufschluß  geben  —  und 
so  müssen  wir,  wenn  wir  über  diesen  das  Los  der  Mensch- 
heit so  nahe  berührenden  Gegenstand  Licht  haben  wollen, 
uns  der  wissenschaftlichen  Forschung  hingeben,  wie  anmut- 
los, dürr  und  dornig  auch  der  Weg  sein  mag,  der  dahin  führt. 

Wir  wenden  uns  nun  zuerst  zu  Adam  Smith,  dem  Yater 
der  Nationalökonomie,  um  zu  sehen,  wie  weit  durch  ihn  die 
uns  vorliegende  Aufgabe  gelöst  ist. 


§  3.  49 

Adam  Smith's  Ansichten  über  Arbeitslohn, 
Zinsfuss,  Landrente  und  Preis. 

Wir  haben  zuvörderst  die  Frage  zu  beantworten,  ob 
Adam  Smith's  Lehren  zur  Lösung  der  Aufgabe,  die  wir 
uns  gestellt  haben,  genügend  sind  oder  nicht. 

Zugleich  wird  dadm-ch  unsere  Aufgabe  selbst  klarer 
und  bestimmter  hervortreten. 

Da  sich  Adam  Smith's  Ansichten  viel  leichter  auf- 
fassen und  übersehen  lassen,  w^enn  man  aus  seinem  Buch 
die  Zwischensätze  und  zufällig  eingemischten  Reflexionen 
ausscheidet:  so  habe  ich  zur  Bequemlichkeit  der  Leser  aus 
dem  ersten  Band  von  Smith's  Werk  über  den  National- 
reichtum*) die  wichtigsten  und  entscheidendsten  Sätze  über 

*)  Untersuchung  über  die  Natur  und  die  Ursachen  des  National- 
reichtums von  Adam  Smith.  Aus  dem  Englischen  der  vierten 
Ausgabe  neu  übersetzt  von  Garve.    Breslau  1794. 


—     448    — 

die  oben   angegebenen  Gegenstände  teils  wörtlich,  teils  ab- 
gekürzt, in  nachstehendem  zusammengestellt. 

Arbeitslohn. 

Im  ersten  Band  sagt  Adam  Smith: 

S.  120.  „Von  dem  Vertrage  zwischen  dem  Arbeiter 
imd  dem  Eigentümer  eines  Kapitals,  der  jenen  in  Arbeit 
setzt,  hängt  es  ab,  wie  viel  der  Tagelohn  betragen  soll." 

S.  127.  „Nicht  die  Größe,  zu  welcher  der  National- 
reichtum gelangt  ist,  sondern  sein  fortwährendes  Wachsen 
ist  es,  welches  das  Steigen  des  Arbeitslohns  veranlaßt." 

S.  129  und  130.  „Wie  ansehnlich  an  sich  auch  die 
50 Fonds,  aus  w'elchen  der  Arbeitslohn  bezalilt  wird,  die  Ein- 
künfte und  das  Kapital  sämtlicher  Einwohner  sein  mögen; 
so  wird,  wenn  beide  mehrere  Jahre  hindurch  unverändert 
geblieben  sind,  und  der  Stillstand  fortdauert,  die  Anzahl  der 
Hände  schneller  als  die  der  Beschäftigung  wachsen,  und  in 
kurzem  wird  durch  den  Eigennutz  der  Meister  und  die  Kon- 
kurrenz der  Arbeitsuchenden  der  Arbeitslohn  soweit  herunter- 
gebracht werden,  daß  er  gerade  nur  die  unentbehrlichsten 
Bedürfnisse  der  Natur  zu  befriedigen  hinlänglich  sein  wird." 

S.  144.  „So  wenig  aber  die  Erzeugung  der  Kinder  durch 
die  Armut  verhindert  wird,  so  sehr  wird  das  Aufziehen  der- 
selben dadurch  erschwert.  Man  hat  mich  oft  versichert,  daß 
in  Hochschottland  von  den  zwanzig  Kindern,  die  eine  Mutter 
zur  Welt  bringt,  oft  nur  zwei  am  Leben  bleiben." 

S.  145.  „Jede  Tiergattung  vermehrt  sich  natürlicher- 
weise im  Verhältnis  der  ünterhaltsmittel ,  die  sie  hat;  und 
keine  Gattung  kann  sich  über  dieses  Verhältnis  vermehren. 
Aber  in  einer  ordentlichen  bürgerlichen  Gesellschaft  können 
es  nur  die  unteren  Klassen  des  Volks  sein,  bei  welchen  der 
Mangel  des  Unterhalts  der  Vermehrung  der  Menschen  Grenzen 
setzt,  und  er  kann  diese  Grenze  nur  dadurch  setzen,  daß  er 


—    449    — 

einen  großen  Teil  der  Kinder,  welche  ihre  fruchtbaren  Ehen 
erzeugen,  wieder  ums  Leben  bringt." 

S.  146.  „Die  Nachfrage  nach  ]\Ienschen  (Arbeitern)  ist 
wie  die  Nachfrage  nach  jeder  anderen  "Ware  dasjenige,  was 
ihre  Hervorbringung  reguliert. 

Wäre  der  Lohn  zu  einer  Zeit  übermäßig  groß,  so  würde 
der  dadurch  hervorgerufene  Überfluß  an  Händen  (Arbeitern) 
bald  eine  Konkurrenz  veranlassen,  wodurch  der  Lohn  auf 
seinen  mittleren  Staudpunkt  zurücksinken  würde." 

S.  148.  „Es  verdient  olme  Zweifel  bemerkt  zu  werden, 
daß  der  Zustand  des  arbeitenden  Armen  oder  der  zahlreichsten 
Volksklassen,  in  der  Zeit,  wo  die  bürgerliche  Gesellschaft 
sich  dem  Punkt  ihres  höchsten  Flors  nähert,  glücklicher  und  51 
erwünschter  zu  sein  scheint,  als  in  der,  wo  sie  diesen  Punkt 
erreicht  hat.  Steht  die  Gesellschaft  in  ihrem  Wohlstande 
still,  so  lebt  der  gemeine  Arbeiter  kümmerlich;  geht  sie 
zurück,  so  lebt  er  elend.'' 

S.  156.  „Die  Nachfrage  nach  Arbeit  bestimmt,  nach- 
dem sie  entweder  zunehmend,  abnehmend  oder  stillstehend 
ist.  und  also  entweder  eine  wachsende,  abnehmende  oder 
unveränderlich  bleibende  Volksmenge  fordert,  die  Quantität 
von  Notwendigkeiten  und  Becßiemlichkeiten  des  Lebens,  mit 
der  die  Arbeit  belohnt  werden  soll." 


Die  Konkurrenz  oder  das  Verhältnis  des  Angebots  zum 
Begehr  von  Arbeit  bestimmt  also  nach  Adam  Smith  die 
Höhe  des  Arbeitslohns;  die  Größe  der  Nachfrage  nach  Ar- 
beitern aber  ist  davon  abhängig,  ob  der  Nationalreichtum 
steigend,  stillstehend  oder  abnehmend  ist. 

Wir  haben  uns  nun  aber  die  Aufgabe  gestellt,  die  Höhe 
des  Arbeitslohns  für  den  beharrenden  Zustand  der  bürger- 
lichen Gesellschaft  zu  erforschen.  In  einem  solchen  Zustand 
sind  Nachfrage  und  Angebot  im  Gleichgewicht ;  beide  heben 
sich  gewissermaßen  auf  oder  erscheinen  als  ruhend  —  und 
Tliünen,  Der  isolierte  Staat.  29 


—    450    — 

es  geht  schon  hieraus  hervor,  daß  in  einem  solchen  Zustande 
ein  anderer  Bestimmungsgrund  für  die  Höhe  des  Arbeits- 
lohns vorhanden  sein  muß. 

Der  beharrende  Zustand  aber  ist  der  Zustand  des  Still- 
standes, in  welchem  nach  Adam  Smith  der  Arbeiter 
kümmerlich  lebt,  und  der  Lohn  soweit  herabgedrüclit  wird, 
daß  der  Arbeiter  dadurch  nur  für  sich  die  unentbehrlichsten 
Bedürfnisse  befriedigen  kann,  so  daß  der  Mangel  einen  großen 
Teil  der  erzeugten  Kinder  wieder  ums  Leben  bringt. 
52  Sterben  aber  —  aus  Mangel  an  den  notwendigen  Lebens- 
bedürfnissen ist  ein  gräßliches  Los,  und  es  wäre  entsetzlich, 
wenn  in  den  kommenden  Jahrhunderten  die  zahlreichste 
Volksklasse  einem  solchen  Schicksal  entgegengehen  sollte. 
Denn  es  läßt  sich  nicht  verkennen,  daß  in  dem  Maß,  als 
alle  Erdteile  bevölkerter  werden,  der  fruchtbare  Boden  in 
Besitz  genommen  ist,  und  die  Entdeckungen  neuer,  der 
Produktion  und  Fabrikation  dienender  Naturkräfte  seltener 
werden,  wir  uns  dem  Zustand  des  Stillstandes  mehr  und 
mehr  nähern. 

Im  ganzen  schimmert  aber  bei  Adam  Smith  sowie 
bei  den  meisten  seiner  Nachfolger  die  Ansicht  durch,  daß 
die  Summe  der  notwendigen  Lebensbedürfnisse  des  Arbeiters 
der  natürliche  Arbeitslohn  sei. 

Eicardo  aber  hat  den  Mut,  geradezu  auszusprechen: 
„Der  natürliche  Preis  der  Arbeit  ist  der,  welcher  die  Ai-beiter 
in  den  Stand  setzt,  zu  subsistieren  und  ihr  Geschlecht  fort- 
zupflanzen." 

Zinsfuß. 

Adam  Smith  wirft  die  Zinsen  des  in  einem  Gewerbe 
angelegten  Kapitals  mit  dem  Gewerbsprofit  des  Unternehmers 
unter  der  Benennung  „Kapitalgewinn"  zusammen.  Dies  ist 
für  die  Klarheit  seiner  Ansichten  über  den  Zinsfuß  sehr  nach- 
teilig.   Da  aber  nach  Adam  Smith  (S.  161)  die  Gewinnste 


—    451    — 

sich  aus  der  Höhe  der  Geldzinsen  beurteilen  lassen,  beide 
also  gewissermaßen  proportional  sind,  so  läßt  sich  auch  aus 
dem,  was  er  über  die  Größe  der  Gewinnste  sagt,  rückwärts 
auf  die  Höhe  des  Zinsfußes  schließen. 

Adam  Smiths  Untersuchung  über  den  Kapitalge- 
winn enthält  zwar  schätzbare  Notizen  über  die  Größe  des- 
selben in  verschiedenen  Ländern  und  zu  verschiedenen 
Zeiten,  aber  nur  Weniges  und  Unzulängliches  über  die  Ge- 
setze, wodurch  die  Höhe  der  Gewinnste  und  der  Zinsen  53 
bestimmt  wird.  Die  wichtigsten  Sätze  in  dieser  Beziehung 
dürften  folgende  sein: 

S.  160.  „Die  Zunahme  der  Kapitalien  erhöht,  wie  wir 
gesehen  haben,  den  Arbeitslohn ;  —  aber  den  Gewinnst  von 
diesen  Kapitalien  macht  sie  geringer.  Wenn  die  Kapitalien 
vieler  Kaufleute  in  demselben  Handelszweig  angelegt  werden, 
so  muß  notwendig  die  daraus  entstehende  Konkurrenz  den 
Erfolg  haben,  ihre  Gewinnste  kleiner  zu  machen,  und  wenn 
diese  Zunahme  der  Kapitalien  sich  über  alle  Zweige  der 
Gewerbe  und  des  Handels  eines  Landes  erstreckt,  so  muß 
auch  der  Gewinn  aller  Kapitalisten  sich  vermindern." 

S.  172.  „In  einem  Lande,  welches  zu  dem  vollen 
Reichtum  gekommen  ist,  den  es,  vermöge  der  Fruchtbarkeit 
seines  Bodens,  seines  Klimas  und  seiner  Lage  gegen  andere 
Länder  erwerben  kann  —  in  einem  Lande,  das  in  seinem 
Wohlsland  still  steht  —  werden  wahrscheinlich  Arbeitslohn 
und  Kapitalgewinn  gleich  niedrig  sein.  Wenn  es  nach  dem 
Verhältnis  der  Fläche,  von  welcher  seine  Einwohner  ihren 
Unterhalt  ziehen ,  und  der  Fonds,  durch  die  sie  beschäftigt 
werden,  durchaus  bevölkert  ist:  so  muß  die  Konkurrenz 
unter  den  arbeitsuchenden  Menschen  so  groß  sein,  daß  ihr 
Lohn  nicht  höher  ausfallen  kann,  als  nur  gerade  notwendig 
ist,  die  bisherige  Anzahl  von  Arbeitern  zu  erhalten.  Und 
wenn  dieses  Land  mit  Fonds  zu  allen  Geschäften,  die  es  zu 
machen  Gelegenheit  hat,  versehen  ist,  so  wird  auch  in  jedem 

29* 


—    452    — 

Gewerbszweige  schon  so  viel  Kapital  angelegt  sein,  als  die 
Natur  und  mögliche  Ausdehnung  dieses  Zweigs  zuläßt.  In 
jedem  also  wird  durch  die  Konkurrenz  der  Kapitalisten  der 
Gewinnst  derselben  auf  den  möglich  kleinsten  herunter- 
gesunken sein." 

S.  177.  „Das  höchste  Maß,  zu  welchem  die  ordent- 
lichen Gewinnste  der  Kapitalisten  steigen  können,  ist,  wenn 
sie  so  groß  sind,  daß  sie  in  den  Preisen  der  Waren  den 
54  Teil,  welcher  dem  Grundeigentümer  zukommt,  verschlingen 
und  für  den  Arbeiter  nur  einen  so  kleinen  Teil  übrig  lassen, 
als  notwendig  ist,  wenn  der  Arbeiter  leben  soll.  Der  Arbeiter 
muß  an  allen  Orten  auf  die  eine  oder  andere  Art  unterhalten 
werden,  oder  das  von  ihm  hervorzubringende  "Werk  kann 
nicht  zustande  kommen.  Aber  der  Besitzer  von  Grund  und 
Boden  braucht  nicht  allenthalben  seine  Rente  zu  bekommen." 

S.  17G.  „Die  übliche  kleinste  Geldzinse  muß  etwas 
mehr  betragen,  als  nötig  ist,  um  den  Verlust,  welchem  man 
beim  Geldausleihen  von  Zeit  zu  Zeit  unvermeidlich  ausgesetzt 
ist,  zu  ersetzen.  Wäre  dies  nicht,  so  wäre  bei  diesem  Ge- 
schäft gar  kein  Vorteil,  und  Freundschaft  oder  Mildtätigkeit 
wären  die  einzigen  Gründe,  die  jemanden  bewegen  könnten, 
Geld  zu  verleihen." 


Adam  Smith  begnügt  sich  also,  die  Grenzen,  bis  zu 
welchen  Gewinnst  und  Geldzinsen  steigen  und  fallen  können, 
zu  bezeichnen,  und  darzutun,  das  innerhalb  dieser  Grenzen 
die  Höhe  beider  von  der  Menge  der  vorhandenen  Kapitalien 
und  der  dadurch  entstehenden  größeren  oder  geringeren  Kon- 
kurrenz abhängig  ist. 

Damit  ist  aber  nur  die  Erscheinung  —  das,  was  vor 
unseren  Augen  vorgelit  —  beschrieben.  Arbeitslohn  und 
Zinsfuß  erscheinen  hier  noch  als  zwei  voneinander  völlig 
unabhängige,   durch  die  Konkurrenz  geregelte  Potenzen  — 


—    453     — 

uud  voQ  einem  Gesetz,  das   den  Zusammenhaag  zwischen 
beiden  nachweist,  ist  überall  nicht  die  Rede. 

Die  Landrente. 

Über  den  Ursprung  und  die  Begründung  der  Landrente 
sagt  Adam  Smith: 

S.  89.  „Sobald  als  in  einem  Lande  Grund  und  Boden  55 
Privateigentum  geworden  ist,  wandelt  auch  die  Gutsbesitzer 
die  den  Menschen  so  natürliche  Neigung  an,  zu  ernten,  wo 
sie  nicht  gesäet  haben,  und  selbst  für  die  freiwilligen  Erzeug- 
nisse des  ihnen  zugehörigen  Feldes  eine  Rente  zu  fordern. 
Das  Holz  im  Walde,  das  Gras  auf  dem  Felde,  welches  so 
lange  Grund  und  Boden  allen  gemein  war,  dem,  welcher  es 
haben  wollte,  nur  die  Mühe  es  einzusammeln  kostete,  wird 
nun  von  dem  Grundherrn  mit  einer  Abgabe  oder  einem 
Kaufpreise  beladen.  Es  muß  diesem  Grundherrn  nämlich 
die  Erlaubnis,  das  eine  oder  das  andere  sammeln  zu  dürfen, 
abgekauft  —  es  muß  ihm  für  diese  Erlaubnis  ein  Teil  von 
dem,  was  man  auf  seinem  Boden  gesammelt  oder  erbaut 
hat,  überlassen  werden.  Dieser  Teil  oder,  was  auf  eines 
hinausläuft,  der  Geldpreis  dieses  Teils  ist  das,  was  man 
den  Grundpreis  oder  die  Landrente  nennt  —  und  macht  von 
dem  Verkaufspreise  der  Waren  den  dritten  wesentlichen 
Bestandteil  aus." 

S.  271.  „Wenn  der  Grundherr  seinen  Vertrag  mit  dem 
Pächter  schließt,  so  ist  er  gewiß  bemüht,  ihm  an  den  Er- 
zeugnissen seines  Bodens  keinen  größeren  Anteil  zu  lassen, 
als  schlechterdings  nötig  ist,  um  dem  Pächter  teils  die 
Fonds,  woraus  er  die  Anschaffung  des  Samens  bestreitet,  die 
Arbeiter  bezahlt  und  Vieh  und  Ackergerät  ankauft  und 
unterhält,  teils  von  diesen  Fonds  den  Gewinn  zu  sichern, 
den  in  dieser  Gegend  Pächter  gewöhnlicherweise  von  ihren 
Kapitalien  erhalten.  Keinen  kleineren  Teil  kann  auch  augen- 
scheinlich der  Pächter  annehmen,  ohne  sich  der  Gefahr  aus- 


—    454    —  ■ 

zusetzen ,  zugrunde  zu  gehen ,  und  mehi-  als  dies  ist  der 
GrundheiT  selten  geneigt  ihm  zu  lassen.  Was  nun 
von  dem  Produkt  eines  Landguts  oder  (was 
einerlei  ist)  von  dem  Preise  dieses  Produkts 
56nach  Abzug  jenes  Teils  noch  übrig  bleibt,  das 
eignet  sich  der  Grundherr  unter  dem  Namen  der 
Eente  zu." 

S.  274.  „Nur  diejenigen  Erzeugnisse  eines  Landes 
können  zu  Markte  gebracht  werden,  deren  gewöhnlicher 
Preis  zureicht,  die  auf  ihre  Fertigung  gewandten  Gelder, 
nebst  dem  üblichen  Gewinne,  der  von  einem  solchen  Kapital 
gezogen  zu  werden  pflegt,  heraus  zu  bringen.  Beträgt  jener 
Preis  mehr,  so  fällt  der  Überschuß  an  den  Grundherrn  als 
Rente." 

S,  174.  „Hoher  Arbeitslohn  und  große  Gewinnste  sind 
die  Ursachen  teurer  Warenpreise;  hohe  Renten  sind  die 
Wirkungen  derselben." 


Die  beiden  Einwürfe: 

1.  daß  die  Neigung  des  Eigentümers  von  Grund  und 
Boden  zur  Beziehung  einer  Rente  von  demselben  noch 
nicht  hinreicht,  diese  Rente  von  anderen  wirklich  zu 
verlangen ;  und 

2.  daß  Adam  Smith  die  Einkünfte,  die  ein  Gut  bei 
der  Verpachtung  gibt,  „Landrente"  nennt,  daß  also 
(wie  im  ersten  Teil,  dritte  Auflage,  §  5a  ausführlich 
gezeigt  ist)  in  Adam  Smith "s  Landrente  der  Ertrag 
des  Grund  und  Bodens  an  sich  mit  den  Zinsen  des 
in  den  Gutsgebäuden  usw.  steckenden  Kapitals  ver- 
mengt sind, 

lassen  wir  hier  unberücksichtigt,  weil  sie  nicht  zum  Gegen- 
stand unserer  gegenwärtigen  Betrachtung  gehören. 

Dagegen  muß   sich  hier  unsere  ganze  Aufmerksamkeit 
darauf  richten,  daß  nach  Adam  Smith  die  Höhe  der  Land- 


—    455    — 

rente  und  überhaupt  das  Vorhandensein  derselben  ganz  und 
gar  von  dem  Preise  der  ländlichen  Erzeugnisse  abhängig  ist. 

Preis.  57 

Was  Adam  Smith,  S.  101  und  102,  über  den  Markt- 
preis sagt,  läßt  sich  in  nachstehende  Sätze  zusammenfassen : 

1.  Der  Preis,  für  welchen  eine  Ware  gewöhnlicherweise 
wirklich  verkauft  wird,  heißt  der  Marktpreis. 

2.  Der  Marktpreis  jeder  Ware,  jedes  Erzeugnisses  wird 
bestimmt  durch  das  Verhältnis  zwischen  Angebot  und 
Nachfi'age,  zwischen  der  zum  Verkauf  zu  Markt  ge- 
brachten und  der  von  den  Käufern  begehrten  Quantität. 

3.  Ist  die  Quantität  der  zu  Markt  gebrachten  Ware  ge- 
ringer als  die,  wonach  ein  wirksamer  Begehr  vor- 
handen, so  entschließen  sich  mehrere  Käufer,  ehe  sie 
die  Ware  ganz  entj^ehren,  einen  höheren  als  den  ge- 
wöhnlichen Preis  dafür  zu  zahlen,  und  durch  die  Kon- 
kurrenz zwischen  den  Käufern  steigt  dann  der  Markt- 
preis über  den  gewöhnlichen  Preis. 

4.  Übersteigt  dagegen  die  Quantität  der  zu  Markt  ge- 
brachten Ware  die  Größe  des  wirksamen  Begehrs,  so 
kann  nicht  die  ganze  Quantität  zu  dem  bisher  üblichen 
Preise  abgesetzt  werden,  sondern  es  müssen  diejenigen, 
die  sich  bisher  des  Gebrauchs  dieser  Ware  enthielten 
oder  sie  nur  im  beschränkten  Maße  gebrauchten,  durch 
eine  Erniedrigung  des  Preises  zum  Ankauf  derselben 
bewogen  werden  —  und  so  sinkt  der  Marktpreis  dieser 
Ware  unter  den  gewöhnlichen  Preis  herab. 


Diese  Erklärung  ist  aus  dem  Leben  genommen,  ist  Tat- 
sache.*) Aber  was  ist,  müssen  wir  nun  fragen,  damit  für 
die  Wissenschaft  gewonnen? 

*)  „Dies  heißt  das  Lebeu  abschreiben,  aber  Vermmft  ist  nicht 
darin",  sagte  ein  Freund,  dem  ich  diese  Sätze  mitteilte. 


—    456    — 

58  Die  Konkurrenz,  das  Verhältnis  zwischen  Angebot  und 
Nachfrage,  ist  so  wenig  stetig,  ist  so  wechselnd  und  ver- 
änderlich wie  die  Witterung. 

Wie  kann  nun  eine  so  unbestimmte,  so  veränderliehe 
Potenz  zur  Grundlage  füi-  ein  Lehrgebäude  dienen? 

Dies  hat  Adam  Smith  unstreitig  auch  gefühlt  und 
er  sucht  deshalb  in  nachstehenden  Sätzen  ein  die  Konkurrenz 
beherrschendes  Gesetz  darzustellen. 

S.  98  und  99.  „In  jedem  Lande  oder  in  jeder  Gegend 
eines  Landes  gibt  es  sowohl  für  den  Arbeitslohn  als  für 
den  Gewannst  einen  gewissen  ]yraßstab,  der  bestimmt,  was 
gewöhnlicherweise  und  im  Durchschnitt  der  Arbeiter  für 
seinen  Fleiß  zu  erhalten,  und  der  Kapitalist  mit  seinem  Gelde 
zu  gewinnen  erwarten  kann.'' 

„Ebenso  gibt  es  in  jedem  Lande,  in  jeder  Gegend  eine 
gewisse  Taxe  für  die  Landrente.'' 

„Dasjenige  Maß  des  Arbeitslohns,  der  Kapitalgewinnste 
und  der  Landrente,  das  an  einem  gewissen  Orte,  zu  einer 
gewissen  Zeit  das  gewöhnliche  ist,  kann  an  diesem 
Orte  zu  d  i  e  s  e  r  Zeit  für  das  natürliche  angesehen  werden." 

S.  90.  „In  jeder  bürgerlichen  Gesellschaft  ist  der 
Marktpreis  jeder  Ware  entweder  aus  den  drei  Bestandteilen 

—  Arbeitslohn,  Kapitalgewinn  und  Landrente  —  zusammen- 
gesetzt oder  enthält  wenigstens  einen  oder  den  anderen 
derselben." 

S.  98.  „Ist  der  Verkaufspreis  einer  Ware  weder  grüßer 
noch  kleiner  als  nötig  ist,  um  die  Rente  von  dem  Stücke 
Landes,  den  Lohn  für  die  Arbeit  und  den  Gewinnst  von 
dem  Kapitale,  welche  sämtlich  angewandt  worden  sind,  die 
Waren  zu  erzeugen,  zu  verfertigen  und  zu  Markt  zu  bringen 

—  nach  den  an  jedem  Orte,   zu   jeder  Zeit  gewöhnlichen 
59 Taxen  —  zu  bezahlen:    so  wird  diese  Ware  für  den  Preis 

verkauft,  welchen  man  ihren  natürlichen  nennen  kann.'' 
S.  105.    „Der  natürliche  Preis  ist  also  gleichsam  der 


—    457    — 

ilittelpiiukt ,  gegen  welchen  die  wandelbaren  Marktpreise 
aller  Waren  beständig  gravitieren.  Zufälle  verschiedener 
Ai't  können  diese  letzteren  eine  Zeitlang  von  jenem  Mittel- 
punkt entfernt  halten  —  sie  über  ihn  erheben,  oder  unter 
ihn  erniedrigen.  Sie  mögen  aber  durch  noch  so  große  Hinder- 
nisse abgehalten  werden,  sich  in  diesem  Ruhepunkt  fest- 
zusetzen: so  äußern  sie  doch  ein  beständiges  Streben,  sich 
demselben  zu  nähern." 


Noch  erinnere  ich  mich  aus  meiner  Jugend  sehr  lebhaft, 
welche  Freude  ich  empfand,  als  ich  diese  Sätze  Adam 
Smith 's  zum  erstenmal  las.  Licht  und  Klarheit  verbreitete 
sich  dadurch  für  mich  über  einen  sonst  verworrenen  Gegen- 
stand, und  ich  sah  nun  die  regellose  Konkurrenz  einem  be- 
stimmten Gesetz  untergeordnet.  Die  Produktionskosten  waren 
nun  zum  Regulator  des  natürlichen  Preises  —  gegen  welchen 
die  Marktpreise  stets  gravitieren  —  erhoben,  und  dadurch 
der  Konkurrenz  ihre  Schranken  angewiesen. 

Diese  Freude  dauerte  aber  nicht  lange,  sondern  wurde 
beim  tieferen  Eindringen  in  den  Gegenstand  gar  bald  getrübt. 

Der  natürliche  Warenpreis  wird  durch  den  natürlichen 
Arbeitslohn,  den  natürlichen  Kapitalgewinn  und  die  natür- 
Hche  Landrente,  welche  in  der  Hervorbringung  dieser  AVare 
enthalten  sind,  bestimmt. 

Fragt  man  nun  aber,  wodurch  wird  der  natürliche 
Ai'beitslohn  bestimmt,  so  lautet  die  Antwort:  Durch  die 
Konkurrenz.  Fragt  man  nach  dem  Bestimmungsgrund  des 
natürlichen  Kapitalgewinnstes ,  so  ist  dieser  abermals  die 
Konkurrenz. 

Die  Entfernung  der  Konkurrenz  aus  den  Be-60 
Stimmungsgründen    für    den    natürlichen    Preis 
ist  also  nur  scheinbar,  ist  eine  Illusion . 


—    458    — 

Verbindung  zwischen  Preis   und   Landrente. 

Reicht  der  Verkaufspreis  einer  Ware  gerade  hin,  das 
bei  der  Hervorbringung  derselben  angewandte  ilaß  von 
Arbeitslohn,  Kapitalgewinn  und  Landrente  —  nach  den  ge- 
wöhnlichen Taxen  zu  vergüten,  so  ist  dies  der  natürliche 
Preis  der  Ware. 

Was  von  dem  Verkaufspreise  der  ländlichen  Erzeugnisse 
nach  Abzug  des  Arbeitslohns,   des  Kapitalgewinns  und  der 
sonst  auf  die  Hervorbringung  derselben  verwandten  Kosten 
übrig  bleibt  —  das   bildet  nach  A.  Smith   die  Landrente. 
Fragen  wir  nun :  „welches  ist  der  natürliche  Preis  des 
Getreides?-' 
so  erhalten  wir,  diesen  Bestimmungen  nach,  folgende  Antwort: 
Der   natürliche   Preis    des    Getreides    ist   der,   durch 
welchen  das  gewöhnliche  Maß  von  Arbeitslohn,  Kapital- 
gewinn und  Landrente,  was  in  den  Produktionskosten 
des  Getreides  enthalten  ist,  genau  gedeckt  wird. 
Fragen  wir  nun  ferner:    „welches  ist   die   natürliche 
Landrente'?"' 
so  lautet  die  Antwort : 

Was  von  dem  Verkaufspreise  der  Produkte,  also  auch 
des  Getreides,  nach  Abzug  des  Arbeitslohns,  der  Aus- 
lagen   und    des    Kapitalgewinns    des    Pächters    übrig 
bleibt  —  das  bildet  die  Landrente. 
Also    wird    bei    der    Bestimmung   des    natür- 
lichen Preises  des  Getreides  die  Landrente  als 
eine    bekannte    Größe    betrachtet;    bei    der   Be- 
stimmung   der    Landrente     wird     dagegen    der 
natürliche  Preis   des  Getreides  als  bekannt  an- 
genommen. 
61         Dies  ist  ein  Zirkelschluß,  der  beim  oberfläclilichen  Lesen 
wohl  einschläfern  und  beruhigen  kann,  durch  den  aber  nichts 
gefunden,  nichts  aufgeklärt  wird. 


-    459     — 

Wenn  y  =  a  -j-  b  -j-  x  und 
X  =  y  —  (a  -|-  b)  ist, 
so  ist  die   zweite  G-leichung  nicht   eine   neue,   sondern   nur 
eine  Umsetzung  der  ersten,  und  die  unbekannten  Größen  y 
und  X  bleiben  beide  unbestimmt. 

ünglückliclierweise  treifen  dieser  Zirkelschluß  und  jene 
Illusion  in  betreff  der  Entfernung  der  Konkurrenz  aus  den 
Bestiramungsgründen  des  natürlichen  Preises  gerade  ein 
Fundamentstück  des  ganzen  Lehrgebäudes. 

Wenn  hiernach  nun  die  Landrente  vom  Preise  der  länd- 
lichen Erzeugnisse  abhängt,  der  Preis  aber  abhängig  ist  vom 
Arbeitslohn  und  Kapitalgewinn,  und  die  Größe  dieser  beiden 
Potenzen  durch  die  Konkurrenz  bestimmt  wird:  so  ist  auch 
die  Landrente  von  der  Konkurrenz  abhängig. 

Die  Konkurrenz  ist  also  nach  A.Smith  der  letzte  Regu- 
lator für  Arbeitslohn,  Kapitalgewinn,   Preis  und  Landrente. 


Nach  dieser  Übersicht  der  Smith 'sehen  Lehren  müssen 
wir  uns  die  Frage  vorlegen :  was  ist  dadurch  für  die  Lösung 
unserer  Aufgabe  gewonnen? 

Die  Aufgabe  aber,  die  wir  uns  zunächst  gestellt  haben, 
ist  folgende: 

AVelches  ist  der  naturgemäße  Anteil  des  Arbeiters  an 
dem  durch  ihn  hervorgebrachten  Erzeugnis ;  oder  welches 
ist  der  dem  Arbeiter  von  der  Natur  bestimmte  Lohn? 

Nach  A.  Smith  ist  der  Arbeiter  auf  das,  was  ihm  die 
Konkurrenz  zukommen  läßt,  das  ist  auf  das  bestehende  an- 
gewiesen. 

In   der  Tat   sagt  A.  Smith  (S.  99)   selbst:    „dasjenige 62 
Maß  des  Arbeitslohns,  das  an  einem  gewissen  Orte,  zu  einer 
gewissen  Zeit  das  gewöhnliche  ist,  kann  an  diesem  Orte, 
zu  dieser  Zeit  für  das  natürliche  angesehen  werden." 

Das  Bestehende  aber  ist  im  Laufe  der  Zeit  dem  steten 
Wechsel  unterworfen,  und  man  muß  fragen: 


—    460     — 

Welches  Bestehende  ist  denn  das  Rechte, 
das  Naturgemäße? 

Hierauf  können  A.  S  m  i  t  h "  s  Lehren  keine  Antwort  er- 
teilen; ja  wir  finden  bei  genauerer  Betrachtung,  daß  dies 
für  A.  Smith  überall  nicht  Gegenstand  der  Untersuchung 
gewesen  ist. 

A.  Smith  begnügte  sich  damit,  die  Tatsachen  und  Er- 
scheinungen, die  sich  ihm  darboten,  zusammenzustellen  und 
zu  einer  Übersicht  zu  vereinigen  —  und  dies  war  zu  seiner 
Zeit  und  bei  dem  damaligen  Stand  der  Wissenschaft  ein 
sehr  verdienstliches  Werk.  Den  Grund  der  Erscheinungen 
zu  erforschen,  lag  in  dem  vorliegenden  Fall  noch  nicht  in 
seiner  Aufgabe. 

In  unserer  Zeit  aber,  wo  die  Arbeiter  mehr  und  mehr 
zum  Bewußtsein  über  ihre  Lage  und  ihre  Rechte  gelangen, 
und  künftig  mit  unwiderstehlicher  Macht  an  der  Gestaltung 
des  Staats  und  der  Gesellschaft  teilnehmen  werden  —  jetzt 
wird  die  Frage  über  die  naturgemäße  Verteilung  des  Ein- 
kommens zu  einer  Lebensfrage  für  das  Fortbestehen  der 
Staaten  und  der  bürgerlichen  Gesellschaft. 


Wenn  ich  hier  und  im  Verfolg  dieser  Schrift  mich  vor- 
zugsweise auf  Adam  Smith's  Werke  beziehe,  obgleich 
durch  Ricardo,  Say,  Rau,  Hermann,  Nebenius  u.  a. 
A.  Smith's  Lehren  mehrfach  erweitert,  berichtigt  und 
systematischer  dargestellt  sind,  so  geschieht  dies  aus  den 
beiden  Gründen : 
63  1.  weil  meine  Untersuchungen  in  dem  Smith 'sehen 
W^erk  ihre  Wurzehi  haben  und  zu  einer  Zeit  begonnen 
sind,  wo  die  Werke  der  genannten  Gelehrten  noch  nicht 
erschienen  oder  mir  wenigstens  noch  nicht  zu  Gesicht  ge- 
kommen waren ; 

2,   weil  A.   Smith's    Werk    in    den    meisten   wesent- 


—    461     — 

licliea  Punkten  noch  immer  die  Grrundlage  der  National- 
ökonomie bildet. 

Indem  nun  meine  Untersuchungen  sich  unmittelbar  an 
die  A.  Smith 's  anschließen  und  da  beginnen,  wo  mir 
diese  mangelhaft  erscheinen,  liegt  es  in  der  Natur  der  Sache, 
daß  ich  häufig  beurteilend  und  berichtigend  gegen  A.  Smith 
auftreten  muß.  Da  andererseits  das  viele,  worin  ich  mit 
A.  Smith  einverstanden  bin,  unerwähnt  bleibt:  so  kann  dies 
leicht  den  Anschein  von  Nichtanerkennen  oder  gar  Über- 
heben gewinnen. 

Dies  liegt  aber  sehr  ferne  von  mir,  und  es  kann  nicht 
leicht  jemand  eine  größere  Verehrung  für  diesen  Genius 
haben  als  der  Verfasser  dieser  Schrift.  Gerade  darin,  daß 
ich  die  Berichtigung  und  Erweiterung  der  Smith 'sehen 
Lehren  für  eine  Förderung  der  Wissenschaft  halte  und  zum 
Gegenstand  meiner  Untersuchung  mache,  liegt  ein  Bew^eis 
der  hohen  Achtung,  die  ich  für  A.  Smith  hege. 

Hätte  Euklid  seine  Elemente  ungeschrieben  gelassen, 
weil  er  seinen  11.  Grundsatz  nicht  beweisen  konnte,  so  würde 
die  Nachwelt  viel  verloren  und  die  Geometrie  sich  viel 
später  ausgebildet  haben. 

Hätte  A.  Smith,  gewahrend,  daß  seine  Lehren  über 
Arbeitslohn,  Zinsfuß  und  Landrente  eigentlich  nur  Dar- 
stellung des  Bestehenden,  nicht  Auffassung  eines  diese  Po- 
tenzen bestimmenden  Gesetzes  sei,  sich  in  die  Tiefen  dieser 
Untersuchung  versenkt,  so  würde  er  sein  unsterbliches  Werk 
wahrscheinlich  nicht  vollendet  haben. 

Durch  das  große  H  e  r  s  c  h  e  1 '  sehe  Teleskop  wurden  die 
dem  bloßen  Auge  sichtbaren  Nebelflecke  am  Firmament  in  64 
Sterngruppen,  d.  i.  in  Weltsysteme  aufgelöst,  aber  es  zeigten 
sich  nun  andere  bisher  nicht  gesehene  Nebelflecke.  Durch 
das  in  unseren  Tagen  konstruierte  Riesenteloskop  sind  die 
Herschel'schen  Nebelflecke  wieder  in  Sterngruppen  aufgelöst. 


—    462    — 

aber  zugleich  auch  wieder  Nebelflecke  enthüllt,  die  für 
Herschel  noch  unsichtbar  waren. 

Wie  viele  Weltsysteme  mögen  nun  noch  jenseits  der 
Grenze  liegen,  bis  zu  welcher  das  Riesenteleskop  das  Auge 
führt ! 

Unendlich  aber  wie  das  Weltall  ist  auch  die  Wissen- 
schaft. Wie  dort  die  Verstärkung  der  Sehkraft  zur  Ent- 
deckung neuer  Weltsysteme,  aber  auch  zu  neuen  Geheimnissen 
führt:  so  enthüllen  sich  auch  mit  den  Entdeckungen  in  der 
Wissenschaft  dem  geistigen  Auge  neue  bisher  nicht  geahnte 
Probleme. 

Nachdem  A.  Smith  über  so  viele  Gegenstände  des 
bfirgerlichen  Lebens  Licht  verbreitet  und"  seinen  Nachfolgern 
die  Zeit  und  Mühe  des  eigenen  Forschen  s  hierüber  erspart 
hat,  sind  diese,  wenn  auch  minder  begabt,  verpflichtet,  die 
Lücken,  die  er  im  Wissen  gelassen,  auszufüllen,  und  —  neue 
Probleme  in  den  Gesichtskreis  zu  bringen. 


§  4. 
Arbeitslohn. 


Wenn  man  auf  die  ungleiche  Verteilung  der  Glücks- 
güter blickt  und  erwägt,  wie  geringe  die  mühsamen  körper- 
lichen Arbeiten  des  Tagelöhners,  die  doch  zugleich  die  un- 
entbehrlichsten sind,  bezahlt  werden:  so  drängen  sich  wohl 
jedem,  der  die  Geistesfreiheit  erlangt  hat,  die  mit  der  Mutter- 
milch eingesogenen  Eindrücke  und  Vorurteile  einer  Prüfung 
zu  unterwerfen  und  nach  dem  Grund  derselben  zu  forschen, 
die  Fragen  auf: 

1.  Warum  bezieht  der  Gutsbesitzer  ohne  Mühe  und  Arbeit 

eine  Rente  von  seinem  Boden ;  warum  kann  der  Arbeits- 

65  lohn  nicht  so  hoch  steigen,  daß  die  bisherige  Landrente 


—     463     — 

unter  die  Arbeiter  geteilt  wird,  die  anscheinend  einen 
viel  gerechteren  Anspruch  darauf  haben? 
2.  Ist  die  geringe  Belohnung  der  Handarbeit  in  der  Natur 
der  Gewerbe  und  des  Landbaues  begründet  und  somit 
dem  Willen  der  Vorsehung  entsprechend,  oder  ist  der 
jetzige  Zustand  durch  Gewalt  und  Unterdrückung,  der 
sich  die  arbeitende  Klasse  nicht  wieder  entziehen  kann, 
herbeigeführt  worden '? 
Unter    den    verschiedenen    Betrachtungsweisen,    durch 
welche  wir  Aufklärung  über  diesen  Gegenstand  zu  erlangen 
hoffen   dürfen,   scheint  die   Untersuchung  über  die   Frage: 
„welche  Folgen   hat  eine  Erhöhung   des  Arbeitslohns?"  am 
ersten  und  nächsten  zum  Ziele  führen  zu  müssen. 

In  der  "Wirklichkeit  sind  aber  die  Verhältnisse  des  ge- 
werblichen Lebens  so  ineinandergreifend  und  so  kompliziert, 
daß  der  Blick  in  dieselben  sich  verwirrt,  ehe  die  letzten 
Folgen  einer  Erhöhung  des  Arbeitslohns  erkannt  sind.  Bei 
der  Beantwortung  der  obigen  Frage  wenden  wir  uns  deshalb 
zuerst  dem  isolierten  Staat  zu,  wo  alle  Verhältnisse  möglichst 
einfach  vor  uns  liegen. 

An  der  Grenze  der  kultivierten  Ebene  des  isolierten 
Staats,  wo  der  Boden  keine  Rente  gibt,  und  der  Gutsertrag 
auf  die  Zinsen  des  in  den  Gebäuden  usw.  steckenden  Kapitals 
beschränkt  ist,  muß  durch  eine  Erhöhung  des  Arbeitslohns 
die  Landrente  negativ  werden,  d.  i.  unter  Null  herabsinken. 
Wenn  aber  der  Anbau  des  Bodens  für  den  Besitzer 
desselben  dauernd  mit  Verlust  verbunden  ist,  so  wird  der- 
selbe keine  neuen  Gebäude  mehr  errichten,  sondern  das  Gut 
verlassen ,  sobald  die  alten  Gebäude  dem  Einsturz  drohen. 
Der  Boden  bleibt  dann  wüst  liegen,  und  der  Anbau  des 
Bodens  zieht  sich  bis  auf  die  Entfernung  von  der  Stadt 
zurück,  wo  die  bisherige  Landrente  den  Betrag  des  erhöhten  66 
Arbeitslohns  zu  decken  vermag. 

Die  Arbeiter  aus   dem  jetzt  verlassenen  Kreise  müssen 


—    464    — 

iu  den  der  Stadt  näheren  Gegenden,  wo  auf  Kosten  der 
Landrente  ein  höherer  Lohn  gezahlt  werden  kann,  Arbeit 
und  Unterhalt  suchen.  Aber  auf  den  Gütern  in  diesen 
Gegenden  sind  schon  so  viele  Menschen  beschäftigt,  daß  das 
Arbeitsprodukt  des  zuletzt  angestellten  Arbeiters  nur  gerade 
noch  den  Lohn  deckt,  den  er  erhält.  Sollen  noch  mehr 
Arbeiter  angestellt  werden,  so  müssen  Kulturmethoden  an- 
gewandt werden,  die  weniger  einträglich  sind  und  sich  bei 
dem  bisherigen  Arbeitslohn  nicht  bezahlt  machen.  Es  können 
also  auch  die  hinzukommenden  Arbeiter  nur  dann  Beschäfti- 
gung finden,  wenn  sie  für  einen  noch  niedrigeren  Lohn  als 
den  bisherigen  arbeiten  wollen.  Die  Not  wird  sie  zur  An- 
nahme des  geringeren  Lohns  zwingen,  und  durch  die  Kon- 
kurrenz wird  dann  auch  der  Lohn  der  dort  schon  länger 
ansässigen  Arbeiter  herabgedrückt. 

Der  Versuch  den  Arbeitslohn  zu  erhöhen,  bewirkt  also 
das  Gegenteil,  und  die  Lage  der  Arbeiter  wird  dadurch  nur 
noch  schlechter. 

Wir  gelangen  hiermit  also  zu  dem  Resultat,  daß  der 
niedrige  Arbeitslohn  in  dem  Wesen  der  Gewerbe  begründet, 
und  daß  eine  Erhöhung  desselben  unmöglich  ist. 


Zu  diesem  Resultat  kann  man  aber  auch  auf  vielen 
anderen  Wegen  und  durch  andere  Schlußfolgen  gelangen,  und 
so  wird  es  erklärlich,  wie  die  Ansicht,  daß  dem  Arbeiter 
nichts  zukomme,  als  was  zu  seiner  Lebensfristung  notwendig 
ist,  sich  so  weit  hat  verbreiten  und  selbst  bei  den  Gelehrten 
so  tiefe  Wurzeln  hat  schlagen  können. 

Blanqui  (in    seiner  Geschichte    der   politischen   Öko- 
nomie, übersetzt  von  Büß,  2.  Band,  S.  162)  sagt  von  Say: 
67  ,,Er   folgte   dem   Vorurteil   der  Zeitgenossen,   welche 

den  Lohn  als  genügend  ansahen,  nicht  weil  er  leben 
ließ,  sondern  weil  er  am  Sterben  hinderte." 
Wenn  wir  aber  im  Denken  nicht  ermüden  und  uns  mit 


—    465    — 

der  gewonueneu  Ansicht  nicht  beruhigen,  sondern  die  Schluß- 
folgen, durch  welche  wir  jenes  Resultat  erlangt  haben,  bis 
auf  den  Grund  verfolgen :  so  ergibt  sich,  daß  wir  zu  diesem 
Resultat  nur  dadurch  gelangt  sind,  daß  wir  die  Höhe  des 
Zinsfußes  —  welche  der  Konstruktion  des  isolierten  Staats 
zu  gründe  liegt  —  als  unantastbar,  als  unabänderlich  be- 
trachlet  haben. 

Wenn  aber  der  Zinsfuß  erniedrigt  wird,  der  Kapitalist  von 
seinem  Kapitale  geringere  Einkünfte  bezieht:  so  kann  auch 
selbst  an  der  Grenze  der  kultivierten  Ebene  der  Arbeitslohn  er- 
höht werden,  ohne  daß  der  Anbau  des  Bodens  aufhört,  und 
ohne  daß  auch  nur  ei  n  Arbeiter  entbehrlich  und  brotlos  wird. 

Damit  haben  nun  jene  Schlußfolgen  ihi-e  Basis  und  ihren 
ganzen  Halt  verloren. 

Die  Frage  über  die  Verbesserung  des  Zuslandes  der 
Arbeiter  reduziert  sich  also  in  der  einfachsten  Form  auf  die : 
Kann  nicht  der  Zinsfuß  erniedrigt  werden,  um  dem 
Arbeiter  einen  größern  Anteil  an  seinem  Arbeitserzeug- 
nis zukommen  zu  lassen  und  dadurch  seinen  Lohn  zu 
erhölien  ? 

Die  Höhe  des  Zinsfußes  kann  aber  auch  nicht  willkür- 
lich, nicht  bloß  zufällig  sein,  sondern  es  muß  auch  hierin 
Gesetzmäßigkeit  walten. 

Wir  werden  hierdurch  unmittelbar  darauf  geführt,  daß  die 
Bestimmung  des  naturgemäßen  Arbeitslohns  abhängig  ist  von 
der  Kenntnis  der  Gesetze,  wodurch  die  Höhe  des  Zinsfußes 
und  das  Verhältnis  desselben  zum  Arbeitslohn  bestimmt  wird. 

Damit  betreten  wir  nun  die  Schwelle  einer  schwierigen 
und  verwickelten  Untersuchung. 

Da  ein  schon  im  Jahre  1826  niedergeschriebenes  Frag- 68 
ment,  den  Zinsfuß  betreffend,   das  aufgestellte  Problem  imd 
die  zu  lösenden  Fragen   näher  entwickelt,   so  teile  ich  dies 
Fragment  hier  zunächst  mit. 


Thüuen,  Der  isolierte  Staat.  30 


466     — 


Über  die  Höhe    des  Zinsfusses,   in   dialogischer 

Form. 

A.  Kannst  du  mir  sagen,  warum  der  Zinsfuß  jetzt  an 
diesem  Orte  5  "^/o,   "warum  er  nicht  2,  oder  auch  10  ^/o  ist? 

B.  Der  Zinsfuß  wird  ebenso,  wie  der  Preis  jeder  Ware- 
durch  das  Verhältnis  des  Angebots  zur  Nachfrage  bestimmt. 
Ist  nun  der  Zinsfuß  5%,  so  beweist  dies,  daß  bei  diesem 
Zinssatz  Angebot  und  Nachfrage  im  Gleichgewicht  sind. 
Stiege  durch  zufällige  Einwirtungen  der  Zinsfuß  auf  10  %, 
so  würde  das  Angebot  zunehmen,  die  Nachfrage  abnehmen,, 
und  dies  würde  ein  Sinken  des  Zinssatzes  zur  Folge  haben. 
Der  umgekehrte  Fall  träte  ein,  wenn  der  Zinsfuß  momentan 
bis  zu  2  °/o  heruntergegangen  wäre. 

A.  Diese  Antwort  entspricht  dem,  was  wir  in  den 
uationalökonomischen  Schriften  über  diesen  Gegenstand 
finden;  aber  sie  befriedigt  mich  nicht:  denn  sie  gibt  nur 
die  Erscheinung ,  nicht  den  Grund  an.  Daß  Angebot  und 
Nachfrage  im  Gleichgewicht  sind,  wenn  der  Zinsfuß  konstant, 
z.  B.  5^/o  geworden  ist,  versteht  sich  von  selbst;  ich  will 
aber  wissen,  warum  Angebot  und  Nachfrage  gerade  bei  5, 
und  nicht  bei  2,  oder  10 ''/o  im  Gleichgewicht  sind. 

B.  Dies  hängt  von  der  Größe  des  vorhandenen  National- 
kapitals ab.  Je  reicher  eine  Nation  ist,  desto  niedriger  ist 
der  Zinsfuß,  und  umgekehrt,  je  äi-mer,  desto  höher  ist  der- 
selbe. Deshalb  sinkt  der  Zinsfuß  beim  zunehmenden  Reich- 
tum, bleibt  konstant  beim  stillstehenden,  und  steigt  beim  ab- 
nehmenden Nationalreichtum. 

69  A.  Dies  sind  aus  der  Erfahrung  entnommene  Sätze,  die 
als  solche  ihren  Wert  haben  ;  aber  sie  geben  wiederum  nur 
die  Erscheinung,  nicht  den  Grund  der  Erscheinung  an.  Denn 
warum  ist  der  Zinsfuß  niedriger  bei  reichen,  höher  bei  armen 
Nationen  ? 


—    467     — 

B.  Nichts  ist  leichter  zu  beantworten.  Denn  so  wie 
t'berfluß  an  "Waren  niedrige  Preise  erzeugt,  so  erzeugt  auch 
l'berfluß  an  Kapital  einen  niedrigen  Zinsfuß. 

A.  Auf  diese  Weise  drehen  wir  uns  aber  stets  im  Kreise 
herum.  Ich  muß  nun,  um  diese  Zirkelschlüsse  zu  durch- 
schneiden, die  Frage  an  dich  richten:  aus  welchem  Grunde 
entsteht  denn  Überfluß  an  Waren  und  Kapital? 

B.  Sparsamkeit,  Fleiß  und  Geschicklichkeit  erzeugen 
Überfluß  an  Waren  und  somit  auch  an  Kapital. 

A.  Gut,  diese  Eigenschaften  des  Menschen  muß  ich  als 
Quellen  des  Nationalreichtums  gelten  lassen;  aber  werden 
zwei  Nationen,  die  diese  Eigenschaften  in  gleich  hohem 
Grade  besitzen,  immer  auf  gleicher  Stufe  des  Reichtums 
stehen  und  einen  Zinsfuß  von  gleicher  Höhe  haben? 

B.  Nein,  das  nicht.  Die  Anwendung  gleicher  Kräfte 
auf  guten  und  auf  schlechten  Boden,  in  einem  rauhen  und 
in  einem  milden  Himmelsstrich,  unter  einer  despotischen,  die 
Untertanen  mit  Abgaben  bedrückenden  Regierung  und  unter 
einer  Regierung,  die  Freiheit  und  Gesetzlichkeit  w^alten  läßt 
—  muß  ein  selir  verschiedenes  Resultat  liefern.  Die 
geistigen  Eigenschaften  des  ilenschen,  und  die  Beschaffen- 
heit des  Objekts ,  worauf  dieselben  angewandt  werden, 
wirken  gemeinschaftlich  auf  die  Größe  des  Erzeugnisses. 

A.  Gesetzt  nun  England  und  Nordamerika  hätten  Be- 
wohner von  gleichem  Nationalcharakter,  und  Boden,  Klima 
und  Verfassung  wären  in  beiden  Ländern  gleich  —  folgt 
hieraus,  daß  der  relative  Nationalreichtum,  d.  i.  der  auf 
einen  Kopf  fallende  Teil  des  Gesamtreichtums,  und  der 70 
Zinsfuß  in  beiden  Ländern  gleich  hoch  sein  müssen? 

B,  Nein ;  denn  England  ist  ein  schon  seit  Jahrhunderten 
hochkultiviertes  Land,  während  Nordamerika  erst  kurze  Zeit 
von  zivilisierten  Yölkern  bewohnt  wird,  dasselbe  noch  große 
Strecken  fruchtbaren  aber  unbebauten  Bodens  besitzt,  die 
eine  weite  und  nützliche  Anwendung  des  Kapitals  gestatten 

30* 


—    468    — 

•—  und  deshalb  muß  hier  der  Zinsfuß  höher  sein  als  in 
England. 

A.  Also  nicht  die  geistigen  Kräfte  des  Menschen  und 
das  Objekt,  worauf  sie  angewandt  werden,  entscheiden  allein 
über  die  Größe  des  relativen  Nationalreichtums  und  des 
Zinsfußes,  sondern  wenn  in  zwei  Ländern  beide  Faktoren 
gleich  sind,  tritt  die  Zeitdauer,  während  welcher  beide 
Länder  bewohnt  sind,  als  dritter  den  Zinsfuß  regulierender 
Faktor  ein. 

Betrachten  wir  nun  genauer,  welcher  Unterschied 
zwischen  einem  schon  längere  und  einem  erst  kürzere  Zeit 
bewohnten  Lande  —  bei  Gleichheit  des  Klimas,  des  Bodens 
und  der  Bewohner  —  stattfindet:  so  zeigt  sich,  daß  im 
ersteren  nicht  bloß  der  fruchtbare,  sondern  auch  der  sandige 
Boden  und  die  wenig  lohnenden  Hügel  bebaut  sind,  während 
in  letzterem  nur  erst  die  fruchtbaren  Täler  d^r  Kultur  unter- 
worfen sind  —  wo  dieselbe  menschliche  Arbeit  mit  einem 
weit  größeren  Erzeugnis  gelohnt  wird  als  auf  dem  sandigen 
und  hügeligen  Boden. 

Aus  dieser  Beobachtung  der  in  der  Wirklichkeit  statt- 
findenden Verhältnisse  können  wir  nun  folgern: 

1.  daß  der  Zinsfuß  steigt,  wenn  die  Arbeit  lohnender 
wird,  d.  i.  ein  größeres  Produkt  liefert; 

2.  daß  es  einen  großen  Unterschied  in  der  Höhe  des 
Zinssatzes  hervorbringt,  ob  dasselbe  Nationalkapital  auf  1 
oder  2  Quadratmeilen  verteilt  ist,  daß  also  nicht  das  abso- 
lute, sondern  nur  das  relative  Nationalkapital,  d.  i.  das  mit 
der  Größe  des  angebauten  Landes  und  mit  der  Bevölkerung 

71  verglichene  Nationalvermögen  einen  wesentlichen  Einfluß  auf 
die  Höhe  des  Zinsfußes  ausübt. 

Aber  mit  allen  diesen  Erörterungen  sind  wir  nun  dahin 
gekommen,  die  Umstände  anzugeben,  unter  welchen  der  Zins- 
fuß höher  oder  niedriger  ist. 

Kannst  du  aber  wohl  für  irgend  ein  Land,   das  du  in 


—    469    — 

allen  seinen  Verhältnissen  genau  kennst,  bestimmen,  ohne 
die  Erfahrung  zu  Hilfe  zu  nehmen,  wie  hoch  der  Zinsfuß, 
in  Zahlen  ausgesprochen,  hier  sein  muß? 

B.  Die  Höhe  des  Zinsfußes  wird  bedingt  durch  die 
Größe  der  Nutzung,  die  ein  im  Landbau  und  in  den  Ge- 
werben angelegtes  Kapital  gewährt.  Ein  auf  die  Urbar- 
machung eines  reichen  Bodens  verwandtes  Kapital  kann  sich 
mit  10  ^/o  oder  noch  höher  verzinsen.  Ist  aber  der  reiche 
Boden  erst  sämtlich  in  Besitz  genommen,  und  wendet  sich 
die  Urbarmachung  dem  Boden  von  minderer  Güte  zu,  so 
sinkt  nach  und  nach  die  Nutzung  des  verwandten  Kapitals 
auf  5,  4  oder  gar  3  %  zurück. 

Die  Höhe  des  Zinsfußes,  in  Zahlen  ausgesprochen, 
hängt  also  davon  ab,  welche  Güte  der  noch  nicht  in  Kultur 
genommene  Boden  hat,  und  bis  zu  welchem  Grade  die  auf 
dem  bereits  kultivierten  Boden  gemachten  Verbesserungen 
gediehen  sind. 

A.  Diese  dem  scharfsinnigen  Ricardo  entnommene 
Erklärung  ist  für  die  gewöhnlichen  Verhältnisse  zutreffend 
und  praktisch  brauchbar;  aber  sie  genügt  nicht  zur  Be- 
gründung eines  allgemeinen  Gesetzes. 

Man  versetze  sich  nur  im  Gedanken  nach  einer  un- 
ermeßlichen, bisher  nicht  angebauten  Ebene,  die  durchaus  auf 
jeder  Stelle  gleich  fruchtbar  und  noch  keines  Menschen 
Eigentum  ist,  und  frage  dann:  „wie  wird  sich  hier  das 
Verhältnis  zwischen  Zinsfuß  und  Arbeitslohn  gestalten,  und 
welche  Höhe  wird  der  Zinsfuß  erlangen,  wenn  diese  Ebene 
urbar  gemacht  wird?" 

Jene   Erklärung,    die    sich  auf  den   A^orzug   des   einen  72 
Bodens  vor  dem  anderen  gründet,   wird  hier,   wo   gar  kein 
Vorzug  stattfindet,   völlig   unbrauchbar  und   zeigt  eben  da- 
dm-cli,  wie  wenig  sie  den  Forderungen,  die  man  an  ein  all- 
gemeines Gesetz  machen  muß,  Genüge  leistet. 


—     470     — 

Außer  dieser  Unzulänglichkeit  trägt  jene  Erklärung  noch 
einen  anderen  Mangel  in  sich. 

Wir  müssen  nämlich  bei  ihrer  Anwendung  stets  die 
Erfahrung  zur  Hilfe  nehmen  und  unser  Wissen  daraus 
schöpfen.  Wir  wollen  aber  nicht  wissen,  was  geschehen 
ist,  sondern  wir  wollen  die  Gründe  kennen,  aus  welchen 
das  Geschehene  hervorgegangen  ist. 

B.  Ich  verstehe  nicht  ganz,  was  du  damit  sagen  willst? 

A.  Ein  Beispiel  Avird  dies  deutlich  machen. 

Man  sagt,  der  Preis  jedes  Produkts,  jeder  Ware  wird 
bestimmt  durch  das  Verhältnis  des  Angebots  zur  Nachfrage. 

Wer  sich  mm  durch  diese  Erklärung  befriedigt  fühlt, 
kann  den  Preis  der  AVertgegenstände  nie  anders  als  aus  der 
Erfahrung  entnehmen ;  er  vermag  nicht  den  Preis  irgend- 
eines Produkts  oder  Fabrikats  wissenschaftlich  zu  bestimmen ; 
er  hat  die  Preisbestimmung  blinden  Gewalten-  übergeben  und 
braucht  sich  nun  nicht  abzuquälen  über  die  Gründe,  warum 
der  Preis  gerade  dieser  und  kein  anderer  ist.  Wer  aber 
tiefer  eindringt,  wird  erkennen,  daß  das  Yerhältnis  zwischen 
Angebot  und  Nachfrage  nur  die  äußere  Erscheinung  einer 
tieferliegenden  Ursache  ist.  Wenn  ein  Markt  mit  Waren 
überfüllt  wird,  so  ist  dies  nicht  ein  bloßer  Zufall,  sondern 
ein  Zeichen ,  daß  die  früher  hier  bezahlten  Preise  so  hoch 
waren,  daß  eine  größere  Hervorbringung  dieser  Waren  vor- 
teilhaft wurde.  Der  frühere  zu  hohe  Preis  ist  also  Ursache 
des  Überflusses,  der  nun  Preise  erzeugt,  die  zu  niedrig  sind. 
Auf  diese  Weise  bleiben  die  Marktpreise  im  steten  Schwanken ; 
73 aber  der  Produktionspreis  ist  —  wie  A.  Smith  sich  treffend 
ausdrückt  —  der  Mittelpunkt,  gegen  welchen  die  Markt- 
preise stets  gravitieren.  Stimmen  aber  Marktpreis  und  Pro- 
duktionspreis einmal  überein,  so  ist  weiter  keine  Ursaclie 
weder  zu  einer  zu  großen  noch  zu  geringen  Hervorbringung, 
und  Angebot  und  Nachfrage  stehen  dann  itn  Gleichgewicht. 
Der   Produktionspreis    ist    also    der   Regulator   des   Markt- 


—    471    — 

Preises,  imd  dieser  muß  trotz  der  unzäliligen  Abweichungen 
im  Durchschnitt  eines  großen   Zeitraums   doch  Avieder  mit 
^em  ersteren  zusammenfallen. 
Meine  Frage  ist  nun  die: 
gibt  es  für  den  Preis  eines  Kapitals,  d.  i.  für  die  Höhe 
des  Zinsfußes,   einen  solchen  Regulator,   ^vie  ihn  der 
Preis  der  Waren  in  den  Produktionskosten  findet,  und 
welches  ist  der  Maßstab  für  die  Produktionskosten  des 
Kapitals  ? 
B.  Dies  vermag  ich  nicht  zu   beantworten,  und  wie  es 
mir  scheint,  ist  alles,   was  bisher  in  der  Nationalökonomie 
geleistet  ist,  nicht  genügend,  um  hierauf  eine  befriedigende 
Antwort  zu  erteilen. 

A.  Die  Sache  ist  aber  von  großer  Wichtigkeit.  Solange 
Avir  hierüber  nicht  aufs  klare  sind,  vermögen  wir  nicht 
einmal  den  Produktionspreis  der  Waren  wissenschaftlich 
darzustellen :  denn  zu  den  Elementen ,  die  den  Warenpreis 
bestimmen,  gehören  auch  die  Zinsen  des  angewandten  Kapitals, 
kennen  wir  diese  aber  nur  aus  der  Erfahrung,  d.  i.  aus  der 
Erscheinung,  so  mischen  wir  in  dasjenige,  was  wir  erklären 
und  wissenschaftlich  begründen  wollen ,  die  äußere  Er- 
scheinung selbst  als  Grund  ein,  mid  drehen  uns  so  in  einem 
Zirkelschluß  herum,  der  zu  keinem  Resultat  führt. 

B.  Es  fragt  sich  aber,  ob  eine  solche  Bestimmung  des 
Zinsfußes,  wie  du  sie  wünschest,  möglich  ist,  und  ob  eine 
Verbindung  zwischen  Zinsfuß  und  Arbeitslohn  wirklich  statt- 
findet. 

A.  Überall,  wohin  wir  blicken,  sehen  wir  Zinsfuß  und 
Arbeitslohn  in  bestimmten  Zahlen  ausgesprochen.  Der  Zins-  74 
fuß,  der  sich  so  gebildet  hat,  ist  aber  nicht  das  Werk  des 
Zufalls  oder  des  blinden  Waltens,  sondern  ist  entsprungen 
aus  dem  Zusammenwirken  von  Menschen ,  die  sämtlich  von 
einem  verständigen  Eigennutz  geleitet,  gemeinschaftlich  — 
wie  die  Bienen  am  Bau  der  Zelle  —  an  einem  großen  Werk 


—     472     — 

arbeiten.  Da  hier  der  Eigennutz  durch  den  Verstand  ge- 
leitet wird,  so  muß  auch  das,  was  der  Eigennutz  hervor- 
gebracht hat,  wiederum  durch  den  Verstand  begriffen  werden 
können.  Es  handelt  sich  also  nicht  darum,  neue  Gesetze  zu 
entdecken ,  sondern  es  soll  nur  das ,  was  schon  geschehen 
ist,  begriffen  und  dadurch  klar  werden,  wie  es  geschehen  ist. 
Es  soll  das,  was  der  Verstand  unzähliger  Menschen  — 
wovon  jeder  an  dem  großen  Bau  mitarbeitet,  aber  nur  die 
Stelle  übersieht,  wo  er  selbst  arbeitet  —  hervorgebracht  hat^ 
durch  den  Verstand  des  einzelnen  aufgefaßt  werden  und  in 
diesem  sich  zur  Übersicht  und  Klarheit  gestalten. 


Bestimmungen  und  Voraussetzungen. 

1.  "Wertmesser. 

ilan  ist  gewohnt,  den  Ertrag  eines  Gutes  sowie  die 
mit  dem  Landbau  verbundenen  Kosten  in  Geld  anzugeben 
und  auszusprechen,  obgleich  ein  Teil  der  Ausgaben,  z.  B. 
das  Saatkorn,  das  Pferdefutter  u.  m.  a.  niemals  in  den  Handel 
gekommen  und  nicht  gegen  Geld  umgesetzt  ist.  Nun  dient 
aber  ein  großer  Teil  des  für  Korn  und  andere  Produkte 
eingenommenen  Geldes  nur  dazu,  um  andere  Bedürfnisse, 
z.  B.  Baumaterialien ,  Schmiede- ,  Sattlerarbeiten  usw.  dafür 
einzukaufen.  Eigentlich  werden  also  diese  Bedürfnisse  für 
Korn  eingetauscht,  und  in  der  Tat  hat  der  Landwii't  nichts 
anderes  als  seine  Erzeugnisse,  wofür  er  die  Waren,  deren 
75er  bedarf,  eintauschen  kann.  Das  Geld  dient  hier  bloß  als 
Mittel  zum  Tausch. 

Die  Summe  des  für  Korn  in  einem  Jahre  eingenommenen 
Geldes,  verglichen  mit  der  Summe  des  verkauften  Korns, 
ergibt  den  Preis  eines  Scheffels  Roggen,  wenn  alles  Korn 


—    473    — 

auf  Roggen  reduziert  ist.  Die  für  irgendein  Bedürfnis, 
z.  B.  Schmiedearbeit  ausgegebene  Geldsumme,  dividiert  durch 
den  Preis  des  Scheffels  Roggen,  ergibt  die  Zahl  der  Scheffel 
Roggen,  die  man  zur  Erlangung  dieses  Bedürfnisses  hat 
hingeben  müssen.  Auf  diese  AVeise  ließe  sich  die  Rechnung 
über  Einnahme  und  Ausgabe  eines  Gutes  ganz  in  Scheffel 
Roggen  führen.  Eine  solche  Rechnung  würde,  beiläufig 
gesagt,  ein  helleres  Licht  über  manche  Punkte  verbreiten: 
es  würde  sich  mit  einem  Blick  übersehen  lassen,  wie  bei 
fallenden  Getreidepreisen  und  gleichbleibenden  Abgaben  an 
den  Staat,  diese  einen  weit  größeren  Teil  vom  Ertrage  des 
Guts  hinwegnehmen,  also  in  der  Tat  erhöht  sind;  ferner 
wie  das  Sinken  des  Getreidepreises  bei  gleichbleibendem 
Geldlohn  der  Arbeiter  den  reellen  Lohn  erhöht  und  dem 
Arbeiter  einen  weit  größeren  Anteil  am  Gutsertrage  ver- 
schafft usw. 

Für  unsere  Untersuchung  nehmen  wir  nun  den  Roggen 
als  Wertmesser  und  einen  Berliner  Scheffel  dieser  Kornart 
als  Einheit  an, 

2.  Lohn   der   Arbeit. 

Der  freie  Ai'beiter  besitzt  in  der  Regel  als  Eigentum 
eioiges  Vieh  —  eine  Kuh,  Schweine  und  Federvieh  —  das 
nötige  Hausgerät  und  einen  Teil  der  Werkzeuge  —  Spaten, 
Beile  usw.  —  womit  er  arbeitet.  Der  Lohn,  den  er  erhält, 
ist  also  nicht  bloß  Belohnung  seiner  Arbeit,  sondern  ist  zu- 
gleich Vergütung  für  den  Gebrauch  des  Kapitals,  das  er 
besitzt,  und  umfaßt  also  den  Lohn  für  die  Arbeit  an  sich 
und  die  Zinsen  des  Kapitals. 

Hier  ist  unser  Bestreben    aber    darauf   gerichtet ,    den  76 
Lohn   für  die  Arbeit  an  sich  zu  ermitteln,   und  was  ich  in 
der  Folge  Arbeitslohn  nenne,  ist  derjenige  Teil  des  Lohns, 
welcher  nach  Abzug  der  Zinsen  jenes  Kapitals   noch  librig 
bleibt. 


—     474    — 

Um  über  die  Größe  der  Einnahme  eines  Arbeiters  zu 
urteilen,  ist  der  Lohn,  den  dieser  für  eine  Tagearbeit  erhält, 
kein  richtiger  Maßstab,  denn 

1.  ist  der  Tagelohn  gewöhnlich  nach  der  Verschiedenheit 
der  Jahreszeiten  und  der  Arbeiten  verschieden  —  höher 
im  Sommer  als  im  \Yinter,  höher  bei  den  Ernte-  als 
bei  den  Bestellungsarbeiten; 

2.  hat  es  auf  den  Erwerb  des  Arbeiters  einen  großen 
Einfluß,  ob  derselbe  während  des  ganzen  Jahres  Arbeit 
und  Verdienst  hat,  oder  nur  in  einem  Teil  des  Jahres 
Beschäftigung  findet; 

3.  bekommt  der  Arbeiter  neben  dem  Geldlohn,  der  ihm 
als  Tagelohn  gereicht  wird,  häufig  noch  Emolumente, 
wie  Wohnung,  Garten,  Kuhweide,  Brennmaterial  usw. 
entweder  unentgeltlich,  oder  doch  zu  einem  niedrigen 
Preise;   und 

4.  hat  es  auf  den  Erwerb  eines  Tagelöhners  einen  großen 
Einfluß,  ob  und  in  welchem  Grade  dessen  Frau  und 
unerwachsene  Kinder  Arbeit  und  Verdienst  finden. 

Um  nun  einen  bestimmteren  Maßstab  für  den  Arbeits- 
lohn zu  erhalten,  fasse  ich  das,  was  der  Arbeiter  mit  seiner 
Frau  und  seinen  unerwachsenen  Kindern  bis  zum  Älter  von 
14  Jahren  für  die  Arbeit  während  eines  ganzen  Jahrs 
an  Geld  und  Eraolumenten  erhält,  zusammen,  ziehe  hiervon 
die  Zinsen  des  im  Hausgerät,  in  den  Werkzeugen  usw. 
steckenden  Kapitals  ab  und  nenne  das  Übrigbleibende  „den 
Lohn  für  die  Jahresarbeit  einer  Arbeiterfamilie".  Zur  Ab- 
kürzung setze  ich  dafür  aber  im  Verfolg  dieser  Schrift: 
„Lohn  für  1  J.  A.  eines  Mannes." 
77  Den  Betrag  des  so  ermittelten  Lohns,  dem  "Wert  nach 
auf  Berliner  Schefi"cl  Roggen  reduziert  und  in  Scheffeln 
Roggen  ausgedrückt,  bezeichne  ich  mit  „A". 


—    475    — 

3.   Arbeitsprodukt. 

Wenn  man  von  dem  rohen  Ertrage  eines  Guts  alles  in 
Abzug  bringt,  was  zur  Erhaltung  der  Gebäude  imd  des 
Inventars  in  demselben  Bestand  und  demselben  Wert  gehört, 
was  zur  Saat  und  zum  Yiehfutter  erforderlich  ist,  sowie  die 
Administratiouskoslen  und  den  Gewerbsprofit  des  Unter- 
nehmers, und  überhaupt  alles  abrechnet,  was  zur  Erhaltung 
der  Wirtschaft  notwendig  ist  und  weder  dem  Eigen- 
tümer des  Guts  bei  einer  Verpachtung  noch 
den  Arbeitern  zu  Nutzen  kommt:  so  nenne  ich  den 
Überschuß,  der  sich  dann  ergibt  und  der  unter  dem  Guts- 
herrn und  den  Arbeitern  verteilt  werden  soll,  das  Arbeits- 
produkt; und  dieses,  dividiert  durch  die  Zahl  der  mit  der 
Hervorbringung  desselben  beschäftigt  gewesenen  Arbeiter, 
ergibt  die  Größe  des  Arbeitsprodukts  eines  Mannes,  welches 
ich  mit  „p"  bezeichne.  Bei  Gewerbsunternehmungen  ward 
das  reine  Arbeitsprodukt,  welches  übrig  bleibt,  nachdem  der 
Unternehmer  Administrationskosten  und  Gewerbsprofit  be- 
zogen hat,  zwischen  dem  Besitzer  des  in  dem  Gewerbe 
steckenden  Kapitals  und  den  Arbeitern  geteilt. 

4.   Die   Arbeiter. 

Wenn  man  auf  einem  Gut  oder  einem  Güterkomplex 
die  verrichtete  Arbeit  und  das  gesamte  Arbeitsprodukt  durch 
die  Zahl  der  Arbeiter  teilt,  so  ergibt  sich,  was  ein  Arbeiter 
im  Durchschnitt  geleistet  und  hervorgebracht  hat,  und 
nach  diesem  Durchschnitt  entwirft  man  seine  Anschläge  und 
Berechnungen.  Bei  einem  solchen  Kalkül  gehört  die  große 
Verschiedenheit  zwischen  den  Individuen  in  bezug  auf  Fähig-  7^ 
keiten  und  Leistungen  nicht  zum  Gegenstand  der  Betrach- 
tung. Die  Leistungen  der  Gesamtheit  werden  durch  das 
Durchschnittsresultat  repräsentiert  und  erhalten  darin  ihr  Maß. 

In  diesem  Sinne  ist  es  nun  auch  erlaubt,  von  der  Un- 
gleichheit zwischen  den  Arbeitern  zu  abstrahieren  und   alle 


—     476    — 

Arbeiter  derselben  Klasse  in  bezug  auf  Kraft,  Geschicklich- 
keit,  Fleiß,  Pflichttreue  usw.  als  völlig  gleich  anzunehmen. 
Diese   Annahme    liegt    nun    unseren    nächsten    Unter- 
suchungen zugrunde. 

5.   Subsistenz mittel. 

Das,  was  eine  Arbeiterfamilie  zu  ihrem  Unterhalte  not- 
wendig bedarf,  hängt  gar  sehr  von  der  Zahl  der  Kinder^ 
die  sie  erzielt,  ab  und  läßt,  wenn  hierüber  nichts  bestimmt 
wird,  selbst  keine  Bestimmung  zu. 

Da  es  unser  Zweck  ist,  die  Gesetze,  welche  den  Arbeits- 
lohn und  Zinsfuß  regulieren,  für  den  beharrenden  Zustand 
der  bürgerlichen  Gesellschaft  zu  erforschen,  so  müssen  wir 
auch  die  Zahl  der  Arbeiter  als  gleichbleibend  ansehen,  und 
annehmen,  daß  die  arbeitenden  Familien  im  ganzen  so  viele 
Kinder  erzielen,  als  zum  Ersatz  der  durch  Alter  und  Tod 
abgehenden  Arbeiter  erforderlich  sind.  Die  Arbeitskraft  er- 
scheint dadurch  als  eine  sich  nicht  abnutzende,  unveränder- 
liche Größe. 

Die  Summe  der  Subsistenzmittel,  welche  eine  Arbeiter- 
familie —  unter  dieser  Beschränkung  —  zur  Erhaltung 
ihrer  Arbeitsfähigkeit  notwendig  bedarf,  setze  ich  für 
jede  Familie  im  Wert  gleich  a  Scheffel  Roggen  jährlich. 

Diese  mit  „a"  bezeichneten  Unterhaltsmittel  betrachten 
wir  als  eine  durch  die  Erfahrung  gegebene  bekannte  Größe, 

Was  wir  hier  als  zum  Unterhalt  notwendig  betrachten, 
darf  nicht  verwechselt  Averden  mit  dem,  was  nach  Blanqui's 
79 Ausdruck  hinreicht,  um  am  Sterben  zu  hindern:  denn  es 
soll  durch  diese  ünterhaltsmittel  dem  Arbeiter  nicht  bloß 
das  Leben,  sondern  auch  die  Arbeitsfähigkeit  erhalten  werden. 
Andererseits  bleiben  alle  Genußmittel,  die  hiei-zu  nicht  absolut 
erforderlich  sind,  von  dem,  was  wir  mit  „a"  bezeichnen, 
ausgeschlossen. 

Wenn  man  von   dem   Arbeitslohn   r=  A  das,   was   der 


—     477     — 

Arbeiter  notwendig  verbrauchen  muß,  also  a,  abzieht,  so 
•ergibt  sich  für  den  Arbeiter  ein  Überschuß  von  A  —  a, 
wofür  wir  y  setzen.    Es  ist  dann  A  ^  a  -|-  y. 

6.   Kapital. 

Unter  „Kapital"  verstehe  ich  das  unter  Mitwirkung  der 
Naturkräfte  durch  die  menschliche  Arbeit  hervorgebrachte 
Erzeugnis,  welches  zur  Erhöhung  der  Wirksamkeit  mensch- 
licher Arbeit  dienlich  ist  und  angewandt  wird,  vom  Grund 
und  Boden  aber  —  wenn  auch,  wie  bei  Bäumen  und  Ge- 
bäuden, mit  Verletzung  der  Form  —  trennbar  ist. 

7.   Zinsfuß   oder  Zinssatz. 
In  den   für  ein  ausgeliehenes  Kapital   eingenommenen 
Zinsen  sind  in  der  Regel  zwei  Bestandteile  enthalten;  nämlich 

1.  die  A^ergütung,  welche  der  Borger  für  die  zeitweise 
Nutzung  des  Kapitals,  unter  der  Bedingung,  dasselbe 
im  gleichen  Wert  wieder  abzuliefern,  zahlt; 

2.  die  Assekuranzprämie  für  den  möglichen  und  in  einer 
längeren  Periode  beim  Ausleihen  öfters  vorkommenden 
Verlust  des  Kapitals  selbst. 

Was  ich  in  dieser  Schrift  „Zinsfuß"  nenne,  umfaßt  nur 
den  ersten  dieser  beiden  Bestandteile. 

Der  Zinsfuß  in  diesem  Sinne  kann  in   der  Wirklichkeit 
nur   an   den  Zinsen,   welche  für  die  gegen  erste  Hypothek 
ausgeliehenen    und    für  unverlierbar    gehaltenen   Kapitalien  80 
gezahlt  werden,  sich  zeigen  und  zur  Kenntnis  kommen. 

Den  auf  diese  Weise  bestimmten  Zinsfuß  bezeichne  ich 
mit  ,.Z". 

8.   Landrente. 
Der  Begriff  von  Landrente  ist  im   1.  Teil,   2.  Auflage, 
,^  5  a  ausführlich  erörtert.     Um  indessen  meinen  Lesern  das 
Nachschlagen  zu  ersparen,   bemerke  ich  hier  in  der  Kürze: 


—     478     — 

daß  ich  unter  Landrente  nicht,  wie  Adam  Smith,  Say 
11.  a. ,  die  Griitseiakünfte,  sondern  die  Rente  verstehe^ 
welche  von  den  Gutseinkünften  nach  Abzug  der  Zinsen 
vom  Wert  der  Gebäude,  der  Waldungen,  der  Ein- 
zäunungen und  überhaupt  aller  vom  Boden  trenn- 
baren Wertgegenstände  übrig  bleibt. 


§  7. 

Unternehmergewinn,  Industriebelohnung, 
Gewerbsprofit.*) 

a)  Unternehmer  gewinn. 

Wenn  man  v^on  dem  Gewinn,  den  der  Unternehmer 
eines  Gewerbes  bezieht,  in  Abzug  bringt: 

1.  die  Zinsen  des  angewandten  Kapitals, 

2.  die  Assekuranzprämie  für  Schiffbruch,  Feuersgefahr, 
Hagelschlag  usw., 

3.  die  Besoldung  eines  Kommis,  Administrators  usw.,  der 
die  Geschäftsführung,  Anordnung  des  Ganzen  und  die 
Aufsicht  übernimmt, 

81  so  bleibt  in  der  Regel  für  den  Unternehmer  noch  ein  Über- 
schuß —  und  dies  ist  der  Unternehmergewinn. 

Worin  ist  nun  dieser  begründet,  und  was  ist  die  Ur- 
sache, daß  dieser  niclit  durch  die  Konkurrenz  der  Unter- 
nehmer selbst  vernichtet  wird  —  da  doch  die  Anwendung 
des  Kapitals  durch  die  in  Rechnung  gebrachten  Zinsen,  die 
Gefahr  beim  Geschäft  durch  die  in  Abzug  gebrachten  Asse- 
kuranzbeiträge,  und  die  Arbeit  und   Mühe   der  Geschäfts- 


*)  Das  Gründlichste  und  Wertvollste,  was  ich  über  diesen 
Gegenstand  irgendwo  getroffen,  ist  enthaltend  in  Hermann 's 
„Staatswirtschaftliche  Untersuchungen", p.  145 — 265.  München  1832. 


—    479    — 

führung  durch  die  Besoldung  des  Administrators  vergütet 
und  aufgewogen  -wird? 

Beantwortung  dieser  Frage. 

Es  gibt  keine  Assekuranzgesellschaft  gegen  alle  und  jede 
Gefahr,  die  mit  der  Übernahme  eines  Gewerbes  verbunden 
ist;  ein  Teil  der  Gefahr  muß  immer  von  dem  Unternehmer 
selbst  getragen  werden.  Durch  das  bloße  Sinken  der  Preise 
der  Produkte,  Fabrikate  und  Handelswaren  kann  der  Pächter 
eines  Guts,  der  Fabrikant  wie  der  Kaufmann,  sein  ganzes 
Yermügen  verlieren  —  und  gegen  diese  Gefahr  gibt  es  keine 
Assekuranzgesellschaft. 

Nun  kann  man  dagegen  erwidern: 

Wer  beim  Beginn  seines  Unternehmens  seinen  Anschlag 
auf  die  bisherigen  Mittelpreise  der  Produkte  oder  Waren 
gründet,  kann  zwar  durch  das  Sinken  des  Preises  unter  den 
bisherigen  Miltelpreis  verlieren;  aber  ebenso  oft,  vielleicht 
öfter,  wird  er  durch  das  Steigen  des  Preises  gewinnen  — 
die  Gefahr  wird  durch  die  Aussicht  auf  den  Gewinn  kom- 
pensiert, folglich  bedarf  es  dafür  keiner  Entschädigung. 

Nach  diesem  Prinzip  kann  eine  Versicherungsgesellschaft 
verfahren,  aber  nicht  der  einzelne.  Denn  gerade  in  der 
Verschiedenheit,  die  zwischen  einer  Sozietät,  bei  welcher 
jeder  Aktieninhaber  nur  einen  Teil  seines  Vermögens 
aufs  Spiel  setzt,  und  dem  Unternehmer,  der  sein  ganzes 
Vermögen  dem  Verlust  aussetzt,  liegt  der  Grund,  warum 82 
ein  Unternehmergewinn  stattfinden  muß. 

Wer  ein  Vermögen  von  10  000  Tlr.  besitzt,  kann  füglich 
einen  Taler  auf  eine  Karte  setzen,  ohne  daß  sein  Glück 
gefährdet  wird;  das  Vergnügen  beim  Gewinn  kompensiert 
das  Mißbehagen  beim  Verlust.  Setzt  er  aber  seine  10  000 
Tlr.  sämtlich  auf  eine  Karte,  so  kann  eine  Verdoppelung 
seines  Vermögens  im  günstigsten  Fall  seinem  Glück  nimmer- 
mehr  soviel   zusetzen,  als   ihm  im  ungünstigen  Fall  durch  . 


—    480    — 

den  Verlust  seines  ganzen  Vermögens  an  Genuß  und  Lebens- 
glück entzogen  wird. 

Wer  das  Vermögen  besitzt,  die  Kosten  zu  bestreiten, 
Avelche  die  Erlangung  der  Kenntnisse  und  der  Ausbildung 
für  den  Staatsdienst  erfordert,  hat  die  WaU,  entweder  sich 
dem  Staatsdienst  zu  widmen,  oder  —  bei  gleicher  Befähigung 
für  beide  Berufsarten  —  Gewerbsunternehmer  zu  werden. 
Wählt  er  ersteres,  so  ist  nach  seiner  Anstellung  seine  Sub- 
sistenz  für  das  ganze  Leben  gesichert;  wälüt  er  letzteres,  so 
kann  eine  ungünstige  Konjunktur  ihn  gar  bald  seines  Ver- 
mögens berauben,  und  sein  Lebenslos  ist  dann,  Lohnarbeiter 
zu  werden. 

Was  könnte  nun  bei  so  ungleichen  Aussichten  in  die 
Zukunft  ihn  bewegen,  'Unternehmer  zu  werden  —  wenn  nicht 
die  Wahrscheinlichkeit  des  Gewinns  viel  größer  wäre  als 
die  des  Verlustes. 

In  dem  Maß,  als  der  Verlust  eines  Teils  oder  des 
ganzen  Vermögens  empfindlicher  ist,  dem  Glück  und  der 
Zufriedenheit  mehr  raubt,  als  eine  gleiche  Vergrößerung  des 
Vermögens  dem  Lebensglück  hinzufügen  kann  —  in  dem 
Maß  muß  auch  bei  Gewerbsunternehmungen  die  Wahr- 
scheinlichkeit des  Gewinns  größer  sein  als  die  des  Ver- 
lustes. 

Adam  Smith  und  mit  ihm  die  meisten  englischen 
Schriftsteller  werfen  die  Zinsen  des  verwandten  Kapitals 
83  mit  dem  ünternehmergewinn  unter  der  Benennung  „Gewinn" 
zusammen. 

Bei  dieser  Vermengung  zweier  aus  so  verschiedenen 
Quellen  entspringenden  Potenzen  wird  die  Erkenntnis  des 
Zusammenhanges  zwischen  Arbeitslohn  und  Zinsfuß  fast 
unmöglich.  Say  hat,  soviel  ich  weiß,  diesen  Maugel  des 
Smith"  sehen  Systems  zuerst  aufgedeckt. 


—    481    — 

b)  Industriebelolinun  g. 

Für  die  Anordnung  und  Leitung  der  Geschäfte  bei  einem 
Gewerbe  sowie  für  die  Beaufsichtigung  der  dabei  angestellten 
Arbeiter  scheint,  dem  ersten  Anblick  nach,  dem  Unternehmer 
nur  eine  Vergütung  zuzukommen,  welche  gleich  ist  dem 
Gehalt,  den  er  einem  Administrator,  Buchhalter  oder  Auf- 
seher, der  ihm  diese  Mühe  und  Besorgung  abnimmt,  zu  geben 
braucht. 

Aber  die  Leistungen  des  für  eigene  Rechnung  arbeitenden 
Unternehmers  und  des  besoldeten  Stellvertreters  sind,  wenn 
auch  beide  gleiche  Fälligkeiten  und  Kenntnisse  besitzen, 
dennoch  sehr  verschieden. 

In  solchen  Zeiten,  wo  durch  die  Wechselfälle  der  Kon- 
junktur das  Geschäft  große  Verluste  bringt,  und  das  Ver- 
mögen wie  die  Ehre  des  Unternehmers  auf  dem  Spiele 
stehen,  ist  der  Geist  desselben  von  dem  einen  Gedanken, 
wie  er  das  Unglück  von  sich  abwenden  kann,  erfüllt  —  und 
der  Schlaf  flieht  ihn  auf  seinem  Lager. 

Anders  verhält  es  sich  in  einem  solchen  Fall  mit  dem 
besoldeten  Stellvertreter,  Wenn  dieser  am  Tage  redlich  ge- 
arbeitet hat  und  am  Abend  ermüdet  nach  Hause  kommt, 
schläft   er  mit  dem  Bewußtsein   erfüllter  Pflicht  ruhig  ein. 

Aber  die  schlaflosen  Nächte  des  Unternehmers  sind  nicht 
unproduktiv. 

Hier  faßt  er  Pläne  und  kommt  auf  Gedanken  zur  Ab- 84 
.Wendung  seines  Mißgeschicks,  die  dem  besoldeten  Admini- 
strator, wie  ernstlich  derselbe  auch  seine  Pflicht  zu  erfüllen 
streben  mag,  doch  verborgen  bleiben  —  weil  sie  erst  aus 
der  höchsten  Anspannung  aller  auf  e  i  n  e  n  Punkt  gerichteten 
Geisteskräfte  hervorgehen. 

Die  Not  ist  die  Mutter  der  Erfindungen,  und  so  wird 
auch  der  Unternehmer  durch  seine  Bedrängnis  zum  Erfinder 
und  Entdecker  in  seiner  Sphäre. 

Thünen,  Der  isolierte  Staat.  31 


—     482     — 

Wie  der  Erfinder  einer  neuen  nützlichen  Maschine  mit 
Recht  den  Überschuß  bezieht,  den  die  Anwendung  derselben 
im  Vergleich  mit  der  älteren  Maschine  gewälirt,  und  diesen 
Überschuß  als  Belohnung  seiner  Erfindung  genießt  —  eben 
so  muß  das,  was  der  Unternehmer  durch  seine  größere 
Geistesanstrengung  mehr  hervorbringt,  als  der  besoldete 
Administrator,  demselben  als  Belohnung  seiner  Industrie 
zufallen.  , 

Der  für  eigene  Rechnung  und  auf  eigene  Gefahr  arbei- 
tende Unternehmer  besitzt,  bei  übrigens  gleichen  Eigen- 
schaften, eine  größere  Leistungsfähigkeit  als  der  besoldete 
Stellvertreter  —  wie  groß  auch  dessen  Pflichttreue  sein 
mag  —  und  dies  ist  der  Grund ,  warum  dem  Unternehmer 
außer  den  Administrationskosten  noch  eine  Vergütung,  die 
wir  „Industriebelohnung''  nennen,  zukommt. 

Ein  ähnliches  A'erhältuis  zeigt  sich  selbst  bei  der  ge- 
meinen Handarbeit.  Die  Kraft  des  Arbeiters,  der  Erde  im 
Verdung  aufladet,  wird  gestärkt  und  gestählt  durch  das 
Gefühl,  daß  jeder  Spatenstich  ihm  zugute  kommt  und  seinen 
Verdienst  erhöht,  während  der  pflichttreue  Lohnarbeiter, 
der  die  Mühseligkeit  und  Anstrengung  bei  der  Arbeit  stets 
durch  den  moralischen  Zwang,  den  er  sich  selbst  auflegt, 
bekämpfen  muß,  weit  eher  ermattet  und  bei  gleicher  Kraft 
85  und  Tüchtigkeit  ein  geringeres  Tagewerk  zustande  bringt 
als  der  Verdungarbeiter. 

Diese  Betrachtung  mag  zugleich  auch  dazu  beitragen, 
das  Urteil  über  die  Arbeiter  zu  mildern,  wenn  wir  finden, 
daß  sie  im  Tagelohn  so  sehr  viel  weniger  zustande  bringen, 
als  sie  sonst  im  Verdung  geleistet  haben  —  indem  wir  dies 
nicht  bloß  der  Trägheit  und  Pflichtvergessenheit  beimessen 
dürfen  (wozu  man  nur  zu  sehr  geneigt  ist),  sondern  dies 
auch  zum  Teil  der  verschiedenen,  nicht  von  der  AVillkür 
der  Arbeiter  abhängenden  Leistungsfähigkeit  zuschreiben 
müssen. 


—     483     — 

c)G-ewerbsprofit. 

Was  der  Unternehmer  mehr  bezieht  als  die  Zinsen  des 
verwandten  Kapitals  und  die  Administratiouskosten,  nämlich 
den  ünternelimergewinn  und  die  Industriebelohnung,  fasse 
ich  zur  Vereinfachung  des  Ausdrucks  unter  der  Benennung 
„Gewerbsprofit"  zusammen. 

Das  Kapital  kann  nur  dann  eine  Nutzung  gewähren 
und  ist  im  engeren  Sinn  nur  dann  Kapital,  wenn  es  produktiv 
angelegt  wird ;  und  von  der  Größe  dieser  Nutzung  hängt  die 
Höhe  des  Zinsfußes  beim  Ausleihen  der  Kapitale  ab. 

Die  produktive  Anlegung  setzt  einen  Gewerbsbetrieb 
und  dieser  einen  Unternehmer  voraus. 

Das  Gewerbe  liefert  dem  Unternehmer  nach  Erstattung 
aller  damit  verbundenen  Auslagen  und  Kosten  einen  reinen 
Ertrag.  Dieser  Reinertrag  enthält  die  beiden  Bestandteile: 
Gewerbsprofit  und  Kapitalnutzung.  Nach  Abzug  des  Ge- 
werbsprofits von  dem  Reinertrag  ergibt  sich  die  Größe  der 
den  Zinsfuß  bestimmenden  Kapitalnutzung. 

Nach  der  auf  diese  Weise  bewirkten  Ausscheidung  und 
Ermittelung  der  Nutzung  des  in  einem  Gewerbe  angelegten 
Kapitals  wird  es  erlaubt  sein ,  in  den  folgenden  Unter- 
suchungen von  dem  Unternehmer  selbst  zu  abstrahieren  und  86 
diesen  gleichsam  als  den  durch  den  Gewerbsprofit  gelohnten 
Geschäftsführer  des  Kapitalisten  zu  betrachten;  wobei  aber 
der  Unternehmer  durch  sein  eigenes  Interesse  getrieben 
wird,  die  höchste  Kapitalnutzung  zu  erstreben. 

(In  dem  Arbeitsprodukt,  wie  dies  §  6  Nr.  3  definiert 
worden,  ist  der  Gewerbsprofit  nicht  mehr  enthalten,  sondern 
bereits  ausgeschieden,  und  es  kommen  deshalb  bei  der  Frage 
von  der  Yerteilung  des  Arbeitsprodukts  nur  Arbeiter,  Kapi- 
talisten und  Landbesitzer  in  Betracht.) 


31* 


484 


§  8. 
Bildung  des  Kapitals  durch  Arbeit. 

Die  ersten  Menschen,  welche  die  Erde  betraten,  hätten 
umkommen  müssen,  wenn  nicht  die  vorsorgende  Natur  eine 
Fülle  von  wildwachsenden  Gewächsen  hervorgebracht  hätte, 
deren  Früchte   dem  Menschen   zum  Lebensunterhalt  dienen. 

Wenn  wir  den  Ursprung  des  Kapitals  und  den  Zustand 
der  Gresellschaft ,  in  welchem  der  mit  keinem  Kapital  ver- 
sehene Mensch  bloß  durch  seine  Arbeit  subsistieren  und 
selbst  einiges  Kapital  schaffen  kann ,  uns  vergegenwärtigen 
wollen,  so  müssen  wir  uns  in  Gedanken  nach  den  Tropen- 
ländern versetzen:  wo  die  Früchte  des  Pisang,  der  Kokos- 
palme und  des  Brotbaums*)  in  Verbindung  mit  Bataten, 
87  Mais  und  anderen  Südfrüchten  zur  Ernährung  der  Menschen 
ausreichen ;  wo  eine  jährlich  zu  erneuernde  Hütte  von  ßaum- 


*)  Über  den  mannigfaltigen  Nutzen ,  den  die  Gewächse  den 
Menschen  gewähren,  teile  ich  hier  einige  —  aus  Suckow's 
„Ökonomische  Botanik"  entnommene  —  Notizen  mit. 

1.  Der  gemeine  Pisang  (Musa  paradisiaca  L.)  erreicht  eine 
Höhe  von  10  bis  über  20  Fuß,  hat  einen  baumartigen  Stamm, 
welcher  aber  nicht  holzig,  sondern  grün  von  häutiger,  markiger 
Substanz  ist.  Seine  Blätter  erreichen  eine  Länge  von  6  bis  12  Fuß 
und  sind  au  2  Fuß  und  darüber  breit.  Die  Früchte  haben  ein 
mildes,  saftiges  Fleisch  und  werden  in  Ost-  und  Westiudien  zur 
Speise,  teils  roh,  teils  in  vielfachen  Zubereitungen  gebrauclit  und 
87  dienen  statt  des  Brotes.  Die  Früchte  liefern  auch  durch  Ab- 
kochung ein  Getränk  und  durch  Gärung  einen  Wein.  Aus  dem 
Stamm  kann  eine  Art  Flachs  bereitet  werden ,  und  die  Blätter 
dienen  zu  Tafeltüchern  und  zur  Deckung  der  Häuser. 

Nach  V.  Humboldt  nährt  in  Mexiko  ein  mit  Pisang  be- 
pflanzter Morgen  des  besten  Bodens  25  Menschen  und  verursacht 
weuig  Arbeit.     (Rau,  Volkswirtschaftslehre,   2.  Auflage,  S.  86.) 


—    485    — 
Stämmen,  mit  den  Blättern  des  Pisang  gedeckt,  hinreichenden  88 


2.  Die  Kokospalme  (Cocos  nucifera  L.). 

Die  äußere  Schale  der  Kokosnuß  dient  wegen  ihres  faserigen 
Wesens  zu  Stricken  und  Lunten. 

Die  Kokosmilch  in  den  ausgewachsenen  Früchten  ist  ein  be- 
sonderes Erfrischungsmittel,  und  eine  Kokosnuß  liefert  wohl  für 
2  Personen  hinlänglichen  Saft  zur  Löschung  des  Durstes. 

Ton  älteren  Früchten,  in  denen  der  innere  Kern  sich  schon 
verdickt  hat,  dient  solcher  teils  zum  Speisen,  teils  zur  Bereitung 
einer  Müch,  welche  sich  rahmt  und  ein  Ol  liefert.  Die  harten 
Schalen  des  Kerns  sind  vor  der  Eeife  weich  und  eßbar.  Von  den 
reif  gewordenen  Nüssen  werden  die  Schalen  zu  mancherlei  Be- 
hältnissen gebraucht.  Aus  den  weiblichen  Blüten  der  Kokospalme 
wird  der  Palmweiu  bereitet.  Mit  einem  Zusatz  von  Eei^,  Sirup 
und  Wasser  versehen,  liefert  dieser  Wein  den  Arak.  Unvermischt 
geht  dieser  Wein  in  der  Wärme  in  Palmessig  über.  Der  obere, 
weiche  und  markige  Teil  des  Schaftes  gibt  das  sogenannte  Palm- 
hirn, welches  verspeist  wird.  Das  schwammige,  faserige  Mark 
des  Schaftes  wird  als  Dünger  gebraucht.  Die  Blätter  der  Kokos- 
bäume  dienen  zur  Deckung  der  Dächer,  zu  Matten,  Stricken, 
Flechtwerk,  Sonnenschirmen  und  zu  Papier. 

3.  Der  Brotfruchtbaum  (Artocarpus  incisa  L.).  Aus  dem 
fleischigen  Mark  der  Frucht  des  Brotbaums  wird,  nachdem  das- 
selbe in  Gruben  gebracht  und  dort  in  saure  Gärung  übergegangen 
ist,  Brot  gebacken.  Dieses  saure  Brot  ist  die  vorzüglichste  Speise 
der  Tahitier  und  dient  ihnen  auch  zum  Proviant  auf  ihren  Reisen. 
Häufiger  ist  aber  noch  der  Genuß  der  frischen  Brotfrucht,  die  man 
vor  ihrer  völligen  Eeife  abnimmt,  abschält,  in  Blätter  wickelt  und 
auf  heißen  Steinen  backt.  Aus  dem  Splint  der  2-  bis  3jährigen 
Stämme  werden  Zeuge  und  muselinartige  Tücher  verfertigt.  Die 
Blätter  des  Brotbaums  dienen  zum  Einwickeln  beim  Backen  der 
Frucht  und  auch  als  Teppiche  zur  Belegung  des  Bodens  beim 
Speisen.  Die  abgefallenen  männlichen  Kolben  dienen  als  Zunder. 
Der  nach  gemachten  Einschnitten  aus  dem  Stamme  hervordringende 
Saft  liefert,  mit  Kokosmilch  eingekocht,  einen  Vogelleim,  und  mit 
Sagomehl,  Zucker  und  Eiweiß  wird  er  zu  einem  sehr  festen  Kitt. 


—     486     — 

Schutz  gewährt;  und  wo  die  Pisaugblätter  zur  Bekleidung 
genügen. 

„Seit  der  frühesten  Kindheit  menschlicher  Kultur  findet 
man  in  allen  Kontinenten  unter  den  Wendekreisen,  soweit 
Tradition  und  Geschichte  reichen, Pisangkultur",  sagt  v.  Hum- 
boldt in  seinen  „Ansichten  der  Natur". 

Die  drei  genannten  ßaumarten  bringt  dort  die  Natur 
selbst,  ohne  Zutun  der  Menschen  hervor.  Dagegen  werden 
Bataten  und  Mais  des  Ausbaues,  also  der  menschlichen  Arbeit 
bedürfen.  Auf  dem  humusreichen,  lockeren  Boden  werden 
hierzu  das  Ausreißen  der  die  Erde  bedeckenden  Pflanzen 
und  das  Aufritzen  des  Bodens  mit  einem  Stabe  schon  ge- 
nügen, und  also  keine  Gerätschaften,  in  welchen  Kapital 
enthalten  ist,  angewandt  zu  werden  brauchen. 

Die  allmähliche  Entwicklung  eines  in  die  Tropenländer 
versetzten  Volks  können  wir  uns  unter  zwei  verschiedenen 
Gesichtspunkten  denken. 

a)  Wir  betrachten  dies  Volk  nicht  bloß  als  arm  an 
Kapital,  sondern  auch  als  arm  an  Kenntnissen  und  unbekannt 
mit  den  Erfindungen  und  Entdeckungen,  wodurch  in  unseren 
Tagen  die  Fabrikation  und  Produktion  so  sehr  gefördert  ist. 

Die  Kapitalbildung  kann  dann  nur  sehr  langsam  vor 
sich  gehen,  ist  abhängig  nicht  bloß  von  der  Arbeit,  sondern 
auch  von  dem  Fortschritt  der  Intelligenz  und  somit  das 
Werk  zweier  verschiedener  Potenzen.  Die  Entwicklung,  die 
hier  stattfindet,  gehört  der  Kulturgeschichte  an  und  liefert 
für  den  Zweck  unserer  Untersuchung  keine  Resultate. 

b)  Wir  denken  uns  ein  mit  allen  Fähigkeiten,  Kennt- 
nissen ^nd  Geschicklichkeiten  der  zivilisierten  europäischen 
Nationen  ausgerüstetes  Volk  nacli  einem  Tropenlande  versetzt, 
welches  aber  kein  Kapital,  also  auch  keine  Werkzeuge  besitzt, 

89 und  fragen,   wie   sich  hier  bei  gleichbleibender  Intelligenz 
des  Volks  die  Kapitalbildung  gestaltet. 

Hier  können  zwei  verschiedene  Fälle  stattfinden: 


—    4Ö7     — 

1.  Dieses  Volk  steht  im  Verkehr  mit  anderen  Nationen 
und  kann  seine  eingesammelten  un,d  ervsparten  Vorräte  an 
Früchten  gegen  andere  Gegenstände,  namentlich  gegen  Werk- 
zeuge und  Maschinen  vertauschen. 

Auf  diese  Weise  würde  aber  das  Erzeugnis  der  Arbeit 
an  sich,  gegen  andere  Erzeugnisse,  worin  Arbeitslohn,  Zinsen 
und  Landrente  enthalten  sind,  vertauscht,  und  wir-  erhielten 
dann  über  das,  was  wir  zu  erforschen  suchen,  keinen  Auf- 
schluß. 

2.  Dieses  Volk  steht  mit  anderen  Nationen  in  keinem 
Handelsverkehr,  ist  von  der  übrigen  Welt  getrennt,  und  die 
Kapitalbildung  geht  von  innen  heraus  ohne  einen  äußeren 
Einfluß  vor  sich. 

Diesen  letzteren  Fall  legen  wir  unserer  nächsten  Unter- 
suchung zu  gründe  und  nehmen  ferner  an: 

1.  daß  in  dem  Schoß  der  Grebirge  dieses  Landes  alle 
Metalle  vorhanden  sind,  welche  die  europäische  Industrie  zu 
ihren  Erzeugnissen  und  Fabrikaten  gebraucht; 

2.  daß  dieser  Volksstamm  zalilreich  genug  ist,  um  die 
Teilung  der  Arbeiten,  wie  sie  in  Europa  stattfindet,  ein- 
führen zu  können,  sobald  nur  das  dazu  erforderliche  Kapital 
vorhanden  ist; 

3.  daß  das  von  diesem  Volk  bewohnte  Land  überall 
von  gleicher  Fruchtbarkeit  und  zugleich  so  ausgedehnt  ist, 
daß  jeder  Bewohner  Land   umsonst  in  Besitz  nehmen  kann. 

Unter  diesem  Volk,  welches  kein  Kapital  besitzt,  und 
wo  der  Grund  und  Boden  keinen  Tauschwert  hat,  findet 
auch  kein  Verhältnis  von  Herren  und  Dienern  statt ;  jeder 
ohne  Unterschied  ist  Arbeiter  und  muß  durch  Arbeit  sich 
seinen  Unterhalt  erwerben. 

Hier  haben  wir  also  die  einfachsten  Zustände  vor  Augen,  90 
und  wenn  wir  diese  der  Betrachtung  unterwerfen,  dürfen  wir 
am  ersten  hoffen,  Aufschluß  über  die  Verbindung  zwischen 
Arbeitslohn  und  Zinsen  zu  erhalten.  .    , 


—     488     — 

Indem  wir  mm  aber  den  Schauplatz  unserer  Betrach- 
tungen in  Gedanken  nach  den  Tropenländern  verlegen,  wo 
unsere  Getreidearten  nicht  gedeihen  und  nicht  die  vor- 
züglichste Nahrung  der  Menschen  ausmachen ,  fällt  es  so- 
gleich in  die  Augen,  daß  der  Roggen  hier  nicht  Wertmesser 
und  nicht  Maßstab  für  die  Subsistenzmittel,  die  die  Menschen 
bedürfen,  sein  kann. 

.Hier  müssen  wir  die  Subsistenzmittel  selbst,  die  der 
Arbeiter  während  eines  Jahrs  gebraucht,  als  die  Einheit  und 
als  Maßstab  für  die  Größe  des  Erzeugnisses  annehmen. 

Diese  Subsistenzmittel  bezeichne  ich  nun  mit  „S"  und 
den  hundertsten  Teil  derselben  mit  „c",  so  daß  .,S"  =  100  c  ist. 

Gesetzt  nun,  der  Arbeiter  kann,  wenn  er  fleißig  und 
sparsam  ist,  durch  seiner  Hände  Arbeit  10 '^/o  mehr  als  er 
zu  seinem  notwendigen  Unterhalt  bedarf,  also  l.i  S  oder 
110c  im  Jahr  hervorbringen:  so  erübrigt  er  nach  Abzug 
dessen,  was  er  zu  seinem  Lebensunterhalt  verwenden  muß, 
110  c  -^  100  c  =  10  c. 

Er  kann  also  im  Verlauf  von  10  Jahren  einen  Yorrat 
sammeln,*)  wovon  er  während  eines  Jahrs  leben  kann,  ohne 
zu  arbeiten;  oder  er  kann  auch  ein  ganzes  Jahr  hindurch 
seine  Arbeit  auf  die  Verfertigung  nützlicher  Gerätschaften, 
also  auf  die  Schaffung  eines  Kapitals  wenden. 

Folgen  wir  ihm  jetzt  bei  der  kapitalschaffenden  Arbeit. 

91         Mit  einem   zerschlagenen   Feuerstein  bearbeitet  er  das 

Holz  zu  Bogen  und  Pfeil;   eine  Fischgräte  dient  dem  Pfeil 

zur  Spitze.    Aus  dem  Stamm  des  Pisangs  oder  der  faserigen 

Schale  der  Kokosnuß  werden  Stricke  und  Bindfaden  gemacht, 

*)  Aber  wird  dieser  Vorrat  uicht  verderben?  Nun,  so  mag 
er  in  jedem  Jahr  ein  Zehntel  desselben  der  Verfertigung  von 
Gerätschaften  widmen,  und  er  kommt  dann  auch  in  10  Jahren 
damit  zustande.  Die  Untersuchung  ist  aber  leichter  zu  führen 
und  zu  übersehen,  wenn  wir  von  der  Schwierigkeit  der  Auf- 
bewahrung des  Vorrats  abstrahieren. 


—    489    — 

und  erstere  zur  Sehne  des  Bogeus,  letztere  zur  Verfertigung 
von  Fiseliernetzen  verwandt. 

Im  folgenden  Jahre  wendet  er  sich  dann  wieder  der 
Erzeugung  von  Lebensmitteln  zu;  aber  er  ist  jetzt  mit  Bogen, 
Pfeilen  und  Netzen  versehen,  seine  Arbeit  wird  mit  Hilfe 
dieses  Geräts  viel  lohnender,  sein  Arbeitsprodukt  viel  größer. 

Gesetzt,  sein  Arbeitserzeugnis  —  nach  Abzug  dessen, 
was  er  auf  die  Erhaltung  des  Geräts  im  gleich  guten  Zu- 
stande verwenden  muß  ■ —  steige  dadurch  von  110  c  auf 
150  c,  so  kann  er  in  einem  Jahre  50  c  erübrigen,  und  er 
braucht  jetzt  nur  2  Jahre  der  Erzeugung  von  Lebensmitteln 
zu  widmen,  um  wiederum  ein  ganzes  Jahr  auf  die  Ver- 
fertigung von  Bogen  und  Netzen  zu  verwenden. 

Er  selbst  kann  hiervon  zwar  keine  Anwendung  machen, 
da  die  im  früheren  Jalire  verfertigten  Geräte  für  sein  Be- 
dürfnis genügen;  aber  er  kann  dasselbe  an  einen  Arbeiter 
verleihen,  der  bisher  ohne  Kapital  arbeitete. 

Dieser  zweite  Arbeiter  brachte  bisher  hervor  110  c;  leiht 
derselbe  nun  das  Kapital,  woran  der  kapitalerzengende  Ar- 
beiter die  Arbeit  eines  Jahrs  gewandt  hat,  so  ist  sein  Er- 
zeugnis, wenn  er  das  geliehene  Gerät  im  gleichen  Wert  er- 
hält und  wieder  abliefert*) 150  c. 

Das  Mehrerzeugnis  vermittels  des  Kapitals  beträgt  also    40  c. 

*)  Wie  kann  aber  der  verliehene  Gegenstand  in  gleicher  Be- 
schaffenheit und  gleichem  Wert  erhalten  und  wieder  abgeliefert 
werden?  Dies  geht  freilich  bei  einzelnen  Gegenständen  nicht  an, 
wohl  aber  bei  der  Gesamtheit  der  in  einer  Nation  verliehenen 
Gegenstände.  Wenn  jemand  z.  B.  100  Gebäude  von  hundert- 
jähriger Dauer  vermietet  unter  der  Bedingung,  daß  der  Mieter 
jährlich  ein  neues  Gebäude  errichtet,  so  behalten  die  100  Gebäude,  92 
trotz  der  jährHchen  Abnutzung  doch  gleichen  Wert.  Bei  dieser 
Untersuchung  müssen  wir  notwendig  unsern  Blick  auf  das  Ganze 
richten,  und  wenn  hier  nur  zwei  Personen  als  handelnd  dargestellt 
sind,  so  ist  dies  bloß  ein  Bild,  wodurch  die  Bewegung,  die  gleichzeitig 
in  der  ganzen  Nation  vor  sich  geht,  anschaulich  gemacht  werden  soll. 


—    490    — 

92  Dieser  Arbeiter  kann  also  für  das  geliehene  Kapital  eine 
Reute  zahlen  von  40  c,  welche  der  kapitalerzeugende  Arbeiter 
für  seine  einjährige  Arbeit  dauernd  bezieht. 

Hier  treffen  wir  auf  den  Ursprung  und  Grund  der  Zinsen 
und  auf  ihr  Verhältnis  zum  Kapital. 

Wie  sich  der  Lohn  der  Arbeit  verhält  zu 
der  Größe  der  Rente,  die  dieselbe  Arbeit 
schafft,  wenn  sie  auf  Kapitalerzeugung  ge- 
richtet wird:  so  verhalten  sich  Kapital  und 
Zinsen. 

In  dem  vorliegenden  Fall  ist  der  Lohn  für  1  J.  A.  = 
110  c;  die  Rente,  die  das  aus  der  Arbeit  eines  Jahres  hervor- 
gegangene Kapital  bringt,  beträgt  40  c. 

Das  Verhältnis  ist  also  wie  110  c  :  40  c  =  100  :  36.4,  und 
der  Zinssatz  ist  36,4  "/o. 

Aber  —  kann  man  einwenden  —  die  Rente  von  40  c 
ist  nicht  das  Ergebnis  von  einer  Jahresarbeit;  denn  der 
Arbeiter  hat  10  Jahre  gebraucht,  um  die  Subsistenzmittel, 
die  er  bei  der  Kapitalschaffung  verzehrte,  hervorzubringen. 
Die  Rente  ist  also  das  Ergebnis  von  10  -|-  1  =  H  Jahren, 
welches  für  1  J.  A.  nur  ^''/ii  c  =  3,C4  c  Rente  gibt. 

Hierauf  ist  zu  erwidern: 

Der  Arbeiter  ohne  Kapital  erhält  für  seine  Jahresarbeit 
in  seinem  Erzeugnis  eine  Belohnung  von  110  c.  Hiervon 
muß  er  aber  zu  seinem  Unterhalt  100  c  verwenden,  und  für 
seine  Anstrengung  selbst  wird  er  nur  mit  10  c  gelohnt. 

Wir  müssen  also  in  dem  Lohn  der  Arbeiter  zwei  Be- 
standteile unterscheiden,  näijilich: 

93  1.  was  der  Arbeiter  zu  seinem  Unterhalt  verwenden  muß, 

um  arbeitsfähig  zu  bleiben ;  und 
2.  was  er  für  seine  Anstrengung  selbst  erhält.*) 


93         *)   Die  Unterscheidung   zwischen  Lohn    für   die  Arbeit   mid 
Lohn  für  die  Anstrengung  i<t  auch  zur  richtigen  Würdigung  der 


—    491    — 

Nach  den  obigen  Annahmen  in  Zahlen  erhält  der  Arbeiter 
für  seine  Anstrengung  während  eines  Jahres  —  welche  ich 
künftig  mit  „1  J.  Anstreng."  bezeichnen  werde  —  wenn  diese 
auf  Erzeugung  verzehrbarer  Artikel  gerichtet  wird,  10  c;  und 
wenn  sie  der  Kapitalerzeugung  zugewandt  wird,  3,g4  c  Eente. 

Das  A'erhältnis  zwischen  beiden  ist  also  wie  10  :  3,64, 
das  ist  wie  100  :  36,4. 

Wir  erhalten  also  für  das  Verhältnis  zwischen  Kapital 
und  Zinsen  dasselbe  Resultat,  wir  mögen  die  Jahresarbeit 
oder  die  Jahresanstreugung  zum  Maßstab  nehmen. 

Wird  nun,  wenn  der  Zeitpunkt  eingetreten  ist,  wo  jeder 
Arbeiter  des  ganzen  Volks  mit  einem  Kapital  von  1.  J.  A. 
versehen  ist,  die  Kapitalerzeugung  noch  fortgesetzt  werden 
oder  aufhören? 

Stellen  wir  dem  Arbeiter,  der  Bogen,  Pfeile  und  Netze 
besitzt,  einen  anderen  gegenüber,  der  auch  nur  spärlich  mit 
Kapital  versehen  is't,  aber  doch  Spaten,  Beil  und  Nägel  im 
Besitz  hat,  der  die  Erde  umgräbt,  anstatt  daß  jeuer  sie  mit 
einem  Stab  aufwühlt,  der  das  Holz  mit  einem  Beil,  statt 94 
mit  dem  zerschlagenen  Feuerstein  bearbeitet:  so  finden  wir 
bei  gleicher  Geschicklichkeit,  gleichem  Fleiß,  gleicher  An- 
strengung   und    Körperkraft    beider    doch    einen    sehr    ver- 


Verhältnisse im  praktischen  Leben  nicht   ohne   Bedeutung,   wie 
folgendes  Beispiel  zeigen  mag-. 

Gesetzt,  einem  Tagelöhner,  dessen  jährlicher  Verdienst  100  Tlr. 
beträgt,  stirbt  seine  Kuh  von  20  Tlr.  Wert.  Vergleicht  mau  nun 
seinen  Verlust  mit  seinem  Jahreslohn,  so  erscheint  derselbe  nicht 
erheblich,  denn  er  kann  ihn  ja  durch  die  Arbeit  von  ','5  Jahr  er- 
setzen. Erwägt  man  aber,  daß  er  von  seinem  Lohn  90  Tlr.  auf 
seinen  Unterhalt  verwendet  und  verwenden  muß,  um  arbeitsfähig 
zu  bleiben,  daß  seine  Anstrengung  während  eines  Jahrs  nur  mit 
10  Tlr.  gelohnt  wird,  daß  ihm  also  in  seiner  Kuh  die  Frucht  der 
Anstrengung  von  2  Jahren  gestorben  ist :  so  erscheint  sein  Verlust 
sehr  beklagenswert  und  fordert  das  Mitg-efühl  zur  Unterstützuno-  auf. 


—    492    — 

schieclenen  Erfolg  der  Arbeit.  Der  zweite  mit  Spaten  und 
Beil  versehene  Arbeiter  wird  am  Ende  des  Jahres  ein  weit 
größeres  Produkt  seiner  Arbeit  aufzuweisen  haben  als  der  erste. 

Spaten  und  Beile  sind  aber  selbst  Erzeugnisse  der 
menschlichen  Arbeit ,  und  in  dem  hohen  Nutzen ,  den  diese 
Werkzeuge  gewähren,  liegt  der  Antrieb  zu  ihrer  Hervor- 
bringung und  somit  zur  ferneren  Kapitalerzeugung. 

Bei  der  Verfertigung  von  Bogen,  Pfeilen  usw.  bedurfte 
der  einzelne  Arbeiter  nicht  der  Hilfe  anderer.  Bei  der  Ge- 
winnung und  Verarbeitung  des  Eisens  muß  aber  schon  eine 
Teilung  der  Arbeit  stattfinden,  und  wir  müssen  hier  die 
kapitalerzeugenden  Arbeiter  als  eine  Gesellschaft  ansehen, 
die  sich  zu  einem  gemeinschaftlichen  Zweck  verbunden  hat 
und   die   den  Gesamtertrag  ihrer  Arbeit  unter  sich  verteilt. 

Nehmen  wir  nun  an,  daß  das  ganze  Volk  nach  und 
nach  mit  dem  genannten  Eisengerät  versehen  sei,  und  daß 
das,  was  jeder  Arbeiter  davon  gebraucht  und  anwendet,  das 
Produkt  der  Jahresarbeit  eines  mit  der  Kapitalerzeugung 
beschäftigten  Mannes  sei:  so  arbeitet  jetzt  jeder  mit  einem 
Kapital  von  2  J.  A. 

Bei  diesem  Kapitalbestand  sind  die  Werkzeuge,  die  die 
menschliche  Arbeit  wirksamer  machen ,  aber  noch  sehr  un- 
vollständig. Die  Kapitalerzeugung  wird  also  fortgesetzt,  und 
so  die  Nation  sukzessive  mit  einem  Kapital  von  3,  4,  5  und 
meiir  J.  A.  für  jeden  Arbeiter  yersehen  werden;  und  das 
Ai'beitsprodukt  eines  Mannes  wird  mit  dem  steigenden  Kapital 
mehr  und  mehr  wachsen. 

Hier  drängt  sich  nun  die  Frage  auf: 
95  Wird  die  Vergrößerung  des  Arbeitsprodukts  mit  der 
Vergrößerung  des  Kapitals  gleichen  Schritt  halten,  also  im 
direkten  Verhältnis  damit  stehen,  wird  z.  B.  die  Anwendung 
des  Kapitals  von  3  J.  A.  die  dreifache  Rente  des  Kapitals 
von  1  J.  A.  also  3  X  40  c  =  120  c  bringen? 

Wir  wissen,  daß  nicht  jedes  in  Gerätschaften,  Maschinen, 


—    493    — 

Gebäuden    usw.  angelegte  Kapital    die   Arbeit   in    gleichem 
Maße  fördert  und  wirksamer  macht. 

Die  Anlegung  und  der  Gebrauch  einer  Mühle  vermehrt 
das  Arbeitsprodukt  eines  ]\Tenschen,  der  sich  mit  dem  Zer- 
reiben des  Getreides  beschäftigt,  mindestens  um  das  Zwanzig- 
fache; oder  ein  Mann  kann  mit  einer  Mühle  mehr  Getreide 
imd  zugleich  besser  mahlen  als  20  Mann,  die  dasselbe  mit 
der  Hand  zwischen  Steinen  zerreiben. 

Ein  Mann,  der  über  einen  mit  zwei  Pferden  bespannten 
Pflug  gebietet,  pflügt  mehr  Land  um,  als  30  Mann  mit  dem 
Spaten  umgraben  können. 

In  der  Anlegung  imd  Verfertigung  von  Mühlen  und 
Pflügen  findet  also  die  kapitalerzeugende  Arbeit  eine  nütz- 
liche, sich  hoch  belohnende  Verwendung.  Sind  diese  aber 
einmal  für  den  Bedarf  in  genügender  Menge  hergestellt,  so 
wird  die  Verfertigung  mehrerer  Pflüge  und  Mühlen  nicht 
bloß  keine  so  hohe  Rente  wie  die  zuerst  hergestellten, 
sondern  überhaupt  gar  keine  Heute  mehr  abwerfen. 

Wie  nützlich  auch  ein  Instrument  oder  eine  Maschine 
sein  mag,  immer  gibt  es  eine  Grenze,  wo  die  Vervielfälti- 
gung derselben  aufhört,  nützlich  zu  sein  und  eine  Rente 
abzuwerfen. 

Ist  diese  Grenze  einmal  erreicht,  so.- muß  die  kapital- 
erzeugende Arbeit  sich  auf  die  Hervorbringung  anderer  Wert- 
gegenstände richten,  wenn  diese  auch  minder  nützlich  sind, 
und  eine  geringere  Rente  tragen  als  die  früher  hervorge- 
brachten. 

Der  kapitalerzeugende  Arbeiter  wird  also,  sein  eigenes 96 
Interesse  berücksichtigend  und  verfolgend,  seine  Arbeit  zuerst 
auf  die  Verfertigung  solcher  Werkzeuge  und  Maschinen 
richten,  die  seine  Kraft  am  meisten  beflügeln,  seiner  Arbeit 
den  höchsten  Erfolg  verschaffen;  dann  aber,  wenn  diese  in 
genügender  Menge  vorhanden  sind,  seine  Arbeit  der  Pro- 
duktion  von   Gerätschaften    und  Maschinen    zuwenden,    die 


—    494    — 

auch  sehr  nützlich,  aber  doch  minder  wirksam  sind  und  die 
Arbeit  minder  fördern  als  die  zuerst  hervorgebrachten  — 
wofür  er  also  auch  beim  Ausleihen  mit  einer  geringeren 
Rente  vorlieb  nehmen  muß. 

Hier  offenbart  sich  der  Grund  der  für  unsere  fernere 
Untersuchung  so  wichtigen  Erscheinung:  daß  jedes  in 
einer  Unternehmung  oder  einem  Gewerbe  neu 
angelegte,  hinzukommende  Kapital  geringere' 
Renten  trägt  als  das  früher  angelegte. 

Diese  Erscheinung  zeigt  sich  auch  überall  im  praktischen 
Leben,  wo  nicht  die  Jahresarbeit,  sondern  das  Geld  Maßstab 
des  Kapitals  ist.  Sehr  klar  läßt  sich  dies  bei  Meliorationen 
auf  einem  Landgut  wahrnehmen,  wo  die  ersten  zu  Ver- 
besserungen, z.  B.  zum  Mergeln,  verwandten  tausend  Taler 
15%  bringen  können,  während  die  zweiten  tausend  Taler 
vielleicht  nur  10  %,  diese  dritten  nur  noch  5  %  tragen,  und 
wo  man  bei  weiter  fortgeführten  Kapitalanlagen,  z.  B.  bei 
Vertiefung  der  Ackerkrume  über  einen  gewissen  Punkt  hin- 
aus, nur  3,  2  oder  gar  nur  1  °/o  Zinsen  erhält. 

Ein  „Detailhändler  oder  auch  ein  Fabrikant",  der  seine 
Waren  in  der  Nähe  seines  Wohnorts  absetzt  und  ein  Kapital 
von  10000  Tlr.  in  seinem  Geschäft  zu  5%  benutzt,  kann 
ein  hinzukommendes  Kapital  von  1000  Tlr.  nur  dann  an- 
wenden, wenn  sein  Absatz  sich  vergrößert,  wenn  er  die  Waren 
in  einem  weiteren  Kreise  um  seinen  Wohnsitz  herum  absetzt. 
97  Dies  kann  er  aber  bei  sonst  gleichbleibenden  Umständen 
nur  dadurch  erreichen,  daß  er  den  Preis  seiner  Waren  her- 
absetzt —  was  aber  eine  Verminderung  der  Nutzung  des 
zuletzt  angelegten  Kapitals  zur  Folge  hat. 


—    495    — 


S  9. 


Bildung  des  Arbeitslohns  und  des  Zinsfusses. 

Gibt  man  das  Kapital  in  Jahresarbeit  an,  so  wird  der 
Aufwand  an  menschlichen  Kräften,  der  die  Hervorbringung 
des  Kapitals  erfordert  hat,  zum  Maßstab  genommen.  Drückt 
man  das  Kapital  in  Geld  aus,  Avelches  selbst  ein  Erzeugnis 
der  menschlichen  Arbeit  und  des  Kapitals  ist,  so  werden  die 
aus  der  Arbeit  hervorgegangenen  Gegenstände  Maßstab  des 
Kapitals.  Welchen  von  beiden  Maßstäben  man  nun  auch 
anwendet,  so  vermehrt,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  das  neu 
hinzukommende  Kapital  das  Arbeitsprodukt  des  Menschen  im 
geringeren  Grade  als  das  zuvor  angelegte  Kapital. 

Es  fragt  sich  nun,  durch  welche  Reihe  diese  abnehmende 
Wirksamkeit  des  Kapitals  dargestellt  werden  kann. 

Später,  wenn  die  Forderungen,  die  an  eine  solche  Reihe 
gemacht  werden  müssen,  vollständiger  vorliegen,  wird  die 
Erforschung  des  Verhältnisses  zwischen  Kapital  und  Arbeits- 
produkt Gegenstand  einer  besonderen  Untersuchung  werden. 
Hier  hat  sich  nun  erst  das  Bedürfnis  herausgestellt,  eine 
Reihe  aufzufinden,  deren  Glieder  fortschreitend  kleiner  werden, 
und  dieser  Forderung  entspricht  die  geometrische  Reihe,  deren 
Grundzahl  ein  Bruch  ist,  wie  ^lio,  (^/lo)-',  (9/io)3,  (^/lo)^ 

Um  unsere  ferneren  Untersuchungen  an  bestimmte  Zahlen 
knüpfen  und  dadurch  weiter  entwickeln  zu  können,  nehme  ich 
vorläufig  an,  daß  das  Arbeitsprodukt  eines  Mannes  durch 
Anwendung  des  1  sten  Kapitals  von  1  J.  A,  um  40  c  98 

„     2  ten  „        um  ^/lo  ^  40  c  =  36  c 

„    Sten  „  „    '^/lo  X  36  c  =  32,4  c 

und  so  ferner  erhöht  werde. 

Die  Fortführung  dieser  Rechnung  ergibt  folgende  Skala : 


496 


Die  Arbeit   eines   Mannes   ohne  Kapital  liefert 

Das    1  ste  Kapital  von  1  J.  A.  gibt  Zuwachs  40    c 

„     2te 3/10X40    =36    c 

„     Ste 9/10X36    =32,4  0 

.,     4te 9/10 X  32,4  =  29,2  c 

„     Ste 9  10  X  29,2  =26,3  0 

„     6te ''lioX26,3  =23,7  0 

„     7te 9 10  X  23,7  =21,3  0 

,,     Ste 'VioX21,3  =  19,2  0 

[,     9te 9/10x19,2  =17,3  0 

,.   lOte 9/10X17,3  =  15,6  0 

„Ute 9/10 X  15,6  =  14   0 

„   12te 9/10X14    =12,6  0 

„   13te 9/10x12,6  =  11,30 

„   Ute 9/10x11,3  =  10,20 


Ganzes 
Arbeits- 
produkt. 

110 

c 

150 

0 

186 

0 

218.4 

c 

247,6 
273.9 

c 

0 

297.6 

c 

318,9 

c 

338,1 

c 

355,4 

c 

371 

c 

385 

0 

397,6 

0 

408.9 

0 

419.1 

c 

Einfluß   der  Vermehrung   des  Kapitals  auf  den 
Lohn   der  Arbeit. 

In  der  Nation,  die  wir  hier  vor  Augen  haben,  finden 
sich  noch  keine  Kapitalisten,  die  andere  für  sich  arbeiten 
lassen,  sondern  jeder  arbeitet  für  sich  selbst.  Die  Arbeiter 
teilen  sich  aber  in  zwei  Klassen,  nämlich  1.  in  solche,  die 
sich  mit  der  Kapitalerzeugnng  beschäftigen,  und  2.  in  solche, 
die  mit  einem  geliehenen  Kapital  auf  eigene  Rechnung  arbeiten. 
99  Die  der  zweiten  Klasse  angehörigen  werde  ich  ,. Arbeiter" 
ohne  weiteren  Beisatz  nennen.  Was  diese  nach  Abzug  der 
Zinsen  des  angeliehenen  Kapitals  vom  Arbeitsprodukt  übrig 
behalten,  ist  der  Lohn  ihrer  Arbeit. 

Steht  die  Gesellschaft  auf  der  Stufe  des  Wolilstaudes, 
daß  jeder  mit  einem  Kapital  von    1  J.  A.  versehen  ist,  so 


—    497     — 

erhalten   die  Ausleiher   für    das  Kapital  von   1   J.  A.   40   c 
Rente. 

Wird  die  Kapitalerzeugung  dann  noch  fortgesetzt  und  es 
dahin  gebracht,  daß  auf  jeden  Arbeiter  2  J.  A.  Kapital  fallen, 
so  können  die  Ausleiher  für  das  zweite  Kapital  nicht  40  c, 
sondern  nur  36  c  erhalten ,  weil  der  Arbeiter  dasselbe  nicht 
höher  als  zu  36  c  nutzen  kann  und  es  ganz  verschmähen 
würde,  wenn  mehr  dafür  verlangt  wird. 

Werden  die  Arbeiter  nun  aber  für  das  erste  Kapital 
von  1  J,  A.  noch  fortwährend  40  c,  oder  wie  für  das  zweite 
Kapital  nur  36  c  Rente  zahlen? 

Wenn  irgend  ein  kapitalerzeugender  Arbeiter,  der  mit 
der  Schaffung  des  zweiten  Kapitals  fertig  geworden  ist, 
dasselbe  einem  Arbeiter  zu  36  c  Rente  anbietet,  so  wird 
dieser,  der  seinem  Gläubiger  bisher  40  c  für  das  Kapital 
von  1  J.  A.  zahlte,  das  teuere  Kapital  kündigen  und  das 
wohlfeilere  dafür  annehmen.  Der  kapitalerzeugende  Arbeiter, 
dem  sein  ausgeliehenes  Kapital  gekündigt  ist,  hat  indessen 
auch  das  zweite  Kapital  zustande  gebracht  und  hat  jetzt 
zwei  Kapitale  zu  verleihen.  Diese  Kapitale  können  aber 
gar  keine  Anwendung  finden,  wenn  er  sich  nicht  entschließt, 
mit  36  c  Rente  pro  J.  A.  Kapital  vorlieb  zu  nehmen.  Da 
diese  Kapitale  ihm  dann  aber  ganz  nutzlos  sind,  so  wird  er 
sich  bequemen  müssen,  sowohl  das  erste  als  das  zweite 
Kapital  für  36  c  Rente  zu  verleihen. 

Man   kann   zwar   einwenden ,    daß   das  aus  der  ersten  100 
J.  A.  hervorgegangene  Kapital   in  Gerätschaften  anderer  Art 
besteht  als  das  durch  die  zweite  J.  A.  hervorgebrachte  Gerät, 
daß  eins  nicht  das  andere  ersetzen  und   folglich  auch  nicht 
maßgebend  für  dasselbe  werden  könne. 

Darauf  kommt  es  hier  aber  auch  nicht  an,   sondern   es 

ist  durch  die  Kapitalvermehrung  die  Vergütung  für  die  auf 

Kapitalerzeugung  gerichtete  Arbeit  in   dem  Verhältnis  von 

40  :  36  gesunken,    und   die  kapitalerzeugende  Arbeit   ^^drd 

Thünen,  Der  isolierte  Staat.  32 


—    498    — 

ferner  mit  36  c  Rente  bezahlt,  sie  mag  auf  die  Verfertigung 
von  Bogen  und  Netzen  oder  auf  die  von  Beilen  und  Spaten 
gerichtet  sein ;  denn  wenn  der  eine  Arbeitszweig  eine  höhere 
Belohnung  fände  als  der  andere,  so  würden  sich  demselben 
so  viele  Arbeiter  zuwenden,  daß  das  Gleichgewicht  hergestellt 
würde. 

So  wie  der  Preis  einer  Ware  nicht  für  die  verschiedenen 
Käufer  verschieden  sein,  nicht  nach  dem  individuellen  Wert^ 
den  sie  für  die  einzelnen  Käufer  hat,  bestimmt  werden  kann, 
sondern  für  alle  gleich  gestellt  werden  muß:  so  kann  auch 
der  Preis  des  Kapitals,  d.  i.  die  dafür  zu  zahlende  Eente, 
nicht  nach  dem  Nutzen,  den  das  Kapital  im  ganzen  dem 
Anleiher  gewährt,  festgesetzt  werden.  Oder,  für  Waren  von 
gleichem  Wert,  für  Kapitale,  deren  Hervorbringung  ein 
gleiches  Quantum  Arbeit  erfordert,  können  nicht  zu  gleicher 
Zeit  zwei  verschiedene  Preise  stattfinden. 

Die  Rente,  die  das  Kapital  im  ganzen  beim 
Ausleihen  gewährt,  wird  bestimmt  durch  die 
Nutzung  des  zuletzt  angelegten  Kapitalteil- 
chens. Dies  ist  einer  der  wichtigsten  Sätze  in  der  Lehre 
von  den  Zinsen. 

Nach  der  obigen  Skala  erwirbt  der  Arbeiter,  der  mit 
einem  geliehenen  Kapital  von  2  J.  A.  arbeitet 

101  durch  seine  bloße  Arbeit 110  c 

„       Anwendung  des  1  sten  Kapitals      .     .    40  c 
„     2ten         „  .     •    36  c 

Sein  Arbeitsprodukt  ist  also      .  186  c 
Davon   muß   er  an   den  Kapitalisten   abgeben   für 

zwei  Kapitale  ä  36  c 72  c 


Es  behält  also      .  114  c 
anstatt  daß  er  bei  der  Anwendung  eines  Kapitals  von  1  J.  A. 
nur  110  c  für  sich  behält. 

Wendet  der  Arbeiter  ein  geliehenes  Kapital  von  3  J.  A. 
an,  so  ist  sein  Erwerb 


499 


durch  die  Arbeit  selbst 

110 

c 

„      das  Iste  Kapital 

40 

c 

.,    2te 

36 

c 

..    3te 

Im 

ganzen 

32,4 

c 

218,4 

c 

Davon  zahlt  er  an  den  Kapitalisten 

die  Rente 

von 

drei  Kapitalien  ä  32,4  c 
Dem  Arbeiter  vei 

bleiben 

97,2 

c 

121,2 

c 

Die 

Verminderung    der    Rent 

e    b 

3i  m 

An- 
wachsen des  Kapitals  kommt  also  dem  Arbeiter 
zugute  und  erhöht  den  Lohn  seiner  Arbeit. 

Während  man  in  Europa  den  gedrückten  Zustand  der 
arbeitenden  Klasse  so  häufig  der  zunehmenden  Anwendung 
von  Maschinen  zuschreibt,  wird  in  dem  gesellschaftlichen 
Zustand,  den  wir  hier  vor  Augen  haben,  die  Lage  der  Ar- 
beiter immer  blühender  und  glänzender,  je  ausgedehnter  beim 
Anwachsen  des  Kapitals  die  Anwendung  von  Maschinen  wird. 

In  der  Tat  scheint  es  widernatürlich  und  widersprechend, 
daß  durch  die  weise  Benutzung  der  Naturkräfte  und  der  die 
Arbeit  so  sehr  fördernden  Maschinen  das  Los  der  zahlreichsten 
Klasse  der  G-esellschaft  um  so  drückender  werden  sollte,  jei02 
mehr  gleichzeitig  ihre  Arbeit  dadurch  wirksamer  und  lohnen- 
der wird. 

Die  weitere  Untersuchung  muß  uns  auf  den  Grund 
dieses  Widerspruchs  führen. 


§  10. 

Einfluss   des  Anwachsens   des  Kapitals   auf  den 
Zinsfuss. 

Der  Zinsfuß  ergibt  sich,  wie  oben  schon  gezeigt  ist,  aus 
dem  Yerhältnis,  wie  eine  gleiche  Quantität  Arbeit  z.  B. 
1  J.  A.  im  Lohn  und  in  Renten  sich  bezalilt  macht. 

32* 


—     500    — 

Lohn  und  Reute  steheu  hier  in  demselben  Verhältnis  wie 
verwandtes  Kapital   zu  den  daraus  hervorgehenden  Zinsen. 

Wird  mit  einem  Kapital  von  1  J.  A.  gearbeitet,  so  be- 
zahlt sich  die  Arbeit  während  eines  Jahrs  im  Lohn  mit 
110  c,  in  der  Rente  mit  40  c;  das  Verhältnis  ist  \de  110  :  40, 

40 
und  der  Zinsfuß  =  -rjTr  =  36,4  ^/o. 

Bei  der  Anwendung  von  2  J.  A.  Kap>ital  beträgt  der  Lohn 
114  c,   die   Rente   36  c  und   der  Zinsfuß^prj  =  31,6%. 

Für  3  J.  A.  Kapital  ist  der  Lohn  121.2  c,  die  Rente 
32,4  c  und  der  Zinsfuß  =  ^-  =  26,7  o/o. 

'  121,2  ' 

Für  4  J.  A.  ist  der  Lolm  130,s  c,  die  Rente  29,2  c,  und 

'599 
der  Zinsfuß  ^^^  =  22,3  «/o. 


130,^ 


Vergleichung  zwischen  Arbeitslohn,   Rente  und 
Zinsfuß  beim  "Wachsen  des  Kapitals. 


Arbeits- 
lohn 


Eente        Zinsfuß 


Für  1  J.  A.  Kapital    .... 

110    c 

40    c 

36,4  «/o 

j)      "^    r     !!             j;             .... 

114    c 

36    c 

31,6    „ 

.     3  „    „          ,         .     .     .     • 

121.2  c 

32,1  c 

26„  „ 

4 

130,8  c 

29,.,  c 

22,3  „ 

103  Beim  Wachsen  des  Kapitals  sinkt  der  Zinsfuß  in  einem 
viel  stärkeren  Verhältnis  als  die  Rente,  weil  gleichzeitig  der 
Arbeitslohn  steigt,  und  die  Rente,  dividiert  durch  den  Arbeits- 
lohn, den  Zinsfuß  ergibt. 

Hier  ist  die  Arbeit,  durch  welche  das  Kapital  hervor- 
gebracht ist,  Maßstab  des  Kapitals.  In  der  Wirklichkeit  wird 
in  der  Regel  das  Kapital  in  Geld  ausgedrückt  und  angegeben, 
und  es  ist  ungewöhnlich,  die  Größe  eines  Kapitals  -nach  der 


—     501    — 

Zahl  der  Jahresarbeit  eines  Tagelöhners,  über  die  man  ver- 
mittels dieses  Kapitals  zu  gebieten  hat,  oder  die  man  dafür 
erkaufen  kann,  zu  ermessen  —  obgleich  dies  über  den  Wert 
eines  Kapitals  in  verschiedenen  Ländern  und  zu  verschiedenen 
Zeiten  ein  weit  helleres  Licht  verbreitet  als  die  Angabe 
in  Geld. 

Bei  der  Bestimmung  des  Zinsfußes  macht  es  übrigens 
keinen  Unterschied,  wenn  das  Kapital  statt  in  J.  A.  in  Geld 
ausgedrückt  wird. 

Es  sei  z.  B.  c  =  1  Taler ,  so  ist  der  Lohn  für  1  J.  A. 
=  110  Tlr.,  das  Kapital  von  1  J.  A.  auch  =  110  Tlr.  und 
die  Rente,  die  dieses  Kapital  gibt  =  40  Tlr.  Die  Eente, 
durch  das  Kaj^ital  dividiert,  gibt  den  Zinsfuß ;  dieser  ist  also 

=  iTu  =  3ß.^  "'«■ 

In  gleicher  Weise  ergibt  sich,  wenn  mit  2  J.  A.  Kapital 
gearbeitet  wird ,  der  Zinsfuß  zu  31,6  °/o ,  wie  dies  auch  bei 
dem  angewandten  Verfahren  nicht  anders  sein  kann. 


§  11. 

Einfluss  des  Anwachsens   des  Kapitals  auf  die 

Grösse   der   Rente,    die    die    kapitalerzeugende 

Arbeit  gewährt. 

Wenn  der  kapitalerzeugende  Arbeiter,  wie  wir  gesehen 
haben,  für  jedes  neugeschaffene,  über  den  bisherigen  Bedarf 
hinausreichende  Kapital  eine  immer  geringere  Rente  erhält,  104 
und  wenn  derselbe  durch  dies  neugeschaffene  Kapital  zugleich 
den  Wert  seiner  älteren  Kapitale,  durch  das  Sinken  der 
Einnahme  von  denselben,  vermindert,  so  entsteht  die  Frage : 
was  kann  ihn  denn  bewegen,  mit  der  Hervorbringung  von 
Kapital  fortzufahren  ? 


—     502    — 

Wir  müssen  uns  hier  erinnern,  daß  das  Kapital  ein 
Produkt  der  Arbeit  ist  und  daß  dasselbe  nur  gebildet  wird 
aus  dem,  was  der  Arbeiter  mehr  hervorbringt,  als  er  wieder 
verzehrt. 

Je  geringer  der  Überschuß  des  Arbeiters  ist,  desto  mehr 
Jahre  muß  er  arbeiten,  oder  —  wenn  wir  uns  die  Ai'beiter 
in  einer  gesellschaftlichen  Yerbindung  denken  —  desto  größer 
muß  die  Zahl  der  Arbeiter  sein,  um  einen  Vorrat  zu  schaffen, 
der  hinreicht,  einen  Mann,  welcher  im  engeren  Sinn  Kapital ' 
schafft,  d.  h.  Gerätschaften  verfertigt,  Häuser  baut  usw.,  ein 
Jalir  hindurch  mit  Lebensmitteln  zu  unterhalten. 

Die  Erwerbung  eines  Hauses,  dessen  Erbauung  die 
Jahresarbeit  von  10  M.  erfordert,  kostet  20  Jalires-Anstren- 
gungen,  wenn  der  Arbeiter  in  einem  Jahr  so  viel  erwirbt, 
als  er  in  zwei  Jahren  zu  seinem  Unterhalt  bedai'f.  Beträgt 
z,  B.  der  Arbeitslohn  200  c,  der  unterhalt  des  Arbeiters 
100  c  und  der  jährliche  Überschuß  desselben  auch  100  c,  so 
kostet  die  Erbauung  des  Hauses  10  X  200  c  =  2000  c,  und 

2000 
um   2000  c   zu  erübrigen,  müssen  -jt^   =   20  Mann   ver- 
neint ein  Jahr  hindurch  arbeiten.     Die  Erwerbung  des  Hauses 
kostet  also  die  Jahres- An  strengung  von  20  Mann. 

Beträgt  dagegen  der  Lohn  nur  110  c,  der  Überschuß 
10  c,  so  kostet  die  Errichtung  des  Gebäudes  10  X  HO  c  = 
1100  c,   und  das  Haus   kann  dann   nur  durch  die  Jahres- 

Anstrengung  von  -jt^ —  =  110  Mann  erworben  werden. 

105  Die  Produktionskosten  des  Kapitals  können 
also  angegeben  und  gemessen  werden  durch  die 
Zahl  der  Jahres-Anstrengungen,  die  zur  Erlan- 
gung desselben  erforderlich  sind. 

Die  Erzeugung  des  Kapitals  wird  immer  kostbarer,  je 
geringer  der  Überschuß  des  Arbeiters  ist,  oder  je  geringer 
der  Arbeitslohn  bei  gleichbleibender  Konsumtion  ist. 


—     503    — 

Hoher  Arbeitslohn  vermehrt  die  Produldionskosten  der 
"Waren,  vermindert  aber  die  Produktionskosten  des  Kapitals. 

Der  Zweck  des  kapitalerzeugenden  Arbeiters  ist,  für  seine 
Jahresarbeit  die  möglichst  höchste  Rente  zu  erlangen.  Nun 
fällt  einerseits  mit  dem  vermehrten  Kapital  der  Zinssatz, 
also  die  Einnahme  aus  dem  Kapital ;  andererseits  aber  steigt 
mit  dem  Kapital  der  Arbeitslohn  und  durch  den  erhöhten 
Lohn  vermindern  sich  die  Kosten  der  Kapitalerzeugung. 

Bei  der  Kapitalschaffung  sind  also  zwei  sich  gegenseitig 
beschränkende  Momente  wirksam  —  und  es  läßt  sich  schon 
liieraus  mit  Wahrscheinlichkeit  schließen,  daß  es  in  der  Ver- 
größerung des  Kapitals  einen  Punkt  gibt,  bei  welchem  die 
kapitalerzeugende  Arbeit  das  Maximum  der  Rente  gibt. 

Einige  Beispiele  in  Zahlen  werden  dies  dem  Auge  näher 
führen. 

Das  Kapital  betrage  2  J.  A.,   so  ist  das  Arbeitsprodukt 

aus  der  Arbeit  an  sich 110  c 

aus  dem  1.  Kapital 40  c 

aus  dem  2.  Kapital 36  c 

Summa     186  c 

Hiervon    muß    der   Arbeiter    für   das    geliehene 

Kapital  von  2  J.  A.  abgeben  ä  36  c  = 72  c 

Es  bleiben  dem  Arbeiter  .     .     .     114  c 

Besitzt  der  kapital  erzeugende  Arbeiter  selbst  das  Kapital, 
womit  er  arbeitet,  so  muß  er  doch  die  Zinsen  davon  in  An- 
rechnung bringen,  weil  er  durch  Ausleihen  dasselbe  so  hoch  106 
hätte  nutzen  können. 

Yoü  obigen  114  c  verwendet  der  kapitalerzeugende 
Arbeiter  zu  seinem  Unterhalt  100  c,  und  er  behält  für  seine 
Jahres-Anstreugung  einen  Überschuß  von  14  c. 

Um  ein  Kapital  zu  sammeln,  welches  gleich  dem  Lohn 

114 
für  1  J.  A.  ist,   gebraucht  er  also  — ^-t —  =  8,ii  Jalire.    Es 

bringen  also  8,i4  M.,   die  gemeinschaftlich  an   der  Kapital- 


—     504    — 

erzeugung  arbeiten,  ein  Kapital   von  1  J.  A.  hervor.    Dies 

Kapital  gibt,  wenn  es  ausgeliehen  wü'd,  eine  Rente  von  36  c. 

Diese  unter  8.i4  M.  verteilt,  macht  für  jeden  4,42  c  Rente. 

Für  3  J.  A.  Kapital 

ist  das  Arbeitsprodukt  110  -|-  40  +  36  +  32,4  =  218,4  c 

Davon  gehen  an  Zinsen  ab  für  3  Kapitale  ä  32,4  =     97,2  c 

Dem  Arbeiter  verbleiben 121,2  c 

Der  Überschuß  des  Arbeiters  beträgt      .     .  21,2  c 

Um  ein  Kapital  zu  sammeln,  das  gleich  dem  Lohn  für 

121 2  c 
1  J.  A.  ist,   wird  die  Jahres- Anstrengung  von  — ^^y^ = 

5,72  M.  erfordert.    Die  Rente  für  das  Kapital  von  1  J.  A.  be- 
trägt 32,4  c.    Ein  Arbeiter   erhält  also  für  seine  Jahres-An- 

32,4  c 
strengung  -^ =  o,6c  c  Rente. 

0,<2 

Für  4  J.  A.  Kapital 
ist  das  Ai'beitsprodukt  110  +  40  -|-  36  +  32,4  +  29,2  =  247,6  c 
Hiervon  ab   die   Zinsen   von  4  Kapitalien  ä  29,2  c  =  116,s  c 

Es  bleiben  für  den  Ai-beiter 130,s  c 

und  der  Überschuß  des  Arbeiters  beträgt     .        30,s  c 

Zum  Ansammeln   eines  Kapitals  von  1  J.  A. ,   welches 

29,2  c   Rente    trägt,    gehört    die    Jahres- Anstrengung    von 

130  8  c 

107     OA ' =  4,25  M.     Ein  Mann    erwirbt  also   durch  seine 

30,8  c  ' 

29  o  c 
Jahres- Anstrengung  eine  Rente  von  "  '"_     =  6,S7  c. 

Die  Rente  des  kapital  erzeugen  den  Arbeiters,  welche  liei 
der  Anwendung  von  2  J.  A.  Kapital  nur  4,42  c  beträgt,  steigt 
also  mit  3  J.  A.  Kapital  auf  5,ct;  c  und  mit  4  KapitaHen  von 
1  J.  A.  auf  6,87  c. 

"Wir  ersehen  hieraus,  daß  die  kapitalerzeugenden  Arbeiter 
bei  vermehrtem  Kapital  und  sinkendem  Zinssatz  doch  durch 
ihre  Arbeit  eine  größere  Rente  erwerben  als  bei  geringem 
Kapital  und  hohem  Zinssatz,  daß  sie  also  durch  ihr  eigenes 


—    505    — 

Interesse  angetrieben  werden,  das  Kapital  zu  vermehren, 
obgleich  dadui-ch  das  Produkt  ihrer  Arbeit,  d.  i.  das  Kapital, 
durch  das  Sinken  des  Zinssatzes,  einen  geringeren  Preis  erhält. 

Wollte  man  hiergegen  einwenden,  daß  zwar  die  kapital- 
erzeugenden Arbeiter  durch  die  A^erraehrimg  des  Kapitals 
sich  eine  größere  Rente  verschaffen,  daß  aber  deren  Interesse 
erfordere,  das  größere  Kapital  nur  bei  ihrer  eigenen  Arbeit 
anzuwenden,  den  übrigen  Arbeitern  aber  nichts  davon  zu- 
kommen zu  lassen,  damit  der  Zinssatz  die  frühere  Höhe  be- 
hielte: so  muß  man  dagegen  erwägen,  daß  die  kapitaler- 
zeugeuden  Arbeiter  kein  Monopol  besitzen,  und  daß  die  andern 
Arbeiter  sich  sogleich  der  Kapitalerzeugmig  zuwenden  würden, 
wenn  die  darauf  gewandte  Arbeit  höher  gelohnt  wird  als  die 
sonstige  Arbeit. 

Dies  Überti-eteu  der  Arbeiter  der  2.  Klasse  in  die  der 
1.  Klasse  würde  so  lange  fortdauern,  bis  das  Gleichgewicht 
wieder  hergestellt  ist,  d.  i.  bis  beide  Gattungen  von  Arbeit 
gleich  hoch  gelohnt  werden. 

Hier  kommt  nun   die  Frage   ziu"  Sprache,   welchen  ge- 
meinschaftlichen Maßstab  gibt  es  für  die  Belohnung  beider 
Gattungen  von  Arbeit,  da  die  für  die  eine  Gattung  in  einer  108 
dauernden  Rente,  die  für  die  andere  aber  im  Erzeugnis  selbst 
sich  ausspricht. 

Hierauf  ist  zu  entgegnen :  wenn  der  Arbeiter  seinen 
Überschuß  gegen  Zinsen  ausleiht,  so  verwandelt  sich  der  Lohn 
für  seine  Jahres- Anstrengung  in  einen  dauernden  Zinsenbezug, 
der  mit  der  Rente  des  kapitalerzeugeuden  Arbeiters  verglichen, 
und  nach  demselben  Maßstab  —  z.  B.  in  Talern,  oder  in 
Scheffel  Roggen  —  gemessen  werden  kann. 

Gesetzt  nun,  die  beiden  Klassen  von  Arbeitern  wenden 
ein  verschiedenes  Kapital  an,  die  der  1.  Klasse  z.  B.  3  J.  A., 
während  die  der  2.  Klasse  nur  mit  einem  Kapital  von  2  J.  A., 
arbeiten. 

Die  Rente  des  kapitalerzeugeuden  Arbeiters  beträgt  dann. 


—     506 


vrie  oben  gezeigt  ist,  5,g6  c.    Bei  der  Anlegung  von  2  J.  A. 

Kapital  ist  der  Lohn  114  c,   der  Überschuß   14  c  und   der 

36  e 
Zinsfuß     ..-, ,       =31,6  ^/o.     Der  Arbeiter   bezieht  also  für 


114  c 
seinen   Überschuß  14  c  X 


31.r> 
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=  4,42  c,  während  der  Ar- 


beiter der  1.  Klasse  5,6g  c  ßente  erhält. 

Wenden  dagegen  die  Arbeiter  gleichfalls  ein  Kapital  von 
3  J.  A.  an,  so   ist  der  Lohn  =  121,2  c.   der  Überschuß  = 
32,4 


21,2  c,  der  Zinsfuß  = 


121,2 


den  Überschuß  betragen  dann  21,2  X 


=  26.7  ^lo,   und  die  Zinsen  für 
26,7 


100 


=    0,G6    C. 


also 


gerade  so  viel,  als  die  Rente  des  kapitalerzeugeuden  Ar- 
beiters beträgt.  Bei  gleicher  Kapitalanlage  findet  demnach 
das  Cxleichgewicht  in  der  Belohnung  beider  Gattungen  von 
Arbeiten  statt,  und  es  ist  dann  kein  Grund  zum  Übertreten 
der  Arbeiter  von  einer  Klasse  in  die  andere  vorhanden. 
109  Die  Eente  des  kapitalerzeugenden  Arbeiters  beträgt, 
wenn  gearbeitet  wird,  mit  einem  Kapital 


«.. 

Eeute 

Differenz 

von  2  J.  A 

„     3  J.  A 

,.     4  J.  A 

4,42    c 
5,66    C 
6,87    C 

1.24    c 
1,21    C 

Diese  Rente  nimmt  also  zu  mit  dem  "Wachsen  des 
Kapitals,  aber  diese  Zunahme  selbst  oder  die  Differenz  der 
Rente  für  zwei  aufeinanderfolgende  Kapitale  nimmt  ab,  wenn 
die  Kapitale  wachsen.  Diese  Wahrnehmung  bestärkt  die 
schon  oben  geäußerte  Vermutung,  daß  diese  Rente  nicht 
fortwähi'end  mit  dem  Kapital  wächst,  sondern  bei  einem  ge- 
wissen Punkt  ihr  Maximum  erreicht.  Um  hierüber  aufs  klare 
zu  kommen,  ist  die  begonnene  Rechnung  weiter  fortgeführt, 
und  das  Resultat  in  nachstehender  Tabelle  zusammengetragen. 


507 


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110 


—    508    — 

111  Folgerung.  Die  Rente,  die  der  kapitalerzeugende  Ar- 
beiter für  seine  Jahresarbeit  erhält,  steigt  mit  dem  wachsen- 
den Kapital  trotz  des  gleichzeitig  abnehmenden  Zinssatzes^ 
erreicht  aber  bei  der  Kapitalanlage  von  8  J.  A.  den  höchsten 
Punkt  und  sinkt  von  da  an  immer  tiefer  herab. 

Das  eigene  Interesse  der  Ai-beiter  treibt  sie  an,  das- 
Kapital  so  weit  zu  vermehren,  bis  die  Arbeit  mit  der  liöchsten 
Eente  belohnt  wird  —  hier  so  weit,  daß  auf  jeden  Arbeiter 
8  J.  A.  an  Kapital  fallen. 

Bei  dem  Maximum  der  Rente,  womit  hier  die  Arbeit 
belohnt  werden  kann,  beträgt  der  Arbeitslohn  184,5  c,  der 
Zinsfuß  10.4  o/o. 


Einfluss  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  und  des 

Klimas   auf  die  Höhe  des  Arbeitslohns   und  des 

Zinsfusses. 

Wenn  infolge  der  mindern  Fruchtbarkeit  des  Bodens 
der  mit  gleichem  Kapital  versehene  Arbeiter  ein  um  ^/4  ge- 
ringeres Arbeitsprodukt  hervorbringt  als  in  TabeDe  A,  so 
sinken  auch  Zinsenbetrag  und  Arbeitslohn  um  ^U,  wie  sich 
sogleich  ergibt,  wenn  man  dieselbe  Rechnung,  wonach  die 
Tabelle  A  entworfen  ist,  auf  den  Fall  anwendet,  wo  das 
Arbeitsprodukt  eines  Mannes  ohne  Kapital  ^U  X  HO  =  82-/? 
und  der  Zuwachs  durch  das  1.  Kapital  ^/iX  40  =  30  ausmacht. 

Alsdann  aber  erreicht  der  Arbeitslohn  bei  der  Anwendung 
von  1,  2,  3  und  selbst  von  4  J.  A.  Kapital  noch  nicht  den 
Betrag  der  notwendigen  Subsistenzmittel  des  Arbeiters.  Yiel- 
weniger  noch  kann  unter  diesen  Verhältnissen  durch  die 
Arbeit  selbst  Kapital  geschaffen  werden.  Erst  dann,  wenn 
das  relative  Kapital   bis  5  J.  A.  gestiegen   ist,   gewährt  die 


—    509    — 

Arbeit  bei  einem  Lohn  von  ^U  X  142,4  =  106,s  einen  Über- 
schuß von  6,s  welcher  zur  Kapitalbildung  verwandt  werden 
kann. 

Es   muß  also  das  Kapital  dem  Menschen   vorangehen^  112 
wenn  dieser  überhaupt  nur  subsistieren  soll. 

Dieser  Zustand  ist  aber  der  durch  ganz  Europa  herr- 
schende; denn  selbst  in  unsern  mildesten  Himmelsstrichen, 
im  Süden  von  Italien  und  Grriechenland ,  müßte  ein  Volk 
ohne  alles  Kapital,  d.  i.  ohne  Kleidung,  Wohnung,  Gerät- 
schaften usw.  elend  umkommen. 

Aber  das  Kapital  ist  nicht  (wie  die  Welt  nach  Feuer- 
bach) aus  und  durch  sich  selbst,  aus  innerer  Notwendigkeit, 
entstanden,  sondern  ist  —  das  Erzeugnis  menschlicher  Arbeit. 

Also  das  Kapital  ist  die  Bedingung  der  Subsistenz  der 
Menschen,  ist  aber  nicht  von  Uranfang  dagewesen,  sondern 
entstanden  aus  der  Arbeit  von  Menschen,  die  noch  kein  Ka- 
pital besaßen. 

Hier  treffen  wir  auf  einen  Zirkelschluß,  auf  einen  un- 
löslich scheinenden  Widerspruch. 

Irre  ich  nicht,  so  spiegelt  sich  in  der  Wissenschaft,  da 
wo  von  Arbeitslohn  und  Zinsfuß  die  Rede  ist,  dieser  Wider- 
spruch auch  überall  ab  und  vielleicht  liegt  in  der  Nichtlösung 
desselben  der  Grund,  warum  das,  was  über  diesen  Gegen- 
stand gesagt  worden,  so  ungenügend  ist. 

In  der  Tat  habe  ich  mich  seit  mehr  als  20  Jahren  be- 
müht, ein  Gesetz  für  die  Verbindung  zwischen  Kapital  und 
Arbeitsprodukt  aufzufinden,  durch  welches  jener  Widerspruch 
gelöst  wird  —  aber  stets  vergebens. 

Zwar  ist  es  nicht  schwer,  für  die  höhern  Grade  des 
relativen  Kapitals  eine  das  Verhältnis  zwischen  diesem  und 
dem  Arbeitsprodukt  darstellende  Skala  zu  entwerfen,  die  der 
Wirklichkeit  annähernd  entspricht;  wird  aber  die  sich  auf 
diese  Weise  bildende  Reihe  bis  zu  den  niedern  Graden  des 


—     510    — 

Kapitals,  oder  gar  bis  Xull,  d.  i.  bis  zum  rrsi^rung  desselben 
fortgeführt,  so  zeigt  sich  abermals  derselbe  ^N'^iderspruch. 
113  Das  Arbeitsprodukt  p  ist  eine  Funktion  von  q,  wenn  q 
die  Größe  des  angewandten  Kapitals  bezeichnet;  aber  keine 
der  von  mir  fast  in  allen  algebraischen  Formen  aufgestellten 
Gleichungen  erhellt  das  Dunkel,  das  hier  herrscht. 

Erst  spät,  zu  spät  wegen  der  verlorenen  Zeit  und  Mühe, 
ist  mir  der  Grund  der  ünlöslichkeit  der  Aufgabe,  den  ich  in 
nachstehenden  Betrachtungen  gefunden,  klar  geworden. 

Xur  da,  wo  die  Natur  freiwillig,  d.  i.  ohne  Zutun  des 
ilenschen,  Pisang  und  Kokospalmen  erzeugt,  wo  die  "Wärme 
des  Klimas  weder  Kleidung  noch  Wohnung  zu  den  absoluten 
Bedürfnissen  des  Menschen  macht,  nur  da  kann  die  Wiege 
der  Menschheit  gestanden  haben,  und  nur  da  kann  aus  der 
Arbeit  an  sich  Kapital  erwachsen. 

Nachdem  in  diesem  paradiesischen  Lande  Kapitale  ge- 
sammelt sind,  gleichzeitig  aber  auch  die  Volksmenge  sich  so 
vermehrt  hat,  daß  der  Eaum  beengt  wird,  indem  aller  frucht- 
bare Boden  das  Eigentum  einzelner  geworden  ist,  können 
einzelne  Stämme  sich  abtrennen,  auswandern  und  mit  Hilfe 
des  erworbenen  Kapitals  —  Vieh,  Nahrungsmittel,  Gerät- 
schaften usw.  —  auch  in  solchen  Ländern,  wo  der  Mensch 
ohne  Kapital  nicht  leben  kann,  ihren  reichlichen  Unterhalt 
finden,  mehr  verdienen,  als  wenn  sie  sich  in  ihrem  Vater- 
lande für  Lohn  verdungen  hätten. 

Nachdem  an  diesem  neuen  Wohnplatz  abermals  neue 
Kapitale  gesammelt  sind,  nachdem  die  Volksmenge  sich  wieder 
so  vermehrt  hat,  daß  der  Eaum  wieder  beengt  wird,  können 
Auswanderer,  die  mit  einem  hinreichenden  Kapital  versehen 
sind,  sich  nach  unwirtbaren  Gegenden,  wo  selbst  die  so  wenig 
bedürfenden  Wilden  nicht  leben  können,  die  also  an  sich  un- 
bewohnbar sind,  begeben  und  dort  doch  einen  vöUig  ge- 
nügenden Unterhalt  finden. 

Ja,  wir  können  weiter  schließen,  daß  Länder,  die  wir 


—     511     — 

jetzt  noch  wegen  ihres  unfruchtbaren  Bodens  oder  wegen 
ihres  ungünstigen  Khmas  für  unbewohnbar  halten,  einst,  wenn 
die  Kapitale  durch  ihre  weitere  Vermehrung  noch  wohlfeiler 
geworden ,  in  Kultur  genommen  und  Menschen  ernähren 
werden.  Je  wohlfeiler  das  Kapital  wird,  d.  i.  für  je  geringere 
Zinsen  dasselbe  zu  haben  ist,  desto  mehr  erweitert  sich  die 
Bewohnbarkeit  der  Erde. 

Auch  Eiu-opa  gehört  zu  den  Ländern,  die  nur  durch  Ein- 
wanderung von  Menschen,  die  mit  Kapital  versehen  waren, 
bevölkert  werden  konnten. 

Die  Dnlöslichkeit  der  obigen  Aufgabe  erklärt  sich  nun 
dadurch, 

daß  das  uranfängliche  Kapital  nicht  in  Europa  geschaffen 
ist,  sondern  aus  Ländern  stammt,  wo  andere  Gesetze  der 
Kapital bildung  herrschen  als  hier. 

Das  ursprüngliche  Kapital  in  Europa  ist  ein  eingewan- 
dertes und-  folgt  nicht  den  Gresetzen,  die  wir  von  unserm 
Standpunkt  aus  überblicken. 

Mit  dieser  Erkenntnis  hört  aber  zugleich  der  Widerspruch 
auf,  indem  wir  es  nun  aufgeben,  für  die  Entstehung  der  ur- 
anfänglichen Kapitale  und  die  der  höhern  Grade  ein  und 
dasselbe,   beide  umschließende  Gesetz  aufsuchen  zu  wollen. 

Sollte  nicht  auch,  diesem  Fall  analog,  in  andern  und 
noch  höhern  Beziehungen  manche  Aufgabe  uns  deshalb  un- 
löslich erscheinen,  weil  wir  durch  ein  einheitliches  Gesetz 
erklären  und  begreifen  Avollen,  was  ganz  verschiedenen  Ur- 
sprungs ist,  —  was  nur  zum  Teil  unserm  Schauplatz  an- 
gehört, zum  Teil  aber  nicht  bloß  einem  andern  Weltteil, 
sondern  selbst  einer  andern  Welt  entsprossen  sein  mag? 


Anwendung.  115 

Es  mag  erlaubt  sein,  wenn  auch  mit  teilweiser  Wieder- 
holung des  bereits  Gesagten,  hieran  noch  folgende,  sich  mir 
bei  diesem  Gegenstand  aufdrängende  Betrachtung  zu  knüpfen. 


—    512    — 

Nur  in  solchen  Gegenden  der  Erde,  die  wie  Südindien, 
Mittelafrika,  Peru  in  der  Region  des  Pisang  und  der  Kokos- 
palme liegen,  konnte  das  Menschengeschlecht  seinen  Ursprung 
nehmen. 

Hier  in  diesen  von  der  Xatur  so  reich  begabten  Ländern 
lebten  die  Menschen  so  lange  im  Überfluß,  als  sich  für  die 
wachsende  Bevölkerung  noch  immer  herrenloses  Land  fand. 
Nachdem  aber  alles  fruchtbare  Land  in  Besitz  genommen 
imd  zum  Eigentum  einzelner  geworden,  mußte  bei  weiter 
steigender  Bevölkerung  ein  Teil  des  Volks  sich  verdingen 
und  für  Lohn  arbeiten.  Dieser  Lohn  sinkt  dann  allmählich 
bis  zu  einem  Punkt,  wo  es  vorteilhafter  wird,  nach  andern 
minder  fi'uchtbai'en  und  von  der  Natur  minder  begünstigten 
Ländern,  die  aber  noch  herrenloses  Land  enthalten,  aus- 
zuwandern und  dort  mit  Hilfe  des  erworbenen  und  mit- 
gebrachten Kapitals  den  Boden  zu  bebauen. 

Dieser  Gang  der  Entwicklung  ist  in  aUen  geistigen  An- 
lagen des  Menschen,  in  dem  von  der  Natur  dem  Menschen 
als  Instinkt  mitgegebenen  Streben  nach  Förderung  seines 
Wohlseins  und  endlich  auch  in  der  Beschaffenheit  der  phy- 
sischen AVeit  so  fest  begründet,  und  ist  so  naturgemäß,  daß 
wir  die  durch  Auswanderung  bewirkte,  allmähliche  Ver- 
breitung des  Menschengeschlechts  über  die  ganze  Erde  als 
dem  Weltplan  entsprechend  betrachten  dürfen. 

Blicken  wir  dagegen  auf  diejenigen  Staaten,  aus  denen 
die  Auswanderung  erfolgt,  so  ist  diese  für  sie  keineswegs 
erfreulich.  Der  Staat  verliert  dadurch  die  produktive  Kraft 
116 der  Auswanderer;  er  verliert  das  Kapital,  das  auf  deren 
Erziehung  verwandt  ist ;  er  verliert  das  Kapital,  das  dieselben 
mitnehmen. 

Wird  eine  solche  Auswanderung  regelmäßig  und  dauernd, 
so  kann  es  geschehen,  daß  dieser  Staat,  trotz  aller  seiner 
nützlichen  Anstalten  und  Einrichtungen,  nur  für  einen  andern 


—    513    — 

Staat  arbeitet,   selbst  aber  weder  an  Macht  noch  Eeichtum 
zunimmt. 

Dies  wird  um  so  empfindlicher,  Avenn  die  Auswanderung 
die  Richtung  nach  einem  Staat  nimmt,  der  mit  dem  eigenen 
einst  in  feindliche  Berührung  geraten  kann.  Dieser  arbeitet 
dann  selbst  dahin,  einst  im  Kampf  mit  dem  anderen  Staat 
unterliegen  zu  müssen. 

Hemmen  aber  läßt  sich  dies  nicht ;  denn  der  Mensch  auf 
dem  jetzigen  Standpunkt  der  Bildung  läßt  sich  das  Recht 
der  Freizügigkeit  nicht  mehr  nehmen  —  und  vermöchte  eine 
Regierung  dies  auch,  so  Aväre  Übervölkerung,  Not  und  Em- 
pörung doch  die  endliche  Folge  davon. 

Auch  der  mächtigste  und  unbeschränkteste  Monarch  der 
Erde  ist  ohnmächtig,  wenn  er  sich  der  Erfüllung  des  Welt- 
plans entgegen  stemmt. 

So  bleiben  also  die  Staaten  dem  Weltgeist  gegenüber 
im  Zustande  des  Zwangs  und  unversöhnt  mit  dem  über  sie 
waltenden  Geschick. 

Ist  denn  —  so  müssen  wir  fragen  —  dieser  Widerspruch 
naturgemäß  und  demnach  unversöhnlich? 

Auch  die  Individuen  sind  einem  Zwange,  den  die  Gesetze 
des  Staats  auflegen,  unterworfen.  Aber  diesen  ist  die  Macht 
gegeben,  sich  des  Zwangs  zu  entheben  und  zur  Freiheit  zu 
gelangen,  wenn  sie  dem  egoistischen,  auf  das  eigene  Interesse 
gerichteten  Streben  entsagen,  das  Wohl  des  Staats  zum  Ziel 
ihrer  Handlungen  machen  und  durch  tieferes  Erkennen  ihrer 
höheren  Bestimmung  sich  selbst  freiwillig  die  Schranken  117 
stecken,  die  der  Staat  durch  seine  auf  das  Wohl  des  Ganzen 
gerichteten  Gesetze  als  Zwang  auflegt. 

Gibt  es  nun  für  die  Staaten  und  ihre  Lenker  keine  solche 
Versöhnung  mit  dem  Geschick,  keine  solche  Erhebung  zur 
Freiheit  wie  den  Individuen  gestattet  ist,  müssen  sie  fort  und 
fort  im  Zustande  des  Zwanges  und  des  Entgegenstrebens 
gegen  den  Weltplan  verharren? 

Thünen,  Der  isolierte  Staat.  33 


—    514    — 

Schwerlich  kann  diese  Versöhnung  anders  stattfinden, 
als  wenn  die  Staaten  es  aufgeben,  sich  selbst  als  den  Mittel- 
punkt der  Erde,  die  anderen  Nationen  aber  als  Werkzeuge 
zu  ihrem  Nutzen  zu  betrachten. 

Die  Versöhnung  kann  und  wird  stattfinden,  wenn  die 
Staaten  das  Wohl  der  Menschheit  zum  Ziel  ihres  Strebens 
machen,  wenn  sie  zur  Menschheit  sich  verhalten,  wie  jene 
zur  Freiheit  gelangten  Individuen  sich  zum  Staat  verhalten. 

Zum  Wandeln  auf  dieser  Bahn  gehört  gewiß  fester  Mut 
und  anfangs  auch  die  Darbringung  von  Opfern.  Aber  wie 
die  Individuen,  die  ihrer  Bestimmung  gemäß  handeln,  auch 
ungesucht  dafür  belohnt  werden,  so  würde  auch  für  die 
Staaten  der  Lohn  nicht  ausbleiben.  Die  Regierung,  die  das. 
Vertrauen  gewonnen,  daß  sie  auf  dieser  Bahn  beharrlich 
fortschreiten  werde,  würde  sich  die  anderen  Völker  geistes- 
untertan  machen  und  dadurch  an  Einfluß  und  Macht 
mehr  gewinnen,  als  diu-ch  Vermehrung  der  Volksmenge  und 
des  Reichtums  oder  durch  Gebietsvergrößerung  gewonnen 
werden  kann. 

England  hat  schon  Spuren  einer  solchen  Richtung  ge- 
zeigt —  in  der  Sklavenemanzipation,  in  Canning's  Be- 
strebungen, in  dem  Frieden  mit  China,  und  neuerdings  auch 
in  seiner  Handelspolitik.  Vermöchte  England  es,  allen  Egois- 
mus gegen  das  Auslaad  abzustreifen  und  die  momentan  be- 
llStretene  Bahn  für  immer  zu  wandeln,  so  könnte  sein  materielles^ 
noch  mehr  aber  sein  geistiges  Übergewicht  eine  noch  nicht 
geahnte  Höhe  erreichen. 


Nach  dieser  Unterbrechung  kehren  wir  zu  unserer  Unter- 
suchung zurück  und  geben  in  nachstehender  Tabelle  eine 
Übersicht  der  Resultate  für  ein  Verhältnis,  wo  das  Arbeits- 
produkt 3/4  dessen  beträgt,  was  wir  in  der  Tabelle  A  (§  11) 
zur  Grundlage  genommen  haben. 


515 


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—    516    — 

120     Vergleichung  der  Resultate  in  den  Tabellen 

A  und  B. 

Die  höchste  Belohnung  der  Arbeit  in  Retiten  findet  statt, 
in  A  bei  der  Kapitalanlage  von  8  J.  A.,  in  B  bei  10,5  J.  A. 
Kapital. 

Bei  diesem  Höhepunkt  in  der  Belohnung  der  Arbeit  ist 
der  Arbeitslohn  in  A  184,5  c,  in  B  167  c,  und  der  Zinsfuß 
ist  in  A  10,4  ^/o,  in  B  6,65  %. 

Die  Verminderung  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  bewirkt 
also: 

1.  daß,  um  jenen  Höhepunkt  zu  erreichen,  eine  größere 
Kapitalanlage  erforderlich  ist; 

2.  daß  sowohl  der  Arbeitslohn  als  der  Zinsfuß  sinken; 
letzterer  aber  in  weit  größerem  Verhältnis  als  ersterer. 

Zu  bemerken  ist  noch,  daß  die  Verminderung  des  zwischen 
Arbeiter  und  Kapitalisten  zu  teilenden  Arbeitsprodukts  nicht 
allein  durch  verminderte  Fruchtbarkeit  des  Bodens  veranlaßt 
wird,  sondern  ebensowohl  Folge  einer  auf  das  Erzeugnis  ge- 
legten und  der  Größe  desselben  proportionalen  Abgabe  sein 
kann. 


§  13. 

Reduktion  der  Wirksamkeit  des  Kapitals 
auf  Arbeit. 

Wir  verlassen  jetzt  mit  unseren  Betrachtungen  die  Tropen- 
welt und  wenden  uns  den  europäischen  Zuständen  zu,  wo  der 
Mensch  ohne  Mitwirkung  des  Kapitals  nichts  hervorzubringen 
vermag  und  ohne  Beihilfe  des  Kapitals  nicht  einmal  sub- 
sislieren  kann. 

Hier  ist  jedes  Erzeugnis  das  gemeinschaftliche  Werk  von 
Arbeit  und  Kapital,  und  es  entsteht  nun  die  Frage,  ob  der 


—    517     — 

Anteil,  den  jede  dieser  Potenzen  an  dem  gemeinsamen  Pro- 
dukt hat,  sieh  erlvennen  und  ausscheiden  lasse. 

Zur  Lösung  dieser  Frage   steilen  wir  nachstehende  Be-121 
trachtungeu  an. 

"Wenn  das  Kapital  Q  in  Scheffel  Eoggen  oder  in  Taler 
oder  irgendeinem  anderen  Wertmaß  angegeben  ist,  und  der 
Arbeitslohn  a  -}-  y  in  eben  dem  Wertmaß  ausgedrückt  als 
bekannt  angenommen  wird :  so  ergibt  sich ,  wenn  man  mit 
a  -f-  3^  iii  Q  dividiert,  wie  groß  das  Kapital  in  Jahresarbeiten 
einer  Arbeiterfamilie  ausgedrückt  ist,  oder  über  wie  viele 
J.  A.  einer  Familie  der  Kapitalist  mit  dem  Kapital  Q  zu  ge- 
bieten hat. 

Diese   Arbeiterzahl  sei  =  no    so  ist  — j —  =  nq,  und 

Q  =_nq  {a-{-y). 

Übergibt  nun  der  Kapitalist  dies  Kapital  einem  Unter- 
nehmer, welcher  dasselbe  in  einem  Gewerbe  oder  in  einer 
Gegend,  wo  keine  Landrente  stattfindet,  im  Landbau  anlegt, 
und  stellt  dieser  Unternehmer  n  Arbeiter  an,  so  arbeitet  jeder 

nq 
derselben  mit   einem  Kapital  von    =  <[   J.-  A.   Kapital. 

Wenn  man  nun  von  dem  Eohertrage  des  Gewerbes  oder 
des  Landbaues  in  der  Gegend,  wo  keine  Landrente  existiert, 
alle  Auslagen  des  Unternehmers,  mit  alleinigem  Ausschluß 
des  Arbeitslohns  und  der  an  den  Kapitahsten  zu  zahlenden 
Zinsen,  abzieht  und  von  dem  sich  dann  ergebenden  Über- 
schuß noch  den  Gewerbsprofit  des  Unternehmers  (nach  §  7) 
in  Abzug  bringt,  so  bleibt  der  Teil  des  Ertrags  übrig,  den 
wir  (§  6,  Nr.  3)  das  Arbeitsprodukt  genannt  imd  für 
den  Arbeiter,  der  mit  einem  Kapital  von  q  J.  A.  arbeitet, 
mit  „p"  bezeichnet  haben. 

Es  ist  gleichgültig,  in  welchem  Wertmaß  p  angegeben 
wird,  ob  in  Roggen  oder  Geld  usw.,  nur  muß  das  Wertmaß 
dasselbe  sein,  worin  Q  und  a  -(-  }"  angegeben  sind. 


—    518    — 

Dieses  Arbeitsprodukt  p  ist  das  gemein  scliaftliclie  Er- 
zeugnis von  Arbeit  und  Kapital  und  kommt,  da  jede  andere 
122  Gewerbsausgabe  bereits  abgezogen  ist ,  einzig  und  allein 
zwischen  dem  Kapitalisten   und   dem  Arbeiter  zur  Teilung. 

Auf  welche  Weise  findet  nun  diese  Teilung  statt? 

Die  n  Arbeiter,  welche  in  dem  Gewerbe  angestellt  sind, 
bringen  ein  Produkt  von  up  hervor.  Hiervon  erhalten  die 
n  Arbeiter  an  Lohn  n  (a  4-  j)-  Nach  Abzug  dieses  Lohns 
verbleibt  dem  Kapitalisten   eine  Rente  von  n  (p  —  [a  -j~  y])- 

Das  verwandte  Kapital  beträgt  nq  (a  -\-  y). 

Die  Rente  dividiert  durch  das  ange^^'audte 
Kapital  ergibt  den  Zinssatz,  den  wir  mit  z  bezeichnen. 

z  ist  also  =    Mp-fa  +  y])    _  Pzii^) 
oq  (a  4-  y)  q  (a  +  y) 

Dieser  Ausdruck  für  den  Zinssatz  ist  (bei  dem  Begriff, 
den  wir  mit  den  Symbolen  p,  q  und  a  -j-  y  verbinden)  von 
allgemeiner,  absoluter  Gültigkeit.  Eben  so  entschieden  gültig 
müssen  aber  auch  die  Folgerungen  sein,  die  sich  aus  dieser 
Gleichung  mathematisch  ableiten  lassen. 

Ausz==P^:^^^ 

q  (a  +  y) 
folgt  qz  (a  -f-  y)  =  p  —  (a  +  y) 

und  (1  +  qz)  (a  +  y)  =  p, 

also  a  +  v  =  ^j— 7 

^-         l  +  qz 

Also  der  Arbeitslohn  ist  gleich  dem  Arbeitsprodukt, 
dividiert  durch  Eins  plus  dem  mit  dem  Zinssatz  multipli- 
zierten, in  Jahres-Arbeiten  ausgedrückten  Kapital. 

Die  Rente,  die  der  Kapitalist  bezieht,  ergibt  sich,  wenn 
man  von  dem  Arbeitsprodukt  den  Arbeitslohn  abzieht;  diese 
beträgt  also 

p     _  p-fpqz  — p  _    pqz 


p  — 


1  -j-  qz  1  -f-  qz  l  +  qz 


—    519    — 

Das  Verhältnis,   in  welchem   die  Belohnung  der  Arbeit  123 
zu  der  des  Kapitals  steht,  ist  also  wie 

1  -}-  qz         1  +  q^ 

Setzt  man  den  Lohn  des  Arbeiters  =  A,  so  ist  die 
Rente  des  Kapitalisten  =  Aqz. 

Die  Reute  von  q  T.  A.  Kapital  ist  also  gleich  dem  Lohn 
Ton  qz  Arbeitern,  und  die  Rente  von  1  J.  A.  Kapital  ist 
gleich  dem  Lohn  von  z  Arbeitern. 

Da  nun,  wie  weiter  unten  nachgewiesen  werden  wird, 
bei  der  Erzeugung  eines  und  desselben  Produkts  p  ein  Teil 
des  Kapitals  durch  vermehrte  Arbeit,  und  wiederum  ein  Teil 
der  Arbeit  durch  hinzukommendes  Kapital  ersetzt  werden 
kann:  so  erscheint  das  Kapital  als  Mitarbeiter,  welches  mit 
■dem  Lohnarbeiter  in  Konkurrenz  tritt.  Nun  steht  es  aber 
in  der  Macht  des  Unternehmers,  der  mit  dem  Kapital  Q  eine 
Arbeiterzahl  =^  n  arbeiten  läßt,  dem  relativen  Kapital  q,  wo- 
mit ein  Mann  arbeitet,  durch  Vergrößerung  oder  Verringerung 
von  n  jede  beliebige  Größe  zu  erteilen.  Der  Unternehmer, 
sein  Interesse  kennend  und  verfolgend,  wird  das  relative 
Kapital  q  gerade  so  weit  erhöhen,  bis  die  Kosten  der  Arbeit 
des  Kapitals  und  der  des  Menschen  im  direkten  Verhältnis 
mit  der  Wirksamkeit  beider  bei  der  Produktion  stehen. 

Die  Wirksamkeit  des  Kapitals  muß  das  Maß  für  die 
Belohnung  desselben  sein:  denn  wäre  die  Arbeit  des  Kapitals 
wohlfeiler  als  die  der  Menschen,  so  würde  der  Unternehmer 
Arbeiter  abschaffen,  im  entgegengesetzten  Fall  aber  die  Ar- 
beiter vermehren. 

Es  muß  demnach  die  Wirksamkeit  des  Kapitals  zu  der 
der  menschlichen  Arbeit  ebenso  wie  die  Belohnung  derselben 
in  dem  Verhältnis  von  z  zu  1  stehen  —  und  die  Belohnung 
des  Kapitals   durch  die  dafür  zu  zahlenden  Zinsen  ist  also  124 
weder  zufällig  noch  ungerecht. 

Wir  gelangen  hierdurch  zu  der  für  unsere  Untersuchung 


—     520    — 

hochwichtigen  Erkenntnis,  daß,  wenn  Kapital  und  menscli- 
liche  Arbeit  durch  ein  und  dasselbe  Maß,  nämlich  die  Jahres- 
arbeit eines  Mannes,  gemessen  werden, 

d er  Zinssatz  z  d er  Faktor  ist,  durch  welchen 
das  Verhältnis  der  Wirksamkeit  des  Kapi- 
tals zu  der  der  menschlichen  Arbeit  ausge- 
drückt wird. 
Dadurch  sind   wir  nun   in  den  Stand   gesetzt,   die  Mit- 
wirkung des  Kapitals  bei  der  Produktion  eines  Tauschguts  *) 
auf  Arbeit  zu  reduzieren. 

Durch  diese  Reduktion  ist  es  dann  möglich,  die  Produk- 
tionskosten eines  Erzeugnisses,  insofern  keine  Landrente  darin 
enthalten  ist,  ganz  in  Arbeit  auszudrücken,  und  die  Arbeit 
wird  dadurch  Avahrhaft  zum  Wertmesser  für  die  Tauschgüter. 
Wir  können  nun  aber  auch  umgekehrt  ein  in  Erzeugnissen 
z.  B,  Roggen  angegebenes  Kapital  auf  J.  A.  reduzieren,  indem 
■wir  dies  Kapital  mit  dem  Lohn  für  eine  Jahresarbeit,  welcher 

P 


Lohn  hier  dem  Wert  der  Arbeit  gleich  ist,  nämlich  mit 


i+az 


*)  Die  Landwirte  verstehen  unter  dem  Wort  „Gut"  stets  ein 
Landgut.  Die  Xationalökonomen  dagegen  nennen  alles,  was  den 
Menschen  ein  Bedürfnis  hefriedigen  kann,  ein  Gut,  und  wenn 
dies  Gut  neben  dem  Gebrauchswert  noch  einen  Tauschwert  hat, 
ein  wirtschaftliches  Gut.  In  einem  Buch,  welches  sowohl 
für  Landwirte  als  Nationalökonomen  geschrieben  wird,  ist  es  für 
den  Verfasser  sehr  unbequem,  daß  ein  und  dasselbe  Wort  in  zwei 
Wissenschaften  verschiedene  Bedeutungen  hat.  Um  den  Mißver- 
ständnissen, die  hieraus  entspringen  können,  vorzubeugen,  bemerke 
ich,  daß  ich  unter  dem  Wort  „Gut"  stets  ein  Landgut  verstehe; 
die  wirtschaftlichen  Güter  der  Nationalökonomen  aber  nenne  ich 
mit  dem  Herrn  Professor  Hermann  in .  seinem  gründlichen  und 
scharfsinnigen  Werk  „Staatswirtschaftliche  Untersuchungen". 
München  1832.  (S.  1,  4  und  70.)  Tauschgüter  oder  auch 
Wertgegenstände. 


—    521    — 

di\'iclieren.     So   ist    z.   B.    das    Kapital   Q  =  Q  :     ..    ■ 125 

=  — ^±~i^-  J.  A. ,  wenn  nämlich  p  das  in  Roggen  aus- 
gesprochene Arbeitsprodukt  eines  mit  dem  Landbau  be- 
schäftigten Arbeiters  ist. 

Ist  das  Kapital   Q   in  Silber  angegeben,   so  muß,   um 

dasselbe  in  J.  A.  auszudrückeu,  Q  ebenfalls  mit  3— j —  dividiert 

'  ^  l+qz 

•werden;  wo  dann  aber  p  das  in  Silber  bestehende  Arbeits- 
produkt eines  in  einer  Silbermine  angestellten  Arbeiters  be- 
deutet. 

Ist  das  Kapital  in  J.  A.  angegeben ,  so  zeigt  dies  das 
Quantum  der  in  der  Vergangenheit  vollbrachten,  in  einem 
Gegenstand  fixierten  Arbeit  an  —  und  wenn  dies  Kapital 
bei  der  Produktion  neuer  Tauschgüter  angewandt  wird ,  so 
gibt  z,  wie  oben  gezeigt  ist,  das  Verhältnis  der  Wirksamkeit 
zwischen  der  in  der  Vergangenheit  vollbrachten  fixierten 
Arbeit  und  der  gegenwärtigen  Arbeit  an.  Jene  ist  in  ihrem 
Produkt  —  dem  Kapital  —  vollendet,  diese  ist  stetig  fort- 
schreitend. 

Schon  Adam  Smith  hat  die  Arbeit  als  den  eigent- 
lichen ursprünglichen  Maßstab  für  den  Wert  der  Tausch- 
güter bezeichnet.  Aber  Adam  Smith  beschränkt  doch 
sogleich  die  Anwendung  dieses  Maßstabes  auf  den  ersten 
rohen  Zustand  der  menschlichen  Gresellschaft,  wo  noch  wenig 
oder  gar  kein  Kapital  vorhanden  war,  und  der  Boden  noch 
keine  ßente  trug. 

Ricardo  —  und  nach  ihm  Mac  Gull  och  —  betrachtet 
dagegen  die  Ai'beit  als  den  einzigen  immer  gültigen  Maßstab 
für  den  Wert  der  Tauschgüter.  Nach  Ricardo  ist  in  dem 
Preise  der  Tauschgüter  weder  Kapitaluutzung  noch  Landrente 
.enthalten,  sondern  bloß  Arbeit. 


—     522     — 

Er  betrachtet  nämlich  das  in  Gebäuden,  Maschinen  usw. 
enthaltene  Kapital  selbst  als  Erzeugnis  der  Arbeit,  und  es 
126 müßte  hiernach,  da  keine  Kapitalnutzung  in  Anschlag  ge- 
bracht wird,  nur  berechnet  werden,  wieviel  von  dieser  Arbeit 
nach  Verhältnis  der  Dauer  dieses  fixen  Kapitals  in  das 
Produkt  übergeht,  um  das  Arbeitsquantum  zu  bestimmen, 
das  mit  Einschluß  der  gegenwärtig  verrichteten  Arbeit  in 
dem  Produkt  enthalten  ist. 

Dieser    sonst    so    scharfsinnige    Schriftsteller    übersieht 
dabei  aber 

1.  daß  zur  Erzeugung  des  fixen  Kapitals  nicht  bloß  Arbeit, 

sondern  auch  schon  Kapitalnutzung  verwandt  ist; 
1.  daß  bei  der  Benutzung  von  Masclünen  nicht  bloß  ihre 
Abnutzung,    sondern   auch  die  Zinsen  ihres   Ankauf- 
preises  vergütet  werden  müssen. 
Überhaupt  ist  bei  Ricardo   das  Kapitel  vom  Wert 
ungemein  schwer  verständlich.     Bei  genauerer  Analj'se  findet 
sich  aber,  daß  der  Grund  davon  darin  liegt,  daß  Ricardo 
sich  selbst   nicht  treu  bleibt;   denn  wenn  er   S.  21    seines 
Werks*)    bei    der    Preisbestimmung    der    Tauschgüter    der 
Kapitalszinsen  gar   nicht   erwähnt  und  die  Arbeit  allein  als 
Wertmesser  anerkennt,  bringt  er  S.  28,  wo  seine  Prinzipien 
zur  Anwendung  kommen,  für  den  Gebrauch  der  Maschinen 
eine  Annuität  in  Rechnung,  in  w^elcher  nicht   bloß  die  Er- 
stattung der  Abnutzung,   sondern   auch  die  Zinsen  des  An- 
scbaffungskapitals    enthalten    sind    —    und    somit   gibt   er, 
ohne  eine  Erklärung  imd  ihm  selbst  anscheinend  unbewußt, 
es  wieder  auf,   die  Arbeit  als  den  einzigen  Wertmesser  an- 
zuerkennen. 

Sehr  merkwürdig  aber  ist,  daß  Ricardo  auf  der  letzten 
Seite  des  Kapitels  vom  Wert  selbst  eingesteht,  daß  das  Ge- 


*)  Grundsätze  der  politischen  Ökonomie  von  Ricardo,   mit 
Anmerkungen  von  Sa y,  übersetzt  von  Schmidt.    Weimar,  1821. 


—    523    — 

sagte  nur  für  den  ersten  rohen  Zustand  der  Gesellschaft 
völlig  richtig  sei,  und  somit  das,  was  er  als  allgemeine  Ge- 
setze aufgestellt  hat,  selbst  wieder  aufliebt. 

Von  einem  Maßstab,  wonach  Kapitalnutzung  auf  Arbeit  127 
zu  reduzieren  sei,  kann  hiernach  bei  E  i  c  a  r  d  o  nicht  die  Eede 
sein.  Dies  ist  aber  überhaupt  auch  nicht  möglich,  so  lange 
man  Gewerbsprofit  mit  Kapitalszinsen  zusammenwirft  und 
in  dem  Arbeitslohn  nicht  den  Lohn  für  die  Arbeit  au  sich 
von  den  Zinsen  trennt,  die  der  Arbeiter  für  sein  in  Kleidung, 
Hausgerät,   "Wohnung  usw.  enthaltenes  Yermögen  empfängt. 


Zur  Erläuterung  der  vorstehenden  Sätze-  mag  es  dienlich 
sein,  ein  Beispiel  in  Zahlen  hinzuzufügen. 

Zu  diesem  Zweck  nehmen  wir  einstweilen,  und  da  dies 
mit  unserer  früheren  Voraussetzung  nicht  übereinstimmt, 
nur  für  den  vorliegenden  Fall  an,  daß  die  Silberminen  in 
dem  isolierten  Staat  zerstreut  liegen,  und  daß  das  mindest 
ergiebige  Silberbergwerk,  dessen  Ausbeutung  zur  Befriedigung 
<les  Bedürfnisses  noch  notwendig  ist,  an  der  Grenze  der 
kultivierten  Ebene  gelegen  ist.  Denken  wir  uns  nun ,  daß 
Silberminen  von  gleicher  Ergiebigkeit  mit  der  letzteren  sich 
noch  tiefer  in  die  Wildnis  hinein  erstrecken ,  daß  diese 
Minen  aber  nicht  bearbeitet  werden:  so  kann  diese  Nicht- 
benutzung keinen  anderen  Grund  haben ,  als  den ,  daß  der 
Wert  des  aus  denselben  zu  gewinnenden  Silbers  die  Aus- 
beutungskosten nicht  mehr  deckt. 

Die  Ausdehnung  des  Bergbaues  findet  also  ebenso  wie 
die  des  Getreidebaues  dort  eine  Schranke,  wo  der  Wert  des 
Erzeugnisses  mit  den  Produktionskosten  desselben  ins  Gleich- 
gewicht tiitt. 

Aus  diesem  Grunde  kann  das  zuletzt  bearbeitete  Berg- 
werk ebensowenig  als  das  zuletzt  angebaute  Getreideland 
■eine  Rente  abwerfen. 

Da  nun  in  dieser  Gegend,  vorausgesetzt,  daß  kein  Staats- 


—     524    — 

monopol  liinclernd  in  den  Weg  tritt,  Kapital  und  Arbeit  sich 
ebensowohl  dem  Bergbau  als  dem  Landbau  zuwenden 
können:  so  müssen  auch  in  beiden  Anwendungen  Kapital 
und  Arbeit  gleich  hohe  Nutzungen  geben. 

128  Nach  der  Formel  a  -j-  J  =  tt_ —  spricht  sich  der  Ar- 
beitslohn in  einem  Anteil  am  Erzeugnis  aus.  In  dem  einen 
Fall  besteht  aber  das  Erzeugnis  in  Silber,  im  anderen  Fall 
in  Getreide.  Soll  nun  das  dem  Arbeiter  zufallende  Quantum 
Silber  eine  Entschädigung  für  das  Quantum  Getreide  sein^ 
welches  er  beim  Landbau  sich  hätte  erwerben  können :  so  müssen 
beide  Quanta  gleichen  Tauschwert  haben.  Hier  ist  also  die 
Bildungsstätte  für  den  Tauschwert  zwischen  Silber  und 
Getreide. 

Nun  sei  das  Arbeitsprodukt  eines  Mannes  beim  Berg- 
bau =  7V2  Pfd.  Silber,  beim  Landbau  =  240  Schtl.  Roggen, 
so  ist  der  Anteil  des  Arbeiters,   der  dessen  Lohn  bildet,  im 

ersten  Fall  zr-r —    Pfd.    Silber,    im     zweiten    Fall 


l-|-qz  *  '  1-1-1^ 

Scheffel  Roggen. 

Der  Zinsfuß  z ,  welcher  bei  beiden  Anwendungen  des 
Kapitals  gleich  hoch  sein  muß,  betrage  1/20  oder  5  ^/o. 

Das  Kapital  q,  womit  ein  Mann  arbeitet,  ist  aber,  da 
die  verschiedenen  Gewerbe  sehr  verschiedene  Kapitalanlagen 
erfordern,  von  ungleicher  Größe.  Gesetzt,  es  sei  q  beim 
Landbau  =  12,   beim  Bergbau  ^20;   so  ist  der  Lohn  der 

75 

Arbeit    beim    Bergbau    -1    1    9A  v~i/~   "^    ^^/^    Pfd.    Silber, 

240  240 

beim  Landbau  =  -. — j — r^-,.  .  ,,    = — z =     150     Scheffel 

1  -}-  12  X    /20  1,G 

Roggen.*) 

*)  Es  darf  niclit  übersehen  werden,  daß  wir,  nach  unserer  Vor- 
setzung im  §  6,  hier  Arbeiter  von  gleicher  Kenntnis,  Geschicklich- 
keit und  Tüchtigkeit  vor  Augen  haben,  die  gleich  befähigt  für 
den  Bergbau  wie  für  den  Landbau  sind. 


—     525    — 

Hier  sind  also  3^/4  Pfd.  Silber  ein  Äquivalent  für  150 

Scheffel  Roggen,  d.  h.  mit  S'^/i  Pfd.  Silber  kann  der  Arbeiter 

durch  Austausch  ebenso  viele  Bedürfnisse  befriedigen  als  mit  129 

150  Schfl.  Roggen.     Mithin  haben  3^!i  Pfd.  Silber  gleichen 

Tauschwert  mit  150  Schfl.  Roggen.    Den  in  Geld  oder  edlen 

Metallen  ausgedrückten  Tauschwert  eines  Erzeugnisses  pflegt 

man  den  Preis  desselben  zu  nennen.    Demnach  ist  der  Preis 

3 "" 
eines  Scheffels  Roggen  =  ^-^  =  0,025  Pfd.  Silber. 

Dieses  an  der  Grenze  der  kultivierten  Ebene  sich  bildende 
Wertverhältnis  zwischen  Silber  und  Getreide  ist  die  Grund- 
lage für  die  Preisbestimmung  des  Getreides  durch  den  ganzen 
isolierten  Staat.  Aber  es  tritt  zu  dieser  Grundlage  ein  an- 
deres Moment  hinzu,  durch  dessen  Mitwirkung  der  Preis  des 
Getreides  in  den  verschiedenen  Gegenden  des  isolierten  Staats 
ein  ganz  anderer  wird  als  an  der  Grenze.  Dies  Moment 
ist  begründet  in  der  verschiedenen  Beweglichkeit  des  Silbers 
und  des  Getreides. 

Die  Kosten  der  Versetzung  der  edlen  Metalle  auf 
30  Meilen  sind  im  Verhältnis  zu  ihrem  Wert  so  geringe, 
daß  wir  sie  gleich  Null  nennen  dürfen. 

Dagegen  sind  die  Transportkosten  des  Getreides  auf 
30  Meilen  im  Verhältnis  zum  Wert  höchst  bedeutend. 

Im  ersten  Teil  §  4  sind  die  Sätze  entwickelt,  wonach 
diese  Transportkosten  zu  berechnen  sind,  und  die  Anwen- 
dung derselben  auf  den  vorliegenden  Fall  gibt  folgende 
Resultate. 

2400 
Für  eine  Ladung  von   2400  Pfd.  =  —^-r  =  28,6  BerL 

Scheffel  Roggen  betragen   nach   §  4  auf   einer  Strecke   von 

V     m             .,     .      41  X  Schfl.  Roggen  +  26  x  Tlr. 
X  Meilen  die  Transportkosten  ^^ — ;- 

Nach  §  23  endet  der  Anbau  des  Bodens  bei  einer  Ent- 
fernung von   31,5   Meilen  von   der  Stadt.      Setzt   man  nun 


—     526    — 

130  31,5  für  X  in  obige  Formel,  so  betragen  die  Frachtkosten  für 
eine  Ladung  von  28,6  Sclifl.  Roggen 

1291,  Schfl.Eoggen  + 8191h..  ^ 

48,5  '  '         ' 

Hiernach  betragen  für  150  Schü.  Roggen  auf  31,5  Meilen 
die  Frachtkosten  131,9  Schfl.  Roggen  -\-  78,g  Tlr. 

Der  Gesamtaufwand  beträgt  also 

150  +  131,9  Schfl.  =  281,9  Schfl.  Roggen 
und  78,6  Tlr. 

Die  Produktion  des  Roggens  am  Ort  der  Erzeugung 
kostet  ä  Schfl.  ^Uo  Pfd.  Silber 

dies  macht  für  281,9  Schfl 7,05  Pfd.  Silber 

78,6  Tlr.  haben  einen  Silber  wert  von     .    3,93    „         „ 

zusammen  ....  10,98  Pfd.  Silber, 

Die  Lieferung  von  150  Schfl.  Roggen  nach  der  Stadt 
kostet  also  10,9s  Pfd.  Silber,  und  da  das  Geti'eide  aus  der 
31,5  Meilen  entfernten  Gegend  zur  Befriedigung  des  Bedürf- 
nisses der  Stadt  noch  notwendig  ist,  so  muß  auch  der  Preis 
des  Getreides  in  der  Stadt  diesem  Kostenaufwand  entsprechen. 

Es  haben  demnach  150  Schfl.  Roggen,  die  an  der  Grenze 
nur  3,75  Pfd.  Silber  wert  waren,  in  der  Stadt  selbst  den 
Wert  von  10,9s  Pfd.  Silber. 

Nimmt  man  nun  das  Silber  zum  Maßstab,  so  hat  das 
Getreide  in  der  Stadt  fast  den  dreifachen  Wert  des  Getreides 
an  der  Grenze,  und  nimmt  man  das  Getreide  zum  Wert- 
messer, so  ist  das  Silber  in  der  Stadt  fast  auf  Vs  des  Werts, 
den  es  an  der  Grenze  hatte,  gesunken. 

Es  ist  aber  irrig,  wenn  man,  wie  Lotz  tut,  den  Wert 
der  edlen  Metalle  in  verschiedenen  Ländern  allein  nach  den 
Getreidepreisen  abmißt.  In  Moskau  kann  man  mit  1  Pfd. 
Silber  unstreitig  weit  mehr  Getreide  ankaufen  als  in  London ; 
aber  in  London  erhält  man  für  dasselbe  Quantum-  Silber  ein 

131  größeres   Quantum   an  Kolonial-,   Fabrik-  und  Manufaktur- 
waren als  in  Moskau.    Ebenso  sind  auch  im  isolierten  Staat 


die  Preise  der  meisten  Fabrikwaren   in  Silber  angegeben  in 
der  Stadt  niedriger  als  an  der  Grenze. 

Die  obige  Berechnung  der  Frachtkosten  gründet  sich  auf 
die  ehemaligen  sehr  schlechten  mecklenburgischen  Land- 
straßen. Auf  Chausseen,  Eisenbahnen  und  Kanälen  kommen 
die  Frachtkosten  natürlich  sehr  viel  niedriger  zu  stehen. 
Auf  das  Mehr  oder  Weniger  kommt  es  hier  aber  nicht 
an,  sondern  nur  auf  das  Prinzip,  woraus  das  "Wertverhältnis 
zwischen  Silber  und  Getreide  hervorgeht.  So  viel  leuchtet 
aber  von  selbst  ein,  daß  in  dem  Maß,  als  die  Kommuni- 
kationsmittel sich  vervollkommnen,  auch  die  Differenzen,  die 
in  dem  Wertverhältnis  zwischen  Silber  und  Getreide  an  ver- 
schiedenen Orten  stattfinden,  sich  mindern. 


Über  die  Theorie  des  Preises  sind  ganze  Bücher  ge- 
schrieben, ohne  daß  dadurch  eine  Einstimmigkeit  der  An- 
sichten erreicht  ist.*) 

Da  in  vorstehendem  als  Grundsatz  angenommen  ist,  daß 
die  Produktionskosten  'der  Waren  Maßstab  für  den  Tausch- 
wert der  Erzeugnisse  sind,  so  bedarf  dieser  Gegenstand  hier 
noch  einer  weiteren  Erörterung. 

Adam  Smith  nennt  den  Preis,  der  den  Produktions- 
kosten entspricht,  den  natürlichen  Preis  derselben. 

Say**)    erklärt  dagegen   A.   Smith 's   Unterscheidung 
zwischen  natürlichem  Preis   und  Marktpreis  für  chimärisch 
und  hält  die  Konkurrenz  oder  das  Verhältnis  zwischen  An- 132 
gebot  und  iSTachfrage  für  den  einzigen  Regulator  des  Preises. 

Wenn  wir  auf  einem  Markt  beobachten ,  wie  sich  die 
Preise  bilden,  so  sehen  wir  allerdings,  daß  der  Mangel  oder 


*)  Sehr  schätzbar  ist  Herrn  ann's  Abhandlung  „Vom  Preise" 
S.  66 — 136  des  angeführten  Werks. 

**)  In  der  Note  zu  Eicardo's  „Gnmdsätze  der  politischen 
Ökonomie"  S.  95  der  Übersetzung. 


—    528    — 

Überfluß  eiaer  Ware  und  das  damit  in  Verbindung  stehende 
"Verhältnis  von  Angebot  und  Nachfrage  hier  entscheidend  ist. 
Die  Produktionskosten  der  Ware  kommen  hier  so  wenig  in 
Betracht,  daß  der  Verkäufer  sich  nur  lächerlich  macht,  wenn 
er  sich  darauf  beruft. 

Aber  die  Konkurrenz  ist  nur  die  äußere  Erscheinung 
einer  tiefer  liegenden  Ursache,  und  man  darf  nicht,  wie  Say, 
sich  mit  der  Auffassung  der  Erscheinung  begnügen,  sondern 
muß  den  Grund  zu  erforschen  suchen. 

Was  ist  die  Ursache,  daß  zu  einer  gegebenen  Zeit  der 
Markt  mit  einer  gewissen  Ware  überfüllt  ist? 

Antwort.  In  der  voraufgegangenen  Zeit  hat  die  Er- 
zeugung dieser  Ware  einen  ungewöhnlichen  Vorteil  gewährt 
und  infolgedessen  die  Produktion  sich  erweitert. 

Was  ist  die  Ursache  der  mangelhaften  Versorgung  des 
Markts  mit  einer  Ware? 

Antwort.  Die  Produktion  derselben  ist  in  der  vorher- 
gehenden Zeit  mit  Verlust  verbunden  gewesen  und  infolge 
dieses  Verlustes  die  Produktion  eingeschränkt. 

Das  Schwanken  der  Marktpreise  ist  aber  unvermeidlich, 
weil  die  einzelnen  Produzenten  den  künftigen  Bedarf  nicht 
übersehen  können  und  erst  durch  den  Marktpreis  selbst 
darüber  belelirt  werden,  ob  Mangel  oder  Überschuß  von  ihrer 
Ware  vorhanden  ist. 

Das  Gesagte  gilt  von  Waren,  die  zu  jeder  Zeit  in  be- 
liebiger Menge  hervorgebracht  werden  können.  Anders  ver- 
hält es  sich  mit  dem  Getreide,  wo  der  Mangel  oder  Über- 
fluß \on  der  geringeren  oder  größeren  Jahresfruchtbarkeit 
133 abhängt.  Faßt  man  aber  längere  Perioden,  in  welchen  die 
Einwirkung  der  Witterung  auf  die  Vegetation  fast  als  eine 
konstante  Potenz  erscheint,  ins  Auge:  so  bewirkt  auch  hier 
das  Übergewicht  der  Durchschnitts-Marktpreise  über  die 
Produktionskosten  eine  größere  Erzeugung  und  vermehrtes 
Angebot  von  Getreide;   umgekehrt  aber  bewirkt  das  Sinken 


—     529    — 

der  Marktpreise  unter  die  Erzeugungskosten  eine  verminderte 
Hervorbringuug  von  Getreide. 

Aus  den  angeführten  Gründen  muß  also  ein  stetes 
Streben  zur  Ausgleichung  der  Marktpreise  mit  den  Produk- 
tionskosten, aus  dem  eigenen  Interesse  der  Unternehmer  her- 
vorgehend, wirksam  sein.  Sehr  schön  und  bezeichnend  sagt 
hierüber  A.  Smith: 

„Der  natürliche  Preis  ist  gleichsam  der  Mittelpunkt, 
„gegen  welchen  die  wandelbaren  Marktpreise  beständig 
„gravitieren." 

Im  Durchschnitt  einer  längeren  Periode  werden  deshalb 
die  ]klarktpreise  mit  den  durch  die  Kosten  regulierten  Pro- 
duktionskosten nahe  zusammenfallen. 

Zwischen  dem  Preise  einer  "Ware  und  den  Produktions- 
kosten derselben  findet  das  Gleichgewicht  statt,  wenn  das 
Gewerbe,  wodurch  diese  Ware  hervorgebracht  wird,  weder 
Verlust  noch  ungewöhnlichen  Gewinn  bringt. 

Woran  —  so  muß  man  nun  fragen  —  ist  aber  Gewinn 
und  Verlust  zu  ermessen? 

Ich  antworte:  Wenn  durch  den  Preis  der  Waren  die 
Arbeit  von  gleicher  Qualität  in  allen  Gewerben  gleich 
hoch  gelohnt  wird,  so  findet  das  Gleichgewicht  statt, 
und  diese  Durchschnittsbelohnung  ist  der  Maßstab  für  die 
Produktionskosten  wie  für  Gewinn  und  Verlust. 

Daß   in   den  meisten  Waren  auch  Kapitalnutzung  und' 
Landrente  als  Elemente  des  Preises  enthalten    sind,   ändert 
an   diesem   Satz   im  wesentlichen   nichts;   denn  wenn   man  134 
Landrente  und  Kapitalszinsen  als  Auslagen  in  Abzug  bringt, 
so  ergibt  sich,  wie  hoch  der  Produzent  für  seine  Arbeit  ge- 
lohnt wird. 

Der  Satz :  „die  Produktionskosten  bestimmen  den  Durch- 
schnittspreis einer  Ware",  ist  aber  nur  in  der  Beschränkung 
wahr,  daß  der  Gebrauchswert  oder  die  Nützlichkeit  der  Ware 
T Lünen,  Der  isolierte  Staat.  ^* 


—    530    — 

den   Kosten   ihrer   Hervorbringung   mindestens    gleich    ge- 
achtet wird. 

Wer  seine  Arbeit  Spielereien  zuwendet,  z.  B.  eine  Uhr 
in  einer  Nußschale,  oder  einen  Großmogul  von  Gold  u.  dgl. 
verfertigt,  darf  auf  eine  Vergütung  seiner  Arbeit  nicht  rechnen, 
weil  der  Gebrauchswert  seiner  Fabrikate  weit  unter  den 
Fabrikationskosten  steht.  Aber  Kuriositäten  dieser  Art  kommen 
nie  dauernd  auf  den  Markt,  imd  nur  solche  Waren,  deren 
Gebrauchswert  die  Produktionskosten  mindestens  deckt, 
können  Gegenstände  des  regelmäßigen  Handels  werden. 

AYaren  und  Gerätschaften,  deren  Produktion  mit  gleich- 
bleibenden Kosten  unbeschränkt  erweitert  werden  kann,  wozu 
die  meisten  Fabrikate  gehören,  können  nie  dauernd  über 
dem  Produktionspreis  stehen,  wie  weit  auch  ihr  Ge- 
brauchswert diesen  übersteigen  mag. 

Ein  auffallendes  Beispiel  hierzu  liefert  der  Pflug.  V^'äre 
dies  Instrument  nicht  vorhanden,  und  müßte  der  Boden  mit 
dem  Spaten  bearbeitet  werden :  so  würde  Europa  wohl  kaum 
die  Hälfte  seiner  jetzigen  Bevöllvcrung  ernähren  können. 
Aber  man  bezahlt  im  Pfluge  nicht  den  Nutzen,  den  er  ge- 
währt,  sondern   nur  die  geringfügigen  Yerfertigungskosten. 

Bei  Erzeugnissen  dagegen,  die  nur  mit  vermehrten 
Kosten  in  größerer  ilenge  hervorgebracht  werden  können, 
wie  z.  B.  Getreide,  steigt  der  Preis  so  hoch,  bis  Produk- 
tionskosten und  Gebrauchswert  im  Gleichge- 
wicht sind. 
135  Hierin  liegt,  beiläufig  gesagt,  ein  Grund,  warum  mit 
der  wachsenden  Bevölkerung  der  Tauschwert  des  Getreides 
gegen  Fabrikate  stetig  steigen  muß. 

Die  Gold-  und  Silberminen  gehören  in  dieser  Beziehung 
mit  dem  Getreide  in  eine  Kategorie.  Denn  wenn  nicht  neue, 
reichlialtige  Minen  entdeckt  werden,  und  der  Bedarf  an  Gold 
und  Silber  nur  aus  den  schon  länger  bebauten  Bergwerken 
erlangt   werden   kann,    so   ist   die  Gewinnung  dieser  edlen 


—     531     — 

Metalle,  da  sie  aus  immer  größerer  Tiefe  genommen  werden 
müssen,  aucli  mit  stets  wachsenden  Kosten  verknüpft.  Der 
Bergbau  muß  dann,  ebenso  wie  der  Bau  des  Getreides,  seine 
Grenze  finden,  wenn  die  Gewinnungskosten  der  edlen  Metalle 
den  durch  die  Zahlungsfähigkeit  der  Käufer  bedingten  Ge- 
brauchswert derselben  erreichen. 

In  der  als  Tatsache  angenommenen  Voraussetzung,  daß 
das  mindest  ergiebige  Silberbergwerk  an  der  Grenze  des  iso- 
lierten Staats  wirklich  angebaut  wird,  liegt  demnach  schon 
der  Beweis,  daß  die  Produktionskosten  des  Silbers  aus  diesem 
Bergwerk  nicht  dessen  Gebrauchswert  übersteigen  —  daß  wir 
also  auch  berechtigt  sind,  die  Produktionskosten  des  Silbers 
zum  Maßstab  für  den  Tauschwert  desselben  anzunehmen. 
Höher  als  diese  Produktionskosten  kann  aber  der  Tauschwert 
des  Silbers  nicht  sein  —  denn  sonst  würden  die  weiterhin 
in   der  "Wildnis   liegenden  Minen    nicht   uuangebaut  bleiben. 

Unseren  Betrachtungen  liegen  also  die  möglichst  einfachen 
A^erhältnisse  zu  gründe.  Weder  der  Bergbau  noch  der 
Landbau  geben  hier  eine  Rente,  und  sowohl  beim  Süber  als 
beim  Getreide  sind  Produktionskosten  und  Gebrauchswert  im 
Gleichgewicht. 

Durch  die  vorstehenden  Betrachtungen   haben  wh'  über  136 
das  AVesen  des  Zinsfußes  und  des  Arbeitslohns  einiges  Licht 
erhalten,  indem  wir 

1.  zu  der  Erkenntnis  gelangt  sind,  daß  z  das  Yerhältnis 
der  "Wirksamkeit  des  Kapitals  zu  der  Wirksamkeit  der 
gegenwärtig  vollbrachten  Arbeit  bezeichnet;  und 

2.  für  den  Arbeitslohn  den  allgemein  gültigen  Ausdruck 

a  4"  y  =  -^ — j- gefunden  haben. 

Damit  sind  wir  aber  doch  erst  an  die  Pforten  unserer 
eigentlichen  Untersuchung  gelangt.  Denn  in  jenem  Ausdruck 
ist  a  4"  y  "^cin  z  abhängig,   so  daß   wir  stets  z  als  bekannt 

34* 


—     532    — 

aonehmeu  müssen,  wenn  wir  a  -|-  y  bestimmen  wollen.  Nun 
ist  aber  auch  p  keine  konstaute  Größe,  sondern  wächst  und 
fällt  mit  q,  ist  also  abhängig  von  q.  Von  dem  Wert  von 
p  hängen  aber  wiederum  die  Werte  von  y  und  z  ab.  Es 
sind  demnach  p,  y  und  z  Funktionen  von  >[.  Die  Aufgabe 
ist  also  die:  für  ein  gegebenes  q  die  "Werte  von  p,  y  und  z 
zu  finden. 

Während  man  in  den  meisten  Wissenschaften  die  Unter- 
suchung mit  einzelnen  feststehenden  und  als  gegeben  be- 
trachteten Sätzen  beginnt,  haben  wir  es  hier  mit  Potenzen 
zu  tun,  die  in  einer  steten  Wechselbeziehnng  zueinander 
stehen,  und  wovon  keine  einzige  als  gegeben  angenommen 
werden  darf. 

Dadurch  aber  wird  unsere  Untersuchung  so  schwierig 
und  verwickelt  —  und  es  fragt  sich,  ob  so  viele  Gleichungen 
gefunden  werden  können,  als  zur  Bestimmung  der  unbekannten 
Größen  erforderlich  sind. 


137  §  14. 

In  dem  isolierten  Staat  ist  an  der  Grenze  des- 
selben die  Werkstätte  für  die  Bildung   des  Ver- 
hältnisses zwischen  Arbeitslohn  und  Zinsfuss. 


Um  zu  erforschen,  wie  Arbeitslohn  und  Zinsfuß  einer 
aus  dem  anderen  hervorgehen,  und  um  den  Arbeitslohn  un- 
abhängig vom  Zinsfuß  darzustellen,  müssen  wir  den  mög- 
lichst einfachen  Fall,  wo  das  ganze  Arbeitsprodukt  zwischen 
dem  Arbeiter  und  Kapitalisten  geteilt  wird,  und  wo  der  dritte 
Faktor  bei  der  Preisbestimmung,  die  Landrente,  die  Aufgabe 
nicht  noch  verwickelter  macht,  unsern  Betrachtungen  zu 
gründe  legen. 


—    533    — 

Dies  nun  ist  der  Fall  an  der  Grenze  der  kultivierten 
Ebene  des  isolierten  Staates,  wo  jenseits  des  Kreises  der 
Dreifelderwirtschaft  Land  von  gleicher  Fruchtbarkeit  mit 
dem  der  kultivierten  Ebene  umsonst  zu  haben  ist. 

Zwar  gibt  das  Land  im  Kreise  der  Viehzucht,  jenseits 
der  angebauten  Ebene,  noch  einige  Rente;  aber  diese  ist  so 
gering,  daß  sie  als  verschwindend  zu  beträchten  ist  —  und 
da  deren  Berücksichtigung  die  Untersuchung  wohl  verwickelter 
machen,  aber  im  Resultat  doch  nichts  ändern  würde:  so 
abstrahieren  wir  ganz  davon  und  setzen  die  Laudrente  des 
Bodens  jenseits  des  Kreises  der  Dreifelderwirtschaft  gleich 
Null. 

An  der  Grenze  der  kultivierten  Ebene  ist  es  in  die  Wahl 
des  Arbeiters  gestellt,  ob  er  ferner  für  Lohn  arbeiten  oder 
mit  Hilfe  der  angesammelten  Ersparnisse  ein  Stück  Land 
urbar  macheu,  Gebäude  usw.  errichten  und  sich  ein  Eigentum 
erwerben  will,  auf  welchem  er  künftig  für  eigene  Rechnung 
arbeitet. 

Sollen  die  Arbeiter  in  dieser  Gegend  von  der  Anlegung 
von  Kolonistenstellen  oder  Gütchen  abgehalten  und  bewogen 
werden,  noch  ferner  bei  ihrem  bisherigen  Herrn  für  Lohn  zu 
arbeiten,  so  muß  dieser  Lohn  nebst  den  Zinsen,  die  sie  durch 
Ausleihen  für  ein  zur  Anlegung  der  Kolonisten  stelle  erforder- 138 
liches  Kapital  beziehen,  gleich  sein  dem  Arbeitsprodukt, 
das  sie  auf  der  Kolonistenstelle,  die  von  einer  Arbeiter- 
familie bestellt  werden  kann,  hervorbringen  können. 

Ist  nun  der  Lohn =  a  -|-  y  Schfl.  Roggen, 

das  Arbeitsprodukt      .     .     .  =  P      „  v 

das   zur  Anlegung  des  Güt- 
chens erforderliche  Kapital  =^    q  J.  A. 
welches  in  Scheffel  Roggen 

ausgedrückt =  '1  (a  -|-  j)  Schfl.  ist, 

und  endlich  der  Zinsfuß  .     .  =  z  °/o, 


—    534    — 

so  muß,  wenn  hier  ein  Gleichgewicht  stattfinden  soll 
a  -f  y  -f-  'l  (a  +  y)  z  =  p  sein. 

P 

qz 
p  — (a  +  y) 


Das  gibt  a  +  y  ^    -.    , ;  und 


•i  (a  +  y) 

Hier  sind  a,  p  und  q  bestimmte,  y  und  z  aber  unbe- 
stimmte Größen. 

Es  kommt  nun  alles  darauf  an,  eine  Gleichung  zwischen 
y  und  z  aufzufinden ,  denn  von  der  Lösung  dieser  Aufgabe 
hängt  die  Bestimmung  des  Verhältnisses  zwischen  Arbeits- 
lohn und  Zinsfuss  ab. 

Der  Versuch  zur  Lösung  dieser  Aufgabe  soll  im  nächsten 
Paragraphen  gemacht  w^erden. 

Um  dort  aber  den  Zusammenhang  nicht  zu  oft  und  zu 
lange  durch  Erhebung  von  Zweifeln  und  Einwürfen  gegen 
die  Richtigkeit  des  Verfalirens  unterbrechen  zu  müssen,  wollen 
wir  die  aus  der  Vergleichung  mit  der  Wirklichkeit  sich  er- 
hebenden Bedenken  im  voraus  anführen  und  zu  beseitigen 
suchen. 

139  IL 

Wir  behaupten,  daß  der  an  der  Grenze  des  isolierten 
Staats  sich  bildende  Arbeitslohn  und  Zinsfuß  normierend  für 
den  ganzen  Staat  ist,  und  haben  diese  Behauptung  hier  zu 
rechtfertigen. 

A.     Arbeitslohn. 

Nicht  der  Geldlohn,  sondern  der  reelle  Lohn,  d.  i.  die 
Summe  der  Lebensbedürfnisse  und  Genußmittel,  die  der 
Arbeiter  sich  für  seinen  Lohn  verschaffen  kann,  muß  durch 
den  ganzen  isolierten  Staat  gleich  hoch  sein;  denn  wäre 
an  einer  Stelle  dieser  reelle  Arbeitslohn  höher  als  an  einer 
anderen,  so  würde  durch  das  Zuströmen  der  Arbeiter  aus  den 


—     535    -^ 

Gegenden  mit  geringerem  Lohn  das  Gleichgewicht  sich  gar 
bald  herstellen. 

An  der  Grenze  der  kultivierten  Ebene  des  isolierten 
Staats,  wo  herrenloses  Land  in  ungemessener  Menge  zu 
haben  ist,  bestimmt  weder  die  Willkür  der  Kapitalisten 
noch  die  Konkurrenz  der  Arbeiter  noch  die  Größe  der  not- 
wendigen Subsistenzmittel  die  Höhe  des  Lohns;  sondern  das 
Produkt  der  Arbeit  selbst  ist  Maßstab  für  den  Lohn  der 
Arbeit.  Hier  muß  also  auch  die  Werkstatt  für  die  Bildung 
des  natürlichen  Arbeitslohns  sein ,  welcher  maßgebend  für 
den  ganzen  isolierten  Staat  wird. 

In  der  Wirklichkeit  ist  dies  freilich  ganz  anders;  denn 
hier  finden  wir  in  der  Höhe  des  Arbeitslohns  enorme  Yer- 
scliiedenheiten,  z.  B.  zwischen  Polen  und  Nordamerika. 

Hier  aber  sind  die  Verschiedenheit  der  Sprache,  der 
Sitten,  der  Gesetze,  der  Einwirkung  des  Klimas  auf  die 
Gesundheit  usw.  und  die  Kostspieligkeit  der  Übersiedelung 
nach  einem  fernen  Lande  die  Ursachen,  warum  die  Ver- 
schiedenheit im  Lohn  nicht  ausgeglichen  wird. 

Diese  Hemmungen  der  Ausgleichung  sind  dagegen  im 
isolierten  Staat  überall  nicht  vorhanden, 

B.     Zinsfuß.  140 

Der  an  der  Grenze  des  isolierten  Staates  sich  bildende 
Zinsfuß  muß  für  den  ganzen  Staat  maßgebend  werden,  da 
das  so  leicht  bewegliche  Kapital  sich  stets  dahin  wendet, 
wo  es  die  höchste  Nutzung  gewährt,  und  der  Zinssatz  sich 
dadurch  liberall  gleichstellt. 

In  der  Wirklichkeit  sind  in  verschiedenen  Ländern  die 
Abweichungen  im  Zinssatz  fast  ebenso  bedeutend  als  die  im 
Arbeitslohn. 

Während  in  England  und  Holland  der  gewöhnliche  Zins- 
satz 3  bis  4:%  beträgt,  ist  dieser  in  Rußland  und  mehreren 
nordamerikanischen  Staaten  6  bis  7  ^/o.    Daß  diese  Differenz 


—     536    — 

sich  nicht  durch  das  Überströmen  der  Kapitalien  von  einem 
Lande  nach  dem  andern  ausgleicht,  erklärt  sich  leicht,  wenn 
man  erwägt,  daß  die  Kapitalisten  nicht  geneigt  sein  können, 
ihr  Geld  nach  Ländern  zu  verleihen,  wo  die  Justizpflege 
mangelhaft  und  parteiisch  ist,  oder  wo  die  Richter  gar  be- 
stechlich sind  —  indem  sie  dort  weder  für  die  richtige  Zins- 
zahlung noch  für  die  Zurückzahlung  des  Kapitals  Sicherheit 
erlangen  können. 

Auffallend  und  einer  nähern  Untersuchung  wert  ist  es 
dagegen,  daß  in  den  verschiedenen  Provinzen  einer  und  der- 
selben ilonarchie,  wo  dasselbe  Gesetzbuch  gilt,  und  die  Justiz- 
pflege strenge  und  unparteiisch  ist,  dennoch  ein  so  verschie- 
dener Zinssatz  stattfinden  kann,  wie  dies  im  preußischen 
Staat  der  Fall  ist.  Denn  während  in  der  Provinz  Branden- 
burg und  in  Yorpommern  der  Zinsfuß  auf  3^/2  bis  4  ^lo 
herabgesunken,  ist  in  der  Provinz  Ostpreußen  der  Zinssatz 
bei  Anleihen  an  Privatpersonen   auf  5  "^/o   stehen   gelilieben. 

Hier  möchte  es  schwer  sein,  zu  entscheiden,  ob  der 
höhere  Zinssatz  in  Ostpreußen  Folge  einer  höhern  Kapital- 
nutzung oder  einer  mindern  Sicherheit  für  die  Gläubiger 
141  sei  —  wenn  nicht  der  Kurs  der  Pfandbriefe  hierüber  Auf- 
schluß gäbe.  Nach  der  „Allgemeinen  preußischen  Zeitung" 
war  am  13.  Juli  1846  an  der  Berliner  Börse  der  Kurs 

der  ostpreußischen  Pfandbriefe 96-^3  % 

der  pommerschen  „  96'/s  „ 

der  kur-  und  neumärkischen  Pfandbriefe  .     .     98V4  ,, 

Die  Pfandbriefe  dieser  drei  Provinzen  tragen  gleich  viel, 
nämlich  3V2  ^lo  Zinsen. 

Für  die  Sichei'heit  der  Pfandbriefe  haften  alle  dem 
Kreditverein  beigetretenen  Güter  solidarisch,  und  nur  auf 
einen  Teil  des  Werts  der  Güter  werden  zur  ersten  H3q:)othek 
Pfandbriefe  erteilt.  Die  Sicherheit  der  Pfandbriefe  ist  also 
weit  größer  als  die  der  Privatanleihen. 

Da  nun  in  dem  Kurs  und  Wert  der  ostpreußischen  und 


—    537    — 

kiumärkischen  Pfandbriefe  bei  gleichem  Zinssatz  nur  ein 
unerheblicher  unterschied,  nämlich  der  von  96-^/s  bis  98V4 
stattfindet,  während  in  dem  Zinssatz  bei  Privatanleihen  sich 
eine  so  bedeutende  Abweichung  zeigt,  so  müssen  wir  schließen, 
daß  der  hohe  Zinsfuß  in  Ostpreußen  durch  Unsicherheit  der 
Anleihen  auf  dortige  Güter  hervorgerufen  und  erhalten  wird. 

Ob  diese  größere  Unsicherheit  der  Privatanleihen  in  Ost- 
preußen, verglichen  mit  anderen  Provinzen,  von  dem  Natioual- 
C'harakter  der  Bewohner,  oder  von  den  größeren  Schwankungen 
in  den  Güterpreisen  (weil  die  Einnahme  dieses  Landes  fast 
ganz  von  den  Konjunkturen  im  Getreidehaodel  abhängig  ist), 
oder  von  der  größern  Gefahr,  Schauplatz  des  Krieges  zu 
werden,  herrührt,  oder  ob  diese  Ursachen  gemeinschaftlich 
wirksam  sind,  —  dies  muß  ich  anderen  zur  Beurteilung  und 
Beantwortung  überlassen.  Außer  diesen  Ursachen  kann  aber 
auch  noch  die  größere  Entfernung  von  Berlin  —  diesem  Sitz 
der  großen  Kapitalisten  —  zur  Erhöhung  des  Zinssatzes  in 
Ostpreußen  beitragen.  Denn  da,  wo  der  Grund  und  Boden 
keine  völlige  Sicherheit  für  eine  Anleihe  gewährt,  und  der  142 
Kredit  mehr  auf  die  Persönlichkeit  des  Schuldners  basiert 
ist.  wird  der  Kapitalist  diesen  nicht  gerne  aus  den  Augen 
verlieren,  um,  wenn  Gefahr  eintritt,  sein  Kapital  kündigen 
und  einziehen  zu  können.  In  einem  solchen  Fall  wird  also 
der  Kapitalist  sein  Geld  in  der  Nähe  seines  AA^ohnsitzes  etwas 
wohlfeiler  ausleihen  als  in  weiter  Ferne. 

"Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  so  ist  die  Differenz  in 
dem  Zinsenbezug  für  Pfandbriefe  und  Privatanleihen  stets 
als  eine  Assekuranzprämie  für  die  Gefahr,  die  mit  dem  Ver- 
leihen des  Kapitals  auf  letztere  Weise  verbunden  ist,  zu  be- 
trachten. 

Da  wir  nun  in  dem  isolierten  Staat  unter  „Zinsfuß" 
nur  den  Zinsenbezug  nach  Abzug  der  Assekurauzprämie  ver- 
stehen, so  kann  auch  aus  der  Tatsache,  daß  in  einer  und 
derselben  Monarchie  in  den  verschiedenen  Provinzen  für  aus- 


—     538    — 

geliehene  Kapitalien  Zinsen  von  sehr  verschiedenem  Betrag 
gezahlt  werden,  kein  Argument  gegen  die  Gleichheit  des 
Zinsfußes  in  allen  Gegenden  des  isolierten  Staats  entnommen 
werden, 

III. 

Unsere  Untersuchungen  beruhen  auf  der  Voraussetzung, 
daß  der  isolierte  Staat  sich  im  beharrenden  Zustand  befindet. 
Demnach  muß  aber  auch  seine  Größe  und  Ausdehnung  un- 
verändei-lich  sein.  Indem  wir  hier  aber  im  Gedanken  neue 
Güter  im  Kreise  der  Viehzucht  anlegen,  liandeln  wir  dadurch 
anscheinend  gegen  unsere  eigene  Voraussetzung, 

Nun  ist  aber  das  einzelne  Gut  gegen  das  Ganze  nur 
als  ein  unendlich  kleiner  Punkt  zu  betrachten  —  und  w^enn 
wir  trotz  dieses  Zuwachses  das  Ganze  als  noch  im  beharren- 
den Zustand  befindlich  ansehen :  so  ist  unser  Verfahren  dem 
in  der  Analysis  des  Unendlichen  analog  und  kann  auch  durch 
diese  gereclitfertigt  werden. 
143  Verwandelt   sich   nämlich  x  in  x  -|-  dx,   so   wird  diese 

Größe  im  Wert  noch  immer  =  x,  also  dx  =  0  gerechnet. 
Das  Difterential,  dx,  erhält  aber  seine  Bedeutung,  wenn  es 
als  Faktor  mit  einer  anderen  endlichen  Größe  verbunden  ist. 
In  der  Parabel,  deren  Abszisse  ^  x,  Parameter  =  a  und 
Ordinate  ^  y ,  ist  y-  =  ax  und  y  =  l  ax.  Wächst  hier 
X  um  dx,  so  ist  das  Element  der  PJäche,  oder  der  unendlich 
kleine  Zuwachs ,  den  die  Fläche  erhält ,  =  dx  V  ax.  In 
diesem  Element  spiegelt  sich  das  Gesetz  ab,  nach  welchem 
die  Figur  konstruiert  ist  —  und  aus  dem  Integral  dieses 
Elements  =  -/s  x  V  ax  =  -/s  xy  ergibt  sich  der  Flächen- 
inhalt der  Figur. 

Hier  ist  dx  wieder  verschwunden,  und  wir  finden  durch 
diese  Rechnung  nicht  den  Inhalt  einer  Paraljel,  deren  Abszisse 
^  x  -H  dx,  sondern  den  der  Parabel  für  die  Abszisse  =  x. 

Aber  auch  ohne  Zuhilfenahme  der  Differentialrechnung 
läßt  sich  dies  Verfahren  vielleicht  anschaulich  rechtfertigen. 


—    539    — 

Man  denke  sich ,  daß  ■  infolge  eines  zu  geringen  Lohns 
nicht  einzelne,  sondern  sehr  viele  Arbeiter  ihre  Überschüsse 
auf  die  Anlegung  neuer  Güter  verwenden  und  die  kultivierte 
Ebene  wesentlich  erweitern.  Da  aber  die  Zahl  der  Arbeiter, 
unserer  Voraussetzung  gemäß,  konstant  ist,  wird  auf  den 
schon  bestehenden  Gütern  Mangel  an  Arbeitern  eintreten, 
und  um  der  ferneren  Auswanderung  nach  der  "Wildnis  Ein- 
halt zu  tun,  werden  die  Besitzer  den  Lohn  so  weit  erhöhen 
müssen,  daß  die  Auswanderung  unvorteilhaft  wird.  Ist  dann 
aber  schon  eine  bedeutende  Erweiterung  der  kultivierten 
Ebene  erfolgt,  so  wird  mehr  Korn  als  bisher  nach  der  Stadt 
gebracht,  und  da  die  Zahl  der  Konsumenten  sich  nicht  ver- 
mehrt hat,  muß  der  Preis  des  Korns  in  der  Stadt  und  damit 
auch  in  der  ganzen  kultivierten  Landfläche  sinken.  Damit 
sinkt  aber  auch  die  Landrente  der  neu  angelegten  Güter 
unter  Null  herab.  Der  endliche  Erfolg  des  Herabsinkens 
der  Landrente  unter  Null  aber  ist ,  daß  die  Ansiedelungen  144 
wieder  verlassen  werden,  wenn  die  Gebäude  verfallen  sind. 

Damit  wird  die  kultivierte  Ebene  wieder  auf  ihren 
früheren  umfang  beschränkt,  und  der  beharrende  Zustand 
tritt  wieder  ein. 

Sobald  aber  die  Gutsbesitzer  versuchen,  den  Lohn  unter 
das  Maß  herabzudrücken,  das  die  Arbeiter  durch  Arbeit  auf 
eigene  Eechnung  in  der  Wildnis  verdienen  können,  beginnt 
dasselbe  Spiel  von  neuem.  Da  dies  aber  für  die  Gutsbesitzer 
wegen  des  daraus  entstehenden  Mangels  an  Arbeitern  mit 
großem  Nachteil  verbunden  ist:  so  genügt  die  bloße  Mög- 
lichkeit für  die  Arbeiter,  sich  in  der  Wildnis  anzusiedeln, 
ohne  daß  d  i  e  s  T  a  t  w  i  r  d ,  die  Gutsbesitzer  zur  Bezahlung 
eines  Lohns  zu  nötigen,  der  mit  dem,  den  der  Arbeiter  durch 
Ansiedelung  und  Arbeit  auf  eigene  Rechnung  erlangen  kann, 
im  Gleichgewicht  ist. 

Der  beharrende  Zustand  kann  demnach  nur  bei  dem  sich 
auf  diese  Weise  bildenden  normalen  Arbeitslohn  stattfinden. 


540     — 


IV. 


Wir  gründen  unsere  nachfolgende  Untersuchung  über 
die  Kapitalerzeugung  durch  Arbeit  auf  die  Annahme,  daß 
die  Arbeiter  ihren  Überschuß,  oder  den  Teil  des  Lohns, 
welchen  sie  nach  Abzug  der  notwendigen  Subsistenzmittel 
übrig  behalten,  zu  dem  angegebenen  Zweck  verwenden. 

Bei  dem  Blick  auf  die  Wirklichkeit  kann  man  dagegen 
einwenden,  daß  der  Lohn  der  Arbeiter  in  dem  größten  Teil 
von  Euroi^a  nicht  mehr  beträgt,  als  was  sie  zum  Unterhalt 
ihrer  Familien  notwendig  bedürfen,  daß  ihr  Überschuß  gleich 
Null  sei,  und  somit  keine  Kapitalerzeugung  durch  die  Arbeiter 
stattfinden  könne. 

Dieser  Einwurf  verliert  aber  aus   nachstehenden  zwei 
verschiedenen  Griinden   für   die  gegenwärtige  Untersuchung 
seine  Bedeutung: 
145       1.  Bei    der  Konstruktion    des    isolierten   Staates  ist  ein 
Arbeitslohn  zugrunde  gelegt,  der  dem  Arbeiter  aller- 
dings gestattet  Ersparnisse  zu  machen. 
2.  In   den   letzten  Dezennien   ist  die  Volksmenge  in  fast 
allen   europäischen  Ländern   um  ungefähr  ein  Prozent 
jährlich  gestiegen.     In   der  arbeitenden  Klasse  ist  die 
Vermehrung  verhältnismäßig  mindestens  ebenso  groß 
gewesen  als   in   der  Klasse   der  Wohlhabenden.     Der 
Lohn  der  Arbeiter,  wie  geringe  er  auch  sein  mag,  hat 
also  doch  ausgereicht,  um  mehr  Kinder  zu  erziehen, 
als   zur  Erhaltung  der  Bevölkerung  in   gleicher  Zeit 
nötig  war. 
Unserer  Untersuchung  liegt  aber  die  Voraussetzung  des 
beharrenden   Zustandes  in   der  Volksmenge   zugrunde,   und 
unter  dieser  Bedingung  würden  die  Arbeiter,  selbst  bei  ihrem 
jetzigen  geringen  Lohn,   einen  Überschuß  gehabt  haben,  der 
zur  Kapitalerzeugung  verwandt  werden  könnte. 


—    541    — 


"Wir  haben  in  I.  gesehen,  daß  um  die  Anlegung  neuer 
Kolonistenstellen  und  damit  die  Auswanderung  der  Arbeiter 
7A1  verhüten,  a  -|-  y  -|~  'i  (^  H~  j)  ^  =  P  sein  muß.  In 
"Worten  ausgedrückt  lautet  dies  so:  der  Arbeitslohn  nebst 
den  Zinsen  des  zur  Anlegung  einer  Kolonistenstelle  erforder- 
lichen Kapitals  muß  gleich  sein  dem  Arbeitsprodukt  des  mit 
einem  Kapital  von  q  J.  A.  verseheneu  Arbeiters. 

In  dieser  Gleichung  sind,  wie  schon  angeführt,  a,  p 
und  q  gegebene,  y  und  z  aber  unbestimmte  Größen,  und 
der  Gleichung  kann  bei  sehr  verschiedenen  Werten  von  y 
und  z  Genüge  geleistet  werden. 

Um  ein  Beispiel  in  Zahlen  geben  zu  können,  wollen  wir 
q,  das  Kapital  ^=  12  J.  A., 
p,  das  Arbeitsprodukt  =  3  a, 
a,  die  Subsisteuzmittel  =  100  c  setzen, 
wo  c  den  hundertsten  Teil  der  in   Scheffel  Roggen   ausge-146 
drückten  Bedürfnismittel  des  Arbeiters  bezeichnet. 
Die  obige  Gleichung  erhält  dann  folgende  Form: 

100  c  +  y  +  (1200  c  -}-  12  y)  z  =  300  c. 
Setzt  man  nun  für  y  nach  und  nach  andere  Werte,  so 
liefert  dies  folgende  Resultate: 

1.  Für  y  =  20  c 

ist  120  c  +  (1440  c)  z  =  300  c, 

und  z  =  12,5  %. 

2.  Für  y  =  60 

ist  160  c  + 1920  cz  -300  c; 
z  =  7,3  o/o. 

3.  Für  y  -=  100 

ist  200  c  +  2400  cz  =  300  c ; 
z  =  4,2  o/o. 
Durch  die  obige  Gleichung  ist  also  für  das  A^erhältnis 
zwischen  Arbeitslohn   und  Zinsfuß   noch  nichts  entschieden. 


—     542    — 

Dies  Verhältnis  ist  aber  für  den  Arbeiter  keineswegs 
gleichgültig:  denn  das  Streben  des  Lohnarbeiters  muß  dar- 
auf gerichtet  sein,  für  seinen  Überschuß  y,  wenn  er  den- 
selben auf  Zinsen  legt,  die  höchste  Rente  zu  beziehen. 

Diese  Rente  =  yz  ist  aber  nach  den  verschiedenen 
"Werten  von  y  und  z  sehr  verschieden  und  beträgt 

12.5 

für  y  =  20  c  und  z  -=  12.5  "/o  ...  20  c  X  -joiT^  '-^^  ^' 

7.3 

y  =  60  c  und  z  =    7,3  "^/o  ...  60  c  X    -. .-.'-.    =  4,3s  c. 

4.-^ 
y  =  100  c  und  z  =    4,2  %  .  .  .  100   X    -..-.,-,    =  4,20  c. 

Wir  wenden  uns  jetzt  der  Kapitalerzeugung  diu'ch  Arbeit 
zu,  um  die  Frage  zu  lösen,  in  welchem  Verhältnis  y  und  z 
zueinander  stehen  müssen,  wenn  der  Arbeiter  für  seine  An- 
strengung das  Maximum  an  Rente  beziehen  soll. 


147  §  15. 

Die  Kapitalerzeugung  durch  Arbeit. 

"Wir  denken  uns,  daß  sich  eine  Zahl  von  Arbeitern  zu 
einer  Gesellschaft  verbindet,  um  an  der  Grenze  der  kul- 
tivierten Ebene  des  isolierten  Staats  ein  neues  Gut  von  der 
Größe  wie  die  älteren  Güter  dieses  Staats  anzulegen. 

Die  zu  diesem  Zweck  verbundenen  Arbeiter  teilen  sich 
in  zwei  Abteilungen  —  wovon  die  eine  sich  mit  der  Urbar- 
machung des  Feldes,  der  Errichtung  der  Gebäude,  der  Ver- 
fertigung von  Gerätschaften  usw.  beschäftigt:  die  andere 
aber  einstweilen  bei  der  Arbeit  für  Lohn  verbleibt  und 
durch  ihren  in  Roggen  sich  aussprechenden  Überschuß  die 
Subsistenzmittel  liefert,  welche  die  mit  der  Anlegung  des 
Guts  beschäftigten  Arbeiter  konsumieren. 


—    543    — 

Unter  diesea  Verhältnissen  wird  durch  die  Anlegung 
des  Gutes  von  dem  bereits  vorhandenen  Nationalkapital 
nichts  konsumiert ;  die  Summe  dieser  Wertgegenstände  ist 
nach  der  vollendeten  Schaffung  des  Gutes  gerade  noch  eben 
so  groß  wie  vor  derselben. 

Das  neuangelegte  Gut  kostet  nur  Arbeit,  und  nichts 
anderes  als  Arbeit. 

Die  Eente,  die  das  Gut  trägt,  fällt  demnach  einzig  und 
allein  den  kapitalerzeugenden  Arbeitern,  die  das  Gut  durch 
ihre  Arbeit  geschaffen  haben,  anheim  —  und  diese  Rente 
ist  der  Lohn  ihrer  Arbeit. 

Diese  Gesellschaft  von  kapitalerzeugenden  Arbeitern 
bedarf  nach  vollendeter  Anlegung  des  Guts  einer  Zahl  von 
Lohnarbeitern,  die  das  neue  Gut  bestellen  imd  bewirtschaften. 
Der  Lohn  dieser  Arbeiter  kann  aber  nicht  willkürlich  und 
auch  nicht  nach  dem  in  den  älteren  Gütern  üblichen  Lohn 
bestimmt  werden.  Dieser  Lohn  muß  vielmehr  so  hoch  sein, 
daß  der  Überschuß  des  Arbeiters  auf  Zinsen  gelegt,  also  yz  148 
gleich  der  Kente  des  kapitalerzeugenden  Arbeiters  wird: 
denn  wäre  dies  nicht  der  Fall,  so  würden  —  da  wir  Arbeiter 
von  gleicher  Kraft,  Kenntnis  und  Gesclücklichkeit  voraus- 
setzen —  die  Lohnarbeiter  augenblicklich  zur  Kapitalerzeugung 
übergehen. 

Wir  haben  hier  also  eine  zwiefache  Verkettung  zwischen 
Arbeit  und  Kapital:  einmal  indem  aus  der  Arbeit  unmittel- 
bar Kapital  erwächst,  und  zweitens  indem  die  kapitalerzeu- 
genden Arbeiter  nunmehr  die  Stellung  des  Kapitalisten  gegen 
den  Lohnarbeiter  einnehmen. 

Hier  unter  den  einfachsten  Verhältnissen,  wo  keine 
Landrente  als  dritte  Potenz  verwirrend  einwirkt,  —  hier 
muß  sich  die  Verbindung  zwischen  Arbeitslohn  und  Zinsfuß 
enthüllen  lassen,  wenn  die  Aufgabe,  die  wir  uns  gestellt 
haben,  überhaupt  lösbar  sein  soll. 

Die  Bestimmung  des  Arbeitslohns  ist  hier  in  die  Hände 


—     544    — 

der  Arbeiter  selbst  gelegt,  und  der  aus  der  Bestimmung  der 
Arbeiter  hervorgehende  Lohn  ist,  wie  vorhin  nachgewiesen, 
normierend  für  den  ganzen  isolierten  Staat. 

Die  Willkür  der  Arbeiter  findet  bei  dieser  Feststellung 
ihres  Lohns  keine  andere  Schranke  als  die  des  eigenen 
Interesses. 

Bei  der  Kapitalerzeugung  kann  aber  der  Arbeiter  kein 
anderes  Ziel  haben  als  das,  für  seine  Arbeit  die  höchst 
mögliche  Rente  zu  erlangen. 

Derjenige  Arbeitslohn,  welcher  das  Maximum  der  Rente 
bringt ,  muß  also  Ziel  des  Strebens  sein ,  und  da  diesem 
Streben  nichts  hemmend  entgegentritt,  so  wird  dieser  Arbeits- 
lohn auch  der  wirkliche  werden. 

Damit  werden  Avir  zu  der  Frage  geführt:  bei  welcher 
Höhe  des  Arbeitslohns  erlangt  der  Arbeiter  für  seine  An- 
strengung das  Maximum  der  Rente? 

I         Um  diese  Frage  zu  beantworten,   nehmen  wir  folgende 
Sätze  an: 

Die  Bestellung  des  neu  gegründeten  Gutes  erfordere  die 
fortdauernde  Arbeit  von  n  Tagelöhnerfamilien. 

Die  Anlegung  des  Gutes  habe  die  Jahresarbeit  von 
nq  M.  (ntj  Arbeiterfamilien)  erfordert.  Zu  der  Schaffung 
eines  neuen  Gutes  gehört  unstreitig  nicht  bloß  Arbeit,  sondern 
auch  Anwendung  von  Kapital.  Nach  §  13  können  wir  aber 
die  Mitwirkung  des  Kapitals  auf  Arbeit  reduzieren  und 
somit  die  Anlagekosten  ganz  in  Arbeit  angeben. 

Jeder  von  den  das  Feld  bestellenden  Tagelöhnern  arbeitet 
dann  mit  einem  Kapital  von  (|  J.  A.  (q  Jahresarbeiten  einer 
Arbeiterfamilie). 

Der  mit  einem  Kapital  von  q  J.  A.  versehene  Arbeiter 
bringe  ein  jährliches  Erzeugnis  von  p  (Scheffel  Roggen) 
hervor. 

Das  Gesamtprodukt  der  n  Arbeiter  ist  demnach  =  np. 

Die  Subsistenzmittel,  welche  der  Arbeiter  zur  Erhaltung 


—     5-45    — 

seiner  Arbeitsfähigkeit  notwendig  bedarf,  betragen  a  Scheffel 
Eoggen  oder  deren  Äquivalent. 

Die  nq  mit  der  Anlegung  des  Guts  während  eines 
Jahres  beschäftigt  gewesenen  Arbeiter  haben  konsumiert  anq 
(Scheffel  Roggen). 

Von  der  mit  Erzeugung  von  Lebensmitteln  beschäftigten 
Abteilung  der  Gesellschaft  behält  jeder  Arbeiter  von  seinem 
Lohn,  nach  Abzug  seiner  Konsumtion,  einen  Überschuß  von 
y  Schfl.  Roggen,  oder  dessen  Äquivalent. 

Zur  Hervorbringung  der  bei    der  Anlegung    des   Guts 

verzehrten  anq  Schfl.  sind  also  — —  mit  der  Produktion  der- 

y 

selben  beschäftigten  Arbeiter  erforderlich. 

Die  Zahl  der  Arbeiterfamilien,  aus  deren  gemeinschaft- 
lichen Arbeit  das  Gut  hervorgegangen  ist,  beträgt  demnach 
,    anri  (a  +  y) 

^^   y  y 

Die  n  Tagelöhner ,  welche  das  Feld  bestellen ,  erhalten  150 
jeder  a  -f-  y  (Schfl.  Roggen)  an  Lohn.     Die  Gesamtausgabe 
an  Lohn  beträgt  also  n  (a  -|-  y). 

Zieht  mau  diese  Ausgabe  von  dem  Gesamterzeugnis 
=  np  ab,  so  verbleibt  eine  Gutsrente  von  np  —  n  (a  -[-  y)- 

Diese     dauernde     Gutsrente     ist     das    Eigentum    von 

nq  ^ — y^-^  kapitalerzeugenden  Arbeitern. 

Die  Jahresarbeit  eines  mit  der  Kapitalerzeugung  be- 
schäftigten Arbeiters  wird  also  gelohnt  mit  einer  Rente 

(a  -f  y)            (p  —  [a  -f-  y])  y 
von  n  (p  -  [a  +  y])  :  nq  ^ ■  =  ^(a  +  y)^ 

In  diesem  für  die  Größe  der  Rente  gefundenen  Ausdruck 
ist  z  nicht  vorhanden  und  y  die  einzige  noch  unbestimmte 
Größe. 

Bemerkung.    Da  in  dieser  Formel  für  die  Rente  n 
verschwunden  ist,  so  werden  wir  künftig  auch  nur  den 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  oo 


—    546    — 

auf  einen  Arbeiter  fallenden  Gutsteil  und  das  Kapital, 
womit  ein  Mann  arbeitet,  in  Betracht  ziehen.  Wir 
müssen  uns  dann  aber  stets  erinnern,  daß  hier  nicht 
von  einer  Xolonistenstelle ,  die  von  einer  Familie  be- 
wiiischaftet  werden  kann,  sondern  von  einem  in  der 
Größe  den  anderen  Gütern  des  isolierten  Staats  gleichen 
Gut  die  Rede  ist.  Denn  sonst  würden  wir  ein  stören- 
des und  ver^\"in'endes  Moment,  nämlich  den  Einfluß, 
welchen  die  verschiedene  Größe  der  Güter  auf  das 
Arbeitsprodukt  und  auf  die  Gutsrente  ausübt,  in  unsere 
Untersuchungen  einmischen. 
Bei  welchem  "Wert  von  y  erlangt  nun  die  obige  Fimktion 

für  die  Größe  der  Rente  das  Maximum? 

"Wir  wollen,   um  dies  annähernd  zu  erforschen  und  um 

zugleich  den  Einfluß  der  verschiedenen  Werte  von  y  auf  die 

Größe  der  Rente  anschaulich  zu  machen,  zuerst  ein  Beispiel 

in  Zahlen  geben. 
151         Es  sei  a  =  100  c ;  p  =  300  c ;  q  =  12  J.  A. 

Nun  sei  erstens  y  =  20  c. 

Die  mit  der  Anlegung  des  Gutes  beschäftigten  Arbeiter 
verzehren  aq  =  1200  c. 

Da  jeder  mit  der  Erzeugung  von  Lebensmitteln  be- 
schäftigte Arbeiter  einen  Überschuß  von  y  =  20  c  liefert, 
so  sind  zm-  Hervorbringung  der  bei  der  Anlegung  des  Gutes 

1200  c 
verzehrten  Lebensmittel  ^^^        =  60  andere  Arbeiter  er- 

20  c 

forderlich. 

Die  Schaffung  des  Gutes  kostet  also  die  Jahresarbeit  von 
12  -f  60  =  72  M. 

Von   dem   Arbeitsprodukt    des    das    Feld    bestellenden 

Tagelöhners 300  c, 

geht  dessen  Arbeitslohn  ab  mit 120  c. 

Die  Rente  dieses  Gutsteils  beträgt  also    .    .    .    180  c. 


547    — 


Diese  Rente  unter  72  Mann  verteilt,   gibt  für  einen  kapital- 

.  ,    .         180  c         ^        ^    ^ 
«rzeugenclen  Arbeiter      „,-,      =  i,5  c  Kente. 

Zweitens  sei  y  =  50  c. 
Zur  Erzeugung  der  1200  c  bei  der  Anlegung  des  Gutes 

1200 


verzehrten  Lebensmittel  sind  dann 


50 


=  24  M.  erforderlich. 


Die  Schaffung  des  Gutes  kostet  dann  nur  12  -f-  24'  = 
36  J.  A.    Die  Rente  von  dem  Gutsteil  beträgt 
300  —  150  =  150  c.    Diese  unter  36  M.  verteilt,  gibt  für 

150  c 


jeden  kapitalerzeugenden  Arbeiter 


36 


4,iG  c  Rente. 


In  nachstehender  Tabelle  sind  die  Resultate  dieser  Be- 
rechnung für  mehrere  Werte  von  y  zusammengestellt. 


152 


>>* 

Bei  der  An- 
•^  legung  des 
S  Gutes  sind 

beschäftigt 

von 

120  c 

12 

150  c 

12 

180  c 

12 

210  c 

12 

240  c 

12 

270  c 

12 

300c 

12 

Zur  Erzeugung  der 
verzehrten  Lebens- 
mittel sind  er- 
forderlich 


Summe 

der 
kap.  erz. 
Arbeiter 


aq 


M. 


q  (a  -{-  y) 


Die 

Gutsrente 

beträgt 


p  —  (a  +  y) 


Ein  kap.  erz. 

Arbeiter 
erwirbt  Rente 

(p  — [a-f  y])y 
q  (a  -I-  y) 


1200 

20 
1200 

50 
1200 

80 
1200 

110 
1200 

140 
1200  _  „ 
T7Ö  ~~  ^'"^ 
1200 
^00  =^ 


=  60 


=  24 


-  15 


=  10.9 


=  8.. 


72 

36 
27 

22,0 
20,.„ 

19,06 

18 


180  c 

150  c 

120  c 

90  c 

60  c 

30  c 

0 


2,50  c 

4,16  c 

4,44  C 

3,91  0 

2,9.  c 

1,57  (-* 

0 


35* 


—     548    — 

Mit  dem  "Wachsen  des  Arbeitslolius  und  des  damit  ver- 
bundenen größeren  Überschusses  nimmt  die  Zahl  der  zur 
Schaffung  des  Gutes  erforderlichen  Ai-beiter  ab,  weil  dann 
die  bei  der  Anlegung  des  Gutes  verzehrten  Lebensmittel  durch 
eine  geringere  Zahl  von  Arbeitern  erzeugt  werden.  Die. 
Xapitalerzeugung  selbst  wird  also  wohlfeilei'.  Mit  der  Steige- 
rung des  Lohns  nimmt  aber  gleichzeitig  die  Gutsrente  ab, 
weil  der  das  Feld  bestellende  Tagelöhner  dann  einen  größeren 
Teil  von  seinem  Arbeitserzeugnis  erhält. 

Es  zeigt  sich  hier  deshalb,  daß  die  Rente  des  kapital- 
erzeugenden Arbeiters  zwar  anfangs  mit  dem  Lohn  wächst, 
bei  weiterer  Steigerung  des  Lohnes  aber  wieder  fällt  imd 
sogar  Xull  wird,  wenn  der  Ai'beitslohn  das  ganze  Produkt 
hinwegnimmt. 

Die  ungemessene  Steigerung  des  Lohnes  liegt  also  keines- 
wegs im  Interesse  der  kapitalerzeugenden  Arbeiter. 
153  Aus  dem  anfänglichen  Steigen  der  auf  einen  Mann 
fallenden  Reute  beim  '\\"achsen  des  Ai'beitslohns  und  dem 
nachherigen  Fallen  der  Rente  bei  ferner  wachsendem  Lohn 
ergibt  sich,  daß  es  eine  Höhe  des  Arbeitslohns  gibt,  bei 
welcher  die  Rente  das  Maximum  erreicht. 

Durch  fortgesetztes  Probieren  ließe  sich  dieser  Punkt 
annähernd,  jedoch  nur  selten  mit  absoluter  Genauigkeit  finden. 
"Wenn  aber  auch  letzteres  der  Fall  wäi'e,  so  würde  man  doch 
das  hier  waltende  Gesetz  nicht  daraus  erkennen,  und  man 
vs'ürde  bei  veränderten  Zahlenverhältnissen  dieselbe  Rechnung 
immer  aufs  neue  vollführen  müssen. 

Die  Differentialrechnung  bietet  aber  das  Mittel  dar, 
nicht  bloß  die  Aufgabe  mit  mathematischer  Genauigkeit  zu 
lösen,  sondern  auch  für  den  hier  gesuchten  Arbeitslohn  einen 
Ausdruck  zu  finden,  der  für  alle  und  jede  Zahlenverhältnisse 
gültig  ist  und  der  somit  das  Gesetz  selbst  offenbart. 


—    549    — 

Die  Rente  des  kapitalerzeugeuden  Arbeiters  ist 
_  (p  — [a  +  y])y 
q  (a  +  y) 
Bei   welchem  Wert   von  y   erreicht  diese  Funktion  das 
Maximum  ihres  Werts? 

Um  diesen  Wert  von  y  zu  finden,  muß  bekanntlich  die 
Funktion  in  bezug  auf  y  diiTerenziert,  und  das  Differential 
=  0  gesetzt  werden. 

^  /(P— [a+y])n  ^  j|  (py  —  ay  —  y^) 

V     q(a  +  y)    /  q(a  +  y) 

=  q  [a  +  yj  (P  —  a  —  2  y)  dy  —  (py  —  ay  —  y-j  qdy  =  0 
also :  (a  4"  y)  (P  —  a  —  2  y)  =  py  —  ay  —  y- 

ap  —  a-  —  2ay  -{-  py  —  ay  —  2y-  =  py  —  ay  —  y- 

ap  —  a-  —  2ay  —  2y-  =  —  y- 

y-  -|-  2ay  =  ap  —  a- 

-|J  a^  =  +  a^  154 

(a  +  y)  ^  =  ap 


a  -f-  y  =  1  ap 


Diesen,  nicht  aus  dem  Verhältnis  zwischen 
Angebot  und  Nachfrage  entspringenden,  nicht 
nach  dem  Bedürfnis  des  Arbeiters  abgemessenen, 
sondern  aus  der  freien  Selbstbestimmung  der 
Arbeiter  hervorgehenden  Lohn  I  ap  nenne  ich 
den  naturgemäßen  oder  auch,  den  natürlichen 
Arbeitslohn. 

In  Worten  ausgedrückt  sagt  diese  Formel:  der  natur- 
gemäße Arbeitslohn  wird  gefunden,  wenn  man  die  not- 
wendigen Bedürfnisse  des  Arbeiters  (in  Korn  oder  Geld 
ausgesprochen)  mit  dem  Erzeugnis  seiner  Arbeit  (durch  das- 
selbe Maß  gemessen)  multipliziert  und  hieraus  die  Quadrat- 
wurzel zieht. 

Da  a:   1  ap  =  ]  ap  :  p 
so  ist  der  naturgemäße  Arbeitslohn  die  mittlere  Proportional- 


—     550    — 

zahl  zwischen  dem  Bedürfnis  des  Arbeiters  und  seinem 
Arbeitsprodukt,  d.  i.  der  Lohn  übersteigt  das  Bedürfnis  io 
demselben  Maße,  wie  das  Erzeugnis  den  Lohn  übersteigt. 

Beispiel  in  Zahlen: 

Es  sei  a  =  100c,  p  =  3a  =  300c,  q  =  12, 
so  ist  Vap  =  y  30  000  c^  =  173,2  c. 

Die  Rente  ist  dann  300  —  173,2  =  126,8. 

12  X  173  2 
Zur  Kapitalerzeugung  gehören  ^ö ^  =  -8,39  M. 

Die  Rente  von   126,s   unter  28,3o   M.   verteilt  gibt   für 

1    M  .  .  .  4,4064. 

Da  für  den  Arbeitslohn   173,2  =  Vap  die  Rente  des 
kapitalerzeugenden  Arbeiters  das  Maximum  erreichen  soll,  so 
muß  sowohl  für  den  Lohn  von  174  als  von  172  diese  Rente 
geringer  sein  als  die  hier  gefundene. 
155         Probe.     1.  Es  sei  der  Lohn  =  174 
so  ist  die  Rente  300  —  174  =  126; 
zur  Kapitalerzeugung  sind  erforderlich: 

12  X  174 

^ =  28,22  M. ;   diese  erlangen   eine  Rente  von   126. 

126 
Auf  einen  Mann  fällt  eine  Rente  von  773 —  =  4,4645 

28,22  ' 

2.  Es  sei  der  Lohn  =  172. 
Die  Rente  beträgt  dann  300  —  172  =  128 ; 
die  Schaffung  des  Gutes  kostet  die  Arbeit  von 
12  X  172 


72 


=  28,C7  M. 


128 
Auf  1  M.  fällt  eine  Rente  von  -55 —  =  4,4646. 

28,67  ' 


—     551     — 

§  16. 

Bei  welchem  Zinsfufs  erlangt  der  Lohnarbeiter  für 
seinen  Überschufs  den  höchsten  Betrag  an  Zinsen? 

DieEente  dividiert  durch  das  Kapital,  wo- 
raus diese  entsprungen  ist,  ergibt  den  Zinssatz, 

Die  Rente  von  dem  Gutsteil,  den  wir  hier  vor  Augen 
haben,  beträgt  p  —  (a  -[-  j)  Schfl. 

Das  in  diesem  Grutsteil  enthaltene  Kapital  beträgt  q  J.  A., 
welche  bei  dem  Lohn  von  a  -|-  y  =  <!  (a  +  y)  Scheffel  sind. 

Der  Zinsfuß  z  ist  demnach  =  - —      , 

q  (a  +  y) 

Aus  z=P-^V^f)  folgt 
•1  (a  +  y) 

qz  (a  4-  y)  =  p  —  (a  +  j) 
(1  4-  qz)  (a  +  y)  =  p, 

und  a  -f-  y  =  ^j — 1~ —  wie  auch  schon  §  13  gezeigt  ist. 

Der  Überschuß   y  ist  also  q — ; —  a.  156 

1  -\-  qz 

Beim  Ausleihen  gibt  dieser  Überschuß  einen  Zinsenbetrag 

pz 

von  yz  =  -z — ^j —  az. 

1  -}-  cp 
Bei  welchem  Wert  von  z  erreicht  nun  diese  Funktion 
ihr  Maximum? 

Das  Differential  dieser  Funktion  gleich  Null  gesetzt,  gibt 
(1  +  qz)  pdz-pqzd^  _    ^^^^  _ 

(1  +  qz)-' 
also  p  -f-  Piz  — •  pqz  ^  a  (1  -f-  '[z)^ 

(l+qz2)  =  -P^;     1   +   qz   =   V-^ 

^  a  a  ' 

t  1  V  ^  Vap  — a 

folglich  z  =  ~ 

ap 


FinO      — 


Diesen  Wert  von   z  in  a  +  v  =  -z — \ gesetzt, 

'    "  1  -|-  qz    °  ' 

gibt  a  4"  y  =  — 


,      1  ap  —  a  ap 

1   -\ =  — j-i- —  =   1  ap 

'  a  a  -j-  ]  ap  —  a  ^ 

Also  bezieht  der  Lohnarbeiter  für  seinen  Überschuß  die 
höchsten  Zinsen,  wenn  der  Arbeitslohn  =  l  ap  ist,  und  sein 
Interesse  fällt  demnach  mit  dem  des  kapitalerzeugenden 
Arbeiters  zusammen. 

Beispiel  in  Zahlen.     Für  p  =  3a  =  300c 
und  q  ^=12,  sei 

1.  y  =  80e, 

p  —  (a  +  y)  120  1  ^       „, 

^° ''' '  =  -jw^rr  =  i2xm  =18-  ^^'''^'' 

i57         Für  den  Überschuß   y  =  80  erfolgen  dann  an  Zinsen 

80   X   0,0555    =  4,44. 

2.  y  =  Vap  —  a  =  73,2. 
300  —  173,2         126,s         ,    „, 

=    0,1  ",0. 


7,29  ''/O. 


Das  Verhältnis  zwischen  Arbeitslohn  und  Zinsfuß  kommt 
uns  aber  noch  unter  anderen  Formen  zur  Anschauung,  imd 
wir  dürfen  uns  bei  dem  hier  gefundenen  Resultat  nicht 
beruhigen,  dasselbe  nicht  für  erwiesene  Wahrheit  halten, 
ehe  wir  die  Überzeugung  gewonnen,  daß  die  von  anderen 
Standpunkten  ausgehenden  Betrachtungen  kein  Resultat 
liefern,  was  dem  hier  gefundenen  widerstrebt.  Wir  müssen 
deshalb,  ehe  wir  weiter  gehen,  uns  dieser  ernsten  Unter- 
suchung zuwenden. 


z  ist  dann  = 

12  X  173,2 

2078,4 

yz  =  73,2  X  0.061 

ist  dann  = 

4,4(55. 

3.    y  =  60. 

z  ist  dann  = 

300  —  160 
12  X  160 

140 
~  1920  " 

yz  =  60  X  0,0720 

=  4,37. 

—     553    — 

§  17. 

Das  Kapital  als  Arbeit  ersetzend. 

Gesetzt,  es  sei  auf  einem  Gute  ein  Torfmoor  vorhanden, 
aus  welchem  in  jedem  Jahr  das  Wasser  geschöpft  werden 
muß,  um  Torf  stechen  zu  können,  und  dies  Wasserschöpfen 
erfordere  die  Jahresarbeit  eines  Mannes. 

Wird  hier  nun  ein  Kanal  gezogen,  durch  welchen  das 
Torfmoor  entwässert  wird:  so  ersetzt  das  auf  die  Anlegung 
des  Kanals  verwandte  Kapital  die  jährlich  wiederkehrende 
Arbeit  eines  Mannes. 

Hier  wird  also   durch  das  Kapital  geradezu  Arbeit  er- 158 
spart;  das  Kapital  verrichtet  jetzt  die  Arbeit,  die  sonst  von 
einem  Mann  verrichtet  wurde. 

Hatte  die  Grabung  des  Kanals  z.  B  20  J.  A.  erfordert, 
so  verzinst  sich  das  angelegte  Kapital  mit  5  %. 

Die  Kapitalnutzung  spricht  sich  hier  nicht  in  Scheffel 
Roggen  oder  Taler  Geld,  sondern  in  Jahresarbeiten  aus. 

Der  sich  hier  ergebende  Zinssatz  ist  unabhängig  von  der 
Höhe  des  Arbeitslohns,  und  unabhängig  von  der  Fruchtbar- 
keit des  Bodens  und  der  damit  in  Yerbindung  stehenden 
Größe  des  Arbeitsprodukts. 

Zeigen  sich  hier  nun  Arbeitslohn  und  Arbeitsprodukt 
als  einflußlos  auf  den  Zinssatz,  so  muß  dies  zu  der  Frage 
führen,  ob  für  die  Bildung  des  Zinsfußes  nicht  noch  ganz 
andere  Bestimmungsgründe  vorhanden  sind  als  die,  welche 
wir  bisher  in  Betracht  gezogen  haben. 

Es  gibt  beim  Landbau  viele  Meliorationen  und  Opei'a- 
tionen,  wobei  durch  eine  Kapitalanlage  an  jährlich  wieder- 
kehrender Arbeit  erspart  werden  kann:  so  z.  B.  durch  Er- 
richtung von  Scheunen  statt  der  Kornfeimen,  durch  Weg- 
räumung von  Steinen,  die  das  Ackern  erschweren,  durch 
Anschaffung  von  Dreschmaschinen  usw.  Aber  diese  Opera- 
tionen  bezahlen   sich   nicht  alle   crleich   hoch.     Während  es 


—     554    — 

einige  geben  tann,  wo  die  jälirlich  wiederkehrende  Arbeit 
eines  Mannes  schon  durch  eine  Kapitalanlage  von  10  J.  A. 
ersetzt  \vird,  gibt  es  andere,  wo  dieser  Effekt  erst  aus  der 
Kapitalverwendung  von  20,  30  oder  gar  50  J.  A.  hervorgeht. 

Es  fragt  sich  also,  wo  der  Landwirt  auf  dieser  Stufen- 
leiter der  Meliorationen  inne  halten,  welche  er,  seinem  In- 
teresse folgend,  unternehmen,  welche  er  unterlassen  muß. 
Die  Antwort  ist:  er  wird  mit  Yorteil  alle  Meliorationen 
unternehmen,  bei  welchen  der  Effekt,  verglichen  mit  der 
159 Kapitalanlage ,  größer  ist  als  der  Zinssatz,  zu  welchem  er 
Kapital  angeliehen  erhalten  kann.  Ist  dieser  Zinssatz  z.  B. 
5  ^lo ,  so  wird  er  alle  MeKorationen  ausführen ,  bei  welchen 
die  jährliche  Arbeit  eines  Mannes  durch  die  Kapitalanlage 
von  15,  16,  17,  18,  19  J.  A.  ersetzt  wird;  aber  er  wird  die- 
jenigen unterlassen,  bei  welchen  er  zur  Erreichung  dieses 
Effekts  21,  22,  23  u.  s.  f.  J.  A.  aufwenden  muß. 

Diese  Verwendung  des  Kapitals  setzt  also  die  Kenntnis 
des  Zinssatzes  schon  voraus  —  und  es  ergibt  sich,  daß  die 
Bildungsstätte  des  Zinsfußes  nicht  hier,  sondern  anderswo 
gesucht  werden  muß. 

Das  Kapital  hat  einerseits  die  Eigenschaft,  Arbeit  zu 
ersetzen,  Und  andererseits  ist  das  Kapital  das  Erzeugnis 
menschlicher  Arbeit.  Wie  ist  in  dieser  Wechselwirkung 
Einheit  und  Klarheit  zu  finden? 

Um  die  Lösung  dieser  Aufgabe  zu  versuchen ,  bringen 
wir  die  Arbeitser sparung  durch  das  Kapital  in  Verbindung 
mit  der  Kapitalerzeugung  durch  Arbeit. 

Gesetzt,  die  Kapitalanlage  von  k  J.  A.  ersetze  die  jähr- 
lich wiederkehrende  Arbeit  eines  Mannes.  Das  Gut,  dessen 
Bestellung  sonst  n  Arbeiter  erforderte,  wovon  jeder  mit  einem 
Kapital  von  q  J.  A.  arbeitet,  kann  nach  der  Vermehrung  des 
Kapitals  um  k  J.  A.  einen  Tagelöhner  entbehren,  wodurch 
am  Lohn  a  -j-  y  Scheffel  erspart  werden.  Die  gesamte 
Kapitalanlage  ist  dann   ni|  -j-  k  J.  A.    Das  Gesamtprodukt, 


—       000      — 

welches  für  n  Arbeiter   np   Scheftel    betrug,    bleibt   unver- 
ändert =  np. 

Die  Gutsrente  beträgt  dann  np  —  (n  —  1)  (a  -[-  y)  5  diese 
mit  dem  Kapital  =  (nq  -|-  k)  (a  -j-  y)  dividiert, 

gibt  den  Zinssatz  z  =  -^ ■    , .   , — ,       ' 

(nq  +  k)  (a  +  y) 

Die  Rente  des  kapitalerzeugenden   Arbeiters  ist  =  yz. 

T.    ,  (a  (p  —  [a  +  v])  )  y 

Früher  war  vz  =  -^^-^ l   -p  .  j; /^  _  ^g^ 

nq  (a  +  y) 
(p_[a-f-y])y 

q  (a  +  y) 
Da  hier  die  Frage  ist,  wie  groß  k  sein  muß,  wenn  die 
Ersetzung  der  menschlichen  Arbeit  durch  das  Kapital  weder 
Vorteil  noch  Nachteil  bringen   soll,    so  müssen  wir  beide 
Werte  von  yz  gleich  setzen.    Dies  gibt 
(p  — [a4-y])y  ^  (np— [n  -1]  [a  +  y|)y_ 
Ci  (a  +  y)  (nq  +  k)  (a  +  y)       ' 

also  npq  —  nq  (a  -\-  y)  +  ^P  —  ^  (a  +  y) 

=  npq  —  nq  (a  -f  y)  +  '1  i^  +  y)- 
Demnach  ist  kp  —  k  (a  -[-  y)  ^=  1  (a  -|-  y) ; 
q  (a  +  y) 


also  k  = 


Nun  ist  aber  z  = 


p  —  (a  +  y) 

P  —  (a  +  y) 


q  (a  +  y) 


und  folglich  k  =  — .     Wir   erhalten  hier  also   Avieder    das 

schon  in  §  13  gefundene  Resultat,  nämlich:  Der  Zinsfuß 
z  zeigt  das  Verhältnis  an,  in  welchem  die  Leis- 
tung von  1  J.  A.  Kapital  zu  einer  sich  wieder- 
holenden Jahresarbeit  steht. 

Während  es  bei  der  Anlage  des  Kanals  den  Anschein 
hatte,  als  sei  es  gleichgültig,  ob  der  Arbeitslohn  hoch  oder 
niedrig,  der  Boden  fruchtbar  oder  uu fruchtbar  ist,  indem 
dieselbe  Melioration  immer  dieselben  Prozente  trägt,  ergibt 


—    556    — 

es  sich  jetzt  ans  der  Gleichung  k  =  ,  '  ." — :  =  — 

^  ^  p  —  (a  +  y)        z 

daß  k  sowohl  von  p  als  von  y  abhängig  ist,  und  daß  es 
von  der  Höhe  des  durch  p,  j  und  q  bestimmten  Zinsfußes 
abhängt,  wie  w^eit  die  auf  Arbeitsersparung  gerichtete  Me- 
lioration mit  Nutzen  getrieben  werden  l^ann. 
161  Bei  der  Anlegung  eines  neuen  Gutes  erheischt  es  das 
Interesse  der  kapitalerzeugenden  Arbeiter,  die  Zahl  der  an- 
zustellenden Lohnarbeiter  soweit  zu  vermehren,  bis  das  durch 
den  zuletzt  angestellten  Arbeiter  hervorgebrachte  Mehr- 
erzeugnis durch  den  Lohn,  den  derselbe  erhält,  absorbiert 
wird.  Ebenso  liegt  es  im  Interesse  der  kapitalerzeugenden 
Arbeiter,  die  Kapitalanlage  so  hoch  zu  steigern,  bis  aus  der 
Kapitalvermehrung  keine  erhöhte  Rente  für  sie  mehr  her- 
vorgeht. Da  aber  ein  Teil  der  Arbeiter  durch  Kapital,  und 
umgekehrt  ein  Teil  Kapital  durch  mehr  angestellte  Arbeiter 
ersetzt  werden  kann:  so  müssen  auf  der  Grenze,  bis  zu 
welcher  Kapital  und  Arbeit  mit  Nutzen  zu  verwenden  sind, 
die  Kosten  der  Arbeit  durch  die  Menschen  im  Gleichgewicht 
sein  mit  den  Kosten  der  Arbeit  durch  das  Kapital  —  und 

dieses  Gleichgewicht  findet  statt,   wenn  k  =  —  ist. 

Für  q  =  12,  p  =  300  c,  und  y  =  73,2  c  haben  wir  im 
vorigen  Paragraphen  z  =  6,i  ^/o  gefunden.    Alsdann  ist  k  = 

—  =  -7^ =  16,1.    In  diesem  Fall  sind  alle  Meliorationen, 

Z  0,061  '  ' 

bei  welchen  durch  die  Kapitalanlage  von  12,  14,  15  bis  I6.4 
J.  A.  die  Arbeit  eines  Mannes  erspart  wird,  vorteOhaft  und 
müssen  konsequenterweise  schon  bei  der  Anlegung  des  Gutes 
vollführt  werden.  Die  Kosten  dieser  Meliorationen  sind  also 
schon  in  dem  Anlagekapital  des  Gutes  =  nq  J.  A.  enthalten. 
Dagegen  würden  Meliorationen,  bei  w^elchen  die  Arbeit  eines 

Mannes  erst  durch  die  Kapitalanlage  von  17, is J.  A.  ersetzt 

wird,  die  Rente  der  kapitalerzeugenden  Arbeiter  vermindern. 


I 


Wir  haben   durch  unsere  Untersuchungen  das  Resultat 
erlangt,  daß   wenn  das   schon   vorhandene   Kapital  nq  um 
k  J.  A.  vermehrt  wird ,  dann   dasselbe   Gesamtprodukt   np, 
zu   dessen   Hervorbringung    früher   n  Arbeiter   erforderlich  162 
waren,  durch  n  —  1  Arbeiter  erzeugt  wird. 

Das  Kapital  von  k  J.  A.,  verbunden  mit  dem  durch 
den  Austritt  des  einen  Arbeiters  frei  gewordenen  Kapital 
von  q  J.  A.  liefert  demnach  ein  Erzeugnis  von  p  Scheffeln, 
gleich  dem  Erzeugnis  eines  mit  einem  Kapital  von  q  J.  A. 
versehenen  Arbeiters, 

Aus   1  J.  A.  Kai^ital  geht  also  ein  Produkt  von  ^   ! 

Scheffel  hervor. 

Hier  erscheint  das  Kapital  selbst  als  Arbeiter.  Indessen 
ist  das  Kapital  an  sich  ein  totes  und  kann  nur  durch  die 
Hand  des  Menschen  wirksam  werden;  aber  indem  es  die 
Wirksamkeit  des  Menschen  erhöht,  erscheint  es  als  Mitarbeiter. 

In  diesem  Sinn  ist  es  zu  nehmen,  wenn  hier  und  in 
der  Folge  von  der  Arbeit  des  Kapitals  die  Rede  ist. 


§  18. 

Die  Nutzung  des  zuletzt  angelegten  Kapital- 
teilchens  bestimmt  die  Höhe  des  Zinsfusses. 

In  unseren  früheren  Untersuchungen  über  die  Entstehung 
des  Kapitals  findet  sich  die  Begründung  dieses  Satzes.  Auch 
ist  dort  nachgewiesen,  daß  bei  der  Erhöhung  der  Kapital- 
anlage jedes  später  angelegte  Kapital  eine  geringere  Nutzung 
abwirft  als  das  früher  angelegte. 

Die  Nutzung  des  zuletzt  angelegten  Kaj)itals  spricht  sich 
in  dem  Zuwachs  aus,  den  das  Arbeitsprodukt  des  Mannes,, 
der  mit  Hilfe  dieses  Kapitals  arbeitet,  erhält. 


—     558    —    . 

Die  Steigerung  des  relativen  Nationalkapitals  erfolgt 
nicht  sprungweise,  z.  B.  von  6  auf  7  J.  A.,  sondern  ist  ein 
stetiges,  alle  Zwischenräume  durchlaufendes  Wachsen. 
163  Es  folgt  hieraus,  daß  wir  das  zuletzt  entstandene  und 
angelegte  Kapitalteilchen,  durch  dessen  Nutzung  der 
Zinsfuß  bestimmt  werden  soll,  sehr  klein  —  genau  genommen, 
unendlich  klein  —  annehmen  müssen. 

Diesem  gemäß  teilen  wir  das  Kapital  von  1  J.  A.  in 
n  Teile  —  wo  n  jede,  also  auch  eine  sehr  große  Zahl  be- 
deuten kann  —  und  betrachten  den  Zuwachs  des  Kapitals 

um   —    J.  A.    als   dasjenige  Kapitalteilchen ,    durch  dessen 

Verhältnis  zum  Zuwachs  des  Arbeitsprodukts  eines  Mannes 
der  Zinsfuß  reguliert  wird. 

Bei  der  Anwendung  eines  Kapitals 
von  ({  J.  A.  sei  das  Arbeitsprodukt p 

von  ([-i J.  A V-7-ß. 

Letzteres  vom  ersteren  abgezogen ,  gibt  für  —  J.  A. 
Kapital  den  Zuwachs  zum  Arbeitsprodukt  =  ß. 

■ —  J.  A.  Kapital  gibt  eine  Rente   von  ,5,   und  da  sich 

nach  dieser  Rente  die  des  ganzen  Kapitals  richtet,  so  ist  die 
für  1.  J.  A.  Kapital  zu  zahlende  Rente  =  nß-  Setzen  wir 
nun  n/5  = «,  so  ist  die  für  das  ganze  Kapital  von  q  J.  A.  zu 
zahlende  Rente  =  «q. 

Unter  p  verstehen  wir,  wie  in  den  Voraussetzungen 
ausführlich  erörtert  ist,  den  Teil  des  Gesamtprodukts,  der 
nach  Abzug  aller  mit  dem  Gewerbsbetrieb  verbundenen 
Kosten,  sowie  der  Administrationskosten  und  des  Gewerbs- 
profits —  übrig  bleibt,  und  zwischen  Kapitalisten  und 
Arbeiter  zur  Verteilung  kommt. 


—    559    — 

Der  Arbeiter,  welcher  mit  einem  gelielienen  Kapital  von 
q  J.  A.  operiert,  bringt  ein  Erzeugnis  hervor  von .  .    p 

Davon  hat  er  an  Zinsen  zu  zahlen «("i 

für  seine  Arbeit  verbleibt  ihm p— «q. 

Wir  erhalten  dadurch  für  den  Ai-beitslohn  den  neuen 
Ausdruck  A  =  p  —  «q. 

Bei  dem  Lohn  von  p  —  «q  hat  das  Kapital  p  den  Wert  164 
von  q  (p  —  «q)  Scheffel.    Die  Eente ,   die  dies  Kapital  ab- 
wirft, beträgt  «q  Scheffel.     Die  Rente,   dividiert  durch  das 
Kapital,  ergibt  den  Zinsfuß. 

an  « 

Demnach  ist   z  =  — , ^,  =  

q(p— «q)        p  — «q 

Hier  haben  wir  zu  untersuchen,  ob  die  beiden  Methoden, 
wonach  wir  1.  den  Arbeitslohn  =  ]  ap,  und 


9 


=    p— «q 


gefunden  haben,  miteinander  im  Einklang  oder  im  AVider- 
spruch  stehen. 

Bei  der  Untersuchung  über  die  Schaffung  eines  neuen 
Gutes  durch  Arbeit  betrachteten  wir  q  und  p  (Kapital  und 
Produkt)  als  gegebene  Größen  und  fragten  nur,  wie  hoch 
der  Arbeitslohn  sein  müsse,  damit  für  diese  Werte  von 
q  und  p  der  kapitalerzeugende  Arbeiter  das  Maximum  der 
Rente  erlange  —  und  indem  wir  dort  von  dem  Verhältnis, 
worin  q  und  p  zueinander  stehen  mögen,  abstrahierten  und 
beide  mit  Kalkül  als  konstante  Größen  behandelten,  haben 
wir  in  Vap  einen  Ausdruck  für  den  Arbeitslohn  erhalten, 
der  für  jeden  AVert  von  q  und  p  gültig  ist,  so  daß  für  den 
Arbeitlohn  Vap  immer  die  höchste  Rente  erfolgt,  welches 
Verhältnis  auch  zwischen  q  und  p  stattfindet,  welchen  Wert 
auch  jeder  dieser  Buchstaben  repräsentieren  mag. 

Auch  ist  q  in  dem  Ausdruck  für  den  Arbeitslohn  =  l'ap 
ganz  verschwunden.    Dagegen  erhält  q  in  dem  Ausdruck  für 

den    Zinsfuß   =   — seine  Bedeutung  wieder. 


—    560    — 

Da  aber  mit  dem  Wert  von  q  der  Wert  von  p  steigt 
und  fällt,  so  ist  auch  der  Arbeitslohn  i'ap  abhängig  von 
der  Größe  von  q. 
165  Wenn  nun  gleich  die  Rente  des  kapitalerzeugenden 
Arbeiters  für  jeden  Wert  von  q  das  Maximum  erreicht,  wenn 
der  Arbeitslohn  den  AVert  von  Vap  erlangt,  so  ist  doch  dies 
Maximum  ein  Bedingtes,  indem  sich  mit  der  Änderung  von 
q  auch  der  Betrag  der  Rente  ändert. 

Nun  können  wir,  auch  ohne  die  Grleichung  zwischen  q 
und  p  zu  kennen,  wissen,  daß  dieser  Rentenbetrag  nicht  mit 
q  ins  Ungemessene  steigt.  Denn  sonst  müßte  es  vorteil- 
hafter sein,  auf  einem  schon  vorhandenen  Gut  das  Kapital, 
womit  ein  Mann  arbeitet,  auf  100  ja  1000  J.  A.  zu  steigern, 
als  ein  neues  Gut  anzulegen  —  was  offenbar  nicht  der 
Fall  ist. 

Es  muß  also  auch  dann,  wenn  der  Arbeitslohn  stets 
=  Vap  bleibt,  beim  zunehmenden  Wert  von  q  einen  Punkt 
geben,  bis  zu  welchem  die  Rente  des  kapitalerzeugenden 
Arbeiters  steigt,  dann  aber  wieder  fällt  —  und  erst  bei  diesem 
Punkt  findet  das  unbedingte  Maximum  der  Rente  statt. 

Bei  der  Anlegung  eines  neuen  Gutes  ist  es  in  die  Willkür 
der  kapitalerzeugenden  Arbeiter  gestellt,  welche  Größe  sie 
dem  relativen  Kapital  q  geben  wollen.  Hier  können  sie  kein 
anderes  Ziel  haben,  als  die  höchste  Belohnung  ihrer  Arbeit 
in  einer  Rente.  Das  Maximum  der  Rente  wird  also  auch 
Bestimmungsgrund  für  die  Größe  von  q. 

Unserer  Untersuchung  über  die  Kapitalerzeugung  durch 
Anlegung  neuer  Güter  liegt  die  Annahme  zu  gründe,  daß 
die  Arbeiter  den  ])raktischen  Sinn  haben,  zu  wissen,  welche 
Größe  von  <[  ihnen  am  vorteilhaftesten  ist  —  und  unter 
dieser  Voraussetzung  ist  ([  eine  bestimmte,  unveränderliche 
Größe,  und  die  Rente,  die  sich  dann  für  den  Arbeitslohn 
von  Vap  ergibt,  ist  das  unbedingte  Maximum. 

Theoretisch   ist  aber  diese  Aufgabe  durch  unsere   bis- 


—    561     — 

herigen  Untersuchungen  nicht  gelöst,  und  zur  vollständigen 
Lösung  derselben  gehört  auch  die  Kenntnis  der  Gleichung  166 
zwischen  q,  p  und  «. 

In  Ermangelung  dieser  Kenntnis  können  wir  indessen 
der  Lösung  näher  kommen,  wenn  wir  «  als  variabel,  p  und  q 
aber  als  konstaut  betrachten,  und  durch  den  Kalkül  erforschen, 
in  welchem  Yerhältnis  «  zu  q  und  p  stehen  muß,  wenn  die 
Arbeitsrente  die  höchste  sein  soll. 

Der  Arbeitslohn  a  -j-  y  ist =    p — «q 

Der  Überschuß  y ^=    p — «q— a 

a 

Der  Zinsfuß  z =     

p— «q 

(p — «0 — a)« 
Die  Arbeitsreute  vz  also = 

p— «q 

Bei  welchem  Wert  von  «  erreicht  nun  die  Arbeitsrente 

das  Maximum? 

(p — «q — a)  « 

Die  Funktion in   bezug  auf  «   differenziert 

p — «q  ^ 

imd  das  Differential  gleich  Null  gesetzt,  ergibt 

(p  —  «q)  (p  —  2«q  —  a)  d«  -|-  ('^^P — "■'!  —  "■^)  qcl"  =  0 

also  p- — «pq  -f-  2«2q-  —  ap  -j"  "^'i 

-2«pq 

-[-«pq  —  «^q"  —  «aq 

p-— 2«pq  -|-  «-q-  —  ap  ^  U 

(p_«q)2  =  ap 

p— «q  =  Vap 

Beim  Maximum  der  Arbeitsrente  ist  also  gleichzeitig 
der  Arbeitslohn  =  p  —  «q  und  auch  gleich  >  ap. 

"Wie  abweichend  auch  der  Arbeitslohn  p  —  «q  von  dem 
=  jap  bei  den  verschiedenen  Werten  von  q  sein  mag,  so 
fallen  sie  doch  zusammen,  wenn  q  die  Höhe  erlangt,  bei 
welchem  die  Arbeitsrente  das  Maximum  erreicht. 


Thünen,  Der  isolierte  Staat.  36 


562    — 


167 


Beispiel  in  Zahlen  auf  Grundlage  der  Tabelle  B. 


Für  das 

ist  das 
Arbeits- 
produkt 

Der  Arbeitslohn 

Die  Arbeitsreute, 

Kapital 

entweder 

oder 

Avenn  der  Lohn 

q 

P 

p— «q 

Vap 

p— «q          ]  ap 

6  J.  A. 

223,2  c 

116,,  c 

149,4  c 

2,51  e    '     4,07  c 

7  J.  A. 

239,2 

127,2 

154., 

3,43                       4-27 

8  J.  A. 

253^6 

138,4 

159,2 

3,96                     4.3  g 

'9  J.  A. 

266,e 

149,6 

163,3 

4,31                4,4,, 

10  J.  A. 

278.3 

161,3 

166  8 

4.4.             4.4« 

11  J.  A. 

288.S 

173,3 

170.0 

4,45                      4.45 

12  J.  A. 

298,3 

181,3 

172,, 

4,35                      4,41 

168 


Au.s   der  Yergleichung    der  Resultate,    die    die  beiden 
Formeln  p  —  «q  und  ]  ap  liefern,  ergibt  sich : 

1.  daß  bei  den  niederen  Graden  der  Kapitalanlage  so- 
wolil  Arbeitslohn  als  Arbeitsrente  nach  der  letzteren 
bedeutend  hoher  sind  als  nach  der  ersteren ; 

2.  daß  diese  Differenz  abnimmt,  wenn  die  KaiJitalanlage 
steigt ; 

3.  daß  in  diesem  Beispiel  die  Arbeitsreute,  nach  beiden 
Formeln  berechnet,  gleich  wird  bei  einer  Kapital- 
anlage, die  zwischen  10  imd.  11  J.  A.  fällt; 

4.  daß,  wenn  diese  Gleichheit  stattfindet,  der  Arbeits- 
lohn p  —  «q  gleich  Vap  ist; 

').  daß,  wenn  das  Kapital  über  diesen  Punkt  hinaus 
wächst,  die  Arbeitsrente  sowohl  nach  der  einen  als 
nach  der  anderen  Formel  wieder  abnimmt; 

6.  daß  die  Arbeitsrente  bei  dem  Lohn  p  —  «q,  wenn 
dieser  größer  oder  kleiner  ist  als  >ap,  stets  kleiner 
ist ,  als  bei  dem  Lohn  von  l  ap ,  und  daß ,  wenn  wir 
uns  q  als  stetig  wachsend  denken,  es  nur  einen  ]\Io- 
ment  gibt,  wo  beide  Formeln  gleiche  Arbeitsrente 
geben,  nämlich  dann,  wenn  p  —  «q  =  Vap  ist. 


—     563     — 

Wir  haben  jetzt  zu  untersuchen,  wie  und  wodurch  die 
Ausgleichung  zwischen  den  beiden  Bestimmungsgründen  für 
den  Arbeitslohn  hervorgerufen  und  bewirkt  wird,  und  da- 
durch uns  den  Weg  zur  Bestimmung  der  Höhe  des  relativen, 
d.  i.  des  auf  einen  Arbeiter  im  Durchschnitt  fallenden  Kapitals, 
zu  bahnen. 

Um  dies  anschaulicher  zu  machen,  wollen  wir  zuvörderst 
ein  Beispiel  in  Zahlen  geben. 

Da  wir  erst  später  den  Versuch  machen  können,  eine 
Skala  zu  entwerfen,  die  für  unsere  europäischen  Zustände 
das  Verhältnis  zwischen  Kapital  und  Arbeitsprodukt  darstellt, 
so  müssen  wir  unsere  Beispiele  wiederum  der  Tabelle  B, 
entnehmen,  obgleich  die  darin  aufgestellte  Skala  erst  einzelnen 
Bedingungen  Genüge  leistet  und  nicht  alle  Anforderungen, 
die  an  eine  solche  Skala  gemacht  werden  müssen,  befriedigt. 

Ein  hier  in  Betracht  kommender  Mangel  der  Tabelle  ß. 
ist,  daß  darin  a  nicht  durch  die  Differenz  im  Arbeitsprodukt 
von  zwei  naheliegenden  Kapitalteilchen,  sondern  von  zwei 
um  eine  ganze  Jahresarbeit  auseinander  liegenden  Kapitalen 
gefunden  wird. 

Nach  der  Methode,    die   Rente   aus   der  Nutzung  des 

zuletzt  angelegten  Kapitals  zu  berechnen  —  welche  wir  die 

erste  Methode  nennen  wollen  —  ist  laut  Tabelle  B. 

für  das  Kapital  q =  G  J.  A. 

das  Produkt  p =  223,2  c 

der  Zuwachs  «,   den   das  Produkt  durch 

das  letzte  Kapital  erhalten  hat  .  .  .  =  17,8  c 

der  Arbeitslohn  p — «i| =  llG.i  c 

« 

der  Zinsfuß  =  15,:;  '^/o  igg 

p  —  «q  '  ^""^ 

die  Rente  des  Arbeiters =  2,5i  c. 

Nach  der  zweiten  Methode  ist 

für  q  =  6  und  p  =  223.2  c: 

der  Arbeitslohn  ]  ap =  149.4  c 

36* 


—    564    — 

der  Zinsfuß  '- =  8,23  ^lo 

ap  ' 

die  Rente  des  Arbeiters =  4,07  c. 

Hier  sind  also,  nach  der  zweiten  Methode  berechnet, 
Lohn  und  Rente  des  Arbeiters  beträchtlich  höher,  der  Zins- 
fuß aber  viel  niedriger  als  nach  der  ersten  Methode. 

Denken  wir  uns  nun,  daß  das  relative  Nationalkapital 
so  gering  ist,  daß  auf  einen  Arbeiter  nur  6  J.  A.  Kapital 
kommen,  und  nehmen  wir  ferner  an,  daß  die  kapitalerzeugeu- 
den  Arbeiter  bei  der  Gründung  des  Guts  anfänglich  eben- 
falls nur  eine  Kapitalanlage  von  6  J.  A.  auf  den  von  einem 
Arbeiter  zu  bestellenden  Gutsteil  verwenden,  so  wird,  da 
die  Arbeiter  durch  die  Kapitalschaffung  die  Bestimmung 
des  Lohns  in  ihrer  Macht  haben,  und  der  Lohn  ]  ap  für  sie 
der  vorteilhafteste  ist,  der  Arbeitslohn  von  116,4  c  auf  149,4  c 
steigen  und  der  Zinsfuß,  zum  großen  Nachteil  für  die  älteren 
Güter,  von  15.3  auf  8,23  %  herabsinken. 

Bei  einer  so  geringen  Kapitalanlage  können  aber  nur 
Gebäude  von  geringer  Haltbarkeit  aufgeführt  werden,  ihre 
Reparatur  und  Wiederherstellung  nimmt  einen  großen  Teil 
der  Zeit  des  den  Acker  bestellenden  Arbeiters  hinweg  und 
vermindert  sein  Arbeitserzeugnis;  es  kann  ferner  für  ein  so 
geringes  Kapital  nur  sclilechtes  Ackergerät  und  Vieh  von 
geringer  Güte  angeschafft  werden,  wodurch  die  Arbeit  an 
Produktivität  gar  sehr  verliert. 
170  Eine  Erhöhung  der  Kapitalanlage  von  6  auf  7  J.  A.  muß 
also  das  Arbeitserzeugnis  des  das  Feld  bestellenden  Lohn- 
arbeiters wesentlich  erhöhen.  Nach  der  Tabelle  beträgt  der 
Zuwachs  «,  den  das  Produkt  dadurch  erlangt,  16  c. 

Nun  ist  es  ganz  und  gar  in  die  Willkür  der  kapital- 
erzeugenden Arbeiter  gestellt,  ob  sie  nach  Vollendung  des 
1.  Guts  ein  2.  Gut  anlegen,  oder  ob  sie  auf  dem  ersten  Gut 
das  Kapital  vermehren  wollen.     Ihr   eigenes  Interesse  wird 


—     565    — 

sie  hierin  leiten,  und  so  kommt  es  zur  Frage,  was  am  vor- 
teilhaftesten für  sie  ist. 

Die    Schaffung    eines   Kapitals    von    1    J.  A.    erfordert 

a  -1-  V 

"      jährliche  Arbeiten  eines  ilannes,  oder  die  Arbeit  von 

a  +  V 

'       Mann    auf   ein  Jahr.     Dies   Kapital  von   1.  J.  A. 

bringt  eine  Rente  von  «.    Bei  der  Kapital  Schaffung  Avird  also 
die  Jahresarbeit  eines  Mannes  gelohnt  mit  einer  Rente  von 

— -f- .    In  dem  vorliegenden  Fall  ist  «  =  IG  c,  a  -|-  y 

16  X  49  4 
=  149a  und  y  =  49,i  c.     Dies  gibt  — ^äq — ^  ^  •"';'*-  ^• 

Bei  der  Schaffung  eines  neu  hinzukommenden  Kapitals 
erwirbt  also  der  Arbeiter  eine  Rente  von  5,42  c,  während  er 
durch  Anlegung  eines  2.  Guts  mit  6  J.  A.  Kapital  auf  jeden 
Lohnarbeiter  nur  4,07  c  Rente  erwerben  würde. 

Die  Erhöhung  des  Kapitals  auf  dem  schon  bestehenden 
Gut  zeigt  sich  also  viel  vorteilhafter  als  die  Anlegung  eines 
2.  Guts. 

Da  wir  das,  was  allgemein  vorteilhaft  ist,  auch  als  zur 
Verwirklichung  gelangend  betrachten   müssen,   so  wird  die 
Erhöhung  des  Kapitals  von   6   auf  7  J.  A.  auch   eine  dem 
vergrößerten    Arbeitsprodukt    entsprechende    Erhöhung    des  171 
Arbeitslohns  zur  Folge  haben. 

Für  r]  =  7  ist  p  =  239,2  c 
der  Arbeitslohn  Vap  also  l  2392<) =  154,7  c 

der   Zmsfuß =      <,si  "/o. 

aq  ' 

Die  Rente  des  Arbeiters =   4,27  c. 

Durch  die  Anlegung  eines  2.  Guts  mit  7  J.  A.  Kapital 

auf  jeden  Lohnarbeiter  erwirbt  der  kapitalerzeugende  Arbeiter 

also  eine  Rente  von  4.2?  c.    Hier  kommt  es  aber  wieder  zur 

Frage,  ob  es  für  ihn  nicht  vorteilhafter  ist,  seine  Arbeit  auf 


—    566    —  • 

die  Vermehrung  des  Kapitals  auf  dem   schon   bestehenden 
Gut  zu  verwenden. 

Für  q  =  8  beträgt  p 2r)3,(:  c 

q  =  7        „       p 239,2  c. 

Der  Zuwachs  «,  den  das  Arbeitsprodukt  durch  die  Er- 
höhung des  Kapitals  von  7  auf  8  J.  A.  erhält,  beträgt  dem- 
nach  14,4  c. 

Durch  die  Jahresarbeit  von   —^ —  =  — — M.  wird 

y  1  ap  —  a 

das  Kapital  von  1  J.  A.  hervorgebracht.    Für  1  ap  ^  154,7  c 

ist —  =     '    ''    =  2,83.    Die  Rente  «  =  14,4  c  wird 

1  ap  —  a  o4,7  ' 

also   durch   die  Arbeit  von   2,S3  M.   erworben;   dies  beträgt 

für  1  M.  5,0'.t  c. 

Dieselbe  Arbeit,  welche  auf  die  Gründung  eines  2.  Guts 
verwendet,  mit  4,2t  c  Rente  gelohnt  wird,  macht  sich  durch 
Vermehrung  des  Kapitals  auf  dem  schon  vorhandenen  Gut 
mit  5,ort  c  Rente  bezahlt.  Die  A^'erwendung  der  Arbeit  zu 
letzterem  Zweck  zeigt  sich  also  abermals  vorteilhaft. 

Aber    diese    mit    Vorteil    verbundene    Steigerung    des 
Kapitals   kann    nicht   ins   Unendliche   gehen,    sondern   muß 
eine  Grenze  haben. 
172         Wo  ist  die  Grenze,  und  wie  ist  sie  zu  bestimmen? 

Bei  der  Gründung  eines  neuen  Gutes  erwirbt  der  kapital- 
erzeugende  Arbeiter  eine   Rente   von  -, — ] — ^-^^.  Setzt 

^  q  (a  -f  y) 

man  hier  }'ap  für  a  -\-  y,  so  verwandelt  sich  diese  Formel  in 
(p  —  1  ap)  (1  ap  —  a)  p  ]  ap  —  2ap  -\-  a  Vap 

q  1  ap  p  )  ap 

_  (p  —  2  I  ap  -f-  a)  Vap  _  ap  —  2a  1  ap  -|-  a- 

q  Vap  aq 

_    (V'ap  —  a)^ 
aq 


—     i)67     — 

Bei  der  Termeliruug  des  relativen,  auf  einen  Arbeiter 
fallenden  Kapitals  erwirbt  der  kapitalerzengende  Arbeiter  eine 
«y  «  (l  ap  —  a) 


Rente  von 


a-{-y  Tap 


c  1  "  (Vap  — a)     .  (lap  — a)- 

Solange  nun  -^^ großer  ist  als ,     so- 

^  Vap        ^  aq        ' 

lange    muß    auch    die  Yermehrung    des    relativen  Kapitals 

vorteilhafter  sein  als  der  Anbau  bisher  unkultivierter  Felder. 

w  1    1  (Vap  — a)2  «(Vap  — a) 

Wn-d  dagegen  ^^ — —^ großer  als  ^7^ ,  so 

ai[  I  ap 

wird   die  Anlegung  neuer  Güter  gewinnbringender  als  die 

Verwendung  der  Arbeit  auf  Erhöhung  des  relativen  Kapitals. 

Die  Arbeit   nach  beiden   Richtungen   wird  aber  gleich 

«  (jap  —  a)        (l'ap  — ap 

hoch  gelohnt,  wenn  — ^ — =  - — . 

*  '  I  ap  aq 

Aus  dieser  Gleichstellung  folgt 
a«C|  =  jap  (]  aj)  —  a)  =  ap  —  a  1  ap; 
also  «q  ^  p  —  lap, 
und  p  —  «q  =  Vap. 

Das  hier  beobachtete  Verfahren  kann  das  Bedenken 
erregen  und  den  Einwurf  hervorrufen,  daß  durch  die  Her- 
vorbringung eines  neuen  Kapitals,  bei  gleich  bleibender 
Arbeiterzahl ,  das  relative  Nationalkapital  erhöht  wird,  und  173 
das  hinzukommende  Kapital  eine  geringere  Rente  als  das 
früher  angelegte  bringt,  daß  also  —  wie  auch  aus  den  in 
Zahlen  angeführten  Beispielen  erhellt  —  für  das  Kapital  von 
q  -{-  1  J.  A.  der  Zuwachs  «  kleiner  ist  als  für  das  Kapital 
von  q  J.  A. 

Dieser  Einwurf  würde  begründet  sein,  wenn  das  relative 
Kapital  auf  einmal  um  1  J.  A.  gesteigert  würde.  Aber  diese 
Steigerung  erfolgt  in  kaum  merklichen  Abstufungen,  und 
jeder  Abstufung  folgt  eine  entsprechende  Erhöhung  des 
Arbeitslohns,  die  wiederum  eine  neue  Kapitalschaffung  vor- 


—     568    — 

teilhaft  macht.     Denkt  man  sieh,   daß   das  hinzukommende 
Kapital  von  1  J.  A.  unter  n  Arbeiter  verteilt  wird,  so  steigt 

dadurch  das  relative  Kapital  von  q  auf  (|  -| J.  A.      Da 

nun   n  jede  Zahl,    also  auch  jede   beliebig  große  Zahl  be- 
deuten kann,  so  kommt  der  Zuwachs,  den  das  Arbeitsprodukt 

durch  die  Steigerung  des  Kapitals  von  q  auf  q  -| J.  A. 

erhält,  dem  Zuwachs  durch  das  vorhergehende  Kapitalteilchen, 

«  a 

d.  i,  ^?  =  —  so  nahe  als  man  will ;   oder  —  ist  die  Grenze 
n  '  n 

der  Näherung. 

Die  Rente  von  dem  unter  n  Arbeiter  verteilten  Kapital 
von  1  J.  A.  nähert  sich  also  unendlich  dem  Wert  von  «,  und 
damit  nähert  sich  auch  p  —  «q  unendlich  dem  Wert  von  Vap. 

Die  Frage,  wie  die  auf  so  verschiedenen  Wegen  ge- 
fundenen, ganz  verschiedenen  Ausdrücke  für  den  Arbeitslohn 
miteinander  in  Emklang  zu  bringen,  und  wie  die  Höhe  des 
relativen  Kapitals  zu  bestimmen  sei,  findet  nun  durch  diese 
Untersuchung  die  folgende  Lösung. 

So  lange  p  —  «q  kleiner  als  }  ap,  ist  die  Erhöhung  des 

relativen  Kapitals  vorteilhafter  als  die  Anlegung  neuer  Güter. 

174         Erst    dann,    wenn    Vap    =   p— ^''l,    <^^-   i-    wenn    q   = 

geworden,    findet    das  unbedingte   Maximum    der 

Arbeitsrente  statt. 

Übersteigt  q  diesen  Wert,  so  sinkt  die  Arbeitsrente. 
Es  liegt  also  im  Interesse  der  Arbeiter,  q  genau  die  Größe 

zu  geben,  bei  welcher  dessen  Wert  =^  ist,   mithin 

ist  dieser  Wert  von  q  Bestimmungsgrund  für  die  Höhe  des 
relativen  Kapitals. 


—     569     — 

Gar  sehr  muß  ich  fürchten,  durch  die  algebraischen 
Eechnungen  die  Geduld  mehrerer  meiner  Leser  ermüdet  zu 
haben;  denn  mir  ist  nicht  unbekannt,  wie  lästig  und  un- 
be(j[uem  die  Buchstaben  form  ein  vielen ,  selbst  manchen  Ge- 
lehrten sind. 

Aber  die  Anwendung  der  Mathematik  muß 
doch  da  erlaubt  werden,  wo  die  Wahrheit  ohne 
sie  nicht  gefunden  werden  kann. 

Hätte  man  in  anderen  Fächern  des  Wissens  gegen  den 
mathematischen  Kalkül  eine  solche  Abneigung  gehabt,  wie  in 
der  Landwirtschaft  und  der  Nationalökonomie,  so  wären  wir 
jetzt  noch  in  völliger  Unwissenheit  über  die  Gesetze  des 
Himmels ;  und  die  Schiffahrt,  die  durch  die  Erweiterung  der 
Himmelskunde  jetzt  alle  Weltteile  miteinander  verbindet, 
würde  sich  noch  auf  die  bloße  Küstenfahrt  beschränken. 


§  19. 

Der  Arbeitslohn  ist   gleich   dem  Mehrerzeugnis, 

was  durch  den,  in  einem  grofsen  Betrieb,  zuletzt 

angestellten  Arbeiter  hervorgebracht  wird. 

Denken  wir  uns  einen  Güterkomplex,  auf  welchem  mehr 
als  hundert  Arbeiter  angestellt  sind. 

Das   Maß   von  Arbeit,    das   die   Bewirtschaftung  dieser  175 
Güter  erfordert,  ist  keineswegs  eine  bestimmte  Größe. 

Der  Acker  kann  mehr  oder  minder  sorgfältig  bestellt, 
der  Ausdrusch  des  Korns,  das  Auflesen  der  Kartoffeln  mehr 
oder  minder  rein  beschafft  werden  —  und  damit  ändert  sich 
das  erforderliche  Quantum  Arbeit, 

Wählen  wir  hier  das  Aufnehmen  der  Kartoffeln  als 
Beispiel. 

Werden  bloß  die  nach  dem  Ausgraben  oder  Aushacken 


—    570 


oben  auf  liegenden  Kartoffeln  gesammelt,  so  kann  eine  Person 
täglich  mehr  als  30  Berliner  Scheffel  auflesen.  Verlangt 
man  aber,  daß  die  Erde  mit  der  Handhacke  aufgekratzt  wird, 
um  noch  mehrere  mit  Erde  bedeckte  Kartoffeln  zu  sammeln, 
so  sinkt  das  Arbeitsprodukt  einer  Person  sogleich  tief  herab. 
Je  mehr  man  aber  auf  das  Reinauflesen  der  Kartoffeln  dringt, 
desto  kleiner  wird  das  Arbeitsprodukt,  und  wenn  man  auch 
den  letzten  in  einer  Ackerfläche  von  100  Quadratruten  ent- 
lialtenen  Scheffel  ernten  will,  so  erfordert  dieser  letzte 
Scheffel  so  viele  Arbeit,  daß  der  zu  diesem  Zweck  angestellte 
Mensch  sich  von  seinem  Arbeitsprodukt  nicht  einmal  sättigen, 
viel  weniger  seine  anderen  Bedürfnisse  befriedigen  kann. 

Gesetzt,  das  ganze  auf  einem  Ackerstück  von  100  Quadrat- 
ruten gewachsene  Quantum  Kartoffeln  betrage  100  Berliner 
Scheffel.     Gesetzt  ferner,  es  werden  davon  geerntet: 

Alsdann  ist  der  Mehrertrag 

durch   die  zuletzt  angestellte 

Person : 


Wenn  zum  Auflesen  ange- 

gestellt 

werden : 

4  Personen 

80    Scheffel 

•^         „ 

86,0 

6         „ 

91 

7 

94 

8         „ 

96 

9         „ 

9.7,3 

10         „ 

98,2 

^1         „ 

98,8 

12 

99,2 

G,i;  Scheffel 

3,0 

2,0 
U 
0,. 
0,.; 

0,4 


176  Bis  zu  welchem  Grade  der  Reinheit  muß  nun  der  Land- 
wirt beim  konsequenten  Verfahren  das  Aufnehmen  der  Kar- 
toffeln betreiben  lassen? 

Unstreitig  bis  zu  dem  Punkt,  wo  der  Wert  des  mehr 
erlangten  Ertrags  durch  die  Kosten  der  darauf  verwandten 
Arbeit  kompensiert  wird. 

Beträgt  z.  B.  der  Wert  der  zum  Schaffutter  verwandten 


—    571    — 

Kartoffeln  irgendwo  5  ßl.  pr.  Scheffel  und  ist  der  Tagelohn 
8  ßl.  pr.  Person:  so  bringt  die  Anstellung  der  9.  Person 
einen  ]\Ielirertrag  von  l.s  Scheffeln  ä  5  ßl.  ^  6,5  ßl.,  kostet 
dagegen  8  ßl.  und  bringt  einen  Verlust  von  1,5  ßl.  Dagegen 
wird  durch  die  8,  angestellte  Person  mit  einem  Kosteuauf- 
wand von  8  ßl.  ein  Mehrertrag  von  2  Scheffeln  ä  5  ßl.  = 
10  ßl.,  also  ein  Überschuß  von  2  ßl.  gewonnen.  Man  wird 
demnach,  um  den  höchsten  Reinertrag  zu  erlangen,  ca.  8,(; 
Tagearbeiten  einer  Person  auf  das  Aufnehmen  der  Kartoffeln 
verwenden,  und  sich  mit  einem  Ertrag  von  ca.  96,s  Scheffeln 
begnügen  müssen. 

Unter  Verhältnissen  aber,  wo  der  Tagelohn  auf  15  ßl. 
steigt  —  wie  dies  bei  einem  sehr  ausgedehnten  Kartoffelbau, 
wo  Leute  aus  der  Ferne  zugezogen  werden  müssen,  leicht 
der  Fall  sein  kann  —  bezahlt  der  Mehrertrag  durch  die 
Anstellung  der  7.  Person  nur  noch  gerade  den  Tagelohn, 
und  von  den  100  Scheffeln,  welche  überhaupt  gewachsen  sind, 
werden  dann  konsequenterweise  nur  94  Scheffel  geerntet. 

Können  dagegen  die  Kartoffeln  durch  Verwendung  zum 
Pferdefutter,  zum  Branntweinbrennen  oder  andern  Fabrika- 
tionen zu  16  ßl.  pr.  Scheffel  genutzt  werden,  so  ist  bei  einem 
Tagelohn  von  8  ßl.  die  A''erwendung  von  11  Tagearbeiten  einer 
Person  noch  zweckmäßig  und  von  den  in  der  Erde  befindlichen 
100  Scheffel  Kartoffeln  werden   dann  98,.s  Scheffel   geerntet. 

Bei  einem  Tagelohn  von  15  ßl.  und  dem  Wert  der  Kar- 177 
toffeln  von  16  ßl.  pr.  Scheffel  bezahlt  sich  dagegen  die  An- 
stellung einer  11.  Person  nicht  völlig  mehr. 

Der  Grad  der  Reinheit,  bis  zu  welchem  der  Ausdrusch 
des  Korns  aus  dem  Stroh  stattfinden  muß,  ist  ähnlichen 
Regeln  unterworfen  wie  das  Auflesen  der  Kartoffeln. 

Der  bei  der  Eiuerntung  des  Getreides  oft  sehr  beträcht- 
liche Körnerverlust  kann  durch  Anstellung  mehrerer  Arbeiter 
bedeutend  vermindert  werden,  indem  dann  einesteils  der 
richtige  Zeitpunkt  zum  Mähen,  Binden  und  Einfahren  besser 


eingehalten,  und  die  Ernte  schneller  beschafft,  andernteils 
aber  statt  des  Mähens  mit  der  Sense  das  Hauen  mit  dem 
Siget  oder  das  Schneiden  mit  der  Sichel  eingeführt  werden 
kann.  Auch  hier  wird  man  konsequenterweise  die  Zahl  der 
Arbeiter  so  weit  steigern,  als  der  Wert  des  durch  sie  Er- 
sparten noch  die  Ausgabe  an  Tagelohn  deckt  oder  um  eine 
Kleinigkeit  überwiegt. 

Es  folgt  hieraus  nun : 

1.  daß  eine  Steigerung  des  Arbeitslohns  bei  gleichbleiben- 
dem Wert  der  Produkte  eine  Verminderung  der  an- 
zustellenden Arbeiter  und  gleichzeitig  eine  Verringerung 
des  Ertrags  der  einzusammelnden  und  auszudreschen- 
den Früchte  bewirkt; 

2.  daß  eine  Steigerung  des  Werts  der  Produkte  bei  gleich- 
bleibendem Arbeitslohn  gerade  die  entgegengesetzte 
Wirkung  hat,  indem  alsdann  mehr  Arbeiter  mit  Vorteil 
angestellt,  und  die  Früchte  sorgfältiger  eingesammelt 
und  reiner  ausgedroschen  werden  können ,  also  einen 
größern  Ertrag  liefern ; 

3.  da  es  im  Interesse  der  Unternehmer  liegt  —  diese 
mögen  Landwirte  oder  Fabrikanten  sein  —  die  Zahl 
ihrer  Arbeiter  so  weit  zu  steigern,  als  aus  deren  Ver- 

178  melirung  noch  ein  Vorteü  für  sie  erwächst,  so  ist  die 

Grenze  dieser  Steigerung  da,   wo   das  ilehrerzeugnis 
des   letzten  Arbeiters  durch  den  Lohn,   den  derselbe 
erhält,  absorbiert  wird;   umgekehrt  ist  also  auch  der 
Arbeitslohn  gleich  dem  Mehrerzeugnis  des  letzten  Ar- 
beiters. 
Da  die  Zalü  der  Arbeiter  sich  nicht  um  einen  Bruchteil 
vermehren  oder  vermindern  läßt,  so  kann  auch  bei  einem 
Betrieb   im   Kleinen   der  Punkt,   wo  sich  Erwerb   und 
Kosten  kompensieren,   nicht   genau  getroffen  werden;   diese 
Ungleichheit  im  einzelnen  gleicht  sich  aber  im  großen  Ganzen 
wieder  aus,  indem  in  dem  einen  Fall  mehr,  in  dem  anderen 


—     573    — 

Fall  weniger  Arbeiter  angestellt  werden,  als  das  MaximuiL 
des  Reinertrages  erheischt. 

Da  sich  dieser  Übelstand  des  kleinen  Betriebs  nicht  bloß 
auf  die  Zahl  der  Arbeiter,  sondern  auch  auf  die  Zahl  des  zu 
haltenden  Zugviehes  und  der  zu  verwendenden  Insti'umente 
und  Maschinen  erstreckt,  so  ist  dies,  beiläufig  gesagt,  eins 
der  Momente,  die  den  Betrieb  im  Großen  begünstigen. 

In  dem  vorstehenden  Beispiel  ist  zwar  nur  von  der 
vollständigeren  Gewinnung  dessen,  w^as  der  Boden  hervor- 
gebracht hat,  die  Rede  gewesen ;  aber  die  daraus  gezogenen 
Folgerungen  haben  ihre  volle  Gültigkeit  auch  für  die  auf 
Erhöhung  der  Produktivität  des  Bodens  und  Hervorbringung 
größerer  Ernten  gerichteten  Arbeiten. 

Durch  Vermehrung  der  Arbeitskräfte  kann  der  Boden 
sorgfältiger  geackert,  gereinigt  und  entwässert,  der  richtige 
Zeitpunkt  zur  Saatbestellung  besser  eingehalten,  und  dadurch 
der  gleichmäßige  Ertrag  der  Früchte  mehr  gesichert,  und 
deren  Durchschnittsertrag  wesentlich  erhöht  werden.  Anderer- 
seits kann  in  den  meisten  Verhältnissen  die  Produktions- 
kraft des  Bodens  durch  Auffahren  von  Moder,  Mergel  uud 
den  Erdarten,  die  der  Acker  nicht  in  genügender  Menge 
besitzt ,  gar  sehr  gesteigert  werden.  Alle  solche  Verbesse- 179 
rungen  haben  aber  das  Gemeinschaftliche,  daß  mit  ihrer 
quantitativen  Steigerung  die  Wirkung  nicht  im  direkten, 
sondern  in  abnehmendem  Verhältnis  wächst  und  zuletzt 
sogar  gleich  Null  werden  kann. 

Nehmen  wir  hier  das  Auffahren  von  Moder  zum  Beispiel. 

Gesetzt,  daß  auf  irgend  einem  Acker  die  Auffuhr  von 
Moder  einen  halben  Zoll  dick  den  Ertrag  um  ^;2  Korn 
(1/2  Berliner  Scheffel  auf  100  Quadratruten)  erhöht,  so  wird 
das  Auffahren  eines  2.  halben  Zolls  den  Ertrag  nicht  um 
^/2,  sondern  etwa  um  -Vs  Korn,  eines  3.  halben  Zolls  um 
ca.  ^/4  Korn   usw.   vermehren,  bis   bei   weiterer  Steigerung 


—     574    — 

der  Moderauffuhr  gar  keine  Erhöhung  des  Ertrags  mehr 
stattfindet  und  zuletzt  gar  eine  nachteilige  Wirkung  eintritt. 

Da  nun  die  Arbeitskosten  im  direkten  Verhältnis  mit 
der  Stärke  der  Moderauffuhr  wachsen,  der  Erfolg  aber  immer 
mehr  abnimmt  und  zuletzt  gleich  Null  wird:  so  muß  es 
hier  —  wie  bei  allen  vorhin  genannten  landwirtschaftlichen 
Operationen  —  einen  Punkt  geben,  wo  die  Kosten  der  Arbeit 
den  Wert  der  Verbesserung  erreichen,  und  dies  ist  der  Punkt, 
bis  zu  welchem  die  Meliorationen  konsequenterweise  geführt 
■  werden  müssen. 

Auch  nicht  bloß  bei  den  einzelnen  landwirtschaftlichen 
Operationen,  sondern  auch  bei  der  Wahl  eines  niedrigeren 
oder  höheren  Wirtschaftssystems  —  in  welchem  der  höhere 
Ertrag  durch  einen  vermehrten  Arbeitsaufwand  erkauft  wird 

—  so  wie  bei  der  Frage,  ob  Boden  geringerer  Qualität  — 
auf  welchem  die  Arbeit  mit  einem  geringeren  Produkt  als 
auf  gutem  Boden  gelohnt  wird  —  des  Anbaues  wert  sei,  ist 
das  A^erhältnis  zwischen  Kosten  und  Wert  der  Arbeit  der 
Angelpunkt,  von  dem  die  Entscheidung  abhängt. 

180  Ja,  man  kann  sagen,  daß  die  ganze  Aufgabe  der  ratio- 
nellen Landwirtschaft  darin  besteht,  für  jeden  einzelnen  Zweig 
derselben  in  den  beiden  aufsteigenden  Reihen  „vermehrte 
Arbeit  und  erhöhtes  Erzeugnis"  die  korrespondieren- 
den Glieder  aufzufinden,  um  den  Punkt  zu  bestimmen,  wo 
sich  Wert  und  Kosten  der  Arbeit  das  Gleichgewicht  halten 

—  denn  wenn  die  Arbeit  bis  zu  diesem  Punkt  ausgedehnt 
wird,  erreicht  der  Reinertrag  das  Maximum. 

Das  Fortkommen  des  praktischen  Landwirts  liängt  zum 
sehr  großen  Teil  davon  ab,  ob  er  den  Takt  besitzt,  diese 
Aufgabe  annähernd  zu  lösen.  Dieser  Takt  fehlt  den  bloß 
theoretisch  gebildeten  Landwirten  in  der  Regel  ganz.  Dies 
kann  aber  kaum  anders  sein;  denn  die  Landwirtschafts- 
wissenschaft ist  nach  dieser  Seite  hin  noch  völlig  unaus- 
gebildet,  und  in  den  Lehrbüchern  derselben  wird  dieser  Gegen- 


—    575    — 

stand,   der  das  Ganze  durchdringen   und  an    dem  sich  alles 
zur  Einheit  heranbilden  sollte,  kaum  berührt. 

Interessant  ist  in  Beziehung  auf  diesen  Gegenstand  eine 
YergleichuDg  zwischen  Deutschland  und  Nordamerika. 

In  ersterem  Lande  können  bei  einem  Tagelohn  von  12  ßl. 
und  einem  Preise  des  Roggens  von  1  Tlr.  12  ßl.  per  Scheffel 
Arbeiten  unternommen  und  schlechtes  Land  angebaut  werden, 
wo  die  Tagesarbeit  eines  Mannes  nur  mit  einem  Produkt 
von  i'ö  Scheffel  Roggen  gelohnt  wii-d. 

In  Nordamerika  kostet  nach  den  gemäßigtsten  Angaben 
die  Tagesarbeit  eines  Mannes  mindestens  32  ßl.,  und  der 
Wert  des  Berliner  Scheffel  Roggen  erreicht  im  Innern  des 
Landes  schwerlich  den  Wert  von  1  Tlr.  Dort  ist  also  jede 
landwirtschaftliche  Operation ,  bei  welcher  die  Tagesarbeit 
eines  Mannes  nicht  ein  Produkt  von  -/s  Scheffel  Roggen  her- 
vorbringt, mit  Verlust  verbunden. 

Welchen  enormen  Unterschied  im  Landbau  beider  Länder  181 
ruft  dieser  einzige  Umstand  hervor! 

In  einem  Zeitungsartikel  aus  Nordamerika,  worin  die 
Rede  davon  ist,  welche  Stände  von  den  Einwanderern  am 
besten  ihr  Fortkommen  finden,  heißt  es: 

„Am  wenigsten  machen  hier  die  studierten  Ökonomen 
„ilu-  Glück:  denn  es  kommt  bei  uns  nicht  darauf  an,  dem 
„Boden  einige  Prozent  Früchte  mehr  abzugewinnen,  sondern 
„darauf,  an  der  kostbaren  Arbeit  zu  sparen". 

Dieser  Vorwurf  trifft  geradezu  die  Wissenschaft,  wie  sie 
gelehrt  wird.  Denn  das  Studium  der  echten  Wissenschaft 
müßte  befähigen,  alle  Verhältnisse  richtig  zu  würdigen,  und 
vor  solchen  Fehlern  zu  schützen.  Bewirkt  aber  das  Studium 
der  Wissenschaft  in  ihrem  gegenwärtigen  Zustand  gerade  das 
Gegenteil,  so  ist  dies  ein  Beweis  ihrer  Mangelhaftigkeit. 

Immer  noch  will  das  alte  Phantom,  als  gäbe  es  ein  für 
alle  Entwicklungsstufen  der  menschlichen  Gesellschaft  gül- 
tiges Ideal  der  Landwirtschaft,  als   sei  jedes  niedere  Wirt- 


—    576    — 

Schaftssystem,  jede  extensive,  arbeitsparende  Wirtschaft  ein 
Beweis  von  der  Unwissenheit  der  praktischen  Landwii-te  — 
ans  unseren  landwirtschaftlichen  Scluiften  nicht  weichen. 

Die  russische  Regierung  sendet  seit  einigen  Jahren 
öfters  junge  gebildete  Männer,  die  aber  gewöhnlich  keine 
Kenntnis  der  praktischen  Landwirtschaft  besitzen,  nach 
Deutschland,  um  die  dortigen  Wirtschaften  kennen  zu  lernen 
und  um  Vorlesungen  auf  den  landwh'tschaftlichen  Akademien 
zu  hören.  Diese  erlangen  dadurch  die  Kenntnis,  wie  in 
dichtbevölkerten  Ländern  mit  3-  bis  6000  Menschen  auf  der 
Quadratmeile  die  Landwirtschaft  zweckmäßig  zu  betreiben 
ist.  Werden  aber  die  Lehrvorträge  auf  den  Akademien  nicht 
mit  steter  Beziehung  auf  das  Verhältnis  zwischen  Wert  und 
Kosten  der  Arbeit  gehalten,  bleiben  die  jungen  Männer 
182 hierüber  in  Unwissenheit,  und  wenden  sie  dann  nach  der 
Zurückkunft  in  ihr  Vaterland  das  Erlernte  in  Gegenden  an, 
wo  nur  500 — 1000  Menschen  auf  der  Quadratmeile  leben, 
wo  das  Getreide  30  Meilen  weit  verfahren  werden  muß,  und 
wo  in  der  Regel  nur  Absatz  für  das  Korn  ist,  wenn  in 
anderen  europäischen  Ländern  Miß  wachs  gewesen:  so  führen 
ihre  erworbenen  Kenntnisse  nur  zum  Ruin  ihres  Vermögens 
und  ihr  Beispiel,  statt  zur  Nachahmung  zu  reizen,  wird  zum 
Schreckbild  gegen  den  sogenannten  rationellen  Betrieb  der 
Landwirtschaft. 

Selbst  in  Deutschland  fehlt  es  nicht  an  solchen,  die  als 
Opfer  einer  voreiligen  Einführung  der  Fruchtwechselwirt- 
schaft gefallen  sind, 

„Der  Wert  der  Arbeit  des  zuletzt  angestellten 
Arbeiters  ist  auch  der  Lohn  derselben." 

Dieser  aus  den  vorliegenden  Betrachtungen  hervor- 
gehende Satz  gestattet  eine  so  vielfache  Anwendung  auf  das 
gesellscliaftliche  Leben,  daß  es  wohl  erlaubt  sein  mag,  den 
systematischen  Gang  unserer  Untersuchung  zu  unterbrechen. 


—     o^^     — 

den  isolierten  Staat  mit  seiner  kulturfälligen  Wildnis  und 
der  Voraussetzung  des  beharrenden  Zustandes  seiner  Be- 
völkerung auf  eine  kurze  Zeit  zu  verlassen  und  uns  der 
Wirküclikeit  zuzuwenden. 

Wie  in  dem  als  Beispiel  aufgeführten  großen  Güter- 
komplex, so  ist  auch  in  der  Wirklichkeit  das  Streben  der 
Unternehmer  ganz  allgemein,  die  Zahl  ihrer  Arbeiter  so  weit 
zu  vermehren,  bis  aus  der  ferneren  Vermehrung  kein  Vor- 
teil für  sie  erwächst,  d.  i.  bis  der  Lohn  der  Arbeit  den  Wert 
der  Arbeit  erreicht  —  weil  dies  in  der  Natur  der  Sache 
lind  im  Interesse  der  Unternehmer  begründet  ist. 

Der  Lohn  aber,  den  der  zuletzt  angestellte  Arbeiter  er- 
hält,  muß   normierend   für  alle  Arbeiter-  von   gleicher  Ge- 
schicklichkeit und  Tüchtigkeit  sein;    denn   für  gleiche  183 
Leistungen  kann  nicht  ungleicher  Lohn  gezahlt 
werden. 

"Wenn  aber  schon  jetzt  in  der  Wirklichkeit  der  Arbeits- 
lohn den  Wert  der  Arbeit  erreicht,  und  das  Volk  sich  dennoch 
in  einer  gedrückten,  armseligen  Lage  befindet,  wie  ist  dann 
eine  Ablülfe  möglich? 

Proudhon  (in  seiner  Philosophie  der  politischen  Ökonomie) 
ist  unwillig  darüber,  daß  der  Notar  für  ein  Dokument,  welches 
er  in  einer  Stunde  entwirft,  so  viel  erhält,  als  der  Tage- 
löhner für  eine  zwölfstündige ,  schwere  Arbeit.  Derselbe 
Schriftsteller  findet  es  ferner  unrecht,  daß  der  Fabrikaufseher 
eine  höhere  Besoldung  erhält  als  der  Packträger. 

Fragen  wir  aber,  was  bewegt  den  Fabrikherrn  zur 
höheren  Besoldung  des  Aufsehers.  Es  ist  nicht  Gunst,  nicht 
Menschenliebe,  nicht  Freundschaft ;  er  würde  ihn  augenblick- 
lich abschaffen,  wenn  er  ihn  entbehren  könnte,  wenn  der 
Nutzen,  den  ihm  der  Aufseher  bringt,  nicht  mindestens 
seinem  Gehalt  gleich  käme.  Es  ist  also  auch  hier  der  Wert 
der  Leistung  Maßstab  für  die  Besoldung. 

Statt  des  AVerts   der  Arbeit  die  Länge   der  Arbeitszeit 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  37 


—     578     — 

zum  Maßstab  für  den  Lohn  einführen  zu  wollen,  ist  eine 
Chimäre. 

Erhält  nun  aber  der  Ai'beiter  in  seinem  Lohn  den  Wert 
seiner  Arbeit,  so  ergibt  sich,  daß  die  gedrückte  Lage  der 
Arbeiter  nicht  aus  der  Hab-  und  Gewinnsucht  der  Grund- 
und  Fabrikherrn  hervorgeht,  indem  diese  —  da  hier  von 
einer  Almosenerteilung  nicht  die  Rede  ist  —  für  die  Arbeit 
nicht  mehr  zahlen  können,  als  was  sie  ihnen  wert  ist,  daß 
also  die  Quelle  des  Elends  der  arbeitenden  Klasse  anderswo 
und  tiefer  liegend  gesucht  werden  muß. 

Man  kann  hiergegen  folgenden  Einwurf  machen: 

„Wenn  auch  die  zuletzt  angestellten  Arbeiter  nicht  mehr 
184 hervorbringen ,  als  was  sie  an  Lohn  empfangen,  so  liefern 
doch  die  früher  angestellten  Arbeiter  den  Unternehmern  einen 
sehr  beträchtlichen  Überschuß,  der  denselben  die  Mittel  gibt, 
einen  höheren  Lohn  zu  zahlen,  und  es  fehlt  also  niu'  an  dem 
guten  Willen  der  Unternehmer,  das  Los  der  Arbeiter  zu 
verbessern." 

In  diesem  Einwurf  findet  aber  eine  Vermischung  und 
Verwechselung  der  moralischen  Verpflichtung  mit  der  ge- 
werblichen statt. 

In  nationalökonomischer  Beziehung  darf  keine  Arbeit 
unternommen  werden,  die  nicht  die  Kosten  deckt:  denn 
sonst  würde  die  Arbeit,  die  den  Nationalreich- 
tum  schaffen  soll,  denselben  im  Gegenteil  ver- 
mindern und  aufzehren  —  und  durch  Verminderung 
des  Nationalkapitals  würde  das  Volk  nur  noch  elender 
werden. 

Die  moralische  Verpflichtung  der  Reichen,  die  Not  der 
Armen  zu  mildern,  darf  nicht  auf  diesem  Wege,  sondern 
muß  auf  andere  Weise  zur  Tat  werden. 

Auch  würde  der  einzelne  Fabrikherr,  der  Arbeiten  unter- 
nähme, die  ihm  die  Kosten  nicht  wieder  einbringen,  sein 
Vermögen  nutzlos  opfern,  wenn  nicht  alle  anderen  dasselbe 


—     579    — 

täten.  Aber  auch  die  Gemeinschaft  und  Verbindung  aller 
Fabrikherren  eines  Landes  zu  diesem  Zweck  würde  nicht 
immer  ausreichen:  denn  die  Fabriken,  welche  Erzeugnisse 
für  das  Ausland  liefern  oder  im  eigenen  Lande  die  Kon- 
kurrenz der  Ausländer  zu  bestehen  haben,  würden  dadurch 
zugrunde  gehen  und  deren  Arbeiter  dann  völlig  brotlos 
werden. 

Betrachten  wir  jetzt,  um  uns  diesen  Gegenstand  noch 
klarer  zu  machen,  die  notwendigen  Wirkungen  des  Steigens 
und  Fallens  des  Arbeitslohns. 

Gesetzt,  es  finde  eine  Erhöhung  des  Lohns  statt,  ohne 
daß  die  Zahl  der  Arbeiter  abnimmt.  Alsdann  kosten  die 
zuletzt  angestellten  Arbeiter  den  Grund-  und  Fabrikherren 
mehr,  als  sie  ihnen  einbringen.  Diese  werden  dann,  ihrem  185 
Interesse  folgend  —  und  dies  ist  kein  Unrecht,  sondern  liegt 
in  ihrem  Beruf  —  Arbeiter  entlassen  und  damit  so  lange 
fortfahren,  bis  das  Produkt  des  letzten  bleibenden  Arbeiters 
im  Wert  dem  erhöhten  Arbeitslohn  gleich  wird.  Dadurch 
werden  aber  eine  Menge  Arbeiter  brotlos,  und  um  nicht  zu 
verhungern,  werden  diese  sich  entschließen  müssen,  wieder 
für  den  früheren  Lohn  zu  arbeiten,  d.  h.  eine  Erhöhung  des 
Lohns  ist  unter  diesen  Verhältnissen  nicht  möglich. 

Wenn  andererseits  die  Bevölkerung  in  den  arbeitenden 
Klassen  zunimmt,  während  der  kultivierte  Boden  und  das 
Kapital  dieselbe  Größe  behalten :  so  können  die  hinzukommen- 
den Arbeiter  bei  dem  bisherigen  Lohn  keine  Anstellung  mehr 
erhalten.  Denn  da  dieser  Lohn  schon  das  ganze  Produkt 
des  letzt  angestellten  Arbeiters  liinwegnimmt,  und  jeder 
weiter  angestellte  Arbeiter  ein  immer  geringeres  Produkt 
liefert,  so  würde  die  Aufnahme  der  hinzukommenden  Arbeiter 
bei  dem  bisherigen  Lohnsatz  für  die  Unternehmer  geradezu 
mit  Verlust  verbunden  sein.  Nur  dann,  wenn  diese  Ar- 
beiter mit  einem  geringeren  Lohn  vorlieb  nehmen,  können 
die   Unternehmer    sie    anstellen    und    neue   Arbeiten    voll- 

37* 


—    580    — 

führen  lassen,  deren  Wert  dem  erniedrigten  Lohn  ent- 
spricht. 

Yermehren  sich  nun  aber  die  Arbeiter,  trotz  des  sinken- 
den Lohns,  foxi;  und  fort,  so  muß  auch  der  Lohn  immer 
tiefer  sinken,  -weil  die  Arbeit,  die  ihnen  gegeben  werden 
kann,  immer  weniger  produktiv  wird. 

Wenn  nun  mit  der  wachsenden  Bevölkerung  die  Arbeit 
auf  immer  unergiebigere  Objekte,  auf  immer  schlechteren 
Boden  ausgedehnt  werden  muß,  wo  findet  sich  dann  eine 
Grenze  im  Sinken  des  Lohns? 

Diese  Grenze  findet  sich  erst  dann,  wenn  die  Arbeit  so 

wenig  produktiv  wird,  daß  das  Arbeitsprodukt  gleich  a,  d.  i. 

186 gleich   den  notwendigen  Subsistenzmitteln   wird;    denn  für 

einen  geringeren  Lohn  als  den,  der  zu  seinem  Lebensunterhalt 

erforderlich  ist  kann  der  Mensch  nicht  arbeiten. 

Nun  sind  aber  die  Individuen  in  der  Wirklichkeit  nicht, 
wie  wir  im  isolierten  Staat  angenommen  haben,  von  gleicher 
Kraft,  Gesundheit  und  Geschicklichkeit,  sondern  in  allen 
diesen  Beziehungen  selir  ungleich.  Es  kommt  also  zur  Frage, 
für  welche  dieser  Arbeiter  der  Lohn  auf  a  herabsinken  soll. 
Lies  hängt  wiederum  von  der  Zahl  der  sich  anbietenden 
Arbeiter  ab.  Sind  diese  in  Überzahl  vorhanden,  so  werden 
nur  die  gesundesten  und  kräftigsten  Anstellung  finden;  die 
anderen  bleiben  brotlos.  Da  aber  die  Kraft  des  Menschen 
in  den  verschiedeneu  Lebensepochen  nicht  gleich  bleibt, 
sondern  im  Alter  abnimmt ,  so  kann  es  dahin  kommen ,  daß 
auch  die  tüchtigsten  Arbeiter  nur  in  der  Blüte  der  Jugend 
und  der  männlichen  Kraft  Anstellung  finden  im  Alter  aber 
darben  müssen. 

Da  aber  Religion  und  Menschlichkeit  gebieten,  und  es 
auch  von  allen  Regierungen  als  Pflicht  erkannt  ist,  keinen 
]\[en sehen  aus  ]\Iangel  umkommen  zu  lassen :  so  fallen  alle 
die,  deren  Arbeitserzeugnis  nicht  zur  Deckung  ihrer  not- 
wendigen Subsistenzmittel  ausreicht,  der  Versorgung  durch 


—    581    — 

die  Armenkasse  anheim.  Die  Zahl  der  Hilfsbedürftigen  kann 
sich  aber  zuletzt  so  vermehren,  daß  die  Last  der  Unterhaltung 
für  die  "Wohlhabenden  überwältigend  wird. 

Dies  ist  gegenwärtig*)  schon  in  Irland  der  Fall,  wo 
trotz  der  ungeheuren  Unterstützung  von  50  bis  60  Millionen 
Taler,  welche  die  englische  Nation  edelmütig  dem  Bruder- 
volk reicht,  dennoch  Tausende  vor  Hunger  sterben. 

Die  gegenwärtige  Not  in  Irland  ist  hervorgegangen  aus 
dem  gleichzeitigen  Mißraten  der  Kartoffeln  und  des  Getreides.  187 
Es  ist  aber  mit  Bestimmtheit  vorauszusehen,  daß  bei  der 
Fortdauer  einer  rücksichtslosen  Volksvermeh- 
rung dieselbe  Not,  nach  einigen  Dezennien,  auch  bei  guten 
Ernten  eintreten  wird  und  dann  vöUig  unheilbar  ist. 

Diesen  Betrachtungen  liegt  die  Voraussetzung  zugrunde, 
daß  während  die  Volksmenge  steigt,  Kapital  und  kultivierte 
Bodenfläche  dieselbe  Größe  behalten.  Es  läßt  sich  aber  leicht 
nachweisen,  daß  wenn  auch  letztere  wachsen,  aber  in  einem 
geringeren  Grade  als  die  Volksmenge,  dennoch  dieselben 
Residtate,  nur  später,  zum  Vorschein  kommen  müssen. 

Friede  erzeugt  Wohlstand,  Wohlstand  Übervölkerung, 
Übervölkerung  Elend. 

Wie  ist  aus  diesem  Zauberkreise  herauszukommen? 

Aber  soll  denn  —  so  müssen  wir  fragen  —  nach  jeder 
kurzen  Zeit  des  Friedens,  der  Erholung  und  des  aufblühenden 
Wohlstandes  das  Menschengeschlecht  in  der  großen  Melirzahl 
immer  aufs  neue  dem  Elende  entgegengehen? 

Liegt  es  im  Plan  der  Vorsehung,  daß  in  dem  Maß,  als 
die  Erde  bewohnter  wird,  die  Zukunft  immer  düsterer,  das 
Elend  immer  größer  und  unausweichlicher  werden  soll? 

Sicherlich  nicht. 

Aber  welches  sind  denn  die  Bedingungen,  an  deren  Er- 
füllung die  Vorsehung  das  Glück  der  Menschheit  geknüpft  hat? 


*)  Geschrieben  im  Jahre  1846. 


—    582    — 

Dies  ist  eben  das  große  Problem,  das  uus  vorliegt  — 
welches  wir  Her  nur  anführen,  auf  dessen  ahnendes  Er- 
forschen wir  aber  noch  nicht  eingehen  können. 

Die  richtige  Auffassung  des  hier  verhandelten  Gegen- 
standes könnte  wohl  dazu  dienen,  manche  Irrwege  in  den 
Vorschlägen  der  Sozialisten  abzuschneiden.  Mögen  die 
Sozialisten  ihre  ganze  Aufmerksamkeit  darauf  richten,  die 
Arbeit  produktiver  zu  machen ;  gelingt  ihnen  dies,  so  werden 
sie  das  Los  der  Arbeiter  wahrhaft  verbessern. 
188  Es  darf  aber  nicht  übersehen  werden  —  was  indessen 
schon  aus  dem  ganzen  Gang  der  Untersuchung  erhellt  — , 
daß  der  Wert  der  Arbeit,  in  dem  Sinn,  wie  dieser  Ausdruck 
hier  genommen  ist,  keineswegs  feststehend  und  unabhängig 
von  anderen  Potenzen  ist;  denn  er  ist  abhängig  von  der 
Ergiebigkeit  des  Objekts,  -worauf  die  Arbeit  gerichtet  wird. 
Wie  hoch  oder  niedrig  aber  auf  der  Stufenleiter  der  Er- 
giebigkeit das  Objekt  steht,  dem  die  Arbeit  zugewandt  wird, 
hängt  ab  von  dem  größeren  oder  geringeren  Angebot  von 
Arbeitern.  Die  Grenze  aber,  bis  zu  welcher  vermittels  des 
großen  Angebots  von  Arbeitern  Wert  und  Lohn  der  Arbeit 
herabsinken  kann,  bildet  die  Summe  der  notwendigen  Sub- 
sistenzmittel  des  Arbeiters. 

Zwischen  Wert  der  Arbeit,  Angebot  von  Arbeit  und 
Unterhaltsmitteln  des  Arbeiters  findet  also  eine  Kettenver- 
bindung statt. 

Die  älteren  Nationalökonomen  haben  bloß  die  beiden 
letzten  Glieder  dieser  Kette  in  Betracht  gezogen  und  da- 
durch viel  zur  Unklarheit  des  Begi'iffs  vom  Arbeitslohn 
beigetragen.  *) 

Großes  Unrecht   haben   die  Nationalokonomen    dadurch 


*)  Kau  ist  meines  Wissens  der  erste,  der  diesem  Mangel  ab- 
hilft, Indern  derselbe  in  seinen  Grundsätzen  der  Volkswirtschafts- 
lehre den  Satz  aufstellt:  „der  Preis  der  Arbeit  hängt  ab  von 
dem  Wert,  den  Kosten  und  dem  Mitwerber." 


—    583    — 

begangen,  daß  sie  den  aus  den  beiden  von  ihnen  in  Betracht 
gezogenen  Faktoren  sich  bildenden  Arbeitslohn  für  den  natur- 
gemäßen genommen  und  daraus  den  Schluß  gezogen  haben, 
daß  von  der  Vorsehung  selbst  den  Arbeitern  nichts  anderes 
bestimmt  sei,  als  was  zur  Fristung  ihres  Lebens  notwendig  ist. 

Höher  fassen  die  Sozialisten  die  Aufgabe  auf ;  denn  diese 
verlangen  für  den  Arbeiter  nicht  bloß  Unterhalt,  sondern 
auch  Lebensgenuß  und  Bildung. 

Über    das    Yerhältnis    des    Sozialismus    zur    National- 189 
Ökonomie    oder    Volkswirtschaftslehre    spricht    Stein    in 
seinem  geistreichen  Werk  „der  Sozialismus  und  Kommunis- 
mus des  heutigen  Frankreichs"  sich  in  folgenden  Worten  aus : 

„Die  Volkswirtschaftslehre  hat  an  sich  eben  nur  die 
„Aufgabe,  das  daseiende  Verhältnis  von  Besitz  und  Arbeit 
„zu  erkennen,  selbst  da,  wo  sie  es  in  seinem  tiefsten  Leben, 
„seinen  Gesetzen  erfaßt;  sie  kann  die  künftige  Bildung  des- 
„selben  wohl  voraussagen,  aber  nicht^  selbst  bestimmen,  denn 
„sie  hat  kein  höchstes  Grundprinzip,  das  keinem  anderen 
„untergeordnet  wäre.  Dieses  aber  stellt  der  Sozialismus  in 
„der  Idee  der  Bestimmung  des  Menschen  auf,  und  damit 
„setzt  er  sich  über  die  Volkswirtschaftslehre,  als  das  sie 
„Benutzende  und  Beherrschende;  jene  ist  wesentlich  be- 
,,greifend,  er  ist  gestaltend." 

.  Ich  kann  den  hier  der  Nationalökonomie  gemachten 
Vorwurf  nicht  unbegründet  finden,  aber  derselbe  trifft  doch 
nur  die  Wissenschaft  in  ihrer  jetzigen  Gestalt,  nicht  das 
Wesen  der  Wissenschaft  selbst.  Denn  nichts  hindert,  daß 
sie  das  Grundprinzip  des  Sozialismus  in  sich  aufnimmt  und 
zu  dem  ihrigen  macht.  Ja,  ich  habe  gefunden  —  wie  der 
Verfolg  dieser  Schrift  zeigen  wird  —  daß  das  tiefere  Ein- 
dringen in  die  Frage :  „welches  ist  der  naturgemäße  Arbeits- 
lohn?" in  den  letzten  Stadien  unmittelbar  zu  der  Frage  über 
die  Bestimmung  des  Menschen  führt. 

Nach  meiner  Ansicht  können  wir  nur  durch  A^'erschmel- 


—    584    — 

zung  beider  Wissenschaften  der  Erforschung  der  Wahrheit 
näher  kommen.  Durch  eine  solche  Vereinigung  würden 
dann  auch  der  Phantasie  der  Sozialisten,  mit  ihren  aus  der 
Unkenntnis  der  Gesetze  der  Nationalökonomie  entpringenden 
Vorschlägen  die  Flügel  beschnitten  werden. 

Auch  P  r  0  u  d  h  0  n  —  in  seiner  Philosophie  der  politischen 

190  Ökonomie  —  ist  dieser  Ansicht,  indem  er  durch  eine  Reform 

der  Nationalökonomie  die  Aufgabe  der  Sozialisten  zu  lösen  hofft. 


Nach  dieser  Abschweifung  kehren  wir  zum  isolierten 
Staat  zurück. 

Das  Kapital  au  sich  ist  ein  Totes,  und  vermag  ohne  die 
bewegende  Kraft  des  Menschen  nichts  hervorzubringen. 

Ebensowenig  aber  vermag  in  unserem  europäischen 
Klima  der  mit  keinem  Kapital  —  Kleidung,  Lebensmitteln,  Ge- 
rätschaften usw.  —  versehene  Mensch  etwas  hervorzubringen.^ 

Das  Arbeitsprodukt  p  ist  das  gemeinschaftliche  Erzeugnis 
von  Arbeit  und  Kapital. 

Wie  ist  hier  nun  der  Anteil,  den  diese  beiden  Paktoren, 
jeder  für  sich  an  dem  gemeinschaftlichen  Produkt  haben,  zu 
ermessen  ? 

Die  Wirksamkeit  des  Kapitals  haben  wir  ermessen  an 
dem  Zuwachs,  den  das  Arbeitsprodukt  eines  Mannes  durch 
Vergrößerung  des  Kapitals,  womit  er  arbeitet,  erlangt.  Hier 
ist  die  Arbeit  eine  konstante,  das  Kapital  aber  eine  ver- 
änderliche Größe. 

Wenn  wir  dies  Verfahren  beibehalten,  aber  umgekehrt 
das  Kapital  als  gleichbleibend,  die  Arbeiterzahl  als  wachsend 
betrachten,  so  muß  auch  bei  einem  Betrieb  im  großen  die 
Wirksamkeit  der  Arbeit  durch  den  Zuwachs,  den  das  Ge- 
samtprodukt durch  die  Vermehrung  der  Arbeiter  um  einen 
erhält,  der  Anteil  des  Arbeiters  an  dem  Produkt  zu  unserer 
Kenntnis  gelangen. 

Gesetzt  das  in  einer  Unternehmung  verwandte  Gesamt- 


—    585    — 

kapital  sei  gleich  nq  J.  A.  Der  Unternehmer,  seinem  Interesse 
folgend,  vermehrt  die  Zahl  seiner  Arbeiter  so  lange,  bis  der 
zuletzt  Angestellte  nur  noch  ein  Mehrerzeugnis  hervorbringt, 
welches  seinem  Lohn  gleich  ist. 

Wie  groß  ist  nun  das  Erzeugnis  des  letzten  Arbeiters? 

Wenn   n  Arbeiter  angestellt  werden,   so  arbeitet  jeder  191 
mit   einem  Kapital   von   q  J.  A.     Das  Produkt   eines  jed,en 
Arbeiters  ist  ==  p,  dessen  Lohn  =  A,  die  Eente  des  Unter- 
nehmers, der  n  Arbeiter  beschäftigt,  also  =  u  (p  —  A). 

Wird  ein  Arbeiter  entlassen,  so  bleiben  n  —  1  Arbeiter, 

wovon  jeder  mit  einem  Kapital  von  f ^  1  q  J,  A.  arbeitet. 

Wir  bezeichnen  dies  Kapital  mit  q',  wo  dann  q'  größer  als 
(|  ist.  Das  Arbeitsprodukt  des  Mannes,  der  mit  q'  J.  A. 
Kapital  arbeitet,  bezeichnen  wir  mit  p'.  Da  das  Arbeits- 
produkt eines  Mannes  wächst,  wenn  das  Kapital,  womit  er 
arbeitet,  steigt,  so  ist  p'  ebenfalls  größer  als  p.  Die  Differenz 
zwischen  beiden,  oder  p'  —  p  sei  =  7;  also  p'  =  p -}-  ;'.  Das 
Gesamtprodukt  ist  dann  =  (n  —  1)  p'  =  (n  —  1)  (p  -|-  /). 

Die  Ausgabe  an  Arbeitslohn  ist  für  n  —  1  Arbeiter  = 
(n  -  1)  A. 

Die  Eente  des  Unternehmers  beträgt  demnach 
(n-l)(p  +  ;')-(n-l)  A. 

Hat  nun  der  Unternehmer  konsequenterweise  die  Arbeiter- 
zahl so  weit  gesteigert,  daß  der  letzte  nur  noch  seinen  Lohn 
hervorbringt,  so  muß  seine  Rente  dieselbe  Größe  haben,  er 
mag  n  oder  n  —  1  Arbeiter  augestellt  haben.    Demnach  muß 

np  —  nA  =  (n  —  1)  (p  -j-  y)  —  (n  —  1)  A  sein, 

oder  np  —  nA  =  np  —  p  -}-  (n  —  1)  /  —  nA  -|-  A, 

also  0  =  —  p  +  (n  —  1)  /'  +  A, 

und  A  =  p  —  (n  —  1)  y. 
Nimmt  man  nun  n  unendlich  groß,   so   verschwindet  1 
gegen  n,  und 

A  wird  =  p  —  n  7. 


—     58G    — 

Das  Kapital  ^^^    q  =  q  (1  +  ^+  ^i^  +  ^J^ ) 

192  kommt,  wenn  man  n  unbegrenzt  wachsen  läßt,  dem  Wert  von 
i[-\-  —  q  so  nahe  als  man   will.    Nun  haben  wir  aber   im 

vorigen  Paragraphen  für —   J.   K.    Kapital   die  Änderung   im 

Produkt  =  /?  gefunden.     Hier  finden   wir  die  Differenz  im 

Arbeitsprodukt,  wenn  das  Kapital  sich  um  —  J.  A.  ändert 

=  p'  —  p  =  ?'■     (.Wenn    nun    für   das   Kapitalteilcheu    von 

—  J.  A.   die  Änderung  im   Produkt   =  ß  ist,   so  beträgt 

diese  Änderung  für  q   solcher  Kapitalteilchen  /?q,  also  ist 
7  =  /?q  ^   und   da  wir  uß  =  a  gesetzt  haben ,    so  ist  auch 
n/  =  «q,  folglich 
A  =  p  —  d;'  =  p  —  «q. 

Dasselbe  Resultat  haben  wir  aber  auch  schon  im  vorigen 
Paragraphen  erhalten. 

Wir  erlangen  also   durch   die  beiden  verschiedenen  Me- 
thoden : 

1.  Die  Rente  aus  dem  Zuwachs,  den  das  erhöhte  Kapital 
zum  Produkt  liefert,  und 

2.  den  Arbeitslohn  aus  dem  Mehrerzeugnis  des  zuletzt 
angestellten  Arbeiters  bei  gleichbleibendem  Gesamt- 
kapital zu  bestimmen, 

für  den  Arbeitslohn  denselben  Ausdruck,  A  =  p  —  «q. 

Wir  haben  aber  im  vorigen  Paragraphen  gesehen,  daß 
der  Vorteil  bei  Anlegung  neuer  Güter  mit  dem  bei  Er- 
höhung des  relativen  Nationalkapitals  erst  dann  ins  Gleich- 
gewicht tritt,  und  der  beharrende  Zustand  erst  dann  statt- 
finden kann,  wenn 
p  —  «q  =  Vap  ist. 


—    587    — 

Der  üach  der  hier  angewaudteu  Methode  gefundene 
Arbeitslohn  p  —  «q  muß  also  in  dem,  mit  einer  kultur- 
fähigen Wildnis  umgebenen,  isolierten  Staat  ebenfalls 
=:  1  ap  werden. 


§  20.  193 

Die  Produktionskosten  des  Kapitals  und  der 
Kapitalrente. 

Im  §  5  ist  die  Frage  aufgestellt,  ob  nicht  zwischen  den 
Produlitionskosten  des  Kapitals  und  dem  Preis  desselben, 
d.  i.  dem  Zinssatz,  wofür  man  das  Kapital  angeliehen  er- 
halten kann,  ein  ähnliches  Verhältnis  stattfindet  wie  zwischen 
den  Produktionskosten  der  Tauschgüter  und  deren  Preis. 

Es  sind  dann  bei  der  Entwicklung  der  Regeln,  wonach 
der  Preis  sich  bildet,  im  §  13  die  Tauschgüter  in  zwei  Klassen 
geteilt,  und  zwar  umfaßt  die  erste  Klasse  die  Tauschgüter, 
welche  mit  gleichbleibenden  Kosten  in  beliebiger  Menge 
hervorgebracht  werden  können,  während  zur  zweiten  Klasse 
die  Tauschgüter  gehören,  deren  erweiterte  Produktion  mit 
wachsenden  Kosten  verbunden  ist. 

•  Zu  der  ersten  Klasse  gehören  Gerätschaften,  Maschinen 
und  manche  andere  Gegenstände.  In  diesen  wird  nicht  der 
Nutzen,  den  sie  gewähren,  bezahlt,  sondern  die  Produktions- 
kosten werden  zum  Regulator  für  den  Preis.  Hier  scheint 
demnach  jede  Verbindung  zwischen  Gebrauchswert  und 
Produktionskosten  aufgehoben  zu  sein.  Dies  ist  jedoch  nicht 
der  Fall,  wie  sich  aus  nachstehender  Betrachtung  er- 
geben wird. 

"Wir  haben  im  §  13  unter  den  Gegenständen  von  sehr 
hohem  Gebrauchswert  und  sehr  geringem  Preis  den  Pflug 
als  Beispiel  aufgeführt,  und  wollen  nun  auch  bei  imserer 
jetzigen  Betrachtung  dies  Instrument  zum  Grunde  legen. 


—     588    — 

Der  Gebrauchswert  der  Pflüge  übersteigt  vielfach  deren 
durch  die  Produktiojiskosten  regulierten  Preis.  Welches  ist 
nun  aber  die  Grenze  der  Yermelirung  derselben,  und  wie 
viele  Pflüge  wird  man  z.  B.  auf  einem  Gut,  welches  24  Zug- 
pferde hat,  halten? 
194  ^lan  kann  hier  mit  10  Pflügen  ausreichen,  weil  die 
Pferde  selten  sämtlich  zum  Pflügen  gebraucht  Averden; 
man  kann  aber  für  diese  seltenen  Fälle  auch  12  Pflüge  an- 
schaffen, und  wenn  man  jede  Störung  in  der  Arbeit,  die 
durch  das  Zerbrechen  eines  Pfluges  entsteht,  vermeiden  will, 
können  auch  14  Pflüge  hier  Anwendung  finden. 

Wie  groß  nun  auch  die  Nutzung  der  zuerst  angeschafften 
Pflüge  sein  mag,  so  wii'd  doch  die  des  zuletzt  hergestellten 
14.  Pflugs  entweder  sehr  geringe  sein  oder  auch  die  Zinsen 
vom  Kaufpreis  nebst  der  jährlichen  Wertverminderung  nicht 
mehr  decken. 

Fragen  wir  nun  nach  der  Grenze  der  Vermehrung  der 
Pflüge,  so'  lautet  die  Antwort: 

die  Pflüge  werden  so  lauge  vermehrt,  bis  der  zuletzt 
angeschaffte  Pflug  nur  noch  die  Kosten  seiner  Ver- 
fertigung und  Unterhaltung  deckt. 

So  wenig  also  auch  der  Gebrauchswert  oder  die 
Nutzung  der  Pflüge  über  den  Preis  derselben  im  all- 
gemeinen entscheidet,  so  wird  dadurch  doch  die  Grenze 
ihrer  Vermehrung  festgestellt. 
AVie  mit  dem  Pflug,   so  verhält  es  sich  auch  mit  allen 
,    Waren,   die  mit  gleichbleibenden  Kosten  für  das  Stück  un- 
beschränkt vermehrt  werden  können. 

Zu  den  Tauschgütern  der  zweiten  Klasse  gehört  das 
Getreide,  wenn  der  erhöhte  Bedarf  nur  durch  den  Anbau 
von  minder  fruchtbarem,  oder  minder  günstig  gelegenem 
Boden  als  der  bisher  in  Kultur  gewesene,  oder  endlich  auf 
einem  und  demselben  Boden  cur  durch  Einführung  einer 
intensiveren  kostspieligeren  Wirtschaft  befriedigt  werden  kann. 


—    580    — 

Es  geliöreu  ferner  dazu  alle  Metalle,  die,  wenn  keine  neuen 
3Iineu  entdeckt  werden,  aus  dem  Schoß  der  Erde  in  immer 
größerer  Tiefe  herausgeholt  werden  müssen.  Die  Ver- 
mehrung der  -^-irtschaftlichen  Güter  dieser  Gattung  findet  195 
in  dem  Gebrauchswert  derselben  von  vorne  herein  ihre 
Schranken. 

"Welches  bildet  nun  aber  die  Schranke  für  die  Ver- 
mehrung des  Kapitals,  und  welches  ist  das  Maß  für  die 
Produktionskosten  des  Kapitals? 

Die  Anwendung  des  Kapitals  macht,  wie  im  Vorher- 
gehenden vielfach  gezeigt  ist,  die  menschliche  Arbeit  pro- 
duktiver. Mit  dem  größeren  Produkt  der  Arbeit  wächst  der 
Überschuß ,  und  mit  diesem  die  Leichtigkeit  der  Kapital- 
erzeugung. Die  Produktion  des  Kapitals  wird  also  immer 
wohlfeiler,  je  mehr  sich  Kapital  bildet.  In  dieser  Beziehung 
stehen  Kapital  und  Tauschgüter  der  zweiten  Klasse  im 
geraden  Gegensatz  miteinander  —  indem  bei  jenem  die 
Vermehrung  immer  wohlfeiler,  bei  diesem  immer  kost- 
spieliger wird.  Die  Erweiterung  des  Gebrauchs  erlangt  das 
Kapital  dadurch,  daß  es  in  dem  Maß,  als  es  wohlfeiler 
wird,  mehr  und  mehr  an  die  Stelle  der  menschlichen  Ar- 
beit tritt. 

Die  Kapitalerzeugung  müßte  demnach  unbegrenzt  fort- 
gehen, wenn  nicht  mit  der  Vermehrung  des  Kapitals  die 
Nutzung  desselben  gleichzeitig  abnähme. 

Diese  Abnahme  der  Nutzung  entspringt  aus  zwei  Ur- 
sachen. 

1.  Wenn  die  wirksamsten  Geräte,  Maschinen  usw.,  woraus 
das  Kapital  besteht,  in  genügender  Menge  vorhanden 
sind,  so  muß,  wie  §  10  ausführlich  erörtert  ist,  die 
fernere  Kapitalerzeugung  sich  auf  Gerätschaften  usw. 
von  minderer  Wirksamkeit  richten. 

2.  Im  Landbau  führt  der  Zuwachs  an  Kapital,  wenn  der- 
selbe überall  eine  Anwendung  finden  soll,  zum  Anbau 


—     590    — 

von  minder  ergiebigen,  minder  günstig  gelegenen  Län- 
dereien oder  auch  zu  einer  intensiveren,  mit  größeren 
196  Kosten  verbundenen  Wirtschaft  —  und  in  diesen  Fällen 

bringt  das  zuletzt  angelegte  Kapital  eine  geringere 
Rente  als  das  zuvor  angelegte. 
Diese  Doppelseite  des  Kapitals  macht  die  Lösung  der 
gestellten  Aufgabe  sehr  schwierig.  Auch  geht  daraus  her- 
vor, daß  das  Kapital  weder  zur  ersten  noch  zur  zweiten 
Klasse  der  Tauschgüter  gehört,  sondern  eine  eigene  Klasse 
bildet. 

Der  Überschuß,  den  die  Arbeit  liefert,  kann  eine  zwei- 
fache Bestimmung  erhalten,  er  kann  nämlich  verwandt 
Averden : 

a)  zur  Ansammlung  und  Aufbewahrung  eines  Vorrats, 
in  der  Absicht,  späterhin,  ohne  zu  arbeiten,  davon  zu 
leben ; 

b)  zur  produktiven  Anlegung  im  Landbau  oder  in  den 
Gewerben. 

In  ersterer  Beziehung  ist  das  schrankenlose  Wachsen 
des  Kapitals  dem  Arbeiter  günstig,  weU  damit  Lohn  und 
Überschuß  wachsen  und  der  Arbeiter  dann  in  kürzerer  Zeit 
den  Vorrat  erwirbt,  von  welchem  er  späterhin,  ohne  zu 
arbeiten,  leben  kann. 

Aber  der  A'orrat  ist  noch  nicht  Kapital,  sondern  nur 
Stoff  zum  Kapital,  und  verliert  dann,  wenn  er  ohne  einen 
Ersatz  zu  liefern,  verzehrt  wird,  die  Dauer,  welche  erforder- 
lich ist,  um  dem  Begriff  von  Kapital  zu  entsprechen. 

Dem  Vorrat  fehlt  aber  noch  eine  andere  wesentliche 
Eigenschaft  des  Kapitals,  nämlich  die,  daß  dasselbe  durch 
produktive  Anlegung  die  menschliche  Arbeit  wirksamer  macht. 

Die  Vorräte  in  den  Händen  eines  Kaufmanns  zum 
Zweck  des  Verkaufs  bilden  allerdings  ein  Kapital, 
durcli  welches  den  Konsumenten  die  Erlangung  ihrer  Be- 
dürfnisse erleichtert  und   minder  kostspielig  gemacht  wird, 

l 


—    591    — 

■wodurch  also  der  Natioualwohlstand  gefördert  wird.  Da- 
gegen würden  A^orräte,  die  ein  Kaufmann  sammelt  und 
liegen  läßt,  um  späterhin  im  Müssiggang  davon  zu  leben, 
dem  Kapital  nicht  angehören. 

Scheiden  wir  nun  die  Vorräte,  die  nicht  werbend  an- 
gelegt werden,  vom  Kapital  aus  und  verstehen  unter  diesem  197 
nur  das  Vermögen,  das  eine  Rente  trägt,  so  vereinfacht 
sich  unsere  Aufgabe  gar  sehr,  indem  nun  nicht  das  Kapital 
selbst,  sondern  die  Frucht  desselben,  d.  i.  die 
Rente,  Gegenstand  des  Begehrs  wird. 

Damit  gelangen  wir  nun  zu  der  Frage: 

Welches  sind  die  Produktionskosten  der  Rente,  und 
unter  welchen  Verhältnissen  wird  die  Rente  mit 
den  mindesten  Kosten  erzeugt? 

Das  Kapital  ist  Erzeugnis  der  Arbeit;  aber  dieses  Er- 
zeugnis ersetzt  wiederum  die  menscliliche  Arbeit  und  dient 
selbst  wieder  zur  Schaffung  neuer  Kapitale.  Zwischen  Ka- 
pital und  Arbeit  findet  demnach  eine  enge  A^erbindung  und 
stete  "Wechselwirkung  statt,  die  untrennbar  scheint. 

Da  aber  das  ursprüngliche  Kapital  (§  8)  rein 
aus  der  menschlichen  Arbeit  hervorgegangen  ist,  und  da  es 
(§13)  gelungen  ist,  die  Wirksamkeit  des  Kapitals  auf  Arbeit 
ziu'ückzuführen :  so  ist  auch  die  Arbeit,  als  Schöpferin  des 
Kapitals,  der  einzig  richtige  Maßstab  für  die  Produktions- 
kosten des  Kapitals  und  der  Rente. 

Aber  so  wie  der  Preis  der  Waren  durch  das  Minimum 
der  Produktionskosten  reguliert  wird  und  die  durch  un- 
gescMckte  und  unrichtige  Verwendung  von  Kapital  und 
Arbeit  vergrößerten  Kosten  in  dem  Preise  der  Waren  nicht 
vergütet  werden  —  so  muß  auch  hier  das  Minimum  von 
Arbeit,  wodurch  eine  Rente  hervorgebracht  werden  kann, 
den  31aßstab  für  die  Produktionskosten  bilden. 

Auf  die  Quantität  Arbeit,  welche  zur  Erzeugung  einer 
Rente  von  gegebener  Größe  erforderlich  ist,  hat  aber  die 


—     592    — 

Höhe  des  Arbeitslohns  den  wesentlichsten  Einfluß,  und  unsere 

Aufgabe  wird  nun  die: 

198  den  Arbeitslohn  zu  erforschen,  bei  welchem  die  Rente 

mit  dem  mindesten  Aufwand  von  Arbeit  erzeugt  wird. 

Wir  wählen    hier   für   den  Arbeitslohn    den   Ausdruck 

a  -}-  y?  iii  welchem  y  eine  noch  völlig  unbestimmte  Zahl  ist. 

Die  auf  Kapitalerzeugung  durch  Schaffung  eines  neuen 

Gutes  gerichtete  Jahresarbeit  wird  nach   §    15  gelohnt   mit 

einer  Rente 

(p-[a  +  y])y 

von ) — — ~ — 

q  (a  +  y) 

Die  verlangte  Rente  sei  =  ar. 

Alsdann  sind  zur  Erzeugung  derselben 
ar:    ^P-f^  +  ^j'^    =      arq(aj-_y)         ^^.^^.^^^,      ^^.^^^._ 

q(a  +  y)  (P  — fa  +  y]y 

derlich. 

Beispiel.  Es  sei  r  =  |,  die  verlangte  Rente  also  =  a 
=  100  c;  p  sei  =  300  c  und  q  =  12,  so  verwandelt  sich 
obige  Formel 

.         1200  c  (100  c  4-  y)      ■ 
^^  (300  c  —  [100  c  -f-  yj  y 

Die  Zahl  der  Arbeiter,  welche  zur  Produktion  einer 
Rente  von  100  c  erforderlich  sind,  beträgt  dann,  wenn 

y  =    20  ist 40 

y  =     60    „ 22,8 

y  =  100   „ 24. 

Es  zeigt  sich  hier,  dali  die  Zahl  der  erforderlichen 
Arbeiter  mit  der  Erhöhung  des  Lohns  nicht  fortwährend 
abnimmt,  indem  bei  dem  Lohn  von  a  -|-  y  =  200  c  die  Er- 
zeugung der  Rente  von  100  c  mehr  Arbeiter  erfordert  als 
beim  Lohn  von  160  c. 

Es  muß  demnach  einen  "Wert  von  y  geben,  bei  welchem 
die  Rentenerzeugung  den  mindesten  Aufwand  von  Arbeit 
erfordert. 


—    593    — 

Diesen  "W^ert  von  y  finden  wir,  wenn  wir  von  obiger 
Funktion  das  Differential  nehmen,  und  dieses  gleich  Null 
setzen. 

JlTTl       (fi         I    I     TT") 

•     Das  Differential  von  - —  \      ,     ^, 199 

(p  _  [a  4-  yj)  y 

ist  gleich  arq  (p  —  [a  +  y])  ydy  —  (a  +  3^)  (p  —  a  —  2y)  dy 
=-  py  —  ay  —  y-  —  ap  +  a^ 
—  py  4-  2ay  +  2y2 

4-    ay 

j^  4-  2ay  +  a2  —  ap  =  0 
also  y2  -\-  2ay  -\-  a.~  ^  ap 
und   a  -|-  y  =  l'ap. 

Für  p  =  3U0  c  ist  l  ap  =  173  c 
und  y  =  Vap  —  a  =  73  c. 
Alsdann  aber  beträgt,  wenn  q  wie  oben  =  12  gesetzt 
wird,   die  Zahl  der  zur  Erzeugung  einer  Rente  von  100  c 
erforderlichen  Arbeiter  =  22,4. 

Der  Arbeitslohn  Vap  erfüllt  also  die  Bedingung,  die 
Rente  mit  dem  3Iinimum  von  Arbeitskräften  zu  erzeugen. 


"Welches  ist  nun  der  Zinssatz,  wenn  die  Rente  mit  dem 
mindesten  Aufwand  an  Arbeit  hervorgebracht  wird? 
Der  allgemeine  Ausdruck  für  den  Zinssatz  ist 

^  _  p  —  (a  +  y) 

q(a  +  y) 

Setzt  man  hier  Vap  für  a-[-y,  so  wird 
p  —  Vap  _  Vp  —  ^'a  _  Vap  —  a 
~     qVap     ~     qVa      ~~       aq 

Für  den  FaU,  daß  der  Überschuß  y  =  Vap  —  a  ist,   er- 
halten wir  also  für  den  Zinssatz  z  den  einfachen  Ausdruck 

aq  ■  y 

Nimmt  man  für  a,  p  und  y  den  Scheffel  Roggen  zum 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  2b 


—     594    — 

Maßstab,  so  bezeichnet  aq  die  Zahl  der  Scheffel  Koggen, 
200 oder  deren  Äquivalent,  welche  von  q  Arbeitern  bei  der 
Kapitalschaifung  durch  Anlegung  eines  neuen  Gutes  (§  15) 
verzehrt  werden.  Zur  Erzeugung  dieser  aq  Scheffel  sind,  da 
jeder  Arbeiter  einen  Überschuß  von  y  Scheffel  hervorbringt, 

—  Arbeiter  erforderlich, 
y 

"Wir  erhalten  demnach  das  merkwürdige  Resultat, 

daß  der  Zinsfuß  gleich  ist  der  Eins,  dividiert  durch 
die  Zahl  der  Arbeiter,   welche   die  bei  der  Kapital- 
schaffang    verzehrten    Subsistenzmittel    produziert 
haben. 
Es   darf  aber  nicht  außer  acht  gelassen  werden,   daß 
dieser  Satz   nur  für  den   Arbeitslohn  =  ]  ap  und   für   den 
Überschuß  y  r=  i  ap  —  a  gültig  ist. 


Das  Gesetz  für  die  Teilung  zwischen  Kapitalisten 
und  Arbeitern. 

In  welchem  Verhältnis  muß  das  Arbeitsprodukt  zwischen 
dem  Arbeiter  und  dem  Besitzer  des  Kapitals,  womit  gearbeitet 
wird,  geteilt  werden,  und  welcher  Lohn  kommt  hiernach 
dem  Arbeiter  zu? 

Die  Lohnarbeiter  können  mit  Recht  folgende  zwei 
Forderungen  macheu : 

1.  Die  Arbeit,  durch  welche  das  Kapital  erzeugt  ist. 
soll  pr.  Jahresai'beit  mit  keiner  höheren  Rente  belohnt  werden 
als  die  Jahresarbeit  des  Lohnarbeiters,  wenn  dieser  den 
Überschuß,  der  ihm  von  seinem  Lohn  nach  Abzug  der  uot- 
Av endigen  Unterhaltungsmittel  verbleibt,  gegen  Zinsen  aus- 
leiht.     Oder   mit   anderen    Worten:    beide    Gattungen    von 


—    595    — 

Arbeit,  nämlicli  die  im  Kapital  enthaltene  und  die  für 
Lohn  geleistete,  sollen  (gleiche  Qualität  vorausgesetzt)  auch 
gleiche  Renten  liefern. 

2.  Der  Arbeitslohn  muß  die  Höhe  haben,  bei  welcher 
die  Erzeugung  der  Kaj^italrente  mit  dem  mindesten  Aufwand 
von  Arbeit  erlangt  wird. 

Der  zweiten   Forderung   wird ,    wie    im    vorigen  Para-  201 
graphen  nachgewiesen  ist,  entsprochen,  wenn  der  Arbeitslohn 
=  y  ap  ist. 

Ob  dieser  Arbeitslohn  auch  der  ersten  Forderung  Genüge 
leistet,  mag  nachstehende  Berechnung  entscheiden. 

Bei    dem    Arbeitslohn  =  l'  ap    beträgt   nach    §    15   die 
Rente,  welche  der  kapitalerzeugende  Arbeiter  erlangt 
(p  —  V ap)  (V ap  —  a)  _  (}' p  —  l' a)  ((' ap  —  a) 

q  V  ap  "~  q  1'  a 

(Vap  —  a)  (Vap  —  a)  _  (V  ap  —  a)- 

aq  aq 

Für  den  Lohnarbeiter  beträgt   bei  dem  Überschuß   von 

V  ap  —  a,  und  dem  Zinssatz  die  Rente 

aq 

0'  ap  —  a)        (V  ap  —  a)  ^ 

0  ^P  -  ^)  aq^ = aq 

Bei    dem   Arbeitslohn  =  1'  ap    und    dem  Zinssatz    von 

— ist  also  die  Belohnung  für  die  im  Kapital  steckende 

Arbeit  und  für  die  Lohnarbeit  im  Gleichgewicht. 

Verlangt  dagegen  der  Arbeiter  von  dem  Kapitalisten 
einen  Lohn,  der  ]'  ap  übersteigt,  so  ist  diese  Forderung  eine 
unbillige  und  ungerechte,  die  zurückgewiesen  werden  muß; 
denn  er  verlangt  dann  für  Arbeiten  von  gleicher  Qualität 
eine  ungleiche  Belohnung.  Auch  widerstreitet  eine  solche 
Forderung  dem  eigenen  Interesse  des  Arbeiters,  der  durch 
Ansammlung  eines  Vermögens  seine  Lage  verbessern  will, 
weil  mit  dem  höhern  Lohn  als  ]'  ap,   wenn  dieser  Lohnsatz 

38* 


—     596    — 

allgemein  wird,  durcli  das  damit  verbundene  Sinken  des 
Zinssatzes,  die  Rente,  welche  der  Arbeiter  erwirbt,  statt  zu 
steigen,  sich  vermindert,  wie  aus  §  15  hervorgeht. 

Im  vorigen  Paragraphen  ist  die  Frage:  „Welches  die 
Schranke  für  die  Vermehrung  des  Kapitals  bildet",  auf- 
geworfen, und  wir  können  jetzt  diese  Frage  dahin  beant- 
202 Worten,  daß,  wenn  die  Arbeiten  in  den  Gewerben  und  Fa- 
briken, welche  Konsumtions-Artikel  liefern,  mit  einer  höhern 
Rente  als  bei  der  Kapitalerzeugung  belohnt  werden,  die  Kapi- 
talvermehrung bei  konstant  bleibender  Bevölkerung  aufhört. 

"Wir  haben  jetzt  das  Verhältnis  zwischen  Arbeitslohn 
und  Zinsfuß  nach  vier  verschiedenen  ]\Iethoden  und  Gesichts- 
punkten zu  bestimmen  gesucht;  wir  haben  nämlich 

1.  die  Ka]3italerzeugung  durch  Arbeit  untersucht;  dann 

2.  das  Kapital  als  Arbeit  ersetzend  betrachtet;  ferner 

3.  den  Zinsfuß  durch  die  Nutzung  des  zuletzt  angelegten 
Kapitalteilchens  bestimmt;  und  endlich 

4.  das  Mehrerzeugnis  durch  den  zuletzt  angestellten  Ar- 
beiter als  Maß  für  den  Arbeitslohn  angenommen. 

Da  nun  aus  allen  diesen  Untersuchungen  der  Arbeits- 
lohn =  V  ap  siegreich  hervorgegangen  ist :  so  glaube  ich  — 
wenn  man  den,  der  Organisation  des  Menschen  und  der 
physischen  Welt  entsprechenden  Lohn,  den  naturgemäßen 
nennt  —  jetzt  den  Satz  aufstellen  zu  dürfen: 

der  naturgemäße  Arbeitslohn  ist  =  }'  ap. 


Einfluss   der  Fruchtbarkeit   des  Bodens   auf  Ar- 
beitslohn und  Zinsfuss. 

Wir  haben  den  naturgemäßen  Arbeitslohn  =  V  ap  ge- 
funden; aber  wir  müssen  jetzt  fragen,  ob  hierin  für  den 
Arbeiter  eine  Garantie  liege,  daß  sein  Lohn  nicht  ein  arm- 


—    597     — 

liclier  werde,  da  dieser  von  der  Größe  von  p  abhängt,  und  da 
der  "Wert  von  p  wiederum  von  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens, 
worauf  Kapital  und  Arbeit  verwendet  wird,  abhängig  ist. 

Der  Wert  von  i  ap  wird  nämlich  immer  kleiner,  je  mehr 
p  abnimmt,  und  wenn  p  =  a  ist,  sinkt  der  Arbeitslohn  auf  a,  203 
d.  i.  auf  den  Betrag  der  notwendigen  Subsistenzmittel  herab. 

Um  den  Einfluß  der  Fruchtbarkeit  des  Bodens  näher 
kennen  zu  lernen,  wollen  wir  nun  für  p  nach  und  nach 
andere  Werte  setzen. 

1.  Es  sei  p  =  300  c,   so  ist  für  a  =  100  c,  und  q  —  12 
der  Arbeitslohn  A  =  }'  ap  =  173  c, 

der  Zinssatz  z  = =  6,i  ^/o. 

ac|  ' 

2.  p  sei  =  200. 

Alsdann  ist  A  =  l  ap  =  142 

und    Z=:^P^^=:3,5%. 

aq  ' 

3.  Für  p  =  150 

ist  A  =  1'  ap  =  122 

}'  ap  =  a 

und  z  =  — =  1.83  "/o 

aq 

4.  Es  sei  p  =  a  =  100  c, 
so  ist  A  =  1  ap  =  100 

,  V  ap  —  a 

und  z  = =  0 

aq 

Wir  sehen  hier  also,  daß  Arbeiter  und  Kapitalisten 
an  der  Steigerung  der  Produktion  ein  gemein- 
schaftliches Interesse  haben,  daß  beide  verlieren, 
wenn  die  Produktion  abnimmt,  und  beide  gewinnen,  wenn 
sie  zunimmt. 

Aufgabe.   Den  Wert  von  p  zu  finden,  wenn  z  =  2  %  ist. 

.       1  ap  —  a        V  100  p  —  100  2 

Alsdann    ist   — = zr^^;^. =  -rr^ 

aq  1200  100 


—     598    — 

204  also  r  100  p  —  100  =  24 

V  100  p  =  124 

100p  =1242=  15376 

p  =  153,76 

und  A  =  V  ap  =  124 

Bei  einem  so  niedrigen  Zinssatz  wird  aber  schwerlich 
neues  Kapital  gesammelt  werden  —  da  dies  doch  auch  von 
selten  der  Kapitalisten  Entsagung  von  Genüssen  fordert  — 
und  es  wird  sich  wohl  kein  Kapitalist  finden,  der  sein  Kapital 
in  einem  Unternehmen,  welches  nur  2%  einträgt,  anlegen 
möchte.  Aber  selbst  dann,  wenn  dies  gescliähe,  übersteigt 
der  Arbeitslohn  die  Bedürfnisse  des  Arbeiters  noch  um  24%. 

Solange   der  Arbeitslohn  =  l'  ap  ist,   solange 

—  und  dies  ist  von  entscheidender  Wichtigkeit 

—  ist  auch  der  Arbeiter  gegen  Not  und  Mangel 
geschützt. 

Ganz  anders  verhält  sich  dies  in  unseren  europäischen 
Verhältnissen,  wo  kein  herrenloses  Land  mehr  zu  finden, 
und  dem  Arbeiter  die  Möglichkeit  genommen  ist,  sich  dem 
niedrigen  Lohngebot  seines  Lohngebers  durch  den  Anbau 
eines  bisher  unkultivierten  Stück  Landes  zu  entziehen. 

Hier   entscheidet   die   Konkurrenz    über   die   Höhe  des 

Lohns ;   hier  ist  der  Arbeitslohn  =  a  -|-  J,  wo  y  völlig  un- 

P  —  (a  +  y) 

bestimmt  ist,  und  der  Zinssatz  z  ist  hier  =  : — i — >  — 

'  a  (a  +  y) 

Je  kleiner  nun  y  wird,  desto  mehr  wächst  z,  wie  nach- 
stehendes Beispiel  zeigt: 

Es  seia  =  100,  p  =  200,  q  =  12,  so  ist 

für  y  =  50,  z  =  2,7?  %. 

y  =  25,  z  =  5,0 

y  =  10,  z  =  6,S2 

y  =    0,  z  =  8,33 

205  Es  liegt  also  im  Interesse  der  Unternehmer  und  Kapi- 


—    599    — 

talisten,  den  Lohn  immer  tiefer  herabzudrückeu,  und  während 
der  Arbeiter  für  seinen  Lohn  nur  noch  die  notwendigen 
Lebensbedürfnisse  sich  verschaffen  kann,  genießt  der  Kapi- 
talist den  hohen  Zinssatz  von  8^/3%. 

Hier  scheidet  sich  also  nicht  bloß  das  Interesse  der 
Kapitalisten  von  dem  der  Arbeiter,  sondern  das  Interesse 
beider  steht  sich  diametral  entgegen. 

In  diesem  entgegengesetzten  Interesse  liegt 
nun  der  Grrund,  warum  Proletarier  und  Be- 
sitzende fortan  sich  feindlich  gegenüberstehen 
und  unversöhnt  bleiben  werden,  solange  der 
Zwiespalt  in  ihrem  Interesse  nicht  gehoben  ist. 

Aber  nicht  bloß  dem  Wohlstand  seines  Lohnherrn,  sondern 
auch  dem  Nationalwohlstand  steht  der  Arbeiter  interessenlos 
gegenüber. 

Durch  Entdeckungen  im  Fabrikwesen,  durch  Anlegung 
von  Chausseen  und  Eisenbahnen,  durch  Anknüpfung  neuer 
Handelsverbindungen  usw.  kann  von  Zeit  zu  Zeit  das  National- 
einkommen sich  gar  sehr  steigern.  Aber  bei  unserer  jetzigen 
gesellschaftlichen  Organisation  wird  der  Arbeiter  davon  nicht 
berührt,  seine  Lage  bleibt  wie  sie  war,  und  der  ganze  Zu- 
wachs am  Einkommen  fällt  den  Unternehmern,  Kapitalisten 
und  Grundbesitzern  anheim. 

Im  Jahre  1836  war  in  Mecklenburg  die  mittlere  Pacht 
für  eine  Last  guten  Ackers  (6000  Quadratruten)  ca.  100  Tlr. 
N-/3.  Seitdem  ist  die  Pacht  pr.  Last  Acker  auf  150  bis 
200  Tlr.'  N-/3  gestiegen. 

Yon  dieser  außerordentlichen  Zunahme  des  National- 
einkommens ist  aber  dem  Arbeiterstande  nichts  zugeflossen, 
und  es  konnte  demselben  bei  unserem  sozialen  Organismus 
nichts  zufließen. 

"Wäre    aber    die    gesellschaftliche    Organisation    derart  206 
gewesen,   daß   hiervon   den  Arbeitern  auch  nur  ein  Fünftel 
hätte  zuteil  werden  müssen:   so  würde  sich  Glück  und  Zu- 


—    600     — 

friedenheit  über  Tausende  von  Familien  verbreitet  haben, 
die  Aufregungen  und  Gewalttaten,  wodurch  die  Arbeiter  sich 
im  Frühjahr  1848  einen  höheren  Lohn  erzwangen,  wären 
unterblieben,  und  das  schöne  patriarchalische  Band,  welches 
früher  zwischen  Herrn  und  Untergebenen  bestand,  wäre  nicht 
zerrissen  worden. 

Der  Übergang  aus  der  Klasse  der  Arbeiter  zu  dem 
Stande  der  Besitzenden  könnte  zur  Ausgleichung  dienen, 
wenn  nicht  in  dem  niedrigen  Lohnsatz  selbst  das  Hemmnis 
gegen  diesen  Übergang  enthalten  w^äre,  und  zwar  aus  fol- 
genden beiden  Gründen: 

1.  Bei  dem  jetzigen  Lohnsatz  können  die  Arbeiter  ent- 
weder gar  keine  oder  doch  nur  unbedeutende  Kapitale 
sammeln,  und  die  Schaffung  neuer  Kapitale  wird  da- 
durch fast  zum  Monopol  der  Unternehmer,  Kapitalisten 
und  Grundbesitzer. 

2.  Bei  dem  geringen  Lohn  vermögen  die  Arbeiter  nicht, 
ihren  Kindern  den  Unterricht  geben  zu  lassen,  der  zur 
Erlangung  der  Kenntnisse,  welche  zum  Betrieb  eines 
Gewerbes  oder  zu  einer  höheren  Stellung  in  der 
bürgerlichen  Gesellschaft  befähigen,  erforderlich  ist. 

So  liegt  also  in  dem  niedrigen  Lohn  der  Grund  zur 
Fortdauer  desselben.  Wie  ist  aus  diesem  Zirkel  heraus- 
zukommen? 

Alle  diese  Übelstände,  an  denen  der  soziale  Zustand 
Europas  erkrankt  ist,  fallen  für  den  Arbeitslohn  Vap  hinweg. 

In  Vap  ist  der  Lohn  des  Arbeiters  dem  Wert  seines 
Erzeugnisses  proportional;  in  unseren  gegenwärtigen  Zu- 
207  ständen  ist  der  Lohn  des  Arbeiters  von  seinem  Arbeits- 
produkt ganz  unabhängig. 

In  der  Trennung  des  Arbeiters  von  seinem 
Erzeugnis  liegt  die  Quelle  des  Übels. 

Die  Arbeiter  im  Verdung  haben  vor  denen  im  Tagelohn 
den  großen  Vorzug,  daß  der  Verdienst  des  Arbeiters  mit 

\ 


—    601    — 

seinem  Fleiß  steigt  und  fällt,  daß  also  der  Arbeiter  ge- 
vrissermaßeu  für  sich  selbst  und  deshalb  mit  mehr  Lust 
und  Liebe  zur  Sache  arbeitet.  Dennoch  aber  kann  bei  der 
Arbeitslohnung  nach  der  Stückzahl,  durch  die  Konkurrenz 
der  Arbeiter  untereinander,  der  Verdienst  derselben  tief 
herabsinken. 

Beim  Yerdung  wird  nur  die  Quantität  Arbeit, 
nicht  aber  der  im  Erzeugnis  enthaltene  Wert  der  Arbeit 
bezahlt;  während  beim  Lohn  =  Vap  der  Arbeiter  unmittel- 
bar an  dem  Wert  seiner  Arbeit  teilnimmt. 

Ob  und  unter  welchen  Bedingungen  der  Arbeitslohn 
Vap  für  unsere  europäischen  Zustände  möglich  ist  —  dies 
geht  aus  unseren  bisherigen  Untersuchungen  nicht  hervor, 
sondern  wird  Gegenstand  der  Fortsetzung  dieser  Schrift  sein. 

Soviel  aber  leuchtet  ein,  daß  wenn  auch  die  voll- 
ständige Zurückführung  zum  naturgemäßen  Arbeitslohn  niclit 
möglich  wäre,  doch  die  Übelstände  sehr  gemindert  werden, 
w^enn  die  Arbeiter  auch  nur  einen  Teil  ihres  Lohns  im  An- 
teil an  dem  Erzeugnis  ihrer  Arbeit  erhalten. 


Blicken  wir  nun  auf  die  Zustände  in  den  nordamerika- 
nischen Freistaaten. 

Dort  ist,  wie  im  isolierten  Staat,  fruchtbarer  Boden  in 
ungemessener  Menge  umsonst  oder  für  eine  Kleinigkeit  zu 
liaben. 

Dort  kann,  wie  im  isolierten  Staat,  nur  die  Entfernung 
Yom  Marktplatz  der  Ausbreitung  der  Kultur  Sehranken  setzen. 
Aber  diese  Schranken  werden  durch  die  Dampfschiffahrt  auf  208 
den  Flüssen,   durch  die  Anlegung  von  Kanälen   und  Eisen- 
bahnen immer  weiter  hinausgeschoben. 

Dort  kann  also  der  Arbeitslohn  }'  ap  zur  A^erwirklichuug 
gelangen  und  ist  in  der  Tat  dazu  gelangt;  denn  wir  finden 
in  Amerika  zwischen  Arbeitslohn  und  Zinsfuß  ein  ähnliches 


—     602     — 

Verhältnis,  wie  wir  es  aus  unseren  Formeln  für  fruchtbaren 
Boden  entwickelt  haben. 

Infolge  dieses  Verhältnisses  zwischen  Arbeitern  und 
Kapitalisten  finden  wir  in  Nordamerika  allgemeinen  Wohl- 
stand, der  mit  Riesenschritten  wächst;  dort  findet  keine 
schroffe  Absonderung  zwischen  den  verschiedenen  Ständen 
statt,  und  zwischen  ihnen  herrscht  Eintracht  und  Friede; 
und  selbst  unter  der  geringeren  Volksklasse  sind  die  ersten 
Schulkenntnisse  —  Lesen,  Schreiben  und  Rechnen  —  all- 
gemeiner verbreitet  als  in  Europa. 

Die  ersten  Menschen ,  welche  unter  einem  noch  günsti- 
geren Himmelsstrich  die  Erde  betraten,  mußten  in  einer 
ähnlichen  Lage  sein  —  und  deshalb  hat  man  vielleicht  diesen 
Zustand  den  paradiesischen  genannt. 

Ist  nun  ein  solcher  Zustand  mit  der  Dichtheit  der  Be- 
völkerung unverträglich  und  für  immer  von  der  Erde  ver- 
schwunden? 

Oder  kann  die  Menschheit  durch  höhere  Ausbildung  der 
Geisteskräfte  und  durch  Unterordnung  der  Leidenschaften 
unter  die  Herrschaft  der  Vernunft  diesen  Zustand  wieder 
zurückführen,  und  ist  es  vielleicht  die  Aufgabe  des  Menschen- 
geschlechts, das,  was  die  ersten  Menschen  ohne  Verdienst, 
durch  die  Gunst  der  Natur  empfingen,  durch  eigenes  Ver- 
dienst wieder  zu  erringen,  und  somit  zu  seinem  geistigen 
Eigentum  zu  erheben? 


209  §  23. 

Anwendung  der  gefundenen  Formeln  auf 
konkrete  Fälle. 

In  der  bisherigen  Untersuchung  sind  Arbeitsprodukt, 
Zinsfuß  und  Arbeitslohn  durch  Buchstabenformeln  aus- 
gedrückt.   Die  Buchstaben  repräsentieren  jeden  Zaliienwert, 


—     603     — 

und  die  darin  ausgedrückten  Formeln  erheben  sich  dadurch 
zur  allgemeinen  Gültigkeit. 

Für  den  konkreten  Fall  nehmen  aber  die  Buchstaben 
einen  bestimmten  Zahlenwert  an,  und  wenn  die  Formel 
richtig  ist,  muß  sich  auch  in  den  in  Zahlen  ausgesprochenen 
Resultaten  Gesetzmäßigkeit  zeigen. 

Bei  unserer  nächsten  Untersuchung  über  das  Verhältnis 
zwischen  Arbeitslohn  und  Landrente,  welche  Gegenstand  des 
zweiten  Abschnitts  dieser  Schrift  sein  wird,  bedürfen  wir 
schon  der  Angabe  in  Zahlen  von  a,  p,  q,  y  und  z  für  einen 
konkreten  Fall. 

Diese  Zahlen  dürfen  aber  nicht  willkürlich  angenommen, 
sondern  müssen  der  Wirkhchkeit  entnommeu  werden,  weil  die 
Wirklichkeit  der  Prüfstein  ihrer  Richtigkeit  sein  soll. 

In  Ermangelung  anderer  Data  werde  ich  nun  den  Wert 
dieser  Buchstaben  für  die  Verhältnisse  des  Gutes  Tellow  zu 
ermitteln  suchen  und  die  desfallsigen  Berechnungen  dem 
folgenden  Teil  dieser  Schrift  beifügen. 

Bei  der  großen  Wichtigkeit,  welche  in  dem  gegen- 
wärtigen Augenblick  die  Frage  hat,  wieviel  Einkommen 
der  Tagelöhner  zu  einem  anständigen,  vor  Mangel  ge- 
schützten Leben  bedarf,  lege  ich  aber  schon  jetzt  in  der 
Anlage  A.  die  Berechnung  über  die  ünterhaltskosten  und 
das  Einkommen  einer  Tagelöhnerfamilie  zu  Tellow  in  dem 
14jährigen  Zeitraum,  von  1833  bis  1847,  hier  zur  Prü- 
fung vor. 

Wer  erkannt  hat,  was  in  bezug  auf   die  Arbeiter  das 210 
Rechte  ist,  auf  dem  lastet  auch  die  moralische  Verpflichtung, 
das  Rechte   zur  Vollziehung   zu   bringen  —  soweit   dies  in 
seinen  Kräften  steht. 

Schon  seit  mehr  als  20  Jahren  habe  ich  den  lebhaften 
Wunsch  gehegt,  meinen  Tagelöhnern  einen  Anteil  an  der 
Gutseinnahme  als  Zulage   zu  erteilen;   diese  Zulage  aber 


—     604    — 

nicht   zu  ilu^er  Verfügung  zu  stellen,   sondern   zur  Bildung 
eines  Kapitals  für  sie  zu  verwenden. 

Damals  standen  der  Verwirklichung  meines  AVunsches 
zwei  Hindernisse  entgegen,  nämlich 

1.  die  Verpflichtung  gegen  meine  Familie;  und 

2.  die  Besorgnis,  daß  eine  solche  Einrichtung  Unzufrieden- 
heit und  Aufregung  unter  den  Arbeitern  auf  den  be- 
nachbarten Gütern  zur  Folge  haben  könne. 

Nachdem  aber  das  erste  Hindernis  sein  Gewicht  ver- 
loren hatte,  und  nun  auch  im  Frühjahr  1848,  infolge  der 
gewaltigen  Volksbewegung,  auf  fast  allen  Gütern  den  Ar- 
beitern bedeutende  Zugeständnisse  gemacht  wurden,  konnte 
ich  weiter  kein  Bedenken  tragen,  den  lange  gehegten  Wunsch 
zur  Ausführung  zu  bringen. 

Die  desfalls  gemachten  Bestimmungen  sind  in  der  An- 
lage B.  enthalten. 

Bei  Einrichtungen  dieser  Art  muß  aber  vor  allem  der 
endliche  Erfolg  ins  Auge  gefaßt  werden. 

Ein  Beispiel  mag  dies  näher  erläutern. 

Die  Ausgabe  an  den  Arzt  und  Apotheker  kostet  für 
eine  Tagelöhnerfamilie  dem  Gutsherrn  im  Durchschnitt 
ca.  3  Tlr.  N  -/3  jährlich.  Gibt  nun  der  Gutsherr  infolge 
einer  Übereinkunft  dem  Tagelöhner  jährhch  3  Tlr.  unter 
der  Bedingung,  daß  dieser  die  Kurkosten  bei  künftigen 
Krankheitsfällen  selbst  tragen  soll,  so  wird  dadurch  die  Aus- 
211  gäbe  des  Gutsherrn  weder  vermehrt  noch  vermindert.  Aber 
welche  Änderung  geht  damit  in  der  Lage  und  im  Glück 
der  Tagelöhnerfamilie  vor!  Trifft  nun  den  Mann  eine 
ernste,  langwierige  Krankheit,  so  wird  derselbe  es  nur  selten 
mit  der  Pflicht  gegen  seine  Familie  zu  vereinigen  wissen, 
eine  so  große  Summe,  wie  der  Betrag  der  Kurkosten  ist, 
auf  sich  selbst  zu  verwenden. 

In  der  Begel  aber  wird  er  das  zu  diesem  Zweck  er- 
haltene Geld  nicht  aufgehoben,  sondern  verzehrt  haben  und 


—    605    — 

dann  bleibt  er  gerade  in  der  Zeit  der  Xot  hilflos  danieder 
liegen. 

In  den  Fällen,  wo  durch  den  bisherigen  Lohnsatz  die 
wirklichen  Bedürfnisse  und  die  billigen  "Wünsche  der  Arbeiter 
befiiedigt  sind,  wird  eine  Zulage  durch  Erhöhung  des  Tage- 
lohns eine  ähnliche  Erscheinung  zur  Folge  haben.  Die 
Grenußmittel  der  Tagelöhner  grenzen  so  nahe  an  ihre  Be- 
dürfnismittel, daß  kaum  eine  Scheidelinie  zu  ziehen  ist,  und 
man  darf  ihnen  deshalb  nicht  die  Kraft  zumuten  —  die 
selbst  vielen  Begüterten  fehlt  —  den  augenblicklichen  Genuß 
der  Sorge  für  die  Zukunft  zu  opfern.  Der  Arbeiter  wird 
im  Gegenteil  in  den  meisten  Fällen  die  Zulage  verzehren, 
für  das  Alter  nichts  aufheben ,  die  Armut  im  Alter  aber 
um  so  bitterer  empfinden,  je  mehr  er  sich  an  größere  Be- 
dürfnisse gewöhnt  hat,  die  er  dann  nicht  mehr  befrie- 
digen kann. 

Weit  schlimmer  aber  ist  es  noch,  daß  durch  die  an  keine 
Bedingung  geknüpfte  Erhöhung  des  Tagelohns  das  sich 
gegenüberstehende  Interesse  von  Lohngebern  und  Arbeitern 
nicht  vermittelt  wird,  und  so  das  Grundübel  unserer  sozialen 
Zustände  in  voller  Schroffheit  bestehen  bleibt. 


Alllage  A.  213 


Bereclmuiiff 


der 


Unterhaltskosten   und   des   Einkommens 


Tagelöhnerfamilie  zu  Tellow 


in  dem  Zeitraum 


von  1833  bis  1847. 


214  Inhalt. 


Seite 

§  1.    Verdienst  einer  Tagelöhnerfamilie 609 

§  2.    Ertrag  und  Kosten  der  Kühe 618 

S  3.    Wert  der  Emolumente,  welche  die  Tagelöhner  erhalten  641 
§  4.     Sonstige  mit  der  Haltung  einer  Tagelöhnerfamilie  ver- 
bundene Kosten 645 

§  5.    Kosten  der  Arbeit  einer  Tagelöhnerfamilie     ....  652 
§  6.    Versuch  zur  Bestimmung  des  Einkommens  einer  Tage- 
löhnerfamilie       655 

§  7.     Übersicht  der  Kornkonsumtion  der  Dorfbewohner   .    .  665 


§  1.  215 

Jährlicher  Verdienst  einer  Tagelöhnerfamilie  zu 

Tellow,  welche  keinen  Hofgänger*)  hält,  in  dem 

Zeitraum  vom  1.  Juli  1833  bis  1.  Juli  1847. 

Bemerkung.  Die  Data  zur  Berechnung  des  Arbeits- 
quantums, das  die  Arbeiter  verrichten,  sind  aus  der  zehn- 
jährigen, genau  geführten,  und  zu  einer  Übersicht  vereinigten 
Arbeitsreclmung  aus  den  Jahren  1810  bis  1820  entnommen. 

1.   Drescherlohn. 

In  dem  Zeitraum  von  1833  bis  1847  hat  der  Durch- 
schnittsertrag des  Korns,  mit  Ausschkiß  des  Rapses,  7447  Schfl. 
9  3Itz.  Rostocker  Maß**)  auf  Roggen  reduziertes  Korn***) 
betragen. 

Hiervon  mögen  ungedroschen  in  Garben  verfüttert  sein 
ca.  80  gehäufte  Schfl.  Hafer  gleich  50  Schfl..  auf  Roggen 
reduziert. 

Ausgedroschen  sind  demnach  7397  Schfl.  9  Mtz.  Die 
Drescher  erhalten  den  16.  Scheffel. 


*)  Unter  „Hofgänger"  wird  ein  Dienstbote  verstanden,  welcher 
statt  der  Fran  die  Arbeiten  für  den  Hof  verrichtet. 

**)  Ein  Eostocker  Scheffel  ist  gleich  ■'!■,  Berliner  Scheffel. 

***)  Bei  der  Reduktion  auf  Eoggen  ist  gerechnet: 
1  Schfl.  Weizen  gleich  IVs  Schfl.  Eoggen, 
1  Schfl.  Eoggen  gleich  1  Schfl.  Eoggen, 
1  Schfl.  Gerste  gleich  ^^  Schfl.  Eoggen, 
1  gehäufter  Schfl.  Hafer  gleich  "/g  Schfl.  Eoggen, 
1  halbgehäufter  Schfl.  Hafer  gleich  %6  Schfl.  Eoggen, 
1  Schfl.  Erbsen  gleich  1  Schfl.  Eoggen. 
Thünen,  Der  isolierte  Staat.  39 


—    610 


216 


Der  Dresclierlohn  beträgt  demnach  462 
Sclieffel  6  Mtz. 

Von  schlecht  lohnendem,  oder  in  Mieten 
gestandenem  Korn  erhalten  die  Drescher 
statt  des  16.  den  14.  ScheiTel.  Die  hieraus 
hervorgehende  Zulage  mag  etwa  5  '^'o  des  ur- 
sprünglichen Drescherlohns  betragen.  Dies 
macht  auf  462«/i6  Schfl.  —  23i/s  Schfl.  Der 
Drescherlohn  beträgt  also  im  ganzen  462*^/i6 
4-  231/s  =  4851/2  Schfl.  An  Tagelöhnern 
sind  in  dieser  Periode  11  gehalten.  Auf 
einen  Tagelöhner  fällt  also  an  Drescherlohn 
4851/2 


11 


Nach  dem  zehnjährigen  Durchschnitt  von 
1810  bis  1820  hat  ein  Mann  pro  Tag  ge- 
droschen 4,52  auf  Roggen  reduzierte  Scheffel. 
Hiernach  sind  zum  Dreschen  von  7379''/it; 
Scheffel  erforderlich  gewesen  1637  Tage- 
arbeiten. 11  Tagelöhner  haben  1637  Tage 
gedroschen.  Dies  beträgt  für  einen  Mann 
149  Tage. 

2.  Torfstechen. 

Soweit  es  sich  mit  Wahrscheinlichkeit 
aus  den  Rechnungen  der  Jahre  1810  bis 
1820  ermitteln  läßt,  sind  in  jenem  Zeit- 
raum von   2541/2   Mann  jährlich   an   Torf 


N 

Tlr. 

2/ 
/s 

Rostocker 
Schfl. 

Eogg-en 

44 -'/ir, 

— 

» 

44 -'1.; 

—    611 


Transport 
gestochen,  für  den  Hof  186,850  Soden 
für  das  Dorf  286,000       „ 

zusammen  472,850  Soden 
Ein  Mann   hat  also  täglich  1858  Soden 
gestochen. 

In  dem  Zeitranm  von  1833  bis  1847  sind 
durchschnittlich  jährlich  gestochen  zirka 
480  Tausend  Soden,  von  11  Tagelöhnern. 
Dies  gibt  für  jeden  Tagelöhner  43,636; 
davon  sticht  er  für  sich  selbst  10,000.  Be- 
zahlt werden  33,636  Soden  ii  Tausend  8  ßl. 
Zum  Stechen  von  33,636  Soden  gebraucht 

der  Arbeiter  ~fk^Q~  =  18,i  Tage. 
Verdienst  pro  Tag  14,9  ßl. 

3.  Bracligräbeu  aufräumen. 

In  den  9  Jahren  von  1811  bis  1820  sind 
von  623V2  Mann  5179  ßuten  Brachgräben 
aufgeräumt. 

Dies   macht  pro  Mann  8,3i  Euten.     Be- 
zahlt sind: 

für  5179  Euten  a  l^U  ßl.      .     .  6474  ßl., 

Zulage  für  schwierigere  Gräben 

2  Taler  oder  .    .    .    ....     96  ßl. 

zusammen  6570  ßl. 


N73 
Tlr.l  ß 


Schfl. 


442/1.; 


29 


29     442/16 


39* 


—    612    — 


218 


Transport 
Ein  Mann   hat   täglich    verdient   n^^oii,-, 

=  10,5  ßl. 

Angenommen:  1.  daß  in  dem  Zeitraum 
von    1833    bis    1847    gleichfalls    jährlich 

— 7^ —  ^575    Ruten    aufgeräumt    sind; 

623-/2 
2.  daß  dies  wie  früher — ^ —  =  69,3   Mann 

erfordert  hat;   3.  daß  für  das  Aufräumen 

bezahlt  sind — ^ —  =  730  ßl.  jährlich:  so 

fällt  auf  jeden  der  11  Arbeiter,  welche  in 
diesem  Zeitraum  gehalten  sind, 

730 

a)  an  Verdienst    ■...     =  66  ßl.  =  .     .    . 

b)  an  Tagesarbeiten    ^1     =  6,3. 

4.  Sonstige  Grabeuarbeiteii. 

Die  Ziehung  neuer  Gräben  im  Acker,  in 
den  "Wiesen,  an  den  "Wegen  und  um  die 
Holzkämpe,  ferner  das  Aufi'äumen  der 
Scheide-  und  "Wiesengräben  hat  in  den 
Jahren  1810  bis  1820  im  Durchschnitt  jähr- 
lich 74,3  Mann  erfordert.  Im  Jahr  1818/19 
war  nach  einer  speziellen  Berechnung  der 


!  N 

,Tlr. 

ß 

Roggen 
Schfl. 

i  5 

i; 

1 

29 

18 

442/16 

6 

47 
1 

442/ir. 

—    613    — 


Transport 
Yerdienst  eines  Mannes  bei  diesen  Arbeiten 
10,9  ßl.  pro  Tag. 

Diese  Sätze  auf  die  vorliegende  Periode 
angewandt,  gibt  für  jeden  der  11  Tage- 
löhner : 

74,3 

a)  die  Zahl  der  Arbeitstage  ^pj—  =  6,r 

b)  den  Verdienst,  6,7  Tage  ä  10,3  ßl.  = 

5.  Sonstige  Akkordarbeiten, 

als    Mergel-  und   Moderaufladen,    Modern 
mit  Handkarren,  Erde  karren  usw. 

Vom  Jahr  1815  an  —  in  welchem  das 
Mergelfahren  im  großen  zuerst  begann  — 
bis  zum  Jahr  1820  haben  die  im  Akkord 
vollbrachten  Meliorationsarbeiten  jährlich 
gekostet  an  Geldlohn  171  Taler  22  ßl.  Im 
Jahr  1818/19  hat  bei  diesen  Arbeiten  ver- 
dient : 

der  Mann  pro  Tag  11,27  ßl. 

die  Frau  „  „  7,53  „ 
Aus  diesen  Daten  läßt  sich  aber  nicht 
mit  Bestimmtheit  entnehmen,  wie  hoch  in 
der  letzten  Periode  von  1833  bis  1847  der 
Verdienst  eines  Mannes  pro  Tag  und  die 
Zahl  der  dieser  Arbeit  gewidmeten  Tage 
gewesen  ist. 


NVa 
Tlr.l  ß 


6   47 


25 


Roggen   219 
Schfl. 


44^/16 


8    24 


44^/16 


QU 


220 


Transport 
Denn  wenn  auch  der  Geldbetrag  der 
Meliorationsarbeiten  ungefähr  derselbe  ge- 
blieben sein  mag,  so  hat  sich  doch  die  Art 
der  Melioration  (an  die  Stelle  des  Mergeins 
ist  das  Modern  und  die  Wiesenverbesserung 
getreten)  wesentlich  geändert,  und  damit 
auch  die  Jahreszeit,  in  welcher  diese  Ar- 
beiten vollbracht  sind.  Andererseits  hat  die 
Zahl  der  Familien  und  das  Verhältnis,  in 
welchem  Männer  und  Frauen  an  den  Melio- 
rationsarbeiten teilgenommen,  eine  Ände- 
rung erlitten. 

Nach  ^^elfacher,  sorgfältiger  Yergleichung 
werden  jedoch  die  nachstehenden  Annahmen 
sich  der  Wahrheit  ziemlich  nähern. 

Bei  den  Meliorationen  arbeitet  der  Mann 
jährlich    22   Tage,    und    verdient    täglich 

1U,5  ßl.,  macht 

die  Frau  44  Tage,  und  verdient  täglich  6  V2  ßl. 
(Der  Betrag  kommt  weiterhin  in  Rechnung.) 

6.  Das  Hacken  im  Deputat. 

Jeder  Häclier  erhält  an  Korn: 

maclit  auf  Roggen 

14  Schfl.  Roggen  .     .    .    .  =  14  Schfl. 

12  Gerste    ....  ^     9 

2  hai'bgehäufte  Schfl.  Hafer  =     IVs  ", 
2  Schfl.  Erbsen  .    .    .    .  =    2      „ 

Summa  26 Vs  Schfl. 


ll     \2/ 

Tlr.l  ß 


Eoggen 
Schfl. 


24 


442/in 


39 


13  15 


442/iG 


-     615    — 


Transport 

Au  Geld  erhielt  der  Hacker  in  der  ersten 
Hälfte  dieser  Periode  11  Taler,  in  der 
zweiten  Hälfte  12  Taler;  im  Durchschnitt 
also  111/2  Taler. 

Für  dieses  Deputat  arbeiten  die  Hacker 
vom  24.  März  bis  10.  November  =  33 
Wochen  =  231  Tage. 

Davon  fallen  für  die  Arbeit  aus : 

Sonntage 33 

Festtage 41/2 

zum  Torfstechen  für  die  Leute  selbst     6 

zum  Torf  einfahren 1 

ein  Markttag  . 1 

das  Erntefest 1/2 

durch  Krankheiten  etwa 5 

ol^ 

Zu    Arbeiten    für    die    Herrschaft 
bleiben 180  Tage. 

Wenn  die  Deputatisten  krank  sind,  wird 
ihnen  für  jeden  Tag,  an  welchem  sie  nicht 
arbeiten,  4  ßl.  in  Abzug  gebracht;  dies 
macht  für  5  Tage  —  20  ßl.,  und  von  den 
111/2  Tlr.  G-eldlohn  verbleiben  ihnen  11 
Tlr.  4  ßl. 

180  Arbeitstage  der  Hacker  kosten  dem- 
nach 11  Tlr.  4  ßl.  und  26i/s  Scheffel 
Roggen;  dies  macht  pr.  Tag  2,96  ßl.  und 
0,115  Schfl.  Roggen. 


N^/s   I  Eoggen  221 
Tlr.!   ß         Schfl. 


13 


15 


442/iG 


13  15 


442/16 


G16 


222 


Transport 
Beim  Preise   des   Roggens   von   40  ßl. 
pr.  Scheffel    sind   0,i45    Schfl.   =   5,80  £1. 
Hierzu  der  Geldlohn  von      .     .     .  2,96    „ 


gibt  an  Lohn  für  einen  Arbeitstag  N-  's  8,76  ßl. 

In  der  ersten  Hälfte  dieser  Periode  sind 
2  Tagelöhner,  in  der  zweiten  Hälfte  aber 
ist  nur  1  Tagelöhner  als  Hacker  auf  Deputat 
gesetzt  gewesen ;  im  Durchschnitt  also  1^/2. 

Diese  haben  an  Dej)utat  erhalten: 
11/2  X  11  Tlr.  4  ßl.  =  16  Tlr.  30  ßl. 
11 '2  X  261/8  Schfl.  =  393/16  Schfl.  Roggen. 

Da  die  Tagelöhner  sich  jahresweise  beim 
Hacken  ablösen,  so  muß  dies  Deputat  auf 
11  Mann  repartiert  werden;  dies  gibt  für 
jeden  

Die  Hacker  arbeiten  li  2  X  180  =  270 

Tage.    Auf  jeden  der  11  Tagelöhner  fallen 

270 
also      ^Y  ^^  24,5  Arbeitstage  beim  Hacken. 

7.  Arbeiten  im  Tagelolin. 

Im  Durchschnitt  der  10  Jahre  von  1810 
bis  1820  hat  ein  Tagelöhner  für  die  Herr- 
schaft gearbeitet  284,f;  Tage. 


N 

Tlr. 

2/ 

ßoggen 
Schfl. 

13 
1 

15 

25 

442/16 

3»/l6 

14 

40 

47 11/16 

—    617     — 


Trausport 
Die  bisher  aufgeführten  Arbeiten  nehmen 
davon  hinweg: 

1.  das  Dreschen 149  Tage 

2.  das  Torfstechen     ....     18,i    „ 

3.  das  Aufräumen  der  Bracli- 
gräben 6,3    „ 

4.  die     sonstigen     Grabenar- 
beiten   6)^      ?5 

5.  die  übrigen  Aktordarbeiten     22,o    ,, 

6.  das  Hacken 24,5    ,, 

226,oTage. 

Für  Arbeiten  in  Tagelohn  bleiben  58  Tage. 

Davon  mögen  fallen  auf  die  Winterperiode 

vom   1.  November  bis   1.  März   15  Tage, 

von  welchen  jeder  Tag  mit  7  ßl.  bezahlt 

wird,  macht 

und  43  Tage  auf  die  Sommerperiode,  in 
welcher  8  ßl.  Tagelohn  gegeben  wird,  macht 

8.  Deputat. 

Jeder  Tagelöhner  erhält,  statt  des  früher 
für  ihn  gesäeten  Scheffels  Roggen    .    .     , 

9.  Arbeiten  der  Frau. 

Nach  dem  zehnjährigen  Durchschnitt  ha- 
ben die  Frauen,  welche  keinen  Hofgänger  hal- 
ten, im  Jahr  gearbeitet  175,i  Tage.    Davon 


N%   I  Roggen    223 

Tlr.l   ß         Schfl. 


14  40!  4711/10 


24,    9'  5211/16 


61S 


224 


Transport 
sind  —  wie  oben  angegeben  ist  —  im 
Akkord  gearbeitet  44  Tage  ä  6^/2  ßl.    .     . 

Für  die  anderen  Arbeiten  bleiben  131,i 
Tage. 

Die  Frau  leistet  für  die  Wohnung  usw. 
uuentgeltliclie  Hoftage  104. 

Bezahlt  werden  27,4  Tage  a  4  ßl.      .     . 


iTlr. 


24 


Roggen 
Schfl. 


46 


14 


5211/16 


Der  Jahresverdienst  eines   Tagelöhners, 
der  keinen  Hofgänger  hält,  beträgt  demnach  1  32 


21 


5211/16 


§  2. 

Berechnung   des  Ertrags  und  der  Kosten  der  zu 

Tellow   gehaltenen  Kühe  für   den  Zeitraum  vom 

1.  Juli  1833  bis  1.  Juli  1847. 

Unter  den  Emolumenten,  welche  die  Arbeiter  erhalten, 
nimmt  die  Haltung  einer  Kuh  eine  bedeutende  Stelle  ein. 
Um  die  Kosten  einer  Tagelöhnerfamilie  berechnen  zu  können, 
muß  man  deshalb  wissen,  welches  der  Reinertrag  der  Kühe 
ist,  und  wie  viel  die  Haltung  einer  Kuh  füi-  die  Dorfleute 
dem  Gut  kostet. 

Die  Ermittelung  des  Rohertrags  der  Kühe  an  Butter 
usw.  und  der  Kosten,  welche  mit  der  Kuhhaltung  verbunden 
sind,  hat  aber  da,  wo  die  Meiereiwirtschaft  mit  der  Haus- 
wirtschaft verbunden  ist,  sehr  große  Schwierigkeiten ;  indem 


—    619    — 

einesteils  der  Verbrauch   an  Milch  und  Butter  schwer  zu 
kontrollieren  und  in  Zahlen  anzugeben  ist,  und  indem  andern- 
teüs  die  mit  der  Milchwirtschaft  beschäftigten  Leute  neben- 225 
her  viele  andere  Arbeiten  in  der  Haushaltung  besorgen. 

Sehr  willkommen  war  es  mir  daher,  daß  Herr  Stau- 
dinger, der  auf  dem  Gut  Wüstenfelde  bei  einer  beträcht- 
lichen HoUänderei  die  Meiereiwirtschaft  von  der  Hauswirt- 
schaft ganz  trennte,  die  Güte  hatte,  mir  die  Resultate  seiner 
HoUänderei  vom  Jahr  1827/28  vorzulegen,  und  mir  dann 
die  Notizen,  welche  ich  zur  Berechnung  der  auf  die  einzel- 
nen Zweige  fallenden  Arbeiten  und  Kosten  bedurfte,  bereit- 
willig mitteilte. 

In  der  nachstehenden  Berechnung  sind  nun  die  aus 
der  Wüstenfelder  Rechnung  gezogenen  Daten ,  uameutlich 
die  über  die  mit  der  Meiereiwirtschaft  verbundenen  Ar- 
beiten benutzt  und  mit  den  Modifikationen,  welche  die  ver- 
änderten Verhältnisse  nötig  machten ,   zur  Basis  genommen. 

In  bezug  auf  den  Rohertrag  der  Kühe  zu  Tellow  ist 
zu  bemerken: 

1.  daß  der  Milchertrag  der  Kühe  für  jedes  Jahr  aus  den 
Rechnungen  zu  ersehen  ist; 

2.  daß  in  den  Jahren  1845—48  auch  der  Butterertrag 
stets  angeschrieben  ist; 

3.  daß  die  Rechnungen  den  Preis  der  Butter  für  jedes 
Jahr  genau  ergeben;  und 

4.  daß  für  das  Jahr  1845/46  eine  sorgfältig  geführte 
detaillierte  Berechnung  über  den  Wert  sämtlicher  Pro- 
dukte, die  die  Kühe  geliefert  haben,  vorliegt,  und 
daß  hiernach  der  Wert  der  Milch  pr.  Pott  berechnet 
worden. 


—    620    — 

226 Milchertrag.  Im  Durchschnitt  der  14  Jahre  von  1833 
bis  1847  hat  die  Kuh  1682  Pott*)  Milch  gegeben. 

Buttergehalt  der  Milch.  Im  Durchschnitt  der  drei 
Jahre  von  1845  bis  1848  sind  zu  einem  Pfund  Butter 
erforderlich  gewesen  15-/3  Pott  Milch. 

Butterertrag.     Wenn  sämtliche  MOch  zur  Butterproduk- 

1682 
tion   verwandt   wäre,   so  hätte   die  Kuh  zt^ht-  =  107,4 

Pfund  Butter  gegeben. 

Yiehrasse.  Die  Herde  besteht  ungefähr  zu  gleichen 
Teilen  aus  jütländischen  und  angelschen  Kühen.  Das 
Gewicht  der  Kühe  im  lebenden  Zustand  schätze  ich 
auf  650  Pfund. 

Butterpreis.  Im  Durchschnitt  der  14  Jahre  ist  der 
Preis  des  in  einem  Pfundfaß  gemessenen  und  nach 
einer  benachbarten  Stadt  frisch  verkauften  Pfundes 
Butter  gewesen  —  7,77  ßl.  N^/s.  Im  Durchschnitt  der 
drei  Jahre  von  1845  bis  1848  sind  100  gemessene 
Pfunde  =  107,5  Pfunde  ä  32  Lot  gewesen.  Der 
Preis  des  richtigen  Pfundes  von  32  Lot  ist  demnach 

7,77    X    ^^    =    7,23    ßl.    N2/3. 

Wert  der  Milch  auf  dem  Gute  selbst.  Aus  der 
detaillierten  Berechnung  vom  Jahr  1845/46  hat  sich 
ergeben,  daß  durch  die  Einnahme  für  Butter,  nach  Ab- 
zug der  Verkaufs-  und  Transportkosten  derselben,  und 
durch  die  Nutzung  der  sauren  Milch,  vermittels  der 
Schweinemastung ,  ein  Pott  Milch  auf  dem  Gut,  also 
an  dem  Erzeugungsort  selbst,  in  diesem  Jahr  den  Wert 
von  0,6953  ßl.  N2/3  hatte. 


*)  100  Pott  sind  eiuer  glaubwürdigen  Angabe  nach  gleich 
79  Berliner  Quart. 


—    621    — 
Der  Preis  der  Butter    ist   gewesen   im  Jahr  1845/46  227 

8,05    ßl.    N2/3 

im  Durchschnitt  der  Jahre  1833 — 1847  7,23  ßl.  pr.  Pfund 
von  32  Lot.  Das  Verhältnis  zwischen  beiden  Preisen 
ist  also  wie  8,05  :  7,23  =  1000  :  898. 

Da  der  "Wert  der  Milch  durch  den  Preis  der  Butter 
bedingt  wird,   so   ergibt  sich  hieraus  für  den  Zeitraum 
von    1833   bis    1847    der   Wert    eines    Pott  Milch    = 
898 

0,6953    X    TKKK    =    0,625    Odcr    ^/s    ßl. 

"Wert  des  Erzeugnisses  einer  Kuh  im  Durch- 
schnitt der  Jahre  1833  bis  1847.  Der  Milch- 
ertrag einer  Kuh,  die  jährlich  1682  Pott  Milch  gibt, 
hat  den  Wert  von  1682  X  '^/s  =  1051  ßl.  =  21  Tlr.  43  ßl. 
Hierzu  kommt  der  Wert  des  Kalbes.  Der  Durch- 
schnittspreis eines  nüchternen,  1  bis  3  Tage  alten  Kalbes 
ist  ca.  32  ßl.  Da  aber  nicht  jede  Kuh  jährlich  ein  Kalb 
bringt,  indem  einzelne  Kühe  güst  bleiben  oder  versetzen 
oder  tote  Kälber  zur  Welt  bringen,  so  kann  man  hierfür 
10  %  abrechnen,  und  die  Einnahme  von  der  Kuh  durch 
das  Kalb  bleibt  dann  29  ßl. 

Der  ganze  Wert  des  Erzeugnisses  einer  Kuh  ist  dem- 
nach 21  Tlr.  43  ßl.  +  29  ßl.  =  22  Tlr.  24  ßl.  N^/s. 


Berechnung  der  Unkosten,  die  mit  der  Kuhhaltung 
verbunden  sind. 

1.  Arbeitskosten  bei  der  Milchwirtschaft. 

Zu  Wüstenfelde  sind  diese  Kosten,  mit  Ausschluß  des 
Butterns  während  des  Sommers  —  wo  dies  durch  ein  Pferd 
betrieben  wurde  —  für  109  Kühe  berechnet  zu  229  Taler 
15  ßl.    Dies  macht  pr.  Kuh  2  Tlr.  5  ßl. 


622 


228         Die  Unterhaltskosten  eines  Mädchens  in    der  Meierei- 
wirtschaft sind  dort  berechnet  zu  55  Tlr.  46  ßl. 

Obige  229  Tlr.  15  ßl.  sind  gleich  den  Unterhaltskosten  von 
229  Tlr.  15 


55  Tlr.  46 


4,1  Mädchen. 


Auf  109  Kühe  kommen  4,i  Mädchen ;  dies  gibt 
26.6  Kühe  auf  1  Mädchen.  Die  Kühe  hatten 
durchschnittlich  1882  Pott  Milch  gegeben;  zu 
1  Pfund  Butter  waren  17, 4C  Pott  Milch  er- 
forderlich, und  der  Butterertrag  pr.  Kuh  war 
107,8  Pfund. 

Zu  Tellow  steigern  sich  diese  Kosten  dadurch, 
daß  der  Lohn  der  Mädchen  höher  ist,  daß  das 
Buttern  durch  Menschen  geschieht,  und  daß  das 
ßüttenscheuern  im  Sommer  nicht,  wie  in  Wüsten- 
felde, vor  dem  Milchen  geschieht  —  der  Berech- 
nung zufolge  um  20  ßl.  pr.  Kuh. 

Die  Arbeitskosten  betragen  hier  demnach  pr. 
Kuh  2  Tlr.  5  ßi.  +  26  ßl.  = 

2.   Aiifsjichtskosten. 

"Wenn  auf  100  Kühe  eine  Meierei  gehalten 
wird,  die  das  fiahmen,  Butterbereiten  und  andere 
Nebenarbeiten  besorgt,  zugleich  aber  auch  die 
Aufsicht  führt,  so  rechne  ich  die  Unterhaltskosten 

derselben  auf 80  Tlr. 

den  Lohn 40    „ 

120  Tlr. 


Tlr.  1     ß 


31 


31 


—     623 


Transport 
Diese  120  Tlr.  auf  100  Kühe  verteilt,  gibt  für 
eine  Kuh  1  Tlr.  9,6  ßl. 

Wenn  Hauswirtschaft  und  Milchwirtschaft  mit- 
einander verbunden  sind,  so  ist  es  fast  unmög- 
lich zu  bestimmen,  welcher  Teil  der  Unterhalts- 
kosten der  Wirtschafterin  auf  jeden  der  beiden 
Zweige  fällt. 

Ich  setzQ  deshalb,  wie  in  einer  abgeschlossenen 
Meiereiwirtschaft,  die  auf  eine  Kuh  fallenden 
Aufsichtskosten  an  zu 


3.   Salz  und  Butter. 

Zu  Wüstenfelde  sind  in  6  Jahren  für  625  Kühe 
gebraucht  110  Schfl.  Dies  macht  pr.  Kuh  jähr- 
lich 0,175  Schfl.  ä  20  ßl 


4.  Feuerung:. 

Zu  AVüstenf  elde  sind  pr.  Kuh  gerechnet  250  Soden 
Torf,  oder  Vio  Fuder  Ellernholz.  Podewils  rechnet 
pr.  Kuh  V;.  Klafter  Ellernholz. 

Hier  nehme  ich  pr.  Kuh  300  Soden  Torf  an, 
das  Tausend  zu  20  ßl.  gerechnet,  gibt .... 

5.  Arznei 

nebst  dem  Schrot,   welches   die  Kühe  zuweilen 
nach  dem  Kalben  bekommen 


Tlr.   1      ß 


229 


31 


9,0 


0,5 


6,1 


—     G24     — 


230 


NVs 


Transport 
6.  Zinsen  vom  Wert  des  Milcheugeräts. 

So  wie  das  Milchengesclürr  hier  bisher  gewesen 
ist,  mag  der  AVert  desselben  pr.  Kuh  2  Tlr.  be- 
tragen.   Hiervon  die  Zinsen  zu  4  ^/o 

Wenn  eiserne  Satten  statt  der  hölzernen  Bütten 
gehalten,  alles  Milchengeschirr  mit  eisernen  Bän- 
dern versehen,  und  eine  Buttermühle  gehalten 
wird,  so  steigen  die  Anschaffungskosten  des 
Milchengeräts  weit  höher  —  wogegen  sich  dann 
aber  die  Erhaltungskosten  des  Gescliirrs  und  die 
Arbeitskosten  für  das  Milchenwesen  vermindern. 

7.  Abnutzung  und  Erhaltungskosten  des 
Milchengeräts. 

Diese  schätze  ich  pr.  Kuh  zu 


8.  Abnutzung  oder  jährliclie  Wertver- 
minderung der  Kühe. 

Um  diese  mit  einiger  Genauigkeit  zu  ermitteln, 
ist  eine  spezielle  Berechnung  erforderlich.  Der 
nachstehenden  Rechnung  liegen  nun  folgende  An- 
sätze zugrunde: 

1.  Yon  100  Kühen  sterben  jährlich  drei,  und 
zwei  Kühe  werden  wegen  geringen  Milch- 
ertrags oder  sonstiger  Fehler  ausgeschlossen. 

2.  Die  Starken  werden  eingeschossen,  wenn 
sie  dreijährig  (d.  h.  im  3.  Lebensjahr)  sind, 
und  kosten  das  Stück  24  Tlr.  N2/.3. 


Tlr. 


6,1 


3,8 


12 


4  I  21,9 


—    625    — 


Transport 
3.  die  Kühe  werden  abgesetzt,  wenn  sie  13  jährig 
sind.    Der  Verkaufspreis  der  alten  Absatz- 
kühe und  der  jüngeren,  wegen  geringen  Milch- 
ertrages ausgeschlossenen  Kühe  ist  16  Tlr. 

N2/3. 

Aus  welcher  Kopfzahl  besteht  nun  eine  Herde, 
die  jährlich  100  Starken  einschießt? 
Vorhanden  sind: 


Beim  Ankauf 

100       3jälirige, 

davon  nach 

1  Jahre  .     . 

95       4  jährige, 

5?                   11 

2 

Jahren     . 

90,3     5  jährige, 

H                  5) 

3 

)? 

85,8     6  jährige, 

51                  •>■) 

4 

•>■> 

81.5     7  jährige, 

?1                   5) 

5 

V 

77,4    8  jährige, 

•>■)                   ?J 

6 

■>■) 

73,5     9  jährige, 

V                  V 

7 

V 

69,8  10  jährige, 

5?                  V 

8 

55 

66,3  11jährige, 

7?                  5J 

9 

55 

63     12  jährige. 

Summe  802,0. 

Im  Herbst  jedes  Jahrs  beim  Eintritt  der  Star- 
ken  besteht  also  diese  Herde  aus  802,(;  Haupt, 

Dann  sind  aber  außerdem  noch  vorhanden 
€4  X  ^^/2o  =  60  dreizehnjährige  Absatzkühe,  die 
verkauft  werden. 


Tlr.   I     ß 


231 


4     21,9 


4     21,9 


Thünen,  Der  isolierte  Staat. 


40 


—    626    — 


•232 


Transport 

Die  Einnahme  für  60  Kühe  a  16  Tlr.  be- 
trägt       960  Tlr. 

Außer  diesen  Absatzkülien  beträgt  der 
jährliche  Abgang  100  -f-  60  =  40  Haupt, 
darunter  sind:  Gestorbene    .  24      „ 
wegen  Mangelhaftigkeit  Aus- 
geschossene      16      „ 

Für    letztere    "werden    eingenommen 
a  16  Tlr 256     „ 

Die  Häute  der  24  gestorbenen  Kühe 
haben,  ä  2  Tlr.,  einen  Wert  von      ,     .     48    „ 

Summe  der  Einnahme  für  verkaufte 
Kühe  und  Häute 1264  Tlr. 

Die  Ausgabe  für  100  Starken  beträgt  2400. 
Die  Erhaltung  einer  Kuhherde  von  802,g  Haupt, 
in  gleicher  Zahl  und  gleichem  Wert,  kostet  dem- 
nach 2400  -^  1264  =  1136  Tlr.  Auf  eine  Kuh 
fällt  demnach 

9.    Zinsen  vom  Wert  der  Kiilie. 

Wenn  man  den  Wert  der  4-  und  5jährigen 
Kühe  dem  der  3  jährigen  gleich  setzt  und  zu  24  TLr. 
pr.  Stück  annimmt;  vom  5jährigen  bis  zum 
18  jährigen  Alter  aber  eine  Wertsabnahme  von 
24  bis  zu  16  Tlr.,  also  für  jedes  Jahr  1  Tlr. 
in  Anrechnung  bringt,    so    ist   der   Wert  einer 


Tlr.   j     ß 

~     2l7 


1     20 


627     — 


Transport 
regelmäßigen,  aus  803  Haupt  bestehenden  Herde 
folgender : 


3  jährige 

Kühe 

100 

4  jährige 

7) 

95 

5  jährige 

V 

90,3 

TIr. 

285,3  ä  24 

=  6847,2  Tlr. 

6  jährige 

Kühe 

85,8  a  23 

)) 

=   1973,4     „ 

7  jährige 

?i 

81,5  ä  22 

51 

=  1793,0     „ 

S  jährige 

5' 

77,4  ä  21 

5? 

=   l'J25,4      „ 

9  jährige 

5' 

73,5  ä  20 

11 

-    1470,0      „ 

10  jährige 

» 

69^8  ci  19 

11 

=  1326,2     „ 

11jährige 

5) 

66,3  a  18 

11 

=   1193,4     „ 

12  jährige 

)5 

63     ä  17 

V 

=  1071,0     „ 

802,0  17299,6   Tlr. 

802,6  Haupt  haben  einen  Wert  von  17  299,6  Tlr. 

Dies    macht  pr.  Haupt  —   21,55   Tlr.     Hiervon 

die  Zinsen  von  4  "/o,  macht  0,s62  Tlr 


10.   Zinsen  vom  Wert  der  Schweine. 

Insofern  die  Schweine  als  Mittel  zur  Ver- 
wertung der  sauren  Milch  gehalten  werden,  ge- 
hört die  Ausgabe  auf  das  Konto  der  Kühe. 

Rechnet  man  zu  diesem  Zweck  auf  8  Kühe 
3  Schweine,  ä  10  Tlr.  Wert,  so  fallen  auf  eine 
Kuh  die  Zinsen  von  3'^/i  Tlr.,  gleich      .... 


N^/a        233 


Tlr. 


41,9. 


41,4 


6     42,i 


40* 


—    628    - 


■234 


Transport 

11.   Meiereigebäude. 

Die  Erbauungskosten   eines  solchen  Gebäudes 
für  60  Kühe   betragen   ca.  800  Tlr.;   davon   die 

Zinsen 32  Tlr.  —  ßl. 

Die  Abnutzung,  Reparatur  und  die 
Braudkassenbeiträge  zu  ^/i;  %  des 
Erbauungskapitals  berechnet,  macht      6     „   32  „ 
Für    Reinigung    des    Schornsteins      1     „    32  „ 

40  Tlr.  16  ßl. 

Diese  40  Tlr.  16  ßl.  auf  60  Kühe  verteilt  gibt 


12.    Schweinestall. 

Für  eine  Holländerei  von  60  Kühen  betragen 
die  Erbauungskosten  eines  solchen  Stalls  zirka 
200  Tlr.    Die  dafür  in  Anrechnung  zu  bringende 


Tlr. 

ß 

6 

42,5 

i 

1 

32,3 

Th-. 
auf 


a 
60 


4W6  o/o,    beträgt    9    Tlr. 


Kühe   verteilt,   gibt    für 


Miete  =  200 
32  ßl.  Diese 
jede  Kuh 

Diese  12  Ausgabeposten,  welche  zusammen 
7  Tlr.  34^.2  ßl.  betragen,  faUen  weg,  wenn  statt 
der  Hofkuh  eine  Dorfkuh  gehalten  wird. 


34,5 


G29 


Transport 

Fortsetzung    der    Ausgabeberechnung, 

und  zwar  der  Kosten,  welche  auch  auf 

die  Kühe  der  Dorfleute  fallen, 

13.   Kosten  des  Kulihirteii. 

Der  Kuhhirt  kostet  mit  Deputat  uud  Emolu- 
menteu,  nach  Abzug  der  Dienstleistung  seiner 
Frau*)  ca.  93  Th-. 

In  dem  14  jährigen  Zeitraum  von  1833 — 47 
sind  inkl.  der  Dorfkühe  und  der  Bullen  auf  der 
Weide  gewesen  827^/2  Haupt.  Dies  macht  im 
Durchschnitt  jährlich  59  Haupt. 

In  der  zweiten  Hälfte  dieser  Periode  sind 
sämtliche  Dorfkühe  im  Winter  auf  dem  Hofe 
durchgefuttert.  In  der  ersten  Hälfte  dieses  Zeit- 
raums blieb  aber  noch  ein  Teil  dieser  Kühe  im 
Dorf.  Die  Zahl  der  im  ganzen  auf  dem  Hofe 
durchgefutterten  Kühe  beträgt  784.  Dies  macht 
im  Durchschnitt  jährlich  56.  Im  Sommer  und 
Winter  zusammen  beträgt  also  die  Zahl  der  Kühe, 


wofür  der  Kuhhirt  gehalten  ist, 

Die  Kosten   des  Kuhhirten   = 
Haupt  repartiert,  gibt  pr.  Kuh 


59  4-  56 


=  571/2 


93  Tlr.   auf  57^/2 


*")  Das  Deputat,  welches  der  Kuhhirt  an  Korn 
und  Geld  erhält,  beträgt  ungefähr  5  Tlr.  weniger 
als  der  Jahresverdienst  eines  Tagelöhners. 


N 
Tlr. 

ß 

7 
1 

34,5 
30 

9 

16,5 

235 


—    630     — 


236 


Transport 
(Für  eine  Herde  von  86  Kühen,  wie  sie  sich 
gegenwärtig  zu  Tellow  befindet,  vermindern  sicli 
diese  Kosten  pr.  Kuh  um  26  ßl.) 

14.   Hilfe  beim  Tränken  des  Viehes   durch 
ein  Hofmädchen. 

Diese  Arbeit  nimmt  täglich  etwa  ^/i  der  Arbeits- 
zeit eines  Mädchens  in  Anspruch.  Dies  macht 
in  195  Tagen  49  ganze  Arbeitstage.  Den  Tag 
zu  7  ßl.  gerechnet,  macht  7  Tlr.  7  ßl.,  und  diese 
auf  56  Haupt  repartiert,  gibt  pr.  Kuh    .     ... 

15.    Ställe  ausmisten. 

Diese  Arbeit  erfordert  auf  25  Haupt  wöchent- 
lich die  Tagesarbeit  einer  Frau.    Hiernach  sind 
für  56  Haupt  in  195  Tagen  an  Tagearheiten  einer 
Frau  erforderlich  —  62,i.     Die  Kosten  der  Arbeit 
einer  Frau  sind  berechnet,  für  den  Zeitraum 
vom   1.  Nov.  bis   25.  März   pr.  Tag   zu   6-'/;)  ßl., 
„  25.  März    „     14.  Mai      „      „      „    9V3    „ 
„     1.  Nov.     „     14.  Mai  im  Durchschnitt  7       „ 
Diese  Arbeit  kostet  also   62,4  Fr.,   a  7  ßl.  = 
9,1  Tlr.,  und  beträgt  für  eine  Kuh 

16.    Errichtuiift-  einer  Milchen})ucht. 

Diese  wird  in  der  Regel  zu  ^U  DR.  pr-  Kuh  an- 
gelegt und  hat  für  59  Kühe  einen  Umfang  von 
26  Ruten. 


Tlr.  I     ß 


631    — 


Transport 
Nach  einer  besonderen  Berechnung  kostet  eine 
Rute  an  Arbeit  von  Menschen  und  Pferden, 
nebst  den  Zinsen  vom  Wert  der  Pföste  und 
Koppelricke,  und  deren  Abnutzung  —  5^/4  ßl. 
Dies  gibt  für  26  Ruten  3  Tlr.  6  ßl.,  und  für 
jede  der  59  Kühe 

17.  EiTichtuiig-  einer  Naclitkoppel. 

In  den  14  Jahren  ist  nur  etwa  4  mal  eine 
Nachtkoppel  gemacht,  deren  Umfang  ca.  200  Ruten 
betrug  und  deren  Errichtung  200  X  5^/4  ßl.  = 
23  Tlr.  46  ßl.  kostete.  Für  4  Jahre  beträgt 
dies  95  Tlr.  40  ßl.,  und  in  14  Jahren  durch- 
schnittlich 6  Tlr.  40  ßl.  auf  das  Jahr.  Auf 
59  Kühe  verteilt,  gibt  dies  pr.  Kuh 

18.   Zinsen  und  Abnutzung 

von  Kuhketten,  Häckselladen,  Wassertrögen,  For- 
ken usw.  Zinsen  pr.  Kuh  etwa  ....  2  ßl., 
Reparatur  und  Abnutzung  ungefähr    .     .    3    ,, 

19.  Das  Reinigen  und  Zerstoßen  der  mit 
den  Kühen  verfütterten  Runkelrüben, 
nebst  dem  Sclmeiden  des  dazu  er- 
forderlichen Häcksels. 

Wenn  mit  56  Kühen  täglich  14  Scheffel 
Runkelrüben  verfüttert  werden,  so  erfordert 


Tlr.   ]      ß 

~9 


—     632 


238 


Transport 

a)  das  Reinigen   und  Zerstoßen   1/2  F.  3V2  ßl., 

b)  das  Schneiden  von  28—35  Scheffel 
Häcksel  V2  M 5'U    „ 

c)  das    Holen    der   Runkeln    aus    der 

Miete  kostet  ca I1/2    „ 


lOVi  ßl. 

Die  Ausgabe  von  10^4  ßl.  täglich  macht  auf 
den  ganzen  Winter  von  195  Tagen  41  Tlr.  31  ßl. 
und  auf  eine  Kuh  35,g  ßl. 

Die  Fütterung  mit  Runkeln  hat  aber  nur  in 
den  letzten  Jahren,  und  dann  auch  nur  mit  einem 
Teil  der  Kühe  stattgefunden.  Im  ganzen  mag 
die  Zeit,  in  welcher  Runkeln  gefuttert  sind,  für 
sämtliche  Kühe  berechnet,  einen  Winter,  also  den 
14.  Teil  dieses  Zeitraums  umfassen. 

35,6  ßl.  in  14  Jahren  ergibt  für  die  Kuh  in 
einem  Jahr 

20.  Miete  für  den  Stallraum  einer  Kuh. 

Wenn  man  die  Zinsen  von  den  Erbauungs- 
kosten eines  Viehhauses,  die  Abnutzung,  die  Re- 
paraturkosten und  die  Brandkassenbeiträge  zu- 
sammen berechnet  —  hiervon  die  Miete  für  den 
oberen  Raum  zur  Aufbewahrung  des  Heues  ab- 
rechnet :  so  ergibt  sich,  nach  einer  speziellen  Be- 
rechnung, daß  auf  eine  Kuh  an  Miete  für  den 
Stallraum  fällt 


N 
Tlr. 

V3 
ß 

9 

43,& 
2,s 

19,9 

10 

■ 

18 

633    — 


Transport 

21.    Miete  für  den  Scheuiieuraum  zur 
Aufbewahrung  des  Heues. 

Nach  der  augefülirten  Berechnung  beträgt  diese 
Miete  für  1  Fuder  Heu  11,5  ßl. 

Die  Kühe  haben  im  14  jährigen  Durchschnitt 
pr.  Haupt  1,15  Fuder  Heu  erhalten.  Auf  eine 
Kuh  fällt  demnach  l,i5  X  11,5  ßl.     .     .     .    .     . 

22.   Werlmngskosten  des  Heues. 

In  dem  zehnjährigen  Zeitraum  von  1810—20 
haben  die  Werbungskosten  des  Heues  pr.  Fuder 
47,4  ßl.  N2/3  betragen.*) 

Die  Kuh  hat  von  1833 — 47  jährlich  l,i5  Fuder 
Heu  erhalten. 

Die  AVerbungskosten  des  Heues  beiragen  dem- 
nach für  eine  Kuh  l,i5  X  47,4  ßl 

23.   Beitrag*  zur  Brandkasse 

für  die  Versicherung  der  Kuh ,   ungefähr   Vi  % 
des  Werts 


*)  Das  Gewicht  des  Fuders  Heu  wird  beim  Ein- 
fahren zu  1800  Pfund  angenommen,  wovon  im  Stall 
10 — 12  o/o  durch  weiteres  Eintrocknen  und  Verdunsten 
verloren  gehen.  Dem  Vieh  wird  deshalb  das  Fuder 
nur  zu  1600  Pfd.  angerechnet. 


Tlr.    !      ß 


239 


10 


18 


13,2 


6,5 


2,5 


11     40,2 


634    — 


240 


Transport 

24.   TJnterlialtung  der  Bullen. 

Von  den  hier  für  die  Kühe  berechneten  Kosten 

.von     . 11  Tlr.  40,2  ßl. 

fallen  für  den  Bullen  weg  die 
Aiiikel  Nr.  1,2,3,4,6,7,10,11 
und  12,  welche  zusammen  be- 
tragen      5    ,,     17,1   ,, 

Es  bleiben  6  Tlr.  23,i  ßl. 
Dagegen  ist  die  jährliche  Werts- 
verminderung des  Bullen  wohl 
doppelt  so  hoch  anzuschlagen  als 
die  einer  Kuh.  Es  kommen  des- 
halb hinzu  .     .     .  ■ 1  Tlr.  20    ßl. 


Summe  der   auf    einen  Bullen 

fallenden  Kosten 7  Tlr.  43,i  ßl. 

Rechnet  man  nun,  daß  auf  100  Kühe  3  Bullen 
gehalten  werden  müssen,  so  kommen  von  diesen 
Kosten    auf   eine   Kuh    7   Tlr.  43,i   ßl.  X  ^/loo. 


1V2' 
■1-^    ,3 

Tlr.         ß 


11 


Summe  aller  auf  eine  Kuh  fallenden  Kosten 
Der  Rohertrag  der  Kuh  ist 


Der  Reinertrag  ist  also 


40,2 


11,4 


12       3,6 
22  I  24 


10     20,4 


Anmerkung.  Bringt  man  aber,  wie  dies  gewöhnlich 
geschieht,  die  Zinsen  und  Unterhaltungskosten  der  für  die 
HoUänderei  nötigen  Gebäude  nicht  in  Abzug,  so  fallen  die 
sub  Nr.  11,  12,  20  und  21  aufgeführten  Artikel  mit  1  Tlr. 
25,1  ßl.  aus  den  Kosten  weg  und  der  Ertrag  der  Kuh  wird 
dann  berechnet  zu  11  Tlr.  4r),5  ßl.  Wis. 


—    635    — 

100  Kühe  geben  demnach  einen  Reinertrag  von  100  X  "-^41 
10  Tlr.  20,i  ßl.  =  10421/2  Tlr, 

100  Kühe  und  3  Bullen,   zusammen  also  103  Haupt, 
bezahlen  das  Futter,  das  sie  erhalten,  mit  1042 V2  Tlr. 

Dies  gibt  pr.  Haupt  10  Tlr.  6  ßl.  WI3. 


Die  genaue  Berechnung  des  Reinertrags  der  Kühe  und 
der  sich  daraus  ergebenden  Nutzung  des  Futters  dient  nicht 
bloß  zur  richtigen  Ermittelung  der  Kosten  einer  Tagelöhner- 
familie, sondern  ist  dem  Landwirt  durchaus  notwendig  zur 
Beantw^ortung  und  Entscheidung  der  Fragen: 

1.  Ist  der  Anbau  der  Wurzelgewächse  zum  Viehfutter 
für  das  gegebene  Lokal  zweckmäßig  und  vorteilhaft'? 

2.  Welcher  Aufwand  darf  auf  die  Verbesserung  der 
Wiesen  zur  Erlangung  eines  höheren  Heuertrages 
gemacht  werden? 


Wenn  zuvor  die  Aufgabe  gelöst  ist,  aus  dem  Reinertrag 
einer  Kuh  den  Futterwert  von  Gras,  Heu  und  Stroh  dar- 
zustellen :  so  ergibt  sich,  wenn  für  den  Acker  die  Kosten  der 
Besamung  mit  Klee-  und  Grassamen,  fiü'  die  Wiesen  die 
Kosten  des  Grabenaufräumens  und  der  sonstigen  Unterhaltung 
in  Abzug  gebracht  werden ,  der  Reinertrag  der  Ackerweide 
und  der  Wiesen. 

Man  darf  aber  nicht  glauben,  daß  dieser  Reinertrag 
identisch  ist  mit  der  Landrente.  Denn  wenn  wir  auch  für 
aUe  Getreidearten  und  die  sonst  gebauten  Gewächse  den 
Reinertrag  auf  ähnliche  Weise  berechnen  und  auch  für  diese 
die  Zinsen  und  Unterhaltungskosten  der  Gebäude,  die  sie  er- 


—     636     — 

fordero,  in  Anrechnung  und  Abzug  bringen :  so  werden  damit 
doch  die  allgemeinen  Kulturkosten  nicht  erfaßt  und  gedeckt. 
Zu  diesen  allgemeinen  Kulturkosten  gehören,  wenn  man 
auch  die  Abgaben  an  Staat  und  Kirche  —  die  von  der  Land- 
242rente  selbst  zu  entnehmen  sind  —  davon  ausschließt,  doch 
noch  folgende: 

1.  Administrationskosten   und  Gewerbsprofit  des  Unter- 
nehmers,  oder  Unterhalt  und  Glewinn   des  Pächters; 

2.  Zinsen  vom  Wert  des  Wohnhauses  und  Erhaltungs- 
kosten desselben; 

3.  Zinsen  vom  Betriebskapital ; 

4.  Unterhaltung  von  Wegen,  Brücken  und  Scheidegräben ; 

5.  Kosten  der  Unterhaltung  einer  Schule   für  die  Dorf- 
kinder. 

Die  außerordentliche  Meinungsverschiedenheit  der  Land- 
wirte über  die  Frage: 

ob  und  inwieweit  aus  der  gewöhnlichen  Viehhaltimg 
eine  Landrente  vom  Boden  gewonnen  wird, 
entspringt  hauptsächlich  daraus,  daß  man  gewöhnlich  die 
Kostenansätze  nicht  aus  der  Wirklichkeit  —  den  längere  Zeit 
geführten  Rechnungen  —  entnimmt,  sondern  einer  trügeri- 
schen, oberflächlichen  Ansicht  folgt  und  dann  manche  Aus- 
gabeposten ganz  übersieht  und  vergißt. 


63< 


Teilung-  der  Kosten  der  Meiereiwirt- 
schaft in  solche,  die  mit  der  Größe 
des  Milchertrags  im  Verhältnis 
stehen,  und  in  solche,  die  von  der 
Zahl  der  Kühe  ahhängig  sind. 

1.  Arbeitskosten 

2.  Auf  Sichtskosten.  Diese  mögen  etwa 
zu  ''Is  der  ersten  und  zu  ^/s  der 
zweiten  Klasse  angehören,  dies  gibt 

3.  Salz  zur  Butter 

4.  Feuerung 

5.  Arzenei 

6.  Zinsen  vom  Wert  des  Milchengeräts 

7.  Abnutzung  desselben 

8.  Abnutzung  der  Kühe 

9.  Zinsen  vom  Wert  der  Kühe  .     .     . 
10.  Zinsen  vom  Wert  der  Schweine     . 

11.  Das  Meiereigebäude 

12.  Der  Schweinestall 

13.  Kosten  des  Kuhhirten 

14.  Hilfe  beim  Tränken  der  Kühe    .     . 

15.  StäUe  ausmisten    ....... 

16.  Errichtung  einer  Milchenbucht  .     . 

17.  Errichtung  einer  Nachtkoppel     .     . 

18.  Zinsen    und   Abnutzung   von   Kuh- 
ketten, Wassertrögen  usw.      .     .     . 

19.  Reinigen  und  Zerstoßen  der  Runkel- 
rüben    

20.  Miete  für  den  Stallraum    .... 

23.  Beitrag   zur   Brandkasse    für   Yer- 
sicherung  der  Kuh 

24.  Unterhaltung  der  Bullen    .... 

Summe 


,  Kosten,  diej 
i  mit  dem  ! 
Milchertrag 
im  Verhält 
nis  stehen. 

iTlr.l       ß 


19 


2,4 

3,5 

6 

3,8 

12 


7,2 
32,3 

7,7 


4  I  45,9 


Tlr. 


Kosten,  die  243 
unabhän- 
gig vom 

Milchertrag 
sind. 


ß 


12 


7,2 


20 

41,4 


30 

6,1 

7,8 
2,6 

5,(i 


2,5 
19^9 

2,5 

11,4 

34 


—     638     — 

244  Die  "Werbungs-  und  Ai;fbewalirungskostea  des  Heues 
gehören  —  da  mit  der  Steigerung  der  Heufütteruug  der 
Milchertrag  nicht  im  direkten  Verhältnis  wächst  —  vreder 
der  einen  noch  der  anderen  Klasse  an,  sondern  bilden  eine 
eigene  Ausgabenklasse. 

Die  mit  der  Meiereiwirtschaft  verbundenen  Kosten  zer- 
fallen demnach  in  drei  Klassen,  und  betragen  pr.  Kuh 

A.  Kosten,  die  mit  dem  Milchertrag  im  Verhältnis  stehen 

4  Tlr.  45,9  ßl. 

B.  Kosten,  die  auf  die  Kühe  selbst  fallen     5     .,     34      „ 

C.  Aufbewahrungs-  und  Werbekosten  des 

Heues 1     „     19,:    „ 

wie  oben  12  Tlr.     3,6  ßl. 

Die    Kuh    gibt    einen    Rohertrag    von  22     „     24      „ 

Die  Ausgabenklassen  A  und  B  be- 
tragen   10     „     31.9   „ 

Wenn  die  Werbe-  und  Aufbewahrungs- 
kosten des  Heues  nicht  in  Abzug  gebracht 
werden,  so  liefert  die  Kuh  einen  Über- 
schuß von 11     „     40,1   „ 

Die  Zahl  der  Kälber,  die  geboren  werden,  steht  im  Ver- 
hältnis mit  der  Zahl  der  Kühe.  Die  Einnahme  für  Kälber 
ist  pr.  Kuh  berechnet  zu  29  ßl.  Zieht  man  diese  von  den 
Kosten,  die  auf  die  Kühe  selbst  fallen,  ab,  so  bleibt  die  Aus- 
gabenklasse B  5  Tlr.  .j  ßl.  =  5,1  Tlr.  pr.  Kuh. 

Der  Milchertrag  der  Kuh  ist  1682  Pott.  Die  mit  dem 
Milchertrage  im  Verhältnis  stehenden  Kosten  betragen  4  Tlr. 
45,9  ßl. 

Für  1  Pott  Milch  betragen  diese  Kosten 

237,9  ßl.  X  -y^  =  0,111  ßl. 


—    639    — 
Der  "Wert    der  Milch  pr.  Pott  ist   oben   berechnet  zu  245 

0,025   ßl. 

Hiervon  ab  die  Kosten  pr.  Pott  mit  ....    0,i4i    „ 

gibt  Überschuß  für  1  Pott  Milch 0,484  ßl. 

Für  100  Pott  Milch  beträgt  demnach  der  Überschuß 
48,4  ßl.  =  1,01  Tlr. 

Der  Milchertrag  einer  und  derselben  Kuh  ist  keine  be- 
ständige Größe,  sondern  ändert  sich  mit  der  Quantität  und 
Qualität  des  Putters,  das  sie  erhält.  Es  ist  deshalb  von  be- 
deutendem Interesse  für  den  Landwirt,  zu  wissen,  wie  sich 
mit  dem  Milchertrag  der  Kuh  deren  Reinertrag  ändert. 

Durch  die  Trennung  der  Ausgaben,  die  mit  dem  Milch- 
ertrag steigen  und  fallen,  von  den  Ausgaben,  die  sich  stets 
gleich  bleiben,  die  Kuh  mag  viel  oder  wenig  Milch  geben, 
sind  wir  nun  in  den  Stand  gesetzt,  durch  die  aus  der  Wirk- 
lichkeit entnommene  Berechnung  für  einen  gegebenen  Milch- 
ertrag den  Überschuß  darzustellen,  den  die  Kühe  von  gleicher 
Rasse  und  gleicher  Güte,  für  jeden  —  durch  die  Fütterung 
bedingten  —  Grad  des  Milchertrags  liefern. 


—     640 


246  Darstellung  des  Überschusses  einer  Kuh  hei  ver- 
schiedenem Milchertrag,  wenn  Werbe-  und  Aufbe- 
Avahrungskosten  des  Heues   nicht  abgezogen  werden. 


Milchertrag 
von  einer  Kuh 

Wert  des 
Milchertrags 
pro  100  P. 

zu   1,01 

Tlr.  N2/3 

Unkosten 
pro  Kuh 

Tlr.  N^s 

Überschuß 
vou  einer 

Kuh 
Tlr.  N'^/3 

2000  Pott 

1900     „      

1800      „      

1700     „      

1682      „      

1600     „      

1500     „      

1400     „      

1300     „      

1200     „      

1100     „      

1000     „      

900     „ 

800     „ 

700     „ 

600     „ 

505     „ 

20,20 

19,19 

18,18 
17,17 
16,99 
16,1G 
15,15 

14,1-1 
13,10 
12,1. 
11,11 

10,10 

9,09 

8,08 

7,07 
6,0G 

5,10 

5,10 

15,10 

14,09 

13,os 

12,07 

11,89 

11,00 

10,05 

9,04 

8,03 

7,02 

6,01 
5,00 

3,99 
2,98 
1,97 
0,9G 

0 

G41     — 


§  3. 

Wert  der  Emolumente,  welche  die  Tage- 
löhner zu  Tellow  erhalten. 

1.  Die  Wohiiiing. 

Nach  einer  Berechnung,  die  sich  auf  Behrens 
Landbaukunst  gründet,  kostet  die  Erbauung  eines 
Dorfhauses  (hier  Katen  genannt)  von  4  Wohnun- 
gen und  der  Größe,  wie  die  hiesigen  älteren  Katen 
sind,  900  Tlr.  6  ßl.,  oder  ungefähr  1000  Tlr.*) 

Dies  macht  für  eine  Wohnung  250  Tlr. 

Hiervon  die  Zinsen  zu  4% 

Die  Wertsverminderung,  die  Eeparaturen  und 
die  Brandkassenbeiträge  sind  zu  jährlich  '-'Ig^Io 
vom  Erbauungskapital  berechnet;  dies  macht     . 

Für  Reinigung  des  Schornsteins 

Die  Wohnung    .     . 

2.  Garten-,  Kartoffel-  und  Leinland. 

30  Quadratruten  Garten  ä  3  ßl 

50  Quadratruten  Kartoffelland,  inkl.  der  Be- 
ackerung ä  Quadratrute  3  ßl 

30  Quadratruten  Leinland  auf  ausgesuchtem 
stark  gedüngten  Acker  ä  Quadratrute  3V2  ßl. 

Garten-  und  Ackerland     .     .     . 


*)  Von  den  in  neuerer  Zeit  erbaviten  Katen  kommt 
die  mit  2  Stuben  und  2  Kammern  versehene  Woh- 
nung auf  ca.  452  Tlr.  N^/s  zu  stehen. 


Tlr.    1     ß 


10 


12      16 


Thünen,  Der  isolierte  Staat. 


41 


642     — 


248 


"S.  Feuerung;. 

a)  Brennholz. 

Die  Dorfleute  erhalten  jeder  3  Fuder  20  jähriges 
Bruch-  oder  30  jähriges  Kiefernholz.  Außerdem 
erhalten  die  Leute  noch  1 — 2  Fuder  Sammel- 
und  Rodeholz,  was  aber  keinen  Verkaufswert  hat. 

Der  Faden  (von  196  Hamburger  Kubikfuß 
Raumgehalt)  Bruch  oder  Kiefernholz  _  hatte  in 
dieser  Periode  nur  den  äußerst  niedrigen  Preis 
von  2  Tlr.  4  ßl. 

Hiernach  ist  der  Verkaufswert  eines  Fuders 
von  jenem  Holz  —  exkl.  der  Kosten  des  Hauens, 
was  die  Leute  selbst  verrichten  —  zu  34^/2  ßl. 
berechnet. 

Dies  macht  für  3  Fuder ....'.... 

Hierzu  für  das- Anfahren  der  3  Fuder  a  6  ßl. 

b)  Torf. 

Die  Dorfleute  erhalten  jeder  14  Tausend  Soden 
Torf  ä  1/12  Kubikfuß,  wovon  sie  selbst  10  Tausend 
Soden  stechen  und  4  Tausend  vom  Herrn  geliefert 
erhalten. 

An  Stecherlohn  ist  pr.  Tausend  Soden  9  ßl. 
zu  berechnen,  was  man  auf  dem  hiesigen  Moor 
an  fremde  Arbeiter  würde  zahlen  müssen;  dies 
macht  für  4  Tausend 

Das  Anfahren  des  Torfs  erfordert  3  Fuhren 
a  9  ßl 


NVa 


Tlr. 


7 
18 


36 


27 
40 


—     643 


Transport 
Für  das  Torfmoor  ist  aber  auch  eine  Land- 
pacht zu  berechnen,  und  diese  auf  die  Zahl  der 
Soden,  die  das  Moor  jährlich  dauernd  zu  liefern 
vermag,  zu  repartieren.  Ich  rechne  diese  Land- 
pacht zu  4V2  ßl.  pr.  Tausend,  macht  für 
14  Tausend 


Feuerung 

4.  Haltung  einer  Kuh. 

Nach  der  Berechnung  im  vorigen  Paragraphen 
beträgt  der  Reinertrag  einer  Kuh 

Yon  den  mit  der  Haltung  der  Kühe  verbun- 
denen Kosten  fallen  die  Ausgabeartikel  Nr.  12 
bis  Nr.  24  ebensowohl  auf  die  Dorf-  als  auf  die 
Hofkühe.  Diese  betragen  12  Tlr.  3,6  ßl.  minus 
7  Tlr.  34^2  ßl '.     .     .     .     . 


NVs        249 

Tlr.    I     ß 


10 


Die  Haltung  der  Dorfkuh  kostet  demnach .     . 

Dagegen  zahlen   die  Leute  an  Werbelohn  für 

das  Heu 


Dem  Gut  kostet  demnach  die  Dorfkuh  .     .     . 

5.  Weide  für  zwei  Zuchtgänse  nebst  deren 
Jungen. 

Der  Wert  derselben  ist  sehr  schwierig  zu 
schätzen.  Nach  einer  ins  Einzelne  gehenden 
Schätzung  glaube  ich  jedoch  annehmen  zu  können, 
daß  die  zwei  jungen  erwachsenen  Gränse,  welche 
die  Leute  dafür  an  den  Hof  abgeben,  ein  ziemlich 


14 


14      37 
—      24 


41* 


644 


250 


genügendes  Äquivalent  für  die  Gänse  weide  sind 
—  weshalb  hier  dafür  nichts  in  Rechnung  ge- 
bracht wird. 

6.   Ein  Schaf  zum  Erntefest. 

Zum  Erntefest  erhält  jede  Dorffamilie  das 
Fleisch  von  einem  Schaf,  25 — 30  Pfd.  an  Ge- 
wicht.   Das  Pfund   zu   1^/i  ßl.  gerechnet,  gibt 

7.  Kaff. 

Die  Arbeiter  erhalten  außer  dem  Drescherlohn 
an  Korn  jede  3  "Wochen  2  Schfl.  Kaff;  im 
ganzen  "Winter  also  14  Schfl.  Außerdem  er- 
halten die  Dorfleute  noch  die  Hülsen  und 
Spelzen  vom  Saatklee  und  Saatthimothee.  Den 
Futterwert  dieses  Kaffs  schätze  ich  auf  ca.    .     . 


NVs 


Tlr. 


8.  AVollgeld. 

Die  Dorfleute  erhalten  zurückgezahlt,  was  sie 
mehr  als   16  ßl.   für  das  Pfund   WoUe   zahlen. 

Im  Durchschnitt  kauft  jeder  ungefähr  9  Pfd. 
AVolle,  und  die  Vergütung  hat  etwa  6  ßl.  j^ro 
Pf'md  betragen.*)    Dies  macht ,1,6 


*)  Der  Ankauf  der  "Wolle  ist  für  die  Dorfleute  be- 
sonders lästig  und  zeitraubend,  weil  sie  die  Wolle 
auf  entfernt  liegenden  Bauerdörfem  aufsuchen  müssen. 
Es  sind  deshalb  jetzt  zu  Tellow  Laudschafe,  welche 
Spinnwolle  tragen ,  angeschafft :  und  es  wird  beab- 
sichtigt, den  Leuten  statt  des  Wollgeldes,  künftig 
8  Pfd.  Wolle  unentgeltlich  zu  geben  —  wodurch 
der  Wert  der  Emolumente  um  2  bis  2 ',2  Tlr.  steigen 
wird. 


—       30 


64b 


Ziisammeiistelliing. 

1.  Die  Wohnung 

2.  Garten-,  Kartoffel-  und  Leinland  .     .     .     .     • 

3.  Feuerung 

4.  Eine  Kuli  in  AYeide  und  Futter    ..... 

5.  Weide    für    Gänse.     Diese    wird    entschädigt 
durch  die  Abgabe  von  2  Gänsen 

6.  Ein  Schaf  zum  Erntefest 

7.  Kaff 

8.  Wollgeld 

Wert  der  Emolumente 

§  4. 

Sonstige  mit   der  Haltung   einer  Tage- 
löhnerfamilie verbundene  Kosten. 

1.  An  den  Arzt,  A^  undarzt  und  Apotheker 

für    die    Dorfleute,    inkl.    Fuhren    und    Boten, 
pr.  Familie  ungefähr 

2.  Speisung  der  Kranken  im  Dorf. 

Diese  ist  pr.  Familie  anzuschlagen  zu    ...    . 


N^/a 


Tir. 


12 

7 

5 

14 


41 


3.  Beitrag  zu  der  Kuhversicheruug. 

Wenn  im  Dorf  eine  Kuh  stirbt,  so  ersetzt  der 
Gutsherr  Vs  des  Werts  der  Kuh;  das  2.  Drittel 
wird  von  den  Dorfbewohnern,  die  eine  Kuh 
halten,  aufgebracht,  und  den  Rest  trägt  der  Be- 
schädigte, dem  aber  die  Haut  der  Kuh  verbleibt. 


—     646 


252 


Yon  den  28  bis  30  Kühen,  welche  im  Dorf 
gehalten  werden,  stirbt  jährlich  etwa  eine  Kuh, 
an  Wert  ca.  21  Tlr.  Der  Beitrag  des  Guts- 
herrn ist  also  jährlich  7  Tlr.  Für  eine  Tage- 
löhnerfamilie, die  eine  Kuh  hält,  ist  demnach  ein 
jährlicher  Beitrag  erforderlich  von 

4.  Fuhren  für  die  Leute, 

bei  Hochzeiten,  Kindtaufen,  Sterbefällen,  ferner 
die  Fuhren  zum  Herholen  der  Dienstboten  für 
die  Tagelöhner,  zum  Einholen  der  Kartoffeln, 
des  Flachses  usw.     Diese   sind  für  eine  Familie 

anzuschlagen  zu 

(Umzüge  der  Tagelöhner  haben  nicht  statt- 
gefunden.) 

5.  Branntwein. 

In  der  Heu-  und  Kornernte,  beim  Schaf- 
waschen und  anderen  schweren  Arbeiten  erhalten 
die  Leute  regelmäßig  Branntwein.  Die  hieraus  er- 
wachsenden Kosten  betragen  pr.  Familie  ungefähr 


6.   Kosten    der  3Iusik    und    der  Bewirtung 
bei  den  Tanzfesten  der  Leute. 

Außer  dem  Erntefest  haben  die  Leute  ge- 
wöhnlich noch  4  Tanzfeste  jährlich.  Die  Kosten 
derselben  sind  pr.  Familie  angeschlagen  zu    .     , 


N73 

Tlr.         ß 


12 


40 


40 


42 


647     — 


7.  Unterstützung:  der  Witwen,  der 
Alten  und  Scliwaclien. 

Es  ist  schon  im  Anfang  dieser  Schrift 
erwähnt,  daß  der  Tagelohn,  den  der 
Arbeiter  erhält,  keinen  Maßstab  für 
dessen  Verdienst  und  für  die  Kosten 
der  Arbeit  abgibt. 

Wir  haben  deshalb  die  Jahresarbeit 
einer  Familie  als  Einheit  unseren  Be- 
trachtungen zu  gründe  gelegt.  Aber 
auch  dieser  Maßstab  ist  nur  dann  ge- 
nügend, wenn  er  aus  dem  Durchschnitt 
der  Lebensjalire  der  Arbeiter  entnommen 
wird.  Denn  die  Arbeitskraft  und  die 
Bedürfnisse  der  Menschen  sind  in  den 
verschiedenen  Lebensepochen  gar  sehr 
verschieden. 

Um  einen  richtigen  Maßstab  für  die 
Kosten  der  Arbeit  zu  erlangen,  müssen 
wir  also  die  Lebensarbeit  einer 
Familie  mit  den  Unterhaltskosten  der- 
selben während-  des  ganzen  Lebens  ver- 
gleichen. 

Auf  einem  größeren  Gut,  wo  sich 
Arbeiter  von  allen  Altersklassen  finden, 
ergibt  sich  dies,  wenn  man  die  üuter- 
haltskosten  der  wirklichen  Arbeiter  und 
die  der  arbeitsunfähig  gewordenen  oder 
der  Unterstützung  bedürfenden  Menschen 
zusammenfaßt,  und  die  gefundene  Summe 
auf  die  Zahl  der  arbeitsfähigen  Familien 


N73 
Tlr.  !    ß 


Summa    253 
Tlr.  I    fi 


648    — 


254 


repartiert.  Diesem  Prinzip  gemäß  ist  nun 
nachstehende  Berechnung  entworfen. 

a)  Die  Witwen,  welche  keine  kleine 
Kinder  haben,  wohnen  gewöhnlich  bei 
ihren  erwachsenen  Kindern  und  erhalten 
dann  jährlich: 

Eine  Kuh  zur  Hälfte:  an  Wert 

3  Schfl.  Roggen  a  40  ßl.  .     .     . 

25  DR.  Kartoffelland  ä  3  ßl.     . 

15  DR.  Leinland  ä  3V2  ßl.  .     . 

1  Fuder  Holz  inkl.  Fuhrlohn  zu 


Das  gibt  für  4  solcher  Witwen,  die 
in   diesem   Zeitraum    vorhanden   waren 

b)  In  dem  Zeitraum  von  1833—47 
sind  zwei  Männer  gestorben,  wovon  jeder 
eine   Witwe  mit  4  Kindern  hinterließ. 

Jede  dieser  Witwen  erhielt 

1.  die  vollen  Emoluraente,  Avie  früher 
der  Mann,  an  Wert 

2.  An  Korn.  Für  sich  3  Schfl.  Roggen, 
für  jedes  Kind  3  Schfl.  Roggen 
und  2  Schfl.  Gerste,  zusammen 
15  Schfl.  Roggen  ä  40  ßl 

8  Schfl.  Gerste  a  30  ßl 


1 

Summa 

NVs            N% 

Tlr.       fi     1  Tlr.  '     ß 

7 

i 
6 

2 

24 

1 

27 

1 

4 

— 

40 

13 

1 

5 

i 
1 

52 

20 

:  41 

33 

12 

24 

i'     5 

— 

59 

9 

52 

20 

649 


Transport 
Dagegen  mochte  der  Wert  der  Arbeit 
dieser  noch  in  voller  Kraft  sich  befin- 
denden   Frauen     den    dafür    gezahlten 
Tagelohn  übersteigen  um  ca 


Tlr.   I     ß 


Summa    255 


Tlr. 


ß 


59       9 


81 


bleibt    .     . 
Dies  macht  für  die   beiden  Witwen 
Gereicht  ist  diese  Unterstützung  wäh- 
rend 3  Jahre.    Dies  gibt ...... 

Diese  Unterstützung  von  265  Tlr. 
42  ßl.  auf  14  Jahre  verteilt,  gibt  für 
jedes  Jahr  

c)  Während  dieses  ganzen  Zeitraums 
ist  ein  alter  invalider  Mann  auf  dem 
Hofe  gespeist,  dessen  Unterhalt  nach 
Abzug  des  Werts  seiner  geringfügigen 
Leistungen  anzusclüagen  ist  auf 

d)  Bei  anhaltenden  Krankheiten  er- 
halten die  Dorfleute  eine  unentgeltliche 
Gabe  an  Korn.  Dafür  sind  im  Durch- 
schnitt jährlich  zu  rechnen 

e)  Außerodentliche  Unterstützung  der 
Dorfleute  in  dem  Notjahr  1846/47. 
Das  den  Dorfleuten  in  diesem  Jahr 
gemachte  Geschenk  an  Kartoffeln  und 
Korn  hatte,  nach  den  damaligen  Preisen 
berechnet,  einen  Wert  von  mindestens 


40 
81 

265 


52 


20 


10 


47 
46 

42 


19 


45 


—        6 


122    20 


—    650 


256 


Transport 
300  Tlr.     Dieses  auf  14  Jahre  verteilt, 
gibt  für  ein  Jahr 


Summa 

N% 

N^/s 

Tlr. 

ß 

Tlr. 

ß 

122 

20 

21 

20 

Summa    .     . 

Auf  22  Familien  verteilt,  die  im 
Durchschnitt  dieses  Zeitraums  im  Dorf 
gewohnt  haben ,  ergibt  sich  für  eine 
Familie 


*)  Aiaßer  den  hier  angeführten  Artikeln 
sind  häufig  Geschenke  an  Milch,  Viktualien, 
Obst,  Kleidungsstücken  usw.  an  die  Dorf- 
leute verabreicht.  Da  aber  nur  in  seltenen 
Fällen  ein  wirkliches  Bedürfnis  der  Leute 
Ursache  und  Veranlassung  zu  diesen  Ge- 
schenken gewesen  ist,  so  glaube  ich  diese 
Ausgabe  nicht  auf  das  wirtschaftliche, 
sondern  auf  das  herrschaftliche  Konto  setzen 
zu  müssen. 


Zusaiiimeiistelliiiij2;  der  sonstigen  Kosten. 

1.  An  Arzt  und  Apotheker   ....... 

2.  Speisung  der  Kranken 

2.  Beitrag  der  Kuhversicherung 

4.  Fuhren  für  die  Dorfleute 

~).  Branntwein 

6.  Kosten  der  Tanzfeste 

7.  Unterstützung  der  Witwen  usw 

Summe  der  sonstigen  Kosten     . 


143   40* 


26 


N 

Vs 

Tlr.         ß 

3 

— 

1 

— 

— 

12 

— 

40 

— 

40 

— 

42 

6 

26 

13     46 


651     — 


N% 


257 


Bemerkung.  Die  Unterstützung  an  die 
Witwen  usw.  ist  für  das  ganze  Dorf  berechnet  zu 

Die  Ausgabe  an  Arzt  und  Apotheker  beträgt 
für  22  FamiUen  ä  3  Th- 

Die   Speisung  der  Kranken   ä  Familie   1  Tlr. 

Die  Unterstützung,  welche  bei  der  gänzlichen 
Aufhebung  des  patriarchalischen  A^erhältnisses 
zwischen  Gutsherrn  und  Arbeitern  wegfallen 
würde,  beträgt 

Am  Schluß   des  Jahres   1847  betrug  die  Zahl 

der  Dorfbewohner  138,  und  mag  im  Jahr  1833 

etwa   126,   im   Durchschnitt  also   132   betragen 

haben.    Es  ergibt  sich   hieraus  das  bedeutsame 

Eesultat,  daß  an  einem  Orte,  wo  eigentliche  Arme 

gar  nicht  vorhanden  sind,  doch  zur  Verhütung  der 

Verarmung  und  des  Mangelleidens  eine  Beihilfe 

231  Tlr.  40  ßl. 

-   =   1   Tlr.   36  ßl.   pr.  Kopf 


von 


132 


sich  als  erforderlich  gezeigt  hat. 


Tlr. 

143 

66 
22 


231 


40 


40 


652 


258  §  5. 

Kosten   der   Arbeit   einer  Tagelöhnerfamilie   zu 
Tellow  in  dem  Zeitraum  von  1833—1847. 


1.  Der    Verdienst     einer    Tagelöliner- 
familie  beträgt  nach  §  1     .     .     .     . 

2.  Wert    der    Emolumente,     die    der 
Tagelöhner  erhält  (§3) 

3.  Sonstige   Kosten    einer   Tagelöhner- 
familie (§4) 


Summa    .     .     . 

Hiervon    geht   ab    für   die    8   Pfund 

Hede,   welche   die  Frau  des   Arbeiters 

unentgeltlich  spinnt,  ä  Pfd.  3  ßl.      .     . 


bleibt  .     .     . 

Es  fragt  sich  nun,  wie  hoch  der 
Scheffel  Roggen  in  Geld  anzuschlagen  ist. 

Der  Verkaufspreis  alles  Korns,  das 
in  dem  14  jährigen  Zeitraum  verkauft 
ist,  beträgt  für  einen  auf  Roggen  re- 
duzierten Scheffel  0,94  Tlr.  N-/3.  Die 
gesamten  Transport-,  Verkaufs-  und 
Konservationskosten  des  Korns,  welche 
früher  zu  0,ii2  Tlr.  pr.  Scheffel  be- 
rechnet wurden,  sind  jetzt  durch  An- 
legung der  Chaussee  auf  ca.  0,os  Tlr. 
herabgesunken. 

Der  Wert  des  auf  Roggen  reduzierten 
Scheffels  Korn  beträgt  also  auf  dem  Gute 
selbst  0,;.i  -f-  0,0«  =  0,8g  Tlr.  N^/^. 


Tlr.  I 


32 

41 
13 


21 
33 
IG 


Roggen 

Schfl.l  Mtz. 


87 


22 


24 


86 


46 


52     11 


52 


11 


11 


653    — 


Tlr.    I     ß 


259 


Zufällig  fällt  dies  mit  dem  Wert,  den  das 
Xorn  in  der  Periode  von  1810—15  hatte,  worauf 
alle  Berechnungen  im  1.  Teil  basiert  sind,  fast 
ganz  zusammen. 

Demnach  sind  52  Sclifl.  11  Mtz.  a  Scheffel 
0,86  Tlr 

Hierzu  die  Geldausgabe  mit 

Die  Gesamtkosten  der  Tagelöhnerfamilie  be- 
tragen       

Dafür  hat  der  Dienstherr  nach  dem  Durch- 
schnitt der  10  jährigen  Rechnung  von  1810 — 20 
die    Arbeit    des    Mannes    während    284,6    Tage, 

und  die  der  Frau 175,4    Tage. 

■  Einen  Arbeitstag  der  Frau  rechne  ich  im 
Durchschnitt  gleich  2/3  Arbeitstag  des  Mannes; 
dies  macht  175,4  X  -is  =  116,ii. 

Die  Arbeit  der  Familie  auf  Tage  des  Mannes 
reduziert,  beträgt  demnach  284,6  -|-  116,9  =  401,5. 
401,5  Arbeitstage  des  31annes  kosten  132  Tlr. 
13  ßl.  Dies  beträgt  im  Durchschnitt  des  ganzen 
Jahrs 
für  den  Arbeitstag  des  Mannes     .     .     .     15,8  ßl. 

„      „  „  der  Frau  15,s  X  ^/s  =  10,5  ßl. 

Hierunter  sind  aber  die  Tage,  an  welchen 
Mann  und  Frau  im  Verdung  arbeiten,  mit- 
begriffen. Will  man  nun  wissen,  wie  hoch  ein 
Arbeitstag  im  Tagelohn  zu  stehen  kommt,  so  muß 
das,  was  der  Arbeiter  im  Verdung  durch  erhöhte 
Anstrengung  über  den  Tagelohn  verdient,  von  der 
Kostensumme  abgezogen,  und  der  Rest  auf  die  Zahl 


45 

86 


15 
46 


132 


13 


—     654    — 

260  der  Arbeitstage  verteDt  werden.    Der  Mann  verdient  in  53. i 
Yerdungtagen  13  Tlr.  15  ßl. 

Wenn  man  annimmt,  daß  von  diesen  53,i  Tagen  10  in 
die  Periode  vom  1.  November  bis  1.  März  fallen,  in  welcher 
der  Tagelohn  nur  7  ßl.  ist,  würde  der  Mann,  wenn  er  stets 
im  Tagelohn  gearbeitet  hätte,  verdient  haben: 

in  43,1  Tagen  ä  8  ßl 7  Tlr.     9  ßl. 

in  10         „      ä  7  ßl 1     ..     12   „ 

8  Tlr.  31  ßl. 

Der   Mehrverdienst    durch    die    Akkord- 
arbeiten ist  also  13  Tlr.  15  ßl.  —  8  Tlr.  31  ßl.     4  Tlr.  32  ßl. 

Die   Frau  verdient  in    44  Yerdungtagen 
ä  6V2  ßl 5  Tlr.  46  ßl. 

Im  Tagelohn  würde   sie  verdient  haben: 
in  44  Tagen  ä  4  ßl 3  Tlr.  32  ßl. 


Jetzt  also  mehi'     .    .     2  Tlr.  14  ßl. 
Hierzu  der  Mehrverdienst  des  Mannes    .     4  Tlr.  32  ßl. 


gibt  im  ganzen  einen  Mehrverdieust  von   .    .     6  Tlr.  46  ßl. 

Beim  Dreschen  verdient  der  Mann  in 
149  Tagen  Wis  Schfl.  Roggen  ä  Scheffel 
0,86  Tlr.  gibt 37  Tlr.  46  ßl. 

Im  Tagelohn  würde  er  in  dieser  Zeit 
verdient  haben: 

a)  in   75  Tagen  vom    1.   Nov.   bis   1.  März 

a  7  ßl 10  Tlr.  45  ßl. 

b)  in   74  Tagen   der  übrigen  Zeit  a   8   ßl.  12  Tlr.  16  ßl. 

23  Tlr.  13  ßl. 


—    655    — 

Der  Mehrverdienst  beträgt  demnach:  261 

1.  beim  Dreschen 14  Tlr.  33  ßl. 

2.  bei  den  anderen  Arbeiten     ...       6  Tlr.  4G  ßl. 

Summe  12  Tlr.  31  ßl. 

Zieht  man  diese  von  dem  gesamten  Kostenbetrage  einer 
Arbeiterfamilie  ab,  so  bleiben  132  Tlr.  13  ßl.  —  21  Tlr.  31  ßl. 
-=110  Th-.  30  ßl. 

Dem  Dienstherrn  kosten  demnach  401 '/2  Tage  des 
Mannes 110  Tlr.  30  ßl. 

Demnach  kostet  der  Arbeitstag  eines  Mannes  im  Tage- 
lohn     13.2  ßl.  N^'/3, 

einer  Frau 8,s  ßl. 


§  6. 

Versuch  zur  Berechnung  des  Einkommens  einer 
Tagelöhnerfamilie  zu  Tellow. 

Hierüber  können  natürlich  die  Gutsrechnungen  keine 
vollständige  Auskunft  geben,  und  es  müssen  hier  unver- 
meidlich viele  Schätzungen  zu  Hilfe  genommen  werden. 
Da  ich  indessen  die  Einsichtigsten  und  Zuverlässigsten  unter 
den  hiesigen  Arbeitern  dabei  zu  Rat  gezogen  habe,  so  darf 
ich  hoffen,  daß  die  nachstehende  Berechnung  der  Wirklich- 
keit ziemlich  nahe  kommen  wird. 

Das  Einkommen  der  Arbeiter  entspringt: 

1.  aus  dem,  was  sie  von  ihrem  Dienstherrn  an  Lohn, 
Emolumenten  usw.  beziehen; 

2.  aus  der  Wertsvermehrung,  die  sie  den  Emolu- 
menten usw.  durch  ihre  für  sich  selbst  darauf  ver- 
wandten Arbeiten  erteilen ; 

3.  aus  dem  geringfügigen  Kapital,  was  in  ihrem  Vieh 
enthalten  ist. 


656 


262  ^r.  1. 

Die  Kosten  einer  Tagelöhnerfamilie,  oder  der  "Werts- 
betrag dessen,  was  eine  solche  Familie  von  ihrem  Dienst- 
herrn bezieht,  ist  Einkommen  für  dieselbe  und  beträgt,  wenn 
man  die  24  ßl.  für  das  Spinnen  von  8  Pfund  Hede  nicht 
in  Abzug  bringt,  nach  §  5 132  Tlr.  37  ßl. 

;;    N^'3     :    x^/3 

i  Tlr.  '     ß        Tlr.  i     ß 


Transport     —     —     132    37 

Xr.  2.    Die  Kuh. 

Dem  Arbeiter  kommt  der  ganze  Roh 
ertrag  der  Kuh  zu  Nutzen.    Dieser  be-  , 
trägt  nach  §  2 '  22  ;  24 

Die  Kuh  verursacht  dagegen  mit 
Ausschluß  der  schon  unter  Nr.  1  be- 
rechneten 24  ßl.  Werbungskosten  des 
Heues  dem  Arbeiter  folgende  Kosten: 

1.  Abnutzung  und  Wertsverminderung 
der  Kuh  jährlich 

2.  Erhaltung  des  Milchengeräts    .     .  i  —      12 


1  j  20 


bleibt     21 
li 
Dagegen  betragen   die  in  Nr.  1  den  ! 

Arbeitern  für  die  Haltung   einer  Kuh 

angerechneten  Kosten 14      13 

Die  Dorfleute  nutzen  also  die  Kuh 
höher  als  der  Betrag  der  Kosten,  den 
die  Haltung  der  Kuh  dem  Gut  ver- 
ursacht, um 


—        6    39 


139 


28 


657 


Transport 

Nr.  3.     Kartoffel-  und  Gartenland. 

"Wenn  man  das  im  Garten  gebaute 
Gemüse  im  Wert  den  Kartoffeln,  die 
daselbst  geerntet  werden  können,  gleich- 
setzt, so  ist  der  Ertrag  von  SO  QR. 
Kartoffelland   in  Anschlag  zu   bringen. 

Bestellt  werden, 

mit  Eßkartoffeln 60  DR. 

mit  Yiehkartoffeln     ....     20  DR. 

Geerntet  sind  zu  Tellow  im  14  jähri- 
gen Durchschnitt  von  100  DR- 
an  Viehkartoffeln     .     140,s  Rost.  Schfl. 
an  Eßkartoffeln   .     .      88,5     „  „ 

Hiernach  beträgt  die  Ernte 
von    60  DR.  Eßkartoffeln      53,i    Schfl. 
von    20  DR.  Viehkartoffeln  28,2     .„ 

Hiervon  geht  an  Untermaß  durch  an- 
hängende, später  abfallende  Erde,  durch 
Eintrocknen  und  Verfaulen  etwa  10  "/o 
ab,  und  es  bleiben 

Eßkart.     Viehkart. 
47,8  Schfl.  25,4  Schfl. 
Ferner  geht  ab  die 
Saat  mit      .     .     .    4.s     „        2,s     ,. 


Zum    Verbrauch 
bleiben    .    .    . 


43    Schfl.  22,6  Schfl. 


Tlr.       ß 


Thünen,  Der  isolierte  Staat. 


42 


658    — 


264 


Tlr.  I 


V2/ 

Tlr.  1     fi 


Transport 
Da  die  Kartoifeln  hier  keinen  regel- 
mäßigen Verkaufsartikel  bilden,  so  kann 
der  Wert  derselben  nur  nach  den  Pro- 
duktionskosten ermessen  werden. 

Nach  einer  speziellen  Berechnung 
haben,  bei  dem  angegebenen  Ertrag,  die 
Produktionskosten  der  Kartoffeln  mit 
Anrechnung  des  Werts  des  durch  die 
Kartoffelernte  konsumierten  Dungs,  be- 
tragen:   für   den   Scheffel   Eßkartoffeln 

ungefähr 10  ßl. 

Yiehkartoffela 6  ßl. 

Der  Wert  der  zum  Verbrauch  kom- 
menden Kartoffeln  ist  demnach 

43  Schfl.  a  10  ßl.  = 
und  22,6     „       a    6    „    = 


In  Nr.  1  ist  dem  Arbeiter  angerechnet 
für  80  DR.  Land  ä  3  ßl 

Die  Nutzung  des  Ackers  ist  also 
durch  die  darauf  verwandte  Arbeit  er- 
höht um 

Nr.  4.     Obst. 

Der  Wert  des  in  dem  Garten  durch- 
schnittlich   geernteten    Obstes    ist   an- 


zuschlagen zu 


139'  28 


11 


46 
40 
38 


G    38 


1    — 
147     18 


1 


—    659    — 


Transport 

Nr.  5.    Leinland,  30  GR. 

Für  den  Hof  ist  seit  längerer  Zeit 
kein  Flachs  gebaut,  und  der  Ertrag 
desselben  also  nicht  aus  den  Gutsrech- 
nungen zu  ersehen. 

Nach  der  Angabe  des  Yorliäkers  Mil- 
hahn  hat  derselbe  von  30  DR.  im  Durch- 
schnitt etwa  80  Pfund  geschwungenes 
Flachs  geerntet. 

Bemerkung.  Der  Leinsamen  wird 
stets  auf  ausgesucht  schönem  Acker  ge- 
sät, der  im  Jahr  vorher  Dreesch  ge- 
legen, im  Herbst,  nach  zu  voriger  starker 
Düngung,  umgebrochen,  und  im  Früh- 
jahr mit  Sorgfalt  bestellt  wird.  Dieser 
Behandlung  des  Ackers  in  Verbindung 
mit  dem  von  Zeit  zu  Zeit  wiederholten 
Ankauf  von  Riga'schem  Leinsamen  ist 
der  hohe  Flachsertrag  zuzuschreiben. 

Der  Preis  des  Flachses  ist  im  Durch- 
schnitt 4  ßl.  pr.  Pfund. 

Wenn  die  Frau  diesen  Flachs  im 
Winter  verspinnt  —  was  in  der  Regel 
geschieht  —  so  verdoppelt  sie  dadurch 


N% 


Tlr. 


Tlr.  i     ß 


265 


147 


147 


18 


18 


42=» 


660 


266 


Transport 
den  Wert  des  Flachses,  erhöht  denselben 
also  bis  zu  8  ßl.  i^r.  Pfund. 

Dies  gibt  80  Pfund  ä  8  ßl 

Der  Ertrag  an  Samen  ist  gewöhn- 
lich 2  Schfl.  Yon  30  DR.  Davon  ab 
zur  Saat  1/2  Schfl.,  bleibt  zum  Ver- 
kauf   1^2    Schfl.    a    1    Tlr.    16  ßl.   = 


Tlr.  I    ß 


Tlr.  I     ß 


13 


16 


147     18 


Einnahme 
In    der  Kostenrechnung  Nr.  1    sind 
für  30  DR.  Leinland  ä  3^2  ßl.   ange- 
rechnet   

Gewinn  der  Familie  durch  ihre  Arbeit 
Bemerkung.  Es  geht  hieraus 
hervor,  von  welcher  Wichtigkeit  es  für 
den  Wohlstand  der  Arbeiter  ist,  reich- 
liches und  gutes  Leinland  zu  er- 
halten. 

Haben  die  Dorfleute  nicht  hinreichen- 
des Flachs  zum  Verspinnen,  so  geht 
ein  großer  Teil  der  Arbeitskraft  der 
Frauen  in  den  langen  Winterabenden 
ungenutzt  verloren. 

Nr.  6.    Gänsehaltung. 
Von  2  Zuchtgänsen  kann  man  durch- 
schnittHch   13  Junge   rechnen,   die  im 
Herbst  noch  leben. 


15 


16 


13 


160  1  25 


661    — 


Transport 
Hiervon    werden   2   Gänse   zur  Yer- 
gütimg  für  die  Weide  an  den  Hof  ab- 
gegeben. 

Von  den  übrigen  11  Gänsen  verijauft 
der   Arbeiter   durchschnittlich   5  Stück 

u  32  ßl 

und  schlachtet  6  Gänse  für  sich  ein,  die 
gemästet  a  12  Pfund  einen  "Wert  haben 
von  6  X  1  Tlr.  12  ßl 

Einnahme 
Ausgabe  für  die  Gänsehaltung: 

1.  Zum  Unterhalt  der  beiden  Zucht- 
gänse mit  ihren  13  Jungen  wer- 
den im  Sommer  gekauft  ca.  7  Schfl. 
Gerste  ä  27  ßl 

2.  Zum  Unterhalt  der  beiden  alten 
Gänse'  während  des  Winters: 
2  Schfl.  Hafer 

3.  Zur  Mästung  von  6  Gänsen  6  Schfl. 
Hafer - 

4.  Hütelohn   für    15    Gänse   ä  3  ßl. 

5.  Beitrag  zu  den  Unterhaltskosten 
des  Gänserichs 

6.  Wert  des  verzehrten  Xaffs   .    .    . 

Ausgabe 
Es    bleibt    Gewinn    auf    die    Gänse- 
haltung   


Tlr.  I    i3 


N73 
Tlr.       ß 


267 


16 


24 


10     40 


45 


— 

40 

2 

24 

— 

45 



6 

— 

20 

36 


160 


25 


162    29 


662 


268 


Transport 
Bemerkung.  Wird  dem  Tagelöhner 
die  Gänsehaltung  genommen,  und  dem- 
selben eine  Entschädigung  dafür  ge- 
geben, die  dem  bisherigen  Gewinn 
gleichkommt,  so  steht  der  Tagelöhner 
sich  eben  so  gut  wie  früher  —  vor- 
ausgesetzt, daß  er  den  Ankauf  der  be- 
nötigten Federn  nicht  unterläßt,  und 
daß  ihm  die  Mühe  des  Ankaufens  ver- 
gütet wird. 

Dessenungeachtet  aber  verliert  der 
Staat  dadurch  an  Einkommen,  indem 
das  Hüten  der  Gänse  und  das  Pflücken 
des  Krauts  für  dieselben  größtenteils 
von  schwachen  Personen  und  von 
Kindern  geschieht,  deren  Arbeitskraft 
dann  ungenutzt  bleibt. 

Nr.  7.     Scliweiiiehaltung. 

Die  Tagelöhner  schlachten  durch- 
schnittlich ein  gemästetes  Schwein  von 
ca.  250  Pfund  Schlachtgewicht  und 
15  Pfund  Flomen.  Der  Wert  des- 
selben ist: 

250  Pfund  Fleisch  ä  3  ßl 

15  Pfund  Flomen  a  6  ßl. .    •    •    •    • 


^^  /3 

Tlr.   ß 


X^/3 
Tlr.  1  ß 


15 

1 

17 


162  29 


30 
42 

24 


162  29 


i 


-     663    — 


Transport 
Der    Aufwand    für    die     Schweine- 
haltung beträgt  dagegen: 

1.  Ankauf  eines  Ferkels 

2.  Gerste  zur  Futterung  des  jungen 
Schweins  3  Schfl.  ä  27  ßl  .    •    • 

3.  Kartoffeln  22,6  Schü.  ä  6  ßl.     .    . 

4.  Wert  der  sauren  Milch,   die   das 
Schwein  erhält  ca 

5.  Wert  des  Eaffs  für  die  Schweine 

6.  Erbsen  zur  Mästung  des  Schweins 
8  Schfl.  ä  36  ßl.=^=) 

7.  Verlust    durch    Sterbefälle    jähr- 
lich ca 


Tlr.  I     ß 


Unkosten 
Diese  vom  Wert  des  Schlachtschw^eins 
--    17    Tlr.    24    ßl.    abgezogen,    bleibt 


14 


24 

33 

40 


10 


16 


27 


N%       269 

Tlr.        ß 


162    29 


162    29 


*)  Der  Mittelpreis  des  Eoggens,  gleich  dem  der  Erbsen,  beträgt 
zwar  0,s6  Tlr.  oder  41,3  ßl.  pr.  Scheffel  und  ist  bei  der  Kostenberech- 
nung den  Tagelöhnern  auch  so  hoch  angeschlagen.  Da  aber  die 
Arbeiter,  wenn  das  Korn  über  den  Mittelpreis  gilt,  niemals  mehr 
als  40  ßl.  für  den  Scheffel  Eoggen  oder  Erbsen  bezahlen,  dagegen 
aber,  wenn  das  Korn  unter  dem  Mittelpreis  gilt,  nur  den  Markt- 
preis zahlen,  so  erreicht  auch  der  Preis,  den  die  Dorfleute  im 
Durchschnitt  für  das  Korn  geben,  nicht  den  Mittelpreis.  Hier  ist 
deshalb  der  Scheffel  Eoggen  oder  Erbsen  nur  zu  36  ßl.  angerechnet. 
Der  hieraus  entspringende  Verlust  hätte  anscheinend  bei  der  Be- 
rechnung der  Kosten  einer  Tagelöhuerfamilie  in  Anschlag  gebracht 


—     664     — 


270 


Transport 
dem  Arbeiter  für  die  Mühe  des  Futterns 

eine  Belohnung  von 

Bemerkung.  Der  Wert  der  sauren 
Milch,  die  das  Schwein  erhält,  mußte 
hier  unter  die  Unkosten  gesetzt  werden, 
weil  dieser  Wert  sonst  den  Arbeitern 
zweimal  als  Einkommen  angerechnet 
wäre,  indem  derselbe  schon  in  der 
Nutzung  der  Kuh  enthalten  und  ange- 
rechnet ist. 

Nr.  8.    Nutzung:  der  Hühner. 

Diese  mag  nach  Abzug  des  Werts 
des  Korns,  das  sie  verzehren,  ungefähr 
betragen 

Nr.  9.    Sammelweizen. 

Durch  das  Sammeln  der  Ähren  in 
den  Weizenstoppeln,  welches  größtenteils 
durch  die  Kinder  verrichtet  wird,  erlangt 
jede  Familie  im  Durchschnitt  jährlich 
ungefähr  2  Schfl.  Weizen  ä  1  Tlr.  8  ßl. 


NVs 
Tlr.  I     fi 


■\f2' 
•L^    /3 

Tlr.  !    ß 


-  :  162 

2 


29 
45 


32 


2    16 


Summe  des  Einkommens  einer  Tage- 
löhnerfamilie   

oder    196    Tlr.    18    ßl.    Pr.    Courant. 


168 


26 


werden  müssen.  Derselbe  wird  aber  dadurch  einigermaßen  kom- 
pensiert, dali  die  Dorfleute  für  das  Korn,  wenn  es  unter  dem 
Mittelpreis  gilt,  nicht  den  Wert,  den  es  auf  dem  Gut  selbst  hat, 
sondern  den  Marktpreis  bezahlen  —  wodmxh  also  die  Verkaufs- 
und Trausportkosten  erspart  werden. 


—    665    — 


Dem  Giitsherrn  kostet  die  Unterhaltung  einer 
Tagelöhnerfamilie  132  Tlr.  13  ßl.  N2/3. 

Der  Tagelöhner  erwirbt  also  durch  die  Arbeit, 
die  er  mit  seiner  Frau  und  seinen  Kindern  für 
sich  selbst  verrichtet,  und  durch  das  gering- 
fügige Kapital,  das  in  seinem  Vieh  steckt,  eine 
Vermehrung  seines  Einkommens  von  168  Tlr. 
26  ßl.  minus  132  Tlr.  13  ßl.  =  36  Tlr. 
13  ßl.  W-I3. 

Dazu  tragen  bei: 

1.  Die  Kuh 

2.  Garten-  und  Kartoffelland 

3.  Das  Obst 

4.  Der  Flachsbau  und  das  Spinnen     .... 

5.  Die  Gänse 

6.  Das  Schwein 

7.  Die  Hühner 

8.  Das  Ährenlesen 

9.  Das  Spinnen  der  Hofhede 

Summe 


N^/3 


Tlr. 


6 

39 

6 

38 

1 

— 

13 

7 

2 

4 

2 

45 

— 

32 

2 

16 

— 

24 

271 


36  I    13 


§  7. 

Übersicht  der  Kornkonsumtion  der  Dorfbewohner 
zu  Tellow. 

Eine  solche  Übersicht  ist  schwer  zu  erlangen,  weil  die 
Arbeiter  einen  großen  Teil  des  Weizens,  den  sie  als  Drescher- 
lohn verdienen,  auswärts  verkaufen,  und  das  Quantum 
"Weizen,  das  sie  selbst  konsumieren,  dann  nicht  zu  ermitteln 
ist.    Zufällig  hat  das  Jahr  1847—48  hiervon  eine  Ausnahme 


—     666     — 

272  gemacht,  indem  in  diesem  Jahr  aller  Weizen,  den  die  Drescher 
übrig  hatten,  an  den  Hof  verkauft  und  somit  in  Rechnung 
gekommen  ist.  Ich  habe  diese  sich  nicht  wieder  darbietende 
Gelegenheit  benutzt,  mir  über  diesen  Gegenstand  Kenntnis 
zu  verschaffen,  und  da  dies  auch  für  andere  —  als  statistische 
Notiz  —  Wert  haben  kann,  so  teile  ich  das  Ergebnis  nach- 
stehend mit. 


—     667     — 


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273 


—     668    — 

274         Am  Schluß   des  Jalires  1847  —  also  in   der  Mitte  des 
Reclinungsjahres  —  betrug  die  Zahl   der  Dorfbewohner  an 

Erwachsenen 82  Köpfe 

an  Kindern  unter  14  Jahr 56      „ 


zusammen  138  Köpfe. 

Diese  haben  konsumiert  1637 ^"/lo  auf  Roggen  reduzierte 
Scheffel  Korn.  Dies  gibt  die  Konsumtion  pr.  Kopf  11,S7  Schfl. 
Es  fragt  sich  nun,  wie  viel  von  diesem  Korn  mit  dem  Yieh 
verfüttert  und  wie  viel  von  den  Menschen  selbst  verzehrt  ist. 

Nach  den  Ansätzen  im  vorigen  Paragraphen  können  wir 
das  mit  dem  Vieh,  was  einer  Familie  gehört,  verfütterte 
Korn  annähernd  berechnen,  wie  folgt: 


Auf  Roggen 

reduzierte 

Scheffel. 


1.  Für  die  alten   Zuchtgänse  im 
Winter 

2.  Fürdie  jungen  Gänse  im  Sommer 

3.  ^Zur   Mästung    von    6    Gänsen 

4.  ZumFutterfürdasjungeSchwein 

5.  Zur  Mästung    des   Schweins*) 


2  Schfl.  Hafer, 
7  Schfl.  Gerstel 
6  Schfl.  Hafer; 

3  Schfl.  Gerste 
8Schfl.Erbseni 


6.  Zum    Futter    für   die   Hühner  1 2  Schfl.  Gerste 


l-'lG 
5^/16 
3«/l6 

2^/lG 

8 

18/16 


Summe 


;r 


Die  "Zahl  der  wohnhaften  Familien  betrug  in  diesem 
Jahr  23.  Auf  jede  Familie  kommen  also  durchschnittlich 
0  Personen. 


*)  In  dem  vorliegenden  Jahr  waren  die  Erbsen  mißrateu,  und 
die  Schweine  sind  deshalb  statt  der  Erbsen  grüCtenteils  mit  Gerste 
ffemästet. 


—    669 


Der  Korn  verbrauch  pr.  Familie  beträgt  .    .    71,2  Schfl.  275 
Hiervon  sind  mit  dem  Yieh  verfüttert  ....     21,5       ,, 


Zur  Konsumtion  für  6  Personen  bleiben    .     .     .     49,7  Schfl. 

Dies  gibt  pr.  Kopf  8,2s  Schfl.  Rostocker  Maß,  gleich  5,!ii 
Berliner  Scheffel. 

Es  ist  aber  zu  bemerken,  daß  wegen  des  durch  die 
Kartoffelkrankheit  bewirkten  Mißratens  der  Kartoffeln  der 
Kornverbrauch  in  diesem  Jahr  größer  gewesen  ist  als  in 
den  früheren  Jahren. 

Aus  dem  Jahr  1840 — 41,  in  welchem  die  Kartoffelkrank- 
heit noch  nicht  herrschte,  besitze  ich  eine  Rechnung  über 
den  Kornverbrauch  von  7  Deputatistenfamilien  —  die  nicht 
dreschen  und  folglich  auch  keinen  Drescherlohn  beziehen  — 
wovon  die  Resultate  hier  zur  Vergleichung  einen  Platz  finden 
mögen. 

Der  gesamte  Kornverbrauch  dieser  7  Familien  betrug 
inkl.  des  Sammelweizens: 


Schfl. 


Mtz. 


Auf  Roggen 
reduziert 

Schfl.  I  Mtz. 


"Weizen 
Roggen 
Gerste  . 
Hafer    . 
Erbsen  . 


14 

12 

19 

246 

8 

246 

155 

— 

116 

60 

4 

37 

58 

12 

58 

— 

— 

478 

11 

8 

4 

10 

12 


13 


Summe 

Die  7  Familien   bestanden   im  Durchschnitt  des  ganzen 

Jahres  aus 26  Erwachsenen 

19^4  Kindern  unter  14  Jahr 

zusammen  45V4  Personen. 
47813/16 


Der  Verbrauch  ist  also 


451/4 


=  10,58  Schfl,  pr.  Kopf. 


—     670     — 

276  Der  Yerbrauch  pr.  Kopf  war  also  im  Jahr  1S40 — 41  bei 
einer  giitea  Kartoffelernte  um  I.29  Schfl.  geringer  als  im 
Jahr  1S47 — 48,  in  welchem  die  Kartoffelkrankheit  herrschte. 

Für  eine  Familie  von  6  Personen  beti-ägt  demnach  der 
durch  die  Kartoffelkrankheit  bewirkte  Mehrverbrauch  6  X  1,29 
=  7^/4  Schfl.  Roggen.  Der  Ankauf  von  l'^U  Schfl.  Roggen 
ist  aber  für  Arbeiterfamilien,  die  auch  früher  nur  notdürftig 
zu  leben  hatten,  fast  im  erschwinglich.  Sollte  die  Kartoffel- 
krankheit unglücklicherweise  fortdauern,  so  ist  schon  aus 
diesem  Grunde  die  allgemeine  Erhöhung  des  Arbeitslohns 
eine  Notwendigkeit. 

Außer  dem  hier  angeführten  Korn  kauft  jede  Familie 
noch  ^/2  bis  ^U  Schfl.  Buchweizengrütze. 

Das  Malz,  das  die  Leute  gebrauchen,  macheu  sie  ent- 
weder selbst  oder  tauschen  es  gegen  Gerste  ein. 

Bei  der  Berechnung  des  Korn  Verbrauchs  eines  ganzen 
Staats  müßte  auch  noch  das  Korn,  das  zum  Brennen  des 
im  Lande  konsumierten  Branntweins  verwandt  wird,  in 
Rechnung  gebracht  werden. 


Anlage  B. 

277 


Bestimmungen 


über  den 


Anteil  der  Dorfbewohner  zu  Tellow 


an  der 


Gutseinnahme. 


673    — 


§  1.  279 

Verzeichnis  der  Einnahmeposten,  an  welchen  die 
Dorfbewohner  künftig  einen  Anteil  haben  sollen: 

1.  Einnahme  für  verkauftes  Korn  aller  Art,  mit  Ausschluß 
des  Korns,  das  an  die  Dorfbewohner  selbst  verkauft  wird, 

2.  für  Raps,  Rübsen,  Dotter  und  andere  Olgewächse, 

3.  für  Kleesamen  und  Saatgras, 

4.  für  Kartoffeln,  mit  Ausschluß  der  an  die  Dorfbewohner 
verkauften, 

5.  für  das  aus  der  hiesigen  Holzung  verkaufte  Holz, 

6.  von  der  Schäferei, 

7.  von  der  Holländerei  (Kuhhaltung)  und  der  Schweinezucht. 

§  2. 

Das  Rechnungsjahr  beginnt  mit  dem  1.  Juli  und  schließt 
mit  dem  30.  Juni. 

Am   Schluß   jedes   Rechnungsjahres    soll   der    gesamte 
Kornvorrat,    sowie   der   Vorrat   an    Öl-,    Klee-    und    Gras- 
samen nachgemessen  und  zu  folgenden  Preisen  veranschlagt 
werden : 
Der  Rost.  Schfl.  Weizen  zu     ....    1  Tlr.  16  ßl.  Pr.  Cour. 

)1  II  T)         -Koggen ^         Tl       '      "      55  55  5) 

55       55         55     vjerste „  ob  „  „  ,, 

„       „         „     Hafer  (gehäuftes 

Maß) _  „  30  „  „  „ 

„       „         „     Erbsen  und  Wicken   .1  „  ■ —  „  „  „ 

„       ;,         ,,     Raps  und  Rübsen  .     .1  „  32  „  „  „ 

55  55  55         -UOtter ■'-55  55         55  55 

,,       „         „    Kleesamen  (roter    wie 

weißer) 7     „    24   „     „       „ 

„       „         „     Timotheesamen  .     .     .  2    „    24   „     „       „ 
Thüiien,  Der  isolierte  Staat.  43 


—    674    — 

280  Ergibt  sich  aus  dieser  Berechniiug,  daß  der  Wert  des 
Vorrats  am  Schluß  des  Rechnungsjahrs  größer  ist,  als  er 
beim  Beginn  des  Rechnungsjahrs  war,  so  wird  dieser  Mehr- 
wert der  Einnahme  hinzugefügt,  ergibt  sich  dagegen  ein 
Minderwert,  so  wird  dieser  von  der  baren  Einnahme  ab- 
gezogen. 

§  3. 

Ebenso  wie  beim  Korn  soll  auch  der  Mehr-  oder  Minder- 
wert der  Pferde,  Kühe,  Schafe  und  Schweine  beim  Schluß  des 
Rechnungsjahres  der  baren  Einnahme  zu-  oder  abgerechnet 
werden. 

Bei  dieser  Berechnung  sollen  angesclilagen  werden : 
die  Pferde   und  Fohlen    pr.    Stück    zu   70   Tlr.   Pr.    Cour., 

die  Kühe  und  Bullen 20     ,,       ,,         „ 

die  Schafe  von  jedem  Alter  pr.  Kopf  zu     2      ..       .,         „ 
die  Schweine  von  jedem  Alter     ...     8      ..        ..         „ 


§  4. 

Von  der  auf  diese  Weise  ermittelten  Einnahme   sollen 
nachstehende  Ausgaben  abgezogen  werden: 

1.  Die  Ausgabe  für  den  Ankauf  von  Korn,  Ölgewächsen. 
Kartoffeln,  Klee-  und  Grassamen ; 

2.  die  Ausgabe  für  den  Ankauf  von  Pferden,  Kühen, 
Schafen  und  Schweinen; 

3.  alle  Kriegssteuern  und  Kriegskosten,  mit  Ausschluß 
der  Lieferung  und  Verwendung  der  Naturalien,  die 
auf  dem  Gut  selbst  erzeugt  werden: 

4.  der  Verlust,  der  durch  ein  Brandunglück  entsteht,  in- 
sofern dieser  Verlust  die  Entschädigung  übersteigt, 
welche  die  Brandversicherungsgesellschaften  leisten. 


—     675    — 

§  5.  281 

"Wenn  nach  Abzug  dieser  vier  Ausgaben  die  nach  obiger 
Bestimmung  ermittelte  Einnalime  die  Summe  von  5500, 
schi'eibe  Fünf  Tausend  Fünf  Hundert,  Taler  preußisch  Courant 
übersteigt,  so  soll  von  diesem  Mehrbetrag  jedem  zu  den 
nachstehend  angeführten  Klassen  gehörigen  Dorfbewohner 
ein  halbes  Prozent  zu  gut  geschrieben  werden. 

Folgende  Dorfbewohner  sollen  hieran  teilnehmen: 

1.  alle  arbeitsfähigen,  im  Besitz  einer  Wohnung  sich  be- 
findenden, mit  Mann  und  Frau,  oder  statt  letzterer 
mit  einem  Dienstboten  für  das  Gut  arbeitenden  Be- 
wohner des  Dorfs.  Dahin  gehören  alle  arbeitsfähigen 
Tagelöhner,  deren  Frauen  Hofdienste  leisten; 

2.  die  Deputatisten,  nämlich  der  Statthalter,  der  Vorhäker, 
der  Holzwärter,  der  Stellmacher  und  der  Kuhliirt; 

3.  der  Schullehrer  und  der  Schäfer; 

4.  der  Weber,  wenn  er  die  iu  der  Ernte  ihm  obliegende 
Hilfsleistung  treu  erfüllt; 

5.  die  Knechte,  deren  Frauen  ein  Haus  im  Dorf  bewohnen 
und  für  das  Gut  arbeiten. 

In  den  Häusern,  wo  ein  noch  arbeitsfähiger  Mann  mit 
seinem  erwachsenen,  alle  schweren  Arbeiten  verrichtenden 
Sohn  zusammen  wohnt,  soll  das  halbe  Prozent  zu  gleichen 
Teilen  zwischen  Yater  und  Sohn  geteilt  werden. 

Bemerkung.  Die  Einnalime  von  den  genannten  Artikeln 
nach  Abzug  der  angeführten  Ausgaben  hat  für  das  Gut 
Tellow  im  Durchschnitt  der  14  Jahre  von  1833 — 47  be- 
tragen ca.  7500  Tlr.  Pr.  Cour.  Bliebe  nun  die  Einnahme 
unverändert,  so  würde  nach  diesen  Bestimmungen  der  Anteil 
jedes  Dorfbewohners  jährlich  10  Tlr.  Pr.  Cour,  betragen. 
Stiege  aber  infolge  fortschreitender  Bodenkultur  diese  Ein- 
nahme um  1000  Tlr.  jährlich,  so  würde  der  Anteil  des 
Arbeiters  sich  nicht  in  dem  Verhältnis  von  75  :  85,  sondern  282 

43* 


—     676     — 

von  10  :  15  vermehren.  Das  Interesse  der  Arbeiter  ist  hier- 
durch auf-  das  innigste  mit  der  Steigerung  der  Produttion 
verknüpft.  Die  Zahl  der  Dorfbewohner,  welche  einen  Anteil 
an  der  Gutseinnahme  haben,  beträgt  gegenwärtig  21. 

§  6. 
Sollte  in  einzelnen  unergiebigen  Jahren  oder  durch 
besondere  Unglücksfälle  die  Einnahme  nicht  die  Summe  von 
5500  Talern  Pr.  Cour,  erreichen,  so  wird  das  daran  Fehlende 
von  der  Einnahme  des  nächsten  Jahrs  oder  der  nächst- 
folgenden Jahre  abgezogen,  und  erst  von  dem  dann  bleiben- 
den, den  Betrag  von  5500  Tlr.  Pr.  Cour,  übersteigenden 
Überschuß  erhalten  die  Dorfbewohner  den  Anteil  von  einem 
halben  Prozent. 

§  7. 
Wer  sich  einer  Veruntreuung  oder  eines  Diebstahls 
schuldig  macht,  möge  dieser  auch  noch  so  geringfügig  sein, 
und  dessen  überwiesen  wird,  ist  der  Teilnahme  an  der 
ferneren  Gutseinnahme  verlustig.  Ob  diese  Ausschließung 
für  immer  oder  nur  auf  gewisse  Jahre  stattfinden  soll,  bleibt 
dem  Ermessen  des  Gutsherrn  überlassen.  Auch  behält  der 
Gutsherr  sich  vor,  wegen  ernster  Vergehen,  wie  grober 
Widerspenstigkeit,  Versuche  zu  Aufreizungen  und  dergleichen, 
eine  solche  Ausschließung  zu  verfügen. 

§  s. 

Der  Zweck  dieser  Einrichtung  ist: 
1.    daß   die  Dorfbewohner  an  dem  Wohl   und  Wehe   des 
Gutsherrn  unmittelbar  teilnehmen,   gleichsam  mit  ihm 
eine  Familie  bilden  sollen; 
'2.    daß   die  Arbeiter  sich  einer  durch   den   Zinsengenuß 
"283  mit  jedem  Jahr  um  etwas  erhöhten,  stetig  wachsenden 

Einnahme  erfreuen  sollen;  und 


—     677     — 

3.  daß  vor  allem  dem  Arbeiter  ein  sorgenfreies,  heiteres 
Alter  gesichert  werde,  daß,  nachdem  er  sein  kräftiges 
Mannesalter  in  angestrengter  Tätigkeit  vollbracht,  er 
im  späten  Alter,  wo  Kraft  imd  Gesundheit  schwinden, 
nicht  darben,  nicht  der  Gnade  anderer  leben,  nicht 
seinen  Kindern  zur  Last  fallen  soll,  sondern  vielmehr 
in  den  Stand  gesetzt  werde,  seinen  Kindern  noch 
etwas  hinterlassen  zu  können. 

§  9. 

Zur  Erstrebung  dieses  Ziels  werden   nun  nachstehende 
Yerfügungen  getroffen : 

1.  Jeder  Dorfbewohner,  der  nach  obigen  Bestimmungen 
sich  zur  Teilnahme  an  der  Gutseinnahme  eignet,  er- 
hält ein  Sparkassenbuch,  in  welchem  sein  Anteil  an 
der  Gutseinnahme  jedes  Jahr  verzeichnet  wird. 

2.  Von  der  im  Buch  verzeichneten  Summe  zahlt  der 
Gutsherr  4^  g  "/o  oder  von  jedem  Taler  einen  Groschen 
Zinsen  pro  anno. 

3.  Die  Einschreibung  des  Anteils  an  der  vom  1.  Juli  des 
verflossenen  bis  zum  30.  Juni  des  laufenden  Jahres 
erfolgten  Gutseinnahme,  so  wie  die  Auszalilung  der 
Zinsen,  geschieht  zu  Weihnachten  jedes  Jahrs  —  und 
es  soll  auch  diese  Gabe  in  allen  Beziehungen  als  ein 
AVeihnachtsgeschenk  betrachtet  werden. 

4.  Das  in  die  Sparkassenbücher  eingetragene  Kapital  ist 
von  beiden  Seiten  unkündbar,  solange  nicht  der  In- 
haber desselben  das  60.  Lebensjahr  zurückgelegt  hat. 
Sobald  aber  der  Dorfbewohner  das  Alter  von  60  Jahren 
erreicht  hat,  soll  ihm  sein  Kapital  zur  freien  Ver- 
fügung gestellt  werden. 

5.  Stirbt  der  Mann,  ehe  er  das  Alter  von  60  Jahren  er- 284 
reicht  hat,   so   erbt   seine   Witwe  das  im  Buch  ver- 


—     078     — 

zeiclinete  Kapital.     Ob  dann  aber  die  Witwe  über  das 

ganze  Kapital  verfügen,  oder  ob  ein  Teil  desselben  für 

die  nachgelassenen  Kinder  zurückbehalten  werden  soll 

—  dies  bleibt  in  jedem  einzelnen  Fall  dem  Ermessen 

•    des  Gutsherrn  anheimgestellt  ' 

Diese  Bestimmungen   treten  sogleich  in  Kraft  und  sind 

schon  für  das  Jahr  vom  1.  Juli  1847  bis  1.  Juli  1848  gültig. 


Die  hier  getroffene  Anordnung  erlischt  mit  dem  Tode  des 
jetzigen  Gutsherrn  und  soll  nicht  bindend  für  dessen  Söhne 
sein.  Aber  dieselben  sollen  verpflichtet  sein,  für  die  voll- 
ständige Sicherheit  der  in  den  Sparkassenbüchern  einge- 
tragenen Kapitalien  jede  mögliche  Sorge  zu  tragen  und  zu 
Weihnachten  jedes  Jahrs  die  Zinsen  auszuzahlen. 

Sollten  indessen  meine  Söhne  oder  auch  die  Dorf- 
bewohner es  der  vollständigen  Sicherheit  wegen  für  ange- 
messen halten,  diese  kleinen  Kapitalien  in  eine  öffentliche 
Sparkasse  zu  geben,  so  erhalten  die  Dorfbewohner  die  Zinsen, 
welche  diese  Sparkasse  zahlt. 

Tel  low,  den   L5.  April  1848. 

J.  H.  V.  Thünen. 


285  Yertoesseruiigeu. 

Auf  S.  540  (Orig.  S.  145)  Z.  7  v.  u.  lese  mau  Zahl  statt  Zeit. 
„     „   ool  (    „       „    156)    „    1  V.  0.      „        „    — ^q—     »         ap 


Lippert  &  Co.  (G.  Pätz'sche  Buchdr.),  Naumburg  a.  S. 


to 

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