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University of Toronto
http://www.archive.org/details/derjdischegottOOelbo
Schriften
herausgegeben von der
Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums
Grundriß
der
Gesamtwissenschaft des Judentums
Der jüdische Gottesdienst
in seiner
geschichtlichen Entwicklung
von
Ismar Elbogen
Leipzig
Buchhandlung Gustav Fock, G. m. b. H.
1913
3er jüdische Gottesdienst
in seiner
^eschichtliclien Entwicklung
von
Ismar Elbogen
j',:j
Leipzig
Buchhandlung Gustav Fock, G. m, b. H.
1913
BS
,, ^0^
Die Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaft des Judentums
überläßt den Herren Autoren die Verantwortung für die von
ihnen ausgedrückten wissenschaftlichen Meinungen.
Dem Andenken meiner Eltern
Vorwort.
In den wiedorliullen Anküiidif^uiiji^oii des ,,( Iniiidrisscs der (icsanit-
wissenschaft des Judentums" war das mir übertragene Teilwerk
zuerst als Liturfj^ik, s))äter als Geschichte des Gottesdienstes oder des
Synagoi;:enkultus angezeigt. Der nunmehr vorliegende Hand trä^t
einen anderen Namen. Der Wechsel des Titels ist nicht willkürlich,
sondern von methodischer Bedeutung. Der Plan, eine Liturgik, d. i. die
Tx'hre von den Kunstformen (h>s Gott(>sdieiisles und ihrer Anwendung
im religiösen Leben zu schaffen, mußte rasch aufgegeben werden. Heut-
zutage, wo die Frage der Gestaltung des Gottesdienstes von den religiösen
Parteien so heiß umstritten wird, ist es unmöglich, ein solches Buch zu
schreiben, ohne das Prinzij) der Neutralitcät, welches die Gesellschaft zur
Förderung der Wissenschaft des Judentums zu befolgen sich verpflichtet
hält, zu durchbrechen. Die Geschichte des Gottesdienstes wiederum,
wenn sie nicht lediglich eine Aneinanderreihung von Notizen aus der
Vergangenheit, sondern, wie es ihre Aufgabe ist, in a n s c h a u 1 i c h e r
AV e i s e das C h a r a k t e r i s t i s c h e der verschiedenen Entwicklungs-
stufen bieten sollte, konnte für die Lösung der gestellten Aufgabe nicht
ausreichen, sie durfte nur einen Abschnitt des Buches bilden und mußte
in einer systematischen Beschreibung des Inhalts und der Erscheinungs-
formen des Gottesdienstes ihre Ergänzung und Grundlegung finden.
Die Aufgabe des Buches war durch seine Zugehörigkeit zum
Grundriß bestimmt. Es mußte, ohne sich in der Kleinarbeit zu er-
schöpfen und ohne Fachgelelirsamkeit vorauszusetzen, auf der Grund-
lage wissenschaftlicher Forschung eine umfassende systematische
Bearbeitung seines Gegenstandes bieten, nicht so sein* in der Menge
und Neuheit der Einzelergebnisse wie in der Herausarbeitung eines
Gesamtbildes seine Bedeutung suchen. Daher ist auf die Klar-
heit und Übersichtlichkeit der Darstellung, auf Feststellung der
Terminologie und Erklärung der technischen Ausdrücke der größte
Wert gelegt. An Vorarbeiten fehlt es auf unserem Gebiete nicht,
allein so weit ich sehe, haften sie alle zu sehr an den Einzelheiten,
sie behandeln die zahlreichen Gebete und Bräuche sehr eingehend,
gewähren jedoch keinen Überblick über das Ganze. Demgegenüber
.VIII \or\vort
war mein Bestreben darauf gerichtet, den Gottesdienst als
Einheit anschaulich und greifbar in die Erscheinung treten zu
lassen. Die Erforschung der Einzelheiten ist für das Verständnis des
Gottesdienstes von nicht zu unterschätzender Bedeutung und verleiht
dem Gesamtbilde erst die richtige Färbung, sie ist auch überall nach den
besten zugänglichen Quellen unternommen, dennoch durfte ilire Dar-
stellung nicht Selbstzweck sein, sondern mußte so eingesclu-änkt werden,
daß die Symmetrie des Ganzen nicht gestört wurde. Besonders in dem
Abschnitt über die Organisation mußte darauf geachtet werden, die be-
rührten fremden Gebiete nur so weit heranzuziehen, wie für das Gesamt-
bild des Gottesdienstes unbedingt notwendig war. Die Auswahl und
Abgrenzung wird manchem ^villkürlich erscheinen, der Kundige wird
vieles für überflüssig erachten, was er vorfindet, anderes, was ihm
wichtig erscheint, vermissen. Sicherlich wird mancherlei verfehlt sein,
aber es kommt bei diesem ersten Versuch nicht so sein* auf die Einzel-
heiten wie auf das Prinzip der Anlage undilu-e Diux-hfülu-ungim großen an.
Das Bestreben, den Gottesdienst als Ganzes zu erfassen und zm*
Darstellung zu bringen, hat auch nach einer anderen Richtung zur
Abweichung von der Überlieferung gefülurt. In den bisherigen Bear-
beitungen und im Denken der Fachgenossen steht in erster Reihe der
P i u t. Das ist im vorliegenden Buche nicht der Fall. Wer es auf-
schlägt, um eine lückenlose Übersicht über Paitanim und Piutim zu
finden, wü'd arg enttäuscht sein. Aber eine solche Arbeit gehört
in die Literaturgescliichte, hier waren die Dichter und ihre Werke nur
so weit zu berücksichtigen, als sie auf die Gestaltung des
Gottesdienstes von Einfluß waren. Wenn man das Auge über
die Grenzen des deutschen Ritus hinaus richtet und sich von den hier
im 19. Jahrhundert geführten Kämpfen nicht den Blick trüben läßt,
muß man von der bisherigen Ül3erschätzung der Bedeutung des Piut
für den Gottesdienst zurückkommen. Hingegen ist dem Grundstock
der Gebete, den S t a m m g e b e t e n , die größte Aufmerksamkeit
gewidmet, insbesondere ÜKcr Entwicklung in der ältesten Zeit, in
die uns die zunehmende Bekanntschaft mit dem alten palästinischen
Ritus immer deutlichere Einblicke gewährt. Vieles konnte noch nicht
aufgehellt werden ; es wäre ein Gewinn für die Wissenschaft, wenn die
ungelösten Probleme die Anregung zur weiteren Erforschung der
Stammgebete brächten. Weitgehende Berücksichtigung hat auch die
X e u z e i t gefunden, nicht nur, weil %dr ihr nahestehen und der
\ nrwdll IX
(liiuerndo Kampf uns ihre Bestrcbiingon ständig ins Gedäclitnis ruft,
sondern weil in ihr nach cinor huif2:on Periode des Stillstandes zum
ersten Male seit mehr als tausend Jahren der Versuch zu einer wirk-
lichen Entwicklung und Neugestalt unji:, zur Erzeugung geschicht-
lichen Lebens vorliegt. In der Bewertung der angeführten Tal-
sachen werden nicht alle Leser meine Meinung teilen, vielen wird sie
l)arteiiscli ersclieinen, aber ich gebe mich der Erwartung hin, daß
auch wer zu einer anderen Stellungnalnne gelangt, mein Bestreben,
die wissenschaftliche Objektivität zu wahren, anerkennen wird.
Das Buch setzt voraus, daß der l^enutzer das Gebetbuch zur Hand
hat und mit seinem Jnhalt vertraut ist; es will weder ein Kommentar
noch ein Quellenverzeichnis zum Gebetbuch sein, nur als Mittel zum
Verständnis seiner Entstehung und seines Aufbaus soll es dienen. Die
Nachrichten, die es über die Abweichungen der einzelnen Gebete bringt,
sind in dem Bestreben gesammelt, möglichst die älteste Form der Gebete
oder der gottesdienstlichen Einrichtungen erkennen zu lassen. Neue un-
bekannte Gebete sind nicht herangezogen und nur so weit berücksichtigt,
wie sie in den letzten Jahren in Zeitschriften veröffentlicht worden sind.
Eine übergroße Fülle von Einzelheiten zu bringen, verbot der Wunsch,
den gesamten Stoff in einem einzigen Bande zu behandeln.
Die Darstellung des Gottesdienstes erstreckt sich über das ganze
Gebiet, in dem er ausgebildet worden ist. Allein es liegt in der Natur
der Sache, daß die in Deutschland herrschende Überlieferung
zugrunde gelegt und vorzugsweise berücksichtigt worden ist, zumal
die weitaus überwiegende Mehrzahl der Juden ihr folgt. Jedoch ist
keine große Ritusgruppe vernachlässigt worden, die \vichtigsten Gebet-
bücher aller Länder wurden zu Rate gezogen. Zur Vollständigkeit des
Bildes hätte ein Eingehen auf die Gebetordnung der Samaritaner und
der Karäer gehört. Allein abgesehen davon, daß die Disposition des
Ganzen dadurch empfindlich gestört \vorden wäre, haben beide Sekten
nur jüngere Bestandteile des Ritus aufgenommen, es ist aus dem von
ihnen ausgebildeten Gottesdienst für die Gestaltung der Gebete in
jener Zeit, als sie sich vom Judentum loslösten, wenig zu lernen.
Die Darstellung des Textes findet ilire Ergänzung in den An-
merkungen, die ebenfalls kurz gehalten sind und an Umfang nicht
über den in einem Grundriß werke angebrachten Rahmen hinausgehen.
Die Anmerkungen stehen in engem Zusammenhang mit dem Texte,
sie enthalten Begründungen und Qucllenbelege für die ausgesprochenen
X Vorwort
Anschauungen und angeführten Tatsachen, sie bieten ferner Ergän-
zungen und die Verbesserung einiger übersehener Druckfehler. In
den Anmerkungen findet der Leser auch Hinweise auf abweichende
Meinungen. Eine Polemik ist in den meisten Fällen vermieden. Gegen
ältere Anschauungen hätte sie wenig Zweck, da dieselben von einer
ganz anderen Grundlage ausgehen ; auch auf neuere Anschauungen ist
nur dann ausdrücklich Bezug genommen, wenn ilu-e AViderlegung
infolge ihrer weiten Verbreitung unumgänglich war. In den Anmer-
kungen sind in Ergänzung der vor jedem Paragraphen angegebenen
wichtigsten Literatur Monographien über Einzelfragen nachgetragen.
Der Kürze halber ist vielfach auf umfassende Werke, wie Schürers
Geschichte oder die Jewish Encyclopedia verwiesen worden, die sehr
reichhaltige Literaturangaben bringen.
Der Entschuldigung bedarf die selir mangelhafte und nicht
konsequente Transkription der hebräischen Worte. Mit Rücksicht
auf die vielen Mitglieder unserer Gesellschaft, denen die wissenschaft-
liche Art der Umschreibung nicht geläufig ist und darum unver-
ständlich bleiben würde, wurde die in jüdischen Kreisen übliche Trans-
skription gewälilt. Da diese in neuerer Zeit nicht konsequent geblieben
ist, waren Widersprüche nicht zu vermeiden.
Es ist mir eine angenehme Pflicht, allen denen zu danken, die mich
bei dieser Arbeit gefördert haben. Vor allen muß ich meinen verehrten
Lehrer Israel Lewy in Breslau rühmend nennen. Obwohl sein
Xame in den Literaturangaben nur einmal erscheint, rüliren doch
viele vorgetragene Anschauungen von ihm her: während der Dauer
von zwanzig Jalu-en habe ich in seinen Vorlesungen und im persön-
lichen Verkehr so \Tiele Belehrung und Anregung von ihm empfangen,
die diesem Buche zugute gekommen sind, daß ich ihm auch an dieser
Stelle meinen ehrerbietigsten Dank ausspreche. Meinen Freunden Felix
Perles in Königsberg und H. P. Chajes in Triest habe ich für mancherlei
Förderung zu danken, auch Herr Oberlehrer Dr. Fiebig in Gotha hat
mich durch einzelne Bemerkungen und Winke verpflichtet. Um die
Korrektur des Buches hat sich Herr Dr. X. M. Nathan in Hamburg
mit gewohnter Bereitwilligkeit in unverdrossener Mühewaltung ver-
dient gemacht. Bei der Bearbeitung des Registers stand mir Herr stud.
phil. Woskin zur Seite.
Berlin, im September 1913. ^ ^,,
L El bogen.
Inhaltsverzeichnis.
Seite
Vorwort VII— X
Verzeichnis iler Abkiir/.uiigen XV — X\l
A. Einleitung i 13
§ 1. l iiijfi'fiizung dos Stoffes 1
§ 2. Geschichtliche Entwicklung des Gottesdienstes . . 1 — 4
§ 3. Sprachgebrauch 4 — lü
§ 4. Quellen und Literatur 10 — 13
§ 5. Anordnung des Stoffes 13
B. I. Absclinitt:
Besclireibung des jüdisclien Gottesdienstes . . 14—231
Kap. I. D e r t ä g 1 i c h e G o t t e s d i e n s t 14 — 106
A. Das Morgengebet 14 — 98
§ 6. Das tägliche Morgengebet 14—16
§ 7. Das Schma und seine Benediktionen 16 — 26
§ 8. Die Tofilla I. (Komposition) 27—41
§ 0. Die Tefilla II. (Wortlaut) 41—^60
§ 9a. Die Keduscha 61 — 67
§ 9b. Der Priestersegen 67 — 72
§ 10. Die Tachanunim 73—81
§ 11. Die Semirot 81—87
§ 12. Die ersten Benediktionen 87—92
§ 12a. Das Kaddisch 92—98
B. Die übrigen täglichen Gebete 98 — 106
§ 13. Das Minchagebet 98—99
§ 14. Das Abendgebet 99—106
Kap. II. Der Gottesdienst an ausgezeich-
netenTagen 107 — 154
A. Der Sabbatgottesdienst 107—122
§ 15. Eingang des Sabbats 107—112
§ 16. Das Morgengebet am Sabbat 112 — 115
§ 17. Das Musafgebet 115—117
§ 18. Das Minchagebet 117—120
§ 19. Sabbatausgang 120—122
B. Wochentage mit festlichem Charakter 122—132
§ 20. Die Neumondstage 122—126
§ 21. Fasttage 126—130
§ 22. Chanukka und Purim 130—132
XII Inhaltsverzeichnis
Seite
C. Die Festtage 132—154
§ 23. Die Wallfahrtsfeste 132—140
§ 24. Die ernsten Feste 140 — 154
A. Das Neujahrsfest 140—149
B. Der Versöhnungstag 149 — 154
Kap. III. Vorlesung und Auslegung der Bibel 155 — 205
§ 25. Die Vorlesung aus der Tora 155 — 174
§ 26. Die Vorlesung aus den Propheten 174 — 184
§ 27. Vorlesung aus den Hagiographen 184 — 186
§ 28. Die Übersetzung der Schriftvorlesung 186 — 194
§ 29. Die Schriftauslegung . . : 194—198
§ 30. Gebete vor und nach der Schriftvorlesung . . . 198 — 205
Kap. IV. Diesynagogale Poesie 206 — 231
§ 31. Allgemeines 206—208
§ 32. Der Piut 208—212
I. Die Piutim für die Benediktionen des Schma:
A. Im Morgengebete 210 — 212
B. Im Abendgebete 212
II. Die für die Tefilla bestimmten Poesien: . . . 212—220
A. Keroba 212—215
B. Sonstige Einschaltungen in die Tefilla . . 215—220
III. Sonstige Piutim 221
§ 33. Die Selicha 221—231
C. II. Abschnitt:
Geschichte des jüdischen Gottesdienstes . . . 232—443
Kap. I. Die Zeit der Stammgebete 232—279
§ 34. Die Anfänge des regelmäßigen Gemeindegottes-
dienstes 232—244
§ 35. Der Gottesdienst in der tannaitischen Zeit:
I. Vor der Zerstörung des Tempels 245 — 250
§ 36. Der Gottesdienst in der tannaitischen Zeit:
II. Nach der Zerstörung des Tempels 250 — 260
§ 37. Der Gottesdienst in der amoräischen Zeit . . . 260 — 271
§ 38. Die Erweiterungen und Ausschmückungen der
Stammgebete 271—279
Kap. II. DieZeitdesPiut 280—393
§ 39. Der Piut 280—305
§ 40. Die wichtigsten Paitanim: I. Bis Kalir einschließlich 305 — 319
§41. Die wichtigsten Paitanim: II. Die Nachahmer Kalirs 319 — 339
§ 42. Die wichtigsten Paitanim: III. Spanier 339 — 353
§ 43. Gebetbücher und Gebetordnungen 353 — 377
§ 44. Der Einfluß der Mystik auf den Gottesdienst . . 377—393
liilMltsvcrx.ci(lii:i.s XII I
Seite
K,i|). 111. 1) i .' \ (• u /. r i t 393-443
§ 45. Die iTstcii Hc'ft)niit'n im (lottcsdiensto 304—411
§ 46. Die l^oforrnbt'\vi>t^iiii^ auf ihrem Ilölu'pimklo . . 411-430
§ 47. Die I{cf<>iiniM'\vrf;uii<i- ;ml.!rrhalh Dcutsctilands . . 430—443
D. III. Abschnitt;
Organisation des jüdischen Gottesdienstes . . 444—510
Kap. 1. D i e g o t t e s d i e n s 1 1 i c h 0 n (l c 1) ä u d e . 444 — 476
§ 48. Namen, Alter, Verbreitung und Lage der Bethäuser 444 — 453
§ 4t>. Bauart der Bethäuser 453—469
§ 50. Innere Einrichtung der Bethäuser 469 — 476
Kap. II. Die gottesdienstliche Gemeinde . 477 — 492
§ 51. Gemeinde und Synagoge 477 — 482
§ 52. Die Beamten der Gemeinde 482 — 492
Kap. III. Der gottesdienstliche Vortrag . 493^510
§ 53. Vorbeter und Gemeinde 493—502
§ 54. Der gottesdienstliche Gesang 502 — 510
Anmerkungen 511 — 580
Namen- und Sachregister 581—619
i
Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen.
'"ür 1) i 1) 1 i s (• li (' BiicIn'P sind dir iildiclicii AI)kiii-ziiiij^(M» gewählt,
"ür Talmud (1). hahyl., j. --■■ paläst.): Ab. Sar. = Aboda Sara,
3. B. = Baba Batra, B. Moz. = Baba Mozia, Ber. = Berachot, Chag. =
;hagiga, Er. = Erubin, Git. = (litt in. .lib. = Jebamot, Ker. = Keritot,
ividd = Kidduschin, Meg. = Mogilla, Men. = Menachot, Neg. •=
Srgaiin, Pes. = Pesachim, R. ha Seh. ^ Rosch ha Schana, Sanh. =
\inluMirin. Schal»!). = Schabbat, Sohebu. =^ Schebuot, Seb. = Sebachim,
Taan. ^ Taanit, Tarn. =^= Tamid.
Uuuir. =-- Abudraliani, Koiniin'ntar zu den (lebeten.
Vchtzehng. = Elbogen. Geseliichte des Achtzehngebets.
Vnip. = -iiüo DTSS 2-1 "^no, ed. Warschau.
\.nir. Mx. = Marx, Untersuchungen zu Amr.
^nir. Fr. = Amr., herausg. von S. Frumkin, 2 Bde.
l. B. = Steinschneider, Catalogus librorum hebr. in bibliotheca Bod-
leiana.
^han. = Konun. des R. (^hananel im Talmud b., ed. Wilna.
::hill. = Müller J., '^vi^ yi» ■'snb bnn ^n "pn tn.n-o qibn.
Sschk. = bcaxn 'o, ed. Auerbach,
i^rk. = Ritus von Frankreich.
>. V. = Zunz, Die gottesdienstlichen Vorträge, II. Aufl.
jajj. = Isaak ibn Gajjat rrrbn, ed. Bamberger.
>eon. = Ginzberg L., Geonica, 2 Bde.
}erm. = Ritus von Deutschland,
iraetz = Graetz H., Geschichte der Juden, 11 Bde.
iag. Maim. = n'T''"T2"'"'^ niron
ial. Ged. = mb'ns n'sbn, ed. Hildesheimer.
fE = The Jewish Encyclopedia, 12 Bde.
(QR = The Jewish Quarterly Review.
sr. Mon. = Israelitische Monatsschrift (Beilage zur ,, Jüdischen Presse"),
t. = Ritus von Italien.
,tt. = n^nrn'D, ed. Schor.
füd. Zeitschr. = Geiger Abr., Jüd. Zeitschrift für Wissenschaft u. Leben,
^itg. = Zunz, Literaturgeschichte der synagogalen Poesie,
jevy = Levy, J., Neuhebräisches Wörterbuch, 4 Bde.
ilaim. = Maimonides niin r\vv^
ilanh. = s-ni-cn 'o, ed. Berlin,
ilech. = Mechilta. ed. Friedmann,
tieg. Taan. = Megillat Taanit, ed. Neubauer,
»lidr. Tann. = Midrasch Tannaim, ed. Hoffmann.
►IS = Monatsschrift für Geschichte u. Wissenschaft des Judentums.
XVI Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen
OLZ = Orientalistische Literaturzeitung.
Or Sar. = riiT '^■x 'd, ed. Shitomir, 2 Bde.
Orch. Ch. = c^^n r"--^x 'o, I, ed. Florenz.
P. d. R. E. = ^K^bii '--! ^pis
Pal. = Palästinischer Ritus.
Pard, = *i"uji!5 ö'Tnsn 'D. ed. Konstantinopel
Pers. = Ritus von Persien.
Pes. d. R. K. = x;nr '*,n xrp'-tDS, ed. Buber.
Pes. rabb. = T.n'^ xnpiDS, ed. Friedmann.
r. = Midrasch rabba zum Pentateuch und den Megillot, ed. Wilna.
Ratner = Ratner B., dibcTn*''! 'i'^S n^nx
REJ = Revue des Etudes Juives.
Ri = Zunz, Die Ritus dcs synagogalen Gottesdienstes.
Riv. Isr. = Rivista Israelitica.
Rom. = Ritus der Balkanländer.
S. Olam = Seder Olam (rabba), ed. Neubauer.
S. P. = Zunz, Die synagogale Poesie der Mittelalters.
Seh. Ar. = Schulchan Aruch, 4 Bde.
Seh. L. = -^pb ■'bnc, ed. Buljer.
Schürer = Schürer, Geschichte des jüdischen Volkes im Zeitalter Jesu
Christi, 3 Bde.
Seph. = Ritus von Spanien.
Sifra = 21 ^11 X1ED, ed. Weiß.
Sifre = 2"i "^2"! '^'^SD, ed. Friedmann.
Sof. = t^-ie-ö nrOTD. ed. Müller.
Stud. = Elbogen, Studien zur Geschichte des jüdischen Gottesdienstes.
Straalen, van = v. Straalen, Catalogue of the Hebrew Books in the
British Museum.
T. d. B. El. =-- 'irfhü "»21 s<;n, ed. Friedmann.
Tanch. = Midr. Tanchuma, ed. Buber.
Tos. = Tosefta, ed. Zuckermandl.
Tos. = rrsDin zum b. Talmud.
V. = 1*1121 iitna, ed. Hurwitz.
Vulg. = Verbreitete Version der Tefilla.
Yem. = Ritus von Yemen.
ZDMG = Zeitschrift der deutschen morgenländischen Gesellschaft.
Zedner = Zedner, Catalogue of Hebrew Books in the British Museum.
ZfHB = Zeitschrift für hebräische Bibliographie.
A. Einleitung.
§ 1. Umgrenzung des Stoffes. Auffi^abe dos vorliegenden
Buclies ist die Darstellung des Gottesdienstes, wie er in den jüdischen
Gemeinden sich entwickelt hat. Wir denken heute beim Worte
Gottesdienst zunächst an Andacht und Gebet. Im jüdischen Gottes-
dienste nehmen aber auch die Vorlesungen aus der Schrift und ilire
Erläuterungen eine wichtige Stellung ein; wir werden daher nicht nur
von Gebeten, sondern auch von der Verkündigung der Schrift, nicht
nur von Erbauung, sondern auch von Belehrung zu reden haben.
Die gottesdienstlichen Veranstaltungen der Gemeinde sind ferner
mit gewissen äußerlichen Erfordernissen verbunden, sie setzen eine
Organisation und Versammlungsstätten, fungierende Beamte und
eine bestimmte Art des Vortragswesens voraus. Alle diese Punkte
sollen in die Darstellung mit einbezogen, in ihrem Werdegang und
in iliren geschichtlichen Veränderungen vorgeführt werden. Hingegen
sollen die theologischen Fragen, die das Gebet betreffen, und die
kasuistischen Erörterungen über seine Handhabung uns nicht be-
schäftigen. Ausgeschlossen sollen ferner zwei andere Gebiete
bleiben. Zunächst das Gebiet des Opferdienstes, wenn auch der Opfer-
kultus vielfach von Gebeten begleitet war. Sodann das große Gebiet
der privaten Andacht, des Gebetes des einzelnen; es mag sich dabei
um ganz persönliche Angelegenheiten handeln, wie Tisch- und Nacht-
gebet, oder um religiöse Feiern, die sich in einer gewissen Öffentlich-
keit vollziehen, wie bei Geburt, Trauung, Tod.
§ 2. Geschichtliche Entwicklung des Gottesdienstes. Der
jüdische Gottesdienst hat in der Religionsgeschichte eine ganz
hervorragende Bedeutung. Er war der erste, der, völlig losgelöst
vom Opfer, als Gottesdienst mit dem Herzen nbsr ~~"nr bezeichnet
werden durfte. Er hatte sich aber ebenso von allen anderen
Klbogeii, Der jüil. Gottesdienst 1
2 Einleitung
Äußerlichkeiten, von besonderen geweiliten Andachtsstätten und
Priestern wie überhaupt von allem Beiwerk befreit, er war ein rein
geistiger Gottesdienst und konnte, da zu seiner Einrichtung nichts
weiter gehörte, als der Wille einer verhältnismäßig kleinen Gemeinde,
mit Leichtigkeit über die ganze Welt verbreitet werden. Er war
ferner der erste Gottesdienst, der mit großer Regelmäßigkeit statt-
fand; nicht nm' an Sabbaten und Festen, sondern an allen Tagen des
Jahres wurde er gehalten, und so verheh er dem ganzen Leben eine
tiefe Weihe, die um so nachhaltiger wurde, als das tägliche Gebet,
Morgen- und Abendandacht, durch den Brauch der Gemeinde sich
gar bald auch zur Gewohnheit des einzelnen ausbildete, selbst wenn
er sich nicht unter der Gemeinde befand.
Der jüdische Gottesdienst hatte nicht immer dieselbe Gestalt
wie heute, er war weder so lang noch so kompliziert. Sowohl das
Gebet als Ganzes ^vie auch die einzelnen Gebete haben sich im Ver-
laufe der Zeiten sehr verändert, ,,die heutige Liturgie ist das Produkt
einer tausendjährigen Entwicklung" (Zunz). Von einer festbestimmten
Liturgie konnte anfangs keine Rede sein, die Gebete waren nicht nieder-
geschrieben, nur dem Inhalte nach fixiert, der Wortlaut blieb dem
freien Ermessen des Vorbeters überlassen. Das Gemeindegebet war
kurz, ihm folgte die stille Andacht des einzelnen. Diese ist allmählich
ganz zurückgedrängt worden, aus dem öffentlichen Gottesdienst
verschwunden. Die ältesten Gebete durften nicht lang, sie mußten
ferner schlicht und einfach sein, Schwierigkeiten in der Sprache und
im Aufbau waren vöUig ausgeschlossen. Als diese Gebete eingebürgert
waren, erfulu'en sie, ohne daß es bemerkt wurde, stetig Erweiterungen;
das Bedürfnis nach Erneuerung, veränderte Geschmacksrichtung,
Einflüsse von außen, der Brauch einzelner Frommer waren dabei
maßgebend. Die Erweiterungen bestanden in breiterer, wortreicherer
Ausführung der vorhandenen Gedanken, in Einfügung von kleineren
oder größeren Stücken der Heiligen Schrift, in poetischen Aus-
schmückungen des bestehenden Textes. Das waren Zusätze von
geringer x\usdehnung, von gi'oßer Sciüichtheit in der Form, von leichter
Verständlichkeit im Ausdruck. So bildete sich allmählich ein Be-
stand an Gebeten heraus, die das ganze Jahr hindurch — wenn auch
an emzelnen Tagen mit kleinen Abweichungen — zur Verwendung
kamen, und die, da sie an den alten Kern der Gebete sich eng an-
schlössen, Stamm gebete genannt werden.
lOiilwickhuij,' des riutlcsdicnstos 3
Vom fiinflcn oder scclislcn Jalirliimdcrl, etwa von der Zeit ah,
wo das Aul'scliicihcMi der (!i'l)oto «(ostattct wurde, kamen aiidi andere
ErweiterunjGjen auf, freie poetische Schöpfungen, Bearbeitungen re-
lij^iöser Leinen, insbesondere der Festejedanken. Man nannte diese
Poesien mit einem hebraisierten jjjriechischen Worte P i u t (i:t^B).
Mit dem Piut trat ein sehr bewe«?liches p]lement in die Liturgie ein,
das die größte Mannigfaltigkeit lieiNorricf. Der Kunstgeschmack und
die religiösen Anschauungen bestimmten seine Form und seinen
Inhalt, beide wechselten sehr nach Ländern und Jahrhunderten.
Der Piut war durchaus freiem Ermessen überlassen, für seinen Inhalt
und für seine Form gab es weder Vorschriften noch Grenzen, durch
ihn wurde der Gottesdienst ausgedehnt und recht kompliziert, durch
ihn entstanden auch die zahlreichen Abweichungen der Länder und
Gemeinden, die man als besondere Riten (an:'G) bezeichnete.
Die Schicksale der Juden und die Erfindung des Buchdrucks fingen
an, diese Verschiedenheiten ein wenig zu vereinfachen, da kam durch
die Mystik ein neues Element in den Gottesdienst, das ihn stark be-
einflußte und nicht immer zum Guten, sie brachte neue Vorstellungen,
neue Zusätze, neue Erweiterungen, sie verschob die Anschauungen
über das Gebet, rückte Nebensäcliliches in den Vordergrund, ließ
Wichtiges zurücktreten. Auf die Masse der Gebete wurde mehr Wert
gelegt als auf die Korrektheit ihres Wortlauts; jüngere Zutaten,
kleinliche Bräuche wurden mit großer Sorgfalt gepflegt, während man
die Stammgebete vernachlässigte, die Sitten der Betenden verwildern
ließ. Erst infolge der Kritik der Mendelssohnianer und der Reformer
vor hundert Jahren sind die Bestrebungen aufgekommen, die sich die
Veredlung und Läuterung des Gottesdienstes zum Ziele setzten. Der
wieder erweckte Sinn für das Schlichte, Erhabene und Weihevolle
hat auf dem Gebiete des Gottesdienstes ein reiches und lohnendes
Arbeitsfeld gefunden; seitdem ist von allen Richtungen an der Ver-
besserung und Vereinfachung des Gottesdienstes gearbeitet worden.
Bezogen sich die Ausstellungen zunächst auf die äußere Form, so machten
sich infolge der Umgestaltung der bürgerlichen Verhältnisse der Juden
und der Fortscliritte der theologischen Forschung bald neue An-
sprüche geltend. Für die Landessprache wurde sowolü in den Gebeten
als auch in den Vorträgen ein weiter Spieh'aum gefordert. Wie die
gesamte Überlieferung unterlagen auch die Stammgebete der Ki'itik;
soweit sie im Inhalt oder im Ausdruck dem Zeitbewußtscin nicht
1*
A Einleitung
entsprachen, wurde mit Änderungen oder Beseitigung der Texte
vorgegangen. Die Gebetbücher der Reformgemeinden nahmen eine
grundsätzlich verschiedene Gestalt an, seit ilu'em Aufkommen wurde
das Gebet Gegenstand außerordenthch heftiger Kämpfe, die noch
heute mit Leidenschaft geführt werden.
§3. Sprachgebrauchc Die Stetigkeit des jüdischen Gottesdienstes
machte eine Gebetordnung notwendig, führte zur Entstehung der
Liturgie. Das Wort leivovQyeir ist in der griechischen Bibel die
Übersetzung des hebräischen mir, leLxovQyia in den jüngeren
biblischen Büchern gleich rninr. Liturgie bezeichnet demnach
den Dienst im Heiligtume, in erster Reihe den Dienst der Priester,
den Opferdienst. Die Bedeutung des Wortes hat dann dieselbe Wand-
lung durchgemacht, wie sein hebräisches Vorbild, wie dieses wurde es
vom materiellen auf den geistigen Kultus übertragen IT '"inr::
n:nn"" bsn V'n r-^n:? sbs ^rs« ix nbsn it ■'.'cis nrs? r\-:zr.
nbsn IT DDnnb i'^Dn [nn^bi b'^n rra icn nbn mm:? ^b ir^ ^z^
„der Gottesdienst im Herzen, das ist das Gebet", heißt es im
alten IVIidrasch (Sifre Dt. § 41, 80 a). So ist im Sprachgebrauch der
rabbinischen Literatur rmn" die zusammenfassende Bezeichnung für
Gottesdienst geblieben, während ,, Liturgie" in die christliche Theo-
logie überging und erst neuerdmgs wieder in den Sprachgebrauch der
Synagoge eingefülut wurde, häufig freilich in der engeren Bezeichnung
für die vom Rabbiner (im Gegensatz zum Vorbeter) vorgetragenen
Gebete.
Die Bibel ist an Bezeichnungen für „beten" oder „Gebet" ziem-
lich reich; in der gottesdienstüchen Literatur wird auch nicht eine
von Dmen in dem gleichen Siune verwendet, sie haben fast alle mit
der Zeit eine veränderte Bedeutung angenommen. Einen zusammen-
fassenden Ausdruck für die gesamte Liturgie gibt es nicht, jedes Stück
derselben hat nach seinem Inhalt einen eigenen Namen. Im Tahnud
und zum Teü noch im gaonäischen Zeitalter werden die Benennungen
mit großer Genauigkeit ausemandergehalten, erst in späterer Zeit
sind sie vielfach durcheinander geworfen worden.
Die Grundform des Gebets heißt nD"in. Der Ausdruck geht
auf IL Chr. 2026 '- ns iDnn air ^d ronn p^:? zurück, in Xeh. 95 ist
ri3"in neben rr^~r< bereits in dem neuen technischen Sinne gebraucht.
renn kommt von "inn, das ursprünglich auf die Knie fallen
heißt, dann aber Fürbitte tun, segnen und schließlich bei der Be-
Sprachgebrauch 5
deiitung Gott {) r e i s o ii , r ü li iii v n anlaiij^t (Piel und Part. pass.
Kai). So bezeichnet amli n^-^n das Lob- und Dankgebet und hat
stets hymnischen Inhalt. Die nD"Q hat eine bestimmte Form ce"J
mD"^2 oder rci br rn-J^ (j. Ber. I 8. 3 d). Das Vorbild dafür gaben
die zahlreichen Lobpreisungen der Psalmen, insbesondere die Doxolo-
gien am Schlüsse der Bücher des Psalters (4114.7218 u. ö,). Feste
Regeln für die Formulierung der nsin stellten die ersten Amoräer
(IIL Jahrhundert) auf, bald ^vi^d die Erwähnung des Gottesnamens
(2ir), bald die des Königtums Gottes (niD^'a) als unentbehrlich ge-
fordert; so ist die übliche Formel entstanden "rn"::s n nrs T"^
2birn i^iz. Es gibt kurze Benediktionen "^izp "TJi'c (j. Ber. das.),
die sich auf einen Satz beschränken, wie die Benediktionen bei
Genüssen und bei Erfüllung religiöser Pflicliten; diese fangen nur mit
Till an Ti'inn r^nris. Andere wiederum führen den Xamen lange
Benedilvtionen TT^i« r^::^, das sind meist die Gebetstücke im engeren
Sinne, die nicht nur mit Tl"!^ beginnen, sondern auch- emen Schluß
nnn (Ber. Ende) oder 2irn (b. Ber. 12 b, j. das.) mit fi^n haben.
Dieser Schluß heißt ebenfalls nD"il elloyict, Eulogie, wie die LXX
die Chronikstelle übersetzt, und hat die Form '" ~ps T^^2. Daher
kann auch eine Bibelstelle (p"'C2) als n2"'a dienen, wenn sie nur
einen entsprechenden Abschluß durch eine Eulogie erhält (z. B. Ps.
120 usw. in Taan. II). Solche Eulogien gibt es auch am Schluß von
Bittgebeten, daher der Name des wichtigsten Bittgebets ~Vi2lD
nD"a nncr. Wo mehrere mDin, d. h. eine Reilie von Gebetstücken,
aufeinanderfolgen, soll nur die erste mit TTin beginnen, die anderen,
die auf sie folgen (nnnnn':: roircn riD"a) nicht. Diese Regel erleidet
aber wie die erste zahkeiche Ausnahmen, wahrscheinlich ist sie
jünger als viele derartige Gebete, auf die sie infolgedessen nicht
Anwendung finden konnte (vgl. j. Ber. das.). Hat ein Gebet, HD'^n,
einen längeren Text, dessen Gedankengang sich vom i\.usgangspunkt
entfernt, so muß der letzte Satz vor der Eulogie \neder zum Ausgangs-
punkt zurückfüliren (nn^rsn y^7i2 n^irn':: li^o).
Neben riDin haben wh den Ausdruck nbsn (von bbsr~), der
Bittgebete bezeichnet, b'^srn, der Grundbedeutung nach Gott
zum R i c h t e r a n r u f e n , wird in der Bibel für Bitt- und Dank-
gebete verwendet. Im Talmud wird bbsr" aram. "'"r?, "'rsr aram.
sr^Vj: aussclüießlich für das Schemone-Esre-Gebet gebraucht, das
Bittgebet ilyai schlechthin. In nachtalmudischer Zeit aber bezeich-
ß Einleitung
nete man mit "bsr jedes Bittgebet, jede Fürbitte, wofür im Talmud
der Ausdruck DT:nri aiiann verwendet wird. Freilich gebrauchte
man dann nbsr wie in der Bibel auch für jede Art von Gebet,
selbst für Lob- und Dankgebete, nbsri r.iDin, die als von den
Männern der großen Versammlung gegeben angesehen werden
(b. Ber. 33 a), bezeichnen demnach den ganzen Umfang der Gebete.
Der Titel der ältesten erhaltenen Gebetordnung ist nsim nbsr mo,
wofür auch kürzer rctr ""C, r'ibsr "!"'-c gesagt ^^'ird, woraus sich
dann wiederimi die Bezeichnungen für das Gebetbuch herausgebildet
haben, das „Siddur", in manchen Gegenden „Tefilla" heißt.
ilD bedeutet feste Ordnung, bestimmte Reihenfolge, im prä-
gnanten Sprachgebrauch auch ,, Pensum"; alle diese Bedeutungen
könnte es in unserem Zusammenhang ebenfalls haben. Allein im
Keuhebräischen und in den Targumün wird es häufig angewendet,
um, wo von einem größeren Komplex die Rede ist. ,,das Zusammen
von" anzudeuten, z. B. Gen. 1 14 zi2Di:ri rs" Targ jer. S"'2;^D "nc r^:,
und ist im Deutschen dann gar nicht zu übersetzen. In der ältesten
bekannten Stelle, wo "iic bei Gebeten vorkommt, b. R. ha Seh. 17 b
bedeutet rczr. "nc den Inhalt eines einzelnen Gebets. Auch
TiO, S"i"C ohne Zusatz wird zur Bezeichnung der ,, Gesamtheit der
Gebete" angewendet. Desgleichen kommen Derivate des Verbums
n"D (Pi., Hif.) hebr. und aram. im Zusammenhang mit dem Gebet
vor und bedeuten „Gebete vortragen", „Gebete verfassen". Die
enge Verbindung des Stammes n~c mit den Gebeten hat ihren be-
sonderen Grund. Das entsprechende biblische "Wort "7"!", im Targum
stets durch ~"iC wiedergegeben, wird unter anderem mit dem Objekt
■)i'~Ta verbunden (Hi 32 I4j ; Ps. 54 -s::s: Y" """S^ ^p3, wo es ohne
Objekt steht, muß es nach dem Zusammenhange ,, beten" bedeuten.
Diesen Bedeutungswandel hat "^~c nebst allen seinen Derivaten eben-
falls durchgemacht, sie sind in eine geradezu unlösliche Verbindung
mit den Ausdrücken für Gebet eingetreten. So sind "nc und "rnc
die technischen Xamen für Gebetordnungen geworden.
Daneben bürgerte sich eine weitere Sammlung unter dem Xamen
M a c h s 0 r ein, "nrn^ ist von "iin „periodisch wiederkehren" ab-
geleitet. Das Wort wird in erster Reilie beim Kalender verwendet;
infolgedessen heißt der Jahreszyklus oder der gi'oße astronomische
Zyklus, der einen Zeitraum von 19 Jahren umfaßt, "inb i-inr.
ursprünglich bezieht sich also ,,M a c li s o r" auf den Ivreislauf des
Sprachgebrauch, ücbotsaminliiii^'rii 7
Jahres, und dann heißt Machsor auch ehi ]3uch, das sich mit dem
KakMiderwesen beschäftigt. Die Ubcrtragunf? auf das Gebetbuch
treffen wir zuerst in der syrisclien Kirche an, wo si — rrTO das Hrevier
bedeutet. In der jiidiseheu Literat iir bezeichnet es die wiederkehrende
synagogak^ Orduung. Die ältesten ^I a c h s o r mögen Kalender
gewesen sein, denen nach dem Kreislaufe des Jahres die Anordnungen
für die Gebete beigegeben waren; als aber der Phit zunahm, trat der
Kalender in den Hintergrund, nur der Name blieb, der von ihm her-
rührt, das Machsor brachte hauptsächlich Stammgebete und Piutim.
Wer ganz genau sein wollte, nannte die Sanunlung r'rsn (bir) "ntmi.
Siddur und Machsor sind nicht Gegensätze, scliließen einander nicht
aus, Machsor ist das Weitere, das Umfassendere. Siddur enthält
gewöhnlich nur die Stammgebete, während Machsor auch die poe-
tischen Beigaben bietet, im Siddur sind die Vorschriften und Er-
läuterungen über den Gottesdienst kurz, im Machsor ausführlicher
und durch manche verwandte Gebiete erweitert. Der Sprachgebrauch
hat sich so gestaltet, daß Machsor zur Bezeichnung der Festgebete
(Stammgebete nebst Piut) dient, während die Zusammenfassung
aller Stammgebete Siddur heißt; in neuerer Zeit werden dem Siddur
bisweilen auch Piutmi für die ausgezeichneten Sabbate beigegeben.
Gebetsammhmgen sind innerhalb des Judentums verhältnismäßig
jung, in alter Zeit herrschte die Anschauung, daß Gebete nicht schrift-
lich aufgezeichnet werden durften, „wer Gebete aufschreibt, ver-
sündigt sich, als würde er die Tora verbrennen". Erst nach dem
Abschluß des Talmuds, als die Xot gezwungen hatte, die anderen
Zweige der traditionellen mündlichen Lehre zu Papier zubringen, wurden
Gebete ebenfalls niedergeschrieben, erst nach dem sechsten Jahr-
hundert wurden sie gesammelt, ,,zur Zeit des Traktats Sofrim kann
das Dasein von Gebetsammlungen nicht mehr bezweifelt werden".
Doch waren das noch nicht Gebetbücher im heutigen Sinne, vielmelu"
blieb recht viel in ihnen noch unbestimmt und freiw^illig. dem wech-
selnden Brauche überlassen. Hierin schufen die Gelehiien Wandel,
indem sie Gebet Ordnungen verfaßten. Sie bauten sie auf ein Wort
R. Meh's (um 150) auf. daß ein jeder verpflichtet sei, 100 Benediktionen
an jedem Tage zu sprechen (b. Meu. 44 b, j. Ber. IX 2 13 b). So
sind die Gebetbücher recht lange nach dem Prinzip der rTin "sr
angeordnet worden. Die älteste derartige Sammlung, die viel zitierten
r"2-3 ns^ des Gaon Natronai (ca. 860) ist jüngst wiedergefunden und
3 Einleitung
von L. Ginzberg veröffentlicht worden. Von Gebetbüchern ist das
älteste erhaltene das vom Gaon Amram (ca. 875) nach Spanien gesandte,
iia-!^"~ "X"', "i^sr^ Z"i^" ni mo; es erschien zu Warschau 1865, der
Text wurde nach Handschriften verbessert und ergänzt von A. Marx
im Jahrbuch der jüd. liter. Gesellschaft, Y, 1907. Xeben ihm ist der
Siddm- Saadjas (892 — 942) zu nennen, der, zuerst viel beachtet, später
in Vergessenheit geriet, erst neuerdings wieder aufgefunden wurde, aber
noch immer der Veröffentlichung harrt. So blieb es einige Jahrhunderte
hindurch Sitte, daß gi'oße Gelehrte iliren Siddur abfaßten. Daraus
gingen die umfangreichen Machsor-Sammlungen hervor, das be-
kannteste und auch inhaltreichste Werk dieser Art ist von Simcha
ben Samuel aus Vitry (um 1100) angelegt und Machsor Vitry
genannt; mi Ki*eise Raschis entstanden, ist es der beste Zeuge der
alten französischen Gebetordnung. Das Machsor Vitry, von S. D.
Luzzatto entdeckt, ist erst in jüngster Zeit durch den Druck veröffent-
licht worden (Berlin 1889 — 93). Raschis Siddm- selbst, der wolü An-
ordnungen über die Gebete enthält, aber nicht die Texte, ist in den
letzten Jahren veröffentlicht worden. (Berlin 1911).
Aus der überreichen Fülle des Inhalts der Machsor lösten sich
kleinere Schriftgattungen los, die besonderen Werken anvertraut
wurden, z. B. nniro, r^l-^-p. Dadurch, daß der Piut sich Bürger-
recht innerhalb des Gottesdienstes erworben hatte, wurden die Samm-
lungen recht stark, ihm ward der gi'ößte Teil des ]\Iachsors eingeräumt,
und da er innerhalb der Gemeinden in zahllosen Variationen ver-
wendet wurde, führte er eine überaus große Mannigfaltigkeit in der
Liturgie herbei. Durch die Überhandnähme des Piut ganz besonders
kam es zur Scheidung der Riten, denn jede Gemeinde hielt auf ihren
Brauch nn:^. Kleine Abweichungen wiesen auch schon die Stamm-
gebete auf, aber sie waren unbedeutend, für den nicht geschulten
Blick unmerklich. Die Hinzufügung der poetischen Einlagen hin-
gegen hat eine durchgi-eifende Verschiedenheit des Gottesdienstes,
besonders des festtäglichen, innerhalb der einzelnen Länder herbei-
gefülirt. Die Gemeinden wählten die Piutim völlig nach ilu'em Be-
lieben und Gesclmiack, in benachbarten Orten traf man verschiedenen
Minhag (Ritus) an, Wanderungen und Vertreibungen führten mitunter
gänzlich abweichende Elemente zur Einheit zusammen, nicht gar zu
selten wurden die Werke eines Dichters in der Ferne zu Ehren ge-
bracht, während man sie in der Heimat vernachlässigt hatte. Es
Gebetsammlungen, Riten 9
wüido liior zu weit t'iilircn. .illc oinzelncn Riten und lokalen Verschieden-
heiten aufzuzählen — Zunz führt ihrer mehr als 60 an — zumal die
meisten im Laufe der Zeit, zum Teil unter dem Einfluß des Buch-
drucks, wieder verschwunden sind; wir werden uns mit der Erwähnung
der wichtigsten begnügen, deren Gebetbücher wir in unsern Unter-
suchungen ständig berücksichtigen.
Grundsätzlich sind zwei Kitusgruppen zu unterscheiden, der
Ritus von P a 1 ä s t i n a und derjenige von B a b y 1 o n i e n. Sie
wichen bereits in den Stammgebeten vielfach voneinander ab, von
beiden sind in der talmudischen Literatur Spuren vorhanden. In
unveränderter Form jedoch ist keiner von beiden auf uns gekommen,
der palästinische Ritus ist fast völlig verdrängt worden, wie alle
jüdischen Institutionen und Traditionen sind auch die Gebete von
Babylonien aus sehr stark beeinflußt worden, so daß selbst diejenigen
Riten, welche zur palästinischen Gruppe gerechnet werden, in den
Stammgebeten zumeist das babylonische Gepräge tragen. Zeugen
des palästinischen Ritus sind der Traktat Sofrim (ed. Müller, Wien 1875
— Sof.) Saadjas Siddur (= Sa.) sowie zahlreiche in der Genisa zu
Kairo gefundene, in den letzten fünfzehn Jahren veröffentlichte
Fragmente. Ferner gehören zur palästinischen Gruppe
L der deutsche Ritus (= Germ.) der in zwei Abteilungen,
eine westliche irzrj« ."":'a und eine östliche "ibls ^nsia zerfällt, wobei
die Grenze durch die Elbe gebildet wird. Dabei ist aber zu beachten,
daß die aus Deutschland und Polen vertriebenen oder ausgewanderten
Juden ihre Gebetordnung in die neue Heimat mitnahmen, so daß
w sie auch in Ländern wie Italien. England, im Orient und in Amerika
finden. Die ersten Drucke des nrrs 5n:^ reichen nach Italien bis
1490 zm-ück, die des i^:i£ 3n:T2 erschienen Prag 1512—1522. IVIit
dem deutschen ist der a 1 1 f r a n z ö s i s c h e Ritus verwandt, der
durch das Machsor Vitry (= V.) vertreten ist; er kam, infolge der Ver-
treibung der Juden aus Frankreich (XIV. Jahrhundert), früh außer
Übung und hat sich nur in drei italienischen Gemeinden, in Asti,
Fossano, ^loncalvo (D"£S) erhalten.
2. der italienische "iS'^b'J^X y'Z'c oder römische ""^'^ '''.ya,
auch Ritus der Wälschen (2^7ri"::n")2 genannt =It.); \ielleicht die
älteste Abzweigung des Ritus von Palästina, die erste Gebetordnung in
einem fremden Lande. Für diesen Ritus besitzen wir die beste Ausgabe
mit der vortrefflichen Analyse von S. 1 ). Luzzatto («^"n ^:a -^^imsb S'ms)
\Q Einleitung
Livorno 1856, 2 Bände, die erste Ausgabe erschien Soncino und Casal-
maggiore 1-485 — 86. Der Ritus ist auf Italien und wenige Gemeinden
der Türkei beschränkt geblieben.
3. der romanische, besser rumelische oder griechische Ritus
(111 ir-ix'^, NiS'aTT^ = Rom.), ursprünglich in den Balkanländern
überhaupt und noch heute in veremzelten Bethäusern auf Korfu ge-
bräuchlich, ist dem itaüenischen in den Stammgebeten sehr ver-
wandt. Vollständige Exemplare gehören zu den größten Selten-
heiten, die erste erhaltene Ausgabe erschien Venedig 1524, eine
zweite Konstantinopel 1574. — Auch der babylonische Ritus ist nicht
in seiner ursprünglichen Gestalt erhalten geblieben, schon Amram,
sein ältester Vertreter, weicht vom Tahnud vielfach ab. Amrams
Gebetordnung = Amr. kam nach Spanien und so wurde
4. der Ritus dieses Landes, der sepharadische ("nsca
= Seph.), der wichtigste Zeuge der babylonischen Gebetordnung; frei-
lich hat derselbe zahlreiche Veränderungen erfahren, und der spanische
Ritus selbst war nicht zu allen Zeiten und in aUen Gemeinden gleich. Da
die spanischen Juden nach ihrer Vertreibung zum größten Teü nach
Portugal auswanderten, nannte man sie Portugiesen, ilu'en Ritus den
portugiesischen; bei ilu'er späteren Auswanderung in die
verschiedensten Länder dreier Erdteile haben sie ihren Ritus überallhin
verbreitet; den alten orientalischen Ritus, der zumeist an den baby-
lonischen sich angelehnt hatte, haben sie völlig verdrängt. Die erste
Ausgabe des spanischen Gebetbuches erscliien Venedig 1524. Eine
besondere Unterabteilung dieses Ritus ist derjenige von Y e m e n ,
der in seinen Gebetbüchern (bsbDP) stark von Maünonides beeinflußt
ist; eine gute Ausgabe erschien Jerusalem 1901.
5. Den Übergang zwischen den beiden Gruppen bilden die p r o -
venzalischen Gemeinden A"\ägnon, Carpentras, Montpellier (=
Prov.), die, wie in allen Zweigen der jüdischen Literatur, auch in
der gottesdienstlichen sowohl dem französischen wie dem spanischen
Einfluß unterworfen waren.
§ 4. Quellen und Literatur. Die Quellen für die Geschichte
des Gottesdienstes fließen recht spärlich. Aus alter Zeit sind auf-
gescluiebene Gebete nicht erhalten, selbst die ältesten auf uns ge-
kommenen Gebetsammlungen liegen erst in jüngeren Überarbeitungen
vor, von denen keine über das zwölfte JaMiundert zurückreicht. Für
die vorhergehende Zeit sind wir auf die zerstreuten Notizen angewiesen,
».hit'lli'D \iii(l LiliTiilur XI
deiUMi wir in ixMilcii T ;i 1 in ii d c ii , in den M i r a s c li i m und ilnx'n
Erkläreni sowie in den II o s p o n s c n nnd Schlitten über sYnaf^oj^^ale
Institutionen begegnen. Sic sind nicht selirreiclduUtig, überdies weder
zusammenhängend — vollständige Gebete sind im Talmud nirgends mit-
geteilt — noch immer sicher datierbar. Die Zeit wirklicher Entwick-
lung der Stammgebete ist verhältnismäßig kurz und liegt fast völlig
jenseits der Grenze unserer Quellen; w^o die schril't liehen Nachrichten
beginnen, liegt auch der Gottesdienst m seinen Grundzügen bereits fest.
Die älteste zusamnu'uhängende Quelle ist der Traktat So fr im,
um ca. 600 entstanden, aus den nächsten Jahrhunderten sind dann
die § 3, S. 8 erwähnten Gebetsammlungen zu nennen. Aus dem hohen
Mittelalter sind von besonderer Bedeutung Maimunis Mischne Tora
(1180), der nicht nur alle Bestimmungen über den Gottesdienst,
sondern am Ende des ersten Buches auch die Texte der Gebete mo
-:rr. b; ri^tr. bietet. Aus derselben Zeit stammt das [D^ir] 5'^n:'a
des Abraham ben Xathan ha Jarchi aus Lunel, der auf seinen Reisen
die Bräuche von Xordfrankreich und Spanien kennen gelernt hatte
und reiche Nachrichten darüber mitteilt. Das gleiche Verfahren
macht die halachischen Werke der folgenden zw'ci Jahrhunderte so
wertvoll, die "cp": ibnis des Zidkia ben Abraham Rofe (ca. 1250) aus
Rom, a-i-^n nms des Aaron ha (lohen (ca. 1300) aus Xarbonne,
ai^n n-^N, den ersten Teil der a^lTJ ny^-^m des Jakob ben Ascher
(ca. 1330) aus Toledo. Dazu kommt der eingehende Kommentar zum
Gebetbuch von David Abudraham (1340) aus Sevilla. Alle diese Schriften
sind wdchtige Zeugen für die Gebetordnung und den Gebettext ilu-er
Heimatländer, ziehen auch zur Vergleichung vielfach Xachrichten aus
der Fremde heran. Die ]\linhagimliteratur des folgenden Jahrhunderts
bietet für den Wortlaut der Gebete wenig, um so mehr für die Ordnung
des Gottesdienstes. Dasselbe gilt vom Schulchan Aruch. Für die
folgende kabbalistische Periode sind die Anordnungen Isaak Lurias
und seiner Schüler maßgebend geworden. Unter den neuen Be-
arbeitern des Gebetbuches nimmt den ersten Rang Wolf Heidenheim
in Frankfurt ein, der zuerst ^\ieder auf Korrektheit und Einfachheit
des Gebetbuches Eifer verwendete. Die kritische Arbeit beginnt mit
S. L. Rapaports Bemerkungen in den Noten zur Biographie Eleasar
ha Kaüis. Darauf bauen sich Leopold Zunz' unsterbliche Werke auf,
die eine ungeheure Fülle handschriftlichen Materials venverten und
dadurch für alle seitdem unternommenen Studien maßgebend ge-
]^2 Einleitung
worden sind. Von der wichtigsten neueren Literatur über den Gottes-
dienst seien hier genannt:
L. Landshuth, HDin "ilp'a, Kommentar zu Edelmanns SiddurSb "if^sri.
Königsberg 1845.
S. Baer, i^xlTDi rni^y mc. Rödelheim 1868.
W. Jawitz, niDinn nipü 'D. Die Liturgie des Siddur und ihre Ent-
wickekmg. Berlin 1910.
S. L. Rapaport, "i^bpn '\j:;biin nibin, Note 20 in st:?,-, -»^lon,
X, 115 ff., und Nachträge, das. XI, S. 100 ff.
L. Zunz, Die gottesdienstlichen Vorträge der Juden. Berlin 1832,
II. Aufl., Frankfurt a. M. 1892.
Die synagogale Poesie des Mttelalters :
I. Teil: Die synagogale Poesie. Berlin 1855.
II. Teil: Die Ritus des synagogalen Gottesdienstes. 1859.
Literaturgeschichte der synagogalen Poesie. 1865. Nachträge
1867; vgl. dazu A.Gestetner a^-jT'Sn nrs^. Berlin 1889.
Franz Delitzsch, Zur Geschichte der hebräischen Poesie. Leipzig 1836.
M. Sachs, Die religiöse Poesie der Juden in Spanien. IL Auflage.
Berlin 1901.
L. Dukes, Zur Kenntnis der neuhebräischen religiösen Poesie. Frank-
fui-t a. M. 1842.
L. Herzfeld, Gesch. d. Volkes Israel, XXIV. Exkurs: Über die erste
Entwicklung des Synagogengottesdienstes, Bd. III, Nordhausen
1857, S. 183—223."
M. Duschak, Geschichte und Darstellung des jüdischen Kultus.
Mannheim 1866.
A. Berliner, Randbemerkungen zum täglichen Gebetbuch, I, Berlin 1909.
II, 1912.
I. Elbogen, Studien zur Geschichte des jüdischen Gottesdienstes.
Berlin 1907.
G. Dalman, Art.: Gottesdienst synagogaler in Herzog-Haucks Real-
enzyklopädie für protestantische Theologie, III. Auflage, 1899, VII.
S. 7—19.
W. Bacher, Synagogue in Hasting. Dictionary of the Bible, Bd. IV.
1902, 636^643.
I. J. Peritz, Art.: Synagoque in Cheyne und Black, Encyclopedia
biblica, Bd. IV, 1903, 4832—4840.
Liti'i'iilui', I >is|msiti((ii ]^3
L. Blau, Ali.: Lituigy in Tlu- Mvisli Kncyclo|)(Mlia, Hd. VIII, HK)?,
132—140.
P. Fiebig, Art.: Gottesdienst, Jüdisciicr in der Gegenwart, in F. M.
Schiele, Die Religion in Geschichte und Gegenwart, Band II,
Tübingen 1910, 1581 If.
Verhandlungen der zweiten Rabbinerversammlung in Frankfurt a. M.
1845.
A. L. Frumkin, 3brr. anrr n"i ^ic 3" Tr^rs r-iirz n'^Er "nie
'131, Bd. I, Jerusalem 1912, mit unbrauchbarem Kommentar,
aber wertvollen Mitteilungen aus wichtigen Handschriften.
Bücher und Abhandlungen über Einzelfragen sind vor jedem
Paragraphen zitiert.
§ 5. Anordnung des Stoffes. Unsere Darstellung zerfällt in
drei Abschnitte. Zunächst ist eine Beschreibung des jüdi-
schen G 0 1 1 e s d i e n s t e s zu geben, wie er an Wochentagen, Sab-
baten und Festtagen gehandhabt wird. Es werden der Reilie nach die
Gebete, die Schriftvorlesungen und die poetischen Ausschmückungen be-
handelt, und zwar werden sie alle auf die älteste uns bekannte Form
zurückgeführt sowie in ihren Wandlungen im Laufe der Zeiten und
Riten bis auf unsere Tage verfolgt. Zugrunde gelegt wird hierbei das
in Deutschland übliche Gebetbuch nach dem Texte der Ausgabe von
Baer. Der zweite Abschnitt bietet eine zusammenhängende Dar-
stellung der Geschichte des jüdischen Gottesdienstes
in seiner Entwicklung von den ersten Anfängen bis auf unsere Tage;
sie gliedert sich in drei Teile : die Zeit der S t a m m g e b e t e ( — 600),
die Zeit des Piut (600—1800), die Zeit der Ki-itik (XIX. Jahrhun-
dert). Der dritte Abschnitt ist der 0 r g a n i s a t i o n d e s j ü d i -
sehen Gottesdienstes gewidmet ; er behandelt die äußeren
Erfordernisse des Gottesdienstes, die Gebäude und ilue Einrichtung,
die Gemeinde, ihre Verwaltung und ihre Beamten sowie deren Tätig-
keit beim Gottesdienste.
B. l. Abschnitt:
Beschreibung des jüdischen Gottesdienstes.
Kap. I. Der tägliche Gottesdienst.
A. Das Morgengebet.
§ 6. Das tägliche Morgengebet.
Das tägliche Morgengebet, nmrn (Ber. 1 3) r^nnü [rbsr], nsr
oder i^'cr , aram. pinmu" i^nib^:, arab. ~">rr rs oder -:!:"i-t nibs,
griech. l'iodev, auch aQyof.ievrjg ti^c ^juegag genannt, zerfällt in
fünf Teüe:
1. Die imi?" nsm, vom Anfange des Gebetbuchs bis vor
n)2SlS ^T^n (Baer, S. 33—54);
2. "TOT" ipics oder nni^ü" von ^"cxr T'".'^ bis zum Schlüsse
von nnmiJi (Baer, S. 58—75);
3. i::ti oder V^t: "«"»"^p, die mit ""i? ""^'^ beginnenden um das
Bekenntnis gruppierten Gebete (Baer, S. 76 — 86);
4. nbsn oder nTttJy nstJTü, das „Achtzehngebet" (Baer, S. 87
bis 104);
5. ')i:nr ; mit diesem Namen sind alle Gebete zusammenzufassen,
welche auf die TefiUa folgen (Baer, S. 112—132 bezw. 162).
Nicht mimer hat das tägliche Morgengebet die heutige Gestalt
gehabt. Die emzelnen TeUe sind nicht immer so ausgedehnt, auch nicht
alle oben genannten von Haus aus im Gottesdienst der Synagoge ent-
halten gewesen. Tachanun (5) ist im ältesten Gottesdienste das
Privat gebet, das nach Vollendung der öffentlichen Gebete der
einzelne in stüler Andacht verrichtete. Das emzige Gebet, das der
Vorbeter von einem besonderen Platze aus vortrug, war- die TefiUa (4),
selbst beim Sclima (3) trat er nicht aus den Reihen der Gemeinde
heraus. Die Entwicklung führte dazu, daß der Vorbeter auch das
l>iis tii^'liilii' Murgengebet 15
Tacliunwii ivzitierte und hereits Ix'ini Scliina seine Funktion aul'naiiin,
aber nocli in Amr. begejLinon wir der alten Anscliauung, wonach der
Vorbeter erst bei der Tefilla auftritt und Taclianun kein Gemeinde-
gebet ist. Die Seniirot ("2) sprach ursijriiutflieli jeder für sieli. Noch
lieute kommt es viell'aeh vor, daß bis zum Schhit) der Semirol über-
liaiipt kein Vorbeter fungiert oder nicht derjenige, der die Haupt-
gebete (3. 4) vorträgt. Der erste Absclinitt wurde überhaupt nicht
in der Synagoge, sondern im Hause ges))rochen und diente als Vor-
bereitung für den öffentlichen Gottesdienst. In Amr. und noch bei
Maimonides finden wir Anordnungen in diesem Sinne, erst durch
Meir von Rotlienburg (nach 12öO) wurde der Abschnitt innerhalb
des deutschen Ritus in die Synagoge eingeführt, das wurde später in
anderen Ländern übernommen; jedoch ist die Erinnerung an den
ursprünglichen Tatbestand niemals völlig geschwunden.
In kabbalistischen Kreisen wurden die vier Teile des Morgengebets
— Tefilla und Tachanun wm'den als einer gerechnet — als ein Ganzes
aufgefaßt, das nach dem Prinzip des Aufsteigens vom Geringeren zum
Höheren aufgebaut ist. Die vier Teile des Gebets sollten den vier
Stufen des Weltalls entsprechen, der niederen Welt, der Welt der
Sphären, der Welt der Engel und der Welt Gottes. Man unterschied
auch die vier Teile nach dem menschlichen Organismus: Der erste
Teil entspräche dem menschlichen Körper, die drei anderen den drei
Seelenstufen, der animalischen, der vegetativen und der sensitiven
oder denkenden Seele. So sehr diese Einteilung auch einer Steigerung
der Andacht, entsprechend der höheren Bedeutung der einzelnen Ab-
schnitte, günstig sein mag, so unhaltbar Ist die ganze Aufstellung; denn
die Gebete sind nicht von einem Manne gleichzeitig und nach einem
Plane angeordnet worden, vielmelu" zu ganz verschiedenen Zeiten ent-
standen und nebeneinander getreten.
Die ältesten und wichtigsten Gebete sind Kriat Schma (3) und
Tefilla (4).
Das Schma enthält das Bekenntnis, den Kern des Glaubens-
bestandes des Judentums, die Tefilla eine Anzahl von Bitten, die die
wichtigsten Bedürfnisse des emzelnen und der Gesamtheit betreffen.
Theoretisch mag die Meinung richtig sein, daß wir Gott keine Bitten
vortragen sollen; es ist auch alt jüdische Anschauung, daß er unsere
Bedürfnisse kennt, ehe wir ihn darum ansprechen. Aber im wirklichen
Leben gibt es kaum einen Menschen, der das, was sein Innerstes
"I^g Beschreibung des Gottesdienstes
bewegt, nicht auch in Worte zu kleiden und seinem Vater im Himmel
vorzutragen das Verlangen verspürte. Bekenntnis und Bitten waren
der älteste Bestandteil des Gottesdienstes. Es ist nicht schwer zu er-
klären, weshalb ilmen eui hymnischer Teil vorangeschickt wurde. Nur
darf man die heutige Beilienfolge nicht zum Gegenstande weitgehender
Folgerungen über die ursprünghche Absicht des Gebetes machen.
Wir betrachten hier zunächst die Abschnitte III, IV und V und greifen
dann auf II und I zurück.
§ 7. Das Schma und seine Benediktionen.
Literatur: Rapoport, Kalir, S. 115 ff.; Zixnz G. V.^, S. 382 f. ; Lands-
huth, S. 42 ff. ; Duschak, S. 189 ff. ; Baer, S. 76 ff. Kohler K., Über die Ur-
sprünge und Grundformen der synagogalen Litiu-gie iu MS XXXVII.
1893, S. 441 ff., 489ff.; Bhiu L., Origine et historie de la lectm-e du Schema et
des formules des benedictions qui l'accompagnent in BEJ XXXI, 1895,
S. 179 ff'. ; Elbogen, Studien, S. 3 ff'. ; Schürer n*, S. 528f ., 537 f. ; Jawitz, S. 51ft'. ;
Ginzberg, Geonica I, S. 127 ff. J.E. Artikel Liturgy VIII, 133 f. ; Shma
XI, 266 f. ; Ahaba rabba I, 281 ; Emet We Yazzib V, 152 ; Geullah das.
648. Hambiu-ger, Bcal-Encyclopädie, Art. Schema II-, S. 1067 ff.
1. Man nennt den dritten Abschnitt des täglichen Morgengebets
entweder "'52C ri5"'"'p nach seinem hauptsäclilichsten Inhalt oder
Txi'>, weil die ersten charakteristischen Worte ms "ii:t> lauten; ja,
sogar das ganze Morgengebet hat hiervon den noch heute im Orient
gebräuchlichen Namen i::t' rctr. erhalten, und auch die Poesien, die
in die Stanmigebete eingeschaltet werden, wurden, da sie hier zuerst
begegnen, ■i::"'P bezw. mi Plm^al nnsrii genannt.
Den Mttelpunkt bilden di-ei biblische Stücke "rc Dt. 64—9,
r^:T3 as? n^m Dt. 1113—21, 1^2x^1 Num. 1537—41; nach dem Anfangs-
worte des ersten Stückes nennt man sie auch alle zusammen y^XO oder
"rr rs"tnp. Den Aufbau des Abschnitts gibt bereits die Mischna an
rp-nsb nnsi n^:s':; D^mD i^nr ^mrn (Ber. 12). Danach gehören
beim Morgengebet zwei Benediktionen vor das Schma und eine
hinter dasselbe. Die vorderen Stücke heißen nach iluen Anfängen
""S "i::i"i (vereinzelt auch "T'.'iS'a- rz-n) und nni nnns, das hintere
l"»"::"'"! r^x mit der Eulogie bsiTT"» '::Sj. Vielfach wurde noch eine be-
sondere Benediktion für dieses Gebet vorausgeschickt, nach andern
der Bibelvers Ps. 7838a"in-! «"-n; doch haben sich beide Zutaten in
keinem Ritus erhalten.
I
Das Schmn und sfine Hcm^diktionen 17
2. Unser Gebet bes::innt mit "'Din. Bereits in der Mischna (Ber.
VII, 3) wird dies von R. Ismael (120) in der tf:el)r;iii('hlielien Fassung
zitiert, die allerdings damals nocli strittig war und bis in die letzte
Zeit der Amoräer umstritten blieb. Daß die Gemeinde, während der
Vorbeter iDin spricht, den Hymnus T'^sr'^, dessen Wortlaut aus Be-
standteilen des Kaddischs (§ 12 a) und biblischen Sätzen zusammen-
gesetzt ist, rezitiert, ist den älteren Gebetordnuugen unbekannt.
Wahrscheinlich wurde in der ältesten Zeit auf tsia keine Antwort er-
wartet, sondern dieser Aufruf bildete die Aufforderung, den Gottes-
dienst zu beginnen. Erst später, als er als ein Teil des Gebetes selbst
betrachtet wurde, kam die Sitte auf, daß die Gemeinde mit einer be-
sonderen Responsion T^n^cn n T">"^3 darauf erwiderte; im zweiten
Jahrhundert wird das schon als allgemein verbreitet vorausgesetzt.
3. Im J 0 z e r finden sich in seinem gegenwärtigen Texte Reime,
alphabetische Wortfolge (die in einigen seltenen Riten sogar noch
weiter ausgebildet ist als in den verbreiteten) und anderes, was auf
jüngeren Ursprung schließen läßt. Dem Zwecke des Stücks als Morgen-
gebet entspricht die Lobpreisung am Anfange, die zunächst an Jes. 457
angelehnt ist und am Schlüsse eine kleine, dem Gebet angepaßte Um-
wandlung enthält. Die Schaffung des täglich sich erneuernden Lichtes
wird kurz als eine Erneuerung der Schöpfung gepriesen. Der Anfang
und der Schluß, im ganzen 12 Worte, sind b. Ber. 11 b und 12 a zitiert,
von der Fortsetzung kommen die Worte n'07'a 21"» bDn nn^n
PTxnn ohne Verbindung mit dem Gebete in b. Chag. 12 b vor. Dem
x\nfange der Benediktion entspricht die Formel der Eulogie isii
niT'S'an, ihr geht Ps. 1367 =-'':;n."i a-^-'^x r.rrb voran. Man kann den
Vers ebenfalls noch zum ursprünglichen Bestände des Gebetes rechnen,
aber mit jenen Worten ist dann alles gesagt, was an dieser Stelle zu
sagen war. Einer solchen kurzen Fassung entspricht das Gebet, wie
es bei Saadja für die Andacht des einzelnen vorgeschrieben ist und
sich in einigen Genisafragmenten ohne nähere Angabe findet.
Was im überlieferten Text zmschen Anfang und Ende steht,
bringt zu dem beabsichtigten Gedanken nichts Neues hinzu, ist nur
eine künstliche Erweiterung desselben, man kann die Sätze fortlassen,
ohne am Sinne etwas zu verlieren. Der Anfang im n^ ist Ps. 10424
entnommen, der Schluß bringt eine an diese Stelle nicht gehörige
Bitte i3-»b7 zrr, zu der die daz^^^schen stehenden Sätze mit unnötig
vielen Worten den Übergang bilden, irbr 2n^ selbst gehört zu der
El bogen. Der jüd. Gottesdienst.
"I^g Beschreibung des Gottesdienstes
folgenden, bei Saadja in etwas veränderter Form vorliegenden Reim-
kette, die nach Inhalt und Form sich als jüngerer Zusatz zum ur-
sprünglichen Bestände verrät. Immerhin mag sie älter sein als die
nächsten Erweiterungen. Der Satz Ti^n . . . nyi bllS ^lin bs
ai"iSDT2 usw. ist in alphabetischer Reihenfolge gehalten, wahrscheinlich
sollten sogar noch Worte mit den Schlußbuchstaben folgen ; er stammt
frühestens aus dem Ende der talmudischen Epoche. Im gaonäischen
Zeitalter waren diese Alphabete dem Gebet noch nicht einverleibt;
es standen mehrere zur Verfügung, und sie wurden abwechselnd ein-
geschaltet. Saadja z. B. empfiehlt ein längeres, wo zu jedem Buch-
staben mindestens zwei Worte gehören, und fragmentarische Gebet-
bücher überliefern weitere ähnliche Stücke. Ein anderes Alphabet
findet sich gegen Ende unseres Stückes: .a'iTinä .ai^'inä s':::
□"^nma . . . □'^TCir .a'^illl Das Alphabet ist da nicht vollständig
durchgeführt, das braucht aber nicht an schlechter Überlieferung zu
liegen, da die Dichter nicht immer die Alphabete bis zum Ende aus-
arbeiteten ; dennoch findet sich im Ritus von Kaffa mehr davon als in
allen anderen (-"^ssm n:? aiirmb . . . a^-^zen d-^dt a'^p'>rn), es ist
aber selir fraglich, ob das nicht ein später Zusatz ist.
Die folgenden 13 Worte 'T'nrr bis "bc greifen \sdeder auf das
Thema zurück ("ili? i""i"'i{l2) und wurden darum von Zunz mit zum
ältesten Bestände gezählt, sie gehören jedoch nicht dorthin, sie dienten
lediglich dazu, den unterbrochenen Faden -uleder aufzunehmen. Mit
den nächsten Sätzen wii'd durch die Worte 2">Tr"p, sir-TCia ein ganz
neuer Gedanke eingeführt, der zur ,,Keduscha" überleitet. Daß sie
in der vorliegenden Form nicht alt ist, vvii'd von aUen Kritikern zu-
gegeben, strittig ist nur, ob die Keduscha als solche an dieser Stelle ur-
sprünglich ist oder nicht. Gerade hier wird ihr von \ielen der eigent-
liche Platz zugeschrieben, von hier aus soll sie in die TefiUa einge-
drungen sein, während andere umgekehrt sie in der Tefilla als heimisch,
hier als übertragen betrachten. Wir behandeln die Frage weiter unten
§ 9 a. Der Wortreichtum unseres Textes, der zur Überleitung dient
und bei Saadja wesentlich gekürzt erscheint, dürfte schwerlich älter
sein als das gaonäische Zeitalter und aus den Kreisen der nnsiia i"—'
stammen. Das waren Mystiker, die beim Gebete ganz besondere An-
strengungen machten, die Gottheit zu erfassen. Sie suchten Visionen:
ein altes sehr beliebtes IVIittel, sich in Ekstase zu versetzen, das die
Das Schma und scin«^ Bniicdikf iom-ii 19
Mystiker zu allen Zeiten angewendet haben, war die Häufung von
Hymnen. Aus mystischen Kreisen stammen viele sehr schöne Ge-
bete, viele allerdings auch, in denen der Wortschwall die (iefühle und
Gedanken verdrängt. Die Keduscha war nach einer Angabc in Amr,
eines der beliebten Gebete der Mystiker jener Zeit. Wir besitzen
neuerdings alte Berichte, nach denen die Mystiker im ersten gao-
näischen Jahrhundert außerordentliche Mühe aufgewendet haben,
um ihre Ideen zu verbreiten, und laut denen sie viele Kämpfe damit
hervorgerufen haben. Eine Angelegenheit, die ihnen besonders am
Herzen lag, war die Verbreitung der Keduscha. In l*alästina kannte
man die Keduscha nur an Sabbaten und Festtagen, die Mystiker aber
forderten ihre Kinführung auch an Wochentagen, sie fanden starke
Gegnerschaft, ruhten jedoch nicht, bis das Ziel erreicht ward. Um
750 etwa hat sich diese Bewegung von Babylonien nach Palästina
verbreitet. Damals ist wahrscheinlich die Keduscha in den Jozer
hineingekommen, während sie dem alten })alästinischen Ritus voll-
ständig fremd war.
TTin bsl: steht in du-ektem Zusammenhang mit der voran-
gehenden Erwähnung der Engelchöre und kann darum nicht älter sein
als diese; das Stück enthält ebenfalls mehrere Keime ptti^Oi i:"'E)
r-rin rnr" usw.). Es mündet nach einer alten Regel (Vgl. oben S. 5)
wieder in den Gedanken, hier sogar in den Wortlaut des Anfangs ein
r^cs^n -•C7'Q i^'cn ai^ "^sn inr^n ir-nian, und als bibhscher Beleg
nTas«D wird Ps. 136 7 wö^l^ a^nis r.Trrb angeführt. Das Wort a^^is
wurde jedoch verhängnisvoll. Denn daran knüpften poetische Gemüter
(die erwähnten Mj'stiker?) die Bitte um das neue Licht der messianischen
Erlösung an : "Tii<r "jl"»:: b" nn nix. Saadja, in dessen Siddur auch
Ps. 1367 fehlt, bekämpfte den Satz, allerdings in Babylonien ohne Er-
folg; jedoch Seph. Rom. und lt. haben die Bitte nicht, auf dem Gebiete
des französisch-deutschen Ritus hat Raschi sich dagegen ausgesprochen.
In Deutscliland war er früh bekannt und wurde von Elieser ben Nathan
in Mainz (um 1100) verteidigt. Den Gegensatz der Meinungen spiegeln
auch die Handschriften wieder, die den Satz bald bringen und bald
fortlassen; in den Drucken des deutschen Ritus liest man ihn seit
der ersten Ausgabe. Wo T2J~n ns fehlt, findet sich ein anderer Abschluß,
lt. und Rom. lesen nach Ps. 1367 y-xri :r [Rom. -"»«nb] 2:r: ^^c^2^
Seph. «■'n rnrs« 7^':;-^ irs) nrc":; r'—scr rprr.-. Das scheint der
ursprüngliche Schluß gewesen zu sem, der durch den messianischen
20 Beschreibung des Gottesdienstes
verdi-ängt wurde, nn -i'i« selbst ist offenbar eine Abkürzung der
einst ausführlicheren messianischen Bitte. Im südlichen Frankreich
war es üblich, auf rin "^^S die Verse Jes. 601 und Ps. 11827 folgen
zu lassen. Wie häufig im südfranzösischen Ritus, dürften auch hier
Reste palästmischer Überlieferung vorliegen; in Genisafragmenten ist
mehrfach zwischen den beiden Teilen des Satzes r~n -ns5und"i::2 rc'Zi
neben den erwähnten Versen auch die Bitte 13b iiJ^n Tn-i'C'a n:i zu
lesen. Die Eiüogie am Schlüsse mms'an Tj:^ findet sich bereits b. Ber.
12 a, j. Ber. I 8 (3 c). Die Reformgebetbücher haben die Benediktion viel-
fach verkürzt ; zuerst wurde nur gegen r~n -ns? Widerspruch erhoben,
dann wurden die Erwähnungen der Engel ("lims Tinnn) in ihrer Aus-
führlichkeit besclu'änkt, schheßhch wurde der Text in der Kürze, wie
Saadja ihn bietet, wiederhergestellt.
4. Die zweite Benediktion führt b. Ber. 11 b den Namen min nsin.
Sie beginnt in unserem Ritus mit nni nnns, im Seph. und It. jedoch
mit 2:"" r^ns?, das an Jer. 313 anklingt. Die Verschiedenheit ist alt,
sie geht bereits auf den Talmud, b. Ber. 11 b, und väeUeicht auf eine
Abweichung zwischen Babylonien und Palästina zurück; sie hat sich
durch die Zeiten und Länder fortgesetzt und venu-sacht, daß selbst
der Talmudtext in zwiefachem Wortlaut überliefert wurde. Von den
gaonäischen Schiden hat Pumbedita an ablj? n^nx, Sura an nni ~i~S
festgehalten und cb"!:? ri~s für den Abend bestimmt. Diesen Aus-
gleich hat Ami'., auch Germ, und Rom. haben ihn angenommen;
hingegen hat Saadja in beiden Gebeten abi" rnnx, Seph. und It.
desgleichen.
Der Inhalt des Stückes ist, entsprechend dem alten Xaraen, der
Dank füi* die Offenbarung. Das vdi'd durch einen Vergleich mit dem
Abendgebete und mit alten Texten deutlich, in der uns vorliegenden
Gestalt des Gebets erinnert nur der erste Teil an die m'sprüngliche
Bestimmung. Der Text stimmt i n h a 1 1 1 i c h in allen Riten überein,
der Wortlaut ist in den meisten umfangreicher als in Germ. Die Va-
rianten sind jedoch erst im zweiten Teüe besonders zahlreich. Wie
in der ersten Benediktion ist auch hier eine Bitte messia-
nischen Inhalts eingefügt, und sie wurde bald mehr bald weniger
wortreich ausgeführt; schon Ami", und Saadja sind weit ausführ-
licher als Germ. Ein wichtiger Unterschied in dieser Bitte ist, daß,
während Germ, und It. f'^i«" nE:D rn-x^ 2'bcb irs^^nni lesen, also
die Bitte um Sammlung der Zerstreuten enthalten, Amr. Sa. und danach
Das Schina und seine Bencdiktioncn 21
Scph. die Bitte um das niessianisclie Ikil j^anz allgomein ausdrücken
T-is^n ms:D rn^x^ aibüT (n:7-Tr-^), nrin "z^by xnn (^ -^n^l. Auf-
fallend ist, daü die mossianisciic Bitte in Genisafragmenten mit dem
Beginn nni nnns sich n i c h t findet, nur in solchen mit rzrix
D^T. Die Kinfiigung einer Bitte messianischen Iniialts wurde, aher
Wahrscheinlichkeit nach, durch den Satz ""znnb in"^",, der den ersten
Teil abschloß und den Übergang zum Einheitsbekenntnisse bildete,
veranlaßt. Der Satz bedeutet an seinem Ursj)rungsorte, in Ps. 8611,
die Bitte um ungeteilte, uneingeschränkte Hingabe an Gott, er wurde
dann im Sinne einer jüngeren Auflassung von DTUn nirr» auf die
Anerkennung Gottes selbst in der Todesstunde, selbst durch das Mar-
tyrium bezogen und auf diese Weise mit Gedanken vom Jenseits
und von der kommenden Welt, der messianischen Zukunft in Ver-
bindung gebracht. Man kann es noch dem heutigen Texte der
Benediktion anmerken, daß sie einst bei 1:33":: nn"'" endete, denn der
Schluß r-^n 'T'öc: (^:D:'a) i:rn^pi leitet wieder zum Gedanken dieser
Worte über; nnnsin [It. inissn] ^-inibi i:^ nninb schließen
bereits Amr., Sa. und danach alle Riten, Rom. noch ausführlicher
bii.";n TTSü rs nnnsbi "j-nibi, woraus man zugleich sehen kann, wie
durch Ausarbeitung einzelner Worte die Texte häufig erweitert
wurden. Wie bereits bemerkt, haben Germ, und It. die kürzeste und
einfachste Fassung von r.^i r.üns. Die Eulogie bxmr"^ Tcrs "^mnn
nnriiin stimmt in allen Riten überein, ilir Kern findet sich bereits
unter den Benediktionen des Hohenpriesters am Versöhnungstage
j. Joma VIIl (44 b). — Für die Reformgebetbücher wm'de die Fassung
maßgebend, die mi Hamburger Tempel seit 1818 eingeführt war;
dort wurde die messianische Bitte stark gekürzt und im Wortlaute
des oben angeführten Satzes aus Seph. verwendet.
5. Über die biblischen Abschnitte ist oben S. 16 das Nähere be-
merkt. Germ, fügt für das Einzelgebet vor r^ctr die Worte "iTas: Y^^ bs?
ein; sie sind typisch für die Art, wie Mißverständnisse entstehen
und eme religiöse Deutung erhalten. Die drei Worte bilden die Auf-
lösung der Buchstaben von "(las, das Amr., Sa. und sogar noch
V. vor yQV haben; in Palästina kannte man die Sitte, daß hinter
dieser Benediktion "iias« gesprochen wurde, man hat sie dort früh ver-
boten (j. Ber. V 5, f. 9 c). Aus "liS wurde nun nach einer bereits im
Talmud (b. Schabb. 119 b) gegebenen Anleitung ii:«: Tb^ ex gemacht.
Als die Mystiker die Worte der Gebete zu zählen und hintei- den
22 Beschreibung des Gottesdienstes
Zahlen Geheimnisse zu suchen begannen, fanden sie heraus, daß in
den drei biblischen Abschnitten 245 Worte enthalten waren, die durch
pi?D ibis '^m zu der mystischen Zahl 248 n^ül ergänzt wurden und
so auf die Anzahl der Glieder des menschlichen Körpers oder der
religiösen Gebote {r\1D^ ni::^) hinwiesen. Der Vorbeter, der ibia bx
■jüSS nicht spricht, rezitiert laut ni2S DDTibs n und erhält die
Ergänzung auf diese Weise.
Hinter dem ersten Bibelverse bs"'iTL''' "üTC Avird die Rezitation
durch die Responsion "i:?l abl^b imsbia mnD Dir Tini unterbrochen.
Sie ist Ps. 7219 entlehnt, die mittleren Worte bilden einen Ersatz
für den Gottesnamen l^'inbi« n. Die Responsion wurde im Tempel
zu Jerusalem als Erwiderung auf das Aussprechen des Gottesnamen
angewendet (Joma III 8 u. ö.), ihre Einfügung in das 37'aTr hängt mit
der ältesten Art des Vortrags dieser Stücke zusammen; vgl. dazu
weiter S. 26.
6. Als Epilog zu den biblischen Abschnitten folgt l'i2"'l rrax. Der
Name findet sich bereits in der Mischna Tam. V 1 beim Frühgottes-
dienst der Priester während des täglichen Opfers. Wegen seines Alters
erklärt es R. Jehuda für biblisch geboten SitTiinis"! ^'^:z-'i r,^S b. Ber.
21 a. Die Eulogie des sehr langen Gebets lautet bi?"i'D'' bmx daher der
andere Name nbis^ (vgl. b. Ber. 9 b; jer. I, 1 f . 2 d). Die beiden
Bezeichnungen deuten auf zwei Entwicklungsphasen des Gebetes hin.
i'^Sil n^i« ist eine Bestätigung des Glaubensbekenntnisses ; es scliließt
sich sehr gut an die zwei ersten Absätze des ^^12 an und büdet die
Bekräftigung dieser alten Sätze für die jedesmalige Gegenwart. Die
nbliij hingegen ist durch die Einführung des dritten biblischen
Stückes hervorgerufen; ihr heutiger Inhalt geht auf Tos. Ber. II l
(316), jer. das. 1,9. (3 d) zurück. n-'DT''in ^«1:: [ipnn] r^tP r.i< i!i-''^pr^
qiD a^ n:7^npT mm^nnD^n:! n^Dtnb T^^^ D^'I'üN. Diese Kontro-
verse findet ihre Erledigung durch das folgende Wort: rr^r.^ '"i
ib«iai bsiiiiJ^ 112 i^ib T^izn piD nx n^DT-b T^nr n^is -»ib p.
Der Wortlaut hat ebenfalls manche bemerkenswerte Einzelheit.
n"'22"''i n^i« enthält nebeneinander Hebräisch und Aramäisch, wie es in
alten Gebeten öfter vorkommt. Dazu trat noch eine große Anzahl
Synonyma; Raschi verlangte 18, im Siddur sind es im ganzen 16,
und zwar in allen Riten dieselben, ein Zeichen ilu-es hohen Alters.
Darauf wh-d durch r'Oi« der Satz noch einmal aufgenommen und in
Das Schma und suinu Bciu-diklioiu-ii 23
clor Art dos Midrascli //uMiilicli wcnfrcicli diircli^cfiilirl. Der Woil-
laiit ist in uIUmi Kitcn bis aiil' klcino iK'langlose Stilist isclic Ahwciclmnt^cn
gleich, nur Korn, liat einen völlig verschiedenen Schluß; aulfallend
ist in Germ. r.r.yME'^ -ii:: 1:1:211 statt des sonst überall, auch in V., zu
findenden und dem Stile der parallelen Glieder ents|)rechenden 1:11::.
Wo Piut einji^eschaltet wird, ist in Germ, eine Abkiirzun<r im Gebrauch,
die den gleichen Inhalt in weit kürzerem Wortlaut wiedergibt; der Schluß
i:bx3b irra 7'ail" 'Vdb scheint eine Erweiterung zu sein, ist aber offen-
bar nur eine Zusammenfassung der G euUa. Kom. hat diesen Schluß
im täglichen Gebete bewahrt, in Genisafragmenten findet sich das kurze
2-^1-^1 r,)2X ebenfalls im alltäglichen Gottesdienste, wir haben es hier
wiederum mit einem Rest der palästinischen Liturgie
zu tun, die sich, wie wir das noch öfter beobachten werden, in Germ,
in Verbindung mit Piut erhalten hat.
Mit irmns n-^y (V. nnr) beginnt der zweite Teil, die G e u 1 1 a
in Form eines schwungvollen Hymnus. Es liegt im Wesen dieser
Stilform, daß im Laufe der Zeit einzelne Ausdrücke geändert oder
durch ausführlichere Satzglieder ersetzt werden konnten, in einigen
Genisahandschriften sieht man es noch, wie am Texte gestrichen und
zugesetzt wurde; sieht man von diesen Verschiedenheiten, die den
Inhalt kaum berühren, ab, so ist der Text überall der gleiche. Er
mündet in die beiden Zitate aus dem Schilfmeerliede : Ex. löOundLoKi.
Dafür sind am Schlüsse die Abweichungen um so zahlreicher. Amr.
nuicht ohne weiteres Schluß und erklärt sich streng gegen jede Hin-
zufügung. Trotzdem sind überall solche vorhanden. Am einfachsten
lautet Seph., der nur Jes. 474 i;bxi3 anreiht. In allen anderen Riten
ist an dieser Stelle — wiederum entgegen dem ursprünglichen Plane —
eine Bitte um Wiederholung der Erlösung eingefügt, r^ns bb32
a"':n yinr, erwähnt Amr., der sie verwirft; nichtsdestoweniger ist
sie in Rom. und It. täglich, in Germ, am Pesacli in Verbindung
mit dem Piut im nnn in Gebrauch, sie dürfte ebenfalls auf palä-
stinischen Ursprung zurückgehen. In Germ, hat die Bitte im täg-
lichen Gebete den Wortlaut bs«nri mrjn -•ü^^p bxTCi '\^i, woran,
obwohl deutsche Autoritäten Widerspruch dagegen erhoben, der Vers
12bi?a angereiht ist; die Formel war auch im südlichen Frankreich
bekannt. Rom. hat "irbsia in Verbindung mit nnx bbsn. Sehr aus-
gedehnte und völlig abweichende Schlußformeln enthalten Fragmente
aus dem Orient. Auf Ex. 159 folgt mic 2ip:TiT aib:i7 ^eü
24 Beschreibung des Gottesdienstes
nyiQTL', darauf als Responsion nicht nur Ex. 1516, sondern ein lang
ausgesponnener Hymnus mit einer Bitte: DT^pl ""n ::x 7::'a i:Dbl3 ii''
^D a^mn i^'amn rS^y nn-n ein i:"iri- -^^^ r.'y-^v "^i"» i:^b:7 -j^©
ITQTC nicnpi ininipi innijsm ib"5a i-nnDT imsb^a isinbiJ '•i'' li-^br
n^isa öxü^T I2ini2 bD^ i;b mn^T is^b:? ann^ irnba« ^^^ xin :i-;in
px ii:s5i5i bi^Tiri 112 "»"s:! "!:n abi"':: -n-'a "irbr Y-'o'^i "•abiT'.
Die Formel der Eulogie bäiilT"' bi^j ist babylonischen Ursprungs, aus
dem IV. Jalu-hundert, b. Pes. 117b bS5nt)^ bx5. ir^'p snn il3i<. In
Palästina verordnete Josuab. Le\ä (III. Jahrhundert) ir5«151 biJiüi -ns
j. Ber. I, 9 (3 d), diese Eidogie ist heute nur noch in Germ, und zwar im
Abendgebet der Festtage in Verbindung mit einem Piut üblich, war
aber, wie der obige Text zeigt, früher einmal im palästinischen Ritus
täglich gebräuclilich.
7. Die Vereinigung der Bibelabschnitte und Gebetstücke in nsiinp
ynt! ist erst aUmälüich zustande gekommen. Soweit unsere Quellen
zurückreichen, nennen sie freilich die drei Bibelabschnitte zusammen,
dennoch ist es walu'scheinlicli, daß sie einer nach dem anderen in die
Liturgie Aufnahme fanden. An dieser Stelle sollte das Bekenntnis
gesprochen werden; dazu eignete sich das erste Stück, welches das
Bekenntnis der Gemeinde zum einzigen Gotte zum Ausdruck bringt
und die ungeteilte Liebe zu Gott als die für jede Zeit und jede Lage
geltende Forderung ausspricht. Es ist in der LXX mit einer feierlichen
Einleitung versehen, der Papyras Nash zeigt es als einziges unserer
drei Stücke zusammen mit dem m'sprünglich ebenfalls beün Gottes-
dienste verwendeten Dekalog. Der zweite Absatz paßt sich in Einleitung
und Schluß dem ersten an und dürfte diesem Umstände vor allem seine
Aufnahme verdanken. Sein hauptsäclilicher Inhalt, die naive penta-
teuchiche Vergeltungsleln-e, deckte sich noch mit dem Glauben jener
frühen Epoche, in der die Vereinigung unserer Abschnitte erfolgte.
Daß "i'32S"'l nicht nm* der Anordnung, sondern auch der Zeit nach das
diitte Stück gewesen ist, dafür gibt es mehrere Anzeichen. Zunächst
hätte es, da es dem IV. Buch Moses entnommen ist, nicht hinter den
beiden Abschnitten aus dem V. Platz finden können. Sodann ist
gut überliefert, daß es in Palästina noch im 9. Jalu-hundert am Abend
nicht rezitiert wurde. Ursprüngüch gehörte walu-scheinlich nur der
Schlußsatz zur Liturgie, Num. 1541; dort whd die Befreiung aus
Ägypten, das zentrale Ereignis der israelitischen Gescliichte, und
25
zwar lediü;lk'li dessen roligi()se Bedciitunf,^ in einer Weise betont,
die in solcher Keinheit sonst nirgends wiederkehrt. Erst als die beiden
früheren Stücke halachisch ausgelegt, als daraus die Vorsclu-iften für
das Anlegen der Tefillin und über das Anbringen der Mesusa her-
geleitet wurden, nahm man auch den ersten Teil in die Liturgie
auf und sprach dem Gesetze der Schaui'äden diejenige Bedeutung
zu, die iiuu in der halachischen Auffassung gegeben ist. Die
Mischna (Her. 1, 11) und Josephus (Ant. IV, 813) kennen die drei
Stücke nur vereint, und so haben sie sich durch die Jahrhunderte
erhalten.
Wie die Bibelabschnitte stammen die Gebete, die sie umrahmen,
nicht aus einer Zeit. Hier ist das zuerststehende das jüngste. Das
Bekenntnis konnte beim öffentlichen Gottesdienste nicht ohne gebet-
mäßige Einkleidung rezitiert werden. Eine Einführung mußte auf
seinen Inhalt vorbereiten. Diese Aufgabe erfüllte das zweite Stück
nni nnns«, es heißt darum n"nn DDin, weil es den Dank für die
Offenbarung enthielt (s. oben S. 20 f.). Daß es einst die einzige Benedik-
tion vor den Bibelabschnitten büdete, bezeugt die von der Mischna
Tam. V 1 mitgeteilte alte Priesterliturgie (rns nDin, vgl. dazu b. Ber.
11 b). Als Abscliluß für das Bekenntnis diente ni:2"'i n^i«, womit die
gegenwärtige Gemeinde ihre Zustimmung zur alten Offenbarung ver-
sicherte. Nachdem das feierliche Bekenntnis mit dem Morgengottes-
dienste versclmiolzeu war, trat der Dank für das physische Licht, für
die tägliche Erneuerung der Natur hinzu; er wurde, wie billig, an den
Anfang gestellt.
Mit n'^::''l r.'CS war in ältester Zeit das gemeinsame Gebet beendet.
Gegenstand desselben bildete lediglich das Bekenntnis, Bitten
enthielt es nicht, sie waren für die Privatandacht vorbehalten, die
nunmehi' in üu-e Rechte trat. Das große Dilemma zwischen Gemeinde-
und Einzelgebet fand seine Lösung dadurch, daß der einzelne mit
seinen Bitten, den a">:i:nn, a'^im, liinter das Gemeindegebet verwiesen
wurde. Später, als die Liturgie an Länge zunahm, war solches nicht mehr
angebracht, daher rührt das strenge Verbot, nach n"'"^"'"i rras seine Privat-
andacht zu verrichten : ■j'^iiaix bns«, nis^T rias ins im a-^-nais? rs
2"^mS3 DT» bw imii -no '^ss« nbsn ins a^in-i (Tos. Ber. III, 6, p. 6).
8. Der besprochene Teil des Gebetes wurde derart vorgetragen,
daß einer aus der Mitte der Gemeinde als Vorbeter fungierte; die
ganze Gemeinde saß auf dem Boden, und er blieb in ihrer Mitte. Der
26 Beschreibung des Gottesdienstes
Vortrag war ein alternierender, antiphonischer; Vorbeter und Ge-
meinde wechselten ab. Davon erhielt der Vortrag dieses Gebetes
einen eigentümlichen Namen y^Qir by DiB, das Schma in halbierender
Kezitation vortragen. Der Gemeindevorsteher richtete an ein Mtglied
die Aufforderung ycH' by D1"i£). Der so Angeredete fungierte als Vor-
beter, sagte den Anfang eines Verses z. B. bs?"!©"' y^TB vor, die Gemeinde
wiederholte diesen und setzte bis zum Schluß fort . . . "rsiffii ~^c
"ns'". Wenn der Vorbeter so die Gottesnamen aussprechen hörte, fiel er
mit der Responsion in ablS'b iniDb^ mnD mr "(l"ü ein, ganz so wie
nach der ErzäMung des Targ. Jon. und des Midr. der Erzvater Jacob
getan, als seine Söhne ihm mit dem "'a'C ihre Rechtgläubigkeit bekun-
deten. Auch von der Offenbarung am Sinai weiß der Midr. zu erzählen,
daß die Israeliten diese Worte gesprochen und Moses mit vbiaDirn
erwiderte. Von der alten Vortragsweise rülirt es her, wenn noch heute
rciSDIun die ersten beiden Verse des "TaC unterbricht (ob. S. 22);
wie damals, so sollte es zu allen Zeiten nur leise beim Gottesdienst
gesprochen werden (b. Pes. 56 a), eine Ausnahme wird lediglich am
Versöhnungstage gemacht. Eine andere Art, das Schma vorzutragen,
hieß r)2ü ns l"iD (Pes. W, 8), das Schma „zusammenwickeln''. Sie
soU in Jericho üblich gewesen sein und bestand darin, daß der Vorbeter
den gesamten Text hintereinander vortrug, und die Gemeinde ihn
Wort für Wort wiederholte. Bei dieser Art der Rezitation war für
"/'""■aDt"! kein Raum, und so wird auch als charakteristisches Zeichen
des Gottesdienstes von Jericho angegeben, daß die Responsion
dort fehlte.
Vielleicht wurden nur die biblischen Abschnitte in antiphonischer
Weise vorgetragen, da nur von ilmen eine genaue Kenntnis beim
Publikum vorauszusetzen war, während die Benediktionen anfangs
allein vom D^lfi, dem Vorbeter, gesprochen wurden. In der Mischna
finden wh- den Xamen bereits auf den ganzen Komplex übertragen,
einschließlich der Benediklionen ; daher W'ird ein Blinder von dieser
Funktion ausgesclüossen. So erklärt es sich auch, wie die falsche
Meinung aufkommen konnte, daß DIB liier mit Beten, Benedeien
zusammenhänge. Im Talmud ist eine direkte Erklärung des Ter-
minus nicht gegeben, in nachtalmudischer Zeit wurde er. da das
Verfahren nicht mehr im Gebrauch war. mißverstanden.
Boncdikfinncn dos Srhin;i, Tofilla 27
§ 8. Die Tefilla.
I. Komposition.
Literatur: Rapoport und Zunz das.; Landshuth, S. 52; Baer, S. 87 IT.;
Duschak, S. 1901V.; Loeb Isidore, Les dix-huits b«'M»('H]iftious in HKJ XIX,
18H9, S. 17—40; \jv\\ Israel, Les dix-iiuit bent'-dictions et les Psavnnes
de Salomon liEJ WWV, 1896, S. 161—178; Ilortmann D., Das Schiiioue-
Eszre-Gebet in Israel. Monatsschrift (Beilage zur Jüdisclieu Presse) 1899,
S. 48 ff., 1900, S. 2; P^lbogen I., Geschichte des Achtzchno^ebets, Breslau
1902 (- MS XLVL 1902, S. ß30 ff'., 427 tt", 518 ff.): Studien, S. H3 ff.: Schürer
das. J.K. Artikel Shenione 'Esreh 270ff.; Ilaniburg-cr A7'; II 1092 ff.
\. Im Gegensatz ziiiii ersten enthält der zweite Hauptteil
des täglichen Gottesdienstes Bitten. Er liilirt daher den Namen
r.bEr. aram. xmrs, griech. trys^i ""tl ist das Bittgebet sehU'cht-
hiii. Dieselbe Bedeutung haben die Verben bbsrn, "»32 (Fa.); wo
der Ausdruck sorgfältig gewählt ist, wie in der Misclina und im Tal-
mud, beziehen sie sich stets auf dieses, nie auf andere Gebete. Diese
Bitten werden stehend vorgetragen, daher heißen sie auch "T^ts",
so noch heute allgemein bei portugiesischen Juden und im Orient,
Der verbreitetste Xame ist nie:? n5UT2J seil, msna, die achtzehn
Beuediktionen, Achtzehngebet; er ist von der Zahl der Eulogien her-
genommen, die das Gebet bei seiner Redaktion enthielt (Ber. IV, 3).
Obwohl später eine neunzehnte Eulogie hinzutrat, blieb der Name
bestehen; er hat sich so fest eingebürgert, daß in der volkstümlichen Be-
zeichnung jede Tefilla, auch die für die Sabbate und Feste, die
nur sieben Eulogien hat, den Xamen !"r,r7 mizic führt.
Wenn an unser Gebet die Reilie kam, erhob sich die Gemeinde,
und der Vorbeter trat vor den Schrein mit den Torarollen. ]\Ian be-
zeichnete daher das Vortragen dieses Gebetes durch ~nT" i:e:; inr,
aram. snnTi i^ip "üy ; der Ausdruck ist später, als der Vorbeter alle
Gebete von einem besonderen Platze aus vortrug, mißverständlich
für vorbeten überhaupt gesetzt werden, er wird in den alten Quellen
ausschließlich in Verbindung mit diesem Gebete gebraucht. In Baby-
lonien, wo der Vorbeter tiefer stand als die Gemeinde, nannte man
das Hervortreten nn'^rn ■>:£":; TT^; in den Handschriften ist häufig dieser
Ausdi-uck für den obigen gesetzt worden. Es kommt auch vor, daß
die Ortsbezeichnung fehlt und nur -27 gesagt wird; insbesondere wird
■"""» in prägnanter Bedeutung angewendet, noch häufiger im babylo-
nischen Talmud das aramäische rn;, so daß der Vorbeter der Tefilla
r^r>':'-s )!i^^^■n heißt.
28 Beschreibung des Gottesdienstes
2. Die Tefilla war von Haus aus als G e m e i n d e g e b e t ge-
dacht, sie wurde vom Vorbeter als dem Vertreter der Gemeinde Ti'ötü
mns vorgetragen, diese beantwortete jeden Satz mit '\'ni< und machte
sich dadurch das Gebet zu eigen. R. Gamliel IL bestimmte, daß jeder
einzelne in der Gemeinde das Gebet für sich sprechen sollte. Um
aber dem Gebet seinen Charakter als Gemeindegebet nicht zu nehmen,
wurde die Wiederholung (mrn) der Tefilla eingeführt, so daß
sie als Gemeindegebet seitdem zuerst leise gesprochen und dann vom
Vorbeter laut wiederholt wü-d.
3. Das Gebet zerfällt in drei Teile: die ersten drei Benediktionen
bilden die hymnische Einleitung, die letzten di'ei den Abschluß mit der
Danksagung; die mittleren dreizehn enthalten Bitten. Die erst-
genannten beiden Gruppen sind an allen Tagen des Jahres ohne Unter-
schied üblich, sie sind auch in der Mischna mit Xamen versehen, die
letzte wird ausschließlich an Wochentagen verwendet,
an Sabbaten und Festtagen werden die Bitten durch ein anderes
Stück ersetzt.
4. Über das Alter und den Ursprung der TefiUa besitzen vni
die verschiedensten Traditionen, ernst zu nehmende und legenda-
rische, nebeneinander. Sehen wh- von letzteren ab, so finden wir
zunächst die 3tütteilung . . nbsn . bx^.cib srö i":pn h^'i^'a- nc;D ^Tr:K
die Männer der großen Versammlung hätten die TefiUas geschaffen
(b. Ber. 33 a). Dem würde ein anderer Bericht nicht widersprechen
^-c- ':r niDii n"T i:pn ta^s^^n: --üd cr.m n^rpr ainirpT -s^
(b. Meg. 17 b, j. Ber. II, 4, f. 4 d), daß 120 Geronten, worunter auch
einige Propheten waren, das Achtzehngebet nach einer bestimmten
Disposition angeordnet hätten. In diesen Stellen wird das Gebet auf
ein sehr hohes Alter zurückgeführt.
Dem mderspricht aber die Xacliricht, i"'"cn "^blpsn ]']y'CXD
n:n^n -non :7 yn 1:0: r'0^2 n"-> (Meg. das.), daß Simon, der Flachs-
arbeiter, in Gegenwart und wohl im Auftrage Rabban Gamhels IL,
in Jabneh die 18 Benediktionen vorgetragen habe. Das ist eine Diffe-
renz von melu-eren Jalu-hunderten in der Ansetzung der Entstehungs-
zeit. Ferner wii'd das eine Mal von einer Xeuschöpfung (lipri),
das andere von einer Anordnung (■"i~D~) gesprochen. Der Talmud
sucht die beiden Angaben auszugleichen, durch die Annahme, daß
das Gebet inzwischen vergessen und dann wieder neu geschaffen
wurde (Meg. das.). Dieser Ausweg ist ungangbar, mit dem Verlauf
Komposition der Ti'filla 29
dos \'()lkslel)ens nicht vereinbar; es ist ein Harnionisierungsvcrsuch,
der allem widerspricht, was die Vernnnl't zuh'iÜt und die (ieschichte
berichtet.
5. Wir müssen nns im Gebete selbst nmselien, ob es Hinweise auf
seine Entstehnngszeit enthält, wobei wir freilicli nicht den heute ver-
breiteten Text zugrunde legen dürfen, sondern auf die älteste bekannte
Textgestalt zurückzugeiuMi haben, in X ypr^ ist von der Zerstreuung
der Gemeinde die Rede. Das ist kein zwingendes Argument dafür,
daß das Gebet nach der Zerstörung Jerusalems durch Titus verfaßt
wurde, denn bereits während des zweiten Tempels gab es eine zahl-
reiche Diaspora, und Sir. 51l2f bsiüi "^ms fnp^ab mn zeigt uns,
daß die Sammlung der Zerstreuten schon früh Gegenstand des Gebets
war. In XIV Z'^bin^'^T scheint die Bitte n:n"i auf die Zerstörung
der Stadt hinzuweisen, und viele Kritiker betrachten sie als einen Zu-
satz aus der Zeit nach 70, wenn wir aber in dem eben genannten
Hymnus Sirachs iTTip'^"" i"^T ~:inb -rr,n (5112g) lesen, so werden
v\ir gewahr, daß mit der Bitte nicht unbedingt das Wiederaufbauen
der zerstörten Stadt gemeint sein muß. Der Satz n''i'\2yn nsc mrm
in XVI ist nur für die Zeit berechtigt, wo der Opferdienst aufgehört
hatte; dem widerspricht aber die gleich folgende Bitte TNT
ITjrm '"^^pr -nns2 m-)2 ar>srn bxir^, die den Opferdienst als be-
stehend voraussetzt. In diesem einen Stücke sprechen somit zwei ver-
schiedene Zeiten nebeneinander zu uns. "irb^ T"^ IX setzt seinem ganzen
Inhalte nach eine Zeit voraus, wo die Juden zum größten Teil ein acker-
bautreibendes Volk waren und Freude an ihrem Grund und Boden
empfanden, was schon nicht mehr auf die Epoche paßt, in der die Römer
die Hand auf Palästina gelegt hatten. Für den Einfluß bestimmter reli-
giöser und politischer Richtungen auf die TefiDa ist es schwer, sichere
Anhaltspunkte zu gewinnen. Es ist richtig, daß die ganze Stimmung den-
selben Grundton zeigt, wie die Frömmigkeit der ,. Anawim" in den
Psalmen und in den Sprüchen, allein es fehlen uns alle greifbaren Daten,
um die Literatur, die von jenen Kreisen handelt, zeitlich festlegen zu
können. Ein klares Symptom ist die Betonung der /Auferstehung in II;
zwar wird sie in dem weit einfacheren Texte der palästinischen Tefilla
nicht so häufig erwähnt, wie mi verbreiteten Wortlaut, aber auch dort
gilt ihr die Eulogie, und man merkt es deutUch, daß a'^n'cn rr^nr
besonders hervorgehoben werden soll. Eine derartige Unterstreichung
eines einzelnen Glaubenssatzes mi Gebete geschieht nicht ohne Absicht,
3Q Beschreibung des Gottesdienstes
die Lehre der Auferstehung bildete einen der Streitpunkte zwischen
Sadduzäern und Pharisäern, die siegreiche pharisäische Volkspartei
forderte die Anerkennung ihrer Anschauung auch im öffentlichen
Gottesdienste. Wenn wir in dem Gebete selbst nach Ai'gumenten
suchen, sehen wir uns demnach zu der Annahme genötigt, daß es
verschiedene Bestandteile aus verschiedenen
Zeiten enthält.
Auch die Reihenfolge der Stücke ist nur unter dieser Annahme
zu begreifen. Die gegenwärtige Anordnung bietet an mehreren Stellen
Schwierigkeiten. IS'^syi ni5"i VII steht weder mit dem vorhergehenden
noch mit dem folgenden Stücke in Zusammenhang, mitten unter den
Bitten um persönUche Anliegen berührt es das nationale Gebiet und
hat überdies außerordenthche Ähnlichkeit mit später folgenden Bitten ;
,,die siebente Benediktion erscheint jetzt teils überflüssig, teils am
unrechten Ort". Hinter IX ']*'cy liS folgen ganz unerwartet ohne
jeden Übergang Bitten nationalen Inhalts; sie sind selbst sehr ver-
schiedenartig, wieder ihr Zusammenhang, noch ihre Einteilung sind
ohne weiteres erklärlich. Ebensowenig versteht man, warum hinter
den nationalen wieder eine allgemeine oder persönliche Bitte, XVI "^'iT,
steht. Endlich fällt auf, daß XVII nsn und XIX aibr a^TT Bitten
enthalten, während nach der angenommenen Disposition (S. 28. 3) der
dritte Teil dem Dank gewddmet sein sollte. Die Versuche im Talmud,
durch logische Gründe oder durch biblische Analogien die heutige
Anordnung zu erklären (b. Meg. 17 b j. Ber. II 4, f. 4 d), können nicht
befriedigen, man versteht die Reihenfolge und die Gliederung lediglich,
wenn man davon ausgeht, daß die Teile der Tefilla aus verschiedenen
Zeiten stammen. Blicken wir demnach auf die erwähnten beiden
Berichte der Quellen zurück, so gelangen wk zu dem Ergebnis, daß
sehr wohl beide richtig sein können, daß der Abschluß der Te-
filla durch R. Gamliel IL stattgefunden haben mag, daß aber die
Anfänge in eine weit frühere, in die vormakkabäische, in die Zeit
der ,, großen Versammlung" zurückreichen.
6. Unter den Bitten der Tefilla finden sich Bestandteile verschiedener
Art aus verschiedener Zeit, Reste der Tempelliturgie, Benediktionen
und Bitten allgemeinen Inhalts, Bitten um nationale Güter und
endlich solche, die man als Gelegenheitsgebete bezeichen könnte,
weil sie aus besonderen Anlässen aufgenommen, allerdings dann
dauernd beibehalten wurden. Aus dem Tempelkultus stammen die
Kimiposil ioii liiT Tcfill;! 31
hcitlon HiltiMi am ImkIc der Ti-Iilla. m^ WM wiiidc \v('<<;('ii seiner
eigenartigen 1^'assung oben wiederholt ifenannt. Hereits im friilien
Mittelalter wnrde erkannt, daß der gegenwärtige Wortlaut überarbeitet
ist, daß liier ursprünglich ein Gebet um gnädige Aufnahme des von den
Priestern dargebrachten täglichen Opfers vorlag. Auch der Hohe-
priester hatte am Versöhnungstage nach vollendeter Kultushandhing
ein Gebet min^n rr zu s|)rechen, dessen Kulogie ~S'^"'2 Tinb ^r'^r
i'nr: (j. Sota VII, 22 a; j. Joma VII, 1, f. 44 b) lautete, ganz so wie noch
heute im Musaf an Festtagen der Schluß von n::i gesprochen wird.
Die Mischna berichtet ferner, daß die Priester im Tempel jeden Morgen
das Opfer unterbrachen, um einen Gottesdienst zu halten, und daß
auch dort ein (iebet mit dem ^^amen rrnnr, eben nii, verrichtet
wurde 2^:nD PDim minr . . nDnn rbir iDnm (Tam. V, l ). Ein weiteres
dort vorgetragenes Gebet war wmD PDID. die Kesponsion der Ge-
meinde auf den Segen der Priester, die Bitte um Frieden, die an das
letzte Wort des Priestersegens anknüpfte. Auch die Bitte für Je-
rusalem XIV entstammt der Liturgie des Tempels, nicht in ihrer heu-
tigen Form natürlich, die auf die Zerstörung der Stadt hinweist, wohl
aber in jenem Sinne, in dem Sirach und in dem der Hohepriester am
Versöhnungstage für Jerusalem und den Tenii)cl betete. "JT^SI piirn
lautet die Eulogie in dem Gebete des Hohenpriesters (j .Sota das.), den
gleichen Wortlaut dürfte sie auch in der täglichen Tefilla gehabt
haben.
7. Das waren die bereits vorhandenen Bitten, die übernommen
wurden, als das regelmäßige Gemeindegebet niiit Bitten aus-
zustatten war. Da w^irde zunächst eine den Anschauungen vom
Gebet entsprechende Einkleidung geschaffen. Den Bitten mußte ein
hymnischer Teil voraufgehen, ein Dank folgen. So entstanden die
drei ersten Benediktionen der Tefilla; so die XVIII niSTin, nach der
der dritte Teil der Tefilla überhaupt als Danksagung bezeichnet wurde,
die zwischen die beiden vorhandenen rrnnr und a"»:": r2"^n trat, weil
die Bitte um Frieden nach wie vor den Abschluß bilden sollte. Tat-
sächüch nehmen die drei ersten und die drei letzten Stücke der Tefilla
eine besondere Stellung ein. Sie allein werden das ganze Jahr hindurch
in jeder Tefilla ohne Unterschied verwendet, sie allein haben bereits
in der Mischna feste Xamen rv:^-p nimna max nTsnx mD^n — :d
2^:n3 r:-"m nsn^n n-i:n~ .... scr. (R. ha Seh. IV, 5). Ihre Sprache,
zumal in der ältesten Textgestalt (§ 9), rechtfertigt es, ihre Abfassung in
32 Beschreibung des Gottesdienstes]
frühe Zeit zu setzen, auch hn Inhalt — so wh- von der Einarbeitung
von aTlS" rnnr in II absehen — spricht nichts dagegen. Es erhebt
sich nun die Frage, ob die ebengenannten Elemente jemals aUein die
Tefilla gebildet haben. Das ist sehr wenig wahrscheinhch, schwerlich
hätte man sich entsclilossen, für Sabbate und Festtage das Wochen-
tagsgebet in seinem vollen Umfange zu übernehmen. Das wäre auch
nicht eine Tefilla, ein Bittgebet gewesen, das man mit a'^^nn
2'':i:Mr"! hätte bezeichnen können. Soweit unsere Quellen zurück-
reichen, finden wir auch stets die einleitenden und die abschließenden
Benediktionen von einem mittleren Stücke, das Bitten enthält, be-
gleitet. Die älteste Tefilla wird nicht gerade die Bitten in so großer
Zalil und in solcher GHederung wie heute vorgebracht haben, aber
nichts spricht dagegen, daß die Bitten allgemeinen Inhalts
sämtlich in ihr vorhanden waren. Es sind Bitten um persönliche,
zum Teil sogar um materielle Güter (VIII "i:5«Di und IX Tbr T^n),
aber doch um solche, die aUen ohne Unterschied unentbehrlich sind,
um deren Schätzung kein Widerstreit der Meinungen oder Interessen
aufkommen kann. Gesundheit und Segen in der Arbeit bUden die
Grundlagen der Existenz. Einsicht und Verständnis {IV) gelten, wie
uns Psalmen und Sprüche zeigen, als die Voraussetzungen des re-
ligiösen Wandels, die Bitten um bußfertige Rückkehr (V) und Sünden-
vergebung (VI) knüpfen an sie an und kennzeichnen die Stimmung der
Kreise, welche die Tefüla geschaffen haben. Die Vereinigung der beiden
Gruppen von Bitten um geistige und um materielle Güter, für das
Wolil des Körpers und der Seele verrät eine selir gesunde An-
schauung vom Leben, der Weltflucht und Geringschätzung des ir-
dischen Treibens fremd sind und die dennoch der Verantwortung vor
dem himmlischen Richter sich stets bewußt bleibt. Die Bitte um
Erhörung der Gebete (XVI) bildete den natürlichen Abscliluß. Alle
die erwähnten Bitten — mit der für Jerusalem im ganzen sieben —
folgten einander ohne Unterbrechung. Daß sie von Anfang an geteilt
und mit besonderen Eulogien versehen waren, ist wenig walirschein-
lich, es Hegt näher zu vermuten, daß sie in einem einzigen Stück mit
einer Benediktion vereint waren. In iDmn besitzen wii^ noch heute
eine derartige Zusammenfassung der Bitten, und ähnlich mag das
Mittelstück der Tefüla in der ältesten Form gelautet haben.
8. Xun traten die nationalen Bitten hinzu. Das waren nicht mein*
die natürlichen, aus dem inneren Drange des Menschen heraus geborenen
Kiiiii|Mjsitiuii der Tul'ill.i H3
(lejj^t'iistäiulo des (iol)ols, sie setzen bereits eine Reflexion über das
(Jebet lind ein bestininitcs nationales Erlebnis voraus,
das dem Gebete eine neue Richtung gab. Ein solches Erlebnis waren
die Heligionsverfolgung durch die Syrer, die niakkabäisdie Erhebung
und die Begründung des selbständigen jüdischen Staates mit seinen
l'arteiungen. Es waren die gewall igen Ersclüitlerun<,M'n, in deren
(iefolge der Bhck des jüdischen Volkes immer mehr von der (legen-
wart abgelenkt und an der criiofften idealen Zukunft orientiert wurde.
Die A p 0 k a 1 y p t i k beherrschte das gesamte Denken und jegliche
Hoffnung, die apokalyptischen Bilder der Messiaszeit bewegten alle Ge-
müter, die Bitte um ihre Verwirklicliung mußte Gegenstand des täglichen
Gemeindegebets werden. Die Quelle, aus der alle Apokaly|)tiker An-
regung schöpften, war Ezechiel. in seinen prophetischen Reden war
eines der stets wiederkehrenden Bilder der zukünftigen Zeit die Samm-
lung der Zerstreuten Israels und das Gottesgericht, das die Spreu vom
Weizen sondern, die Bösen bestrafen und die Guten zum neuen \'olke
zusammenschließen sollte. Das ist der Gedankengang, dem die na-
tionalen Benediktionen der Tefilla folgen. Die erste von ihnen ist die
Bitte um die Sammlung der Zerstreuten X "pr. Wir haben bereits
erwähnt, daß sie nicht unbedingt den Untergang des jüdischen Staates
zur Voraussetzung haben muß. Eine Diaspora hat es früh, sogar
schon vor dem babylonischen Exil gegeben; im zweiten Staatswesen,
zumal seit Beginn der hellenistischen Periode, nahm sie einen be-
sonders großen Umfang an. In Babylonien, Ägypten und Klein-
asien, wenn nicht in anderen Mittelmeerstaaten hat es zahlreiche
Niederlassungen von Juden gegeben. Aber sie wurden nicht als natio-
nales Unglück betrachtet, die friedliche Durchdringung, die dem
Volke neuen Wohlstand, neue Kräfte zuführte, wurde im Mutter-
lande mit Genusjtuung verfolgt. Erst als während der hellenistischen
Bewegung klar zutage trat, wie sehr die Masse der nur griechisch
redenden und griechisch denkenden Juden überhand genommen liatte,
wurde die Diaspora als eine Gefahr erkannt, wurden die alten Ver-
heißungen der Sammlung der Zerstreuten Gegenstand des Gebets.
Und an die Bitte um Vereinigung des Volkes schloß, wie bei Ezechiel,
die Bitte um Herbeiführung des Gerichts an; sie ist im heutigen Wort-
laute des Gebets kaum wiederzufinden, bildete jedoch ursprünglich
den Inhalt von -:nT- XI. Nach dem gegenwärtigen Texte nimmt
die Bitte ihren Ausgangspunkt von der Unzufriedenheit mit den
Klbogen, Der jüd. Gottesdienst. "
34 Beschreibung^desJGottesdiensteSj ^^'^
ungerechten Richtern und erfleht von Gott, daß [er überall ge-
rechte Richter einsetzen möge wie ehedem. Für ein derartiges Gebet
ist kaum je eine Möglichkeit zu ergründen. Weder die hasmonäischen
noch die herodianischen Fürsten oder gar die römischen Landpfleger
hätten eine solche Beschimpfung ihrer richterlichen Tätigkeit geduldet.
Daß sich um das, was die „Chassidim" taten, niemand kümmerte,
daß man ihre Unbeugsamkeit sowie ihren Todesmut kannte und
darum iliren Widerstand nicht erst herausforderte, wird durch die
Geschichte nicht bestätigt. Es wäre auch mit der Staatsraison un-
vereinbar gewesen, dazu war die Partei der Frommen doch zu mächtig.
In einem Lande, in dem Bürgerkriege und Aufstände so verbreitet
waren und mit so starker Erbitterung geführt wurden, bedeutete die
tägliche Kj'itik der Rechtsprechung eine schwere Gefahr, selbst die
frömmste Staatsleitung durfte sie nicht dulden. Der Inhalt der Bitte
muß einmal ein andrer gewesen sein, darauf weisen der Wortlaut und
die Quellen ebenfalls hin. Schon der plötzliche Übergang von der
angenommenen Klage über die Richter zur Bitte um die Verwirklichung
des Gottesreiches (i^'CI^ Tlbiai) ist hart und weist mehr in die zu-
künftige als in die gegenwärtige Welt, vor allem aber kann der Schluß
"üB'Cm i:p'i::"i sich keineswegs auf ein irdisches staatliches, sondern
nur auf das m e s s i a n i s c h e Gericht beziehen. Diese letzten
Worte erschienen wichtig genug, um in einer kurzen Inhaltsangal)e
als Zusammenfassung unserer Benediktion gegeben zu werden, in
ihnen liegt der Schlüssel zum Verständnis der ursprünglichen Ab-
sicht der Benediktion, sie war eine Bitte um Herbeifülu'ung des mes-
sianischen Weltgerichts. Der Zweck des Gerichts der Endzeit ist die
Sonderung zwischen Guten und Schlechten, zwischen Frommen und
Frevlern, die Bestrafung der Frevler. Auch davon war hier einmal
die Rede, in der Zusammenfassung der Tefilla """^nn lautet der
Satz, der nn-iTCn vertritt, TJStT-' Tnr"! b" ^^'Jirni oder in einer
anderen Version ^T» ri:r a"""!!'"!.- bri, in einer kurzen Zusammen-
fassung der Tefilla im Talmud steht dafür a"i"l'"',n "ji- ncr'rir "i"""!,
alle diese Sätze lassen nur den einen Schluß zu, daß in nniün von
der Bestrafung der Frevler im messianischen Gerichte die Rede war.
Erinnern wir uns an den Ursprung des Satzes "r'JEir raiirn, er ent-
stammt einer Schilderung der messianisclien Zukunft Jes. 126 und
war auch an unserer Stelle dazu bestimmt, ein Bild aus der messia-
nischen Zeit auszudrücken. In Ez. 2034 ff. ist die Zukunft, in der
Kuinposiliiiii der 'ICfill;! 35
lott Köniff iil)or Israol sein wird, so i^n'scliildcrl, daü ziinäclisl die
f^crstreuten Israels aus allcii Ländern versanmielt, daß sie zum
großen Gericht vereiniji:! und daß die Missetäter unter ihnen schweren
^trafen unterworfen werden. Das ist der Gedankenfi:an<,', dem die
nationalen Henediktionen folgten. In X ypr wurde um die
Nimnüung der Vertriebenen, in XI rOTn um die Herbeiführung
ies Gottesgerichts und die Bestrafung der Frevler, in .\ I II
2'^p"'T^n rr um die Belohiiuiiij; der Frommen gebetet. Die drei Hene-
iiktionen folgten unmittelbar aui'einaiider, sie wurden in die Tefilla
iort eingeschaltet, wo die allgemeinen Bitten zu Ende waren, also
liinter IX irby T^n. Wahrscheinlich gehört in die selbige eschatolo-
2;isch gerichtete Zeit die Erwähnung des Messias aus dem Hause
Davids in XIV, der Benediktion für Jerusalem.
9. Damit war die Tefilla fast in ihrem vollen Umfange vorhanden.
PS traten nur noch ans besonderen Anlässen einzelne Bitten hinzu.
Schwierig ist es, die Aufnahme von VII irr^n ~55-i zu erklären, die
Probleme, welche sein Inhalt und seine Stellung bieten, sind bereits
hervorgehoben (S. 30). Seiner Umgebung nach müßte es eine
Bitte um Befreiung aus persönlicher Not, etwa aus Gefangenschaft
oder ähnlicher Bedrängnis sein, dem widerspricht aber der Wortlaut.
Befreiung von nationalem Elend wiederum ist in den folgenden Stückeu
erbeten und paßt nicht inmitten der persönlichen Bitten; es ist aus
der allgemein gehaltenen Ausdrucksweise auch schwer zu erkennen,
welcher nationale Druck gemeint ist. Aus allen Schwierigkeiten finden
wir einen Ausweg, wenn wn auf die ältesten Quellen zurückgreifen.
Da wird von einer eigenen Liturgie für die Fasttage berichtet, an
denen die Bitten der tägUchen Tefilla vorgetragen und noch sieben
andere eingeschaltet wurden. Die erste der für den Fasttag be-
stimmten begann mit ir:"n nxn und schloß mit bsn^r^ bi«^5, ganz so
wie heute die siebente Benediktion der Tefilla. Die Identität fiel früh-
zeitig auf, schon der Talmud wußte sie nur durch die Annahme zu
erklären, daß nicht sieben, sondern nur sechs neue Bitten einge-
schaltet wurden, daß die erste der sieben nur eine Erweiterung der
täglichen Bitte -r:rn nsn war (b. Taan. 16 b S^:r-D nsinssb r^r^nc
T^-iS^ i:55"'r-' bsr.n). Inzwischen war nämlich die Xot des täglichen
Lebens zu groß und ns^ Bestandteil des täglichen Gebets ge-
worden. Stammt 'r:rn r.sn aus der Fastenliturgie, dann ist auch
seine Stellung in der Tefilla erklärt; die Fastengebete knüpfen an
3*
36 Beschreibung des Gottesdienstes
die Bitte um Sündenvergebung an, darum steht ni«n unmittelbar
lünter VI i:b nbü, der Bitte um Vergebung der Sünden. Die Tefilla
hatte damit die Zahl von siebzehn Benediktionen erreicht.
10. Ein Achtzehngebet wurde sie durch R. Gamliel IL als er die
Tefilla redigieren und in der Absicht, die Trennung der Cliristen von
der Synagoge durchzusetzen, die Benediktion gegen die Ketzer riDll
a^rrn einführen ließ (m:pr r.;s^n a^r'?2n tdii b. Ber. 28 b). Das
Stück fing in alter Zeit nicht a^S^irb^bi, sondern a^i^lTriabl D'^S^'ab
an, und dann kamen die Bezeichnungen DiS'Tül&oder a^lT (""nT nsb'a),
wahrscheinlich auch S"»"!::: darin vor. T'd bedeutet im Hebräischen
Art, Abart, dann jeden, der sich von der jüdischen Lehre absondert,
Ketzer, Häretiker. Alle Ketzereien konnten mit n"i:"''a bezeichnet
werden; es gehörten darunter die Anschauungen der Sadduzäer, der
Samaritaner, der Christen, der Gnostiker. Infolgedessen ist viel darüber
gestritten worden, welche Ketzer in unserem Gebete getroffen werden
sollten, ob ein solches Gebet nicht schon früher bestand. Die Kirchen-
väter Justinus Martyr imd Hieronymus berichten, daß die Juden dreimal
täglich in ihren Synagogen die Christgläubigen verfluchen, Epiphanius
sagt deutücher, sie beten, daß Gott die Nazaräer vernichte. Es ist
kaum daran zu zweifeln, daß unser Gebet sich tatsächlich auf die
Christen bezogen hat, es bildete eines der Mittel zur völligen
Scheidung der beiden Religionen.
In der ersten Zeit hatten die Christen keine besonderen Gebete
und keinen besonderen Gottesdienst. Sie hielten Vereinigungen für
.das spezifisch Cliristliche, wie das Abendmahl, aber einen zusammen-
hängenden Gottesdienst hatten sie nicht; darum gibt es auch keine
christliche Liturgie aus dem ersten Jalu'hundert. Die Judenchristen
haben nach wie vor mit den Juden gebetet, und niemand hat sie
zunächst daran gehindert. Die Judencliristen hatten keine Ver-
anlassung, die Synagoge zu meiden ; die Synagoge bot ihnen nach einer
Richtung zu wenig, sie zog ihre Art des Messiasglaubens nicht in
Betracht, räumte ihr keinen Raum im Gottesdienst ein (ihr gaben
sie in ihren besonderen Vereinigungen Ausdruck), aber die Gebete
enthielten nichts, was nicht auch ihrer religiösen Anschauung ent-
sprach. So nahmen sie weiter am Gottesdienst teil, fungierten auch
als Vorbeter darin. Daß sie christgläubige Juden waren, bedingte
in dieser Beziehung keinen Unterschied, erst allmähüch suchte sich
die Synagoge gegen heterodoxe Erscheinungen zu schützen. All-
Kuiiiposil ioii der 'ICfilhi 37
mälilicli trat die S|iaiuiimfif auch zwisclicn .liulciiliirii iiiid .liuicii-
{•hristcntiim ein. Die iiatinliclic l-jitwicklimi^ im (Üiristciituiii brachte
t's mit sicli, daß die Vergötterung Jesu, seine Anrufung im (lebet als
Wundertäter Fortschritte machte. Es wurde darum die Bestimmung
getroffen, daü man, wenn ein 'CQ eine Benedikt ion sprach, nicht
auf dieselbe mit Amen antworten durfte, es sei denn, dal.) man die
ganze Benedikt ion geJK'trt hatte, was sehr verständlich wird, wenn
man die alten christlichen Texte liest. PCs kam hinzu, daß die Christen
als Feinde der jüdischen Nationalität auftraten. In dem Bestreben,
sich die Gunst der Homer zu erwerben, gingen sie mit Beschul-
digungen gegen ihre alten Glaubensgenossen vor, so daß Verleumder,
•jii-,-j-i-; un(j gtncTa, mit Christen identifiziert wurden. Die Hoff-
nimgen und Bestrebungen der Juden richteten sich auf die Wieder-
herstellung des jerusalemischen Tempels. Den Christen hingegen
war die Zerstörung des Tempels ein wertvolles Mittel der Propaganda,
durch das Aufhören des Opferkultus hätte Gott selbst seinen Willen
kundgegeben, daß die Gültigkeit des mosaischen Gesetzes beendet
sein sollte. Dieses Zeugnis wollte man sich nicht entreißen lassen.
Es lag den ('hristen daran, daß das Wort der Evangelisten in Kraft
bliebe, Jerusalem sollte zertreten bleiben bis zur Erfüllung der Zeiten.
Ob und wann vor dem Aufstand unter Trajan sich den Juden be-
gründete Aussichten auf Erfüllung ihrer Hoffnungen eröffnet haben,
wissen wir nicht; möghch ist es, daß mit der Reise nach Rom, die die
Tannaiten unter Fülu'ung R. Gamlicls während der kurzen Regie-
rungszeit Xervas unternahmen, solche Hoffnungen verknüpft wurden.
In jedem Falle haben wh" in jener Zeit den Anfang der völligen Schei-
dung zwischen Juden und Judencliristen zu suchen. Ein wichtiger
Schritt zu ihrer Herbeifülirung war die Fernhaltung der Christen
von der Synagoge. Die Synagogen waren beliebte Missionsstätten,
sie boten Anlaß zur Besprechung der Glaubensfragen. Gelegenheit
zur Einleitung der Propaganda. Die Judenchristen gehörten zu ihren
eifrigsten Besuchern, sie fungierten auch als Vorbeter. Das sollte
ihnen verleidet, sie sollten von der Synagoge ferngehalten werden.
Als ]^Iittel liierzu wurde die 2TT2~ rD"Q in die Tefilla eingeführt,
die Samuel der Jüngere auf Veranlassung R. Gamliels verfaßte (nT37
n:pri y^'pn bsiisc b. Ber. das.). Die Bitte um Vernichtung der
Minäer hatte den Zweck, die Synagoge von ihnen freizuhalten. Das
ersehen wir deutlich aus dem Midrasch -sn ~r"j: r.n^rri ^:e~ -i"rn
38 Beschreibung des Gottesdienstes
bnpni ir::r rx bbp^ n^n-^ m;^^ "ir in sn^ axü ins? -in^Tn^ "id^i
"■^X "ii:"!" (Tanch. Lev. ed. Biiber 2 a). Irrtümer beim Vorbeten ge-
hörten nicht zu den Seltenheiten, sie wurden im allgemeinen mit
Nachsicht aufgenommen und durchgelassen ; nur bei 2T^n rD"in
wurde mit Strenge darüber gewacht, daß der Vorbeter nichts im Gebet
unterdrückte oder änderte, Irrtümer wurden da nicht geduldet, der
Vorbeter mußte sich an die Vorschrift halten oder er wurde entfernt,
denn gerade das war die Absicht, die Vorbeter auf die P r o b e zu stellen,
ob sie zum Judenchristentum neigten oder nicht. Ein Judenclirist
konnte dieses Gebet nicht sprechen, „er hätte sonst sich selbst ver-
wünscht und die Gemeinde veranlaßt, Amen dazu zu sprechen" und
sich dieses Gebet zu eigen zu machen. Ein Judenchrist konnte
auch, wenn er in der Gemeinde stand, es nicht mit anhören, wie der
Vorbeter die Bitte um Vernichtung seiner Gemeinschaft aussprach
und die Gemeinde sie durch das Amen zur ilu^en machte. So wurde
2"':il2n riDnn ein Prüfstein für die Anwesenheit von Judenclu-isten
in der Synagoge, für ihre Beteiligung am Gottesdienste; oft hörte sich
keiner von ihnen das Gebet an, sie blieben dem Gottesdienst fern und
die Absicht war erreicht.
Eine Anknüpfung für die neue Bitte war in XI nniffin gegeben,
wo von der Bestrafung der Frevler die Rede war. Ohnehin hatten die
eschatologischen Anschauungen sich geändert, die Einzelheiten des
alten Zukunftsbildes hatten eine neue Deutung erfahren, auch die
entsprechenden Benediktionen der Tefüla wurden nicht mehr wie
früher aufgefaßt. So wmde denn der Absatz über die Bestrafung
der Frevler aus XI herausgeholt und in die neue Bitte mit dem Schlüsse
2"'"" "■'^D'a aufgenommen, die nun eine Verwünschung gegen alle
von der jüdischen Reügion Abtrünnigen enthielt bei ST'^'a i^C """""'S
z^->- :7V2T2n 2^rfi£ (Tos. Ber. III, 25 j. Ber. II, 4 fol. öa; JX, 3
fol. 8 a). Die vorhergehende n^ilcn handelte nunmehr ausschließ-
lich von der Wiedereinsetzung der alten Richter und der Herbei-
führung des Gottesreiches. Andererseits wurde gegenüber der Verwün-
schung der Abtrünnigen in XII eine besondere Bitte für die zum
Judentum Bekehrten (p'^'iy) in XIII aipi-^n b" eingefügt. Die
Zahl der Proselyten, die sich zur ReMgion des Sinai bekannten, war
in jenen Tagen nicht gering, die Tatsache der zalilreichen Übertritte
zum Judentum, die bis in die besten Gesellschaftsklassen verbreitet
Kdtn Position der TcfillM 3()
waren, ma^ die Vorhit tcrmiff fi;('j^(Mi dic\jeiii}<tMi, die sich von der alten
Kelii^non lossajjten, verstärkt haben, wie sie andererseits als Trost in
der seliweren Zeit des Abfalls enipliinden wurde. Dureh die (legenüber-
stellung der Bitte für die Proselyten in XIU und die Verwünschung der
LTntreiUMi in XII kamen der wSchinerz über die einen und die Freude
über die anderen zum Ausdruck. So war 2"':"'T2n r2^2 ein ( ielegenheits-
gebet, und es wäre, als der Anlalj es zu sprechen fehlte, vielleicht
wieder außer Gelirauch gekommen, wenn nicht gleichzeitig mit seiner
Einführung eine Redaktion der Tefilla stattgefunden hätte.
11. Das durch aT72n PDin auf achtzehn Benedikt ionen angewach-
sene Gebet ließ R. Gamliel II. redigieren und bestimmte es zum täg-
lich e n Gebet für jedermann 2-X bbSi-TO ^v "rsn "!r'SC bs-^bTs:; ""
n^rr n:T2C (Ber. IV, 3). Das Gebet erhielt achtzeiin Kulogien
und davon den Xamen ""nr> "i'üC seil, msin, den es für alle
Zeiten behalten hat. Die achtzehn Stücke kamen, wie wir sahen,
in ganz verschiedenen Zeiten zusammen, die Zahl ist eine rein
zufällige. Um der Zahl achtzehn eine höhere, gewissermaßen kano-
nische Bedeutung zu geben, wurde sie symbolisch aufgefaßt,
man suchte aus biblischen Gebeten und Erzählungen Analogien für
sie herzuleiten. Möglich wäre immerinn, daß die Zahl achtzehn mit
Absieht festgehalten und bei ihr der Abschluß vorgenommen wurde.
Denn ihre symbolische Auffassung ist schon in tannäischen Stellen
zu finden; überdies hätte sich Gelegenheit geboten, die Zahl der Eu-
logien zu vermehren, es wurde jedoch davon Abstand genommen.
Die Zahl der Bitten übertraf diejenige der Eulogien, es nuißten einige
zusammengezogen werden 2"'"" ""i;2^2 ZTC'E '^wi ^■»ria biE b^iD
11355 DN a^ibCTT^ n:inn ti- br^ aip-^TJ:":: n-jn^n a-^n^ bei n-'ipT bn
x::"^ l^s^b ib^xi ir^r-b ib^S (Tos. Ber. III, 25), immerhin war es nicht
unstatthaft, die zusammengezogenen auch in ihre Bestandteile aufzu-
lösen und so die Zahl der Benediktionen wiederum zu vermehren. In
einem Falle wurde dauernd von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht,
die Tefilla wurde um eine neunzehnte Benediktion bereichert.
12. Kaum hatte das amoräische Zeitalter begonnen und die baby-
lonische Judenheit sich unabhängig von den Autoritäten Palästinas
gefühlt, da wurde dort im Lande der Exilsfürsten, die ihr Geschlecht
in gerader Linie von David herleiteten, eine besondere Bitte für das
Erscheinen des Messias aus dem Hause Davids eingefülnt. Die Eu-
logie lautete nyiw^ pp niüsr, der erste, der sie im Talmud erw^ähnt.
40 Beschreibung des Gottesdienstes
ist Rabba bar Schila (um 250 b. Pes. 117 b). Es war früher die herr-
schende Auffassung, daß die jetzt sechzehnte Benediktion nr:: rx
zum alten Bestände der Tefilla gehörte, daß a^r^n rz"^n dann als
neunzehntes Stück hinzugekommen ist, in Wirklichkeit ist der Tat-
bestand der gewesen, daß i^risn O die achtzehn Benediktionen
vollzählig machte imd Ti" n)2:: rx als neunzehnte liinzutrat. Der
Beweis hierfür ist Geschichte des Achtzehngebets S. 24 ff. (MS. S. 348 ff.)
ausfülirlich erbracht, hier sollen nur die wichtigsten Belege in kurzer
Zusammenfassung angefülul werden. Im palästinischen Talmud
und in den von dort stammenden Midrascliim ist eine besondere Eulogie
für den Messias nicht bekannt; wo der Inhalt der Tefilla angegeben
wii'd, ist nur XIV a'i'::TL'"ii"'bl berücksichtigt, niemals XV nr:: rs,
die Erwähnung Davids findet sich nur in der für XIV bestimmten
Eulogie a'ibTn'i nrs -m ■'nbs (in Babylonien wurde die Formel
T!" ^nbi« ausdrücklich abgelehnt); wo die Benediktionen der Tefilla
gezählt werden, wu'd XVI "Z'^^p "^TL" als fünfzehnte bezeichnet, weil
n)2^ rx vorher fehlt. Ja noch lange in nachtalmudischer Zeit war
die Eulogie ~"if ^ ]"'p n^'d'c im palästinischen Ritus nicht bekannt:
von Paitanim, die ihre Verse nach den Eulogien der Tefilla ein-
richteten, wird sie nicht erwähnt, Eleasar ha Kalir (um 750?) z. B.hat
in seinen Kerobot (§ 32) für die Fasttage und für Purim niemals Verse
zu "ü:: rx verfaßt, seine Dichtungen setzen stets den Sclüuß m" "'nbs
"CJTi'i n;il voraus. In der durch die Genisa in Kairo bekannt gewordenen
palästinischen Rezension der Tefilla fehlt ebenfalls ni2i rx und der
Sclüuß von XIV lautet z-^biTT^i nsin ~rn "^r.rx. Die alte Auskunft,
die bereits R. Jesaia di Trani (um 1280) gegeben hatte, daß in Pa-
lästina, um die Zahl achtzehn nicht zu überschreiten, nach Einführung
der 2^rrn rj'^.2 die zwei benachbarten und ähnlichen Benedik-
tionen XIV und XV in eine zusammengezogen wurden, ist un-
annehmbar, denn das Gegenteil, die nachträgliche Einfülu-ung von
mss rs wird ausdrücklich von den Quellen bezeugt. Bei der Ver-
handlung über die Zalil der Benediktionen wd j. Ber. IV, 3 (8a)
bemerkt "133 2T72 bc 'b -'^rs ]"rs rmrr r3c 3-;s "b ^rx^ zs
nin-ia a">^3n ir-np, d. h. daß vor Festsetzung von 2^r^n a nur
siebzehn Benediktionen vorhanden waren und dies die achtzehnte
bildete. Deutlich ist der Hergang bei der Anreihung der Stücke in
Num. rabb. Kap. XVIII, 21 angegeben -J''^ .r.bsr '"^ s-'^-j^an srj
Wurdiiiil (icr 'Irlill,! 41
T'ins«, daß narnlk'li die im habyloniscluMi Hitiis vorhandenen iifiiii-
zehn Menediktioneii — in |)aläs1inis(lH'n Kreisen kommt die Zaiil
neunzelin niemals vor — dadurcli entstanden, daß zu den länp^st vor-
handenen siebzehn zuerst 3"':"""an '2 und n a c li t r ä f? 1 i c h n'ü'i ra
hinzutraten. Der babylonische Kitus ist sehließlieh der alleinige
geblieben und mit iiim wm-de überall TiT n^:: rs« als Beiu'dik-
tion der Tefilla angenommen, sehließlieh, wie wir sahen, sogar mit
solchen Kerobot vereinigt, die den palästinischen Ritus voraussetzten
und es gar nicht kannten. Der Name rrzy n;'er stimmte nach
Einführung einer neunzehnten Iknediktion nicht mehr, aber er war
nun einmal durch die Mischna festgelegt und wurde ohne Bedenken
beibehalten. Die Geschichte des Achtzehngebets war damit ab-
geschlossen, die Überarbeitungen, die es erfuhr, sowie seine weiteren
Schicksale sind mit den Veränderungen seines Wortlauts verknüpft,
die wir im folgenden Paragraphen besprechen.
§ 9. Die Tefilla.
II. Wortlaut.
Literiitur : Baer. S. N7 ff. ; DiM-eubourg, Mi'lan<>es rabbiniques in JiEJ XIV,
26 tf.; Sehechter, Geniza Speciniens in JQR X, 656 ff. ; Dahnan, Die Worte
Jesu, S 299tt\; Elbog-en, Achtzehugebet, S. 47 ff.; Studien. S. 43ff ; I. Levi,
Fragments de rituels de prieres etc. in RE.T lÄU. 235 ff.: Frumkin. S. 231 ff.
1. Die besprochene Redaktion der Tefilla bezog sich lediglich auf
den Inhalt und die durch ihn bedingten Eulogien der Stücke, sowie
auf ihre Disposition und Reihenfolge riDin n'"^ "'"•"cr; iripE" "^ns'C
nriin -"C" :r :/n ■'rs': (b. Meg. 17 b.) Hingegen wurde der
Wortlaut nicht festgelegt, er blieb frei und beweglich, der augen-
blicklichen Eingebung des Vorbeters überlassen. Daher gab es lange
Zeit mehrere nebeneinander hergehende Texte, daher waren gewisse Ab-
weichungen möglich, die dann als Zeichen von Häresie verboten werden
mußten. Die Vorbeter trugen häufig einen Text vor, der vom üb-
lichen abwich, mitunter auch offenkundige Irrtümer enthielt, sie
gerieten bisweilen in Verlegenheit, weil ihnen die Fortsetzung des
Gebets entfallen war. Noch aus dem IV. Jalnhundert werden Ab-
weichungen beim Vortrag des Gebets mitgeteilt, und sie dürften,
solange die Gebete nicht aufgeschrieben waren, niemals aufgehört
haben. Auch später gab es keinen einheitlichen Text der Tefilla,
42 Beschreibung des Gottesdienstes
die Gebetbücher der versclnedenen Riten überlieferten ihn in ver-
schiedener Weise in bald mehr, bald weniger ausgeführter Diktion. In
demselben Lande konnte man sie in benachbarten Gemeinden abweichend
finden, und R. Da\äd Abudraham hat nicht übertrieben, wenn er
sagte, daß es nicht zwei Gemeinden auf dem Erdenrunde gebe, in
denen die Tefilla Wort für Wort gleichlautend gesprochen werde.
Der Buchdruck hat die Mannigfaltigkeit der Abweichungen beschränkt,
aber nicht beseitigt, da manche nur für kleine Ki'eise bestimmte Gebet-
bücher nicht durch die Presse vervielfältigt wurden; die Reform-
bewegung der neuesten Zeit hat von neuem eine starke Zersplitterung
hervorgerufen. Ein bestimmter Wortlaut der Tefilla, der als ü r -
t y p u s gelten könnte, läßt sich nicht feststellen, selbst die ältesten
Rezensionen liegen in mehreren abweichenden Fassungen vor und
enthalten einzelne Formeln, die unbedingt jüngeren Ursprungs sein
müssen. Alle Theorien über die Tefilla, die an einen bestimmten
Wortlaut anknüpfen oder auf Zälilung der Worte der einzelnen Stücke
beruhen, sind daher unhaltbar; ihr einziger Wert besteht darin, daß
sie als Kontrolle für die Überlieferung gelten können. Ebensowenig
läßt sich die von Jos. Derenbourg versuchte Zurückführung der Te-
filla auf Benediktionen von je drei Zeilen, zwei parallelen Bitten
und einer kurzen Begründung, und auf Eulogien von je zwei Worten
aufrecht halten. Die Tefilla ist weder von einem Manne, noch aus
einem Guß gearbeitet, so daß auf solche Gleicliförmigkeit geachtet
worden wäre, nur durch gewaltsame Eingriffe in den Text läßt sich
ein solches Schema durchführen, dabei müssen aber bibhsche Zitate
melirfach preisgegeben werden. Wie selu- der Wortlaut der Tefilla
durch die Bibel beeinflußt war, wird besonders deutlich durch die
palästinische Rezension, die erst neuerdings bekannt wurde und an
zahlreichen wichtigen Stellen von der übMchen (^=Vulg.) abweicht.
2. Wenn wir nunmelu- an die Besprechung des Textes der Tefüla
herantreten, so soUen nur die wichtigsten Varianten der einzelnen
Riten angeführt werden; sie alle zu erwähnen, würde den Rahmen
dieses Grundrisses überschreiten und nicht den entsprechenden Ge-
winn bringen. Einzelne orientalische Riten lieben es besonders, den
Wortlaut der Tefilla auszuschmücken, ohne daß in den Quellen ein
Anhalt dafür vorhegt. Eine der bevorzugten und leicht anzubringenden
Erweiterungen ist die Einfügung des Wortes T'^ oder 'zdb'ü in fast
alle Benediktionen.
W'orllaiil (l.'i- Tcfill,! 43
3. All (licSpitzo clor stillen 'rdilla wurde von K. Joclianan (III.
Jahrhimderl) nrrr ^rsr ■^:-iS Ps. 5117 gestellt, im iMit feialter
wurden bisweilen davor noeli andere Verse wie Dt. 323 oder l*s. (iös
eiiifi^efügt; trotz des Widersprnelis angesehener Halaeliisten haben
sie sich hie und da erhalten, bei Amr, fehlen sie noch. Spätere haben
sie auf die verschiedenen Tefillas verteilt.
I. Die Tefilla beginnt mit einer hymnischen Einleitung rrir
z^pT: :r ^nnr n:irsin niDin (j. Her. 11, 4 vgl. b. das. 34 a).
Das erste Stück heißt mns? (Rosch ha Seh. IV, 5) wegen der Be-
rufung auf die Patriarchen, im Mittelalter bei Dichtern und Dezi-
soren auch ]^'ü nach dem Schluß aninx p'ü. Der Anfang ist Mecli.
zu Ex. 133 (19 a) zitiert; sm:m miün bnsn bs^nist Zitat aus Deut.
1017 Neil. 932, eine Häufung der Epitheta Gottes über diese
biblische Wendung hinaus wird im Talmud streng verpönt (b. Ber.
33 a, Meg. 25 a, j. Ber. IX, 1 [12 d],Midrasch zu Ps. 19 [S. 82 b]). Das
folgende "i"''-" rs stammt aus Gen. 1419, in Pal. wird auch die Fort-
setzung "{""XT a"''?2Tr n:p zitiert, in Vulg. finden wir das nur im Gebet
am Eingang des Sabbats (§ 15 S. 111), sonst werden ynsi ai'CTr in '"^Dn
zusammengefaßt, außerdem ist ai^rj a"i~cn biaiS dazwischengetreten.
r-^ns ">icn idit^ führt zum Thema, der Bund Gottes mit den Vätern
bildet die Grundlage für alle die folgenden Bitten. Ebenso wie
2ni:n ^snb bsn^ N^ni21 fehlt es in Pal. Es ist auch keine rechte Ver-
anlassung, die Zukunftshoffnung hier zu erwähnen, vielleicht gescliah
die Betonung der künftigen Befreiung im Hinblick auf den christ-
lichen Glauben von der bereits eingetretenen Erlösung. Saad. liest
2n^^nx sriT":; statt an^:s ^:nb. p^ai rr^inn^T^r Y"^ soll zur Eulogie
mit i:;^ überleiten; in Pal. statt dessen irniin^a irnnx i^ri i::3i2
■»"111 11"! bD2, bei lt. und Seph. hingegen noch je ein Epitheton
mehr (Varianten Achtzehngebet S. 49, 50.) Die Eulogie an-QS p73
ist bezeugt durch Sir. 51 12 g im Gegensatz zu rias '.'^ im Gebet für
den Eingang des Sabbats (§ 15 S. 111); sie ist im Talmud (b. Pes.
117 b) und Midrasch aus Gen. 122 hergeleitet. In den 10 Bußtagen
wird hier 2"'"^nb i;"'DT eingeschaltet. Der Talmud kennt dieses Stück
nicht (ebensowenig wie die andern an den Bußtagen hinzugefügten Sätze),
es paßt auch nicht hierher, da es eine Bitte enthält. Die älteste p]r-
wähnung geht ins IX. Jahrhundert zurück, bei Amr. ist i:iDT bereits
vorhanden (44 b). jedoch noch Hai Gaon (gest. 1038) war dagegen,
Maimonides kennt es als Br'auch einzelner, auch Manhig nur als
44 Beschreibung des Gottesdienstes'i
nordfranzösisclien Brauch. Später wurde es für verbindlich erklärt.
Den Text bietet Amr. 51 b mit unbedeutenden Varianten.
IL nmniJ (Rosch ha Seh. IV, 5) Preis der Allmacht Gottes, so
genannt nach dem Anfang mn:^ nrs, dem vielleicht auch einmal bx"
112:;" als Schluß entsprach; S'^rnn r^inr (Ber. V, 2) nach derEulogie
z-irrn HTiTa und der mehrfachen Erwähnung der Auferstehung, im
Mittelalter n^rra. Die nachdi-ückhche Hervorhebung eines Glaubens-
satzes im Gebet ist, wie (oben S. 29) bemerkt, nicht zufällig; die
heutige wiederholte Erwähnung ist nicht ursprünglich. Pal. kennt sie
nicht, das Stück lautet vielmehr in einfachster Fassung TinSi nrx
n^n^ a^^n '^DbD'a airr^n -i^iTaT min niffi^ ^r:iT psi pin ttüd rsi
riTüinb 111 a^n:-. Fast scheint es, als ob die Grundform nS3 nrs
r'iirinb in ain^n nin)2 gelautet hätte. Alle anderen Fassungen
— selbst Pal. hat eine zweite weit wortreichere — erweisen sich als
Erweiterungen, Vulg. als eine ziemhch ausführliche mit Verwertung
bibhschen Materials zur Spezialisierung der Hilfstätigkeit Gottes.
Die bibhschen Anklänge sind in diesem Stücke besonders zahlreich,
sein Vorbild findet es in Ps. 146 7 ff. und ähnlichen Stellen, Erweite-
rungen des Textes bei Saadja, in Ozar Tob 1877, S. 11. Der Scliluß
a-T^n n^ma in Pirke d R. E. XXXI, g. E.
In diese Benediktion wird gemäß Ber. V, 2 "i^lTai niin l-^TTia
an? an eingeschoben, das Taan. I, 1 von R. Eüeser (I. Jahrhundert) als
a'^isirrii nillj zitiert ist. Die Zeit für diese Einschaltung ist nach
der gültig gewordenen Verordnung vom Musaf des Schemini-Azereth
bis zum Musaf des I. Pesachtages (Taan. I, 2). Die Gemeinde
beginnt es in alter Zeit erst zu Älincha (Amr.), später hat man es
vor Musaf ausrufen lassen, und die Gemeinde begann es sofort i m
Musafgebete (Pardes 45 c). In Palästina scheint man noch andere
ähnüche mit iN^aturerscheinungen zusammenhängende Sätze gekannt
zu haben, von denen aber keiner ins Gebet aufgenommen wurde
i^DTnb a^^in ll^^n K^b mmin rL:i (j.Taan. 1, 1, fol. 63 d, b. Taan. 3 a).
In der amoräischen Zeit (zuerst bei R. Jochanan) tritt uns der Brauch
entgegen, daß im Sommer b'jn T^iTa gesprochen wh'd (j. Taan. das.).
Daher weist die palästinische Tefilla diesen Einschub auf, während
er in Babylonien unbekannt war, was vielleicht in den klimatischen
Verhältnissen begründet ist. Aim*. kennt ihn nicht, obwolü er irr-
tümlich in den Texten angegeben ist. Von Palästina ist der Brauch
nach Italien übergegangen, auffallenderweise auch nach Spanien.
|\\(H'llaiil (Irr Tt'filla 45
In Dciilscliland war vr nie oinjjfcführl ; in Fraiikrcicli fclill or in den
l'riiliertMi Jalirliiiiul(M-ten (Vitry, Esclikol), später aber scheint er sicli
eingebürgert zu liaben (Manli.). Manche scheinen dort Sommer und
Winter "^i:n T^il^ gehabt zu haben, ebenso wie der kastilisehe Ritus.
Ferner wird in den zehn Bußtagen in dieses zweite Stück ITOD '''ü
eingefügt, über dessen Ursprung dasselbe wie oben zu i:i3T zu
sagen ist. Statt ai^nin nx lesen V. u. Maim. 'i,'cn'\r\ ns.
111. =rn ni"-;p (R. ha Scli. IV, 5) r-irnp (b. das. 32a) nc^np
(b. Meg. 17 b) nach dem Inhalt, in den Poesien des Mittelalters
irbca, weil es das dritte Stück ist. Auf den Preis der Allmacht Gottes
folgt der seiner Heiligkeit. Der Anfang lautete in ältester Zeit, so wie
er jetzt im Germ, und Seph. nur noch am Neujahrsfest und Ver-
söhnungstag (= 2"^.-^i n'H) üblich ist, T^ac XTir nrx vii-p. Diese
durch Sifre Dt. 343 (142 b) gesicherte Formel erscheint auch in Pal.
Wir gehen kaum fohl, wenn wir vermuten, daß hier als Beleg Jes. 63
angeführt war und daß daraus die Keduscha entstand (vgl, weiter
§9a); die jetzt übliche Verbindung von 113© i5"n:i nrs? ©np mit
Jes. 5 10 nSj"»"! liegt in Pal. nicht vor, sie ist allerdings durch Pirke
d R. E. XXXV, Ende bereits zu belegen; sie paßt besonders für die
genannten Feste als Tage des Gerichts.
Amr. hat die Fassung aT^tJ i"in: i«in ^d >i?b 'n^-^'^-cr^ ^.i-r ^'-:
nrs, dasselbe bieten die Handschriften von It., jedoch mit der
Variante T"^^- statt 'nz^brn; für D"Til ~"-\ hat Amr. außerdem
nrs< irnp, während It. nur den Belegv^ers "n.""'" hinzusetzt. In den
Druckausgaben von It., in Rom. und Carp. lautet der Anfang ^ri":
irinp: inr^ip zi^ui: n2::bi ibta l-^^: m-ii, der Nachsatz fnmn ist
derselbe wie oben; während It. das ganze Jahr hindurch "^"nx
-^:: m-^ behält, setzt Rom. am :"^^i n"^, dafür T^iz: "^m "^^n:
ein. Eme ganz neue Fassung bringt Seph. mit «r^-p nrs?, dessen
Schlußsatz Tibbni ani i::n aiinipl ebenfalls auf die Keduscha hin-
weist; am D"iii ~"^ jedoch folgt auf C^p nrs« noch m""! "ii"":;
'ns'ib^n (wie Amr., jedoch ohne Tnnr^) und außerdem mp
"QtD S"n:"i nrs. Alle diese Riten machen keinen Unterschied zwischen
der stillen Tefilla und der des Vorbeters. In Germ, hingegen (schon
in V.) wird ein solcher gemacht, in der stillen Tefilla wird r^'p nri«
verwendet, hingegen wenn der Vorbeter die Keduscha rezitiert hat,
Y-^r' ^rr. -:-n n-n"-; am 3"Tn ~"-^ außerdem ^rc s^ir nrs? mp.
45 Beschreibung des Gottesdienstes
Zum Text von mp nrs ist zu bemerken, daß Saadja TOi"p Tidtt
hinzufügt, Pers. auch noch D-iffimp T'^mic^ai. Seph. hat außerdem
aus -ii-n nnb den Schkißsatz r.rs5 mpT '^IIj V12 bs5 "»D aufge-
nommen; Abudraham beklagt, daß die unwissende Menge diesen
Satz nicht beachtet, seüie Klage blieb jedoch vergeblich, der Satz
wird bis heute nicht gesagt; beachtet man die Fassung der folgenden
Benediktionen, so ist man geneigt, ilm für alt zu halten.
Die Eulogie lautet Trnpn bi^n j. Rosch ha Schana IV, 6 (59 c),
b. Ber. 12 b; in den zehn Bußtagen hingegen fnp" iblZTi (b. das.),
jedoch wurde diese babylonische Änderung in Palästina nicht be-
achtet, m aUen Genisafragmenten finden wir ausnahmslos xSn
TEi^pn. Bei der Wiederholung der Tefilla wird hier die Keduscha
eingefügt, vgl. darüber weiter § 9 a.
4, Es beginnen nunmehr dienTri25? (scU. r^z'^n), der mittlere
Abschnitt der Tefilla, welcher die Bitten rr-"i:r ]D^-I (j. Ber. 11, 4)
enthält. Ihnen wii'd keine bestimmte Zahl beigegeben, weil die Zald
schwankte, weil es gestattet war, einzelne gesonderte Eulogien zu
sprechen, wo es üblich war, melu'ere zusammenzufassen (vgl. z. B.
Xr. XIV und XV). Man sagte von ihnen ferner, daß ilire Reihenfolge
nicht bindend wäre (b. Ber. 34 a "nc ]rö "{"»s? r"i"'""j:i25?). Auch feste
Xamen sind für sie niclit vorhanden, die Xamen schwanken, für
einige Stücke kommen im Talmud überhaupt noch keine vor.
IV. heißt in der j\Iischna (Ber. V, 2) r"~~ ];":" nach dem Scliluß,
im Talmud nri (b. Meg. 17 b), auch ny^^ (j. Ber. II, 4) und rsnn
n^Dn (b. Ber. 33 a) nach dem Inhalt.
Die erste Bitte ist die um Einsicht, Erleuchtung (vgl. das Gebet
Salomos I. Kön. 39 — 12= IL Chr. 110). Der Talmud zitiert aus der
Bitte n^"^- 'rrn (j. Ber. das.), entsprechend lautet Pal. Tiy^i irrn
"""ini rrirrn -rs irs^^s. In allen anderen Quellen findet sich
vorher die überflüssige hymnische Einleitung mit "i"" nrsJ, ferner
findet sich statt bDTi*" und ~:il häufig ~i2Dn (vgl. Amr. und Baer).
Pers. hat auch lüer wie in den meisten folgenden Bitten einen Ab-
scliluß nrs? "(larfn rt"" bs 12. Die Eulogie r""" ]:-\ri bringt bereits
die Mischna (s. oben).
Am Ausgang des Sabbats wird hier die n^";^" eingefügt (Ber.
V, 2); zwischen die beiden ersten Sätze tritt "iirriin nrs. Über
den Ursprung des Habdala vgl. § 19, ihr Inhalt ist aus j. Ber. V, 2
VVorllaiil »i.T Ti-rill a 47
(9 1)) und b. Pes, 104 a zu cntnohmon. Vom Wortlaut findon wir
in j. Ber. a. a. 0. (9 c) Tai": T"'-^ ^^i^ '3 s«^^n "^ ZZ2 --tt '-^ rr-ai"^ n
Wörtlicli ist dioso Fassung nirpjcnds wiederzufinden, mit einif^en Andc-
runcjon in Germ. (Baer 301); Amr., Maim., Sej)!!., It. und Rom. haben
an Stelle dieser Bitte eine andere (babylonischen Ursjjrungs ?) 2Tr3i
. . irnnL^r -d . . . nsna^n ^-ay^ ■irrr-innc, die in Sepli. noch etwas
erweitert ist. Der Anfan^ij der Einschaltung lautet in Ann-., It. und
Rom. rbinn nrj?. In (lerm. be<;innt dieser Satz, die eii^eiitliche Hab-
dala, mit b"Dn, denn hier wird vor der Habdala der erste Satz
der Benediktion in anderer Fassung noch einmal wiederholt ^^^«
•::r::in; es wurde lange darum gestritten, ob das nötig wäre, und
obw^ohldie maßgebenden Kodifikatoren sich dagegen erklärten, wurden
beide Sätze beibehalten. Selbst in Seph. fand das Eingang, bei Abudr.
findet es sich noch nicht.
V. r^2^^r (b. ;Meg. und j. Ber. das.). Die Eulogie nmrrn r.snnn
in Midr. Ps. 292 (116 b), wofür auch die zusammenfassende Formel
■^irn^rrn --2^ in j. Ber. das. und IV, 3 (8 a) zeugt. Auf die Bitte
um Erkenntnis folgt diejenige um religiöse Erneuerung. Der Text
der Bitte besteht in Pal. nur ausTlir. 521 ffi-in nmirrn ^ibsi '-; r.2^irr^
ZipD ^i'^^'ü'>. Vulg. bietet drei Bitten, die in allen Texten wieder-
kehren; alle frühmittelalterlichen Quellen haben eine vierte Bitte
T"^r^::m "ipnv, so noch heute It., Rom.; Saadja fügt außer dieser
Bitte noch ir-fS "^D (wie in Nr. VI) ein.
VI. n-ibc (das.), die Bitte um Vergebung, schließt sich eng
an die ~nTr an. Der Inhalt ist zusammengefaßt in die Worte nrc
':':: (j. das). Der Text in Pal. zeigt engeren Anschluß an die Bibel,
die zweite Bitte lautet T'^y -T.'ü ir"CE inrm nni2 nach Ps. 513,
deren Begründung T^^an-i s-in"! "id erinnert an Ps. 119 löG. In Vulg.
lautet letztere nrs nbci nrj bs ^D, nur in Germ, nrs nbici bm'a "'S
(V. bmia i'^'ü bs5 -»D), was offenbar aus Ps. 865 verkürzt ist, wie tat-
sächlich in Oz. T. zu lesen. Eine auffallende Vermischung von Pal.
und Vulg. bietet Pers. Die Eulogie lautet mrc':; ~3""52 in j. R. ha Seh.
IV, 6 (59 c) und in der (kaiirischen ?) Poesie TTC3 bs -»is zum Ver-
söhnungstage, so auch in Pal. nbcb n2""2~. die übliche Eulogie ""in
n-'bD":; nn-C" schon in Midr. Ps. 292 und in allen Riten; "n""^" "in
nbcb in REJ LIII.
An Fasttagen, mit Ausnahme des 9. Ab, werden in dieses Stück
48 Beschreibung des Gottesdienstes
schon bei Amr. Selichot (vgl. § 33) eingeschoben; die Überleitung
zur Eulogie lautet dann :n^i n:D i:-in:sn r.s ii7l SDn id:?^ bsi
i:"^rn2l7 ^d"^. In diesem Falle hat selbst Germ, den alten Schluß "'S
VII. nblSj (b. Meg. u. j. Ber. das.). Über die Bedeutung
dieser Bitte vgl. oben S. 35. Der Anfang stammt aus Ps. 119143 f.,
nur sind die Verse in den Plural umgesetzt, wie es bei einem Gemeinde-
gebet natürlich ist. In Pal. folgt sofort die Eulogie; Vulg. fügt hinzu
nnsi prn :i5\'. ^d (V. und Yem. nns« prn^ bi^i^ Y:t2 bs? ^3), Seph.
liest 1)2Tr "irri: -I2:c n:^i?:* i::i5S: nni2i, ähnlich schon Midr. Tann.
S. 209 T-^'^^ ni2:r rc^iüj -rnbs«'-; n::i5.- (wofür auffallend genug in
Sifre Dt. § 343 a^^^Oi« "^rr steht.) Saaa. und Maim. haben noch
eine Bitte i::""" ""i. Eine starke Erweiterung bietet Oz. T. Unser bsia
bi^nt^"! (Jes. 49 7) ist als Eulogie bereits in Sir. 51 12 e zu lesen, vgl. Taan.
IL 4, b. Pes. 117 b., j. Ber. II, 4.
An Fasttagen fügt der Vorbeter an dieser Stelle r'^Z^r rbsn
(b. Taan. 11 b), das Gebet ^"~ ein. Der alte Text ist j. Ber. IV. 3.
(8 a), j. Taan. II, 2 (65 c) mitgeteilt, keiner der gebräuchlichen Texte
stimmt völlig mit diesem überein; am nächsten kommt ihm Germ.,
hier ist die einzige Fassung, die die talmudische Schlußformel von
122:7 immer beibehält, die Bezugnahme auf Ps. 10728 fehlt allerdings
auch hier, sie findet sich nur in Rom. Hingegen haben alle Texte
einen anderen Schlußsatz n:7n nns5 sinps ani: (It., Seph.) oder aiü
"22" T^ibs? 55"*p2 (Germ., schon V.) mit Berufung auf Jes. 6524, der im
Talmud das. den Schluß des kurzen Gebets '22">n~ bildet. Die
Eulogie m:: m n2i:7n bereits in der Mischna (Taan. II, 4).
VIII. ns^s^ (b. Meg. das.), 5^b^n rs^n (b. Ab. Sar. 8 a) oder
n-ö^n iCST'. (j. Ber. II, 4), eine Bitte um physische Kraft, die erste
Bitte um ein materielles Gut. In Vulg. in allen Fassungen ist der
Anfang Jer. 1714 entnommer, jedoch, wie es sich beim Gemeinde-
gebet versteht, in die Pluralform gesetzt. Pal. dagegen, der sich sonst
weit enger an die Bibel anschließt, liest hier ■'2"iribs '" i2S?ID"i
isiniDüb niiis^ nbrni [i2^ü nnj- nn2i5i |i:;^i] 12:1: n^s«2^r oder,
wie in REJ LIII, '^ ::b nsis^ nbrm SS-'2'' '■" i2i«E"i; ob diese
auffällige Abweichung von der Stilisierung ursprünglich oder eine
spätere Änderung ist, läßt sich vor erst nicht feststehen. Die letzte Bitte
n57m kehrt in Vulg. überall wieder, freilich mit dem Zusatz ms^C
zu nsi£"', wofür Seph. (gegen Abudr.) SS"^^1 "DT'S« liest. Xeben
Wortlaut dfi- Tffilla 40
"irmstjbDb haben Amr., V.,lt.,Seph.,Kom. ir^lbnn bD:», was durch
Ps. 103."? gerechtfertigt wird, Maini. (Yem.) nur dieses, Seph. außer-
dem noch "^rms:^ bsb. Die ]>egründuiig nrx ]'C7i'^ ül^^ :s "^3 überall
seit Anir., freilich ist meist noch ps: und in Germ, ib^s eingefügt.
Die EuU)gie lautet in j. Her. (1. c), Kschkol I, 19 a^bin sei-i, in allen be-
kannten Texten im Anschluß an b. Schabb. J2ab6«T"' "tzy ibtn iJE'"';
in den Reformgebetbüchern ist die alte Fassung wiederhergestellt.
In der amoräischen Zeit wurde gestattet, Privatgebete für Kranke
vor Y-''2 bs ■'D einzufügen (b. Ab. Sar 8 a, b. Ber. 31 a); solche Texte
sind bei Baer S. 91 zu fmden.
IX. a-iSTCn nDnn (Ber. V, 2), a^:rn T^^ (j. Ber. IJ, 4), Bitte
um Segen der Feldarbeit, um Gedeilien der Frucht des Bodens. Die
kürzeste und emfachste Fassung hat Germ, (schon V.) erhalten. It.
hat den Sclüuß von is^mri an ein wenig erweitert, Pal. bringt schon
den fremden Gedanken der Erlösung hinein durch die Bitte n"ipT
irrbis."; yp rrir rnnia. — In aieses Stück wird auf Grund von Ber.
V, 2 die Bitte um Regen nbs^r eingefügt. Der Beginn dieser Einschal-
tung kann gemäß der Angabe des Talmuds (b. Taan. 14 b) ver-
schieden sein (vgl. Achtzelmg., S. 44 und Hai. Ged. 175); jetzt ist
sie laut b. Taan. 10 a vom Abend des 4. oder 5. Dezember bis zum
Pesachfeste gebräuchlich. In It. wird die Bitte dadurch erledigt,
daß zu HDnnb b"j in im Winter i'J'ai hinzutritt, in Germ, wird
statt "Dia "jn des Sommers im Winter "Diab "i"j'a"i bi: ^m gesetzt.
Nach Midr. Lek. Tob zu Gen. 123 (29 b) scheinen diese Worte sämt-
lich dem gewöhnlichen Gebet anzugehören; so erscheint der Text
auch in Pal, während dort im Winter rra^i^n "^re b" 'isn ^i2Tj "m
gesetzt wird. Alle genannten Texte erhalten die Regenbitte durch
eine geringe Änderung der sonst üblichen Bitte, was zweifellos
der Bestimmung der Mischna entspricht. Nur Seph.. nach den Ausg.
schon Amr., hat zwei völlig verschiedene Stücke, em kurzes für den
Sommer, das dem in It. üblichen ähnlich ist, und ein sehr ausführ-
liches für den Winter. Den Text findet man bei Maim. im Verzeichnis
der Gebete: Amr. kann diese Trennung, nach der dort 8 a angeführten
Regel zu schließen, nicht gekannt haben. Gegen die Trennung vgl.
femer Manh. § 56 ; vielleicht wurde sie durch die Erlaubnis des Tal-
muds 2^:rn rr-'aa ^^'S ncr^cb t^-z as? veranlaßt (b. Ab. Sar.
8 a, aus dem III. Jalirhundert), tatsäclilich sind auch solche
Einschaltungen mit besonderen Bitten um Ertrag der .\rbeit des
Elbogen. I>or jiid. Gottesdienst. *
50 Beschreibung des Gottesdienstes
einzelnen vorhanden. Die Eulogie a^:rri "j-nT: nach j. Ber.
II, 4 in allen Texten.
X. niiba ^inp (b. Meg. das.). Die Bitten um materielle Güter
sind erledigt; es folgen diejenigen um nationale Güter, zunächst die
um Sammlung der Zerstreuten. Das Stück ist an die Bibel angelehnt
(Jes.2713; 1112). Pal. schließt mit ^rm^lbü ppb, R. E. J. LIII mit
-l^np"::, in beiden fehlt der letzte Satz i:::spl Alle Texte außer Germ,
(doch auch V.) lesen am Schluß i:::^i«:, dies fehlt ebenfalls in den
Hss. von Amr., wo der Satz abweichend lautet: irrT^irJj f np^ 02 b?1U"i
f li?- riEiD r3^ST2 -ni n:^3p: ^'-n s^pT (Oz. T. i:rr:nb mm xnpn).
Die Eulogie bs^iTU^ "^m: 'f2'pi2 im Anschluß an Jes. 568 findet sich
schon Sir. 5112 f, vgl. j. Ber. II, 4. In den Gebetbüchern heißt es
überall, auch in Pal. bsrnr^ "1)2^ ^m: nach Midr. Ps. 292. In den Reform-
gebetbüchern haben diese und die folgenden nationalen Bitten
wesentliche Veränderungen erfalu-en, die Erlösung und die messia-
nische Zukunft sind rein geistig gefaßt.
XI. hat keinen bestimmten Xamen und wird im Talmud nach
dem Anfang isiirsir n^'^irn genannt (b. Meg. das.), erst in einer
späten Quelle findet sich dafür "JSrr rs^n (Chan. z. St.). Der Inhalt
wird durch p"ii:n nrjsr und "irr: rin (j. Ber. II, 4) oder T" mr":
a'ir''CiD (b. Meg. das.) oder im Habinenu-Gebet durch V'" a"^"ir'i
■jiEirb (j. Ber. IV, 3) bezw. ■'•L:sir"i ("r"nn) "m '':■:/ z-^rir-": (b. Ber.
29 a) wiedergegeben. In den verbreiteten Texten fehlt ein auf das
Gericht an den Frevlern bezüglicher Satz, die Bitte bezieht sich aus-
schließlich auf die Einsetzung gerechter Richter und Befreiung von
ndischem Druck (ob. S. 33 f.), Rom. allein hat einen Schluß bä?"!
l"|";n ■i:"ir'^r s:, der an die alte Fassung erinnert. Die erste Bitte
ir-JöTT nn^ir- knüpft an Jes. 126 an. Saad., REJ LIII, 327 haben
niu- diesen Satz, schon Pal. fügt 1~nb nri« ^Z'^^" "ib'ai [""ibisr^ B]
hinzu. Die in Germ, (schon V) und Seph. dazwischen getretene Bitte
"I'ö'a ncm stört den Zusammenhang; sie fehlt auch in It. Rom. und
Amr. Am Schluß fügen It. und Amr. hinzu p"!"j:i 2il2nnni "onn
-osü^m (Seph. fehlt ^onn), vgl. Hos. 221; Rom. und Germ, (schon V)
-L:srT2n i:pn::n a^isn^ni ^onn. Die Eulogie lautet "jsr-cn nr.ii« in
Pal, "L:£ffi'an bi?- bei Alfasi, das babylonische "jetttst -'p-i:z nmx ""-^
(Ber. 12b vgl. Ps. 33 5) findet sich in allen Texten der Gebetbücher.
In den zehn Bußtagen wkd die Eulogie nach Ber. 12 b in J^'n^
•JEfcn geändert. Zu der sprachlichen Schwierigkeit dieser Ver-
Worlli.iil ilcr 'rclillii 51
jiiuliin«; v^l. Jos. :5ll iiiul Sil. ||. Kein. |()17, Jcr. 'M:v.) (lliisclii zu
Bor. lL>l)).
XII. S^r-cr. rz-'n I). Her. 28 b, vn,!. oben S. iiillt'. Dieses Stück
lat die meisten Anderiiiip;en erfahren, neben der nanirüelieii Kin-
,virkiin<]: der Zeit liaben die i!;e\vallsanien Kinjuritfe der Zensur seinen
iVürtlaut beeinl'liißt und uni<>estaltet. Ob es je gelingen wird, den
irsprünglielien Wortlaut wiederzufinden, ist mehr als fraglieh. Im
ijanzen Mittelalter, so noch im Keueiilin-Pfefl'erkornschen Streit,
,vird als Anfang des Stückes das Wort D"'~'a"TL"^b" zitiert, das sich
lur noch in einem einzigen heute gebräuchlichen Gebetbuche erhalten
lat, dem von Yemen, das auch in dem sehr seltenen deutschen Machsor
Niloniki 1580 und Rom. vorhanden ist. aber in Hss. sich vielfach
indet. Ferner mußte — wovon der Xame entlehnt ist — 2^n2 vor-
kommen. Nach den Angaben der Kirchenväter war übeidies die
Erwähnung von ^"^^'22 zu vermuten, was die Handschrift Oxford
/on Amr. bietet. Endlich mußte auf Grund der Eulogie D"^-T 7"':3'a
nn ähnlicher Ausdruck auch in der Bitte erwartet werden, dem ent-
spricht "ipjn nnn^n "jinT pt^^t in Amr. Cod. Sulzberger, in It.,
Rom., Yem. Alle diese Elemente bietet Pal. mpr ■^-r rs a^iia^riab
'-zi?-' 7:;"^.D aTrm a^"":::-: ":ii2^n '•'p:^r rr-12 "i-t r^D^'c^, wozu
ils Abschluß noch Ps. 6929 mr:^ bi« a^p-^ns a:7i a^'^nr. ibd)2 in^i
ünzutritt. Damit stimmt auch das Fragment in REJ LIII, 238.
soweit es erhalten ist, überein.
Diese Formel wurde mit der Zeit nicht mehr verstanden und
iarum geändert, zum Teil auch aus Rücksicht auf christliche An-
klagen umgewandelt. Bezeichnend ist der aus ..Haliinenu" bekannte
d^usatz in Amr. Cod. 0. -r-'-^nb ^a'r-' s: as«. ]\Ian beseitigte ferner
üe im Stücke genannten Kategorien von Gegnern der Vorzeit und
:'rsetzte sie durch Bezeichnungen für die zu allen Zeiten zahlreichen
Judenfeinde im^s ':::% "i^- ^i^s? :3i, T^n-^s« :3', '^'cpi an^n^s«^
ITT-' '127 ■»TIS bDT und wie die Ausdrücke sonst lauten, die man bei
Baer vereinigt finden kann. Zu diesen neuen Bezeichnungen gehört
[\uch das Wortt a^rrb^b". das heute in Vulg. an der Spitze steht,
L'in gut biblisches Wort (vgl. Spr. 30 in) ist und dem mit a^r'C häufig
zusammen vorkommenden r"nicr oder a->nDi'2 entspricht. Das
Wort ist nicht erst der Zensur wegen aus a^!"'^ erweitert, denn beide
finden sich nebeneinander in unzensierten Texten und Handschriften.
Die Eulogie lautet nach dem pal. Talmud und Midr. W^iy ""»rs'c
4*
52 Beschreibung des Gottesdienstes
(s. ob. S. 38), ebenso in Pal. und im Piut für den Versöhnungstag
Mi el kamoka. Midr. Ps. 292 hat dafür a^n^i« nmir (babyl.). In allen be-
kannten Gebetbuehtexten seit Amr. steht beides zusammen, jedoch
bei Ami*. Saad. Maim. Yemen a">"Trn illir. In neueren Gebet-
büchern ist der Text vielfachen Änderungen unterworfen worden, die
Vernunftgemäßeste ist die völlige Streichung, wie es im Berliner Ge-
betbuch der Fall ist.
XIIL Der Xame a"'p"'~:: rD^n findet sich zuerst im Kommentar
R. Chan, zu Meg. das. Im Gegensatz zum Vorangegangenen bildete
XIII eine Bitte für die Frommen (a^p^-i^n "j-^p n^aTi Meg. das.
a'^rraf a'^p'^'i^n j. Ber. II, 4) und für diejenigen, die sich dem jüdischen
Volke als Proselyten anscliließen. Sie erwähnt in ihrer ältesten
Fassung neben 'a'^i^ auch a'^SpT, die Ältesten als Vertreter der Be-
hörden (Tos. Ber. III, 25 j. das.). In Pal. ist das Stück kurz formu-
liert, ^"i«n "iDi::! ^TTir- a7 Sir: iDr i:b --' 'i^'ann iia-^ "pTir^ "^^y :r
aipi"::"^ ni^Sia, wobei allerdings auffällt, daß a'iIpT, was die Quellen
fordern, felüt. Auch in den mittelalterlichen Quellen, in It. und
Rom. wird es vermißt, erst in Germ, (schon V.) und in jüngeren Aus-
gaben von Seph. erscheint es wieder. In Germ, und Seph. ist neu die
Erwähnung von ailöio, die schon Raschi kannte. Statt des Ausdruck?
an^isio (n^n) n-jbs byi hat It. :snr^ r^n -^2- rv^r^t :-n, wofür
wiederum Amr. (Cod. 0.) Maim. und Seph. r^n ^r" n^nsc br"
bi?"!®^ lesen. Germ und Seph. (schon Abudi'.) fügen ferner noch
IS'^bS'l ein, Rom. beginnt mit n^cnn b" und liest dahinter nur br
iD-^brn pnsn ^na bri a^p^is:- Die zweite Bitte nr.: nsr im wurde
gleichfalls erweitert, es kam statt "iib eine Wendung hinein, die der
Eulogie entspricht riasin "iTatcn aini::3n b:b, die persönliche Bitte
kam in arrcr i:pbn a^ffil zum Ausdruck, und schließlich trat als Ab-
schluß wiederum unter dem Emfluß der Eulogie "a "'S na; sb abl"b-
n:n i2a hinzu. Entgegen der alten Überlieferung ziehen die jüngeren Texte
von Germ, abirb hinauf. Für den Wortlaut am Scliluß waren Ps. 22 ti
und 252 maßgebend. Wie AviUkürlich an dieser Stelle erweitert wurde,
zeigt die tJberlieferung des Schlusses, wo It. noch a^^bl" "b^> Franz.
Seph. und Rom. T.^^IO': (n^sa bl^isn) 'iicn bsn hinzufügen. — Die
Eulogie lautet in Tos. Ber. III, 25 a^p^lisb n-u:aT2, ebenso in Pal. und
im erwähnten Piut "1723 bs? "»y; in Vulg. hingegen nach Midr. zu
Ps. 292 aipi^sb n-ja^i -js^irr.
XIV. Ein alter Name fehlt, die Bitte jedoch ist alt, sie hatte
Wurllaut (lor Ti-filla 53
zuerst die Eulogie ""^^3 "n-'^n (Sir. 5112 m) oder TT^sn pirn
(j. JomaVll, 1, 441)); später jedoch wurde sie in eine Fürbitte für
aie zerstörte Stadt und die Wiedercrhauuiig des Tempels (j. Ber. II, 2
irr^n n:n) umgewandelt. Damit wurde die Bitte für den Messias aus
dem Hause Davids verknüpft (j. Ber. lV\5,8c), und die Eulogie lautete
z-'ircTi^ n:nn^ -rn ^n:i« (j. [{. ha Seh. IV, ö, 59 c und pal. Midr.). Dem
entspricht die Fassung in Pal., die noch bei Saad. (bis auf die Eulogie
natürlich) ziemlich wörtlich, sogar in einfacherer und ursprünglicherer
Form erhalten ist '^:y^ -"0^7 cttti^ :ji 1^7 mr^ '^yz nr:7 'bs '-; ann
. . . . in-^Tcr mi n^a m^bü b^T [1217^ byi ^b^^n b7i] "ninD pc^ ■jT'S
Dbmi n:ia mn 'bs? •'"5?2. Die Formulierung verdient schon darum
den Vorzug vor der üblichen, weil sie mit anderen Gebeten des
gleichen Inhalts die größte Ähnlichkeit hat, auch die Aufzählung findet
sich dort wortgetreu wieder. In der durch Punkte angedeuteten Lücke
steht eine Bitte, an der bereits die Überarbeitungen bemerkbar werden;
in Pal. lautet sie '{^D-^n bbDTT m^n n:n, was wiederum durch Ana-
logien gut belegt ist, bei Saad. hingegen schon im Sinne der späteren
Fassung "BTi"i rs? a"iT2n"Q nrm. Die umfassendste Überarbeitung
weist der verbreitete Text auf, in dem kaum noch eine Erinnerung
an den ursprünglichen Wortlaut vorhanden ist, nur der Satz s^czi
r^r riDirb n-inr "i" in Germ, und Seph. (noch nicht bei Abudr.)
deutet auf die ehemalige Vereinigung von XIV und XV. Die Bitte
in XIV wurde in eschatologischem Sinne umgeändert, auf die Rück-
kehr der göttlichen Majestät nach Jerusalem bezogen, sie lautet
n-c- s^rnin ^n^r a^br.'T'bi (It. Germ.) oder a^bir-i^ lim iiDcr
"■'"'> (Seph. Yem.); das letztere erinnert an Sech. 8 2. Amr. und
Rom. fangen mit "l"!"»;? 'binii 77 an, was aller Wahrscheinlichkeit
nach noch von dem Anfange mit am herstammt.
Wörtlich erhalten ist die Formel mit ann in der Einschaltung
für den 9. Ab, wie sie j. Ber. IV 3 (8 a) gegeben und von Aim*., lt.
und Rom. übernommen ist, allerdings haben alle drei mitten in den
Text von j. Ber. VI 3 eine Bitte um Wiederaufbau der zerstörten Stadt
rpi"! T"'S5'2 --j^pm --'E-r 'S '- "■'.-: eingefügt. Die Bitte wii-d
dort in allen drei TefiUas eingefügt. Ilu' steht c*ie Fassung an: m
einer Handschrift von Ann-., in Seph. und Germ, gegenüber, die voll-
ständig überarbeitet ist ; sie geht auf Saad. zurück und wird nach seiner
Anordnung nur zu ]\Iincha verwendet. Eine eigenartige Verbindung
beider Formeln hat Maim. ; er läßt am 9. Ab XIV vollständig aus-
54 Beschreibung des Gottesdienstes
fallen und ersetzt es durch ein an^. dessen Text am Anfang Amr.,
später Sepli. ähnlich ist. Im Mittelalter wurde es vielfach so gehand-
habt, daß 2n^ am Abend und Morgen, an: zu Mincha verwendet
wurde. Die Eulogie TTrii"' ~:"in"i ^Vl arü^a. die zusammen mit
dieser Einschaltung in It. und Germ, gebräuchlich ist, stammt
ebenfalls aus palästinischer Quelle. In It. werden am 9. Ab die Ke-
robot bei XIY erweitert und alle Kinot an dieser Stelle eingeschaltet
(§ 32), an-, bildet den Abschluß für die Kinot.
XV. Den Namen "i^^i "Dil hat erst Chan, zu Meg. das. n'2:: ri«
ist das jüngste Stück der Tefilla. in Pal. überhaupt nicht vorhanden
(ob. S. 39 f.). Der Text der Bitte ist seit Amr. überall gleich, Germ.
It. Kom. lesen "3:7 "n". Amr. in einer Hdschr. "i"°'p", die Be-
gründung "r""ir"': 13 fehlt bei Saad. Yem. Die Eulogie stammt aus
b. Pes. 117 b, eine ähnliche findet sich bereits Sir. 5112 h. Die Aus-
drucksweise, die sich in ähnlichen Gebeten wörtlich wiederfindet,
ist an Ps. 132 17 angelehnt. — In den Reformgebetbüchern haben
sowohl XIV als auch XV Änderungen im Sinne der modernen geistigen
Auffassung der messianischen Idee erfahren.
XVI., das letzte der mittleren Stücke, heißt nbsr b. Meg. 18a,
rctr rr^r j. Ber. II, 4. Eine recht kurze Fassung in Pal. ""üZ
.nrs a-n— -j-iin bs -^2 "i-'b" an-n -ir-rsr bipn es 'n [i:bipi]
.rczr. "r""il" •'"i?"a Gegenüber diesem Grundtext zeigt Vidg. in sämt-
lichen Riten Fassungen, die die Bitten durch parallele Glieder er-
weitern und die Begründung breiter ausspinnen. Auf die erste Be-
gründung, die überall lautet nrs a^rirnn nbsr ^i2^z' bs« "^d folgt
die neue Bitte -m^rr "::&? ap^n 1:2:^ "■':s"::)2i, die allerdings in Seph.
und besonders in Rom. sehr erweitert ist. Ihre Begi'ündung ist in Amr.
und Seph. ~E "~d r'':zr "rnt" ~ri« ^r, was in Germ, (schon in V.)
in :!Ä?"';Tr"i -r" r::Er eingeschränkt worden ist, das hinzugefügte
a'^ünnn ist eine Erinnerung an das nns? a'^nn D'^üm a«:^ is "^a in
It., Rom. und Oz. T., womit auch die Hss. von Amr. übereinstimmen.
Die Reformgebetbücher haben die universale Fassung der Begi'ündung
wieder hergestellt. — Die Eulogie rcsr jrT Ber. II, 4, Taan II, 4
vgl. j. Ber. II, 4. Frühzeitig wurde gestattet, in dieses Stück beim
stiUen Gebet besondere Bitten, die dem einzelnen am Herzen lagen,
einzufügen nber "^nra i^a^:: ans« rjs^r (b. Ber. 31 a. Ab. Sara 8 a);
auf diesen Satz beruft sich bereits Rab als feststehende Norm am
Anfang des dritten Jaluhunderts. Wahrscheinlich ist hierdurch die
Wuillaiil der 'rcfilhi 55
orneuto Bitte ^:3r')2 V---^"' cnlstandcii. In kahhalistisclicn Kreisen
wurde von der Erlaubnis (lebraueli treniaclit, es \vurd«'n eine An-
zahl solcher Ritten formuliert, die zur Einl'üf^ung an dieser Stelle be-
stimmt waren. Einsehaltun<j:en für bestimmte Tage, die er an ihrer Stelle
vergessen hatte, durfte der Beter ebenfalls hier nachholen (z. B. nbnsn
ob. S. 4t) f.). — \n dieser Stelle schaltete an Fast lagen der einzelne
■^rir ohne Kulogie in alle Tefillas ein, späterhin wurde das auf
Minclia l)eschräid\t. aus den beiden anderen fiel es aus.
5. XV 11— XIX. n:^1^^? Tr:r, die drei letzten Stücke sollen
(den ersten entsprechend) hymnisclicn Charakter haben (aip^ '^T inmr
j. Ber. 11,4, b. 34 a.), insbesondere dem Dank Ausdruck geben.
Das trifft auf das erste und letzte nicht zu, es ist auch sicher, daß sie
zur Zeit, als die angegebene Disposition für die Tefilla vorgebracht
wurde, denselben Inhalt hatten wie gegenwärtig. xVllerdings beziehen
sich diese Bitten nicht auf Bedürfnisse der Menschen, sondern auf ihre
Beziehungen zu Gott (vgl. ob. S. 31).
XVII. n-nsr (R. ha Seh. IV, 5 Tam. V, 1), wahrscheinlich das älteste
Stück der Tefilla, das auch im Laufe der Zeit die mannigfachsten
Ändenmgen erfahren hat; die ini Tempel zu Jerusalem im Anschluß
an das Opfer vorgetragene Bitte um dessen gnädige Aufnahme. Die
älteste erhaltene Formel V-^ """i^""' n"^rii2 ■iT^::n "zr '5? "-^n
[Pes. ':r^-^n] (Lev. r. Vll, 2, Pesikt. d R. K. XXV, 28 p. 158 b) bildet in
Pal. den ganzen Text. Im provenzal. Ritus erscheint sie mit andern
Sätzen zusammen, die Seph. entlehnt sind. Daß diese kurze Fassung
allein den Text der ~~^1" gebildet hat, ist sehr unwahrscheinhch;
der Satz, der in Vulg. in allen Rezensionen wiederkehrt, bs"!!""^ •^rs"
:i5-r^ r-nn:7 n^'an iisib ^nr^ iiirin '■::ipr 'nns«2 \rr-^] ^rbsn
"'S" muß bereits dem ältesten Wortlaut angehört haben; nach dem
Aufhören des Opferdienstes kann er nicht eingefügt sein. In Vulg.
steht daneben friedlich die Bitte um Wiederherstellung
des Opferkultus ^r^^ ^^^""^ '^■^^"" [~^J -^"""- Das ist eine (baby-
lonische?) Anpassung des alten Wortlautes an die neuen Verhältnisse.
Xicht die einzige, denn Midr. Ps. 17,4 (64 a) heißt es: Tprn iD-^sb
s:s : 'rpr-1 s-^ "na nbsn cbir ■j-'Vrsrr i^mr '-»rriJ-ir. '^-i^cn
z^bc-^-»":: r.-r'nrn '-c irsb ^rrsc ncn a^n-^n ^-iian-n ain-i. Eine
nicht unbekannte Formel, sie wird in Germ, am Musaf der Fest-
tage neben rri^ verwendet, wenn der Priestersegen gesprochen wird
56 Beschreibung des Gottesdienstes
(Baer, S. 358), in V. dient sie sogar für den täglichen Gottes-
dienst.
Die Texte in Vulg. beginnen, wie Pal. mit nsi, fügen jedoch ein
Objekt hinzu bi^^r-' ~'C"2; statt des folgenden srbsrm in Amr.,
Saad. und Germ, haben It., Rom. und Seph. "7C anbsn^i. Aus
der Bitte )V^2 pC in Pal. ist der XIV ähnliche Schlußsatz nrinm
It. Ts^D] a^rn^n [It. "T'r a-'bum^bi] -i^"/: [Yem."-;:b] "imm irr7
[Rom. mi:ir-p a-^rrDi. Die Klammern zeigen, wieviel hier hinzu-
gefügt wurde. Einen ferneren Zusatz haben vor ~:i7nn V., Seph.
und Prov. in der Bitte i:rin -in fsnr a^a-^n -iTin-^a n^s^ sie ist
eine Ausfühiung von Saadjas 7X '^D i:a "■j:-r'. In Oz. Tob, Rom.
und Yem. finden sich noch mehr Erweiterungen in fast allen Sätzen,
aiit den erwähnten Formen ist die Mannigfaltigkeit der Fassungen
noch nicht erschöpft. Maimonides wurde darüber befragt, ob der
von einem Autor empfohlene Text an ""i": ar mi'i aTTQ nna
nrrnn iins« -]:nr n-n^: n^-^a r.r^^ri ".Tm i:a nx tttti: zulässig
wäre, und bejahte es. Eine solche Beweglichkeit zeigt der Gebettext
noch gegen Ende des zwölften Jahrhunderts, derartige willkürliche
poetische Ausschmückungen wird es wahrscheinlich weit mehr ge-
geben haben.
Den ersten Satz mit ~"j:"! erklärte Saadjä, und Scherira stimmte
ihm darin zu, obwohl er sonst seine Abweichungen im Gebet nicht
billigte, nur da für zulässig, wo der Priestersegen (§ 9 b) gesprochen
würde; er mußte demnach stets zu Maarib und zu Mincha mit Aus-
nahme der Fasttage ausfallen. In Toledo wurde diese Vorschrift
noch im XIV. Jahrhundert befolgt, es wurde mit "-i?"^TL""> iCSl begonnen.
Das beruhte auf einer Auslegung des Wortes ~T;a", die anderwärts
nicht Anerkennung fand; in der Provence und in X.-Frankreicli
wurde daher schon um 1200 stets mit n'2^ begonnen, und Jos.
Karo kannte um 1500 nur noch diesen Brauch, der seitdem der allein
herrschende ist.
Die Eulogie lautet im Anschluß an j. Joma VII, 1 (44 b), j.
Sota VII, 6 (22 a) in Pal. nay: nsn^a -risc ; ähnhch in It. an
Fasttagen, wo Kalirs Kerobot (§ 32), und in Germ, am Musaf der
Festtage, wo der Priestersegen hinzutreten, "na~: rii?"^"^a ""a'^ "ni^r.
In Vulg. lautet sie 'j'T'sb irr.iDir T^Tn'an, It. fügt li'cn-'a hinzu, Rom.
liest abweichend von allen Texten inrao a^iüTan. In den Reform-
gebetbttchern ist meist wieder die ältere Eulogie "'il^ "jms^r auf-
i
\\..rll,ml (I.T •rrfillii 57
jjonoiniiKMi, obenso ist vorher die nu'ssianisclic Stelle wie in XIV
fijeändert, der Hinweis auf den Opferkultus beseitif^t.
Vor nrTnri, d. h. hinter dem ehenialifijenSeliliisse der Benedikt ion,
wird am Neumonde und an Mittelieierta^en 553"'l TT^y^ einj^efügt;
es heißt in den Quellen a^-^n rr^np (Tos. Her. 111, 10,8.70) oder
:?mx72n "iT^ (b. Sehabb. 24 a). Der Anfang X2^^ ri-:y^ ist zuerst
Sofrim XIX, 7. 1 1 erwähnt: bis auf Pal., wo die Aufzählungen reich-
haltiger sind, stiniMien die überlieferten Texte, abgesehen von ganz
geringen Varianten, überein. Das spricht für ein sehr hohes Alter des
Stückes, sein Stil aber weist eher auf den Anfang der paitanischen
Zeit hin. Erwähnung verdient eine Äußerung des Gaons Paltui (ca. 850),
wonach 5<2''1 nbj"' ursprünglich in die n:Ti~T am Musaf des Neu-
jahrstages (§ 24) gehörte, wozu die häufige Wiederkehr der Worte
linDT und inps recht gut paßt.
XVI IT. ni<n^r. (R. ha Seh. I, 5), n^^i^Ti (j. Ber. II, 4), ri-rr (b. Meg.
17 b) enthält den Dank für die Wohltaten, die Gott ständig den
Menschen erweist. Das Stück ist ebenfalls sehr alt und wurde im
Laufe der Zeit stark verändert und vermehrt. Der Anfang a"'Tir
V "^^n:« findet sich Sifre Deut, i^ 343 (142 b), Midr. Tann. (S. 209)
zitiert statt dessen "b l^nrs a-^iTc '5? 'r:;". Eine einfache kurze
Fassung bringt Pal, beachtenswert ist am Schluß die Verwendung
von Ps. 9418; eine ähnliche Fassung im Anschluß an Kalirs Poesien
teilt S. D. Luzzatto aus It. mit, auch Saad. und Rom. haben kurze
Texte. Einschübe in diesen Text scheinen schon früh üblich gewesen zu
sein, die Misehna erwähnt und verpönt zwei, deren Sinn und Zweck uns
nicht mehr verständhch sind, weil sie wahrscheinlich mit gnostischen
Anschauungen im Zusammenhang stehen, nämlich die Wiederholung
des Wortes a^TTa am Anfange und die Sätze ^y^y mss "ip 77
"irtt ^D--* nvj bri V'an"! oder a^nvj yz^.^-^ , die jedenfalls ans Ende
gestellt wurden. Das Verbot hat nicht verhindert, daß auch nach
300 einzelne Vorbeter sich die Freiheit nahmen, ähnliche Sätze einzu-
fügen (b. Ber. 33 b). Der erweiterte Text in Vulg., dessen Kern schon in
Aim". vorhegt, stimmt in Germ., It. und Seph. überein, er bewegt sich
meist in bibhschen Redewendungen, und es ist daher leicht ver-
ständlich, wie er allmählich an Umfang zunahm. Amr., Rom. und It.
haben zum Abschluß T'-^ rTZ' s«bT "imi^ s: 'bs '- •':r^'':i!~ Sri
""212, das in Seph. und Germ, felilt.
Vulg. hat nun aber noch zwei kurze Stücke S-r "rr" und "n
58 Beschreibung des Gottesdienstes
a-iinn (Saad. nur sbs br'l), die den Inhalt von 2^-iT3 zusammen-
fassen und geradezu Dubletten dazu sind (vielleicht verdanken sie
Olren Ursprung den zwisehengetretenen Zusätzen, siehe weiter). Die
neueren Texte von Germ, und Seph. haben auch hierbei noch einen
Zusatz, ":rrir^ :s- (Seph. nrjr, bi?-). Rom. "b ""i:^ a^'abi-n ^n,
Saad. "rbn "^i?^ nrs« ""'""' ">2. Die Eulogie lautet gemäß j. Joma
VII, 1 (44 b) in Pal. r.i-zr{- "b n-jn, in Vulg. 'iDi ITSC n^r:n, was
zuerst Midr. Ps. 292 vorkommt.
An Chanukka und Purim wird in die r.S""" auf Grund von
Tos. Ber. III, 8 ein besonderes Dankgebet """s«^" ■;''"'!2 eingeschaltet.
Ein kurzer Text ~ir:> ID . . . . r-iTL""TL" -irro --"riTn r-sbs "ic^rDi
"12", der sich in die Fassung von a^nTa in Pal. gut emfügt, findet
sieh Sof. XX, 8. Die gebräuclilichen Texte bestehen aus zwei Sätzen,
einer Einleitung a"'c:ri br (abhängig von a"^-TC ). die für beide Feste
gilt, und der Erzählung des zugrunde liegenden Ereignisses -'12''2
irt'^rr'a bezw. "•DT'a ii^^n. Die Texte lauten seit Amr. bis auf die
unvermeidlichen kleinen Abweichungen gleich. Hervorzuheben ist, daß
Abudi'. entgegen allen anderen Texten r'^~:~ b" statt nisnb'ar.
liest. Zahlreiche Varianten gibt es zu ir"nr['a] (anr irb) an'^DTCnb, vgl.
dazu Abudr. und Riv. Isr. V, 125. Am Schlüsse lesen Amr. und danach
It. und Seph. '"31 a^oiT sbs ".^7 nr:7 p ani^- r^'irr^c acs, das
ist ein Rest des oben erwähnten Wortlauts in Sof. ; schon Hai Gaon
und die Tosaphisten haben den Satz, da Bitten nicht an diese SteUe
gehören, bekämpft, in Rom. und Germ, fehlt er. Wahrscheinlich wurde
nach der längeren Unterbrechung dm'ch a^c:n b~ der Gedanke
von a"'"i":'J2 durch a^D :?"! wieder aufgenommen, wodurch der Satz
in das Gebet kam.
An den zehn Bußtagen wird seit der gaonäischen Zeit die Bitte aPD"
"jr^-'n ^:a bs a^n^-j a^^nb eingeschaltet (vgl. oben S. 43), in Germ,
vor a"'">nn ba', in den anderen Riten, auch in Amr.. hinter dessen
erstem ~bc. Überdies hat Rom. die weitere ausfülu-liche und ^^eIleicht
jüngere Bitte '^"ani idt, die in V, nur an z '"-z ""-', vorkommt.
Daher hat sie auch Germ., jedoch nur bei Wiederholung der Tefilla
am Versöhnungstage sowie beim Musaf des Xeujalu-sfestes.
In der Zeit der Amoräer war es Brauch (und zwar zuerst in Ba-
bylonien?), daß die Gemeinde, während der Vorbeter bei Wiederholung
der Tefilla ai^iia rezitierte, ebenfalls a^'iTa sprach. Die Einfülirung
geht auf Rah zurück, von dem in b. Sota 40 a und j. Ber. 1, 5 (3 d)
WdrIl.Mil dir 'l'.'fill.i 59
viMsc'hiodiMio Uiirzo Sätze für diesen Zweck init{?eteill werden; andere
Lehrer eiiipfalilen andere Sätze, mit der Zeit wurde es Sitte, sie alle
zusaninienzul'asseii. Der in Baer fie^n>l)ene Text stainint aus Sota 40 a.
(vo:l. scholl Aiiir. II h); man iieiint das Stück "2'"" 2"'T""2, wahr-
scheinlich W(>^('ii der \()ii (ieleiiMeii "2^ im Talmiid daselhst be-
liebten Zusammeni'assunj;'.
S'^rnD PD'^n. Hei Wiederhol unii- der Tefilla wird an dieser Stelle
der Priestersegen vorgetragen, vgl. 5^ 9 b.
XIX. D'^inzi rs'^n. Den gleichen Namen führt auch die letzte
Henediktion, weil sie an den Priestersegen anknü|)ft, R. ha Seh. IV, 5,
Tamid V, 1. Sie nimmt die letzten Worte des Priestersegens auf
durch 21^r S"*!!' und schließt mit der Eulogie (so ihr Xame b. Meg. ]H 1))
S'brr. nr^r (Lev. r. IX g. E. 14 a, Midr. Ps. 292). Eine kurze Formel
dafür enthält Pal., Vulg. bietet Erweiterungen dieses Textes, die seit
Amr. im Wortlaut bis auf ganz kleine Abweichungen übereinstimmen.
Eine Besonderheit von Germ, bildet das kurze Stück ni 3:br, das
dann gesagt wird, wenn der Priestersegen nicht voraufgeht; es wird
zuerst von Eljakim aus Speyer (XI. Jahrhundert) erwähnt, fehlt
noch in V., wird aber später durch Meir von Rothenburg wiederein-
geführt und überall in Germ, üblich. Auch in Yem. wird es zu Mincha
gebetet. Die Eulogie lautet in Vulg. in allen Texten i'ay rs« TQTDH
aibcn mr-», Amr. 18 a gibt allerdings im Texte von Mincha ^Vrrn nr^r.
Die alte Eulogie findet sich in Germ, nur an den zehn Bußtagen, zu-
sammen mit der Einschaltung W'^n nsoi; ans den andern Riten ist
sie geschwnnden. Der Text von D'^'^n i£D2 ist in It., Rom. und
Seph. gegenüber Germ, etwas erweitert, die Einschaltung selbst
ist jung (ob. S. 43).
Hmter der Eulogie von XIX folgt in It. und Seph. l'cs«, als
Zeichen, daß die Tefilla zu Ende ist.
6. Die Tefilla des Vorbeters schließt tatsäclüich hier, aber für den
einzelnen sind im Laufe der Zeit eine Anzahl von Zusätzen hinzu-
getreten. R. Jochanan hat — wie für den Anfang (s. ob. S. 43) — auch
für den Schluß einen Bibelvers empfolilen: Ps. 1915 "i'isnb itp.
Vor diesen Vers tritt aber das von Mar dem Sohne Rabinas, nach Be-
endigung der Tefilla gesprochene Gebet "n::: "^"bs? b. Ber. 17 a (mit
Ausnahme eines Satzes); worauf in Germ, und Seph. (noch nicht in
Abudr.) .... '1211: irrb ~r" folgt. Dieses im Piutstil gehaltene
Stück ist seinerseits die Verkürzung einer längeren Bitte "in"' ÖS i:d5T2
50 Beschreibung des Gottesdienstes
-rrrn ITcr, die sich bei Anir., Saadja, REJ, V., Manhig § 63, Tut. 1, 122
findet, aus den gedruckten Gebetbüchern jedoch wieder verschwunden
ist. Da hier bei der nicht mehr zum Pflichtgebet gerechneten Ein-
schaltung ziemhch frei verfahren wurde, finden sich bei Amr. noch
mehr Zusätze; so das Privatgebet Rabas b. Ber. 17 a i^'f "^ "'n^si
■>m2i; und nrn ■'njir -ö nrsi. Das letztere ist zusammen mit 5«
ili:; in It. übergegangen. Abudr. verzeichnet nur das "ns: "^n'^S des
Talmuds und auch das nur als Brauch einzelner; in Rom. fehlt bis
auf "jl^nb ITii jeder Zusatz. Hinter Ps. 19 15 finden wh* bereits in
V. und dann in Germ, und Seph. mu:?^ sin i^^n^n mb« müi7
bs^-'Tr^ :d bn ir^br aibTr(im Anschluß an Job 252). It. hat beides
vor m^: ■•nrsi, woraus man klar sieht, daß letzteres eine junge
Hinzufügung ist.
Für Gebete des emzelnen ist überhaupt \'iel Spielraum gelassen;
auch sind Erweiterungen nach Belieben gestattet, wenn sie inhaltlich
zu dem betreffenden Stücke der TefiUa passen (b. Ab. Sar. 8 a).
7. Wo die Notwendigkeit vorlag, waren auch Abkürzungen erlau))t
„nit':7 n:iaffi "^"12". Eine solche ist das von Mar Samuel aufgestellte
l^rDn, wobei die mittleren 13 Stücke in ein einziges mit der Eulogie
"bsr r'dir zusammengezogen und zwischen die drei ersten und die
drei letzten gestellt werden. Der Text ist j. Ber. IV, 3 (8 a) und b.
Ber. 29 a in voneinander abweichender Form gegeben. Üblich wurde
mit ganz geringfügigen Änderungen die babylonische Form. Die
Texte bei mittelalterlichen Autoren weichen in Einzelheiten von-
einander ab, vgl. z. B. Hai. ged., HUd. 30 und Esclikol I, 59. Aber auch
für die öffentliche TefiUa waren solche Abkürzungen nicht unge-
bräuclüich. Von einer solchen in der im Tahnud genannten Form
n"i 'ji-r n"i (j. Ber. das.), die aus gaonäischer Zeit stammt (frühestens
aus d. VIII. Jalirhundert), findet sich der Anfang in Eschkol I, 55, das
vollständige Stück unter den Genisa-Handsclniften in Cambridge.
Und wie dieses Stück zeigt, waren piutartige Bearbeitungen
der TefiUa im Gebrauch, die sich nicht an den Wortlaut hielten, sondern
nur Inhalt und Eulogie der einzelnen Stücke beibehielten. Nament-
hch in Palästina, der Heimat des Piuts, scheint man solche poetisch
ausgeschmückte Texte begünstigt, in großer Zahl besessen und im
Gottesdienste verwendet zu haben.
Kcduscha ßl
§ 9 a. Die Keduscha.
Literatur: Zun/, I.itg., S. 13f.; Ha«'r, S. 236 t.; Müller,.!., Mas. Sofriin,
S. 226 tt"; Kolller, K. in MS. XXXVII, 1903, S. 493 f.; Hüchl.-r A., La
Kedouscha <hi ..VocC'r" che/, les Gueouim in h'KJ LIII, 1907, S. 220ft".;
Ginzbcrg, L. C.eouii-a I, S. 129; II, S. 4S tV.
1. Bei der Wiederholung der Tefilla zu Si-hacharis, Minclia
und Musaf wird in das dritte Stück, airn rcTip, die Keduscha
nc^p eingefüj^t. Sie hat ihren Namen von dem Verse Jcs. 6 3, dem
Trishagion, das auch in der alten cliristlichen Liturgie von großer Be-
deutung ist. Neben diesem Verse setzt sidi die Keduscha noch aus
den Bibelstellen Ez. 3l2b 1^2^ "1^2 imd Ps. 14610 -büi zusammen,
diejenige des Musaf enthält außerdem Dt. 64 rrr und Num.
1541 c 2:Tiri« '-; 1:5«. Die in die Tefilla eingeschaltete Keduscha
heißt m-i^y :ü cnp (Sof. XVII, 12 Ende). Daneben gibt es noch
zwei andere Keduschas im Gebet; die Keduscha im Jozer, welche nur
die beiden Verse aus Jes. imd Ez. (S. 67), sowie die i?"i"iC"; nr'ip (b.
Sota 40, vgl. § 10), welche neben den beiden Versen noch Ex. 15 18 und
zu allen drei Versen das Targum bringt.
Die Keduscha des Jozer und der Tefilla liaben zwischen den beiden
Versen aus Jes. und Ez. einen verbindenden Text, die letztere auch
eine besondere Einleitung. Beide führen die Verse als Wechselgesang
der Engelchöre ein. Die Keduscha de Sidra hingegen setzt die Verse
ohne jede Verbindung lose nebeneinander. Nur sie ist im Talmud
mit Namen genannt, die beiden anderen erwähnt erst der nachtal-
mudische Tr. Sofrim. In Amr. finden wir sodann die Texte in ihren
bekannten Fassungen.
2. Der Ursprung der Keduscha ist überaus dunkel, die alten
Quellen lassen uns vollständig im Stiche, die älteste darauf bezügliche
Naclu-icht finden wir Tos. Ber. I, 9 (S. 27) n '-^^2'c- Z7 '^'.'7 rs«
"riz y^2' . . . i«:^ r'iin:: 'i 'p"-pp -■^.nrn =7 -:-j rr- r-'rr
1-2i2n 27 r,:-r rrrrr '^ n^- -b^s« bj Ta^p^^ '-;. Was das für ein
Vorbeter ist, aus welchem Grunde er den sonst nicht vorkommenden
Namen ~^2')2 fülirt. an welcher Stelle er die erwähnten Verse vortrug,
ob die anderen Autoritäten das Verhalten R. Jehudas billigten oder
verwarfen, all das erfahren wir aus der dürftigen Nachricht nicht.
Auch wenn R. Josua b. Le\-i (um 230) von der Keduscha des Vor-
beters spricht (~r"-pr ::"r r-'ii srr -r b. Ber. 21 bj, ist daraus nicht
zu ersehen, ob die dritte Benediktion oder die Einschaltung gemeint ist.
52 Beschreibung des Gottesdienstes
Nicht aufschlußreicher ist eine Stelle des palästinischen Talmuds
j. Ber. V, 4 (9 c u.) "iins '^b iib^^Tin -jiri? n^^:s'Ä«n prnr^s ^^-j-ii:!
irin sm y'S postt anp^r b^nr^ i^rnn nm-ir -t i<"i "jib "ras
sinffi iTOD i^m-p ■iri:r'- i^-idic ■)!":: t^i? n? nri:'!" ro-^nn rbnr'a
rc2 r.bnr, weil auch hier das Gebet, um das es sich handelt, nicht
genannt ist; sicher geht daraus hervor, daß zur Zeit R. Abbuns (vor
354) der verbindende Text bereits vorhanden war und eine Erwähnung
der Engelchöre a"':s"55 (vgl. Ez. 119 u. ö.) enthielt. Einen solchen
Text bietet im traditionellen Gebetbuch stets die Keduscha des
Jozer, die der Tefilla lediglich an einzelnen ausgezeichneten Tagen,
man hat infolgedessen den Schluß gezogen, daß die Jozer- Keduscha
eine Wiedergabe des täglichen Morgengesanges der himmlischen
Scharen darstellt, daß sie älter ist als die der Tefilla, daß diese erst
aus jener hervorgegangen ist. Ein solcher Schluß ist irrig, die Aus-
drucksweise des Talmuds iirnr "^^i^ir "7 [scü. ~l">r~ "»rsb] und der
ganze Zusammenhang der Stelle gestatten nicht, ein anderes Gebet
darin wiederzufinden als die Tefilla. Dazu kommt noch eins. Nach der
gut verbürgten Sammlung der Differenzen zwischen Palästinensern
und Babyloniern war in Palästina die Keduscha nur an Sabbaten,
in Babylonien hingegen täglich üblich (Chili. Nr. 59); ja selbst gegen
800 scheint das noch überall dort in Palästina, wo die eingewanderten
Babylonier nicht m der Mehrzahl waren, der herrschende Brauch
gewesen zu sein. Nun ist es sehr wohl denkbar, daß die Keduscha
innerhalb der Tefüla, wo sie eine Einschaltung war, an Wochentagen
fortbheb, hingegen wäre es keineswegs zu erklären, Avieso die Ke-
duscha im Jozer, wenn sie ein wichtiges Stück des spezifischen
Morgengebetes bildete, weggelassen werden konnte. Irgendein direk-
tes Zeugnis von der ursprünglichen Zugehörigkeit der Keduscha
zum Jozer gibt es nicht, hingegen haben wii' in der dritten Bene-
diktion der Tefüla sowohl dem Namen als auch der Sache nach die
allerbeste Anknüpfung.
3. Die älteste Form dieser Benediktion lautete i5""" -rs iT'ip
^^tü (S. 45), aller W^ahrscheinlichkeit nach war als biblische Beleg-
stelle Jes. 63 n-ü^ns n "p''^ mp mPDD angeführt, ja es ist bei der
Vorliebe der alten Tefilla für Benutzung des Bibelworts (S. 42) nicht
einmal ausgeschlossen, daß lediglich der Vers mp den Text der
Benediktion ausmachte (vgl. "iSSirn S. 47). Der ursprüngliche Zu-
sammenhang des Verses nun wies direkt auf die Huldigung der Engel
I
Kcdustha fJI-J
hin; daß niystiscli fi;i'stiininto Gemütor sieli dieses Hinweises zu be-
dienen wußten, zeifjen Stellen wie Heu. 31)12, Apok. Joli. 4S. Einen
verwandten Inhalt zeif!:le Kz. 312, der Schall, der v(»n der l>e-
wefrunir der Kni!;el her an das Ohr des Propheten drinjijt, klinp;!
ebenlalls in einen Hymnus aus, in beiden Stellen wird überdies die
Herrlichkeit (nSD) (lottes gepriesen. So lag es nahe, die beiden
Stellen gemeinsam zu bearbeiten, aus ihnen eine dramatisch belebte
Schilderung des Wechselgesanges der Engelchöre zu gestalten, in
Jesaia sind es die Seraphim, in Ezechiel die ,,Ofannim" und die , .hei-
ligen Chajot", die den Hymnus vorbringen, die Keduscha läßt sie
zugleich auftreten und wechselseitig das Lob des Herrn anstimmen.
Das waren die (ieilanken. die den MystikiM'u der alten Zeit und denen
des Mittelalters reichen Stoff zur Bearbeitung boten, daher die Mannig-
faltigkeit der einleitenden Sätze und der verbindenden Texte, die im
Laufe der Zeiten entstanden.
Nur die beiden Verse aus Jesaia und Ezechiel gehörten zur alten
Keduscha. i^'C'^ in der Tefilla-Keduscha ist stets nur ganz lose als
Zitat „aus den Hagiographen" mit den vorangehenden Versen ver-
knüpft, was allein genügt, um es als jüngere Zutat zu kennzeichnen.
Daß der Vers in der Keduscha de Sidra durch Ex. 15 is ersetzt ist, hat
seinen Grund darin, daß dort ein Targum erforderlich war; da ein
anerkanntes Targum zu den Hagiographen nicht vorlag, mußte ein
Vers des gleichen Inhalts aus einem Buche, zu dem die aramäische
Übertragung vorhanden war, gewählt werden. Weshalb -r^'' in die
Keduscha kam, ob es aus den Neujahrsgebeten übernommen wurde,
oder ob beal)sichtigt war, wie in so vielen anderen Gebeten auch hier
den Gedanken des Gottesreiches zum Ausdruck zu bringen, läßt sich
nicht mehr erkennen. Klarer ist hingegen, auf welchem Wege yüV:
:S"*Tr"i in die Keduscha kam. Gelegentüch einer Religionsverfolgung
im byzantinischen Reiche wurden gewisse jüdische Gebete, darunter
das Einlieitsbekenntnis und das Trishagion, das die Kh-che im Sinne
der Trinität auslegte, verboten. Die Synagogen, die an den Wochen-
tagen wahrscheinlich überhaupt geschlossen waren, wurden an den
Sabbaten überwacht, bis die Stellen der beanstandeten Gebete vor-
über waren. Daher wurde zu dem Aushilfsmittel gegriffen, die Ke-
duscha in das Musafgebet aufzunehmen und um den Anfang und
das Ende des "•cc zu erweitern. (SD^nbi« '- 1:5« STibi^b 23b r-T.b-r^C)
Auch nachdem die Verfolgung: vorüber und die volle Reliffionsfreiheit
g4 Beschreibung des Gottesdienstes
Aviederhergestellt war, wurde die Einschaltung in der Musaf-Keduscha
für die Sabbate und Feste belassen. Es ist nicht ausgeschlossen, daß
die iVufnahme von bsil'C'i yaiD den Anlaß zur Einführung von Y^^"*
gab, daß, nachdem einmal Verse aus den Propheten und dem Pen-
tateuch zur Keduscha gehörten, auch die Hagiographen darin ver-
treten sein sollten. Das älteste Zeugnis für das Vorhandensein des
~72Tr in der Keduscha findet sich P. d R. E. IV, Ende, wo jedoch y:i2'^
noch nicht erwähnt ist.
4. "Der Texi; der Keduscha im engeren Sinne, der Bibel verse,
war durch die Masora vor Schwankungen behütet; die Verschieden-
heiten entstanden durch die verbindenden Texte und in der
Tefilla- Keduscha durch die Einleitungen. Es sind folgende:
A. Einleitungen. Sie stellen die Keduscha der Gemeinde als
eine Nachahmung der Verhen-lichung Gottes durch die Engel dar.
1. Die älteste Einleitung, die wir kennen, ist "TL"inp:"i "::"'"i~:
in Sof. XVI, 12. Sie ist in Germ, an den Musafgebeten üblich. In
der Wortfolge "::i"^7:i ^ir-^^ips finden wir sie in Seph. und seit dem
XVII. Jahrhundert in It. bei allen Gebeten mit Ausnahme des Musaf;
in Rom. an Wochentagen. Die Bibelstelle Jes. 2923 spricht sehr
für die Wortfolge in der letzteren Fassung. Maim. liest abweichend
von allen Texten ^D'^b^ri "[©"i^p:. Alle Riten außer Germ, er-
wähnen in der einen oder anderen Form die Dreiteilung der Keduscha
(mrnp iribir:), die Art der Bezugnahme auf die Huldigung der
Engel ist in den Texten verschieden. Zu erwähnen ist, daß in einer
als Variante gegebenen Keduscha zu Schacharis von Pesach in Rom.
an die Einleitung auch Jes. 6 1, 2 angeschlossen ist.
2. Damit verwandt ist die Einleitung tü'ip:, die in Germ, mit
Ausnahme der Musaf gebete stets gesprochen wird, in Rom. an den
Morgengebeten der Sabbate und Feste. Es ist die einfachste Form
der Keduscha, sie nennt nicht einmal die Engel. In den alten Quellen
ist sie nicht nachweisbar.
3. "iPD, bei Amr. für alle Gebete ohne Unterschied, findet sich
in den anderen Riten in sämtlichen MusaftefiUas. Germ, ist sie un-
bekannt, der altfranzösische Ritus hat sie jedoch ebenfalls zu Musaf
verwendet, V. nennt sie nm ncnp. It. hatte sie früher, wie Aim-..
täglich, bis durch den Einfluß der Kabbalisten ^TT^^p: an die Stelle
trat, "iro stammt wahrscheinlich aus den Kreisen der babylonischen
Mystüver, der Gedanke und die Ausdrucksweise sind üinen sehr geläufig.
Keduscha 65
H. VcrhiiuhMule Toxto. Sie stellen den Übergang von einem
Bihelverse zum anderen dar.
1. Zwisehen xo^np und ll"»2.
a) Die kürzeste Fassung bilden die Worte inttS*' Tinn on^yb,
wie sie stets mit Ausnahme des Musaf in It., an Woclicnt;igen auch
in (lerm., oder :"'^i2'i«' ^■'nmrr zr'cy'':, das stets mit Ausnahme
des Musaf in Rom. und Seph. üblich ist. Dieser Übergang läßt
die Beziehunji; des :r"2"r durchaus unklar und macht den Eindruck
einer Verkürzung aus dem nun folgenden
b) bn^ m ripn li?, das täglich in Amr. und am Morgen der
Sabbate und Feste in Germ, (schon in V.) im Gebrauch ist. Der In-
halt entspricht völlig demjenigen von impn nim a-'iD'SrTi in der
Jozer- Keduscha. Da schon im Talmud Ofannim in Verbindung mit
der Keduscha erwähnt werden, ist anzunehmen, daß diese Verbindung
oder zumindest der ihr zugrunde liegende Gedanke recht alt ist.
c) abi7 i5:T2 (V:-:;i) maD, in allen Riten in der Musaf-
tefilla, bei Mann, täglich, seit dem XV. Jahrhundert in Deutschland
am Jom Kippur in allen Gebeten. Der Ursprung ist unbekannt, die
Form i)iutisch, derart daß mit dem Schlußworte des Bibelverses 1~"I2D
begonnen und darauf wieder hingeleitet wird,
2. Zwischen "inn und "^tt in der Musaftefüla der Sabbate
und Feste. Die einfachste Fassung lautet in Rom. 3"!"' ''^32 3it2"S
s^^'C'Si, wobei nach den alten Quellen n2~i?n zu ergänzen wäre.
In Rom. selbst aber findet sich auch der erweiterte Text, dessen
Beginn im Anschluß an das letzte Wort des Bibelverses "laipia'a
lautet, er ist in kürzerer Fassung als die Texte von It., Seph. und Germ,
gehalten, die alle kleine Erweiterungen bieten.
3. Zwischen yc':: und ainbs«":: 23b rvr[7 enthält Rom. gar
keine Verbindung, und m-sprünglich müssen die Worte, wenn sie
dem obenerwähnten Zwecke dienen sollten, ohne Unterbrechung
gesprochen worden sein. Als später die Ursache der Aufnahme des
"I2ir unbekannt war, wurden die Worte ebenfalls durch ein poetisches
Stück verbunden. Tnbs« s«^n -ni«. das wieder an das letzte Wort
des Verses anknüpft und dessen ganzer Wortlaut den Eindruck einer
relativen Jugend hervorruft. Der Text in It. und Germ, ist der
gleiche, in Seph. findet sich gegen Ende noch ein Zusatz, die Bitte um
messianische Erlösung: r^rs^r ri-ns« zzrs "^rrs^ ■;", die aus völliger
Verkennung des ursprünglichen Sinnes an diese Stelle gesetzt ist.
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. 0
gg Beschreibung des Gottesdienstes
4. An SDTiri« '" ^:x schließt Germ, an Festtagen i:i^-i? iiis
an, eine starke Betonung des Gottesreiclies ; den anderen Riten ist das
Stück unbekannt. Es stammt aus Deutschland, der Wortlaut scheint
von der Poesie Meschullams b. Kalonymos (gest. um 1000 in Mainz)
beeinflußt. Ursprünglich war n^^i? nur an den beiden ernsten Feier-
tagen übhch, seit 1100 fing man an, es auf die WaUfahrtsfeste zu
übertragen. It. wiederum hat an den Festen eine Bitte iT^'r" bi? aD^nrs,
die, vde es scheint, an den gleichen Gedanken anknüpft; der Ausdruck
und die Reime kennzeichnen sie als ziemlich jung.
5. Vor ~"~r"' haben die meisten Texte übereinstimmend stets
"^^i?":: inrD nr"p ^nn'iS"', eine reine Quellenangabe ohne innere Be-
ziehung zm- Keduscha. Jedoch haben Ami', und Maim. täghch, Germ,
im Morgengebet der Sabbate und Feste statt dieses nichtssagenden
Überganges ""»Sir lIDbia '^'aip'C'a; das ist eine Bitte um Herbei-
fülirung der messianischen Zeit, in der Gott allein König sein wird
(ib'ci). Die Anknüpfung ist wiederum durch das letzte Wort des
Textes iiaip'a'a gegeben, das in die Quellenangabe (mrs?- -Q1D) aus-
klingt.
Die äußere Form, der Gedankengang und der Wortlaut der
meisten Hinzufügungen zur Keduscha rechtfertigen die Annahme
ihrer Entstehung in der ersten Zeit nach Abfassung des Talmuds ; auf
einige Ausnahmen wurde oben bereits hingewiesen. Die Mannig-
faltigkeit der Formen ist walu'scheinüch dadurch zu erklären, daß
aus Palästina und Babylonien verscliiedene Vorlagen kamen. Nur
in unwesentüchen Einzellieiten hat sich der Text im Wechsel der
Zeiten und Länder geändert. In den neueren reformierten Gebet-
büchern wurden die Ei-wähnungen der Engel meist beseitigt. Auch
sind die verbindenden Texte mehrfach in deutscher und englischer
Sprache poetisch bearbeitet worden.
5. Die Keduscha hn Jozer scheint wesentlich jünger zu sein als
die in der Tefüla, sie scheint erst eine Schöpfung der Mystiker der
gaonäischen Zeit zu sein. Sie ist im Jozer em fremdes Element, der
alte Text (ob. S. 17 f.) enthielt sie nicht, und man merkt auch dem
heutigen Texte noch an, daß das Thema von den Engeln und ihrer
Huldigung mit Gewalt herbeigezogen ist. Wh* wissen aus den Über-
resten der Literatur der Mystiker, welche hohe Bedeutung sie der
Rezitation der Keduscha beimaßen (S. 181), und haben allen Grund
zu der Annahme, daß sie es waren, welche die Aufnahme der Keduscha
1
Kodusrha, Prii>storsop[on 67
in (l(>n Jozcr vciimlaUtcii. I);is k;niii jedoch nicht spätor orfolgt sein
als die Abl'assunj!; (U's 'i'r. Soliiin. in (h'iii zn wiech'ihollen Malen der
Jozer-Keduöcha Kiwähnnnfjj fj;escliiehl. Vielleicht wullten die Mystiker
durch die Aufnahme der Kednscha in den Jozer auch denjenigen, die
nicht mit der Gemeinde beteten, eine Gelegenheit bieten, die Kednscha-
verse zu rezitieren. Die verschiedenen Krsatzstellen für die Keduscha
in der Ausgabe von Amr. gehören zwar dem ursprünglichen Texte
nicht an, al)er sie entstammen sämtlich der mystischen Literatur
und lassen deutlich die Bestrebungen jener Kreise erkennen. Für die
Jozer-Keduscha war die Einleitung durch die voraul'gehende Schilde-
rung der Engel des Dienstes (DTTCa) gegeben. Den verbindenden
Text zwischen den beiden Versen rinp und T"iin bildet das allen Riten
gemeinsame iriip" nim ai:s^i?rn, das in Germ., wenn es mit Piut
zusammentrifft, in inmiri n">nm geändert wird.
6. Über den Ursprung der Keduscha de Sidra vgl. § 10. Sie ist
älter als die des Jozer, wahrscheinlich ebenfalls babylonischen Ur-
sprungs. Wenn das Targum sclieni zu Ester V, 1 von einer dreimaligen
Rezitation des Trishagion spricht, so denkt der Verfasser wahrschein-
lich an unsere Keduscha und die bei der Wiederholung der Tefilla
zu Schacharis und Mincha. Hingegen setzt die junge Sammlung
Midrasch ha Gadol, die 30 Keduschas wöchentlich erwähnt (S. 278),
bereits je 4 Keduschas an den 6 Wochentagen und 6 am Sabbat
voraus; 3 in der Tefilla, 1 im Jozer und 2 Keduschas de Sidra zu Mincha
und am Sabbat ausgang.
§ 9 b. Der Priesfersegen.
Literatur: Baer. S. 358 ff.; Duschak. S. 266 ff. ; Berliner, Randb. I, 40 ff.;
Fnuukin, S. 284 ff'.; J.E. Art. Blessing-, Priestly lU, 244 ff.
1. Der Priestersegen 2">:~: rnil ist ein Residuum aus dem
Kultus des Tempels ; er bildete einen Bestandteil des täglichen Opfers,
an jedem Morgen und gegen Abend sprachen die Ahroniden unmittel-
bar vor dem Darbringen des Ganzopfers über das Volk den in Nura.
624 — ^26 vorgeschriebenen Segen. Die Priester traten im gegebenen
Augenblicke auf die Stufen der Vorhalle, von der aus sie zum Volke zu
reden pflegten, und verkündeten den Segen; die Bezeichnung rr-2
D'^rns der Mischna (Sota VII, 1) wird in der Tosef ta ausdrücklich auf den
Segen bezogen, den die Priester auf den Stufen der Tempelhalle
sprechen. (sb'Sn r-:>-i2 b" 2"^"'T2'S? z-'ircr.r -^bs 2"^:r;2 rD'2 das.
5*
gg Beschreibung des Gottesdienstes
VII, 7 S. 3073). Iii amoräisclier Zeit wiu'de für den Standort der
Priester die in der Mischna in anderem Sinne gebrauchte Bezeichnung
■;d1" verwendet, man nannte daher die Tätigkeit der Priester nb^
■rTib (z. B. b. Schabb. 118 a). Hiervon stammt das in der jüdisch-
deutschen Mundart bis in die Gegenwart erhaltene Wort „duchenen"
für Sprechen des Priestersegens. — Die Priester hoben beim Segen die
Hände hoch, so tat es schon Ahron bei der Einweiliung der Stiftshütte
(Lev. 7 22) ; der Ausdruck T" " ^ rs« &{ it: wird noch im hebräischen Sirach
gebraucht (5020), im tannaitischen Schrifttum jedoch istT>BD ri55 S1C3
dafür üblich, davon wird das Xomen a^ED ni^^r: gebildet (Sifre
xsum. § 39 p 11 b), das dann in der halachischen Literatur allgemein
Verwendung findet. Endlich erscheint im babylonischen Talmud
und im Targum, da die Priester die Hände beim Segen ausbreiten,
die Bezeichnung (n^) r~i C"i£ (z. B. Jon. zu Num. 6 23). Daneben
aber erhält sich der alte schlichte Ausdruck der Bibel i^l Num. 623
(sr" rs? 2"'2""^TC S'^rnan vgl. Sota VII, 6 und b. 39 a), und neben
a-iSD (riiiiL":) ns^iir: kommt Z'^iro r3-n ständig vor.
2. Der Priestersegen bildete, wie bemerkt, ursprünglich einen
Teü des Tempelkultus. Nach den Berichten der Mischna (Taan. IV, 1)
wurde er bisweilen sogar viermal an einem Tage gesprochen, außer
beim Morgen- und Nachmittagsopfer auch zu Mittag beim Zusatz-
gebet (rci)2, wofür in Tos. das. S. 2198 rr^n) und am Abend beim
Scliließen der Tempeltore (a"i^"T rrT:). Das geschah am Ver-
söhnungstage, bei öffentlichen Fasten und beim Gottesdienst der
Standmannschaften (r7"r "r § 34). Hier begegnet uns zum ersten Male
der Priestersegen, ohne Begleiterscheinung eines Opfers zu sein. Dem-
entsprechend wurde er schon während des Tempelbestandes auch
in die Gotteshäuser außerhalb des Tempels (n:^-^ ,r''^25) über-
tragen; „so gut wie es einen Priestersegen im Tempel gibt, wd er auch
in der Provinz gesprochen". (Tos. Sota VII, 8 S. 307 7; vgl Sifre
suta S. 53). Freilich wurden einige unterscheidende Abweichungen
festgesetzt; im Tempel wurde der ganze Priestersegen ohne Unter-
brechung gesprochen, außerhalb in drei Sätzen (davon später r»2"'n
r'C'^'Ca), in die wahrscheinlich die Gemeinde mit Amen einfiel; hn
Tempel wurde das Tetragi'amm ausgesprochen, außerhalb nicht; im
Tempel erhoben die Priester ihre Hände bis ans Haupt, außerhalb nur
bis an die Schidtern (Tam. VII, 2, Sota VII, 6, Sifre u. S. s. z. St.).
Fraglos traten in der ältesten Zeit die Priester, wenn die Reihe an sie
Priestersegen 69
kam, von seihst vor uiul spiaclicii ihren Segen; schwerlich war er mit
der 'IVfilla ori^anisch vcrhinKh-ii. Zum Scji^cn war jeder Priester ohne
Unterschied des Alters zii^^eiasseii, i^anz f^lcich ol) er zur f^erade dienst-
tuenden Abteihmg gehörte oder niclit; nur solche mit körperliclien
(lebrechen wurden ausgeschlossen, aber auch nicht unbedingt und
ohne Ausnahme (Meg. Ende).
3. Mit der Zerstörung des Tempels hörte die prnuäre Stätte des
Priestersegens auf, er erhielt sich nur noch an der Stelle, an die er
übertragen war, nänilieh beim Synagogengottesdienst. Auch hier
wurde den Ahroniden das Si)recheu des Segens zur Pflicht gemacht
(j. Ber. V, 5 f. 9 d). Er wurde in die Tefilla einverleibt ; wann das geschah,
läßt sich mit Sicherheit nicht feststellen, die Mischna setzt bereits
voraus, daß der Priestersegen während des lauten Vortrags der Te-
filla stattfindet (Ber. V, 4). Gleichzeitige Verordnungen weisen eben-
falls auf die Veränderung der Stätte des Priestersegens hin, im Tempel
waren sie überflüssig, ihr Zweck durch die von selbst gegebenen Be-
dingungen erfüllt. Jochanan ben Sakkai verfügte, daß die Priester
ihre Sandalen ablegen mußten, wenn sie den Segen sprachen (b.
Sota 40 a), R. Ismael b. Elisa hält das Händewaschen vor dem Segen
für erforderlich (das. 39 a), sein jüngerer Zeitgenosse Eleasar b. Scham-
mua auch einen besonderen Segensspruch (b. Meg. 27 b). Etwa um
dieselbe Zeit dürfte eingeführt worden sein, daß die Priester ihre
Finger beim Segen spreizten (vgl. Targ. jer. zu ?sum. 627), daß die
Gemeinde sich ihnen gegenüber stellte (:^:e ~.":2 -"':e), womit zeit-
w^eise seltsame Vorstellungen über die magischen AVirkungen des
Segens verbunden wurden (vgl. b. Sota 38 b). R. Akiba erklärt es für
unstatthaft, die Priester anzuschauen, während sie den Segen sprechen
(vgl. b. Chag. 16 a). Die Priester beginnen nicht mehr von selbst,
sondern der Vorbeter muß ilinen den Segen vorsprechen, und diese
Gewohnheit ist so fest eingebürgert, daß sie sogar als biblisches Gebot
betrachtet wii-d (Sifre § 39). Vielleicht wurde es schon damals ein-
geführt, daß die Priester vom Vorbeter aufgerufen wurden, vor das
Vorbeterpult hinzutreten und dort den Segen zu sprechen, sicherlich
war es im amoräischen Zeitalter der Fall. Die Amoräer unterscheiden
bereits das Verfahren bei der Anwesenheit von einem oder von mehreren
Priestern (b. Sota 38 a, j. Ber. V, 5 f. 9d). Neben dem erwähnten Segens-
spruche, dessen Wortlaut zuerst im Xamen R. Chisdas mitgeteilt wird
(b. Sota 39 a), kennt der Talmud eine stille Bitte der Ahroniden, sobald
■^Q Beschreibung des Gottesdienstes
sie ihiTii Platz verlassen, und eine andere, wenn sie den Segen ge-
sprochen und sich von der Gemeinde abgewandt haben. Auch die
Gemeinde wollte während des Segens nicht untätig sein ; infolgedessen
wurden ihr ebenfalls in derselben Zeit einige Bibelverse vorgeschrieben,
die sie rezitieren sollte. Die Amoräer waren sich nicht einig darüber,
in welcher Weise diese Rezitation stattfinden sollte, denn es wider-
strebte ilmen, den Segen selbst in ungehöriger Weise unterbrechen
zu lassen, und gar mancher wollte sie gänzlich beseitigen, weü „es
nicht angängig wäre, daß einem niedrigen Menschen ein Segen gespendet
würde und er nicht einmal das Ohr hmwandte" (vgl. j. Ber. I l.f. 2 c,
b. Sota 39 b f.). Die Einfügung melu-erer Bibelverse hatte die ver-
hängnisvolle Folge, daß in nachtalmudischer Zeit zu jedem einzehien
Worte des Priestersegens ein entsprechender Vers für die Gemeinde
eingeführt wurde, und wenn auch eingeschärft wurde, die Verse nur
wälirend des Vortrages des Vorbeters zu sprechen, den Segen der
Priester jedoch schweigend mitanzuhören, so artete das dennoch m
einer Weise aus, daß die Verse den Segen übertönten; alle Mahnungen
namhafter Halacliisten halfen nichts dagegen. Em nicht geringerer Übel-
stand wurde dm'ch die in Babylonien verbreitete Furcht vor bösen
Träumen veranlaßt. Wem sein Traum entfallen war, der sollte nach
Empfehlung eines Amoräers (um 400) wälu'end des Segens vor die
Priester hintreten, ein Gebet sprechen, daß sein Traum eine günstige
Bedeutung habe oder durch Gottes Gnade erhalte, und so schließen,
daß die Gemeinde Amen darauf spricht (b. Ber. 55 b), Auch dieses
Gebet (T^bn Dibn ynn) wurde in der Folgezeit dem Priestersegen
beigefügt und von jedermann in der Gemeinde nicht nur eimnal,
sondern am Ende aller di'ei Sätze gesprochen. Eine jüngere kabba-
listisch beeinflußte Zeit hat für den Schluß des dritten Satzes ein noch
längeres Gebet eingefülut (iT^i "'""') und in seltsame Verbindung
mit dem „aus dem Piiestersegen hervorgehenden zweiundzwanzig-
buchstabigen Gottesnamen' gebracht. Alle diese Mißbräuche waren
nur dadurch möglich, daß die Ahroniden den Segen nicht mehr sprachen,
sondern sangen und die Melodien recht lange hinzogen. Aber der
Segen hat dadurch seinen ursprünglichen Sinn völlig eingebüßt, und
das war mit ein Grund dazu, weshalb sich in neuerer Zeit eine heftige
Opposition gegen ilm geltend machte, die ^ielfach zu seiner Besei-
tigung oder Vereinfachung führte.
4. Der Priestersegen findet in der Synagoge nur statt, wenn ein
l'riestcrsfyca 71
Forum von miiulcstens zehn 1uw;u'1is«mi(MI aiiwosend ist (Meg. 1\' , 4).
Nach den alten Bestinnniuigen (ob. S. Ü8j müßte er jede haute Te-
filhi begleiten, sclion früh jedoch wurde er auf die Morgentefilla be-
schränkt und fiel nachmittJigs aus (b. Taan. 26 b). Eine Ausnahme
machten die Kasttage, wo er auch zu Neila zugelassen war; in Pa-
lästina wurde er am Versöhnungstage wie in alter Zeit viermal, in
Babylonien dagegen und hiernach überall in der Diaspora nur dreimal
gesprochen {(Ihill. Nr. 22). Die Sitte, daß die Ahroniden tagtäglich
den Segen sprachen, hat sich nur im Orient lange erhalten und wird
in Temen bis zum heutigen Tage befolgt. In Europa scheint sie an
den Wochentagen sehr früh aufgehört zu haben, wahrscheinlich weil
der Gottesdienst dadurch zu lange ausgedehnt wurde, vielleicht auch,
weil nicht hnnier Ahroniden m der Synagoge anwesend waren. ]\lan
beschränkte sich daher in Spanien auf Sabbate und Feste, in den
anderen Tyändern sogar nur auf die Feiertage. x\uch an diesen blieb
er in Deutschland auf das Musafgebet beschränkt, es war eine Aus-
nahme, wenn Jakob MöUin (um 1400) ilm auch zu Schacharis zuließ.
Bei dieser Beschränkung auf Musaf ist es dann geblieben. Eine Ab-
weichung hiervon wurde in der Zeit des sabbatianischen Wahnes in
Amsterdam eingeführt; zu Ehren der Messiaszeit wurde der Priester-
segen wieder an jedem Sabbat gesprochen, und der Brauch wird
dort in der portugiesischen Synagoge bis in die Gegenwart geübt.
Da, wo Alironiden nicht anwesend waren, und überall, wo der
Segen dm'ch sie selbst nicht mehr gesprochen wird, mußte ihn der
Vorbeter bei der Wiederholung der Tefilla ersetzen. Nach einer Ein-
leitung sprach er dann in Babylonien und in der ganzen Diaspora
die Worte des Priestersegens, in Palästina jedoch gestattete man ihm
diese Verse nicht, er mußte sich mit dem Nachsatz Num. 6 27 ■nauJi
begnügen. Der Ersatz wurde für alle diejenigen Tefillas eingeführt,
in denen die Priester den Segen hätten sprechen müssen, d. h. stets
für die TefiDa zu Schacharis und Musaf, an den Fasttagen auch zu
Mincha, am Versöhnungstage auch zu Neila; nicht einheitlich ist der
Brauch am Versöhnungstage zu ^lincha.
5. Wo die Priester selbst den Segen sprechen, verlassen sie schon
bei Beginn der XVII. Benediktion der TefiUa ihren Platz, in alter
Zeit von selbst, später nach Aufforderung durch den Synagogendiener.
In Germ, wird in diesem Falle das Stück außer mit rr^^ auch noch
mit der älteren Formel l""n eingeleitet (vgl. ob. S. öö). Nach
72 Beschreibung des Gottesdienstes
Saadja wkd nsi nur gesprochen, wo ein Priestersegen angängig ist
sonst fortgelassen (das.). Der Segen selbst wii'd zwischen die XVIII.
und XIX. Benediktion eingeschaltet. Bei Anwesenheit von melu'eren
Ahroniden werden sie vom Vorbeter durch das Wort a^:nD zum
Segen aufgerufen, Jakob Tarn erklärte sich nachdrücklichst gegen
diese Unterbrechung der TefiUa. Nachdem die Alu'oniden die im
Tahnud vorgescluiebene Benediktion gesprochen (ob. s. S. 69), be-
ginnt der Vorbeter mit dem biblischen Segen, den sie Wort für Wort
wiederholen; im Orient war es noch in der Zeit Mahnunis üblich, daß
der Vorbeter erst beim zw^eiten Worte einsetzte, während die Ahroniden
^DiS"' von selbst sprachen. Da wo der Segen nur vom Vorbeter ge-
sprochen wird, fügt dieser als Einleitung die Bitte ein ns^ns i:"""2
mnbir'an. Da nun im Mittelalter in Europa der Segen durch den Mund
der Alu'oniden zu den großen Seltenheiten gehörte, gewöhnte man sich
daran, auch wo sie ihn sprachen, ~3im irs^'a vorauszuschicken.
Meir von Rothenburg handhabte es derart, daß er bis T^m pns? ^E"!2
leise sprach und a"';nD laut ausrief , worauf die Ahroniden mit "iCTip z:?
"i"^T2i?D einsetzten. So ist in Germ, der Brauch geblieben, wälnend Seph.
und It. das ganze lIDll beibehalten haben. Auf den Segen folgt die
XIX. Benediktion der Tefilla Zlbir a^lC, m Germ, tritt an ilu-e Stelle
überall, wo der Segen ausfällt, das kürzere m ai"::r (oben S. 59).
6. Der Wortlaut des Priestersegens war durch die Bibel festgelegt.
Der Text der Emleitungsformel r-csis i"3^n stimmt in allen Vor-
lagen überem, ein Beweis für sein sehr hohes Alter. Eine auffällige
Variante findet sich emmal (aber nicht dm-chgängig) in Rom., wo
es heißt a'^SHD i^mbi inn5«b niTci^n ii5^n: "»-i^ rr nn'^rsn rmrn
"Tirnp a^b, auch David Kimchi schlug aus stilistischen Gründen
IlL'i^p Q"S a'i;ro vor. In Palästina sprach der Vorbeter statt des
Priestersegens nur "^^siL" ri? Tcirn, Amr. und Saadja bringen den Vers
auch hinter dem Segen, und so wurde er in Spanien und Südfrankreich
beibehalten; in Xordfrankieich, Deutschland und Italien hingegen
war er nicht üblich. Xach den Beschlüssen der Frankfurter Rabbiner-
versammlung 1845 ist in den Reformgemeinden Deutschlands und
Amerikas der Segen durch die Ahroniden vöUig aufgehoben und niu*
der Ersatz durch den Vorbeter beibehalten worden. Auch in kon-
servativen Gemeinden ist das \delfach der Fall gewesen, oder der
Segen wurde wenigstens wieder auf seine schlichte Form zm'ück-
geführt, jedes Beiwerk, vor aUem der überflüssige Gesang, beseitigt.
Priestersegen, Tachamiiiiiii 73
§ 10. Die Tachanunim.
Literatur: T.andshuth, S. 84— 170; Baer, S. 112—152; Dusehak, S. 21K fl". ;
Zuiiz, Litg.. S. 15 tr. ; HcrliiuT, Raiulb. I, S. TOf. ; Jawitz, S. 85 ff". Di<^ Artikel
Tai'hamin bei Hambiirg-er h'E II, S. 8U8; Tahamm in JE XI, S. 6G7 f. Zu 11
v«j:1. L. Si'iieiniiaus, Alc.nu Lcsi-habbcach in i).st u. West VIII, 1908, S. 451 ff",
und zu 12. Berliner, Der EiniieitsyesaM<;', Berlin 1910.
1. Unmittelbar zur Tefilla gehörl der letzte Teil des Morgen-
gebets. Sein Xanu' D-'rirnn (Dan. D"? 11. ö.), n:nr (Dan. 920),
n:nr, „Taehauuir" iiint'aßt alles, was im Ciebetbiiche auf die Te-
filla folgt. Das ist heute ein recht buntes Mosaik von Bibelstellen
und von Gebeten, die aus ganz verschiedenen Zeiten stammen, eine
Gruppe von Gebeten, die ihrem nrsprünglichen (Iharakter völlig ent-
fremdet ist und lediglich durch Zurückgehen auf ihre Anfänge ver-
standen werden kann. In der Halacha lautet der technische Ausdruck
für unser Gebet 2rT^:E br D'i'rEn:, s^es« rb^s:. Er stammt aus
dem Talmud, eine Erklärung bietet b. Mcg. 22 b, wo n-^sri« b" bs:,
in-'^E:ss5 biE: (rpsi«) mit dem biblischen mp-'i gleichgesetzt
wird, das biblische mnnrn wird dort durch aibsil a'^T' 'JlfB wieder-
gegeben. Beide Arten des Xiederfallcns waren in Babylonien am
Anfange des di'itten Jahrhunderts bemi Tachanun nach der Te-
filla üblich, und noch Maimonides kannte beide aus dem Leben. Die
genannten Bezeichnungen lielfeii uns, den Ursprung des Gebetes zu
erkennen. Die Mischna Tamid VII, 3 berichtet: ^^tC2 a^^ibn T^n-n
rc'pr. bD b:7i ,n:;'''pr pis bD b:? ,a~n Tinrrm ,^.::'pr p-isb ir-^sr.
r.i^nrr-. Wälu-end des Gesanges der Leviten, der auf das tägliche
Morgenopfer folgte, warf das mi Tempel anwesende Volk sich nieder.
Was wu" in der ]\Iisclina in der Form der Halacha ausgesprochen
finden, wird durch die Erzählung in Sh\ 5016 — 21 verdeutlicht, wo-
nach das beim Opfer im Tempel anwesende Volk auf den Posaunen-
schall hin und später nach dem Segen der Priester mehrmals zur
Anbetung auf die Erde fiel. Das war der Augenblick, m dem das Volk
im wahren Sinne des Wortes betete. Jeder trüg in stiller Andacht
diejenigen Bitten vor, die in jener Stunde sem Herz bewegten. Die
Eimichtuug wurde vom Tempel auf die Synagoge übertragen, das
Privatgebet wurde jetzt nicht mehr im Anschluß an das öffent-
liche Opfer, sondern im Anschluß an das öffentliche Gebet gesprochen.
Am Schlüsse des Gottesdienstes wurde jedem einzelnen Gelegenlieit
gegeben, sein Herz auszuschütten und ohne jeden äußeren Zwang
74 Beschreibung des Gottesdienstes
Zwiesprache mit seinem Gotte zu halten. Durch diese Einrichtung
wurde das schwierigste Problem jedes Gemeindegottesdienstes gelöst,
wurde der gerechte Ausgleich zwischen den Ansprüchen der Ge-
meinde, die das gemeinsame Gebet nicht entbehren kann, und dem
billigen Verlangen des emzelnen nach emer unabhängigen, von der
Gemeinde nicht beeinflußten persönlichen Andacht ge-
schaffen. Die Gemeinde nimmt für sich die erste Stelle in Anspruch,
aber sobald ilu'e Andacht gehalten ist, räumt sie dem einzelnen die
MögUchkeit ein, dem inneren Drange seines Herzens Genüge zu tun.
Als der Gottesdienst nur das Bekenntnis enthielt und mit l"i2il naa?
scMoß (s. ob. S. 25), reihte sich die private Andacht an jenes an,
später wurde sie von dort an das Ende der Tefilla verwiesen.
2. Der älteste Name, den wü' für das private Gebet finden, ist
2^11-, Worte, nbsr ^ns? z^^2- a^nrii? (Tos. Ber. III, 6, S. 6),
man spricht Worte, d. h. ein Privatgebet, am Schlüsse der Tefilla, und
es darf beliebig lang sein ,so lang wie das längste bekannte Gebet,
das des Versöhnungstages ^■'■"^EDn 3^^ bc ("^m) ^"C. Sehr be-
zeichnend, wenn auch nicht richtig, ist die Lesart 12" 2"'"i7aiS "{"'S?
"jI 3i"j:"it r'CiC -!-5< " 'ii" p 2, die wir in b. Ber. 31 a finden, wo die
„Worte" bereits mit Fürbitte mrpn gleichgestellt sind.
Die äußere Haltung bei diesem Gebete ist in manchen Gegenden
dieselbe geblieben wie hu Tempel zu Jerusalem. IS'och Maimonides
weiß nur, daß man entweder mit dem Gesicht oder dem ganzen Körper
auf die Erde fällt, und die ihm getreuen Juden von Temen werfen sich
bis auf den heutigen Tag auf die Erde. So oft der Talmud aus dem
Leben erzälüt, berichtet er immer, daß man auf das Antlitz fiel
(2"iEi5 b" nb^s:); so m dem Falle von R. Elieser, dem seine Frau
Imma Schaloni nicht gestattete -lEi? b~ bE"''^: (um 120, b. B. Mez. 59b),
so bei der Anwesenheit Rabs in Xehardea (b. Meg. 22 a). Vornehme
hatten aUerdmgs die Freüieit, nur ilu- Gesicht zur Seite zu neigen ("^^212
^rb-JS b. Meg. 23 a, n^-jc b" V2'\ j. Ab. Sar. IV, If. 43d ob., daher
"::~ b" n"""!!:: bei den Dezisoren.) Das sich zur Seite neigen oder den
Kopf aufstützen und verdecken ist der allgemein verbreitete Brauch
der Synagoge geblieben, nichtsdestoweniger wurde der Ausdruck
ZiSiJ r^'^tZ beibehalten. Seine Bedeutung verblaßte derart, daß er
sogar mit '^i5 zusammen gebraucht wh'd z. B. rbT: 2''^"ais "'i?
a"<sa?, Maimonides wendet den Ausdruck a^^nrr an.
3. Der Inhalt der Bitten war, da sie durchaus persönlichen
Tarlianiuiiiii 75
Charakter lialtcii, kein h t' s t i in m 1 c r , er war so mannigfaltig
wii' die lie^,al)iini;- und .\us(huckslalii^d<('it, so wechselnd wie die
Stimnuingen und die Hedürlnisse der Mensehen. Kinzeliio derartige
Gebete von Gelelirten sind in b. Her. lü h, 17 a, j. I\', 2 (7 d) erhalten.
Es war ganz berechtigt, wenn man sie mit ^^ni x^n bezeichnete.
Den Geonim war die Erinnerung daran, daß hier ein Privatgebet
vorliegt, noch nicht entschwunden. Xatronai betrachtet a''Ei< r'z-LZ
als durchaus freiwillig (rnrn); Ainr. erklärt, daß jeder, der nach
lieendigung der Tefilla den Wunsch hat, (.las Sündenbekenntnis oder
eine Fürbitte zu sprechen (^~2~ ""Tir ^r: ^s« "»i"' ir"'T2":: ^72 "'S), dazu
berechtigt ist, und stellt es einem jeden frei, nach seinem Belieben
zu beten nnsii ins bD bs^iin aiiann STpn^-i zr\-^zz 7" -.^n:: z-ibEir
irrpn. Hier ist nur in dem einen Punkte über den Talmud hinaus-
gegangen, daß die dort als Privatgebete nach der Tefilla (sr'":".: ^r2)
mitgeteilten Gebete von denen zu aiss? rb-is: unterschieden werden,
wälu-end es aller Wahrscheinlichkeit nach dieselben waren. Den Cha-
rakter als freiwilliges Gebet haben die Tachanunim insofern behalten,
als sie das ganze Mittelalter hindurch bis hinab zum Schulchan Aruch
nicht unter die Pflichtgcbete, sondern nur als Brauch (3n;'a) ge-
rechnet wurden. Sie sind ferner, wenigstens in ilirem ersten Teile, bis
heute em stüles Gebet geblieben, bei dem in den meisten Gegenden
der Vorbeter zu sitzen, also gewissermaßen die Gemeinde sich selbst
zu überlassen pflegt.
4. Als die Tachanunim ein fester Bestandteil der Liturgie wurden,
geriet ihr ursprünglicher Zweck in Vergessenheit, man scluieb auch
für sie einen Text vor. Dabei knüpfte man an biblische Muster an,
au Gebete wie Esr. 96, Xeh. lö, vor allem aber an das klassische Bei-
spiel des 2^:i:nn rczr. rpn in Dan. 93 ff. Dort geht der Bitte
ein Sündenbekenntnis, die Betonung der eigenen Unwürdigkeit voraus,
die Gaben werden als freiwilliges Gnadengeschenk Gottes erfleht.
Diese Gedankenverbindung ist in den 2">:':nr erhalten geblieben,
so verschiedene Formen uns auch überliefert sind, in allen kommt
der Gedanke der Sündhaftigkeit und Unwürdigkeit des Menschen
zum Ausdruck, sie erinnern darin an die Liturgie der Fasttage, der sie viel
entlehnt haben. Die Fonn wechselt. Während Ami", mehrere Gebete
zur Auswahl stellt, die an die Techinnas des Talmuds anklingen, hat
Saad. ein Sündenbekenntnis im Ansclüuß an Dan. 95, Maim. knüpft
an 918 und Esr. 9ü an, die Zahl der Verse erklärt er als vom Be-
75 Beschreibung des Gottesdienstes
lieben abhängig. Auch V. liat eine freikomponierte Bitte, die in Form
und Inhalt an das Bußritual erinnert, schickt ihr jedoch Ps. 25 und 3
voraus. Die Psalmen blieben als Text der Techinna bestehen, in
Germ. Ps. 6, unter Weglassung der Überschrift, in den anderen Riten
Ps. 25. Den Psalmen wird der Satz :npT ^br sni ^rs«-L:n ]r.rn ain^
"^riinr vorausgeschickt, er findet sich zuerst bei Saad. und ist
offenbar der Anfang einer alten litaneiartigen Bitte um Sünden-
vergebung. Germ, schickt heute überdies IL Sam. 2414 m Tas^ii
voraus, jedoch kommt der Vers vor dem XVIII. Jahrhundert nicht vor.
5. Es liegt im Wesen der Tachanunim, daß sie nur still gebetet
werden ; als sie aber in der Synagoge Gemeindegebet geworden waren,
da kam es ganz von selbst, daß auch der Vorbeter dabei sein Recht
forderte. So entstand em zweiter Teil der Tachanunim, bei dem man
sich von der Erde erhebt, und den der Vorbeter laut spricht (::"" 15~:
ibs< 2^pic£n "-p^p- 112 r:£ -^ss^r^ 2^:b rb^s; ^ns? irnrrcMaim.).
Bei Saad. sclüießt die Techinna mit dem Satze i:;n i::n r.27i2 ^rns,
der von R. Akiba einmal gelegentlich eines öffentlichen Fastens ge-
sprochen wurde; er eröffnet schon bei Amr. den zweiten, laut ge-
sprochenen Teü der Techinna, der außerdem noch aus einigen, zumeist
den Psalmen entnommenen Versen '1:^1 "": sib i:n;xi besteht. Die
Sammlung gehörte ursprünglich walu'scheinlich ebenfalls zum Buß-
ritual. Dazu traten weitere Zusätze. In Germ, geht ilir das gereimte
Stück biiTC "TaiTC voraus, das in anderen Riten nur an Fast- oder
Bußtagen üblich ist und, wie es scheint, erst im letzten Jahrhundert
m den Siddur für aUe Tage kam, das übrigens auch in Seph. und It.
Eingang gefunden hat. Offenbar ist es stark verkürzt, aus Hand-
schriften sind einige Verse mehr bekannt. Seph. hat außerdem, unter
kabbalistischem Einfluß, täglich das Sündenbekenntnis eingeführt
mit i:^Trs und den di-eizehn Mddot (Ex. 346— 7); walirscheinlich
wurde das von der Liturgie für Montag und Donnerstag übernommen.
6. Montag und Donnerstag sind von alters her Fasttage. Meg.
Taan. XII, g. E. (22 a), vgl. b. Taan. 12 a, erwähnt bereits :npr '^rr
rc^.D -:iIT! :2 br ^r^rm ^:f i^b". Der Pharisäer im Lukas-Evan-
gelium 1812 rühmt sich, zweimal wöchentlich zu fasten, die Di-
dache 8l gibt ausdrückUch Montag und Donnerstag als Tage
dafür an. Als Veranlassung zu diesen Fasttagen nennt der apokiyphe
Schluß von Meg. Taan., sowie Sof. XXI, 3, in^nj i:^nnn inr:; -^yi
bn nsTü:» ^i1^- bn rinn p-"- b" 2i""m 'ü i:£T2 'm an aiirria
Tarliaiimiim 77
airn rSTi, eine Bep;riin(liinii;, die für die c-liristlifhon Quollen zu juu<^
ist. Montaii^ und Donnerst a^^ sind auch sonst Fasttage, die Fasten bei
Kegeunian«!;el oder anderen Kalamitäten beginnen an Montagen, werden
aui Donnerstag fortgesetzt usw. Montag und Donnerstag sind Markt-
und (leriehtstage ("C^isn •^12"'); daher finden an ihnen Vorlesungen
aus der Schrift statt. Diese Tatsache würde genügen, um eine aus-
fülirlicliere Liturgie an den zwei Tagen zu erklären. Daß es aber
Fastttige mit einer Hußliturgie wurden, dürfte s(Mne besondere He-
gründung in dem alten Kalendarium des S. Olam finden. Danach fiel
der 17. Tammus, an dem die steinernen Tafeln durch Mose zer-
brochen wurden (Ex. 3219), auf Donnerstag, der 10. Tischri auf
Montag; der letztere war der Tag der 13 Middot, welche den Grund-
stock der Fastenliturgie bilden (vgl. b. K. ha Seh. ] 7 b, weiter § 33).
7. Bei Amr. und It. sind die 13 Middot und das Sündenbekenntnis
*:")2CS für Montag und Donnerstag bestimmt, in Seph. werden die
Middot sogar mehrmals wiederholt (was freilich Abudr. noch un-
bekannt ist). In It. steht zur Einleitung Dan. 91.5—19, in Amr. dies
und ähnliche Stücke zur Auswahl, darunter auch Dini 5?im, das aus
Germ, und Seph. bekannte lange Gebet. Über den Ursprung dieses
Gebetes überliefern mittelalterliche Handschriften folgende Legende:
Xaeh der Zerstörung des Tempels zu Jerusalem ließ Vespasian eine
Anzahl Juden auf drei Fahrzeugen steuerlos ins Meer fahren. Die
Schüfe kamen mfolgedessen nach drei verschiedenen Orten, die man
aller Wahrscheinliclikeit nach im Süden Frankreichs zu suchen hat.
Dort w'urden die Insassen zunächst wohlwollend aufgenommen,
aber nach dem Tode des ihnen sehr geneigten Fürsten bedrückt
und ilu'er Habe beraubt ; infolgedessen sagten sie Fasten an, für welche
zwei Brüder, Josef und Benjamin, und deren Vetter Samuel das
Gebet 2'n-' s^irr verfaßten. Es wurde den anderen Gemeinden
mitgeteilt und von ilmen ebenfalls angenommen. Auf Grund dieses
Berichtes setzt Zunz die Entstehung des Gebetes ins VII. Jahrhundert
und betrachtet es als Stoßseufzer in emer Zeit von Bedrückungen
dm-cli Franken und Goten. Die Erzählungen über den Ursprung von
2in-i s^rr sind auch legendarisch ausgeschmückt und durch Wunder-
berichte vermelu't worden, in anderen Quellen heißen die Verfasser
Aniittai, Schefatja. Josifja: diese Namen würden nach Unteritalien
weisen, sie smd aber kaum richtig. Die älteste Erwähnung von s«".-"!
='n-i finden ^vh• im Pardes (XL Jalirhundert) ; im Texte von Amr.
-jg Beschreibung des Gottesdienstes
ist es eine spätere Zutat, es fehlt in beiden Handschriften. Stü und
Inhalt weisen auf ein hohes Alter hin; die Sprache ist vorzugsweise
biblisch, viele wörtliche Zitate, besonders am Anfang, und zahlreiche
Anlehnungen an Bibelstellen. Auch die freikomponierten Gebete
darm zeichnen sich durch Reinheit und Schlichtheit der Sprache
aus. Wenn die Abfassung drei Autoren zugeschrieben wird, so ist
damit angedeutet, daß hier mehrere ursprünglich voneinander un-
abhängige Bitten vereinigt wurden. Die Stimmung wechselt ; während
am Anfang mehr das Sündenbewußtsein zum Ausdruck kommt, ist
am Schluß deutlich auf Verfolgungen angespielt. Walirscheinlich
waren es von Haus aus einzelne Techinnas für Fasttage. Der Text
weicht in den Handschriften in Kleinigkeiten vom gedruckten ab, in
Seph. ist er wesentlich kürzer als in Germ., es dürften also jüngere
Zusätze darin sein, allein sie sind dem Grundstock derart angepaßt,
daß man die fremden Bestandteile gar nicht bemerkt. Sie haben den
Umfang sehr erweitert, der Volksmund spricht vom „langen aim i^']t'\r'' ;
in neueren Gebetbüchern ist der Text vielfach verkürzt, Berliner
schlägt eine Verteilung auf die beiden Wochentage vor. Ungeachtet
des eingeschalteten Bußgebets bleibt die tägliche leise Techinna auch
am Montag und Donnerstag bestehen. Die Gebete, die auf sie folgen,
sind alle dem Bußritual entnommen. In Amr. und It. sind es eine
alphabetische nti:'p:i mit dem Refrain . . . pniri ^'i^py^ amns r^^n ^dt
^)aT25 )^)2b iDy^TCim, sowie eine Litanei mit dem Stichwort i:s«"jn,
Ps. 120, 130, alles Stücke, die auch an Fasttagen im Gebrauch sind.
Germ., Frk. und Seph. fügen nach dem täglichen Techinnapsalm
(S. 76) ^"»BS linn^ nilU ba?nir^ ^nbi« "i em, das aus Esra 915 und
Ex. 3212 zusammengesetzt ist; ursprünglich alleinstehend, wurde der
Vers später Refrain \ieler ausgebildeter Poesien, von denen eine statt-
liche Anzahl in der Druckausgabe von Amr. — sie fehlen in den Hand-
schriften— vorliegt. Von der in Germ, üblichen mit Klagen über schwere
Verfolgungen ist offenbar nur ein TeU (Akrostichon pTnn) erhalten.
Hinter lirnn haben Germ, und Seph. a"'S5? ^"lü "r^ü ; Germ, hat, wie schon
V., zwei Fassungen, die wenig voneinander abweichen und in V. auf
Vorbeter und Gemeinde verteüt sind, auch Abudr. hat beide. T"i55 bs5
Q'^Ba? dürfte seinem Stile nach aus der ersten gaonäischen Zeit stammen.
8. An festlichen Tagen fällt 'jl^nn aus; die Zahl solcher Tage wurde
im Laufe des Mittelalters vielfach vermehrt, ihre Anerkennung hat
sich erst allmählich verbreitet.
Tarlianimini 79
Auf "i:nr folgt Halbkaddisfh (§ 12 a) als Zeiflicii. dal.', das Gebet
abgeschlossen ist.
Am j\lonlai>- und Donnerstag l'iudcl hier die Vorlesung aus der
Tora statt (§ 25, 3. 4).
9. Der tätliche Gottesdi(>nst reiht dein Tinr im engeren
Sinne noch einige Stücke an, für die es keine Hezeiehnung gibt, die
daher ebenfalls unter diesem Namen zusammengefaßt werden. Dazu
gehört in allen Riten das Stück '::S"i:\ IT^irr SSi, eine Ziisaminenstelhing
von Bibelversen, bekannt unter dem Namen S5"nc~ sr'ip. hel)r.
bei Maim. mrilp mc, ü^'^n "no. Sie ist bereits im Talmud, b.
Sota 49 a, erwähnt, und es wird ihr dort eine außerordentlich hohe
Bedeutung zugesprochen. Der Name besagt, daß es die Keduscha
im Anschluß an das Lein-pensum ist. t'ber ihren Ursjjrung gibt es
eine Reihe unhaltbarer Vermutungen; die richtige Auskunft ver-
danken wir einem Responsum des Gaons Natronai. Danach fanden
frühmorgens im Anschluß an den Gottesdienst L e h r v o r t r ä g e
statt, an deren Ende einige Verse aus den Propheten und als Abschluß
diejenigen der Keduscha vorgelesen und, wie das bei den Vorträgen
üblich war, ins Ai'amäische übertragen wurden. Als der Kampf ums
Dasein sich schwerer gestaltete und nicht die nötige Zeit für das
Studium übrig blieb, mußte es eingeschränkt werden, später sogar
ganz ausfallen, die Bibelverse aber blieben am Schlüsse des Morgen-
gebetes stehen. Für die Richtigkeit der Angabe lassen sich mehrere Be-
weise anfülu-en. Zunächst die Tatsache, daß überall, wo wir die i^imp
iJ"'~c~ in derLiturgie finden, auch belehrende Vorträge some Vorlesungen
aus den Propheten oder Hagiographen nachzuweisen sind. Ferner
folgt auf die Reihe der Bibelverse die Benediktion ■"""nrb i:5«"at: 'ii ^t^S,
die den Hinweis auf das voraufgegangene Studium klar und deutlich
enthält (r'525« "■'T izb irri). Endlich aber verraten die beiden ein-
leitenden Verse Jes. 59 20, 21, die freilich mitunter fortbleiben, noch
den eschatologischen Ausblick, mit dem derartige Vorträge zu schließen
pflegten.
Schon mi babylonischen Ritus war es gebräuchlich, der 'C~ i<r"~p
Ps. 20 "■!:!: ST^n '■ i:""" voranzuschicken, der ursprünglich mit als n:-r
diente (oben S. 76), darum auch wegbleibt, so oft diese ausfällt; er
wurde in Germ, und Seph.. aber nicht in Saad.. It. und Rom. einge-
führt. Dem schicken Germ, und Seph., ebenfalls nach babylonischen
Anweisungen, "»^TTi«, d. h. die Zusammenstellung von Ps. 845 und
gQ Beschreibung des Gottesdienstes
14415—14521, voran, um einem Ausspruche zu genügen, der ein täglich
dreimaliges Rezitieren von Ps. 145 für überaus verdienstlich erklärte
(b. Ber. 4 b, III. Jahrhundert); Rom. und It. haben ilm nur am Montag
und Donnerstag oder an Tagen ohne li:nr.
10. Mt dem nochmaligen ganzen Kaddisch ist das Morgengebet zu
Ende, nach V. setzt sich der Vorbeter bereits. Das hmderte nicht, daß
noch immer einige Nachträge hinzutraten, die freilich sehr schwankten
und nicht für verbindlich galten (Maim. 2"n r'^p^ 1j~:). Sie
kommen schon in Amr. vor, allein es ist fraglich, ^vie^'iele davon
bereits zum ursprünglichen Texte gehörten, sie sind jedenfalls erst
im Laufe der Zeit so zahlreich geworden wie heute. Sie stehen auch
nicht überall in derselben Reilienfolge. Gemeinsam ist allen Gebet-
büchern der Tagespsalm der Leviten aus Tamid Ende, meist ist eine
Reilie von Bibelversen daran angehängt, worunter i:'a7 'S? '" "^m
I. Kön. 8 57 f . ; m V. steht an Stelle der Psalmen Ps. 83, in Germ,
infolgedessen beides, der TagespsaLm und Ps. 83. In aUen Riten
außer Germ, findet sich täglich i;^nbSD "iii? und emige Stehen aus
dem Talmud, darunter die Agada aus b. Ber. Ende, in Seph. außerdem
b. Mdda Ende, in It. nrjpn arjB, b. Ker. 6 a., j. Joma I\^ 5.
11. Seit 1300 etwa wird nnirb r.-öy als Scliluß des täglichen Ge-
betes genannt, es steht in aUen Riten ganz am Ende, nur Germ, bringt
es unter den hier genannten Zusätzen zuerst und fügt auch p br
Y" nip2 hinzu, nni'":: ir'"" ist dem Neujahrsgebet entnommen, es
fülu't dort die mDb^ ein, den Gedanken vom Gottesreich auf
Erden (§ 24). Es war von hoher religiöser Bedeutung, daß die er-
habene Idee der künftigen Vereinigung aller Menschen in der An-
erkennung des ehien Gottes Bestandteil des Tagesgebetes wurde.
Die Aufnahme von "t^'ö^ in das täghche Gebet war der Anlaß
zu ^^äederholten Anklagen gegen die jüdische Religion, die in Deutsch-
land Jahrhunderte hindurch nicht verstummen wollten und auch
in Germ, zu einer Ändervmg des Textes geführt haben. Wir lesen
heute i:n:i?i. ..anD irpbn ar i«~r, wälii-end die alten Handschriften
und Seph. noch jetzt i?: bs« bi? a^bbsniai p^ni bnnb aiinnüw anr
5'^Tnihmter a:Tcn :3d i::m3T haben. Um 1400 trat ein getaufter Jude
mit der Verleumdung auf, daß die genannten Worte sich auf Jesus
beziehen, und bewies es dm-ch den Hinweis, daß 'p'^il denselben Zahlen-
wert wie IUI = 316 hatte. Cbv^ohl Lippmann-Mülilliausen in seinem
Nizzachon sofort dagegen protestierte, wurde die Beschuldigung
Tachaimiiiiii 81
liäiifit:; wicdciliolt, und wo die Zensur sich um die Hüchcr der Juden
küininoilo, wurde der Satz a">"^nm2 3nc durch einen nielir oder
minder starken Ein<?riff <i;eändert. Auch das jialf nichts, die Judenfeinde
sucliten ihre Ankhigen immer von neuem zu hef^ründcn, am ausführ-
lidisten natürlich iMseniuen.fjer. In Preußen wurden die Juden 1702
mit hesonderer Heftigkeit wegen dieses Gebetes angekhigt. Das hatte
eine eingehende Untersuchung darüber zur Folge, deren Verlauf in
einem umfangreichen Aktenstücke vorliegt und deren Ergebnis das
,,Edict wegen des Juden-Gebeths Alenu und daß sie ehiige Worte
auslassen, nicht ausspeyen, noch darbey hinwegspringen sollen"
vom 28, August 1703 ist. Wahrsclieinlich beruht es hierauf, daß der Satz
aus den deutschen Gebetbüchern endgültig verschwunden ist. Das
Edikt verfügte, daß Alenu vom Vorbeter laut vorgetragen werden
sollte, es wurden Kommissare ernannt, die die Synagogen zu besuchen
und über die Ausführung der Bestimmungen des Edikts zu wachen
hatten. Zum Einschreiten lag niemals ein Anlaß vor, und so geriet
das Edikt bald in Vergessenheit.
12. In Germ, wurde ferner der Einheitsgesang "nnin "fir, jener
mystisch spekulative Hymnus, der im Kreise Jehuda he Chassids
seinen Ursprung hat (§ 44), eingeführt. Salomo Lurja (um 1540) pro-
testierte hiergegen, w^eil ein so erhabenes Gebet nicht durch allzu
häufige Verwendung abgeschwächt werden sollte, ein Prinzip, das
zum Schaden des Gottesdienstes nicht auch bei anderen Gelegenheiten
geltend gemacht worden ist. Trotz jenes Widerspruches, der auch
von anderen Seiten erneuert wurde, bheb der Schluß des Einheits-
gesanges r"niT2T s^rri?, das Lied von der Herrlichkeit Gottes, "^23" iitc
genannt, bemi täglichen Gebet. Seit der Ausgabe des Siddm- Venedig
1549 erscheint er in allen Gebetbüchern des deutsch-polnischen Ritus.
Die letztgenannten Zusätze (10 — 12) werden nicht in allen Gemeinden
in gleicher Weise verwendet, sie werden von 2^r"> ir^-p (§ 12 a) unter-
brochen, die Beliebtheit des Kaddischs begünstigte ihre Häufung.
In den reformierten Gebetbüchern sind sie meist auf il-^b^ beschränkt.
§ 11. Die Semirot.
Literatui-: Laiidshuth, S. 23tt". ; Bacr, S. 58 ti".; Herzfeld, S. 198 ff".:
Margulies iu Biv, Isr. lY, 126 ff.; Berliner, Randb. I, 220"., II 55 tt'.; Jawitz,
S. 62 ff.; Hamburo-er BE U. 805; Art. Banik She-Ainar in JE II. 564.
1. Von den Hauptstücken des Gebetes kehren wii- zu den jüngeren
Bestandteilen der Liturgie zurück und behandeln zunächst die "»piDS
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. O
g2 Beschreibung des Gottesdienstes
mm. Sie heißen auch V:r. (b. Schab. 118 b und bei A'atronai)
und mi'i'aT, zu deutsch P s a 1 m e n. Die Bezeichnung ist vom
hauptsächlichsten und ursprünglichsten Inhalt dieser Abteilung her-
genommen. Der Abschnitt reicht von ""Ci?!!" fT'! bis zum Schlüsse
von nnrci. Dm-ch mißverständliche Auffassung und Einrichtung,
vor aUem durch die in das Mittelalter zurückgehende (schon in V. nach-
weisbare) Sitte, daß der Vorbeter hierbei vor das Pult tritt, wurde vielfach
der Eindruck erweckt und der Meinung Vorschub geleistet, daß schon vor
-nnri unser Abschnitt zu Ende ist; jedoch ist die Anschauung irrig.
2. Den Kern des Abschnittes bilden die 6 Psalmen 145 bis 150,
sie sind die eigentlichen ri"i"i"27. Zu diesen Psalmen wurde eine Be-
nediktion vorher und eine nachher gesetzt, wie beim Hallel. Als Ein-
leitung dient das Stück -rSTi" V^2, als Schluß nnnr-». Die erste Er-
wähnung unserer Psalmen als Teile des täglichen Gebets findet sich in
dem x\usspruche des R. Jose ben Chalafta "^32 b"::- ""i'aijü ipbn tp
[-72ir:- bz -!" -i^b -br.ria] ai^ (b. Schab. 118 b, Sof. XVII, 11).
Damals, um die Mitte des zweiten Jahrhunderts, war demnach die
Sitte, diese Psalmen dem täglichen Gebete einzuverleiben, noch nicht
allgemein verbreitet; man kannte sie als verdienstlichen Brauch,
hielt sie jedoch nicht für verpfUchtende Vorschrift. Andererseits
wird mitgeteilt, daß im Tempel zu Jerusalem im Anschluß an den
Opferdienst die Leviten jeden Morgen von 1"1~ bis "'n">Tr'ci irrar bs5
= Ps. 1051—15 und am Abend inn n-»Tr nb in^ir = Ps. 96 ge-
sungen haben; beide Stücke stehen vereint und mit einem litur-
gischen Abschlüsse versehen I. Clu-on. 168—36 (S. Ol., XIV). Walu*-
scheinlich gehörte auch eine große Zahl anderer Psahnen der Liturgie
des Tempels an. Die Gesänge der Le\iten beim Opferdienst gingen
zum Teil in die Synagoge über, und von ilmen wählte man für den
täglichen Gottesdienst die letzten Lieder des Psalmenbuches, die alle
mit ri""'!;'*" anfangen und schließen. Wie es in der Litm'gie fast
überall Brauch ist, wurde dann auch die Psahnenvorlesung durch je
eine Benediktion eingeleitet und abgeschlossen. Das ist der Rahmen
dieses Abschnittes, in den alle heute darin enthaltenen Stücke ein-
gefügt w^urden, aus dem heraus auch alles erklärt werden muß.
3. Heute beginnt der x\bschnitt \äelfach mit Psahn 30, das ist
die jüngste Hinzufügung, die erst seit dem XVII. Jahrhundert im
Siddur zu finden ist. In Seph. ist der Psahn für Ghanukka bestmimt,
von dort ist er irrtümlich ohne jene Bezeichnung übernommen, vielfach
Seinirol gg
auch olino seine üherselirift vorfiel ragen worden. "^'QXr T'T'n ist
ein inlialtlicli sehr schöner Hymnus, dessen erster Teil sicli auf die
Alhnaeht und Vorselnuijs; Gottes bezielit, ein Thema, das hier ii;ar nicht
in Krage steht; erst der zweite Teil ^"cy ^^.2 rbnrr; usw. leitet zur
Sache, zur Rezitation der Psahnen üher. Daraus isl zu scIiiieUen. daß
nur der zweite Teil urs[)riiiiglich an diese Stelle gehört. Die Annahme
wird durch alte Texte bestätigt, in dciuMi der ganze erste Teil Iclill;
wir dürlen sie mit ziemlicher SiciuMheit palästinische Texte nennen
und behaui)ten, daß der palästinische Ritus erst mit dem zweiten
Teil von •"asr Tinn begann. Solche Texte finden sicii vielfach in
den Genisafragmenten, und sie haben mit den Benediktionen vor
und nach Hallel eine derartige Ähnlichkeit selbst im Wortlaut, daß
darin eine Gewähr für ihre Originalität liegt. Auch Rom., das so häufig
palästinische Traditionen aufbewahrt hat, bringt unter den Semirot
für den Sabbat ein "'Tn rD"^a, dessen Inhalt dem zweiten Teile von
^•^sr T":in entspricht, und das mit den erwähnten Texten große
Ähnlichkeit hat. Wie verhält es sich jedoch mit der gegenwärtigen
Fassung? In Germ, ist i^asiTU '^lin verhältnismäßig kurz, zehnmal Tiia,
in Sepli. länger und in den verschiedenen Ausgaben nicht ohne große
.\bweichungcn. Verfolgen wir die Anfänge von "i^s^TT "imn, so müssen
wir den Bericht des Nathan ha Babli beim Festgottesdienst aus Anlaß
der Einsetzung der babylonischen Exilarchen beachten, wonach ein
Glior mit dem Vorbeter abwechselte und jedes kleine Sätzchen mit
TT"!! durch die Responsion Sin ^iin begleitete. Infolgedessen wurde
von Rapaport die Hypothese aufgestellt, daß die Art der Rezitation
immer in gleicher Weise gehandhabt wurde, daß Sil" ']"i"!n nach jedem
Halbverse als Refrain hinzugesetzt wurde. Doch ist das wenig wahr-
schemlicli, vielmehr scheint i^sc Ttin die Verkürzung eines Stückes,
das ursprünglich weit länger und piutartig ausgeführt war. Der
Anfang geht auf einzelne Benediktionen in Ber. IX (b. 57 b, 59 a, b;
j. i2d; Taan. II) ziuück, von ni25?ü "rinn bis picsnn nT-\7 O wird
bereits zusammenhängend in T. d. B. El. Suta IV zitiert. Für die
Aneinanderreihung dieser nicht zusammenhängenden Sätze war
wahrscheinlich die Verbindung mit dem im Gebetbuch vorangehenden
Stücke Tnrs« '- S"- -ri^ maßgebend, das mit Zeph. 320 schließt.
Der Satz =*pr' ""-;. t^- nr""" ^t;-« T^-2 knüpft an das vom
Propheten verheißene künftige Heil an, er preist Gott als Vollstrecker
seines durch die Propheten gegebenen Wortes, und dementsprechend
(5*
34 Beschreibung des Gottesdienstes
würde der ganze Hymnus messianischen Inhalt haben. Danach kann
nur die kürzere Fassung in Germ., It., Rom. die ursprüngliche sein,
nicht die ausführliche von Seph., die allerlei göttliche Attribute hier
zusammenträgt. Eine Bestätigung fände unsere Ansicht durch It.,
wo "r~"~i? '- S'm -PÄ? bereits zu den r^TTai zählt, allerdings durch
die bald zu erörternde Gruppe von Bibelstellen von n'ai?'© Tnn ge-
trennt ist. Freilich müßte man dann einen Schritt weiter gehen und
annehmen, daß der erste Teü von "rxr T'^,2 m'sprünglich mit dem
zweiten nichts zu tun hatte, sondern sich eng an die vorhergehende
Gebetgruppe (§ 12) anschloß. Wann dann die Verbindung der hetero-
genen Bestandteile eintrat, läßt sich schwer sagen; soweit die Texte
zurückreichen, ist sie vorhanden. Die erste Erwähnung von "Jinn
TGSiTC geschieht durch R. Moses Gaon (um 825), Zunz setzt die Ab-
fassung des Stückes wohl mit Recht in die Saboräerzeit.
4. Wenn nun nri^ir ""l die rT^'r? einleitet, müßten die zu-
gehörigen Psalmen unmittelbar darauf folgen. Das ist nicht der Fall,
hingegen steht, wenigstens in Genn., zunächst l'ülC'D. ii?np '"ib l"nn
dazwischen. Wir haben die Zusammensetzung und den Ursprung des
Stückes oben (S. 82) besprochen. An I. Clu'on. 1636 sind noch etwa
20 Verse, meist aus den Psalmen, angereilit, in It., Rom. sogar außerdem
Ps. 19. Die Walü der Verse schwankte im Mttelalter sehr, mit Vor-
liebe jedoch wm'den solche Verse ausgewälüt, die im Talmud oder
Midrasch als besonders bedeutungsvoll hervorgehoben sind. Darunter
sind einige, die bereits alte Quellen nennen, so werden Ps. 468 und
8413 bereits j. Ber. V, 1 (8d) empfolilen, desgleichen Ps. 10647,48 in
Sof. XVII, 11, allerdings nur für die Neumondslitm'gie, und unser
Stück gehörte ebenso wie die folgenden bis Ps. 145 ursprünghch der
Liturgie feierlicher Tage an. Amr. hat es nicht, in den Genisafrag-
menten felilt es ebenfalls, und im Mittelalter ging man, wie bemerkt,
recht frei damit um. Die Stellung des Stückes ist in allen Riten außer
Germ, vor n^aiJTC TTQ, so daß es den erforderlichen Zusammenhang
nicht unterbricht, aber auch dort hat man sich nicht gescheut, die
nun folgenden Einschaltungen aufzunehmen.
Zunächst Ps. 100, walirscheinlich ebenfalls ein Rest aus der
alten Tempelliturgie, in It. in älterer Zeit nur am Sabbat gebräuchlich;
in Franz. und Germ, wurde der Psalm am Sabbat weggelassen, in Prov.
und Seph. hingegen beibehalten. In Rom. steht er vor "^laiJü ^''n,
Amr. hat an seiner Stelle Psalm 20.
Semirot 36
1132 TP l'iiuU't sich bereits iii allen uns hckaiuiten Gebetbüchern,
obwohl es urspiiinglieh ebenfalls nnr l'iir aus},'ezeirhnele Taii^e be-
stimmt war. Es besteht aus einer Reihe von Bibclversen, die sämtlich
den Gottesnamen enthalten. Die meisten stammen aus den Psal-
men 10431; 1132-^; 13513 usw. a^-arn imar^ ist aus I. Chron.
1G31 genommen, es ist jedoch leicht einzusehen, weshalb dieser Fassung
vor Ps. 9(311 der Vorzug gegeben wurde. '131 Tb^^ n Y-^ '"l Y-^ '"I
steht so vereint nicht in der Bibel, nur die einzelnen Teile des Satzes
kommen getrennt vor. Auch dieser Satz scheint zu denen zu gehören,
die für die festtäghche Liturgie bcsthnmt waren; zusammen mit
ninD "^n^ wird er in Sof. XVII, 11 und XVIII, 2 unter denen genannt,
die, im Gegensatz zu allen anderen Psalmen, stehend von der Ge-
meinde gesprochen werden. Daß damit unser "IISD TP gemeint war,
läßt sich nicht annehmen. In It. und Rom. beginnen noch heute die
„Semirot" mit einer Sammlung von Versen, an deren Spitze "l":^ "i
und "^2" Ti"' stehen. Auch in Seph. wird zwischen Til~ und 1T13
■^rs^r sehr feierlich Y"^ '"* gesprochen und von einigen Versen be-
gleitet. Der Ursprung aller dieser Zutaten ist in der FesttagsUturgie
zu suchen, wie sie sich aus Handschriften noch nachweisen läßt. In
It. und Rom. süid sogar darüber hinaus noch Stücke aus der
Bibel zugesetzt worden.
ö. Erst jetzt folgen die eigentüchen mniiaT Ps. 145 bis 150,
genauer 14415 bis 150. Dem letztgenannten Vers geht ein anderer
mit dem gleichen Anfang "^""Trs? voraus, Ps. 845 ^r^2 ^nr'"' "^^rs,
und beide Verse sind mit Psalm 145 derart verwachsen, daß sie geradezu
bisweilen als sein Anfang zitiert werden. Das Rezitieren von Ps. 845
hat nur dann einen Sinn, wenn man soeben das Gotteshaus betreten
hat, wie es z. B. zu 3Iincha (§ 13) der Fall ist. Man begnügte sich
übrigens nicht überall mit zwei "^^uX-Versen; It. hat auch Ps. 1191
und V. noch vier andere, die mit '^""«rs« beginnnen. Auch am ScUusse
von Ps. 145 ist em fremder Zusatz, Ps. 11518, so daß auch hier wie
am Anfang und Ende jedes der folgenden Psalmen n-iirbn steht;
die Vereinigung hat bereits Aim-. Wörtlich folgen die anderen fünf
Psalmen, der letzte Vers von 150 ist verdoppelt, weil er den Schluß
des Psalmbuches bildet. Germ, und Seph. bringen im Anschluß hieran
die Doxologien vom Schlüsse der Psalmbücher und Ps. 13521.
6. Damit wären die niii27 beendet und jetzt müßte nnrri
sich anschheßen. In den alten Gebetbüchern ist das auch der Fall.
36 Beschreibung des Gottesdienstes
heute wild in allen Riten außerdem zunächst das Danklied Davids
I. Clu'on. 2910 — 13, dann das Loblied Xeh. 96 — 11 und endüch das
Schüfmeerhed, Ex. 1430 bis 1518, rezitiert. Xoch die gaonäisehe
Zeit kennt nur das erste Stück im täglichen Gebet, nur dieses findet
sich bei Ami\ Jünger ist das letzte, und es war zunächst nur für die
Sabbate bestimmt, wurde auch erst nach nnriri gelesen und unter-
brach die n"'.'''S27 nicht. Die Veranlassung zu seiner Aufnahme
in das Gebetbuch haben wir in der Überlieferung des Tahnuds (b.
R. ha Seh. 31 a) zu suchen, wonach es, auf drei Sabbate verteilt, zu
Mincha vorgetragen wurde. In V. wd ein Responsum aus Rom
mitgeteilt, das für die tägliche Rezitation des Liedes eintritt
und nur am 9. Ab und im Trauerhause eine Ausnahme gestatten will ;
aber der gleichzeitige Jehuda b. Barsilai kennt immer noch seinen
Gebrauch nur am Sabbat und bekämpft nachdrücklich jede Unter-
brechung der rini/OT durch ungehörige Einschübe. Es scheint zuerst
in romanischen Ländern für alle Tage eingeführt worden zu sein;
Maimonides setzt es nach nnriri, wälu'end V. es vorher bringt.
Späterhin wurde es überall hinaufgenommen, und da trat, offenbar
um eine Verbindung mit "l^ Tin"!! herzustellen, das dritte Stück aus
Nehemia hinzu, das mit der Spaltung des Schilfmeeres schließt; end-
lich erhielt das Ganze im Anschluß an den verdoppelten letzten Vers
Ex. 15 18 noch einige Verse mit i'':'Q zum Absclüuß. So wurden
die hymnischen Stücke weit über Gebühr und weit über das ursprüng-
lich beabsichtigte Maß hinaus angehäuft; erst in einigen neueren Ge-
betbüchern wurden die Psalmen auf mehrere Wochentage verteilt,
um die Länge des Abschnittes auf diese Weise zu vermmdern.
7. Den Abschluß der Semhot büdet nnriT"', dessen Zusammen-
setzung %del Ähnlichkeit mit der Schlußbenediktion des HaUel hat.
Die Häufung von Synonymen darm ist keineswegs ursprünghch und
wahrscheinlich von mystischen Gedankengängen beeinflußt. In diesem
Stücke hat Abudraham das Akrostichon ""cbr wiedergefunden und
einen Verfasser gleichen Namens angenommen, Rapaport nannte
ihn auf Grund des Textes von Seph. zn-'ni?. Das Stück, das schon bei
Amr. die allgemein bekannte Fassimg zeigt, dürfte älter sein als die
Sitte des Akrostichons, der Verfasser ist nicht zu ermitteln. Die Semhot
werden durch Halbkaddisch (§ 12 a) abgeschlossen, das in den Gebet-
ordnungen jedoch bereits zum folgenden Teile gezogen und mit 'r"2
(§ 7, 1. S. 27) verbunden wurde.
Somirot, Krslo Bcncdikliimcii g7
S. l);il.) (iic r"'"""'^T iiocli nicht zuiii ciiicnlliclicii (lebet f^ereelmet
werden, eri;il)t sieh aus aljeilei Anzeichen. So werden sie f^esproehen,
(dmc dali die heim (lel)ot erl'orderlieho Anzahl von Teilnehmern an-
wesend ist. Nach V. werden erst naeh Ahsehhil.l der r'^^'27 Telillin
aiiijelegt, nach Amr., auch noch nach Ahudr., ja bisweih'n noch heute
tritt erst hier der Vorbei er auf, in Seph. nennt man im (leijensatz
zum Vorbetei' denjenigen, der ri'^'^'üT vorträgt. "^12712. Immerhin
wurden diese Psahnen auch nach Amr. bereits in der Synagoge ge-
sprochen, während die vorausgehencU'U Stücke als zur häuslichen
.Andacht gehörig bezeichnet sind; Mainionides zählt beide Gruppen
nicht zum öffentlichen Gottesdienst.
§ 12. Die ersten Benediktionen.
Litercatur: Zuir/ G. V., S. 390 f.; Laiulshutli, S. 23tT. ; Baer. S. 35 ft":
Berliner, Raiulb., I, litt"., II MStt".; Jawitz. S. 5f.. 8f. : Ilambur^er, REU S()4f.
Art. Benediftions in JE III, 8tt".
1. Noch weniger gehört der Anfang unseres Gebetbuches, die
^mrn niDiS, ursprünglich zum Synagogengottesdienst; noch Mai-
nionides kennt sie nur als Brauch einzelner. Freilich verzeichnet schon
Amr. die Sitte, sie vom Vorbeter in der Synagoge rezitieren zu lassen,
um die Unkundigen zu entlasten.
2. Das deutsche Gebetbuch beginnt seit den ersten Druckaus-
gaben mit "^3"^ rra Num. 245; nach alter Auffassung wird riS^r's auf
die Gotteshäuser, ""'rns auf die Lehrhäuser bezogen (b. Sanh. 105 a).
Das Stück ist aus Bibelversen zusammengesetzt, und zwar meist aus
solchen, die mit ""iSt anfangen. Tfpns nmr ist ein Gedicht von
Salonio ibn Gabirol (1050) mit Reim und Metrum. Es zeichnet sich
durch eine seltene Innigkeit des Andachtsgefühls aus. Es steht nicht
in allen Gebetbüchern. Beide Stücke bilden nicht Bestandteile des
Morgengebetes, sind vielmehr Einführungen in die Andacht überhaupt.
In anderen Riten sind andere Stücke für diesen Zweck mitgeteilt,
in It. und Rom. ausführliche mrpn.
3. Der Gottesdienst beginnt hierzulande mit bl^"», im west-
deutschen Ritus folgt es erst am Ende der ^nrn ns^n. Das ist ein
Gedicht mit dem durchgehenden Reim ir, aus dreizehn metrischen
Versen bestehend; Seph. hat am Schluß noch einen Vers, der aber
nicht in das Versmaß ])aßt und wohl auch nicht ursprünglich ist.
Reim und Metrum weisen auf späten Ursprung liin. Der Inlialt —
gg Beschreibung des Gottesdienstes
das sagt auch der Schlußsatz in Seph. — ist eine Wiedergabe der
dreizehn Glaubensartikel, die Maimonides am Sclüusse
der gi-oßen theologischen Einleitung zum Kommentar des X. Ab-
schnittes von Sanhedrin aufgestellt hat. Diese Grundlehren des
Judentums (a^np") wm'den, als Glaubensartikel formuliert, in das
Gebetbuch aufgenommen, wo sie meist am Ende des Morgengebetes
stehen (■i"'r5?'C ""ri?). Außerdem sind sie in poetischer Bearbeitung in
Gestalt unseres b"j^ dem Gebetbuch beigegeben worden. Man hat
Maimonides selbst für den Verfasser erklärt, indes fehlen aUe Beweise
für diese und für ähnliche Behauptungen. Alle Spuren weisen darauf
hin, daß '^'^"^ aus Itahen stammt; in einem Siddm- vom Jahre 1383
ist angegeben, daß es vom Großvater des Besitzers, d. i. von Daniel
ben Jehuda Dajan aus Rom, verfaßt wm'de. Das Gedicht zeigt auch
starke Anklänge an eines der Lieder Immanuels ben Salomo, der mit
dem angegebenen Verfasser gleichzeitig gelebt hat. Überdies wissen
wii-, daß damals in Rom ein großer Ki'eis jüdischer Gelehrter sich viel
mit philosophischen Studien befaßte und ganz besonders für die
Verbreitung der Lelu'en des Mamionides eifrig einsetzte. Wir gehen
demnach nicht felil, wenn wü* dem angefülu-ten Bericht Glauben schen-
ken und das Lied als in Rom um 1300 abgefaßt ansehen. Ln Siddur er-
schien es an der Spitze des Gottesdienstes zuerst in ed. Ki'akau 1578.
In der Synagoge wurde das Stück ursprünglich nur am Eingange des
Sabbats oder auch am Schlüsse des Musafgebets verwendet; der deutsche
Ritus übernahm es zuerst für den täglichen Morgengottesdienst und
auch für den Eingang des Versöhnungstages. So wurde es auch nach
Seph. übertragen, in It. hingegen ist es auf den Freitag Abend be-
schränkt geblieben.
4. abi" ini?, eines der schönsten Stücke des Gebetbuches, ist
gleiclifaUs nicht selu- alt; es enthält, wie das vorige, metrische Verse
mit durchgehendem Reim i?":; in Seph. finden sich auch hier zwei
Verse mehr als in Germ., die walirscheiaüch echt sind, da sie in den
Rythmus selu* wolü liineinpassen. abir "jTiÄ? ist ein Gebet von reinster
Poesie und allgemeinem, tief religiösem Inhalt. Man hat es deshalb
auch dem hervorragendsten mittelalterlichen Verfasser von Gebeten
zugewiesen, Salomo ibn Gabirol; es wäre seiner wohl würdig, aber
zwingende Beweise für seme Autorschaft gibt es nicht. Dem Schlüsse
nach scheint das Stück ein Nachtgebet zu sein, tatsächlich ist es in
das häusliche Nachtgebet aufgenommen; in der Synagoge aber ist es
Erste Bonediktionen g9
am Abend nur am Eingang des Sabbats und des Versölmungstages
eingeführt. In Worms wird es bis auf den heutigen Tag um- am .Tom
Kippur vorgetragen, während es z. B. in Marokko bei einer Hochzeit
gesproclien zu werden pflegt, bevor die Braut unter den Trauhinimel ge-
führt wird, ^r-^r "jniS ersciuMut in den Handschriften kurz vor VAn-
führung des Buchdrucks und geht dann mit dem gedruckten Sid(bn-
in alle Riten über, meistens eröffnet es das tägliche Morgengebet.
;"). Mit dem jetzt folgenden Komplex von nsin fangen die niDin
inirn im eigentlichen Sinne an. Sie stehen in Germ, nicht mehr in
Direra ursprünglichen Zusammenhange und können nur verstanden
werden, wenn man auf die Quelle eines großen Teiles von ihnen zurück-
geht, auf b. Ber. 60 b. Dort werden die Verrichtungen besprochen,
die der Mensch am Morgen beim Aufstehen und Ankleiden zu voll-
ziehen hat, es wird dem Froramen, der überall die Gegenwart und
Hilfe Gottes schaut, empfolüen, bei jeder einzelnen, auch der gleich-
gültigsten Handlung Gott zu danken. Die ganze dortige Auseinander-
setzung will nicht mehr sein als em wohlgemeinter Rat für das Xcr-
halten eines Frommen, eine Anweisung dafür, wie er solche Hand-
lungen, welche gelegentlich vorkommen, zu betrachten hat. Keines-
wegs waren die dortigen kurzen Lobsprüclie als Pfüchtgebet gedacht
und nicht im entferntesten für den täglichen öffentlichen Gottesdienst
bestmirat. Dennoch wurden sie als Benediktionen formuliert, in
gaonäischer Zeit in das häusliche täghche Gebet und sehüeßüch in
den Synagogengottesdienst übertragen. Die Benediktion rr"»!:: rr
2'iT', die Stücke ■'"^■' "^ri«, r.Tar: inbs, die darauf folgenden kurzen
Benediktionen bis r5«~»ri '^~~ zi^n^j s^-cn r^ir» (und dazu wurde,
wohl des gleichen Anfanges wegen, noch 'Tj:^ tp b. Ber. 16 b hin-
zugefügt) stammen sämtlich aus dem erwähnten Zusammenhange,
bis auf 2"'":"' rb^::: br stehen sie sogar in derselben Reihenfolge.
Bei Natronai, Anir., It. stehen sie auch in dieser Weise ohne
Unterbrechung zusammen, Seph. läßt die beiden ersten w^eg und
weicht somit nicht einmal von der Anordnung des Talmuds ab. Die
kurzen Benediktionen, von denen nur elf aus dem Talmud zu belegen
sind, wurden mit ihrer Aufnahme in das Gebetbuch vermehrt.
Mancher sagte weniger, mancher sogar noch mehr; Germ, fügt
zu denen des Talmuds nur n: rr*"~ "n:", das sich freilich in keinem
anderen Siddur findet, aber in die jüngeren Ausgaben von Seph.
ebenfalls liinemgekommen ist. Hinzugetreten sind zur obigen Sanun-
90
Beschreibung des Gottesdienstes
hing noch drei Benediktionen aus b. Men. 43b, die dort lauten:
■^-n ^:5<rr sbr HiTS ^:üz" i«:r bs-r-» ^rs^'rrt:. In Tos. Ber. YII,
18 (1622) und j. IX, 2 (13 b) lautet die erste ^T» ^:s">rr 5«:r. Eine
Begründung durchaus nicht apologetischer Ai't findet sicli daselbst.
In Palästina nun ^Yurden ledigUch unsere di"ei Benediktionen in das
tägliche Gebet aufgenommen, so hielt es auch Saad. und so noch Mai-
monides; allerdings weisen sie beide die Stücke der privaten Andacht,
nicht dem öffentlichen Gottesdienste zu, und statt "'i lesen sie nach
b. Men. 43 b im Gegensatz zu Pal. ~^". Die drei Benediktionen sind
nicht zufällig zusammengekommen. In welcher Beziehung sie auch zu
ähnlichen, in der späteren griechischen Literatur auf Plato oder So-
krates zurückgeführten Aussprüchen stehen mögen, frappant bleibt
die Parallele mit einem parsischen Gebet an Ormuzd, wo der Schöpfer
dafür gepriesen wd, daß er seine Bekenner zu Iraniern und von der
guten Religion, zu Freien und nicht zu Sklaven, zu Männern und
nicht zu Weibern geschaffen hat. Noch mehr Beachtung verdient als
Parallele jüdischen Ursprungs Paulus' Äußerimg im Briefe an die
Galater, wonach durch Jesu Tod unter den Gläubigen jeder Unter-
schied zwischen Juden und Griechen, z^vischen Sklaven und Freien,
zwischen Männern und Weibern aufgehoben ist (III, 19).
6. Nun ist dieser nach den Quellen zusammengehörende Abschnitt
in Germ, durch ein längeres Stück unterbrochen, das von "»"^mn pc"b
mir bis abD 15;d mir "iTa'^n reicht. Wir finden da zunächst
einen Segensspruch über die Tora, genau genommen drei desselben
Inhalts. Sie werden in b. Ber. 11 b von drei Amoräern des III. Jahr-
hunderts nicht für das tägliche Gebet, ^iehnehr als einleitende Bene-
diktion für das tägliche Torastudium empfohlen, von R. Papa (IV. Jahr-
hundert), gemäß seiner bekannten ]\Iethode in Meinungsverschieden-
heiten zu entscheiden, aUe drei zusammengefaßt. Auf diese Bene-
diktionen mußte ein Gegenstand des Studiums folgen. In Amr., It.
und Rom. sind es die Abschnitte über das täghche Opfer. Die Re-
zitation von Opfervorschiiften galt lange Zeit als ein Ersatz für das
nicht mehr dargebrachte Opfer. Andererseits lautete eine tabiiudische
Bestimmung, daß tägüch einige Zeit dem Studium von Bibel, Mschna
und Talmud gewidmet werden sollte. Beide Anschauungen vereint
bewhkten, daß hier neben Xum. 281—8 die j\Iischna Seb. V. und
endlich die dreizehn Interpretationsregeln des Rabbi Ismael rbrn
rr^~: rrrrn r'~'a rr^f" eingeführt wurden. Die Anordnung
Rrsfo Boncdikf ioiii'ii 9]
ließ beliebige Erweiterungen durch andere auf den (ägÜelien Kultus
bezügliche IJihol- und Talniudslellen fz. H. Kx. H017— 21, .34— ;w, b.
Ker. () a, I). -loma 8S a) zu. Die zucist eiwähiiteu Stücke sind sclutn
l)ei Natronai und späteren (ieonini zu linden, hie sinngemäße An-
ordnung, die Stücke unniiltelbar auf die IJenediktionen folgen zu
lassen, ist in den alten CJebetbüchern innegehalten. So aber, wie der
Text von Germ, und Seph. geboten wiid, wo die Bibel- und Talmud-
stellen ganz am Ende der "inirn nsnn, weit ab von den zugehöriuen
Benediktion(Mi zu linden sind, isl die Aufeinanderfolge gar nicht zu
begreifen.
Neben der bes|)rochenen (iruppe von gelehrtem Stoff gab es
eine andere, weit kürzere (vielleicht palästinische?), bestehend aus
Xum. 281— 8, dem Priestersegen Xum. G24— 2(), Pealf, sowie einigen
kurzen Baraitot. Als nun in Franz. und Germ, die Torabenediktionen
vor n)2tc: "^nrs verlegt waren und auch dort einiges Quellenmaterial
folgen sollte, wurden der Priestersegen usw. unmittelbar daneben ge-
stellt, so daß in diesen Riten ein doppelter Studienstoff vorhanden ist.
7. Mit a"5i xn-» sbnrb beginnt ein neuer Gedankengang, der eben-
falls aus den verschiedensten Zitaten zusammengestellt ist. Der
ganze Zusammenhang ist T. d. B. El. XIX, Ende (S. 118) angegeben
-nn:3 rrs? nniTi rn^?- ::• rrn^^ s^'ac? s<-ii ans sn"! .T^rs "■'n
":n:5« Tr'p-;"^ "~- sb a^rbT" zz yzr irs'^T a'^rr-» ai-'i a"' zzi
^•jap r"zr aari« s^-^as s«^-- r^-a "ii2is«i .'^t t:2":: irrirnr a'^b'^s'a
'^T. aDrs. Auf die Stelle führt bereits Schib. Lek. die Übernahme
des ganzen Abschnittes in die Gebetsammlung zurück. Die einzelnen
Sätze lassen sich aus talmudischen Quellen belegen: a"''abi"n zz "ai
und "^Ti rrc 'is? '"c sind das Sündenbekenntnis des R. Jochanan
bezw. Mar Samuel in b. Joma 87 b, irnpii: by sb ist aus Dan. 918
hervorgegangen, i:n:s "ras? aus Mech. zu Ex. 1518 (44 a), ~7 s«"n nrs
abT" s?"a: src aus j. Ber. IX, 2. Umstritten war lange, ob auch die
einleitenden Worte a^i« S5~"» a^T:; im Gebete gesprochen werden sollten,
in Germ, werden sie gewöhnlich mit kleinen Lettern gedruckt. Xicht
unmöglich ist auch die Meinung Benjamins b. Abraham Anaw (um
1240), daß die Einführung des vcz an unserer Stelle aus Ver-
folgungszeiten stamme, wahrscheinlich ist jedoch, daß es nur eingefügt
wurde, damit die Zeit für V'cz r'ü^^^'p nicht versäumt würde. Den
x\bschluß bildet das Stück irres '" s?i~ r.rs, aus biblischen Re-
densarten zusammengesetzt, das entsprechend dem Zusammenhange
92 Beschreibung des Gottesdienstes
im T. d. B. El. mit der Bitte um Herbeiführung des messianischen
Heils endet. In Amr. merkt man der gegenwärtigen Fassung noch an,
daß es erst ein jüngerer Zusatz ist. Amr.s Reihenfolge wird durch
die mittelalterlichen Ritualien und V. bestätigt. In It. findet sich be-
reits vor a"S iin^ abirb die Überschrift bin br mi'OT; wir haben
bereits oben festgestellt, daß Tai?Tr inn an den Sclüuß ri? ^mirn
nüi aD^rnniE dh-ekt anknüpft (S. 83).
8, Fassen wk das Ergebnis dieser Auseinandersetzung zusammen,
so dürfen wir feststellen, daß der Anfang des Morgengebetes im wesent-
lichen aus folgenden Unterabteilimgen zusammengesetzt ist:
1. Verschiedene niDin im Anschluß an b. Ber. 60 b.
2. Studienstoffe und einleitende Benedil^tionen dazu im Anschluß
an b. Ber. 11 b.
3. Gebet um messianisches Heü im Anschluß an T. d. B. El. XIX.
AUe drei Abteilungen wurden späterhin in ilirer ursprünglichen
Anordnung nicht mehr verstanden, mit fremden Gebeten diu'chsetzt
und im deutschen Ritus in einer solchen Weise durcheinander ge-
worfen, daß sie geradezu unerklärlich sind. AVann sie vereinigt wurden,
ist unbekannt, aber zweifellos ist, daß der ganze Abschnitt m'sprüng-
lich nicht zum öffentlichen Gottesdienste gehörte, daß er der privaten
Andacht überlassen war und nicht vor dem IX. Jahrhundert einen
Platz in der Synagoge erhielt, den er jedoch noch lange später nicht
überall hatte.
Anhang:
§ 12a. Das Kaddisch.
Literatm-: L. Landshuth. -'"- "T= 'C, S. 59 ff.; Baer, S. 129 f., 153,
588; Kohler, K. in MS XXXVn, 1893, S. 489—492; Obermayer J..
Modernes Judentum im Morgen- und Abendhinde, 1907, S 91 ff.; D. de
Sola Pool, The old jewish aramaic prayer, the Kaddish, Leipzig 1909;
Berliner, Randb . 11, S. 4 ff. : Jüdisches V o 1 k s b 1 a 1 1 , Jahrgang- I.
Breslau 1889 ; Art. Kaddish in JE VU, 401 ff.
1. Das Kaddisch dient, wie aus seiner wiederholten Erwähnung
hervorgeht, zum Abscliluß des ganzen Gebets oder wichtiger Teile
desselben, sowie zum Abschluß der Toravorlesung; es ist aber auch
ein Gebet, das Trauernde am Sclüusse des Gottesdienstes sprechen.
Die liturgische Verwendung entspricht nicht dem ursprünglichen
Sinne des Kaddisch, sie hat nicht nur zu einer Umdeutung, sondern
Erste Bcnedikliunon, Kaddisch cjß
auch zu einer Erweiterunc: des Kaddiseli ^M'fiilirt; aber aueli al)n^eselien
hiervon hat der ursprüngliche Worthiut des Kaddisch vielfache Er-
weiterungen erfaliren.
2. Den Kern des Kaddisch bildet dieP^ulogie innia sn"* nrc scn-^
s^iabr "i^brbi s'rrb, die ganz deutlich an Dan. 220 anklingt: ihr he-
bräisches Äquivalent findet sie in Ps. 1132 und in der im Tempel zu
Jerusalem gebrauchten Eulogie ~r' sbirr TT^'a "ins ac Tlia.
Die Erwähnungen des Kaddisch in der talinudischen Literatur knüpfen
sämtlich an diesen Satz an, dem sie ehie ganz außerordentliche Be-
deutung beimessen, n.M s?3-! nrr xni gilt als der Hymnus aller
Hymnen. Die älteste Autorität, die es nennt, ist Jose b. Chalafta
(um 150) in Sifre Deut. §306 (132 b) und in b. Ber. 3 a; unter den
Amoräern bezeichnet Raba als eine der Säulen, auf denen die Welt
ruht. xnssT N»nn n^r sn^ (b. Sota 49 a). Was wir im letzten Aus-
druck als einheitlichen Begriff finden, weist auf den Ursprung
der Eulogie hin; sie wurde von Haus aus in den Schlußreden, die auf
die aggadischen Vorträge (§ 29) folgten, verwendet. Es war ein fest-
stehender Grundsatz, daß die Vorträge mit frohen Ausblicken in die
messianische Zukunft zu enden hatten, solchen eschatologischen Ab-
sclüttssen aber ließen einzelne Redner auch noch ein kurzes Gebet
folgen. Das Gebet mag anfangs keinen bestimmten Wortlaut gehabt,
vom Belieben des Redners abgehangen haben. Ein solches Gebet mm,
das sich mit der Zeit allgemein eingebürgert hat, war das Kaddisch,
Sein erster Satz enthält die zwei eschatologischen Bitten um die
Heiligung des göttlichen Xamens und um das Kommen des Reiches,
und zu diesen Bitten gehört die Eulogie ^^.212 5?l"i "rr S5n^ oder
üire hebräische Form "i^^ bn^n Tair i""' (b. Ber. 3 a). Der Zusammen-
hang mit Ez. Kap. 36 bis 38, besonders der Anklang an 38 23 sind
unverkennbar. Dies ist der Kern und der ursprüngliche Sinn des
Kaddisch.
In welcher Zeit die Bitten entstanden sind, ist unbekannt, die
sein- einfache Form der Eschatologie jedoch, der schlichte Ausdruck
sowie das Fehlen jedes Hinweises auf die Zerstörung des Tempels
weisen auf einen frühen Zeitpunkt hin. Bekannt ist femer die Älm-
lichkeit mit dem „Vater Unser", dessen erste di'ei Bitten bei Matthäus
(69 — 10) in voller Übereinstimmung mit dem ersten Stücke des Kaddisch
sind. Das alles läßt auf em hohes Alter des m'sprünglichen Kerns
sclüießen. Außer den erwähnten Bitten und der Eulogie scheint noch
94 Beschreibung des Gottesdienstes
der aramäische Satz "ji i<rD^n bD ]^ ^7:?b zum alten Bestände des
Kaddiscli zu gehören, der den Hinweis auf die agadischen Vorträge
und deren eschatologischen Schhiß (iincn;) deutlich enthält. Aus
der Anknüpfung an die Agada erklärt sich auch die Verwendung der
aramäischen Sprache, des Idioms, in dem die Gelehrten sprachen.
Das Kaddiscli ist nicht in einem Dialekt der Volkssprache abgefaßt,
sondern m jenem künstlichen Idiom, das in den Schulen gesprochen
wurde, das aus den offiziell anerkannten Targumim (§ 28) bekannt
ist. Wie die Targumtradition aus Palästma nach Babylonien ver-
pflanzt wurde, so verdankt auch das Kaddisch, das in Palästina
entstanden war, Babylonien seine Erhaltung und weitere Aus-
bildung, dort hat es seine Wertschätzung als eine der „Saiden der
Welt" erhalten.
3. Als liturgisches Gebet finden wir- das Kaddisch zum
ersten Male in einer palästinischen Quelle, im Traktat Sofrim, der um
600 entstanden ist; dort erscheint es am Schlüsse der Toravorlesung
(XXI, 6), in Verbmdung mit IDin (X, 8) und am Abschlüsse des Ge-
betes (XIX, 1). In Amr. erfolgt dann die Verwendung genau in der-
selben Weise wie noch heute. Für die liturgischen Zwecke erfuhr
das Kaddisch eine Erweiterung. Es trat an den Schluß eine Bitte
um Erhörung des Gebetes '"'S"! "iinnrj: bnprr; nur vor i;il (§7),
vor der a?i-D' nirnp (§ 10) und hinter der Toravorlesung (§ 25)
beim Morgengebet sowie vor der Tefilla bei den anderen Gebeten wiu'de
das alte Kaddisch ohne b^prr gebraucht. Aber auch der erste Teil
erhielt zwei Erweiterungen; die aramäische Eulogie 5?li "'CTr x~">
wurde durch eine hebräische Umsclireibung desselben Gedankens 'innr"»
'^ji nnriL'11 ergänzt, sodann aber wurde hinter jede Bitte die Auf-
forderung der Gemeinde zm* Responsion ("iizs "i"".^S"i) eingeschaltet.
Im Zusammenhange mit der Trauerwoche finden wir das Kaddisch
ebenfalls bereits in Sofrim. Xach dem Musafgebet am Sabbat, so
wird dort berichtet, suchte man die Trauernden auf, sprach einen
Segen und dann Kaddisch (XIX, 12). Es ist sehr walu-scheinlich, daß
bei einer solchen Gelegenheit zu dem alten Kaddisch die Begrüßimgs-
formel S2"i i?^bt: i«"^ hinzugefügt wurde. Wann und weshalb dann
derselbe Gedanke noch einmal in hebräischer Sprache hinzukam
T^iaTTan aibir mrj (vgl. Hi. 252), darüber sind wir nicht imterrichtet.
Beim Tode von Gelehrten wurde der Anfang des Kaddisch erweitert
durch die Einfügung von s^r-nrsb -^r~- 55^:^2, in derselben Fas-
i
Kaddisch 95
siiiig wurde er spilliT mir iiiiiiiill('ll)ar nach der IJccrdij^iirif!; verwendet.
Die Selduüsütze des Traiierkaddiseh aber (S3-' iJ-crr SH"^ und nrj
^■»•Cl^ian S^br) wurden aueli dem lilur|?isc'lien Kaddiseli einverleibt
und blieben bei jedem Kaddiseli bestehen.
4. Daß das Kaddiseli in der Lituiffie W'rwendiinfif fand, hatte
seine Ursache in der Eulogie und darin, daß man sirnncr xri-^r s^rz^'n
auf die Clebeto bezog. Für den Trauerritus ließ es die escliatologisclie
Hitte am Anfange geeignet erscheinen; die Heiligung des göttlichen
Namens, die Herstellung des (lottesreiches stehen, namentlich bei dem
Propheten Ezechiel. in engster Verbindung mit der Wiederbelebung
der Toten, zweifellos wurde auch iJr'^cn: auf die Trostreden bezogen.
Im Anschluß an diese tatsächlichen Zusammenhänge bildete sich die
mystische Vorstellung von der Wunderkraft der Rezitation der Kad-
discheulogie für Lebende und Tote (vgl. b. Schab. 119 b und T. d. B.
El. XX), ja sogar dem Sprechen der Responsen wird schließlich
die Kraft der Einwu-kung auf den göttlichen Ratschluß zugeschrieben.
Damit vereinte sich die andere Vorstellung, daß es Kindern obliegt,
für das Seelenheil der Eltern einzustehen. Die Möglichkeit hierzu
Süll ihnen die Teilnahme am Gottesdienst, der Vortrag gewisser Clebete
geben, nach der mystischen Akibalegende insbesondere der Vortrag
solcher hymnischen Gebete wie Kaddisch und iD"^n. Hier handelt
es sich noch lediglich um das liturgische Kaddisch, aber daraus ent-
stand allmählich die Sitte, daß die Söhne nach dem Tode ihrer Eltern
ein Jahr lang Kaddisch sagten. Die Sitte hat in D e u t s c h 1 a n d
ihren Ursprung und begann in der Zeit der großen Judenverfolgungen.
Dem Machsor \'itry ist sie noch völlig fremd, auch Eleasar aus Worms
(um 1200) drückt sich noch sehr vorsichtig über diesen Punkt aus.
Isaak Or Sarua (1220) aber berichtet bereits, daß in Böhmen und am
Rhein Waisen am Schlüsse des Gottesdienstes Kaddisch sagen, während
man in Frankreich nicht darauf achte, wer das Kaddisch spricht; er
tadelt das unter Hinweis auf jene Form der Legende, wonach R. Akiba
einen zur Höllenpein verurteilten Vater dadurch rettete, daß er seinen
Sohn das Kaddisch lehrte und es ilm in der Synagoge zu spreclien
veranlaßte. Zwei Jahrhunderte später tritt uns dann bei Jakob Möllin
zum ersten Male der Begriff ..Jahrzeit", d. h. die Feier der jährlichen
Wiederkehr des Todestages der Eltern durch Kaddischgebet, entgegen.
Die Sitte des Kaddisch im Trauerjahre und an den Todestagen ist
nel)st der Bezeichnung Jahrzeit dann allmählich von allen Juden der
96
Beschreibung des Gottesdienstes
Welt übernommen worden. Bindende Vorschriften darüber kennt
keines der älteren Ritualwerke, auch nicht der Schulchan Aruch;
doch was die Halacha freigelassen, hat die Pietät geheiligt, das Kad-
disch der Trauernden ist eine der verbreitetsten und am treuesten
beobachteten religiösen Institutionen geworden. An Protesten gegen
die Auffassung des Kaddisch als eines Gnadenmittels hat es nie
gefehlt.
5. Aus der Art der Verwendung ergaben sich di'ei Arten des Kad-
disch: Voll kaddisch übw ffi^^p (iiirn ,ni'a;i) hieß das Gebet, wenn
es mit bnprn und i^m ii'abir' i?ni vorgetragen wurde, d. h. am
Schlüsse des Gebetes; Halb kaddisch hingegen, 'ir"'"p ^::n ,("iDn 'p
i5-JlT), reichte nm- bis i^iabrn ■i"i"''ai?'i. Das Kaddisch der
Trauernden wiederum aini ir^np (bli?) war VoUkaddisch mit
Weglassung von bsprn, es wird nach dem Abschlüsse des Gebetes
hinter der Rezitation der jungen Zusätze wie M'C^ usw. (S. 80 f.)
gesprochen. Eine besondere Spielart dieses Kaddisch heißt psn"! tüi'ip,
es wird von Trauernden im Anschluß an Talmudvorträge gesprochen
und entsteht durch Einfügung von 'Hin riinir"' TJ vor 5?3i niarir S""»;
auch diese Einfügung ist keineswegs älter als der Abscliluß des Tal-
muds. Infolge der Verwendung in der Synagogenhturgie wurden auch
Responsen für das Kaddisch eingefülu't. ?\ach Sifre a. a. 0. soU der
Vortrag derart sein, daß auf i!:n "'a'C s?ni die Gemeinde mit 3b7b
«■''aby "i'aS'bl einfällt; das aber wurde später nicht befolgt, vielmehr
mußte die Gemeinde den ganzen Satz S3"i rrar i?"i wiederholen, die
Mystiker haben bereits im Talmud der Responsion ganz unvergleich-
liche Wirkung beigelegt. In den späteren Jahrhunderten wurde die
Wertschätzung derart übertrieben, daß bei allen Gebeten für den-
jenigen, der am Gottesdienste der Gemeinde nicht teünelunen und,
da es nur dort rezitiert wird, das Kaddisch nicht hören kann, ein
Ersatzgebet geschaffen wurde, in das die Mystiker den Satz
xan n'QTr 5?ni hineinzubringen wußten. Außerdem kam als Response
das wiederholte "^5? der Gemeinde hinzu; es wüd nicht m allen Gegenden
an den gleichen Stehen gesprochen, und das ist ein Zeichen des späten
Ursprungs.
6. Der Text des Kaddischgebets ist zuerst vollständig in Amr,
gegeben. Daß der Text eines so viel benutzten Gebets im Laufe der
Zeit den verschiedensten Wandlungen unterworfen war, braucht nicht
erst gesagt zu werden, es muß jedoch bemerkt werden, daß der Text
Kaddisch 97
der ersten Hälfte, des sooonaiinten IIall)k;uldiscli, bei weitem nicht
so viele V a r i a n t e n aufweist wie derjcnif^e der zweiten; ein weilerer
Beweis dafür, daß die zweite Hälfte jünj^erer Zusatz ist. Der Text
von Amr. ist in denn, und It. ziendich unverändert erhalten geblieben,
während die anderen Kiten zahlreiche Al)weichun^(Mi l)ictcii. Die
Textvarianten sind l)ei Pool sehr sorgfältig zu jedem Salze zusanunen-
gestellt, hier sollen nin- diejenigen von allgemeiner Bedeutung genannt
werden. Die messianische Bitte am Anfange ist in Seph., Rom., Yem.
weiter ausgebildet worden, sie lautet in ihrer vollkommensten Form:
n^niina mp^i [n-^bD^n bbDCiT] ni:pnE n-c'i^^,, die in Klammern
gesetzten Worte fehlen bald im einen, bald im anderen Ritus; die
Mannigfaltigkeit der Textgcslalt (Pool. S. 26 bis 38) erweist die Sätze
als jüngere Zutaten. Auch in HDi "isr"', das selbst eine Ausarbeitung
der vorangehenden Eulogie ist, hat die ohnehin große Fülle der syn-
onymen Verben Umstellungen oder eine geringe Vermehrung erfahren
(Pool, S. 54); dasselbe ist beibnprr der Fall (Pool, S. 65 f.). Sehr, zahl-
reich hingegen sind die Zusätze in den beiden letzten Bitten dadurch
geworden, daß sie ausschmückende und erweiternde Bearbeitungen
erfahren haben (Pool, S. 69 f., 75 f.); in Seph. und Rom. wird neben a"'"'n
eine große Anzahl von Heilsgütern erbeten, alle in hebräischer Sprache,
was sich in der aramäischen Umgebung ohne weiteres als nachträglicher
Zusatz erweist. Gering an Zahl und Bedeutung sind die Varianten zu
:S7C^ br (Pool, S. 89). Als Variante hierzu kann das Äi^p^is b7l nc^ b"
angesehen werden, das dem Gebete für das Seelenheil der Verstorbenen,
r.nDrn, wie es Seph. bietet, entnommen ist; es wird in Reformgebet-
büchern zur Herstellung des Kaddisch der Leidtragenden einge-
schaltet, das auf diese Weise eine direkte Beziehung auf die Verstor-
benen erhält, die ihm in der traditionellen Fassung fehlt.
7. Neben den Textvarianten sind auch Erweiterungen
des Kaddisch zu erwähnen. Am Anfange, in der Bitte um das baldige
Kommen des Gottesreiches „bei Lebzeiten der Gemeinde", wurde
der höchsten Würdenträger besonders gedacht. In einem alten Be-
richte über die Amtseinführung der babylonischen Exilarchen wird
mitgeteilt, daß beim Festgottesdienst in das Kaddisch die Formel
rx^-r-' r'2 :2-: ■^■•nm "iiDiinm n'::^ Ci?'" irx-^c: """«nn eingefügt
ward, in der Geniza zu Kairo haben sich Fragmente gefunden, aus
denen sich ergibt, daß die Sitte ständig in Übung war, daß
bei jedem Kaddisch des Exilarchen mit Namen gedacht wurde,
El bogen. Der jüd. Gottesdienst. '
gg Beschreibung des Gottesdienstes
daneben auch der leitenden Männer an den großen Akademien in
Babylonien und in Palästina ; so lautet ein Text ~b- 3- r 55"i lis^iir: ■•■inn
'131 "i^^^nm T-c''\ br nnit"^" ri^'i i'^nS", ein anderer "r:i~5< ^"nn
nnTTi 255 inzn r.r:r irn^ ^■^nmnp;?-' i-ss rn^ir^ rs«-! ]nrn ^r^ns«
. . ."ji^iinni rmnnn ■^f'^brn pi-i 'in-i ^-^nn^ Mcht nur bis ins XL
Jahrhundert dauerte der Brauch fort, auch noch ein Jaluhundert
später wii'd berichtet, daß die Gemeinden in Yemen M a i m 0 -
n i d e s ilire Ehrfurcht dadurch bezeigten, daß sie im Kaddisch
seiner gedachten "21 y,)2^'''c in nr'a s^rn— ; ^"inn. Es ist bezeich-
nend, daß dieser Zusatz mitten im aramäischen Text liebräisch
geblieben ist. Ungleich zahlreicher sind die Zusätze am Ende, meist
weitere Ausführungen der drei letzten Sätze, meist in aramäischer
Sprache, die freihch oft durch hebräische Worte unterbrochen wird.
Der größte Teil ist im Ritus von Cochin erhalten. 1. i^r'^'p i:nrr
(Text bei Pool, S. 108), 2. i«r-C5? n:T:T und 3. ^rrr ^r^^ (das. S.
13, K 12), 4. -'r"r' ".vr nebst 5. zrrz "nrrr. 6. ein gereimtes
Stück, in:£""i "'rp hinter '^l'prr und endlich ein weitschweifiges
2V:r nt'ir nebst n'-u:: -p-^i-;.
Auch in einzelnen Gemeinden vonSeph. ist am Schlüsse der Feste
die Einfügung von 'T^r' ■;"" üblich.
B. Die übrigen täglichen Gebete.
§ 13. Das Minchagebet.
Literatiu-: Herzfeld, S. 184. 187.; Art. Minhah Prayer in JE VIII. 596 f.
1. -n:rn rb&n (Ber. IV, 1), aram. nn:a"t &5r':::. Die Be-
zeichnung „Mincha" führt auf den Ursprung des Gebetes, das vom
IN'achmittagsopfer abzuleiten ist. Man unterscheidet für das Gebet,
genau so wie für das Opfer, nb^ia nniü von 6V2 Stunden ab und
n:-jp r.n:)2 von 9 7.^ Stunden ab (vgl. Pes. V, 1 ; b. Ber. 26 b). Will
man den Unterschied auf die Bibel zmückfüliren, so müßte an S"»""-::
Ps. 5518 und n-1" rr,:i2 Ps. 1412 als Gebetszeiten erinnert werden.
Die gewöhnliche Gebetszeit im Tempel zu Jerusalem wax die neunte
Stunde (vgl. Akt. 3l r^ c'oa rr^g 7rQoaeixi]g 1] eväii^). In manchen
Ländern wurde rc'ij "n:^ gebetet, so geschieht es noch heute fast
überall an Sabbaten und Festtagen, in Itahen und im Orient vielfach
auch an "Wochentagen. Schon früh wm-de indes mit Rücksicht auf
die Erwerbsverhältnisse im Morgen- und im Abendlande ]\Iincha auf
Mincha-, Abciuigebul 9i)
die Zeit kurz vor Eiiibriicli der Xaclit verlej^l und mit dem Abend-
gebet vereinigt; regehnäliig gcseliaii das am Kingang der Sabbalc
und Feste.
2. Das Gebet für Mincha bildet die T e f i 1 1 a , die genau so wie
im Morgengebet zunächst still gesprochen und dann laut wiederholt
wird. Verschiedenheiten haben nur an zwei Stellen stattgefunden.
Zunächst wurde in manchen Gegenden in XVII der Anfang mit ni-)
weggelassen (S. 56); ferner fiel der Priestersegen aus, infolgedessen
wurde in Germ, in XIX nn 2f:ir statt 2V:r z^r gebetet (S. 59).
Der Tefilla geht nach der übereinstimmenden Angabe aller Quellen
Ps. 145 m der üblichen Fassung voraus. Durch Jona Gerundi (XIII.
Jahrhundert) wurde auch der Abschnitt über das tägliche 0])fer
(Xum. 28 1 — 8) und ni:pri z-'-je (S. 80) eingefülu-t, Sepli. und It. haben
das angenommen und schicken überdies Ps. 84 voraus. V. setzt Ps. 5 8
Tncn n"'^ ■'rST voran; in (ierm. ist das alles nie in den Gemeinde-
gottesdienst gekommen, sondern nur von emzelnen gesprochen worden.
3. Xach der Tefilla wii'd ";i;nr gebetet, wie am Morgen; V.
hat lüerfür einige besondere Techinnas, die mit den bei Amr. für den
Morgengottesdienst mitgeteilten identisch sind. Da das Mincha-
gebet häufig erst kurz vor Einbruch der Xacht verrichtet wurde,
konnte es bisweilen an der nötigen Zeit mangeln, es in der vorge-
schriebenen Weise vorzutragen. Für diesen Fall wurde schon von
den Geoniin empfohlen, ]i:nr fortzulassen, wenn es sehr spät war,
sogar die Wiederholung der Tefilla abzukürzen.
Am Vorabend eines festlichen Tages fällt zu Mincha "jirnr aus.
Als Eigentümlichkeit wu-d aus Katalonien berichtet, daß es am Freitag
Abend Sitte war, nach der leisen Tefilla r-^ip zu sprechen; ob das
darauf zurückzufülu-en ist, daß ursprünglich die Wiederholung der
Tefilla ausfiel, läßt sich nicht mehr ergründen. Wo das Minchagebet
gesondert gesprochen wird, scliließt es mit irb" (§10, S. 80 f.).
8 14. Das Abendgebet.
■et '^
Literatur: Landshuth. S. 218 ff.; Baer. S. 163 ff.: Herzfeld, S. 184 f.;
J. Levi, Frag-nients de rituels de priores etc. iu KEJ LUE, 231 ff.;
A Büchler in JQR XX, 799 ff". Art. Ma'aril) in JE VUI, 233 f.
1. n^rn r'-^r (Ber. IV, 1), r-n-:-. z-rn (Ber. I, 5, 7). n^-na
oder z-^n-j (Ber. 1 1), Aus den Einrichtungen des jerusalemischen
Tempels läßt sich das Abendgebet nicht herleiten, denn der Tempel
IQQ Beschreibung des Gottesdienstes
wurde abends geschlossen, und es fanden nachts kerne Funktionen
darin statt. Es ist vielmelu" das natürliche Bedürfnis nach einem
Naclitgebete, dem das Maarib seinen Ursprung dankt. T^Drn Dt. 6 7
ist die biblische Anlehnung, otvote Tcqbg vuvov ojqcc vgeTiEüd^ai.
nennt Josephus (Ant. IV, 8, 13) die Zeit dafür. Zu Beginn der christ-
lichen Zeitrechnung ist das Gebet bereits allgemein eingeführt, aller-
dings fand ein Gemeindegottesdienst am Abend nicht statt, es war
vielmehr das Xachtgebet des emzelnen. Nachdem für Maarib ein
Gemeindegottesdienst eingeführt war, wurde er bei Einbruch der
Dunkelheit gehalten, vielfach, um es der Gemeinde zu erleichtern,
mit Mincha zusammen. Daß auf vollen Eintritt der Xacht gewartet
wurde, gehörte zu den Seltenheiten.
2. Den Kern des Gebetes bildet das Seh m a mit zwei voraus-
gehenden Benediktionen wie am Morgen und, darin abweichend, mit
zwei, die nachfolgen (Ber. I, 7).
In allen bekannten Texten seit Amr. beginnt das Abendgebet
mit Ps. 7838 und Ps. 2010 {'VjI ainn s?im). Von den verschiedenen
dafür gegebenen Begründungen ist die einleuchtendste, daß die Zeit
bis zum Eintritt der Xacht ausgefüllt werden und daß unserem Ge-
bete wie den anderen einige Bibelverse vorausgehen sollten. V. hat
außer den genannten Versen auch Dt. 431 und für sämtliche Verse
alternierenden Vortrag zwischen Vorbeter und Gemeinde. Seit dem
XVII. Jahrhundert werden den Versen bisweilen Ps. 134 und nach
kabbalistischen Angaben eine Gruppe von Bibelstellen vorangeschickt,
so in Seph. und It., in Germ, nur, wenn Maarib wkklich nachts ge-
betet wü'd.
3. Das erste Stück vor Schma entspricht "^'S -::"■' (S. 16 f.),
es ist nicht ausgeschlossen, daß beide in alter Zeit einmal den gleichen
Wortlaut hatten. B. Ber. 11 b wird daraus von Abbaje (IV. Jahr-
hundert) ms ^:sr lfm ^ffin -"^bto ms? bbiü, das. 12 a (anonym)
die Eulogie a^ni7 ^'^''^y'n zitiert. Die Texte in den Ausgaben stimmen
bis auf geringfügige Kleinigkeiten überem; Amr., Germ, (schon V.),
Rom. und It. haben am Schluß das von Abudr. entschieden ver-
worfene und auch in Seph. fehlende "i'),'] a^'pi "^n bs5 tott nssn:: 'i.
Eine piutartige kürzere Formel ist REJ, L III., S. 234 f. mit-
geteilt.
4. Über den Anfang von abi7 rnns vgl. oben S. 20. Auch
hier stimmen die Texte bis auf den Schluß überein, die Abweichungen
Abendgebet 101
sind nicht von HcdiMitiinp^. Der Inhalt ist weit iMiihcitlichcr als der
von "2" "nnx im Mor^vnffchot, vr bezieht sich ledif^iich auf die Offen-
l)ariiiii; und rechtfertigt den Xamen nmr rD"^2, s. oben S. 20,25.
5. Von den drei Abschnitten des Schnia wurde der dritte ur-
s|trnniTlich am Abend nicht rezitiert, ^'""'i i?rs :~r'. tu '"2S"'' (Ber.
II, ."5). In Palästina war dieser jirauch in amoräischer Zeit noch all-
gemein (j. Ber. WK h. 14 1)), während der späteren Jahrhunderte in
vielen Gemeinden verbreitet (Hai. Ged. 23). Der Iidialt des letzten
Satzes, die Erwähnung- des Auszuges aus Ägypten, wurde auch am
Abend zum Ausdruck gebracht, dafür besitzen wir das Zeugnis des
Josephus (das.) und seines jüngeren Zeitgenossen Eleasar ben Asarja
(Ber. I, Ende). Die überlieferten Formeln dafür lauten "ünix ^•'-"S
1T2r b r"---": s-'isr r-^nr: irr-^isi z^-^-^-q-c "zr^-^T^z ■;: (j. Ber. 1 9
fol. 3 d), oder irr^is^ z"'-^r t^sjü i:rü2imr 's 'i Y- ":n:s« z-^i'-q
i7 ^rr^ z-^n br n^^n^n a^c: i:: r^rri 2^-;nr r^n^ (b. Ber. 14 b).
womit wohl zu hdi^d "»12 und zur nb^s^ übergeleitet wurde. In
Babylonien hingegen war bereits um 300 das Weglassen von ^'as«"'"
völlig unbekannt; dort war daher auch die zur rcimy überleitende
Formel anders und derjenigen des Morgengebetes angepaßt. Schon
vorher hatte Hab für den Abend rirrsi rrs vorgeschrieben. Der
Text ist seit Amr. in allen Riten gleichlautend, zum größten Teil an
Psalmversc angelehnt. Der Übergang von rcf22 ■'^ zu ii'C' "i lautet
bei Amr. ebenso wie der in Pal. für das Morgengebet (ob. S. 24); in
Vulg. aber findet sich allgemein der aus Germ, bekannte Text mit ge-
ringfügigen Abweichungen, in Seph. iD'ib'cm Tiin z^D "in* ähnlich
dem am ]\Iorgen gebräuchlichen Wortlaute. Eine von allen bekannten
abweichende Formel hat Saad. ; eine andere piutartige, vielleicht
palästinischen Ursprungs, in REJ a. a. 0.
6. Das Abendgebet hat im Gegensatz zum Morgengebet hier
noch ein viertes Stück i:n"'2Tr-, im Talmud sr^-^ii« nb^Sj genannt
(b. Ber. 4 b, 9 b). Der Grundtext von Amr. ist in allen Riten mehr
oder weniger erweitert, am wenigsten in It., am meisten in Seph. Ein
kurzer Text, der lediglich eine Bearbeitung von Ps. 49 nn-' i'rrs
-r-'i«: -2zrs enthält, wiederum in REJ a. a. 0. Als Eulogie findet
sich in allen Gebetbüchern "rb bs"'!"' iizy nrir, die Form.el geht
auf Midr. zu Ps. 6l zurück, wo allerdings der Text nicht über jeden
Zweifel erhaben ist. In Pal. jedoch lautet die Eulogie 2"br rrc r-'En
p-'bcin^ nrm 1^2 2n:i2] (3^br^n^ bji) bj^nc^ i72- bz br- "-br,
102 Beschreibung des Gottesdienstes
wie in Vulg. nur an Sabbaten und Festtagen. Das ließ j. Ber. IV 5
(8 c) -3^nn ^^":;" i-^y^EP^ nT^sn :Dr rr n-^srrb '.^^.2 ^inta n n^at?
b-1 is-ibr sibir i-Dic ü-iiB S''»"!» ns-^-ipn .... n^Erm :7^ir nsi^'ipn
a'^bm'^ bn bi?nr'' Tai? mit seinen zahlreichen Parallelen in den
Midrasehim vermuten ; Genisatexte, die die Formel im Wortlaute des
täglichen Gebetes bringen, haben die Vermutung zur Gewißheit ge-
macht.
7. Die Eiufülu'ung einer Bitte an dieser ungewöhnlichen Stelle
hat iliren Grund darin, daß das Stück einen Ersatz für die T e -
f i 1 1 a bieten sollte. Solange Maarib em wirkliches ^achtgebet war,
konnte nur die eine Bitte um Schutz in der Nacht hier Platz finden,
andere hatten keinen rechten Sinn. Aber schon sehr zeitig wurde
das Gebet auf eine frühere Abendstunde verlegt, und es wurde wie
bei den anderen zwei täglichen Gebeten auch hier die Tefüla einge-
führt, vielleicht nach der Zerstörung des Tempels als Ersatz für
die dort zu E'^iriT rb"'": (§ 34) üblich gewesene. Allein die
Abendtefüla wm'de als freiwülige Leistung, nicht als Pfhchtgebet
beti-achtet (mp nb "i^i? inrn rz^r Ber. TV, 1; r^t'n r-^nnr r'^tr
b. Ber. 27 b, j. IV l,f. 7 d), und wenn auch R. Gamliel deswegen den
gewaltigen Konflikt mit R. Josua entfesselte (um 100), so blieb doch
zunächst und auch trotz später erneuten Widerspruchs für alle Zeiten
die iVnschauung siegreich, daß die Abendtefüla freiwilliges
Gebet war. Sie wh'd infolgedessen vom vorhergehenden Gebet diu^ch
^"'"'p getrennt und nicht laut wiederholt. Sie wurde aber auch lange
Zeit beim öffentlichen Gottesdienste überhaupt nicht verwendet, viel-
melir wurde ein Ersatz für sie geschaffen.
8. Ein solcher liegt heute noch in dem Stücke liasi ab-rb '" "T'iD
iri?'! vor. Das ist eine Sammlung von Bibelversen, vorzugsweise aus den
Psalmen, von Bibelversen, die den Gottesnamen enthalten und die
18 Benediktionen der Tefüla zu ersetzen bestimmt sind. Daß das
Stück einen Ersatz für die Tefüla bietet, darüber herrscht unter aUen
Berichterstattern Einstimmigkeit, nur über die Veranlassung zu seiner
Einführung gehen die Meinungen auseinander. Nach einem Teüe der
QueUen stammt das Stück aus B a b y 1 o n i e n und fand dort Auf-
nahme, weü man in den Synagogen, die weitab von der Stadt lagen
(vgl. § 48), die zu spät erschienenen und mit üirem Gebete noch nicht
fertigen Leute in der Dunkelheit aUein zu lassen Bedenken trug.
Nach anderen wiederum ist e« in einer Zeit der Religionsverfolgungen
I
Abendgebet 103
eingefülirt wordon, als es vorboten war, die Tefilla zu s|)reclieii; allein
eine solche Verfolgung läßt sieh mit Sicherheit nirgends nachweisen.
Es fehlt auch nicht die ^leinung, daß durch die Einführung von Tiia
:':"r':: i die Zeit gespart werden sollte, die sonst für die Tefilla not-
wendig war; wir finden auch anderweitig Einrichtungen, die darauf
abzielen, eine unnötige Ausdehnung des Gebetes an Wochentagen
zu vermeiden. Endlieh muß ein Bericht erwähnt werden, der, aller-
dings ohne nähere Quellenangabe, die Entstehung des Stückes nach
Palästina verlegt. Möglich wäre es, daß in einem der beiden
Länder die Tefilla, in dem anderen der Ersatz dafür üblich war, und
so ließe sich erklären, daß wir in allen Riten von Amr. an beides
vereint finden, die Tefilla nebst dem vorangehenden Ersatz für sie.
In den meisten Riten freilich wii-d zb'~b '1 "J^^^ leise gesprochen,
ehie letzte Spur davon, daß es ursprünglich nicht zum Gebet ge-
hörte.
Über die Entstehungszeit herrscht wiederum Einstimmigkeit.
Wo die Berichte nicht so gehalten sind, daß ihre Unmöglichkeit sofort
in die Augen springt, wird die Abfassung in die nachtalmudische,
genauer in die saboräische Zeit verlegt. Mit dieser Angabe stimmt
der Inhalt sehr wohl überein. denn auch andere Gebete, die eine solche
Zusammenstellung von Bibelversen enthalten, gehen auf jene Zeit
zurück.
Prüfen wir den Text näher, so ergibt sich, daß die Verse in allen
Riten die gleichen sind, die Reihenfolge ist allerdings nicht immer
dieselbe. Aber keiner der uns vorliegenden Texte weist wirklich 18
Schriftstellen auf. meist sind es nur 15 oder 16. Ob und wie die fehlen-
den zu ergänzen sind, läßt sich nicht sagen; erwähnt soll hier werden,
daß in handschriftlichen Gebeten, z. B. auch im Siddur Saadjas,
Ob. 21, Ps. 1202, 1506, Jes. 4517, I. Könige 857 sich finden. Mög-
hch ist auch, daß die Sätze a:^n '" '^^^n und Y-^ '" mitgezählt wurden,
die zwar nicht Sclu'iftverse, aber doch solchen ähnüch smd. Femer
muß hervorgehoben werden, daß das Gebet, wie es uns vorliegt, einen
doppelten Abschluß hat. An die Reihe der Schriftstellen schließt
sich unmittelbar r^rm*:: -rnbi« an. ^rr~ 'S^^ bildet aber einen
zweiten Abschluß mit ähnhchem Inhalt, mit einem messianischen
Ausblick. In It. fehlt "rr" ■S'\ und der Schluß lautet ganz kurz
n"j:b 2"'"'p" -rr '■; in Rom. wiederum whd neben 7r:"r ^S"^ ein
1Q^ Beschreibung des Gottesdienstes
Schluß mit ITCb :3i riE bD 'S '- tV:::-i zur Auswahl gestellt, der
mit dem von It. inhaltlich identisch und nm* eine weitere Ausführung
davon ist. Auffallende Abweichungen zeigt auch die Eulogie.
Samuel ben Meu- (um 1130) hielt eine Eulogie an unserer dm'ch die
alten Quellen nicht zu begründenden Benedüvtion überhaupt für unstatt-
haft, und eine große Anzahl von Autoritäten aus Franki-eich und
Spanien mi XIII. und XIV. Jahrhundert schloß sich dieser Meinung
an. Auch Maünonides soll sie geteilt haben, und Pers. hat in der Tat
keine Eulogie hinter dem Gebete. Andererseits hat Rom. zwei ; hinter
irr" is^"^ die übliche rr'zv Y:^"^ s«^ri -r)2r ziyi -^n i-^nra Yrrn
n::;":: vv:"'a bj b"T ""i sbirb, die verkürzt in Amr., Germ, und Seph.
wiederkehrt, hinter ^'cbn'^ wiederum eine andere, die an It. anklingt.
In It. lautet sie kurz rr^l': a'^pl ^Tb Ti bsi ""~r, d. i. wortgetreu der
Anfang von Saadjas Eulogie i^r nmür n:::b 2^pi n^b ■'n bs Y^^
"i^zs« "ir"i :'n"":: Y"^^ ""^'cr, aber Saadja hat auch die andere, denn
in seinem Siddur whd z"::^^"":: '" ']:''n nicht nur an Wochentagen,
sondern ini Gegensatz zur Meinung der babylonischen Geonim, auch
am Freitag Abend verwendet und schließt dann '-r)2r, TTilzl Y^TC"
^icüi "IJ'I abll^b. Einen von allen Riten vollständig abweichenden Text
bietet Maünonides. Auf irn^DtDri folgt abl"b n linn mit Ps. 31 G.
imn "ipsx TT'S; außerdem aber, so fälu't er fort, pflegen Verein-
zelte (2"~ r'2'p)2 ijnr), m die Mitte der Benediktion eine Reihe
von Bibelversen einzuschalten; es folgen dann 5 Verse, die auch in
ab^^b n T:-"n vorkommen, der Abschluß "i^u "n^ a'^mc M-^rc^
irby "^l^p", dann wiederum 9 Verse, .":^:pn '- ■j-'n 2rn '- T"2
7rr'52i?m 'T^pinn n^^icr nbo Y^^bn: i^-cr und der Schluß Y-^n
HDl Y'^^ l^'sr a^^pT "^n l^nnrn. Bei der sclüechten Verfassung, in
der uns Maimonides' Gebettext vorhegt, ist nicht ganz klar, ^vie die
von ilun erwähnte Einschaltung zu denken ist, ob die Eulogie am
Schlüsse ausschheßlich zm* Einschaltung gehört oder auch bei nicht
erweiterter Benedilvtion zur Anwendung kommt; bemerkt muß
werden, daß auch in Pers. die Reihe der Bibelverse wie bei Mahn,
mit I. Könige 1839 beginnt, und daß auch Yem., der treue Hüter
der maimonidischen Tradition, diesem Verse nur ab^rb '- ^"nn und
abi"" '1 i:;x:"i vorausschickt.
Suchen wir auf Grund all der hervorgehobenen Eigentümhch-
keiten, die uns bei dem Gebet vorliegen, eine Erklärung, so dürfte sieh
folgendes ergeben. Hier scheinen zwei ganz verschiedenartige Gebete
Ab('n(lp(^l)('t 105
zusanunongot'losson zu sein. Ziinäclist ein N achtgebe t. Eine
l^cilio von Versen heziehl sieh l'raghjs juil" eine vorangegangene oder
folgende Bitte nm Schntz in der Naeht; besonders aus (h'r Anordnung
bei Mainionides und dem handschriftüchcn Sickbir Saadjas ergibt
sieh das mit Khirheit. Das Xachtgebet hätte dann mit dem eigent-
lichen Abendgebet niclits zu tun, es wäre eine spätere Hinrichtung
aus der Zeit, wo das Abendgebet sclion kuiv, nach Sonnenuntergang
verrichtet und ein Xachtgebet unmittelbar vor dem Schlafengehen
eingeführt wurde. J)er andere Teil (h's Gebetes wiederum erweist
sich als eine Bitte mit m e s s i a n i s c h e m Aus 1)1 icke; der
ganze Inhalt von i:"':"^y tsJ^i bezieht sich auf das Ersciieinen des
(Kittesreiches. Von diesem (lesichts|)unkte aus begreifen wir es. dal.) das
Stück unabhängig von den voraufgehenden Hibelversen bei Saadja
auch am Eingänge des Sabbats vorgetragen wurde, und daß in den
ältesten Quellen über unser Gebet wohl von abi""^ "1 Tinn, aber nicht
von i:'':"'^ "ISJ"!"^ gesprochen wii'd. Vielleicht läßt sich die Einfügung
einer Bitte mit messianischem Inhalt an so ungewöhnlicher Stelle
folgendermaßen erklären. Im alten ])alästinischen Ritus lautete die
Schlußformel von irn^Drn, wie oben bemerkt, crn^ n:i31 "i^:: anr^a
oder 'bin^"» b:7i . . . irinsn. Ebenso berichtet der Midrasch zu Ps.
147, daß die Schulkinder am Abend den Vers r^MC^ IT^S^ 'p"^ i'a
"rsnri vortrugen. Als mm aber in Babylonien jene Eulogie beseitigt
und an ihre Stelle die neue i:?':: 'iiL'i 112~ "irTC gesetzt wurde,
sollte für das ausgefallene messianische Gebet ein Ersatz geschaffen
werden. Einen solchen hätten wir in 12"':">7 IXT^ zu erblicken,
wobei jedoch nicht übersehen werden darf, daß die Eschatologie in
■":"':t ^S""» in zu klassischer Form erscheint, um allzu spät entstanden
zu sein. Solange wir nicht alte Texte, die die beiden Teile des Gebetes
getrennt darbieten, auflinden, werden wir über derartige Vermutungen
nicht hinauskommen. In jedem Falle begreift man es, wenn noch
Isaak ibn Gajjat (XI. Jahrhundert) in dem Stücke irr 7 ii5T' ein
fremdes Element sah und nicht gestatten wollte, das Gebet damit
zu unterbrechen.
9. Auch auf die Tefilla des Abends folgte in alter Zeit y:r>r.
Das ist eine Bestätigung für die obige Erklärung, daß "jlinr das
Privatgebet ist, welches dem Gemeindegebet folgte. Von den baby-
lonischen Geonim wurde es gestattet, wenn auch nicht gerade ge-
fordert, aber im Ritus des Exilarchenhauses und im Siddur Saadjas
IQQ Beschreibung des Gottesdienstes
war ■(":"- auch am Abend voi-geschriebeu. Aus den uns vorliegenden
Gebetbüchern ist es verschwunden, aber Spuren davon haben sich
doch hier und da erhalten. So bringt V. wie am Schlüsse des Morgen-
gebetes rn'^p~ zvjs und Ber. 1 5, jedoch fehlt dort der tägliche
Psalm, ihn finden wh' in It. und Seph., wenn auch am Anfang des
Abendgebetes. Andere haben wiederum Ps. 83 oder 124 als Schluß
nebst T~r5?3 ■(■'i? und r^-jp- ü'^je. Alle genannten Zutaten können
auch fehlen. In den letzten Jalu-liunderten hat Germ, ziemlich will-
kürlich hinter "r:" einige Psalmen eingeführt, meistens mit Rücksicht
auf das "li^-ip für die Trauernden.
<ap. II. Der Gottesdienst an ausgezeichneten Tagen.
A. Der Sabbatgottesdienst.
§ 15. Eingang des Sabbats.
Literatm-: Landshutli, S. 248 ff.; Bacr, S. 178 ff.; Herzfeld, S. 209:
U)sentl\al iu Graetz, Gesch. IV ^ S. 470; Berliner, Randb. I, 43 ff.;
^Ibog'en, I., Eingang und Ausgang de.s Sabbats in Lewy Festschr., S. 17r{ff. ;
Vlishcon A., Studies in tlie Liturgy, II iu Jew. Rev. I, 358 ff.
1. Am Eingänge des Sabbats fand in der ältesten Zeit ebensowenig
;\ie an anderen Abenden öffentlicher Gottesdienst statt. Vielmehr
kvurden zur Feier des Tages von den religiösen Genossenschaften (rniian)
gemeinsame festhche Mahlzeiten gehalten. Sie nahmen ihren Anfang,
^venn es noch heller Tag war; beim Eintritt der Dunkelheit wurden
>ie unterbrochen, vom Haupte der Tischgesellschaft wurde bei einem
Becher Wein das Gebet ziu- Weihe des Tages am ni2?l"ip gesprochen.
Im übrigen verrichtete ein jeder das übliche ^achtgebet für sich,
mancher mit einer besonderen Hinzufügung, die auf den Sabbat Bezug
liatte. Eine solche wu'd von R. Zadok mitgeteilt -rribs '" Trins''2
■:': rr: fpi^n -«rn ':" rb'amr iSDbu ^rbicn-üi T^r mr"! ri? rnns^r
ri^-i^n nrn ■r-'-p-" b":-."" ir-^srn a'"! rs« 5«"~ (Tos. Ber. HL 7 p.
6 2-2 ff.) Erst vom Beginne der amoräischen Zeit an, und in Babylonien
früher als in Palästina, wurde auch am Freitag Abend Gottesdienst in
der Synagoge gehalten und bei diesem nach Beendigung des Ge-
betes imp^ die Weilie des Tages gesprochen. Die Tendenz ging
sogar dahin, den Gottesdienst länger auszudehnen als an anderen
Tagen. Bei der weiten Entfernung der Synagogen Babyloniens von
den Städten und bei dem dort herrschenden Aberglauben fürchtete
man sich, in der Dunkelheit allein oder in geringer Anzahl in der
Synagoge zu bleiben. Viele gingen am Freitag, solange die Zeit es
irgend gestattete, ilu-er Arbeit nach und erschienen erst spät beim
Gottesdienst, sie holten in stiller Andacht das Gebet nach. Um
sie nun nach Beendigung des Gemeindegebetes nicht allein zurück-
jQg Beschreibung des Gottesdienstes
lassen zu müssen, wurde es durch einige Zusätze verlängert; so
wurde, um nur die bekannteste Einrichtung zu nennen, für den Eingang
des Sabbats eine Wiederholung der Tefilla eingefülu-t, die sonst am
Abend nicht üblich war. Auf diese Weise ist der in allen Riten
gleichartige Gottesdienst am Freitag Abend entstanden.
2. Ein dem Mittelalter noch fremdes Element leitet den Sabbat-
gottesdienst ein, rsir r'':2'p; es stammt aus dem kabbalistischen
Kreise, der in Safed gegen Ende des XVI. Jahrhunderts ebenso nach-
haltig wie verhängnisvoll auf das jüdische Leben einwii'kte. Die im
Talmud mitgeteilte bildliche Huldigung einiger Lehrer an die „Prin-
zessin Sabbat" nrc^n mir rj^^pb i«-^:i is«n (b. Schabb. 119 a) wurde
in jenem Ki'eise wörtlich genommen. Man ging mit einigen Ge-
nossen unter dem Zuruf ,,Auf, laßt uns den Sabbat empfangen"
hinaus ins Freie und sang dabei die Psalmen 95 — 99, dann Ps. 29. zu-
letzt ein Lied mit dem Refrain "»"l" "Db und dem Schlüsse ""i^'n
55rD"::"a rniL' aibir":; n^D "^iiil nbD. Solcher ^"i" nDb — Lieder gab es
mehrere, das üblich gewordene ist das von Salomo al-Kabbez ha Levi
(um 1540), das den Beifall Isaak Lurjas (1534 bis 72) fand und. mit
dieser wertvollen Empfehlung ausgestattet, rasch in die Gemeinden
eindrang, wenn es auch an Widerspruch dagegen nicht gefehlt hat ;
Rom. z. B. hat nichts von der neuen Einrichtung übernommen.
Der kabbalistische Brauch, den Sabbat einzuleiten, der zum ersten
Male im ai'^n mo des Mose ben Machir, 1599, besclirieben ist.
wurde nicht überall in gleicher Weise ausgefülirt. Sämtliche Psalmen
hat nur Germ.; Seph. bringt lediglich Ps. 29, It. gar keinen. Allen
gemeinsam ist das Lied ■'~"i"i "Db, alle Riten haben auch die Sitte,
daß die Gemeinde sich beim letzten Verse zur Tür wendet, eine
Erinnerung an den ursprünglichen Gang ins Freie. "'"'" rc':^ ist wohl
das jüngste Stück im Siddm-, es hat dm'ch seinen dichterischen Schwung
— Joh. Gottfr. Herder und Heinrich Heine haben es ins Deutsche
übertragen — sich das Bürgen-echt errungen. Eine Kürzung erfuhr
die Einleitung zum Sabbatgottesdienst durch die Reformbewegung,
indem die Zalil der Psalmen meist auf einen oder zwei verkürzt und
aus ■'11" nrb nur Eingang, Mttelstrophe und Schluß beibehalten
wurden.
Älter, jedoch dem Ursprünge nach nicht nachweisbar, sind Ps. 92
und 93 am Eingang des Sabbatgottesdienstes; Maimonides wu'd be-
reits über ihre Zidässigkeit befragt. Auch sie finden sich in allen
EiiiRiui}^ (It^s S.il»l);its 1^09
Riten, wonn aiu-h z. B. der Scliulchaii Ariich nocli von ilmoii schweifet.
Koni, nnd Pors. tuKlon hieran noch eine Keilie von HihelsteMen, dar-
unter Ps. 100 und löO, vor Ps. 92 setzt Koni, im Anschkiß an I. Kön.
'\. Das Maarihnehet ist seinem Authau naeli das «jh'ielie wie an
Woeheiitaiicn. In hezui»' auf den Worlhiul ist niaiu-lierlei zu hemerken.
Nach Amr. wird aueli am Freitag Ahend mit z^rr s^-m begonnen,
und so war es in Spanien iibheli, in Deutsehhuul lan^^e Zeit in Worms;
in Sejih. hat sieii der spanische Brauch niciit erhalten. Der Text der
Benediktioneii vor und nach dem Schma enthält in lt. die alten jia-
lästinischen Einschalt uni^en in5?ip"'l "^rinrn am 1^irr)2 n:D -riJ
np rnr zu a^n^r n^i^-rn, das alphabetische (r'a"'">p) r-^T:\ ■'r"'3cn
r'\2i zu n:iT2ST ri:5«. Bei Saadja finden sich die entsprechenden
Poesien auch zu abi:? rnns und irn^srn. Amr. sprach sich dagegen
aus, daher fehlen sie in Seph. und Germ. In "rn^tsrn lautete der
Schluß einst wie an Wochentagen 177 '"sri ir" "^T2Tir, noch Abudr.
kennt das als Brauch von Sevilla und Toledo, heute lautet er nach
dem Beispiele der babylonischen Akademien in allen Riten ll'Ö^ ÜTISI
l^Vrir PD^D, und die Eulogie HjI aibir PDID T^ntn. Die gleich-
falls palästinische Wendung ]i'^'Z Dn:i2 wurde von den babylonischen
Geonim abgelehnt und ist daher nirgends erhalten. (Vgl. oben
S. 101 f.). Eme Differenz besteht darin, daß schon bei Saad., Rom.
und noch heute bei Seph. i:"i"2 pm usw. wegfällt, während It.
und Germ, es beibehalten, sogar einschließlich des in der Provence
und in Frankreich, daher auch bei V. fehlenden Satzes 12rs?2 iTaTri
'rsi'D". In der suranischen Hochschule wurde sofort hinter der Be-
nedilvtion das Kaddisch gesprochen und zur Tefilla übergegangen;
in den anderen Synagogen hingegen wurde in2Vj^ Ex. 3116-17 hin-
zugefügt. Saadja hat außerdem S^n i':z' nDb)2n -^j und irr" is<"t>
nebst der Eulogie m^Dn ^'"2" (oben S. 104). Nach Jehuda ben
Barsilai und Abudr. war das in Spanien allgemeiner Brauch, nur
daß zum Unterschied von den Wochentagen statt irrr "is^T^ I. Clu*.
1631 a"'^c~ Tnrr"! gesagt wurde; w^e Jehuda ben Barsilai haben
sich viele andere Autoritäten dagegen ausgesprochen. In Frankreich,
Deutschland und Italien wurde nur iTari ohne weitere Verse und
ohne Eulogie verwendet, wie es heute in allen Riten geschieht.
4. Die Tefilla für den Sabbat unterscheidet sich von derjenigen
der Wochentage dadurch, daß die mittleren 13 Bitten fortfallen und
IIQ Beschreibung des Gottesdienstes
durch ein Stück ersetzt sind; sie ist ein Siebengebet rz-n
rrr (r"^^i«n 2rn rT^'-p ^'cisii yn» bbtr-c . . . rnr Tos. Ber. III 12,
p. 710). Das mittlere Stück heißt =^^r, nn-p (vgl. R. ha Seh. W, 5).
später Di":;p (Sof. XIX 7), es entspricht m semer Anlage der ge-
samten TefiUa insofern, als es stets hymnenartig beginnt, zur Be-
deutung des Festes überleitet und sclüießlich eine Bitte um die rechte
religiöse Weilie und um würdiges Begehen des Tages vorbringt. In
alter Zeit dürfte die Formel für alle Tefillas desselben Festtages gleich
gewesen sein; an den Feiertagen ist es in allen Riten (bis auf Musaf)
noch heute so, und am Sabbat ist wenigstens die Bitte ^"bs" irnbs
i:rm:^n ~2:"i, irnns? in den xder Tefillas gleich. Aus üir findet
sich der eine Satz l^n^m "rrip und die Eidogie ritD" irnpa
schon im Talmud (b. Pes. 117 b), der vollständige Text erscheint zuerst
bei Ami'., freilich mit dem in It. erhaltenen Schlüsse nt"i fi ^mz'iTii
TTaiL" "i^mi?, der an unsere Feiertagsformel anklingt. Trotz der Er-
wähnung ini Tahnud und ihres Vorkommens in aUen Riten ist es
zweifelhaft, ob die Bitte die älteste ihrer Art ist, wahrscheinlich ist
sie jünger als die kurze Bitte beiAim-. i:">^s? r.ri? ^2 i:b n:n. Recht
alt ist sicherlich die Einleitung bei Amr, iSTibi? '" "rn~5?^l ; sie ist
die Erweiterung des Gebetes des R. Zadok (S. oben S. 106) und wd
auch bei Saad. und in It. verwendet. In It." freilich und in Ms. 0.
von Amr. findet sich bereits l'ct"":: ly^lffi" aii rs mp r.rs« da-
neben, das sie schließlich auch verdi'ängte. Die Verwendung von
rt'np r.ri? muß alt sein, denn der Text ist sclilicht und erscheint in
allen Riten in einer ganz seltenen Übereinstimmung. Als Beleg wird
am Sclilusse von mp nrs? heute in allen Riten Gen. 2 1 ff. ibDi"! an-
gefülu-t, Aim-. Ms. begmnt mit 22 :3ii, was auch Ascheri verzeichnet,
und Abudi'. kennt sogar einen Brauch, der nm Gen. 23 fin"^"] ver-
wendet; Pers. hat die ganze Schöpfungsgescliichte Gen. 11—23. In
Spanien und in der Provence, und so noch heute in Seph., scliloß
sich daran 'inDirisn inTZ'i""' oder zum mindesten der letzte Satz]
"impi ns r"i::n "i^isriT; auch inV. muß er einst gestanden haben,
wenn auch vielleicht an unrichtiger Stehe. Xach der Analogie des
Gebets am Sabbatmorgen zu schließen steht der Satz liier wahr-
scheinlich zu Recht. Über die Bitte iirnir'cn ~:l^. siehe oben.
In den ersten und letzten Stücken der TefiUa ist keine Abweichung
von den Wochentagen, auch wo Einschaltungen vorkommen, sind es^
die gleichen. Ann-, verordnet als Zusatz für alle Tefillas mi ersten
Eingang des Sabbats Hl
>tiicko vor nnns«n "cz' "r-eb dio Worte r-rnr zn^:::: b^n:-' r^•2-"^
"in^rrb; auf Grund welclier Üborlieferung, wissen wii- nicht. Die
Einschaltung ist um so auffälliger, als sie bereits in früherer Zeit in
3;aonäisclien Kreisen zurückgewiesen worden war; mit Recht wendet
!;ich Jeliuda hen Barsilai gegen die an jener Stelle ganz unangebrachte
Bitte, in keinem Ritus ist eine Spur von ihr verblieben.
5. Auf die leise Tefilla folgt nach einer amoräischen Anordnung
'b. Schabb. 110 b) schon bei Amr. ^rr"^^ (Gen. 21— 3), und so ist es
luich geblieben, obwohl wu* es bereits innerhalb der Tefilla haben.
Hieran schließt sich yyo ']'^y)2 rns? rom, der oben bereits erwähnte
Ersatz für die Wiederholung der Tefilla. Er ist eigentümlich zusammen-
gesetzt; das mittlere Stück r""3s ]:iia bildet eine Zusammenfassung
aller sieben Benedili;tionen — daher rükrt der Name und es sollte allein
ajenügen — ihm geht aber der Anfang der Tefilla und zwar in palästi-
nischer Fassung (mit "j'^Si ai)2r ~:p S. 43) voran, ferner folgt die
Bitte r.rr>T.)22 rri^ ^"^■^ im vollen Wortlaut. Der Text ist in allen
Riten übereinstimmend. Durch Vollkaddiscli wii'd angezeigt, daß
das Gebet beendet ist.
6. Einen Nachtrag bilden bereits bei Amr. der Kiddusch und
die Rezitation des zweiten Kapitels der Mischna Schabb. '^^'p'C'^z ~ri
mit einem hagadischen Absclilusse. Was es mit dem Kiddusch für eine
Bew\andtnis hat. ist bereits oben berührt. Er gehörte ursprünglich
zur Malilzeit, w^urde später in die Synagoge verlegt, und dort finden
wir ihn seit der Zeit der ersten babylonischen Amoräer. In Babylonien
war die Sitte der gemeinsamen Mahlzeiten zu religiösen Zwecken nicht
verbreitet, auch wurde dort der Weinbau nicht überall gepflegt. Infolge-
dessen wurde in jenen Gegenden, in denen kein Wein zur Verfügung
stand, der Kiddusch in die Synagoge verlegt, und dort ist er am Schlüsse
der Liturgie geblieben. Man wußte, daß er nur in das Privathaus,
an den Famihentisch gehörte, und entschuldigte sich damit, daß die
Synagoge gleichzeitig als Herberge für Durchreisende diente, die dort
ihre ]\Iahlzeiten einnahmen. Mit der Zeit hörte eine derartige Ver-
«•endung der Synagoge auf, und es wurden viele Bedenken geltend
gemacht, ob dann der Brauch, Kiddusch in der Synagoge zu sprechen,
zu Recht bestände. Dennoch wagte niemand ilm anzutasten, ein
Schulbeispiel für die Tatsache, daß religiöse Gebräuche, wenn sie
einmal eingewurzelt sind, durch Vernunftgiünde sich nicht leicht
entfernen lassen. Der Kiddusch blieb ein integrierender Bestandteil
]^p2 Beschreibung des Gottesdienstes
des Gebetes am Eingange des Sabbats und wurde einer der Höhepunkte
des Gottesdienstes, bei dem die Weihe und Feierliclikeit sich über das
gewöhnhehe Maß erhoben. Keine Gemeinde, sie mag alte oder re-
formierte Liturgie haben, würde ihn heute missen wollen.
Der Text des Kiddusch ist in allen Vorlagen bis auf geringfügige
Abweichungen gleich, ein Beweis, daß er auf guter alter Überlieferung
beruht. In reformierten Gebetbüchern sind im Kiddusch wie überall
im Gebetbuch bei der Erwähnung der Erwählung Israels die Worte
a'^'a^Ti bs^ gestrichen, die aUerneuesten sind wieder zum überüeferten
Texte zurückgekehrt.
Die Einführung von ■i'^p"'"~~'a rran geschah, um im Interesse der
spät in der Synagoge Erschienenen die Gemeinde möglichst lange
zusanmienzuhalten ; es wurde gerade dieses Kapitel gewählt, weil es
auf Freitag Abend Bezug hat. Bei Amr. und in mittelalterlichen Kodi-
fikatoren steht es ganz am Ende, m V. und danach in Germ, vor
Kiddusch, in Spanien jedoch verlegte man — wegen des Sclilusses —
die Rezitation des Stückes vor das Maaribgebet, dort steht es noch
heute m Seph., daraus ist es in It. und Rom. übernommen. In manchen
Gememden wurde es sogar vor Mincha rezitiert. Nur wenn ein Feiertag
auf Sabbat fäUt, oder während der Festwoche wh'd es weggelassen.
Neuerdings whd es nicht nm* in aUen. Synagogen mit reformierter,
sondern auch vielfach in solchen mit alter Liturgie weggelassen. Nach
•\:-Öy (s. oben S. 80) wü-d in It. bir, in Deutschland Zibiy ^lim ge-
sungen und damit der Gottesdienst geschlossen. Pers. scliließt auch
das Abendgebet mit "iITibsz "i^i«. Was sonst noch in den Gebet-
büchern an dieser Stelle steht, stammt aus den kabbalistischen "^2^^^
rit' und ist auch dort für die häusliche Feier bestimmt.
§. 16. Das Morgengebet am Sabbat.
Literatur: Landshuth, S. 277 ff.; Baer, S. 206 ff.
1. Der Morgengottesdienst besteht aus den gleichen Teilen wie
an Wochentagen (§ 6). Den imrn n:D"Q sind schon bei Amr..
wie in allen späteren Gebetbüchern, die Verse über das Sabbatopfer
Num. 289, 10 beigefügt, während Saadja sich dagegen aussprach. Die
Zahl der Semirot ist, ebenfalls schon bei Aim*., stark vermehrt; eüiiges
in der Werktagsliturgie stammt aus dem Sabbatgebet (s. oben S. So)
Amr. hat nach den Versen i7i2 '" usw. Ps. 100, 136, I. Chr. 16 8—36.
I
Morpengebot des Sabbats HS
Ps. 19, dann Kiiizclvcisc, die ulk' don (lottcsiiaiiu'ii culhullcn, — d'n',
imnsten sind identisdi mit den Versen hinter iTarn isnp nb imn
(ob, S. 84) — , Ps. 135, dann nT2S?r T^n, Ps. 92 und 93, mns ^n^ usw.
wie oben S. 85. So findet man sie heute nocli in lt. Dazu kamen
später noch Ps. 33, .34, 90, 91, in Sepli. überdies Ps. 95, V2\ bis 124.
Auch die Reiiienfolge wurde etwas geändert. Strittig war Ps. 100.
In Italien, Spanien und der Provence wurde er nur an Sabbaten,
nicht an Wochentagen eingefügt ; in Nordfranivreich und in Deutschhmd
hingegen hielt man es umgekehrt, dieser Brauch ist in Germ, und
Sepli. beibehalten. Daß das Schilfmeerlied urs])rünglicli nur zu den
Sabbat — Semirot gehörte, wurde bereits bemerkt (oben S. 86). Rom.
hat weit mehr Psalmen als alle anderen Riten und für sie eine be-
sondere Benediktion (oben S. 83).
Wie die Semirot am Sabbat vermehrt sind, so ist auch ihr Ab-
schluß ausführlicher als an Wochentagen. Alle Riten verwenden
Hierzu den Hymnus "in "rs r'a'C:, der durch seinen im ganzen und
großen in allen Riten übereinstimmenden Wortlaut und durch seine
>chöne poetische Sprache sich als alt erweist. Der Anfang wird auch
jereits im Talmud erwähnt ; R. Jochanan versteht darunter b. Pes. 1 18 a
las in der Mischna daselbst zum Abschluß des Hallel verordnete
iTn PDin. Derselbe R. Jochanan zitiert auch beim Gebet um
Regen einen ganzen Satz, der ims in r^z: vorliegt (n"iT ifi^iz "^^E ":bs5
3'^D b. Ber. 59 b). Ebenso führt sein älterer Zeitgenosse Bar Kappara
n einem Dankgebete Sätze an, die sich auch in unserm Gebete finden
j. Ber. I 8, f. 3 d) l^n :3 r^^DP Y-. Im Mittelalter war (in Frank-
'eicli und Deutsclüand) die Legende weit verbreitet, daß Vüt: den
\postel Petrus zum Verfasser habe, Raschi wies mit aller Entschieden-
leit eine solche Annahme ab. Eine andere verbreitete Annahme nannte
len Verfasser pn::i und stellte am Schlüsse die Sätze rbnrr ^•'■^Tr'^ "^sn
isw. derart untereinander, daß sie den Namen als Akrostichon ergaben,
ähnliche Vermutungen, die an nnriL""^ anknüpfen, sind o])en (S. 86)
'rwälint; sie sind sämthch wertlos, in der frühen Zeit, aus der rizTl
itammt, haben die Verfasser ilire Namen noch nicht akrostichisch
uigedeutet. Ob sich riac; unversehrt erhalten hat, kann bezweifelt
.Verden; stellenweise ist die Häufung der synonymen Epitheta so groß,
laß spätere Überarbeitung vorzuliegen scheint. Unleugbar ist die
Üinlichkeit mit der Schlußbenediktion nach bbn, dem im Talmud
Pes. das.) ebenfalls angefülu-ten l^bbn^, das einmal sogar eine ähnhche
El bogen, Der jüd. Gottesdienst. ö
-j^;j^4 Beschreibung des Gottesdienstes
Wortfülle darbietet. Die Ansicht des R. Samuel ben Meir im Talmud-
Kommentar, daß r^r: nur eine Hinzufügung zu dem vorher er-
wähnten 'ii'^brp sein soll, hat daher ^^el für sich. Den Sclüuß von
ncr: mit der Eidogie bildet das alltäglich übliche nnrir^.
2. Die zum Sclima gehörigen Stücke (§ 7) gleichen denen der
Werktage; nur das erste ist in allen Riten beträchtlich erweitert.
Es besteht aus di-ei Teilen 1. im^ :=-, 2. z^rrrr. 'd z" ]"IS rs, 3. :i«b
rlTC "iTDS. Der Anfang "m'' bori ist zunächst eine Poesie mit dem
Stichwort bDn, dem letzten Worte des voraufgegangenen "nii -^"^;
es ninmit dann 7^s?b "^'SJrn bis ^:~"3 IjTiz auf und schüeßt mit
dem nach Art des Mdrasch ausgeführten T3i"D "i^s« oder, wie es in
It., Rom. und Seph. heißt, lb ^1^7 TS'. — 2. r"!^ "-i^ ist eine Be-
arbeitung des wochentägigen Alphabets nn '^:^" "i^n bsJ in der
Weise, daß hier auf jeden Buchstaben statt eines Wortes ein ganzer
Satz kommt. 3. rnr -^irs? bi^b ist eine palästinische (?) Poesie, der
einzige auf uns gekommene Rest einer einst für alle Tage der Woche
durchgeführten Gattung. Das waren Hymnen, in denen das Schöpfungs-
werk der einzelnen Tage verherrUcht wird, die Tage treten selbst
auf und preisen den Schöpfer mit den Worten des für jeden einzelnen
bestiimnten Psalms (b. R. ha Seh. 31 a). Wenn im Mttelalter "Ca« ""Sb
rnr" mi Xamen des Gaons ^'atronai zitiert .^\ird, so mag er wohl
der älteste Autor sein, der des Stückes Erwähnung tut, der Verfasser
muß einige Jahrhunderte früher gelebt haben. Wahrscheinhch sind
alle derartigen Zusätze gegen Ende der talniudischen Epoche verfaßt.
kaum später, da sie von sämthchen Riten übernommen wurden.
In den aus der Genisa stammenden Fragmenten sind sie nicht
immer zu treffen; auch Saad. kennt sie nicht, rnc ■^ITS rsb teilt
er nur als Brauch einzelner mit. In Spanien hat Jehuda ben Barsilai
sich mit Entscliiedenheit gegen eine solche ., irrige", unbegründete
und haltlose Änderung des täglichen Gebets wie diu-ch Einschiebung
von """T' b2~ ausgesprochen; fi'eilich ohne Erfolg, nur aus Toledo
wird berichtet, daß rnw TCSi bsib dort weggelassen wurde.
3. Die Tefilla ist am Sabbatmorgen genau so wie am Abend
zusammengesetzt, ohne Zweifel — und die Analogie der Festtage
bestätigt es — hatte sie einst auch den gleichen AVortlaut. Daß die
Einschaltungen geändert wm-den, findet seine natürliche Erklärung
darin, daß der Sabbat so viel häufiger ^^^ederkehrt als die Feiertage,
und daß die allwöchentlich viermalige Wiederholung des gleichen
Morgen-, Musafgcbet dos Sabbats 115
Textes zu ointöiiii;" war. In allen Riten wird am Sabbat inorj^en n)2C"i
~r'52 verwendet, überall mit dem frloichen Texte. Xucli seinem Tenor
würde als bestätigender Abseliluü der Dekalog zu erwarten sein;
in allen bekannten Texten von Amr. an steht (wahrscheinlich da
dieses Zitat zu lang war) dafür rnirn rs? bsiTT-' "»rn i-i73Tn, Ex. 31 1<;. 17.
Der Anfang von Tr"2":"cn ^maC"», das jetzt folgen müßte, ist zu sibi
irr: erweitert. Maimonides hat abweichend von allen Riten diesen
Zusatz zu Musaf, Abudr. erwähnt ihn gar nicht. Der Text hat mit
Rücksicht auf mögliche Mißdeutungen mannigfache Änderungen er-
fahren; ein Genisafragment liest inm:ian aai 3^^i:\ imri stb ibsm
2"^bn7 ISDC^ i?"::, wodurch der Parallclismus gut hergestellt wird. Das
ganze Stück beruht wahrscheinlich auf einem Midrasch. Infolge der
Erweiterung ist von 'zb^in 'msr-i nur der zweite Teil T^mr -^r-pr ar'
stehen geblieben, Seph. hat trotz ir,n3 sibi das ganze "in^TC"», Rom.,
obwohl ^rr: ^^b" fehlt, nur den letzten Satz 2'i'a"' rTJsn.
Über die Keduscha vgl. § 9 a, S. 64 ff.
Auf das Morgengebet folgt die Vorlesung aus der heiligen Schrift;
vgl. darüber und über die zugehörigen Gebete vom Ausheben bis zum
Einheben der Tora §§ 25, 26 und § 30.
§ 17. Das Musafgebet.
Literatur: Laudshuth. S. 315 t!".; Baer, S. 235 flf.; Herzfeld. S. 205 ff. ;
ffoseutlial in Grätz, Gesch., IV 3, S. 471 f.
1. "^EC'cr! rbsr, rc"c, Musaf bedeutet Zusatz, und zwar
sowohl Zusatzgebet, d. h. ein über das jeden Tag übliche hinausgehende
Gebet, wie auch Zusatzopfer. Bekannt ist das Musafgebet im Zu-
sammenhange mit dem jMusafopfer, und es wii'd allgemein als ein
Ersatz dafür angesehen. Aber die ältesten Quellen kennen ein Musaf-
gebet auch ohne Opfer. Von den Maamadot (§ 34) wü'd berichtet,
daß sie an jedem Wochentage viermal Gottesdienst hielten, eines
ihrer Gebete hieß Musaf rcTa (vgl. Taan. IVl. 4). Vielleicht
geht hierauf auch der Satz des R. Eleasar ben Asarja zurück, rbsr "iis?
"|i7 inns a«bs? -iiEO-cn (Ber. IV 7), wonach die Institution des
^lusafgebetes mit dem Vorhandensein eines kommunalen, d. h. am
Maamad beteiügten Verbandes verknüpft ist. Demnach hätte das
Musafgebet mit dem Musafopfer ursprünglich nichts zu tun. Alle
anderen Nachrichten, die wir besitzen, kennen allerdings das Musaf-
116
Beschreibung des Gottesdienstes
gebet nur an solchen Tagen, an denen ein Musaf o p f e r (vgl. Num.
28, 29) dargebracht whd. Die älteste Erwähnung finden wü- bei den
Tannaiten des I. Jahrhunderts. (Tos. Ber. III, 3, p. 525, vgl. III, 10 f.,
p. 74 ff., Tos. Sukka IV, 5, p. 19816). Die Zeit des Musafgebets war
zwischen Schacharis und Mincha.
2. Was das Musaf am Sabbat anlangt, so wird aus der Tempel-
liturgie berichtet, daß das Lied Mosis Dt. 32 dabei vorgetragen wurde;
das Lied war auf sechs Wochen verteilt, nach deren Ablauf es von
neuem begonnen wm'de (b. R. ha Seh. 31 a).
Der Text der Musaf t e f i 1 1 a am Sabbat dürfte ursprünglich
genau derselbe gewesen sein wie der der übrigen Tefillas. Erst zu
Beginn der amoräischen Zeit wm'de er geändert und mit emer Er-
wähnung des Musaf o p f e r s versehen, nn ~n irirc "Tin:: ins« n"i
s^'i qoiü t^"^P^ 3^"^ ^T^'on ir^nmn (j. Ber. IV, 6f.8c.).
Ein ganz ähnlicher Satz wie der zuletzt erwähnte findet sich noch
heute in allen Musafgebeten. So abrupt blieb die Ei"v\^ähnung des
Opfers nicht lange. Sie erhielt walu'scheinlich bald eine Einleitung,
deren Inhalt durch den Zielpunkt vorgeschrieben war, eine Bitte um
Wiederherstellung Israels und des Opferdienstes. Das ist das allen
Riten gemeinsame Stück i:bynri ']i:Bb'a 'iiirn in"'. Ihm geht außer-
dem ein anderes kurzes Stück voraus, das sicherlich einst ebenfalls
als Einleitung gedient hat und nicht die Bitte um Erfüllung der escha-
tologischen Hoffnungen, sondern den historischen Bericht über die
Einsetzung des Sabbats und seines Opfers zum Inhalt gehabt hat. In
Seph. (beiMaim. und Abudi".) lautet es in sehr einfacher Diktion nr'o':;
pnp nn n^ipnb irrii:: nm nTüTTi -nni mir rii'a ^rc in br r^is
1TS1D mir roi^. In den anderen Riten steht dafür die schwierigere
Fassung n'^msnip fni^ nnÄ r:pn. Das Stück ist so angelegt, daß
die Worte mit den Buchstaben des Alphabets in umgekehrter Reilien-
folge (p'nrr) anfangen, auf T§? folgen (gemäß den Scldußbuchstaben
T£^:^) in guten Vorlagen noch "iiiinn nibrs "^rr it.:::: irc^ ; freilich
sind die letzten drei Worte nur in alten Quellen zu finden, aus den
Gebetbüchern sind sie geschwunden. Noch eine Abweichung der alten
Texte muß erwähnt werden; statt rnirn ST^ rc""2 heißt es bei Amr.,
V., Maim. und Rom. nin m:ian ni"' CjCir, und das dürfte der ur-
Mii.sal-, Miiicliagtltcl tlt'ö Sabltals 117
sprün}:;liflit' Ausdruck sein. Nicht uiUTwälint darf bleiben, daü in
Gonisat'iafi;nuMilen uebeii den beiden erwäliuteii noch eine andere
\vei(scliweiti}z;ere Kinleilung vorkommt. In allen reformierten Ge-
betbüchern ist der p;anze Passus beseitigt uiul durch einen auf
die Sabbat r u h e bezüglicluMi ersetzt.
Zur Erwähnung des Musal'upfers gehört die Rezitation der
biblisclien Opfervorschrift Num. 28 ü. K». Von der Erlaubnis des
Talmuds, die Opferverse fortzidassen, scheint nur Maini. (lebrauch
zu machen. Auf die Schriftverse folgen in allen Riten 'Tn3b'?2n "inrr"^
und ^:nm:^n n::n, Rom. läßt m'^ir^ fort, Maimonides hat hier sbi
irr: und nur den Schluß von in^sir^ {-^y^^W TipTa a:?). Die letzten
Benedikt ionen der Tefilla sind die üblichen, auch zu ]\Iusaf wird in der
vorletzten der P r i e s t e r s e g c n rezitiert.
3. Auf die Musaftefilla folgt bei Arar. nichts, in den anderen Riten
irnrs?2 T»!?. In Sepli. (nach Manh. auch in Frankreich) vorher je ein
Kapitel der ]\üschna mit agadischem Abschluß, nachher "»m i5:r
■"n-ibs? wie an Wochentagen (vgl. § 10, S. 80). In It. und Germ. aii2S
r^'^pr^ und i:^b:7, in It. dann noch bi!*-' und nm:^ -jr: ^irs« n Tinn;
in Germ. Ps. 92, vorher aber in sehr vielen Gemeinden "nnsn i^tD, in
wenigen, meist polnischen, auch rn: i"imrn aT^n ts? aus nnnin T^ir
(vgl. über beide § 1012).
In den modernen Gebetbüchern folgt auf die Tefilla nur i:in"::s?D rs«
und t::'.
§ 18. Das Minchagebet.
Literatur: Laudshuth, S. 33^ ff.; Baer, S. 259 fF.
1. Vom Minchagebet am Sabbat-Nachmittag wissen wir aus der
Zeit des Tempels, daß ein besonderer Gesang "iiic dafür bestimmt
war; das Schilf meerlied, das in zwei Teile geteilt war, Ex. 151—10,
11—18, und das Brunnenlied Num. 2117—18 wurden im dreiwöchent-
lichen Zyklus abwechselnd vorgetragen. Schon damals wurde der
Sabbat mit belehrenden Vorträgen ausgefüllt; im Anschluß an sie
fand um die Mittagsstunde das ]\linchagebet statt. In späteren Jahr-
hunderten wurden die Vorträge und das Gebet auf den Nachmittag
verlegt, m manchen Gegenden sogar bis zur Dunkellieit ausgedehnt.
Eine Erinnerung an den einstigen Zusammenhang zwischen der Volks-
belehrung und dem Minchagebet ist in der Liturgie verblieben. Auf
den an den Wochentagen üblichen Beginn von Mincha (§ 13) folgt
\l^ Beschreibung des Gottesdienstes
■jT^i:':: S3"!, jene Komposition, die stets zum Abschluß eines Studien-
vortrages diente (§ 10, S.79). Im Talmud wird von Prophetenvorlesungen
beim Minchagebet am Sabbat gesprochen (b. Schabb. 24 b), und solche
haben sich in Persien zum mindesten bis ins XL Jahrhundert er-
halten (§ 26), aus Nehardea wd berichtet, daß in amoräischer Zeit
dort Vorlesungen aus den Hagiographen stattfanden (das. 115 b).
Der Gaon Natronai kannte die Einrichtungen nicht melir aus eigener
Anschauung, aber er wußte von älteren gaonäischen Quellen, laut
denen am Sabbat-Nachmittag vor IVIincha aus Sidra und Haftara
in beliebiger Auswahl vorgetragen wurde; am Schlüsse las der Vor-
beter den letzten Vers der Sidra, den die Gemeinde wiederholte, und
fulu' dann mit TUlIp nrill, d. h. ')1"i1£:j s?D"i mit Ausnahme der beiden
ersten Verse, fort. Derselbe Brauch hat sich in der alten portugiesischen
Synagoge in London bis heute erhalten. In It. und Rom. beginnt
Mincha mit einer Reihe von Versen mit messianischem Ausblick, wie
Jes. 5813—14, 527, Sech. 99, Mal. 31, 23, 24 usw.; im ganzen sind es
10 Verse, genau so viele, wie nach den Bescheiden der Geonim vor-
gelesen werden sollen. Walu'scheinlich liegt hier eine Erinnerung an
die Vorträge der alten Zeit vor.
Auf ]T^b 5?m folgt Kaddisch und Ps. 6914 -^rbtr. ^:^'. In
Amr. fehlt der Vers noch, erst Ms. 0. brmgt ihn. Die älteste bekannte
Quelle dafür dürfte Raschi sein, dessen erbauhche Erklärung dazu
in die Schriften der Dezisoren übergegangen ist. Eine einleuchtende
historische Begründung ist nicht bekannt, die befi'iedigendste ist,
daß mit "iisrn ry auf das Minchagebet angespielt wird. In Itaüen
wurde der Vers dreimal, in Spanien, und so noch heute in Seph., zweimal
gesprochen; später hat man in It. die Wiederholung weggelassen,
dafür aber als Responsion Ps. 86 10 eingeführt.
Über die Toravorlesung und die einstmalige Hagiographen- und
Prophetenvorlesung vgl. §§ 25, 26, 27.
2. In der Tefilla liest Amr. als mittleres Stück nrs? ^d i:":: n:r,
irns, das sich auch in Genisafragmenten findet. Als Variante wii'd
schon in diesen alten Quellen IHi« nri? angeführt, das allgemein
üblich geworden ist, freilich enthält es in handschriftlichen Ritu-
alien den Zusatz i^ Tin^;m iDb^ ">:s ib r.i^i^ Ten "in^" ~r"cl:
nr"~Tr) nm:'a, der das so sehr auffällige npy^ ]:i^ pn}:-» bji ^rms
in im:i Tirni wenigstens einigermaßen verständlich macht. Gemein-
sam ist beiden Fassungen der Schluß nn'ir nnr.s rn'Z'c usw.. der
4
]\Iiiicliaf,'ebet dos Sabbats 119
l)is auf Koin., das solir km/, ist, in allen Hitcii gleich lautet, aber in
den llandselirit'ten vorseliiedene \'aiianten aufweist, wie sie hei einer
solchen Verwendiins von Synonymen nieht vorwnnderlk-li sind; die
Ausdrncksweisc gelit wahrscluMnlicli an!' einen Midrasch zurück. Es
l'olpjt "ürn-ürs m- S"^5< bis zum Knde der Tefilla; Rom. setzt vorher
die drei Worte PTS^in -zi'n':: nDT. die ein Überrest von imsri
7nrbT22 zu sein scheinen.
3. Hieran schließen sicli schon bei Amr. die Psalmverse 119142,
71 19, 367; in Sei)h. (Abudr. will das so^ar schon bei Amr. und Saad.
gelesen haben) ist die Keihent'olge umgekehrt, entsprechend den
Psalmstellen, so war sie im Mittelalter auch in Frankreich und der
Provence üblich. Der Brauch, die Verse hier einzufügen, ist sicher
recht alt ; als Begi-ündung dafür wurde in gaonäischer Zeit angegeben,
daß am Sabbat-Xachmittag Moses gestorben ist und daß darum, wie
bei Trauerfällen, die Gerechtigkeit Gottes gepriesen werde {'C~iT^ p^"^^)-
Aus demselben Grunde, so wird berichtet, wurde am Sabbat -Nach-
mittag der Traktat Abot (einschließlich des apokryphen VI. Kapitels)
gelesen, wobei freilich nicht ersichtlich ist, ob jedesmal der ganze Traktat
oder jede Woche nur ein Kapitel. Die bei Amr. gleichfalls angefiihrten
Ka])itel 1 und III aus Derech Erez Suta werden weder durch die
Handschriften noch durch irgend einen Ritus bestätigt. Daß die vor-
gebrachte Begründung nicht stichhaltig ist, wiu'de bereits im Mittel-
alter oft genug eingewendet, für uns ist die zum Ersatz gebotene vom
Stillstande der Höllenpein am Sabbat und ihrer Erneuerung am Aus-
gange des Ruhetages nicht weniger unbefriedigend. Einleuchtend ist
allein der schon in V. gegebene Grund, daß der ethische Inhalt von
Abot für seine Aufnahme in das Gebetbuch maßgebend war. Der
Sabbat war von altersher ein Tag religiöser Belehrung. Als der lebendige
Vortrag aufhörte, wurde an die Stelle des gesprochenen das geschrie-
bene Wort gesetzt, der Traktat Abot mit seiner FüUe von ethischen
Aussprüchen eignete sich besonders als Lesestoff. So erklärt es sich,
daß er für den Sabbat-Nachmittag zum Lesen gewälüt wurde. Nicht
überall geschah dies das ganze Jahr über ohne L^nterschied, die
Bräuche waren da sein: verschieden. Meist ist es üblich geworden, den
ganzen Sommer hindurch je ein Kapitel zu lesen, in manchen Gegenden
nur an den sechs Sabbaten zwischen Pesach und Schabuot. Auch
darin hat der Brauch gewechselt, daß es vielfach vor Mmclia gelesen
wird. Jedes Kapitel von Abot whd durch die Mischna Sanh. X 1
]^20 Beschreibung des Gottesdienstes
("::i?iir"' b^) eingeleitet und durch Makk. Ende gesclüossen. Für den
Winter sind in Genn. (XIV. Jahrhundert, V. kennt es nicht) Ps. 104
und 120 bis 134 üblich geworden; in Seph. Ps. 119 bis 134 und Ps.
901, die ebenfalls wegen ihres erhebenden Inhalts gewälilt wurden.
In Seph. werden sowohl Abot wie die Psahnen vor Mincha gelesen,
nachher nur Ps. 111.
§ 19. Sabbatausgang.
Litern tiu-: Landslmth, S. 384 ff. ; Baer, S. 295 ff.; Elbogen, Ein-
gang luid Ausgang, das.
1. Der Ausgang des Sabbats mc ^i?2:Ta (i^rnir '-^piti/i b. Pes.
105 b; j. Taan. 16, 64 c) wurde in ältester Zeit ebenfalls durch eine
Malilzeit der Genossenschaften (oben S. 107) gefeiert; nach Eintritt
der Nacht wurde Licht gebracht, ferner, wie nach jeder Mahlzeit,
angezündete Spezereien ("i'ar^l'a Ber. VI 6) aufgetragen und dar-
über je ein Segensspruch gesprochen; mit dem Tischgebet wurde ein
Segen über den scheidenden Sabbat, die Habdala übinn, vereint.
Die Habdala war eine sehr alte Einrichtung und wm'de ebenso wie
Kiddusch auf die Männer der großen Versammlung zurückgeführt.
Derselbe Segen wurde (spätestens im II. Tannaitengesclüecht) auch
in die Tefilla, die der einzelne sprach, eingeschaltet. Die Mahlzeiten
kamen späterhin außer Übung, ja es bildete sich die Anschauung, daß
jede Aufnahme von Speise und Trank in der Dunkelstunde unstatthaft
wäre. Im XII. Jaln'hundert wird die im Talmud nicht zu findende
Begründung dafür angefülu-t, daß man die Toten, die um diese Zeit
ilu-en Durst stülen, schädigte. Es bestand die seltsame Vorstellung,
daß die Seelen der Abgeschiedenen, die den ganzen Sabbat über Ruhe
vom Gericht haben, und auch am Sabbatausgange noch ^■'"ncnC ""
2'i72"::iTr,d. h. bis nach Beendigung des Gottesdienstes bezw. der damit
zusammenhängenden Studien, feiern, sich zur Dämmerungsstunde
wieder zur Rückkehr ins Geliinnom rüsten. Dasselbe Ziel wird als
Frist angegeben, bis zu der die Frauen gut tun, sich der Arbeit zu
enthalten. Daraus, daß der Schluß des Gottesdienstes als Zeitbestim-
mung gilt, darf geschlossen werden, daß die Liturgie für den Sabbat-
ausgang ziemhch umfangreich war; abgesehen davon, daß es als ver-
diensthch galt, die Beendigung des Ruhetages soweit väe möglich
hinauszuschieben, suchte man auch den Gottesdienst auszudehnen.
Die Gebete sollten in feierücher melodischer Weise langsam vor-
Ausgang dos Sabbats 121
getragen werden. Zu dein ühüelien Abendgebete traten Lehrvorträge,
von denen jode S|)iir ;iiis den Kitualien gesehwunden ist; aber eine
Erinnerung daran ist in der X'~c~ nr^ip verbheben. Auch der Aus-
(hucU a">'eb"nr a-^mc-r -" weist auf sie hin und die Handschrift
(). vonAinr. beriehtot ausdrücklieh "m -n :d "^CTO "iSints« 1:3 '^zri
T'-",2 ^.^i?' 2^. "^n ':: -n T-rs? a-ij^p 'nTD:- ]-^^.-c:> 121 "^rn" z^sd
'IDT ^^^n3b irs^inc 's« Tnn inbiD 1271, daß also hier ganz so wie an
jedem Morgen Lehrvorträge stattfanden.
VieUeielit schloß sich auch eine Schriftvorlesung an. von der
in den l'salnien, die aUe Riten heute dem Abendgebete vorausschicken,
ein Rest erhalten blieb.
2. Obwohl es sich im Mittelalter nirgends nachweisen läßt, stimmen
alle Riten darüi überein, daß sie dem Abendgebete Rs. 144 und G7
vorangehen lassen. Während Germ, sich im allgememen mit den beiden
begnügt, werden in Westdeutschland bisweilen noch Psalmen hinzu-
gefügt, hl Seph. 75. Das Gebet selbst ist das gleiche wie an den W^ochen-
tagen; nur Saadjas Siddur hat in den Benediktionen vor und nach
dem Schma jene alten palästinischen Einschaltungen '"'2 'ri~ni2n bi«
b"nb rip für zi^:i^'j niirisn, 2^-b ^b r'^.^n'^ rbinn -rr^s für nrps
und ■':b"'";nn n^s^ix -tcx ~:ii25?t r'cs?, die Natronai und Ann*, be-
kämpften. In der Tefilla wird in IV. vor die Bitte die Habdala
eingeschaltet, die nicht lediglich den Scheidegruß, sondern auch die
Bitte um P>rnhaltung von sittlicher Gefalu* enthält. Der Text ist in
lt. und Seph. derselbe wie beiAmr., rb~3~ nrs und T:rb";i""r ^rz,
in Seph. allerdings etwas erweitert. Ganz abweichend ist der Wortlaut
in Germ. Er knüpft in der Einleitung an ■;:in nrs an, ":r:;"n "rs,
fälu't mit b-nri fort imd entlehnt die Bitte irbr bn- dem Talmud
j. Ber. V 2 g. E. (9 c) a^i^nn nr::^- ^^"^ nnr Bitten rs? -rb" bnr.
s^brb 7:ri5ipb, der Zusatz 'in 5«i;n bsr s^rTirn berührt sich mit
der Fassung in Anu'. Die do})pelte Einleitung in Germ, und Seph.
"r:rn -rs neben irn nri« blieb, trotzdem maßgebende Autoritäten
dagegen protestierten, dennoch stehen.
3. Auf die Tefilla folgt schon bei Aim*. Ps. 91. der im Talmud
=-i-jS bc ^^TL" genannt ist; in V. heißt er ro^n b"i" •^r.iz-^'c, der
letzteren Auffassung des Psalmes ist es zuzusclu-eiben, wenn schon
mit 2r: ■'H'^i Ps. 90 17 begonnen Anrd. Daran schließt sich die -r"-p
s^'iC";, ganz wie zu Mincha, nur daß die ersten Verse diesmal fort-
l)leiben und sofort mit r^-p -rsJiPs. 224 begonnen wird (oben S. 118),
]^22 Beschreibung des Gottesdienstes
Fällt eines der großen Feste auf einen Tag der beginnenden Woche,
so ^Yerden beide Stücke fortgelassen, nur in Seph. wird trotzdem nri«:
rnp beibehalten. In Seph. ist damit die Liturgie beendet, in It..
Rom. und Germ, (schon in V.) sclüießt noch T- '^r^i (Gen. 27 28—29)
an, eine Sammlung von Bibelversen, die Glück und Segen bedeuten,
wobei die Segensformeln des Pentateuchs fast vollzäliMg vertreten sind.
Eine feste Gruppe bilden darin die fbiE n^Tiö irblU niDlsn icblT
nriblU, die im Talmud zur Beruhigung eines durch einen Traum Ge-
ängstigten verordnet und hier mit übernommen sind (b. Ber. 55 b). Im
einzelnen sind zwischen It. und Germ, mannigfache Abweichungen,
in Westdeutschland werden einige Stücke weggelassen, die im Osten
üblich sind, die Tendenz ist überall die, glückverheißende Bibel-
stellen zu vereinen. Ebenso ist allen gemeinsam der Abschluß durch
die Hagada von b. Ber. Ende Dbl27n Dibir a^nn^ a-^iaDn ^i^iabr.
4. Es folgt die Habdala, die aus je einem Segensspruche über
Wein, Gewürz, Licht und aus den ,, Unterscheidungen" besteht. Daß
dieses, wie besonders das Gewürz beweist, ursprünglich zur Tafel
gehörige Gebet in die Synagoge geriet, erklärt sich aus dem Aufhören
der alten Tischordnung und dem Mangel an Wein in gewissen Gegenden
Babyloniens (vgl. oben S. 120). In Seph. und It. werden den Benedik-
tionen eine Anzahl Bibelstellen mit der Bitte um Segen in der beginnenden
Woche vorausgeschickt, in Seph. sogar außerdem ein Teil des Piut
i^'^D^n in'i::s«. In Germ., so schon in V., sind sämtliche Stücke nur
für die häusliche Andacht bestimmt. Dort war ihre Häufung un-
beschränkt, freüich auch die Annahme in das Belieben eines jeden
gestellt; bei der Häufung von Gebeten zum Eingange der Woche hat
vielfach der Aberglaube stark mitgesprochen. Im allgemeinen ging
die Absicht dahin, möglichst \äel Segen für die Ai'beit der kommenden
Woche zu erflehen.
B. Wochentage mit festlichem Charakter.
§ 20. Die Neumondstage.
Literatur: Landshuth, S. 411 ff.; Baer, S. 319 ff.; Abeles. der kleiue
Versöhuung-stag', 1911.
1. Unter den ausgezeichneten Tagen ist derjenige, der am häu-
figsten im Jahre wiederkelu-t, der Neumondstag ir-nn rsn i'oviurjria-
Er spielt bereits in der Bibel eine große Rolle als Tag festlicher Feier,
I
Neumondstage 123
als Ta^- der Arl)('ils('iiistclliiii«i. als Tag gottcsdionstliclier Versamm-
lun^vn iiiul piopiu'tisclici- nclchiiiiiticii. In iiaclihihlischor Zeit hat der
rWnmiüiKlstaf;' seinen IVstüelieii Cliaiakter eiiigebiUit, er ward in die
Reihe der Halbfeste versetzt, das Arbeitsverbot wurde aufgehoben.
]y\Q Festsetzung des lieginnes eines iumumi Monates bildete eine der wich-
tigsten Funktionen des Synedriums, eines seiner bedeutsamsten
Hoheitsrechte. Die Bezeichnung dafür war TTinn irnp, Hei-
ligung, Weihe des Neumondes, eine Erinnerung an die Weihe der
biblischen Zeil. ln\ Tr. Sofrim XIX. 9 ist ein alter Bericht über eine
solche feierliche Sitzung zur Hestiinnumg des neuen Monates erhallen,
im Anschluß an sie fand ein festliches Mahl mit einem besonderen,
weihevollen Tischgebet statt. Kachdem der feste Kalender einge-
führt war, nach 360, gaben die Zentralbehörden am Jahresbeginn die
^^^chtigsten Zeichen kurz bekannt, nach denen alle Kundigen den
Kalender mit Leichtigkeit herzustellen vermochten. In den Syna-
gogen wurde am Sabbat, nach der Sciuiftvorlesung, der in der Woche
bevorstehende Beginn des neuen Monates verkündet t"-nn rr^^Dia.
Die Verkündigung ist in sämtlichen Gebetbüchern zu finden. Die
älteste Formel dafür bringt Rom. r^ariab i^Drrn inn i^)2'J :d :^pn
l^nr^ ^'\rn iic^-p 5?mn ):nn "inia i^tj-i n^D i^-in sm^ ir^ip :p
rnirs ^DD; sie erinnert an die alte Zeit, wo die Behörden des heiligen
Landes in aramäischer Sprache den Gemeinden die Mitteilung vom
Beginn des Monats zukommen lassen mußten. Etwas modifiziert
und bereits in hebräischer Sprache lautet der Satz in It. Titj ^3
=171^ rniffi r.in mpn bnpr-i "»m T-^nsrr DiiniD-an nrr^nn
. . aiii . . ar 1 : 1 n n -1 ■; ^ n tr n n . . t'nn r s^, i:":: r ^ir zT^rpi a-^bi-:
Auch hier erscheint die Mitteilung als das natüi-hch gegebene Mittel,
in einer an Kalendern armen Zeit genaue Kenntnis vom Monatsbeginne
und vom Eintreffen der Feste zu machen. Der Xcumondsverkün-
digung wurde, wie jeder frohen Botschaft, eine Bitte imi einen glück-
"lichen Verlauf des Monats beigefügt, ü:^"iDb nirnaj'^ s^ob^T s:bT2
rs^r-» --»n n^t:" bsb^ i?:b sn-j lautet sie in Rom. Daraus wurde
später die in Germ, und Scph. übliche ausführüchere und stilisierte
Bitte "incnni, die dort der kurzen Verkündigungsformel . . inn TTSn
.... ai^n nini folgt. In allen Riten (außer Rom.) geht der Xeumonds-
verkündigimg eine Bitte eschatologischen Inhaltes voran, ~"i"rr "T2
"'STnäii: a"ic:, deren Fortsetzung im einzelnen zalih'eiche Varianten,
124 Beschreibung des Gottesdienstes
aber stets den gleichen Sinn hat; Rom. hat eine Bitte um Wieder-
herstellung des Tempels, wenn der Xeumondstag auf den Sabbat
fällt. Die Gedankenverbindung scheint die gewesen zu sein, daß im
Anschlüsse an die Xeumondsverkündigung über das Aufhören des
Mittelpunktes, von dem sie einst ausging, geklagt und um Wieder-
herstellung der alten Verhältnisse gebetet wm-de. Davon ist heute
ein Rest, in dem melnr oder minder ausfülu'üch um Herbeifühi'ung
der Erlösungszeit gebetet wird, gebheben. An die Bitte um die künf-
tige Erlösung wurde in It. und Seph. mißverständlich das Gebet für
die Befreiung der Glaubensbrüder aus gegenwärtiger Bedrängnis
'-.ir-i io^:s?i bs^iffii irns? gesetzt, das viele Gemeinden an jedem
Sabbat sprachen.
Soweit die ältere Form der Xeumondsverkündigung, der Seph.
und Germ, in neuerer Zeit noch mehr Gebete vorausschicken; Germ.
— seit etwa 150 Jahren — die von Rab seinem täghchen Gebete
angehängte Techinna b. Ber. 16 b. die in die Pluralform umgesetzt
und deren iVnfang dem Zwecke entsprechend geändert ist, "i""^"'. TT'
riD^ab: n2"j':: "t" tt""" rs t'::" "~nrr iiisbis; Seph. diejenigen
Bitten "iisi irp, die in It. und Germ, am Montag und Donnerstag nach
der Toravorlesung gesprochen werden.
Die ursprüngliche Bestimmung der Neumohdsverkündigung, einen
Ersatz für die fehlenden Kalender zu bieten, trat mit der Zeit in den
Hintergrund, man sah in den angegliederten Bitten die Hauptsache,
änderte infolgedessen auch die Bezeichnung "iii^-Z'C in nnn "i^z^l^
mit der Verdeutschung „Rausch chaudesch benschen", wofür m
neuester Zeit ,, Neumondsweihe" getreten ist.
2. Seit dem Ende des XVI. Jahrhunderts hat sich, und zwar
zuerst in Palästuia, die Sitte gebildet, am Tage vor dem Xeumondstage
zu fasten; man nannte den Fasttag den kleinen Versöhnungstag
"Jp ^"£2 2"i und verfaßte eine eigene Liturgie für ihn, die aus den
Bußgebeten für den Versöhnungstag zusammengestellt ist. An-
deutungen, die für ein solches Fasten geltend gemacht werden konnten,-^
fanden sich bereits in der Literatur der vorangegangenen Jahrhunderte,
ja sogar im biblischen Opfer für den Xeumondstag. Verbreitet wurde
das Fasten aber erst durch den von Isaak Lurja beemflußten kabba
listischen Ki-eis, Moses Kordovero hat es nach Italien verpflanzt,
von dort kam es nach den nördlichen Ländern; ganz fest hatte sich
dieses Fasten nie eingebürgert, es ist in der Neuzeit meist wieder
I
{
Neumondstago 125
in Ver<j;cssenhoit geraten, ('her die hierbei üblichen Seliehot vgl.
unten § 33,
3. Am Vorabend des Neumondes zu Mineha und ebenso am Neu-
mond selbst fällt l^:nr (S. 78), wenn er ein Sabbat ist, pns ^^p^2
(S. 119) fort. Im übrigen nntersclieidet sieh das fleljet nur wenig von
dem der Wochentage. Jn die Tefilla wird innerhalb des XVI 1. Stückes
hinter n::^ seit den Tagen der ersten Tannaiten r—'Srn l^rr, d. li.
ein auf den festlichen (Charakter des Tages bezügliches Stück einge-
schaltet, die Amortäer nannten das "Cnn 1CS"I btü iiDTn. Der Anfang
sn"!"! nry wird Sof. XIX, 11 zitiert; damit muß das uns geläufige
Stück gemeint sein, denn es ist seit Amr. bis auf unwesentliche Va-
rianten in allen Riten gleichlautend. In Pal. findet sich eine Formel,
die gegenüber der bekannten im Wortlaut vielfach erweitert ist.
4. Nach dem Schacharisgebet werden am Xeumondslage die
Hallelpsalmen (113 bis 118), "'^"^^n Vrn, gesprochen, und zwar mit
Auslassung i^ib^ des Anfanges (Vs. 1 bis 11) von 115 und 116. Das
Hallel am Xeumondstage ist den tannaitischen Quellen unbekannt.
Es war in manchen Teilen Babyloniens üblich, dort fand es Rab zu
seinem Erstaunen vor; da ihm die eigentümliche Art der Rezitation
den Eindruck eines alt eingewurzelten Brauches machte, billigte er
sie, und so wurde das Hallel in der vei'kürzten Form für den Neu-
mondstag eingefülut. Das Hallel wh'd durch eine besondere Bene-
diktion 'ibnn rm i^^'pb eingeleitet und durch eine andere, T^cn rD"Q,
abgeschlossen. Als solche dient in allen Riten das Stück libbni,
schon im Talmud (b. Pes. 118 a) erwähnt, das in It. einen sehr ein-
fachen Text hat, in Germ, und Seph. durch eine Häufung von Syn-
onymen erweitert ist, während in Amr. und Rom. \der kurze Reime,
T^^ "'""^-"^ ""SD T'^cin Ti-n-» "ficrar Tinrnri T^rr'c iibb-'^ vom letzten
Psalmvers begleitet sind. ADgemein verbreitet ist die Eulogie ^"la
nnnrrn bbin'a. Über die hierauf folgende Toravorlesvmg vgl. § 25.
5. Die Neumondstage haben, zumindest seit den Tagen Hillels,
ein Musafgebet, das in gleicher Weise wie das der Sabbate aufgebaut
ist. In Pal. scheint die Musaftefilla dieselbe Fassung gehabt zu
haben wie die der Feste. In j. Ber. IX, 2 (13 d) wird die Frage er-
örtert, ob i:i<^ir"i (§ 28) zu sagen ist, und als Eulogie nnia Tnn
a'icnn mitgeteilt; in handschriftlichen Fragmenten lautet die Ein-
leitung wie die für die Festtage r-'nn nrs (§ 23), Uns liegt in allen
Riten eine jüngere Formel vor. Sie enthält, ähnlich der Musaftefilla
J26 Beschreibung des Gottesdienstes
für Sabbat, 1. eine Einleitung, die an den Charakter des Opfers (Num.
2815) nnd des Festes (Xum. 109, 10) als Sühne anknüpft, 2. die Bitte
um Wiederherstellung des Opferdienstes unter Anführung der Verse
Num. 2811—15; endlich 3. die Bitte um Segen im neuen Monat inn
-TH ir^inn ri« irbr mit der Eulogie s^TT-n ^Ti^xm ba«^:ir^ Trip)2.
Fällt der Neumondstag auf den Sabbat, so bleiben alle Ein-
schaltungen und Weglassungen die gleichen. In der Musaftefilla
lautet die Einleitung rn::i nrs?, in ausführlicherer Fassung als an
Wochentagen und in feierlicher gehobener Sprache, die mehr an die
erwähnte Formel in Pal. ermnert. Beim Opfer wh'd vor DD'i'C-n i'irs^'^m
auch Num. 289, 10, dahinter insbisn imar^ rezitiert, die Eu-
logie lautet n5i mr^i r^irn r-ip^. Der Text der Musaftefilla
ist seit Amr. bis auf die unvermeidhchen kleinen Abweichungen überall
gleich, was auf ein hohes Alter scliließen läßt. In den neueren Gebet-
büchern ist er wie bei allen Musaftefillas dahin geändert worden,
daß die Erwähnung des Opfers beseitigt wurde. Damit fiel auch die
alte Anschauung, wonach der Neumondstag ein Sühnfest ist.
6. Der Neumondstag hat seit alter Zeit seinen eigenen Psalm;
welcher Psalm damit gemeint ist, sagt die Überlieferung nicht, Ge-
bräuclilich ist Ps. 104. Die älteste Quelle, die ihn nennt, ist Orch.
Ch. I, 69 c, § 2; Rom. hat, wie bei allen Gelegenheiten, auch hier mehr
Psalmen (93, 96, 137 usw.).
§ 21. Fasttage.
Literatur: Duschak, S. 310ff.; J. Levi, Notices sur les jeuues chez
les Israelites in REJ XXX VH, 123 ff.
1. Am „Fasttage der Gemeinde" "nn:: r'^ljn vr^avEia erfährt
die Liturgie gewisse Veränderungen. Solche Fasttage wurden in alter
Zeit bei öffentlichen Kalamitäten eingesetzt (vgl. I. Kön. 219; Joel
114, 215), namentlich bei häufig wiederkelu'enden wie Regenmangel
a">x;ira n^syn (vgl. Taan. I, III). Für solche Fasten gab es ein beson-
deres Zeremoniell mit eigener Liturgie (Taan. II). In Babylonien
hatten die Anordnungen über diese Fasten keine Geltung (b. Taan.
11 b bnnn mn:: r.i:"n "jis?), und mit dem Aufhören der jüdischen
Autoritäten tu Palästina (um 350) kamen sie ganz außer Übung, den-
noch wurde die Liturgie der Fasten bei gi'oßen Notständen noch im
Jahre 1000 verwendet. — Neben den von FaU zu Fall eingesetzten
gab es historische Fasttage zur Erinnerung an unglückliche
f
• jiNfumondstage, Fasltago 127
Kieignisse in der Goscliiclitc dos jüdischen Volkes. Auch von ihnen
sind die meisten außer lM)ung f>;ekoniinen, obwohl Meg. Taan.
(Schlußkapitel) sie als „von der Tora geboten" liinstellt. (Jebliehen
sind die vier biblischen Fasttage (Sech. 81'.)): 17. Tanimus, 9. .\b,
3. Tischri, 10. Tebet. und hinzugekommen ist der 13. Adar, weshalb von
fünf, oder, je nachdem man dem 9. Ab und 3. Tischri eine besondere
Stelle einräumt, von vier Fasttagen geredet wird, für die auch eigene
Gebetbücher {r^'^iyr [t.] 'T nc) vorhanden sind. Dazu traten
ferner in Deutschland (kaum vor 1250) die Fasten nach den Pesach-
und Snkkotfesttagen an einem Montag, Donnerstag, Montag (n"ra
= ■^;c icrn -^IZ), am Anfang der Monate Ijar und Marcheschwan.
für die aus Ps. 211, Job 15 eine Begifmdung hergeleitet wurde, wahr-
scheinlich aber wurden sie im Zusammenhang mit den trüben Zeiten
der Verfolgungen emgerichtet. In einzelnen Gegenden und Ge-
meinden haben ferner Vertreibungen oder Judcnmetzeleien lokale
Fasttage veranlaßt, die in der Liturgie ganz wie die anderen ge-
nannten behandelt w^erden.
2. Auch die Fasttage wurden in Spanien und Frankreich wie die
^'eumonde am Sabbat vorher beim Gottesdienst angekündigt; in
miseren Gegenden ist nur von den Fasttagen nach den Festen in der
Synagoge Mitteilung gemacht worden und zwar in Form eines be-
sonderen Segens für diejenigen, die sie halten. In den neuen Gebet-
büchern wu'd auf das Eintreffen eines der „fünf Fasttage" zusammen
mit der Neumondsverkündigung hingewiesen, die anderen werden
nicht mein- beachtet. Die Liturgie des Fasttages selbst wird durch
die Einschaltung von Gebeten verändert. In die Tefilla wird das Stück
'Z'^zy (r^r^r br ,s5r-i:"n s^r-b::) eingeschaltet; vgl. darül)er oben S. 48.
3. Bei der Wiederholung der Tefilla fügt der Vorbeter, zum
mindesten seit der gaonäischen Zeit, im IV. Stück Bußgebete nn-ibo
ein. Fasten ermnern an Kalamitäten, und diese sind nach der An-
schauung des Altertums und Mittelalters durch Sündenschuld hervor-
gerufen, daher wird am Fasttage die Bitte um Sündenvergebung
ervveitert. Schon bei den alten Fasten w'ar gelegentlich des Gottes-
dienstes eine Erweiterung der Tefilla vorgeschrieben. Im Anschlüsse
an die Bitte um Sündenvergebung (IV) wurden sechs bezw. sieben
Gebete eingeschaltet, zumeist Psalmen oder andere Bibelstellen, die
von öffentlichen Notständen handeln; sie finden in einer Bitte in der
Form zzrs rr."^ i«"~ . . . b -:~ir ^t2 und einer Eulogie iliren Ab-
228 Beschreibung des Gottesdienstes
Schluß. ]\'och bis zum Jalire 1000 wurden im Orient wegen Regen-
mangels Fasten angesagt, an den Morgengottesdienst ein Gebet an-
gegliedert, das im Rahmen der alten Liturgie Bitten um Abwendung
des T^otstandes häufte. Neben längeren Bibelstellen wurden frei
komponierte Gebete oder Poesien aufgenommen. Nach den Angaben
der Quellen hatte das Gebet einen solchen Umfang, daß es beinahe
den ganzen Tag ausgefüllt haben muß. An den historischen Fast-
tagen jedoch kam die erwähnte Liturgie nicht zur Verwendung, viel-
melir wurde die übliche Tefilla beibehalten und nur in der Mitte der
sechsten Bitte dm'ch die Einschaltung der Selichot unterbrochen. Über
die Einrichtung der Selichot, die nicht zu den Stammgebeten gehören,
wird unten § 33 zu sprechen sein ; hier soll nur bemerkt werden, daß
die „13 Eigenschaften" (Ex. 34 6, 7) den immer wiederkehrenden
Refrain derselben bilden. Nach Beendigung der Selichot wü'd mit
einem niu- bei dieser Gelegenheit gebräuchlichen Übergange ^jy^ bsT
(S. 48) zur Tefilla zurückgekehrt. It. und Rom. haben an den bibli-
schen Fasttagen außerdem Kerobot, die in alle Benediktionen der
Tefilla eingeschaltet werden (§ 32).
Am Fasttage wii'd endlich am Morgen und Nachmittag aus der
Tora, nachmittags sogar auch aus den Propheten gelesen, vgl. darüber
§ 25 und 26. Zu Mincha wm"de an Fasttagen abweichend von der
sonstigen Gepflogenheit der Priestersegen gesprochen; daher auch
im letzten Stücke der Tefilla selbst in Germ, r^br r:*»!!', und dort,
wo man es an anderen Tagen fortüeß, wurde XVII. mit ~::i be-
gonnen. Für den dritten Tischri ergeben sich einige weitere Ände-
rungen durch seine Zugehörigkeit zu den zehn Bußtagen; vgl. dar-
über § 24.
4. Eine besondere Stelle nimmt unter den Fasttagen der neunte
Ab ein, an üim sind die Eingi'iffe in die Liturgie bedeutender, weü
der Tag als Trauertag gut. M. Sofrün und Amr. schreiben Trauer-
gebräuche, wie beim Tode der nächsten Angehörigen, vor, die sich
teilweise bis in die Gegenwart erhalten haben. In der Liturgie machte
sich der gleiche Gesichtspunkt geltend; eine Betrachtung der Quellen
lehrt, daß aus dieser Anschauung heraus mit dem Fortsclireiten der
Jahrhunderte immer mehr Änderungen vorgenommen wurden. Sofrim
kennt besondere Gebete für den Tag überhaupt nicht, am Abend
werden einige Bibelstellen Jer. 1419—22, Ps. 79 und 137 vorgetragen,
Rom. hat das beibehalten und Ps. 74 beigefügt. Bei Amr. kommt als
Faslfn^o, nounfcr Ali 129
Al)W('i('hun2f nur die Einschalt iini; von am in das Stück XIV der
'IVfilla (oben S. 53) vor, die für alle drcü Gebete des Tages vorge-
sehen ist. Der Text stimmt mit j. Taan. 1! ((30 c) überein. nur ist vor
dem Schlüsse noeh eine Bitte n^^T yiüi'a ns^pm nnE773 S""; r.-":
2*1^3 y^TT r::T bn:z" Z'br Ti;: rpbr ~"j: eingcfüni. und die ganze
Fassung ist in lt. und Koni, ebenso eriialten. Schon im Ms. S. von
Anir. steht die auch in Germ, und Seph. übergegangene, wahrscheinlich
babylonische Fassung mit . an: an der Spitze. Die Eulogic lautet
heute allgemein wie bei Amr. a^'^TTin^ n:i2l ]-\^'l an:72, im Mittelalter
waren verschiedene Fassungen mit "i"i"»S "'bnx im Umlauf. Jn ganz
Frankreich (vielleicht auch in Spanien?) war im Mittelalter im Abend-
und Morgengebet an", nur zu Mincha an: üblich, so daß die beiden
Formeln Berücksichtigung fanden; späterliin hat das nur liom. bei-
behalten, in Germ, und Seph. wurde lediglich zu Mincha an: gesagt,
lt. allein hat ann in allen drei Tefillas.
Im idjrigen ist nach Amr. die Liturgie dieselbe wie an allen Fast-
tagen (s. oben S. 127); in der X^-C" nrnp wird der Satz rST ^:si
"irr^ii (Jes. 5921), ebenso, wenn der neunte Ab auf Sabbatausgang
fällt, Ps. 91 ff. (oben S. 121) fortgelassen. Am Abend erwähnt Amr.
auch die Vorlesung der biblischen Klagelieder. In Sofrira ist der Brauch
noch schwankend, ob sie am Morgen oder am Abend gelesen werden.
Auf die Vorlesung der Klagelieder folgt, wie das nach allen Vor-
lesungen üblich war, die S""i~D~ "ii'np (S. 79).
Dabei blieb es nicht : M. Sofrim berichtet, daß am Abend 1D"Q, ferner
bis zu Mincha mnnp und cnp ausfielen, was nirgends übernommen
ist. Früh wurde eingeführt, daß am neunten Ab selbst und am Vor-
abend i"":nr ausfiel, und das ist allgemein beibehalten worden. Von
Rom aus wurde angeregt, das Schilfmeerlied wegfallen zu lassen,
und das scheint im Mittelalter allgemein befolgt worden zu sein, es
wurde aber später, außer in lt., wieder aufgenommen; in Rom. wurde
das Lied Moses Dt. 32 dafür gesetzt. Ebenso ließ man andere Stellen,
wie Ps.. 1(X), sogar nb "in, die Opferstellen nach den einleitenden
Benediktionen usw. fort: auch im Kaddisch blieb der Satz raprr aus.
Diese Bräuche haben sich nicht alle erhalten, die einzelnen Gemeinden
wichen darin sehr voneinander ab. Auch der von Amr. erwähnte
Brauch der Selichot ist fortgefallen, an ihre Stelle traten die poe-
tischen minp und die r^.z^-p (vgl. weiter § 33), die in It. und Rom.
innerhalb der Tefilla vor der Eulogie von XIV n:im in "in^S
Elbogen. Der jüd. Gottesdienst. 9
130 Beschreibung des Gottesdienstes
airinni, in Sepli. unmittelbar danach, in Germ, erst nach der Tora-
vorlesung rezitiert werden. In manchen Gegenden las man die Kinot
nicht in der Synagoge, sondern nur zu Hause; in anderen wiederum
vereinigte man sich, um in der Synagoge Job zu lesen. In neuerer
Zeit hat sich die Wertung des neunten Ab und damit auch die Liturgie
^^elfach geändert; von Veränderungen im Gottesdienste kommen
meist nur die Vorlesung der Klagelieger oder einer Auswahl aus ilinen
und der Vortrag einer oder zweier Kinot in Frage.
Über die Toravorlesung und Haftara vgl. § 25 und 26.
§ 22. Channukka und Purim.
Literatur: J.E. Art. Hanukkah, VI, 224 ff.; Purim, X, 274 ff.
A. 1. Das Chanukkafest HDSn (Meg. Taan., Kapitel IX), iyy.ai-
viaf.i6Q (I. Mk. 459), lyAuina (Ev. Joh. 1022) wird zur Erinnerung
an die Weihe des Tempels unter Juda Makkabi vom 25. Kislew ab acht
Tage lang gefeiert. Seine Einwirkung auf die Liturgie ist nicht sehr
groß. Die Veränderungen in den Stammgebeten beschränken sich
auf die Einschaltung von :7"n55^n '(^"'a in das vorletzte Stück der
TefiUa; der Inhalt ist oben S. 58 besprochen. Das Stück wird zuerst
Sof . XX, 8 in verkürzter Form wiedergegeben, die vorliegende Text-
gestalt ist sehr mangelliaft, offenbar aber weicht dieselbe von der
in allen Riten wiederkehrenden ab. Sie schließt mit einer Bitte t\v:7
nr: TisTi?":: mi2i nsibBSi aio: s"ii? "i i:'a:?, die m etwas veränderter
Gestalt rvü^V "JD o: nrm'j r^iri^Tr arD in Amr., Seph. und It. über-
gegangen ist. Um ihre Zulässigkeit an dieser Stelle der Tefilla wurde
viel gestritten, Rom. und Germ, haben sie nicht. Der Einleitungssatz
aiDSn bv wnd zuerst von R. Acha (ca. 750) erwähnt, der Schluß
ns?-nm Vr^nn ibi? n3:n ^■a^ v^.fys: irnpi (Meg. Taan. Kap. IX) ent-
spricht dem Berichte von I. Mk. 459 /mI tarrjaEv ^lovöag .... 'i'va
aycüvrai a'i rK-iiqui iyy.ai}'ioiiou rov d^caiaGTu^giov. . • • f.iST^ evqqo-
övvr^g, VMi yaqäg.
2. Ilinn fällt am Chanukka aus, hingegen wird seit alter Zeit
Hallel (unverkürzt) gesprochen (Tos. Sukk. 111,2); die Benediktion
lautet in diesem Falle in allen Riten außer Germ, bbnn rs "i^sr^b.
Chanukka hat ein besonderes Lied, Ps. 30 (Sof. XVIII, 2), \äelleiclit
rührt hiervon die Überschrift r'''2.r\ nssn niffi her. Über die Tora-
vorlesung vgl. § 25.
('.Ii;imikk;i, rurini 131
3. Das Symbol des (Hiaiuikkafestes sind die l/iclilcr, dalicr nennt
es Joseph US (fiüia (Ant. XU 77). Die Licliter wurden urs|)ri"mf^licli
nur in den Häusern, später auch in den Synagogen angezündet, lieini
Anzünden werden seit den Zeiten der ersten Amoräer besondere
Henediivtionen gesprochen, am ersten Tage drei, an jedem folgenden
zwei; es gab aber auch eine Anschauung, die überhaupt nur an", ersten
Tage die Henediktionen zulassen wollte. Der Wortlaut der ersten
(nz:n :c "": p'^"::nn'::) ist in der noch heute überall üblichen Form
b. Scliabb. 23 a mitgeteilt, eine andere Formel findet sich j. Sukk. 111,4
(53 d); der Text der beiden anderen Henediktionen a'^c: nirrtr und
■i:"innir ist wahrscheinlich aus Versehen aus den Talmuddrucken
ausgefallen, ist aber ebenso alt wie derjenige der ersten. In Sof. XX, 6
wird außerdem die Hymne iVm rMin mitgeteilt, die dort, wie es
scheint, an eine falsche Stelle geraten ist und erst hinter den Bene-
diktionen gesprochen wird. Neuerdings wnd in Germ, vielfach im
Anschlüsse hieran noch der Piut "»rriri 112: n^a oder eine Chanukka-
hymne in der Landessprache gesungen. In lt. und Seph. wird nach
den Benediktionen statt "ibbn ni:n Ps. 30 gesprochen, in Rom. nichts.
B. 1. Die Entstehungszeit und der Anlaß des Purimf estes (14.
Adar) sowie des voraufgehenden Fastens (13. Adar) sind historisch
kaum mehr zu ergründen. Das Fasten kann, solange der Xikanortag
gefeiert wurde (Meg, Taan. Kap. XII), nicht bekannt gewesen sein.
Sof. XXI, 1 berichtet, daß in Palästina ,,die Fasten nach Mordechai
und Esther" "irci?^ "»d-tc zi:: •^12'^ an drei Tagen n a c h Purim,
und zwar am Montag, Donnerstag und Montag begangen wurden. Alle
sonstigen Quellen kennen das Fasten nur am 13. Adariros« ni^rr. Es
wurde an Bedeutung nie den biblischen Fasttagen gleichgesetzt; sein
Einfluß auf die Liturgie jedoch ist der gleiche (vgl. oben ^ 21.)
2. Am Purim wird ebenso wie am Chanidika a'^o:n '::7 einge-
schaltet (vgl. Sof. XX, 8. Ende). Auch ein besonderes Lied ist dafür
bestimmt; nach Sof. XVIII 2 Ps. 7, den jedoch nur Rom. hat, während
die anderen Riten Ps. 22 verwenden, den der Midrasch auf die Ge-
schichte Esthers bezieht. Die Hallelpsalmen werden am Purim nicht
gesprochen, mfolgedessen hat Amr. "jirnr beibehalten; im Mittel-
alter jedoch wurde dem widersprochen und "iiinr wieder beseitigt.
über die Toravorlesung vgl. § 25.
3. Am Purim wird das Buch Esther verlesen, ein Brauch, den die
Mischna schon als feststehend voraussetzt, der aucli bereits Jahr-
9*
J32 Beschreibung des Gottesdienstes
hunderte vor ihrer Redaktion bestanden haben muß (vgl. Meg. Anf.).
Seit der amoräischen Zeit findet die Vorlesung zweimal statt (b.
Meg. 4 a), am Abend nach der Tefilla, am Morgen nach der Tora-
vorlesung, Die Vorlesung des Buches Esther wird durch drei Bene-
diktionen eingeleitet n;)a =n':;r;)3 ^"^p^ b:?. a^o: nir-jw, ii-^-^fin^ (b.
Meg. 21 b). Nach der Vorlesung lautet die Benediktion irn*»! rt? ün;
auf sie folgen nacli Angabe des Talmuds noch die Sätze TTin "i^sn m-ii«
''DTi'a, die meist später im Piutstil ausgearbeitet waren. Im An-
schlüsse an die Vorlesung wird i^i'iDT nwiip gesprochen. Strittig
war vielfach, ob i;">nriir auch am Morgen statthaben soll. Schon
bei Amr. ist erwähnt, daß einige Verse des Buches Esther von Vor-
beter und Gemeinde gesprochen werden ; die Zahl der Verse ist später
vermehrt worden. Vielfach wurde die Vorlesung der Megilla von
Gebräuchen begleitet, die der überströmenden Freude Ausdruck
geben sollten; sie sind nicht selten in Unfug ausgeartet, vgl. I. Ab-
rahams, Jewish Life in the Middle Ages, S. 33, 262. In Reformgemeinden
ist die Vorlesung des Buches Esther meist auf den Morgen be-
schränkt, während am Abend eine Auswahl daraus in der Landes-
sprache gegeben wd. Die lärmenden I^nterbrechungen von selten
der Gemeinde liaben in kultivierten Ländern überall aufgehört.
C. Die Festtage.
§ 23. Wallfahrtsfeste.
Literatur: Landslmth, S. 437 ff.; Baer, S. 346 tt'.; Elbogeu, Die Tefilla
füi- die Festtage in MS LV, 1911, 426fF.; Berliner Randb. II, S. 2oft\
1. Die Feste a"i"i:7i^T ainrj a^ia"' (Ami-.) bilden für die
Liturgie eine einheitliche Gruppe. Die Struktur der Gebete ist —
mit einer Ausnahme — an ihnen die gleiche; die Abweichungen sind
in der Bedeutung des Festes begründet, Ihrem Charakter nach sind sie
seit Alters her in zwei Gruppen geschieden, die drei Wallfalu-tsfeste
'D'C^-\ ffibr und die beiden ernsten Feste D"'S?T'; a"'l2"'. Die Namen
der Wallfahrtsfeste lauten in den tannaitischen Quellen nos ,ri:::".
;^n (Sukk, III, 5 und Tos. das.), ai-am. s?nc2, sr^iir'. 5?jn, später
auch s^rbrjia"; i<'^ii"L2£1 5?:;n. Die Mischna setzt immer nur einen
Feiertag voraus, w^älu'end der babylonische Talmud auch die zweiten,
die Feiertage der Diaspora (nilbä hxs irir ITJ aT^), berücksichtigt; in
Palästina wird bis heute außer am nrirn Trsi- nur ein Feiertag gehalten.
Wiillliilirlsf.'slr 1H3
2. Dio Ciobetc ciitsjjri'cluMi clciicii liir die Sahhalc. Die 'l'd'illa be-
steht wie dort aus sieben StiU-keii, von denen die drei ersten und die
(h'oi letzten die dei' Wochen faiic sind, (bis siebente enthidt in der Bitte
(bis vom Sabl)at her bekannte ''Cr"l'>22 "ITTip ; sie unterscheidet
sicii insül'ern, als wir dort für jedes (Jebet eine besondere Fassung der
iMnleituiig besitzen, wälirend an den Festen nn:r r'^nmr r'iS^J
völlig gleichlauten und rc'C — ähnlich wie am Sabbat — eine Er-
weiterung dieser bildet. Die Siebenzahl geht schon auf die älteste
tannaitische Zeit zurück, wie die Kontroverse zwischen Schammaiten
imd Hilleliten über die Art der Erweiterung des Festtagsgebetes an
Sabbaten beweist. Die heutige Fassung stammt aus den Anfängen
der amoräischen Epoche, aus der Tätigkeit Kabs und Samuels; nur
geringe und unbedeutende Zusätze weisen auf spätere Jahrhunderte.
""""nn nrx wird b. Joma 87 b von Ulla b. Rab (um 330) als ein ganz
bekanntes Gebet zitiert, i:b "irri in b. Ber. 33 b im Anschlüsse an die
..Perle" Mar Samuels erw^älmt (230), derselbe Autor nennt ^:S"^Trm,
und aus der Bitte kommt neben dem erwähnten Satze TTISiaS i^inp
noch der Schluß z^:r7-i bs'^r-^ npTS vor, der allerdings im IV. Jahr-
hunderte noch strittig ist. vgl. b. Pes. 117 b. Für einen F'eiertag,
der auf den Sabbat fällt, fordert schon der Tannaite Nathan (um 160)
=^:i2Tni :55^Tr^ rnr- np^ (Tos. Ber. 111,13, S. 716).
3. Alle erwähnten Zitate gehen auf babylonische Autori-
täten zurück. Daneben aber muß es noch eine andere, eine pa-
lästinische Rezension der Tefilla gegeben haben, von der Spuren
im Traktate Sofrim vorliegen. Dort wird XIX, 3 die Erwähnung des
betreffenden Festes mit den Worten 5n 2'i "7- np s«-pT2 n'i: ZT'
nrn gefordert; von den bekannten Gebetbüchern hat genau dieselbe
Fassung nur Maunonides. Ferner werden Sof. XIX, 7 als Bestand-
teile der drei Festtagsgebete die Stücke röj ,S1"'T nb""» ,":s5"'Trrii ge-
nannt; auch hierfür bieten die vorhandenen Gebetbücher keine Ana-
logie, sie kennen nr:; nur als Bestandteil von Musaf, SDii nr~i
wiederum für alle Tefillas mit Ausnahme vom Musaf. Die kühnen
Versuche, durch Textänderung in der Quelle eine Übereinstimmung
mit den bekannten Gebetstücken herzustellen, sind sämtlich als
verfelilt zu betrachten. Als Eulogie gibt Sof. das. ""C^ "C7 z~'pi2
'S:~'p ■'S^^pr"' 2"':rT-''; eine solche weitschweifige Formel kommt in
keiner der bekannten Liturgien vor. Hingegen haben sich Frag-
mente, die alle die genannten Eigentümlichkeiten des Textes auf-
]^34 Beschreibung des Gottesdienstes
weisen, in der Genisa von Kaii-o gefunden, sie sind MS., LV, 1911.
S. 433 — 446 und 586 — 593 veröffentlicht und besprochen; die Frag-
mente bilden Reste des alten palästinischen Ritus, sie soUen im
folgenden mit Pal. angeführt werden.
4. Im Musafgebet aller Feste wird das Mittelstüek dadurch er-
weitert, daß irs^'on i^B'ai zwischen •\:b im und irii-iTTm tritt,
während i53ii nl::^^ ausfällt. Komposition und Text dieser Einlage
sind seit Amr. in allen Gebeten gleich, irsisn ■'^S'ai will auf die
Opferlegende führen, es geht von der Zerstörung des Tempels und der
Unmöglichkeit, Opfer darzubringen, aus, reiht daran die Bitte um
Herbeiführung der messianischen Zeit und um Wiederherstellung
des Heiligtumes, an die sich die Bibelverse aus Num. 28 und 29 mit
den Opfervorschriften anschließen. Auf die Opferlegende folgt die
Bitte i:ib:7 am Tani i^'a i^'ns« um Wiederherstellung der Wall-
fahrt. Pal. bietet auch für die MusaftefiUa ganz abweichende und
vereinfachte Texte; dort unterscheidet sie sich von den anderen
Tefillas nur durch das, was unbedingt notwendig ist. An i:':; ]m
schließt sich sofort imrn mrDD r^OTa •^:i-^-p m n^npnb mit den
zugehörigen Versen als Beleg an, hinter nbSi ist dann die Wieder-
herstellung der Wallfahrt kurz angedeutet und am Ende von TlSTr.-
kommt das Gebet mit den aus j. Ber. IV. 6 bekannten Worten "TL"""
vlDlTG P"ip"i ai"^ ^"!^)ar irrimn rs« Tirsb wieder auf den Anfang
zurück (vgl. ob. S. 116). Sonst bleibt alles beim alten, auch s^n-^: nb7^
fehlt nicht.
5. Zum Wortlaut der Festgebete ist im einzelnen folgendes zu
bemerken. Statt I2rnnn nra? hat Pal. nnn nrs als Beginn eines
hymnischen Stückes, das mehr Schwung zeigt als das übliche. In
"^zb "rim folgt Pal. genau der Angabe von Sofrim, während Amr. und
danach Seph. den Namen des Festes vor tClp i«ip^ mi2 ST^ haben;
in allen anderen Riten fehlen die Worte ganz. Pal. hat nur 2i17"ii2
nnisirb; Amr. und die anderen Riten auch";TCt': s'^Z'aTT D^^n; Isaak
ibn Gajjat und Rom. fügen noch njlTTib a'^iai:: a"ii2i ein. Hinzu-
gekommen ist seit Amr. in allen Riten die Erwähnung der Bedeu-
tung des Festes (i;m-in "j-qt usw.). Pal. fügt an irb im Bibelverse
über das Fest aus Lev. 23 an, reiht daran andere aus den Hagio-
graphen und Propheten, wie das sonst nur im Musaf des Xeujahrs-
tages geschieht. Die Bitte rr:'y S'ns schließt Pal. mit dem ebenfalls
aus dem Neujahrsgebet bekannten Satze -»nbs« 'i- l'^irv^fz -i'as'':
Wallfahrtsfeste 135
nrns bsn inDbm Y"^ '^^"^ J»'); li^-r (iciiankc cii's Ootlesreiclit'.s
koinint in Pal. an s ä in t 1 i c h e n Festen in seiner klassisclien Rein-
heit zum Ausdruek. s«n'^T rby* beginnt dort wie in Sofrim mit s«:i<
n:"^nbs; der Text ist mehrfadi erweitert, die Reilie der in Krinneriint;
zurufenden Dinge ist wesentlich größer, am Schlüsse folgt die nur ans
Seph. zum Neumond (oben S. 126) bekannte Bitte um Erlösung,
die sich in ]t. uiul Rom. auch für die Feierlage erhalten hat, TT^"!
,.p»,^v- rs^i nrnr irmiiirbDb fpi qio nTn..aT' nin irnp ssipia ai"».
i:STn'^ ist aus j. Her. IX, 2 bekannt, jedoch wird dort nur der An-
fang zitiert; am Schlüsse lesen alle Riten außer Germ, rcü "ZZ^^r "iz.
die Textform wird durch Pal. unterstützt, wo es heißt rn^i« "'.ttSj
nbo irsnnr "JD r'^'i~\^. Die Bitte ']-^rii'Q2 IDirnp kommt in den be-
kannten Texten von Pal. nicht vor, und das scheint nicht auf einer
Kürzung der Abschreiber zu beruhen, sondern wirklich zu fehlen.
In der Eulogie steht Pal, wie bemerkt, ganz allein (zu vgl. ist
b. Pes. 117 b).
6, I2"is?'jn ■^lEtn für Musaf beginnt in Amr. und danach in
Seph. mit irnns« inbi^l i:inbi«, ist im übrigen bis auf die üblichen
kleinen Abweichungen in allen Riten gleich, nur in V. ist der Schluß
etwas erweitert. Die Opferverse fehlen bekanntlich in Seph., obwohl
sie in Amr. vorhanden sind. Man bewies die Zulässigkeit ihres Fehlens
aus einem Worte des Talmuds (b. R. h Seh. 35 b). Unter den Geonim
erklärte sich Sar Schalom gegen Katronai und Saadja für ihre Bei-
behaltung. Da es wenig Gebetbücher gab, da ferner in den Abschriften
gekürzt wurde, was ii'gend möglich war, waren die Verse wenig be-
kannt und mußten schon darum fortbleiben. Raschi war ganz er-
staunt über ihre Einführung, die er als völlig neue Sitte bezeichnete.
Dennoch stehen sie in allen Riten außer in Seph., wo sie aber im Mittel-
alter ebenfalls verbreitet waren. Die Wallfalu't erwähnt Pal. mit den
Worten ^i2yt> ir^jffln -f-^ifi'^ nxns aüi is^iis?^ r^nn n^^n iris^yi
i:->ban unter Berufung auf Dt. 1616.17.
7. Fällt der Festtag auf den Sabbat, so wd das Gebet da-
durch in seinem Aufbau nicht verändert. Es wird nur an geeigneter
Stelle die Erwähnung des Sabbats eingefügt. Ob das genau der Vor-
schrift von Bet Hülel (Tos. Ber. III, 13) entspricht rnc :rn b">nn2
rnc brn a-iica^, ist zweifelhaft, aber wir können schwer feststellen,
was mit den Bestimmungen jener Baraita gemeint war. In ^'7 "irn
whd vor den Namen des Festes nnSTab nrmr und r\Tn m:^n ai^ rs5
136
Beschreibung des Gottesdienstes
eingeschoben. Germ, setzt dafür "in mir" ^"^ r^ und nach Er-
wähnung des Festes das sonst in Germ, fehlende nins«S ein. Zu
TTlsi'SD ^inp werden die entsprechenden Ergänzungen aus der
Sabbatbitte hinzugesetzt, i:rm:ri n^i usw. In der Musaftefilla
werden außerdem vor den Opfern die Verse für das Sabbatopfer,
hinter ilmen '7nD"::'J2n ^n)2ri eingeschaltet. Pal. liegt für Sabbat
nicht vor. Die Eulogie gibt bereits R. Nathan an (oben S. 133) inp'c
2i''aTn"i nffiii r^wn, aber noch Rabina (V. Jahrhundert) hat gegen
Abweichungen hiervon zu kämpfen.
8. Fällt der Feiertag auf den Ausgang des Sabbats, so wii'd
in die Abendtefilla hinter 12b "irm die von Mar Samuel verfaßte
„Perle" i::7"'"nn eingeschaltet, deren Text sich b. Ber. 33 b findet,
sie ist ein Ersatz für die Habdala (§ 192).
9. Wie die TefiUa ist auch sonst der Grundstock der anderen
Gebete allen drei Festen gemeinsam. Das Abendgebet ist dasselbe
Avie das der Wochentage, "'riinrn jedoch wird in Seph. und Germ, in
der für Sabbat üblichen Form gesagt. x\ls Bibelvers wird in It. und
Seph. Lev. 234 '" i->"i^ nbi?; in Germ., so schon in V., Lev. 2344
nca "il~"iT verwendet; in Rom. sind für jedes Fest besondere Verse.
Pal. kennt die relativ junge Einrichtung der Bibelverse überhaupt nicht.
Seph. und Rom. schicken, wie an jedem Tage, auch an den Festen dem
Abendgebet einen Psalm voraus und lassen, wie am Sabbat, einen
folgen. Die Stellen sind im einzelnen weiter unten angegeben. Xach
der Tefilla wird Kiddusch gesprochen, dessen Text mit dem der mitt-
leren Benediktion der Tefilla ^äel gemeinsam hat.
Im Morgengebet werden nach den "imrn mD"il die Psalmen
gesprochen. Sof. XVIII, 2, 3, XIX. 2 kennt für jedes Fest einen
besonderen Psabn, der am Eingang der HTcn ■'piOE zu sprechen ist.
auf den dann T12D "^ro und die verschiedenen täglichen Psalmen folgen.
So ist es nicht geblieben, Adelmelu- wd in allen Riten die an Sabbaten
übliche Reüie der n"T>^T innegehalten; in Germ, völlig unverändert,
in It. wird Ps. 97, in Seph. und Rom. der Psalm des Festtages einge-
schoben, in ilmen wird, wie in Amr., bei Psabn 92 der erste Vers fort-
gelassen. Wie am Sabbat wird das Schilfmeerhed — bei Amr. sogar
bis Ex. 1526 — und rxnrz gebetet. Es folgt der Jozer der Wochentage
(oben S. 16 ff.), um- an Sabbaten imi "::Dn usw. (oben S. 114), Pal.
jedoch scheint besondere poetische Einschaltungen für den Jozer der
Feste gehabt zu haben; endlich folgt die Tefilla, vde bereits besprochen.
Wiilll'alirtsf.'stc, l'rsarh 137
Allen (lit'i i^'cicitai'cii «ijomtMiisam ist die Kc/Zilatioii des llalh'l, l's. I \'^
bis 1 IH, tlcroii Anordnung- in die fannaitischc Zeil zuriickf^'ciit; fiirrcsacli
ist dort (las llallcl nur an einem resp. zwei Taigen eiwälint, an den
anderen wird das \-eikiirzte ii,('S|)r()('lien. Im Mittelalter kam (zuerst
in Krankreieli?) die Sitte hinzu, an jedem der Walll'alirtsl'este eine der
Meti;ill(»t zu lt>sen. in Kom. wird diese Lektüre auf mehrere Tage verteilt.
(*l)er die Toravorlesuno" vgl. v^ 25 und über die j\lusaftefilla
oben S. 134. Zu Musat' irehörte im Tempel zu -Jeiusalem ein besonderer
l'salm, der mit dem oben erwähnten nielit identisch ist.
10. All den Mittolfeierta<ien ("rTcn b^n ,~rTC) von Pesacli und
Sukkot wird, wie an Wochentagen, gebetet, jedoch mit Einschaltung
von S^"!"! n'rri in die Tefilla und mit Weglassung von y:nr. Das ^lusaf-
gebet, das ebenso wie das des Neumonds durch "'^rs? und "jT^s: i<2"
eingeleitet wird, ist das des Festes. Bei der Erwähnung des Festes
in sn"^"! nb"-> oder ■:": im wird nach Sof. XIX, 3 5<^pr n"J 2"^
T-p fortgelassen, ebenso lautet Pal. ; von den bekannten Kiten macht
nur Seph. einen Unterschied, indem er das Wort Dil: wegläßt und
-TH Ttlp snp"a aTi rs« liest. Hallel und Toravorlesung gehören auch
zur Liturgie der Halhfeste.
IL Im einzelnen ist zu den Festen folgendes zu bemerken:
a) Pesach, das Befrehmgsfest, heißt in den Gebeten r^'2'c~ :;n,
es wird als "irmn -^"qt bezeichnet. Sof. XIX, 3 und Pal. haben für
die Mittelfeiertage nicht die Bezeichnung inp «""pTa Sit: aii, den
siebenten Tag nennt Sof. r^"j:" Tintr 3^^; in den Riten ist dieser Unter-
schied nicht bekannt, nur in Seph. wird m"J weggelassen. J)er Morgen-
psahii, ^ic, für Pesach ist in Sof. XVIII, 2 Ps. 135, nach anderen
Ps. 83 für den ersten Tag und die Mitteltage, Ps. 136 für den siebenten.
Seph. verwendet Ps. 107 als T^r, Ps. 114 nach dem Abendgebet. Rom.
hat wie am Sabbat Ps. 92, sodann 135 oder 106 sowie 136 und 150;
am siebenten statt 135 Ps. 18. Am I. und IL Pesachabend wird in
der Synagoge nicht Ividdusch gesprochen, wenn er auf Sabbat trifft,
auch nicht "nr -jirr rns rein (oben S. 111). In Spanien und Baby-
lonien soll Seder in der Synagoge gehalten worden sein, weil die Leute
zu unwissend waren, um die Haggada lesen zu können. Xach Seph.
M-ii-d an den beiden ersten Abenden auch in der Synagoge Hallel ge-
sproclien, das ist auch in Polen und am Balkan übernommen worden.
Nach dem Talmud wird beim Morgengottesdienst Hallel nur am ersten
138 Beschreibung des Gottesdienstes
Pesachtage gesagt, später wurde es für die folgenden Tage in derselben
Weise wie am Neumond (vgl. S. 125) bestimmt. Von den Megillot wird
das Hohelied am 7. Pesachtage oder am Sabbat in der Festwoche
gelesen. Die Opferverse smd in Pal. und Rom. Num. 28 16 bezw. 19 — 24
resp. 25; in Germ, und It. Num. 2816—19 bezw. 19, während 20— 24 in
eine für alle Feste gültigen Formel dh'idd:! arn:^i zusammengezogen
sind. Die Eulogie der Tefilla lautet in Pal. ns^n 5ni nie ir^ip^
V^p ^s«npüT D^:^Tm nnTair ^"i^^Tai. Mit dem Musafgebet des ersten
Pesachtages hört min n-^Tria auf, in Seph., Rom. und It. beginnt
man da b'on "iiiTa einzufügen, während in Germ, jede Erwähnung
fortbleibt. Später hat sich hieraus ein besonderes Gebet um Tau
br; r'':t)r im Anschlüsse an Musaf entwickelt.
Über die Toravorlesung vgl. § 25.
b) Schowuaus heißt in den Gebeten, schon in Sof. XIX, 4, myiirn 5n
und wird als Offenbarungsfest i^niin "iDa )'Q1 gefeiert, wofür in der
Bibel noch kein Anhalt zu finden ist. Als Psalm ist Sof, XVIII, 3
Ps. 29 verordnet, Seph. und Rom. verwenden Ps. 68, It. hat ilm vor
der Toravorlesung, nach dem Abendgebete jedoch Ps. 122. Als Megilla
wird Rut gelesen. Über Toravorlesung vgl. § 25. Die Musafverse
sind Num. 2826 und 27 (in Rom. — 31), dazu aniDOn arni'ai wie oben;
Rom. hat Num. 2826 auch am Abend an Stelle des stereotypen Verses
aus Le\ätikus (s. oben S. 136).
c) Sukkaus führt den Namen riDon jn und wird im Ansclüusse an
Dt. 1614,15 als isrn^air ]'ü' bezeichnet; in Sof. felilt jede iVngabe
darüber infolge der Lückenhaftigkeit unseres Textes. In Pal. lautet
die Eulogie in der Tefilla a'^r^arm nniair in^-Tai riDon 3m mui wip^
ir^p ^S5ip)3l a^bis-im. Als Morgenpsalm gibt Sof. XIX, 2 Ps. 76 an, den
Rom. tatsäclüich hat. Die Reüie der Musafpsalmen für die Zwischen-
tage ist in b. Sukka 55a überliefert: für den ersten Ps. 29, für den
zweiten Ps. 5016 — ?, für den dritten Ps. 9416 — ?, für den vierten das.
8 — 16 ? für den fünften Ps. 81 7—?, für den sechsten Ps, 82 5 — ?. Verwendet
wird in Seph. Ps. 42, 43 und nach Maarib Ps. 122. An allen Sukkaustagen
wird das ganze Hallel gesprochen. Die Musafverse sind Num. 2912 — 39
mit entsprechender Auswahl für die einzelnen Tage. Eine Besonder-
heit des Sukkausfestes sind die Umzüge mit dem Feststrauß nach dem
Musafgebet. Hierbei werden Gebete mit dem Stichwort s:3'Cin Hilf
doch! gesprochen, die davon den Namen n;7Cin erhalten haben
(vgl. §32). Der siebente Tag, im Talmud xrm7"i S'QT', in It. und Rom.
W iilir.ilirtsCcsIf, Wdclicii-liiillciilVsl 139
n3n> ai"', der Taj;- der l^acli weide, lieilU wenden der Häiifi^^keit der
Umzüge und der Wiederlioliiii^- dieser ( lebete Ximn 2'"', später i<:rC"r,
nm. Der Tag wurde, wahrsclieinlieli itii Anschlusse au R. \\ Scli. \r-
Knde, als Gerielitstaii; erklärt und iu Italien, Fraid<reicli uiul Deutsch-
land schon im l'ridien Mittelalter (das geht bis ins \ll. Jahrhundert
zurück) besonders ausgezeichnet. Bereits in V. werden die Sabbat-
psalmen, r'QXc:, die „große" Kedusclia und andere Festtagsgebete für
ihn bestimmt. Inder späteren kabbalistischen Zeit (vom Xl\'. Jahr-
hundert an) wurde der Tag dem Versöhnungstag an Bedeutung gleich-
gestellt, und es wurden sehr viele von den Bräuchen des Versöhnungs-
tages auch auf den „Tag der Bachweide" übertragen, manche fasteten
sogar. Besonders zeigt Seph. den Einfluß der Anschauung vom Buß-
charakter des Tages; in Rom. wurden die ersten und letzten Bene-
diktionen der Tefilla nach dem im Schlußgebete des Versöhnungstages
(v; 24) üblichen Wortlaute gesagt. Im frühen Mittelalter scheint man
die Umzüge am Hoschanatage nicht nur am Morgen, sondern auch
zu Mincha nach der Tefilla vorgenommen zu haben. Aus dem
X. Jahrhunderte besitzen wir die gut verbürgte Nachricht, daß am
Hüttenfeste, oder wenigstens am Hoschanatage Umzüge um den Ölberg
in Jerusalem stattfanden. Es beteiligten sich daran zalilreiclie Pilger,
die von weit her kamen ; bei dieser Gelegenheit wurden auch die Be-
stimmungen über den Kalender des folgenden Jahres bekanntgegeben,
d) Der achte rn::r T'ar (bezw. achte und neunte) Tag des Hütten-
festes wird als besonderer Feiertag betrachtet Sin Tasy i3Sa bai i3iüir,
man erwähnt ihn im Gebet mit den Worten nsrn [5n] ir^m ST'.
er heißt indes ebenso wie das Hüttenfest iirmatc 1^27. Sein Psalm
ist nach Sof. XIX, 2 und tatsächlich in Seph. (wahrscheinlich wegen
seiner Überschrift) Ps. 12; Rom. hat wahrscheinlich aus ähnlicher
äußerlicher Anlehnung Ps. 6; in Sof. mrd ferner Ps. 111 zur Wahl
gestellt, den wir auch in Pal. finden. Vor der Abendtefilla hat Rom.
Xum. 2935. Als Verse für die Tefilla finden wir in Pal. Lev. 2336-^39,
1. Kön. 8(JG. Neh. Bis und Ez. 4327. Die Eulogie lautet nc^ tci'piz
r-p ii5^pi2i a"^:i2Trr nmac "iui^t r-^-jrj "^riar ari. Als Musafverse
werden Xum. 2935,36, m Pal. auch 37 — 39 und 301 verwendet. Als
Megilla des Hüttenfestes dient Kohelet. das Buch wii'd am achten
Tage gelesen (wegen 112), in Rom. auf die Feiertage verteilt. Zu ]\Iusaf
des Schemini Azeret beginnt min n^iru, was vor der leisen Tefilla
verkündet wird; hieraus hat sich ein besonderes Gebet um Regen
140 Beschreibung des Gottesdienstes
stTj rbsr entwickelt. Der zweite Tag von Schemini Azeret fülirt in
der Literatur — nicht im Gebete — etwa seit dem Jahre 1000 den
besonderen Xamen ~-nr rnrir, da an ihm das letzte und nach einer
bis auf die gaonäische Zeit zurückgehenden Sitte auch das erste Ka-
pitel der Tora gelesen wird (vgl. § 25). Daher wurde die Toravorlesung
des Tages von einer größeren Anzahl festlicher Gebete begleitet (§ 30).
Die Stammgebete hingegen unterscheiden sich nicht von denen des vor-
hergehenden Tages.
§ 24. Die ernsten Feste.
Literatui-: Landsliuth, S. 456 ff.: Baer, S. 383 ff.: Friedmann. The
New Year and its Litivrgy in JQR I, 62 ff.
A. Das Neujahrsfest.
1. Der Xeujalu'stag 7V:Tr\ Trs?"^ am 1. Tiscliri (die Bezeichnung wird
in der Bibel Ez. 401 für 10. Tisclui gebraucht) führt den Xamen
darum, weil mit üim die Zählung des neuen Jahres beginnt. Der
Name so^^'ie die zweitägige Dauer des Festes lassen sich bis in die Zeit
der Mischna zurückverfolgen; ebenso alt ist die Anschauung, die
beiden Tage als einen einheitlichen und als uralte Eimichtung zu
betrachten D^riTrii^ a"is?-in: r:pn2 "" rrx' tts«"* br ainrj sir-^ "^iT
(j. Er, III Ende, 21 c). Im Pentateuch heißt der erste Tisclu-i Num. 291
""""T S""», Lev. 2324 ri~iT 'tz', daher in unseren Gebeten DT'
■("^17" und ~"l^r 2"^, wofür am Sabbate nr'T "i"*"? eintritt. Nur
in Pal. hat sich auch im Gebete die Bezeichnung ~:r~ CS"' erhalten.
2. Ein äußerliches Merkmal, das den Gottesdienst am Neujahrs-
feste von dem anderer Tage unterscheidet und im Namen r.r'T ai"^
zum Ausdruck gelangt, ist das S c h o f a r blasen. Der Talmud berichtet,
daß msprünglich das Schofarblasen fiühzeitig beim Morgengebete
stattfand, daß aber einmal, wahrscheinlich in politisch erregter Zeit,
die Römer jene Töne als Signal zum Aufruhr auffaßten, daß sie darauf-
hin die Juden ül)erfielen und niedermachten. Seitdem wurde das
Schofarblasen in den Musafgottesdienst verlegt, weil an emer
späteren Tagesstunde über den festlichen Charakter der Funktion ein
Zweifel nicht mehr aufkommen konnte (j. R. h Seh. IV. 8, 59 c). Die
IMisehna (das.) trägt auch schon den neuen Verhältnissen Rechnung,
wenn sie verordnet, erst beim zweiten Vorbeter, d. h. zu Musaf,
Scholar zu blasen ("""ppr ircn). Die Folge der Neuerung war eme
\fuj:ilirsffsl 14 1_
doppelte. ZimJU'lisl l'üi' das Scliofarblasen; iiiii iiiclit bis zu so später
Stunde damit warten zu müssen, wurde vor ilem Seliol'ar zu Musaf
r";'2T ]r,Z'Z ."^T'C r-"^'pr das Hlasen nach Seliacliaris r''y'^'pr
l^niDT' imCD ,nCT>^ ein<>erülirt, liir das man selion nni 3(K) keine
leehte I^eji'ründnnii' mehr wul.lte. Sodann alxT für die Liluriiie. wie sich
gleich zei<;('n wird.
3. Von den (lebeten (U's Xenjahrstaftes heiUt es sciion in alter
Zeit, daß sie län<:!;er sind als sonst im Jahre ]r[2 'J^Di^s^'aTr nsnn irs
ri:cn rs?"! bxo nD^n (Tos. Her. I, 6). Die iMiipfehInno: an den Vor-
beter, sich sein Clebet vor dem lauten Vortraj'e zurechtzulegen, wurde
ebenfalls auf die Neujahrsgebote bezogen, „weil sie so lang sind"
(b. R. h Seh. 35 a). Es ist die Idee des (i o 1 1 es r e ic h es . welche den
Charakter der Gebete bestimmt, am Xeujahrstage findet die Anerken-
nung der Herrschaft Gottes über die Menschheit ihren religiösen Aus-
druck; Gott als König vereinigt die gesamte Menschheit zu einem Bunde;
er richtet die ^Fenschen. gedenkt ihrer Taten und bestimmt ihr Ge-
schick; und wenn das Königtum Gottes in der Gegenwart noch nicht
verwirklicht ist. so wird er in der Zukunft seine Herrschaft über die
ganze Welt ausbreiten, sie wird dereinst bei allen Gescliöpfen An-
erkennung finden.
Diese Gedanken werden in den drei Gebetstücken zum Ausdruck
gebracht, die dem Xeujahrstage eigentümlich sind. Die Xeujahrs-
tefilla ist um drei Benediktionen bereichert, rriDb'JS Gott als Welten-
könig, r^r-i3T Gott als Richter, nncu" Gott als Erlöser. Trotzdem
drei neue Benediktionen hinzutraten, wurden es doch im ganzen nur
neun; weil die r"'"i2bl2 mit einer der anderen vereinigt wurden, im
nördlichen Palästina mit 111 Sil"- rr—ip, so hält es noch später
R. Jochanan ben Nuri; im südlichen mit IV DT^n nüTip. so hält es
später R. Akiba und so blieb es auch; eine dritte Meinung, die r^risi
mit aiTi nmp zu vereinigen, fand nirgends Anklang. Wenn wir
noch heute die dritte Benediktion ^rn nmp so sehr erweitern, die
drei Stücke mit "Dm (Tins ir "Z2-. --nz "r iDm, [TSi] l3m
31p■l^]:) einschließlich i^'cr', einfügen, und mit Ps. 14610 Y''^"^
schließen, so hat es den Anschein, als ob hier noch die Benediktionen im
Sinne des R. Jochanan ben Xuri. im Sinne der Vereinigung von nmp
2rr. und r'i'zb'C vorliegen. In Pal. hat sich sogar die aus j. R. h Seh.
IV, 6 (59 c) bekannte Eulogie 'mip- "rs?" ro'brn "^is« erhalten, die
ebenfalls von derselben Art der Zusammenziehung zeugt, und nach dem
]^42 Beschreibung des Gottesdienstes
Talmud nur ini Musal des Xeujahrstages Verwendung finden sollte.
Die drei dem Feste eigentümlichen Stücke wurden durch Schofar-
töne unterbrochen, sie heißen darum auch ^r:P'^'pr. Die älteste Quelle
über die Komposition des Neujahrsgebetes, die Mischna (R. h Seh. IV, 5)
läßt in ilu-er Fassung keinen Zweifel darüber, daß die Tefüla in sämt-
lichen Gebeten des Neujahrstages gleich lautete. Als nun, wie erwähnt,
das Schofarblasen in die Musaftefilla verlegt wurde, blieben auch die
riiEiTr n:i^DT nii2"::T2 für Musaf vorbehalten, linE ]r ■)2m hin-
gegen, dessen Ursprung vergessen war, blieb in sämtlichen Tefillas
ohne Unterschied stehen, so daß wir in allen Tefülas eine Ait von
niirbia und im Musaf nun doppelte haben.
4. Die drei Stücke TCTTa bestanden ursprünglich aus aneinander-
gereiliten Bibelversen; sie schlössen mit einer Eulogie, der walirschein-
lich eine Bitte voranging. Ob die älteste Zeit auch bereits Einleitungen
besaß w4e später, ist zweifelhaft. Jeder Vers hieß nsb^, IT^rr, "^E^E;
die Zahl der zu vereinigenden Verse wird in der Mischna auf nicht
weniger als zehn für jedes Stück festgesetzt, Jochanan ben Nuri ver-
tritt die abweichende Meinung, daß auch je drei Verse genügten, und
es gibt eine amoräische Anschauung, wonach selbst ein einziger Vers
aus der Tora bei jedem der drei Gebete hinreicht. Geblieben ist es
in Germ, bei je zehn Versen für rT^Db'a und ri'^L^T, neun für r."i:i"i:7,
in den anderen Riten sind es jedesmal zehn. Die Verse sind allen di'ei
Teilen der Bibel entnommen, die aus der Tora eröffnen die Reilie.
es folgen die aus Hagiographen und Propheten. Die Vorschrift, mit
einem Verse aus der Tora zu scliließen, ist nur bei den r"ii2'~l2 durch-
geführt, bei den anderen beiden steht der Vers erst vor der Eulogie,
was in Pal. auch bei den m^Db^a rier Fall ist. Ausgesclüossen sind
Verse, deren Inhalt eine Straf andre-., ung bildet. Im Talmud werden
brauchbare und unbrauchbare Verse besprochen; es muß auffallen,
daß von den für zulässig erklärten Versen mit npB keiner Aufnahme
fand, obwolü an geeigneten Versen für die '■':'"""T kein Überfluß
bestand. Es ist beachtenswert, daß die Tannaiten der Restaurations-
zeit (nach 140) über die Auswahl der Verse verschiedener Meinung
sind, wie überhaupt damals über die Komposition des Neujalu^sgebetes
viel verhandelt wurde, ein Beweis dafür, daß es erst in jener Zeit eine
feste Form erhalten hat. Die in den Gebetbüchern enthaltenen Verse
stimmen alle übercin, von den im Talmud besprochenen sind nur
wenige darunter; Pal. hat einige Verse mehr als Vulg.
Neujahrsfest 143
ö. Den Bibelversgrui)|)en geht gegeiiwärtie; eine Einleitung
in liyiMiiiscIier Fassung voran, vor ri^^sbr haben wir n^cb "irbr und
T: --"p: p :>', vor r^r-"2T das hdit nri«, vor niEic endlich nrs
ri'rj:. Die Einleitungen sind in allen Riten seit Amr. gleichlautend.
Über ihre pjitstehungszt'it sind wir nicht unterrichtet, die im Mittel-
alter umlaufenden Sagen über das hohe Alter von Tbr können uns
wenig helfen. Aus dem Anfange von IDIT nrs wird in j. K. hScIi. 1, 3
(57 a), j. Ab. Zara 1, 2 (39 c, vgl. auch b. R. hSch. 27 a) nbnn an^n nr
miabl 'S'^-^rc a-T^irni: .... T^rjr angeführt. Als Quelle des Zitates
ist 11 "^21 sr"'ipr genannt, es kann keine Frage sein, daß damit nicht
etwa nur der eine Satz, sondern die ganze 6«r"ipr. Rab bezw. seiner
Schule zugewiesen werden soll. üi)er den Ursprung der beiden anderen
Einleitungen ist damit nichts ausgesagt, da aber der Stil und die Aus-
drucksweise der drei Stücke ziemlich gleichartig sind, da ferner die
eifrige Tätigkeit Rabs für den Gottesdienst auch sonst bezeugt ist,
dürfte die Annahme nicht allzu gewagt sein, daß die Einleitungen zu
r"T72 sämtlich von Rab stammen. Das schließt nicht aus, daß die
Stücke auch hier und dort Überarbeitungen erfahren haben. Freilich
müßte das vor der Zeit von Amr. liegen, denn seitdem stimmen sie
sämtlich bis auf die üblichen kleinen Abweichungen im Wortlaut
überein.
Sie sind dem Verfasser nicht alle in gleicher Weise geglückt, die
zu den rrsb'C zeichnet sich durch Einheitlichkeit und Erhabenheit
des Gedankens, nicht minder dm-ch Schönheit des Ausdruckes aus;
möglicherweise konnten da ältere Vorlagen benutzt werden, sicher-
lich ist in der Bitte das ab^rn bD b" i^iz aus Pal. verwertet, das dort an
allen Festen gebräuchlich ist. Der Schluß r)25« ['iDbr] T^m^ paßt
nur. wenn ein Bibelvers vorangegangen ist, die Eulogie bD rr "b'C
"■"Sn ist durch die Verbindung von 21"^" rc^ip und niDbr bedingt,
in "Z-iJ ~rs ist der Hymnus am Anfang ebenfalls von rühmenswerter
Schönheit, wenn auch allzu häufig derselbe Gedanke wiederholt wd. Der
Übergang zu den Bibelversen hingegen ist offenbar aus der Verlegenheit
hervorgegangen; die ganze Auseinandersetzung von Xoah und der
Sintflut ist nur hineingebracht, um eine Anknüpfung an den ersten
der angeführten Verse Gen. 81 zu finden, sie paßt zum folgenden
durchaus nicht. Ebenso scheint in der Bitte die Erinnerung an die
Opferung Isaaks (~"p:^) nicht zum ursprünglichen Texte zu gehören;
der ini Anschlüsse daran angefülu-te Vers Lev. 2645 hat nichts damit
1^44 Beschreibung des Gottesdienstes
zu tun und könnte sich ohne weiteres an den vorhergehenden Satz
anschüeßen ; nicht minder fremdartig sind hinter dem Verse die Worte
■iiDTr ai^n",S STTi ir^rb pnisi r.i'py'i, die ebenfalls den Übergang
zur Eulogie stören. In der ältesten Zeit wurde vielleicht einmal rÖ7^
s«!"'' als Bitte verwendet, die häufige Wiederkehr der Ausdrücke
-IDT, 'ipS würde das selir begreiflich machen ; eine alte Xacliricht über-
liefert ausdrücklich, daß das Gebet nur in den n:Ti37 des Neujahrs-
festes enthalten war. In r"^:5: ~rs ist aussclüießhch auf die Offen-
barung am Sinai Rücksicht genommen, während nach der Mehrzahl
der angefülirten Verse, der Bitte und der Eulogie zu scldießen, in den
nnsm" mehr an die messianische Zukunft gedacht war. In der
Bitte bn;; nEirn "pr ist der Anfang wörtlich gleich dem der X. Bene-
diktion der täglichen Tefüla (S. 50); in der Fortsetzung sind die
Worte irm^M r".2^.p rs« ganz sinnlos und führen vom Gedanken
ab, in alten Texten heißt es tatsäclüich nur ~tj12- 71:2"" "C": zr"
i;^b:7,inSepli "imrn i:rn-jnnrr nn-n rs 's? n ^:b a-ipT i:ir^ba . . .
die Eulogie lautet in It. wie in Taan. II, 4 n:?-iir yizit:.
6. Der ungewöhnliche Umfang des Gebetes machte es zur Un-
möglichkeit, es jedem einzelnen als Pfüchtgebet vorzusclu-eiben.
Schon R. Ganüiel IL erklärte, daß das Gebet des Vorbeters für aUe
Teilnehmer am Gottesdienste genügte, und drang gegen starken
Widerspruch mit seiner Anschauung durch. In Babylonien wurde es
infolgedessen Sitte, daß beim stillen Gebet die Gemeinde lediglieh die
sieben Stücke der sonstigen Neujahrs tefiUa sprach, die Einschal-
tungen 'ir"7'a hingegen nur vom Vorbeter hörte. Alle Geonim stmimen
in der Mitteilung der Tatsache und der Anerkennung ihrer Zulässigkeit
überein. In Europa hingegen war das nicht übüeh, sondern, wer
betete, sagte auch im stillen Gebete alle neun Stücke, wer sich auf den
Vorbeter verheß, sprach überhaupt kein stilles Gebet. Da aber der
Eifer im Beten sich im Mttelalter zusehends steigerte, bürgerte es
sich ein, daß ein jeder sein Gebet vollständig sprach, so schwer es
auch in emer an Gebetbüchern armen Zeit sein mochte, sich in den
Besitz emes derart umfangreichen Textes zu setzen.
7. Mit der großen Einschaltung sind die Eigentümlichkeiten
der Neujahrs tefilla nicht erschöpft. Auch die Benediktion rr'"p
ai'iri, die allen Festen gemeinsam ist, weist einige Besonderheiten auf:
sie reichen in recht alte Zeit zurück und einige Wandlungen im Gebet-
texte sind damit verbunden. So ist der Neujahrs- zugleich Neu-
NiMij;ilirsfost 145
in 0 n d s tap;, es war eine Kra^c, oh das im (!ehet<' besonders crwälinl
werden ninUte. In der Mischna (Kr. 111, Ende) Icilt K. Dosa h. Hyr-
kanos (vor 100) aus dem Gebote des Vorbeters am Nciijalirstaf^e die
Worte mii nin nnn innn Trs«n 2^^ rs Tnbi« '- -:-^-^bnn. Man
kann bezweifeln, ob der Text rielilii"- ist, soviel ;d)er steht lest, dal.) hier
eine luwähmiiijii; des Xeumoiides im (lebete <!;el'ordert wird. Die bab}'-
loniselien Amoräer wollten davon nichts wissen, sie erklärten über-
einstimmend, daß eine besondere Hervorhebunji; des Neumondes
nicht erforderlich wäre "5?:":"; "jssb riziy ins. '^^rz'. Auch im palä-
stinischen Talmud ist die Ansicht vertreten, wenn auch noch nicht un-
bestritten, die jede Erwähnung des Neumondes ausschließt (j. Schebu.
I, 7, 33 b). Im Traktat Sofrim aber, der den |)alästinischen Ritus
wiedergibt, heißt es ausdrücklich XIX, ö z-'^n ^^Z'riz T^"^:: rr.ir- ri^^n
2-^:2^ r.T- n:r- ui«-) ST^n: n-r. r-nr. rs^^n' nr- mp sip^ 3"i"j
~7n "jT^rT" ""ET rpr und die Eulogie lautet in ])alästinischen Frag-
menten -^-7'^' -r'^r 11^271 aiTL'-n inn^i a-^iir "»irsm :siri r-piQ
W^'p '^snp'ai S'^mm nn^r. Demnach war im palästinischen Ritus
die Erwähnung des Neumondes verbreitet, ebenso wurden bei der Rezi-
tation der Oj)ferverse walnscheinlich zunächst diejenigen für den
Neumond 23"''ir"n "^rxnn: Xuni. 2811 — l") gesprochen. Solche (lebet-
bücher muß es in Italien gegeben haben und von dort gelangten sie
nach Deutschland; sie hatten nicht mehr die j)alästinische Tefilhi und
brachten c~n irS'^ weder in "": "irr? noch in der Eulogie, aber die ()j)fer-
verse hatten sie aufgenommen. Das widersprach der Tradition, die das
Nichterwähnen des Neumondes auch auf die Oi)ferverse im Musaf auszu-
dehnen pflegte. Die Frage bildete in Deutsciiland und Nordfrankreich im
XL und XII. Jahrhundert den Gegenstand eifrigster, zeitweise heftig
gefülirter Kontroverse. In Frankreicii war es Brauch, die Opferverse
an Festtagen überhaupt nicht zu sprechen (s. oben S. 135), in Deutsch-
land hingegen wurden sie um 1050 durch Isaak liaLevi, Rabbiner in
Worms, eingeführt. Es war nur folgerichtig, wenn jetzt am Xeujahrs-
tage neben den Opferversen Num. 29 1 — ti aucli 2rT~n Ti«""n"i ge-
fordert wurde; die Anhänger des Herkommens bekämpften jede Art
von Erwähnung des Neumondes, sie blieben zuletzt siegreich. Zu-
nächst hatte auch Isaak liaLevi seine Anhänger. Raschi, sein Schüler,
erklärte sich mit der Neuerung einverstanden, gestattete jedoch
auch, daß, wie es bis zu jener Zeit geschah, die Opferverse olme Unter-
schied überhaupt fortblieben. Raschis Enkel, Jakob Tam (gest. 1171)
Klbogen. Der jiul. Gottesdienst. lO
146 Beschreibung des Gottesdienstes
ließ die Xeumondsverse weg, änderte dafür aber den Scliluß der Verse
dahin ab, daß er las ..ainiyir i^iri ... nrn:T2i TTinn rby ^y:^
STD^HD 2i~">'ar iSTül. Diese Fassung ist in manchen Gegenden,
z. B. im Westen Deutschlands, angenommen worden, im allgemeinen
aber blieb die Erwähnung des Neumondes auf die Worte r'":" ~ib^
nrnS'C'i iL'^nn beschränkt.
8. iVn den anderen Festen schließt 3"ii~ rmp mit i:S">Trm ab.
Lag ein Grund vor, am Xeujalu'stage davon abzuweichen? Die Frage
hat sehr viele Federn in Bewegung gesetzt. Von Sofrim an stimmen
alle Autoritäten darin überein, daß es gesprochen wird, und aUe Riten,
mit Ausnahme des deutschen, haben es. Auch in Deutscliland war
es übhch, bis Isaak haLevi es aufhob, weü er r.D'\'2 rs . . "rstirrn
T^^n^ nur für die WaUfahrtsfeste passend fand. So verbreitete sieh,
unter ähnliclier Begründung, in ganz Frankreich und Deutschland der
Brauch, i;5<Tm wegzulassen. Man kann es nicht unberechtigt finden,
wenn darauf verwiesen wurde, daß, im Gegensatz zu den Wallfahrts-
festen, auch das Wort a^l'mm aus der Eulogie weggefallen ist; in Pal.
finden wü' es (s. oben S. 145).
Die Frage hängt im Grunde mit der anderen zusammen, ob dem
Xeujalirstage die Bezeichnung mi: 3T» zukommt. Nach der Mischna
kann darüber keinerlei Zweifel bestehen, denn sie nennt das Fest
HDirn irsii bir nrj ar (R. h Seh. FV, 1, Er. III, Ende). Auch Sofrim
XIX, 5 und Ann. haben DTü Dli, It. und Seph. haben keine Abweichung
vom Wortlaut der andern Feste, Germ, und Rom. hingegen lassen das
sonst übliche nn^irb ai"!y"n2 usw. fort. Es kam die Anschauung auf,
daß das Neujalu' als Gerichtstag, 1in~ ST», mehr ein Bußtag als em
Festtag sei.
9. Die 'Abweichungen in den drei ersten und drei letzten Bene-
diktionen, insbesondere die zahlreichen Gestalten, in denen III rr"~p
0125" vorliegt, sind bereits in § 8 behandelt. Die Eulogie von III
wkd nach babylonischer Anordnung (b. Ber. 12 b) in TTiipri Y-'^"
umgewandelt, während in Pal. mpn "::i5- erscheint, häufig in Ver-
bindung mit "DibTsn Ti"«; so findet es sich auch in Rom. Die mut-
maßliche Entstehung der Einschaltung "rnns ■;■ ]DST ist oben be-
sprochen. Zu den Besonderheiten der Tefilla gehören ferner die Ein-
schaltungen a-^^ni: ^:^dt in die L, *71T2D "»la in die IL, nTDi in die
vorletzte und a^in "lEcn in die letzte Benediktion. Sie stammen
sämtlich erst aus n a c h t a 1 m u d i s c h e r Zeit. Sof. XIX. 8 wird
Neujahrsfest 147
btM'k'litct. dal.) CS mir mit .Mühe <<('laiii;\ die Kilaiihiiis liir ihre Kin-
fülirmijr zu ctwirktMi, das •i.anzo Miltolaltcr liimlmcli wurde die Oppo-
sitiuii gegen sie iiieht stille, weil in den eisten und letzten iienediktioncn
der Tefilla Ritten nicht stehen sollten, aber die (leonim setzten sich
sehr für diese Gebetstücke ein und so erhielten sie die Sanktion.
Sie finden sieh daher seit Amr. in allen Clebelbücliern; in Anir. wird
n-m (luich die Hilte f^^ni idt irDr^o ^rns< eingeleitet, so auch in
lt. und Rom. In Seph. hingegen finden wir stets mPDl allein, in (ierm.
^3T "ii^br •'rns nur bei der "Wiederholung der Musaftefilla, was um
so auffallender ist, als es in V. für alle Ciebete gegeben wird. Als
Schlußeulogie von D'^'^n "iBon zitiert Hai Gaon. aibirn mrij ib^?"',
während sonst nur aibrn mrt" bekannt ist.
10. Die zuletzt (8, 9) besproclienen Abweiciuingen gelten natur-
gemäß nicht nur für Musaf, sondern el)enso für die drei anderen Te-
fillas. Tins "in pm wird, obwohl sein Zusammenhang mit den r^^:r"a
unverkennbar ist, auch in denjenigen Tefillas beibehalten, für die es
jene Einschaltung nicht gibt. Ebenso wird in 2"i"»~ rcnp die Bitte
2ri"n bD by "jb^ gesprochen, die ebenfalls zu den n^sb^ gehört,
allerdings, wie anderw^ärts (§ 23,5 S. 134 f.) nachgewiesen ist, in Pal.
an allen Feiertagen gebräuchlich ist. Im Siddur Saadjas wnd ttz^"^
i^n'^i nur zu Musaf in den nriDT verwendet, und wir haben ge-
sehen, daß auch das nicht ohne Berechtigung ist. In Babylonien
war der Brauch ebenfalls bekannt, wenn auch nicht allgemein
verbreitet, in Europa wurde er, soviel wir weissen, nur in Toledo befolgt.
11. In allen sonstigen Bestandteilen ist die Liturgie für das
Neujahrsfest die gleiche wie für alle Feiertage. Mit Ausnahme der
Psalmen und Bibelverse natürlich. Der Psalm ist nach Sof. XIX, 2
Ps. 47; zu Musaf wurde (b. R. h Seh. 30 b) Ps. 81, zu Mincha Ps. 29
verwendet. Vor der Abendtefilla liest It. wie an allen Festen Lev. 23 4.
Seph. Num. 10 lo, Rom. Xum. 291, Germ. Ps. 814. Am Abend wird
Kiddusch gesprochen; der Wortlaut weicht vom Kidduscli'der' Fest-
tage in den auch in der Tefilla geänderten Ausdrücken ab. |Xacli
Schacharis und Mincha wird irsbr "mx gebetet, nur an^ Sabbaten
fällt es aus. Die Litanei, deren Verse sämtlich mit ':3bT2 TIS an-
fangen, geht auf ein Gebet des R. Akiba zurück, das'er einmal bei
Gelegenheit eines Fastens wegen anhaltender Dürre vorgetragen hat:
"a rs« 255 ^,:y:'c ^ms« T^rcb -rs-jn -iDb-c ims« ■n25?i!sn-'p7 '"^ t""'
■•rriTCim npTJ: i:t2- nc7 2-^r j-c (b. Taan. 25] b). Die beiden Sätze
10*
148 Beschreibung des Gottesdienstes
bilden noch heute Anfang und Ende des Gebetes. Bei dem losen Cha-
rakter der Litanei war es sehr leicht, Sätze einzuschalten, und das
ist in reichem Maße geschehen. Schon Amr. enthält 25 Sätze, ebenso
viel, wenn auch in einigen abweichend, hat Seph., einige mehr It.
und Rom., am meisten Germ., wo seit den letzten Jahrhunderten
auch der für den Glauben gefallenen MärtjTer gedacht wird. Im
^Mittelalter wurde T.Zib'a ims« in Seph. nicht gesprochen, hingegen
war es dort übhch, daß, wie bei Ami'., jedesmal bei Wiederholung der
Tefilla vor Scliluß lir'aiir üvn eingefügt wurde; eine alphabetische
Litanei, von der Amr. nur die erste Hälfte hat, die deutschen Ge-
meinden haben nur w^enige Verse vom Anfang und Ende beibehalten
und rezitieren sie ausschließhch zu Musaf. It. und Rom. kennen sie
nicht.
Zur Schriftvorlesung vgl. § 25.
Mit der Auffassung des Neujahrsfestes als Bußtag hing es zu-
sammen, daß am Beginn des Mittelalters viele sogar fasteten, und
wenn das später auch für den ersten Tag untersagt wurde, blieb es
doch am zweiten gestattet, bis man unter Berufung auf Xeh. 810 es
auch an diesem verbot. Aber im Verhalten beim Gebete blieb der
Bußcharakter vielfach gewahrt, und auch die an Fast- und Bußtagen
üblichen nni'::c wurden in den südlichen Ländern auf die Neujahrs-
tage übertragen.
12. Die Tage vom Neujalirs- bis zum Versöhnungstage werden als
die zehn Bußtage rQitT. i'ai niir:; zusammengefaßt. Die Einschal-
tungen in die zwei ersten und zwei letzten Benediktionen der Tefilla.
die Änderung der Eulogien in mpn i^-izn (III), iZErrn "T':;'an (XI) und
aibffin r\W\y (XIX) sowie liD':;^ i;->li? nach der Wiederholung der
Tefilla werden an ihnen allen gleichmäßig angewendet. Im Zeitalter
der Geonmi war es ferner bereits üblich, .an diesen zehn Tagen Vi-
gilien zu halten und ähnliche Gebete wie an den Fasttagen zu sprechen!
rirribD (vgl. § 33). Bereits um das Jahr 1000 wurden solche Früh-
gottesdienste stellenweise schon vom 1. Elul, in anderen Gegenden
vom 15. Elul ab täglich gehalten. Die Bräuche waren sehr verschieden.
in Germ, war es übhch, am Sonntage vor dem Neujalu-stage zu beginnen,
wenn er mindestens vier Tage vom Feste entfernt war, sonst eme
Woche zurückzugehen. Neuerdings ist die Zalil der SeUchottage und
die Länge der Gebete beträchtlich eingeschränkt worden. Die Sitte,
den Gottesdienst bereits in der Nacht zu beginnen, hat in westlichen
Versöhnungstag 149
LäiKlcni solhst in den konservativsten (lenieiiulen aiilf^elKirt. Wie
mit den Bußjijeheten, so l)e<;ann man mit dem Scliolarhlasen schon
am 1. i^lul; dei- Hiaiieli hat allp;emeine Verbreitung^ f^efunden und ist
erst neii(M(liii<i:s in rel'oiinieiten (iemeiiKh'n aiiüer acht j^elassen worden.
Das Schol'arl)lasen erl'ol<;le am Schhisse (h>s Mori;"en<^ehetes oiine J^ene-
diktioiK in denn, spricht die Gemeinde (hiiaiif l's. 27.
B. Der Versöhnungstag.
1. Der N'ersöiinnngstau,' a-iniSDn Dti (i<m S'ar^) ist ein Taff
mit lang ausgedehntem Gottesdienste. Schon Philo berichtet, daß die
(iemeinde den ganzen Tag iil)er im Gebete verliarrt. Audi in Palästina
betrachtete man den Gottesdienst am Versöhnungstage als den längsten
der bekannt war, und wenn man ein Gebet als recht umfangreich dar-
stellen wollte, so verglich man es mit der Liturgie des Versöhnungs-
tages ni"!1£Dn a':-' "»"dd ib'^SS«. Wann man dort begonnen hat, den
Gottesdienst auf den ganzen Tag auszudehnen, läßt sich nicht genau
feststellen, aber bereits von R. Akiba wird mitgeteilt, daß er den Got-
tesdienst unterbrach, um den Leuten Gelegenheit zu geben, in ihre
Häuser zu gehen. Auch aus der amoräischen Zeit wiid von solchen
Pausen im Gottesdienste berichtet, die darauf schließen lassen, daß
man im allgemeinen den ganzen Tag mit Gebeten ausfüllte. So
zählte man schon in der ältesten Zeit die Liturgie des Versöhnungs-
tages zu denjenigen, die über das gewöhnliche Maß hinaus ver-
längert werden D"nT> b» niDin . . . "jnn 'i'^D'^nji^sTü rnDnn ibs. Der Gottes-
dienst am Versöhnungstage unterscheidet sich ferner dadurch von
dem des ganzen Jahres, daß es an ihm ein Gebet gibt, welches sonst
niclit üblich ist, das Neilagebet.
2. Das Gebet, welches für den Versöhnungstag charakteristisch
ist, ist das S ü n d e n b e k e n n t n i s "'TT!. Dasselbe hat in seiner
Form und seinem Inhalt große Wandlungen durchgemacht. AVir
finden es in der Bibel beim Sühneakt des Hohenpriesters erwähnt
(Lev. 1621); die Tannaiten erörtern die Frage, wie jenes Sündenbe-
kenntnis wohl gelautet haben mag, und stellen auf Grund des biblischen
Sprachgebrauches eine Fassung fest. Die so gewonnene einfache
Formel aber ^rrcs TMy "^ra^Zin ist nur bei der Darstellung des
Kultus, den der Hohepriester im Tempel verrichtete, beim Seder Aboda,
gebräuchlich. Ein anderes ist das Sündenbekenntnis, das zur Tefilla
gehört, welches der Vorbeter innerhalb der Tefilla, der einzelne
150
Beschreibung des Gottesdienstes
als Anhang zu derselben spricht. Bekannt ist das Sündenbekenntnis,
das zur Tefilla gehört, schon den Tannaiten, sie fordern zum Teil
sogar eine Aufzälilung der Sünden hn einzelnen; von einer Formel
für das Bekenntnis wird aber, wie das bei so vielen liturgischen Stücken
der Fall ist, erst von den ersten Amoräern gesprochen ; b. Joma 87 b
werden von mehreren Autoritäten des IIL Jahrhunderts verschiedene
Formeln, die für das Bekenntnis damals in Anwendung kamen, mit Stich-
worten zitiert. Einige davon sind jetzt kaum mehr genauer zu ergründen,
andere wiederum finden im heutigen Ritual bei anderen Gelegenheiten
oder am Versöhnungstage an anderen Stellen Verwendung. Im Sünden-
bekenntnis stehen geblieben sind die beiden Stücke, die von Rab und
Mar Samuel angeführt werden, nämlich sb"^" "it"^ ""i"' ~ri« und bis«
'rs'jn "^rnri«. Allein die im Talmud genannten Stücke sind, was
\\iederum keine ungewöhnliche Erscheinung ist, in der Folgezeit außer-
ordentlich erweitert worden, ^:i«"L:n ';n:i? bis«, das von Mar Samuel
als besonders wichtige Stelle, ja, \ne es scheint, geradezu als der Kern
des Sündenbekenntnisses betrachtet wurde, bildet den Schluß einer
Einleitung mit der Bitte llrbsr "jissb i?in, auf die das alphabetische
Bekenntnis "rbij inSil i:)2Trs folgt. Schon bei Ann. finden wir
den heute noch gebräuchlichen Wortlaut, der Text lautet in allen
Riten gleich, wenn er auch hier und da noch um das eine oder andere
Wort erweitert ist. Diese Übereinstimmung und die alphabetische
Anordnung machen es walu-seheinlich, daß das Stück aus dem letzten
Jahrhunderte der Amoräerzeit stanmit. Daran sdüießen sich in den
Gebetbüchern T"in::)2'a "rno und iri:~ i^nn 7D by p^ns nnai, die
beide aus Bibelstellen verarbeitet smd. Xun erst folgt das von Rab
erwähnte 2"::i7 iT"! y^n"^ T^rü mit einer neuen Bitte um Sündenver-
gebung, die aus j, Joma, Ende (45 c) übernommen zu sein scheint.
Hieran reiht sich eine nochmalige Aufzählung der Sünden in der Litanei
s^'jn "::~, die, nach ihrem Aufbau zu schließen, ebenfalls aus dem V. Jahr-
hunderte stammen wird. Bei Amr. finden wü- nur ganz wenige b7
Sun, acht Sätze, die in ganz allgemeinen xVusdrücken von begangenen
Sünden reden "ints ,33nr3 ,"'V:;3n ,"irD3, In einer jüngeren, aber
da alle Riten darin wiederum übereinstimmen, nicht viel jüngeren
Fassung wiu-de daraus ebenfalls eme Aufzählung in alphabetischer
Reilienfolge gemacht; in Germ, hatte man sogar daran noch nicht
genug und verdoppelte das Alphabet. Zum ältesten Bestände gehören
die seit Ami\ in allen Liturgien auf das Alphabet folgenden Stücke
Versöhnungstag 151
mit ^"^X'jn rr, die aiil' die lür W'r^eliiingon bcstiiiiintcii StralVn oder
Opfer Bezug neliineii. Abgeschlossen wird das Bekenntnis mit dem
von R. Hainnima in b. JomaST b genannten "'S'iD -»rs TiSi: xblT ir.
Während in allen anderen Riten das Alphabet ohne Unterbrechung
einhergeht, wird in (ierin. hinter den Buchstaben "^ ,r ,r die Bitte
2^3 bri eingeschoben. In neueren Liturgien ist dieses lange Be-
kemitnis wesentlieli vcMkürzt und auf di(^ wenigen ganz allgemeinen
Sätze bei Anir. beschränkt worden.
Das Bekenntnis ist für alle Tefillas des Versölmungstages vor-
geschrieben, sogar schon für das Minchagebet am Küsttage (Tos.
Jom ha Kipp. V, 14, S. 191). im Mittelalter bezeichnete man n:T2Trs5
als SUIT ^m, Sun i:^ als stni ^m. im frühen Mittelalter scheint
man das Bekenntnis mit einer besonderen Eulogie "inbon bsn ver-
sehen zu haben; Saadja kannte sie und sprach sich gegen sie aiis, die
Kulogie ist in keinem Ritus zu finden. Es ist bereits erwähnt, dali,
wälu-end die Gemeinde das Sündenbekenntnis hinter den Schluß der
Tefilla setzt, der Vorbeter es innerhalb derselben, vor dem Abschlüsse
von 2"i^~ rimp spricht.
3. Abgesehen von dem Bekenntnisse trägt die Tefilla denselben
(Charakter wie die des Neujalirstages. Sie enthält die Einschaltungen
innerhalb der zwtI ersten und letzten Benedilitionen, seltsamerweise
auch Tins ]r 'iD^'" in der dritten. Die Erwähnung des Festes ge-
schieht nach Sof. XIX 6 und so in Pal. mit den Worten mi'p'Q aT>3
nrn iirn rb-'n^c a-^^n nin ^iTvn 21:2 ^'■'n nr- cnp. Die Eulogie
vonaiin nn"p hatte ihr Vorbüd in dem Gebete, das der Hohepriester
nach vollzogenem Kultus un Tempel sprach; eineseiner Bitten schloß
mit den Worten a^'cn-'n bs-rri Tay m:ij bmr (j. Joma VII, 1, 44 b).
AVeit ausführlicher lautet die Formel in Sof. imrrb nbiDT bma
l'^sn br br Y-^ zn-^rrs b" ^z2-ni a^rn-^i bii-'TEi la^ n;iybi
r-p ■^s-ip'ai a"i:ttTm a-^^iEDn 312:1 bs^-^c^ ■anp'c. Amr. hat beides
abgekürzt, die Erwähnung des Festes lautet bei ihm 2"ii 'E2n 2ii
T7~ rn->bc 21"^ r-p m^.'p'c, die Eulogie -rrirrb nbici bma Y'^a
V"isn b3 b7 Yr^ n:iri niir bsn irri'acii ^^nm bsiir^ iü7 m:irbi
Zi-^^ED- 2111 b5?-r"i ripis. So ist es in allen Riten geblieben; die Er-
wähnung des Festes allerdings ist, da inz\nschen i:b "jm für alle
Feiertage geändert wurde (S. 134) ebenfalls verändert worden. Strittig
war lange der Anfang der Bitte am Sclüusse von ai-^n rr"-p; daß
':S"icrT: wegfiel, darüber herrschte Einigkeit, fraglich war nur. ob
252 Beschreibung des Gottesdienstes
die Bitte mit T"":i2 oder mit "rr"'"":: b-rrc beginnen sollte. Amr.
hat nicht "Tlv^, während ibn Gajjat. der sich walu'scheinhch an
Saadja anlehnt, es bringt. Aller Wahrscheinlichkeit nach geht die
Differenz anf einen Unterschied zwischen Palästina und Babylonien
zurück; in Pal. hatte man. wie an allen Festen auch am Versölmungs-
tag T'b'x:, wälu'end man es in Babylonien ausfallen ließ. Die Folge-
zeit hat sich nach den Babyloniern gerichtet und TT"':: b""":;
angenommen. Ebenso war strittig, ob i^l'^' nb"^ in der TefiUa ge-
sprochen werden sollte. Amr. hat es ebenfalls nicht, auch hier düi-fte
der Ursprung der Verschiedenheit derselbe sein, der Erfolg jedoch
war diesmal der entgegengesetzte, denn i?!"'": n"::""' ist in allen Riten
gebheben. Sämtüche strittigen Stücke bringt Seph., zunächst bnma,
dann i«n">l rib"i und endhch ^^""'2. Am Anfange der Tefilla vor "12
erwähnt Amr.. ähnlich wie an Sabbaten, die Einschaltung des Satzes
nrn D"nT> rs a-i;nb bn:-' m^.. der sich jedoch nii-gends erhalten
hat. Auf die Tefilla folgt, "s\ie am Neujalu-stage, i:Dbi2 T^S, zu
Mncha lassen \dele Gemeinden es fort.
4. In allen übrigen Punkten unterscheidet sich der Gottesdienst
nicht von dem anderer Festtage. Amr. beginnt das Abendgebet wie
auch sonst mit ü-n*^ 5«-m. Als Psalm sind Sof. XIX. 2 Ps. 103 und 130
genannt. Bei Amr. sind beim Morgengottesdienste die Sabbatpsalmen
wesentüch vermehrt, alle sogenannten Bußpsalmen sind aufgenommen :
17, 25, 33. 65. 51. 67, 103. 104, späterhin wurden die Zusatzpsalmen
abwechselnd zwischen die gewölmhchen gestellt. Vor der Tefilla des
Abendgebetes hat It., wie an sämthchen Festen. Lev. 23 4, Seph. und
Germ. Lev. 1630, Rom. Xum. 297 nebst Lev. 1630 oder Lev. 2332.
5. Eine besondere Eigentümlichkeit des Versöhnungstages ist
sein fünftes, das Xeilagebet. In der ältesten Zeit war es ebenfalls ein
tägliches Gebet, der Maamad im Tempel zu Jerusalem vereinigte
sich dermal täglich zum Gebet, das letztemal zu 2">"'"ir rb"'":, d. h.
km"z bevor die Tore des Tempels geschlossen wurden. Von der Zeit-
angabe hat das Gebet seinen Namen erhalten. Außerhalb des Tempels
kannte man dieses Schlußgebet nur an den öffentlichen Fasttagen,
Während aber aus der sonstigen Liturgie jede Spur von Xeila ge-
schwunden ist. hat sich am Versöhnungstage das Gebet erhalten.
Es*hat einen besonders feierlichen Charakter dadurch erhalten, daß
mit ihm der große Tag zu Ende geht und die Stunde der Sünden-
vergebung im eigenthchen Sinne gekommen ist. Die alte Auffassung.
Versöhnungsta^' 153
(laß zu Nc'ila der rrloilsspnicli iihor den Mcusclicii hcsicf^clt wird,
hat i'inigc VcM-äiuk'riiii^vu in der 'IVI'illa licivorgcrid'cii; s(i wird idx'rall
■'I'arn j^jesetzt, wo i:nr3 steht. Im id)rifj;on stiiiitiit (h'r Wurtiaiii
ih'r Tt'filla mit dem des voraiiiic^aiiiiciicii Miiicha^chctcs iihcrciii.
Vorändort ist nur das Süiidenhokennlnis. Zu Acila fällt die J^itanci
S-jn br aus, an zöiy ^n ^mi nrs« schließt das Gebet 1^ in: nrs
an. Der Kern des Stückes il'^'^n nia i:« nia stammt ebenfalls aus b. Joma
S7 b; tatsächlich beo;innon Maim. und Sepli. bis zum heutifien Taf^e mit
diesen Worten. Alle anderen Hiten liint>e<ijen haben auch die schwunu-
voUe Einleitung- 'rv. r^m. 1 )er Wortlaut ist überall der gleiche, wir
geilen kaum fehl, wenn wir die Abfassung des Clebetes in dieselbe
Zeit etwa verlegen wie die Einlagen in die Tefilla des Neujahrsfestes.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß ]n: nrj? eine Dublette zu dein
folgenden rbinn nrs« oder daß das eine ])alästinischen, das andere
babylonischen Ursprungs war. Der Tefilla des Xeilagebetes wird
T"'::: i«n" ^nrs vorausgeschickt, wie es sonst vor Mincha üblich ist.
Über die Schriftvorlesung am Versöhnungstage vgl. § 25, 26.
G. Zur Liturgie des Versöhnungstages gehören seit ältester Zeit
einige Bestandteile, die, ohne Staninigebete zu sein, doch in allen
Riten gleichmäßig, wenn auch nicht immer im selben Wortlaute an-
zutreffen sind. Der Versöhnungstag ist ein Fasttag. Infolgedessen
finden wir die Einschaltungen für die Fasttage, nn'^ro. im Anschlüsse
an alle fünf Gebete des Festes. Ferner ist seit alter Zeit — zumindest
seit dem IV. Jalu-hundert — der Brauch nachzuweisen, iin Anschluß
an die Tefilla einen n-'^r ■'-c, das ist eine Wiedergabe des Kultus
im Tempel zu Jerusalem, in mehr oder minder freier Bearbeitung
vorzutragen. Ursprünglich wahrscheinlich mit mehreren Tefillas ver-
bunden, wurde die Aboda späterhm auf die Musaftefilla beschränkt.
Wir werden von der Abodaliteratur später ausführlich zu sprechen
haben (§ 32).
7. Endlich aber ist hier derjenige Zusatz zu erwähnen, mit dem
der Abendgottesdienst eingeleitet wird imd nach dem der Abend des
Versöhnungstages vielfach benannt wird, ""i": 72. Er enthält eine
Erklärung, durch die alle im Laufe des Jalu"es in irgendeiner Form
übernommenen persönlichen Gelübde aufgehoben werden, und hat
demnach mit dem Gedanken und der Liturgie des Versöhnungstages
nichts zu tun; nur sein- gezwungen läßt sich eine Verbindung her-
stellen. Wann das Stück entstanden und wann es in die Liturgie
154 Beschreibung des Gottesdienstes
aufgenommen ist, so daß eine rein persönliche Angelegenheit Sache
der Gemeinde wm^de, können w nicht melir feststellen. Sein Ur-
sprung muß in den ersten gaonäisclien Jahrhunderten und außerhalb
Babyloniens liegen: seitens der babylonischen Geonim stehen vom
IX. Jahrhundert ab Äußerungen zur Verfügung, die sich fast ohne
Ausnahme, teilweise sogar in kräftigen Worten, dagegen aussprechen.
Dennoch ist es in der Liturgie verblieben. Während aber die Formel
ursprünglich sich auf die Vergangenheit, auf die im abgelaufenen Jahre
ausgesprochenen Gelübde, bezog (HT 0->mBD aT> nr nn^TT a^iiED aT»^),
erhielt sie auf Veranlassung von Jakob Tarn im XII. Jalirhunderte eine
Umwandlung für die Zukunft (sn" a^msD aii -J r.T a-«ii£D ar)2).
In dieser neuen Form finden wir sie in Germ., während^ Rom. und It.
die alte beibehalten haben; in Seph. hingegen Avurden beide vereint.
Die Sprache von i"?": 73 ist in Germ, und Seph. aramäisch, in Rom.
und It. hingegen ganz so wie in Amr. und in allen gaonäischen Zitaten
hebräisch. Wie viele unbegründete Anklagen ''"nz bs im Laufe der
Jalirhunderte über die Judenheit gebracht hat, ist bekannt; ein An-
laß zu irgendeiner im ethischen Smne anstößigen Auffassung ist
nirgends in den Quellen zu finden, da nach der übereinstimmenden
Anschauung aller Autoren nur Verpflichtungen gegen die eigene
Person oder Verpflichtungen in bezug auf rituelle Verordnungen der
Gemeinde dabei in Frage kommen. Ebenso bekannt ist, wie viele
religiöse Stimmung und Poesie sich im Verlauf der Jahrhunderte mit
i"n: 72 verbunden haben — , die fraglos nicht dem Inhalte des
Stückes, sondern seiner Stellung am Eingange der Liturgie des Ver-
söhnungstages entspringen. Es ist die Weihe des höchsten Festes,
die hier die Empfindungen leitet, ihr entsprechen die feierlichen Me-
lodien, die Kol Xidre weit über jüdische Kreise hmaus popidär ge-
macht haben. In neuerer Zeit ist "'i";: bz Aäelfach durch andere
Stücke z. B. Gebete um Sündenvergebung (ii?i:m i^TöS i^D) oder Ps. 130
ersetzt worden.
Dem 11": bs gehen einige Zeilen voraus, in denen nach altem
Brauch für diejenigen Gemeindemitglieder, die sich über die Gesetze
der Gemeinde hinweggesetzt hatten und infolgedessen exkommuniziert
waren (a->:i"Q"), für die Dauer des Versölmungstages der Bann auf-
gehoben und der Zutritt zum Gottesdienste der Gemeinde gestattet
wird (nb"r br nn-^Tr-^n usw.).
Kap. III. Vorlesung und Auslegung der Bibel.
§ 25. Die Vorlesung aus der Tora.
Literatur: Zunz G. V., Kap. 1.; Herzteld, S. 209—215; Friediiiaiin in
Bet Talmud III, S. 6tt".; Theodor, Die Midrascliiin zum Peutateut-h und
der dreijährige palästinische Cyclus MS XXXIV, 1885, S. 351 ff ; Büciiler A.,
The triennial Reading- of the Law aud Propliets iu JQH V, 1893, S. 420 ff.
Hamburger II, 1263 ff.: JE Art. Law, Reading Irom the VII, 647 ff.;
Triennial Cyc-le XII, 254 ff.; Protokolle und Aktenstücke der zweiten
Rabbinerversanniduug, Prankfurt a. I\I. 1845.
1. Zu den ältesten liturgischen Einrichtungen gehört die Vor-
lesung aus der Tora und den Propheten, ja, es ist sehr wahrscheinlich,
daß die Schrift Vorlesung den Anlaß zu den ersten gottesdienstlichen
Versammlungen gegeben hat. Wie die Gebete hat auch die Schrift-
vorlesung eine große Wandlimg durchgemacht, ilire Entwicklung
liegt fast vollständig jenseits der uns erhaltenen Quellen, wir können
sie aus ihnen nm* durch Hypothesen erschließen.
Gehen wir, um einen festen Boden zu gewinnen, vom heutigen
Bestände aus. In der Synagoge wird regelmäßig vier m a 1 wöchent-
lich aus der Schrift gelesen, am Morgen- und ]VIincha-Gottesdienst
des Sabbats sowie am Montag und am Donnerstag morgens. Dazu
kommen die Vorlesungen am Morgen der Feste und Mittelfeste, der
Neumonde, Fasttage, Channukka und Purim, sowie beim Xachmittags-
gottesdienste der Fasttage. Sabbate und Feste, der Fasttag des
neunten Ab soyde Mincha aller Fasttage haben Vorlesungen aus Tora
und Propheten, die anderen Tage nur solche aus der Tora. Für den
Zweck der wöchentlichen Vorlesungen ist die Tora in 54 A b s c h u i 1 1 e
geteilt, die der Reihe nach je einer an einem Sabbatvormittage zur
Vorlesimg kommen (niDis ,-no ,i5-nD Perikope); da nicht jedes
Jalir eine so große Anzahl von Sabbaten hat. werden an einigen Sab-
baten zwei Perikopen vereinigt. Die letzte Perikope der Tora wird
am Schlußtage des Hüttenfestes gelesen, nach dem Feste beginnt
der neue Zyklus, Am Sabbatnachmittage, Montag und Donnerstag
156 Beschreibung des Gottesdienstes
gelangt der Anfang der folgenden Sabbatpeiikope zur Verlesung.
Für die Feste, Halbfeste und Fasttage sind ihrer Bedeutung ent-
sprechende feste Perikopen bestimmt. Trifft eines der Halbfeste oder
ein Fasten auf einen Montag oder Donnerstag, so wird dessen Ab-
schnitt und nicht der laufende verlesen, die Feste und Mittelfeier-
tage verdrängen sogar die laufende Sabbatlektion; nur wenn Neumond
oder Channukka auf Sabbat treffen, wird zunächst die Sabbatperikope
und dann der Abschnitt des Tages als Zusatz vorgelesen. Unter den
Sabbaten des Jalu*es gibt es vier ausgezeichnete zwischen
dem letzten vor dem Monat Adar und dem ersten im Nisan (m"^s
mriE, auch 213^:7 n"3^i<), an denen neben der laufenden Parascha
ebenfalls noch ein Zusatz üblich ist ; sie heißen nach dem Anfang oder den
Stichworten der betreffenden Abschnitte, ^"öpin rriE ."^^DT ,rns ,Tr"in-.
Die Ausdehnung der Vorlesung ist verschieden, an den Wochentagen
ist sie kurz, an den Festen länger, an den Sabbaten am längsten. Die
Toravorlesung findet unter Beteiligung der Gemeinde statt, aus deren
Mitte je nach der Bedeutung des Tages mindestens drei, aber auch
sieben und mehr Mitglieder zur Tora ,, aufgerufen" werden. Der Vor-
beter liest einem jeden nach einer traditionellen Melodie, ,,der m'alt
hergebrachten Singsangweise, Tropp geheißen", ein Stück vor; vor
und nach der Vorlesung ^^'il•d von dem Aufgerufenen ein Segen ge-
sprochen. Auch das „Ausheben" der Tora aus der Lade und das
,, Einheben" in dieselbe, das Aufrollen und Zurollen geschehen unter
Beteiligung der Gemeinde.
2. Fragen wü- nach dem Ursprünge dieser Institution, so berichten
die ältesten Quellen, daß M 0 s e s die Vorlesungen an den Festen und
Sabbaten eingerichtet hat. E s r a hingegen diejenigen am Montag
und Donnerstag, wofür freihch auch die andere Fassung vorkommt,
nach der die allwöchenthchen Vorlesungen auf die „Propheten
und Ältesten" zurückgeführt werden; für die Anordnung der
Vorlesung an den Fasttagen, an Channukka und Purim felüt jede
clironologische Angabe. Selbst die Tradition nimmt demnach eine
a 1 1 m ä h 1 i c li e Einfülu-ung und Ausdehnung der Toravorlesung
an. Die Mise h n a kennt bereits die Vorlesungen an all denjenigen
Tagen, an denen auch heute noch gelesen wird. Von feststehenden
Perikopen nennt sie diejenigen für die ersten Tage der Feste,
für sämtliche Tage des Hüttenfestes, für Chanukka, Purim, Neu-
mond, Fasttage und für die \'ier ausgezeichneten Sabbate. Für die
ToravnHcsniig 157
übn<::on Sabbato, für ^loiitaji; iiiul Donnerstag setzt sie einen Z y -
k 1 u s ("nc) voraus, ohne sieh über dessen Art aiiszns|)reehen, nur
wird bemerkt, dal.) lediij;lieh die l'erikopen vom Sabbat inor<,n'n dafür
in Ansatz kommen (Mef?. JIKö—S). i)i(> Tosefta nennt auch die
\'(>rh'sun^en für alle Taiic des IVsaehfestes und briuj!:t bereits ab-
weiehende IVrikojjen für die nu'isten anch-ren Taj^e (Mej^. IV, 5 — 9,
S. 227.) In beiden T a 1 ni u d e u weiden die Angaben über die Peri-
koi)en dann weiter modifiziert ; im babylonischen treten die
l'erikopen für die zweiten Feiertage sowie besondere Zusatz|)erikopen
(rcTQ) aus den Opferabschnitten (Num. Kap. 28 und 29) hinzu
(b. Meg. 31 a f.), dort wird ferner bereits erwähnt, daß in Babylonien
der einjährige, in Palästina der dreiiährio;e Zyklus üblieh ist (das. 29 b).
^lan kann sagen, daß der babylonische Talmud im großen und ganzen
diejenige Gestalt der Toravorlesung voraussetzt, die noch heute in
der Synagoge vorherrscht. Allein einige seiner Angaben und seine
Abweichungen von den Bestimmungen der Misclma, so wenig erheb-
lich sie auch sein mögen, machen es zur Gewißheit, daß die älteste
Art der Toravorlesung eine ganz andere gewesen sein muß. Versuchen
wir zu ermitteln, wann und was zuerst vorgelesen wurde.
3. Die älteste A n o r d n u n g über eine Toravorlesung finden
wir Dt. 31 10 für das Hüttenfest im Erlaßjahr (:npn vgl. Sota VII, 7),
die älteste Nachricht über eine erfolgte Vorlesung Xeh. 8, in dem
Berichte über die berühmte Volksversammlung in der Esra die Ge-
meinde auf die Tora verpflichtete (444). Damit gewinnen wü* den
t e r m i n u s a q u o ; es kann kein Zweifel darüber herrschen, daß
die Vorlesung Esras den Anlaß zur Einführung der Toravorlesung
gegeben hat, wie ja auch die näheren Umstände jener Vorlesung in
der Synagoge aufs eingehendste nachgeahmt und befolgt wnirden.
Esras erste Vorlesungen fanden an F e s 1 1 a g e n statt, und so wurden
siciierlich auch später die ersten regelmäßigen Vorlesungen an
den Festen gehalten. Da wurden die Bestimmungen der Tora
über die Feste vorgelesen und ausgelegt r^'>rc ■■^"'^riT "- nr'a nias«
"n ■)iü-nn T'rra ]-^:w ['•\y^ T^rii? r^-^rib mc-^ rs iinTn nrr] (Sifre
Dt. § 127 p. 100 b, Midr. Tannaim p. 89). Wenn es richtig ist, daß
die ersten nach ihrem Inhalte festgelegten Vorlesungen und Erläu-
terungen der Bibel infolge der abweichenden Auslegung der Festes-
vorsclu'iften durch die S a m a r i t a n e r eingeführt wm-den, so würde
das ebenfalls in die Zeit unmittelbar nach Esra führen. Der Talmud
IqQ Beschreibung des Gottesdienstes
hebt die Wallfahrtsfeste als diejenigen heraus, deren Gesetze zur Aus-
legung gelangen sollten (b. Meg, Ende); sie waren es auch, auf die sich
die Polemik der Saniaritaner bezog, und damit war die Notwendigkeit
der Schriftauslegung an den W a 1 1 f a h r t s f e s t e n gegeben. Auch
daß die älteste Quelle, die Mischna, wolil eine Vorlesung an j e d e m
Tage des Hüttenfestes, aber nur eine einzige für das Pesach-
fest kennt, dürfte in der Veranstaltung Esras seine Ursache haben,
da er am H ü 1 1 e n f e s t e „Tag für Tag, vom ersten Tage bis zum
letzten Tage" die Vorlesung aus ,,dem Buche der Lehre Gottes" hielt
(Xeh. 818). Die Vorlesung am V e r s ö h n u n g s t a g e fand im
Kultus des Tempels ihr Vorbild, wo der Hohepriester nach Vollzug
der Opferhandlung aus der Schrift las (Joma VH, 1, Sota VH, 6).
Wenn erst alle Feste einen Schriftabschnitt hatten, konnte das Neu-
jahrsfest nicht nachstehen ; die Vorlesung an ihm dürfte die
jüngste in der Reihe der Festtagslektionen sein, sie war auch die am
wenigsten umfangreiche.
Die Sabbatlektionen haben unstreitig mit den yiev ausge-
zeichneten Sabbaten begonnen. Ihr Ursprung, die Veranlassung
und die Zeit üirer Zusammenstellung sind in völliges Dunkel gehüllt.
Aber darüber läßt der einfache Bericht der Mschna keinen Zweifel,
daß die Vorlesung an ihnen ganz unabhängig von den sonstigen Sal)-
batvorlesungen gewesen ist. Von einem Zusammentreffen der Ab-
schnitte für die ausgezeichneten Sabbate mit den fortlaufenden regel-
mäßigen Perikopen ist in den ältesten Quellen nh'gends die Rede.
Erst durch die Gewohnheit, an einzelnen Sabbaten zu lesen, wurde
die Vorlesung auf alle Sabbate übertragen, wozu wlleicht auch
die irrtümliche Auffassung der den Sabbaten mit den Festen gemein-
samen Bezeichnung r~p snpia als h e i 1 i g e r V o r 1 e s u n g bei-
getragen haben mag. Endhch wurde dann die Vorlesung auch auf
die beiden Markttage, auf Montag und Donnerstag übertragen, damit
auch die Bewohner des flachen Landes, denen die Synagogen mit
regelmäßigem Gottesdienste fehlten, Gelegenheit hätten. Schrift-
Vorlesung und -Erläuterung zu hören. Die letzte Stufe bezeichnen die
Vorlesungen an Ghannukka, an Purim, an den Fasttagen, deren Ein-
führung bereits die Anschauung voraussetzt, daß kein festlicher Tag
ohne Toravorlesung vorübergehen darf.
Solange die Toravorlesung lediglich an den Festen und ausge-
zeichneten Sabbaten stattfand, wurden nur wenige a u s »• e w ä h 1 1 e
Ti)r;ivurli'SuiiK 15lt
I* (' r i k 0 |) (' n ijoloscii, erst mit der iMiifüliruiij;- der r('f,M'lriiäßij!:('ii
Sabbatvorlosuiif^eii wurde die p; a n z e T o r a der Heilie iiaeli vor-
S^tragen, ja, es wurde die Bestiinniuuo; getroffen, daß die Tora im
tJegensat/.e zu den l*ro|)li('l('n n ii i der Keilie nacli gelesen werden
dürfe, nn^rn "J'^^bn^ ■j'^s«. Aus dieser und nianeher anderen Be-
st ininiung, dureil die der Toravorlesung ein \'(trzug vor der l'roplicten-
lelition gegeben wird, läßt sieh der t e i- in i ii u s a d (| u e ni er-
seliiießen, den wir für die JMnrielitung der r e g e 1 ni ä ß i g e n 'I'ora-
vorlesung ansetzen müssen; es ist die Sammlung des 1* r o -
|) h e t en k a n 0 n s. Nur daraus, daß die Propheten noch keinen
kanonischen Abschluß haben, lassen sich die erleichternden Aus-
nahmen für die Prophetenbüchei begreifen. Die Einführung der Tora-
vorlesung muß demnach vor der Mitte des dritten Jaiiriiunderts
stattgefunden haben. Wenn die griechische Pentateuchübersetzung
dem Bedürfnisse des Gottesdienstes ihre Entstehung verdankt, so darf
auch hierin ein Beweis für das Alter der Tora Vorlesung gefunden
werden. Die dii'ekten Zeugnisse für das Vorhandensein der regel-
mäßigen Toravorlesung sind freilich jünger. Unsicher ist, ob der Aus-
druck arayiv('ja/Mi'rag im Prolog des jüngeren Sirach sich auf das
Vorlesen der Schrift bezieht, ebenso unsicher das J)atum ge-
wisser Bestimmungen der Mischna, die zweifellos weit älter sind als
die Kedaktion dieses Werkes. Philo und Jose])hus nennen die sabbat-
liche Schriftvorlesung als alte Einrichtung; auch die Evangelien
erwähnen sie gelegentlich, und die Apostelgeschichte berichtet, daß
Kloses seit alten Zeiten in jeder Stadt solche hat, die ihn ver-
künden, indem in den Synagogen an jedem Sabbate aus ihm vorgelesen
wird (1521).
4. Der Umfang der ältesten Perilvopen war nicht sehr groß. Unter
den Vorlesungen für die Festtage, die die Mischna nennt, hat die
kürzeste, diejenige für den Neujahrstag. nur d r e i Verse, unter den
ausgezeichneten Sabbaten ""idt ebenfalls nm- drei; der längste Ab-
schnitt, der für den Versöhnungstag bestimmte, Lev. 16, hat, selbst
wenn das ganze Kapitel gelesen wurde, nur 34 Verse. So waren auch
die Sabbatperikopen nicht sehr lang, wenige Verse genügten; selbst in
einer späteren Zeit noch, in der das ganze System bereits sehr ausge-
bildet war, galt ein Abschnitt von 21 Versen als durchaus normal.
Es ist ferner höchst wahrscheinlich, daß in der ältesten Zeit nicht
der Reihe nach oelesen. sondern am Salibat ein beliebiger x\bschnitt
\Q0 Beschreibung des Gottesdienstes
{'Cl") ausgewählt wurde; auch nachdem dies verboten worden war.
„damit Israel die Tora der Keihe nach hörte", war von einer regel-
mäßigen Wiederkehr der Perikopen, von einem Zyklus, noch nicht
die Rede. Noch R. Meii* vertritt die Ansicht einer lectio continua in
dem Sinne, daß bei jeder neuen Vorlesung dort fortgefalu'en werde,
wo die letzte aufgehört hat, also am Sabbatnachmittag die Fort-
setzung der Morgenvorlesung, am Montag und Donnerstag je ein
weiteres Stück vorgetragen werde. Legt man diese Verteilung und
die übliche Verszahl zugrunde, dann wurden zur Vollendung der Tora,
wie berechnet wurde, etwa 2V3 Jahr gebraucht; rechnet man
nur die Sabbatparaschen, eine jede zu 21 Versen, so würde man gar
erst nach 5^/2 Jahren durchkommen, zumal wenn man bedenkt, daß
an den Neumonden, an den ausgezeichneten Sabbaten die fortlaufende
Vorlesung vollständig fortfiel. Die Tosefta enthält Vorschriften über
die Mindestlänge von Paraschen am Schlüsse eines Buches oder des
ganzen Pentateuchs, die niemals vorkommen könnten und daher sinnlos
wären, wenn die heutige oder überhaupt irgend eine zyklische Einteilung
bekannt gewesen w^äre. Allmählich kam es zu einem festen Zy-
klus ("iID), wir erf alu'en davon zum ersten Male im Talmud, b. Meg. 29 b.
daß nämlich die Palästinenser die Tora in d r e i J a h r e n beenden.
(■ji:'© nbrn i?ri'i"ni?r ipD^" smyn 'irnb). Der drei jähr ige Zyklus
der Palästinenser liegt, wie erkannt wurde, einer großen x\nzahl von
Midraschim zugrunde, fast allen Rabbot, besonders dem Levitikus
rabba, dem Tanchuma u. a. Dieselbe Einteilung setzt die Massora
voraus, WTun sie am Schlüsse jedes Buches die Zahl der S e d a r i m
(a^TlD) angibt; die Zahl der Sedarim schwankt in den Quellen z-svischen
153 (154) und 167; der Midrasch deutet auf 155, die größte Zahl von
Sabbaten, die in einem Zeitraum von drei Jahren für die Perikopen
in Betracht kommen. Dem dreijährigen Zyklus stellten die baby-
lonischen Amoräer den einjährigen gegenüber, d. h. sie lasen
an jedem Sabbat das dreifache Maß und teilten den Pentateuch, wie
noch heute üblich, in 54 Paraschen, die man freilich später fälschlich
ebenfalls Sidi'a (s5"i"D) nannte. Wie in allen religiösen Fragen, wurden
allmählich die babylonischen Autoritäten auch hierin maßgebend,
der em jährige Zyklus verdrängte den dreijälu-igen in allen
Gemeinden bis auf verschwindende Ausnahmen. Eine solche erhielt
sich in der , .Synagoge der Palästinenser" in Kairo. Benjamin von
Tudela (ca. 1170) berichtet, daß dort nicht jede Woche eine ,.Para-
Toravorlosuii^,' IfJl
scha" wio sonst überall f>vl('S('n, sondern daß diese in drei ,,Sedariin"
geteilt und die Tora erst immer naeli drei Jahren dureli<(elesen wurde.
Auch Maimonides erwähnt einen „nicht verbreiteten Brauch, die Tora
erst nach drei Jaliren zu beenden", und sein Sohn Abraham erzählt
pjanz wie Benjamin vom Cotteshaus der Palästinenser in Kairo, wo
nur ein Seder wöchentlich gelesen wurde. Noch im Jahre 1()7() haben,
nach einem Berichte Josef Samba ris zu schließen, die Synat^oge und
der Brauch bestanden. Sonst freilich war bis in die Neuzeit vom
dreijährip;en Zyklus nicht mehr die Rede. Auf der Rabbinerver-
sammlung in Frankfurt a. M. 1845 wurde zum Zwecke der Ver-
kürzung der Toravorlesung der dreijährige Zyklus em])fohlen und
danach in verschiedenen Gemeinden eingeführt. Eine Tabelle über
die Einteilung der Tora nach diesem Prinzip erschien zuerst in dem
von der israelitischen Tcmpelgemeinde in Hamburg herausgegebenen
Gebetbuche 1845. Allein die Einteilung nach dem einjährigen Zyklus,
die Benennung jeder Woche nach ihrer Parascha waren durch die
Gewöhnung von fünfzehn Jahrhunderten so stark, daß sie dem neuen
Prinzipe einen unüberwindlichen Widerstand entgegensetzten, mochte
es auch historisch gut beglaubigt sein. Es kam daher zu einer neuen
Art des dreijährigen Zyklus, daß nämlich die Paraschen des einjährigen
Zyklus beibehalten, am Sabbat aber nur ein Drittel davon vorgelesen
wd. In einzelnen Gemeinden wird der Rest der Parascha auf die
drei anderen Vorlesungen der Woche verteilt, so daß am Sabbat stets
der Anfang der Perikope an der Reihe ist und trotz der Verkürzung
der Sabbatvorlesung die ganze Tora in einem Jahre vollendet wird;
in anderen ^^^ederum wird jedes Jahr ein anderes Drittel vorgetragen,
so daß zwar stets die Parascha nach einem Jahre wiederkehrt, zur
Lesung der ganzen Tora aber drei Jalire erforderlich sind; einzelne
von diesen ))flegen dann im zweiten und dritten Jahre des Zyklus
zur Kennzeichnung der Parascha zunächst wenige Verse von ihrem
Anfange zu lesen. Es gibt auch Gemeinden, in denen trotz reformierten
Gebetbuches die Toravorlesung nach dem einjährigen Zyklus fort-
besteht. In der jüdisclien Reformgemeinde in Berlin und in einem
großen Teile der amerikanischen Reformgemeinden wird ein kurzes
Stück in beliebiger Auswalil möglichst im Ansclüusse an den herkömm-
lichen Wochenabschnitt gelesen.
Neben dem dreijähiigen soll es auch einen d r e i e i n h a 1 b-
jährigen Zyklus gegeben haben, d. h. eine zweimalige Beendigung der
Elliogen. Der jüd. Gottesdienst. 11
\Q2 Beschreibung des Gottesdienstes
Tora von Sabbatjahr zu Sabbatjahr. Auch dieser Brauch wird als
palästinischer überliefert, seine Befolgung läßt sich jedoch nirgends
nachweisen. Nur eine Agada könnte zu seinen Gunsten angeführt
werden, die von 175 Paraschen in der Tora spricht und im Traktate
Sofrim (XVI, 10) tatsächlich als Vorbild der 175 Sedarim für die all-
wöchentliche Vorlesung auftritt. Rechnet man das Jahr zu 50 Wochen,
so entsprechen 175 Sedarim genau den Sabbaten von 3V2 Jalu'en.
xAUein die Rechnung beruht auf einem Irrtume, drei Jahre haben
mindestens einen Schaltmonat und demnach mehr Sabbate, von
denen andererseits wiederum eine ganze Anzahl mit Festtagen zu-
sammentreffen und für den Torazyklus ausfallen. Jene Agada redet
auch nicht von Perikopen der Tora, sondern von Absätzen, in denen
ein bestimmter Ausdruck (li^"i TajÄil liT^I) am Anfange steht. Die
Mögliclikeit des Vorkommens eines 3V2 jährigen Zyklus läßt sich
nicht bestreiten, denn es wird als Eigentümliclikeit der Palästinenser
überliefert, daß der Zyklus in den einzelnen Gemeinden nicht gleich-
mäßig war, daß nicht überall dasselbe gelesen, daß die Tora auch nicht
in aUen Gemeinden am gleichen Tage beendet wurde. Man kann
der letzten Angabe ilire Richtigkeit nicht bestreiten, wenn man im
Midrasch liest, daß der Amoräer Chanina b. Abba (III. Jahrhundert?)
in einer Gemeinde nnr'cn )')2 riri:!^ Lev. 2l0.als Beginn einer ,,Sidi'a"
antraf; das ist nur möglich, wenn ein fester Zyklus in jener Gemeinde
nicht bestand.
5. Der einjälu'ige Zyklus begann nach dem Hüttenfeste,
aller Wahrscheinliclikeit nach auch der dreijährige; w'enn es laut einer
Angabe im Talmud vorkommen kann, daß Num. 28 (i'an":: ^üip rs«) im
Frühjahr gelesen wii'd, ist der Beginn des Zyklus im Herbst zu denken.
Für eine gegenteilige Annahme lassen sich stichhaltige Beweise nicht
vorbringen. Für die Zwecke der Vorlesung ist Genesis in zwölf, Exodus
und Deuteronomium in je elf, Levitikus und Numeri in je zehn Pa-
raschen geteilt: da die letzte im Deuteronomium für den letzten
Tag des Httttenfestes bestimmt ist, bleiben für die Sabbate 53 Pa-
raschen. Die Abteilung der Paraschen war nicht zu aUen Zeiten und
in allen Ländern genau die gleiche, an einzelnen Punkten war sie
schwankend, aber die Gesamtzahl w^ar überall dieselbe. Die Namen
sind vom Anfang oder den Stichworten der Abschnitte hergenommen
und nicht sehr alt. Nun hat das Jahr nicht eine so gioße Anzahl von
Sabbaten, und einige gehen durch die Feste verloren, infolgedessen
I
Tora Vorlesung 163
könnoii in Exodus und DcMitorononiium jo zwei, in Loviticus dr(>iin<-il
zwei, in Nunu>ri zweimal zwei Pciikopcn zu je einer vereinigt (rT^^'mc)
werden. Auch das waren niclil imnier iil)erall dieselben Perikopcn.
Wie viele von den l)()|)[)el])araselien in Anwendunj^ kornnien, das
hängt von der Jahreslorni ab, aber auch von bestimmten Kegeln.
Zum Teil gehen diese auf alte Zeit zurück. R. Simon ben Eleasar
(um 170) nennt eine Verordnung Esras, daß die Strafandroliungen
in Levitikus 26 vor dem Wochenfeste, die in Deutcronomium 28 vor
dem Neujahrstage zu lesen sind (b. Meg. 31 b). l)ementsj)recliend
nuiüten dann die Sidras verteilt werden. In den späteren Jahrhun-
derten — wir finden sie zuerst in den weitverbreiteten Regeln des Je-
hudai Gaon (um 750) — wurde dann die Formel aufgestellt, die für
die Verteilung maßgebend geblieben ist, ittis nir^l I2ü inoST n^ps
lypr.i l^ip r:ii, d. h. daß im Gemeinjahr 12 Lev. 6 vor Pesaeh,
"imiin Xum. 1 vor Schowuaus, "iinrs?"! Deut. 3 23 ff. nach dem
9. Ab, B-^n::: Deut. 29 9 ff. vor Rauschhaschono gelesen wird; im
Schaltjahr tritt nur die eine Änderung ein, daß 7l2)a Lev. 14 vor
Pesaeh gelesen wird.
Eine Unterbrechung der regelmäßigen Vorlesungen bringen die
ausgezeichneten Sabbate, die Feste, Halbfeste und Fasttage. In der
ältesten Zeit hat es nur an diesen Tagen Vorlesungen gegeben, auch
als an allen Sabbaten die fortlaufenden Perikopen eingeführt waren,
räumten sie an diesen Tagen deren besonderen Perikopen den Platz.
Darüber läßt der Satz der Mischna nDi:n: a^TDin ^'Oii'\7 iipiCET2 brb
(3'>i"'£rn arbi mrr'cb"') r"^:rr":: 2"'"i"'e:i keinen Zweifel. Die aus-
gezeichneten Sabbate haben von den Perikopen ihre Namen, zibpo
von Ex. 3011— 16, ni3T von Deut. 2517—19, nn2 von Num. 191—22,
C-nn von Ex. 12 1—20. Die Meinung Rabs, daß Num. 28 1—8 (rs? . . . is
irnb ■'iiip) die Perikope für a-^rpir bildete, dürfte auf gelehrte Kom-
bination, nicht auf Tradition zurückgehen. Wer die Älischna un-
befangen liest, gewinnt den Eindruck, daß die vier ausgezeichneten
Abschnitte ohne Unterbrechung aufeinanderfolgen, die Tosefta bringt
bereits eine jüngere Interpretation, wonach der zweite und dritte
Abschnitt unmittelbar vor bezw. nach Purim zu lesen sind, der vierte
am Sabbat vor dem 1. Nisan oder am 1. Nisan selbst. (Tos. Meg.
IV, 1 bis 4, S. 2255 ff.). An den Zwischensabbaten wird die Reihe
unterbrochen ('i"ip"icsi2), davon heißen die Sabbate npcE". Auch
flu- diese Reihe findet sich in den erwähnten Regeln Jehudais eine
11*
]^ß4 Beschreibung des Gottesdienstes
Formel, die in den Kalender übergegangen und maßgebend ge-
worden ist. Wälirend aber selbst die Tosefta keinen Zweifel darüber
läßt, daß die genannten Perikopen die ausschließliche Vor-
lesung der vier Sabbate bildeten, trat in amoräischer Zeit hierin eine
Veränderung ein; die regelmäßige Vorlesung lief weiter und der Fest-
abschnitt wurde als Zusatz (?|DTa) zu ihr verlesen.
Ebenso geschah es, w^enn Neumond oder Chanukka auf einen
Sabbat fielen; ursprüngüch bildete Xum. 2811— 15 2 z^r^n ^rsiim die
Neumonds-, ein Stück aus Num. 7 S^i^ilT' 'S die Chanukka-Lektion,
später aber wurden sie beide neben der laufenden Perikope vor-
getragen. Es konnten nun Komplikationen eintreten, wenn der
1. Tebet, Adar oder Nisan auf Sabbat fielen; dann wurden eben von
der amoräischen Zeit an drei verschiedene Vorlesungen nacheinander
gehalten, die laufende Sabbat-, die Neumonds- und die Festperikope
(b. Meg. 29 b, j. Meg. III, 6 fol. 74 b). Die Vorlesung am Sabbat-
naehmittag bheb in jedem Falle unverändert, die Wochentagsperi-
kopen hingegen fielen am Neumond, am Chanukka, am Purim und den
Fasttagen vollständig aus, die der betreffenden Tage traten an ilu'e
Stelle. An den Fasttagen werden nach der Mischna Lev. Kap. 26 und
Deut. Kap. 28 (r^izbp^ mDiS) gelesen, die Tosefta kennt bereits
als Ausnahme den 9. Ab mit Deut. 4 25—40 (2^;n T^bir "^d), und diese
Vorlesung wurde beibehalten. Die Geonim änderten die Vorlesung
für die anderen Fasttage, sie bezogen die Angabe der IVIischna allein
auf die R e g e n f a s t e n , die zu ihrer Zeit nicht mein* das alte
Zeremoniell hatten (§ 213), und wälüten für die historischen Fast-
tage Ex. 32 11—14 (:nii), 34 1—10 {^7 7Ct), das einzige Beispiel einer
Vorlesung aus der Tora, die aus zwei nicht zusammenhän-
genden Stücken (äib'i) besteht. Für den 9. Ab kennt die Tosefta
auch eine zweite Perikope, Lev. 2614 {"b 127'a'irr xb 2S), und sie
scheint sich in Palästina lange behauptet zu haben, denn auch Mas.
Sofrim und der Midi'asch Threni rab. kennen sie. An den Fasttagen
wurde schließlich, was den ältesten Quellen noch unbekannt
ist, auch zu M i n c h a dieselbe Toravorlesung aus Ex. eingeführt. Am
17. Tammus wurde im XIII. Jahrhundert in Böhmen von Ex. 32 11
bis 3410 ohne Unterbrechung gelesen.
Die Perikopen für die Festtage stehen in ihrer ältesten Form in
der Mischna (Meg. III, 7. 8); kaum eine ist so stehen gebheben, wie
sie dort verzeichnet mrd. Zunäclist waren die dortigen Perüvopen
Toravorlesuii},' 165
für die Hcdürl'iiisst' späterer Zeiten zu kurz, und dann kamen die
zweiten Feiertai!;e hinzu. Für die Walll'ahrtsfeste hat die Mischna die
wenij^en auf das einzehie Fest bezüglichen Verse aus Lev. Kap. 23
mrTcn rr-^S hezw. für das Woehenfest, da Lev. 2315 (asb ariBCl)
schon am Pesaeh hatte verwertet werden müssen, Deut. 16 9—12
(rirmr ny^W); die amoräische Zeit bestimmte dann für jedes Fest
den ganzen Abselmitt. und so wurde Lev. 22 2() bis 23 4-1 (2^2 'S i^r
T" IS) für den zweiten Pesach- und die beiden ersten Sukkot-Tage
festgesetzt, Deut. 15 19—16 17 ("nonn bs) für die Schlußtage aller
Feste. Am Pesaeii kennt die Mischna die Vorlesung nur am ersten
Tage, und wir sahen oben, daß das seinen guten Grund hat, die To-
sefta aber kennt bereits die Perikopen für die übrigen Tage, die den
|)entateuchischen Erwähnungen der Pesaclifeier entnommen werden.
Abbaje stellt dann die für alle Zeiten maßgebend gewordene Formel
auf x-^Din n:r x^^TJcn ■::cs s^Ecsn np s^-nr ^ria. Danach wird
am ersten Tage izce Ex. 12 21 ff. gelesen (in der gaonäischen Zeit
wurde sogar bereits 1214 "jilDT'r aDb nin '3Vr\ "irn begonnen),
am zweiten -rr Lev. 22 2i3, am dritten -\^22 bD "<: np Ex. 13 1 ff.,
am vierten rr'^r rc: 2i« Ex. 22 24 ff. usw., am siebenten der Durchzug
durch das rote Meer, nbirn Ex. 1317 — 15 26, der nach der alten jü-
dischen Chronologie in der Nacht zum 22. Nisan stattgefunden hatte.
Für den Sabbat in beiden Festwochen wurde in Babylonien bereits
im in. Jahrhundert n-QS nri? nsn Ex. 33 12—34 26 festgesetzt (b.
Meg. 31 a). Für den ersten Tag des Wochenfestes, das inzwischen Fe?t
der Offenbarung geworden war. nennt bereits die Tosefta "^Tri^TTn TTinn
Ex. 19 und 20. Für Neujahr war im Sinne sjiäterer Zeiten Lev. 23 23—2.5
em ganz unmöglicher Abschnitt, in der Tosefta finden wir dalier
rrc rs ~pE '"" Gen. 21, (nach dem ^Iidrasch gedachte Gott der
Sara am Neujahrstage) und im babylonischen Talmud für den zweiten
Tag Gen. Kap. 22 (nip"). Der Versöhnungstag allein behielt seine
angestammte Perikope n^ -»ins Lev. Kap. 16. Das Httttenfest war
bereits in der Mischna mit Vorlesungen für alle Tage bedacht. Num. 2917
bis 301 (:nn rM^^p) war auf die Mitteltage zu verteilen, und die
Tosefta gibt die Verteilung in der Weise an, daß auf jeden Tag drei
Verse kommen; das genügte aber späterhin nicht, die Perikope mußte
größer sein, und nun entstand die Schwierigkeit, woher diese Ver-
längerung gewonnen werden sollte. Die Fiktion, daß die Kalender-
bcrechnung unsicher wäre und Zweifel über die Kichtigkeit der Tage
\Qß Beschreibung des Gottesdienstes
entstehen könnten, ließ die Möglichkeit, die Opfervorscliriften für
je zwei Tage (also 2 und 3, 3 und 4 u. s. f.) zusammen zu nehmen, ohne
weiteres zu. Man brauchte aber selbst dann noch doppelt so ^äele Verse,
und so schuf man im Mittelalter verschiedene Methoden, diese Peri-
kopen durch Hinzufügung und Ergänzung zu erweitern; Amr. wich
von Jehudai ab, der ganze Westen Europas von beiden. Easchi schuf
ein ganz eigenes Verfahren, das zwar anfangs selbst m seinem eigenen
Ki'eise bekämpft, aber sclüießlich doch allgemein anerkannt wurde
und, soweit sich übersehen läßt, heute überall gebräuchlich ist ; danach
werden jedesmal die Opfer von drei Tagen verlesen (2, 3 und 4; 3, 4,
5 u. s. f.) und die ersten zwei zusammen noch einmal wiederholt. Es
gibt aber auch Gemeinden, in denen immer nur zwei Tage verwendet
werden (2 und 3, 3 und 4 usf.), derart, daß zuerst jeder einzeln, dann
der zweite noch einmal und schließlich beide zusammen verlesen
werden. Zu solchen Schwierigkeiten führte die Verlängerung der
Tora Vorlesung an Tagen, an denen eine sachgemäße Erweiterung der
Perikope nicht möglich war. Eine besondere Schwierigkeit bot der
siebente Tag ("2"! i«:"1i;i~), da vielfach Scheu vorhanden war,
das Stück für den achten, einen vollen Festtag, an ihm zu verwerten ;
dieses Bedenken wm'de jedoch nur in Deutschland anerkannt, nicht
in den anderen Riten.
Am Schlußfeste verzeichnet der babylonische Talmud wie an allen
Schlußtagen der Wallfalirtsfeste mDnn bD Deut. 15 19 ff., jedoch mit
dem Zusätze "nDni a"'pm r>']1'Q (b. Meg. 31 a); man konnte darin ver-
schiedene Abschnitte angedeutet finden, infolgedessen entstanden
verschiedene Bräuche, die sich zum Teil recht lange erhielten. Im
allgemeinen aber blieb es bei Deut. 15 19, nur daß auch hier durch
Raschi eine Erweiterung eingeführt wurde; während nämlich sonst
nur an Sabbaten (wo eine längere Perikope notwendig war) statt
Deut. 15 19 bereits 14 22 "iTSJ^n "Wy den Anfang bildete, wurde für
das Schlußfest ohne Rücksicht auf Wochentag oder Sabbat stets
dieser Beginn festgesetzt; nach anfänglicher Opposition wurde das in
Deutschland und Frankreich angenommen, nicht in Spanien und
Italien, ja in Italien wird selbst am Sabbat erst mit Deut. 1512 ^D12'i "-2
Tb begonnen.
Für den zweiten Tag des Schlußfestes hat der Talmud nsian ra?7:
Deut. Kap. 33; ob damit auch Deut. Kap. 34 TW)2 by*"] verbunden war,
ist nicht zu ersehen. Ebensowenig wissen w, ob Deut. Kap. 33 u. 34
Turavork'suiig 1(57
auß(M"(UMn auch als Sal)l)alal)s('lmit( tliculc oder nicht; von dvv f^aonäi-
scheii Zeit an war es niclit mehr der Fall, vielmehr hildet dieser Ab-
schnitt eine Ausnahme, es ist die einzige Festtagslektion, die nicht
noch einmal an einem Sabbat im Jahre zur Verlesung kommt. Sie
ist für das Schlußfest bestimmt, um am letzten Festtage auch den
Zyklus der Toravorlesung zu beenden. Dadurch erhielt der T.ig den
Namen riTir rnTsiri, der freilich vor dem Jahre 1000 nicht nachzu-
weisen ist; es wurde im Gottesdienste die Beendigung des Zyklus
durch Vorträge und Gebete gefeiert (vgl. § 30). Dazu trat noch die
andere Sitte, gleichzeitig mit dem Schlüsse auch den Anfang der
Tora zu lesen. Jehuda al Barzeloni, der erste, der hiervon berichtet,
teilt mit, daß vielfach Genesis 1 1—5 ^1^I3^^■Q auswendig vor-
getragen und erläutert oder poetisch bearbeitet wird. Auch das ist
ein Brauch, der seine Geschichte hat. In den babylonischen Hoch-
schulen wurde am V e r s ö h ii u n g s t a g e zu Mincha der Anfang
des Abschnitts r^ri<"^n auswendig vorgetragen, Saadja weiß sogar davon
zu erzählen, daß man zu N e i l a noch einmal aus der Tora las und
zwar die ersten Verse der Genesis; nach seiner Zeit jedoch wurde das
wieder abgeschafft. Den Bräuchen scheint eine andere Gestalt des
Zyklus zugrunde zu liegen, die -säelleicht schon im Talmud angedeutet
ist ; anfangs mag der Schluß der Tora am Versöhnungstage zu Mincha
vorgelesen und daran der Anfang angeschlossen Avorden sein. Als
später das Fest der „Torafreude'" auf das Schlußfest verlegt wurde,
trat an diesem Tage zu nD"ü~ rsTT Gen. Kap. 1 als neue Perikope
hinzu. Wurden zunächst die Verse nur auswendig gesprochen, so
wmden sie bald wü'klich vorgelesen, und war es erst nur der
Anfang — It. hat tatsächlich, wie in alter Zeit, auch heute noch nur
Gen. 1 1—5 — , so wurde es bald die ganze Schöpfungsgeschichte bis
Gen. 2 3. Vom XII. Jahrhundert an wurde das allmählich der stehende
Brauch, wie es scheint, wiederum in Frankreich und Deutschland
früher als in anderen Ländern. Es war eine hohe Ehre, den Schluß
oder Anfang der Tora vorlesen zu dürfen; die beiden dazu Erkorenen,
meist die angesehensten und gelelu:testen Männer der Gemeinde,
wurden als Bräutigame der Tora (min ]pn und r^CX-Q 'n) gefeiert.
Die bisher behandelten Perikopen betreffen sämthch den M o r -
gen gottesdienst. Eine Vorlesung zu Mincha kennt die Mischna
lediglich am Sabbat, der Talmud auch am Versöhnungstage (""'■'"'."
Lev. 18). Wie stand es an den anderen Festen? Eine solche Vor-
]68 Beschreibung des Gottesdienstes
lesimg ist nii-gends nachzuweisen, man könnte sie nur aus einer nicht
klaren Andeutung im Talmud erschließen. Die einzige Quelle, die sie
behauptet, ist Sofiim XI, 5, aber ilu'e Verläßlichkeit ist selir fraglich.
Xur wenn der Festtag auf einen Sabbat fällt, findet eine Vorlesung
statt, und zwar wie an jedem beliebiger Sabbate ohne alle Rücksicht
auf das Fest. Eine Vorlesung zu Mincha haben auch die Fasttage,
das düi'fte die jüngste unter allen sein, sie ist vor der gaonäischen
Zeit nicht nachzuweisen.
Eine Einrichtung, die ebenfalls den älteren Quellen unbekannt ist,
sind die Zusatz perikopen der Festtage, den Opfervorsclu'iften
Kum. Kap. 28 und 29 entnommen. Der Hohepriester trug am Ver-
söhnungstage ^;7"imrn rnn':: "nicrST Num. 29 7— lO aus dem Gedächt-
nisse vor (Joma VII, 1), die Tosefta fordert dasselbe für die Vorlesung in
der Synagoge (Meg. IV, 6, S. 225). Wii' finden ferner im Talmud, daß die
Perikopen der vier ausgezeichneten Sabbate, der Neumonds- und Clia-
nukka-Abschnitt als Zusätze zur Sabbat-Perikope vorgelesen werden.
Aus derartigen Ansätzen entstand die Einrichtung, der Mir von Je-
hudai an überall in der Literatur begegnen, neben der altüberlieferten
Parascha auch noch eine Parascha mit den Opfervorsclu'iften aus
Kumeri zu lesen, die man, da sie der Haftara (§ 26) unmittelbar voran-
geht, auch Mafth'-Parascha nennt. Sie war oft von der Perikope
sein- weit entfernt, man mußte daher die Tora lange rollen, um die
Stelle zu finden; da man Bedenken trug, die Gemeinde damit auf-
zuhalten, wurde eingeführt, aus zwei Torarollen zu lesen, aus
der einen die Perikope, aus der anderen die „Maftü-"-Perikope. Wo
drei verschiedene Abschnitte gelesen wurden, wie am Torafest, wurden
auch drei Torarollen benutzt; das war auch der Fall, wenn der 1. Xisan.
1. Tebet oder 1. Adar auf Sabbat fielen. Vor Jehudai läßt sich der
Brauch der Maftü'-Perikope nicht nachweisen, von da ab ist er überall
heimisch. Xicht jede Gemeinde besaß gleich drei Torarollen, nament-
lich in den Zeiten der Judenmetzeleien, der e's^'igen Vertreibungen und
Beraubungen war ein so reicher Besitz selten, dann mußten die Ge-
meinden in der Notlage sich mit einer oder zwei Rollen beheben, und
in einer von ihnen an mehreren Stellen lesen.
In jenen Tagen konnte es sogar geschehen, daß die Gemeinde über-
haupt keine vorschriftmäßig gesclu-iebene Tora besaß; dann gestatteten
die maßgebenden Autoritäten, eher von den Vorschriften abzusehen
als die Institution der Toravorlesung; zu veriiachlässioen.
Toravorlcsu 11^' 1 ß9
0. Wie wiiiilc die Voil('sim<j,- <>vliaiullial)l? Ivs kann kaum ein
Zweifel darüber heslelieii, claü in der iütesleii Zeit ein einzelner die
i>;anze l'erikope las; die Perikopcn waren niemals lanu'. einer konnte
sie ohne iMinüduni;' \ortra<;'en. Die VoilesnnfJi: war urspriinfj^lieli,
wie wir sehen werden, nicht Selbstzweck, sie diente als Mittel zum
erläuternden \'()rtra^e, es wäre störend gewesen, wenn mehr als einer
den Abschnitt i^^elesen hätte. Allmählich wurde das anders, das Vorlesen
selbst erhielt Hedeutuni>', die (lemeinde wurde daran beteilip:t. Ein-
zelne Teilnehmer am Oottesdienste traten auf die Aufforderung des
Leiters hin und lasen voi', ihre Zahl wurde abgestuft je nach der Weihe
des Tages. An lWw Wochentagen einschliel.'dich Chanukka, Purim,
der Fasttage und am Sabbat zu .Miiu-ha waren es drei, am Xeumond
und an den Halbfesten vier, an den Festtagen fünf, am Versöhnungs-
tage sechs, am Sabbat sieben; an Sabbaten und Feiertagen konnte
die Zahl auch steigen, an den Wochentagen und Halbfesten sollte der
Gottesdienst nicht allzulange ausgedehnt werden. Als Mindestmaß an
Vorlesung wurden für einen jeden drei Verse bestimmt; wo drei lasen,
sollten es jedoch niemals weniger als zehn Verse sein. Xun gab es alte
Perikopen, die hierfür nicht ausreichten. Wo man sie ändern oder
erweitern konnte, wie an den Festen (oben S. 165), geschah es, wo
nicht, mußte man sich fügen; so bheb am Purim die Perikope p'ris" i?!"»"!,
Ex. 17 8—16, mit neun ^'ersen, weil es keine andere gab, die man an
ihre Stelle zu setzen vermochte. Die vier ausgezeichneten Sabbate
sind wahrscheinlich darum zu Maftir-Perikopen degradiert worden,
weil sich für zwei von ihnen die nötige Zahl von Versen unmöglich
aufbringen ließ. Bei manchen Perilvopen gab es traditionelle Eintei-
lungen; "ins?" Deut. 321 — 43 wurde im Tempel als Psalm verwendet
und in sechs Abschnitte geteilt, genau so wurde es als Perikope ge-
teilt, wobei freilich die Tradition über die Teilungsverse im Laufe
der Zeit zweifelhaft wurde. Manche Stücke mußten in e i n e ra Zuge
ohne LTnterbrechung gelesen werden, so die Strafandrohungen Lev. 26
und Deut. 28 r'bbpn l-ip-^csr l"is (Meg. IV. Ende). Am Schlüsse eines
Absatzes (ein solcher hieß ebenfalls nr^s) durften nie weniger als drei
Verse znrückbleiben ; wo derartiges zu befürchten war, mußten die
Abteilungen vorher danach eingerichtet werden. In solchen Fällen
gestatteten einige Amoräer einen masoretischen Vers zu halbieren
(inn, pois), was walu-scheinlich dem Herkommen entsprach ; andere
forderten, daß der Vers zweimal gelesen werde ("I7"in ,:c''~). so wird
170 Beschreibung des Gottesdienstes
bis heute am ]\'eiimondstage Num. 28 1—3 und dann 3—5 gelesen.
Nach Einführung des einjährigen Zykhis, wo die Perikopen und die
Absätze für jeden Leser ziemlich lang waren, wurde die Forderung ge-
stellt, daß kein Absatz mit einem Verse unheilvollen Inhaltes beginnen
oder schließen sollte. In der Art der Abteilung herrschte vöDige
Freiheit, mit der Zeit bildete sich eine bestimmte Tradition darüber,
die allgemeine Anerkennung fand, aber niemals als bindend an-
gesehen wurde.
7. Die vom Leiter dazu Aufgeforderten traten zur Tora hin und
lasen (nmri r^'^'pb TQ", avtairi amyvtdrai Luk. 416). Eine Aus-
nahme • wurde in Babylonien mit dem Exilarchen gemacht, ihm
wurde die Tora an seinen Platz gebracht und er las dort (pb^nTa 'j'an
xnrs Tü^i ^n;i s^r^'^nis j. Joma VII, 1, fol. 44 a. u.); diese Sitte hat
sich zumindest bis in das X. JaMumdert erhalten. Ursprüngüch
durften alle ohne Ausnahme zur Toravorlesung herangezogen werden,
auch Frauen und Minderjährige, sogar Sklaven ; schon in tannaitischer
Zeit wurden die Frauen ausgesclilossen, später mit Einführung der
Barmizwa-Institution auch Minderjährige. Ebenso durften Leute in
zerlumpter Kleidung (nni£) nicht zur Toravorlesung heraustreten,
da das die Wüi'de der Gemeinde verletzte. Ohne Aufforderung durfte
niemand hintreten, selbst der Leiter des Gottesdienstes nur, wenn die
Gemeinde ihn dazu einlud; wenn der Synagogendiener hinging, mußte
ein anderer ihn solange vertreten. Später — die älteste Erwähnung
finden wir im Tr. Sofrim — rief der Vorbeter die Leute mit Namen
zur Tora auf, was ebenfalls S"ip hieß und zu mancherlei Verwechselung
mit S"ip lesen Anlaß gab; die zur Tora Gerufenen hießen dann 2"'"'inp,
D^s^inp, auch n^ip.
Die zur Tora Hingetretenen lasen selbst ohne Hufe. Nicht
in aUen Synagogen gab es die erforderüche Anzalü Beter, die aus der
Tora zu lesen verstanden, in einem solchen Falle kamen die Kundigen
mehrmals heran; und wenn gar nur einer fähig war, so las er eben
siebenmal hintereinander. Der Fall ereignete sich naturgemäß am
häufigsten in denjenigen Gemeinden, deren Mitglieder das Hebräische
nicht als Muttersprache redeten (riTi^lb bir rD:2~ piS): dort wurden,
wenn es ü'gend anging, wenigstens Anfang und Schluß der Perikope
hebräisch vorgetragen, das übrige, im Notfalle sogar alles, in der
Landessprache. Daher mag es kommen, daß Philo nur "von einem
mitzuteilen weiß, der allsabbatlich aus der Tora liest. An dem Prinzip,
Toravorlesung 171
daü ein jodcr solhsl soin Stiii-k vorlesen sollte, wurde solange wie irgend
niöglieli festgehalten, aber es ließ sich nicht zu allen Zeiten durchführen.
Jn alter Zeit waren die Abschnitte, die auf den einzelnen kamen, kurz,
in der Regel drei bis fünf Verse, andererseits war die Bibelfestigkeit
sehr groß, denn von frühester Jugend an wurden die Kinder in der
Tora unterrichtet (Philo) und vermochten ,,die Tora leichter her-
zusagen als ihre Namen" (Josephus, Ap. 11, 18). Nun aber nahm die
Bibelkenntnis mit der Zeit ab, die Perikopen wiederum wurden über-
mäßig lang, es wurde auch eine bestimmte Kantilcne (nr-'r':) beim
Lesen gefordert; so wurde es recht schwer, Leute zu finden, die ihren
Abschnitt aus der Tora selbst zu lesen verstanden. In Habylonien
griff man daher zu dem Hilfsmittel, daß der V o r b c t e r die Leser
unterstützte, ursprünglich tat er es leise, allmählich wurde seine Mit-
wirkung immer lauter, besonders half er bei der Kantilene nach, zu-
letzt verdrängte er die Gemeindemitglieder vollständig, der Vorbeter
oder ein beamteter Vorleser las allein und der zur Tora Gerufene stand
schweigend daneben. Dieser Prozeß vollzog sich niclit überall gleicli-
zeitig; in Palästina, in den Balkanländern, in Italien scheint noch im
XII. Jahrhundert die Gemeinde gelesen und der Vorbetcr ])assiv dabei
gestanden zu haben, während in den anderen Ländern der Vorbeter
bereits half. Im XIII. Jahrhunderte hat in Deutschland und in Böhmen
bereits der Vorbeter allein aus der Tora vorgelesen, und etwa gleich-
zeitig dürfte das auch in Spanien und Frankreich allgemein üblich
geworden sein; bezeichnend ist, daß da, wo in Amr. von Toravorlesung
gesprochen ist. Ms. Oxford statt dessen den V o r b e t e r vorlesen
läßt. So ist es denn auch geblieben, mit der einen Ausnahme, daß
Knaben am Barmizwa-Sabbat ihren Abschnitt oder gar die ganze
Perikope lasen. Ein neuerer Vorschlag, die Perikopen zu kürzen und
dafür die Gemeinde wieder selbst lesen zu lassen, fand nirgends Be-
achtung. In amerikanischen Reformsynagogen und in der Berliner
Reformgemeinde wu*d niemand zur Tora gerufen; der als Vorbeter
fungierende Prediger liest die Perikope ohne Unterbrechung.
Den zur Tora Gerufenen bheb demnach nichts weiter als die Bene-
diktion vor und nach der Vorlesung (rnirn rD"Q). In der ältesten
Zeit war es so, daß vor dem Beginne und nach dem Schlüsse der ge-
samten Vorlesung je eine Benediktion gesprochen Avurde (nr/^sn
n-^insi::! rnrcb 'T-a'c rr.^r^ zrin-^ Meg. IV, 1). Das änderte sich
bereits im Laufe der amoräischen Epoche (":pr ins«':; b. Meg. 22 a).
].72 Beschreibung des Gottesdienstes"!
Zunächst wurden einzelne Stücke des Pentateuchs, wie die verschie-
denen Lieder, der Dekalog, die Strafandrohungen herausgehoben,
bei ihnen am Anfange und Ende die Benediktion gefordert, in Baby-
lonien aber gmg man noch weiter und ließ jedenAufgerufenen
vor und nach seinem Toraabschnitte die Benediktion sprechen. Die
älteste Torabenediktion, die w kennen, gehört zum Gebete des Hohen-
priesters am Versöhnungstage und lautet rmr^ imnn (j. Joma YII, 1,
44 a). Als Beginn der Benediktion in der Synagoge zitiert der Talmud
bereits iDin (j. Ber. VII, 2 t^'\-]rn rsnn ^nn); ob darauf mit T^2
i::>l a'nS'b ^li^n '^ erwidert wurde, ist nicht ersichtlich, nach der
Analogie der Gebete aber zu erwarten; Saadja forderte sogar, daß der
Aufgerufene die Responsion ebenfalls spräche, und so ist es Sitte ge-
blieben. Als Benediktion vor der Vorlesung ist allgemein nnn "irs
a">^::7n bs^ i:i gebräuchlich, das b. Ber. 11 b als Benediktion vor dem
Torastudium erwähnt ist ; Sof . XIII, 8 nennt dafür eine andere Bene-
diktion ai^ün ■j'a nmr in;", doch soU sie walu-scheinlich nur füi* das
häusliche Studium, nicht für die Synagoge dienen, was
freilich bei dem schlechten Text von Sof. nicht klar ersichtlich ist.
Möglich ist auch, daß die Benediktion im Talmud babylonischen,
die in Sof. palästinischen Ursprunges ist. Eine andere, ebenfalls
palästinische Fassung der Benedilvtion wii'd Moses in den Mund ge-
legt, riCT- rnir^ nnn "^.irii? (Deut. rab. XI), sie erinnert an die er-
wähnte Benediktion des Hohenpriesters. Die Benediktion nach der
Vorlesung lautet übereinstimmend nssi r"^."in i:":: ■jr: iTUii, sie findet
sich zuerst Sof. das., dürfte jedoch ebenfalls aus fi'üherer Zeit stammen.
Wälirend die Benedilction v o r der Vorlesung als biblisch galt,
wurde die zweite erst aus dem Tischgebet abgeleitet (b. Ber. 21 a),
ein Zeichen dafür, daß die erste weit älteren Ursprungs ist. Dadurch,
daß das Lesen der Gemeindemitglieder wegfiel, wurde dem Sprechen
der Benediktionen eine außerordenthche Bedeutung beigelegt.
9. Die Reihenfolge der zm* Tora Gerufenen war ursprünglich ganz
behebig, es gab keine festen Anordnungen darüber. Solange nm
einer las, mag die Ehre stets einem der angesehensten Gemeindemit-
glieder übertragen worden sein, nach Philo trug einer der Priester
oder der Ältesten die Tora vor. Daher beanspruchte auch später der
priesterliche Adel ein Vorrecht, das ilim bereits die Misclma einräumt.
Ein Alu'onide liest zuerst (aus der Tora), nach ihm ein Le^-ite, nach
ilim em anderer Israelit um des lieben Friedens ^^illen (Git. V, 9).
Toravnrlpsiing 17H
War kein Alironido zu|2j('f]^on, so vcrloi" auch (l(>r I.ovit sein Privileg?.
I^incm Alironicloii aber durfte nach anioräischcr Anschanun^ niemand
voranii'chcii; s(>ll)st wenn er t'roiwilli«; auf (h'u l']hren|)hitz zu verzichten
beicit war, wurch' es ihm nicht gestattet. Am Anfaiii;- der amoräisehen
Zeit i<()niit(Mi fidirende (ielehrte wie Kah und 1\. Unna an erster Steih'
lesen, später hörte das auf, selbst ein unwissender, ein minderjähri^;er
Ahronide hatte den Vorrang. Die Amoräer wollten auch die Plätze
hinter den Ahroniden und Leviten nach der Würdigkeit vergeben
wissen (b. Git. 60 a). Anerkannte Würdenträger wie die J^^xilarelien
oder Geonim lasen unmittelbar nach den Leviten. So ist es gekommen,
dal.) in späteren Jahrhunderten der Rabbiner an dritter Stelle auf-
gerufen wurde; in Frankicich rief man ihn im XI II. Jahrhundert
als siebenten, wahrscheinlich zum Abschlüsse, was ebenfalls als Aus-
zeichnung galt, indes keineswegs allgemeine Billigung fand. Hierin
wechselten die Anschauungen und Hräuclie, fest blieb nur die x\nordnung
für die beiden ersten Plätze, bis die reformierten Gemeinden der Neu-
zeit zum größten Teil auch dieses l*rivileg beseitigten. Bei freudigen
oder traurigen Erlebnissen hielt man sich für verpflichtet, aus der
Tora zu lesen, so wurde ein junger Ehemann in der Hochzeitswoche ("rn)
regelmäßig zur Tora gerufen, und es bildete sich ein besonders feier-
liches Zeremoniell dafür aus; bis ins siebzehnte Jahrhundert sangen
überall Vorbeter und Gemeinde die Erzählung von der Brautwerbung
für Isaak (Gen. Kap. 24), in den orientalischen Ländern dauert die
Sitte bis zum heutigen Tage fort. Im späteren ]\Iittelalter sicherten
sich die Gemeindemitglieder durch Geldzalüungen für die Wolüfalu-ts-
zwecke der Gemeinde das Recht, zur Tora aufgerufen zu werden,
nur dem Rabbiner blieb stets an jedem Sabbate und Festtage ein Platz
reserviert. Ebenso wurde das Zusammenrollen (rc'^'^r^) der Tora, das
nach dem Talmud der Würdigste vornehmen soll, das im ■\Iittelalter
auch oft dem Rabbiner übertragen worden w^ar, als hohe Ehre erstrebt
und bezahlt. Auch das Zureichen der Torabekleidung (§ 30) betrachtete
man als Elu-e, ebenso das Ausheben und Einheben der Tora. Gewiß
konnte dieses Bezahlen der Funktionen in der Synagoge (später r-^r
genannt) schwere Schäden zur Folge haben, zumal sie eine Zeitlang sogar
meistbietend versteigert wurden; aber sie blieben trotzdem meist den
Würdigsten vorbehalten, denn ihre Bewertung war eine so hohe, daß
selbst die weniger Würdigen, wenn sie sie erwarben, die Wiü-digsten damit
betrauten (-;?2) und auch das schon als hohe Auszeichnung betrachteten.
174 Beschreibung des Gottesdienstes
10. Für die Toravoiiesung beim Gottesdienste konnte nur eine
nach besonderen Vorsclu'iften geseliriebene Rolle (lEC) verwendet
werden; dieselbe mußte die ganze Tora enthalten, wenn sie nur eins
oder einige der fünf Bücher ("iiTCCin) enthielt, war sie unbrauchbar.
Jede Gemeinde mußte daher eine oder mehrere solche Rollen besitzen;
nur im Mittelalter, in den Zeiten schwerer Bedrängnis, gestatteten die
meisten Autoritäten, im Notfälle auch ohne ein vorschriftsmäßiges
Exemplar zu lesen. Die Torarollen wurden in einem besonderen
Schrein (~nir) verwahrt, sie wurden vor der Vorlesung von dort
gebracht (~S5i:";~), nach dem Gebrauch zurückgestellt (~c:z~). In welcher
Form das in ältester Zeit geschah, berichtet die Mischna gelegentlich
der Beschreibung der feierlichen Vorlesungen durch den Hohenpriester
am Versöhnungstage und den König am Schlußfeste. Der Gemeinde-
diener nahm die Tora heraus, reichte sie dem Gemeindeoberhaupt,
dieses dem Hohenpriester-Stellvertreter, dieser dem Hohenpriester und
dieser dem Könige. Später trat an Stelle des Schreines die heUige Lade
{üjl'pn ]",ii?), das ,, Holen und Zurückstellen" geschah durch den
Vorbeter. Nicht später als vom XH. Jahrhunderte an erstrebten die
Gemeindemitgheder eine BeteUigung auch an dieser Funktion; sie
„hoben" die Tora aus der Lade ,,aus" und reichten sie dem Vorbeter,
bezw. sie nahmen sie von ihm in Empfang und „hoben sie ein". Das
wurden feierliche Akte mit besonderen Gebeten, über die § 30 be-
richtet. Nachdem die Torarolle vom Vorbeter auf das Lesepult ge-
bracht ist, wü'd sie geöffnet, ausgebreitet und hochgehoben der Ge-
meinde gezeigt, die darauf die Worte Dt. 4 44 n^^rn rs?7i spricht;
in Deutschland wm-de dieses Hochheben (Hnnsn) erst nach der Vor-
lesung vorgenommen. Welch feierliche Bedeutung es mit der Zeit
angenommen hat, zeigt das schöne Gedicht H a g b a h a von M. H.
Haarbleicher. In manchen Gegenden wurde und wird das Entkleiden
der Tora ebenso wie das Zusammenrollen (s. oben S. 173) als besondere
Ehre einem Gemeindemitgliede übertragen.
§ 26. Die Vorlesung aus den Propheten.
Literatui-: Zmiz, das.; Rapaport, Erech Miliin Art. xr---2X, S. 167 ff.;
Herzfeld, S. 215 ff.; Adler, Die Haftara in MS XI, 1862, S. 222 ff.;
Büchler, JQR, VI, Iff.; JE Art. Haftara VI. 135 ff. ; Triennial Cycle XH 254 ff.
1. Die Vorlesung aus der Tora wurde ergänzt durch eine solche
aus den Propheten, durch die Haftara rp,"JEn aram. sr^-JES; der-
I
Prophetenvorlesung 175
jonii^e, ilor (IcMi ri()|)lu>tou vortriiir, IumüI in der Miscliria X"'2:2 ^"'"JE^.
■T^'JEn bock'utot ,.1'iii Kiulo nuiclicn, absi-lilicüeir'. Ks fragt sicli nun,
welches Objekt zu ^i'jen hinzuzudenken ist. Nach Kapaport bedeutet
es den Gottesdienst abscliiießeii, so daß die Vorlesung aus den
Proplieten stets am Knde der Liturgie iiuen Platz gehabt und davon
den Namen S c h 1 u ß erhalten hätte (= Missa). Diese Erklärung
klingt wenig wahrsciieinlicli, es liegt aucli kein Zeugnis dafür vor,
daß der Gottesdienst mit der Prophetenlektion geschlossen hätte.
Vielmehr bedeutet i^'^n:! ■'."'■JEn die 13 i b e 1 v o r 1 e s u n g mit einem
Stücke aus den Propheten abschließen; mau las aus der Tora und
beendete die Vorlesung durch einen Vortrag aus den Propheten (^^p
ü^2'.n ""»"JE""! ni^rn). Auf dieselbe Bedeutung weist auch die im
Talmud vorkommende aramäische Benennung der Prophetenvorlesung
a-'^TTS (j. Sanh. I, 2, 19 a), wofür die Pesikta rab. häufig S"^n:2 a^brn
hat; die Haftara heißt aramäisch ^«r'crTrs?, i^rrbir die Ergänzung seil.
der Vorlesung.
2. In welcher Zeit wurde die Vorlesung aus den Propheten ein-
geführt? Darüber besitzen wir nicht einmal die sagenhaften Xach-
ricliten, die uns für die Tora zur Verfügung stehen (s. S. 156). X'acli
der Andeutung einiger älterer Autoren weiß Elia Levita (1469 bis 1549)
zu erzählen, daß in der Zeit der Religionsverfolgung, als die Syrer die
Torarollen einzogen, zerrissen und verbrannten (vgl. I. IVIk. 1 5(3),
zum Ersatz die Vorlesung aus den Propheten eingeführt wurde. Ein altes
Zeugnis für diese Annahme ist nicht vorhanden, und es ist mit Recht
dagegen eingewendet worden, daß die Syrer mit der gleichen Gehässig-
keit das Lesen der Propheten verhindert hätten. In Ermangelung
jeder Nacliricht aus alter Zeit sind wir auf Vermutungen angewiesen.
Die Prophetenvorlesung ist sicherlich j ü n g e r als die T o r a v o r -
1 e s u n g , sie muß aber älter sem als der Abschluß des Pro-
phetenkanons. Die Propheten werden nicht der Reihe nach
gelesen wie die Tora, sondern m beliebiger Auswahl, innerhalb eines
Propheten werden bisweilen zwei unzusanimenhängende Stücke ge-
lesen, selbst aus zwei verschiedenen Propheten durfte in alter Zeit
gelesen werden. Die Vorlagen, aus denen die Propheten gelesen werden,
brauchen nicht so vorschriftsmäßig gesclirieben zu sein wie die Tora.
Die Tora, die zur Vorlesung verwendet wii'd, muß vollständig sein,
den ganzen Pentateuch enthalten, für die Propheten genügt das eine
Buch, aus dem gerade vorgelesen wird. AUes das läßt darauf schließen,
\1Q Beschreibung des Gottesdienstes
daß zur Zeit der Einführung der Haftara die Propheten noch kein
abgeschlossenes kanonisches Buch bildeten. Sicher ist, daß die
Einführung der Haftara in vorclmstliche Zeit fäUt, die ältesten christ-
lichen Quellen kennen die Prophetenvorlesung bereits als völlig aus-
gebildete Einrichtung (Luk. 4 17, Akt. 13 15). Auch die Mschna, die
an dieser Stelle Sätze von weit höherem. Alter als ihre Redaktion ent-
liält, bespricht die Prophetenvorlesung in einer Weise, daß auf ein
bereits längeres Bestehen der Institution geschlossen werden muß.
3. Die Mischna (Meg. IV, Ende) bestimmt, daß am Sabbat und
den großen Festen beim Morgengottesdienst Prophetenvorlesung
stattfindet. Daß das von Haus aus so gewesen ist, ist sehr zweifeDiaft.
Die Mischna nennt nur Prophetenabschnitte, deren Vei^wendung sie
nicht gestattet ; gebräuchliche Prophetenabschnitte werden zuerst
in der Tosefta (das.) für die vier ausgezeichneten Sabbate, in einer
Baraita des babylonischen Talmuds für die gi'oßen Feiertage, für die
Sabbate der jVIitteKeiertage, für Chanukka- und Xeumondsabbat,
für den 9. Ab genannt (b. Meg. 31 a f.). Wahrscheinlich ist es auch
mit den Propheten so gegangen \\\e mit der Toravorlesung, daß sie
zunächst nur an den Festen oder an wenigen ausgezeichneten Sabbaten,
sodann aber an allen Sabbaten und an ausgezeichneten Tagen me 9. Ab
stattfand. Die Prophetenvorlesung ist auch " später nur noch ganz
wenig ausgedehnt worden. Es kam lediglich die Haftara beim Mincha-
gottesdienst der Fasttage hüizu, die einzige bei einem ]\Iinchagebet,
die sich schon dadurch als jung kennzeichnet und auch nicht m allen
Riten üblich ist. Daß ein Propheten z y k 1 u s nicht in Frage kommt.
sondern daß die Stücke völlig unzusammenhängend gelesen werden,
wurde schon erwähnt. Geschah die Wahl der Haftara ganz beüebig
durch den, der sie vortrug, oder waren bestimmte Stücke vorgeschrieben?
Lukas erzählt, daß, als Jesus am Sabbat die Synagoge in Xazaret
besuchte, ihm das Buch Jesaias gereicht wurde, und daß er beim
Aufsclüagen die Stelle Jes. 61 1 f a n d (4 16 ff.). Bedeutet das eloer in
der Erzählung, daß Jesus eine Stelle fand, die er gesucht hatte, oder
war der ihm vorgelegte Band derart vorbereitet, daß er die RoUe an
jener Stelle öffnen mußte? Die Frage wird kaum jemals gelöst
werden können, zumal der Evangelist ja Jesus diese bestimmte
Stelle finden lassen mußte; in jedem Falle aber würde die Tatsache,
daß allein das Buch Jesaias gereicht wurde, eine Beschränkung in der
Auswahl des Abschnittes bedeuten. Xachzuweisen sind festgele2:te
I'rdlilii'li'iivorlcsunf^ 177
Haftarot bis zu (Irni aiific^i'hciu'u /citpunktc nicht, und es sciicin.t.
(lau (liojiMiifjfcn für die Feste iiüluT bestinuiit waren als die der Sabbate.
Dali die llal'taras im Laufe der Zeit "jewecliselt haben, beweist am
besten Ez. 16 nimyin rs? nbüin-» rs 7nn; in der Mischna wird die
ViMwendunii: des Abselinitles als llaflara verboten, und wenn schon
sonst immer ans solchen \'erboten ein fiüherer (lebrauch erschlossen
werden kann, so wiril in unserem Falle ausdrücklich von der einstigen
Verwendnno; des Abschnittes berichtet (Tos. Meg. IV, 34). In der
Mischna wird ferner Ez. 1 (r.nsn'a) für unstatthaft erklärt, indes ist
die gegenteilige Meinung K. Jehudas maßgebend geblieben, Ez. I ist
die Haftara für den ersten Tag des Wochenfestes geworden.
4. Nach welchem Prinzip wurden die Haftaras gewählt? Der
Talmud formuliert die einzige Bedingung in kurzen Worten rr^b "^m
(b. Meg. 29 b), d. h. daß eine gewisse Verwandtschaft zwischen dem
Inhalt des Projjhetenabschnittes und der vorangegangenen Pcnta-
teuch-Perikope vorhanden sein muß. Diese Beziehung ist bei den
Festtagshaftaren und denen der ausgezeichneten Sabbate stets vor-
handen; wo sie nicht durchsichtig ist, hilft die agadische Auslegung
des Proplietenal)schnitts oder des Festgedankens zu ihrem Verständnis.
Bei den Sabbathaft aren hingegen ist die Beziehung häufig eine recht
lose, sie bcscliränkt sich bisweilen auf ein einzelnes Wort. Das ist
leicht zu begreifen, wenn wir uns klar machen, daß mehr als 150 Pro-
phetenabschnitte für die Sidras des dreijährigen Zyklus erforderlich
waren. Bei der Umwandlung des Zyklus in einen emjäluigen hatten
die Gemeinden dann zu wählen, welchen von den drei Abschnitten
sie für ihre Parascha behalten wollten; sie wählten verschieden, und
die Abweichungen, die sich in den einzelnen Riten erhalten haben,
sind, wie die neuerdings aufgefundenen Verzeichnisse für den drei-
jährigen Zyklus bew^eisen, die Haftaras der verschiedenen Sedarim
jenes Zyklus gewesen. Am bequemsten machten es sich die Karäer,
die fast dmchweg die Haftara des ersten Seder beibehielten; es ist
möglich, daß ihnen darin der altbabylonische Ritus vorangegangen war.
5. Wo zwei Paraschen vereinigt wurden, wü'd nach dem ahge-
meinen Brauch die Haftara der zweiten gewählt, in Worms wurde im
frühen Mttelalter stets die erste beibehalten. Aus unbedeutenden An-
lässen, wäe bei der Anwesenheit eines Bräutigams in der Hochzeits-
woche, am Rüsttage des Neumonds u. a. konnte eine andere Haftara
an die Stelle der gewöhnhchen treten, „denn die Haftaras sind nicht so
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. A^
11Q Beschreibung des Gottesdienstes
festgelegt, daß sie nicht, wo es notwendig ist, durch andere verdrängt
werden könnten" (Hai Gaon). Ein fester Haftara-Zyklus hat sich
für die Sabbate vom 17. Tammus bis zum Hüttenfeste ausgebildet;
drei Strafandrohungen (sn::7nE)"; i^rbr) und sieben Trostabschnitte
(sirrn:- "r^ir) sind für diese Wochen festgelegt und werden durch
kein anderes Ereignis verdrängt. Der Komplex muß frühzeitig
zusammengestellt worden sein, denn die Pesiktas sind nach ihm
angeordnet, und alle Riten, auch die Karäer, haben ihn angenommen.
Genaueres über die Zeit und das Land seiner Entstehung läßt sich
nicht ermitteln, wahrscheinlich stammt er aus Babylonien.
6, Wie die Sidi'as waren auch die Haftaras ursprünglich kurz,
eine bestimmte Verszahl war nicht vorgeschrieben. In der Tosefta wird
von Haftaras, die nur ^^er oder fünf Verse enthalten, gesprochen, aber
auch von einer, die nur aus einem Verse besteht, Jes. 52 3. In
amoräischer Zeit wurde die Länge der Haftara auf 21 Verse festgesetzt,
entsprechend der Verszahl, die aus der Tora gelesen ward. Eine ganz
theoretische Zalü, denn es mußten sofort ^'iele Ausnahmen zugelassen
werden. Überall wo alte Haftaras eingefülut waren, die nicht ver-
längert werden konnten, weil in den Propheten ein anderes Argument
folgt (i52i:r p'öül), durften sie kürzer sein. Die Haftaras waren
ferner nicht Selbstzweck, sondern vor allem Text für die Auslegung,
die sich an sie knüpfte (Belege sind in Pes. rabb. leicht zu finden,
vgl. auch Luk. 421 ff.); da wo ein Metm'geman (§28) die vorgelesenen
Prophetenstücke auslegte, durfte, ja mußte demnach die Haftara auch
km-z sein. So enthält denn das aus recht später Zeit stammende Ver-
zeichnis der Haftaras für den dreijälu'igen Zyklus eine ganze Anzalil
Stücke von sehr geringem Umfange, bisweilen von nur zwei Versen.
7. Die Haftaras wurden nicht immer, wie in der Erzählung des
Lukas-Evangeliums, aus dem betreffenden Prophetenbuche vor-
gelesen, das sie enthält, geschweige denn aus Rollen, die aUe Pro-
pheten enthielten, zumal solche Exemplare überhaupt zu den größten
Seltenheiten gehörten (vgl. Sof. III, 5). Vielmelu* gab es schon früh
eigene Haftara-Rollen, in denen alle Haftaras und nur sie
gesclirieben standen. In Babylonien sollte um 300 ilu"e Verwendung
beim Gottesdienste verboten werden, weü es für unstatthaft
galt, solche Auszüge aus der Bibel anzulegen, der Talmud entscheidet
jedoch zugunsten dieser RoUen (b. Git. 60 a). Und sie haben sich,
trotzdem es auch in späteren Jahrhunderten nicht an gegenteiligen
Propheten Vorlesung 179
Stimmen fohlte, tatsächlitli recht lange behauptet. Hai (iaon kannte
alte Haflaiarollen, die noch in der Sassanidenzcit (also vor (540) ge-
schrieben waren, und auch noch ein Jaiuliundert später berief man
sich auf solche alten Exemplare, die in den früher persischen Provinzen
in Umlauf waren. In den mohammedanischen Ländern seheint sich
die Sitte, die Haftara aus besonderen Rollen zu lesen, recht lange
erhalten zu haben, wäiuend in den ciu'istliciien Ländern nach Ein-
fidirung der Buchform die Haftara aus Büchern gelesen wurde. Ent-
weder hatte man Bibeln, in denen die betreffenden Prophetenstellen
am Bande bezeiclinet waren, wie in dem berühmten Exemplare, das
im XL Jahrhunderte aus Babylonien nach Deutschland gekommen
war, oder es wurden besondere Bücher für die Haftaras angefertigt,
Nach der Erfindung der Buchdruckerkunst wurden die Haftaras
aus gedruckten Exemplaren vorgelesen, meist werden Exemplare
verwendet, in denen jedes Buch des Pentateuchs mit seinen Haftaras
zu finden ist. Daß aus Haftara rollen gelesen wird, gehöit zu den
ganz seltenen Ausnahmen. Selbst wenn auf Hollen geschrieben,
werden die Haftaras mit Vokalzeichen und Akzenten versehen, so
daß sie sich von den Torarollen unterscheiden.
8. Auch darin unterscheidet sich die Prophetenvorlesung von
der Toravorlesung, daß nur ein einzelner liest. Die Befürchtung,
daß die Prophetenvorlesung höher bewertet werden könnte, als die
aus der Tora, führte zu der Einrichtung, daß der Maftir zunächst
ebenfalls aus der Tora lesen mußte. Jn der ältesten Zeit, bevor es
noch einen festen Zyklus gab, las er dort weiter, wo der zuletzt Auf-
gerufene geschlossen hatte; in späterer Zeit hingegen wurde die Sidra
oder Parascha auf die sieben Aufgerufenen verteilt, während der
Maftir die letzten Verse noch einmal las. An den Festtagen und
ausgezeichneten Sabbaten, an denen eine besondere Maftirperikope
vorhanden war (S. 168), las er diese. In jedem Falle wurde die Tora-
vorlesung des Maftir von der vorangegangenen durcli Halbkaddisch
(§ 12 a S. 94. 96) getrennt.
Die geringere Bewertung der Haftara kam darin zum Ausdruck,
daß auch Minderjährige sie lesen durften, selbst in solchen Ländern,
wo man diese von der Toravorlesung ausschloß. In manchen Ländern
wurden sogar n u r Mmderjährige zur Haftara zugelassen, mit Aus-
nahme von wenigen besonderen Abschnitten, die angesehenen Ge-
meindemitgliedern, meist dem Rabbiner, vorbelialten blieben. In den
12*
] gQ Beschreibung des Gottesdienstes
letzten Jahrhunderten, nach Ausbildung der Barmizwa-Institution,
wurde es üblich, daß Knaben am Barmizwa-Sabbat regelmäßig die
Haftara lasen.
9. Die Haftara wurde gelesen, nachdem die Tora zugerollt war
(b. Sota 39 b). Zum Prophetenabschnitt gehören ebenso wie zur Tora-
vorlesung Benediktionen am Anfange und am Sclilusse. Wahrscheinlich
kommt ihnen das gleiche Alter zu vde jenen; die älteste Erwähnung
der Haftara-Benediktionen finden wh- bei den Amoräern um 300.
Im Talmud wird TTl p'a als Eulogie einer Haftara-Benediktion
genannt (b. Pes. 117 b) und eine weitere Benediktion vorausgesetzt,
in der des betreffenden Festtages Erwähnung geschah (b. Schab. 24 a).
Soweit uns Quellen zugänglich sind, beträgt die Zalü der Haftara-
Benediktionen fünf, eine geht ihr voran, \äer folgen ; ob die Zahl
in talmudischer Zeit bereits ebenso groß war, läßt sich nicht beweisen.
Die Benediktion vor der Haftara entspricht derjenigen über die Tora
in der Fassung von Deut. rab. (D'^DTJ a"'i{"'i:D "^nn ^"Oi5). Bemerkens-
wert ist, daß in ilu* ebenfalls der Tora und Mosis Erwähnung geschieht,
wodurch offenbar wiederum der Gedanke an eine zu hohe Bewertung
der Propheten ausgeschlossen werden soll. Von den Benediktionen
n a c h der Haftara bezieht sich die erste auf die Erfüllung der ver-
lesenen prophetischen Verheißungen, die letzte auf die Weihe des
Tages, an dem die Vorlesung stattfindet. Die zwei mittleren Bene-
diktionen sind nationalen Inhaltes, die erste enthält eine Bitte für Zion,
die zweite eine solche für den Messias; wahrscheinlich bildeten sie,
wie in der Tefilla, dereinst nur eine Benediktion, die in Babylonien
mit Rücksicht auf das Exilarchenhaus geteilt wurde (S. 40). Die
Benediktionen, die auf die Haftara folgen, bilden eine besondere
Gruppe, ihre Disposition ist die der großen Gebete, insbesondere die
der Tefüla. Zur Emleitung finden wh* einen Hymnus, den vertrauens-
vollen Dank für die Erfüllung der Zukunftsverheißungen, als Kern
die Bitte um nationale Wiederherstellung, am Sclilusse den Dank
für die Einsetzung des heiligen Tages. Der älteste Text der Haftara-
Benediktionen findet sich Sof. XIII 9—14 (XXII f.), in allen wesent-
lichen Punkten stimmt die dortige palästinische Überheferung
mit dem üblichen Texte überein, in einigen, in denen dieser abweicht,
bietet Amr. die Vorlage für den uns bekannten Wortlaut. Amr. hat
seinerseits wiederum noch eine zweite Überlieferung. Für die Bene-
düvtion vor der Haftara stimmen alle Texte bis auf unwesenthche
Prophetenvorle.su ng ISl
l\.l('nii<:;k('iti'ii ühcrciii. Die t'istc luidi diT llal'laiu lautet iiacli dci'
Ausgabe von Ainr. (nit-lit in dvn Handschriften) wosentlicli kürzer
als in Sol. ; aber das kann nicht der ursprüiif^liche Text sein, denn
widitige Sätze kommen nicht darin vor. Die Henediktion zerfällt in
zwei Teile, die in den Handschriften (vgl. b. Ber. 4(3 b vgl. s. v. n-'jrr)
nnd in den Dnickcii auch änlkrlich erkennbar auseinandergehalten
wertlcn; i)cim l)(>ginnc des zweiten Teiles ST. ~ri{ "^54: setzte die (l((-
meinde laut ein, der Maftir nahm den Satz auf und fiUn'le ihn zu Ende.
In Palästina erhob sich die (ieuu'iudc bei diesen Worten, in Baby-
lonien blieb sie sitzen. In den späteren Riten (schon bei Amr.) ist der
Brauch der Unterbrechung durch die Ciemeinde vollständig geschwun-
den, es fehlt in unseren Gebetbüchern jede Spur davon, in V. hingegen
zeugt das doppelte "i^x: noch immer von der alten Sitte, wenn ihier
auch nicht Erwähnung geschielit. Zwischen der Haftara und der
ersten Benedikt ion haben alle Riten Jes. 47 4 HDT ^::5?"".', nur in Germ,
fehlt es. Am Anfange der nächsten Benediktion liest Sof. 'rc^ n an:
■;":"i:: rr, Amr. y^'i b" an'', das ist dieselbe Differenz, die aus der Ein-
schaltung für die Tefilla des 9. Ab bekannt ist (S. 53), üblich wurde
ann (schon in V.). Im nächsten Satze lesen die alten Texte r:Ql5i"bl
^r^"^! nnrrai ap: aiprr tus:, einige Rezensionen von Sof. haben
das üblich gewordene TTS: m'^brn; ap: aip;r ist, wahrscheinlich
um Mißverständnissen vorzubeugen, in :7iTCin geändert. Die Eulogie
n^:nn "il^s an:T3 in Sof. wurde in der Form on pis nac« üblich;
bei Amr. lautet sie wie die entsprechende Eulogie der Tefilla ~:in
a^ibim"!"" (S. 53). Xur Rom. hat getreu die Fassung von Sof. erhalten.
x\uffällig sind die Abweichungen der dritten Benediktion. Bei Amr.
hat sie den Wortlaut der XV. Tefilla- Benediktion HDI HüS rs
(S. 54), die zugehörige Eulogie jedoch nzmr-» ]-\p n^'Q'm hat Sof.,
während Amr.. dem babylonischen Talmud entsprechend, "n~ pia
üest. Üblich wurde die Fassung von Sof. (freilich ohne den Schlußvers
Jer. 23t), den nur Rom. beibehalten hat) mit der Eulogie von Amr.;
so zusammengesetzt finden wir sie bereits in V. Die Schlußbenedik-
tion lautet bei Ami', so wie das mittlere Stück im Minchagebet aiu
Sabbat "b n:n (S. 118), die übliche Fassung ist die von Sof., nur
daß der Schluß gegenüber Sof. etwas erweitert ist. In der Eulos:ie
stimmen sie überein, sie lautet für den Sabbat racn '0-pi2. Beide
Quellen verändern die Eulogie, wenn z. B. der Neumond auf Sabbat
fällt (aT-n ■^"i'j«-'" '^'CiT rnr- inpia), was später in keinem Ritus
182 Beschreibung des Gottesdienstes
melir nachzuweisen ist. Hingegen ist es allgemein üblich, die Benedik-
tion und die Eulogie an einem Feiertage zu ändern und an den ernsten
Festen von der Fassung der Wallfalirtsfeste abzuweichen. Dafür bieten
schon die ältesten bekannten Vorlesungen einen Anhalt, wenn unter
den Benediktionen des Hohenpriesters 'j"i"ri rbTTa "~" genannt und vom
Könige am Sukkausfeste gesagt wird '"" CTi^ rnr a"'b5"i bir ]r"i:,
daß er die Benediktion durch eine auf das Fest bezügliche ersetzt
(Sota Vn, Ende). Amr. hält sich dann wiederum an die Tefilla und
liest nDl i:b "inn (S. 134). Nur in den Mittelfeiertagen des Pesach-
festes wollte man in Deutschland des Festes nicht gedenken,
wälirend es am Sukkaus geschehen sollte. Am 9. Ab, dem einzigen
Wochentage, an dem des Morgens eine Haftara gelesen wurde, fiel, da
es ein Trauertag war, seit Natronai die Schlußbenediktion aus. Ebenso
wurde sie bei den Mincha-Haftaras an den Fasttagen weggelassen;
am Versöhnungstage zu Mincha schreibt V. dieselbe Benediktion wie
am Morgen vor, jedoch ist es überall so gehandhabt worden, daß die
letzte Benediktion ausfällt.
10. Das Thema der Mincha-Haftaras bedarf noch näherer
Erörterung. Auf Grund einer bereits erwähnten Nachricht im Talmud
(mi2 Di^n nn:^S i<^n: px rnr s:^:i«Tü b. Schabb. 24 a) muß ange-
nommen werden, daß einst am Sabbat zu Mincha Prophetenvorlesungen
üblich waren. Diese Naclu-icht, die sich nirgends positiv belegen läßt, hat
die Erklärer des Mittelalters in die größte Verlegenheit gebracht. Die
Auffassung der babylonischen Hochschulen, die bis nach Deutschland
gelangte, war die, daß in älterer Zeit auch am Sabbatnachmittag
Trostkapitel aus Jesaias, also vorzugsweise dem zweiten Teile, vorgelesen
wurden, und daß die Sassaniden zuletzt ein Verbot dagegen erlassen
haben. Andere erklärten, daß hier nicht Propheten, sondern Hagio-
graphenvorlesungen gemeint waren, wie sie tatsächlich anderweitig
bezeugt werden (weiter S. 186). Wieder andere erklärten die ganze
Stelle für falsch überliefert, ohne Besseres dafür vorschlagen zu können.
Tatsächlich bleibt nur eine dieser zwei Möglichkeiten, entweder ist
die ganze Überlieferung falsch, oder es muß für die älteste Zeit eitie
Prophetenvorlesung für den Sabbatnachmittag angenommen werden,
obwohl wir sonst nirgends eine Spur von ihr finden. Die einzige Mncha-
Haftara, die sich im Talmud nachweisen läßt, ist die des Versöhnungs-
tages; schon damals wurde, wie heute, das Buch Jona vorgelesen
(b. Meg. 31 b). Nach dem Beispiele des Versöhnungstages wurden die
Prophetenvorlesung 1H3
Miiu'lui-llaftaras auch auf diu Kastla^c ühcrlraficn, wo sk' sich jedoch
vor dorn Jahre lOüü nicht nachweisen lassen. Ibn (iajjat ist der erste
Autor, der Hos. 14, nSTD, als Haftara für den 9. Ab erwähnt,' die
Vorlesung aber völlicj dem Belieben anheinislellt. Tatsächlicli haben
ahe Kiten außer denn. Hos. 14 als Haftara für den Xaciiinitlag
des 9. Ab angenommen. Noch jünger sind offenbar die Haftaras für
die anderen Fasttage; wann und w'o sie aufgekoinnicn sind, ist schwer
zu sagen; Seph. hat sie niemals angenommen, Rom. kennt sie, lehnt
sie jedoch ab, nur It. und Germ, lesen an den Fasttagen zu Mincha
nnm Jes. 56 ü — 57 8, Germ, dasselbe Stück auch am 9. Ab.
Die Mincha-Haftaras sind als spätere Einrichtung auch daran
kenntlich, daß der Älaftir einer von den drei zur Tora Aufgerufenen
ist, also nicht erst nach der Beendigung der Perikope auftritt. Die
Einrichtung, daß hier der dritte als Maftir fungiert, hat. nachdem
die Frage im Tabnud schon einmal negativ entschieden war, im ]\Iittel-
alter wiederum zu der irrtümlichen Auffassung geführt, daß der
Maftir zur Zahl der zur Tora zu Rufenden mitgezählt werden dürfe,
daß also am Sabbat Vormittag, beispielsweise neben ihm nur noch sechs
aufzurufen wären (""nr" ]^'.'Q': nbl" T^'^Eia). Eine befriedigende Er-
klärung dieser Abweichung bietet nur die liistonsche Erkenntnis,
daß die Mincha-Haftaras jüngere Institutionen sind, bei deren
Einführung die alte Regel, daß der Maftir aus der Tora lesen müßte,
keine Beachtung fand.
11. Eine völlige Umgestaltung erfuhr die Prophetenvorlesung in
der Neuzeit auf Grund der Verhandlungen der Rabbiner Versammlung
in Frankfurt a. M. 1845. Dort wnirde beschlossen, die Haftara in der
Landessprache zu lesen ; in den Synagogen, die die Neuerung
einführten, wird meist Anfang und Ende hebräisch, dazwischen das
ganze Stück in der Landessprache vorgetragen. Die Sprache der Bene-
diktionen ist ebenfalls vielfach die landesübliche, bisweilen sind sie
hebräisch beibehalten, in jedem FaUe jedoch gekürzt, die beiden
nationalen Bitten sind ausgefallen. Die Haftara wird überall vom
Rabbiner vorgetragen, in den meisten Fällen auch die Benediktionen.
Wo diese in hebräischer Sprache vorgetragen werden, geschieht es
durch den als i\Iaftir Aufgerufenen. Auch in konservativen Gemeinden,
in denen Haftara und Benediktionen unverändert geblieben sind, ist
es infolge der geringen hebräischen Kenntnisse der Gemeindemitglieder
vielfach dahin gekommen, daß stets der Rabbiner die Haftara liest
184 Beschreibung des Gottesdienstes
und jeder andere davon ausgeschlossen wird. Auch das hat sich ge-
ändert, daß in vielen Gemeinden die herkömmliche Melodie nicht
mehr gesungen, sondern die Haftara gesprochen wird.
§ 27. Vorlesung aus den Hagiographen.
Literatur: JE Art. Megillot the five VIII, 4'29f.
Die Hagiographen werden nicht zu regelmäßigen Vorlesungen
verwendet, schon darum nicht, weU sie in der Zeit der Einfülirung
der Sclu'iftvorlesung der kanonischen Anerkennung entbeluten. Die
Mischna kennt nur die Vorlesung aus dem Buche Esther (rc'y'ü) am
Purim (oben S. 131), Ob von Anfang an das ganze Buch vorgelesen
wurde, können wir nicht mehr entscheiden; in der Mischna erscheint
dies als Verordnung R. Meirs, während seine Zeitgenossen R, Jehuda
erst von iTni TL'is? 25, R, Jose von rcsv*- ^inm" ?nx 31, R. Simon
sogar erst von 6 1 i«l~~ rc"^'":! beginnen wollten (Meg. II, 3, Tos. das. II, 9
S. 224). Die Entscheidung zugunsten R. Mens Ansicht wird im Xaraen
der ersten Amoräer überliefert (j. Meg. das. fol. 73 b), von da an
ist stets nur das ganze Buch vorgelesen worden. Das Buch Esther
wurde ursprünglich am Tage vorgelesen, in der Zeit seiner Ein-
führung nicht immer am Purim selbst, d. h..am 14. oder 15. Adar,
sondern in Palästina außerdem bereits am vorangehenden Markt-
tage für die Bewohner des flachen Landes, die in ihren Dörfern
keine Synagogen hatten. Das hörte nach dem Untergange des
jüdischen Staates auf, da wurde die Vorlesung auf den Purimtag
beschränkt, dafür aber von der Zeit der ersten Amoräer an z w e i -
m a 1 gefordert, am Vorabend und am Morgen (b. Meg. j. das. 4 a).
Das Buch Esther wurde aus einer besonderen RoUe verlesen, die kein
anderes biblisches Buch enthielt (b. Meg. 19 a), und darum hat
dieses Buch den Xamen nbj^, ,, Rolle" schlechthin erhalten. Die
Vorlesung durfte jeder halten, in älterer Zeit auch ein Minderjähriger,
gegen Ende der Tannaitenzeit wurde das jedoch verboten (Meg. II, 4).
Die ,,Megüla" wurde nicht nur in der Synagoge, sondern auch in
den Häusern gelesen, darum wurde sie in den Synagogen von den
Lelirern (ii5"nc) schon vorher geübt; am Ausgange der beiden ersten
Sabbate im Adar wurde je eine Hälfte gelesen (1 bis 5, 6 bis 10).
eine Teilung, die R. Meir streng tadelte (Sof. XIV, 18). Eine Bene-
diktion war für das Lesen der Megilla nicht vorgeschrieben, sie war
HagiographenvorlesunK 185
der Sitte iibeilasscu (M»'^'. I\, I), man koniiti' votIkt. man konnte
naclilior, man konnte beidomale eine lienediktion sprechen, man
konnte sie auch ganz weglassen, ganz wie es ortsüblich war (Tos.
Meg. 11,5, S. 223). Erst Abbaje erklärte die Henediktion vor der
Vorlesung für unbedingt erforderlich (b. Meg. 21 b, vgl. j. das. 1\'., 1,
74 d), stellte die nach der Vorlesung jedoch noch frei. Wenn die
Henediktionen aueh nicht als verbindlich galten, so wurden sie doch
vielfach gesprochen, und ein bestimmter Text bildete sich heraus;
für die Benediktionen vor dem Lesen ist er b. Meg. 21 b von R. Aschi
gegeben (vgl. Sof. XIV, 3, 5); für die nach dem Lesen besitzen wir
eine ältere P'assung von R. Jochanan j. Meg. a. a. o., die jüngere in
1). Meg. 21 a, die denselben liedanken mit anderen Worten wieder-
gibt uiul auch allgemein üblich wurde. Der Text in Sof. XIV, 5 ist
von beiden Versionen beeinflußt.
2. Die Vorlesung der anderen Rollen ist dem Talmud noch un-
bekannt, hingegen erwähnt Sof. XIV, 3 die Vorlesung von Rut,
Hohelied und Klageliedern. Rut und Hohelied — Sof. folgt hier
der Reihenfolge in den alten Bibelexemplaren — wurden in je zwei
Hälften am Wochenfeste und den letzten Pesachtagen gelesen;
tatsächlich teilt sie auch die Masora in je zwei Hälften, und die
Gemeinden haben meist diese Teilung beibehalten. In Germ, werden
sie auf einmal gelesen, und zwar Rut am zweiten Tage des Wochen-
festes, das Hohelied am Sabbat in der Pesachwoche oder am siebenten
Tage. Während sie in alter Zeit laut und mit besonderer Benedikt ion
gelesen wurden — in Seph. werden sie noch heute laut gesungen —
liest sie in Germ, jeder für sich, die Benediktion fällt fort. Die
Klagelieder werden am 9. \h gelesen, über die Zeit schwankte der
Brauch schon in alter Zeit, jetzt werden sie am Abend gelesen,' auch
hier wird die Benediktion, die Sof. XIV, 3 dafür vorgesehen ist,
nicht verwendet. Nicht erwähnt ist in Sof. das Lesen von Kohelet
am Hüttenfeste, das freilich Autoren des Mittelalters ebenfalls als
dort genannt anführen; wahrscheinlich ist es nicht, daß diese eine
Rolle vom Vorlesen ausgeschlossen war und daß das Hüttenfest
ohne Rolle gelassen wurde. Daß die Vorlesung der Megillot ver-
hältnismäßig früh eingeführt war, dafür spricht das Vorhandensein
der ziemlich alten Midraschim zu ihnen.
In neuerer Zeit ist die Vorlesung der Megillot stark beschränkt
worden, bis auf Esther und Klagelieder sind sie in den meisten
■[gg Beschreibung des Gottesdienstes
Gemeinden ausgefallen, auch aus diesen beiden värd in den Eeform-
synagogen nur ein Teil und in der Landessprache vorgetragen.
3. Wurde auch aus anderen Hagiographen — abgesehen natür-
lich von den zalilreichen Psalmen, die in das tägliche Gebet auf-
genommen waren — vorgelesen ? Sof. XIV, 4 kennt eine besondere
Benediktion für das Lesen in den Hagiographen, aber sie bezieht
sich walirscheinlich nur auf das private Lesen. An den Sabbaten
war es in ältester Zeit verboten, vor dem Minchagebet in den Hagio-
graphen zu lesen. Aber im Anschlüsse an den Minchagottesdienst
am Sabbat scheint eine solche Vorlesung stattgefunden zu haben.
Aus Nehardea wird sie ausdrücklich bezeugt (b. Schabb. 116 b);
so dunkel der Ausdruck i?n:'52S s^mrs -i-iiirDn imo ipcE i<r-nn:s
auch sein mag, daran ist nicht zu zweifeln, daß von einer ständigen
Hagiographenvorlesung berichtet wh'd. I'nklar bleibt, in welcher
Art die Vorlesung stattgefunden liat, walirscheinlich wurde an die
einzelnen Verse eine Auslegung angescMossen. Rapaport hat auf
die auffallende Tatsache verwiesen, daß die Prooemialverse der
pentateuchischen Midraschim (vgl. weiter § 29) fast sämtlich den
Hagiographen entnommen sind, und daraus den Schluß gezogen,
daß es Sitte war, am Sabbat zu Mincha im Anschlüsse an die Hagio-
graphen erbauliche Vorträge zu halten, und daß die auf uns ge-
kommenen Midraschim diesen entnommen sind. Freilich sind die
Midraschsammlungen aus Palästina, während die Hagiographen-
vorlesungen nur aus Xehardea bezeugt sind, aber die Stadt stand
wahrscheinlich in Babylonien mit dieser Einrichtung allein, während
sie in Palästina allgemein gewesen sein wd. In diesen Zusammen-
hang gehört auch die Tatsache, daß das Midraschwerk riCi5nn riji«
für jeden Sabbat nicht nm- zu Sidra und Haftara, sondern auch
zu einem Hagiogi'aphenabschnitt Auslegungen bringt.
In^neuesterZeit hat dasHebrewL^nionPrayerbook auch Abschnitte
aus den Hagiographen als Haftaren aufgenommen. Aus älterer Zeit wäre
noch zu erwähnen, daß am 9. Ab bisweilen das Buch Hiob gelesen wurde.
§ 28. Die Übersetzung der Schriftvorlesung.
Literatur: Zunz G. V., Kap.II; Luzzatto S.D., ~ ::n"X: Baclier. Exeg-et.
Terminologie I, 204 ff'., II, 2420".; JE Art. Meturgemau VII, 521 f.
1. Durch die Vorlesung sollte die Kenntnis und das Verständnis
der Schrift im Volke gefördert werden, die Bibel mußte daher
I
tibprsclzuii«,' (k-r Sclirifl vorlfsiiii-,'- ]g7
♦Miicr dem Vulki' zii^äiij;li(luMi Fuini zu (Jcliör f^chraclit worden.
Die Kenntnis des Hebiäisclien n;ihni bei den j^roLkMi Massen immer
melir ab. Selbst in Palästina bekhifjt schon Xeliemia die Zurück-
drän<!:iinii- der liebräiselien Sprache, in der Diaspora wurde sie kaum
noeli verstanden, auch die (lebete wurden dort bisweilen in der
Landessprache gesprochen. Die heili^M' Schrift al)er sollte immer so
zum Vortrage kommen, wie in jener "roßen Versammlung unter
Ksra, wo sie „deutlich mit Klarlegung des Sinnes" vorgelesen wurde
(Neh. 8 6), So trat zur Bibelvorlesung die Übertragung, das
Targum aiair, wie es die Quellen mit einem nur für diese Institution
gebräuchlichen Ausdruck nennen. In Palästina und in l^abvlonien.
also da, wo die Einrichtung zuerst bestand und am häutigsten An-
wendung fand, wurde die Schrift ins Aramäische übertragen, und
so wurde unter Targum schlechthin die a r a m ä i s c li e Über-
setzung verstanden. Allein das Wort bezeichnet ebensogut die
Übersetzung in jede andere Sprache, freilich pflegte man dann
hinzuzufügen "iTCb '^3n ^^^■1^ (Meg. II, 1), oder in amoräiseher Zeit
Tjbn r.T2.'\^r (Meg. II, 1, 73 a). Natürlich fällt auch die griechische
Übersetzung unter die Bezeichnung Targum (rmrn ]^s5ir ^s■J:^2■l "ipin
r.^'iv sbs5 HDi:: bs a.nnnnb nbiD^ j. Meg. 1, 11, 71 c, nar. ob^pr 35^n
das.). Daneben werden im Talmud noch genannt ägyptische,
elymäische, medische Bibelübersetzungen (b. Schabb. 115 a, b. Meg.
18 a). Ebenso sind in späterer Zeit arabische und persische Über-
setzungen im Gebrauch der Synagoge verwendet worden. Zidkia ben
Abraham spricht im Namen seines Verwandten, des ])hilosophisch
gebildeten Giuda Romano, die zutreffende Meinung aus ilbr T"b-
anbc ai5nnD, daß uns die Landessprache ist, was den Alten
das Aramäische, und ist darum geneigt, eine Übertragung in die
Landessprache zur Pflicht zu machen, eine außerordentlich frei-
mütige Anschauung, die erst das XIX. Jahrhundert wieder auf-
genommen und unter lebhaften Kämpfen durchgeführt hat.
2. Wie alt die regelmäßige Übertragung der Schriftvorlesung
ist, läßt sich nicht mehr ermitteln, wahrscheinlich so alt, wie die
Vorlesung selbst ; es spricht alles dafür, daß sie noch in jener Zeit
eingeführt wurde, wo nur einer aus der Schrift vorlas (S. 169). Neben
den Vorleser trat der Übersetzer "l^air, ■jTa:\-'nr, •)'a5"nn2 zur Tora
hin, er mußte frei dastehen und ohne Vorlage die Übersetzung vor-
tragen. Einen angestellten ständigen Übersetzer gab es in ältester
Igg Beschreibung des Gottesdienstes
Zeit nicht, ein jeder durfte als solcher fungieren, selbst ein Minder-
jähriger (Meg. IV, 7). Ob einer die ganze Perikope übersetzen
mußte oder ob die Übersetzer ebenso wie die Vorleser abwechselten,
ist aus den Quellen nicht ersichtlich. In späterer Zeit mag häufig
der Gemeindediener, der ja auch Kinderlehrer war, als Übersetzer
fungiert haben (vgl. j. Meg. IV, 1), allmählich wurde der "iTs^mn^
ein angestellter Beamter, bei den langen Sidras der späteren Zeit
konnte man kaum beanspruchen, daß jedes beliebige Gemeinde-
mitglied als Meturgeman zu fungieren imstande war. Die Über-
setzung war eine Ehrung genau so wie das Vorlesen, bei feierlichen
Gelegenheiten fungierten die angesehensten Persönlichkeiten. Wenn
in Babylonien die ExUarchen installiert wurden, fand am Sabbat
ein feierlicher Gottesdienst statt, der Exilarch las sein Stück aus der
Tora (S. 170), und der Gaon von Sura fungierte ihm als Meturgeman,
und ebenso wurde die Haftara an jenem Sabbat von einem an-
gesehenen Gemeindemitgliede übersetzt, das sich die Funktion zur
hohen Ehre anrechnete. AVo die Juden nicht hebräisch verstanden
(mT57lb), wurde die Tora oft gar nicht oder nur teilweise hebräisch,
ganz oder zum größten Teil sofort in der Landessprache vorgelesen
(Tos. Meg. IV, 13, S. 226, oben S. 170).
3. Das Targum war eine freie Übersetzung nicht nur in dem
Sinne, daß es eine improvisierte Übersetzung sein mußte, die Über-
tragung durfte auch nicht eine wörtliche sein. Sie durfte nicht
sklavisch an den Buchstaben sich anschließen, sondern mußte der
fremden Sprache Rechnung tragen, sinngemäß sein, andererseits
durfte sie auch nicht den Text erweitern, nicht in willkürliche
Paraplu'ase ausarten (Tos. Meg. IV, 41, S. 228). Freilich ließ dieses
Gesetz immerhin einen gewissen Spielraum, es mag auch erst aus-
gesprochen worden sein, nachdem ein starker Mißbrauch der Para-
phrase sich geltend gemacht hatte. Die Übersetzung der Septuaginta
dürfte etwa den Typ darstellen, wie der Durchschnitt der Über-
setzung gehalten war. Unter den aramäischen Targumim zum
Pentateuch, die wir zunächst betrachten, hat das nach Jonathan
benannte viele alte Elemente aufbewahrt, es zeigt, daß die Über-
tragung vielfach eine freiere, bisweüen moralisierende war. Be-
achtenswert ist besonders die dort bei wächtigen Stellen häufig
wiederkehrende Anrede bs^iTT"' i:n "»'c:? "»'S", die auf eine gleichartige
Verwendung in der Synagoge schließen läßt. Die weitgehende Willkür
Übersotzuiif? der Srhriflvnrlosnng 189
der Moturfijoinaniin hat sc-lilicülicli dazu }!;('tiilirt, daü die Freihoit
dor tM)ortra<!:unü: ('inp;escliränkt, daLi ein In-liördlich n'difjicrU's
Tarjijum oinücl'iilirt wurde: es ist das naeli 0 n k e 1 o s henannte
Tarf,niiu, dessen Abfassungszeil an den Anfang der ainoräisclien
Schulen in I^ahylonien (200) zu setzen ist. Auf dem (Jehiete der
grieehiselien Biheiüheisetzungen bietet Aquila dieselbe Erscheinung;
seine (Übersetzung, die unter Beistand und Anerkennung der maß-
gebenden Lehrer entstand, war bestimmt, die Septuaginta aus dem
Synagogengel)rauch zu verdrängen. Onkelos und A(|uila haben eine
gewisse Verwandtschaft in der Methode, find es hat seinen guten
Grund, wenn man das aramäische Targum mit dem Namen des
griechischen Übersetzers belegte. Allerdings brachte das Erscheinen
des Onkelos noch nicht volle Abhilfe gegen alle Mißstände; in
Palästina und den damit zusammenliängenden Ländern konnte und
wollte man sich an die trockene Art dieses Targums nicht gewöhnen,
es bieb immer noch die alte freiere Methode bestehen. Das Targum
Jonathan und das Fragmenten-Targum zeigen, daß noch viele
Jahrhunderte hing freie Übersetzungen mit umfangreichen haga-
dischen Zusätzen gebräuclilicli waren, die von den Vorbetern oder
Meturgemanim willkiirlicli eingeführt wurden.
4. Es war der Zweck der Übersetzung, das Verständnis des
Inhaltes der Schrift zu ATrbreiten. ,, Ungebildeten (n'JT^nn), Frauen
und Kindern" die Bibel näherzubringen. Das Anhören des Targums
ohne nähere Erläuterung konnte auch viel Unheil stiften, zu zahl-
reichen Mißverständnissen Anlaß geben. Um sie auszuschließen,
wurde von einer wortgetreuen Übersetzung häufig Abstand ge-
nommen, die Septuaginta wie die Targumim und diePeschitto weisen
stereotype Abweichungen vom Texte auf, die sich aus der Furcht
vor Mißdeutungen von einzelnen Ausdrücken, von F^rzählungen und
Satzungen erklären. Man ging aber noch weiter und schloß ganze
Stücke von der Übertragung überhaupt aus ("j'i'ajT'a 5?"^T rs5"ip: T^i
Tos. Meg. IV, 31, S. 228). Im Pentateucli sind es zwei Erzählungen,
die nicht übersetzt werden. Gen. 35 22 b (imsn nrria) und Ex. 32 21—25
(■^:r- b:.r r.rrTi), weü sie für die dabei beteiligten Personen wenig
ehrenvoll sind, der Priestersegen (Num. 6 24—26), weil er offenbar
jedem im Originaltext vertraut werden soUte (Meg. IV, Ende).
Die Zahl der nicht zu übertragenden Stellen war aber einst sicher
größer, denn die Mischna und Tosefta heben Stellen ähnlichen Inhalts
190 Beschreibung des Gottesdienstes
hervor, die wohl übertragen werden, was ganz überflüssig ge-
wesen wäre, wenn nicht ursprünglich einmal über dieselben Stellen
Zweifel bestanden hätten. Es scheint auch, daß eine Einigung
über die fortzulassenden Stellen erst nach und nach zustandekara
und nicht allerorten bekannt war (vgl. Tos. Meg. IV, 35, S. 228),
AVie lange solche Auslassungen beim Targum beibehalten wurden,
ist unbekannt. Die jetzt vorhandenen Targumim bringen Über-
setzungen auch zu den verbotenen Stellen. Dennoch hat noch
Saadjas Siddur 21 Verse des Pentateuchs aufgezählt, die nicht über-
setzt werden durften, das waren weit mehr, als im Talmud vor-
geschrieben war; sie wurden nicht immer korrekt überliefert und
es bildeten sich allerlei Zweifel darüber aus, aber in Kairuan in Nord-
afrika wurde die Vorschrift selbst zum mindesten bis zum Jahre 1000
befolgt.
5. Die Einführung der feststehenden Targumim bereitete der
ganzen Institution allmählich ein Ende, sie verlor ihren rechten
Sinn und starb mit der Zeit aus. Denn wenn auch später noch streng
darauf gehalten wurde, daß der Meturgeman keine Vorlage hatte,
so bedeutete dennoch das Targum nur eine Wiederholung der Vor-
lesung. Nach der Kanonisierung des Onkelos sollte dieses Targum
überall eingeführt werden, auch wo das Ai'amäische gar nicht die
Landessprache war; aber selbst wo aramäisch gesprochen wurde,
redete man einen ganz anderen Dialekt und verstand Onkelos eben-
sowenig wie den hebräischen Text der Bibel. Die griechischen
Bibelübersetzungen verloren allmählich ihre Bedeutung, weil die
Zahl der griechisch sprechenden Juden außerordentlich zurückging.
Aber noch 553 hatte Kaiser Justinian einen Streit in einer Gemeinde
zu entscheiden, in der einige Mitglieder neben dem hebräischen
Texte auch eine griechische Übersetzung vorgetragen \vissen wollten
{TY^v 'cXXriviöa cptovriv TiQug zriv avdyvioon' TVQoqkaußävEiv). Der
Kaiser erklärt die Forderung für berechtigt und empfiehlt die Über-
setzung der Septuaginta und des Aquila (Novelle 146). Justinian und
seine Nachfolger sorgten dafür, daß das Judentum in den griechischen
Ländern zur völligen Bedeutungslosigkeit herabsank, und so hören
wir von griechischen Bibelübersetzungen später nichts mehr. Der
aus derselben Zeit stammende Traktat Sofrim empfiehlt das Targum,
aber nicht in der alten Weise, vielmehr sollen Sidra und Haftara
nach der Vorlesung im Zusammenhang übertragen werden (XIV, 4).
Übersetzung der Scliriftvorlt'siiiig 191
Im Orient vorbreitete sieh mit der Herrschaft des Ishinis die arabische
Sprache und beeinträchtit^te das Interesse am aramäisclien Tarj^iim
wesentlich. Dazu kam in i>abyh»nien eine opixtsilioiielle Str(")muiif(,
die das Targuni im 1. a ii d e s d i a 1 e k t . nicht in (h-r über-
lieferten „rabbinischen Sprache" wünschte. Der (iaon Natronai,
ein Eiferer gegen alle Abweichungen vom Herkommen, erklärte ein
solches Targum für völlig nnstatthaft, die Beseitigung des Onkelos
für ein schweres religiöses Vergehen, Man sieht, daß zu seiner Zeit
Wühl noch übertragen, daß aber nur mit Widerwillen vom rezi-
pierten Targum Gebrauch gemacht wird. Eine (leneration später
erhebt Juda ibn Koreisch aus Tahort seine Klage, daß in der Syna-
goge in Fez die aramäische Übertragung der Bibel vernachlässigt
wii'd und dort eine Abneigung gegen das Targum besteht. In Baby-
lonien selbst finden W'ir das Targum bis zum Schlüsse der gaonäischen
Zeit erhalten, aber nachher dürfte es auch dort aufgegeben worden
sein. Die Juden in Eurojia haben das aramäische Targum walir-
scheinlich niemals eingeführt. Samuel ha Xagid suchte die spanischen
Juden deshalb nachdrücklich zu verteidigen, er meinte, daß sie jeder
für sich das Targum läsen und es, nur um den Gottesdienst nicht
allzusehr auszudehnen, der Gemeinde ersparten, aber schon ein
Jahrhundert später weiß Jehuda ben Barsilai weder für die eine
noch für die andere Sitte Belege zu finden, obwohl er persönlicli
der Erhaltung des Targums sehr geneigt ist. In Deutschland und
Frankreich kannte man die Übertragung nur bei zwei sehr feier-
lichen Perikopen, bei der Erzählung vom Auszuge aus Ägypten am
7. Tage Pesach (nrirn, Ex. 13 17—2(3) und von der Offenbarung am
Sinai (■^lU'^br- Tinnn, das. 19, 20) am Wochenfeste. Es ist ein eigen-
artiges Targum, das das Machsor Vitry für die zw^ei Tage mitteilt, eine
Verbindung von Onkelos mit dem Fragmenten-Targura. Zu diesem
Targumvortrag wurden auch poetische Introduktionen (ninri) in
aramäischer Sprache verfaßt, eine davon hat sich im Machsor bis
auf unsere Tage gerettet (rbia TTaipa« am 1. Tage des Wochen-
festes); verständlich waren derartige Poesien nie, nach Wegfall des
Targums, das sie einleiten sollten, haben sie vollständig ihren Sinn
und ihre Daseinsberechtigung verloren.
Der Grund für das Einstellen der targumischen Übertragung
war, wie man sich ganz deutlich bewußt war, ihre Unverständlich-
keit. Es regte sich daher auch das natürliche Verlangen, sie durch
292 Beschreibung des Gottesdienstes
die Landessprache zu ersetzen. An den eben erwähnten zwei Tagen
scheinen tatsächlich im südlichen Frankreich Bearbeitungen der
Tora in der Landessprache üblich gewesen zu sein. Im ganzen
aber blieb das ein frommer Wunsch, bis 1845 die Frankfurter Rab-
binerversammlung beschloß, daß auf die Toravorlesung eine Über-
tragung in die Landessprache folgen sollte ; danach ist sie in Deutsch-
land und in Amerika in vielen Gemeinden eingeführt worden.
6. Vom Targum der Haftara gilt dasselbe wie vom penta-
teuchischen; ja das Targum bildet bei ihrer Verlesung einen noch
viel wichtigeren Bestandteil. Die Prophetenstücke waren schwerer
verständlich, das Targum mußte daher breiter angelegt sein, Gleich-
nisse, Anspielungen u. ä. verdeutlichen. Bei den Propheten ent-
hielt nicht jeder Vers einen abgerundeten Gedanken, der Meturgeman
mußte daher nicht hinter jedem unterbrechen, sondern durfte auch
bis zu drei Versen zusammen übertragen (Meg. IV, 5). Die Haftara
schloß die Schriftvorlesung ab, und so konnten sich an sie auch
ohne Schaden umfangreichere Auseinandersetzungen anknüpfen.
Darum durfte die Haftara zugunsten des Meturgemans sehr ab-
gekürzt werden, so daß ihm ein breiter Spielraum blieb (j. Meg. IV,
2, 75 a; b. 23 b). Die Erinnerung an die besondere Wichtigkeit
des Targums zur Haftara blieb dauernd so stark, daß noch um das
Jahr 1000 in Babylonien die Haftara fortfiel, wenn ein Meturge-
man, der sie zu verdeutlichen verstand, nicht aufzutreiben war. —
Wie im Pentateuch, gab es auch in den Propheten Stücke, die nicht
übertragen werden sollten; häßliche Vorgänge im Hause Davids
sollten nicht vor dem Volke besprochen werden, Ezechiels Vision vom
Thronwagen erschien vielen als ungeeignetes Thema für die Vor-
lesung, Ezechiels Strafreden fanden in der Zeit der Gnosis verkehrte,
gegen den Fortbestand des Judentums gerichtete Übersetzer
(vgl. Meg. IV, 5; Tos., das. IV, 32 bis 38). Mißverständnissen und
Mißbrauch vorzubeugen, war bei der Haftara \ael leichter; da die
Vorlesung nicht an den Zyklus gebunden war, gab es das radikalere
Hilfsmittel, die Stücke selbst von der Vorlesung auszuschließen. —
Die Methode des Targums zu den Propheten ist im „Targum Jona-
than" noch gut erhalten, aber es mögen sich in alter Zeit doch auch
ausführhchere Exkurse an die Paraplu-ase angeschlossen haben;
die erwähnte Anrede 'XiTDi i;n iiay -»^r treffen wir auch im Jonathan-
Targum am Beginn von Perikopen, die als Haftaras dienten. Die
[ IxTSflzimg der Scliriflvorlcsuiig 19i3
Kntwicklun^' war diosclbr wie beim Propholontarpjiini, die Kodak-
t'u)ii eines Taij;ums liat der liisliliiii(»ii die l^i^weglielikeit i^eiioiniiieii
und 7,11 ihrem allmählichen l'ntergange geführt. Noeh früher als
das penlateuehisehe ist das aramäische Haftara-Tarfjjum aus den
Synagogen geschwunden. Die (i runde waren ganz die gleichen,
es kam hinzu, daß bei den Propheten die noch viel größere Schwierig-
keit der Übertragung ins Gewicht fiel. Nur für die Feiertags- Haftaras
hat sich die Sitte der aramäischen Übertragung länger beliauj)tet.
Das Machsor Vitry enthält das Targum zu allen Haftaras für die
Pesaehwoche und das Wochenfest (S. 165 bis 171), auch it. hat
sie sämtlich mit Targum; es ist unwahrscheinlich, dal.) nicht zu-
mindest auch noch am Flüttenfest das Targum zum Vortrag kam,
so daß sein Fehlen nur ilurch die Unachtsamkeit der mittelalter-
lichen Abschreiber verschuldet ward. Rom. und Seph. haben beide
das Targum nur für den letzten Pesachtag, Seph. zur üblichen
Haftara, deren messianischer Inhalt die Besonderheit rechtfertigt,
wälirend Rom. das Debora-Lied (Ri. 5) verwendet, wobei das Targum
nur als Fortsetzung der alten Sitte zu erklären ist. Auch zu dem
Vortrag des Haftara-Targums wurden Introduktionen verfaßt,
deren das Machsor Vitry eine größere Anzahl mitteilt; der Zufall
hat es gefügt, daß auch von ihnen eine in Germ, erhalten geblieben
ist, 2.";rE n^si für den zweiten Tag des Wochenfestes. — Eine Eigen-
tümlichkeit von Seph. ist die Übertragung der Haftara zum 9. Ab
in die Landessprache, die noch heute in den meisten „portugiesischen"
Gemeinden üblich ist; es ging freilich damit so, wie mit dem alten
Targum, die Gemeinden behielten die alte Übersetzung bei, obwohl
das Portugiesische längst nicht mehr ihre Landessprache und den
Gemeindemitgliedern völlig unverständlich ist. Die Landessprache
wurde für die Haftara ebenfalls durch die Frankfurter Rabbiner-
versammlung eingeführt; nach ihren Beschlüssen wird dieselbe in
deutschen und amerikanischen Gemeinden vielfach n u r in der
Landessprache vorgetragen, auch in manchen Gemeinden, denen diese
Reform zu weit ging, wurde neben dem hebräischen Text die deutsche
Übertragung eingeführt (vgl. §2611, S. 183).
7. Von den Hagiographen kommt hier zunächst nur das Buch
Esther in Betracht ; es wurde in Gemeinden, die nicht hebräisch ver-
standen, in der Landessprache gelesen (T^bn nT""!"*":: nrns r"^"!?
Mag. II, 1 vgl. b. 18 a), wo es aber hebräisch gelesen wurde, fand
Elbogen. Der jüd. Gottesdienst.
13
194 Beschreibung des Gottesdienstes
eine Übertragung nicht statt. Vielleicht wechselten die Anschauungen
in den verschiedenen Zeiten, wenigstens scheinen in der Mischna
zwei entgegengesetzte Meinungen nebeneinander zu stehen. Der
nachtalmudische Traktat Sofrim schreibt für die Vorlesung der
Klagelieder am 9. Ab die Übersetzung vor, ,, damit die Unkundigen,
die Frauen und Kinder sie verstehen können" (XVIII, 4); ob damit
nur eine aramäische Übersetzung oder eine solche in jede Sprache
empfohlen ist, ist nicht ersichtlich. Die Sitte der Sepharadim, die
Haftara gerade am 9. Ab in die Landessprache zu übertragen (ob.),
scheint hier ihren Ursprung zu haben.
§ 29. Die Schriftauslegung.
Literatur: Ziinz, G. V.; Rapaport Art. r;-;:xiuErecli;Millin, S. 6 ff. ; Bacher,
Exeget. Termin. I,25ff.,,33ff.,103f.; ders., Der Ursprung des Wortes Haggada
in AdT, IL Ai;fl., S. 451 ff. (JQRIV, 406 ff.); Maybaum, Homiletik, S. Iff.
Ziu' Erreichung des Zweckes der Schriftvorlesung, zur Herbei-
führung einer eingehenden Kenntnis des Inhalts der Bibel und
zur Verbreitung ihres Verständnisses genügte der bloße Vortrag
in der Landessprache nicht, es mußte auch die sachliche Er-
läuterung und Zusammenfassung hinzutreten. Be-
reits bei Esras Vorlesung, auf deren Vorbild wir immer zurück-
zugreifen haben, finden wir Leviten nmrb ayn rx HT^'c, deren
Aufgabe es war, das Volk in der Tora zu unterrichten, das Volk
an den Stoff heranzubringen (Neh. 8 7). Eine ähnliche Aufgabe
teUt die Chronik den Abgesandten des Königs Josaphat zu, „sie
zogen in allen Städten Judas umher und lehrten im Volke"
(2"! n^b"': IL Clu-. 17 9). Die beiden Ausdrücke rnr. und Tab
sind die ältesten Bezeichnungen, die wir für die gottesdienstliche.
Schriftauslegung, die Predigt, haben, "i^b ist das griechische j
diddG/.eiv, Philo nennt darum die Synagogen Lehrstätten (öiöaa-
■/.aleia) aller Tugenden. Auch im ]^euen Testament wh'd didäo/.tiv^
für predigen gebraucht ; die Bergpredigt z. B. ist ein-
geleitet mit den Worten Ididaa/.ev alrovg (Mtth. 5 2), von den!
Predigten, die Jesus an den Sabbaten in den Synagogen hielt, ge-
braucht Markus die Bezeichnung roT^ odßßaoLv Ididaa-AEv eU\
rrp ovvayojyy'^v (121), Lukas 'i^v Öe diddov.ojv iv uiä tcov Grra-
yojyäJv (11 31), 7jj/ diöda/UDv avroig Iv rdlg oaßßaoiv (4 31). TCD]
und seine Derivate dienen in der Kunstsprache der ältesten jü-i
Schriftauslogung 195
discluMi AiisU'giinirslitnalur ziii- .\iikiiii|)l'iiiiv,- dci- Auslcj^ung an den
Bibcltext (Bacher). Neben ~7:b fiill in der ^deichen Bedeutunji;
T^Sn, insbesondere T'^'a; diesem Worte verdankt die Bezeichnung:
Hafjada, das wichtigste Element der späteren Prodit,'t, ihren Tlrsjjrunp^.
Kinc jiini^ere Bezeichnung l'iir die Scliriflaiish'giing, die sich
aber für alle Zeiten behauptet hat, ist TTin, Esra ist der erste, von
dem es in bezug auf die Schrift forschung angewendet wird
(Esr. 7 10). Das davon abgeleitete Nomen nTC bedeutet in der
Bibel (II. Chr. 13 22, 24 27) und in den ältesten Traditionsquellen
einen größeren Gedankenzusammenhang der Auslegung und Über-
arbeitung, bei dem die unmittelbare Anknüpfung an die Bibel
nicht immer erkennbar ist. Erst aus der Zeit nach dem Untergange
des jüdischen Staates wird TCi" und TUTI^ vom öffentlichen Vor-
trag der Schrifldeulung, von der Predigt, gebraucht. Danach
heißt '(tDll Prediger, was in der Mischna freilich sich nur an einer
Stelle von nicht unbestrittener Echtheit findet (Sota IX, 15).
2. Die Änderung des Sprachgebrauchs hängt wahrscheinlich
mit einer Änderung im Verfahren der Schriftauslegung zusammen.
Die älteste Schriftauslegung, die Belehrung n:nn in der Zeit Esras,
knüpfte unmittelbar an die Vorlesung an, deutete das vorgetragene
kurze Stück des Pentateuch, vielleicht fiel sie sogar mit dem Targum
zusammen, das in breiter Paraphrase den Inhalt der Schrift wiedergab.
Von der Prophetenvorlesung gilt die Bestimmung, daß da, wo ein
,,Meturgeman" fungiert, die Perikope sehr kurz sein darf, weil
offenbar das Targum recht ins weite ging. Ob die Schriftauslegung
auf die Vorlesung der Sidra oder der Haftara folgte, und in welchem
Falle sie au die eine oder die andere angeschlossen wurde, darüber
geben die erhaltenen Quellen keine Auskunft. Das Beispiel einer
Schriftauslegung, die unmittelbar an die Haftara anknüpft, bietet
Luk. 4 20 ff. Zweierlei ist jedoch dabei zu berücksichtigen, daß
weder die Schriftauslegung stets an die Haftara angeknüpft haben,
noch daß der Vorlesende immer zugleich der Prediger gewesen
sein kann. Aus Philos Beschreibungen des Gottesdienstes ist zu
entnehmen, daß der Brauch nicht einheitlich war, daß
bald derselbe, der die Schrift vorgetragen hatte, sie auslegte, bald
ein anderer unter den „Kundigsten" den Vortrag übernahm. Wie
lange die Predigt sich in dieser Weise streng an das Schriftwort
gehalten hat, läßt sich nicht mein* ergründen. Mit der Verlängerung
13*
295 Beschreibung des Gottesdienstes
der Perikopen wurde das Gebiet ein weiteres, der zur Auswahl
stehende Stoff ein größerer, die Themen freier und loser mit dem
Text verknüpft. Philos Homilien sind die ältesten Denkmäler der
neuen Alt von Schriftauslegung, auch Paulus hält sich in seinen
Ansprachen in den Synagogen in Damaskus (Akt. 9 19) und im pisi-
dischen Antioehien (13 16) nicht an das vorgelesene Textwort. Um
dieselbe Zeit wie in der Diaspora dürfte die neue Gattung der Schrift-
auslegung sich auch in Palästina verbreitet haben, und wenn Schemaja
und Abtalion, die Zeitgenossen des Herodes, als erste mit dem
Elirennamen a'^bllSi Di:TC"!"i ausgezeichnet werden, so weist das
vielleicht ebenfalls auf den Wechsel hin, der die Predigt damals
zu einem selbständigen Teile des Gottesdienstes machte. Wenn sie
auch immer noch an die vorgelesene Schriftstelle anknüpfte (lL""n
'3V bü ir::7i), so nahm sie doch nur den Ausgangspunkt
von dort und behandelte ihre Themen frei und unabhängig.
In dem neuen Stadium der Entwicklung nahm die ursprünglich
nur belehrende Schriftauslegung mehr oder minder den
Charakter der erbaulichen Predigt an; ein wichtiges
Element in ihr wurde der eschatologische Ausblick, mit einem
Trosteszuspruch (n72n:, ]V^ nisn: -- loyog TtuqcaSLifuoo) pflegten
die Redner zu schließen. Die ,,Derascha" in diesem Sinne konnte
dann wohl auch gänzlich vom Gottesdienste losgelöst und außerhalb
der Synagoge öffentlich gehalten werden (a^n^l TTi"). Ein unent-
behrlicher Bestandteil des Gottesdienstes war die Predigt nicht;
wo die geeigneten Ki'äfte fehlten, unterblieb sie, oft genug wird das,
solange Berufsprediger nicht vorhanden waren, der Fall gewesen
sein. Die Predigt fand in der Landessprache statt. Die x\rt der
Predigten wechselte im Verlaufe der Zeiten nach den wechselvollen
Geschicken des jüdischen Volkes und dem veränderten Geschmack
der Zeiten; es hat Gegenden gegeben, wo sie jahrhundertelang
fast völlig verdrängt war. Die Geschichte der Predigt hat in Leopold
Zunz einen klassischen Bearbeiter gefunden, seinem Werke .,Die
gottesdienstlichen Vorträge der Juden" gebühi't mit in erster Reihe
das Verdienst, daß im letzten Jahrhundert der Predigt wieder ihre
alte Stellung im Gottesdienste eingeräumt wurde, und daß in den
letzten 70 Jahren die regelmäßig wiederkehrende gottesdienstliche
Belehrung in den jüdischen Gemeinden aller Kulturländer ohne
Unterschied der religiösen Richtung siegreich vorgedrungen, daß
Schriflausli'guiig 197
die I*r{'di«ft in der L a n d o s s p r ;i c li c wicdcriiin ein inte-
grierender Bestandteil des Sahhat- und Kest}<ottesdienstes ge-
worden ist.
3. Wie alle anderen Fnnktionen in (h'r Synagoge, konnte ur-
sprünglich auch die Scliriftauslegung v o n j e d e ni K u n d i g e n
in der (!eineinih> ohne Tnlerschied der Stellung und Ahstaminung
gehalten werden. Paulus und seine Genossen erscheinen als un-
hekannte Fremde in Antiochien und werden trotzdem zur i*redigt
aufgefordert; in den nicht hedeutenden Diasporagemeinden wird
die gottesdienstliche Belehrung aus Mangel an geeigneten Kräften
oft genug unterblieben und die Rede eines Fremden mit Genug-
tuung begrüßt worden sein. Später wurde das Predigen die Domäne
der ,, Schriftgelehrten", der Sabbat wurde geradezu nach dem
Prediger genannt (nTTi "»^ bir ryß). Nicht alle Gelehrten waren
in gleicher Weise dazu befähigt, die scharfsinnigen Halachisten
traten hinter den Agadisten an Beliebtheit zurück. Die Predigt-
kunst war nicht zu allen Zeiten gleich groß. Als ben Soma starb,
herrschte der Eindruck, daß die Predigtkunst versiegt war (Sota,
Ende), sie feierte jedoch, wenn auch vielleicht in anderer Form,
wieder ihre Auferstehung und ist niemals, auch in den trostlosesten
Zeiten nicht, völlig ausgestorben. Aber daran kann kaum ein Zweifel
sein, daß vom zweiten Jalirhunderto an die Predigttätigkeit auf die
berufsmäßigen Kreise beschränkt blieb, der Prediger der amoräischen
Zeit führt den Titel DDH, noch später ist er der Rabbiner. Wenn
gleichzeitig auch die Bezeichnung "iTim sich erhalten hat. wurde
dabei nicht an ein Amt, sondern an die spezifische Art der Tätig-
keit, an die besondere Befähigung für agadische Auslegung gedacht.
4. Die Schriftauslegung wurde sitzend vorgetragen. Nach-
dem Jesus die Prophetenstelle gelesen hatte, schloß er die Rolle
und gab sie dem Diener zurück; er selbst aber setzte sich und be-
gann zu reden {UdD-iosr. »Joiraro ()V /<-';'£"• Luk. 4 20 f.). So blieb
es jahrhundertelang, daß der Prediger eine erhöhte Stelle bestieg
©n"n :sr und dort im Sitzen sprach (ciTn 2C^"i aznnc). In
Babylonien freilich, wo große Volksmassen dem Vortrage lauschten,
sprach der Gelehrte nicht direkt zum Publikum, neben ihm stand
ein Sprecher s-ii'ai«, ein Dolmetsch seiner Gedanken s:r:\"nr'G. lia^iT,
ihm übermittelte der Gelehrte halblaut seine leitenden Gedanken
und Belegstellen, der „Turgeman" hatte sie auszuspinnen. in einer
IQQ Beschreibung des Gottesdienstes
allgemein verständlichen und weithin vernehmbaren Weise dem
Publikum vorzutragen. Das Amt des „Turgeman" war ein sehr
angesehenes, Männer von großem Rufe haben in ihm ihre Lauf-
bahn begonnen. ]\Iit dem Aufhören der babylonischen Amoräer
ist das Amt ausgestorben, seitdem sprach der Prediger wieder direkt
zum Publikum, wobei sich freilich in den großen Synagogen der
Gegenwart oft genug der Mißstand zeigte, daß nicht immer Fähig-
keiten, Stimmmittel und Vortragskunst in einem Manne vereinigt
waren.
§ 30. Gebete vor und nach der Schriftvorlesung.
Literatur: Berliner, Randb. I, 28 f., 65 f.. II 30 ff.
Den alten Quellen sind besondere Gebete vor, während und
nach der Scliriftvorlesung unbekannt, das Herausnehmen und
Zurückstellen der Tora vollzieht sich ohne besondere Feierlichkeit,
die Vorlesung wird durch Gebete nicht unterbrochen. Das ist im
Laufe der Zeit ganz anders geworden. Ausheben und Einheben
der Tora wurden weihevolle Akte mit besonderen Gebeten, die
Vorlesung selbst wtu'de von Gebeten begleitet, und nach Beendigung
der Vorlesung werden ebenfalls vor dem Einheben der Tora eine
Anzahl Gebete eingefügt. Wir wollen sie in der angegebenen Reihen-
folge in ilirer geschichtlichen Entwicklung kennen lernen.
1. Das Ausheben der Tora (nKsrin, "«11:1). Es ist in der Misclma
Joma VII 1, Sota VII 1 geschildert, Gebete sind dabei nicht er-
wähnt, auch der Talmud kennt solche nicht; von den „Frommen
in Jerusalem" wird in einer jüngeren Quelle berichtet, daß sie der
Tora entgegengingen, um sie elirenvoll zu empfangen (Sof. XIV, 14),
anderweitig wird mitgeteilt, daß die Palästinenser die Tora beim
Einheben und Ausheben, die Babylonier nur beim Einheben feierlich
geleiteten (Chili. Nr. 49). Erst der Traktat Sofrim gibt eine um-
ständliche, freilich nicht ganz klare Besclu'eibung des Aushebens
und einer umfangreichen Liturgie, die dazu gehört (Sof. XIV, 8 — 14).
Nach diesem Vorbild erscheint das Ausheben in allen Gebetbüchern
seit Amr. durch Gebete reich ausgeschmückt. Die einzelnen Riten
weisen große Abweichungen auf, aber das Prinzip ist doch überall
dasselbe; hymnische und Bekenntnisverse, zumeist der Bibel ent-
nommen, sollen das Erscheinen der Tora verherrlichen. Es ist nicht
mehr nur das verlesene Wort der Schrift, dem gehuldigt wird, sondern
I
{Jfbolo zur Schrillvorlt'suiiK 199
auch die Tora als solche. Maü^chciKl für die Ausf^oslaltiiiif^ der
Fcierlicldicit war, bewußt oder uiU)ewuüt, die biblische Erzählung
von der feierlichen Einholung der Bundeslade durch König David
(11. Sam. 6 5, 1. Chron. 138, 1528 IT.). Die Liturgie beim Ausheben
7AMfälit in drei Teile. Zunächst wird eine Gruppe von Bib(;lversen
vor dem Ausheben gesprochen; schon in Sof. sind es neun, aber
es wurde später weggelassen und zugesetzt, ganz nach dem Belieben
der Gemeinden. Während es in allen anderen Ländern bei Vers-
gruppen blieb, führte lt. für Sabbate und Festtage den für sie be-
stimmten Psalm ■'.•^tD ein. Der in Germ, übliche Anfang mit yz:2 ^ron
(Num. 10 35) wird im südlichen Frankreich schon um die Mitte des
Xlll. Jahrhunderts erwähnt, hat sich aber in Deutschland erst seit
der Mitte des XVI. Jahrhunderts allgemein eingebürgert. Die vorauf-
gehende Gruppe von Bibelversen ^^laD "jis stammt aus Sof. XIV, 8,
sie war iniXllL Jahrhundert im östlichen Deutschland, jedoch noch
nicht am Khein üblich, ist aber allmählich auch dort eingedrungen.
Ein Versuch, sie auch in Italien einzuführen, seheiterte an der Scheu
der Gemeinden vor einer unnötigen Verlängerung des Gottesdienstes.
Das Ausheben selbst wird wiederum von einigen Bekenntnis-
versen begleitet. Gemeinsam ist allen Riten Ps. 34 4 -ciy; hingegen
sind die beiden in Sof. XIV, 9, 10 erwähnten Verse 713TI? und irnbs? ins
nur in Rom. und Germ, zu finden, in Germ, auch nur an Sabbaten
und Festen, nicht an Wochentagen. Während die Tora zum V o r -
1 e s e p u 1 1 getragen wd, kommen hymnische Verse zur Rezitation ;
es wird zumeist auch ein Umzug durch das Gotteshaus mit der
Tora veranstaltet, die Zeit seiner Einführung läßt sich nicht fest-
stellen. Der letzte Akt ist endlich die V o r b e r e i t u n g der Tora
f ü r d i e V 0 r 1 e s u n g , die ebenfalls von Hymnen begleitet wird.
Sof. XIV, 12 hat dafür das aus der gaonäischen Zeit stammende
"::- :r, ein Gebet im Stile des Kaddisch, das jedoch fast nirgends
üblich ist, nur der Schluß ni«7r' nb:r. wird in Germ, und It. zur
Einleitung des „Aufrufens" (S. 170) verwendet. Xach Sof., und
ebenso in Rom. und Scph. wird die Tora vor Beginn der Vorlesung
hochgehoben und der Gemeinde gezeigt, worauf sie rsn
"■^irn Dt. 4 44 spricht; in Germ, und It. geschieht das Heben (nnz:-.)
erst nach dem Vorlesen, in It. sogar erst, nachdem die Tora wieder
völlig geschlossen ist, so daß von dem in Sof. gewünschten Zeigen
der Schrift keine Rede sein kann.
200 Beschreibung des Gottesdienstes
In diesen allgemeinen und überall angenommenen Rahmen
fügten die einzelnen Länder ihre besonderen Gebete ein. So nahm
Germ, unmittelbar vor dem Ausheben das dem Sohar entlehnte
aramäische Stück rnx:TU T^nS auf, das zuerst in italienischen Privat-
gebeten erscheint, nach 1600 in die Ritualien und dann in den Siddur
überging, gemäß dem Beispiel Isaak Lurjas anfangs nur für Sabbate,
dann für jede Toravorlesung. Aus kabbalistischer Quelle stammt
auch der Brauch, an gewissen Tagen beim Ausheben der Tora
die 13 Attribute Gottes (nilü n^my TCbr, Ex. 34 6) zu rezitieren;
die Schule Is. Lurjas führte sie zunächst für den Monat Elul ein,
von da gingen sie auf Xeujahr und Versöhnungstag, zuletzt auch
auf die Wallfahrtsfeste über. Xur Germ, hat sie beibehalten, und
zwar für alle Festtage. Xoch jünger ist das für die Feiertage an-
geschlossene Stück 2i:"" bü i:inn, das zuerst in Xath. Hannovers
)V:z 'iiS'TC, Prag 1662, erschien. Im letzten Jahrhundert ist das letzte
Stück ebenso wie ni^TC Tili vielfach weggelassen worden. In zahl-
reichen Gemeinden wurde neben den alten Versgruppen ein Gebet
in der Landessprache üblich.
Einen besonders feierlichen Charakter hat das Ausliehen am
letzten Tage des Hüttenfestes, am Torafeste rn^r riraTC, wo der
Scliluß des Pentateuchs verlesen wüd, wo alle Torarollen ausgehoben
und in festlichem Umzug herumgetragen werden. Zu welcher Zeit
diese Umzüge (ritpr^) begonnen haben, können wir nicht mehr
genau bestimmen, gegen Ende des Mittelalters begegnen \nr ihnen
in allen Ländern, freilich finden sie nicht überall bei demselben
Gebete statt. Während sie z. B. in Deutschland am Abend und
Morgen gehalten werden, sind sie in sepharadischen Gemeinden
vielfach am Nachmittag üblich. Auch die Liturgien sind nicht
einheitlich, die einfachste hat Germ. Während nämlich alle anderen
Riten kunstvolle Piutim für diesen Anlass verwenden, finden wir
in Germ, vor dem Ausheben eine Vermehrung der Bibelverse und
während der Umzüge nur den schlichten alphabetischen Piut
i52 nr'^TUi" n x;«. Eine Häufung der Gesänge war darum nötig, weil
die Umzüge unter kabbalistischem Einfluß auf sieben aus-
gedehnt wurden. Das Torafest wurde mit der Zeit ein Volksfest
in der Synagoge, und die Umzüge wurden für die Zuschauer eine
Art von Volksbelustigung, die in wenig kultiAierten Zeiten und
Ländern nicht selten in Unoebühr und Übermut ausartete.
richclo zur Schriflvorluisuiij,' 201
•2. Das Kinlu'hcn der Tora (nc:2n ,nc-^:2). Vom Kiiilichcii
der Tora (M-Iahicii wir in den alt(Mi (^icllcn übi'rliuii|jt nichts, aiic-li
Sof. crwähiit os i\iclit. Krsl Aiiir. spriclil davon (rrnn IDC TiT^Tnii
•"C'p^r) und IxM-ic'htc't, daü es von Ps. 148 13, 14 aT^I . . . nbbni
bci^lcitiM wird. Diese Verse sind tatsäeldieli in allen Riten bei-
behalten, aber aueh überall erweitert worden. Wie beim A\islieben
wurde aueh beim l'ünliebeii mil der Tora ein Tnizug gehalten, und
es waren (iesäni;e hierfür erforderlicli. in Sj)anien wurden die Verse
aus Amr. nur an Woehentagen gebraucht, an Sabbaten war es schon
um 1100 üblieh, neben einer Reihe von Einzelversen Psalm 29
-'-b ^"27^ und 247 ff. (a-i^rir "xr) zu rezitieren; das wurde später
(nach 1600) so verteilt, daß Psalm 29 an Sabbaten, Psalm 24
an anderen Tagen verwendet wurde, und so ist es in Seph. und
(lerm. geblieben. In denn, geht allerdings stets Ps. 148 13 und 14
voraus. Unmittelbar beim Zurückstellen der Tora verwenden alle
Riten die Verse ""■^S"' r.n:n' Xum. 10 3() und irnTn Thr. 5 21,
jedoch alle mit Hinzutun anderer, Germ, hat nnrm am Anfange,
irn'ir- am Ende einer Versgruppe. Die Neuzeit hat vielfach einen
Ersatz des Psalms durch ein Gebet in der Landessprache gebracht.
3. Während der Vorlesung. Es wurde bereits erwäiint, daß
im Laufe der Zeit die Bedeutung und Wertschätzung der Schrift-
vorlesung sich wesentlich verschob, daß der Xachdruck auf das
Aufrufen und auf die Renediktionen fiel. So kam es auch, daß für
jeden der zur Tora Gerufenen ein Segen (T"iDTD ^ü) gesprochen wurde.
Der zur Tora Gerufene konnte wiederum seinerseits den Segen für
andere ganz nach seinem Belieben sprechen lassen und pflegte
dafür Geld zu spenden. Das ist eine Einführung des Mittelalters,
die, wie es scheint, aus Frankreich oder Deutscldand stammt. Ur-
sprünglich war es nur Sitte, an einem Tage der Wallfahrtsfeste
in der Synagoge für Zwecke der Armenverwaltung S])enden zu
gewähren, was im Anschlüsse an die Schriftvorlesung Dt. 16 17 -i rzr^z
genannt wurde; in Si)anien kannte man den Brauch nur am Tora-
fest. Es dauerte nicht lange, bis der Brauch auf alle Sabbate über-
tragen wurde; Isak Or Sarua um 1200 sah nichts Störendes mehr
darin. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben die Gemeinden die
Einbürgerung des Brauches gefördert, weil ihnen aus diesen frei-
willigen Beiträgen eine sehr beträchtliche Einnahmequelle erwuchs,
auf die sie in jenen Zeiten, in denen die Erträgnisse der direkten
202 Beschreibung des Gottesdienstes
Besteuerung durch den Staat in Anspruch genommen wurden,
unmöglich verzichten konnten. So verbreitete sich die Sitte des
Segens bei der Vorlesung in allen Ländern, in Seph. wurde es sogar
üblich, daß der Aufgerufene Gebete für das Seelenheil seiner An-
verwandten (nnzirr.) neben dem Segen für die Lebenden sprechen
ließ. Wie es nun einmal das Schicksal solcher Bräuche ist, daß mit
der Zeit die Xebensachen zu Hauptsachen werden: in den Augen
der Unwissenden wurde der Segen ("12115 "^'2) der wichtigste Teil
der Schriftvoiiesung. Es ergab sich allmälilich die Unsitte, daß
das Segensprechen in erschreckender Weise überhand nahm, daß
es zu einer übermäßigen Verlängerung des Gottesdienstes führte,
die Aufmerksamkeit von der Scliriftvorlesung selbst ablenkte und
zu allerlei Unfug in der Gemeinde Anlaß lieferte. In den fort-
geschrittenen Ländern ist die Unterbrechung der Toravorlesung
durch den Segen daher meist längst wieder abgeschafft worden.
Bei feierlichen Gelegenheiten wurde das x\ufrufen von be-
sonderen poetischen Introduktionen (mcn), die mitunter sogar recht
lang waren, begleitet. Bei Installation der Exilarchen, Geonim,
bei Anwesenheit eines Bräutigams und ähnlichen für die Gemeinde
wichtigen freudigen Anlässen wurden die Beteiligten unter derartigen
Gesängen zur Tora gerufen. Regelmäßig geschah es am Torafeste,
wenn die beiden „Bräutigame" (§ 25 5, S. 167) zur Tora gerufen
wurden,
4. Xach dem Vorlesen. Die Tora wu'd nicht unmittelbar nach
Beendigung der Vorlesung zurückgestellt; daher konnten auch
zwischen die Vorlesung und das Einheben Gebete treten. Sie sind
sämtlich dem Talmud und dem Traktat Sofrim noch unbekannt.
a) Wochentage. Betrachten wir zunächst die kurzen Vor-
lesungen. An Wochentagen geschieht in Germ., It. und Rom. das
Einheben unmittelbar nach der Vorlesung, nur die Zeit, die zum
Zurollen und Bekleiden der Tora erforderlich ist, bleibt auszufüllen.
Zu diesem Zwecke werden am Montag und Donnerstag soAvie an
Fasttagen einige kurze, mit "jisi "i"i beginnende Bitten für den
Schutz aller Gemeinden Israels gesprochen. Sie sind bereits in
Amr, vorhanden. In Seph. hingegen erfolgt das Einheben erst nach
der Keduscha de Sidra (§ 10 9, S. 79), so daß das Zurollen in der
Zwischenzeit besorgt werden kann und eine Pause nicht entsteht.
An den Halbfesten, wo die Bitten wegfallen, entsteht in Genn.
Gebete zur Schriftvoilcsun^,' 203
eine Pause im Gottesdienste, in ll. wird an diesen Tagen ebenso
wie in Seph. verfaliren.
Am Sabbat zu Miiu-lui ist in Germ, eine Pause, in Jt. und Sepli.
wird Ps. 111 rezitiert. In Koni, wird hinter sämtlichen kurzen Vor-
lesungen y,i'\ "»ni beibehalten.
b) Sabbate. Ganz anders liegen die Dinge am Sabbat. Hier
lallt zwar die Veranlassung der Einfügung von Gebeten zum Zwecke
der Ausfüllung der Zeit fort, da das Zurollen der Tora während
der Vorlesung der Haftara erfolgt, aber es kamen von der gaonäischen
Zeit an andere Gebete in großer Zald hinzu.
1. Ein Segen (TinTD -^"ü) für die Anwesenden, wie ihn Kom. ent-
hält, oder für die ganze Gemeinde, wie in Seph. (Ti^TT i'c) und Germ.
(IplIS aip"! 11). Damit wurde ferner schon früh der Segen für ver-
dienstvolle und wohltätige Gemeindemitglieder, ein besonderer Segen
für diejenigen, welche die Gemeinde oder Synagoge mit Stiftungen
bedachten, vereinigt. Jehuda Albarzeloni erklärte sich gegen diese
Sitte, aber sie war zu sehr verbreitet, als daß er sie hätte beseitigen
können.
2. Ein Segen für die höchsten jüdischen Behörden, die Exil-
archen und die Schulhäupter in Eabylonien sowie die Gelehrten
des Landes. Da das Gebet in Babylonien entstand, ist es in ara-
mäischer Sprache verfaßt ("ip'S aipi und n-jb Ti"i"'D~). Beide Gebete
um Segen kennt schon die gaonäische Zeit.
Ein Segen für den Landesvater und die Staatsbehörden (in:-
n^lTCr); er knüpft an Jerem. 297, Esr. 610 an und ist ebenfalls sehr alt,
wie die Übereinstimmungen des Textes in Germ, und Seph. beweisen.
4. Nach den Kreuzzügen wurde es in Germ., später auch in It.
üblich, der Märtyrer der Gemeinde sowie hervorragender, um die
Gesamtheit verdienter Männer zu gedenken (a'^iann" ns). Daraus
entstand später die Sitte, daß auch einzelne für ihre verstorbenen
Angehörigen in der ]N'ähe ihrer Todestage Gebete sprechen ließen
(a-i-ann 6?:i2 bx, -nDrn ob. S. 202). Besonders an den Sabbaten
vor dem "Wochenfeste und vor dem 9. Ab wurden die langen Märtyier-
listen der Memorbücher vorgelesen (,,niemern"').
5. In Spanien wurde an jedem Sabbat ein langes aramäisches
Gebet für in Bedrängnis befindliche Gemeinden gesprochen ("■^sb'J'^
s:n:5<) ; in anderen Ländern war das nur der Fall, wenn die Xachriclit
von einer bestimmten drohenden Gefahr zu ihnen gelangt war.
204 Beschreibung des Gottesdienstes
Alle hier genannten Gebete, ihre Fassung und ihre Reihenfolge
hingen von lokalen Gebräuchen ab, sie wurden nach Belieben der
Gemeinden eingeführt und erweitert oder gekürzt und fortgelassen.
6. Zwei weitere Einschaltungen entstanden aus der Notwendig-
keit, die Gemeinden über wichtige kalendarische Ereignisse zu
unterrichten, über das Bevorstehen des Neumondes und der Fast-
tage; sie sind daher auch überall eingeführt worden. In welcher
Form das Bevorstehen des Neumondes am vorhergehenden Sabbat
verkündet wurde, haben wir oben § 20 1, S. 123 ausführlich dar-
gestellt. Unter ähnlichen Formeln wie der Neumond wurde das
Eintreten der historischen Fasttage am vorhergehenden
Sabbat angekündigt, an Stelle der beim Neumond üblichen Bitte
wird eme andere, die auf Sech. 8 19 Bezug nimmt, gesprochen. Die
Ankündigungen der Fasten sind im Laufe der Zeit außer Übung
gekommen, nur die Fastennach den Festen (ilUJi iTITi^am i:TL' §21,
S. 127) werden bisweilen in Form eines Segens für diejenigen, die
sie halten ('71111? -^"n), angemeldet.
c) Festtage. An den Festtagen, wofern sie nicht auf den Sabbat
fielen, ließ man in Germ, alle obigen Einschaltungen fort, in den
anderen Riten wurden sie wie am Sabbat beibehalten. In Deutsch-
land bildete sich die bereits erwähnte Sitte, an den Wallfahrts-
festen den Segen für Verwandte sprechen zu lassen und dafür frei-
willige Gaben zu spenden. Am Versölmungstage hingegen wurde
für das Seelenheil der Toten gebetet. Daraus entstand eine besondere
Feier (nTcTC: n-iDTn), die in Westdeutschland noch heute n u r
am Versölmungstage stattfindet, im Osten hingegen am letzten
Tage aller Feiertage mit Ausnahme des Neujahrsfestes. Am Neu-'
Jahrstage wiederum wird in allen Riten vor dem Einheben der
Tora Schofar geblasen, wobei eine Benediktion vorangeht und einige
Bibelverse folgen. Das Schofarblasen an dieser Stelle (mui^'a my^pn)
ist nicht das ursprünglicho (vgl. S. 140), aber zumindest seit dem
IIL Jalu'hundert neben dem Blasen während der Tefilla üblich.
d) Einschaltungen besonderer Art brachte das Fest der Tora-
freude, an ihm wurden besondere Poesien zur Verherrlichung der
Tora im Anschlüsse an die Vorlesung gesungen. Wenn auch die Er-
wähnung von*mni< bb:;! TIUX in x\mr. nicht ursprünglich ist, so
hat doch Saadja das Stück bereits gekannt und in der ihm vor-
liegenden Fassung verworfen; das in Germ, erhaltene ist, offenbar
(l('l)t'U' zur Scliiit'l vorlfMiiig 205
uiilcr dem l^iiil'liisst' seines Widcrspriiclis, ^eäiulerl. Im <^;i(»näisclicii
Zeitalter waren auch andere äliiiliche ,, Hymnen und \'eilienlieliunj;en
der Tora" veil)reitet. Zui' \'erlierrli(liuni; der ori'enhainng gehörte die
Lobpreisung Israels, das die Tora angenomnu'U ("ri^^TT"' sr'^TS^), vor
allem al)er der l*reis Mosis, der, zum Organ der Oi'fenharnng ge-
wählt, des unmittelbaren Verkehrs mit den liimndisehen Scharen
und mit der Gottheit selbst gewürdigt war. Die \'(irlesuiit; am
Toral'este erzählte vom Tode Mosis; jüngere Targumim und Midra-
schini schmückten die in ihrer Schlichtheit erhabene l'jzähluiig
dramatiscii aus, sie w'ulJten von den letzten Stunden, \-oii den
inneren Kämpfen des Propheten, von seiner Ehrung im Tode, von
seiner Bestattung ausführlich zu erzählen. Auch der Midrasch
vom Tode Mosis (nir'a r"T'"u:s) wurde für den Gottesdienst bearbeitet
und am Torafeste in der Synagoge vorgetragen. Für die synagogalen
Dichter war ein weites Gebiet eröffnet, das sie reich anbauten,
aber nur wenige Stücke des alten Vorrates haben sich durch die
Jahrhunderte erhalten.
Im letzten Jahrhunderte sind alle die znletzt behandelten Ein-
sciialtungen (S. 202 ff.) wesentlich vereinfacht worden. Die bei-
behaltenen Gebete für den Landesvater, für die Behörden und für
die Gemeinde, die Fürbitte für einzelne Anwesende bei besonderen
tJelegenheiten, die Verkündigung des Neumondes, die Totenfeier haben
in den fortgeschrittenen Ländern Bearbeitungen in der Landessprache
erfahren. Sie werden nicht mehr, wie ehemals, vom Vorbeter, sondern
meist vom Rabbiner vorgetragen, für diese „Agende" ist der Name
,, Liturgie" im engeren Sinne üblich geworden.
Kap. IV. Die synagogale Poesie.
§ 31. Allgemeines.
Literatur: Diü-^es L., Zur Kenntnis der neuhebräischen relig'iösen
Poesie; Zunz L., G. V.^, S. 3951), Synag-ogale Poesie, S. 60ff.; Duschak,
S. 224 ff". ; Perles J., Beiträge zur Geschiclite der hebräischen nnd ara-
mäischen Studien, S. 63 ff. J.E. Art. Piyyut X, 65 ff. : Pizmon. das. 68.
1. Die bisher behandelten Gebete bezeichnet man als Stamm-
g e b e t e ; sie sind s ä m 1 1 i eli e n Gebetbüchern gemeinsam, auch
ilir Text ist, abgesehen von den durch die Reformbewegung unserer
Tage eingefülu'ten Änderimgen, im großen und ganzen überall derselbe.
Es sind die im Talmud bereits bekannten, in der Zeit unmittelbar
nach Abschluß des Talmuds erweiterten und ausgearbeiteten Ge-
bete; sie sind infolgedessen allgemein angenommen und als verbind-
liche Gebete anerkannt worden, gewissermaßen als nobn, sie galten
als nbsr "::r nri'J^, als der von den alten Lehrern zusammengestellte
Gebetsinhalt, von dem nicht abge'svichen werden durfte.
Bei aller Verehrung für die Tradition jedoch ließ der religiöse
Sinn des jüdischen Volkes sich nicht in die Fessel eines überlieferten
Gebetes schlagen, er forderte zu allen Zeiten das Recht der selbst-
ständigen Betätigung, die Freilieit, auch die eigene Frömmigkeit
zum Ausdrucke zu bringen, eine persönliche — oder sagen wir besser —
zeitgenössische ]N^ote den überkommenen Formen hinzuzufügen. So
trat neben das feststehende, überlieferte Gebet ein beweghches Ele-
ment, dessen Aufnahme und Verwertung im Gottesdienste dem Be-
lieben der Gemeinden überlassen war (niün). Die religiösen Be-
dürfnisse, die Neigungen, der Geschmack der verschiedenen Länder
und Zeitalter haben auf seine Gestaltung einge^\irkt, die Kultur deij
Umgebung, die politischen und sozialen Verhältnisse haben seine]
Bedeutung erhöht oder vermindert, den ilim gegönnten Raum er-
weitert oder beschränkt; mitunter beheiTschte es die gesamte Li-
turgie, anderwärts wiederum wurde es stark zurückgedrängt. Schon,
Dio synagogalc Poosie 207
in (loujcuij^cii (li'l)('l(Mi, die dem Kiial Schiiia voruiiKi'iH'ii (>5j^ll. 12),
1111(1 iiidenon, die der Tefilin folgen (§ 10), haben wir solche beweglichen
Elemente des Gottesdienstes kennen gelernt, aber auch sie waren noch
früh genug vorhanden, um allgemeine Anerkennung zu finden. Hier
jedoch wollen wir von denen berichten, die einer jüngeren Zeit ihre
Entstehung verdanken. ICs waren religiöse Gesänge, die die Erwei-
terung des Gebetes bildeten, sie hießen daher auch, wie die biblischen
Psalmen, 2"'"T'r, was Zunz durch s y n a g o g a 1 e Poesie wieder-
gegeben hat. Meist waren im Hebräischen andere Namen dafür ge-
bräuchlich, sie entsprechen den Kulturkreisen, unter deren Einfluß die
Dichtungen entstanden; der eine vi-.'^t stammt aus dem Griechischen,
er weist auf die byzantinische, der andere n:Tn aus dem Arabischen,
er führt in die islamische Epoche.
2. "•Ji'^E .5«:-JfiE vom griechischen :rnii^rt[^, kommt als Bezeichnung
für Verfasser von Poesien in Kunstform schon im Midrasch vor; als
charakteristisches Merkmal seiner Tätigkeit werden Kompositionen
mit zu Ende geführten oder in der Mitte abgebrochenen alphabe-
tischen Akrostichen genannt; '^l'Q't ^r''! iüzbiü ""127 "D i<:'J"^"^s l-inn
nb bcni'a r^i^T ]^:T2n nb bcma (Gant. rab. 1, 7 zu U). Aus dem Worte
lw^"^E wird ein Verbum 'C'^'^t gebildet und im Piel und Pual flektiert,
als wäre es ein hebräischer Stamm (,rrL:ilE'J2 P'rnr ,"Ji'^Si ,"j-'"'E'a
i;i"'£b ')i'::"'nr'a). Am häufigsten aber wh-d das davon abgeleitete Nomen
t;T>S gebraucht. Das Targ. jer. zu IL Kön. 3 15 gibt das hebräische
p; singen durch "^"'■'S wieder. Unter Piut versteht man zunächst jede
Art von Poesie, Sabbatai Donolo (X. Jahrhundert) z. B. nennt das
gesamte Exordium seines Jezira-Konmientars einen Piut; haupt-
säclüich aber wu"d der Name als Bezeichnung für die religiösen
Dichtungen verwandt, die an die Stammgebete angehängt oder in die
Stammgebete eingeschaltet werden. Zusammen mit Piut kommt
ein bisher noch nicht befriedigend erklärtes Wort ■'""•"'i; für Dich-
tungen vor; auch hiervon wurde ein Stamm ~"i"J ,T't: abgeleitet und, als
wäre er rem hebräisch, flektiert. Das Targum jer. zu II. Sam. 616
gibt TT£^ durch ■^'^1"i"y: wieder, wahrscheinlich ist das Wort wie "J'^'^B
griechischen Ursprungs und von äöto, wdij abzuleiten. Es kommt
stets mit "J'i'^S zusammen vor, einmal sogar als Gegensatz dazu und soU
akrostichische Dichtung bedeuten.
3. m:Tn, arab. f\:^'u wird nicht so häufig wie Piut, dafür aber
früher und im Orient, in der Heimat der synagogalen Poesie, ver-
208 Beschreibung des Gottesdienstes
wendet. Die Werke der ältesten uns bekannten Piutdicliter werden
unter diesem Namen zusammengefaßt, sie kommen als Werke mit
und ohne Kommentar bis ins XIII. Jahrhundert in Bücherhsten
unter der Bezeichnung ~:i?Tn vor. Ein arabischer Autor unterscheidet
ausdrücküch die Chisana von den Pflichtgebeten, in die sie einge-
schoben werden (§ 39). Das Wort ist nicht so lange im Gebrauche
gebheben ^\ie Piut, ist aber für die Erkenntnis der Anfänge der syna-
gogalen Dichtungen, wie wir sehen werden, von außerordentlicher
Bedeutung.
4. Eine weitere allgemeine, wenn auch meist in engerer Be-
deutung verwandte Bezeichnung ist ITJSTS, von einem Verbum DTö
abgeleitet, das in angeblich palästinischen Targumim zu Ex. 15 21
und Hi 31 als Übertragung von n:" (l"r'), im Midrasch in der Be-
deutung von nninn Wohlgefallen gebraucht \md und offenbar
mit i//aA,«cg zusammen hängt. Das Wort bezeichnet ursprünglich
strophisch gegliederte, gereimte Hymnen über-
haupt, später aber nur mit Refrain versehene, und zwar entweder
die ganzen Stücke oder auch die Refrainzeile allein. Augustin schickt
einem seiner Lieder einen Vers vorauf, der dann hinter jeder Strophe
wiederholt \x\i'd, und nennt die Dichtung Hypopsalma. Das
wäre ein ganz ähnlicher Sprachgebrauch, wde er sich in jüdischen
Kreisen herausgebildet hat. Im späteren Mittelalter wird an Stehe
des Refrains auch die laute Antistrophe 'C^'t genannt. Wenn yc'Z
auch zumeist als Bezeichnung für Refrainpoesien auftritt, so kommt
es doch auch als allgemeine Benennung für synagogale Poesien ohne
Unterschied vor.
llu'em Inhalte nach zerfällt die synagogale Poesie in zwei Gruppen,
in hymnische und in elegische Dichtungen, die wir, dem Beispiele von
Zunz folgend, als Piut und S e 1 i c h a unterscheiden.
§ 32. Der Piut.
Literatur: Dukes, das.; Zunz, das., Brody H. und Albrecht K., Die
ueuhebräische Dichterschule der spanisch-arabischen Epoche; JE das.
sowie die Artikel: 'Abodah I, 75 f., Azharot II, 368 fF., Kerobot VU, 468 ff.,
Yozerot XII, 622 f.
1. Von Haus aus bezeichnet Piut, ^^4e vm gesehen haben, jede
Art liturgischer Poesie. Der Sprachgebrauch hat sich jedoch so ent-
wickelt, daß nm- die Poesien h v m n i s c h e n Charakters, Lob-
ArliMi di'S l'inl 209
und nankru'dcr. sie inöffcii allifcmcincii Inhalt liabcn. sie inö^'cn an
dio Natur oder an die Cieschifhto aukniipIVn, J* i u t genannt werden.
i)er Name l'iut dient als Bezeiclinunji; der Gattung, für die einzelnen
Arten der Poesien f^ibt es besondere Benennunf^en, die zum Teil von
der äußeren Form herc^enommen sind, meistens aber dem inlialt(> des
(Jediehtes oder seinem Platze in der Liturgie entspreelieii.
•J. Die von der äuüeren Form entlehnten sind die allgemeineren
Hezeichnuufien. sie köiiiUMi für jedes Stück, welches auch sein Inhalt
oder seine Stellung im Gebete sein mag. verwendet werden; sie sind
mehreren Sprachen entnommen und weisen auf die verschiedenen
Kulturkreise hin. von denen die synagogalen Dichter beeinflußt
wurden. Wir verzeichnen hier nur die wichtigsten und am häufigsten
vorkommenden Namen :
a) s^-J-^nsbs. ])lur. l^-uT-'nEbs?, aucli in «"J'^n-'E abgekürzt, wird
ganz allgemein für jede Art alphabetischer Dichtung verwendet.
b) "J"^""', ri"J"n"'. plur. si'JTII Riegel oder Balken; so hießen ur-
sprünglich Bibelworte und Versteile, die zur Einfassung von Poesien
dienten; dann übertrug man die Bezeichnung auf die Stücke selbst,
die solche Einfassungen enthielten, oder auf Poesien, die in kurzen
Sätzen ein Bibelwort variieren. Statt "J"»'"* findet man bisweilen Ciia"!"!,
das griechische öqouo^ Läufer, was sich ebenfalls auf den variierten
Kehrvers bezieht, aber auch auf Stücke, die rasch, ohne Melodie zum
Vortrage kamen, übertragen wurde.
c) mCTa Muwaschschach, eine der arabischen Poesie entlehnte
Form von Gedichten, sogenannte Gürtelreime; dem Gedichte
geht ein Vers als Thema voran, mit dem sämtliche Strophenschlüsse
reimen. Derartige Poesien finden sich nur bei spanischen Dichtern.
d) i-P'^p, wahrscheinlich lat. circulare; der Name ist darum
gewählt, weü die Bibclverse am Schlüsse jeder Strophe stets mit
demselben Worte enden, dieses also die ganze Poesie umkreist.
Solche Poesien kommen ebenfalls nur bei spanischen Dichtern vor.
e ) S5i:'*^-""JC~. wahrscheinlich vom altspanischen estribot, estrambot
herzuleiten, ebenfalls eine Art Refrainlied.
3. Einige Namen sind von der Stellung der Poesien hergenommen.
Der verbreitetste ist riTDi, womit die Einleitung zu allen möglichen
Poesien bezeichnet wird. Es ist entweder die Einführung für das
Gebet oder für den Dichter, der sich damit der Gemeinde vorstellt;
im letzteren Falle sagt man genauer TT" r'':-^'C':. Statt TT' gebraucht
Elbogen. Der jüd. Gottesdienst. 14
210 Beschreibung des Gottesdienstes
man auch "rrirs oder in arabischer Sprache rna'ipia. Auch inma (vgl.
S. 211) scheint eine ähnhche Bedeutung zu haben. Wie am Anfang
stehende, so haben die Poesien am Ende besondere Xamen ; größere ab-
scliüeßende Poesien nennt man pi^ü Finale, für kürzere ist :;ti3 An-
hang oder Taa Abschluß gebräuchlich.
4. Für die Benennung nach dem Inhalte war die Bestimmung
der Poesien mnerhalb der Litm-gie maßgebend. Hauptsäclilich werden
Piutim an zwei Stellen im Gebete verwendet, bei den zum Schma
gehörigen Benediktionen und der Tefilla.
I. Die Piutim für die Benediktionen des Schma:
A. I m M 0 r g e n g e b e t e.
Im Morgengebete der Sabbate und Festtage sind die Benediktionen
des Schma mit poetischen Einschaltungen versehen, die man zu-
sammenfassend i^V plur. niiSTi nennt. In der ältesten Zeit bestanden
die Jozer-Poesien aus folgenden drei Stücken:
a) "iiT>, so genannt nach dem Anfange der ersten Benediktion
"ni? "1211 (oben S. 17), auf den die Einschaltung folgt. Die älteste
Dichtung dieser Ai't ist das in It. an jedem Sabbat, in Germ, nur in
Verbindung mit einem Jozer gebräuchliche rimii ZJiTi n::ii« ab'r T5?
Till l)2i? bt^iz. Das Thema des Jozer ist meist die Schöpfungs-
geschichte, die Strophen oder deren Refrain scliließen häufig mifOTip.
b) ^£1S, unmittelbar vor ai;£is«m (oben S. 67), an dessen Stelle
dann allerdings das wahrscheinlich aus Palästina stammende rT^rir."
■nniTLii tritt. Gegenstand dieses Piut ist, seinem Platze im Gebete ent-
sprechend, die Schilderung der Keduscha der Engel.
c) nblT, unmittelbar vor 'i;T3i? ri"" (oben S. 23), schließt an
T7:!"lT DTiri? "["'S an und spricht die Hoffnung auf bessere Zeiten aus,
nicht selten wird an gegenwärtige Leiden angeknüpft. Das vorher-
gehende Stück a"':";rsi~ b" erhält, wo ein Sulat eingeschaltet ist, die
kurze Fassung des palästinischen Ritus (oben S. 23).
Der hier geschilderte Aufbau ist der einfachste, der vorkommt; er
kann jedoch beträchtlich erweitert werden, indem auch hinter b)
und c) noch einige Dichtungen eingefügt werden, so
ha) rmSTa anknüpfend an n-ni^'an -i::t» (oben S. 20),
hß) nn-i? vor nnr.sjn nr^ Ta:?^ nmnr. (oben S. 21),
ca) nD733 "''a vor dem gleichen Verse aus dem Schilfmeerliede
(oben S. 23),
Arten des Piiil, Juzer 211
vß) *:r:'C 'l in den Kilcii. die diese Wolle vor ib'ü'^ "1 lial)eii
(oben S. 24), eiidlieli
c;')n"::75«3 unmittelbar vor bi^'^r' bs.". wobei in (ierni. dann
wieilernni die palästiniselie Formel nns? "^bsa (oben S. 23) zur Ver-
wendung kommt. Der Inhalt der letztgenannten Stücke ist meist
die Liebe Gottes zu Israel, oder sie behandeln einzelne Gebote und
die daraus geschö|>fte Hol'fuunti- ;nd' Gottes Gnade. In soleher Voll-
ständigkeit finden sich die Zutaten zum Jozer, r"-::"^, wie man die
Stücke auch alle zusammen nennt, höchst selten, meistens nur bei
spanischen Dichtern. Sie müssen auch nicht alle zusammen stehen,
es kommt häufig vor, daß nur einzelne, wie nms^ oder nnns für einen
Festtag oder einen Sabbat bearbeitet sind.
Die spanischen Dichter der Blütezeit haben auch schon v o r dem
Jozer mit ihren Kinschaltungen begonnen, sie schickten dem :3"n und
dem voraufgehenden r^~p je eine Introduktion, nc^ voran. Ja, sie
haben auch das Stück, welches an Sabbaten und Festen zum Ab-
schlüsse der Psalmen dient und irrtümlich zum Jozer gerechnet wurde,
rrc: (oben S. 113), ebenfalls vielfach bearbeitet.
Die Kompositionen zu nair: zerfallen in folgende Teile:
a) Introduktionen, die entweder den hebräischen Namen r'C"
r^nb führen oder den arabischen "\r;'a, der dasselbe bedeutet.
Die Form der erhaltenen "^nn^ ist derart, daß den Poesien ein Leit-
vers voraufgellt, mit dessen letztem Worte alle Strophenschlüsse
reimen. Vielfach stehen beide, P"i"C""i und T^mc nebeneinander.
b) r^r: plur. ^'^r'ac:, d. h. Poesien, in denen jede Strophe
mit dem Worte rizz: beginnt; sie werden nach dem ersten Absätze von
rrr: vor den Worten Z'^D rr^^T s«bi2 "irs "ibs vorgetragen, haben in
der Regel diese Worte auch am Schlüsse der letzten Strophe, jedoch
ist die Echtheit der Schlußstrophen angefochten, sie sind meist erst
jüngere Zusätze.
c) TE "ibs, müßte dasselbe bedeuten wie b), die Poesien beginnen
mit D''n^, dem letzten voraufgehenden Worte von pütd:; \'ielleicht
stammen aus den irE ibi^-Gedichtcn die soeben erwähnten unechten
letzten Strophen der "'err-Lieder.
d) ''n2"ir 7D und e) T'TSD "^"Q, beide anknüpfend an den Anfang
und das Ende des Verses Ps. 35 10, soweit er in püTD: zitiert ist. Auch
zu f) nr'Ti "'"'S" und g) "7 "DITT gibt es Dichtungen, die aber keinen
besonderen Namen führen. Der Inhalt all der hier genannten Stücke
14*
212 Beschreibung des Gottesdienstes
ist liymnisch, sie nehmen zumeist Bezug auf die Bedeutung des Tages,
für die sie gedichtet sind, ihre Form ist in der Regel dieselbe wie die
des 7in^.
Ein Bild von der Reichhaltigkeit der maiu:- und iri"i-Poesien,
die Jehuda ha Levi verfaßt hat, gibt die Probe bei Brody und Albrecht
Nr. 88—103, S. 100 ff.
B. Im Abendgebete.
Den Joz'rot im Morgengebete entsprechen die Poesien, die an
Feiertagen, einst auch an Sabbaten, in das Abendgebet eingeschaltet
werden. Die ganze Gruppe heißt a"'n"'nr^, n2"'"i"'a, seit 1600 etwa
mD"i:r'a, besondere Namen für die einzelnen Stücke sind nicht bekannt.
Die Kompositionen sind derart, daß zu jedem Absätze im Stamm-
gebete eine kurze Poesie gehört. Es gehen demnach zwei dem "72r
voran, die eine vor a^iiS' ^ii^'cn, die andere vor "rfi^iTr"^ ^•iz" nmü
(oben S. 101). Hinter dem y'aTU folgen vier Stücke, eines vor '^'c
riD'aD, eines vor Y"^'' '"!, eines vor '::5?11U'^ '^5?3i, eines vor TDC TUmS"
a""!!?, wobei wiederum zu beachten ist, daß in Verbindung mit Piut
hier überall die Schlußworte der palästinischen Rezension dieser Ge-
bete (weiter S. 267) verwendet werden. Zu den sechs, gewöhnlich recht
kurzen Poesien gesellt sich noch eine längere; vor nDT2D "^^ nämlich
geht der kurzen in der Regel eine größere Poesie mit einfachem
oder doppeltem Alphabete und mit Refrain voraus. Vielfach ist auch
vor das letzte Stück (vor lUmSH) eine längere Auseinandersetzung
halachischen Inhalts in Prosa eingeschoben, die 1133 oder ^^Zil rsc^r
heißt — im deutschen Ritus ist nur zum zweiten Abend des Pesach ein
solcher Zusatz in das Machsor aufgenommen. Auch an Introduktionen
zu Maarib (l^iy^b mm) hat es nicht gefehlt. Maaribmi wurden zu
allen Festen ohne Ausnahme gedichtet, wenn sie auch nicht für alle
Feste gleichmäßig im Gebrauch geblieben sind. Im Orient besaß man
solche Dichtungen sogar für ausgezeichnete Sabbate. Spanische
Dichter haben sie nie bearbeitet, sie haben auch in Seph. niemals
, Eingang gefunden.
II. Die für die Tefilla bestimmten Poesien.
A. K e r 0 b a.
Der zusammenfassende Name für die in die Tefilla eingeschal-
teten Poesien ist nmip oder nmnp. Das Wort ist von smip ab-
Al'lrtl (Irs l'illt, Kcnil)il 213
^^i'lcih'l, (Ici- Uczi'uliminu' für den N'dihcit'r, der die 'rcl'illu vorlrii*?,
ihn lUMint ;iiuli der Midiascli 2""pT stün s?Tin. Miüverständlich
wurde statt nsiip vermittels der l'iir die idtlraiizüsisclie IMiirakMiduii"!:
CS jrehräiichliclieii rmsrlireiltiiiii;- das Witrt T"2"'"'p f^esetzt und als
Momorialwort aus den Aidanusbuehstahen des Verses l's. IISI") :;^p
^^p^-^j '"r.sz rrj-'c:"' -:- lieri^eleitel. Aueli das ganze ( lebet bueli Tür
die Kestta^'e wurde, da es die Keroba enthielt, bisweilen mit dem
uleiehen Namen "('3"i"ip genannt. Kerobas gibt es für ausgezeichnete
Wochentage, für Sabbate und Festtage. An Wochentagen wii-d dann
in jedes Stück der Tel'illa ein Piut eingeschaltet. Die Kerobas für
Wochentage stammen sämtlieh aus der alten Zeit und den orienta-
lischen Landein, in denen die |)al;istinische Rezension der Tet'illa ver-
wendet wurde: sie bestehen daher aus achtzehn Stücken uiul heiUeii
auch "-irr ~:'!2Z. Je nach der Bedeutung des Tages, für den sie be-
stimmt sind, werden die Kerobas bei einer Benediktion erweitert —
eine Art von -i":i5'2n ■j-^j'ö (oben S. 57), am 9. Ab z. B. bei XIV a'^bTüTT'b-i,
an den anderen Fasttagen bei XII aTTTb^bl. An den Sabbaten und
Festen sind die Kerobas auf sieben Teile beschränkt und heißen dem-
entsi)rechend srynr; sie werden nur beim Musafgebete verwendet.
Beim Morgengebete ist die Keroba. auch r"^nmiJ oder "r'ar. genannt,
nur für die ersten drei Benediktionen der Tefilla und für die Einleitung
zur Kednscha des Vorbeters bearbeitet; sie zerfällt in folgende Teile:
a) mrn oder riüi rb-^'j;, eine Introduktion, mit der der Dichter
sich bei der Gemeinde einführt; die alte Introduktion beginnt TCC
-^m:' Z"''322n, später aber genügte sie den Dichtern, namentlich denen
in Frankreich und Deutschland, nicht mehr, sie verfaßten neue, die
sie den Poesien voranschickten.
1)) i:.T2, vor der Eulogie zu r^lS. an den hohen Feiertagen vor
■:i27 (oben S. 43), besteht aus zwei Stücken, dem eigentlichen Piut
und einer Schlußstrophe. Das Piutstück schließt mit dem Hinweise
auf die Perikope des Tages mrDD, woran sich eine Anzahl anderer
Verse anreiht. Mit dem letzten Worte des zuletzt erwähnten Verses
beginnt dann ein knrzer Schluß, der zur Benediktion (r.-c^rnn 'C7i2)
überleitet, er heißt p-:c Finale; die spanischen Dichter nennen den
Schluß ii'iD, sie lassen die verbindenden Bibelverse fort.
c) n-'n^, vor der Eulogie zu r:— n:^ bezw. vor Ttqd ^r (oben
S. 44 ff.), ist genau in derselben Art gebaut wie das 1312.
d) r:r"2 vor der dritten Benediktion. d. h. Aor Einschaltung
214 Beschreibung des Gottesdienstes
der Keduscha (rrbir^ r\li:^^ip, wovon der Same cbirr), klingt
ebenfalls in Bibelverse aus, deren letzte regelmäßig Y^'Q"' (Ps. 14610)
und irnp nns^l (Ps. 22 4) sind. Hier fällt die Sclüußstrophe fort,
weil eine größere Anzalil von Piutim sich daran anreilit. Bei den
älteren Paitanim knüpfen die Stücke b) — d) an die Geschichte je eines
der drei Erzväter an, erst hinter d) wird auf das Thema des Festes
näher eingegangen. Auf d) folgen bei den älteren Paitanim gewöhnlich
noch vier Stücke:
e) fängt mit s: :5« an und schließt mit mpn 3"''c s<n^: 3^p1 "»n;
f) ein hagadisch geschichtliches Stück, auf das fi^'ir s":;^"^ it: bs5
folgt, wahrscheinlich der ÜbeiTest einer alphabetischen Poesie Jan-
nais (§40), der da, wo e) fehlte, als Ersatz eingelegt wurde;
g) eine Poesie, deren Strophen mit Tri"p schlössen oder den In-
halt der Toralektion behandelten;
h) plbc, ein langes Finale mit der Überschrift TW^i'p rc^Vi Y- "-^^
'"I5il nri? "^D; es bildet den ttbergang zur Keduscha, ist meist in
Prosaform abgefaßt und erzählenden Inhalts, wird daher auch r"i"^EC
Qiiril/'x: genannt. Die spanischen Dichter lassen h) unmittelbar auf d)
folgen, sie fügen dafür häufig eine besondere Poesie mit dem Namen
nüTip an. Je nach dem Charakter des Sabbats oder Festes, für die
die Poesien bestimmt sind, können Erweiterungen eintreten, bei den
Spaniern z. B. werden Pismon und Selicha eingeschoben. Beispiele
solcher vollständigen Kompositionen in Amr. 11. 43 b ff., Brody,
Diwan des Jehuda ha Levi III, 240 ff. ; ältere paitanische Kerobot bn
deutschen Machsor zu jedem zweiten Feiertage.
An einzelnen Festen erfährt die Keroba eine weitere Ausgestaltung,
die durch die Toravorlesung bedingt ist. Am Wochenfeste, wo der
Dekalog, am Schlußfeste des Pesach, wo das Schilfmeerlied die Peri-
kope bildet, ist vor das Finale h) eine x\nzalü Piutim eingefügt, die die
einzelnen Sätze der Perikope begleiten und meist mit einem Piut zum
Einheitsbekenntnis abschließen. Derartige Kompositionen heißen
13-^n^, ntJim (oben S. 209).
Eine besondere Art der Keroba ist für das Musaf des ersten Tages
des Pesach- und des achten des Hüttenfestes bestimmt, an denen
um Tau (b'J r"rsr) und Regen (ar^ r'':zr) gebetet wurde (obenS. 44);
sie reichen nur bis zur Mitte der zweiten Benediktion, bis zu min nTT2.
d. h. bis zu derjenigen Stelle am Anfange der TefUla, an der die Ein-
schaltung für Tau oder Regen erfolgt. Es hat mehrere solche Koni-
Tal, Geschem 215
positioiUMi £!;('o;('l)(MU aber nur dicjcniircii Kalirs sind, soweit unsoro
Kenntnis reicht, wirklicli im Gottesdienste verwendet worden. Sic
enthalten zunächst zwei Ininfzeik'r, von tlencn (h'r eine vor smns? pT2,
der andere unmittelbar nach "'"i-'i ~rx einij;eschaltet wird; an den
/weiten schließen sich vier lanfje alphabetische Stücke an, von denen
das erste eme Art riTCi ist; das zweite {n"S) und dritte (p'mür) bieten
einen historischen überblick über die biblischen Wunder von Tau
und liegen, in beiden enden die Strophen mit entsprechenden Bibel-
versen (n^rrr); das vierte besteht aus 22 Strophen von doj)|)elten
\'ierzeilern, immer zwei Stro|)hen sind der Bitte um Tau und lve<i'eu
für je einen Monat "ewidmet, eine knü|)ft an den XanuMi des Monats,
die andere an sein Sternbild im Tierkreise und an die zwölf Stämme an;
das ganze endlich wiid abgeschlossen durch eine kurzgefaßte Bitte
um Tau bezw. Regen, die in nan mnn n^cr 'i« n Sin nrSTD aus-
klingt. Die Keroba für b'J und aC3 bringen nur Rom. und Genn.;
wahrscheinlicii enthielt sie einst auch It., wo heute nur ilue aller-
letzten Sätze noch Vei-wendung finden. Seph. hat ebenfalls Piutim
und Bitten für die beiden Festtage (DTT-'^nT '■:v:r^ Tp"), aber sie werden
vor der Musaftcfilla beim Einheben der Tora gesprochen.
Wie beim Jozer nicht jedesmal sämtliche Poesien, vielmelu: mit-
unter nur einige von den Dichtern verfaßt und von den Gemeinden
verwendet wurden, so gibt es auch bei der Keroba vereinzelte Piut-
stücke zu bestimmten BenediktioiuMi. lt. z. B. hat im Musafgebete
der Wallfalutsfeste vor dem Schlüsse Poesien, die gemäß dem Ende
derTefilla H'br z^n: oder zV:r "r^~ heißen; spanische Dichter haben
sie häufig bearbeitet. Auch die Keduscha fand poetische Bearbeitung.
Genau genommen sind die verbindenden Texte zwischen den Versen
ebenfalls bereits piutartig. Neben diesen ständigen Zusätzen, die
vermöge ihres Alters geradezu als zur Keduscha gehörig betrachtet
werden, gab es ausfülu-liche Einlagen, die die Keduscha unterbrachen;
sie sind nur für die beiden ernsten Feste erhalten. Häufig an Festen,
bei besonderen Gelegenheiten auch an Sabbaten werden in Germ,
hinter zr^nrs '~ "»rs einige Verse eingeschaltet, die mit 2:""rcs an-
fangen und davon den Namen fülu-en.
B. Sonstige Einschaltungen in die Tefilla.
a) An den beiden ernsten Festen (§ 24) sind die Kerobas durch
zalüi-eiche Rehitim aller Art erweitert. Sie sclüießen ferner mit der
216 Beschreibung des Gottesdienstes
Keduscha nicht ab, auch zwischen die Verse der Keduscha sind längere
Poesien eingeschoben. Am Musaf Ijeider Feste, am Versöhnungstage
auch zu Schacharis, folgen selbst hinter der Keduscha noch Poesien,
ehe mit der Wiederholung der Tefilla ""he ]r "rn": fortgefahren werden
kann. Soweit könnte man die Piutim noch als Fortsetzung der Keroba
gelten lassen, an beiden Festen folgen jedoch zu Musaf noch andere
Einschaltungen, die aus dem Rahmen der Keroba herausfallen und
älter sind als sie. Es geht ihnen auch eine besondere Einleitung voraus
bi<b ""::■' M"i5 (in Germ, sogar eine doppelte, denn auch rvz'^t 2" rr^n
ist eine solche). Sie entspricht dem rTi, mit dem der Paitan sich
einfülu'te (oben S. 213); während er aber mit den anderen Introduk-
tionen sich die Erlaubnis der Gemeinde erbittet, haben wir hier ein
Gebet an Gott um die richtige Eingebung bei dem nun folgenden Vor-
trage vor uns.
b) Am Neujalu-sfeste werden damit die Poesien zu den drei
speziellen Benediktionen der Tefilla r'^ET pt^zt r'^z'Z'c einge-
leitet; sie unterbrechen den Tefillatext nicht, wie die Keroba es tut,
gehen viebnehr den einleitenden Gebetstücken ID b " ,-217 ~ri5 .""»r 3; r.rs
voraus. Sie behandeln den Inhalt der drei Gebete, beleuchten ihn
dm-cli Beispiele aus der biblischen Geschichte, sind auch äußerlich
so gebaut, daß jede Strophe mit einem auf den Inhalt der drei Gebete
beziighchen Worte (nDbT2 ,'t^2T .-istcj) schließt. Auf jede Strophe
folgt ein Bibelvers, zum Teü sind es dieselben wie später im Gebete.
Die Poesien heißen, wie die zugehörigen Gebete. ^r7-pr X^^^'pr. Er-
halten haben sie sich nur in Genn., von den anderen Riten hat nur
noch lt. einen poetischen Zusatz, je einen Pismon zu m^TiDT und """ET .
der die Bitte unterbricht. Gemeinsam ist allen Riten das auf das
Schofarblasen jedesmal folgende kurze z'":"" r^n stt. ; Germ, und Rom.
haben außerdem "':TEr rL'":i?. gewissermaßen ein Epilog zu jedem der
drei Gebete.
c) Am Versöhnungstage haben wh* es zunächst in allen Tefillas
mit einer Verbindung von Keroba und Selicha zu tun, von der § 33 die
Rede sein whd. Außerdem ist ihm die A b o d a eigentümlich, eine
Darstellung des Kultus, welchen der Hohepriester im Tempel zu Jeru-
salem verrichtete. Die r--nj lio stehen heute nur im Musaf, einst
aber wurden sie auch zu Schacharis und Mincha verwendet. Die
Dichtungen haben mit der TefiUa keine innere Verknüpfung, nur die
äußere Verbindung, daß sie während ihrer Wiederholuno-, kurz vor
I
Almda 217
Hcciuliniiiiii' der mitihMCii Hoiicdiklioii zum Vortraijc fidaii^cn. Sclioii
im Talmud wird vom Voitia;>- oiniT Ahoda durcli den Vurbeter bericlilcl ;
die älteste erst kürzlicli bekannt gewordene Fassung folgte zienilieli
getreu dem Wortlaut der Miseima und gab im Ansehlusse an sie die
Reihe der Hekenntnisse und Opl'erliandlungeu wieder. Die s|)äteren
sind |) 0 (> t i s e h bearbeitet ; so \ cischieden sie im einzelnen sein
mögen, so sind sie doch sämtlich nach einem iiiul demselben Schema
gearbeitet, das offenbar auf ein recht altes Vorbild, wahrscheinlich
das in Seph. übliche r:r: nrx. zuiiickgeht. An den Hericiit der
Mischna idier den Tcmpclkiillus am Versöhnungstage wird die dra-
matisch belebte Darstellung jenes Kultus angeschlossen. Voraufgeht
eine Einleitung, die mit der Weltschöpfung beginnt, die wichtigsten
Momente der biblischen Geschichte bis zur Krwählung des Priester-
stammes bespricht und damit auf den Dienst des Hohenpriesters kommt.
Auf die Aboda folgt neben eiiu'm (lebete um Segen für das kommende
Jahr ilie Schilderung der Pracht des Tempeldienstes und des Glanzes
der Hohenpriester sowie die Klage darüber, daß all diese Herrlichkeit
entschwunden ist. Manche Dichlcr haben die Aboda mehrfacli be-
arbeitet, die meisten schicken ihr einen eigenen Prolog (rni^" 'cb nci)
voraus, einige haben auch Prologe zu den Abodas anderer verfaßt.
Jeder der bekannten leiten liat eine andere Dichtung aufgenommen
und dadurch vor dem rntergange l)ewahrt. Die Zahl der erhaltenen
bildet jedoch nur den allerkleinsten Teil der einst vorhandenen Abodas;
in den Handschriften der Genisa haben sich zahlreiche Fragmente
gefunden, die ahnen lassen, welche Anziehungskraft der Stoff auf die
Gemeinden und auf die Dichter ausübte. In neuerer Zeit sind an die
Stelle der piutisclien Abodas vielfach Bearbeitungen in der Landes-
sprache getreten; nur das alte Sündenbekenntnis wurde licl)räisch
beibehalten.
Die spanischen Dichter pflegten auch für den Morgengottesdienst
des Versöhnungstages Piutim zu bearbeiten, in denen sie im Anschlüsse
an die Toravorlesung (Lev. Kap. 16) die Opferhandlungen des Hohen-
priesters beschrieben; sie nannten sie ebenfalls r~'2r "ic.
d) Der Stellung der Aboda im Gebete und ihrem Charakter als
Lehrgedicht kommen die Asharot (r"!inTS{) am nächsten, die Auf-
zählungen der „613 Gebote und Verbote" der Tora (rii-a y"^T), die
für das Fest der Offenbarung bestimmt sind. Das Wort nnr.TS be-
zeichnet im Talmud nur die Verbote, die Übertragung auf sämtliche
218 Beschreibung des Gottesdienstes
Vorschriften, positive und negative, beruht auf dem Anfange des
ältesten liturgischen Stückes dieser Art r-'Triii r"^r;7i<. Die Zahl 613 geht
auf eine hagadische Äußerung R. Simlais (um 200) zurück (b. ]\Iakk. 23b)
und ist seitdem allgemein festgehalten worden; es sind unzählige Ver-
suche gemacht worden, sie durch Aufzälilung der einzelnen Gesetze zu
rechtfertigen, eine folgerichtige, einwandfreie Zählung ist jedoch
bisher noch niemals geglückt. Die Asharot machten ursprünglich nur
ganz allgemeine Angaben über die Vorsclu^iften der Tora, später aber
boten sie die Aufzählungen selbst; zunächst, ohne Gebote und Ver-
bote zu unterscheiden, zuletzt so, daß die 248 Gebote und die 365
Verbote in zwei getrennten Gruppen geboten wurden. Saadja ordnete
sämtliche Vorschriften in die zehn Worte des Dekalogs ein, und sein
Beispiel wurde vielfach befolgt ; es gibt Asharot, in denen zusammen-
gehörige Gesetze nebeneinander gereüit smd, aber auch solche ohne
jede Ordnung, \\ie r'^n:~ nri? in Germ., dessen Regellosigkeit von jeher
Staunen erregt hat. Die Asharot können in Form einer Schibata
(oben S. 213) in die Musaftefilla eingearbeitet werden, ^vie Saadja an
einer außerordentlich mühsam verfaßteu, schwer verständlichen
Poesie gezeigt hat. Das ist jedoch der seltenere Fall; in der Regel sind
sie, wie die Abodas. unabhängis: von der Tefüla, aber darauf berechnet,
bei der Wiederholung der Musaf tefiUa nach den Opferversen (oben S. 134)
eingeschaltet zu werden. Urs])rünglich sind es ganz trockene Auf-
zählungen, später werden sie poetisch ausgeschmückt und belebt;
die Einleitungen und Übergänge wurden besonders kunstvoll bearbeitet.
Am Schlüsse der Asharot ist die Verbindung mit dem Gebete durch
eine poetische Überleitung r^üT: rc 7S gegeben, sie ist weit und m so
entlegenen Ländern verbreitet, daß sie als recht alt gelten darf. In
einigen Riten werden die Asharot nicht in der Musaftefilla, sondern
vor dem Minchagottesdienste, in manchen sogar an dem Sabbat, der
dem Wochenfeste voraufgeht, gelesen. Auch die Verteilung der Asharot
auf die beiden Tage des Festes ist verschieden. Den Asharot schicken
einige Dichter ebenfalls Prologe ("jirTS .nn'rc) voraus, in denen sie
sieh freier bewegen und ilu'en Gedanken in poetischem Schwünge Aus-
druck geben konnten.
In übertragenem Sinne wüxl die Bezeichnung r"~~TS? im späteren
Mittelalter auch auf solche Piutim angewandt, die nur ein einzelnes
Gebot, aber nach allen semen Seiten hin, oder alle zu einem Festtage
gehörigen Gebote eingehend behandelten. Sie wurden an den Sab-
Hosi-huiiul 219
hatoii vorwciulct. die ciiioin Feste voraiis^iniri'ii. und wurden mit der
nr-zn, der Ankündiuim^- des Festes :^-;2Z^n "rrni """Tj 12 (oben
S. \'2:\) verbunden; bes(»iul('rs gilt das von den Wallfalirtsfesten, die
ihnen vorausiichenden Sabl)ate haben mit der Zeit aHe (hei (h-n Xamen
der ..i^Tolie Sabbat "■ r"":- r2Z erhalten.
e) Die (Umu Sidvkotfeste eif^entümhehen Poesien stehen außer-
hall) der Tefilla, iül«(en ihr jedoch unmittelbar. Sie heißen Hosehanot
r-irCTi. Der Xame hat eine i>anze (lesehiehte. Zu den Bräuehen des
lliittenfestes s^ehörten im Tempel zu Jerusalem die leierliehen Fm-
züge mit den Baehweideii. .,An jedem Tage umkreiste man den
Altar einmal, am siebenten al)er siebenmal"'; bei den Fmzügen wurde
Fs. 118 1^' s: nrT"" "; s^iii, nach anderen liericliten eine mystische
Variation hiervon i<: rir"'r'"- Tn -^Ziü gesungen (Sukk. IV, 4). Von
dem Refrain s: "r^ü""- oder vielmehr seiner aj)oko})ierten Form 5«:rr""
hat schon im Talmud der Feststrauß bezw. die Bachweide den ^'amen
SirCTi (b. das. 30 b f.). Der siebente Tag des Hüttenfestes, für den
das Gebot der Badiweide in erster Reilie galt, heißt in der Alischna
n2""r zz- ■'r'^sr 2""^. im ]\Iidrasch und im nachtalmudischen Schrifttum
aber auch i?:"Ti""~ a""'. Xach der Zerstörung des Tempels liörten
die Prozessionen auf, die zugehörigen Gebete aber wurden auch in
der Synagoge beibehalten. Auch für die Prozessionen wurde ein
PJrsatz geschaffen, eine Torarolle wurde ausgehoben und um sie herum
der L^mzug veranstaltet, an den ersten sechs Tagen ein- oder auch
dreimal, am siebenten siebenmal. Xur am Sabbat fiel der Umzug fort ;
der siebente Tag durfte deshalb niemals ein Sabbat sein. Im Kalender
waren besondere Bestimmungen, um das Zusammentreffen zu verhindern.
Im Mittelalter schwankte man auf Grund einer talmudischen Kontro-
verse (b. das. 43 a), ob man mit dem Feststrauße oder der Weide in der
Hand den Umzug vollziehen sollte; seit Jahrhunderten geschieht es nur
mit dem Feststrauße, obwohl aUe Gründe für die Weide sprechen.
Die ältesten Berichte über die Umzüge und Gebete reichen in die
gaonäische Zeit zurück. Xach Schluß der ]\Iusaftefilla begann der
Vorbeter i^ini"", die Gemeinde wiederholte es, worauf der Vorbeter
die Bitte um Hilfe in ausfüMicherer Fassung noch einmal vortrug.
Am siebenten Tage wurden" die kurzen Hauschano-Rufe variiert und
siebenmal wiederholt. Wahrscheinlich wuchsen sich die Hauschano-
Rufe frühzeitig zu kleinen Litaneien aus. In der gaonäischen Epoche
ist es bereits allgemein üblich, poetische Stücke vorzutragen, die das
220 Beschreibung des Gottesdienstes
5«2yTmn zum Refrain haben; Saadja erklärt in seinen Tagen ilu-e Zahl
als unübersehbar. Die Poesien waren alphabetisch abgefaßt, man
spricht daher von 3i:te ni? Ä5r"in S5Ebs, einem oder zwei Alphabeten, die
eingeschaltet und vorgetragen werden, man nennt sie aber auch ganz all-
gemein 2*^piD oder mit dem für Piutim überhaupt üblichen Namen
a"'!n2Ts:. Der Inhalt der poetischen Stücke muß sein* verschieden
gewesen sein, vielfach waren es Hymnen und man nannte sie nn;r ^in~
DiüTiSt, auch ~i?'nm nnc, anderswo waren es Bitten und man redete von
~CpD "»"lil oder 2"':i;nr. Zuletzt aber wurde für alle hier verwendeten
Poesien der Name eingefülnt, der vom Refrain hergenommen ist, sie
heißen allgemein n:"Tn~. Während der Name auf die Poesien über-
ging, trat der Refrain zurück und wurde schließlich nur noch am
Anfang und Ende gesprochen. Neben den alphabetischen Hoschanot
mit dem Refrain 5?::7T!Jin, von denen er täglich zwei verwendet, kennt
Saadja und nach ihm Seph. je noch eine dritte Einlage mit dem An-
fange 5?;i5. deren Inhalt der Zahl der Tage angepaßt ist; der ständig
wiederkehrende Refrain lautet nn^ri roir':: ir"^"n"i ~;"a "jT^'J ~:nr;
am siebenten Tage, wo drei Alphabete gesungen werden, lautet der
Refrain ~2^v 2:^1 ']2"'b'32:T nüris nn TTin:. jedoch ist auch dieser
Kehrvers mit der Zeit verloren gegangen, Seph. kennt ihn nicht mehr.
In Germ., Rom. und It. ist die Hoschanot-Qrdnung Kalirs üblich;
danach wird zunächst ein alphabetisches Stück mit dem Refrain s:nn~.
dann ein zweites mit dem Refrain i<: ""inn "jD . . . r>?Tl3i~D vorge-
tragen. Das zweite ist an allen Tagen das gleiche, die ersten wechseln;
am siebenten Tage werden sie alle vereint und um eine größere Anzalil
]3oetischer Stücke vermehrt. Die Hoschanot in Seph. smd vom litanei-
artigen (Charakter bereits sehr entfernt, die kalhischen der anderen
Riten weniger. In Seph. wurde die ganze Anlage auch dadurch ver-
wickelter, daß dem Hoschanotfeste der Charakter eines Baßtages bei-
gelegt und Bußgebete mit den Hoschanot vereint wurden. Auch für
den Sabbattag, an dem kern Umzug stattfindet, wurden trotz an-
fänglicher Opposition hiergegen Hoschanot gedichtet. Der Inhalt der
Hoschanot ist vorvviegend die Bitte um ein gesegnetes Jalu", woran
sich häufig die Bitte um die künftige Erlösung ansclüoß. Nach einem
Berichte der Halachot Gedolot wären in Palästina (?) auch nach dem
Minchagebete Hoschanot üblich gewesen. Im zehnten und elften
Jahrhundert scheinen in Jerusalem Umzüge um den ölberg gehalten
worden zu sein, zu denen zahlreiche Fromme von weit her pilgerten.
l'iiitiin aul.tci'li.illp dci' Crlx'Uf 221
III. Sonstige Piutim.
Auch außerhalb vou Jozor und Tclilla l'aiid der l'iul \ icll'ach Vci-
wcnduii^'. so vor aUcni hei der T o r a \' o r 1 c s ii n <r. .Man verfaßte
l)esondere Hymnen, r'nnc, für die Tora, inshesoiuh're für die Vor-
lesung,' ausjj:e\vählter Stücke, wie des Dekalogs oder des Schilfmeerliedes,
Introduktionen in hebräischer oder aramäischer Sprache zur Vor-
lesun«: oder zum Targum (oben S. 191, 193). Ebenso gab es besondere
Begrüßungen für die Hochzeitswoche, für Beschneidungen und ähnliche
(ielegenheiten, wenn die daran Beteiligten beim Gottesdienst er-
schienen, es gab auch Begrüßungen für alle an einem F'esttage zur Tora
(berufenen. Am Tage der Torafreude wurde eine große Anzahl von
Hymnen nach Schluß der Vorlesung vorgetragen. Eine besondere
Zutat für diesen Tag bildet die Erzählung vom Tode Mosis n'iri2 rT^'JE.
Der Midrascli gleichen Namens wurde weiter ausgeschmückt und in
Verse gebracht, die Poesien wurden entweder am Vormittage oder,
wo man den Gottesdienst nicht allzu lange ausdehnen wollte, vor
Minclia vorgetragen. ,, überhaupt umrankte der Piut im Verlauf der
Zeit das gesamte religiöse Leben, so wie jede Stelle im Gottesdienste;
er blieb nicht in der Synagoge allein, er besuchte auch die Familien,
war bei ihnen an den Sabbatmahlzeiten, bei dem Abschiede des Sab-
bat, in den Festlichkeiten wie bei der Trauer des Hauses, Geburten und
Leichenzüge begleitend."
§ 33. Die Selicha.
Literatur: Dukes, Zuuz, Brody und Albrecht das.; Hamburger
Suppl. II, 90i^".; JE. Art. Selihah XL 1701f.; Kiuah VII. 498flf.
L Verstehen wir unter Piut alle Arten von Hymnen, so be-
zeichnen wir mit Selicha E 1 e g i e n . die B u ß g e b e t e , S ü n d c n -
bekenn tnisse, Klagen nebst den damit verbundenen Bitten und
Hoffnungen. Die Selicha ist, ganz allgemein ausgedrückt, das Gebet
der Fasttage und der dem großen Fasten des Versöhnungstages als
Vorbereitung dienenden Tage. Das Wort Selicha hat seine Geschichte,
die zugleich die Geschichte der Listitution ist. Selicha bedeutet Ver-
zeiliung, die Vergebung von Sünden, die bei Gott zu finden ist (Ps. 130 4),
die von seiner Barmherzigkeit (S'^Tcn") erfleht wird (Dan. 99). Gott
hat den Menschen die Sündenvergebung verheißen und ihnen den Weg
gewiesen, auf dem sie sie finden können. Er hat sie das Bußgebet
gelehrt, das niemals ungehört verhallt; auf das Wort „Hilf, o Gott"
222 Beschreibung des Gottesdienstes
antwortet er, so oft wir ihn anrufen (Ps. 20 10). Solche Gebete um
Verzeihung nennt der Midrasch nn^bc ^mc (T. d. B. El. S., p. 42);
dadurch wurde der Ausdruck S e 1 i c h a in das Gebiet des Gebets
übertragen. Besonders die dreizehn Eigenschaften, lEbc
mn ""ITT", die Mose bei der Überreichung der zweiten steinernen
Tafeln geoffenbart wurden (Ex. 34 6, 7), führen den Xamen nni'vC "nc ;
sie sind ein altes Erbgut und, wie üire häufige Anführung in den
biblischen Scluiften zeigt, stark verbreitet gewesen. „Gott lehrte
Moses, sie zu beten; so oft Israel sündigt, soll es vor mir nach dieser
Ordnung beten, und ich vergebe ihm seine Sünden" (b. R. h Seh. 17 b).
In bezug auf die dreizehn Eigenschaften ist ein Bund geschlossen
{rrniz ""i'Cr' TTibirb nrt-iD ri-in), daß sie nicht wirkungslos bleiben
(das.). Diese Auffassung des Talmuds erklärt es, daß die dreizehn
Eigenschaften der Kern aller Gebete um Sündenvergebung wurden,
sie bilden noch heute den ständig wiederkehrenden Refrain aller
Bußgebete. Die Bibelstelle ""um z-n-' i:i< n '" konnte im Gebete
nicht unvermittelt rezitiert werden, darum wurde ihr eine Einleitung
beigegeben, die die Verwendung der dreizehn Eigenschaften im Gebete
im Sinne des Talmuds begründet (irb n-nn ,i:r-i"in bK). Sie wurde
später, aber immerhin in so frühen Jahrhunderten (V. oder VI.?),
daß alle Riten es annehmen konnten, durch die Anfügung des be-
kannten nri"! Y'^ "s? erweitert.
2. Das Gebet um Vergebung hatte nur dann einen Sinn, wenn
ein Bekenntnis voranging, und zwar neben dem traditionellen
Sündenbekenntnisse, das zu jeder Fastenliturgie gehört, eine Schilde-
rung der mensclüichen Sündhaftigkeit und Schwäche einerseits, der
Vollkommenheit und Gnade Gottes anderseits. In der Fastenliturgie
bot sich ein Vorbild hierfür; man knüpfte an biblische Gebete, in
erster Reihe an die mit Bekenntnissen verbundenen in Daniel und
Esra an, man stellte Bibelverse zusammen oder rezitierte Bußpsalmen,
durch die die Verzeihung erfleht werden sollte. Man nannte dies alles
~n">bo ""Tj:"! "ipics, wofür aber bald kurz "nibo gesagt wurde. In
den Selichot bei Amr., besonders in den Handschriften, sowie in denen
von It. und Rom. kann man noch heute die wichtige Rolle erkennen,
welche die Bibelstellen hier einmal hatten, kann man feststellen, daß
sie es waren, die als „Selicha" bezeichnet wurden. Man merkt ganz
deutlich, daß sie nach bestimmten Gesichtspunkten gruppiert sind:
es steht z. B. eine Anzahl Verse mit bs, eine Anzahl mit 3"'^, mit ~"J"'n"
Srlinliol 223
und Miidcrt'ii "Worton ziisamnion. odor dassolbc Wort, mit doui ein Vors
sclilioLlt. cröiriict diMi iioiien (z. H. rc^r yc^ir .rczr ri2-r nrs« ^2),
— Ziinz hat eini2;o Dulzond solcher Stichworte verzeichnet — kurz, es
sind Anhaltspunkte für den Hörer und Beter vorhanden, nach denen
er dem Gebete des Vorbeters zu folgen oder zu respondieren vermag.
War nicht immer gleich ein für den Anfang passender Bibelvers vor-
handen, so wurden ganz schlichte Introduktionen in biblischen Aus-
drücken verfaßt, wie ain^n T^n'\ br' ^D oder a^"i"'T2n i<b^ "cnn sb
oder r.p-;:::n n Y- ,T-Sb ■!T25«: n)2 usw., an die dann die Verse
anschlössen.
3. Den natürlichen Abschluß des Bekenntnisses bildete eine
Bitte um Hilfe, um Änderung des gegenwärtigen unheilvollen Zu-
standcs. Die Bitte bestand aus Litaneien einfachster Art ai'at'n irnbs
"r'^7 ']"i'52n-i "i^n"! u. s. f., aus einer Anzahl Anrufungen mit der
Einleitung a-i 'am (TT) T:inbs, mit i:Db)a ir^ns«. mit ^"»rsb i:s?-jn
i:"'b" ani oder . . . "i^ab "irr u. a. Die Fastenliturgie der Mischna
bietet schon das Beispiel einer derartigen Litanei unter Berufung auf
biblische Persönlichkeiten und die ihnen gewordene Errettung la
""■1 Sir. . . . r.:"r ; selbstredend gingen auch solche Litaneien in die
Selichagcbete über, sie beginnen mit n:rir "^t) ,r"i:r'D oder aramäisch
ib IS"!« i5:'52n-!. All die Litaneien wurden mit der Zeit erweitert,
mitunter später wieder verkürzt; die einfachste Art der Erweiterung
war die durch alphabetische Bearbeitung (,i:s«iil ''.:'^17, irni« ir:"
Y'"S ,ini-in ,"|najÄ l^^b mcy ,i:!:i?ia). Zu den älteren hebräischen
traten ferner aramäische Litaneien isun i?:)2nn u. a. ; Reste von ümen
sind in den Selichasammlungen erhalten geblieben. Wie sie selbst in
den Handschriften ninr heißen, so sehen wii* auch in den Tacha-
nunim (oben S. 76 ff.) noch Teile der alten Selicha vor uns. Aus derart
einfachen Elementen waren die alten Selichot zusammengesetzt, sie
waren wahrscheinlich für alle Fasttage — und nur an ilmen wurden sie
verwendet — gleich. In Germ, finden wü* für die spät eingeführten
Fasten am Rüsttage des Neumonds (oben S. 124) Selichas, die den alten
Clustern ziemlich nahe kommen.
4. Das alte sclilichte Material an Bußgebeten reichte für die
Bedürfnisse und den Geschmack späterer Zeiten nicht mehr aus. Als
der Piut wachsender Beliebtheit sich erfreute und immer weitere
Verbreitung fand, als alle Gebete mit poetischen Ausschmückungen
224 Beschreibung des Gottesdienstes
bereichert wurden, konnte auch die Selicha nicht leer ausgehen. Es
entstanden zunächst einfache, schmucklose, aber tief empfundene,
später kompliziertere Dichtungen, bei denen die Künstelei den Inhalt
vielfach beeinträchtigte. In der äußeren Form, Sprache und Dar-
steUungsweise unterscheiden sie sich in nichts von den Piutim; nur
ihr Inhalt konnte nicht so mannigfaltig sein, er mußte sich auf die
elegischen Themen beschränken, die zum Bußgebete paßten, auf
Ausfüllrungen über die Sündhaftigkeit, Schwäche und Vergänglichkeit
der Menschen, auf Klagen über die entschwundene einstige Herrlich-
keit, über Druck und Verfolgung, auf Bitten um gnadenreiche Ver-
gebung, um Niederwerfung der Dränger, um Befreiung und Verwirk-
lichung der messianischen Hoffnung. Alle diese Themen waren nicht
ausschließliches Gebiet der Selicha, sie konnten im Piut ebenfalls
bearbeitet werden, aber während für den Piut auch sämtliche anderen
religiösen Fragen zu Gebote standen, war die Selicha auf die genannten
beschränkt; die poetische Selicha war nur eine Gattung des Piut.
5. Damit die poetischen Stücke eingeführt werden konnten,
wurde der überlieferte Bestand, die Bibelverse und Litaneien, in
Gruppen geteilt, zwischen sie wurden die poetischen Stücke einge-
schoben. Sie wurden mit Rücksicht auf die ihnen zugewiesene Stelle
abgefaßt, paßten sich den Versgruppen im Inhalte oder in den An-
fangsworten an, in Rom. z. B. finden wh- Poesien zu '"b liv (Ps. 107 8),
zu^rncn n-^3 i;s?-'(Ps. 58)u. a. m. (p^cE ^-c :" r^^'-rz'c r-^nibc).
Ein bekanntes Beispiel ist Gabirols "}"^sn iD "JSir, das an Verse mit
DölTö, deren letzter Gen. 1825 mit dem Schlüsse fns«- bD UE^C"
usw. ist, anknüpft. Anfangs benannte man die eingeschalteten poe-
tischen Stücke "(i'CTB. später aber nannte man sie alle "rr^bc, plur.
nirr^bc, und behielt den Xamen Pismon für diejenigen Selichas vor.
die einen Refrain hatten, während die anderen nach ihrer Stellung
oder ihrem Inhalte besondere Xamen erhielten, die weiterhin be-
sprochen werden soUen. Die Verse bezeichnete man im Gegensatz dazu
mit dem Namen a'ipiDS oder a^^n-i ipiDS. Die Selichas rni alten Sinne,
die Verse und Litaneien, stellten das feste, die poetischen Stücke das
bewegliche Element dar, es gab über ihre Aufnahme keine Vorschrift.
sie wurden dem augenblicklichen Bedürfnisse überlassen ""n^bc ""^'S"
nywn 'j-ns ">Sd. In Rom. und It. blieben die poetischen Einschaltungen
von den alten Selichas getrennt. In It. sind sie nicht einmal in das
Gebetbuch aufgenommen, ihre Einschaltung war dem Beheben des
Si'licliol an Fast laf((Mi 225
\'orl)otiMs überlassen CiTnr; yi'^o nnirD ^'^"Si), der sie wahrsclieinlieh
in einer hesonderen Sanunliing vor sich hatte. In Koin. lol^t auf das
vdllstäiidiii,' gegebene Bußritual eine Saninihing poetiseher Stücice
zur Auswahl, die je nach der Sitte der (u'ineinde einn-eschallet werden
können. Ahidich war es wohl in Sepli., wo nicht allzu viek' poetische
Stücke eingefügt werden. Ganz anders hingegen gestaltete es sicli in
Deutschland und Frankreich. Hier übenvogen die poetischen Ein-
fügungen, die Versgru))i)en traten liinter ihnen zurück, sie wurden
mehr und mehr verkürzt, von den Gemeinden zum großen Teil über-
haupt nicht beachtet, so daß in diesen Ländern unter Selicha lediglich
die [)oetischen Stücke viM'standen wurden, von denen schon im XII.
Jahrhundert umfangreiche Sammlungen vorkommen.
6. Noch eine andere Änderung erfuhr die Selichaordnung.
Ursprünglich war sie nur für Fasttage bestimmt. Die Fasttage
waren verschiedener Ai't, Gedenktage oder Gelegenheitsfasten. Die
letzteren wurden bei Regenmangel oder anderen Kalamitäten ein-
gesetzt, denn jedes Unglück galt als Folge der Sünde, und Sünde er-
heischte Sühne. Die Liturgie für solche Fasten, wie sie in ihren Um-
rissen in der Mischna gegeben ist, wurde im Orient lange beibehalten,
jedoch hie und da durch poetische Stücke bereichert. An den histo-
rischen Fasttagen verwendete man in Palästina Kerobot, so daß nach
Poesien innerhalb der Selicha kein Bedürfnis melu- vorlag. In Baby-
lonien hingegen, wo Kerobot nicht beliebt waren, wurden, wie bei den
Regenfasten der Mischna, innerhalb der Tefilla bei VI i;b nbo Se-
lichas eingefügt: den poetischen Einlagen fiel dabei die Aufgabe zu.
die Begebenheit, die dem Fasttage zugrunde lag, zu behandeln. Diese
Alt der Ausgestaltung des Fasttagsgottesdienstes wurde die ver-
breitetere. Die Zahl der historischen Gedenktage wuchs stark an,
da man Todestage berühmter Persönlichkeiten oder Unglückstage
aus den biblischen Büchern und der späteren Geschichte ilirem Datum
nach festlegte und als Fasttage ansetzte. Freilich wurden solche Tage
weder allgemein noch lange Zeit hindurch beobachtet, ebenso wenig
wie die Fasttage, welche einzelne Fromme und, Uirem Beispiele folgend.
ganze Gemeinden sich auferlegten. Bestehen blieben neben den bib-
lischen Fasttagen (§§ 21, 22) die Fasten nach dem Pcsach-und Sukkot-
feste, die jedoch auf Montag und Donnerstag verlegt wurden, an
denen ohnehin viele fasteten. Dazu trat die große Zahl der lokalen
Gedenktage, eine Folge des traurigen Verlaufs der jüdischen Ge-
Elbogen. Der jüd. Gottesdienst. l«*
226 Beschreibung des Gottesdienstes
schichte. Metzeleien und Vertreibungen prägten sich den Gemeinden
als trübe Erinnerungen ein, die Daten des Martyriums wurden von den
Überlebenden und den nachkommenden Geschlechtern als Fasttage
begangen. Zunz hat zuerst ein reichhaltiges Verzeichnis solcher Ge-
denktage zusammengestellt, das wiederholt durch Daten aus älterer und
neuerer Zeit vielfach vermehrt w^urde. Wo ein Fasttag stattfand,
gehörten Selichas zur Liturgie; sie wurden nach dem alten Ritual ge-
betet, den poetischen Einlagen diente die Gelegenheit, welche die
Einrichtung des Fastens veranlaßt hatte, zum Vorwurf; die Selichas
für diese Tage haben das Quellenmaterial für die Geschichte der
Judenverfolgungen geliefert.
7. Unter den Fasttagen nimmt der Versöhnungstag eine be-
sondere Stellung ein, er ist Festtag und Fasttag zugleich, beides ge-
langt in den poetischen Einlagen für die Tefilla zum Ausdruck. An
ihm wird nach Amr. vom Vorbeter eine Verbindung von Keroba und
Selicha in die Tefilla eingefügt, d. h. einige Piutim zu den ersten drei
Tefilla-Benediktionen, die dem Belieben überlassen sind, und die
Selichas, die zu den Pflichtgebeten des Tages Z^T. rmn gehören.
Amr. nennt eine solche Komposition "isric, näher bestimmt ""crr
nTTiboT 11'j:"! "li iriTT. Die spanischen Dichter pflegten solche Kompo-
sitionen zum Versöhnungstage zu verfassen, die beides enthielten,
Keroba und Selicha, in denen die Selicha organisch in die einzelnen
Abteilungen der Keroba hineingearbeitet war. Charisi nennt Josef ibn
Abitur den ersten unter den spanischen Dichtern, der ein aT"!: ll2"'a
3"^"ne2~ verfaßt hat. Vom Fasten des Versöhnungstages nun wurde
die Bezeichnung in Spanien auf alle Fasttage übertragen, und so nennt
Charisi z. B. Gabh-ols Fasttagskompositionen ebenfalls r")2'''^~ '"eye.
In den anderen Riten war zwar weder der Name noch die organische
Verbindung von Piut und poetischer Selicha üblich, jedoch wurden
vor Schluß der Tefilla, vor irr::iirb b^n^ i<'"55 ebenfalls Selichot
eingefügt und dabei das Sündenbekenntnis vorweggenommen (oben
S. 152).
8. In allen erwähnten Fällen handelte es sich um Fasttage, und
die Selicha fiel nicht aus ilu'em gewohnten Rahmen, sie wurde innerhalb
oder unmittelbar nach der Tefilla vorgetragen. Eine neue Art von
Selicha kam für die Zeit, die dem Versöhnungstage vorausgeht, auf.
Zunächst für die Bußtage (oben S. 148), die schon früh vielfach als
Fasttage begangen wurden. An einigen von ihnen jedoch, am Neu-
Die Öelichutage 227
jahrsfosto und am Sahhat, inußlc das Faston unterlassen werden,
da fasteten die Fronunen zimi Ersatz bereits v i e r Tage vor dem
Neujahrsfeste. Mit der Zeit wurde die Zahl der Tage noch erweitert,
es gal) Leute, die bereits am 1. Elul mit dem Fasten begannen, d. h.
vierzig Tage vor dem Versöhnungstage, entsprechend der Zeit, die
Mose vor dem Empfange der zweiten steinernen Tafeln und der Offen-
barung der (heiz(>lin Eigenschaften auf (h-ni Sinai zuzubringen hatte
(Dt. 11)10). An sämtliclien Tagen nun. die in einer Hegend als Fast-
tage bestimmt waren, wurden auch die Huügebete verrichtet, r^rr^bc
mcpai n:nr. iin"n;da die zuletztgcnanntcn in die Zeit fallen, die vor-
zugsweise für die Sündenvergebung bestimmt ist, nannte man sie die
Selichatage (rirr^bc i^^) schlechthin. Ihre Zahl ist in den einzelnen
Ländern verschieden; es gibt noch heute Gegenden, in denen am L Elul
mit den Selichot begonnen wird, hierzulande werden sie am Sonntag
vor dem Neujahrsfeste, bezw., wenn dies auf Montag oder Dienstag
trifft, schon am Sonntag vorher aufgenommen, so daß, da die Sabbate
ausfallen, vor dem Neujahrsfeste vier bis höchstens neun, nach ihm
sechs Tage in Frage kommen. An den ,,Selichatagen" beginnen die
Gebete vor Tagesanbruch (nnibcb "i "^ 'S "^ D TT r), hier und da sogar schon
zu Mitternacht, man nannte sie daher mi2Trs? oder riTCTrs? ■'b''b.
Wie die Fasttagskompositionen führen sie auch den Titel Tc;?r. Das
Fasten galt nicht als allgemein verbindlich. Die Selichaordnung ist
an diesen Tagen unabhängig vom Fasten, sie konnte auch nicht in die
TefiUa eingefügt werden, denn der Gottesdienst wurde des Nachts,
ohne Verbindung mit einem der täglichen Gebete, gehalten. Die
Selichot sind daher an diesen Tagen anders eingeleitet wie an Fast-
tagen, sie beginnen an ihnen nicht, wie an den Fasttagen, mit 135 nbc,
sondern mit Ps. 145, mit "'"ni'S?, sowie mit einer langen Versgruppe
np-isn '" Y' lind gehen erst dann auf a'iSi? T"i5 bs5 über. Gerade für diese
Selichatage bis zum Versöhnungstage einschließlich — bei Amr. sind
auch die beiden Neujahrsnächte mit Selicha-Gottesdienst bedacht —
ist die Zahl der poetischen Selichas ziemlich groß, weit gi-ößer als für
die Fasttage. M\c Riten besitzen ein reiches Material von (poetischen)
Selichas für diese Tage, welches genügt, um AViederholungen unnötig
zu machen; das Machsor Tripolis besitzt sogar für dreiund-
zwanzig Tage im Elul Selichas von der Hand eines Dichters,
Isaak ibn Gajjat. Besonders wurden die erste Nacht und der Rüsttag
zum Neujahrsfest ausgezeichnet, am Rüsttage zum Versöhnungsfeste
15*
228 Beschreibung des Gottesdienstes
hingegen wurde mit Rücksicht auf die zahlreichen Gebete des folgenden
Tages ihre Zahl beschränkt, indes sind die Bräuche da nach Ländern
und Gemeinden sehr verschieden. Die Aus^yahl der poetischen Se-
lichas war völlig frei und willkürlich, nicht einmal an diejenigen Regeln
gebunden, die für Inhalt oder Reihenfolge der Piutim maßgebend
waren, darum ist die Verschiedenheit der Riten in bezug auf die Se-
lichasammlungen noch größer als in den Piutim.
Wie unter den Piutim, so gibt es auch unter den Selichas be-
sondere Gruppen, deren Namen vom Inhalt, von ihrer äußeren Form
oder ihrer Stellung unter den Gebeten hergenommen sind.
A. Tsach der Stellung heißen a) die zuerst eingeschalteten poe-
tischen Selichas nnipS, Eröffnung; bei Amr. heißt die meist kurze
Einleitungsselicha "1125. b) Die letzten heißen bei Amr. STni'a, weil
sie an das Tachanun, bei dem der Vorbeter sitzt, anschließen :
in It. begegnen wir der Bezeichnung mUT^r n:nr.
B. Nach der poetischen Form unterscheiden wir:
a) ^TCTö, die mit einem Refrain versehene Selicha (oben S. 208),
wobei der Refrain sowohl aus einer ganzen Strophe wie aus einer
Zeile bestehen kann. In der deutschen Selichasammlung ist der
Pismon in der Regel die letzte der poetischen Selichas oder wenigstens
die letzte vor einem zweiten in^D Tnbc '" "i'Ci?"'^. Im Orient hieß
auch der Refrain als solcher ITOTfi, in Amr. häufig abgekürzt 'TE.
b) ni^s^rc^. Die aus dem Arabischen stammende Bezeichnung be-
deutet das wiederkehrende, seil. Reimwort. Dem Gedichte ist ein
Bibelwort, ein ganzer Vers oder nur ein Teil, vorangeschickt (in der
Regel ein Vers aus der nächsten Gruppe), mit dem die Strophen-
schlüsse das letzte Wort oder ein darauf rennendes gemeinsam haben.
Diese Dichtungen finden sich nur bei spanischen Dichtern.
c) nirir und d) niTL'i'nr sind Bezeichnungen für zwei- bezw. drei-
2eilige poetische Selichas.
e) ri:ir"iL', vollständige, heißen vierzeilige Selichas. Die ]\Iehr-
zalil der mit diesem Namen bezeichneten Selichas stammt von Salomo
ha Babli in Rom; man war daher versucht, die Benennung von semem
Namen rrcbll" herzuleiten, jedoch fehlt es auch nicht an Vertretern
dieser Gattung, die andere Namen führen.
f) ";:i5i:n Selichas mit dem Refrain ir-n:: i^sun ; ihr Inhalt handelt
meist vom Martyrium des jüdischen Volkes oder auserlesenen Blut-
zeugen, insbesondere den .,zehn Märt\Tern".
Arien (i.T Sclicliii 229
('. \'()m liiliMitc sind lulj^ciulc Manien iicnoninicii:
aj nnrT, i'iiic Sclhstaiiklayc, in Aiiir/s Saiiiinliiiig gewöhnlich
die erste Selicha nach ch-r Kinleitung. Die poetische Form ist so, dal.)
gewöhnlich, ähnlich wie beim I\lnstegab, ein Vers gewissermaßen als
Leitmotiv vorangeht, i'reilich mit dem Unterschiede, daß er nicht
wiederholt wird. Die spanisclien Dichter haben die Tochecha dem
Maamad einverleibt.
b) "rp3. Bitte, nicht immer poetisch, vielfach ausführliche (Jc-
bete in Prosa mit dem Anfange ''IIS oder s:i<, gehört eher zum
Maamad als zur St'licha.
c) ptit:*, Darstellung der blutigen Verfolgungen und der frei-
willigen Hinoplerung des Lebens durch die (iläubigen, fast nur in
Frankreich und Deutschland bearbeitet.
d) ""pr, die Erinnerung an die Opferung Isaaks. Schon in der
Litanei für die Fasttage wird auf die Erhörung Abrahams am Berge
.Moria verwiesen. Die Selicha-Dichter haben das Thema der hin-
gebungsvollen Oi)ferwilligkeit von Vater und Sohn tausendfältig
liearbeitet; der naheliegende Hinweis auf die täglich sich crnemrnde
Bereitwilligkeit der Väter und Mütter, mit ihren Kindern für (iott zu
sterben, bildet den elegischen Ausgang dieser Dichtungen. Die Spanier
haben auch die Akeda oft mit der Keroba verbunden und zwar meist
mit dem Mechaje, in dem nach dem Herkommen vom Erzvater Isaak
gehandelt wurde (oben S. 213).
e) ~:r,r Fürbitte, berührt die Beziehungen zwischen Gott und dem
Volke Israel. Zur Wahl des Namens trug jedoch auch die Stellung
der Selicha bei, die, stets in Verbindung mit dem Tachanun (oben S. 223),
das den Abschluß der Bußliturgie bildet, eingeschaltet wird. In der
Sammlung bei Amr. läuft sie in den Vers '"51 TSS '\^\'^'n^a iiTT (Ex. 32 12)
aus. der aus der Liturgie für Montag und Donnerstag bekannt ist.
f) ~'2-pi2 heilkm bei Amr. einige Selichas für die Xeujahrstage;
es sind Einleitungsgcdichte, die mit dem Zusätze rTiiiSii"^", rT^D^Ts:,
""r'-TT":; und r""£"r"" genannt werden, weil sämtliche Strophen auf
'JSii"2 ,r'z"r'C 1"-', bezw. ^STir reimen.
g) ■'""T heißen Sündenbekenntnisse in lang ausgedehnter Prosa,
gewöhnlich mit dem Anfange ab":" biT "ilt^i.
9. Eine besondere Art der elegischen Piutim mit der Schilderung
von Verfolgungen und Martyrien als Inhalt sind die für den 9. Ab
bestimmten r'l^-p Klagelieder. Das AVort "•'p ist biblisch.
230 Beschreibung des Gottesdienstes
es bezeichnet die Totenklage. Im Talmud wird rni'^'p als Name für das
biblische Buch der Klagelieder verwendet und schließlich für die
poetischen Elegien, die neben diesem Buche am Fasttage der Zer-
störung Jerusalems zum Vortrage gelangen. Unter den arabisch
sprechenden Juden wird auch der Name "pri'abi? oder ""»ma dafür
gebraucht, was wiederum in das hebräische miiar zurückübersetzt
wurde. Die ältesten Einschaltungen waren auch am 9. Ab, wie an
jedem anderen Fasttage, S e 1 i c h a s; so berichtet Amram und nocli
Saadja. Aber schon vor ihrer Zeit war eine andere Art von Elegien
üblich, Kerobas mit ausgedehnten Erweiterungen beim XIV. Stück
der Tefilla, dessen Eulogie S'^blTTT' n:in lautet. Es ist Kalir, dem
wir den Anbau dieses Gebietes danken. Von ihm sind zwei Kerobas
für den 9. Ab erhalten, von denen die eine in Rom.. It., die andere in
Westdeutschland Verwendung findet; zu ihnen gehört als Einlage
eine große Anzahl von Kinot, in Deutschland wurden davon etwa
20 aufgenommen, in Rom. und It. finden sich noch weit mehr. Nur
in Rom. und It. ist den Kinot der ursprüngliche Platz innerhalb der
Keroba gewahrt geblieben, in allen anderen Riten hingegen sind sie
von der Tefilla getrennt. In Germ, werden sie erst nach der Schrift-
vorlesung vorgetragen, in Seph, unmittelbar nach der Tefilla. Die
Kinot nehmen in Seph. demnach denselben Platz ein, den auch die
Selichot dort haben, tatsächlich gleicht auch ihr Beginn durchaus
dem der Selichot, darin dürfte noch eine Erinnerung an die alte Zeit
liegen. Die Folge der Loslösung der Kinot von der Tefilla war, daß
auch für den Vorabend des 9. Ab einige eingeführt wurden.
Einer der Gründe, die für die Trennung der Kinot von der Keroba
maßgebend waren, dürfte ihr zunehmender Umfang und erweiterter
Inhalt gewesen sein. Der sinngemäße Inhalt der Kinot ist die Klage
über die Vernichtung des Tempels, der Priester und des Kultus, über
die Entweihung des Heiligtums durch die Feinde, über den Untergang
der beiden Staaten Juda und Israel, über den Gegensatz zwischen
der Not in der Diaspora und dem Glück in der Heimat. Es wird aber
auch — wie in der Selicha — den Ursachen der Not nachgegangen und
an die Sünden der Väter erinnert, an ihren Ungehorsam gegenüber
allen Mahnungen der Propheten, an die Wohltaten Gottes im Verlaufe
der Geschichte und an Israels Undank. Diese Themen werden in den
verschiedensten Variationen behandelt, die Dichtungen laufen auf
eine niederschmetternde Anklage gegen die eigene Sündhaftigkeit
Kinot 231
hinaus, auf eine (IuicIi^^cIicihIc l-vcclitfortigung des göttlichen Rat-
schhjssos; anliottcs (ii-rcchti^kcit und [.ichc wird trotz aller Xötc nicht
gezweifelt, darum klin^^en die Kinot ähnlich den itroj)hetischen Heden
in Maimungen zur Umkehr und in Trostverheißungen, in Schilderungen
des künftigen Heils aus. Die sj)anisclien, i)rovenzalischen und afri-
kanischen Dichter schildern das Leid fast durchweg nur in allgemeinen
Zügen, ohne auf einzelnes näher einzugehen. Die kalirischen Poesien
hingegen führen sämtliche Themen, insbesondere aucii die l'nter-
drückungen in der (ieiijenwart. sehr eingehend aus. Daraus leiteten
die Dichter der Folgezeit das Recht her, die Leiden, die sie miterlebten,
in Klageliedern zu verewigen, die sie oder die von den Verfolgungen
betroffenen Gemeinden ebenfalls für die Liturgie des 9. Ab bestimmten.
Vom ersten Kreuzzuge, 109G, angefangen bis über die Zeit des schwarzen
Todes hinweg (1348 49) haben allgemeine und lokale Judenmetzeleien
oder Katastrophen, wie z. B. die Talmudverbrennung in Paris, den
Dichtern in Deutschland und Frankreich Stoff zu Klageliedern geboten,
die sofort oder später Bestandteile der Kinot-Sammlungen wurden.
In Spanien waren die Martyrien nicht gleich häufig, aber auch dort
wurden die schweren Verfolgungen, namentlich die von 1391, durch
die Kinot verewigt. L^nter den jüngeren Kniot fand besonderen Beifall
Jehuda ha Levis ^bSTTP s?'"~ 'Vi, in dem die Sehnsucht nach den
heiligen Stätten, die Liebe zur zerstörten Heimat der Ahnen einen
ungewöhnlich zarten und innigen Ausdruck fand. Eine große Anzahl
von Nachdichtungen folgte ihr, sie- alle redeten Zion direkt an und
fingen mit dem Worte ]Vi an, sie erhielten davon den Namen "iirs,
'\V1 und galten als wertvoller, unentbehrlicher Bestandteil in den
Sammlungen aller Riten. Die Zahl der Kinot wurde mit der Zeit sehr
beträchtlich, die Gemeinden füllten vielfach den ganzen Vormittag
mit ihrer Rezitation aus, erst in neuerer Zeit wurde sie stark einge-
schränkt, in reformierten Gemeinden bis auf eine oder zwei.
C. II. Abschnitt:
Geschichte des jüdischen Gottesdienstes.
Kap. I. Die Zeit der Stammgebete.
§ 34. Die Anfänge des regelmäßigen Gemeindegottesdienstes.
Literatur: Ziinz, G. V.^, S. 379 ff. ; Herzfeld, S. 183 ff.; Graetz, Ge.
schichte, IIb, n. Aufl., S. 186 ff.; Duschak, S. 183 ff.; Kohler K., Über
die Ursprüuge und Gruiidforineu der synag-ogaleii Liturgie MS XXXVII,
1893, S. 441 ff., 489 ff.; .I.E. Art. Liturgy VIII, 132 ff.
1. Die Geschichte des Gottesdienstes wird durch die Geschichte
der religiösen Ideen bestimmt ; was im religiösen Denken im Vorder-
grunde steht, strebt danach, sich auch im Gottesdienste durchzusetzen.
Das gelingt freilich nicht restlos. Auch in der Religion ist die Ent-
wicklung eine allmähliche, niemals eine sprunghafte, die alten, durch
die Tradition geheiligten Einrichtungen oder Gebete lassen sich nicht
vollständig verdrängen ; der Kampf endet daher in den meisten Fällen
damit, daß das Neue mit dem Alten verschmolzen wii'd. Soweit wir
die Entwicklung zu übersehen vermögen, hat sie sich in der Weise
vollzogen, daß der ursprüngliche Kern des Gottesdienstes stets erhalten
geblieben ist, die ältesten Bestandteile sind noch heute darin vor-
handen wie bei seinem ersten Anfang. Die xArt und Weise jedoch,
Avie der Gottesdienst vollzogen wurde, die Einflüsse, die sich seiner zu
bemächtigen suchten, die Hüllen, mit denen der Kern umgeben wurde,
sind nicht immer dieselben geblieben, haben mit der Zeit und mit
der Umgebung gewechselt. Die drei Perioden, in die wir die Ge-
schichte des Gottesdienstes geteilt haben (§ 5, S. 13), nahmen nicht
alle dieselbe Stellung zur Frage der Veränderung des Gottesdienstes
ein. Die erste und die dritte zeigen mehr Selbständigkeit als die zweite.
I)i(' AiilVuigr lies ( 'i('iiiciii(i('gi»lti'S(licnslos 233
AlU'li sio stjiiul nulil oluic ciiicncs rrtcil und olnio »'i<j(Mi(' Wiiiisclu'
dem iiberiKmmu'iU'ii (lottcsiliciistc lictrciiidx'r, aber die Kritik bezog
sii-li aul' den liiil. auf die jünjicicii Zusätze /um (lebete, die als solche
i)ekannt und darum leicht zu \eiäiulerii oder zu Ix'seitigen waren, die
Zweifel wagten sich nicht an die Stammgebete heran, sie wurden bis
auf geringfügige Veränderungen, die die Zeit von selber brachte, in
ihrer übiM'kommeiien Vovm ix'lasscn. Hingegen haben die beiden
anileren l'ei'ioden mit ihren Angriffen auch vor den Stammgebeten nicht
Halt gemacht. Die Zeit, die sie geschaffen hatte, hielt sich auch für
berechtigt, frei mit ihiicn umzugehen, freilich mit der l^inschränkung,
dal.) sie t^berlieferungen aus einer Vergangenheit, die auch für sie schon
die graue Vorzeit darstellte, hohe Verehrung entgegenbrachte. Anders
lue Neuzeit, der die Kritik das Gepräge gibt, die, wie auf jedem Gebiete
menschlichen Wissens und Handelns, auch dem Gottesdienste gegen-
über ihre Selbständigkeit uneingeschränkt gewahrt hat und weder
durch das Alter der Tradition noch durch die Bedeutung der ihr
vererbten Gedanken sich von der Betätigung ihres Urteils zurück-
halten ließ.
2. Es ist nicht leiclit, die Entwicklung des Gottesdienstes im
einzelnen zu verfolgen, die Änderungen sind vielfach vorhanden,
eile die Quellen ihrer Erw^ähnung tun; es verhält sich meist so, daß
die Literatur ihrer erst gedenkt, nachdem sie längst in Kraft ge-
treten sind. Für die älteste Zeit kommt als Erschwerung hinzu, daß
wir keine unmittelbaren, zeitgenössischen Quellen besitzen. Wo die
literarischen Berichte über den Gottesdienst beginnen, steht er bereits
fertig da. aus jenen Jahrhunderten, in denen seine Anfänge und die
ersten Stufen seiner Entwicklung liegen, ist kein Zeuge vorhanden,
die Überlieferung ist im Sinne der späteren Geschlechter wiedergegeben
und stellt häufig Einrichtungen der Vorzeit so dar, wie sie selbst sie
kannte, ohne des einst vorhandenen Gegensatzes und der Zwischen-
stufen zu gedenken.
Die Untersuchung hat von der Entstehung der Synagoge
auszugehen und ihren Ursprung zu erforschen. Daß sie eine bis dahin
nirgends gekannte Einrichtung gewesen ist, daß sie eine neue Art
der Gottesverehrung eingeleitet hat, ist zweifellos, aber zu welcher
Zeit und aus welchem Anlasse sie ins Leben gerufen worden ist.
darüber sind historisch beglaubigte Daten nicht mehr zu ermitteln.
Ihre Begründung bezeichnet einen der wichtigsten Fortschritte im
234 Geschichte des Gottesdienstes
Werden der Religionen; es war das erste Mal in der Geschichte der
Menschheit, daß regelmäßige gottesdienstliche Versammlungen an
Stätten gehalten wurden, die keine andere Weihe hatten als diejenige,
welche die Vereinigungen der Gläubigen ihr gaben, es war ein Gottes-
dienst, der sich von den bis dahin bei allen Völkern üblichen Bräuchen
befreite, auf alle materiellen Beigaben, wie Opfer und sonstige Dar-
bietungen, auf die Vertretung durch Priester verzichtete und den
Menschen mit seinem Gemütsleben in den Mittelpunkt der Gottes-
verehrung stellte. Es ist derjenige Gottesdienst, dessen Formen in
den europäischen Religionen herrschend geworden und darum der
Kulturmenschheit so vertraut sind.
Wie alle alten Völker hat auch das jüdische den Kultus mit dem
Opferdienste begonnen, ihm allein wahre Bedeutung beigelegt. Es
ist nicht daran zu zweifeln, daß bereits in der Zeit des ersten Tempels
gebetet wurde, allein in welcher Weise das geschah, darüber sind wir
nicht unterrichtet, und keinerlei Beweis liegt dafür vor, daß regel-
mäßig an allen oder wenigstens an bestimmten ausgezeichneten Tagen
ein Gemeindegottesdienst stattgefunden hätte. Wie kam es nun zu
dem späteren gemeinsamen Gebete, zu den ständig wiederkehrenden
religiösen Versammlungen, wie kam es, daß an die Stelle des einen
zentralen Heiligtums die zahllosen Anbetungsstätten, die „Heilig-
tümer im kleinen", getreten sind? Der Wechsel trat nicht plötzlich
mit einem Male ein, jahrhundertelang bestanden beide Institutionen,
der Tempel und die Synagogen, nebeneinander. Aber die Synagogen
breiteten sich immer mehr aus und gewannen zusehends an Kraft
und Bedeutung für das religiöse Leben, sie machten den Tempel ent-
behrlich, bewirkten, daß bei seinem Falle keine Lücke im religiösen
Leben entstand. Wir kennen den Ausgang der Bewegung, wir kennen
jedoch nicht die treibenden Kräfte, welche an ihren Anfängen wirksam
gewesen sind. Versuchen wir die Entstehung der Synagoge zu er-
gründen, so stoßen wir auf unüberwindliche Schwierigkeiten; bei dem
Mangel an direkten Kachrichten vermögen wir eine bestimmte Ant-
wort nicht zu finden, wir sind vielmehr auf Vermutungen, auf die
Kombination derjenigen Momente im Tempeldienste sowie in der
Entwicklung des jüdisch-religiösen Lebens angewiesen, die für die
Entstehung und erste Ausgestaltung des Gemeindegottesdienstes
Bedeutung haben konnten.
3. Eines der ältesten Beispiele eines Gottesdienstes, bei dem
I)i(' Aiifilnpo des Oomoindcgotlesdionsles 235
nicht das Opfer, sondern die Gebete im Vordergrunde standen, waren
die Versammliini^en an Fasttagen. Sie liahon bereits in vor-
exilisfher Zeit stattgefunden, schon diimals nicht immer an der Stätte
des Opferaltars; hingegen waren sie regelmäßig von Gebeten begleitet,
mitunter fiel sogar das Opfer ganz weg, das Gebet füllte allein die
zeremonielle Handlung aus. Die gottesdienstlichen Versammlungen
an den Fasttagen mit ihren Bittgebeten sind von großem Einflüsse
auf die Ausgestaltung des späteren Synagogengottesdienstes gewesen.
Eine Beschreibung der bei ihnen üblichen Zeremonien besitzen wir
erst aus späterer Zeit, die Mischna stellt sie so dar, wie sie in der Epoche
der Tannaim gehandhabt wurden, aber die meisten der dabei üblichen
Formen, und gerade die wichtigsten von ihnen, stimmen mit den Er-
zählungen der Bibel und den Schilderungen von Fasten in den apo-
kryphischen Büchern derart überein, daß an dem Alter der Zere-
monien nicht zu zweifeln ist.
4. Die gottesdienstlichen Versammlungen an Fasttagen waren
jedoch nur vorübergehende und seltene Erscheinungen, während wir
nach Vorbildern für die täglichen Gottesdienste suchen. Es
herrscht unter den Forschern Einigkeit darüber, daß die Anfänge
solcher religiöser Versammlungen im babylonischen Exil zu suchen
sind. In Babylonien fehlte es den Juden an einem gemeinsamen
Mittelpunkte. Wollten sie den Zusammenhang mit der Vergangen-
heit aufrecht erhalten, die nationale und religiöse Eigenart bewahren,
das Gemeinschaftsbewußtsein beleben und kräftigen, so blieb ihnen
nur diese Möglichkeit, sich zu vereinen und diejenigen Gedanken und
Empfindungen zum Ausdrucke zu bringen, die alle bewegten. Die
Propheten in der Gemeinde der Exilierten haben durch das Mittel
der Vorlesungen aus den heiligen Schriften, der daran geknüpften
Unterweisungen durch Ermahnungs- und Trostreden das religiöse
Bewußtsein gestärkt, die Wiedergeburt des Volkes vorbereitet. Be-
sonders an den Sabbaten und den nationalen Gedenktagen versammelte
sich das Volk, um den Worten der Lehrer zu lauschen. Hier liegen die
Ursprünge der regelmäßigen gottesdienstlichen Versammlungen, als
deren Inhalt wir in der Hauptsache Vorlesungen und Belehrungen aus
der Heiligen Schrift, sowie das Aussprechen des gemeinsamen Be-
kenntnisses anzusehen haben. Belehrung und Bekenntnis,
seine beiden ältesten Bestandteile, haben dem jüdischen Gottesdienste
sein Gepräge gegeben. Es ist anzunehmen, daß nach der Rückkehr
236 Geschichte des Gottesdienstes
aus dem Exil die dort begonnenen Versammlungen in der Heimat
fortgesetzt wurden, daß sie auch nach der Wiederherstellung des
Tempels mit seinem Opferkultus sich weiter erhielten.
5. Sogar innerhalb des Tempels zu Jerusalem machte sich der Ein-
fluß der neuen Art des Gottesdienstes geltend. Das erste sicher nach-
zuweisende Beispiel eines täglichen öffentlichen Gebets stammt aus
dem Tempel. Die diensttuenden Priester ("il2'ir'J2 ">r:i?) unterbrachen
jeden Morgen ilire Opferhandlung, um in der Quaderhalle einen Augen-
blick dem Gebete zu weihen (Tam. V, 1). Das war ein Gottesdienst,
dem alles Priesterliche und Kultische fernblieb. Im Tempel mit seinem
vorgeschriebenen Opferritual und Levitengesang war das gemeinsame
Gebet nicht vorgesehen und, selbst nachdem es eingeführt war, blieb
es mit dem Kultus nur in losem Zusammenhange. Den Priestern war
beim Gottesdienste keinerlei Funktion zugedacht, das Gebet nahm
auf ihren Stand nicht Rücksicht. Die Sprache der Gebete stimmte
nicht mit der des Tempelkultus überein; während in ihm die Priester
sich des Aramäischen bedienten, hat sich als Sprache der Gebete das
Hebräische behauptet. Der Inhalt jener täglichen Liturgie der Priester
erinnert an die Bekenntnisversammlungen des Exils; die biblischen
Bestandteile waren in ihr vorherrschend, es kamen einige Stellen aus
dem Pentateuch zum Vortrage, die die hauptsächlichsten Lehren
des Glaubens zum Ausdruck brachten, wie den Dekalog, das ,,Höre
Israel", vielleicht auch einige Kernworte nationalen Charakters,
wie die Bileam-Sprüche ; die biblischen Stücke wurden durch eine
Einleitung und einen Abschluß eingefaßt. Die Einleitung enthielt
den Dank für die Offenbarung, als Abschluß folgte die Versicherung
der Gemeinde, daß die den Vätern erteilte Offenbarung noch immer
den Inhalt auch ihres Glaubens bildete (rr'T rz^n ,n^"j:i" rrs« oben
S. 25). Wenn ferner ein Gebet um gnädige Aufnahme des Opfers
(n"n:ir) und eine Art von Priestersegen (ü"^:": rr-^n) folgten, so haben
wir hierin ein Zugeständnis an den Stand der Priester und an die
Stätte ihres Gebetes zu erblicken. Das Urteil über den L^sprung der
Einrichtung selbst kann dadurch nicht beeinflußt werden.
6. Die nachexilische Zeit führte eine engere Verbindung des
Volkes mit dem Kultus herbei. Die Stellung des Volkes zum Tempel
hatte sich im Exil gründlich gewandelt; die alte iVnschauung vom
Werte des Opfers an sich entsprach nicht mehr der herrschenden
Richtung, der neue Geist forderte die persönliche Frömmigkeit, die
hie Anfallen' des ( Icnii'iiKli'^nil Icsdicnstos 237
iM'tätiiiiiiiii' ji'tlcs ciiizcIiuMi im rcliuirtscn l.chcn, den „riollosdicnst
im llcr/.iMi". !'\)li,M'iiclitin' (liiiiliiicfüliit imiütc eine solclic (Icsinmiiif:;
zur I>('S('itii;imi;' dvv Optci- liiliicii; winde der Sclilul,') ;iiicli nicht sofort
i^i'zof!;»'!!. so sc'luif man ilocli l']iiiii(li(im<i,(Mi, die dem Volke ciiio stärkere
Beteili^un«,^ am Kultus erniöi^iicliteii. Kinzeliu' Kromme, solclie, die
in Jerusalem wojinten oder voriiherj^ehend anwesend waren, nahmen
am tätlichen Opfer teil, wohnten dem Segen hei, den die Priester,
auf den Stufen der Tempclhalle stehend, über das Volk sj)ra('hen,
warfen sich zum (lebet nieder und sandten ihre Bitten zum Himmel
empor. Sie lausehten dem Gesänge der Leviten, der, wie die (Ihronik
beweist, im zweiten Temi)el hohes Ansehen genoLI. Die Psalmen,
das Gesangbnch jener P^poche, wurden von den Tempelsängern vor-
getragen; die Gemeinde aber beteiligte sich daran, indem sie mit
Amen, Halleluja oder mit größeren Refrains ("ncn 2b^>b "'S nb mn
1. Chron. 1641, eine ähnliehe Bedeutung haben auch die Doxologien
am Schlüsse der Psalmenl)iiclier) einfiel. Auf solche Weise wurden
die Psalmen geradezu zn Gemeindeliedern, gewannen sie eine außer-
ordentliche Beliebtheit und Verbreitung. So erklärt sich ihr nnge-
heurer Einfluß auf die Liturgie nnd die Frömmigkeit aller Zeiten.
Zur Sicherstelhing der Beteiligung des Volkes am Opfer wurde
die Institution der Maamadot, der Standmannschaften, ins
Leben gerufen. Um das Opfer als Leistung der Gemeinde zu kenn-
zeichnen, sollte es in Gegenwart und unter Teilnahme der Gemeinde
dargebracht werden. Da unmöglich das ganze \'olk ständig in Je-
rusalem den 0})fern beizuwohnen in der Lage war, wurde es durch
die „Propheten in Jerusalem'- ebenso wie die Priester und Leviten in
vierundzwanzig Bezh-ke (n^'crTS) geteilt; jeder von ihnen entsandte
abwechselnd eine Woche im Halbjahr eine Abordnung nach Jerusalem,
die dort beim Opfer ,, dabeistand" (rnj b^ "^"), wovon sie den ]S'amen
~T2"12 ,"nr~ (Standmannschaft) trug. An jedem Tage ihrer Dienst-
woche hielten die Vertreter des Volkes viermal täglich (,rc"i2 ,r"'in'ic
2'^^rr rb"'": .nn:'!;) Gottesdienst mit Gebet und Schriftvorlesung.
Die Zuhausegebliebenen veranstalteten während ihrer Dienstwoche
täglich Versammlungen zu gleichem Zwecke (Taan. II). Die Ein-
richtung der Maamadot hat bewirkt, daß zum ersten Male im g a n z e n
L a n d e ein, wenngleich in großen Abständen, so doch regelmäßig
wiederkehrender, auch an Wochentagen stattfindender Gottes-
dienst geschaffen wurde.
238 Geschichte des Gottesdienstes
Wie kam man auf vier verschiedene Gebete ? Von den zwei
täglichen Opfern wurde das eine am Morgen, das andere in alter Zeit
kurz vor Einbruch der Xacht dargebracht, jedoch später auf die früheren
T^aehmittagsstunden (21/2 Nachmittag) verlegt (Pes. V, 1). Aus der
Beobaclitung des Standes der Sonne, ihres Auf- und Unterganges sowie
ilu-es Höhepunktes, ergaben sich wiederum drei Gebetszeiten, morgens,
mittags und abends, wie wir sie Ps. 55 18 finden D'inns:! ipni 11:7 ;
sie sind als ständiger Brauch eines Frommen wie Daniel (611) genannt,
und noch der berühmte Agadist R. Samuel b. Xachmani, gegen Ende
des dritten Jahrhunderts, sieht sie als den ursprünglichen Anlaß zur
Einsetzung der drei zu seiner Zeit üblichen täglichen Gebete an (j.
Ber. IV, 1, f. 7 a). Die vier Gebetszeiten der Maamadot gingen aus
einer Verbindung dieser beiden Reihen hervor. Am Morgen, r'i^nr,
trafen Opfer und Gebet zusammen, aus dem ^^littagsgebete entstand
das Musaf, zü^.'ü; am Nachmittage traf ursprünglich das zweite
Opfer 2">n"""~ "i"!! mit dem Nachtgebete zusammen, nach der Ver-
legung des Opfers jedoch wurden daraus zwei Gebete, das eine, welches
dem Opfer voraufging, um die neunte Stunde {Akt. 3 1) "n:^, das
andere am Abend zur Zeit des Schließens der Tempeltore 2"»-"^ r:^r:,
kiu'z nb''"; genannt.
Wie die Liturgie der Maamadot beschaffen war, darüber sind
wir nicht unterrichtet. Nur soviel wird überliefert, daß am Morgen
und zu Musaf je zwei Abschnitte aus der Schöpfungsgeschichte vor-
gelesen, daß am Nachmittage dieselben Stücke auswendig wiederholt
wurden (Taan. IV). Aus der Verschiedenheit des Verfalirens sieht
man. daß die Anordnungen nicht alle aus derselben Zeit stammen,
sondern wechselten. Zu jedem dieser Gottesdienste gehörte auch der
Priestersegen, der sich jedoch außerhalb Jerusalems nicht stets durch-
füliren ließ, weil nicht überall Priester zugegen waren. Ob auch Psal-
men in die Gebetordnung der Maamadot aufgenommen waren, ist
nicht gewiß, der unmittelbare Anschluß ilu-er Versammlungen an
den Gesang der Leviten macht es indes wahrscheinlich, daß von An-
fang an einige Psalmen dazu gehörten. Am Morgen wurden ferner
die Bekenntnisstücke, der Dekalog usw. (oben S. 236) vorgetragen.
Endlich ist es sein- walu-scheinlich, daß in allen vier Andachten auch
Bittgebete vorkamen. Wir wissen, daß die Bezirke bei eintretenden
Notständen den Blick auf ihre Vertreter in Jerusalem richteten, daß
sie ilire Fürbitte in Anspruch nahmen (b. Taan. 22 b). Was bei großen
J
hii' Anfange dos (■iciiiciiitlogottcsdiinistos 230
haliniisscii das Kasten und 15('lcii der ganzen (iciiiciiidc Icislctc, das
>()lltt'ii in solchen Fällen die I litten der Maamadot erwirken. Man
nia^ id)erliani)t die froninien Männer, die als Al)«!;eürdnetc der CJe-
ineinde am Opfer teilnalinien, als die ji:eei{):neten Vertreter der Für-
hit te hetrachtet liahen nnd so dürfte es dazu «^'ekoninien sein, daß
in das Gehet der Maamadot Bitten aufgenommen wurden. Zuerst
mölken solelie den Inhalt des Musaf ti'ehildet hahen. desjeni;,'en (ie-
hetes. das der Fastenlituruie entsprach und nachgehildet war, dann
aher wurden sie auch in die anderen Gebete übertragen. Wie die
lütten gestaltet waren, darf man aus der Form der Gebete in den
Büchern Esra und Daniel schließen, die eine auffallende Ähnliclikeit
im Aufi)au zeigen; nach iiirer Analogie dürfen wir erwarten, daß sie
mit einem Hymnus begannen, und daß dem Vortrage der Bitten
das Bekenntnis der eigenen Sündhaftigkeit voranging.
7. Alle hier erwähnten Einrichtungen trugen zum ^laterial
für den Synagogengottesdienst bei; den exilischen Versammlungen
entnahm er die Vorlesung und Erläuterung der Heiligen Schrift, der
Priesterliturgie das Bekenntnis und den Segen, dem Levitengesang
die Psalmen, den Andachten der Maamadot die Bitten. Die wert-
vollste Anregung boten die Maamadot, weil durch sie zuerst der Gottes-
dienst an alle Orte übertragen und mit R e g e 1 m ä ß i g k e i t
an sämtlichen Tagen der W o c li e innegehalten wurde.
Es bedurfte sicherlich geraumer Zeit, ehe eine derartige neue
Schöpfung sich zu verbreiten und durchzusetzen vermochte. Die
Schwierigkeiten, die die Gemeinde des zweiten Tempels in den ersten
Jahrzehnten zu überwinden hatte, die inneren Zwistigkeiten und
die Störungen von außen waren der Durchführung dieser Maßnahmen
nicht günstig; wir gehen daher in der Annahme, daß sie zunächst nur
wenig Kraft und Festigkeit besaßen, wahrscheinlich nicht fehl. Solche
erhielten sie erst, als Esra und Nehemia Sicherheit in das staatliche
Leben, Ordnung in die religiösen Institutionen brachten. In Baby-
lonien waren die im Exil begonnenen Versammlungen fortgesetzt
worden. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß sie durch Esra.
der die Vertrautheit mit der Heiligen Schrift und die Befolgung ihrer
Gesetze zum Mittelpunkte des religiösen Lebens machte, auch in Pa-
lästina neu l)elebt, zu regelmäßig innegehaltenen Veranstaltungen
erhoben wurden. Erst nach seinem und Xehemias Eingreifen dürfen
wir erwarten, daß die Maamadot mit Pünktlichkeit stattgefunden
240 Geschichte des Gottesdienstes
haben, erst danach wu'd mit der Zeit ein täglicher Gottesdienst mit
festen Formen sich gebildet haben. Die jüdische Tradition leitet die
Grundformen der Gebete von den Männern der großen Versammlung
her, ihnen schreibt sie die Schöpfung der Lob- und Bittgebete, der
Benediktionen für den Eingang und Ausgang der Feste zu rc;D iTi;:s
nb-nm mmp nb^n n^nn bs^-nui':: anb r.'pr. -b-nsn (b. Ber. 33 a).
Diese Überlieferung ruht auf gutem Grunde, in den Jahrhunderten
zwischen Esra und der syrischen Bedrängnis ist der Gemeindegottes-
dienst geschaffen und verbreitet worden, nicht auf einmal, aber all-
mählich durch Ausbau und weitere Entfaltung der vorhandenen
Einrichtungen.
8. Die Versammlungen an Sabbaten und Festtagen waren seit
langer Zeit üblich, an den Wochentagen fanden sie zunächst nur
zweimal jährlich, in der Maamadwoche, statt, von da aus aber konnte
leicht dazu übergegangen werden, ständig, auch wenn der Bezirk nicht
an der Reihe war, Gebetversammlungen zu halten. Unabhängig
von den öffentlichen Gebetszeiten bestanden die häuslichen Andachten
fort, die viele Fromme am Morgen und am Abend hielten. Je mehr
die jüdische Frömmigkeit sich vertiefte, desto größer wurde das Be-
dürfnis nach dem gemeinsamen Gottesdienste. Es war nicht allein
die Entfernung von der Stätte des Opferkultus, sondern in erster
Reihe das Verlangen nach geistiger Anbetung und nach Erbauung,
das den täglichen Gottesdienst der Synagogen ins Leben gerufen hat.
Innerhalb des Tempels zu Jerusalem, wo ständig der Maamad sich
vereinigte, war ja täglich, ohne Ausnahme, Gottesdienst. Aber auch
in der Provinz hat die durch die Maamadwoche und die Sitte der
häuslichen Andachten entstandene Gewohnheit allmählich bewirkt,
daß der Gottesdienst an jedem Tage ohne Unterschied gehalten wurde.
In demselben Umfange wie beim Maamad ließ er sich freilich, wenn er
nicht alle Erwerbstätigkeit lahmlegen sollte, nicht durchführen.
Die dem Tempel eigentümlichen Gebete. Musaf und Xeila, fielen aus.
nur am Morgen und gegen Abend, vor Beginn und nach Schluß der
Arbeitszeit, wurde öffentlich gebetet; daneben erhielt sich das alte
Xachtgebet als häusliche Andacht, bis es später als "in"»" das
dritte tägliche Gebet wurde. Musaf wurde nur an ausgezeichneten
Tagen, an Sabbaten, Festen sowie an denjenigen Halbfesten, an
denen ein Musafopfer geboten war. beibehalten, Xeila an den öffent-
lichen Fasttagen, später sogar nur am Versöhnungstage. Im Inhalte
hie Allfaiigo des ('iciili'ilKlr^'ot Icsdicuslcs 241
des (iottcsdiiMistcs imiüle cljciilalls iiiaiulii' Aiulcrmii;' ciiilrcleii, so fiel
zu^iiiiston tlor Kürze die 1äf!;licli(' Vorlosimg aus der Tora fort, sie
wiirdt' l'iir die tVicilicluMi 'Viv^r vcHhcliallcii. An den Woclientagen
liiiiiiciit'ii wurden nui' die Markt taii;(' (~C""::~ '''C) mit Vorlesungen
bedacht, weil an ihnen die J^andhewohner in die Stadt katnen; sie
hatten zu Hause keinen gemeinsamen Gottesdienst, an (h'u iM'sttagen
vernu)ehten sie nicht, in die Stadt zu kommen, und sollten (h>nnoch
von den Segnungen der Schriftvorlesung nicht ausgeschlossen bleiben.
War erst der Gottesdienst zu einer ständigen Einrichtung ge-
worden, so konnte die l\iiisteliung einer Gebetordnung nicht ausbleiben.
1^> ist schwer denkl)ar. dal.) ein einzelner täglich betet, ohne sich zu
wiedeiholen, ohne dal.) mit der Zeit sein Ciebet ein festes Gefüge er-
liiUt. und es ist geradezu ausgeschlossen, daß eine Gesamtheit sich in
regelmäßigen Abständen zu einem Gottesdienste vereinigt, ohne
daß bestimmte Formen sieh herausbilden, die dann stets wieder-
kehren. Halten wii- uns gegenwärtig, daß der Gottesdienst allen
Gemeinden im Laiule und einer weitausgedehnten, von Jahr zu Jahr
wachsenden Diaspora dienen sollte, die religiöse Einheit konnte nur
ilurch die Cileichiieit der gottesdienstlichen Veranstaltungen aufrecht
erhalten werden, es nnißten feste Formen dafür geschaffen werden.
9. Wie das im einzelnen geschehen ist und durch wen, darüber
schweigt die Überlieferung, sie faßt, wie bemerkt, die Behörden, denen
die erste Ausbildung der Formen des Synagogengottesdienstes zu
danken ist. unter dem Namen der Männer der großen Versammlung
zusammen. Sie sind es, welche der Belehrung und dem Bekenntnis
das G e b e t im engeren Sinne hinzugefügt, die uns vertrauten Formen
des Gebetes, Lob- und Bittgebete, geschaffen haben. Auf sie geht die
Stilisierung der Grundform aller Gebete zurück, der ro"i3. Die direkte
Anrede Gottes '" "pä? T^^a, die sich in der Bibel mit Ausnahme von
Ps. 11912 und I. Chron. '2912 auch in den jüngsten Büchern noch
nicht findet, ein deutlicher Ausdruck eines stark ausgeprägten re-
ligiösen Individualisnnis. ist durch sie die Grundlage aller Gebete
geworden. Die Lob))reisung, der Hymnus wird und bleibt die Form,
in der die Gemeinde mit ilirem Gotte Zwiesprache hält, selbst wo sie
Bitten vorträgt, klingen sie in die Benedeiung aus. Auch die erste
Gebet o r d n u n g gehört in jene Zeit. Sie bestand aus zwei Teilen,
aus Bekenntnis und Gebet. Das gemeinsame Bekenntnis hatten be-
reits die ältesten gottesdienstlichen Versammlungen, es fand seinen
Elbogon. Der jüd. Gottesdienst. 16
242 Geschichte des Gottesdienstes
Ausdruck in der Kezitation von Schriftstellen; daß sie sämtlich dem
Pentateuch entnommen waren, weist darauf hin, daß sie in einer Zeit
vereinigt wurden, wo noch kein anderer Teil der Heiligen Sclirift
kanonische Geltung hatte. Sie haben sich nicht alle in der Liturgie
erhalten, der Dekalog z. B. ist in der Zeit des Urcliristentums aus
polemischen Gründen wieder beseitigt worden (b. Ber. 12 a, j. I 8, f. 3 c);
daß er aber einst zur täglichen Liturgie gehörte, zeigt die erwähnte
Priesterliturgie (S. 236), zeigt der Zusatz der LXX vor Dt. 64, zeigt
endlich der vor einem Jahrzehnte aufgefundene Papyrus Xash. An-
dererseits gehören auch nicht alle drei biblischen Stücke, die heute
darin sind, zum ursprünglichen Bestände, zumindest das dritte ist
erst in einem etwas späteren Stadium aufgenommen worden (oben
S. 24). Die Bekenntnisstücke waren von hymnischen Gebeten, von
niDlS, eingeschlossen, ganz so wie es bei der Liturgie der Priester
erwähnt wurde, die selbst schon unter dem Einflüsse der Großen Ver-
sammlung stand. Dazu traten einige gemeinsame Bitten nbsr, sie
waren ein jüngerer Bestandteil der Liturgie und wurden als solcher
stets angesehen, das Schma galt als biblische Einrichtung, die Tefilla
nicht. Den Bekenntnisvereinigungen waren die Bitten noch nicht
bekannt, dort folgte auf den Gemeindegottesdienst ein stilles Gebet,
für das weder Form noch Inhalt vorgeschrieben war. Es blieb ganz
dem Belieben, der Stimmung der Betenden überlassen; es war eine
private Andacht innerhalb der öffentlichen, in ihr konnte jeder seine
persönlichen Anliegen vortragen. Die alten Quellen nennen das Einzel-
gebet ai"in, späterhin hat es in Anlehnung an einen biblischen Aus-
druck die Bezeichnung ai:i:nn ,n:nn erhalten (ob. S. 74). Bei den
öffentlichen Gottesdiensten finden wü" Bitten zuerst unter den Ge-
beten an Fasttagen, von dort her kamen sie zu den Maamadot, von
da schließlich als ribs" in das tägliche Gebet der Gemeinde. Der Auf-
bau der Tefilla, hymnische Einleitung, Bitten, Dank lehnt sich
unverkennbar an biblische Muster an, ilire Entstehungszeit kann
nicht allzufern von der biblischen Epoche gelegen haben. Der Inhalt
der Bitten war zunächst ein ganz allgemeiner. Wie die Bitten der
jüngsten biblischen Bücher nahmen sie aller Wahrscheinlichkeit nach
von der Sündhaftigkeit des Menschen ihren Ausgangspunkt ; auch die
Güter, die erfleht wurden, waren nur solche, die für jeden Menschen
unentbehrlich sind und darum jedermann in der Gemeinde gleich
am Herzen liegen. Dazu gehörten auch einige Anliegen der Gesamt-
Dil' AnfiUigo des GemciiKlc^'ut tcsdionstes 243
lu'it, so z. B. die Bitte für Jcnis.ilcin iiiul den Tempel, sclioii früh aber
auch, wie wir aus den hihlisehen Apokrypiieii lerueu. die Bitte um
Vereinigung' aller (ilieder des weithin zerstreuten X'olkes. DaU das
(lebet dureh die Berul'unj;- auf den mit den Vätern ii;eschl()ssenen Bund
einpjeleitet wird, findet seine Erklärung durch jüngere biblisclie und
a|)okryphische Gebete. Das zeugt von einem festen, seiner selbst nocli
sicheren Glauben an den Schutz und*dic Gnade Gottes, wie ihn spätere
Zeiten nicht inuner hatten. .\uch das Bekenntnis der Sündliaftigkeit
geht aus eiiUMU durchaus gesunden i^ewuütsein luMVor und ist frei von
den selbstquälerischen Anklagen der Epoche vor dem Untergange
des Staates. Jeder Gottesdienst sollte ferner vom Priestersegen be-
gleitet sein; daß er sich nicht überall durchführen ließ, wurde oben
erwähnt, und am Nachmittage wurde er bereits in recht früher Zeit
aufgehoben (b. Taan. 'IG b).
Die Einrichtungen der Männer der großen Versammlung be-
zogen sich lediglich auf die \ n o r d n u n g und auf den Inhalt
der Gebete, nicht auf ihren Wortlaut. Dieser war nicht festgelegt
und vorgeschrieben, sondern der augenblicklichen Eingebung über-
lassen; es war freilich unausbleiblich, daß mit der Zeit für Einzel-
heiten gewisse Formeln entstanden (riDil CBTJ ,nD"a bv2 y^L^'a), im
Buche Daniel merkt man bereits den Einfluß der Liturgie auf die
Fassung religiöser Gedanken. Die Gebete der alten Zeit waren an
Ausdehnung kurz, im Stile einfach, im Ausdruck schlicht, urwüchsige
Kraft des Glaubens und Empfindens vermittelte stets im rechten
Augenblicke die Fähigkeit, in wenigen Worten viel zu sagen, aus den ver-
trauten Sätzen der Heiligen Schrift floß der Wortschatz wie von selbst zu.
Die Gebete waren so einfach, von so allgemein gültigen Gedanken,
daß sie für alle Tage des Jahres ohne Unterschied dienen konnten.
Es ist kaum anzunehmen, daß es besondere Formeln für Sabbate und
Feste gab, der Kern des Gebetes, das Bekenntnis mit den es ein-
schließenden Benediktionen, die einleitenden und abschließenden
Stücke der Tefilla sind noch heute an allen Tagen des Jahres die gleichen.
Die Besonderheit des Gottesdienstes an Sabbaten und Feiertagen
bildete die Vorlesung und Erklärung der Bibel, sie nahm auch den
größten Teil der Zeit in Anspruch. Der Sabbat wurde ferner bei
seinem Kommen und Scheiden durch häusliche Feiern der religiösen
Genossenschaften begrüßt, die hierfür eingeführten Formeln (rT'ip
m5*iam) gehören ebenfalls zu den Schöpfungen der Großen Versamm-
le*
244 Geschichte des Gottesdienstes
lung (oben S. 240). An den Feiertagen waren solclie Veranstaltnngen
nicht üblich, dafür aber erfolgte an den Wallfahrtsfesten die Pilger-
fahrt nach Jerusalem, am Versöhnungstage wurde des vom Hohen-
priester vollzogenen Kultus gedacht.
10. Wie lange Zeit dazu erforderlich gewesen sein mag, bis der
regelmäßige tägliche Gottesdienst sich überall verbreitet hat, darüber
sind wü' nicht unterrichtet. Auffallend genug ist es, daß in den Makka-
bäerbüchern bei den Klagen über die Verbote religiöser Veranstal-
tungen und Zeremonien des Gottesdienstes nie gedacht wurde. Dennoch
weist manche Stelle in ihnen daraufhin, daß er damals bereits in den
weitesten Kreisen häufig gehalten wurde. Wäre er später eingeführt
worden, dann hätten die Quellen sicher nicht unterlassen, von der
neuen Einrichtung ausführlicher zu sprechen. In den Parteikämpfen
der späteren Zeit finden wir niemals einen Streit um den Gottesdienst als
solchen oder um Einzelheiten bei seiner Ausführung. In den Büchern
Sirach und Daniel sind auch unstreitig Andeutungen vorhanden,
die das Bestehen des Gottesdienstes voraussetzen. Eine sichere ]N'ach-
richt besitzen wir aus der Diaspora. Agatharchides von Knidos, der
um die Mitte des zweiten Jahrhunderts schreibt, gedenkt auch des
jüdischen Gottesdienstes und erwähnt, daß die Juden den ganzen Sab-
bat bis zum späten Abend in ihren Synagogen zubringen. Eine so
lange Dauer muß die Schriftauslegung damals gehabt haben.
11. Einen bedeutsamen Wendepunkt in der Entwicklung des
Gottesdienstes dürfte die makkabäische Erhebung herbeigeführt
haben. Das Gebet war bereits so eingebürgert, daß man darüber re-
flektieren konnte, es war ein mächtiger Faktor im nationalen Leben,
alle Gedanken und Gefühle, die das Volksleben stark erregten, rangen
in ihm um Ausdruck. Der Erlösungsgedanke trat in den Mittelpunkt
der religiösen Vorstellungen, die Sehnsucht nach Befreiung, nicht nur
nach der diesseitigen von Druck und von Mißgeschick, sondern auch
nach dem künftigen messianischen Heile wurde ein wii'kungsvolles Ele-
ment der religiösen Entwicklung. Der Auszug aus Ägypten (rs^::"'
aii::i2) ist das Ereignis, an das jene Zeit gern und häufig erinnert, die
Befreiung aus jener Sklaverei (nbl553) wird das Symbol der Befreiung
überhaupt, ihre Elrwähnung wird ein wichtiger Bestandteil des täglichen
Gebets. Die Bitten um Herbeiführung der messianischen Zeit werden
in die Tefilla aufgenommen, das religiöse Leben wird mit nationalen
Gedanken erfüllt.
Der (lollosdifMist in der Miscliiia 245
§ 35. Der Gottesdienst in der tannaitischen Zeit.
I. Vor der Zerstörung des Tempels.
Literatur: Zuiiz, das.; HcrzfVld, das.; Saclis M., Die religiö.se Poesie
der .luden in S|)anien, Kap. II, S. lG4tf.
1. Auf ciiiiiiciinal.uMi i^^osicIicrttMu l^odcii hcNvt'fijcii wir uns nicht
vor tliT tannaitiscluMi Zeit, in clor jMischna linden wir zuerst zusaiiiinen-
liänu;en(le Nachrichten über Form und Inhalt des Gottesdienstes.
Zwar stehen wir dann vor der Schwierifj^keit, daß die Misdina, wie
sie uns vorliegt, erst um das Jalw zweihundert rediiüjiert ist, daß die
viekMi anonymen Sätze in ihr nicht imiuer «renau datierhar sind, allein
vielfach sind wir doch durch die parallelen Quellen über die Namen
der an einer Institution beteili2,ten Autoritäten unterrichtet und
dadurch in der Lage, die Zeit festzustellen, in der sie ins Leben tritt
oder als bereits vorhaiulen vorausgesetzt werden muß. Für die Ge-
schichte des Gottesdienstes ist die Mischna als eine späte Quelle an-
zusehen, selbst in ihren ältesten Teilen zeigt sie die Entwicklung in
einem schon weit vorgeschrittenen Stadium, die Grundformen, der
Aufi)au des öffentlichen Gottesdienstes sind bereits abgeschlossen
und haben im wesentlichen dieselbe Gestalt wie heute. Und doch
nuiß eine lange und nicht iunner friedliche Bewegung voraufgegangen
sein, ehe es zu einer derartigen Befestigung der Einriebtungen kommen
konnte. Am Beginne unserer Zeitrechnung bilden der Gottesdienst
und die Hauptgebete den Gegenstand schulmäßiger Erörterung,
sie haben den Charakter des Selbstverständlichen und L^nbcfangencn
eingebüßt, die Formen sind derart eingebürgert, daß sie lehrhaft
werden, ihre Berechtigung, ihre Anwendbarkeit, die Möglichkeit und
Zulässigkeit von Abweichungen werden studiert, von den Theologen
besprochen, sogar schon kasuistisch behandelt. Der Gottesdienst ist
allgemein bekannt, zu einer so verbreiteten Sitte geworden, daß er als
uralte mosaische Institution gilt, als solche sehen ihn Philo und Jo-
sephus ebensowohl an, wie die Autoritäten des Talmuds. An seiner
Berechtigung und Verbindlichkeit wird auf keiner Seite gezweifelt,
alle Richtungen, soweit sie sonst auch auseinandergehen, sind in diesem
Punkte einig; überall wo Juden wohnen, finden auch regelmäßig gottes-
dienstliche Versammlungen statt.
2. In der ersten Zeit hatte sicherlich nur die Gemeinde ihre
festgesetzte Gebetordnung und ihre bestimmten Gebetzeiten. Der
Privatmann betete, wann sein Inneres ilm dazu trieb und was seine
246 Geschichte des Gottesdienstes
Frömmigkeit ihm gerade eingab; beim öffentlichen Gottesdienste
hörte er schweigend zu, er beteiligte sich nur durch die Responsen und
durch das stille Gebet am Ende, wo er, wenn auch mitten in der Ge-
meinde, doch wiederum mit sich allein war. Nunmelir aber ist es
anders geworden und gerade das bezeugt die weitgediehene Ver-
breitung und Anerkennung des Gottesdienstes, daß das Gebet nicht
mehr ausschließlich Gemeindegebet ist, sondern daß der einzelne sich
ebenfalls zu denselben Gebeten für verpflichtet hält. Die Liturgie ist
zum Gemeingut geworden, ein jeder kennt und wiederholt sie täg-
lich. Der Gottesdienst hat das gesamte Volk gewonnen, er beherrscht
das ganze Leben. Nicht nur, daß zur Gebetstunde das Gotteshaus
aufgesucht wird, die Handwerker und Arbeiter unterbrechen ihre
Arbeit und beten (Ber. II, 4), man betet auf der Wanderschaft, manche
Leute lieben es, an den Ecken, auf den Gassen zu stehen und öffentlich
zu beten (Mtth. 6 5). Welch unermeßlichen Wert die tägliche An-
dacht, die Weihe einer Stunde am Tage, die Verbindung zwischen
Irdischem und Göttlichem, die Erhebung des Alltags zum Festtage
für die Entfaltung der Religiosität, für die Vertiefung der Frömmig-
keit gehabt hat, kann hier nicht weiter ausgeführt werden. 2000 Jahre
des religiösen Lebens im Judentum, Christentum und Islam legen
ein beredtes Zeugnis dafür ab.
Die Faktoren, die auf diese Entwicklung, eine der wichtigsten
in der Geschichte der Religionen, eingewh'kt haben, vermögen wir
nicht mehr zu ergründen. Sicherlich haben einzelne Fromme, be-
rühmte Beter, wie der Ki'eiszieher Onias, wie R. Chanina b. Dosa
Einfluß darauf geübt, aber es darf nicht übersehen werden, daß die
gesamte Richtung der pharisäischen Frömmigkeit auf
Vergeistigung der religiösen Formen, auf die Entfaltung der per-
sönlichen Religiosität abzielte. Es gab weite Kreise und Gruppen von
Frommen (a'^IlffiST. ^i-^cn ,rpTi), von denen berichtet mrd, daß
sie besonderen Wert darauf legten, frühzeitig mit dem Gebet zu be-
ginnen und es in tiefer, weltabgekehrter Andacht zu verrichten. Ob
sie aus den Kreisen der Essäer hervorgegangen waren und wie groß
das Verdienst dieser Sekte um die Ausgestaltung des Gottesdienstes
anzuschlagen sein mag, können wir heute nicht mehr sagen. Sehr
wahrscheinlich ist es nicht, daß die Partei der Weltflucht zur Nach-
ahmung anreizte.
3. Infolge seiner Verbreitung hat der Gottesdienst einen anderen
Der Gottesdienst in »IfP Miscliiin 247
('liarakter angenoinmiMi, die Jiolehrung tritt zurück, der Hauptzweck
wild jetzt Gebot und Andacht. Das Bekenntnis, das yaiC,
wird zwar wie früher rezitiert, der ursprünglidie Sinn der Schrift-
stellen ist jedoch vergessen, sie werden schulniäßig ausgelegt, es wird
die IMTiehl des zweinialigen täglichen (ieheles, die l'l'iiciit der Deid<-
zeichen ("i'^rE" ,r"iS"'2 ,nTT'J2) daraus abgeleitet; die einen bürgern
sieh so ein wie das andere, sie werden Ix'ide von äußerlich gerichteten
^Menschen oft genug mißbraucht worden sein (Mtth. 23 5j, sind aber
weit häufiger eme Anregung zur geistigen Erhebung gewesen. Ebenso
sind die Gebete für die Wochentage von denen der Sabbate und Feste
bereits unterschieden, man ist daran, weitere kasuistische Differenzen
zu erörtern und einzufüinen. Die Traktate Berachot, Bosch ha Schana,
Taanit, Megilla geben uns ein Bild davon, wie weit einzelne Gebete
und gottesdienstliche Einrichtungen bereits einen bestimmten Cha-
rakter angenommen haben, wie weit ihre Verbreitung gediehen ist
und wie die Erörterung in den Schulen betrieben wird. Eine aus-
führliche und erschöpfende Darstellung des Gottesdienstes wird in
keiner alten Quelle geboten, seine Einrichtungen werden als allgemein
bekannt und jedermann zugänglich vorausgesetzt.
4. Betrachten wü- den Gottesdienst, soweit er aus der Mischna
zu entnehmen ist. Er besteht aus zwei Teilen, aus Schriftvorlcsung
und Gebet. Das Gebet hat seinerseits zwei Hauptstücke, "'CiT rs?"'"'.p
und nbsr. Das "'STU wird beim Morgen- und Abend-, die ribtn
beün Morgen- und ^'achmittagsgottesdienst gebetet. Zum y^v: ge-
hören die drei biblischen Abschnitte (oben S. 16), am Abend jedoch
wurde der dritte fortgelassen. Im Morgengebet gehen ihm zwei Ge-
betstücke voraus und eines folgt (rnsi rp:E5 S'^rr inn^ nncn
"■'■"-i?*), im Abendgebet sind es beidemal je zwei (rprsb STT nTl
■^■"ns":; 2">m). Von den beiden voraufgehenden ist das eine das
spezielle Morgen- oder Abendgebet, während das zweite den Dank
für die Offenbarung enthält, von den nachfolgenden bringt das erste
die Anerkennung des Bekenntnisses und damit ist der Dank für
die Befrehmg aus Ägypten verbunden. Das dem Abend eigentümliche
zweite Stück jedoch (^:ni3Cn) bildet den Ersatz für die fortfallende
r'zzr, es enthält die Bitte um Gottes Schutz in der >\icht. Der
Wortlaut der beiden Gebeten gemeinsamen Stücke braucht nicht
verschieden gewesen zu sein, noch heute weisen sie große Ähnlich-
keiten auf, die auf ursprüngliche Gleichheit schließen lassen, selbst
248 Geschichte des Gottesdienstes
die einleitende Lobpreisung "ni« "i::i"' kann, da sie von Erschaffung
des Lichtes und der Finsternis zugleicli handelt, unterschiedslos für
Morgen und Abend verwendet worden sein. Wie das Bekenntnis
an allen Tagen des Jahres das gleiche ist, so war auch dieser Teil der
Gebetordnung für alle Tage derselbe.
Die "bsr war das Bittgebet schlechthin, in ihr, aber auch nur
in ihr, trug die Gemeinde Bitten vor. Aus wievielen Teilen sie damals
bestand, ob die Einteilung überhaupt eine einheitliche war, läßt sich
nicht mehr mit Sicherheit sagen (oben S. 32). Wir wissen nur, wie sie
gegliedert war; der Anfang war hymnisch, der mittlere Teil enthielt
die Bitten, der letzte, wie man zu sagen plegt, den Dank, in Wirklich-
keit hat auch er neben dem Dank zwei Bitten, beide Reste der im
Tempel beim Gebete der Priester üblichen Liturgie (oben S. 31). Der
Inhalt der Bitten war neben den bereits in den Gebeten der Maamadot
nachgewiesenen Gegenständen hauptsächlich nationalen (Charakters,
er betraf die Zukunft des Volkes, das messianische Heil. Die ein-
leitenden und abschließenden Stücke haben bereits ihre Xamen (R. h
Seh. IV, 5), sie werden an allen Tagen des Jahres beibehalten und
niemals verändert, die mittleren Bitten hingegen sind nur an Wochen-
tagen im Gel)rauch. Der Halbfeste wird durch eine besondere Ein-
schaltung gedacht, an Fasttagen wu'd die Tefilla, wie es von Alters her
üblich ist, durch eine größere Anzahl von Bitten ergänzt. An Sab-
baten hingegen und an Festtagen sind die Bitten innerhalb der Te-
filla auf eine einzige um rechte Weilie des Festes beschränkt, eine
Ausnahme bildet das Neujahrsfest, an ihm erhält die Tefilla eine Er-
weiterung und hat statt der einen drei mittlere Benediktionen, am
Versöhnungstage wird das Sündenbekenntnis angeschlossen. Die
Schulen Hillels und Schammais sind verschiedener Meinung über das
Vorgehen beim Zusammentreffen eines Sabbats mit einem Festtage,
ob dann die Bitte um die Weihe der beiden Feiern vereint oder geteilt
werden soll, aber über die Sieben- und Kennzahl selbst herrscht völlige
"Übereinstimmung, sie ist auf beiden Seiten geläufig und anerkannt.
man verweist im Schulstreite auch bereits auf die langjährige Hand-
habung in der Praxis (Tos. Ber. III, l^f., S. 7 10 ff.; das. R. h Seh. IV,
11, S. 2141 ff.).
An den Festtagen, den ganzen und den mittleren, sowie am
Xeumondstage gibt es ferner ein Musafgebet. das ebenfalls die Tefilla
verwendet; es wurde, wie es scheint, nicht überall, sondern nur in
l)tT (lultosilifiisl in der Misrhiia 249
rjrößiM'iMi Orten iiiif ('"mein Kotiiimiiialvorhandc (1*^7 "iDn Bcr, IV, 4),
den llaiiptsliidteii der Maaniadhe/Jike, verrichtet, sein Wortlaut
dürfte sieh \o\\ dem i\vv anderen Gel)ete nii hl unterschieden iiabcn.
Josua I). ('hananja berichtet aus seiiUM- Jufi^endzeit (um 60), wie er
a!n Hüttenfeste den Oottesdienst zum Mor«,a>n-, Musaf- und Mittags-
>j,-ehet aufgesucht hat, von deiUMi das erste nach, die heich'n anch'ren
vor (h'ii entsprechenden Opfern Ncnichtet wunh'ii; zu^deich ein lehr-
reiclu's Heisj)iel, wie (lel)et und Opfei- lU'lx'iicinaiuU'r hergingen ('los.
Sukk. IV, 5, S. 198 Ki).
Wie weit auch Psalmen in dieLituigie aufgenommen waren, ist aus
derMischna nicht zu ersehen, nur von den Hallclpsalmen (oben S. 125)
erfahren wir. daß sie an 18 Tagen im Jahre Verwendung fanden und
zwar im Anschlüsse an das Morgengebet ; es gab eine eigene Benedikt ion.
die den Vortrag der Psalmen einleitete oder abschloß ("'Tn r2i3).
Soweit nicht Bibelstellen zur Rezitation kamen, war von den
Gebeten nur der Gedankengang fixiert, nicht der Wortlaut. Ein Bibel-
vers, ptCE, durfte, ohne daß er einen Zusatz erhielt, als Gebet, nsnn,
nicht Verwendung finden. Die Gebete können mit "llia anfangen oder
auch nicht, die meisten haben eine abschließende Eulogie, ar-n. die
zugleich den Gedanken angibt, diese kann jedoch auch fehlen. Die
Gebete werden vom Vorbeter von Anfang bis zu h]nde laut vorgetragen,
während die Gemeinde nur die Responsionen spricht. Jedes Gebet
wird für sich gesondert verrichtet, es tritt auch jedesmal ein besonderer
Vorbeter auf. Die Richtung bei der Tefilla war nach Osten, der Beter
dem Allerheiligsten des Tempels in Jerusalem zugewandt. Am Abend
fand ein Gemeindegottesdienst nicht statt. Der Gottesdienst ist im
allgemeinen kurz, ein solcher von besonderer Art ist der des Ver-
söhnungstages; da wird der ganze Tag der Gebetverrichtung geweiht,
die Liturgie ist ungewöhnlich ausgedehnt, so daß ihre Länge sprich-
wörtlich geworden ist.
5. Zum Gottesdienste gehörte ferner die Schriftvorlesung. An
den beiden Markttagen. Montag und Donnerstag, am Sabbat-Morgen
und -Nachmittag, sowie an den Festen und Halbfesten wurde aus
der Tora vorgelesen, an den Sabbaten und Festen außerdem aus den
Propheten. Der Schriftabschnitt war an den Wochentagen, Festen
und Halbfesten kurz, nur an Sabbaten länger, aber keineswegs über-
mäßig lang. An den Festen wurden auf sie bezügliche Abschnitte
verlesen, während man an den Sabbaten schon früh dazu überging.
250 Geschichte des Gottesdienstes
der Eeilie nach zu lesen, ohne an einen festen Zyklus gebunden zu
sein. Die Vorlesung wurde von Gemeindemitgliedern, die einander
ablösten, und überall, auch in der Diaspora, wenn es irgend angängig
war, in hebräischer Sprache gehalten, im Notfalle war auch die Landes-
sprache zugelassen. An die Vorlesung schloß sich die Übertragung
und Auslegung des Schriftabschnittes an. Ursprünglich waren beide
aller Wahrscheinlichkeit nach identisch, die Übertragung war nicht
wörtlich, sie enthielt zugleich die Auslegung, in unserer Epoche aber
waren beide bereits voneinander getrennt, die Auslegung war selbst-
ständig geworden, die Schrifterklärer hielten sich nicht mein* immer
an den Wortlaut der vorgelesenen Perikope, sondern knüpften daran
freie, unabhängige Betrachtungen über ein ihnen naheliegendes Thema
an; Gegenstand der Erörterung waren Einzelheiten der religiösen Praxis,
vornehmlich aber die Religionsanschauungen und Zukunftshoffnungen.
6. In den hellenistischen Ländern standen nach Philos Schil-
derung, die sich allerdings auf die Sabbate beschränkt und offenbar
von dem Bestreben geleitet ist, dem Bilde einen möglichst philoso-
phischen Anstrich zu geben, Vorlesung und Auslegung der Bibel im
VordergTunde, sie füllten den ganzen Sabbat bis zum späten Abend
aus, sie machten die Synagogen zu Lehrstätten der Aufklärung und
Tugend. Wie die Gebete dort beschaffen waren, wissen wir nicht,
wir dürfen voraussetzen, daß zumindest die Bekenntnisstücke eben-
falls vorgetragen wurden. Von den Therapeuten hören avÜ', daß sie
jeden Morgen und x\bend ein Dankgebet für das physische und das
geistige Licht an Gott richteten, daß sie am Sabbat, insbesondere aber
an ihrem großen Feste, in der Xacht des siebenten Sabbats, Dank-
gebete, Psalmen und selbstverfaßte Hymnen sangen. Die Sprache
der Diasporasynagogen war die griechische, selbst in Palästina ver-
wendeten die Hellenisten in den Synagogen das Griechische als Gebet-
sprache. Der Vortrag der Gebete geschah in derselben Weise wie in
Palästina, ein Vorbeter sprach sie laut, die Gemeinde verhielt sich
im allgemeinen ruhig und fiel nur bei den Responsionen ein.
§ 36. Der Gottesdienst in der tannaitischen Zeit.
II. Nach der Zerstörung des Tempels.
Literatur: Herzfeld, das.; Graetz, Geschichte VI; Sachs, das.
L Der Untergang des jüdischen Staates hat auf die Entwicklung
des Gottesdienstes nicht mehr Einfluß geübt als irgend ein anderes
Der Ciul tosdienst nach der Zcrsliuung des Tempels 2;")!
wicht i^os Eroifi:nis der natioiialon (lescliichtc. Die Zerstörung des
'IVinpels, das Aiifhüron dos OptVrktdtus hatten für den (jottesdienst
keineswegs eine starke Krschütteruiig im Gefolge, seine Stellung iin
reliii:iösoii Lehen war schon vorher (k'rarl gefestigt, daß in keiner Weise
ein benierkensAverter Umschwung eintrat. Es ist jedoch klar, daß der
(lottesdienst der Synagoge nunmehr den Mittelpunkt der gesamten
(lOttesverehrung bildete, daß er nicht nur in der praktischen Durch-
führung, sondern vor allem auch im religiösen Denken und in der
Theologie eine dominierende Stellung erhielt. Bis dahin wurde nicht
nur in den Synagogen, sondern auch im Temix'l gebetet, viele gingen
dorthin und nahmen an den (lebeten teil, von jetzt ab war die Synagoge
die einzige Stätte, an der die Clemeinde iJiren Gottesdienst verrichtete.
Der Denkweise einer späteren Zeit gehört die Theorie an, daß die Ge-
bete einen Ersatz für die Opfer bilden, das war eine nicht ganz sinn-
gemäße Auffassung des l'rophetenwortes irrETi" a"»"^!: ~^bTr:i (Hos.l4 •!'),
daß das Wort der Lippen die Opfertiere aufwiegen soll. Die Zeit-
genossen der Tempelzerstörung dachten nicht so. Jochanan b. Sakkai
erklärte bekanntlich die Werke der Nächstenliebe als Ersatz für das
Opfer und von keiner Autorität der tannäischen Zeit sind die Gebete
als Ersatz für das Opfer erklärt worden; man paßte die Gebetzeiten an
die der Opfer an, lebte aber im übrigen der Überzeugung, daß die Ein-
richtung der Gebete ebenso wie die der Opfer in die graue Vorzeit
zurückreiche. Der Gottesdienst hatte ja auch früher neben dem
Opfer bestanden und existierte, als dieses aufgehört hatte, in seiner
alten Kraft weiter. Die Gebetordnung als Ganzes konnte völlig im-
verändert bleiben, an den Einzelheiten der Gebete freilich mußte
mancherlei umgearbeitet werden, um den neuen Verhältnissen Rech-
nung zu tragen. Das geschah nicht durch Beseitigung der nicht mehr
zeitgemäßen Stellen, sondern durch Veränderung ihres Tenors; nach
^Möglichkeit wurden sie im herkömmlichen Wortlaut erhalten, nur
wurden kleine Zusätze eingefügt, die den Sinn in einer Weise um-
bogen, daß er der neuen Lage entsprach. So wurde damals und auch
später immer verfahren, wenn eingreifende Umgestaltungen sich als
notwendig erwiesen, und in jener alten Zeit, die sclu-iftlich aufge-
zeichnete Gebete nicht kannte, mag das die einzige Möglichkeit ge-
wesen sein, die Kontinuität zu walu'en und die Beter nicht in Ver-
wirrung zu bringen. Es kam hinzu, daß allgemein auf die baldige
Wiederherstellung des Tempels gehofft (npr- r^n r;:2^ n'nr) und
252 Geschichte des Gottesdienstes
demnach mit der Wiederbenutzung der Gebete in der bisherigen Form
gerechnet wurde.
Die Bitten um Annahme der Opfer konnten nicht in ihrem Wort-
laute bestehen bleiben, an Stelle der Bitten für die Erhaltung Jerusalems
traten solche für seine Wiedererbauung, das Erscheinen des Messias
und die damit verknüpfte Umgestaltung aller Verhältnisse wurden
noch dringlichere Angelegenheiten als vordem. Da der Gesang der
Leviten verstummt war, erhielten die Psalmen in der Synagoge eine
neue Heimstätte, einzelne Fromme machten sie zu Bestandteilen
ihres täglichen Gebetes. Auch der Priestersegen wurde beibehalten,
es wurden einige neue Bestimmungen, wie sie der veränderten Sach-
lage entsprachen, geschaffen und er wurde in die Tefilla aufgenommen;
wo Ahroniden nicht anwesend waren, trat an die Stelle des Segens
ein Ersatzgebet, innerhalb dessen der Vorbeter die Worte des Segens
rezitierte (oben S. 69). Ebenso galt es, Zeremonien, die bis dahin mit
dem Tempel verknüpft waren, wie Schofarblasen am Neujahrstage,
Palme und Bachweide am Hüttenfeste neu zu regeln ; was sich irgendwie
übertragen ließ, wurde gerettet und dem Gottesdienste einverleibt.
2. Weitere Neuerungen ergaben sich aus der religiösen Bewegung
jener Tage. Die Auseinandersetzung mit dem jungen Christentum
ließ sich nicht länger aufschieben, die Juden-Christen besuchten nach
wie vor die Synagoge, führten dort Bräuche ein, durch die sie die Beter
irre machten (Meg. Ende). Ihrem Glauben an den auferstandenen
Christus entsprechend, der, je länger die Bewegimg dauerte, immer
mehr göttliche Attribute annahm, erweiterten sie die schlichte
Berachaformel in der Weise, ^\'ie wir es in den erhaltenen Resten alter
christlicher Gebete häufig antreffen, die sehr nahe ans Heidnische
streifen. Endlich benutzten sie, wie schon das Beispiel der Apostel
zeigt, wie sich aber auch aus späteren Nachrichten ergibt, die Syna-
gogen als günstige Gelegenheit für ihre Propaganda, sie fungierten
wie die anderen Gemeinderaitglieder als Vorbeter und Prediger, sie
waren so in die Lage versetzt, ihren Ideen Ausdruck und weite Ver-
breitung zu geben. Gegen das Jahr 100 kam es zur ernstlichen
Trennung, die Juden-Christen wurden aus der Synagoge verwiesen.
Eine der Abwehrmaßregeln war die Einführung des Gebets gegen die
Minäer D'^r^an ronn, das Gamliel II. in Jamnia durch Schemuel ha
Katan abfassen ließ (bmi'ctü 1^7 "i'i:"^T2n pdii "ippb rirc 3-S C^ :2'Z2
r^zpr^ "iiip"^ t*. Ber. 28 b). Es war der ausgesprochene Zweck dieses
Der Ootli'Stiicrisl iiacli iln- Zcrsloriiii;^' di's 'l'ciiipris 25'5
(ichctrs. il(Mi .Jiiclt'ii-CliristiMi den Autciil liiill in dci' Syiia<;of^e zu
vcrliMdcii oder ganz uninöglicli zu nuichcu. (Icradc bei diesem Ge-
bete wurde streng daraul' geaelitel. daß es in korrekter Form vorge-
tragen, daü die Verwünseliungen der Miiiäcr nicht unterdrückt wurden;
ein (^u-ist konnte demnach nicht mehr als Vorbeter fungieren, er
konnte al)er auch nichl in ih'U Ixcihcn (h'r Beter stellen und es mit
anhtiren, wie eine solche \'eiwünscliung seiner (lemeinschaft ausge-
sprochen nnd allgemein mit Amen beantwortet wurde (oben S. 37 f.).
Ks gil)t noch eine andere Bestimmung, die ausschließlich aus der Ge-
^chichti> jener Zeit befriedigend erklärt werden kann. Wofern ein
Kutäer eine Beracha vorträgt, darf nur derjenige sie mit Amen beant-
worten, der die ganze Benediktion vernommen hat (Ber. VIll, Ende).
Wenn es sich um die Samaritaner handelte, wäre eine solclie Strenge
unbegreiflich, denn zugegeben, daß sie das Tetragramm in ungehöriger
Weise aussi)rachen, so genügte es, um das beurteilen zu können, die
Eulogie zu hören, es w'äre nicht der gesamte Wortlaut der Beracha
dazu erforderlich. Sonst wird, selbst wenn man von einem Heiden
eine Beracha hört, nicht untersagt, sie mit Amen zu beantw^orten,
weshalb dann die ungewohnte Strenge gegen die Kutäer? Vergegen-
wärtigen wir uns jedoch die Berachaformeln der alten Christenheit
wie diese Ei-/a()i(icoii.ii'r aoi, 7idvEQ rjitüjy, vntq ... r^g iyvwgioa^
t^ull•^la IrfOul lov rcaidog nov ool ij doia eig roig aiiova,: (Did. 82)
oder gar '() O-edg o TtaruoviQavojQ, b aytvvr^rog y.al aTCQOoiiog, . . .
0 O-Eog y.al /lacr^q rov Xqigiov oov tou f-ioroyspocg v'iod Gor und
andere Gebete der Apostolischen Konstitutionen, so finden wir,
daß der Anfang und der Schluß wohl völlig korrekt jüdisch sein
könnten; nur in der Mitte erscheinen die anstößigen Stellen, und
darum eben wurde verordnet, daß, wer Amen sagte und sich zu ihr
bekannte, die ganze Benediktion gehört haben mußte. Da \\\r wissen,
wie oft in den Handschriften T^ia in ^niD oder ähnliche Bezeichnungen
geändert wurde, werden w^ir auch in diesem Texte einen solchen
Wechsel nicht für ausgeschlossen halten, wenn auch dadurch die
Bestimmung bis zur Unverständlichkeit entstellt wurde.
Zu einer Auseinandersetzung drängte fei'ner das Verhältnis zu
den häretischen Gnostikern. Es gab verschiedene Richtungen unter
ihnen, die einen mögen diese, die anderen jene Abweichung vom
Verhalten der Gesamtheit gepflegt und gefördert haben. Verpönt
wurde besonders die Anschauung der Dualisten, derer, die an zwei
254 Geschichte des Gottesdienstes
Gewalten glaubten, die darum gemsse Worte im Gebete ständig
wiederholten (:7Btl' y^C ,3''"1^ 2"'"i^'a). Andere mögen mit dem Ge-
bete magische Vorstellungen verbunden und zu diesem Zwecke
Umstellungen der Worte, sogar völlige Umkehr der Reihenfolge (""^Eicb)
gewälilt haben. Endlich gab es solche, die nur bestimmte Eigen-
schaften Gottes gelten ließen, die seine Güte im Gegensatz zur xUl-
macht betonten und auch die walu*e Verehrung Gottes auf die Guten,
als bildeten diese einen besonderen Orden, beschränkt wissen wollten.
Alle solche Besonderheiten wurden mit mehr oder weniger Entschieden-
heit zurückgewiesen, am schärfsten naturgemäß diejenigen, die gegen
die Lelu'e von der Einheit Gottes verstießen. Ein durchschlagender
Erfolg wurde nicht sofort erzielt, und manche Abweichung, die be-
reits im zweiten Jahrhundert als verpönt galt, treffen wir im vierten
vereinzelt noch immer an.
3. Die Xot der Zeit, die politische Umwälzung und die innere
Gälmmg legten es Gamliel IL nahe, wie in \ielen anderen Dingen,
so auch auf dem Gebiete des Gottesdienstes, feste Ordnungen einzu-
richten, das, was bis dahin auf Grund der Tradition gehalten wurde,
behördlich zu regeln und anzuordnen. Die zum Bekenntnis gehörigen
Stücke hatten seit langer Zeit ihre Ordnung, an ihnen gab es nicht viel
zu verändern, nur wurde für das Abendgebet die Erwähnung des Aus-
zuges aus ÄgyiJten, die ihm früher fehlte, ebenfalls vorgeschrieben.
Freiheit und Willkür herrschten bis dahin in bezug auf die Tefilla.
Es wurde daher auf Gamliels Veranlassung eine Redaktion (^"c) der
Tefilla vorgenommen, sie war die Leistung eines sonst unbekannten
Simon, dessen Gewerbe die Flachsverwertung war ("ii"cn ^'oipEJl "jirrTt
n:ni3 ^icn'-::^ yn ^:sb ns^l n"^b. Ber. 28b). Die Redaktion ist nicht
als eine vollständige Festlegung des Gebetes von Anfang bis zu Ende
zu denken, das war um so weniger möglich, als jede beliebige Sprache
für die Tefilla zugelassen wurde (Sota VII, 1). Abweichungen mi
Wortlaute kamen weiter vor und haben nie aufgehört, ja es wurde
noch ein Jahrhundert nach Gamliel gefordert, daß der Wortlaut nicht
gleichmäßig bleibe, sondern stets Neues bringe ("Ol r.n rnnb ^ins
b. Ber. 29 b). Die Redaktion bezog sich in erster Reihe auf die Eu-
logien (riDin) und auf ilu-e Reihenfolge, aber auch die letztere galt,
wenigstens in der Theorie, nicht als unverbrüchlich, sie konnte be-
liebig gestaltet werden (^"io '-c '^üi riij-^-^S b. Ber. 34 a). Die Haupt-
sache war, daß die Zahl der Eulogien abgegrenzt wurde; sie kam auf
Der Gottesdienst nath der Zerstörung des Tempels 255
J8, und das dehot onipfiiip: davon scinon Xanicn pt-'S tttt ni'^TT; eine
solche Abf^ronziuifi: war nur dadurch zu erreichen, daU lüe Zusainmen-
fassun«!: einiger bis dahin getrennter Stücke empi'ohh'n wurde. Die
Möglichkeit, sie gesondert zu halten, wurde jedoch nicht ganz aus-
geschlossen, in einem Falle wurde später in Babylonien davon Ge-
brauch gemacht, das Gebet erhielt eine besondere Bitte für den Messias
aus dem Hause Davids als neunzehntes Stück.
Sicherlich war es schon lange vor der Redaktion Brauch gewesen,
ilaß die Tefilla nicht nur in der Gemeinde, sondern auch von einzelnen
in ilirer häuslichen Andacht gebetet wurde. Früher war darin die
weitgehendste Freiheit möglich; nun aber war das Gebet ziemlich
umfangreich geworden, es erhob sich die Frage, ob jedermann auf ein
so ausgedehntes Gebet verpflichtet werden sollte. Im Gegensatze zu
Gamliel II. waren seine Zeitgenossen hierzu nicht geneigt, ein Teil
wollte das Gebet verkürzen, ein anderer die hergebrachte Freiheit in
keiner Weise beschränken (b. Ber. 29 a), tatsächlich ist eine abkürzende
Zusammenfassung des ganzen Gebetes oder wenigstens der mittleren
Stücke (rnrr ~:T2tr 'jir'y ,i::i2n das.) im Gebrauch gewesen. Wie
stand es nun beim Gemeindegottcsdienste ? Bis dahin hatte der Vorbeter
die Tefilla laut vorgetragen, auch für ihn galt die erwähnte weitgehende
Freiheit bei ihrer Fassung; nunmehr, wo er sich an eine bestimmte
Reilienfolge und an vorgeschriebene Eulogien halten mußte, erhielt er,
bevor er das Gebet laut vortrug, einige Zeit zur Überlegung {'"'2'Ji nibc
Tas"b Ipr'a). Es trat demnach im Gottesdienste eine Pause ein, in
der sich der Vorbeter sein Gebet zurechtlegte. Sollten in dieser Zeit
die anwesenden Gemeindemitglieder, soweit sie es verstanden, die
Tefilla leise sprechen oder nicht? R. Gamliel hielt es nicht für notwendig,
offenbar weil er auf das geraeinsame Gebet den Nachdruck legte,
die Entscheidung jedoch fiel gegen ihn zugunsten des Einzel-
g e b e t s aus, von da ab Avurde die Tefilla zuerst von der Gemeinde
still gesprochen, dann vom Vorbeter laut vorgetragen. Abgesehen von
vorübergehenden und vereinzelten Abweichungen hat der Brauch
sich bis in die Neuzeit unangetastet und unverändert erhalten.
r Die Tefilla wurde Bestandteil eines jeden Gebets. Auch im Abend-
gebet, bei dem kein öffentlicher Gottesdienst stattfand, wurde sie für
pflichtgemäß erklärt. Es kam zu einem schweren Konflikte wegen
dieser Frage, der eine Spaltung im Kreise der Lehrer von Jamnia herbei-
zuführen drohte und Gamliel II. für einen Augenblick sein Amt kostete.
256 Geschichte des Gottesdienstes
Der tiefere Sinn des Streites freilich war der, ob auch das Abendgebet
einen offiziellen Charakter erhalten sollte oder nicht. In der Theorie
siegte die Meinung, daß die Tefilla ein freiwilliger Zusatz in ihm wäre,
in der Praxis aber blieb sie Bestandteil des Gebetes und nur dadurch
von den anderen unterschieden, daß sie nicht wiederholt wurde.
Die Diktion in der Tefilla war schlicht und einfach, die Fassung
der Benedüvtionen meist kurz, nach Möglichkeit an die Bibel angelehnt,
ganze Verse waren wörtlich übernommen. Durch den häufigen Ge-
brauch wurde sie verbreitet und allgemein bekannt (ns2 n^l^TT),
es gab viele, die sie ohne Hilfe des Vorbeters zu sprechen verstanden.
Vom Synagogenbesuch dürfen wir uns, zumal an den Wochentagen,
keine übertriebenen Vorstellungen machen; die Erwerbsverhältnisse
gestatteten es nicht allzu vielen, regelmäßig daran teilzunehmen, selbst
die Gelehrten waren nicht immer bereit, ilu'e Vorträge zu unterbrechen
und sich zum Gebet zu begeben. Mit Rücksicht auf diese Schwierig-
keiten durfte der Gottesdienst nicht allzu lange Zeit in Anspruch
nehmen, für sich allein konnte jeder beten, solange er wollte, aber in
der Gemeinde mußte darauf geachtet werden, daß sie nicht unnötig
belastet wurde. Die Einbürgerung des Gebetes, auch in den Ki-eisen
der Privaten, war eine vollständige. Was in keiner Religion bis dahin
erreicht war, wurde hier durchgesetzt, der religiöse Individualismus
hat einen vollständigen Sieg errungen, die persönliche Frömmigkeit
hat sich derart verbreitet, daß sie späterhin sehr oft den Gemeinde-
gottesdienst zu beeinflussen vermochte. Das alte Privatgebet, die
a'i"in~ ,2"':i2nr, blieb auch jetzt bestehen, es folgte auf die Tefilla und
war derjenige Teil der Liturgie, der von allen autoritativen Verord-
nungen unberührt blieb. Je mehr die Liturgie nach festen Regeln
eingerichtet wurde, als desto segensreicher erwies sich das Vorhanden-
sein eines Gebets, das Sache jedes einzelnen blieb, in dem er sich frei
bewegen und sein Herz ausschütten konnte, wie es ihn drängte.
4. Weitere Fortschritte macht in unserer Epoche die Differen-
zierung der Tefilla für die verschiedenen Zeiten, insbesondere für aus-
gezeichnete Wochentage. Die Unterscheidung zwischen Wochen- und
Festtagsgebeten war längst erfolgt, nunmehr trat sie auch für die
Wochentage selbst ein, soweit sie einen festlichen Charakter hatten,
für die Neumonde sowie die beiden Dankfeste Chanukka und Purim.
An den Debatten über die Gestaltung der Einschaltungen finden wir
stets Autoritäten der hier behandelten Epoche beteiligt. Ebenso wenn
Der Gottesdienst nach der Zerstörung des Tempels 257
OS sich um das bosondoro Ciohot für dio Ro<;onzcit oder den Platz der
Ilahdala am Sai)l)ataus<;ani!,i' haiidell, idjerall keinen dieselben ,\anien
wieder. Wie weit aueli der Fcstgottosdienst ausgestaltet wurde,
wissen wir nicht, ein Zufall wird es kaum sein, wenn gerade K. Akiba
der erste ist, von dem berichtet wird, daß er am Versöhnungsieste den
ganzen Tag über Gottesdienst hielt; vielleicht gehen schon auf jene Zeit
die ersten Spuren von Darstellungen der Aboda zurück.
5. Auf dem Gebiete der Schriftvorlesung gilt es bereits als Regel,
(laß der Reihe nach der ganze Pentateuch vorgelesen wird, aber an
eine bestimmte Zeit war die Vorlesung noch nicht gebunden, der Zyklus
stand noch nicht fest. Auch über die Zahl der Personen, die an den
Festen an der Vorlesung beteiligt wird, herrschen noch Meinungs-
verschiedenheiten. Die Schriftauslegung bildet nach wie vor einen
wichtigen Bestandteil des Gottesdienstes an Sabbaten und Festen.
Sie hat sich allmählich von dem Texte emanzipiert und zu freien
Vorträgen entfaltet. Eine gewisse Konkurrenz erhielt sie durch die
Vorträge der Gelehrten, die nicht immer in der Synagoge stattfanden
und an die Schriftvorlesung nicht gebunden waren. Neue religiöse
Gedanken hat jene Zeit nicht hervorgebracht. Wenn wir die Erlebnisse
jener Generation uns gegenwärtig halten, so müssen wir die Festig-
keit ihres Glaubens bewundern. Bei allem Sclnveren, das sie erfahren
hatte, bei aller Xot und allem Druck hat sie sich ein starkes Gott-
vertrauen erhalten; die Zuversicht in Gottes Gnade, die ein Erbe der
Vergangenheit war. hat sich nicht verloren, die religiöse Stimmung
ist nicht verdüstert oder getrübt, mit dem Gebet ist die unerschütter-
liche Hoffnung auf seine Erhörung verbunden.
6. Der Aufstand unter Bar Kochba und die hadrianischen Ver-
folgungen führten den völligen Zusammenbruch des jüdischen Ge-
meinwesens, die Zerstörung aller Verbände und Institutionen herbei,
hatten die Verlegung des Zentrums des jüdischen Lebens aus dem
Süden Palästinas nach dem Norden zur Folge. Im Zeitalter der Re-
stauration (nach 140) galt es zunächst, die Zerstreuten zu sammeln,
die alten Ordnungen wiederherzustellen. Die Männer, welche die
klassische Zeit noch gekannt hatten, waren sämtlich ausgestorben,
infolge der gi-oßen Erschütterung w^ar die Tradition gelockert, in
manchen Stücken unklar geworden, in anderen gänzlich in Vergessen-
heit geraten. Es gibt in jeder Gemeinschaft zahlreiche Institutionen,
die rein gewohnheitsmäßig weitergeführt werden, ohne daß man sich
Elbogen. Der jüd. Gottesdienst. 1'
258 Geschichte des Gottesdienstes
Über das Verfahren bei ilmen Rechenschaft ablegt; erst wenn irgend-
eine Unterbrechung in ihrer regehnäßigen ÜlDiing eintritt, beginnt
man über die Einzelheiten nachzudenken, die dann häufig dem Ge-
dächtnisse entschwunden sind oder, wie sich herausstellt, sich der
Anschauung nie deutlich eingeprägt haben. Nachdem die Gebet-
versammlungen längere Zeit verboten, die in Judäa eingeführten
Bräuche vielfach gestört waren, mußte zunächst an die Wiederher-
stellung des alten Gottesdienstes gegangen werden. Zweifellos er-
eignete sich liierbei bisweilen, daß die maßgebenden Männer einseitig
nur ihre persönliche Überlieferung oder Anschauung zur Richtschnur
nahmen und abweichende Gew^ohnheiten unterdrückten, die früher
voll anerkannt waren. In der Regel wurde jedoch der Tradition
Rechnung getragen, weil man nur so den Gottesdienst in der rechten
Art verrichten zu können glaubte.
In sehr vielen Fragen des Gottesdienstes finden wir die führenden
Mäimer der hier behandelten Zeit mit Diskussionen beschäftigt, die
einen Einblick in die neue Richtung und die neuen Schwierigkeiten
gewähren. Bei den Neujahrsgebeten z. B. begegnen uns immer wieder
dieselben Namen bei der Arbeit, die alte Tradition nach Möglichkeit
wiederlierzustellen. Die Reihenfolge der Gebete, die Herstellung der
Neunzahl, die Bibelverse, die Eulogien, alles, schien mit einem Male
unklar; in Whklichkeit lag es so, daß vordem mehrere Bräuche gleich-
berechtigt nebeneinander hergingen, während nunmehr eine einzige
feststehende Ordnung gewünscht wurde. Derartige Schwierigkeiten,
die bisweilen durch den Einfluß hervorragender Persönlichkeiten,
bisweilen dmx-h die Verschiedenheit der lokalen Sitten bedingt waren,
mußten überwunden, entgegenstehende Anschauungen miteinander
vereinigt werden. Wichtig ist, daß selbst in jenen Jahren der grau-
samsten Verfolgung der Geist der alte geblieben war. Von trüben Ge-
danken der Resignation und Verzweiflung, von einem ungesunden,
selbstquälerischen Schuldbewußtsein ist nichts zu bemerken, die
frühere Hoffnungsfreudigkeit besteht in der alten Ki-aft fort.
7. Neue Gebete sind in der Zeit kaum eingeführt worden, allen-
falls wurden alte erweitert. Man sieht, daß die Zeit nicht mehr die
Kraft zu eigener Betätigung in sich fühlte und sich an dem Besitze
der Vergangenheit genug sein ließ. Dementsprechend wird der Ka-
suistik über die Gebete die peinlichste Aufmerksamkeit gewidmet.
Gebetzeiten z. B. haben auch früher bestanden, nach althergcbiachter
Der Gottusdieiist nach dorn Har Kochba- Kriege 259
Sitte vei'sanimcltc man sich zu den ji^cwohnleii Stunden im (jottes-
hause. Nunmehr aber wird darüber einf^ehend rellektiert und beraten,
es werden die Anfangs- und Kndslunden, zu denen jedes Gebet statt-
liafl ist, abgegrenzt; die t'iiiheren (lest lilcciiter gestatteten sich mehr
Freiheit (hirin. die späteien wünschten in aHen Dingen genaue N'or-
schril'ten, feste Ordnungen. Ks galt aligemein als (irund.-atz, daß
man im Einklang mit der Tradition der Vergangenheit bleiben müßte.
J)a aber die Lehensverhältnisse andere geworden waren und die Be-
ziehungen der alten Überlieferung nicht mehr immer deutlicli waren,
führte das vielfach zu Mißverständnissen und irrigen Ik^stimmungen.
Der grundsätzliche Irrtum ist der, daß jede Einzelheit des Gottes-
dienstes als auf altüberlieferten Gesetzen lieruhend gedacht wird,
während in Wirklichkeit die meisten sich in freier Entwicklung
herausgebildet haben. Auch Störungen, die beim Gottesdienst ein-
treten können, gel)en Anlaß zu zalilreichen Erörterungen. Dabei ist
das Ziel, das offenbar den Gelehrten vorschwebt, die Einzelfälle nach
Möglichkeit zu erschöpfen, in keinem Falle erreichbar. Selbst über
den Umfang der Aufmerksamkeit, die dem Gebete gewidmet werden
muß (nro), wird verhandelt. Man darf freilich nie vergessen, daß die
in der Halacha niedergelegten Bestimmungen nur die äußere Korrekt-
heit betreffen ; sie sind etwa den Gebetordnungen oder Agenden unserer
Tage zu vergleichen. Die innere Frömmigkeit war Sache des einzelnen,
sie wurde in den liagadischen Erörterungen besprochen; dieselben
Lehrer, die in der Halacha dialektisch vorgehen und das Gebet
in Ketten schlagen, haben in der liagadischen Auslegung und Er-
mahnung ganz andere Anschauungen darüber geäußert. Es ist ein
Geist tiefer Frömmigkeit und lebendiger Religiosität, den ilire
Worte atmen.
Der Richtung der Zeit entsprechend werden die Besonderheiten
der Gebete an ausgezeichneten Tagen behandelt, die Veränderungen,
die Einschaltungen und etwa dabei mögliche Irrtümer. Die Juristen
haben sich der Frage bemächtigt, sie regeln sie nach ihrer Art durch
Aufstellung von Ordnungen; da nichts, was zum Gottesdienst gehört,
aufgeschrieben werden darf, ist die Ausarbeitung einer Agende nicht
möglich und so müssen all diese Einzelheiten der kasuistischen Dis-
kussion nnterworfen werden. Das Leben und die whkliche Andacht
blieben vom Streite der Gelehrten zunächst unberührt, es blieb
innerhalb des Gottesdienstes viel Freiheit bestehen, von späteren
17*
260 Geschichte des Gottesdienstes
Zeiten jedocli wurden solche Auseinandersetzungen aufgegriffen, als
maßgebend angesehen und zum kodifizierten Recht erhoben.
§ 37. Der Gottesdienst in der amoräischen Zeit.
Literatur: Zimz, das.: Graetz, Geschichte, IV ^, besonders Note 39,
S, 464 ff.
1. Einen wdehtigen Fortscliritt in der Entwicklung des Gottes-
dienstes brachte die amoräische Zeit. Die bereits hervorgehobene
Schwierigkeit, daß in den Quellen Berichte aus langer Zeit unver-
mittelt nebeneinander stehen, liegt auch hier vor, denn es ist die Arbeit
von drei Jaln'hunderten, über die der Talmud gemeinsam berichtet,
ohne daß es immer leicht ist zu unterscheiden, was einer früheren und
was einer späteren Generation angehört. Die Amoräer fanden einen
Stamm von Gebeten bereits vor, das Gemeindegebet war aller Orten
seit langer Zeit eingeführt, die einzelnen waren daran gewöhnt, ihre
Andacht regelmäßig zu halten; auf dem Boden des Bestehenden
wurde nunmehr die weitere Entwicklung angebahnt. Sie vollzieht
sich in Palästina und Babylonien gleichzeitig, aber nicht gleichmäßig;
wie in vielen anderen Gebieten bilden sich auch in den Gebeten gewisse
Unterschiede heraus, der Ritus in Palästina wird ein anderer wie
der in Babylonien.
2. Das Bestreben der Amoräer ging in erster Reihe dahin, feste
Formen für den Gottesdienst zu schaffen, allgemeingültige Ordnungen
einzuführen, von denen nicht abgewichen werden sollte. Das konnte
am besten gelingen, wenn alle Glieder der Gemeinde am Gebet
der Gemeinde, am Gottesdienste in der Synagoge teilnahmen.
Gegenüber dem Schweigen der vorangegangenen Zeit ist es mehr als
auffallend, welch hohe Bedeutung von den Amoräern dem Gottes-
dienste in der Gemeinde beigelegt mrd. Aus der außerordentlich
großen Anzahl von Aussprüchen, in denen dieser Gedanke zum Aus-
druck gelangt, können hier nur einige wenige angefülirt werden; am
Anfange des Tr. Berachot begegnen sie uns auf jeder Seite. „Wo zehn
beten", so lesen wir, „weilt Gottes Majestät unter ihnen". „Gott selbst
befindet sich in der Synagoge" oder gar ,,das Gebet findet überhaupt
nur Erhörung, wenn es in der Synagoge gesprochen wird" (b. Ber. 6 a f.).
Darum wird es als sehr verdienstvoll hingestellt, die Synagoge zu be-
suchen, als häßlich, es zu unterlassen; die Babylonier sind berühmt und
l)t'r Gottesdienst in der amoräischeii Zeit 261
{^oscliälzt, weil sie des MorRons früh und des Aheiids spät die Syiiaj^oge
aul'siK'lileii (das. 8 a). Ks fehlt auch nielil an \Vi(leis|)rucli {^egen
eine solche Bewertung. Den Gelehrten gefiel es durcliaus nicht immer,
daß die rnterhreclumg der Lehrvorträge zugunsten des Synagogen-
hesuches eintreten sollte, sie erklärten, in bewußtem Gegensätze zu
jener Überspannung, die vier Wände des Lehrhauses für Gott wohl-
gefälliger als alle Bethäuser (R. Chisda das.), und manche von ihnen
verrichteten ihr Gebet dort im Tichrhause, wo sie ihre Vorträge hielten;
ja es konnte sogar vorkoniiuen, daß Gelehrte im Bet hause selbst
während eines Teiles des Gottesdienstes, während der Toravorlesung
z. H., ihre Studien fortsetzten (das.).
Aber auch wer nicht in der Synagoge betete, sollte nach der da-
maligen Anschauung wenigstens zur gleichen Zeit wie die Gemeinde
sein Gebet verrichten, denn das wäre die vom Psalmisten erwähnte
G n a d e n s t u n d e (1"I21 rr). Es sei hier nur eine Erzählung
angeführt, die auf die behandelten Bestrebungen ein helles Licht
wirft. Wh' lesen b. Ber. 7 b: R. Jizchak sprach zu R. Nachman (b.
Jakob um 300): AVarum kommt mein Herr nicht in die Synagoge,
um zu beten? — ,,lch kann es nicht". — Dann sollte er zehn Männer
bei sich versammeln und beten. — ,,Ist mir zu beschwerlich". — Dann
sollte er dem Vorbeter den Auftrag geben, ilim von der Stunde, in der
die Gemeinde betete, Mitteilung zu machen! — „Ja, was soll denn
das alles?" — Dem Worte R. Jochanans genügen, der im Xamen
Simons b. Jochai überliefert : der Psalmvers 69 14 hat folgenden Sinn :
,,wann ist die rechte Zeit des Wohlgefallens? in der Zeit, in der die
Gemeinde betet.'" Das Gespräch der beiden Gelehrten ist außerordent-
lich lehrreich, der Eifer des einen und das Staunen des anderen sind
in gleicher Weise bezeichnend, R. Nachman hat offenbar keine
Ahnung von den Bestrebungen, die seinem Ausfrager eine wirkliche
Herzensangelegenheit sind.
Ebenso wie die Gemeinde soll auch der einzelne danach streben,
stets an demselben Platze zu beten. Das Gotteshaus ist ein ,. Heilig-
tum im Kleinen", es werden, wie wii' sehen werden, eine Anzahl Forde-
rungen an seine Lage, seine Bauart gestellt, die es dem großen Heilig-
tume gleichsetzen. Aber auch im eigenen Hause müssen in dem Räume,
der zum Gebet verwendet wird, einige dieser Bedingungen erfüllt
sein. Entsprechend der Bedeutung des Gebets muß es das erste sein,
womit der Mensch seinen Tag beginnt, vorher darf weder irgend eine
262 Geschichte des Gottesdienstes
Arbeit unternommen, noch irgend etwas genossen werden; die älteren
Amoräer pflegten noch das Tagewerk mit dem Lehrvortrag zu be-
ginnen, das galt den jüngeren als durchaus ungehörig (b. Ber. 14 b).
E i n Gebet ist es besonders, dessen Verbindlichkeit eingeschärft wird.
Das M i n c h a gebet hatte eine recht ungünstige Stellung, außerhalb
des Tempels war es schwer durchführbar; mitten am Tage gehalten,
störte es den Beruf, und am Abend kollidierte es leicht mit dem Abend-
gebete. Es ist gar keine Frage, daß es häufig vernachlässigt wurde,
es mußte daher eindringlich eingeschärft werden, ,,auf das Mincha-
gebet besonders bedacht zu sein" (b. Ber. 6 b, vgl. 28 b). Auch das
Abendgebet wurde zum Gemeindegebet erhoben und unmittelbar beim
Einbrüche der Nacht gesprochen, die Folge war, daß später das Lesen
des Schma kurz vor dem Schlafengehen noch einmal angeordnet und
daß auf diese Weise ein neues Xachtgebet (pz'cr, i:~ "rr rs«i-!p) ein-
geführt wurde.
Bei der gesteigerten Bedeutung, die dem Beten beigemessen wurde,
galten lange Gebete nicht als verpönt, sie wurden vielmehr als Ge-
währ sicherer Erhörung angesehen; besonders für Notstände, für
Zeiten der Gefalir wurden Einschaltungen gestattet, selbst ihre Auf-
nahme innerhalb der Tefilla nicht verwehrt. Die alte Techinna be-
stand als Privatgebet fort, aber die Kunst, selbständig zu beten, das
Vertrauen zum eigenen Gebete waren im Schwinden, man nahm zu
den Mustern die Zuflucht, welche berühmte Männer darboten, ihre
Privatgebete wurden der Gesamtheit überliefert und dann nach-
geahmt.
3. Der Sinn der Zeit für das Gebet prägt sich in der weiteren Aus-
gestaltung der bereits vorhandenen Vorlagen aus, die einfachen For-
meln werden ausgebaut, an Stelle der gleichmäßig wiederkehrenden
Gebete treten verschiedenartige. Insbesondere in Babylonien wurde
eine große ^Mannigfaltigkeit der gottesdienstlichen Formen und For-
meln geschaffen. Die intensivere Pflege des religiösen Lebens, die
Heranziehung der breiten Massen zur religiösen Betätigung vom Be-
ginne des amoräischen Zeitalters an prägt sich auf unserm Gebiete
recht deutlich aus. Mar Samuel und sein Genosse Abba Areka, als
Lehrer schlechthin Rab genannt, die Begründer des Talmudstudiums
in Babylonien, haben auch für den Gottesdienst Außerordentliches
geleistet, fast in allen Gebeten finden wii- die Spuren iln-er Tätigkeit.
An der Formulierung der Beracha finden wii- Rab beteiligt (b. Ber. 12 a).
her <'.()ltcs(ii('iist in der aiiiuraisclion Zfil 263
Die T^ciu'iliktioncii vor iiiul nach doiii Scliiiia, die iirs|)rüii;flicli für
Muri!;i'n uiul AIxmkI j^lcicli laiitcii. werden variiert, von Sanuiei riilirt
nm ~n~s im Morii;engel)et lier(l). Ker. II h), anf l\al) gellt die l'nler-
selieidnni;- von n^'j:"'" rrs nnd r.rrs" r"C5< znrüek (das. 12 b). Beide
beseliät'tii!;en sieh mit der Abkiirznng der Tefilia, Saninel überliefert
die zusammenfassende Formel """'^n (das. 29 a); Kab hingegen ist
an der Einführung der Bitte für den Messias aus dem Hause Davids
beteiligt (b. Sanh. 107 a), die aus Verehrung für das Kxilarehenhaus
in Babylonien abgefaßt wurde (b. Pes. 117 b). Beim Sabbat- und
Festgottesdienste sind die Einwirkungen der beiden Gelehrten noch
iiaehhaltiger, denn wahrscheinlich ist überhaupt erst in ihrer Zeit
manches von dem, was wir heute besitzen, neu geschaffen worden.
So wurde in Babylonien in jener Zeit der Abendgottesdienst am lüin-
gang der Sabbate und Festtage eingerichtet, am Freitag Abend sogar,
um dem Gebet eine längere Ausdehnung zu geben, mit einer eigenen Art
von Wiederholung der Tefilia (rnr ]-'"'C rns« res oben S. 111). Auch
die Einfügung der Bibelverse in die Tefilia für Freitag Abend wird
auf Rab zurückgeführt (b. Schabb. 114 b), und wahrscheinlich sind sie
von da aus auch in die anderen Tefillas des Tages eingedrungen. Die
^lusaftefilla wurde in Erinnerung an ihren Ursprung aus den Maamad-
versammlungen (oben S. 237) nur als Gemeinde gebet gehalten,
so kannte und verordnete sie noch Mar Samuel, doch schon zu seiner
Zeit hatten auch Private begonnen, sie zu sprechen. Im Wortlaute
war sie den anderen Tefillas gleich (vgl. "^b:: -"m "'bii b. Ber. 30 b),
Rab jedoch brachte sie mit dem Musaf o p f c r in Verbindung und
forderte infolgedessen eine Änderung des Wortlautes, er wünschte
darin einen Hinw-eis auf das Opfer (j. Ber. IV, 6, f. 8 c). Logisch
gedacht war das nicht, denn wären die Gebete als Stellvertretung der
Opfer anzusehen, dann müßten auch das tägliche Achtzehngebet
und die anderen Sabbat- und Festgebete eine Erwähnung ihrer Eigen-
schaft als Ersatz des Opfers enthalten, dennoch ist die Forderung,
die einer damals weitverbreiteten Anschauung entsprach, durch-
gedrungen, das Musafgebet erhielt einen derartigen Zusatz. Die
Folge der Einfügung war, daß in das Musaf der Festtage auch ein
Hinweis auf die einstmalige W^allfahrt aufgenommen und daß später
für die Musaftefilla eine neue Einleitungsformel (iri<i:n ■^:e12"') ver-
faßt wurde, so daß sie ein von den andern ganz und gar verschiedenes
Aussehen erhielt. Für die Festtage haben wir von beiden ferner das
264 Geschichte des Gottesdienstes
am Sabbatausgang einzuschaltende Stück, die babylonische ,, Perle"
"!:7"'"i^n, zu der aller Wahrscheinlichkeit nach auch n:rini nri? und
"1:3 irn gehören (oben S. 133). Auch an den Gebeten zur Begleitung
des Sündenbekenntnisses am Versöhnungstage sind beide beteiligt
(b. Joma 87 b), für die Tefilla der 10 Bußtage führt Hab die Formeln
•j:Mpn i;b'Qn und -jstt^- Y-''2n ein (b. Ber. 12 b). Recht deutlich ist
die Art seiner Tätigkeit an der Bearbeitung der Xeujahrsgebete zu er-
kennen. Die Einleitung zu den niTiDT heißt in den Quellen ausdrück-
lich 3"i "»n" 55r:^''"'pn, aller Wahrscheinlichkeit nach gehören ihm aber
auch die Einleitungen zu den beiden anderen Stücken an. Vorher
bestanden alle drei aus Bibelversen, die lose aneinandergereiht
und durch eine Eulogie abgesclüossen waren, Rab war es, der sie zu
Gebeten ausgestaltete, indem er zunächst den Sammlungen von
Bibelstellen Einleitungen vorausschickte und darin den religiösen
Gedanken dieser dem Neujahrstage eigentümlichen Gebete zusammen-
faßte, sodann aber sie durch eine ihrem Inhalte angepaßte Bitte
abschloß. Die Anlage aller drei Stücke ist so gleichmäßig, daß wir
an ihrem gemeinsamen Ursprünge zu zweifeln keine Ursache haben,
ihre Gedanken sind so erhaben, ilire Sprache ist so edel, daß wir Rab
als Beter einen recht hohen Rang zuerkennen müssen.
Es wären noch viele Einzelheiten hervorzuheben, die auf ihn
und Mar Samuel zurückgehen (vgl. z. B. b. Ber. 60 b, j. das. I, 8 f. 3 d
über a">n^, j. Sukka, III 4), sie verraten alle das gleiche Bestreben,
den Gottesdienst und die Gebete einheitlich auszugestalten, die vor-
handenen Gebete weiter auszubauen und Lücken durch Einführung
neuer zu ergänzen.
In Palästina ist ilir Zeitgenosse R. Jochanan nach derselben
Richtung hin bemüht gewesen, auch von ihm ist eine große Zahl von
Einzelheiten überliefert, die ihn bei der Schaffung einer Ordnung im
Gottesdienste zeigt. Daß er ebenfalls neue Texte abgefaßt hat, wird
nicht berichtet, es ist auch nicht sehr wahrscheinlich, daß er es getan,
denn es lag für die palästinischen Autoritäten keinerlei Veranlassung
vor, ihre alte Überlieferung zu verlassen und neue Gebete dafür ein-
zusetzen.
Von späteren Amoräern treten die Xamen Abbaje und Raba
wieder im Zusammenhange mit Fragen der Gebetordnung häufiger
hervor (vgl. z. B. b. Ber. 27 b. 29 a: Pes. 117 b; Joma 87 a; Sota 40 a
u. ö). Xicht minder hat sich ihr Jünger R. Papa an der Ausgestaltung
Der dollesdiensl in cIlt amuraisclien Zeit 265
der (iebt'tc l)etoilis:t. meistens iiaeli der Rielitiin«; hin, daß er in den-
jenigen Fällen, in denen eine nielirl'aelie Cberliel'erung von Gebeten
oder Eulogicn vorlag, empfohlen hat, die Texte zu vereinigen und
auf diesem Wege der Sehwierigkeit der Entscheidung aus dem Wege
zu gehen.
4. Was die Quellen au lunzelheiten uiul besonders an datier-
baren über lue Ausgestaltung der Gebete in der amoräischen Epoche
berichten, ist im Verhältnis zu der langen Zeit blutwenig, doch es
verlohnt einmal, im Zusammenhange zu betrachten, wie weit die Ent-
wicklung des Gottesdienstes damals gediehen sein mag. Da ergibt
sich folgendes : Die gottesdienstliche Ordnung, soweit es sich um
Gebetzeiten und um den Aufbau der Liturgie handelt, steht im
großen und ganzen fest und ist von der heute üblichen wenig ver-
schieden. Soweit jedoch der W o r 1 1 a u t der Gebete in Frage kommt,
dürfen wir sagen, daß da noch so gut wie alles im Flusse ist;
selbst am Ende unseres Zeitalters sind noch immer auffallend wenig
Gebetstücke in ihrem Wortlaute bestimmt. Es wird kaum ein Stück
der Liturgie im Talmud erw^ähnt, ohne daß Differenzen im Wortlaute
angegeben sind, ja, bei der sprunghaften Art des Talmuds kann man
bezweifeln, ob sie überhaupt genannt werden würden, wenn nicht
jene Differenzen zu behandeln gewesen wären. Selbst die Grundform
der Beracha wh-d noch diskutiert; noch Abbaje in der Mitte der Amo-
räerzeit neigt dazu, die Ansicht Rabs anzuerkennen, während die allge-
mein angenommene Formel der entgegengesetzten Anschauung
R. Jochanans entspricht (b. Ber. 40 b). Von den Stücken vor und nach
dem Schma kann nicht eines einen festen Text gehabt haben, weder
im Morgen- noch mi Abendgebete; wie es mit dem dritten Abschnitte
des Schma am x\bend gehalten werden sollte, darüber herrschte eben-
falls keine Einigkeit. Zur TefUla werden verschiedene Abweichungen
berichtet, einige Vorbeter gestatteten sich, Texte vorzutragen, die
niemand kannte und erwartete. Was uns davon berichtet wird, ist
nur ein kleiner Teil der wirklich vorhandenen Varianten; wie zahlreich
sie waren, ergibt die stattliche Reihe, die bei der Einzelbesprechung
der Tefilla angeführt werden mußte (§ 9). Besonders strittig sind die
Einschaltungen für ausgezeichnete Tage, sowie die Abkürzung ":m".
Was nach der Tefilla kommt, ist ganz und gar unbestimmt, der eine
pflegt a-irinr zu beten, der andere unterläßt es. jeder handelt nach
seinem Belieben (-rbsr nni5 a"i:i:nr •"^-b b^:' b. Ber. 29 b): einen
266 Geschichte des Gottesdienstes
bestimmten Text dafür gibt es nicht, von einer Anzahl von Gelehrten
sind ihi^e persönlichen Gebete überliefert, in denen jeder seinen Neigungen
folgte. Anch an den Festtagen waren Schwankungen vorhanden,
sowohl bei den Gebeten für die Wallfahrtsfeste als auch bei denen für
die ernsten Feiertage werden solche überliefert. Liest man z. B.
die Verhandlungen über die nirb^ usw. am Xeujahrstage oder
über das Sündenbekenntnis am A^ersöhnungstage, so wird man gewahr,
daß fest bestimmtes Material überhaupt noch nicht vorlag und daß
bis dahin alles dem freien Ermessen überlassen w^ar. Zahlreiche Einzel-
heiten der Schriftvorlesung sind gleichfalls unbestimmt und der
Diskussion unterworfen, ohne daß sofort eine Entscheidung getroffen
wird; es darf daher nicht Wunder nehmen, wenn dieselben Fragen
mehrere Generationen hintereinander umstritten werden. Wieder-
holt — und diese Tatsache verdient die größte Beachtung — werden
im Talmud Vorbeter gelobt oder getadelt, weil sie dies und jenes getan
oder unterlassen haben; solche Äußerungen des Beifalls oder des
Mißfallens sind nur für den Fall angebracht, daß der Vorbeter nicht
an einen festen Text gebunden ist, vielmehr über eine gewisse Be-
wegungsfreiheit verfügt. Das Zeitalter der Amoräer fühlte noch
immer hinreichende Befähigung in sich, selbständig seine Gebete zu
verfassen; die wenigen Gebete aus jener Zeit, deren Text überliefert
ist, zeugen von starker Ki^aft, von gesunder religiöser Anschauung,
von hoher Begabung, religiöse Gedanken und Empfindungen aus-
zudrücken. Eine solche Zeit konnte die Bindung des Wortlautes der
Gebete nicht vertragen, so liefen zahlreiche Texte nebeneinander her;
bis zu einem gewissen Grade wii'd durch die Tradition an den wich-
tigsten Zentren die Gleichmäßigkeit hergestellt worden sein, aber es
bildeten sich auch Differenzen heraus, die sein* lange bestehen blieben
und die zu stören niemand ein Interesse oder die Absicht hatte.
5. Die wichtigsten Unterschiede waren diejenigen zwischen
Palästina und Babylonien. Was später davon zusammengestellt
worden ist (bs^iiri |"^s« i:nb bns ^;i ■■'n '^^^rr.^ """"ri), betrifft meist
nur das äußere Verhalten beim Gottesdienste; die Differenzen in den
Gebeten, die wu" hier hn Auge haben, sind nkgends gesammelt, nur
gelegentlich erfahren wir von ihnen, ganz besonders haben die neuen
handschriftlichen Funde, die zum gi'ößten Teil die p a 1 ä s t i n i s c h e
Überlieferung wiedergeben, es ermöglicht, die Verschiedenheiten
kennen zu lernen. Einige Beispiele sollen zeigen, was gemeint ist.
1)(_T Goltcsdiensl in der aiiiuräisclit'ii Zeil 267
Dil" Scliliiüformt'I dvv r.b'sij lautete in l'alästiiia <j:('inäß den alten
Qiielh'ii 'bs:«' rs^T"" ""'J: ['''C), der Bahylonier Kaba liinj^egen ver-
ordnete rST"" rs«:« (b. Pes. 117 b); (lerni. hat an Festtagen, wo die in
Palästina zuerst entstandenen Piutiin eingeselialtet werden, tatsäelilieh
noch die palästinische Kwlogie "bSj" bi^T"' ~""^ i'z'C. Bei gleichem An-
lasse iiat tlerni. im Morgengebete die in lt. stets vorhandene Schliilj-
formel a'^m r'^TTT -"ns Vrsn, der Ursprung ist derselbe. Für das vor-
hergehende Z'^rri«^" br . . . n'^::"^" r'CS l)esitzt Germ, eine kurz
zusammengedrängte Fassung, die gleichfalls in Verbindung mit einem
Piut zur Anwendung gelangt. Die genannten Texte finden sich
sämtlich auch in den aus der (ienisa zu Kairo gekommenen Hand-
schriften, sie zeigen, daß hier Elemente des palästinischen Ritus
vorliegen, welche mit den Piutim zusammen nach Deutschland über-
tragen worden sind, im Abendgebet hatte der palästinische Ritus
in der letzten Benediktion täglich die Eulogie ^''bTi' rrc ri^2 usw.,
während in Babylonien zwischen Wochentagen und Festen ein
Unterschied gemacht wurde.
Die T e f i 11 a bestand in babylonischer Rezension aus neunzehn,
in palästinischer aus achtzehn Stücken, das hat jahrhundertelang
fortgedauert und macht sich noch heute in It. und Germ, überall da,
wo Kerobot eingeschaltet werden (§ 32), geltend. Der Wortlaut der
dritten Renediktion der palästinischen Fassung T^iT s?"!":' nra« C'^'p
hat sich in den Gebetbüchern nur an den beiden ernsten Festen er-
halten: hingegen ist die von Rab für die Bußtage eingefühi'te Eulogie
■r"~pri Y~^~ in Pal. unbekannt geblieben. Der palästinische Text
der r~""nr hat sich in Südfrankreich erhalten, seine Eulogie finden wir
auch in Germ, da, wo der Priestersegen stattfindet. Die Eulogie am
Ende der Tefilla aibiE" mr"'~ ist in den Gebetbüchern nur in den Buß-
tagen zu finden, wird aber durch alte Quellen als der einstmalige
tägliche Abschluß bezeugt. Auch bei den Einschaltungen waren
Gegensätze vorhanden. Die Keduscha wurde in Palästina nur an
Sabbaten und Festen, in Babylonien täglich gesprochen. Der Priester-
segen fand in Babylonien, da wo Ahroniden nicht anwesend waren,
in der Weise statt, daß die betreffenden Sätze der Bibel vom Vor-
beter vorgetragen wurden. In Palästina galt das nicht als statthaft
und nur der Nachsatz ^rt" durfte gesprochen werden. An Fasttagen
ließ man in Palästina andauernd wie in alter Zeit den Priestersegen
mehrmals sprechen, in Babylonien hingegen nur einmal. Von den
2g3 Geschichte des Gottesdienstes
gelegentlichen Einschaltungen verwendete man in Palästina im Sommer
b"L:n T^iTa, was in Babylonien unbekannt war, allerdings auffallender-
weise später auch in den sonst vom babylonischen abhängigen Riten
angenommen worden ist.
In den Sabbatgebeten hatte der palästinische Ritus andere Ein-
lagen für die Tefilla als der babylonische, die Einleitung der Musaf-
tefilla in Seph. r'^i:: mr^b geht auf eine palästinische Quelle zurück.
Die Tefilla der Festtage hat sich in beiden Ländern in völlig ver-
schiedenen Gestalten ausgebildet; nicht nur, daß die Abweichung
der Musaftefilla gegenüber den andern in Pal. recht gering war, sich
fast nur auf die Bibelverse beschränkte, wichen auch der Gedanken-
gang und der Aufbau der palästinischen Tefüla von der babylonischen
sehr erheblich ab. Dazu kam, daß die Babylonier die zweiten Feier-
tage hatten und daß sie gewisse Modifikationen des Kalenders durch-
setzten.
Für die T o r a v o r 1 e s u n g führten die Babylonier den e i n -
jährigen Zyklus an Stelle des drei jährigen ein, womit naturgemäß
auch eine Veränderung der Haftara verbunden war. Dort wurden
ferner die Festtagslektionen mit Rücksicht darauf, daß jedesmal zwei
Feiertage zu bedenken waren, geändert; ebenso wurde dort an Tagen,
die ein Musafgebet hatten, sowie an den vier ausgezeichneten Sabbaten
die Mafthperikope eingeführt, was zur Folge hatte, daß an solchen
Tagen nicht nur aus einer, sondern aus zwei Torarollen gelesen wurde.
In Palästina erhielt sich lange die Sitte, daß die zur Tora Aufgerufenen
selbst ihren Abschnitt lasen, während in Babylonien schon früh der
Vorbeter seine Unterstützung bemi Vorlesen gewährte. In Palästina
kannte man wie in alter Zeit nur eine Benediktion vor und eine nach
der Tora Vorlesung, in Babylonien hingegen begleitete ein jeder seinen
kurzen Abschnitt mit je einer Benediktion am Anfange und am Ende.
Die Benediktionen der Haftara wurden in Babylonien weiter ausge-
staltet als in Palästina, besonders die mittlere hat eine ähnliche Wand-
lung durchgemacht wie das ihr verwandte Stück der Tefilla.
In Babylonien selbst müssen in den verschiedenen Gegenden
abweichende Bräuche vorhanden gewesen sein, und es ist sehr wahr-
scheinlich, daß im Laufe der Zeit durch den verschiedenartigen Einfluß
angesehener Führer die Differenzen zunahmen. Von Rab wird erzählt,
daß er sehr erstaunt war, in einer Gemeinde am Xeumondstage die
Hallelpsalmen rezitieren zu hören, daß er sich jedoch aus der Ait und
IhT (lut Ifsdiciist in der anioiMisclicii Zeil 269
\V('it;o, wio das iroschali. rasch davon üborzcuf^to, eino alto t^bci-
liofciimf; vor sich zu haben (b. Taan. 28 b). Kbciiso f^iii}^ es ihm bei
andern CicU'fictihcilcn, daß er sich Bräuchen gegenüber sali, die ihm
tr(>md waren (vgl. z. H. b. Meg. '22 a). Wichtig ist. aber vor aMem, daß
trotz aUen Strebens nach SchalTung von festen Normen sich sehr viel
Individuelles erhielt. In Babylonien bestand jedenfalls seit
alter Zeit eine eigene Tradition, die an vielen und wichtigen, aber
nicht an allen Punkten von Palästina aus beeinflußt werden konnte.
G. Die Tendenz der Amoräer ging nach zwei Picht ungen hin,
alles in feste Formen zu bringen und das für mustergültig gehaltene
Beispiel l)erühmter ^länner nachzuahmen. Die mehrfach erwähnten
Privatgebetc können nur dadurch bekannt geworden sein, daß Jünger
sie sich von ihren Lehrern erbaten und weiter überlieferten. Das
Beispiel, das die Lelu-er gaben, wurde nach jeder Richtung hin bis
auf die kleinsten und sclieinbar unbedeutendsten Handlungen studiert
und nachgeahmt (T^^'^ "^-5* "ilsbbT S^Ti mir); da kann es nicht wunder-
nehmen, wenn bei einem so wichtigen Gebiete, wie es das Gebet ist,
ebenfalls selir sorgfältig das Vorgehen berühmter Männer beobachtet
und zur Nachahmung empfohlen wurde. Das konnte verhängnisvoll
werden, indem aus solchen Bräuchen, die ein einzelner für sich
annahm, aus Erschwerungen, die er für seine Person sich auferlegte,
ohne jemals daran zu denken, sie für andere verbindlich zu machen,
mit der Zeit allgemein gültige Normen gebildet wurden.
Das geschah im amoräischen Zeitalter noch nicht oder nur selten, aber
in späteren Jahrhunderten mehr als einmal und nicht immer zum
Nutzen der religiösen Institutionen. Die andere Tendenz oder wenigstens
eine weit verbreitete Neigung war die, v i e 1 zu beten. Im Gegensatz
zu früheren Jalirhunderten, die einen Vorzug des Gebets in seiner
Kürze sahen, w^urde jetzt an langen Gebeten nicht mehr Anstoß
genommen, vielfach galten sie sogar als erwünscht, wenn auch anderer-
seits der Grundsatz, daß die Gemeinde nicht allzu sehr belastet werden
sollte, nie außer Gebrauch kam. Wir haben oben R. Papas Satz Trbn
TibiDb '"nri^:erw^ähnt(S. 265); er stand mit seiner Anschauung nicht
allein, die Häufung von Gebeten oder Gebetformeln war auch sonst
sehr beliebt.
7. Zu den genannten Tendenzen gesellte sich der Wunsch, mög-
lichst alles in feste Formeln zu bringen. Dadurch wurden zahlreiche
halachische Auseinandersetzungen veranlaßt, die den Anschein er-
270 Geschichte des Gottesdienstes
wecken, als ob die Amoräer das ganze Gebiet des Gottesdienstes rein
juristisch betrachtet, es in Verordnungen eingezwängt hätten. Aus
den halachischen Erörterungen allein gewinnt man jedoch nicht das
richtige Bild. Wo wir ihnen ins Herz zu schauen vermögen, lernen
wir die Amoräer als Menschen kennen, die nicht ausschließlich trockene
Juristen waren, sondern ein feines religiöses Empfinden besaßen.
Soviel sie auch von dem Gebete als P f 1 i c h t sprechen und die Einzel-
heiten in der Erfüllung dieser Pflicht diskutieren mögen; wo man sie
nach ilirer Meinung befragt, entfällt alle Kasuistik und alle Spitz-
findigkeit, bleibt die Andacht die einzige Forderung, die sie an
den Menschen stellen, demjenigen, der nicht andächtig zu beten vermag,
empfehlen sie, es überhaupt zu unterlassen. Wie herb mutet der Spott
an über den Vorbeter, der sich an Beiworten für Gott nicht genug
tun kann, oder das Wort Rabas, daß man mit Gott nicht wie mit einem
Gleichgestellten verkehren kann ! Das sind Aussprüche, die sich
mitten in der Halacha finden ; die wahren Gedanken über diese Fragen
aber muß man in der Hagada suchen, die den rechtlichen Standpunkt
beiseite läßt und es nur mit den Forderungen des religiösen Emp-
findens und der persönlichen Frömmigkeit zu tun hat.
8. Ein wichtiger Punkt in der Entwicklung des Gottesdienstes
ist die Änderung in einzelnen religiösen Anschauungen,
die sich in jener Epoche, besonders in Babylonien, bemerkbar macht.
Bedauerlicherweise ist die jüdische Religionsgeschichte, die Wand-
lung, die einzelne Begriffe im Verlaufe der Zeiten durchgemacht
haben, noch sehr wenig erforscht, es ist daher nicht leicht. Genaueres
hierüber festzustellen. Um nur auf eines hinzuweisen, so muß in jener
Epoche eine neue Auffassung des Messiasbildes sich verbreitet
haben. Im üblichen Texte der Tefilla z. B. lautet die Bitte in XIV
n^ffir a^)2nnn ^-p- a^rinTr, die Eulogie in XVII ir:^D» Tiiniar;
"iii::'* ; das ist eine Anschauung, welche den Sitz der Gottheit auf dem
Zion lokalisiert und daher für die ideale Zeit der Zukunft iln-e
R ü c k k e h r für notwendig erklärt ; das kann nicht immer die herr-
schende Meinung gewesen sein, die entsprechenden Stellen in Pal.
lassen von dieser Auffassung noch nichts vermuten, sie muß un-
bedingt aus Babylonien und aus den amoräischen Jahrhunderten
stammen. Es darf ferner nicht übersehen werden, daß Babylonien
der Ursitz alles Aberglaubens gewesen ist. Ein Teil der Amo-
räer war von den Verhrungen ilirer Heimat nicht frei, die Furcht
l'jrwfili'iiiiig.M» der Slammgebete 271
vur Üämoiion, vor bösoii Traumon, vor Z;iiil)('rei l)eliorrsclito aucli
sie. DiT Wortlaut der Ciehete freilich wurde davon nur in ganz we-
nigen Fällen i)eriilnt, er hlieh einfaeh und ungekünstelt, aber auf
die Kinrielituiiycii des (lottesdienstes waren solche Anschauungen viel-
fach von Einfluß, und ganz besonders in den späteren Jahrhunderten,
die jedes Wort im Talmud als verbindlich ansahen und selbst von
Itexenglauben und Gespensterfurcht beherrscht waren, sind derartige
Irrtümer recht verhängnisvoll geworden.
§ 38. Die Erweiterungen und Ausschmückungen der Stammgebete.
Litt-ratur: Zuiiz, das., S. 388 ff.; lAtg., S. 11 ff.
1. Die talmudische Epoche war noch schöpferisch, sie wagte es
noch, neue Gebete zu verfassen; wenn sich auch diese Gebete inner-
halb des alten, von der Vergangenheit vorgezeichneten Rahmens be-
wegten, so brachten sie immerhin noch neue und eigene Gedanken.
Gegen Ende der talraudischen Periode versiegt jedoch diese Kraft.
Es folgt eine Zeit der Erschlaffung, eine Zeit, in der schwere Ver-
folgungen die Fortentwicklung hemmten. In Palästina hören infolge
der politischen Bedrängnis die Versammlungen in den Lehrhäusern
auf, jahrhundertelang gibt es keine maßgebenden Lehrstätten und,
was für uns von schwerwiegender Bedeutung ist, keine zusammen-
hängenden Nachrichten über die weitere Gestaltung der religiösen
Verhältnisse. Auch in Babylonien wird die Lage der Juden zusehends
ungünstiger, auch dort beeinträchtigen die nur selten unterbrochenen
Feindseligkeiten den Schwung der Gedanken und das Gedeihen der
Arbeit ; die letzten Generationen der Amoräer und die auf sie folgenden
Saboräer begnügen sich damit, die Schätze zu sammeln und zu sichern,
die sie aus der Vorzeit übernommen haben. Für den Gottesdienst
haben sie eine Leistung aufzuweisen, die von gar nicht hoch genug zu
schätzender Bedeutung ist, sie haben zuerst die Gebete aufge-
zeichnet und damit ihre Überlieferung gesichert. Sobald es sich
aber um selbständige Leistungen handelte, reichte ihre Kraft nicht aus
und sie mußten sich damit begnügen, an die gegebenen Gedanken
und Themen anzuknüpfen, sie weiter auszuführen und auszugestalten.
Das Bedürfnis nach neuen Schöpfungen war auch damals nicht ge-
schwunden, eine jede Zeit hegt den Wunsch, von sich aus zur Hebung
des Gottesdienstes beizutragen und die überlieferten Gebete in der
272 Geschichte des Gottesdienstes
Kichtung des Zeitgeschmackes zu erweitern. Allein das Bedürfnis
wurde nicht mehr in derselben Weise befriedigt wie vordem, es wurde
in andere Bahnen geleitet. Die Zeit der eigenen Zutaten, der selbst-
ständigen Arbeit am Gottesdienste war vorüber, der vorhandene
Stamm der Gebete wurde als verbindlich und unabänderlich respektiert.
Dennoch fehlt es auch jener Zeit nicht an eigenen Schöpfungen, wir
finden in ilir gar manches, wovon im Talmud noch keine Rede ist;
der Traktat Sofrim, der am Ende dieser Epoche steht, führt Gebete
an, die den Amoräern noch unbekannt waren, oder setzt deren Vor-
handensein voraus. Es sind Gebete, die hauptsächlich Erwei-
terungen oder Ausschmückungen der früher vorhandenen
bilden, die sich mit ihnen zusammen zu dem gToßen Gebiete der
Stammgebete vereinigen. Dazu kommen als Leistungen jener
Zeit die ersten Anfänge der Z u s a t z g e b e t e für die Festtage und
ganz besonders für die öffentlichen Fasten.
2. Die Ausgestaltung der Gebete erfolgte, entsprechend der
Richtung jener Zeit, durch sehr einfache Mittel, durch Verwendung
von biblischem Material, durch Variationen der vorhandenen Formen
oder durch wortreichere Ausführungen bereits bestehender Gebete
und Gedanken. Ein sehr beliebtes Mittel war die Verwendung bib-
lischer Stücke; ganze Kapitel oder einzelne Sätze der Heiligen
Schrift wurden zu den vorhandenen Gebeten hinzugefügt. So entstand
z. B. der große Abschnitt der r'-" ^12" im täglichen Morgengebete
(§ 11). Zunächst wurden die Psalmen, die einzelne Fromme zu sagen
pflegten, ins Gebet aufgenommen, dazu traten andere Bibelstellen
wie das Gebet Davids I. Chron. 29 10 ff., das Schilfmeerlied u. a., an
den letzten Vers des Liedes """! ab'^:?"- "jb''^'' '" (Ex. 1518) wm'den
noch einige Verse, in denen das Wort "|:r vorkam, angereiht. Das
ist gleichzeitig ein Zeichen, wie leicht es war, solche Erweiterungen
vorzunehmen. Ein anderes Beispiel ist '~b "n" I. Chron. 168—35,
ein alter Levitengesang, an den eine beträchtliche Anzahl Bibelverse
angeschlossen wurde, die heute zum Teü planlos scheinen, aber einst
sicher ebenfalls nach einem bestimmten Plane und Zusammenhange
angeordnet waren. Vor Psalm 145 stehen zwei Verse mit ^'rs,
einst aber waren es weit mehr (oben S. 85). Andere derartige Grup-
pierungen von Bibelversen haben wir in der täglichen Techinna in
"~: 5«b i:n:5«i vor uns, auch 'iT'isb s^m ist in derselben Weise zusammen-
gesetzt. Im Abendgebet ist "rx" "i^i? zbi"!: '- f^^n eine solche Koni-
Erweiterung der Stamnigebete 278
Position, seine Abfassung wird in den Quellen ausdrücklich den pan
nxiin "irm, d. i. den Vertretern der hier behandelten Zeit, zu-
geschrieben; das einigende Prinzip war im vorliegeiulen Stücke das
Vorkommen des Gottesnamens, ganz so wie bei TiDD irr^ im Morgen-
gebet. An den Sabbaten finden wir "i^'^sci vor der Tefilla und andere
Bibelverse innerhalb derselben. Pal. hatte auch an den Festtagen
derartige Sammlungen von Versen innerhalb der Tefilla, in ganz
ähnlicher Weise wie sie bereits die alte Zeit für die ^'euja]lrsgebete
kennt, aus allen drei Teilen der Bibel. All diese Sammlungen von
Bibelstellen haben gemeinsam, daß sie lose aneinandergereiht sind,
ohne jeden gedanklichen Zusammenhang und ohne jeden Übergang,
meist sind es nur äußere Kennzeichen, wie gemeinsame Worte, welche
die Verbindung herstellen. Solche Versgruppen wurden bisweilen in
Ausführung von Andeutungen der älteren Zeit hergestellt, so z, B.
knüpft ibD"^! an eine Anweisung im Talmud an. Ein etwas fortge-
schritteneres Stadium zeigen Gebete wie mri"' S":m (oben S. 77),
wo manche Stellen aus der Bibel wörtlich übernommen sind, daneben
aber andere stehen, die in Anlehnung an biblische Worte und Redens-
arten eine sehr einfache Bearbeitung ihres Themas bieten.
3. Eine fernere leicht durchführbare Möglichkeit zur Erweiterung
des vorhandenen Stoffes war die V a r i i e r u n g von Gebeten. Ein
Beispiel dafür bietet die Tefilla der Sabbate in ihrer mittleren Bene-
diktion. Im Gegensatz zu den Festtagen, die nur eine Formel für
alle vier Tefillas besitzen, ist hier jedes Gebet mit einem besonderen
Stücke ausgestattet; vier gleiche Texte an dem wöchentlich wieder-
kehrenden Sabbat waren zu eintönig, während sie an den seltener
eintretenden Feiertagen ohne Bedenken beibehalten wurden. Der
Jozer wurde mit Einlagen ausgestattet, die ilm ausschmückten, dar-
unter solchen, die auf die Schöpfungsgeschichte Bezug nahmen und
täglich abwechselten; für den Sabbat wurde er stark verändert und
bedeutend erweitert. Auch am Eingange und Ausgange des Sabbats
sind in einigen Riten die entsprechenden Benedilvtionen mit beson-
deren, auf den Tag bezüglichen Zusätzen versehen. Über eine reiche
Auswahl von Einleitungsformcln und verbindenden Texten verfügt
die Keduscha; sie entstammen sämtlich der nachtalmudischen Zeit,
vorher ist nirgends eine Spur davon zu entdecken, sie behandeln
dasselbe Thema mit verschiedenen Worten.
4. Mitunter wurden in Anlehnung an Sätze des Tahmuds Gebete
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. 1°
274 Geschichte des Gottesdienstes
ausgearbeitet, das ganze Gebiet der nmrn r.iD^^ ging aus der An-
deutung in b. Ber. 60 b hervor, indem die dort gegebenen Anweisungen
in Benediktionen formuliert wurden. Zur Rezitation der Psalmen
waren einleitende und absclüioßende Benediktionen erforderlich, die
durch Ausarbeitung der wenigen Notizen im Talmud über i^'BJti PDin
entstanden. Verwendung von synonymen Worten, die bei ähnlichen
Gebeten schon die Mischna sich gestattet, fand hierbei Nachahmung
(vgl. nbnpian und nnnr^ mit Pes. X5). Sie wirkte auch bei der
Ausgestaltung des Kaddisch mit, sie ist vor allem bemerkbar bei
dem unzweifelhaft jungen Zusatz ']"Qr'i zu "iDin und bei dem Hymnus
b3~ br, der dem Kaddisch ähnlich ist und der Toravorlesung vor-
angeht. Ausführungen älterer Anregungen waren auch die auf die
Schriftvorlesung folgenden Gebete, z. B. der Segen für die Gemeinde
und ilu'e Wohltäter, das Gebet für die staatlichen Behörden, die Bitten
für verfolgte Glaubensbrüder, die Ankündigung des Neumondes und der
öffentlichen Fasttage. Bei einer Institution wie der Toravorlesung,
die für sich bestand und mit den anderen Teilen des Gottesdienstes
nur lose Verbindung hatte, waren derartige Zusätze sehr leicht anzu-
bringen. Die hier erwähnten Gebete sind sicher nicht gleichzeitig
entstanden und vor allem nicht gleichzeitig bekannt und ange-
nommen worden, sie müssen aber doch sich sehr rasch verbreitet
haben, denn sie sind sämtlichen Gebetbüchern in den verscliiedensten
Ländern gemeinsam.
5. Zur Ausschmückung der Gebete bediente man sich gewisser
K u n s t f 0 r m e n , die leicht zu handhaben waren und daher häufig
Anwendung fanden. Eine recht einfache und sehr zeitgemäße Me-
thode war die Verwendung der Wort- oder Satzfolge nach dem x\ 1 p h a -
b e t. Sie konnte sich auf biblische Vorbilder berufen, wo das Alphabet
in verschiedener Weise, allerdings immer nur für ganze Sätze, zur
Anwendung gelangt. Das bekannteste Beispiel eines Gebets in alpha-
betischer Ordnung ist das Sündenbekenntnis ir'airi«, wo die Anfänge
der Worte der Reihe der Buchstaben des Alphabets folgen; bei dem
andern Bekenntnis s?t:n b" sind es die charakteristischen Worte am
Ende, die in alphabetischer Reihe erscheinen (r"- "ilrSn .crsn). Nicht
minder bekannt ist im Jozer der Satz nr" l:"j T^.2 :ii, der heute als
fester Bestandteil des Gebetes erscheint, einst aber imabhängig davon
als Einschaltung zur Ausschmückung des Textes dastand; er war ein
Stück unter vielen gleichartigen, die ebenfalls Verwendung fanden.
Weitere Ausgestaltung dos Gottesdienstes 275
er war jedoch vom Schicksal mehr begünstigt und wurde ins Gebetbucli
aufgenommen, während die anderen verloren gingen oder jetzt nach
tausendjähriger Versehollenheit in llandschrit'ten auftauchen. Das
Alphabet mußte — und das war eine Neuerung — nicht immer voll-
ständig durchgeführt, es konnte beliebig abgebrochen und wieder auf-
genommen werden. Auch dafür bietet der Jozer ein Beisj)iel in dem
S. 18 angeführten a^nmfi a^iny a^maa aimna n^mn« abD.
Eine weitere Neuerung war es, daß das Alphabet auch in umgekehrter
Reihenfolge verwendet wurde, wie es z. B. in der Einschaltung für
das Musaf des Sabbats nir:nnp r"^:^-' mir r:pr vorliegt. Eine Ver-
einigung beider Arten des Alphabets zeigen die Einlagen zu den Bene-
diktionen des Schma am Eingange und Ausgange des Sabbats. Auch
für das Morgengebet des Sabbats bringen Handschriften die Bene-
diktionen in alphabetischer, sonst unbekannter Fassung. Die einmal
vorhandenen Alphabete konnten wiederum alphabetisch bearbeitet,
aus den Worten konnten al])habetische Sätze gemacht werden;
das Stück a"iTr:"^~ :2 br iT;i< bs? im Sabbat-Jozer z. B. ist eine Aus-
führung des eben erwähnten nr" bniJ lins bx.
6. Eine fernere Möglichkeit zur Ausgestaltung der Gebete boten
weitere Ausführungen einzelner Sätze im Stile des Targums oder des
Ätidrasch, im Sabbat-Jozer z. B. schließt sich an die vier Teile des
Satzes Y~ ~T2'- ^121 "irbn des? "jrrr ""^s^i iDirs i^s< die Ausdeutung
jedes einzelnen nach Ai't des Midrasch. Ähnlich wurde im Mincha-
gebet des Sabbats mit der Beschreibung der Sabbatruhe verfahren
(n:i2s«i ri3S rni:T2 nn-:- nnns? rms-a usw.). Oder man bediente
sich des Reims, um gleichklingende Sätze aneinanderzureihen, wie
z. B. wiederum im Jozer n:ri2 irnjina mir i:Tr i'-s« "rb~ an-i
in^n. Eine wirkliche Erweiterung des Gedankens der bear-
beiteten Gebete ist mit all den hier geschilderten Ausschmückungen
nicht verbunden.
Man knüpfte auch an das letzte Wort eines Stückes an, um es
zu variieren und damit das neue Stück zu beginnen. Auf ms? "isii
bsn rs? s?'-2- a^rr nr-r ... z. B. folgt am Sabbat bzni -;i-ni bsn
ny. "-CSC" brr;- --nnii-^. Ebenso schließt a"^ES« ins? :s« mit dem
Worte *s?. mit dem es begonnen. Das sind Ansätze zum Rhythmus,
der in der gleichen Periode aufkommt, seinen Einfluß allerdings we-
niger in den Stammgebeten als in den Zusätzen geltend macht, die
für besondere Gelegenheiten dienen.
18*
276 Geschichte des Gottesdienstes
7. Neben der Erweiterung der Stammgebete ging die Aus-
gestaltung des Gottesdienstes für ausgezeichnete Tage einher;
am reichsten wurde das Ritual für die Büß- und Fasttage bedacht.
Die Selichagebete, die den Fasten eigentümlich sind, bestanden aus
Gruppen von Bibelversen oder Psalmen, die, wie oben von einem Teile
der Stammgebete erwähnt wurde, ohne Verbindung, lose nebeneinander
standen; die Einleitungen verarbeiteten in schlichtester Form bib-
lischen Wortschatz. Auch die Einführung zu den 13 Eigenschaften
(ismin bm ,^WV Y>^ b^) ist im gleichen Stile gehalten. Das Haupt-
material aber, das damals für die Fasttage verfaßt wurde, waren die
Litaneien, d. h. Gebete in kurzen gleichförmigen Sätzen, die
zum Abwechseln zwischen Vorbeter und Gemeinde bestimmt sind.
Man könnte sie ihres Aufbaus wegen mit den erwähnten Gruppen
von Bibelversen vergleichen. Einige sind in alphabetischer Anordnung
gehalten, andere knüpfen an geschichtliche Persönliclikeiten und
Ereignisse an. Ganz neu war das hier befolgte Verfahren nicht, ein
Beispiel einer solchen Litanei bietet bereits die Mischna in der Fasten-
liturgie {'nz^w i'a Taan. II), und eine der bekanntesten, iZDbiQ irns«,
geht in ihren Anfängen auf R. Akiba zurück (oben S. 147); sie sind in
der Liturgie außerordentlich ausgebaut worden, aus den wenigen
Zeilen am Ursprünge sind umfangreiche Gebete geworden. Es war
nicht schwierig sie auszugestalten, ebensowenig wie es mühevoll war,
neue ähnliche Stücke zu erfinden. So büdete sich die gewaltige Menge
der Litaneien heraus, über die unser Gebetbuch verfügt. Ihre Mannig-
faltigkeit tritt noch deutlicher zutage, wenn wir die seltenen Riten
und die handschriftlichen Liturgien berücksichtigen. Mancherlei aus
dem Material der Litaneien ist in die Techinna übergegangen. Viel-
fach waren sie in aramäischer Sprache, dem Idiom der babylonischen
Juden, gehalten; aus dem deutschen Ritus sind die aramäischen
Litaneien fast ohne Ausnahme verschwunden, ihr Vorhandensein ist
indes anderweitig gut bezeugt. Zunz hat in der Literaturgeschichte
der synagogalen Poesie, S. 17 ff., eine beträchtliche Anzahl solcher
Stücke angeführt und dieser Epoche zugewiesen.
8. Dem Fastenritual gehören auch diejenigen Stücke an, die bei
aller Schlichtheit in Aufbau und Inhalt den Ansatz zu emer Kunstform
aufweisen. Sie sind weder mit Reim noch mit Metrum versehen, aber
es herrscht in ihnen ein bestimmter Rhythmus, sie zerfallen in kleine
Abteilungen mit ungefähr gleichmäßiger Silbenzahl; meistens haben
Weitere Ausgestaltung des Gottesdienstes 277
sie auch alphabotisclie Satzfol<?o, aber das ist niclil unerläßliche Be-
dingung. Suk'he Stücke sind z. H. .sn^TTJ^ nsn a-^sta .-nns« n:r5« ^te:s<
n-iTsn rs a-'n-n .vies Ta^b a'^-nna oder "".zud inrr .nri'a r.nizr
ncr "ir -irEr .ns^nb ir "inc .r^-^^is oder rnsT .nbs 1:^27 rrn bs
nrr bä« T'ects ^:T2r .'^^3: nnDir i^^nn .-JsrTsn 71^. Man wird an
Gescänge der syrisclien Kirche erinnert, die in derselben Form ab-
gefaßt sind. Es müssen starke Wechselbeziehungen zwischen Synagoge
und Kirche damals stattgefunden haben, ohne daß ersichtlich wäre,
auf welcher Seite die Priorität zu suchen ist.
9. Von nicht ganz so einfacher Art und so leichtem Bau wie zu
den Fasttagen waren die Zusätze für die Feste. Am Versöhnungstage
fand von alters her ein sehr ausgedehnter Gottesdienst statt (C^e:
s?"aiiT simno b. Meg. 23 a). Er erhielt sein Gepräge durch das Sünden-
bekenntnis, bei dem oben hervorgehoben wurde; daß sein Wortlaut
im Talmud noch völlig freigelassen ist, während es später die durch
die Gebetbücher bekannte alphabetische Fassung erhielt. Dazu trat
ferner schon in sehr früher Zeit die Gewohnheit, im Gottesdienste der
Opferhandlung zu gedenken, die einst der Hohepriester im Tempel
zu vollziehen hatte, eine A b 0 d a , miir "iio, vorzutragen. Die
älteste erhaltene Aboda ist im Stile überaus einfach, sie folgt der
Darstellung der Mischna, bedient sich meist sogar ilu-er Worte und
reicht aller Wahrscheinlichkeit nach in die talmudische Epoche zurück.
Schon die folgende jedoch, r:rD -Pi« in Seph., ist von ganz anderer
Art. Der Anschluß an die Mischna ist aufgegeben, das Thema war
allerdings vorgeschrieben, die überlieferte Ordnung mußte innege-
halten werden, aber so weit es innerhalb des vorgezeichneten Rahmens
möglich war, wurde in der Darstellung frei verfahren, die Sprache
ist durchaus selbständig, als Kunstform dient das Alphabet. Als ein
neues Element tritt in rzz'<2 ~rs< die Einleitung hinzu, die in kurzen
Strichen die Urgeschichte bis zur Entstehung des Priestertums zeichnet.
Das wurde das Thema, dessen die Dichter sich bemächtigten, die
Einführung dieser Schilderung wurde für alle Nachfolger vorbildlich.
Die Einleitung war derjenige Teil, in dem der Dichter seine Begabung
frei entfalten konnte, spätere Dichter haben daher auf die Einleitung
mehr Raum und Anstrengung verwendet als auf die Darstellung der
Aboda; hier wo sie das. erstemal vorliegt, ist sie mit Gewandtheit
und Geschicklichkeit, aber ohne Künstelei bearbeitet. Auf die Dar-
stellung des Opferdienstes folgt eine Reilie von Stücken, die wiederum
278 Geschichte des Gottesdienstes
neu sind und später in allen Riten entweder in derselben oder in über-
arbeiteter Gestalt wiederkehren; das Gebet des Hohenpriesters im
Allerheüigsten wird in alphabetischer Ausfülirung ausgesponnen, im
Ansclilusse an eine Andeutung im Buche Sirach wird die glanzvolle
Erscheinung des Hohenpriesters, der Prunk der von ihm vollzogenen
Zeremonie in überschwänglichen Worten geschildert. Die alte Zeit, die
solche Pracht bot, wird über alle Maßen gepriesen; daß sie infolge der
Sündhaftigkeit des Volkes entschwunden, daß an die Stelle ilires Glanzes
der ganze Jammer des Exils getreten ist, in wehmütigen Worten be-
klagt. Die Mttel, die zur Ausführung verwendet werden, sind auch
hier dieselben wie in den vorhin gekennzeichneten Gebeten, einfache
oder doppelte Alphabete, Rhythmus der Versteile, kurz dieselben ein-
fachen Elemente, die wn auch bei der iVusgestaltung der Fasten-
und Bußliturgie kennen gelernt haben.
10. Ausschmückungen schlichter Art waren auch die A s h a r o t
des Wochenfestes, die in ihrer ältesten Form die Gebote und Verbote
ohne jede Verbindung trocken aneinanderreihten, jedoch auch bald
in der Weise bearbeitet wurden, daß zusammenfassende Übersichten
Gruppierungen und Bewertungen der einzelnen Klassen sowie rhyth-
mische Lieder zum Abschlüsse hinzutraten.
11. In dasselbe Gebiet und in dieselbe Zeit gehören die ältesten
Hoschanot für das Hüttenfest, sämtlich sclüichte Litaneien,
deren einziger Schmuck das Alphabet ist. Einleitende Stücke für die
Vorbeter wie b^b nbirr^i? ,r"iis"is 3" "Ti zeigen ebenfalls die unge-
künstelte Form jener Zeit, die einfache an die Bibel angelehnte
Sprache, den schlichten Aufbau der Gedanken, den kiu-zen, nur von
der Betonung abhängigen Rhytlimus. Von den Vorbetern rühren
höchstwahrscheinlich auch gewisse Anrufungen vor einzelnen Gebet-
stücken her, kurze Sätze mit einfachen Gedanken, die später Vor-
bilder für zahlreiche ähnliche Sätze und vor allem Anknüpfungspunkte
für weit ausgeführte und schwierige Poesien boten {j:^ "js^bia: ]2^',
12. Kennzeichnend für die hier beliandelten Erweiterungen der
Stammgebete ist, daß die meisten sämtlichen Riten gemeinsam,
demnach in einer Zeit entstanden sind, wo eine gleichmäßige Beein-
flussung der gesamten Judenheit noch möglich war. Gemeinsam ist
ihnen ferner die Einfachheit der Form, die Schlichtheit der Sprache;
weder der Reim noch der Gebrauch von schwierigen neuen Wort-
Wcilcri' Aiis>,^rstallimi,' des ( '.ol tcsdicnstt'S 27')
bilduiiijon oder die Vor\v«Mtimg diiiiklcr Ankläiij^c an die Aiislcffuii^
des Midniseh sind in ihnen anznl reifen. \'iele Sliiek'c der älteren Zeit
sind sj)äter überarbeitet tider erweitert woideii, man bianelit sie nur
in der jüiiii,eren h'orin mit den msprüni^diehen X'oriai^eii /.n \'er^deiclien,
nni die cliarakli'ristiselnMi lOiiiensehal'ten und die XOrziii^e der älteren
Arbeiten zu erkennen, hie Stücke sind leriier niii' an die (lebete
an^jeliänj^t, si(> unterbrechen ihre herkiimmliehe Keihenl'ülge nicht.
Sie sind endlieh sämtlich anonym, weder haben die Verfasser ihre
Namen in ihnen an,i;ezeigt, noch ist sonst eine Überlieferung über ihren
Trsprung vorhanden. Die Heimat der ersten Zutaten zu den Stamm-
gebeten ist zum weitaus größten Teile Palästina oder das benach-
barte Syrien. Nur dort wurde die hebräische Sprache derart ge])l'legt,
daß sie so stilgerecht gehandhabt, so ausdrucksvoll angewendet werden
konnte. Was von babylonischen Kompositionen vorliegt, ist in ara-
mäischer Sprache und in ganz anderen Gedankengängen gehalten.
Die alten Asharot freilich werden in der Überlieferung den babylo-
nischen Hochschulen zugeschrieben, ihren Inhalt bilden so trockene
Aufzählungen, daß daraus ein Argument gegen die Überlieferung
nicht entnommen werden kann; aber das eine spricht sicher dagegen,
daß die Stimmung in Babylonien im allgemeinen solchen Einschal-
lungen nicht sehr frenndlicli war. In Babylonien strebte man
ilanach, das gesamte Gebiet des Gottesdienstes in feste, unabändei-
liche F'ormen zu bringen; in Palästina hingegen war die Tendenz
eine entgegengesetzte, dort suchte man gerade Abwechslung im
Gottesdienste, man wünschte möglichst viele Gebete zu besitzen, um
nicht immer ein und dieselben verwenden zu müssen. Man traute
sich auch die Fähigkeit zu, den Gottesdienst zu bereichern, und das
Land besaß noch immer, und gerade in derartigen Fragen, genügende
Autorität, um selbt gegen den Willen der Babylonier seine Neigungen
siegreich durchzusetzen.
Kap. II. Die Epoche des Piut.
§ 39. Der Piut.
Literatur: Zunz, Syn. Poesie, S. o9ff. ; Dukes, Zur Kenntnis usw.;
Sachs, Rel. Poesie, S. 178 flf.; Duschak, S. 224 ff.; Eppensteiu, Beiträge
usw. in MS, m, 1908, S. 465 ff.; J.E. Art. Piyyut X. 65 flf.
1. Um das Jahr 550 etwa dürfen vra: die Stammgebete als ab-
gesclilossen, auch ilu'e ersten Erweiterungen als schon vorhanden
und anerkannt betrachten; neue Gebete, die sich gleichmäßig in der
gesamten Judenheit v^erbreiten und als verbindlich angenommen
werden, entstehen nicht mehr. Damit aber war keineswegs eine Er-
starrung des Gottesdienstes eingetreten, keineswegs der Bestand an
Gebeten ein für allemal festgelegt, so daß er nie mehr verändert werden
konnte. Alle Ereignisse, die auf die Lage der jüdischen Gemeinschaft,
ilu-e Erlebnisse und Stimmungen entscheidend einwirkten, übten iliren
Einfluß auf den Gottesdienst aus. Die Bereicherung des Gottesdienstes
vollzog sich späterhin in der Weise, daß kunstvolle Poesien, Hymnen,
Elegien oder Bitten zu den Stammgebeten hmzutraten, die unab-
hängig von ihnen blieben, ihren Gedankengang selbständig verfolgten,
mit den Stammgebeten nur äußerlich verbunden, nicht mehr ver-
schmolzen wurden. Der Piut leitet eine neue Epoche in der Ent-
wicklung des Gottesdienstes ein. Mein* als ein Jahrtausend überwog
die Stimmung, welche an einer solchen Ausgestaltung des Gottes-
dienstes Gefallen fand, sie betätigte sich nicht immer in derselben
Richtung, aber so verschieden auch der Ausdruck jener Bestrebungen
sein mag, das gemeinsame Kennzeichen ist die Unantastbarkeit der
Stammgebete und die Ausgestaltung des Gottesdienstes durch fremde
Zutaten, die sich nach Ländern und Zeiten verschieden entwickeln.
Mit dem Abschlüsse des Talmuds hängen zwei in der Geschichte
des Judentums neue Erscheinungen zusammen; die bis daliin münd-
lich fortgepflanzte Leine whd niedergesclu'ieben und die ehemals
einheitliche Tradition spaltet sich in mehrere Zweige. Beide Neue-
rungen üben auch auf den Gottesdienst ilire Wü'kung aus. Es ent-
Die Epoche des Piut 281
stehen ffosehricbcnc GebctbücIuM-, eine bis dahin unbekannlc und
reiche Literatur, die für die Kntwickhnig von groLJcrti Belang wird.
Und wie eine l.itoratin- tu r (Umi Gottesdienst, so entsteht eine solche
über den Gottesdienst, in den einzehien Ländern biUkMi sich ab-
weichende Bräuche, ihre Feststelkmg, ihre Vergleichung, der Gedanken-
austausch darüber beeinfhissen den Gottesdienst. Während auf der
einen Seite an der HersteUung der äußeren Ordnung des Gottesdienstes
gearbeitet wird, legt die andere allen Nachdruck auf den inneren Ge-
halt, den religiösen Wert des Gottesdienstes, auf die fromme Stimmung
des Beters. Auch die Mystik bemächtigt sich des Gottesdienstes,
anfangs sucht sie ihn nur durch die Forderung vertiefter Andacht zu
beeinflussen, dann aber durch eigene Zusätze zum überlieferten Gebet,
die mit dem Piut eine gewisse Ähnlichkeit haben. In der ganzen
langen Zeit bleibt der Piut das vorherrschende Element, das dem
Gottesdienste sein Gepräge gibt.
2. Die ersten Versuche zur Ausschmückung des Gottesdienstes an
den Festen und Fasttagen, von denen oben (S. 276 ff.) berichtet wurde,
enthalten bereits solche Zusätze, die man als Piut bezeichnen kann ;
die Anwendung der alphabetischen Anordnung, die sich in einem
großen Teile von ilinen findet, wird als eine der Eigentümliclikeiten
der Piutdichter bezeichnet. Dennoch sind jene Dichtungen ganz
anderer Art wie der Piut im eigentlichen Sinne. Zunächst sind sie
stets von den Stammgebeten getrennt geblieben, nicht in dieselben
eingedrungen, sie haben nicht, wie es beim Piut der Fall ist, den über-
lieferten Zusammenhang der Gebete unterbrochen. Sodann aber
unterscheiden sie sich, wie nicht genug hervorgehoben werden kann,
durch die Schlichtheit ilirer Form, die Einfachheit ihrer Sprache,
die Verständlichkeit und Klarheit ilu-er Darstellung. Der Piut hin-
gegen ist in jeder Beziehung K u n s t p o e s i e , für ihn sind der
strophische Aufbau, die Venvendung des Reims, der gesuchte Aus-
druck, der enge Anschluß an den Midrasch und die dadurch bedingte
lehrhafte Darstellung kennzeichnend. Zwischen den primitiven
Zutaten des fünften und sechsten Jahrhunderts und dem ausgebildeten
Piut nach dem Muster des kaliiischen liegt eine gewaltige Kluft. Es
muß eine Übergangszeit gegeben haben, in der sich eine Tradition
darüber herausbildete, welche Stellen des Gebetes zur Erweiterung
durch Poesien geeignet waren, eine Zeit, in der die Stilform des Piut
immer mehr zur Entfaltung gebracht wurde, in der alles, was uns
282 Geschichte des Gottesdienstes
später fertig und von der allgemeinen Zustimmung getragen entgegen-
tritt, vorbereitet und ausgearbeitet wurde. Die Kompositionen jener
Zeit wurden dm'cli die besseren Dichtungen, die ihnen folgten, ver-
drängt, so daß die Gedankenrichtung jener Epoche und die Namen
der Männer, die in ihr maßgebend waren, bis auf ganz geringe Spuren
völlig verschollen sind. Aber daß eine große Bewegung, ein gewaltiger
Widerstreit der Meinungen, mitunter vielleicht auch heftige Kämpfe
mit diesen Bestrebungen verbunden waren, daran kann nicht ge-
zweifelt werden. Nicht vom ersten Augenblicke an hat der Piut überall
Anklang gefunden, für seine Verbreitung und für seine günstige Auf-
nahme wurde eine Notlage entscheidend, Religionsverfolgungen, die
den alten gottesdienstlichen Vorträgen ein jähes Ende bereiteten
und die Einführung einer neuen Art der religiösen Belehrung zur Not-
wendigkeit machten.
3. Jehuda b. Barsüai aus Barcelona berichtet in seinem S. ha Ittim
auf Grund von Mitteilungen älterer Autoritäten (i^ninn), daß die Ein-
führung des Piut in einer Zeit der Religionsnot stattfand ("ipr: sbr
^inb 'iiaicn ryw^ i^bs?), „weil damals die Worte der Belehrung nicht
zugelassen wurden. Die Feinde hatten Israel verboten, sich mit der
Tora zu befassen, infolgedessen trafen die Gelehrten jener Zeit Ein-
richtungen, vermöge deren sie im Rahmen der Tefilla den
Ungelehi-ten die Vorschriften für ein jedes Fest, die Vorschriften im
Anschluß an die Sabbatlektionen, die Einzelheiten der religiösen Ge-
setze in Gestalt von Hymnen und geremiten Poesien (r"i"nn"; r^nir
D^üTiBT niTinn) vorführten." Die Erzählung wird ganz beiläufig
in das Werk eingeflochten, der Abschnitt über die Gebete, r'DiS nrbn,
in dem die Frage wahrscheinlich ausführlich behandelt war, ist nicht
erhalten. Welche Religionsnot gemeint ist, läßt sich nicht ohne weiteres
ersehen. Man denkt zunächst an die Novelle Justinians vom Jahre 553,
die gelegentlich der Ordnung von Synagogenstreitigkeiten (oben
S. 190) den Gebrauch der „sogenannten Deuterosis als Erfindung
der Menschen, als von außen zur Bibel hinzugekommenes, unge-
schriebenes, gottloses Geschwätz" ganz und gar verbietet. Das Wort
öeovaQVJGig ynrd auch von den Kirchenvätern als Bezeichnung der
jüdischen Traditionsliteratur gebraucht, hauptsächlich allerdings als
Benennung für die Mischna, muß aber hier, wo es im Zusammenhange
mit der Schriftvorlesung gebraucht wh-d, sich ausschließhch auf die
targumischen Paraphrasen oder, da es sehr fraglich ist, ob neben der
Dif Entstellung des l'iut 283
giiec'liisclion i'l)oisctzmifr, um die cUm* Streit entbrannt Avar, aiicli
noch (las Targimi ziini Vurtiaj^e i^elanirle, auf die helelirenden Vur-
träge luigadischeu und lialaehiselieii Inhalts hezieiuMi. Sie aber sind
es. welche nach l^arsilais Mitteihiui^'en verb(»ten und ihireh die Piutini
ersetzt zu werden bestimmt waren. Wir hätten demnacii hier einen
Bericht. (k>r chis Aufluiren der Midrasch-Vorträ^e in 1' a 1 ä s t i n a ,
(his ja zum byzantinisdicn Reiche gehörte, zu erklären versucht.
So viel auch für diese Annahme si)richt, so darf doch nicht un-
beachtet bleiben, daß al-Barcelonis Quelle wahrscheinlich eine b a b v -
1 0 n i s c h e war und religiöse Beschränkungen der Juden in 15 a b y -
lonien im Auge hatte. Von solchen aber spricht ausdrücklich ein
anderer Berichterstatter, der die Angelegenheit ebenfalls nur ganz
gelegentlich streift und darum, selbst wenn man ihm sonst nicht
inmier Glauben schenken mag, bei unserer Frage volle Beachtung
verdient. Samuel b. Jehuda ibn Abun aus Fes, der im XII. Jahr-
hundert zum Jslam übergetreten und unter dem Namen Samaual
1). Jahjä al-magribi als Schriftsteller bekannt geworden ist, verfaßte
eine umfangreiche polemische Schrift ,,lfhäm al-jahüd". das Zum-
schweigenbringen der Juden, die eine ausführliche Widerlegung der
jüdischen Lehre zum Gegenstande hat. Gelegentlich kommt er auf
die Schicksale der Juden, auf die zahlreichen sclnveren Verfolgungen,
denen sie unterworfen waren, zu sprechen und bemerkt da wie folgt :
..Der Islam traf die Juden unter der Herrschaft der Perser . . .; diese
haben ihnen iiäufig das Gebet verboten .... Als aber die Juden
sahen, daß es den Persern mit dem Verbote des Gottesdienstes ernst
sei, machten sie Gebete, in welche sie Stücke des gewöhnlichen Ge-
bets hineinschoben, und nannten sie al-hizäna (r::Tn). Sie kompo-
nierten zu diesen viele Melodien und in den Gebetszeiten pflegten sie
zusammenzukommen, um sie zu singen und zu lesen. Der Unter-
schied zwischen der Hizäna und zwischen dem Pflichtgebet (salät)
ist, daß das Pflichtgebet ohne Melodie verrichtet wird; es wird vom
Vorbeter allein vorgelesen imd niemand schreit mit, beim Hizan aber
begleiten ihn viele mit Rufen und Singen und helfen ihm bei den
Melodien. Als die Perser ihnen dies verboten, meinten die Juden,
daß sie nur (singen und) manchmal damit aufhören und manchmal
darin eifrig sein sollten. Das Merkwürdige dabei ist, daß, als der
Islam der Ahl al-dimma die Religionsübung gestattete und das Pflicht-
gebet ihnen erlaubt wurde, die Hizäna bei den Juden an Fest- und
284 Geschichte des Gottesdienstes
Feiertagen, sowie bei freudigen Anlässen zur verdienstliehen Re-
ligionsübung geworden ist; sie machten sie zum Ersatz für das Pflicht-
gebet und begnügten sich damit, ohne hierzu gezwungen zu sein."
Der interessante Bericht ist nicht frei von Widersprüchen und Unklar-
heiten, sie beziehen sich in der Hauptsache auf die Vortragsweise der
Hizäna und auf ihr V^erhältnis zu den Stammgebeten. IVIit Sicherheit
ergibt sich indes, daß auch Samau'al von der Entstehung der Sitte
der Hizäna in einer Zeit der Bschränkung des Gottesdienstes wußte
und es tadelte, daß sie, nachdem ruhigere Verhältnisse eingetreten
waren, beibehalten wurden. Die Verfolgungen haben nach seinen
Angaben die P e r s e r verursacht. Das stimmt mit dem, was jüdische
Quellen über die Zeit von 450 bis 589 zu berichten wissen, sehr wohl
zusammen. Insbesondere müssen wir, wenn er unmittelbar vor der
Berührung der gottesdienstlichen Fragen erwähnt, daß die jüdischen
„Lehrer erschlagen, ihre Bücher verbrannt und sie selbst an der Er-
füllung ilu-er Religionsgesetze verhindert wurden", an die unglück-
lichen Ereignisse denken, die nach der Darstellung im Sendschreiben
des Gaons Scherira am Sclilusse der amoräischen und während der
saboräischen Epoche die Verbreitung der Lelire unmöglich machten,
zur Scliließung der Lehrhäuser fülu-ten und \'ielen angesehenen Lelu-ern
den Tod oder das Exil brachten. In jene trostlosen Zeiten, die mit
einigen kurzen Ruhepausen etwa ein Jahrhundert andauerten, fäUt
nach Samau'al die Einbürgerung der Hizäna. Die Ursache ist dann
walu'scheinlich dieselbe, die Jehuda b. Barsilai erwähnt, das Aufhören
der belelii-enden Vorträge und üir Ersatz durch religiöse Lieder er-
baulichen oder belelu-enden Inhalts; denn daß die gottesdienstlichen
Versammlungen verboten und doch, wenn nur solche Lieder und
nicht die PfUchtgebete vorgetragen wurden, gestattet gewesen sein
sollen, läßt sich schwer begreifen. Die Religionsnot freilieb, die den
Anlaß zu ihrer Einführung gegeben hat, wäre hiernach nicht die von
Justinian verfügte, sondern die umfassende Verfolgung der Juden
Mesopotamiens, die mit dem Niedergange des Sassanidenreiches zu-
sammenfällt.
Über den Zusammenhang des Namens Hizäna mit den gottes-
dienstlichen Vorträgen belelut uns auch der arabische Schriftsteller
al-Kalkaschandi am Ende des XIV. Jahrhunderts, der bei der Schil-
derung der jüdischen Gemeinde in Kaho unter den Würdenträgern
an zweiter Stelle den "n nennt — das Wort ist mit genauer Angabe
Die Entslfhung des Piut 285
der Oiilion^rajjliio ^on:el)on — der ,,ein pjuter Predip;er (2"'I:d) ist und
vom Miiibar aus das Volk ermahnt." Ebenso wird in einem anderen
Dokumente aus Fostat der ';Tn vom rr^bir unterschieden und ihm vor
diesem der Vorrang zugesprochen. Andererseits wird das Wort Hizäna
in jüdischen Kreisen in dem Sinne verwendet, den sonst Piut hat.
Besonders die Poesien Jannais, eines der ältesten Piutdiciiter, werden
unter dieser Bezeichnung erwälmt. Kirkisani nennt wiederholt als eine
der Quellen Anans, des Stifters der karäischen Sekte, die "^sr n:s<7n.
Auch in Bücherlistcn aus dem Mittelalter, die in jüngster Zeit ver-
öffentlicht wurden, findet sich mehrfach die Bezeichnung im Zu-
sammenhange mit den Gebeten für nahezu sämtliche Feste.
4. Der Piut war nicht erst durch die genannten Verfolgungen
entstanden, Babylonien war auch nicht sein Heimatland, er hat dort
niemals als einheimisches Erzeugnis und als ein den Stamragebeten
gleichberechtigter Bestandteil des Gottesdienstes gegolten. Sein
Ursprungsland ist Palästina, für seine Entstehung war das Be-
dürfnis maßgebend, die religiösen Anschauungen, welche die Hagada
erarbeitet hatte, in neuer Form zu verbreiten, den Gottesdienst an
den Festen zu schmücken und in dem Glänze des religiösen Gedankens
zu verklären. ,,Die Festdichtung war das Surrogat für die Institution
der öffentlichen Belehrung und allmählich gleichsam die stehende
Charakteristik des Festes, dessen Deutung und Auslegung, die Stimme
der Geschichte oder die ins Wort gefaßte Stimmung der Gemeinde."
Der Zwang, die öffentlichen Lehrvorträge einzustellen, war ilirer
Verbreitung außerordentlich fördernd, verschaffte ihr sogar in Baby-
lonien Eingang und sicherte ihr die Billigung der anerkanntesten Be-
hörden.
Die Stimmung zugunsten des Piut, zunächst eine Folge der
traurigen Zeitverhältnisse, wurde wesentlich verstärkt durch die
Berührung mit der Kultur und Poesie der Araber (nach 635). Von
ilinen rülirten die neuen Kunstformen her, welche dem Piut die äußere
Schönheit und den Schwung verliehen. Von ihnen lernten die jü-
dischen Dichter den Reim, in späterer Zeit auch das Metrum, von
ihnen übernahmen sie die Sitte des Akrostichons, aus ilirer Art, alte
Zitate zu verwenden, schöpften sie die Anregung zur Ausbildung des
Musivstils. Eine Piutdichtung hat es auch vor der Bekanntschaft
mit den Leistungen der Araber gegeben, ihre Ausgestaltung jedoch
und ihre Verfeinerung, ilu-e Verbreitung und ihre sympathische Auf-
286 Geschichte des Gottesdienstes
nähme hat sie dem durch die arabische Dichtkunst wachgerufenen
Interesse zu danken; ohne sie hätte der Piut nicht die Anerkennung
seitens der maßgebenden Kreise, nicht die Mannigfaltigkeit seiner
Kunstformen gefunden. Von der Zeit der Ausbreitung der Herrschaft
des Islams über Palästina und Babylonien dürfen wir den Aufschwung
der Piutdichtung datieren. Bereits ein Jahrhundert später (vor 750)
beherrscht er die wichtigsten Teile des Gebets, sind die Stellen, an
denen er zum Vortrag gelangt, festgelegt, ist das Schema seiner Ver-
teilung der allgemeinen Zustimmung sicher; die Annahme, daß der
Vorbereitung und Ausarbeitung der endgültigen Form eine längere
Entwicklung vorausgegangen sein muß, läßt sich nicht von der Hand
weisen.
5. Der wichtigste Scluitt in dieser Entwicklung war das Ein-
dringen des Piut in die T e f i 1 1 a , die Neuerung, daß er nicht mehr
als Anhang zum überlieferten Gebete, sondern unter Unter-
brechung der vorgeschriebenen Ordnung inner-
halb desselben (nbErn bb^n Ittim) zum Vortrage gelangte.
Dadurch hatte der Piut Bürgerrecht erlangt, und seiner Ausbreitung
stand keinerlei Schranke melir entgegen. Zunächst wurde er, als
Keroba, nur in den ersten Benediktionen der Tefilla vei"^'endet,
aber bald eroberte er sich die ganze Tefilla. Von da schritt
der Piut weiter vor zum J o z e r ; auch dort ergriff er zuerst nur von
den Hauptstellen Besitz, um sich allmählich neue Positionen zwischen
diesen Gebetstücken zu erkämpfen. Auch beim Jozer hatte es nicht sein
Bewenden, schließlich wurden schon die die Semirot einleitenden
und abschheßenden Stücke mit Poesien versehen. Wie das Morgen-
kamen Musaf- und Abendgebet, seltener Mincha unter den Einfluß
des Piut. Neben den Gebeten bot die Tora- und Prophetenvorlesung
den Dichtern Gelegenheit zum Eingi-eifen, die Bibelstellen und Li-
taneien in der Selicha wurden durch poetische Stücke unterbroclien;
kurz, es gab keine Stelle im Gebet, keine Zeremonie und keine Gelegen-
heit, die die Möglichkeit zu poetischen Einschaltungen boten und von
den Piutdichtern nicht genutzt worden wären. Auch die Anlässe
häuften sich. Seinem Ursprünge nach war der Piut für die Feste und
die ausgezeichneten Sabbate bestimmt, er nahm aber ebenso von den
Halbfesten und den Fasttagen Beschlag und. wie es midraschische
Auslegungen für alle Sabbate des Jahres gab. so wurden im Anschluß
an die Perikopen des dreijährigen Zyklus auch Piutim für alle Sabbate
I
Die \ erbroilung dus l'iut 287
verfaßt; ja es ist nicht aiisi^csclilosson, daß si'lhsl für die Wochentage
unter Anlehnung an die sabbatliche Perikope gedichtet wurde. Der
Piut machte bei den Bedürfnissen und Erlebnissen der (iemcinde
nicht halt; die Geschicke des einzelnen wurden ebenfalls zum Gegen-
stande der Dichtling gemacht, Geburt, Hochzeit, Tod ihrer Mitglieder
trugen zur Ausgestaltung des Gottesdienstes der Gemeinde bei. Nicht
daß in allen Gemeinden zu allen Zeiten jede Gattung des Piut in
gleicher Weise ge])flegt und gutgeheißen worden wäre, darin herrschte
die denkbar grüßte Verschiedenheit. Nicht alle Gemeinden waren
in gleicher Weise Anhänger des Piut; diejenigen, die ihm geneigt
waren, wurden häufig vom Dichter überrascht, ohne vorher zu wissen,
ob Poesien zum Vortrag kommen und bei welcher Gelegenheit sie zu
hören sein würden. Es war der Vorzug des Piut vor den Stammgebeten,
daß weder der Wortlaut noch die Zahl oder Reihenfolge der Dich-
tungen irgendwelchen Bestimmungen oder Beschränkungen unter-
worfen waren. Bis auf die Norm, daß er zum Inhalte des Gebetes, dem
er beigefügt wurde, passen mußte, gab es keine feste Regel für den
Piut, er konnte eingelegt, weggelassen, durch neue Schöpfungen er-
setzt werden, ganz so wie der Geschmack und die Stimmung der Ge-
meinde es im Augenblicke gerade wünschenswert erscheinen ließen.
Die Wandelbarkeit war die größte Stärke des Piut, die Möglichkeit,
immer neue Dichtungen heranzuziehen, war eine der hauptsächlichsten
Ursachen seiner Beliebtheit; die Gemeinde konnte seiner nie über-
dinissig werden, es lag in ihrer Macht, nicht beliebte Kompositionen
auszuschalten und durch neue, bessere zu ersetzen oder, sobald der
Geschmack sich geändert hatte, an Stelle von veralteten zeitgemäßere
Stücke aufzunehmen. Der Piut verlieh dem gesamten Gottesdienste
eine starke Beweglichkeit, er brachte eine willkommene Unterbrechung
der regelmäßig wiederkehrenden, sich stets gleichbleibenden Stamm-
gebete, seine ersten starken Erfolge beruhten zum großen Teile auf
dem Wunsche nach Abwechslung, w^nn auch keineswegs geleugnet
werden soll, daß auch sein Inhalt und seine Kunstform ein Zeitbe-
dürfnis auslösten. Der Piut wurde ein wichtiger Faktor im Gottes-
dienste, gegen mannigfache und mächtige Widerstände hat er sich
durchgesetzt und behauptet, die Produktion wuchs zusehends, die
Zahl der synagogalen Dichtungen vermehrte sich ins Ungemessenc.
Die gedruckten Gebetbücher geben eine sehr unzureichende Vor-
stellung von dem Reichtum an Poesien, über die der Gottesdienst
288 Geschichte des Gottesdienstes
einst verfügte, und von ihrer Bedeutung für das religiöse Leben.
Schon dadurch erwecken sie irrige Vorstellungen, daß der Piut in
ihnen als ein feststehendes und unveränderliches Element der Gebet-
ordnung erscheint, daß er jedermann zugänglich ist, von der gesamten
Gemeinde gelesen werden kann, während er einst den ausschließlichen
Besitz seines Verfassers bildete, von ihm vorgetragen und nach Be-
heben verwendet wurde. Vor allem aber ist zu beachten, daß die
Drucke nur eine geringe Auswalil aus den großen Beständen der
handscliriftlichen Sammlungen aufzunelmien vermochten. Zunz hat
in seiner Literaturgeschichte nicht weniger als 400 Dichter behandelt
und neben 1816 Selichas „40 Musaf-Keduschas, 57 Maarib, 70 Xisch-
mat, 70 metrische Bakaschas, 100 Kerobas, 120 Reschut, 150 Mosted-
schab, 150 aramäische Kompositionen, 180 Techinnas, 200 Hoschanas,
gegen 600 Lieder und Piut im engeren Sinne, 600 Klagegesänge, 600
Jozer und Jozerstücke, Ofan usw." erwähnt. In dem halben Jalir-
hundert, das seitdem verflossen ist, haben sich die Zahlen bedeutend
erhöht, die unbekannten Dichtungen, die aus der Genisa zu Kairo
zutage gefördert wurden, zälilen allein nach Tausenden.
6. Der Piut ist kein einheitliches Gebüde, er hat seit seinem
Aufkommen im sechsten oder siebenten Jahrhundert bis auf den
heutigen Tag — denn seine Zeit ist in manchen Ländern des Orients
noch immer nicht erloschen — sein: viele Wandlungen durchgemacht,
Form und Inhalt, Sprache und Darstellung haben in ihm gewechselt
je nach den Ländern und den Zeiten seiner Entstehung, er hat mit
der allgemeinen Kultm- der Juden gleichen Scluitt gehalten und hat,
wie sie selbst, Höhepunkte und Epochen des Niedergangs erlebt ; mit
der Veränderung des Geschmackes und der Gedankenrichtung gehen
Wandlungen in der Beliebtheit des Piut und in seiner Verwendung
einher.
7. Der Stoff des Piut war durch seinen Zweck bestimmt, die
Dichtungen hatten die Aufgabe, die synagogalen Vorträge zu ver-
treten, der Gemeinde für diejenige Belehrung und Erbauung Ersatz
zu leisten, die Dir ehemals die Derascha (§ 29) vermittelt hatte. Der
Paitan löste den Darschan ab, er mußte wie jener das gesamte Ge-
biet der religiösen Lehren, Institutionen und Zeremonien behandeln,
die Geschichte der Väter und die Zukunftshoffnungen entwickeln.
Den Sinn der Feste und ilu-e Bräuche zu erläutern war eine der ältesten
Aufgaben der Schi-iftauslegung, sie wurde von den Paitanim über-
Stoff und Stil des Piut 289
nommen, der Erklärung der Fcsfgcdankcn und Fcstsymbolc
waren ihre Heuiühungeii zunächst gewuhnet. Aber hahl erweilerfen
sie ihr Arbeitsgebiet, „der unerschöpfliclie Reichtum der flagada
ergoß sich in die religiöse Poesie, die nunmehr die Xalionallileralur,
die nationale (icscliicliie und den Glaubens-, nicht selten auch den
Gesetzesinhalt in das Gebet verwebte, und selber ein Ausdruck ward
der gesamten Taten und Leiden Israels." Die Leiden bildeten eine
traurige Kette, die nicht abriß, bis in die unmittelbare Gegenwart
sich fortsetzte. Die Dichter selbst hatten ihren bitteren Kelch zu
kosten, sie mußten die Metzeleien und Verfolgungen ihrer Gemeinden
ansehen, den Jammer und das Wchgeschrei ihrer in den Tod gehetzten
Angehörigen und Freunde mit anhören, der Stoßseufzer, der sich
ihrem Herzen entrang, wurde zum Klagelied für die Gemeinde um-
gestaltet, zu dem Lenker der Geschicke richtete sich der Blick voller
Ergebung mit dem innigen Gebet, die Zeit der zukünftigen Erlösung,
die er so sicher verheißen, baldigst herbeizuführen. Die Selicha, die
bis dahin mehr den allgemeinen religiösen Gedanken von Sünde und
Vergebung, von menschlicher Vergänglichkeit und göttlicher Gnade,
von Druck und Erlösung Auscü'uck verliehen hatte, erhielt in der Zeit
der ständig wütenden Vernichtung eine zeitgenössische und persönliche
Note, sie gab die Stimmung wieder, die in den unschuldigen Opfern
des Glaubenshasses erzeugt wurde, die unerschütterliche Treue zum
Glauben der Väter, die unverwüstliche Zuversicht in das Erscheinen
des messianischen Heils.
Auch der Stil des Piut wurde stark durch die Hagada beeinflußt.
In der ersten Zeit folgte die Darstellung der Paitanim völlig dem
Beispiel des Midrasch, sie gaben seine Gedanken, häufig sogar seine
eigenen Worte wieder. Wo das Studium der Juden auf Talmud und
Älidrasch beschränkt blieb, vermittelte das aus ihnen entnommene
Material auch weiterhin ausschließlich den Stoff der religiösen Poesie;
wohingegen, wie in Spanien, die Beschäftigung mit den Wissenschaften
die Kenntnisse und den Gedankenkreis erweiterten, wo die Philosophie
die Auffassung der religiösen Probleme in andere Richtung lenkte,
nahm auch der Piut eine neue Gestalt an, bereicherten die neuen
Bildungselemente seinen Stoff, beeinflußte die veränderte Denkungs-
weise seinen Inhalt. Der Piut stand allen Einflüssen offen, in ihm
spiegeln sich die Bildungsstufen seiner Verfasser, die Tendenzen ilirer
Epochen wieder; naturwissenschaftliche und philosophische, mystische
El b o gen, Der jüd. Gottesdienst. ^^
290 Geschichte des Gottesdienstes
und kabbalistische Vorstellungen haben auf ihn einge^sirkt, sind mit
den biblischen und agadischen Elementen, die er durch die Tradition
besaß, eine Verschmelzung eingegangen. Der lehrhafte Inhalt bildete
die Stärke und gleichzeitig die Schwäche des Piut. Es war außerordent-
lich wertvoll, daß durch Vermittlung des Piut die religiösen
Gedanken, die erbaulichen Erzählungen, die trostreichen Verheißungen
der Hagada in den weitesten Kreisen der Religionsgemeinschaft
verbreitet wurden. Wieviel Frömmigkeit ist dadurch geweckt, wie\'iel
Verzagten Mut, wie\'iel Verzweifelten Hoffnung eingeflößt worden!
Die leichte Zugängliclikeit des Stoffes war aber auch häufig eine Ver-
leitung zum Verse machen, die viele zum Anfertigen von Piutim reizte,
die keine Dichter waren. Es bildete sich eine gewisse Schablone heraus,
die nur zu gern benutzt wurde, für die gleichen Gebetstellen und die
gleichen Gelegenheiten bediente man sich gern derselben Gedanken,
gewisse Themen wie die Leiden der zehn Märtyrer, die Opferung
Isaaks, die Kedusclia der himmlischen Scharen werden die immer
wieder und häufig mit stereotypen Wendungen behandelten Themen.
Da war es an sich schwierig, originellen und packenden Ausdruck
zu finden, es ist auch nur wenigen Dichtern gelungen, gar vieh wurden
dabei langatmig und ergingen sich in einförmigen Wiederholungen.
Die Dichter der Blütezeiten freilich wußten, sich völlig frei von jedem
äußeren Einflüsse zu halten und folgten lediglich der inneren Eingebung,
in den Verfallszeiten wiederum trat von neuem die Anlehnung an die
alten Vorbilder stärker hervor, nur daß dann auch das Beispiel der
klassischen Dichtung mitwirkte. Der Piut mit seinem Fassungs-
vermögen war eine Quelle der Belehrung, war der Dolmetsch des
Glaubens an Gott und seine Gnade, des Vertrauens in die Kraft des
Gebets, der Zuversicht in die Erfüllung der Zukunftshoffnungen. Xach
dieser Richtung hat er eine bedeutsame Mission erfüllt, und er er-
füllt sie noch heute überall da. wo sein Inhalt und seine Ausdrucks-
weise dem Empfinden der Gläubigen entsprechen.
8. Eine nicht geringere Rolle als der Inhalt spielte die äußere
Form des Piut. Er war Kunstdichtung und mußte sich den Gesetzen
des Geschmackes seiner Zeit und Umgebung unterwerfen. Die Forde-
rungen wechselten, und dementsprechend legte der Piut ein anderes
'Gewand an, er wurde mannigfaltiger und komplizierter, der Piut
machte sämtliche Fortschritte mit, er erschien in den verschiedensten
Gestalten. Zuerst ist das Alphabet das einzige Bindemittel der Zeilen,
Die Kunslfurm des i'iut 291
dann tritt der Reim hinzu; d(>r Wcclisol des Reims veranlaßt die
Gliederung? in Stropiien, und vvu ein einzif^er Keim durch die ganze
Poesie hindurchgeht, übernehmen häufig Refrains oder Bibelverse die
Aufgabe der Strophenteihmg. Die alphabetischen Akrosticha wechseln
mit solchen ab, die Namen oder Hibelstellen anzeigen, sie werden sogar
mit ihnen verbunden und variiert. Für den IJau der Verse ist anfangs
ein gewisser Rhythmus maßgebend, der später durch kunstvolle
Metren ersetzt wird. Jede der hier genannten Formen kommt im
Laufe der Zeit zu immer künstlicherer und gekünstelterer Anwendung.
9. Die A k r 0 s t i c h i s (l'ü'^D, später nTSTn), die wir zunächst
betrachten, kann
a) eine a l p h a b e t i s c h e sein. Alphabetische Wort- und
Satzfolge in verschiedenen Variierungen finden sich bereits in den aller-
ersten Anfängen synagogaler Poesie (oben S. 274 f.). Der Piut konnte
nur alphabetische Zeilen verwerten, und er wendet sie in den reich-
haltigsten Variationen an. Wie in den biblischen Psalmen ist auch
in den Piutim die Zahl der Zeilen, die mit denselben Buchstaben des
Alphabets beginnen, sein- verschieden, ein, zwei, drei, xäer bis zehn,
sogar achtzehn und vierundzwanzig Zeilen bilden die Strophen;
sie sind innerhalb ein und derselben Poesie nicht immer gleich lang,
die einzelnen Zeilen kommen in den verschiedensten Zusammen-
setzungen vor. Es bleibt auch nicht bei den einfachen Al]jhabeten,
sondern in gleicher Weise wird die umgekehrte Reihe (p^Tr), werden,
wenn auch nicht ganz so häufig, die aus dem Talmud bekannten
anderen Kombinationen der Buchstaben des Alphabets (z. B. TTirs,
znbs, rrin cni«, sogar ^33 p"^i« ) angew-endet. Es können in einer Poesie
mehrere Alphabete nebeneinander hergehen.
Das Akrostichon kann ferner
b) aus B i b e 1 v e r s e n bestehen.
Sehr oft verwenden die Dichter von Kalir an Bibelverse in akro-
stichischer Weise, am Pesach z. B. werden im Jozer die Versanfänge
des Hohen Liedes, am Wochenfeste die des Dekalogs, am Schlußfeste
die aus Moses Segen und Tod usw. bald als Anfänge der Zeilen, bald
als solche der Strophen, bald auch in der Mitte benutzt. Die Bibel-
stellen werden mit den Alphabeten kombiniert, so daß die alpha-
betische Reihenfolge sich erst hinter dem Worte des Bibelverses
bemerkbar macht. Auch mit den Bibelversen können wie mit den
Alphabeten die gewagtesten Kombinationen vorgenommen werden,
19*
292 Geschichte des Gottesdienstes
eine der kühnsten von Kalir, wie sie glücklicherweise nicht häufig sind,
besitzen wir in seiner Keroba zum 9. Ab in It.; der erste Vers be-
ginnt da immer mit je einem Anfangsworte der Zeilen in Thr. Kap. 5,
das nicht alphabetisch ist, und einem aus Thr. Kap. 4, die nächsten
drei mit den Anfangsworten aus Thr. Kap. 3 in umgekehrter Reihe
(3, 2, 1, 6, 5, 4), die fünfte und sechste mit je einem Versanfange aus
Thr. 2 und 1. Die sechste Zeile schließt mit den letzten beiden Worten
des obigen Verses aus Kap. 5. Die Komplikation ist jedoch damit
nicht erschöpft, sie wird durch den Reim wesentlich erhöht.
Weitaus die häufigsten und literarhistorisch die wichtigsten
sind
c) die N a m e n s a k r 0 s t i c h a.
Daß der Dichter seinen Namen nennt, knüpft ebenfalls an bib-
lische Muster an, die akrostichische Form jedoch, in der es im Piut
geschieht, ist arabischen Vorbildern entlehnt, jedenfalls vor der Be-
einflussung durch die Araber nicht nachzuweisen. Der Name ist
entweder nach voraufgegangenem Alphabet gegen Ende der Poesie
angegeben oder sein Akrostichon füllt die sämtlichen Zeüen- bezw.
Strophenanfänge aus. Mitunter zeichnen die Dichter nur ihren Namen,
meistens aber auch den des Vaters, wobei in älterer Zeit häufig das
palästinische ill^n zur Anwendung kommt. Seit dem zehnten Jalu--
hundert tauchen auch die Bei- oder Famihennamen wie 3^7 Sil:
(Bonfils), 7Tii?n (del Lungo), "irip "yi (Fischlin) usw. auf; die Heimat
des Dichters oder seiner FamUie wird angegeben Tini (aus Lunel),
■^nTiin (aus Orange), "itjrs^ns (aus Granada) usw. Nach der Mtte
des zwölften Jahrhunderts finden wir Ehrentitel oder Bezeichnungen
des Berufes wie i^öin ,d:"is ,'iTn ,nnn mit genannt. Die spanischen
Dichter setzten vor Diren Namen i^i?, hinter ihn ■)i:pn, gegen Ende
des XL Jalirhunderts T^S'Sn, wofür andere, zumal in Verfolgungs-
zeiten, mbyn oder nDn;n schreiben. Den Namen werden bisweüen
Segensforraeln beigefügt, zunächst einfache und kurze wie pin,
nini oder b"i!ii; im Laufe der Zeit aber wachsen sie immer mehr in
die Länge, sclüießlich entstehen Formeln wie aicyam mir.n ":;~3"'
■j^^si pTH )üs? a^nriD oder nr; iiax n:c ~y "^^n nr:: ^n^i b".v.
Dazu traten Segensformeln noch andrer Art oder Bibelverse, die ein
Gebet enthalten (z. B. Neh. 1322 n"^55 ib niDT). Auch Zusätze, die
sich auf den Inhalt der Dichtung beziehen, kommen vor, so ist z. B.
ein berühmtes Gedicht Jehuda ha Levis für den Versöhnungstag ge-
Die Kunst form des Piut 293
zeichnot ST^n r:"i7 b7 nTi-^n T^:ns5b niTan :i<-"2r 13 "»ibn m-TT^
a-i^^Ern. Die Dichter begnügten sicli indes nicht damit, ihren eigenen
und des Vaters Namen einzuzeichnen, bisweilen trugen sie auch den
eines Hruders oder eines Sohnes mit einer hingen Segensforniel ein.
Simon b. Jsaak zeichnet im Jozer für den II. Xeujalirstag "^in "nbst
2:17 ■'■inb irnn blE"i, Salomo ha BabH in dem für den siebenten
Pesachtag nmiTDT pinD nmrn bi^-^ ppn idh^'q. Manche geben
ganze Ahnengalerien; Jechiel b. Josef um 1340 zählt so zahlreiche
Vorfahren auf, daß er nicht weniger als 114 Buchstaben für das Akro-
stichon braucht. Auch Namen und Eigenschaften Gottes, Bezeichnungen
der Feste, für die das Stück bestimmt ist, oder Gebetstellen aus
ihrer Liturgie dienen als Akrosticha, kurz es gibt auf diesem Gebiete
die allergrößte Mannigfaltigkeit, ja ein Übermaß von Kunstmitteln
zur Ausschmückung der Poesien.
10. Dem Akrostichon am Anfange der Zeilen entspricht am
Ende der Reim Ti^n. Man hat ihn ebenfalls schon in der Bibel
wiederfinden wollen; wo der Gleichklang dort angetroffen wird, be-
ruht er auf Zufall. Die bewußte Verwendung des Reims ist nur aus
dem Einflüsse der Araber zu erklären; vor der Zeit Kalirs sind, wie
schon die Grammatiker des Mittelalters bemerken, Reime in der
hebräischen Sprache nicht nachzuweisen. Die Reime können für
jede Strophe wechseln oder durch die ganze Poesie durchgehen in
der Weise, daß entweder sämtliche Verse ohne Ausnahme oder daß
nur die Strophenschlüsse die gleiche SUbenendung, mitunter gar das
gleiche "Wort haben. Im letzteren Falle können die übrigen Zeilen
jeder Strophe entweder ohne Reim bleiben oder einen für sie durch-
gehenden neuen Reim oder auch mehrere wechselnde Reime haben.
Als besondere Femheit gilt es, die Versschlüsse so einzurichten, daß
das letzte Wort des ersten Verses zugleich das erste des zweiten bildet
und so fort. Solche R i n g w ö r t e r finden sich auch schon in den
reimlosen Dichtungen. In alphabetischen Piutim sind in derartigen
Fällen Reim und Akrostichon verbunden, die Worte bedingen sich
gegenseitig. Die Kunst des Reüns kann in der Weise ausgedehnt
werden, daß schon die Halbzeilen den Gleichklang der Endung be-
sitzen, daß schon bei ihnen die Ringwörter zur Anwendung kommen.
Die Reime sind vielfach durch den Inhalt der Poesie bedingt.
In den Stücken zu "'■'E^r rr.zi^O' r'"^y:'^ z. B. endigen die Strophen
auf nsVrr, auf "V^t, auf neir, in denen zu bü und ar3 auf rj und
294 Geschichte des Gottesdienstes
—J^; ähnlich ist es bei anderen Poesien. Vor allem aber waren die
Refrainsätze und die Bibelrerse von größtem Einfluß auf den Reim;
häufig bedingte der Refrain sämtliche Versendungen, da sie alle
mit ihnen reimten. In den Mostedschabs ist durch den vorangeschickten
Kehrvers das Ende jeder Strophe bestimmt; meistens ist das ein
biblisches Zitat. Bibelverse werden sehr oft als Schlußzeilen der
Strophen verwendet, der Grammatiker Efodi rühmt es als besonderen
Vorzug der hebräischen synagogalen Poesie, daß sie die Bibelverse im
Original für die Dichtungen verwerten kann; er zielt dabei wahr-
scheinlich auf Hymnen der christlichen Kirche ab, die das gleiche
Verfahren befolgten, sich aber naturgemäß der Übersetzungen der
Bibel bedienen mußten. In der vorhin erwähnten Keroba Kalirs
zum 9. Ab ist als Strophenende stets ein Bibelvers mit n^l: verwendet,
dessen Sclilußwort den Reim der ganzen Strophe bestimmt. Wie
frühzeitig Akrostichon und Reim unter den Juden verbreitet waren
und von den Dichtern als unentbehrliche Hilfsmittel betrachtet
wurden, lehrt uns das Vorgehen Saadjas, der bereits in jungen Jalu-en
(920) zwei alphabetische Verzeichnisse der hebräischen Stämme an-
legte, sie in dem einen nach den Anfängen, in dem anderen nach den
Enden der Worte ordnete, damit die Dichter sich ihrer für Akrostichon
und Reim bedienen könnten; die Arbeit hat ihn lange beschäftigt
und ist wiederholt von ihm erweitert worden, die erhaltenen Frag-
mente seines A g r o n geben ein Bild von den damaligen Bestrebungen
und Anforderungen auf diesen Gebieten.
11. Wie Anfang und Ende durch Akrostichon und Reim be-
stimmt werden, so die Verse selbst durch Rhythmus und Metrum.
Wieweit die biblische Poesie Metrum und Rhythmus hat, ist eine
neuerdings viel umstrittene und häufig behandelte Frage. Den jü-
dischen Dichtern und Sprachforschern des Mittelalters war hiervon
nichts bekannt, sie hatten niemals das Bewußtsein, sich mit Rhythmus
oder Metrum an das Muster der Bibel anzulehnen. Die Stammgebete
befolgen das aus der Bibel bekannte Gesetz des Parallelismus, legen
sich aber darüber hinaus keine Bindung auf. Die ersten, einfachen
Erweiterungen der Staramgebete und die ältesten Piutim verwenden,
wie oben (S. 275 ff.) hervorgehoben wurde, den Rhythmus, der dem
Wortton angepaßt ist. Dabei ist die Piutdichtung recht lange ver-
blieben. Die Gesetze des Rhythmus wurden nicht immer sehr streng
befolgt, insbesondere haben die in cluistlichen Ländern lebenden
Die Kuiistftirin des l'iut '295
Pailaniüi sich woiiiü: imi das (ileiclimaü der Wtsc f^cUüinmcit. Anders
die Dichter in (k'ii mohammedanischen Ländern, die von den Arabern
lernten, bei den Versen die Q u a n t i t ä t der Silben zu berücksichtigen
(a-^ripr 2"'n"'Tr). So wird das M e t r u m (bpcia) in die hebräische
Dichtunu: übertragen, zunächst für weltliclie, dann auch für gottes-
dienstht'he Lieder. Xoch Saadja weil/i nichts von metrischen \'erseü
in hebräischer Sprache, sein Jiinu'er iMiiiasch isl der erste, der das
Metrum zur Anwendung bringt, und mul.) sich dafür den N'orwurf
gefallen lassen, daß er zum Schaden für die hebräische Sprache fremde
Elemente in die Verskunst einführe. Der Vorwurf ist nie wieder ver-
stummt, nur zu häufig wird darüber geklagt, daß das Metrum eine
fremde Fessel ist und für die hebräische Sprache sich nicht eigne.
Seltsam genug, selbst Dichter wie Jehuda ha Levi und Charisi bekunden
ihren Widerwillen gegen den Eindringling aus der Fremde; das hat
sie freilich nicht gehindert, in ihren Versen die metrischen Formen
der .-Vi'aber ständig zu befolgen. Sämtliche Dichter der spanischen
Blütezeit haben ohne Scheu metrische Gedichte verfaßt, und mitunter
haben auch die Kritilver zum Lobe des Metrums das Wort genommen.
Ohne weiteres ließen sich die arabischen Metren nicht auf das He-
bräische übertragen, man nuißte erst die Bewertung der Silbenquan-
titäten in ein bestimmtes System bringen. Einige wichtige Metren
mußten vollständig ausfallen, soweit es jedoch möglich war, wurden
sämtliche Metren der Araber übernommen. Über ihre Zahl shid die
widersprechendsten Angaben aufgestellt w^orden; nach Hartmanns Be-
rechnung , .fanden sich in den Versgedichten, d. h. den Gedichten,
deren einander gleiche Verse denselben Reim haben, 47, in den Strophen-
gedichten, d. h. den Gedichten, welche aus Gruppen von mehreren
Versen mit gemeinsamem Reim des letzten Verses und Sonderreim
der anderen bestehen. 64 verschiedene Versmaße, insgesamt 111 ver-
schiedene Versmaße."
Die Aufnahme von Rhythmus und Metrum wurde dadurch
begünstigt, daß die Piutim nach bestimmten ^lelodien gesungen
wurden. Samau"al al-Magribi hebt als das Kennzeichen der Hizäna
ausdrücklich hervor, daß sie vom Vorbeter gesungen werden und daß
die Gemeinde ihn mit Rufen und Singen begleitet, ihm bei den Melo-
dien hilft (oben S. 283). Tatsächlich geben die Gebetbücher, und die
handschriftlichen weit häufiger als die gedruckten, die Melodie,
nach der ein Piut gesungen wird, an: man forderte schöne Melodien,
296 Geschichte des Gottesdienstes
die mit angenehmer Stimme zum Gehör gebracht würden (mi^
Dny ?"ipi nn^ariD). Die Bezeichnung für Melodie ist Dyi2, wofür auch
"ills; und 3713 vorkommen, bei den arabisch sprechenden Juden ist
"nb am häufigsten. Die Melodien wurden von überall hergenommen,
Volkslieder und Gesänge aus allen Kulturkreisen haben das Material
dazu geliefert.
12. Die Piutdichter haben sich ihre eigene Sprache geschaffen.
Sie waren bestrebt, sich nach Möglichkeit an die Bibel anzusclüießen,
,,die synagogalen Dichter nahmen für iliren Perlenschmuck den Stoff
aus dem Midrasch, die Schnüre aus der Sclirift." Aber das biblische
Sprachgut reichte in keiner Weise aus, es lag die Notwendigkeit vor,
Gedanken und Begriffe zur Darstellung zu bringen, die vorher nicht
geläufig waren, Akrostichis und Reim, die unentbehrlichen Kunst-
formen, hatten starke Beschränkungen in der Wahl der Worte zur
Folge, sie erhöhten die Schwierigkeiten des Ausdrucks außerordentlich.
Die Dichter sahen sich daher genötigt, über das ihnen überlieferte
Material hinauszugreifen und zu Neubildungen ilire Zuflucht zu nehmen.
Das war kein ganz neues Verfahren, Mischna und Talmud hatten es
bereits eingeschlagen, hatten nicht weniger als durch neue gram-
matische durch eigenartige sprachliche Bildungen zur Fortentwicklung
der hebräischen Sprache beigetragen. Auch die Stammgebete halten
sich nicht immer lediglich an die Ausdrucksweise der Bibel, auch sie
verwerten bisweilen das Sprachgut des jüngeren Hebraismus; alle
jene Abweichungen vom klassischen Stile jedoch verschwinden voll-
ständig gegenüber den Neuerungen der Paitanim. Sie gestatteten sich
eine ganz eigene Art der Sprachbüdung und Ausdrucksweise.
Die Eigentümliclikeiten, welche die Sprache und der Stil der
Piutim aufweisen, hat Zunz mit bewunderswerter Geduld und Sorg-
falt gesammelt und in Gruppen eingeteilt; er faßt sie unter folgenden
drei Gesichtspunkten zusammen: Die Piutdichter verwenden: ,,a) Worte
und Redensarten aus Talmud, Midrasch, Targum; b) abweichende
Flexion, unübliche Syntax, Neubildungen; c) StU-Eigenheiten und
eigentümliche Ausdrücke. "
a) Daß die Piutdichter sich nicht aussclüießlich an das biblische
Sprachgut hielten, daß sie auch die erst im talmudischen Sclu'ifttum
neu auftretenden hebräischen Worte verwendeten, war ilu* gutes
Recht; das entsprach der natürlichen Entvricklung des Idioms. Ilir
Felller war, daß sie unterschiedslos den gesamten Wortschatz der ilinen
Die Spruchü des Piut 297
vorliofTondeii Literatur V(M-wi'rt('t(ni, als wäre er diircliwefif klassisch,
daß sio auch aramäische, auch lateinische und griechische Wörter
entlehnten und wie rein hebräische behandelten. Fremdwörter wie
-ibn':: (libellarius), wie r-ip (IkeQa/cei'a), wie '^'iyc'p (/Mn^yoQo^)
und "i^-^rc ((jir/iyoQo^) dranp^en durch sie in die Sprache ein, manche
wie cd:: (von ia$i^) werden wie hebräische Wurzeln konjugiert.
In bescheidenem Umfange findet sich dieselbe Erscheinung ebenfalls
schon in der Mischna und im Talmud, die älteren Piutdichter sind
auch kaum in nennenswerter Weise darüber hinausgegangen, wohl
aber die späteren, zumal die französischen und deutschen, denen die
Kontrolle der gediegenen grammatischen Studien und Sprachkennt-
nisse fehlte. Sie hatten eine starke Vorliebe für unbekannte und
ungewöhnliche Ausdrücke, Künstelei galt ihnen als die wahre Kunst,
sie nahmen daher zahlreiche aramäische Worte, auch ganze Sätze in
ihre Dichtungen auf; für manche Zwecke, z. B. für die Introduktionen
zur Toravorlesung, schien ihnen die aramäische Sprache überhaupt
mehr am Platze als die hebräische.
b) Die Piutdichter hielten sich nicht an die Gesetze der Sprache,
sie folgten auch darin den Spuren, die mitunter bereits im Talmud
vorgezeichnet sind. Sie bildeten Plurale von Worten, die keine i\lehr-
zahl haben, wie Eigennamen oder Partikeln, sie scheuten sich auch
nicht, den Plural mit sonst nicht gebräuchlichen Endungen zu ver-
sehen. Beim Xomen wird unterschiedslos die verbundene neben der
einfachen Form gebraucht. Mit den Flexionsendungen bei Nomen
und Verbum gehen sie \vülkürlich um, vdc sie andererseits Partikeln,
die nur mit dem Xomen verbunden werden können, auch zum \'erbum
stellen. Die schwachen Verbalstämme werden von ihnen behandelt,
als wären sie alle gleichmäßig defektiv, sodaß von den verschieden-
artigsten Zeitwörtern nach demselben Paradigma Formen gebildet
werden. Eine ganz gewöhnliche Erscheinung ist die Venvendung
von solchen Konjugationen eines Verburas, die in der klassischen
Sprache nicht vorkommen, eine besondere Vorliebe tritt für passive
Formen zutage, insbesondere deren Partizipien müssen die ständigen
Beiwörter der Helden des Piut abgeben; da werden nun nicht nur
solche Passiva gebraucht, die der älteren Sprache unbekannt sind,
es wird auch nicht davor zurückgeschreckt, intransitive Verben in
passive Formen zu bringen. Eine besondere Eigentümlichkeit der
Paitanim sind die neu geschaffenen Worte: sie verwenden Nomina,
298 Geschichte des Gottesdienstes
die man sonst nicht kennt, nicht weniger als 40 bis dahin nicht ge-
brauchte Bildungen haben sie eingeführt, sie gewinnen sie zum Teil
dadurch, daß sie der Endungen, die durch den Stamm oder die übliche
^sominationsbildung bedingt sind, nicht achten, oder daß sie auf Grund
von falschen Analogien neue Worte herstellen. In den meisten Fällen
ist es die Fessel des Reims, die dazu zwingt, die Sprache in das neue
Gewand einzupressen.
c) Man würde durch die ungebräuchlichen und nicht korrekten
Sprachformen sich bei einiger Übung hindurchfinden können; was
die Piutim außerordentlich schwierig und mitunter ungenießbar macht,
sind die Dunkelheiten ihrer Redeweise. Sie verwenden gern seltene
Worte, deren Verständnis große Belesenheit in Bibel, Talmud und
Midrasch voraussetzt. Vor allem aber lieben sie es, ihren Stil durch
Metaphern zu schmücken, die der biblischen oder talmudischen Dar-
stellung entstammen. In Schilderungen aus der Geschichte Israels
z. B. werden die Epitheta für das Volk oder seine leitenden Männer
den entlegensten Benennungen, Gleichnissen oder Geschehnissen ent-
lehnt, und gar häufig ist die Anspielung nur durch ein einzelnes Wort
gegeben, so daß man direkt vor einem Rätsel steht. Ebenso müssen
zur Bezeichnung der Feinde Israels und seiner Dränger alle möglichen
]S'amen der biblischen Völker so\N'ie die von ihnen in der Heiligen
Schrift genannten Eigentümlichkeiten und gebrauchten Bilder her-
halten. Auch darin hatten die Paitanim ihre Vorbilder, die Sprache
der Apokalypsen und des Midrasch haben oft ganz ähnliche Eigen-
tümliclikeiten aufzuweisen, aber wie die Produktion der Paitanhn
die der Alten an Umfang übertrifft, so \'iel größer sind auch die Schwie-
rigkeiten und Rätsel, die sich bei ihnen häufen.
13. Die Darstellungsweise des Piut ist oft getadelt worden, für
Pmisten auf dem Gebiete der Sprache bot sie der Angriffspunkte genug.
Am bekanntesten sind die Ausstellungen Abraham ibn Esras, daß die
Piutim nach dem Muster Kalirs vier Arten von Mängeln aufweisen,
die sie als Gebete ungeeignet erscheinen lassen müssen : die Dunkelheit
ihrer Redeweise mit den \qelen rätselhaften Anspielungen, die musi-
vische Verwendung zahlreicher Stellen aus der Agada, der Gebrauch
talmudischer Ausdrücke und die geringe Korrektheit in der hebräischen
Sprache. In Zunz und ganz besonders in Heidenheim hat Kalir beredte
und warmherzige Verteidiger gefunden. Von seinem Standpunkte
aus hatte ibn Esra unstreitig recht, die Felder, besonders die Dunkel-
Die Spriiclie des Piut 299
heil (los Aiisdiiicks uiul die Verf;:('ln'ii f^cf^^Mi die Spraclifri'setzt', sind
nicht ahzid(Mi<,nu'ii. Die histoiisclie (ierechti^keit jeduch erlieisciil,
auch fri'ij;t'ii ili»' Sehwieii'jjkeileii, vor denen die Piutdiclitor standen,
tue Anf^^en nieht zu verschliel3en. Ks war ihnen die Anfjujahe znf>;ei'allen,
ihre Diehtiniijen in einer Sprache abzufassen, die seit Jahrhunderten
aul'fijehört hatte. Volkssprache zu sein, die mir in den Lehrhäusern
ihr Dasein fristete und auch dort nur für nu'thodische lvef,'eln und
iiesetzliche Xornieu zur Anwendunii' kam. Ks zeuj^t von hohem Mute
und sicherem Selbstvertrauen, dal.) sie den Versuch nicht scheuten,
die Sprache wieder zu beleben, ihr neue Töne zu entlocken, sie aus-
drucksfähio; und geschmeidig zu machen. Mit bewundernswerter
Kidmheit gingen sie ans Werk, und man kann ihnen die Anerkennung
nicht versagen, daß sie Großes geschaffen haben; es ist ihnen gelungen,
für das religiöse Bewußtsein einen neuen Ausdruck und eine neue
Stilform zu scliaffen, viele Jahrhunderte konnten daran Erhebung,
p]rbauung und ]3elehrung finden. Die Piutdichter haben eine F o r t -
b i 1 d u n g der hebräischen Sprache eingeleitet, ihren
Fortbestand als Schrift- und Literatursprache gerettet. Ohne Ge-
waltsamkeiten ging es dabei nicht ab, ,,der Paitan kämpfte mit der
gegen Form und Inhalt sich sträubenden Sprache und hat ihr manche
glückliche Bildung abgerungen." Die Sprachbildung der älteren
Paitanim überrascht durch ihre Kühnheit, ohne durch ihre Härte
abzustoßen, die Ausschreitungen fallen erst einer späteren Zeit zur
Last. Die Gesetze der Sprache Avurden mißachtet, weil man sie nicht
kannte, nicht weil man ihrer spottete; es ist die Schuld der jüngeren
Paitanim, daß sie, obwohl in ihrer Zeit die Sprachforschung bereits
gewaltige Fortschritte gemacht hatte, sich die neuen Kenntnisse nicht
zunutze machten. Eine starke Verführung bot die Kunstform mit
ihren schweren Fesseln, ..der sprachrichtige Ausdruck mußte dem
technischen Zwange weichen und die Schönheit ward von dem En-
thusiasmus verschmäht." Die Dunkelheit der Darstellung aber, der
Gebrauch schwieriger "Wörter und rätselhafter Anspielungen waren ein
Zugeständnis an die Geschmacksrichtung der Zeit, die Dichter kamen
damit ilirem Publikum entgegen, das derartige Verzierungen und
Verschnörkehmgen liebte. Man muß allerdings sagen, daß die Ge-
meinden jener Zeit von einer beneidenswerten Belesenheit im alten
Schrifttum gewesen sein müssen, wenn sie einer so schwierigen Dar-
stellungsweise zu folgen imstande waren. Kalii' hat diese Stilgattung
300 Geschichte des Gottesdienstes
nicht aus Willkür gewählt, sondern weil das der einzige Weg war,
auf dem in seiner Zeit ein Dichter sein Glück machen konnte; Bei-
spiele anderer Völker haben da auf die Poesie der Juden eingewirkt.
Saadja, der im Gegensatz zu Kalii" durch Abraham ibn Esra als Ver-
fasser von Gebeten so sehr gerühmt wird, hat es nicht besser gemacht;
wenn Kalirs Piutim dunkel genannt werden müssen, so sind die seinen
geradezu Bücher mit sieben Siegeln. Es hat in allen Literaturen
Schriftsteller gegeben, deren Dichtungen voll von Dunkelheiten sind,
in denen selbst die Zeitgenossen kaum zwei Zeilen gründlich zu ver-
stehen vermochten, ohne in Wörterbüchern und Enzyklopädien nach-
zuschlagen; das hat nicht gehindert, daß manche von ümen als Klassiker
anerkannt wurden. Die Klassilvcr der synagogalen Poesie haben die
Schwierigkeiten der alten Piutdichtung mit Glück überwunden, die
Helden unter den Dichtern haben sich durch die Gewalt der Kunst-
form nicht besiegen lassen, sie warfen die Ketten mit Leichtigkeit
von sich ab; „wie man einen Wergfaden zerreißt, w^nn er dem Feuer
zu nahe kommt," so hat ilire dichterische Begabung, iln- Genie sich
von den Fesseln befreit. Sie haben die überlieferte Form nicht etwa
verworfen, im Gegenteil : der Aufbau ihrer Dichtungen ist häufig noch
weit kunstvoller geworden, dennoch haben sie es verstanden, ihre
Werke zur Höhe der klassischen Lieder zu erheben; an Tiefe des Emp-
findens, an Hoheit der Gedanken, an Reinheit der Sprache kommen sie
den biblischen Psalmen nahe. Es waren eben echte Dichter,
die hier das Wort ergriffen, während der überwiegenden Melirzahl
der Paitanim die dichterische Begabung fehlte. Das Lehrhafte im
Inhalt des Piut, die Künstelei der äußeren Form und der Wortbildung
waren leicht nachzuahmen. Das Bedürfnis der Gemeinden nach
dem neuen Schmucke für den Gottesdienst war ein sehr lebhaftes; so
verbreitete sich die Gewohnheit Piutim abzufassen wie eine ansteckende
Krankheit. Die Schablone war vorhanden, Vorbeter und Gelehrte,
Berufene und Unberufene bedienten sich ihrer, um die Gemeinden mit
ihren Produktionen zu erfreuen. Darin, daß das Versemachen unauf-
haltsam um sich griff, daß Männer ohne dichterisches Empfinden und
ohne Sprachverständnis sich zum Abfassen von Piutim und Selichas
angetrieben fühlten, beruht der eigentliche Fehler, nicht in der Piut-
, dichtung an sich. Aber mag das immerliin eine Verirrung sein, so war
es doch keine ganz wertlose. Für die Zeiten und die Kulturkreise,
für die sie bestimmt waren, erfüllten die Piutim ihren Zweck vollauf,
I
Gegner des Piut 301
iiiaii (lurfto nur nicht, wie es später geschah, absohite Werte daraus
niaehen wollen. Sic redeten zu jeder Zeit in ihrer Sprache, in ihren
Anschauungen, sie waren die Dohiietsciier der Empfindungen und
Gechmken der unmittelbaren Gegenwart und boten dadurch ein
Gegengewicht gegen die durch die Tradition festgelegte Masse der
Stammgebete.
14. Der Piut hat eine überaus rasche Verbreitung gefunden,
sicli stetig wachsender Beliebtheit erfreut, so daß sein Ansehen zeit-
weise das der Stamnigebete verdunkelte. Man sollte daher annehmen,
es hätte ihm stets nur die Sonne des Glückes geschienen, er hätte
sich von Anfang an der Förderung der maßgebendsten religiösen
Führer erfreut. Dem ist durchaus nicht so; der Piut hatte gegen
tausend Widerstände anzukämpfen, fast zu allen Zeiten haben sich
gerade die gewichtigsten Stimmen in feindlicher Absicht gegen ihn
erhoben; sie konnten jedoch nichts ausrichten, da die Massen auf
seiner Seite waren. Die große Neuerung am Piut war, daß er die über-
lieferte Reihe der Stammgebete unterbrach. In Palästina, seinem
Ursprungslande, war man damit vertraut, daß die Gebete häufig
wechselten; man achtete nur darauf, daß die überlieferte Reihen-
folge, die festgelegten Eulogien (riDna) erhalten blieben, Abweichungen
vom Wortlaute, von der Einkleidung jedoch war man gewohnt und
sah man sein* gern. In Babylonien hingegen stießen die neuen Gebete
auf lebhaften Widerspruch. Die babylonischen Geonim traten ihrer
Zulassung mit voller Entschiedenheit entgegen, weil sie die traditio-
nelle Ordnung des Gebets störten, die Tefilla erweiterten und mitunter
Gedankengänge an Stellen brachten, wo sie fremd waren und nicht
hingehörten. Es war dieselbe Stunmung, die sich jeder Art von Ein-
fügungen widersetzte, auch den kurzen in Prosa, die sich dem alten
Wortlaut anschmiegten und als Neuerung kaum auffielen, wie i:"^dt usw.
(oben S. 43, bS). Wird doch von Jehudai Gaon berichtet, daß er
prinzipiell jeder Einfügung in die herkömmliche TefUla, selbst der
Keduscha, widerstrebte. So spärlich die Äußerungen der Quellen aus
jener Zeit sind, so gewähren sie doch einen Einblick in den Gang der
Dinge und zeigen, daß alle Einschaltungen nur scluittweise einge-
drungen sind, daß in jedem Zeitalter das eben gerade Neue bekämpft
und schon im nächsten oder übernächsten als vollberechtigt aner-
kannt wurde. Während noch der Gaon Kohen Zedek sich über die
Frage äußern muß, ob selbst die oben erwähnten Zusätze für die Büß-
302 Geschichte des Gottesdienstes
tage statthaft sind, geht sein Nachfolger Natronai bereits soweit,
die Kerobot für alle Festtage, für Chanukka, Purim und den 9. Ab
zu gestatten, wofern sie nur der Forderung genügen, daß der Inhalt
jedes Verses dem Gebetstücke, in das er eingeschoben wird, entspricht.
Mit seiner Erlaubnis war jedoch der Widerspruch keineswegs end-
gültig verstummt, noch 150 Jahre später mußte Hai Gaon zu den
gleichen Fragen Stellung nehmen, und er hatte den Mut, sich wiederum
als Gegner der Neuerung zu bekennen, wie überhaupt seine Schule,
die von Pumbedita, länger in der Opposition gegen den Piut ver-
harrte als die von Sura. Die denkbar schärfste Sprache gegen den
Piut führt dann Jehuda b. Barsilai, er nennt ihn eine Verirr ung,
wegen deren man die Leute zurechtw^eisen, die man ilmen streng
untersagen muß. Nach seiner Meinung ist jede Erweiterung des "Wort-
lautes der Gebete über den im Talmud gegebenen Rahmen hinaus
unstatthaft, je weniger dazu hinzugefügt wird, desto besser ist es,
selbst solche in seiner Zeit allgemein anerkannte Erweiterungen der
Stammgebete, wie fTiT^ b-n oder i:"i:t, verwft er und erklärt es
für ein erstrebensAvertes Ziel, um ihre Beseitigung zu kämpfen. Die
voUe Schale des Zornes aber schüttet er über den Piut aus, über dieses
ganz fremde Element, das man den Stammgebeten einfügt. Einst in
Zeiten der Religionsnot wäre er gestattet worden als Ersatz für die
verbotenen Stammgebete, nachdem aber die Erlaubnis, den Gottes-
dienst in der herkömmlichen Weise zu halten, wieder erlangt wäre,
müßten auch die Stammgebete wieder in ilir ausschließliches Recht
treten und nicht durch beliebige Einschaltungen verdrängt werden.
Der Piut störte das Gebet, da er inhaltlich verkehrt wäre, mit seiner
Häufung der Epitheta für Gott grenzte er mitunter geradezu an Blas-
phemie, eines ernsten religiösen Mannes wäre es unwürdig, die ,, Ge-
bete der Propheten" beiseite zu lassen und dafür das ungereimte und
wertlose Zeug zu setzen, von dem die Väter nie etwas geahnt hätten
(irriSi« D-'nyv: i?: ntci« n-^in ^^nn -^i^nri -fm -'rs^- T^nb: •j'^'j^-'s -^mz).
Es ist eine höchst ungerechte Kritik, die hier zu Worte kommt,
die Liebe zum Althergebrachten verdrängt das Verständnis für die
Bedürfnisse einer neuen Zeit, Jehuda ben Barsilai begriff nicht, daß
die Piutim eine neue Art der Frömmigkeit und des Betens einleiteten,
daß sie, wie einer seiner jüngeren Zeitgenossen sich ausdrückt, zur
Ergänzung der Stammgebete dienten, daß sie in poetischer Sprache
den Ruhm Gottes zu verkünden bestimmt waren. Aber nicht weil
(iegnor des l'iiit 3Q3
er iiiiiri'iccht war, hlich diosor Wulvrspriicli (ilitic Wirkiiiif^, sondi'rri
darum, woil iiizwiscliiMi die Piiitiiu durcli die Zeit und diircli das IJci-
s\w\ hcrülmittM' Mämior said^tiunicrl worden waren. Wenn eine
Leuchte wie Saadja unter die Dicliler ifej,^an«^en war, konnte man
die Poesie nicht mehr gut für verboten erklären. Kür K. Gerschom
war auch Jannai, von dem er kaum mehr als den Namen gekannt
haben wird, zeitlicli schon weit genug entfernt, um als gefeierter Ge-
lehrter und als Zeuge zugunsten des Piut gelten zu können. Weil
er eine Reihe von berühmten Namen als Dichter kennt und er ihr
Beispiel für maßgebend erachtet, gestattet K. Gerschom die Verwen-
dung des Piut ohne Einschränkung, und es war nur natürlich, daLi
seine einflußreiche Stimme in Frankreich und Deutschland überall
Gehör fand, daß man dort dem Piut als Bereicherung der Gebete durch
Hymnen gern Eingang gewährte. R. Jakob Tarn ist dann der erste,
der Kalir unter die Tannaiten versetzt und dadurch die wirkungs-
vollste Rechtfertigung für den Piut findet.
Allein die bloße Tatsache, daß der Piut so häufig und so energisch
in Schutz genommen werden mußte, beweist doch, wie oft und mit
welcher Wucht die Angriffe gegen iiin gefülul wurden. Es sind die
besten Namen, die auf Seiten der G e g n e r des Piut stehen. Abraham
ibn Esra z. B. erhebt warnend seine Stimme gegen den Gebrauch der
unverständlichen und unverständigen Piutim. Auch Maimonides
spricht sich sehr energisch gegen das Verfahren der Paitanim aus,
die gern Hymnen mit langen Ansammlungen von Attributen Gottes
verfassen, die glauben, dadurch der Gottheit näher zu kommen, in
Wirklichkeit aber ,,mit kühner Zunge unverständig reden und mit
ihrem Eifer geradezu zur Gottesleugnung sich versteigen". Sehr be-
zeichnend ist die Behandlung des Problems durch Charisi. In der
Makame des Vorbeters von Mosul geißelt er den Wahnwitz, der in
der Übertreibung des Piut liegt. Er erfährt in Mosul Wunderdinge
von den Fähigkeiten des in der Gemeinde angestaunten Vorbeters
und ist gespannt darauf, ihn im Gottesdienste kennen zu lernen;
statt aber seine Hoffnungen erfüllt zu sehen, hört er einen Mann, der
schon in den einfachsten Stammgebeten den erlesensten Unsinn
vorträgt und der dann seine unwissende und stumpfsinnige Gemeinde
mit ,, Piutim ohne Form und Inhalt, mit blinden und lahmen Versen,
mit Dichtungen ohne Saft und Kraft" derart quält, daß die Leute
entweder ermüdet einschlafen oder entsetzt das Weite suchen. Ein
304 Geschichte des Gottesdienstes
verständiger Mann in der Gemeinde — das ist Charisi selbst — tadelt
die VernacMässigung der Stammgebete zugunsten der unsinnigen
Piutini; da aber stößt er auf eine Anzalil von Gegnern, die gerade den
Piut für die Hauptsache erklären, neben der die anderen Gebete
in den Hintergrund treten müssen, die das Singen des Piut mit den
Levitengesängen des Tempels vergleichen, die den Piut als in der
Bibel geboten ansehen, in derselben Bibel, die von den Stammgebeten
völlig schweigt, die sich endlich darauf berufen, daß der Piut in allen
Gemeinden ohne Ausnahme verbreitet und beliebt sei und daß sie
doch unmöglich zurückstehen können. Charisi er^ndert darauf, daß
der Piut wohl seinen guten Sinn und seine Bedeutung haben könne,
da, wo man ilm verstände, daß er aber für eine Gemeinde von solcher
Unwissenheit geradezu eine religiöse Gefahr bedeute. Es ist unmöglich,
Charisis witzige Darstellung mit iliren feinen Pointen in einer fremden
Sprache wiederzugeben, die Spitzen der Pfeüe zerbrechen bei ihrer
Übertragung, aber der Sinn seiner Ausfüllrungen ist klar, er ist kein
unversöhnlicher Gegner des Piut, er fordert nur, daß das nötige Maß
nicht überschritten, die Aufnahmefähigkeit der Gemeinde nicht
überschätzt werde.
Ähnliche Vorwürfe sind auch in allen folgenden Jalu'hunderten
immer wieder gegen den Piut erhoben worden, man klagt darüber,
daß er die zusammengehörigen Gebete unterbreche, den Gottesdienst
über Gebühr ausdehne, daß er der Gemeinde unverständlich bleibe.
Besonders die letzte Klage wd mit dem Fortschreiten der Zeit immer
häufiger vernommen, selbst die zahlreichen Kommentare, die im
Verlaufe der Jahrhunderte für die Piutim verfaßt wurden, konnten
diesem Übelstande nicht abhelfen, die Dichtungen blieben sogar für
die Gelehrten rätselhaft, geschweige denn für die große Masse der
Beter. Die Folge davon war, daß die Gemeinde durch Plaudern oder
auf andere Weise den Gottesdienst störte. Gelehrte vermieden es,
wenn sie nicht unbedingt mußten, den langen Gottesdienst der Ge-
meinde zu besuchen, oder sie nutzten die Zeit, die auf den Piut ver-
wendet wurde, für Studien aus, wodurch sie wiederum der Gemeinde
ein schlechtes Beispiel gaben; ^dele, die den letzteren Anstoß ver-
meiden wollten, sagten trotzdem den Piut nicht mit, auch wenn sie
in der Zeit nichts anderes taten. Die Opposition kam freüich zu spät ;
in Charisis Tagen war die Blütezeit des Piut bereits vorüber und das
Verständnis für dieses ]Mittel zm- Erbauung im Aussterben. Anderer-
Diu wichtigsten Paitanim 305
seits hatten die Gemeinden einer bestimmten Anzahl von Piutim
Aufnahme und Bürgerrecht gewährt. Je knaj)|)er die Manuskripte,
je verbreiteter die Drucke, je geringer das Verständnis für geschicht-
liche und lokale Eigenart, je zäher das Festhalten an den unbedeutend-
sten Bräuchen war, desto fester saßen die Piutim im Saltel, desto
weniger konnten selbst die gröfjten halachisclien Autoritäten wie
Joseph Karo oder Elia Wilna sie aus ihrer Stellung verdrängen. Unter
Kundigen fand ihre Stimme Gehör, die Unkundigen ließen sich in
ihrer alten Gewohnheit nicht beeinträchtigen, bis eine neue Zeit und
eine neue Kultur auch ilu-en Widerstand besiegten. Die Neuzeit hat
auf der einen Seite die große Masse der unverständlichen und wert-
losen Piutim schonungslos beseitigt, sie hat aber andererseits die
historische Bedeutung dieser Dichtungen in gerechter Weise gewürdigt
und hat kein Bedenken getragen, Piutim von dichterischem Werte
im Machsor beizubehalten.
§ 40. Die wichtigsten Paitanim.
I. Bis Kalif einschließlich.
Literatur: Rapaport, Kalir; Zunz, Litg. ; Laiidshuth, nmrrn ^"ii-:r ;
Graetz, Die Anfänge der hebräischen Poesie in MS VIII, 401 ; IX, 19 ü'. ;
Luzzatto, S. D., cr-j^En mb in O.T. TU, Iff., 1880; Geiger, A. in Jüd.
Zeitschr. X, 1872, S. 262 ff.; Harkavy, Stildien und Mitteilungen usw.,
V, S. 106 ff.; Schechter, Saadyana, Nr. LI; Bacher in JQR XIV, 742 fl".;
Eppenstein, Beiträge usw. in MS LH, 1908, S. 591; J.E. die betr. Artikel.
1. Wenn wir daran gehen, uns über die Tätigkeit der Paitanim
zu unterrichten, so ist es selbstverständlich unmöglich, alle Dichter,
die jemals für die Bereicherung des Gottesdienstes tätig waren, hier
aufzuzählen; es müßte sonst Zunz' umfangreiches Werk über die
Literaturgeschichte der synagogalen Poesie wiederholt und durch die
zahlreichen Funde, die seit seinem Erscheinen hinzugetreten sind,
bereichert werden ; selbst dann aber wäre die Literatur noch nicht voll-
ständig verzeichnet, weil immer noch die große Masse der anonymen
Dichtungen felüen würde. Eine so ausführliche literarhistorische
Aufzählung würde den Rahmen des vorliegenden Werkes weit über-
Bchreiten, sie ist aber auch entbelirlich, weU der größte Teü der von
Zunz behandelten Literatur nicht zugänglich und nur in Handscliriften
zu finden ist. Hier sollen nur diejenigen synagogalen Dichter an-
geführt werden, die von wirklicher Bedeutung für die Ge-
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. 20
306 Geschichte des Gottesdienstes
schichte des Gottesdienstes gewesen sind. Ältere Quellen, in denen
die Xamen der Paitanim gesammelt sind, gibt es nur in ganz geringem
Umfange. Über die Person der Dichter war wenig bekannt, in den
meisten Fällen nur Legendarisches überliefert ; zumal die älteren Au-
toren verschwanden gänzlich in der Fülle von Märchen, die über
sie erzählt wurden, sie hatten das Glück, daß ihre Xamen über ihren
Werken vergessen wurden.
2. Die Geschichte des Piut verläuft nicht gleichmäßig, es sind
darin verschiedene Epochen zu unterscheiden. Zunächst die älteste
Zeit, in der die Dichter erst das Schema und die Gesetze der Dichtung
finden mußten; sie reicht bis etwa 750 und hat in Kalir ilu^en Höhe-
punkt. Darauf folgte eine Epoche, in der die Dichter ihr ganzes Streben
darauf richteten, das Vorbild der Alten nachzuahmen, in ihrem Sinne,
in ilirem Stile und nach der von ihnen vorgezeichneten Form zu
schreiben. In diese Epoche gehören zunächst die ältesten synagogalen
Dichter des Orients, dann aber die Dichter, die in Em^opa in christ-
lichen Ländern Piutim verfaßt haben. Das sind die Paitanim im
eigentlichen Sinne des Wortes, ilire Zeit reicht etwa bis 1250, sie haben
aber vereinzelte Ausläufer auch in späteren Jahrhunderten und im
Orient sind bis auf den lieutigen Tag Dichter nach derselben Richtung
hin tätig. Eine dritte Klasse bilden die Spanier von etwa 1050 bis
1200, die unter dem Einflüsse der arabischen Dichtkunst sich von
der Form und Sprache des Piut emanzipiert haben und die Blütezeit
der synagogalen Dichtung im Mittelalter bezeichnen.
3. Die Piutdichtung hat mit einer Anzahl anonymer Schöp-
fungen begonnen, die durch die besseren und wertvolleren Leistungen
der späteren Zeit verdrängt wurden. In den Anfängen war die Sitte,
die Xamen der Verfasser durch Akrostichon einzuzeichnen, noch
unbekannt, so daß eine Überlieferung über die ersten Vertreter des
Piut nicht vorhanden war und ilire Xamen der Vergessenheit an-
heimfielen. Aus der ältesten Zeit ist uns nur ein einziger Xame eines
synagogalen Dichters überliefert, der von Jose b. Jose. Über sein
Leben ist nichts bekannt, man nennt ilin die Waise air.">n, wahrschein-
lich aus keinem anderen Grunde, als weil er denselben Xamen fülu-t
wie sein Vater. Auch daß er ein Hohepriester war. ist eine willkür-
liche Annahme, wie überhaupt im Mittelalter, weil man nichts von
ihm wußte, zahheiche Irrtümer über ihn verbreitet wurden. Seine
Heimat muß Palästina gewesen sein, denn es sind sonst in keinem
Jose b. Juso 307
T.ande zu jener Zeit liohräisclic Dichlor naclizuweisen. Seine Lebens-
zeil ist unbekannt, aber nacli der j^anzen Art seiner Dichtung muß
sie recht früh angesetzt werden, nicht später als 600 bis 650. Joses
Dichtungen liaben noch alle Eigentümlichkeiten der ältesten Ein-
schaltungen in die Gebete; er kennt das Akrostichon nicht, er ver-
wendet keinen Keim, hingegen zeichnen sich seine Poesien durch eine
einfache Sprache, durch edle Ausdrucksweise aus, der schwierige
Midrasch hat in ihnen noch keine Stätte, man zählte sie im Mittelalter
noch gar nicht recht zur Poesie, bezeichnete sie als Chutab (2'JD),
d. h. mit der Prosa verwandt. Jose hat femer nie einen Piut ge-
dichtet, der innerhalb der Tefilin zu stehen käme, sondern nur
solche, die Nachträge zu ihr bilden. Er hat endlich, soweit wir wissen,
nur die beiden Hauptfeste, den Xeujahrstag und das Versöhnungs-
fest, mit Dichtungen bedacht. Bei Saadja und anderen alten Autoren
steht sein Xame in hoher Verehrung, seine Werke waren frühzeitig
auch in Babylonien verbreitet, obwohl er nicht Babylonier war. All
das spricht ebenfalls für eine sehr frühe Zeit seines Lebens.
Von seinen Kompositionen sind zu nennen: inbi? nbbr.s nebst
"nssi und niirb -c"i:s für den Xeujahrstag. Sie heißen s«r~ipr,
variieren je 10 Bibelverse, die für die Gebete TT^Sir ririiDT rTiabti
bestimmt waren, sie beginnen demgemäß erst gegen Ende mit der
Anführung der Bibclverse. Xach der ganzen iVi't der Poesie und
ilirem Xamen ist es nicht ausgeschlossen, daß sie in Palästina als
Ersatz für die Einleitungen zu niSTO nSTiDT niD"::)2 zu dienen
die Aufgabe hatten. Im deutschen Ritus wußte man später mit den
Bibelversen, die man doppelt hatte, nichts anzufangen, und nach-
dem man lange darüber gestritten hatte, wo die Stücke eingeschaltet
werden sollten, ließ man schließlich die Verse weg. Auch sonst wurde
im Texte der Poesien mancherlei geändert, was offenbar als zu scharfer
Angriff gegen christliche Völker galt. Ferner hat Jose die A b o d a
für den Versöhnungstag bearbeitet und zwar hat er dieses Thema,
wie heute zweifellos feststeht, nicht weniger als drei m a 1 behandelt.
Einst wurden die drei Abodas wahrscheinlich in ein und derselben
Gemeinde bei drei verschiedenen Gebeten des Versöhnungstages
rezitiert. Später aber, als diese Sitte aufhörte und nur die eine Aboda
im Musaf übrig blieb, kamen sie auseinander und wurden einzeln in
Gebetbüchern entlegener Länder aufbewahrt. Die erste r"'- ~rs
lon a-Q a:i7 war im Mittelalter in Burgund und Savoyen in Gebrauch
20*
308 Geschichte des Gottesdienstes
und hat sich im Ritus der drei oberitalienischen Städte Asti, Fossano
Moncalvo (a"£5«) bis zum heutigen Tage erhalten. In Frankreich hatte
man auch eine poetische Einleitung dazu mit dem Anfang rcnr ]ri^,
die keinem Geringeren als dem Apostel Petrus zugescluieben wurde.
Eine zweite Komposition üDS "ni?: nri^ nn^ns T^STii hat Saadja in
sein Gebetbuch für den Morgengottesdienst aufgenommen und von dort
ist sie neuerdings veröffenthcht worden. Endhch gab es noch eine
dritte n":i"Di mtl^b n"^i~3 "i2Ci5, von der ausdrücklich bezeugt
ist, daß sie zu M i n c h a verwendet wurde ; es sind vorerst nur wenige
Zeüen von ilu' bekannt, seinem Bau nach könnte der häufig im Namen
Joses zitierte Vers ri;iE:: n:£^~ r"C'Z"r2 ~Tn selir wohl aus ilir
stammen. Für den Yersöhnungstag ist auch die Poesie i^i^TTs« üliz^
bestimmt, die sich in Germ, unter den Gebeten für den Vorabend
befindet. Es ist ein Sündenbekenntnis ("'^.""i), das ebenfalls als An-
hang an das Hauptgebet gedacht war; in den meisten Gebetbüchern
ist es stark gekürzt, es wird mehr oder weniger daraus fortgelassen,
sehr häufig werden sogar nur die Refrainverse t~"^ä4 "31" und T:"'a"
i:Ti"::i< beibehalten. Endlich wird unserem Verfasser auch ein J o z e r
zugeschrieben, von dem sich nur die erste Zeile 2"'"in Tjris? 2b"i" 7"S
erhalten hätte; unwiderlegliche Beweise lassen sich für die Annahme
nicht anführen, sie ist nicht einmal sehr walu'scheinlich.
4. Als Paitanim der Vorzeit (DT'a-p- ziniiCü) nennt Saadja
in seinem Jugendwerke Agron neben ilim Jannai, Eleasar,
J 0 s u a und P i n c h a s. Von den beiden letzteren ist nicht mehr
als der Name bekannt. Es gibt wohl eine Anzalil Piutim mit dem
Akrostichon Josua, die jedoch sämtlich nicht den Eindruck machen^
als ob sie in eine so alte Zeit zurückreichten. Auch von Pinchas wissen
wir nichts, aber es verdient Beachtung, daß in der Überlieferungs-
kette der Masoreten in Tiberias um das Jalu* 700 ebenfalls ein sonst
unbekanntes Schulhaupt Pinchas erwähnt wird (~2T^~ rS"^ cnrs '-).
Ein gewisser Zusammenhang zwischen dem Aufblühen der masore-
tischen Studien und der Verbreitung der Dichtkunst ist nicht zu
leugnen, denn es mußte die Beschäftigung mit der Bibel, die Ver-
senkung in die hebräische Sprache vorausgehen, wenn die Neubelebung
der Poesie ermöglicht werden sollte. So wenig wir auch von Pinchas
wissen, eines ist sicher, daß einst seine Gedichte sein* verbreitet ge-
wesen sein müssen, daß man sich häufig auf sie berief. Keines der
bekannten Gebetbücher hat Kompositionen von ihm aufgenommen.
J.itinai 309
aber in dordenisa zu Kairo finden sicliDiclitungcn, die einem cnrc n
zugeschrieben werden und in die für unseren Verfasser angenommene
Zeit sehr gut passen.
5. J a n n a i ist der erste Dichter, von dessen Werken etwas
auf uns gekommen ist, eins seiner Lieder ist sogar sehr verbreitet,
es ist das in die Pesach-llagada aufgenommene l^aliit ri^rsn 21c: n"" TS
rcr:^. Jannai ist der älteste bekannte Dichter, der Akrostichon und
Reim verwendet; eine alte Poetik rechnet auch seine Poesien noch
nicht zu den Piutim im eigentlichen Sinne, sie sclu-eibt ihm nur
B i b e 1 r e i m e zu und bemerkt, daß seine Verse nicht gleichmäßig,
sondern bald gedehnt, bald kurz sind. Er ist auch der erste Dichter,
der als Verfasser von Kerobot bekannt ist, die in die Tefilla einge-
schaltet werden. Er muß sehr früh gelebt haben, denn bereits Anan,
der Stifter der karäischen Sekte, hatte sich nach glaubwürdigen Mit-
teilungen seiner Anhänger der Werke Jannais bedient. Wenn Jannais
Poesien um 770, der Zeit, wo Anan sein „Buch der Gesetze" verfaßt hat,
selbst in Babylonien bereits derart verbreitet und bekannt waren,
daß man sie als maßgebende Quelle benutzen durfte, so ist es nicht
zu viel, wenn wir seine Lebenszeit mindestens zwei Geschlechter
früher ansetzen und annehmen, daß er spätestens um 700 geblüht hat.
Für Saadja und R. Gerschora gehörte er bereits in die graue Vorzeit.
Seine Heimat war nicht Babylonien, sondern Palästina, darauf
deutet der seltene Name Jannai und die von dem Dichter angewendete
Sclu-eibweise, iiS"!, die nur im palästinischen Dialekt vorkommt.
Dazu kommt endlich, daß nur in Palästina damals die Abfassung
von Kerobot als erlaubt galt. Jannai muß im Orient im frühen Mittel-
alter als Dichter sehr berülmit gewesen sein, in der erwähnten Poetik
heißt er ri-'r'a bx ^i«r, der wohlbekannte Jannai; seine
Poesien füllten ganze Bände aus, die '^Si;'^ hisin oder, me man sie
hebräisch nannte, ^s^r "ninis waren ein sehr verbreitetes Literaturwerk,
dem man in Bücherlisten aus dem Mittelalter häufig begegnet. Er-
halten hat sich von ilmi nur eine einzige Komposition, die Keroba
a-^rrni "^-^-js "»ris?; sie ist für den Sabbat vor dem Pesachfeste,
wenn er auf den 14. Xisan fällt, oder gar füi" den 1. Pesachtag selbst
bestimmt; aus ilu- stammt das obengenannte s^ic: mi 7S5, der An-
fang der Keroba selbst ist in Germ, aufgenommen. R. Gerschom aber
berichtet, daß Jannai für alle Festtage Kerobot verfaßt hat (''i^r 'I
310 Geschichte des Gottesdienstes
Tatsächlich hat sich neuerdings eine fragmentarische Aufzählung
von Poesien gefunden, in der dreimal Anfänge von Piutim Jannais,
einmal ein längeres Stück aus einem zrr (oben S. 209), angeführt
werden, und zwar sind alle diese Anfänge so zitiert, daß sie als ganz be-
kannt vorausgesetzt werden; wie es scheint, sind sie sämtlich einer
Bearbeitung von Moses Tod entnommen. Unter den Handschriften
der Genisa finden sich wirklich zahh-eiche Poesien Jannais, die
bisher noch nicht gedruckt sind. In Italien, vielleicht auch in Frank-
reich und Deutschland, müssen im hohen Mittelalter weit mehr Poesien
von Jannai als die bekannten im Umlauf gewesen sein. Sie wurden
im Gottesdienste nicht verwendet, weil eine häßliche Sage verbreitet
war, die Jannais Ruf schädigte; man erzählte, daß er seinem Schüler
Kalir, der den Glanz seines Xamens verdunkelte, aus Xeid eine Schlange
in den Schuh gelegt und ilm auf diese Weise getötet hätte. An der Sage
ist natürlich nur so\iel wahr, daß Kalhs Poesien diejenigen Jannais
verdrängt haben, aber interessant ist es, daß in Italien auch von
berühmten einheimischen Dichtern ähnliche Sagen im Umlauf waren.
6. Der populärste Xame unter den alten Paitanim ist der vierte,
E 1 e a s a r ; es ist der des bereits so häufig erwähnten Kalir, wie
man ilm kurz gewöhnlich nennt. Kein zweiter Dichter hat je wieder
eine solche Fruchtbarkeit entfaltet wie Kalir, seine Poesien erstreckten
sich auf alle ausgezeichneten Tage des Jahres, sie waren weithin ver-
breitet und geschätzt, sie galten als vorbildlich, nicht mit Unrecht
hat man ihn den Fürsten und Gesetzgeber des Piut genannt. Soviel
wir auch von ihm besitzen, so wenig wissen wir über sein Leben;
über seinen persönlichen Verhältnissen schwebt tiefes Dunkel, die ge-
lehrten Forschungen, die dazu bestimmt waren, es zu erhellen, sind
selbst vielfach in die Irre gegangen. „Der Xame Kalirs muß als In-
schrift auf eine Warnungstafel gesetzt werden, um zu zeigen, wie
selbst Meister der Forschung dem Irrtum unterworfen sind."
Das einzig Sichere, was wir von ihm wissen, ist sein X a m e ,
den er in den meisten seiner Kompositionen akrostichisch angezeigt
hat, nry^S Eleasar. Sowie wir aber darüber liinaus gehen, stoßen wir
auf die widersprechendsten Annalmien. Die Akrosticha lauten voll-
ständig ■'lEC r'^-^.-p'a nirp in-^-^n ^-rbs«, für ^/^bp steht bisweilen -^b-^p.
Fragen wir nun, was der sonst nirgends wiederkelirende Xame Kalir
bedeutet, so finden wir zwei Erklärungen dafür, die einen nehmen um
als Rufnamen des Vaters des Dichters, die anderen als Beinamen.
Kalir 311
Schon (Miic uralte Krklär\iii^' hrinjit den Xaincii Kalir mit dein syrischen
Wort i^Trp, (las Kuchen hi'ileutet, in N'erbinclun«;. ivs wird daran
erinnert, daß es eine alte Sitte war, den Kindern den ersten Tnter-
riclit im Lesen dadurch angenehmer zu machen, dal.) man ihnen die
Formen der Buchstaben an kleinen Kuchen erläuterte, die man ihnen
zu essen gab; so soll auch unser Dichter von seinen Eltern mit der-
artigen SüBigkeiten genährt worden sein, da sie darin eine günstige
Vorbedeutung für die Erweckung seiner Begabung erblickten, und
soll aus Daid^barkeit für das Amulett den Namen ,, Kuchenmann"
beibehalten haben. Andere wiederum, die sich bei dieser selir ge-
wagten Erklärung nicht l)eruliigten, nahmen Kalir als eine vom Wohn-
orte des Dichters hergenommene Bezeichnung; Cagliari auf Sardinien
sollte die Heimat des Dichters sein und er selbst sich darum als der
Kalir, d. h. der Mann von Cagliari, bezeichnet haben. Die Annahme,
daß Kalir ein Appellativum wäre, wnrde dadurch begünstigt, daß
angeblich eine Poesie "iibpn n p r "> "^a^n -rr^bs "»rs gezeichnet
war, so daß der Name des Vaters Jakob gelautet hätte und Kalir
sehr wohl ein Beiname sein konnte; aber als so zuverlässig diese Über-
lieferung ausgegeben wurde, so wenig begründet ist sie, es ist sicher,
daß sie auf einem Irrtum beruht. Wenn man ferner die Art der akro-
stichischen Zeichnung in den Worten ^'^b'p "'ai""! "^irrs« betrachtet,
so kann kein Zweifel darüber herrschen, daß damit tatsächlich der
Name des Vaters angegeben werden sollte. Allerdings sind wir
gewohnt, bei Kalir so viele Metaphern und symbolische Ausdrücke zu
finden, daß es nicht Wunder nehmen würde, wenn er auch hier ein
rätselhaftes Wort gewählt hätte. Allein solange wir nichts Besseres
wissen, ist es geboten, hinter Kalir einen Namen zu suchen. Tat-
sächhch findet sich in jüdischen Grabschriften aus Italien der Name
KfAeo = Celer, und wenn auch die Identifikation des Wortes mit
diesem Namen hn Zusammenhange mit einer, wie wir gleich sehen
werden, u-rigen Annahme über Kalirs Heimat gemacht wurde, so
brauchte es an sich nicht ausgeschlossen zu sein, daß tatsächlich sein
Vater einen solchen aus dem Griechischen stammenden Namen getragen
hätte. Auch jene andere Vermutung, daß der Dichter, dessen Poesien
soviel von dem Einflüsse der byzantinischen Dichtungen verraten, von
einem Vater abstammte, der einen im oströmischen Reiche häufig vor-
kommenden Namen trug, daß -\'C^'p durch eine Metathesis aus ""»"i'^p
= Cyrill entstanden sei, kann nicht ohne weiteres abgewiesen werden.
312 Geschichte des Gottesdienstes
Kalirs Heimat wurde ebenfalls an den verschiedensten Orten
der Erde gesucht. Er selbst nennt als seinen Heimatsort i£C i''^'^p^,
das ist ein Xame, der sich bereits in der Bibel findet, Jos. 15 15. Dies-
mal dürfen wir mit ziemlicher Sicherheit annehmen, daß es sich um
eine symbolische Bezeichnung handelt, denn selbst in den biblischen
Zeiten ist der Name Kirjat Sefer nicht mehr gebräuclilich gewesen.
Darum hatte es eine gewisse Berechtigung, wenn man hinter dem
Worte einen anderen Ort suchte und wenn man sogar außerhalb
Palästinas nach dem "^.LZ r'^'^p Kalirs forschte. Auf Grund irriger An-
nahmen über seine Lebenszeit und auf Grund der Entdeckung, daß
im zehnten Jahrhundert im südlichen Italien blühende und weit be-
rühmte jüdische Lelu^stätten bestanden, verlegte man Kalirs Heimat
zunächst nach Unteritalien. Man erklärte, daß die Ortsbezeichnung
anders auszusprechen wäre als in der Bibel, daß sie Kirjat S'far d. i.
Küstenstadt bedeutete, und versetzte ihn daher nach Bari oder noch
lieber nach Cagliari, das so vortrefflich zum Xamen "'"'bp paßte. Dann
wurden alte jüdische Begräbnisstätten in Porto, der ehemaligen
Hafenstadt von Rom, mit der erwähnten Inschrift des Celer entdeckt,
und es galt sehr bald als ausgemacht, daß Kalirs Heimat in Civdtas
Portus, wenn nicht gar in Rom selbst, zu suchen wäre. Wieder andere
legten Nachdruck auf die Beobachtung, daß der Dichter in der Schrei-
bung seines Xamens, in der Anwendung unreiner Reime viel Ähnliclikeit
mit den in Deutschland lebenden Paitanini aufwies, und so galt es
eine Zeitlang als sicher, daß Kalü- in Deutschland gelebt hätte. In
ähnlicher Weise wurde in anderen Ländern, wo man gerade eine ge-
wisse Blüte des jüdischen Wissens in dem Zeitalter, das man als das
Kalhs betrachtete, nachzuweisen imstande war, seine Heünat gesucht.
Einige Forscher haben im Verlaufe von wenigen Jahren melu'mals
ihre Meinung über diesen Punkt gewechselt und immer wieder neue
Vermutungen darüber aufgestellt. Es bedeutete schon einen Fort-
schritt, wenn man mit Entschiedenheit ablehnte, die Heimat eines
so einflußreichen und allgemein anerkannten Mannes me Kalir außer-
halb derjenigen Länder zu suchen, in denen die Zentren des jüdischen
Lebens und der jüdischen Gelelu'samkeit sich befanden. Aber auch da
kamen noch immer zwei Länder in Betracht, und längere Zeit schwankte
die Wage zwischen Babylonien und Palästina. Auf Grund einer ge-
suchten Auslegung wollte man feststellen, daß mit Kirjat Sefer der
durch sein Lehrhaus berühmte Ort Punibedita gemeint war, und als
Kalir 313
man unfi:lii('klicliorweisc in dor Xäho der Stadt einen Ort Siparra
entdeckte, der lautlich mit lEC 'p leicht zu identifizieren war, schien
diese Annahme gesichert. Allein Babylonicn ist als Heimat Kalirs
vüllständii? ausgeschlossen, denn seine Poesien setzen ganz unzwei-
deutig eine christliche Umgebung voraus. Ferner war in Babylonicn
seine Richtung durchaus nicht anerkannt, dort sträubte man sich
lange gegen die l^illigung solclier Poesien, wie er verfaßte. Dazu kommen
viele positive Zeugnisse, die uns zu der Annahme zwingen, daß Kalir
in Palästina gelebt hat. Das Heilige Land war die Heimat des
Piut, nur dort durfte ein Dichter es wagen, den gesamten Zyklus
der Festgebete mit Piut im zu i)egleiten, wie Kalir es getan hat.
Man hat ferner schon vor Jahrhunderten der Tatsache Beachtung
geschenkt, daß seine Poesien für die Festtage stets das Vorhanden-
sein nur eines Feiertages voraussetzten, eine Einrichtung, die außerhalb
Palästinas nirgends bestanden hat. Dem war der Einwand gegen-
übergestellt worden, daß wir tatsächlich Poesien Kalirs zu den zweiten
Festtagen besitzen, und als erwidert wurde, daß die Verwendung
für die zweiten Feiertage vielfach von den Gemeinden willkürlich
angeordnet worden war, daß Kalirs Dichtungen tatsäcldich die Tora-
vorlesung des ersten Tages zugrunde legen, wurde mit dem Hinweis
darauf geantwortet, daß zu einigen Festen mehrere gleichartige Poesien
Kalirs vorliegen, daß er demnach auch die zweiten Feiertage gekannt
hätte. Da wii* aber neuerdings auch doppelte Poesien Kalirs für
solche Gelegenheiten, bei denen ein zweiter Tag nicht in Frage kommt,
wie für Purim oder den 9. Ab, kennen, so ist unzweifelhaft festgestellt,
daß der Dichter tatsächlich kein Bedenken getragen hat, die Gebete
für ein und denselben Festtag mehrmals zu bearbeiten, daß er in den
verschiedenen, aufeinanderfolgenden Jahren immer wieder neue Fest-
zyklen vorgetragen hat. Daß Kalir in seinen Poesien palästinische
Quellen vorzugsweise benutzt, daß er eine große Vertrautheit mit
palästinischen Verhältnissen zeigt, ist längst bekannt. Wichtiger ist
in unserem^ Zusammenhange, daß er stets den Wortlaut der palästi-
nischen Tefilla voraussetzt; bis vor km-zer Zeit waren seine Dich-
tungen einer der wichtigstenZeugen für die Textgestalt der palästinischen
Tefilla, seitdem wir sie selbst besitzen, sehen wir, wie eng Kalir sich
an sie angesclüossen hat. Daß also Kalir in Palästina oder allen-
falls in dem dicht daran grenzenden Teile von Syrien gelebt hat,
darf heute als eine unbestreitbare Tatsache gelteiL Es fragt sich nun,
314 Geschichte des Gottesdienstes
ob wir auch noch in der Lage sind, den Ort seines Wohnsitzes aus-
findig zu machen und die Bezeichnung "^EC riip mit einer sonst be-
kannten Stadt zu identifizieren. Da muß auf zwei neuere Versuche
hierzu hingewiesen werden. Der eine geht davon aus, daß in einer
Handschrift das Aki'ostichon auch einmal n^b^p lautet, und sieht
darin einen Hinweis auf Kalhooo7\, der im byzantinischen Zeitalter
üblichen Bezeichnung für das syrische E d e s s a. Die Stadt, die in
ihrer Blütezeit ein Hauptsitz mssenschaftlicher Studien gewesen ist,
hätte sehr wohl verdient, als "'SD r''^'p, als Stadt des Buches ver-
ewigt zu werden. Gegen die auf den ersten Blick einleuchtende Ver-
mutung spricht, daß von einer wichtigen ^l'siederlassung der Juden
in Edessa nichts bekannt ist, und daß ^\\r keineswegs dort eine derartig
tolerante Stimmung voraussetzen dürfen, die der Förderung der
jüdischen Studien günstig gewesen wäre; Kalir hätte dann ferner
seine Heimat in zwei nebeneinanderstehenden Bezeichnungen desselben
Inhalts angedeutet, wenn er sich einmal als der Mann aus Kallirrhoe
und dann als der aus der Stadt der Bücher vorgestellt hätte. War
einmal der Gedanke, eine Stadt der Bücher als Heimat Kalirs zu suchen,
nahegelegt, so mußte die Vermutung auf T i b e r i a s führen, auf
denjenigen Ort, der tatsächlich in Palästina jahrhundertelang die
wichtigste Stätte jüdischer Gelelu^samkeit beherbergte, der im Zeit-
alter Kalirs den Mittelpunkt der biblischen Studien büdete,
an dem, wie wir gesehen haben, der neben Kalir als Dichter der alten
Zeit genannte Pinchas aller Walu-scheinlichkeit nach gelebt hat. Ein
direktes Zeugnis dafür, daß "lEC r"<"!p mit Tiberias identisch ist, besitzen
^\^l■ vorläufig nicht, und bei den mannigfachen Schwankungen, denen
die Forschung über Kalir bereits unterworfen gewesen ist, ist es vor-
zuziehen, daß wir vorerst auf die Festlegung seines Heimatortes ver-
zichten und uns mit der Feststellung begnügen, daß Palästina sem
Heimatland gewesen ist.
Die Lebenszeit Kalks wurde ebenfalls in den verschiedensten
Jahrhunderten vom zweiten bis zum zehnten oder gar eKten gesucht,
die Forschungen hängen so sehr miteinander zusammen, daß die
irrtümlichen Annalmien über den einen Punkt auch die über andere
Beziehungen seines Lebens bedingten. Es war eine bedeutsame Ent-
deckung, als Jakob Tarn im zwölften Jalu'hundert Kalir in die Zeit
der Tannaiten verlegte, als er ihn mit Eleasar b. Simon gleichsetzte,
der im Midrasch als Paitan gerühmt wh'd. An der Behauptung, daß
I
Kalir 315
Kulir ein Tannail cjewoscn ist. wurde bis an die Schwelle der Neuzeit
festii:elialten. Man hat ihn nicht immer mit Kleasar h. Simon gleieh-
gesetzt. miUiiilci- wmdt' er mit dem noch hciidimtcrcn Eleasar b.
Arach identifiziert, so tlaü er soi^ar im ersten .lahrhwnderl lielebt liätte,
aber gegen seine Eigenscliai't als Tannait wurde nur ganz selten Wider-
spruch erhoben. Über diese Annalime, die der Wertscliätzung Kaiirs
und seiner Poesien außerordentlich forderlich gewesen ist. braudit
man heute kein Wort mehr zu verlieren, kein verstäiuliger Mensch
vermutet heute den Verfasser so schwieriger Piutim in der tal-
mudischen Zeit. Seitdem die wissenschaftliche Forschung sich des
Gegenstandes bemächtigt hat. suchte sie, neben den allgemeinen
Kriterien aus eigenen Angaben Kaiirs einen Stütz])unkt für die An-
setzung seiner Lebenszeit zu finden. Tatsächlich gibt er mehrmals
in seinen Poesien Angaben für die Zeit, die seit der Zerstörung des
zweiten Tempels verflossen ist. Wir wissen heute, daß die Abschreiber
der Gebete nicht imnun- die alten Zalilen genau wiedergegeben, daß
sie sich die Freiheit genommen haben, Ziffern, die mit ihrer Zeit
nicht mehr im Einklang standen, entsprechend zu ändern, daß also
manche dieser Zeitangaben im Laufe der Zeit immer höhere Ziffern
erhielten. Allein es gibt doch zwei Zahlen in Kaiirs Poesien für den
9. Ab, in denen er in unzweifelhafter Weise davon redet, daß der
Zorn Gottes gegen Israel nunmehr n c u n h u n d e r t J a h r e dauere.
Was lag näher, als darin einen Hinweis auf seine Zeit zu sehen, darin
ein Zeugnis dafür zu erblicken, daß Kalu- etwa 900 Jahre nach der
Zerstörung des zweiten Tempels, d. h. frühestens um 950, geschrieben
hat? Allein die Annahme beruht auf einer irrtümlichen Interpretation
der einschlägigen Stellen. W^enn Kalir schreibt rim^ yicr. ■j'^nss
■':■': "n ri s<b ^d -iiri oder -r-T.Tr -rtr r'sr rem r.p-;-^- "-> Y-
r^cnb)2 nrinD "Slir, so lehnt er sich offenbar an die Stelle des Mid-
rasch an zn^nsb bi^mi"' pn nnnD ns«:rri -r^n -:r r^sr nrr": n"p
HD"! a"''crmr (Lev. r. Kap. VII, 1), wonach Gott den gegen Israel
lange gehegten Zorn 900 Jahre lang unterdrückt und nicht in Taten
imigesetzt hat. Die 900 Jahre beziehen sich auf die Zeit, die vom
Auszuge aus Ägypten bis zur Zerstörung des ersten Tempels verflossen
waren, und haben zur Lebenszeit Kaiirs gar keine Beziehung. Heute,
wo wir wissen, daß Schriftsteller wie Saadja, der bereits 942 gestorben
ist, Kalir als einen Gelehrten und Dichter rühmen, der lange vor
ilirer Zeit gelebt hatte, können wir uns unmöglich dabei auflialten,
3jß Geschichte des Gottesdienstes
seine Lebenszeit im zehnten Jahrhnndert zu suchen. Wir müssen uns
die Tatsache vergegenwärtigen, daß Kalirs Poesien bereits im achten
und neunten Jalirhundert auf die Ausgestaltung der Festgebete von
Einfluß gewesen sind. Fügen wir endlich hinzu, daß Kalir als Schüler
Jannais bezeichnet wird und daß Jannai, wie oben nachgewiesen
wurde, etwa um 700 gelebt haben muß, so gelangen wir zu dem Re-
sultate, daß auch Kalirs Lebenszeit spätestens um 750 anzusetzen
ist. Mt einer solchen Annahme befinden vni uns im Einklänge mit
der gesamten Entwicklung des Piut, wie wir sie heute zu über-
schauen vermögen.
Wir haben uns solange bei der Ermittlung der persönlichen
Verhältnisse Kalirs aufgehalten, weil sein Name einen Markstein
in der Geschiclite der synagogalen Poesie bezeichnet. Er ist derjenige
Dichter gewesen, der dem Festzyklus diejenige Gestalt gegeben hat,
die später allgemein üblicli geworden und anerkannt ist. Kalir hat
sämtliche ausgezeichneten Tage des Kalenderjahres
mit seinen Kompositionen bedacht; vor 50 Jalu-en bereits schrieb
Zunz ihm mehr als 200 Poesien zu, nach den neuen Nachrichten, die
die Handscliriften aus der Genisa zu Kairo gebracht haben, werden
wir die Zahl auf das Doppelte erhöhen und vielleicht auch darüber
noch hinausgehen müssen. Kalirs Poesien sind in der Hauptsache
K e r 0 b 0 t , er hat nur ganz wenige J o z e r und Hoschanas
verfaßt, der weitaus größte Teil seiner Dichtungen ist zur Aus-
schmückung der Tefilla bestimmt. Eine Aufzählung der Poesien
Kalirs würde zu weit führen, wir müssen uns mit einer zusammen-
fassenden Übersicht begnügen. Es gibt keinen großen Feiertag, zu
dem Kalir die Gebete nicht bearbeitet hätte, und mitunter hat er, wie
bereits hervorgehoben wurde, melu'fach für dasselbe Fest gedichtet.
Nach den früheren Befunden schien das Pesachfest am schlechtesten
von ihm bedacht worden zu sein, allein, wie sich herausstellt, ist das
nur auf die Einrichtungen der Gemeinden in Europa zurückzuführen,
die für das Fest Poesien von heimischen Dichtern besaßen und darum
die Kalirs nicht verwendeten. Überhaupt muß beachtet werden, daß
die gedruckten Gebetbücher und selbst die Handsclu'iften nicht immer
ein" genaues Bild von Kalirs poetischen Arbeiten geben; sehr häufig
ist da mit großer Willkür verfahren, die Gemeinden haben fortgelassen
und zugesetzt, wie es ihnen beliebte, sehr oft Stücke eines ihnen nahe-
stehenden Dichters mitten in die Arbeiten Kalii's gestellt oder auch
Kalir 317
aus soincn Kerobot Stiicko gosl riehen, um andere an ihre Stelle zu
setzen. iS'eben den Hauplfeiertagen hat Kalir auch die vier aus-
gezeichneten Sabbate mit Kompositionen bedacht, und
zwar hat er in den meisten Fällen nicht nur das Morgen-, sondern auch
das Musafgebet bearbeitet. Auch die Wochentage mit festlichem
Charakter sind mit seinen Poesien versehen; zu 1* u r i m , zu C h a -
n u k k a und zu sämtlichen Fasttagen hat er Kerobot verfaßt,
die die Tefilla durch alle 18 Benedilvtionen hindurch begleiten. Es
wurde bereits gesagt, daß für einzelne Tage auch diese selir schwierigen
Kompositionen in mehrfacher Bearbeitung vorliegen. Besonders um-
fangreich sind seine Kerobot zum Fasttage des 9. Ab; hier hat er
nicht nur die kurzen Poesien verfaßt, die die einzelnen Benediktionen
der Tefilla begleiten, sondern bei der vierzehnten hat er Anlaß ge-
nommen, innerhalb der Keroba in einer ausgedehnten Reihe von
ausfükrliclien Poesien das Thema von der Zerstörung des Tempels
und von Israels Leiden in der mannigfachsten Weise zu variieren.
Aus dem deutschen Ritus, der immerhin etwa 20 Kinot Kalirs auf-
genommen hat, gewinnt man noch keine rechte Vorstellung von der
Riesenarbeit, die der Dichter hier geleistet hat, erst aus den doppelt
so großen Reihen in It. und Rom, kann man entnehmen, me wenig
Schwierigkeiten es Kalir machte, dasselbe Thema immer und immer
wieder in anderen Wendungen zu behandeln.
Die geschichtliche Bedeutung der Poesien Kalirs besteht zunächst
darin, daß er den Rahmen für die poetische Bearbeitung des Gottes-
dienstes geschaffen hat. Er wurde der Gesetzgeber des Piut füi- spätere
Zeiten, man richtete sich nach seinem Beispiel, er wm-de maßgebend
für die Auswahl der Stellen im Gebete, die poetisch ausgeschmückt
werden sollten, man nannte die Poesien '^"i'^bp, d. h. nach Kalir
bearbeitet. Sem Vorbild wurde aber auch im Stile nachgealnnt, und
das ist der zweite Punkt, in dem Kaln bahnbrechend gewirkt hat;
durch ihn wiu:de die Hagada der wesentlich steBestand-
teil des dichterischen Vortrags. Kalirs Dichtungen
sclüießen sich sein: eng an die Auffassung und Sprache des Midrasch
an, es gibt keinen alten Midrasch, der ihm nicht bekannt oder ge-
läufig wäre, mitunter befolgt er die Darstellung der Hagada ganz
wörtlich; namentlich mit den Pesiktas stimmen seine Piutim in auf-
fälliger Weise überein. Das hat seinen guten Grund, denn die Aus-
schmückungen, die er für die Stammgebete einfülu-te, waren ja gerade
318 Geschichte des Gottesdienstes
für diejenigen Tage bestimmt, deren hagadische Bearbeitung in der
Pesikta vorliegt. Auch die messianischen und apokalyptischen
Schriften, die bis zu seiner Zeit vorlagen, waren ihm sämtlich bekannt
und sind von ihm häufig benutzt worden. Was nun wiederum Kalir
vor seinen späteren Nachahmern sehr vorteilhaft auszeichnet, ist die
Art, wie er den Midrasch verwendet. Er steht niemals unter dem
Zwange seiner Vorlage, er versteht es, sich von ilu* frei zu machen,
er entnimmt ihr wohl den Stoff, in der Gestaltung aber verfährt er
vollständig souverän. Das gut vor allem für die sprachliche
Ausführung. Kalirs Darstellungsweise ist durchsetzt von den Dunkel-
heiten, über die früher ausführlich gesprochen wurde. Es konnte
auch kaum anders sein, denn es lag ihm daran, das weitschichtige
Material der Hagada so vollständig wie möglich für die Poesie zu ver-
werten. Den spraclüichen Ausdi'uck aber hat er sich selbst gewählt,
er unterlag nicht dem Drucke seiner Vorlage, sondern hat die S p r a c h e
aus der Bibel geholt. Er ist ungewöhnlich reich an neuen Worten
und überraschenden Bildungen, an Sprachfülle und Schöpferkraft
im Ausdruck übertrifft er alle anderen Paitanim, aber sein gesamter
Wortschatz läßt sich mit Leichtigkeit auf eine biblische Grundlage
zurückführen. Er hat es gewiß an schwierigen und grammatisch un-
richtigen Wortbildungen, Formen und Wendungen nicht fehlen lassen,
er konnte sie auch kaum entbehren, denn er mußte dem schweren
Rüstzeug der Kunstform Rechnung tragen, in die er seine Poesien
zwängte. Die Akrostichis des Alphabets, der Xamen und der Bibel-
verse, ihre Verquickung untereinander, die Erfordernisse des Reims,
der durch Ringworte und biblische Zitate ebenfalls sehr häufig recht
kompliziert wurde, haben ihn dazu gezwungen, sich neue Worte zu
prägen, vor Abweichungen von der üblichen Formenlehre und den
gebräucldichen Bildungen nicht zurückzuschrecken, aber wir können
bei ihm immer ^vieder die Beobachtung machen, daß er es meisterhaft
verstanden hat, den verhältnismäßig geringen Wortschatz der Bibel
umzubiegen und umzugestalten, so daß er für seine Zwecke ausreichte.
Man muß sich vergegenwärtigen, daß Kalir selu* häufig dasselbe
Thema behandelt, dieselben Gedankengänge dargestellt hat: mau
kann ihm die Anerkennung nicht versagen, daß er immer ^vieder ein
neues Gewand dafür gefunden, und daß er es verstanden hat, dasselbe
immer '«deder mit neuem Schmuck und neuem Zierrat zu versehen.
Hohen Schwung und tiefe Gedanken lassen Kalirs Dichtungen ver-
Kulir, seine Nachahmer 319
missen; sie waren, diircli den Cliarakter des Festes hestiinnit, ab-
hängig vom Midrasch, bewegten sich innerhalb festgezogener Kreise,
dennoch aber hat es der Dichter verstanden, aucli innerlialb der ihm
gesetzten Grenzen, der feststehenthMi (Iriindideen nnd wiederkehrenden
Bilder sich einen Vorrat beweglicher Elemente zu schaffen.
Kalirs Poesien wnrden weithin verbreitet, im Orient, auf dem
Balkan, in Italien, in Frankreich nnd Deutschland wurden sie ein-
geführt und als der wichtigste Bestandteil der synagogalen Poesie
belassen, auch nachdem einheimisciio Diciiter den Festzyklus be-
arbeitet iiatten. In denjenigen Ländern, die unter dem Einflüsse der
arabischen Kultur standen, wurden Kalirs Poesien nicht aufgenommen,
in Spanien und den davon abhängigen Gebetbüchern in Nordafrika
und Asien sind Kalirs Piutim nicht zu finden, es läßt sich auch nicht
feststellen, ob sie jemals darin enthalten waren und nur durch die
besseren Arbeiten der si)äteren Zeit verdrängt wurden. Kalirs Dich-
tungen wurden nicht nur in der Synagoge vorgetragen, sondern auch
eifrig studiert. Man zitierte sie wie Autoritäten sowohl für sachliche
Auffassung als auch für sprachliche Bildungen. Selbstredend ver-
faßte man auch Kommentare dazu; bei der Dunkelheit der meisten
Poesien Kalirs war das durchaus notwendig.
§ 41. Die wichtigsten Paitanim.
IL Die Nachahmer Kalirs.
Literatur: Rapaport. das.; Zunz, das.; Landshuth, das.; Luzzatto,
das.
1. Das Beispiel Kalirs war nicht nur für die Anerkennung der
synagogalen Poesie und die Aufnahme der Dichtungen in den Gottes-
dienst der Gemeinde maßgebend, es hat jahrhundertelang nach-
gewirkt und immer Aneder neue Männer auf den Plan gerufen, die es
befolgten und auch ihrerseits zur Ausgestaltung des Gottesdienstes
beizutragen bestrebt waren. Mit Ausnahme der Spanier haben alle
Dichter der Zeit nach Kalir sich mehr oder weniger eng an seine Art
zu arbeiten angeschlossen, die Kerobadichter gehen sämtlich in seinen
Fußstapfen. Die ältesten Nachfolger Kalirs sahen sich noch vor
wichtige Aufgaben gestellt, sie betrachteten es als ihre Pflicht, die
Lücken auszufüllen, die sie in Kalirs Festzyklus vorfanden. Wie wir
sahen, waren im Verlaufe der Zeit infolge nicht genügend sorgfältiger
Überlieferung: manche Poesien Kalirs verschwunden, er hatte ferner
320 Geschichte des Gottesdienstes
immer nur für die ersten Feiertage gearbeitet; darum sahen sich die
späteren Dichter dazu veranlaßt, auch diejenigen Festzeiten zu be-
denken, die mit Dichtungen Kalirs nicht ausgestattet waren. Das
dauerte etwa bis um das Jahr 1050. Zu jener Zeit kann der Fest-
zykkis als vollständig ausgebildet angesehen werden, zu jener Zeit
erfreute sich der Piut auch der unbestrittenen Anerkennung in allen
Gemeinden, der Widerspruch, der von den Geleln^ten hie und da
gegen ihn erhoben wurde, vermochte gegenüber dem Beifall der Menge
nichts auszurichten. Mit der Beliebtheit des Piut und seiner Ver-
breitung wuchs auch das Ansehen der Dichtkunst und das Verlangen
berühmter Männer, sich in ilu- zu betätigen. Daher kommt es, daß
von 1050 ab die Zahl der Paitanim sich zusehends hebt. Die gelelirten
Studien fanden unter den Juden des Abendlandes mehr Verbreitung,
die Kenntnis von Talmud und IVIidi'asch, die Vertrautheit mit der
Bibel und mit der hebräischen Sprache nahmen stetig zu. „Keine
Gegend der romanischen und germanischen Länder, die bereits von
dem Einflüsse grammatischer, exegetischer und dichterischer Lei-
stungen berührt wurden, entbelirte damals eines Rabbiners oder
Vorbeters, welcher den öffentlichen wie den häuslichen Gottesdienst
mit Vortrag oder Komposition ausstattete." Wie die Zahl der Dichter
waren auch die Gelegenheiten zum Dichten hn Zunehmen. Kalir hatte
sehr viel Kerobas aber wenig Jozer verfaßt, auch seine Nachfolger
hatten da noch manche Lücke gelassen, und so blieb den Späteren
ein Feld für ihre Betätigung. Man hatte ferner früher nur die großen
Feiertage und die wichtigsten ausgezeichneten Sabbate der poetischen
Bearbeitung gewürdigt, nun aber -wurde die Zahl der Sabbate we-
sentlich vermelu-t, wo sich im Charakter des Sabbats oder in seiner
Schriftvorlesung irgendein Anlaß zu dichterischer Ausgestaltung fand,
wurde er benutzt. Namentlich die Jozerpoesien waren sehr beliebt,
es wurden nicht immer vollständige Kompositionen verfaßt, oft nur
einzelne Stücke davon, aber der Jozer wm'de auch erweitert, es wurden
Stellen mit Dichtungen ausgestattet, die früher frei geblieben waren.
Man trug ferner den wichtigen Ereignissen des Familienlebens Rech-
nung; Hochzeit, Beschneidung und andere Festlichkeiten, soweit sie
die daran Beteiligten in das Gotteshaus führten, fanden in Jozer und
Keroba oder in Introduktionen bei der Toravorlesung Berücksichtigung.
Endlich hat die zunehmende Fülle der Leiden die Dichter selir häufig
zum Abfassen von Klageliedern angeregt, das Martyrium, welches die
Saadju 321
Juden von lOOG an iinaiifhöilich (liirclizcimacluMi halten, fand in der
Synagoge seinen Widerhall, di(> Dichter hüben (his Andeid\en der
Glanbenszeugen in ihren Poesien verewigt und ihrem Heldentod
dadurcli die Cdoriole verschafft. Die Bekenntnistreue der Väter
wurde eine stete Malinung und Ermutigung für die nachkommenden
Geschlechter, die mit ihren Tränen und, wenn es not tat, durch ]3e-
folgung ihres Beispiels das Andenken der Ahnen ehrten.
2. Von den meisten Dichtern, die unmittelbar auf Kalir folgten,
sind die Namen unbekannt. Es war die Zeil, in welcher der Schwer-
puidu des jüdischen Lebens und Wissens sich allmählich nach Europa
verschob, die Leistungen der Schriftsteller im Orient wurden nicht
alle übernommen, meist nur dann, wenn sie von besonderer Bedeutung
waren oder wenn der Ruhm des Verfassers ihnen die Unsterblichkeit
sicherte. Daher kommt es, daß aus den nächsten Jahrhunderten nach
Kalir nur ein einziger Name eines Paitans aus dem Orient auf uns
gekommen ist, und auch dieser nur, weil sein Träger zu den gefeiertesten
Gelehrten gehörte. Es ist Saadja b. Joseph (892 — 942), „der
berühmteste unter den Gaonen, der in seinen gottesdienstlichen
Kompositionen die fließendste und die schwerfälligste Sprache redet,
in jener ein Beter, in dieser ein Paitan, in keiner ein eigentlicher
Dichter." Saadjas Dichtungen wurden nicht in eines der bekannten
Gebetbücher aufgenommen, ilu-e Überlieferung erfolgte durch das
große Werk, in dem der Verfasser „die Gebete und Lobpreisungen"
gesammelt hatte, in seinem Siddur, über den in anderem Zusammen-
hang zu handeln sein wird. Hier sollen nur seine Poesien besprochen
werden. Drei größere Arbeiten von ihm beziehen sich auf das Wochen-
fest, sie behandeln die 613 Gebote und Verbote. Eine davon, in
arabischer Sprache, beginnt rs^'cbz bs« ibrsi", sie war für den Gottes-
dienst am Wochenfeste bestimmt und wird vielleicht noch heute in
mancher Gemeinde Nord-Afril^as vorgetragen. Eine Inhaltsangabe
findet man bei Zunz, Litg. S. 96. Eine zweite Behandlung desselben
Themas liegt in den Versen vor, die mit ^J'^'^r "j^ribs« '"; rs« beginnen.
In sechs Abteilungen, die abwechselnd nach dem Alphabet in gerader
und umgekehrter Reihenfolge eingerichtet sind, deren jede aus 11 ge-
reimten Vierzeilern mit Ringworten besteht, werden die 613 Gebote
und Verbote vorgeführt; es ist keine trockene Aufzählung, der Ver-
fasser hat die Gesetze nach Ivlassen gruppiert, auch sorgfältig am
Ende einer jeden angegeben, welche Anzahl Gebote unter sie fällt.
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. ^'-
322 Geschichte des Gottesdienstes
Das Stück enthält kein Akrostichon und ist demnach durch sich selbst
nicht bezeugt; tatsächlich ist seine Echtheit auch bezweifelt worden,
keineswegs mit Eecht, denn die Zusammenfassung der Gesetze und
der Stil stimmen vollständig zu anderen ähnlichen Leistungen Saadjas.
Ein drittes Mal hat er dasselbe Thema der Asharot in Form einer
Keroba mit dem Anfang nr*^^"! z^'c^'c nibn 2— b'^i« 2^n~5i bearbeitet.
Unter den uns heute bekannten Piutim gibt es kaum einen zweiten,
der es an Künstelei des Aufbaus und an Sch^^ierigkeit des Ausdrucks
mit dieser Leistung Saadjas aufnehmen könnte. Er hat nämlich nicht
nur die 613 Ge- und Verbote in die Keroba hineingearbeitet, sondern er
hat sie außerdem noch unter die 10 AVorte des Dekalogs subsumiert
und er hat das Ganze in eine so schwerfällige äußere Form gebracht,
daß er genötigt war, die seltsamsten "Wortbildungen und unverständ-
lichsten Verbindungen für seine Dichtung zu benutzen. Die Asharot
Saadjas zerfallen in drei Teile, der Anfang und das Ende bilden eine
regelrechte Schibata und begleiten die 7 Benedilvtionen der Tefilla;
die Mitte beginnend nir.:- bs'C nn"»:" rb:"S rs ^3:s ist den
Gesetzen gewidmet. Saadja hat seinem Zyklopenbau verschiedene
Arten von Bibelversen zugrunde gelegt. Er beginnt die Strophen
der Reihe nach mit den Worten von Ps. 68 8 -9, die Mitte der Strophen
hat wiederum Cant. 1 1—14 vorgesetzt, in den Asharot stellt er außer-
dem jeweilig die ersten Worte des Dekalogs voran; wie den Anfang,
so verbrämt er das Ende mit Bibelworten, die vierte Zeile der Verse
ist immer ein Bibelvers und mit dessen Ende müssen alle vorher-
gehenden reimen, bei der Aufzählung der Gebote endet jede Ab-
teilung, d. h. die Reihe der unter einen Satz des Dekalogs fallenden
Gesetze, mit demselben Schlüsse, welchen der betreffende Satz in der
Bibel hat. Daß in einem solchen Rahmen wahre Poesie nicht ge-
deihen konnte, ist ganz klar, Saadja hat sich wohl bemüht, in den
Fußstapfen Kalirs zu gehen, es ist ihm aber nicht gelungen, er hat
ihn an Künstelei übertroffen, dasjenige aber, worin Kalirs Kunst
besteht, nicht erreicht.
Saadja liebte es, seine größeren Arbeiten in mehrfacher Form
auszuführen. Auch die A b 0 d a des Versöhnungstages liegt in zwei
verschiedenen Bearbeitungen von ihm vor. Die eine beginnt "»"s^z
•»ie: m23~ n^-'zs -m-^- "pT^^, sie ist wie die Asharot in außer-
ordentlich gekünstelter Weise aufgebaut, sie hat alphabetische Reihen-
folge, jede Strophe bringt achtmal denselben Versanfang, jedoch mit
Saadja 823
der Erscliwormii;, daß hei den unj^radon Zeilen vor den betreffenden
Uiielistaheii jedesmal die Partikel 2 vorgesetzt ist, während die graden
wiederum mit einer Bibelstelle, überdies mit demselben Worte enden,
mit dem die vorhergehenden ungraden begonnen haben. Außerdem
reimen je zwei Verse am Ende, und obendrein haben die Verse noch
eine Zäsur, die ersten Halbversc haben durchgehenden Reim in der
ganzen Strophe. Der Inhalt der Aboda weicht von dem üblichen
nicht ab, Saadja sehließt sich ganz unverkennbar an das Vorbild
Joses an, er verwendet wie jener den weitaus größeren Teil der Dich-
tung für die Einleitung und stellt den Kultus des Versöhnungstages
erst in der zweiten Hälfte dar. Man muß ihm die Gerechtigkeit wider-
fahren lassen, daß er sich bemüht hat, diese Schilderung dramatisch
zu beleben, aber da er so sehr viel Kraft auf die Innehaltung der
äußeren Form verwenden mußte, war es unmöglich, daß der Inhalt
nicht darunter litt. Nach Saadjas eigenem Zeugnis hat er noch mehr
Abodabearbeitungen (p"'CS'E) geschaffen, eine davon ist neuer-
dings fast vollständig wiedergefunden worden. Sie beginnt a'^nrs«
zipTC -1, sie enthält ebenfalls 22 Strophen zu je vier Doppelzeilen in
der Reihe des Alphabets. Die Form ist weit einfacher als die der
besprochenen Aboda. Die ungraden und die graden Verse haben in der
ganzen Poesie durchgehenden Reim, die graden auf Z"*, die anderen
auf n:. Etwas kompliziert wird die Anordnung durch die Ringwörter,
die graden Verse endigen mit demselben Worte, mit dem der nächste
ungrade beginnt, so daß dasselbe Wort zweimal hintereinander folgt.
Die Sprache ist in unserer Poesie wesentlich einfacher als in der vorher-
gehenden, der Inhalt hingegen stimmt in beiden vollständig üben in,
derart, daß in den meisten Fäll^i die Strophen einander decken, nur
ist in der zweiten Dichtung die Darstellung weit kürzer. Ein Akro-
stichon, das die Urheberschaft Saadjas verbürgt, ist in beiden nicht
vorhanden, aber sie werden beide ihm zugeschrieben und bieten keinen
Anlaß, ihre Echtheit anzuzweifeln. — Von größeren Arbeiten Saadjas
ist ferner sein Hoschan a-Zyklus zu erwähnen. Die Hoschanas für
die einzelnen Tage zerfallen in drei Teile, das erste Stück beginnt
stets mit "iy^:, das zweite mit sirrnnn n:7, das dritte mit dem bereits
früher (S. 220) hervorgehobenen Refrain rcr'': "ibrn: r.:^n ""^^ ~:3n
nn-arn. Für den siebenten Tag ist die Zahl der Hoschanas nicht
vermehrt. Die meisten Poesien aus diesem Zyklus sind mit den in
Seph. enthaltenen identisch, sie haben alle eine viel einfachere Sprache
21*
324- Geschichte des Gottesdienstes
als wir sonst von Saadja gewohnt sind, es ist sehr fraglich, wieviel
davon Saadja selbst verfaßt und was er von anderen übernommen
hat. Seine kleineren Arbeiten sind eine Anzahl Selichot für Fasttage
oder für die Bußtage. Ihre Darstellungsweise ist nach Saadjas Manier
ziemlich schwerfällig, meist knüpft er an bestimmte Themen, wie die
zwölf Stämme Israels, die zwölf Steine im Brustschilde des Hohen-
priesters, die Zerstörung der sieben Heiligtümer und ähnliche Gegen-
stände an. Auch bei diesen im ^'amen Saadjas überlieferten Stücken
ist die Echtheit nicht immer ohne weiteres festzustellen, manche
davon sind jedoch neuerdings auch in Genisafragmenten \Näeder-
gefunden worden und dort als ilim zugehörig bezeichnet.
Die besten Schöpfungen, durch die Saadja das Gebetbuch be-
reichert hat, sind seine zwei Bittgebete (mrp^), von denen das
eine nrsr tstt ins?, das andere T~2b '~ S'n r.rs« beginnt. Es sind
die beiden von Abraham ibn Esra wegen ihres gemütvollen Inhalts und
leichten Stils gerühmten x\rbeiten. Tatsächlich sind es die einzigen
Leistungen Saadjas, die in die Gebetbücher aufgenommen wurden,
der uns vorliegende Text rechtfertigt das ilmen gespendete Lob durch-
aus, in der Hauptsache knüpfen sie an die Bibel an und stellen ent-
weder Bibelverse oder ihnen nachgebildete Sätze zusammen. In
ihnen kommt eine schlichte, aber tiefinnige Frömmigkeit zum Aus-
druck. In der überlieferten Form jedoch sind diese Stücke nicht
echt, sie sind mit jüngeren Zutaten durchsetzt, sind außerdem am
Ende durch Ai'beiten anderer Autoren aus späteren Zeiten melu'fach
verlängert worden. Eine ausfülu'liche Analyse findet man bei Lands-
huth, a. a. 0., S. 293 ff.
Saadjas Ai-t zu arbeiten stellt .das höchste Maß von Verwick-
lungen und Schwierigkeiten dar, deren der Piut fähig war, der Ver-
fasser der mehrfach erwähnten alten Poetik sieht daher in seinen
Piutim die letzten Ausläufer ilirer Gattung. Wegen ihrer Schwierig-
keiten konnten Saadjas Arbeiten im Gottesdienste nicht benutzt
werden, aber infolge des hohen Ansehens, dessen sein Namen sich
erfreute, wurden sie studiert und vielfach zitiert. Wichtig wurde
Saadjas Beschäftigung mit der Poesie dadurch, daß er sich nicht
nur als Dichter versucht, sondern auch die Theorie gepflegt hat. Die
vielen wertlosen Dichtungen, die in seiner Zeit bereits im Umlauf
waren, erregten seine Aufmerksamkeit, er sah sich daher veranlaßt,
zur Verbesserung der Sprache und des Stiles der Poeten eine Art von
Salomo 1>. Jfhuda 325
Lehr b ii c h zu verfassen. Wir besitzen neuerdinfjs Fra<j;inonle
seines A lij r o ii , das ursprünglich als eine Art von Koinilexikon ge-
dacht ^Yar und die hebräischen Wurzeln nach ihren Anfangs- und
Kndbuchstaben alphabetisch zusamnienstellte. Jn späteren Lebens-
jahren jedoch hat Saadja diese Jugendarbeit erweitert, auch dem
Inhalt, ,,der Seele der Gedichte" seine Aufmerksamkeit zugewendet
und eine Poetik hinzugefügt, in der er sich auch über den Stil und
die Bilder der Poesie verbreitete.
3. In der Zeit nach Saadja folgen die Dichter von Bedeutung ein-
ander in kurzen Abständen, die ersten Dichternamen in Europa tauchen
auf, sie stammen sämtlich zunächst aus Italien, demjenigen Lande,
welches auf dem Gebiete der jüdischen Wissenschaft die Verbindung
der europäischen Länder mit dem Orient herstellte. Die Verbreitung
der Dichtkunst ist ein Zeichen der zunehmenden Gelehrsamkeit und
der wachsenden Stetigkeit in den Einrichtungen der Gemeinden.
Der erste Name eines Paitan in Europa ist der Salomos b. Je-
h u d a ha Babli c^rnnn rn^r^•' ^n^n rrobr) um 950—980. Seinen
Beinamen trägt er von seiner Heimat, der Stadt Rom, die seit den
Zeiten der Apokalypse methaphorisch Babel genannt wird. Salomo
war einst ein vielgelesener und geschätzter Dichter, er wurde, häufig
mit Kalu- zusammen genannt, den er auch in den meisten seiner
Poesien nachahmt, und zw^ar zumeist recht glücklich, vielfach aber
ist sein Satzbau noch schwerer, seine Darstellung dunkler, seine
Sprache härter als die Kalirs. Ein großer Teil seiner Poesien ist nur
handschriftlich erhalten, wenige sind in die Gebetbücher übergegangen.
Unter den letzteren ist a'i'iTrs^ rt*"» "'S besonders bekannt geworden,
ein J 0 z e r zum ersten Pesachtage, in dem der Verfasser viermal
seinen, dreimal den Xamen "iDliTS, wahrscheinlich den seines Bruders,
gezeichnet hat. Schon Raschi hat diese Poesien, die Germ., It. und Rom.
aufgenommen haben, kommentiert. Außerdem hat Salomo eine Anzahl
S e 1 i c h a s verfaßt, von denen wiederum einige durch die Gebet-
bücher verbreitet worden sind. Durch alle seine Dichtungen geht ein
Zug der Klage, „gleichsam ein leises, mühsam verhaltenes Schluchzen,
das jeden Leser in seinen Bann zwingt." Ob Salomo Judenverfolgungen
erlebt hat, wissen wir nicht, nach dem Tone seiner Klagen müßte man
es annehmen. Auf dem Gebiete der Selicha wurde er als maßgebendes
Vorbild betrachtet, man nannte die Gattung nach dem Muster der
von ihm bearbeiteten Stücke r^:T2:r. Endlich ist von seinen größeren
326 Geschichte des Gottesdienstes
Arbeiten die Aboda rffiinbr mis zu nennen, eine der längsten
und schwierigsten Dichtungen ihrer Art, die darin einen feinen poe-
tischen Takt zeigt, daß sie bei der Schöpfungs- und Patriarchenge-
schichte lange verweilt, jedoch der Aufgabe sich keineswegs gewachsen
zeigt; sie wd bis heute in Rom. verwendet.
4. Die nächsten Dichter gehören der Familie der K a 1 o n y -
m i d e n an, die durch die große Anzahl verdienstvoller Männer, die
sie der Judenheit geschenkt hat, berühmt geworden ist. Die Familie
stammte aus Lukka in Italien. Dadurch, daß sich eines ihrer Mit-
glieder im Jahre 982 um die Rettung des Lebens Kaiser Ottos IL
verdient gemacht hat, ist sie dann, mit einem günstigen Privileg aus-
gestattet, nach Mainz übergesiedelt, wo sie ebenfalls eine hervorragende
Rolle gespielt hat. Da auch die nach Deutschland ausgewanderten
Kalonymiden den Beinamen ,,aus Lukka" weitergeführt haben, ist
häufig schwer zu entscheiden, ob die Vertreter des Namens in
Italien oder in Deutschland gelebt haben. Dazu tritt die andere
Schwierigkeit, daß in der Familie die gleichen Xamen immer wieder
vererbt wurden und daher häufig wiederkehren, so daß es nicht immer
leicht ist, zwischen Großvätern und Enkeln, die mehrfach dieselben
Namen tragen, zu unterscheiden. Um die Ausgestaltung des Gottes-
dienstes in Deutsclüand hat die Familie sich aller Wahrscheinlichkeit
nach außerordentlich verdient gemacht, sie brachte die in Italien I-
heimischen Traditionen mit nach Deutschland; in späteren Jahr-
hunderten hat man ihrer Einwanderung die Übertragung der Leliren
von den „Geheimnissen des Gebetes" zugeschrieben, sicherlich
haben sie vieles aus dem italienischen und dem palästinischen Ritus
mitgebracht und nach Deutschland verpflanzt. Dazu gehörte aller
Wahrscheinlichkeit nach auch der Piut. Der erste Paitan aus dem
Geschlechte ist Mose b. K a 1 o n y m o s , genannt Mose der Alte
(Cl^"^:i":;p ^Sin mr^). Über seine Lebenszeit gibt er selbst Aus-
kunft, wenn er in einem seiner Verse sagt "TlT'a ^ni rs"::!: nr" Ti:b"T
niÄ?^; er muß demnach etwa 900 Jahre nach der Zerstörung des
zweiten Tempels gewirkt haben, das würde uns etwa in das Jahr 980
führen. Seine Hauptarbeit ist die Keroba zum 7. Pesachtage mit dem
Anfange T^nis-n: ni3"'Ä?, die in mehrere Gebetbücher übergegangen
ist. Sie ist stark mit Midrasch versetzt, im ganzen im Stile Kalhs,
aber eine der besten Nachahmungen seiner Art, kraftvoll und klang-
reich. Ein anderer Paitan aus demselben Geschlecht ist K a 1 o n v -
m II s ans L ii k k a , der \ ii'lli'iclil triiluT als der chcii •jciiannic ge-
blüht lial. K. (lorscliom rühmt ilin als (ielolirten und crwäliiit, daü er
K 0 V 0 I) a s für s ä m t 1 i c li r !•' c s I t a g e gedichtet hat, die mit
lla^ada reich aiisi^cstattet waren. Wir besitzen von jenen Dich-
tnni^en je(h»eh seiir wenig, Znnz schreibt ihm die Abfassnng der Kehitim
für dvw \'ersönungstag, die an (h'n N'ers Jer. 10 7 Wl^n Tri2 isi"',"' sb "^"ü
'"Z" anknü|)t'en. zu. Sie sind ebenfalls Zeichen tüchtigen Könnens. Be-
kannter ist sein Sohn ]\1 e s c h u 1 1 a m b. K a 1 o n y m u s , der
bisweilen ebenfalls als Italiener bezeichnet wird, vielleiclit auch dort
geboren, aber sicher in Mainz gestorben ist, wo man neuerdings auch
seinen (irabstein wiedergefunden lial. Auch er wird von K. Gerschom
als gefeierter (ieleiirter gerülimt. wir wissen auch, daß er mit den
angesehensten Männern seiner Zeit in Verbindung stand. Auch er
war ein fruchtbarer Paitan. Bekannt geworden ist von ihm be-
sonders die K e r 0 b a zum V e r s ü h n u n g s t a g e nr" r'^ri«,
die noch heute in Germ, beim Morgengebet verwendet wird. Mehr-
fach findet sich darin das Akrostichon CT!2"':ibp "•nT'n sbrr, das
seine Autorschaft bezeugt. Die Keroba bestellt heute aus mehr als
30 Stücken, aber nicht alle rühren von ihm her, es ist viel fremdes
Gut in sie hineingeraten, u. a. auch die oben erwähnten Dichtungen
seines Vaters. Für den Musafgottesdienst des Versöhnungstages hat
MeschuUam z w^ e i m a 1 die A b o d a bearbeitet. Er ist Verfasser von
~D 7"''as, das im deutschen Ritus gebräuchlich ist. Das Stück hat
unter allen bekannten Abodas die unregelmäßigste poetische Form;
das ist für die in Deutschland lebenden Dichter vielfach auch später
bezeichnend, daß sie das Grundgesetz der Poesie, das Gleichmaß,
nicht beachteten. Es fällt auf. daß der Aboda auch der Reim fehlt.
Es ist nachgewiesen worden, daß der Verfasser offenbar die Absicht
hatte, die Aboda Joses abzukürzen und in einer seinen Zeitgenossen
angenehmen Form, d. h. angefüllt mit schweren Worten und poe-
tanischen Wendungen, vorzutragen; neben dem Alphabete hatte
er auch das verhältnismäßig lange Akrostichon seines Namens anzu-
bringen. Aus all den Schwierigkeiten wußte er sich nicht recht heraus-
zuhelfen, daher gestaltete er den Bau der Aboda so unregelmäßig,
daher hat er manches sehr kurz und sprunghaft, anderes wieder mit
großer Ausführlichkeit behandelt. Zur Aboda gehörte auch eine
Introduktion "'bVr'a TTis« r'^'Jii, die von den Gemeinden nicht mit über-
nommen wurde und daher bis in die neueste Zeit in den Handschriften
328 Geschichte des Gottesdienstes
vergraben blieb. Dasselbe Schicksal hatte seine zweite Aboda nnTCä«
^■imi«"::^: ""li:, die, wie es scheint, im Mittelalter in Sachsen und Böh-
men gebräuchlich war und sich in den Handschriften von Germ, meist
am Rande von HD fi^S findet. Der Bau ist ein viel regelmäßigerer,
das ganze Stück enthält v^ierzeilige Strophen, die mit Reimen ver-
sehen sind. Der Inhalt ist derselbe wie in HD f "^'as*, die Art der Bear-
beitung schließt sich noch enger an Jose an. Außer für den Ver-
söhnungstag hat unser Dichter auch für das Pesachfest gearbeitet,
unter den Piutim des zweiten Tages findet sich in Germ, manches Stück
von ihm. Seine Dichtungen hatten das Schicksal, das vielen Piutim
bereitet war, sie wurden von den Abschreibern und den Gemeinden,
denen sie zu lang waren, vielfach gekürzt und dadurch verstümmelt:
insbesondere die Bibelverse, die den Schmuck der Strophen aus-
machten, mußten vielfach weichen.
5. Alle hier zuletzt erwähnten Dichter haben ihr Arbeitsfeld
hauptsächlich da gesucht, wo sich im Festzyklus Kalirs Lücken fanden,
sie haben den Gemeinden dazu verholfen, die Kette der Piutim zu
vervollständigen, wo ihnen Kaiirisches Material fehlte. Der wichtigste
unter den Paitanim, die in Deutschland sich in der genannten Rich-
tung betätigt haben, war Simon b. Isaak b. Abun (pn2:"> il ]i3'7affi
"(inx iD) aus Mainz um 1000. Er wurde bisweilen auch der Große
zubenannt, wurde allgemein als einer der verdientesten Zeitgenossen
verehrt, er galt sogar vielfach als ein erprobter Wundertäter ("i'a'b'a
Q"^o:n). Ein besonderes Verdienst scheint er sich durch die Abwelu*
oder Beendigung einer Judenverfolgung in Mainz im Jahre 1012
erworben zu haben, wegen seiner Bemühungen um die Rettung der
Gemeinden wurde er weithin iu den Seelengedächtnissen zum ewigen
Andenken erwähnt. Sein Name erfreute sich in jeder Beziehung eines
guten Klanges, sein Hauptverdienst aber lag auf dem Gebiete des
Piut, seine Kompositionen waren in Frankreich und Deutschland fast
überall angenommen, sie bildeten die beste und vortrefflichste Er-
gänzung zu denen Kalirs. Man darf ruhig sagen, daß überall, wo
Kalirs Piutim fehlten, bis auf die wenigen Ausnahmen, in denen die
zuletzt erwähnten Dichter die Gemeinden versorgt hatten, Simon b.
Isaak eingesprungen ist und die Lücken ergänzt hat. Wh* besitzen
daher in Germ, von ihm einen J o z e r und eine vollständige K e r o b a
für den zweiten Tag des Neujahrsfestes, dieselben Dich-
tungen für den siebenten Tag von P e s a c h und den zweiten des
Sirnuii 1). Isaak ;'52{)
W 0 c !i c n f 0 s t 0 s; auch für den ZwiscIuMisiihhat von Pcsacli hat
(M- ein Jozer verfaßt. Kr folü;! ebenfalls den Spuren Kalirs, benutzt
auch die jüngeren Paitaniin, aber er verfügt niclit über die Kraft ihrer
DarsteUung, vor allem nicht id)er die Fähigkeit, sieh so kurz zu fassen,
wie sie es getan haben. Das äußere Beiwerk seiner Dichtungen ist
dasselbe wie bei den anderen Paitaniin, Ali)hal)ete, Naniensakrosticlia,
bisweilen sogar ungewidmlich lange Reime uiul Refrains. Mit den
letzteren hat er nicht immer (llück gehabt, sie wurden vielfach im
Laufe der Zeit gestrichen. Überhaupt hat der Wunsch nach Kürzung
gerade seine Poesien schwer getroffen, von dem "i^b^ ib^a anfangenden
Rahit z. B. ist eine ganze Hälfte weggefallen. urs])rünglicli war jeder
Vers mit "JT^br Y''^ von einem anderen mit ""ins Y-^ begleitet, der All-
nuicht des himmlischen war die Schwäche und Nichtigkeit des mensch-
lichen Königtums gegenübergestellt. Simon war, wie es scheint, der
erste Paitan in Deutschland, der poetische Introduktionen
verfaßt hat, durch ihn ist diese Gattung von Poesien eingeführt worden,
spätere haben sie dann häufig nachgeahmt und sogar nicht verschmäht,
zu den Kompositionen anderer poetische Einleitungen zu verfassen.
Vieles in den Festgebeten wurde Simon ohne Grund zugeschrieben,
so z.B. die Asharot rbn:n nrx in Germ., die schon von älteren Autoren
zitiert werden, die obendrein im Gegensatz zu allen anderen Arbeiten
Simons des Reimes entbehren. Wahrscheinlich hat er niemals Asharot
gearbeitet, da Germ, bereits damit versehen war; ausgeschlossen wäre
es jedoch nicht, daß eine derartige Komposition von ihm verloren
gegangen ist. Auch für die Sabbate hat er sehr viele Piutim ver-
faßt, damals begann man die Zahl der mit poetischen Kompositionen
auszustattenden Sabbate bedeutend zu erweitern, Simon ist auch
hierin für viele Nachfolger Vorbild geworden. Endlich ist seine Be-
tätigung auf dem Gebiete der S e 1 i c h a zu erwähnen. Auch hierfür
ist das zehnte und elfte Jahrhundert entscheidend gewesen, die poe-
tischen Selichas bürgerten sich immer mehr ein und verdrängten die
alten, reimlosen, schlichten Kompositionen, die häufig an Poesie und
vor allem an Tiefe des Empfindens alle künstlichen Produkte der
späteren Zeit übertroffen haben. Von Simon besitzen wir eine große
Anzahl von Selichas, Techinnas und Introduktionen zu den Selichot
für den Versöhnungstag und die Bußwochen. Der Dichter tritt als
Vorbeter der Gemeinde auf und ergreift in ihrem Namen das Wort.
Neben dem Bewußtsein der Sündhaftigkeit, das überall durchklingt,
330 Geschichte des Gottesdienstes
bringt er die Klagen über die Not der Zeit zum Ausdruck; grausame
Verfolgungen haben soeben stattgefunden, bei denen das Bekenntnis
zur jüdischen Religion verboten war, viele zwangsweise getauft wurden,
andere es vorzogen, sich selbst den Tod zu geben, w^obei besonders die
Frauen mit Opfermut vorangingen und mit Todesverachtung sich in
die Fluten stürzten, um nicht den Verfolgern in die Hände zu fallen.
6. Dieselbe gedrückte Stimmung wie in Simons Selichas kehrt
in denen seines etwas jüngeren Zeitgenossen R. G e r s c h o m b.
J e h u d a , der ,, Leuchte des Exils", wieder. Gerschoms geschicht-
liche Bedeutung liegt nicht auf dem Gebiete des Gottesdienstes, aber
auch er trat als Verfasser von Selichas auf und beklagte darin eben-
falls die Verfolgungen, unter denen er gelitten hatte, bei denen, wie
bekannt, sein eigener Sohn zwangsweise zur Taufe geschleppt worden
war. Von Gerschoms Poesien ist eine besonders bekannt geworden,
der Pismon 'ilTEnn nnrj f ^i^r mSi« mit der Introduktion ri^n "ZT
aniliJ, die den Gebeten am Rüsttage zum Neujahrsfeste den
Xamen gegeben hat. Das hohe Ansehen des Verfassers und die Be-
liebtheit der Poesie haben nicht verhindern können, daß sie selir stark
gekürzt wurden, ein Schicksal, das auch anderen Kompositionen
desselben Meisters zuteil geworden ist. Fast ausschließlich als Ver-
fasser von Selichas ist Benjamin b. S e r a c h bekannt. Man gab
ihm den Beinamen der Große, man nannte ihn bisweilen auch den
Mann des Gottesnamens, St'" bm, nicht etwa, weil er als Wunder-
täter aufgetreten wäre, sondern weil eine seiner Selichas, bs?" '" s:5?
bl15in, nach den Anfängen des Gottesnamens von 42 Buchstaben auf-
gebaut ist, und weil er auch in seinen Ofan-Dichtungen vielfach mit
dem Gottesnamen arbeitet. Als seine Lebenszeit gibt er selbst 990 Jahre
nach der Zerstörung des Tempels, d. h. etwa 1060 an, seine Heimat
ist wahrscheinlich in den Balkanländern zu suchen. Er hat eine große
Anzahl von Selichas verfaßt, von denen einige auch im Germ,
aufgenommen und mit großer Feierlichkeit vorgetragen wurden,
wie die Akedas a'^r^ri^'a -^m aT'ai? und nry ranx. Sie sind meist
in einfachem Stile verfaßt, durchdrungen von tiefen und echten Emp-
findungen, der Inhalt ist hauptsächlich der Klage gewidmet, wahr-
scheinlich hat der Verfasser in seiner Heimat ebenfalls schwere Zeiten
erlebt. Xeben Selichas hat er auch für J o z e r gearbeitet, in Germ,
sind seine Dichtungen für den Sabbat vor dem Pesachfeste "iüba TS
rCD erhalten, sein Ofan ist dramatisch belebt, je eine Strophe ist
Diclilcr um lÜöO 331
iiiinicr der lluldimnii,' der Kngel gewidmet, die zweite der ent-
spreelieiideu Kiwiilening Israels.
Aus derselben Zeit seien hier noch zwei Dichter erwähnt, die
besonders durch die außerordentlich kunstvolle Form Aufsehen errej,4
haben, die sie in ihren Arbeiten anwenden. Zuerst J o s e p h b.
S a 1 0 m 0 aus Careassonne, d(>r vor Kasclii <,M'schriel)en haben niuL).
Seinen Jozer zum Sabl)at in dei' Chanukkawoche verwenden (Jerm.
und Jt., ''2 rtm T TTiS besteht aus StrojjJien mit n e u n f a c h c m
Alphabet, eine lläut'uni,^ die sieh bei den älteren Diehlern nur ganz
selten und auch nur in der Aboda findet; naturgemäß wurde die
Sprache der Dichtung ungewöhnlich schwierig, sie mußte daher sclion
sehr früh mit Kommentaren versehen werden. Noch origineller ver-
fuhr sein Zeitgenosse Z a h 1 a 1 b. N e t a n e 1 , der als Verfasser
einer einzigen Poesie bekannt geworden ist, die durch ihren Hau
Aufsehen erregte. Sein Hymnus ^p""' •^'::: besteht aus 248 Zeilen mit
dem durchgehenden Reime 2"^i, worauf der Verfasser sich sehr viel
zugute tat. Der Inhalt des Stückes ist darum bemerkenswert, weil
er eine Schilderung von Gottes Einheit und seinem Schöpfungswerke
gibt, die zum erstenmal sich durchwegs an das Buch Jezira anschließt;
entsprechend der Auffassung jener alten Schrift wird die gesamte
SchöjDfung, auch der Mensch, aus der Kombination der Buchstaben
des Ali)habets hergeleitet. Am Schluß geht der Verfasser zu einer
Schilderung der Güte Gottes und seiner Wohltaten gegen Israel über;
da er besonders auf die Siege der Hasmonäer hinweist, dürfte er eben-
falls für das Chanukkafest gedichtet haben. Zahlals Heimat ist in
Frankreich oder auf dem Balkan zu suchen. Seine Poesie zeigt uns,
zu welchen Seltsamkeiten die Entwicklung des Piut führte; trotzdem
sie fast nur aus Künstelei und Gelehrsamkeit bestand, vom Inhalt
und Ton eines Gebetes sehr weit entfernt war, erfreute sie sich im
Mittelalter hohen Ansehens.
7. Um 1050 beginnt insofern eine neue Epoche in der Geschichte
des Piut, als für einfache Kompositionen kaum mehr Kaum war und
die Dichter sich daher darauf verlegten, innerhalb des vorgezeichneten
Rahmens die Poesie immer mehr auszuarbeiten, indem sie auch mehr
als früher das Gebiet der poetischen Selicha pflegten. In der Sprache
ist um jene Zeit ein gewisser Fortschritt zu verzeichnen, die Sprach-
studien verbreiten sich alhnählich, es wird daher auf Korrektheit des
Stils mehr geachtet, es tritt eine gewisse Befreiung vom Schema der
332 Geschichte des Gottesdienstes
alten Paitanim ein, die Dichter knüpfen nicht mehr so eng wie früher
an den Midrasch an, sie bevorzugen die Bibel, geben allerdings ihren
Inhalt sehr gern in der Redeweise des Talmuds oder JMidrasch wieder.
Eine Beeinflussung durch die gleichzeitig erblühende Dichtkunst
in Spanien ist nicht zu bezweifeln; wie weit sie im einzelnen geht,
ist nicht leicht zu erweisen. An der Spitze der neuen Epoche stehen
zwei Dichter aus dem nördlichen Frankreich, die beide als Talmud-
lehrer großes Ansehen genossen; sie sind die letzten Autoritäten, die
ernstlich über die Zulässigkeit des Piut innerhalb der Gebete sich zu
äußern hatten, es war selbstverständlich, daß beide ihre Zustimmung
gaben. Der erste ist Elia b. Menachem der Alte aus Le Maus. Er ist
Verfasser von größeren Kompositionen, zunächst von "^Dn n:^"i r^s,
Asharot in gereimten vierzeiligen Strophen mit Alphabet und dem
Aki-ostichon seines Xaniens. Sie sind sehr geschickt gearbeitet, geben
der Reihe nach die biblischen Gebote und die späteren Verordnungen,
bei den Verboten zunächst diejenigen, auf die schwere Strafen gelegt
sind, dann erst die einfachen Verbote. Die Asharot Elias genossen
sehr hohes Ansehen, sie wurden als zuverlässige Auslegungen der
biblischen und talmudischen Gesetze häufig herangezogen und in den
gelehrten Diskussionen eifrig besprochen. Eine zweite größere Kom-
position von ihm führt den Titel "ilD oder ausfülirlicher ronr'^n iic ;
sie gibt eine Zusammenstellung der täglich am Morgen zu betenden
Bibelstellen und enthält zwei längere Gebete, "s?" nrnr "rs und "ri5
nb m"aY:::7r T^lia, die unter die Gebete des Versöhnungstages auf-
genommen wurden, das Ganze enthält It. in seinen älteren Ausgaben.
Auch als Verfasser von Selichas war Elia bekannt, die meisten gingen
jedoch mit dem altfranzösischen Ritus, der sie enthielt, unter. Sein
Zeitgenosse war Joseph b. Samuel Bonfils (mi: biiTöTl' '2 rc"!""
D>y), der aus IN'arbonne, dem Sitze alter jüdischer Tradition, stammte
und in Limoges lehrte. Er war als Sammler und Verbreiter halachischer
Literatur außerordentlich geachtet, er hatte auch als liturgischer
Dichter eine hervorragende Stellung, seine Arbeiten zeugen von
kühnem Schwung der Gedanken und enthalten schöne Bilder. Ge-
bräuchlich geworden ist nicht viel davon, obwohl er fast sämtliche
Feiertage durchgehend bearbeitet hat. Die meisten seiner Poesien sind
mit dem altfranzösischen Ritus zusammen untergegangen, einige
davon haben sich jedoch auch in anderen Gebetbüchern erhalten.
Dazu gehören die M a a r i b - Kompositionen zum ersten Abend des
Elia b. Scliemaja 333
Wofhonfoslos apr*^ "^■'SS "r^-'i und dos llüttoiifostcs nra-'S ST^n -^Tn-s«
Z'^:"'^, die alle mit seinem Namen gezciclmet sind. Ferner besitzen
wir vdii ihm .1 o z e r und Keroba für den Großen Sabbat vor
dem Pcsach, im ganzen 11 Stücke, darunter die umfangreidie lia-
lacliische Abhandlung nn^^n in:s« bs', deren Sdduß nzt "^iic :cn
"iribnD in die Pesaehhagada übergegangen ist. Diese Abliandlung
Tobelems fand ebenfalls sehr viel Beachtung und wurde mehrfach mit
Kommentaren versehen. Auch die Sabbate nach dem Pcsachfeste hat
er nnt mehreren Jozerstücken ausgestattet, vielleicht ist er der erste
gewesen, der für diese Sabbate gedichtet hat. Neben dem altfranzö-
sischen und deutschen hat auch der griechische Ritus eine Anzahl
Stücke von ihm angenommen.
8. Unter ihren Zeitgenossen gebührt die Palme dem Dichter
p] 1 i a b. Sehe m a j a. Seine Heimat war, nach einer Überlieferung
unbekannten Ursprungs, Bari in Unteritalicn, wo damals eine sehr
berühmte jüdische Gelehrtenschule bestand, von der man sprich-
wörtlich bis in Frankreich und Deutschland erzählte; sonst wissen
wir von Elias Lebensverhältnissen nichts. Er ist einer der besten
S e 1 i c h a d i c h t e r , der oft sogar die allgemein übliche Kunst-
form vernachlässigt, um dem Inhalt und der Sprache seiner Kom-
positionen mehr Aufmerksamkeit schenken zu können. Der Aufbau
der Selicha nach ihren drei Teilen Klage, Bitte und Hoffnung ist bei
ilim stets sehr sorgfältig durchgeführt, seine Gedanken sind nicht selir
zahlreich, er bewegt sich immer in demselben Kreise, aber man merkt
jeder seiner Dichtungen an, daß die Worte aus dem Herzen eines tief
empfindenden Menschen kommen. Der Inhalt ist meistens elegisch,
der Dichter ringt nach "Worten, um seinem Kummer über das Leid der
Gemeinde Ausdruck zu geben, alles Leid führt er auf die Sündhaftig-
keit des Geschlechtes zurück, aber er unterliegt nicht dem Druck der
Sünde, sondern er versteht es immer, sich durchzuringen zu der Zuver-
sicht, daß Gott die Sünde tilgt und mit ihr auch die Dränger vernichtet.
Für die Nichtigkeit und Ohnmacht des Menschen gegenüber der
Größe und Allmacht Gottes hat kaum ein Selichadichter wieder so
innigen, aus dem Herzen kommenden und ki-aft vollen Ausdruck ge-
funden. Die Zahl von Elias Selichas belief sich auf mehr als 30, einige
der schönsten und besten in Germ, gehen auf ihn zurück (dazu gehören
*'2nr n^si ■'prn nrs?, -^.myns ^n p^rnn: Trcn sips ,^ni72i).
334 Geschichte des Gottesdienstes
9. Sehr berühmt war in Deutschland das ganze Mittelalter hin-
durch M e i r b. I s a a k , der zur Zeit, als Easchi sich dort aufhielt,
als Vorbeter in Worms wirkte imd auch meist ,,der Vorbeter" ("^"'S^ 'i
-nn"^ n^rffi pn'^i ^.2) genannt \wd. Er war als einer der besten Kenner
der Gebetordnung und der gottesdienstlichen Bräuche geschätzt,
seine Art, Gebete zusammenzustellen und vorzutragen, galt allgemein
als maßgebend, er war eine xVutorität in bezug auf Gebet- und Piut-
text, gestattete sich auch manche Neuerungen, die dann auf Grund
seines Beispiels angenommen wurden. Als liturgischer Dichter war
er sehr populär, man rühmte, daß keiner gleich ihm nach Hagada,
Halacha und Vorscliriften Sühngebete zu machen verstanden hätte,
Gemeinden erwähnten seiner fernhin im Seelengedächtnis und be-
gründeten das damit. ,,daß er die Augen Israels durch seine Piutim
erleuchtet hatte". Er hat sehr viel zur Ausgestaltung des Gottesdienstes
beigetragen, aber nur weniges hat die Zeiten überdauert, seine Kom-
positionen wurden hauptsächlich in seiner Heimat, in Worms, benutzt,
wo manches allerdings bis zum heutigen Tage im Gebrauch ist; andere
Dichtungen waren in Mitteldeutschland üblich, sind aber später bei
der Vereinheitlichung des Ritus verschwunden, die allerwenigsten
haben weitere Verbreitung gefunden. Der Stil Meirs ist nicht immer
gleichmäßig, er ist in Hochzeitsliedern, von denen er mehrere verfaßt
hat, sehr einfach, im Jozer, wovon außerhalb Worms heute nur ein
einziger noch im Gebrauch ist. dunkel, in den Selichas gewandt und er-
greifend. Einige Dichtungsarten sind ihm eigentümlich und zu seiner
Zeit zuerst in die Kompositionen eingeführt worden. So die längeren
halachischen Exkurse ("tTSi) in den M a a r i b-D i c h t u n g e n.
von denen einer r:n 311 ^,ii5 zum zweiten Pesachabend, überall in
Germ., der andere zum ersten 2b"" n:f rPDTi? nur in Westdeutsch-
land erhalten geblieben ist. Eine andere Art von ihm eingeführter
Poesien sind die aramäischen I n d r 0 d u k t i 0 n e n zum
T a r g u m von S i d r a und H a f t a r a an solchen Feiertagen, an
denen in Deutschland die aramäische Übersetzung vorgetragen wurde
(oben S. 191, 193). Davon hat sich eine erhalten, "J'^bü TTCipi« für
den ersten Tag des Wochenfestes. Das Stück preist den Schöpfer
und Gesetzgeber als Freund Israels, welchem für die Erlösungszeit
irdische und himmlische Freuden verheißen sind. Glühende, farben-
reiche Schilderung des Heiles, das den Frommen im messianischen
Zeitalter bereitet wird, hat der Poesie eine außerordentliche Beliebt-
Zur Zeit der Kreuz/.iigo 335
holt oingetraiTon, so daß sie allein unlor allen älmliclicn Arhciton die
Zeiten überdauert hat. Tiiter den Scliehas Mcirs hcliandeln die meisten
das Thema der Akeda (idcr. was inhaltlich auf dasselbe liinauskommt,
das der Techinna. Vielleicht hängt diese Eigentümlichkeit bereits
mit der düsteren Sliinmung zusammen, in welche die deutsche Jnden-
heit am linde von Meirs Lebenszeit d\irch die blutigen Verfolgungen
des Jahres 109G versetzt wurde. Unter den jüngeren Zeitgenossen
Meirs sei hier kurz auch K a s c h i (1040—1 lOö) genannt. Sein Ruhm
ist vor allem durch seine unerreichten Kommentare begründet worden,
aber es war selbstverständlich, daß von einem Manne mit derart ge-
feiertem Namen jede Leistung volle Beachtung fand. So hat Raschi als
Bearbeiter eines Siddurs, als die im Machsor Vitry hauptsächlich maß-
gebende Autorität, als Kommentator des Piut großen Einfluß auf
die Ausgestaltung des Gottesdienstes geübt. Er hat sich auch als
Dichter versucht, hat allerdings nur Selichas verfaßt, deren Cirundzug
tiefe Wehmut und bittere Klage sind. Zwei Introduktionen von ihm
s-^ribjn sni: ns^nsn inrx n und innc: 3ii: ts« sind in Germ, all-
gemein üblich, eine andere T'Q'ipb r^^Lr. findet nur in der „Altneuschur'
in Prag Verwendung. Der Inhalt der Selichas ist aus Targum und
Midrasch entlehnt, der Stil ist einfach und klar; ein Dichter von be-
sonderer Kraft ist Raschi nicht gewesen, aber sein gesunder Instinkt
hielt ihn von Künsteleien und Geschmacklosigkeiten zurück. In seinem
ganzen Kreise, in der durch ihn begründeten Schule war es allgemein üb-
lich, daß die berühmten Lehrer des Talmuds auch die synagogale
Poesie zu bereichern versuchten, fast alle Koryphäen der Tosafisten-
schulen sind auch als Dichter aufgetreten, ohne besonderen Ruhm
auf diesem Gebiete zu ernten. Am bekanntesten noch ist Raschis
Enkel, Jakob Tam, geworden, dessen aramäische Haftaraintroduktion
sjrs 2"^::'' in Germ, bis heute vielfach gebräuchlich ist.
10. Eine größere Anzahl von Paitanim wurde in Deutschland
durch die Schrecken, die dem ersten Kreuzzuge vorangingen, zum
Dichten angeregt, sie geben die verzweifelte Stimmung wieder, in
die die Juden am Rhein durch den plötzlichen, unerwarteten Aus-
bruch der Volksleidenschaft gegen sie versetzt wurden. Der älteste
Verfasser von Elegien, die den ersten Kreuzzug behandeln, war M e -
n a c h e m b. M a c h i r in Regensburg, ein Freund und Korre-
spondent Raschis. Von ihm rührt die Kina ^-"rs bns her, die in Germ,
am 9. Ab zum Vortrag: kommt und ffanz alkemein die Leiden des
336 Geschichte des Gottesdienstes
Jahres 1096 schildert. Sie ist '^zr ^2^2 2''--- 2n:r ^D:b5 gezeichnet,
der Verfasser Avill durch das Beiwort seine gedrückte Stimmung kenn- i
zeichnen. Menachem ist ferner Verfasser von Selichas für die Fast-
tage des 17. Tanimus und 13. Adar. Außerdem hat er einzelne Jozer-
stücke für Sabbate geschrieben, zum Teil für solche, die bis dahin noch
gar keine poetischen Kompositionen hatten. Er ist ferner der erste,
der in Deutschland ein poetisches r'QTr: verfaßte, worin sich vielleicht
schon ein Einfluß der spanischen Dichter zu erkennen gibt. Endlich
ist die in Germ, am Sabbat gebräuchliche Hoschana ^"'^■' S'ii« rr"C"riD
n:;iä"> T^SS von ihm. — Ein zweiter Dichter, der die Leiden von
1096 schildert, ist David b. M e s c h u 1 1 a m; er gehörte zu den
Abgesandten der Gemeinde in Speier, die im Jalu-e 1090 von Kaiser
Heinrich IV. das überaus günstige Privileg heimljrachten. Der plötz-
liche Umschwung in der Lage der Gemeinde klingt durch seine Dich-
tung durch. Er ist Verfasser der Selicha "''C'ib "»r" :s« ai~":;i«, die
von der Grausamkeit der Kieuzfahrer berichtet; der Text ist melu'-
fach verstümmelt worden. Dasselbe Thema behandelt K a 1 o n y -
m US b. J e h u d a in Mainz, wie es scheint, ein Sohn jenes Jehuda
b. Kalonymus, der ebenfalls an der Deputation bei Kaiser Heinrich
teilgenommen hatte. Er verfaßte zwei Kinot 2"''C "^rxi iri i'c und
^1^ ""TT ■'-■"as sowie mehrere Selichas, u. a. zrr: 2'p"'' bip blpn rs
und ^^^pr2'c i:iees?, die alle der Klage über den Untergang der rühm- ■
reichen und blühenden Gemeinden am Ehein gewidmet sind. Kalonymus
ist auch sonst als synagogaler Dichter hervorgetreten, er dichtete
zahlreiche Jozer, Ofan und Sulat für Sabbate, besonders
in letzteren hat er ebenfalls die Klage über die tramigen Erlebnisse
seiner Zeit vorgebracht, und seitdem sind die Sulat sehr häufig dazu
benutzt worden, um das Thema der Verfolgungen zu behandeln; die
Sabbate zwischen Pesach- und Wochenfest sind sämtlich mit solchen
versehen. Außerdem hat Kalonymus Sabbatpoesien für besondere
Gelegenheiten, wie Hochzeitswoche, Beschneidung usw., verfaßt. —
Endlich ist unter den Männern, die Elegien über das Jahr 1096 ge-
schrieben haben, Elieserb. Xathan aus Mainz zu nennen. Von
ihm sind die beiden Sulat ^;rrc ^!^:tsS r^nbi« und ^-.nt" :7 ^b ^-S
sowie die Selichas "'Cp "2^17 STibs« und "::s?-''i2r"'b 2TC 'TS, in denen über
den Glaubenszwang geklagt und die Opferwühgkeit der Gemeinden ge-
rühmt wird. Elieser, der ein splten hohes Alter erreicht hat, mußte
am Ende seiner Tage auch noch die Verhetzungen mitansehen, die
Zur Zeit der Kronz-zügc 337
1147 dem zweiten Kreiizzii^^e voraiiffiii^en; er hat auch ilineii ein
Klafjelied «reweiht, die Selielia """^rn rs<"i r-^nnr. rs. Auch sonst hat
er sich um die synagogale Poesie viel gekümmert. Er verfaßte einzelne
Jozer für den Sabbat der IJußwoche und für Familienfeste. Wichtiger
aber war es, daß er die alten Piutini studierte und grundgelehrte
Kommentare dazu schrieb.
11. Die traurigen Ereignisse des Jahres 109(5 wiederholten sich
sehr häufig, wenn auch nicht immer in so erschreckendem Umfange.
In jenen religiös erregten Zeiten, in denen das Volk daran gewöhnt
wurde, in den Juden die Urheber jeglichen Unglücks und jeglicher
Not zu sehen, verging selten ein Jahrzehnt, in dem nicht mehrere Ge-
meinden 0|)fer der Volkswut oder der gewaltsam entfesselten Leiden-
schaften wurden. Der Glaubenstreue, der Hingabe von Gut und Leben
wurde in der synagogalen Dichtung ein Denkmal gesetzt, die zahl-
reichen Poesien, die zum größten Teil nur in denjenigen Gemeinden,
deren Schicksale sie betrafen, zur Verwendung kamen und infolge-
dessen bis in die Neuzeit meistens nur handschriftlich erhalten waren,
blieben häufig die einzigen Zeugen des Heldenmutes, den die jü-
dischen Gemeinden in ihren Leiden bewiesen haben. Jene Zeit hat
eine große Anzahl von Dichtern geweckt, die für die Allgemeinheit
und die Geschichte wenig Bedeutung besitzen, deren Namen vdr daher
hier übergehen dürfen; ihr Verdienst besteht nur darin, daß sie das
Martyrium ihrer Gemeinden verherrlicht haben. Nur ganz wenige,
die ein allgemeineres Interesse beanspruchen dürfen, seien genannt.
Über die Ereignisse des zweiten Kreuzzugs berichteten J o e 1 b.
Isaak ha Levi aus Bonn in "'.r iT^rai sowie sein Landsmann
Ephraim b. Jakob, der selbst die ganze Schreckenszeit mit-
gemacht hat. Seine Dichtungen fallen dadurch auf, daß sie häufig
der Verfolgungen und der Märtyrer gedenken, man merkt es ihnen an,
daß sie in einer von Blut getränkten Umgebung entstanden. Er ist
übrigens der letzte Paitan in Deutscliland, der aramäische Stücke
verfaßt hat. Seine wertvollste Leistung für den Gottesdienst ist sein
umfangreicher Kommentar zum Machsor, nach dem, was davon ver-
öffentlicht ist, ein sehr wichtiges Werk mit Quellenangaben aus der
alten Literatur. Sein Zeitgenosse, der häufig mit ihm verwechselt
wurde, ist Ephraim b. Isaak aus Regensburg, bekannt als
halachischer Schriftsteller. Unter den Dichtern in Frankreich und
Deutscliland hat er die besten Leistungen aufzuweisen; „kurz und
Elhogen, Der jüd. Gottesdienst.
22
338 Geschichte des Gottesdienstes
dennoch klar, anmutig, wenngleich scharf, bedient er sich reiner und
fließender Ausdrücke, deren Schmuck die biblischen und talmudischen
Anspielungen ausmachen". Von seinen Poesien sind nur Selichas
verbreitet worden, so iniin ^D "irns? für den Fasttag des 10. Tebet
und einige ("ipH ynn DSsi ai« und i:n:s« a^ECr 25«) für den Ver-
söhnungstag und die Bußzeit. Jünger als er ist M e n a c h e m b.
Jakob, der 1203 in Worms gestorben ist, er dichtete viele Jozer,
Klagelieder und Selichas, alle mit dem traurigen Inhalt, der jener Zeit
eigentümlich ist. ]N^eben Ephraim ist er der letzte, der über das Thema
der zehn Märtyrer Poesien verfaßt hat. Endlich sei hier aus dem Kreise
der Tosafisten noch M e i r b. B a r u c h aus Rothenburg (gestorben
1293) genannt, der berühmteste Rabbiner in Deutschland, dessen
Einrichtungen und Verhalten für die Ausbildung der gottesdienst-
lichen Bräuche in Deutschland von größtem Einfluß gewesen sind.
Als liturgischer Dichter hat er eine große Anzahl von Poesien verfaßt,
meistens für ernste Tage; davon sei hier nur die Kina TTSn "E'^r "^rs^r
genannt, ein Klagelied über die öffentliche Verbrennung des jüdischen
Schrifttums in Paris im Jahre 1254, die in Germ, in allen Gebetbüchern,
selbst in denen der reformierten Gemeinden, für den 9. Ab Auf-
nahme gefunden hat.
12. Die Zahl der Piutdichter wird im Laufe der Zeit geringer,
auch ihre Kompositionen werden spärlicher; der Gottesdienst war
in seinen hauptsächlichsten Verzweigungen mit Dichtungen reichlich
versehen, die Gemeinden hatten aus dem ihnen vorliegenden Material
ihre Piutim bereits ausgewählt und waren nicht mehr geneigt, zu
wechseln, die alten Lieder gegen neue einzutauschen. Völlig versiegt
ist aber der Quell der synagogalen Poesie auch dann nicht, vereinzelte
Dichter hat es in allen Jahrhunderten gegeben und es fand sich auch
immer eine Gelegenheit bald ernster, bald freudiger Art, die sie zum
Dichten anregte. Einen großen Aufschwung hat die Synagogen-
dichtung dann in einigen Ländern des Orients vom sechzehnten Jahr-
hundert angenommen. Der sepharadische Ritus, der ihnen durch die
Flüchtlinge aus Spanien und Portugal überliefert wurde, entbehrte der
Piutim fast vollständig; so sind den Juden in den Balkanländern,
in Yemen und in Persien eine Anzahl Dichter erstanden, die den
Gottesdienst mit ihren Werken sehr reich ausschmückten, die sich
dabei auch nicht immer an das Hebräische hielten, sondern bisweilen
auch ilirer Landessprache sich bedienten. Dichter von besonderer
I
Spanier 33!»
künstlerischer Bedeutung sind darunter kaum vorhanden, im all-
gemeinen schließen sie sich an die Muster der älteren religiösen Dicli-
tung an, ihre Xachbildungen sind bisweilen ganz wertvoll.
§ 42. Die wichtigsten Paitanim.
III. Spanier.
Literatur: Zuiiz, das.; Landsluith, das.; M. Saciis, Die relij^iöse Poesie
der Juden in Spanien; G. Karpeles, Geschichte der jüdischen Literatur,
Bd. I; Brody und AU)recht, das.
L In Spanien hat sich die synagogale Poesie zur höchsten Blüte
entfaltet, sie hat dort ihren vollkommensten Ausdruck gefunden,
niemals wieder hat sie eine Stufe erreicht, in der eine gleiche Anzahl
religiöser Gesänge von solcher Vollendung in Form und Inhalt ent-
standen wäre. Die Blütezeit der hebräischen Dichtung in Spanien
beginnt nach dem Aufhören der großen Meister im Orient, sie nimmt
auf, was dort begonnen wurde, ,,Als Ostens Söhne keinen Ton mehr
fanden. Da sind des Westens Dichter aufgestanden." Die Dichter,
die in Spanien zwischen 1000 und 1150 wirkten, bezeichnen den Höhe-
punkt der hebräischen Poesie im Mittelalter. Auch die Spanier gingen
vom altorientalischen Piut aus, auch sie knüpften an das Beispiel an,
das ihnen durch Kalir und seine ersten Nachfolger gegeben war, aber
sie sind die einzigen, die sich vollständig von der Art ilirer Vorbilder
befreit haben, die durchaus eigene Wege gehen, die den gesuchten
gelehrten Stil des Piut durch die x\nmut der Poesie, die Weisheit des
Midrasch durch die Eingebungen ihrer Phantasie und ihres Gefühls-
lebens ersetzen. Die Gebetbücher der Juden in Spanien sind die ein-
zigen, die vom alten Piut freigeblieben sind oder ihn durch die weit
vollendeteren Produktionen der Dichter im eigenen Lande verdrängt
haben. Es ist der Einfluß der arabischen Kultur, dem die Blütezeit
der Wissenschaft und Dichtkunst unter den Juden verdankt wird;
der Anregung, die ihnen von den Arabern kam, entnahmen sie das
Streben nach Bildung und Wissenschaft, nach Schönheit und Gleich-
maß der Formen. Die meisten Dichter waren Männer von umfassender
Gelehrsamkeit, von wissenschaftlicher Schulung, belesen in der ge-
samten damals bekannten Literatur, vor allem vertraut mit den
reichhaltigen Werken der arabischen Dichter. Melir als alle äußeren
Bildungsmittel brachte ihre eigene Begabung hinzu, sie waren alle
22*
340 Geschichte des Gottesdienstes
nicht nur religiöse, sondern auch weltliche Dichter, die religiöse Poesie
war nur eines der Stoffgebiete, das sie behandelten, nur eine Seite der
Kunst, die von ihnen geübt wurde; aber gerade das ist es, was sie vor
den Paitanim der anderen Länder auszeichnet, daß sie echte Dichter,
Künstler von wahrem poetischem Genie gewesen sind. Den synagogalen
Dichtern in Spanien ist auch das geraeinsam, daß die Zahl ihrer Dich-
tungen eine selir große ist, jeder einzelne von ihnen hat beinahe ebenso-
viele Poesien verfaßt wie der in anderen Ländern niemals erreichte
Kalir. Ihren Poesien war nicht das günstige Geschick beschieden^
das sie wegen ihres Wertes verdienten, die große Katastrophe, welche
über die Juden Spaniens hereinbrach, hat die Gemeinden und mit
ihnen auch ihre Schätze von Poesie vernichtet; lange Zeit fanden die
Dichtungen der spanischen Meister wenig Beachtung, erst die Gegen-
wart hat von neuem die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt und sie zum
Gegenstand wissenschaftlicher Forschung gemacht. Die meisten
mußten aus Handschriften erst wieder entdeckt werden, andere aus
seltenen Gebetbüchern, die in einzelnen Gemeinden der Provence,
]^ordafrikas und der Türkei sich erhalten haben. Unversehrt, in
der Art, vde die Dichter sie verfaßt haben, sind die Poesien in den
seltensten Fällen überliefert, es ist eine Eigentümlichkeit der Spanier,
daß sie nicht einzelne, zusammenhanglose Stücke, sondern große
Kompositionen verfaßt haben ; den Gemeinden felüte dafür das literar-
historische Verständnis, es machte ihnen nichts aus, den Zusammen-
hang der Stücke zu zerreißen, nach Belieben Poesien fortzulassen oder
auch Dichtungen anderer Meister, die ihnen aus irgendeinem Grunde
geeignet erschienen, dazwischenzusetzen.
Die Poesie fiel auch den Spaniern nicht als eine reife Frucht in
den Schoß, sie haben darum gerungen, an ihrer Vervollkommnung
redlich gearbeitet; der höchsten Vollendung ging eine Periode des
Süchens und Tastens, des Sturmes und Dranges voran. Auch die Spanier
mußten erst lernen, das Gebiet abzugrenzen, die Form zu finden,
die Sprache zu meistern. Die Fortschritte der Poesie gehen mit denen
der wissenschaftlichen Studien Hand in Hand. Die Ergebnisse der
Bibelforschung, die Errungenschaften der Sprachwissenschaft, die
Läuterung der religions-phüosophischen Anschauungen haben der Poesie
neue Bahnen erschlossen, neue Ausdrucksmittel geschaffen. Die beiden
großen Mäzene der spanischen Juden bezeichnen die Marksteine der
Entwicklung auch in der religiösen Poesie: ,,In den Tagen des R.
Joseph ibii Abitur 341
Chisdai, dos r'ürsteii, l)OG:ann(>n die Sänj^or zu zwitsclicrn, in den
Tilgen des K. Samuel ha Xagid liel/xMi sie ilire Stimme erschallen."
Die spanischen Dichter lassen sich in zwei Gruppen teilen; Joseph ibn
Abitur und Isaak ii)n Oajjal sind die bekanntesten Vertreter der ersten
Zeit, welche die Vorstufe bedeutet, Salomo ibn Gabirol bildet den
Übergang zur Zeit der Vollendung, die beiden ibn Esra und Jehuda
ha Levi bezeichnen die Zeit der höchsten Blüte.
2. Joseph b. Isaak ibn Abitur, auch ibn Santas oder
Satanas genannt, aus Merida (^^-"'nis' '2 T5«:"jr p pn^" in rc"'"'
miisia), um 970, ist der erste Vertreter der synagogalen Poesie in
Spanien. Er war ein großer Gelehrter in allen Zweigen der rabbinischen
Literatur, beherrschte auch die arabische Sprache und Bildung aus-
gezeichnet. Als synagogaler Dichter war er derjenige, der in Spanien
die Formen und Gesetze geschaffen hat, nach denen die späteren sich
richteten. Er war der erste, der einen M a a m a d für den Versöhnungs-
tag gedichtet hat, d. h. jene Verbindung von Piut und Selicha, die in
den spanischen Gebetbüchern für alle Zeiten maßgebend geblieben ist.
Es ist sehr wahrscheinlich, daß er den Maamad für sämtliche
Gebete des Versöhnungstages bearbeitet hat; sicher ist, daß ein
solcher für das Musafgebet von ihm sehr verbreitet war. Zu ihm
gehörte die Aboda "ipn^i IS bs« 2"^~'::s, von der nur die Introduktion
^rbima "iiiüia nj^^ns in Seph. erhalten geblieben ist. Auch zu Mincha
und Neda besitzen wir noch Kerobas von ihm. Berühmt geworden
ist seine K e d u s c h a , die in Anlehnung an die Vorstellung des
Midrasch, daß zur selben Zeit wie im Himmel die Keduscha auf Erden
angestimmt mrd, den Wechselgesang zwischen Israel und den himm-
lischen Scharen poetisch ausführt; ,,in ihrer schlagenden, sinnvollen
Kürze verrät sie ein tiefes Nationalgefühl, ein kräftiges, klares, ge-
schichtliches Bewußtsein." Abitur war ein Dichter von großer Pro-
duktivität, mehr als 100 Poesien von ihm sind heute noch bekannt.
Sie geben Kerobas für alle Feste, enthalten Jozer für viele der aus-
gezeichneten Sabbate oder auch für festliche Gelegenheiten, wie die
Hochzeitswoche. Bekannt ist sein Hoschana- Zyklus, der sein:
reichhaltig ist und für die gleichen Gedanken immer neue packende
Wendungen zu finden weiß; der größte Teil davon ist in Seph. noch
heute erhalten. Die Sprache ibn Abiturs ist keineswegs vollendet,
sie ist mitunter noch hart und schwerfällig, sie erinnert an die alten
Paitanim, allem man fühlt doch überall die dichterische Kraft, und
542 Geschichte des Gottesdienstes
Charisi konnte daher mit Recht ihn Abiturs Poesien als anmutig und
wertvoll bezeichnen. Auch darin zeigt er noch den Einfluß des alten
Piutstils, daß er eine Vorliebe für gelelirte Auseinandersetzungen hat,
er benutzt vielfach den Midrasch, aber es ist doch schon bemerkbar,
daß er darin neue Wege besclireitet. Seine Aufmerksamkeit wendet
sich vorzugsweise naturwissenschaftlichen Dingen zu, die Welt mit
dem, was sie füllt, erregt vorzugsweise sein Interesse, und was der
Midrasch über die Naturerscheinungen und die Menge der geschaffenen
Dinge zu erzählen weiß, wird von ihm mit Vorliebe dargestellt. Sein
Stil ist darum plastischer, seine Schilderung lebhafter und interessanter
als die Kalirs.
3. Verwandt mit der Art ibn Abiturs ist die Dichtung I s a a k b.
Jehuda ibnGajjats, der 1089 als Rabbiner der berühmten
Gemeinde Lucena gestorben ist ("""fTa p pn^"" ,ri"nrii p rs«'^:^ p'^^"')-
Als Rabbiner und Talmudgelelirter genoß er ausgezeichnetes Ansehen,
die Halachot für die Festtage, die er bearbeitet hat, sind voll von wert-
vollen Angaben über den Gottesdienst, sie werden auch später selir
häufig benutzt und bilden eine wichtige Quelle für unsere Kenntnis
der Gebete und der Einrichtungen jener frühen Zeit. Isaak b. Jehuda
stammte aus einer Familie mit dichterischer Begabung und hat auf
dem Gebiete der synagogalen Poesie Hervorragendes geleistet. Mose
ibn Esra rühmt von ilim, daß er in manchen Gebieten alle seine Vor-
gänger übertroffen hat. Tatsächlich ist er derjenige unter allen
spanischen Dichtern, der den größten Reichtum an Eigentümlich-
keiten, an Neuheit der Wendungen aufweist. Auch bei ihm ist das
äußere Gewand noch nicht sein- anziehend, seine Sprache ist ebenfalls
noch nicht frei von Härten und Dunkelheiten, die Reime, die er selir
geschickt zu verschlingen weiß, zwingen ihn recht oft zur Anwendung
seltsamer Formen ; er erinnert darin vielfach an Kalir, aber seine ganze
Art bezeichnet doch in der Form, namentlich im Wolillaute der
Verse, einen wesentlichen Fortschritt über den alten Piutfürsten.
Auch darin erinnert er häufig an Kalir, daß der Inhalt seiner Poesien
mit seiner gedrungenen Gedankenfülle rätseUiaft bleibt; aber auch
hier erkennt man sofort die neue Richtung, an die Stelle der Hagada
ist die Wissenschaft getreten, ilir wird nunmehr ein gut Teil des Stoffes
für die Poesien entlehnt. In den Dichtungen ibn Gajjats finden wir
eine Menge von Angaben aus den Gebieten der Anatomie und Physio-
logie, der Psychologie und Astronomie, die Kosmogonie des Buches
Ibn Üajjat 34;j
Jezira und die Pliilosopliic (Um- (I riechen -werden von ihm zu alphabe-
tischen Hymnen und (leheteii bearbeitet. Wenn er z. H. eine Aboda
dichtet, so verweill er lange und gern bei den Wundern der Schöpfung,
die ihm Gelegenheit bieten, wissenschaftliche Bemerkungen und An-
gaben einzuflechten; auch die Geschichte der ersten ilenschheit bis
zum Turmbau zu Babel behandelt er recht ausführlich, weil er auch da
in der Lage ist, seine Phantasie und seiiu» (!elehrsand<eit zu betätigen.
Hingegen widmet er dem Gegenstände seiner Darstellung, wo ihm
der Stoff und die Disposition vorgeschrieben sind und er Eigenes nicht
hinzuzufügen vermag, nur das letzte Drittel der Poesie. Seine poe-
tischen Leistungen, von denen ebenfalls mehr als 120 noch lieute be-
kannt sind, lassen sich in vier Gruppen teilen: in den Maamad des
Sühnefestes, zu dem die erwähnte Aboda gehört, die Selicha der Buße-
zeit, die Piutim für Festtage, Frühgebetpoesien. Die geschilderte
Freude am ,, gelehrten Wust" finden wir nicht in allen seinen Poesien,
hauptsächlich ist der Maamad davon erfüllt, aber auch der schließt
mit einem Gebet, „dessen sich kein alter Prophet hätte zu schämen
brauchen, weder was Stil noch was Gedanken betrifft". Man muß
eben den Dichter Gajjat, der seine Schwächen hat, von dem Beter
unterscheiden, der unübertrefflich ist. Eine einzigartige Schöpfung,
die kein anderer wieder aufzuweisen hat, sind seine Bußlieder für den
ganzen Monat Elul; nicht weniger als zwanzigmal hat er das Them^
für die Frühandachten seiner Gemeinde behandelt und dennoch hat er es
jedesmal verstanden, in neuen Wendungen einen tiefen religiösen Inhalt
zum Ausdruck zu bringen. Gebete um Sündenvergebung, Mahnungen
zu bußfertiger Reue und Rückkelu- zu Gott, Wünsche für die Erhebung
des gebeugten Volkes und seines Heiligtumes kelu-en in allen wieder, stets
in reiner und stimmungsvoller Form. Ibn Gajjats Poesien sind
hauptsächlich in den Gemeinden Xordafrikas verbreitet, besonders in
Tripolis füllen seine Dichtungen den größten Teil des Gebetbuches aus.
4. Neben der ungeheuren Fülle der poetischen Werke der beiden
eben genannten Dichter verschwinden die Leistungen ihrer Zeit-
genossen Bach ja ibnPakuda aus Saragossa und Isaak ben
R e u b e n aus Barcelona; sie sollen dennoch hier kurz erwähnt werden,
jener wegen der tiefen und echten Frömmigkeit, die sich in seinen beiden
Gebeten, der ~t:'p2 und nnsir ausspricht, dieser wegen der Kunst
in der Verwendung biblischer Strophenverse, die er in seinen einst
viel genannten Asharot r.m r'pr r.T'^s« zur Anwendung bringt.
344 Geschichte des Gottesdienstes
5. Bedeutender als alle bisher genannten Dichter ist S a 1 o m o
b. JehudaibnGabirol (bin^ns ps mi-^ ^n-is n^abr) aus Cor-
dova, „ein Dichter, dessen Dichtungen gedankenvoll geweiht sind, ein
Denker, dessen Denken dichterisch verklärt ist". Er war von Begeisterung
für die hebräische Sprache erfüllt und hatte sich von früher Jugend an
das Ziel gesetzt, ihr die alte Anmut und Frische wiederzugeben und
dahin zu arbeiten, daß das Lied der frommen Sänger der Vorzeit
wieder in ihr erschallen könnte. Er ist seinem Vorsatze treu geblieben
und hat durch seine Dichtungen mehr als irgend ein anderer für die
Verbreitung hebräischer Lieder gewirkt. Die religiöse Poesie war für
den schwer geprüften, vom Schicksal hart verfolgten und darum oft
von den trübsten Gedanken erfüllten Sänger eine Zufluchtsstätte,
in der er das Gleichgewicht seiner Seele wiederfand und sich zur reinen
Harmonie eines gläubigen Herzens erhob. Der kühne Zweifler, der
stolze Denker wird zum demütigen Beter. Gabirol hat das ganze
Gebiet der religiösen Lyrik angebaut. Hymnen und Betrachtungen,
Bußlieder und Gebete, Klagegesänge und hoffnungsreiche, sehnsuchts-
volle Zukunftsbilder liegen von ihm in den vielfachsten Wendungen
und Formen vor. ,,Der in ihnen sich fast durchwegs kundgebende
Charakter ist der eines düsteren Ernstes, einer strengen, allen Glanz
und allen blendenden Farbenschmuck von dem Leben schonungslos
abstreifenden Herbe, sowie einer demutsvollen, aus dem tiefsten
Bewußtsein der menschlichen Seele hervorquellenden Hingebung an
Gott. Aber so hart und unerbittlich Gabirol die Nichtigkeit und
Eitelkeit alles Weltwesens richtet, so unermüdlich er in der Mahnung
an die Ohnmacht und Hinfälligkeit alles L'dischen erscheint, das Un-
gewisse und Wandelbare der Lebenslose in unerschöpflichem Wechsel
der Bilder zu zeigen sich bemüht, so edel und wahrhaft erhaben ist
die ungetrübte, lichte Fassung seiner Seele, wo er seinem, von der
Größe Gottes und seiner Herrlichkeit, von der Hoheit und Heiligkeit
dieses größten Gegenstandes menschlichen Denkens und Ahnens
tieferfüllten Innern das Wort leiht, und der edlen Dichtung wunder-
bare Gabe, die ihm in so reichem Maße verliehen worden, wie eine
Opferspende darbringt und das Schönste und Herrlichste, womit sein
Gott ihn gesegnet, durch die Würde dessen, wozu er es verwendet,
adelt und erhöhet." Gabirols Dichtungen, deren Zahl sich auf mehrere
Hundert beläuft, umfassen den ganzen Kreis der Gebete im gesamten
Kalenderjahr. Außer dem Maamad des Sühnfestes und damit zusam-
Salomo ihn (iabirol 345
menliäiigoiuloii iMiuahiuuiijcii luul HuügobottMi bositzen wir von ilmi
Arbeiten für die drei Wallfahrtsfeste, für Purim, (Jhanukka, den
9. AI) und andere l'^asttage; er bereicliertc die Gebete durch Einschal-
tungen in alle Teile dos Jozer uiul dureli licljliclie kl(Mnere Tlcdiclite,
die das Morgengebet eröffnen und selilicÜen. Kein hebräischer Dichter
hat den Ton des Gebets wieder so zu treffen gewußt wie Gabirol.
Das wertvollste Denkmal seiner Poesie, in dem religiöse nationale
und philosophische Dichtung zu einem harmonischen Ganzen vereinigt
erscheinen, ist sein großes Lehrgediciit nsb^a "^ro, die Königskrone,
in dem sich die Weltanschauung seiner Zeit und die Grundgedanken
des Judentums in poetischer Form zusammenfinden. Ein frommer
Aufblick zu Gott leitet das AVerk ein, dessen wundervolle Offen-
barungen im Universum nach seinen Sphären sich zeigt, ,,wie es in
seiner Gliederung aus der Allkraft hervorgeht". Von diesem Höhe-
punkte steigt dann der Dichter zum Menschen hernieder, dessen Seele
als ein Strahl gepriesen wird, den die göttliche Weisheit entzündet.
Wie er früher alle poetische Kraft aufwenden wollte zum Lobe und
Preise der Allmacht, so kann er jetzt der niederbeugenden, demü-
tigenden Züge nicht genug finden, um seinen Mangel der höchsten
Vollkommenheit gegenüber auszusprechen. Mit einem 13ußgebet und
Sündenbekenntnis schließt das merkwürdige Gedicht, eines der selt-
samsten Erzeugnisse der religiösen Gedankendichtungen in der Welt-
literatur.
Ob die Königskrone ursprünglich für die Synagoge bestimmt war,
kann man mit Recht bezweifeln, allein ihr tief religiöser Inhalt hat sie
den Gemeinden als so wertvoll erscheinen lassen, daß sie in sämtliche
Gebetbücher aufgenommen und als Anhang zur Liturgie des Ver-
söhnungstages bestimmt wurde. Genau so ging es mit vielen kleineren
Liedern Gabirols, sie waren vom Verfasser nicht für den Gottesdienst
gedichtet, wurden jedoch als der höchste Ausdruck religiöser Stimmung,
vertrauensvollen Aufblicks zu Gott in die meisten Gebetbücher auf-
genommen. Es gibt keinen Ritus, der nicht eine große Anzahl Gebete
und Gesänge von Gabirol enthielte; seine großen Kompositionen sind
infolgedessen häufig zerstört worden, da nur einzelne Partien aus
ihnen von den Gemeinden übernommen wurden, aber dafür wü'kt in
allen Gemeinden sein Geist fort, übt seine Frömmigkeit noch heute
weitgehendsten Einfluß, lebt überall die Erinnerung an
346 Geschichte des Gottesdienstes
Gabirol, diesen treuen,
gottgeweihten Minnesänger,
diese fromme Nachtigall,
deren Rose Gott gewesen,
dem sie ihre Liebe schluchzte,
den ihr Lobgesang verherrlicht.
Die geschichtliche Bedeutung Gabirols beruht darin, daß er die gottes-
dienstliche Poesie der spanisch-arabischen Juden ihrer Vollendung
entgegengeführt hat. Der Übergang vom Piut zur religiösen Lyrik ist
bei niemand deutlicher zu erkennen als bei Gabirol. In seiner
Jugend hat auch er noch nach der Weise der alten Paitanim gedichtet,
es fehlt auch in seinen Poesien nicht an den schweren Wendungen, an
den harten uud ungewöhnlichen Sprachbildungen, die dem alten Piut
eigentümlich sind. Im Verlaufe seiner Entwicklung hat er sich immer
mehr zu einem klassischen Stüe, zu einem nahezu vollendeten Aus-
druck durchgerungen, sine Lieder erinnern gar häufig an die Schönheit
und Anmut der biblischen Gesänge. Er war der erste, der in die
religiöse Poesie das Kunstmittel der arabischen Dichtung, das Me-
trum, eingeführt hat ; er hat es nicht durchweg in seinen Dich-
tungen angewendet, hat sich niemals durch das Versmaß eine Fessel
auferlegen lassen, er schaltete vollständig frei damit und kehrte lieber
zur alten Form des einfachen Rhythmus ziu^ück, als daß er den Inhalt
oder den Ausdruck seiner Dichtungen ungünstig beeinflussen ließ.
Der Eindruck der Poesie Gabriols war schon bei den Zeitgenossen ein
ungewöhnlich großer. Mose ibn Esra, der nur eine Generation später
gelebt hat, charakterisiert seine Dichtungen wie folgt: .,Gabh-ol war
ein vollendeter Schriftsteller, beredt, in der Dichtkunst das höchste
Ziel erreichend. Er weiß sich der feinsten Wendungen zu bedienen und
ward daher allgemein als Meister des Wortes, Künstler im Vers, be-
trachtet; sein Stü ist geglättet, seine Ausdrücke sind fließend, die Be-
handlung der Stoffe ist anmutig. Aller Augen richteten sich auf ihn
mit Bewunderung, alle späteren bedienten sich des Gepräges, welches
er der Sprache aufgedrückt hatte." Auch Charisi, der ein Jalu'hundert
nach Gabirol geboren und schon mit den Dichtungen der aus-
gezeichnetsten spanischen Sänger vertraut war, ist noch immer des
Lobes voll über die unerreichte Poesie Gabh'ols. „Er hat die höchste
Stufe der Dichtkunst erstiegen. — Der Vorgänger Lied war gegen das
seine nichtig, kein Xachfolger gleich ihm tüchtig. — Seine Schüler
Mose ibn Esra 347
waren die späteren Sänger — seines Dielitergeistes Empfänger —
er blieb der König, erhaben, groß — das Holie Lied ist Salomos."
(3. Ihre höchste Stufe hat die Poesie der jüdischen Sänger Spaniens
in der Generation iiacli Clabirul erreicht, (his Dreigestirn ^lose und Ab-
raham ibn Esra und Jehuda ha Eevi sind die leuchtenden Manien, welche
die Vollendung ankünden. Die Vorgänger hatten den Boden bereitet,
sie hatten um die Form und die Sprache gerungen , insbesondere
Gabirol hatte vorbildliche Dichtungen geschaffen. Auf dem neu-
gewonnenen Boden konnte jetzt der Bau weitergeführt und vollendet
werden. Gewandtheit des Ausdrucks, Anmut der Form, Wohllaut und
Klang zieren von nun an die Poesie. Die Dichter sind zugleich Ver-
treter der höchsten Kultur ihrer Zeit, sie wurzeln fest in der Wissen-
schaft, so daß die talniudisclien und hagadischen Elemente bedeutend,
wenn auch niemals völlig, zurücktreten. Die drei schöpferischen
Geister haben die hebräische Poesie zum ersten Male wieder seit der
Zeit der Psalraisten in ihrer natürlichen Schönheit und erhabenen
Anmut vertreten. Der älteste der drei war Mose ben Jakob ibn Esra
in Granada, der noch 1138 am Leben war (rr^rr ps npji "^n-n r,Z'Q
■^""Jic:"!3). Er war als Dichter in allen Zweigen der Poesie hoch geschätzt,
Charisi feiert ihn als einen der glänzendsten Meister. Ganz besonders
war er als religiöser Dichter von einer seltenen, nur von wenigen er-
reichten Vielseitigkeit. ,,Die Reinheit seiner Sprache, die Gewandtheit,
mit der er den so vielfach vor ihm und von ihm selbst behandelten
Stoffen immer neue Seiten und Wendungen abzugewinnen weiß, die
Eleganz seiner Form, die in den verschlungensten Maßen, in der kunst-
vollsten rhythmischen Anordnung fast immer glücklich und über-
raschend sich gestaltet, der prächtige Ton und Klang seiner Verse ver-
künden einen reich begabten Geist, der mit geübter Meisterschaft
die Kunstmittel handhabt und durch den Gebrauch vervielfältigt''.
Der Einfluß der arabischen Dichter w^ird bei keinem anderen x\utor
so deutlich wie bei Mose, der die Kunstformen der hebräischen Poesie
in der reichsten Mannigfaltigkeit anwendet. Darin liegt freilich auch
ein gew^isser Mangel seiner Dichtungen, oft gewinnt es den Anschein,
als ob die äußere Form für ihn alles bedeute, die Glätte und Zierlich-
keit der Diktion, der geistvolle, fein zugespitzte Ausdruck, die ge-
schickte Einstreuung von Bibelversen scheinen vielfach Hauptziel
und Zweck seiner Dichtungen zu sein, so daß die Wahrheit und Tiefe
der Empfindungen dadurch beeinträchtigt wird. Mose ibn Esra ist
348 Geschichte des Gottesdienstes
der Dichter der höchsten künstlerischen Formvollendung, er hat seine
Gedanken in ganz bestimmten Wendungen ausgedrückt, bei keinem
anderen Sänger kehren Bilder und Redensarten so häufig wieder wie
bei ihm. Seine höchste Kunst entfaltete er auf dem Gebiete der Buß-
lieder, sie scheinen seinem Seelenzustande und seiner Stimmung am
meisten entsprochen zu haben, er hat eine sehr große Zahl Selichas
verfaßt und führte davon den Beinamen ,,der Selichadichter" schlecht-
hin. In der Mahnung zu Reue und Buße, zur Demut und Zerknirschung,
in der Erinnerung an den Tag des Herrn, an die Vergänglichkeit des
Irdischen, an den Tod und das göttliche Strafgericht gipfeln seine
Bußlieder; er hat sich dabei nicht mit allgemeinen Betrachtungen und
Mahnungen für die Gemeinde genug sein lassen, im Mittelpunkte
seiner Lieder steht immer seine eigene Person, es sind die Bekenntnisse
seiner Seele, das Bewußtsein der Nichtigkeit und Eitelkeit des Lebens,
wie es ihm selbst erscheint, die Erhebung zur himmlischen Allmacht,
zu der er sich durchgerungen. Ein neues Element bilden bei Mose ibn
Esra die zahlreichen Betrachtungen der Xatur, die nicht mehr wie
bei den älteren Dichtern an die wenigen Angaben der Hagada gebunden
sind, sondern tief aus dem Herzen des Dichters kommen und verraten,
daß eine neue Zeit angebrochen ist, in der die Dichtung nicht mehr
Anlehnung an alte Muster, sondern das Bekenntnis eines dichterischen
Genies ist.
Mose ibn Esras Poesien, von denen mehr als 200 bekannt sind,
obwohl sein Diwan noch der Veröffentlichung harrt, fanden weithin
Verbreitung, fast kein Ritus ist ganz frei von ihnen geblieben, wenn
auch die meisten nur wenige übernommen haben. Sehr zahlreich sind
seine Dichtungen in den Gebetbüchern der Provence und im Norden
Afrikas vertreten.
7. Alle Vorzüge der Vorgänger vereinigt in sich der berühmteste
unter den spanischen Dichtern der Blütezeit, Jehuda b. Samuel ha
Levi, der Kastilier (:i<"5cr "'2 ■"7- r-Ti^j, 1085 — 1145.
Durch Gedanken glänzt Gabirol
und gefällt zumeist dem Denker,
Ibn Esra glänzt durch Kunst
und behagt weit mehr dem Künstler,
aber beider Eigenschaften
hat .Jehnda ben Hale\'y,
und er ist ein großer Dichter
und ein Liebling aller Menschen.
.Ii'liuda ha Levi 349
Hinter jedoin seiner T-ieder stellt nicht nur eine f^roße dieliteriselie
Begabung, Süiuleni uiieii die lauterste rersönliclikeit, eine selnvärnie-
rische Natur voll glühender Begeisterung und edelster Empfindung.
Rein umlSvalirliatt. soikIit MaUcl
war sein Lied, wie seine' Seele.
Jehuda ha Levi ist ein Mann, den man nicht anders als eine Offen-
barung des religiösen Genies und als die herrlichste J^lüte des jüdischen
Geistes bezeichnen kann. Die religiöse Poesie bildet die Krone seiner
Lyrik. Die ganze Glaubensinnigkeit des jüdischen Kultus, seiner
Propheten und Psalmisten offenbart sich in ihm, er singt den Gott,
den er in sich fühlt, dessen Botschaft er in seiner Seele trägt, dessen
Zeugnis er in der Geschichte seines Volkes erblickt, dessen Walten ihm
die Natur verkündet. Die Nichtigkeit des Erdenlebens wird ihm so
deutlich wie irgendeinem, er ruft zur Demut auf, zur Ergebung in den
unerforsclilichen Willen des Allmächtigen, zur Buße und Keue, die den
Weg anzeigen zur Gottesnähe, dem höchsten Ziele des Menschen.
Seine frommen Gebete mögen inniger, ursprünglicher empfunden sein
als die seiner Vorgänger, aber sie bilden nicht den unterscheidenden
Grundzug der Poesie Jehuda ha Levis. Worin er alle jüdischen Dichter
überragt, das ist die unübertroffene Hingebung an sein Volk, die Liebe
zu seinen Heiligtümern, die Versenkung in seine geschichtliche Größe.
Für ihn ist die Vergangenheit Israels lebendig, er verkehrt mit den
Männern der Vorzeit, er schaut das kräftig pulsierende Leben seines
Stammes, er fühlt dessen Kämpfe mit, er leidet dessen Älartyrium,
ist selig in seinen Hoffnungen ; ihm ,, öffnen sich die Tore der verödeten
Zionsstadt, des Tempels goldene Hallen schließen sich vor des Dichters
Auge auf, und fromme Priester, andächtigen Volkes bunte Scharen
ziehen ein, Opferduft und Levitenlied dringt hernieder, und Jerusalem
ist des Volkes voll, das der Herr zurückgeführt wie Träumende nach
ihrem Heimatlande". Kein Dichter weiß wie Jehuda ha Levi „die Mo-
mente der wunderbaren Vergangenheit herauszufühlen und aus-
zusprechen und sie in den engen Rahmen eines kleinen Liedes zu grup-
pieren; Gegenwart und Vergangenheit verknüpft er mit kunstgeübter
Hand, und den hellen Schimmer einer freudigen Zukunft weiß er auch
über das Nachtstück einer freudelosen Wirklichkeit auszubreiten".
Die ganze Lmigkeit, zu der sich die Sehnsucht nach den Stätten
der ruhmvollen jüdischen Vergangenheit herausbildete, hat Jehuda
350 Geschichte des Gottesdienstes
ha Levi in seinem Zionsliede "ibsiTUn iibn I^Vl ausgesprochen,
dem berühmtesten seiner religiösen Lieder, ,,das noch heute in allen
Synagogen Israels am Trauertage der Zerstörung Jerusalems in feier-
licher Weise erklingt und in die Herzen aller Gläubigen tiefe Erhebung
senkt". Von ihm hat ein hervorragender nichtjüdischer Kritiker be-
hauptet, „die gesamte religiöse Poesie, Milton und Klopstock nicht
ausgenommen, habe nichts aufzuweisen, was man höher steilen könne
als diese Elegie, in der die Sprache all ihren Reichtum und Zauber
freigebig dem erschlossen hat, der nirgends mit Künstlersucht seine
Meisterschaft, sondern mit frommer Hingabe und vergessender Be-
scheidenheit die tiefsten Regungen der Seele bekunden und betätigen
wollte."
l Ob Jehuda ha Levi größere Zyklen von Poesien verfaßt hat,
läßt sich mit Sicherheit nicht mehr sagen; die Zahl seiner Dichtungen
war außerordentlich groß, schon bei seinen Lebzeiten wurden Samm-
lungen mit mehr als 300 religiösen Poesien von ihm angelegt, von
denen ein großer Teil in die Gebetbücher aufgenommen ist. Es gibt
keinen Ritus, der nicht einiges von ihm enthielte, selbst die Karäer
haben es nicht verschmäht, ihre Gebetordnung mit seinen Dichtungen
zu schmücken. Alle Arten der religiösen Poesie hat Jehuda ha Levi
angebaut, für sämtliche Feste, für die ausgezeichneten Sabbate, für
große Gelegenheiten hat er gedichtet, alle Gebetstücke, die dazu ge-
eignet schienen, hat er durch Poesien verherrlicht, die meisten sogar
mehrfach. Er hat auch rein lehrhafte Stoffe behandelt, ist selbst nicht
davor zurückgeschreckt, Gesetzesvorschriften in Verse zu bringen,
aber es gibt kein einziges unter seinen Gedichten, das nicht durch
einen unverkennbaren Vorzug seinen Urheber verrät. Was ihn aus-
zeichnet, ist die Wahrheit und Innigkeit seiner Empfindung, überall
in seinen Poesien finden wir Ebenmaß und besonnene Begrenzung,
nirgends Unnatur und falsches Pathos. Kraft und Schönheit des
Ausdrucks verlassen ihn auch in der höchsten Begeisterung und in der
schmerzlichsten Klage nicht, nirgends begegnet man Gezwungenem,
Hartem, der Versform zuliebe Gesagtem. Es ist, als hätte das sonst
so spröde, unwillige Sprachmaterial ihm alles Kämpfen und Ringen
ersparen wollen, als wäre es dem Dichter entgegengekommen, dem
es nur um den Ausdruck der seine Seele tief bewegenden Empfindung
zu tun ist. Ungesucht stellt sich ihm stets das passende Wort, eine
ausdrucksvolle Bibelstelle zur Verfügung, alles, was sonst das Ver-
Abraluim ibn Esra ;3Ö1
ständnis dor Diclitunfi^on orschwort, Versmaß und Roim, Akrostichon
und Refrain, unter seiner Meisterhand wird es zur edelsten und an-
mutigsten Schönheit gestaltet; auch dem mir l^rmalen wird die
Seele der Dichtung eingehaucht, wie bei einem wahren Kunstwerk
und bei der Xatur wird der Genuß nicht durch Äußerlichkeiten oder
durch Fremdes gestört. So ist in Jehuda ha Levi die alle hebräische
Poesie wieder in vollem Glänze erstanden, von iliiii hörte man zum
erstenmal die Klänge wieder, die einst den Gesängen der Psalmisten
entströmten. ,,Das Lied, das der Levit Jehuda gesungen — ist als
Prachtdiadem um der Gemeinde Haupt geschlungen — als Perlen-
schnur hält es ihren Hals umrungen. — Er, des Sangestempels Säul'
und Schaft — weilend in den Hallen der Wissenschaft — der Gewaltige,
der Liede.^speerschwinger — der die Riesen des Gesanges hingestreckt,
ihr Sieger und Bezwinger. — Seine Lieder nehmen den Weisen den
Dichtermut — fast schwindet vor ihnen Asaphs und Jedutuns Kraft
und Glut — und der Korachiden Gesang — deucht zu lang. — Er
rang in der Dichtkunst Speicher und plünderte die Vorräte — und
entführte die herrlichsten Geräte — er ging hinaus und schloß das
Tor, daß keiner nach ihm es betrete. — ... In der künstlichen Rede
Werke — zeigt sich seiner Sprache Kraft und Stärke. — Mit seinen
Gebeten reißt er die Herzen hin, sie überwindend — ... und in seinen
Klagetönen — läßt er strömen die Wolken der Tränen."
8. Jehuda ha Levi nicht ganz ebenbürtig, aber dennoch ein Dichter
von Bedeutung und vor allem von großem Einfluß auf die Liturgie
war auch Abraham b. Meir ibn Esra aus Toledo (p Ttsr "^nin 2mns
nn77), 1093— U6S. Ibn Esra konnte sich der Dichtkunst nicht so
ausschließlich widmen wie die vor ihm genannten Zeitgenossen, ein
widerwärtiges Schicksal trieb ihn unstet auf der ganzen Erde umher,
er mußte von Ort zu Ort wandern, sich mühen und plagen, um
durch Unterricht und gelehrte Schriften sein Leben notdürftig zu
fristen. Dem rastlosen Wanderer fehlte es an Ruhe und Abgeklärtheit
für das poetische Schaffen, sein Geist eignete sich mehr für die exakten
Studien als für die Eingebungen der Phantasie. Aber das bedeutende
Talent, das in ihm schlummerte, hat auch ihn zu sehr beachtens-
werten Leistungen befähigt. Sein Verdienst besteht vor allem darin,
daß er die Juden in den christlichen Ländern mit den Errungen-
schaften ihrer Glaubensgenossen unter mohammedanischer Herrschaft
bekannt macht; die Kluft zwischen Piut und klassischer Dichtung kam
352 Geschichte des Gottesdienstes
niemand so deutlich zum Bewußtsein und bei keinem Dichter so sehr
zum Ausdruck wie bei ihm. Durch die Pflege und Verbreitung der
klassischen Dichtung ist er ihr Herold und Lehrer in den romanischen
Ländern geworden. Ihm selbst fehlt zum vollendeten Dichter die
warme Innigkeit; der scharfe Verstand herrscht in ihm vor, und
auch seinen Versen merkt man es deutlich an, daß er vor allem auf
den geistreichen Ausdruck, auf überraschende Wendungen und glän-
zenden Witz Wert legt. ,,Das schwungvolle Aufjauchzen eines mächtig
ergriffenen Innern ün begeisterten Hymnus, die erhabene Majestät
einer nach dem Höchsten ringenden und darum auch das Höchste
erreichenden Poesie, dies alles tritt uns in den religiösen Dichtungen
Abraham ibn Esras wenig entgegen". Hingegen legt er sehr viel Sorg-
falt auf die Ordnung und Klarheit der Gedanken, auf die Reinheit der
Form. Die Mängel seiner Begabung sind bei Abraham ibn Esra da-
durch ausgeglichen, daß er sich niemals an größere Dichtungen wagte —
außer der Aboda ist uns keine größere Komposition von ihm be-
kannt. Die 150 religiösen Lieder, die von ihm vorhanden sind, sind
meistens kurze Gedichte zu den einzelnen Gebetstücken, insbesondere
zu r'ct:: ,rinriS .rcii^J. Bei diesen kurzen Poesien aber konnte er
stets ein abgeschlossenes Thema behandeln, einen religiösen oder
philosophischen Satz, eine Lehre der Moral oder eine Episode aus der
nationalen Geschichte; und wenn es auch in den meisten Fällen mehr
Reflexionen, Lehren der Weisheit oder rügende Ermahnungen sind,
so wirken sie doch durch ilu^e fein säuberliche Form, durch die ele-
gante, leicht verständliche Redeweise und durch den W^ert ihres
Inhalts. Die kurzen Gedichte Abraham ibn Esras waren daher recht
beliebt und weithin verbreitet, sie sind zum größten Teile in der Pro-
vence und in Xordafrika zu finden, wie die Werke der anderen
spanischen Dichter, aber sie sind doch auch in ferne und entlegene
Gegenden gedrungen.
In der Zeit der klassischen Dichtung hat es neben den wenigen
hier genannten fülirenden Dichtern auch eine große Anzahl von Poeten
gegeben, die, wenn sie auch nicht an die ersten Namen heranreichen, doch
Bedeutendes geleistet haben und deren Poesien vereinzelt den Gebet-
büchern einverleibt wurden. Es ist das Verdienst der großen spanischen
Dichter, daß sie die synagogale Poesie zur denkbar höchsten Stufe
der Vollkommenheit erhoben haben. Dadurch aber haben sie zugleich
den eigentlichen Abschluß dieser Dichtung herbeigefülu"t, der Gottes-
Das Aiifs( liicihcii von GcbettMi 353
(lii'iisl war mm nMclilidi mit poctiscliom Malciial aiis<j;c'stattel ; Cileicli-
wiMti^'os komiie iliit'ii L(>istunp;cn nicht an die Seite gestellt werden,
die froniincii Km|)liiidiin<fon der (llänl)if(en, die ihrerseits zur Aus-
sfhiniu'kiinü^ ih's (lottosdicnstcs heiziitrafjen wünschten, mußten in
Zukunft in anderer Hichtunj;- Ausdruck und Betätigung suchen.
§ 43. Gebetbücher und Gebetordnungen.
Liti'i-atur: Zmiz, Kitas; JA' Art. Litur^y \'lll, liibir.; I'raycr-Books X,
llTtV.
1. Um einen klaren Einblick in die Geschichte des Gottesdienstes
vom Zeitpunkte der Festsetzung der Stamms;ebete zu gewinnen,
müssen wir uns die Entstehung und Entwickhing der Gebetbücher
und Gebetordnungen klarmachen, die Werkzeuge der Überlieferung
näiier betrachten, Gebete aufzuschreiben war in alter Zeit streng
verpönt. Solange die gesamte Tradition nur mündlich fortgepflanzt
wurde, hat es auch für die Gebete schriftliche Vorlagen nicht gegeben.
Das hatte den Nachteil, daß die Überlieferung sehr unsicher und
schwierig war. Es ist bemerkenswert, daß sie trotz alledem sich immer-
hin ziemlich einheitlich gestalten ließ. ISamentlich, wenn man die
Ausdehnung der jüdischen Diaspora bedenkt, muß man darüber
staunen, wie es m(")glich gewesen ist. jahrhundertelang ohne schrift-
liche Vorlagen auszukommen. Das ist nur zu erklären, wenn dem
Unterricht eine ebenso sorgfältige wie nachhaltige Pflege gewidmet,
wenn durch die Institution des Apostolats stets ein enger Zusammen-
hang zwischen den Gemeinden und den zentralen Behörden aufrecht-
erhalten worden ist. Daß bei dem unvermeidlichen brieflichen Ver-
kehr auch einmal Gebete sclu'iftlich mitgeteilt wurden, ist ebenfalls
nicht völlig ausgeschlossen. Soweit es sich um die Hagada handelte,
wurde das Verbot des Aufschreibens nicht immer streng beachtet,
wir wissen, daß schon frühzeitig Hagadabücher vorhanden waren
und benutzt wurden; so wäre es immerhin möglich, daß auch die Vnr-
beter sich die Freiheit genommen hätten, sclu-iftliche Vorlagen für
iitren eigenen Gebrauch anzufertigen. Zu beachten ist jedoch, daß
in Talmud und Midrasch niemals ein Gebetbuch oder die Aufzeichnung
eines Gebetstückes erwähnt sind; bei allen Irrtümern der Vorbeter,
von denen berichtet wird, ist niemals von der unstatthaften Ver-
wendung eines niedergeschriebenen Gebets die Rede, wird niemals
ein Text zurückgewiesen, weil er nicht aus dem Gedächtnisse vorge-
El bogen. Der jüd. Gottesdienst.
23
354 Geschichte des Gottesdienstes
tragen worden ist. Es ist aber auch zu beachten, daß die Notwendig-
keit, sclu'iftliche Vorlagen zu benutzen, nicht so groß war wie später,
daß die Gebete kürzer und einfacher, daß sie im Wortlaut nicht fest-
gelegt waren. Es kam nur auf die Innehaltung der richtigen Reihen-
folge, auf die Wiedergabe des Gedankenganges an, dessen Ausdruck
die Eulogien waren. Die einzigen Stellen mit vorgesclmebenem
Texte waren die Bibelstellen, und sie waren niedergeschrieben; die
übrigen Gebete konnten beliebig ausgestaltet werden, es w^ar für sie
eine kurze, schlichte Diktion üblich, deren Wendungen sich so eng,
wie es h-gend möglich war, an die Bibel anlehnten. Das war der Vorzug
der mündlichen Überlieferung, daß die Gebete nicht zu festen, unab-
änderlichen Formeln erstarrten, daß sie stets im Flusse blieben, daß
es immer in der Hand der Gemeinde oder ihres Vertreters, des Vor-
beters, lag, so viel Gefühl und fromme Empfindung hineinzulegen,
wie sie wollten. Die Formulierung stellte sich mit der Zeit von selbst
ein. Selbst wenn man berücksichtigt, daß die Kunst des Dichtens
und Extemporierens im Orient viel weiter verbreitet ist als bei uns,
muß man sich doch fragen, woher denn stets und überall die prophe-
tische Ki'aft, die Eingebung immer neuer Ausdrücke und neuer Wen-
dungen für das Gebet strömen sollte. In Palästina konnte man sich
sehr scliwer daran gewöhnen, einen ein für allemal festgelegten Text
für das Gebet zu verwenden; die zahlreichen poetischen Bearbeitungen
der Stammgebete, die man neuerdings gefunden hat, die bald kürzer,
bald länger sind als diese und uns so seltsam anmuten, sind offenbar
nur zu dem Zwecke geschaffen worden, Abwechslung in das Gebet zu
bringen, vor eintönigen Wiederholungen zu schützen.
2. Schließlich muß man einmal dazu übergegangen sein, Ge-
bete aufzuzeichnen, Gebetsammlungen und Gebetord
n u n g e n anzulegen. Die beiden Dinge müssen auseinandergehalten
werden, denn sie gehörten in jenen Zeiten nicht zusammen. Die
Gebetordnungen waren nicht Gebetbücher in unserem Sinne, sie
verzeichneten in den meisten Fällen nur die Bestimmungen über die
Aufeinanderfolge der Gebete und das Verhalten beün Gottesdienste;
die Aufzeichnung der Gebettexte fand man nicht darin, sie war be-
sonderen Vorlagen vorbehalten. Die älteste Schrift, die eingehend
und in systematischer Weise von Gebeten spricht, ist der Traktat
S 0 f r i m , der etwa im 6. Jahrhundert entstanden sein wird, wenn
auch die uns vorliegende Form manchen späteren Zusatz enthält.-
Die ältesten Gebetordnungt.'n, di-r Miiiliag 355
Was wir dort vom Gottesdienste erfahren, wird nnr l)ei (lelof^enlieit
beiläufig nütgeteilt, soweit es zur Ergänzung der Bestimmungen
über die Schriftvorlesung erforderlich ist. Daher ist von den (lebeten
[1er Wochentage und Sabbate bis auf eine einzige ganz unwesentliche
Bemerkung nicht die Rede, nur die Gebete für die festlichen Tage
(Verden herangezogen, aber auch an ihnen wird nicht der allgemeine
Gang des Gottesdienstes beschrieben, vielmehr wird nur der Psalmen, der
besonderen Einschaltungen oder abweichenden Eulogien Erwähnung
^etan, es werden ferner ehiige Regeln mitgeteilt, die sich auf die Art
des Gottesdienstes beziehen. Der Traktat Sofrim ist allerdings keine
Abhandlung über den ganzen Gottesdienst, sein Thema ist die
5 c h r i f t v 0 r l c s u n g , die er sehr eingehend schildert, indem
er von der vorschriftsmäßigen Herstellung der Bibelexemplare ausgeht
und dann das Verfahren bei der Vorlesung bespricht; die zur Schrift-
vorlesung gehörigen Gebete sind die einzigen, die er im Wortlaute
mitteilt, die anderen werden nur nebenher von ihm angeführt. Es
ist bekannt, daß der Traktat Sofrim im großen und ganzen ausschließ-
lich p a 1 ä s t i n i s c h e Gebräuche und Gebetformeln voraussetzt,
wenn auch hie und da babylonische Einflüsse wahrzunehmen sind.
Auch in Babylonien waren, w^as Beachtung verdient, die ersten
schriftlichen Nachrichten, die für den Gottesdienst Verwendung
fanden, die Regeln über die T 0 r a v 0 r 1 e s u n g e n , die von Jehudai auf-
gezeichnet wurden. Demselben Gaon erschien die Benutzung schrift-
licher Vorlagen für Selichot und Kerobot am Versölmungstage als
eine Neuerung s'on zweifelhaftem Werte, die er an anderen Feiertagen
zuzulassen keineswegs geneigt war, geschweige denn daß er die Ver-
wendung von Büchern für den Vortrag der Stammgebete gestattet
hätte.
3. Inzwischen aber war eine neue j\Iacht aufgekommen, die all-
mählich mehr Kraft und Einfluß gewann als die Tradition und die
Stammgebete, die auch zur Entstehung der ersten Gebetordnungen
wesentlich mitgewirkt hat. das war der M i n h a g , der Brauch. Eine
Institution, die sich jahrhundertelang in weit auseinanderliegenden
Gegenden ziemlich frei entwickelt hatte, mußte große Verschieden-
heiten in der Ausführung erfahren; es war ein Zeichen der persönlichen
Teilnahme und des lebhaften Interesses, wenn die Gemeinden sich den
I' itcsdienst nach ihrer Weise ausgestalteten. Feststehende Vor-
Hhriften über das Gebet, verpflichtende Institutionen (ro^n)
23*
356 Geschichte des Gottesdienstes
gab es im Anfange selu* wenig, sie bescliränkten sich auf die geringe
Anzahl von Mitteilungen in der ^Vlischna und im Talmud über die
Ordnung und Aufeinanderfolge der Gebete, allenfalls noch über den
Wortlaut der meisten Eulogien und über die Sclu-iftvorlesung. Von
einer Agende zum Gottesdienste, bindenden Regeln für alle Einzel-
heiten, für den Vortrag der Gebete und die Haltung der Gemeinde
war man sehr, sehr weit entfernt. Es gab alte Traditionen, die von
Geschlecht zu Geschlecht überliefert, aber durchaus nicht als gesetz-
lich verpflichtend betrachtet wurden. Die Mischna weiß von örtlich
bedingten Abweichungen der Sitten und Gebräuche (I3ri:r Z"pi3),
die sie nebeneinander bestehen läßt; im Talmud, wo weit mehr vom
Gebet und Gottesdienst gesprochen wü'd, ist deren Umfang erheblich
größer. Die Tradition über derartige Bräuche war bisweilen im Laufe
der Zeit zweifelhaft geworden, der Brauch wurde so, wie man ihn in
der Gemeinde vorfand, respektiert, und wenn er nur einigermaßen
zu rechtfertigen war, ließ man ihn ruhig hingehen. Der Brauch bezog
sich auf die Form des Gottesdienstes, auf die Anwendung einzelner
Gebete oder Zeremonien, auf die Hinzufügung neuer Zutaten. Im
Laufe der Zeit fidirte die Entwicklung dahin, daß vieles, was lange
Zeit als Brauch bestanden hatte, festeGestalt und verbind-
lichen Charakter annahm. So konnte es kommen, daß, was
an einem Orte auf Grund überlieferter Institutionen eingefülu-t war,
durch einen anderswo zur Halacha erhobenen Brauch verch'ängt wurde,
daß Bräuche alte gesetzliche Einrichtungen beseitigten (birir :^~:^
T]y:ti). Der Minhag konnte sein* verschiedenen Ursprung haben, er
konnte auch ein Mißbrauch sein, und davor mußte die Religion
geschützt werden; als nachahmenswert galt darum nur eiu solclier
Brauch, der von maßgebenden Frommen beobachtet wurde (5r;:'a
■■»pin), wie tatsäclilich Sitten und Bräuche angesehener Männer,
namentlich beliebter Lehrer, eingehend studiert, befolgt und zur Nach-
ahmung empfohlen wurden. Zu den vorgeschriebenen Institutionen
wurden nur die im Talmud festgesetzten Gebete und auch nur die-
jenigen Teile von ihnen gerechnet, die dort wklich erwähnt sind,
was mitunter vom Zufall abhängt,; alle anderen Bestandteile des
Gebets gehörten lediglich zum M i n h a g. Demnach waren nur das
Bekenntnis nebst den zugehörigen Benediktionen, die Tefüla und die
Schrift Vorlesungen an Regeln gebunden, während in den anderen Teilen
der Brauch sich völlig frei und ungebunden entwickeln konnte ; die be-
liedfuluiig des -Minliug 357
doiitoiulon VorscliiodiMilicikMi. die wir hol den Tac-lianiinim. den Psalineii
und ersten BeiiedLl;tiuneii (§§ 10 — 12) kenneu gelernt lialjen, zeigen,
wie sehr die Einrichtungen tatsächlicli auseinandergingen, in den
einzehuMi Ländern hihleten sich abweichende Bräuche, sogar ab-
weichende Texte der Stanimgebete; selbst in den verschiedenen
Gegenden und Gemeinden ein und desselben Landes konnten die
Meinungen und Einrichtungen sehr ungleich sein (oben S. 26G f.).
Je mehr nun die Zerstreuung der Juden zunahm, je mehr Gemeinden
in entlegenen Ländern begründet wurden, desto mehr wurde der
Bildung abweichender Formen Vorschub geleistet. Mitunter kreuzten
sich Einflüsse verschiedenen LTsprungs in einer Gemeinde und führten
eine Mischung von Bräuchen aus mehreren Gegenden herbei, so
dalo spätere Beobachter die Konsequenz vermissen mußten. Die Schick-
sale der Gemeinden waren für die Ausgestaltung des Gottesdienstes
maßgebend. Auch die Bildungsstufe und die Gewohnheiten, Klima
und Kultur, Sitte und Sprache, Vorstellungen und Gebräuche der sie
umgebenden Bevölkerung haben auf die gottesdienstlichen Ein-
richtungen und Bräuche der Juden Einfluß geübt. Das Leben ge-
stattet nicht, daß die Menschen sich hermetisch voneinander ab-
schließen; w"0 mehrere Bevölkerungsschichten nebeneinander wohnen,
üben sie in Sitten und Bräuchen gegenseitig Einfluß aus, es findet ein
ständiges Geben und Nehmen statt, es hängt nur von äußeren Um-
ständen ab, ob das Einheimische eine stärkere oder schwächere An-
ziehungskraft auf das Fremde ausübt. So ist es auch beini Gottes-
dienste gewesen, er ist niemals ganz frei von fremden Eindringlingen
geblieben. „Emanationslelu-e, Astrologie, Gevatter, Reim und Seelen-
messe haben die Juden von Anderen, knchliche Ausdrücke, liturgische
Sitten, z. B. das Hüpfen im Gebete, x\ndere von den Juden erhalten.
Seit einem Jahrtausend hören die Klagen nicht auf über Fremdes, das
bei den Juden sich eingebürgert.'' Die Bräuche wurzelten an einzelnen
Orten fest ein und waren dann nicht mehr zu beseitigen; zumal wenn
beliebte Lelu-er oder Vorbeter hinter ihnen standen, vermochten alle
Bemühungen der größten Autoritäten nicht, sie abzustellen.
So haben sich schon frühzeitig Verschiedenheiten herausgebildet,
[ielbst in benachbarten Orten waren die Gebete und gottesdienstlichen
Ijebräuche nicht immer gleich. Der Verkehr, die Wanderungen von
belehrten brachten es oft mit sich, daß die Gemeinden auf Abwei-
Ihungen ihrer Bräuche vom allgemeinen Herkommen aufmerksam
358 Geschichte des Gottesdienstes
gemacht wurden; wenn sie dann schwankend wurden, wandten sie
sich an die maßgebenden Stellen, um über ihre Zweifel Aufklärung
und Auskunft zu erhalten. Die Geonim wurden von Anfang an mit
zahlreichen Anfi'agen über gottesdienstliche Fragen bestürmt. Sie
hatten häufig zu entscheiden, wenn über den Wortlaut der Gebete
oder die Form des Gottesdienstes Unklarheit heiTschte. Inzwischen
waren in Xordafi'ika und in Europa bis zum äußersten Westen hin
zahlreiche Gemeinden entstanden und sie waren nicht immer sicher
über das, was Überlieferung und Vorschrift forderten. Außerdem
hatten sich Sekten gebildet, die auch den herkömmlichen Gottesdienst
mit ihren Angriffen nicht verschonten, die in ihrem Bestreben, neue
Anhänger zu gewinnen, die Gemeinden aufwülüten und die Berech-
tigung ihrer Tradition vielfach in Frage stellten. Seit der Verbreitung
der karäischen Sekte werden die Anfragen bei den Geonim und ihre
Bescheide über gottesdienstliche Dinge häufiger und ausfülu-licher,
es wird mit größerer Strenge auf der Innehaltung der Überlieferung
bestanden und jede „Abweichung von den Worten der Weisen" nicht
nur als Irrtum, sondern auch als Sünde verwiesen. EiTeicht haben
die Geonim verhältnismäßig wenig, die Gemeinden ließen sich nur
in den seltensten Fällen dazu bestimmen, von ihren Gewohnheiten
abzugehen, die Mitteilungen und Bemühungen der befi'agten Hoch-
schulen haben häufig nur dazu beigetragen, die Abweichungen zu ver-
melu-en und die VerwiiTung zu erhöhen.
4. Der Ungleichmäßigkeit des Gottesdienstes und der Schwierig-
keit, sich darin zurechtzufinden, verdanken die ersten bekannten
G e b e t 0 r d n u n g e n ihre Entstehung. Es ist bezeichnend, daß
sie sämtlich für Gemeinden in fernen Ländern gescluieben wurden.
Es war die Gemeinde in Lusena in Spanien, auf deren Verlangen der
Gaon N a t r 0 n a i b. Hilai in Sura seine Gebetordnung entwarf.
Das Schema, die täglichen Gebete auf die hundert Benediktionen des
R. Meir zurückzuführen (oben S. 7), ist auch in Spanien bekannt ge-
worden, die Gemeinde verlangt zu wissen, was es damit für eine Be-
wandtnis hat (riDin Mi^'a "in rra), und der Gaon richtet seine Ant-
wort dementsprechend ein. Er zählt der Reihe nach die Benediktionen
auf, die man täglich vom Morgen bis zum Abend zu sprechen Gelegen-
heit hat ; er schließt auch die zum öffentlichen Gottesdienste gai* nicht
gehörigen, wie die ersten Benediktionen und das Tischgebet ein. Ent-
sprechend der Anfrage und der Anlage seiner Antwort zählt der Gaön
Arnrams Gebelordnung 359
nur die E u 1 o oj i c ii auf, und auch das tut er nur hei den \voni<i;('r
bekannt(Mi HoiuHliUtiiuKMi, bei so ^roläufim'ii wie dciicii des Aclitzchnf^e-
bets unttMläüt oros. Natronai bognüij;t sirli mit der Atmende in knappster
Form uiul Kassunii;, auf Einzelheiten der Ausfiihrung läßt er sich gar
nicht ein, die ganze Clebetordnung ist nur ein (lerippe und beträgt etwa
vier Dvuckseiten. Natronais Arbeit für den Gottesdienst ist damit
nicht erschöpft, in unzähligen Responsen hat er Gelegenheit genommen,
sich ausführlich über einzelne Fragen zu äußern; er ist einer von den-
jenigen (lelehrten, die am heftigsten gegen die Abweichungen der
Karäer polemisieren, ein Zeichen, daß die Propaganda jener Sekte zur
damaligen Zeit mit besonderer Energie und offenbar nicht ohne Er-
folg betrieben wurde. Wie es in Natronais Zeit mit den Gebetbüchern
stand, ist nicht leicht zu sagen, aber es läßt sich erschließen, daß die
Vorbeter sie damals bereits allgemein benutzten, ohne auf Widerspruch
zu stoßen.
Weit ausführlicher ist die Gebetordnung für das ganze Jahr
(~:d n:t: bc rT^ai r^bzr iic), die Natronais Nachfolger, Am-
ram b. Scheschna, ebenfalls nach Spanien, wie es scheint, nach
Barcelona, geschickt hatte. Sie enthält ausführliche Abhandlungen
über das Gebet, verzeichnet alle Bräuche im Verhalten beim Gottes-
dienste, gibt aber daneben auch den Wortlaut der Gebete. Daß die
uns vorliegende Form von Arnrams Gebetordnung nicht die ursprüng-
liche ist, läßt sich nicht bestreiten. Die Texte der Gebete können, wie
sich aus Vergleichungen mit zuverlässig überlieferten Äußerungen des
Verfassers ergibt, unmöglich in der Gestalt von ihm mitgeteilt worden
sein, die der Druck heute darbietet; die neuerdings bekannt gewordenen
Handschriften des Werkes weichen von der gech'uckten Ausgabe an
zahlreichen Stellen ab, sie enthalten mancherlei nicht, was tatsächlich
zum öffentlichen Gottesdienste nicht gehört, und bieten wiederum
ausführliche Stücke, die man bisher mit Recht vermißt hat. Auch
im Wortlaute der Gebete unterscheiden sich die Überlieferungen viel-
fach. Es ergibt sich daraus mit voller Klarheit, daß der Gebetordnung
Arnrams im Laufe der Zeit solche Texte hinzugefügt wurden, die im
Lande des betreffenden Abschreibers gebräuchlich waren; es ist ganz
offenkundig, daß in der einen Handschrift der Einfluß der spanischen,
in der anderen derjenige der provenzalischen Gemeinden, in einer
dritten Mißbräuche der Kabbala vorwiegen. Es erhebt sich nun die
Frage, ob Arnrams Gebetordnung von Haus aus überhaupt die Texte
360 Geschichte des Gottesdienstes
enthielt, oder ob sie nicht lediglich aus halachischen Anweisungen und
Mitteilungen von Bräuchen bestand, in die nach dem Vorbilde Natro-
nais kurze Angaben der Eulogien eingestreut waren. In den zahl-
reichen Anführungen, die im frühen Mittelalter aus dem Werke ge-
macht werden, findet sich niemals der Wortlaut der Gebete, die Ver-
mutung ist nicht abzuweisen, daß sie ursprünglich gar nicht darin
enthalten waren. Auch der halachische Teil ist nicht unverselu't auf
uns gekommen. Ganz abgesehen von leicht erkennbaren Zusätzen
aus späterer Zeit, muß der Text noch andere Veränderungen erfahren
haben; seine Angaben widersprechen nicht selten gut verbürgten
Aussprüchen Amranis in anderen Quellen oder bringen solche nicht,
die anderweitig überliefert werden. Die Mitteilungen Amrams be-
rufen sich sehr häufig auf Anschauungen seiner Vorgänger und auf
den Brauch der beiden babylonischen Hochschulen sowie des Gottes-
dienstes im Exilarchenhause, bei dem die Überlieferung mit besonderer
Sorgfalt gehütet worden zu sein scheint.
Amrams Gebetordnung war das ganze Mittelalter hindurch eine
der wichtigsten und am meisten benutzten Quellen über den Gottes-
dienst. Der Dl^:? Dl 110 oder "lan^ayr; "no"^, wie man sie nannte, wird
von fast allen maßgebenden Lehrern des Mittelalters, ganz gleich,
in welchem Lande sie wohnten oder lehrten, häufig angeführt. Ja
noch mehr, die wichtigsten Gebetordnungen oder halachischen Schriften
über den Gottesdienst sind geradezu darauf aufgebaut; wo sie es
können, übernehmen sie ganze Partien wörtlich, Anu'am bildet die
Grundlage ihrer Ausführungen, das jüngere oder abweichende Material
wird nur als Zusatz zu ihm wiedergegeben. Unbekümmert darum,
daß der Gottesdienst in der eigenen Heimat inzxNischen eine ganz
andere Gestalt, die Gebete einen anderen Wortlaut angenommen
hatten, wurden dann, wie oben bemerkt, die Texte auch zwischen
die Bestimmungen Amrams eingefügt, es entstanden auf diese Weise
neue und veränderte Auflagen seines TN^ichtigen Werkes. Wenn Amram
tatsächlich Gebettexte mitgeteilt haben sollte, so können es niu- die
Stammgebete gewesen sein. Die sehr zahlreichen Piutim, die zu seiner
Zeit schon weithin verbreitet und anerkannt waren, erwähnt er wohl
mit Namen, aber er gibt ihren Wortlaut nicht an; hingegen hat er
den Selichas, in der Hauptsache dem alten Bestände von Bibelstellen
und Litaneien, Aufnahme gewährt.
Das erste richtige Gebetbuch in unserem Sinne ist die „Samm-
Saadjas Ut-butbucli 36 1
hing der Gebete und Lobgosängc" (nnscrbs" ri«'~3:bs rrs?j) des
CJauns S a a d 3 a b. Joseph. Es ist niclit vollstäncUg crhahen, nur
Bruchstücke sind auf uns gekonunen, die sich allerdings (hirch andere
kh'inere Fragmente ergänzen hissen, so (hiß bis auf den Anfang und
das Ende wahrsclu^inlich nur sehr wenig fehlt. Das Werk ist lux'h
nicht veröffentlicht, es isl niu- aus Zitaten bei Autoren des Mittelalters
und aus knappen Mitteilungen neueren Datums bekannt; über die
Wichtigkeit des Werkes und seine Bedeutung als Quelle für die Ge-
schichte des Gottesdienstes herrscht schon danach allgemeine Über-
einstimmung, Die Veranlassung zur Ausarbeitung seiner Gebet-
ordnung war für Saadja die Beobachtung, daß im Gottesdienste
so viel hinzugefügt, weggelassen und abgekürzt wurde, daß manches
aus dem öffentlichen Gottesdienste verschwunden oder nur noch
in der Privatandacht üblich, anderes bis zur Unkenntlichkeit verändert
worden war. Er führt bereits darüber Klage, daß Gelehrte sich die
Freiheit nähmen, in der Überlieferung nicht begründete Neuerungen
einzuführen, daß die Menge des Xeuen die alten Sitten verdrängte,
und daß infolgedessen die Bräuche selbst in benachbarten Gemeinden
so sehr voneinander abwichen, Saadjas Buch enthält die Stamm-
gebete und zahlreiche poetische Zusätze; er teilt das ganze Werk in
zwei Teile, behandelt zunächst den Gottesdienst der gewöhnlichen
Tage und dann denjenigen der Feste, Außerdem fügt er die Vor-
schriften über den Gottesdienst in arabischer Sprache hinzu, bisweilen
sogar in sehr ausführlichen Abhandlungen; er gibt darin auch Er-
klärungen zu einzelnen Gebeten und geht auf ihre Begründung und
ihre Quellen ein. Saadja war aber nicht nur Sammler und Halacliist,
sondern auch systematischer Theologe; er läßt darum der jMitteiluug
der Gebete auch kürzere oder längere Abhandlungen über den Sinn,
den Inhalt und die Bedeutung des Gottesdienstes, der Gebete und
der dabei üblichen Zeremonien folgen. Der Siddur ist vielleicht erst
nach Saadjas Übersiedlung nach Babylonien verfaßt, aber im Wort-
laut der Gebete und in den Bräuchen, die er mitteilt, ist der Einfluß
seiner ägyiDtischen Heimat überall sehr deutlich zu erkennen, die
Überlieferungen des palästinischen Ritus, der in Ägypten befolgt
wurde, sind bei ilim wiederzufinden; daher kam es auch, daß seine
Vorschriften und einzelne von ihm^empfohlene Gebete bei den baby-
lonischen Geonim lebhaften Widerspruch fanden. Saadjas Gebet-
buch war einst sehr verbreitet, besonders in Äg3"pten, dem Lande,
352 Geschichte des Gottesdienstes
für das es bestimmt war; aber auch in Spanien ^Yurde das Werk der
Beachtung gewürdigt und häufig als maßgebend angeführt, dann
wurde es, wahrscheinlich durch Maimonides, in Yemen bekannt, im
Gebetbuche der dortigen Gemeinden ist sein* vieles daraus wörtlich
übernommen.
Daß berühmte Gelehrte einen Siddur zusammenstellten, scheint
im Orient noch sehr lange Zeit üblich gewesen zu sein. In den meisten
derartigen Werken wurde nur über den Gang des Gottesdienstes im
allgemeinen berichtet, es wurden die für richtig gehaltenen Bräuche
mitgeteilt, vielfach auch erklärt. Unwillkürlich wurden dabei bisweilen
auch einzelne Sätze aus den Gebeten angegeben, zumal solche, die
umstritten waren, aber eine zusammenhängende Wiedergabe der
Gebete war nicht darin enthalten. Die Gebete waren ja nicht ihr Werk,
die Gelehrten hätten sie darum auch nicht unter ilireni Xanien ver-
öffentlicht, andererseits waren die Gemeinden, auf deren Veranlassung
die Gebetordnungen entstanden, mi Besitze der Texte, und es wäre
überflüssig gewesen, sie ihnen zu übersenden. Jene Werke sind sämt-
lich ein Opfer der Zeit geworden; was wir von ihnen wissen, erfahren
wir zumeist aus systematischen Ritualwerken des 11. und 12. Jahr-
hunderts, wie den Halachot des Isaak ibn Gajjat, dem Sefer ha Ittim
des Jehuda al Barzeloni oder dem Esclikol des Abraham b. Isaak
aus Narbonne; iln-e ausführlichen Auszüge aus der alten Literatur
haben die Gemeinden vielfach beeinflußt, zur Aufnahme neuer Bräuche
und neuer Gebetformeln veranlaßt. Eine Vereinigung von Gebettext
und Abhandlungen über den Gottesdienst bietet erst wieder Maünunis
M i s c h n e T 0 r a. In musterhafter Ordnung sind dort zunächst
alle Vorschriften über den Gottesdienst und alle Bräuche zusammen-
gestellt; als Anhang folgt eine Aufzeichnung der Gebete für das ganze
Jahr (niirn bD ribsr "iio), die von den Kopisten später verkürzt
und daher nur in verstümmelter Form auf uns gekommen ist. In
Ägypten, vielleicht auch in Palästina, wurde der Gottesdienst lange
Zeit nach Mahminis Ordnung gehalten, in Yemen wird sie bis zum
heutigen Tage dem Gebetbuche zugrunde gelegt.
In Deutschland und dem nördlichen Franki'eich ist die Entwick-
lung ähnlich gewesen. Wie sein* es in der Hand anerkannter Gelelu-ter
lag, die Gebete und Bräuche zu »verändern, zeigt uns das Beispiel
Isaak ha Levis in Worms, von dessen Neuerungen wir melu'fach
zu berichten hatten; aller Wahrscheinliclikeit nach wurden ihm neue
I
Siddiir Kasein, Machsor \ ilry 363
Quellen über den Gottesdienst bekannt, die ihn zum Eingreifen ver-
anlaßten. Eine GebeturdniiniL? für die beiden Länder hat erst Rasehi
oder seine Schule verfaßt. Raschis Siddur entspricht den Vorgängern
darin, daß er nur die Beschreibung des Gottesdienstes, die Erklärung
der Bräuche bietet, die Texte sind nicht in ihm zu finden. Hingegen
war der Siddur offenbar als Kompendium für das religiöse Leben und
die Festzeiten gedacht, daher werden in ihm die für die Sabbate und
Feiertage geltenden Bestimmungen sehr ausführlich abgehandelt
und dargestellt. Ganz anderer Art wie Raschis Gebetordnung ist das
aus demselben Kreise stammende M a c h s o r des Simcha b. Samuel
aus V i t r y. Es ist nach langer Zeit wieder einmal ein Werk, welches
die Gebetordnung mit dem Texte vereinigt; neben den Regeln, die sehr
häufig wörtlich aus Amram übernommen sind, finden wir die Gebete
mit einer Erklärung ihres Wortlauts, die Schriftvorlesungen nebst
aramäischen Bearbeitungen für die Festtage, darül)cr hinaus ausführ-
liche Beigaben wie die Sprüche der Väter, die Grundzüge des Kalenders,
Vorschriften über Herstellung von Ritualgegenständen usw\ Endlich
aber finden wir dort eine große Anzahl von gleichartigen Poesien ver-
einigt, die nach Gruppen getrennt sind; sie zeigen, daß die Hand-
sclu-iften damals noch mit einem reichen Vorrat von Piutim aus-
gestattet wurden, daß sie die poetischen Beigaben nach der Reihe der
Gebetstücke anordneten, und daß es dem Belieben des Vorbeters über-
lassen war, welche Poesie er im gegebenen Augenblicke gerade zu
verwenden wünschte. Li dem uns erhaltenen Anhange unter dem
Titel 2"''j"'"'En c""jrp befinden sich nur noch poetische Stücke für
Maarib. Jozer und Mschmat, aber es kann kein Zweifel darüber be-
stehen, daß einst die jetzt fehlenden Piutgattungen, vor allem die
Selichas und Kerobot, ebenfalls darin standen.
b. In solcher Reichhaltigkeit waren später die Gebetbücher
nicht mehr angelegt, nur in den besonderen Sammlungen von Poesien
hat man derartige Mengen von Piutim vereinigt, im übrigen aber
wurde es Sitte, nur diejenigen Gebete abzuschreiben, welche die Ge-
meinden nach dem bei ihnen herrschend gewordenen Ritus (:":r)
Nvirklich verwendeten. So entstanden zwei Arten von Gebetbüchern;
entweder wurden nur die Stammgebete abgeschrieben, und zwar
meist für den Privatgebrauch, wobei sie dann bisweilen mit Tber-
setzungen versehen wurden, oder umfangreichere Sammlungen von
Stammgebeten und Piutim hergestellt, die man M a c h s o r nannte.
364 Geschichte des Gottesdienstes
Durch die große Masse der Piutim ist die Verschiedenheit im Brauche
der einzehien Gemeinden und Länder besonders deutlich geworden,
schon im 10. Jahrhundert war die Gruppierung der Festgeljete nicht
mehr überall gleich, von da ab aber gingen die Riten immer weiter
auseinander, weil der Geschmack sich verschieden entwickelte, und
weil die Herrschaft heimischer Dicher und lokaler Bräuche den Gottes-
dienst entscheidend beeinflußte.
In völlig reiner, einheitlicher Überlieferung hat sich nirgends ein
Ritus erhalten. Die Vermischung begann schon damit, daß die von
Babylonien ausgehenden Anordnungen und Gebetbücher vielfach
auf alte palästinische Traditionen stießen und mit ihnen eine Ver-
schmelzung eingingen. Außerdem haben die vielen Wanderungen be-
wirkt, daß die verschiedenartigsten Überlieferungen zusammentrafen
und nebeneinander bestehen blieben. Die Gebetordnungen der ein-
zelnen Länder nahmen verschiedene Gestalt an, je nachdem das eine
oder das andere Element vorherrschte. Am meisten vom palästi-
nischen Ritus haben die Gebetordnungen der Balkanländer bewahrt;
fast sämtliche Psalmen und viele Texte der Stammgebete finden sich
dort wieder. Bereits bedeutend geringere Überreste sind in dem in
Italien üblich gewordenen Ritus bemerkbar, nach Deutschland und
Frankreich konnte verhältnismäßig nur noch wenig von palästinischen
Gebeten gerettet werden. Der babylonische Einfluß ist in der spa-
nischen Gebetordnung fast ausschließlich maßgebend, aber auch dort
waren nicht überall dieselben Gebete üblich, in Toledo z. B. wurden
viele Texte nach palästinischem Brauche verwendet, was wahrschein-
lich auf den Einfluß von Saadjas Siddur zurückgeht. Überhaupt
ist zu beachten, daß die Riten nicht mit wissenschaftlicher Genauig-
keit oder auf Grund von Quellenforschungen künstlich zusammen-
gestellt wurden, sondern daß sie wild wuchsen, sich nach den gerade
vorherrschenden Einflüssen entwickelten, daß die Grenze nicht immer
sorgfältig innegehalten und auch das Überwuchern von Unkraut nicht
immer verhindert werden konnte. Für ihre Ausgestaltung war häufig
in erster Reihe bestimmend, woher die Gründer der Gemeinde und
einzelne Lehrer von Ruf kamen, sowie welche Traditionen sie mit-
brachten und durchzusetzen wünschten.
Doch nicht an den Stamragebeten wurden die Verschiedenheiten
des Gottesdienstes deutlich, sie stimmten in der Anordnung und im
überwiegenden Teile des Textes überein, die Abweichungen waren
Die I\itusgriij)pcii 365
mir i^i'lti'ii und nicht Djorade auffällig; die wirkliclion Diffcron/cn
stellten sieh erst durch di(> Verwendung des Piut ein. Auch der l'iiit
hatte seitu' Schicksale, die alten Diciitungen, besonders Kalirs Kdin-
l)()sitionen waren in alle Länder übertragen worden, die Werke der
einheimischen Dichter hatten sich dann zu ihnen gesellt und sie mehr
oder minder verdrängt. Aber auch beim Piut blieb die Tradition in den
seltensten Fällen einheitlich. Umfangreiche Kompositionen wurden
nicht inmier vollständig beibehalten, vieles darin wurde weggelassen,
sie wurden durch Werke anderer Dichter unterbrochen. Wenn die
Gemeinden neue Dichtungen kennen lernten uiul (lefallen daran
fanden, nahmen sie sie auf, ohne nach ihrer Herkunft zu fragen, die
l'oesien der Spanier fanden überall Eingang. Es trat somit eine Ver-
mischung der Piuthn ein, dennoch aber blieb der Typus einheitlich
erhalten; wie in den Stammgebeten, ergeben sich auch, wenn man den
Piut betrachtet, zwei Gruppe n.
Die in den Stammgebeten verwandten Eiten der Balkanländer,
Italiens, Frankreichs und Deutschlands zeigen auch in bezng auf
den Piut große Ähnlichkeiten. Sie stimmen zunächst in der Art der
Ausstattung der Feste und vieler ausgezeichneter Sabbate mit Jozer
und Keroba überein. Die Xamen der Dichter, denen man in ihnen
l)egegnet, sind häufig dieselben; gewiß sind sie im einzelnen durch
Männer aus ihrer Heimat verschiedenartig mit Poesien ausgeschmückt
worden, aber vorherrschend und charakteristisch bleibt in ihren
Piut im der Xame Kalirs. Die Gleichartigkeit der Entwicklung wird
vor allem bei der Betrachtung des poetischen Materials für einzelne
besondere Tage kenntlich. Am 9. Ab z. B. verwenden die genannten
Gebetordnungen sämtlich die K i n o t Kalks. In den einzelnen
Ländern und den verschiedenen Gemeinden desselben Landes gehen
die Bräuche sehr auseinander, aber die Disposition ist doch überall
dieselbe. Kalirs Trauerzyklus ist am reinsten im römischen Gebet-
buche bewalirt, dort findet man seine Keroba und die zu ihrer Er-
weiterung verfaßten Kinot fast in ihrer ursprünglichen Gestalt; der
romanische Ritus hat schon mein- fremde Einschaltungen auf-
genommen. Der deutsche hat in seinem westlichen Teile eine andere
Keroba Kalirs, im östlichen ist selbst diese weggeblieben, und die
Kinot sind von der Keroba losgelöst, aber auch im deutschen Ritus
ist der Beginn der Kinot, ihre zusanmienhängende, umfangreichste
Gruppe dem Zyklus Kalirs entnommen. Ähnlich steht es mit den
3g6 Geschichte des Gottesdienstes
H 0 s c h a n 0 t , die genannten Länder haben alle entweder aus-
schließlich oder zum größten Teil kaiirisches Material aufgenommen.
Am Versöhnungstage galten in alter Zeit nur die Selichas
und die Sündenbekenntnisse als obligat, die Verwendung einer Keroba
war freigestellt. Die Zeit, in welcher der Piut herrschte, brachte darin
eine Veränderung, Keroba und Hymnen stellten sich neben die Selicha,
diese selbst wurde in poetischer Form bearbeitet, Piutstoff im Selicha-
gewande vorgeführt, jede Tefilla mit einer eigenen Keroba ausgestattet.
Die genannten Länder haben ihren Gottesdienst am Versöhnungstage
in durchaus gleicher Weise ausgestaltet. Jozer und Ofan haben sie
gemeinsam, auch von den Kerobot werden mindestens zwei von
ihnen allen verwendet, wenn auch eine davon in verschiedenen Ge-
beten, Die Übereinstimmungen zwischen Italien und den Balkan-
ländern sind wiederum größer als die mit Deutschland, aber bei allen
Abweichungen merkt man doch, daß die Tendenz dieselbe war und
die Verschiedenheit nur durch die Arbeit der einheimischen Dichter
so groß wurde. Man darf das Urteil auch nicht ausschließlich auf den
heute vorhandenen Bestand gründen; wenn man auf die alten Hand-
sclii'iften zurückgeht, so wird die Übereinstimmung in den Poesien
noch weit klarer. Gemeinsam sind den genannten Ländern ferner
einige Stücke im Musafgebet, so z. B. das bekannte ripn Snirri. Die
Abodapoesien selbst waren verschieden. Es entsprach altem Her-
kommen, daß jedes Land eine eigene Aboda verwendete, aber die
ihnen angehängten Stücke und besonders ihre Fortsetzung durch
Selichas zeigen wieder die außerordentlich nahe Verwandtschaft.
Ganz anders entwickelten sich die Gebete an den drei erwähnten
Tagen im spanischen Ritus; Spanien hatte allerdings ebenfalls keinen
einheitlichen Brauch, man muß zumindest zwischen Katalonien
und Kastilien unterscheiden, aber der Grundzug und der Aufbau
sind doch dieselben. Für den Fasttag des 9. Ab sind in Spanien die
vielen Psalmen imd die allgemein gehaltenen Klagelieder bezeichnend,
von Kalirs so reichhaltigen und ins einzelne gehenden Ivlageliedern
ist dort nichts bekannt, hingegen werden schon die ch*ei Sabbate
vor dem Fasten mit sehr ausführlichen Jozerkompositionen bedacht.
Ebenso weicht die Hoschanaordnung ab, der Aufbau und die poetische
Ausführung sind von den kaiirischen völlig verschieden. Ganz be-
sonders aber wird der Unterschied am Gottesdienste des Versöhnungs-,
tages klar. In den mannigfachen Gebetsammlungen spanischer Her-
Die Hiüisgru|ip('ii 367
kuiilt ist bis aiil die Aboda viTsclnviiidcnd wenig ulU's Material, die
poetische Bearbeitung der Gebete ist durch die berühmten ein-
heimischen Dichter ausgeführt, ihnen ist der Aufbau des Maamad
eigentümlidi, die poetisclie Selicha wird Bestandteil der zur Keroba
gehörigen Dichtungen, während die Selichot im eigentlichen Sinne
mit iliren schlichten althergebrachten Litaneien auf die Tefilla folgen.
Für einen Teil der spanischen (u'bel Ordnungen ist ferner bezeichnend,
daß sie das poetisclie Maaiib nicht kennen, daß sie für die Wall-
fahrtsfcstc und die ausgezeichneten Sabbate weder Jozer noch Keroba
verwenden, daß die aramäischen Bearbeitungen zur Schriftvorlesung
bei ihnen nicht vorkommen; in einem anderen Zweige der spanischen
Gebetordnung wiederum sind auch solche Piutini nicht ganz aus-
geschlossen. Die spanische Gebetordnung gewann sehr großen Ein-
fluß, sie wurde über viele Länder verbreitet, besonders im Norden
Afrikas haben die meisten Gemeinden die Festgebete nach ihrem
Muster ausgestattet, in den westlicheren Teilen, wie Tripolis, Ägypten
war allerdings für die Stammgebete Saadjas Überlieferung maßgebend.
Den Übergang zwischen den beiden Gruppen bildet das südliche
Frankreich. Die Provence stand mit Spanien ebenso in Verbindung
wie mit dem nördlichen Frankreich, in ihren Gemeinden sind daher
zahlreiche Entlehnungen aus beiden Gruppen sowohl in den Stanmi-
gebeten wie auch in den Poesien; die Gelegenheiten für poetische
Einschaltungen sind nach dem Muster des nördlichen Frankreich
gewählt, die Dichtungen hingegen vielfach den Arbeiten der spanischen
Meister entnommen.
Die Abgrenzung der Gebetordnungen war nicht von Anfang an
durchaus streng und unverschiebbar, selbst innerhalb eines Ritus
bestand mehr oder weniger Freiheit, die Zusammensetzung der Ge-
meinden blieb nicht immer gleich, der Geschmack änderte sich. Dazu
kam, daß bis zum Jalire 1150 die Dichter sehr schöpferisch waren,
daß daher häutig neues ]\Iaterial zum Vorschein kam. Die Zahl der
Piutmi und ihr Inhalt stand durchaus nicht fest, es konnte damit
von Zeit zu Zeit gewechselt werden. Bis auf die hohen Feiertage
hatte walirscheinlich in den meisten Fällen überhaupt nur der Vor-
beter eine Sammlimg von Piuiim zu Hand, die Bestimmung über
ihre Verwendung war ihm vollständig überlassen. Besonders die
Auswahl und Anordnung der Selichas war ganz beliebig. Sowohl
die Zahl der Bibelverse wie ihre Abteilung als auch die Einfügung
368 Geschichte des Gottesdienstes
des poetischen Materials beruhten auf Willkür; von den Fasttagen,
an denen Selichas zum Vortrage gelangten, waren nur die wenigsten
fest bestimmt, die meisten wurden durch örtliche Vorgänge, durch
Erinnerungen der Gemeinden ins Leben gerufen, ilu-e Zahl und Be-
achtung wechselte nicht allzu selten. Ebenso wurden die Selichatage
vor den ernsten Tagen nicht in gleicher Weise gehandhabt und ent-
wickelt, in manchen Gegenden wurden wenige Tage dafür verwendet,
in anderen ein ganzer Monat. In Spanien begnügte man sich damit,
gleichmäßig an allen Tagen die alten Litaneien zu wiederholen; in
den anderen Ländern hingegen arbeitete man poetische Stücke dafür
aus, aber deren Zahl und Lihalt hingen von keinerlei festen Regeln
ab, sie konnten in ganz verschiedener Weise aufgenommen werden
und den Ritus beeinflussen. Von derartigen Einzelheiten hing die
Gestaltung der Gebetordnung ab, daher kam es, das jeder große
Ritus in mehrere Unterabteilungen zerfiel.
6. Die Wahrnehmung der zahkeichen Abweichungen, die sich an
allen durch das Herkommen nicht festgelegten Stellen des Gebets
von Gemeinde zu Gemeinde beobachten ließ, hatte ihre Sammlung
und schriftliche Aufzeichnung zur Folge. Es entstand eine neue
Literatur, welche einen Einblick in die Bewegliclikeit einiger Elemente
des Gottesdienstes gewährt, welche gleichzeitig aber zur Befestigung
auch der bis dahin freien Partien beitrug. Li der Besclu-eibung der
abweichenden Bräuche selbst lag zunächst keinerlei Zwang, sie
irgendwo einzuführen oder zu beol3achten, aber schon die Tatsache,
daß so viele Einzelheiten mitgeteilt wurden, zeugt davon, daß man
ihnen eine große Bedeutung beilegte. Spätere Zeiten, die allen Lite-
raturdenkmälern der Vergangenheit einen tiefen Sinn und verbind-
lichen Charakter zuerkannten, zogen die Konsequenz daraus. Tat-
sächlich wurde der Brauch eine M a cht, das Tun der Vor-
falu"en wurde mit der größten Verehrung und Genauigkeit ergründet:
soweit es irgend anging, wurde seine Nachahmung empfohlen. Der
Satz, daß „der Brauch sogar anerkannte Institutionen verdrängt",
die Lehre, ,.den Brauch der Väter nicht zu verlassen, die Übung der
Mutter nicht aufzugeben", werden immer häufiger und immer nach-
drücklicher eingeprägt, die „Bräuche und Ordnungen" oder „der
rechte Brauch" werden nicht nur häufig wiederholte Redensarten,
sondern mit der Zeit das einflußreichste Element im Gottesdienste.
Gute und nachahmenswerte Bräuche werden daher frühzeitig ge-
ÖaininlDügon von Minhagim 369
saininelt. Ob es bcsondors luM-vorranjiMulc und aiif^^-scliciu' Männer
waiLMi, wie der Vorbeter K. Meir in Worms, oder die Bräuche be-
ridiinter, alteingesessener Gemeinden, wie Köln, Mainz und Speyer, —
sie wurden sorglaltig registriert, gesammelt, und den künftigen Ge-
scliloclitern als liichtsclinur empfoiilen. Vorzugsweise wurde diese
Literaturgattung in Deutschland und Frankreich gepflegt. Wichtig
wurde die Sammlung, welche A b r a h a m b. N a t h a n aus
Lunel (■"ni'^n "r: '2 zn^ns«) anlegte. Er war in der Provence geboren,
hatte seine Jugend in der bedeutenden Gemeinde Lunel zugebracht,
war dann später nach dem nördlichen Frankreich und zuletzt nach
Spanien gewandert. Überall hatte er aufmerksam beobachtet, welche
Bräuche beim Gottesdienste befolgt wurden, an den besuchten Lehr-
stätten, an denen er seine Studien pflegte, hatte er wahrscheinlich
auch Genossen aus anderen Ländern getroffen und befragt, und so
konnte er in seinem um 1205 in Toledo verfaßten Buche ab'" S^nria,
gewöhnlich kurz j'^'Z'Q genannt, mitteilen, was er von den Bräuchen
in Nordfrankreich, Westdeutschland, Burgund, Champagne, Provence,
England und Spanien selbst gesehen oder gehört hatte. Auch aus
der Literatur hatte er viel Material herbeigeschafft; wie es scheint,
hat er auch große liturgische Sammlungen, wie das Machsor Vitry,
abgeschrieben und mit Glossen versehen. Seine Arbeit, für den Histo-
riker eine der wert^'ollsten auf diesem Gebiete, fand nicht die genügende
Beachtung und eine nur sehr schlechte Überlieferung; sie wurde viel-
fach gekürzt und durch Einfügung aus den Werken anderer entstellt.
Für Deutschland gewann ]\I e i r von Rothenburg große
Bedeutung, seine Bräuche wurden sorgsam befolgt, von seinen
Schülern aufgezeichnet und weiter überliefert. Er selbst hatte schon
eine Ordnung der B e n e d i k t i o n e n zusammengestellt,
das meiste Material aber ist erst von seinen Schülern in verschiedenen
Werken bearbeitet worden; Simson b. Zadok schrieb im Jahre 1292
das Werk f nrr, dessen genauer Umfang infolge der sehr verschieden-
artigen Überlieferung nicht ganz klar ist, Meir ha Cohen, der Sammler
der nir^iil2 n-:;n, begleitete den von Maimonides gebotenen Text
der Gebete mit Nachrichten über abweichende Bräuche in Deutsch-
end. Auch in den späteren Kompendien, bis zu den Turira hinunter,
wurde ]\Ieir von Rothenburg als Vorbild und Muster benutzt. In
Italien verfaßte Meirs jüngerer Zeitgenosse Z i d k i a b. Abraham
las Ritualwerk "Jpb ^:nc. Die „Ährenlese'' ist zwar ein Kodex des
Elbogen. Der jüd. Gottesdienst. -^
370 Geschichte des Gottesdienstes
gesamten Ritualgesetzes, sie geht aber vom öffentlichen Gottesdienste
aus und berücksichtigt vorwiegend diejenigen Gebiete, welche mit
ihm zusammenhängen. Der Verfasser läßt seine eigene Meinung
zurücktreten, bietet aber dafür sehr ausführliche Zitate aus ihm
vorliegenden älteren Schriften, er sammelt auch die Bräuche, die ihm
zugänglich sind, und hat so sein Werk zu einem außerordentlich
nützlichen und lehn-eichen gemacht. Ähnliche Arbeit leistete am
Anfang des 14. Jahrhunderts Ahron ha Cohen b. Jakob
aus Narbonne. Er war aus seiner Heimat vertrieben worden und ver-
faßte m Majorca sein umfassendes Buch a^in mrns, dessen erster
Teil ausschließlich Fragen des Gottesdienstes behandelt; er bemerkt
ausdrücklich, daß das Werk Männern dienen soll, die, wie er, ilu-er
Heimat gewaltsam entlassen und daher ohne Tradition und ohne
Bücher geblieben sind. Vorzüge seines Werkes sind Methode, Reich-
haltigkeit und wörtliche Anführung der Quellen, unter denen die
wertvollsten Mitteilungen aus den verloren gegangenen Partien des
S. ha Ittim stammen. Das Werk ist später von einem Schemarja
b. S i m c h a für den Gebrauch der Deutschen verkürzt, geändert,
bisweilen mit anderer Reihenfolge der Abschnitte redigiert und unter
dem Titel li bD vom 16. Jahrhundert ab sehr stark verbreitet worden.
Für die spanischen Juden wurde David A b u d r a h a m der
Führer; er verfaßte im Jalu'e 1340 in Sevilla einen Kommentar- zum
Gebetbuch, der wegen seiner Klarheit und Schlichtheit rasch gi'oße
Beliebtheit erlangte, er verband damit aber auch ]\Iitteilungen über
die gottesdienstlichen Gebräuche, die auf diese Weise ebenfalls weite
Verbreitung fanden.
Die bisher genannten iVutoren hal3en hauptsächlich solche Bräuche
beschrieben, die sie aus der eigenen Beobachtung kannten oder
wichtigen älteren Literaturwerken entnahmen. Je melir die selb-
ständige geistige Tätigkeit unter den Juden zurückging, je mehr
das selbständige Denken durch den politischen und sozialen Druck
zurückgedrängt wurde, für desto wichtiger galt die Sammlung der
Überlieferungen der Vergangenheit. Man verlegte sich, da man bessere
und größere Arbeiten zu verfassen nicht die Ruhe und den Mut hatte,
auf derartige Sammlungen, alle Kleinigkeiten und Einzelheiten im
Gebete und in den gottesdienstlichen Bräuchen wurden studiert und
festgelegt, der Übung der Vorfalu'en wurde eine übertriebene Bedeutung
beigemessen. Schon Menachem b. Joseph aus Troyes schrieb 1313 seinen
ÜberschiUz der Minliagiiii ;}7I
'C-i-i-i-i-j ^-ic in (lor ausfjosprnclionoii Absicht, Anweisungen darüber
zu geben, wie die Vorbeter den Gottesdienst nach dem rechten Gebraucli
der Gemeinde Troyes halten sollten, damit sie nicht unwissend und
einsichtslos daständen, nicht wie Narren oder Träumer vor Gott hin-
träten und in ihrem wichtigen Amte schwere Fehler begingen. Es
folgen nun zehn Abschnitte, deren lidialt in keinem Verhältnisse
zu der Wichtigkeit steht, die dem Bucht« in der Vorrede beigelegt wird,
sie l)eziehen sich auf solche Gebete, die nicht festslanden, deren Be-
nutzung bis dahin dem Belieben der Gemeinde überlassen war, wie
die Verwendung und Stellung der Psalmen, der Tachanunim, wie die
Gebete bei der Toravorlesung, die genaue Festsetzung von Sidra und
Haftara sowie endlich die Feststellung von Piut und Selicha. Be-
sonders grassierte nach der Zeit des schwarzen Todes (1348 bis 1349)
in Deutschland und Österreich jene Plage, die mit Recht die Krank-
heit der ]\[ i n h a g i m genannt worden ist. Durch die Zerrüttung
in den Gemeinden waren frühere Einrichtungen, Bestimmungen und
Gewohnheiten in Vergessenheit geraten, man stellte infolgedessen
Forschungen darüber an, deren Gründlichkeit heute mehr als ver-
wunderlich erscheint. Soweit sie sich auf die Herstellung des Zu-
sammenhanges mit der Tradition bezogen, soweit sie dazu dienen
sollten, die \ielfach eingerissene Unordnung und Mißwirtschaft zu
beseitigen, mögen sie ihre Berechtigung gehabt haben. Sie gingen jedoch
weit darüber hinaus und schenkten auch den kleinlichsten Dingen und
unwichtigsten Gewohnheiten eine derart übertriebene Beachtung, daß
das nur als krankhaft und als trauriges Zeichen einer Zeit des Ver-
falles betrachtet werden kann. Die bekannteste Aufzeichnung von
^linhagim ist diejenige, welche unter dem Xamen des R. Jakob
b. M 0 s e s M ö 1 1 i n aus Köln (V'^nnia 1356 bis 1427) verbreitet
ist; die Sammlung, welche von Salman aus St. Goar veranstaltet
ist, enthält auch die Minliagim des R. Schalom aus Wiener Neustadt
und R, Abraham Klausner. Es ist beachtenswert, welche Bedeutung
der Sammler seiner Arbeit und Forsclmng beilegt ; ich habe mir Mühe
gegeben, so schreibt er, und mich befleißigt, genau zu beobachten
welche Sitten und Bräuche der Gottesmann Jakob Möllin befolgte,
auch bei Dingen, die sehr einfach und selbstverständlich erscheinen,,
habe ich mich nicht gescheut, ]\litteilungen aufzunehmen, um dadurch
zu bekunden, daß er sich so zu vei'halten pflegte, denn er war würdig,,
daß man seine Bräuche befolgte, wie er selber Überlieferungen vom
24*
372 Geschichte des Gottesdienstes
berühmten Meistern hatte und mit großer Genauigkeit ihnen nach-
zustreben pflegte. Der Schreiber hält sich zwar für unwürdig, ein
derart bedeutungsvolles Werk zu verfassen, da aber seine Aufzeich-
nungen von anderen ^'ielfach benutzt, gegen seinen Willen verbreitet
und bekannt gemacht worden seien, habe er sich schließlich doch
bereit finden lassen, sie zu veröffentlichen und dadurch einem all-
gemeinen Bedürfnis entgegenzukommen. Das Resultat jenes genauen
Studiums der Minhagim war, daß nunmehr alles, was überhaupt
möglich war, festgelegt wurde, daß jedes Wort genau beachtet, daß
über alle Stellen, an denen Zweifel obwalten konnten, eingehende
Forschungen angestellt wurden; über jeden Jozer, ja sogar über
jede Melodie, die in einer der damaligen großen Gemeinden am Rhein
oder in Österreich oder in der Umgebung eines der berühmten Lehrer
in Gebrauch waren, über jede Handbewegung und jede Verneigung
jener Autoritäten wurde eingehend und sorgfältig berichtet. Der
Fleiß und die Mühe, die wu- auf jene Kleinigkeiten aufgewendet sehen,
hatten ihren Grund in der unnatürlichen Schätzung der Bräuche;
„der Brauch ist die Hauptsache" oder ,,der Brauch unserer Väter
kommt der geoffenbarten Lehre gleich", solche Sätze kann man in
jener Zeit außerordentlich oft wiederholen hören. Das Resultat ist,
daß auch die letzte Bewegungsfreilieit aus dem Gottesdienste ver-
schwindet, daß alle Gebete, alle Sitten und Bräuche literarisch fest-
gelegt werden. Älit der Zeit fanden solche Überlieferungen immer
mein- Beachtung und Anerkennung. Schon im S c h u 1 c h a n
A r u c h bildeten die Mnhagim eine außerordentlich wichtige Quelle
für die Kodifizierung des Ritus, und je melu" Zeit verfloß, desto stärker
wurde die Macht des Brauchs, schließlich kam es dahin, daß jede
Änderung in der Überlieferung der Väter als
streng verboten erklärt wurde. So wurde die Pflege
der Minhagim ein folgenschweres Ül)el ; in ihrer Wirkung bewahrheitete
sich das scharfe Wort eines geistvollen Lehrers des Mittelalters, daß
die übertriebene Pflege der Bräuche für die Gemeinden zur Hölle
werden kann.
7. Besonders verhängnisvoll wurde die Festsetzung aller Einzel-
heiten des Brauches dadurch, daß die Überlieferung der Gebete,
zumal der poetischen Stücke, keineswegs zuverlässig und gut ge-
sichert war. Das konnte auch nicht anders sein, weil die Schicksale
der Gemeinden selbst zu unbeständig waren. Die fortwährenden
M.ingi'l clor handschriftlithen ÜberlieftTung 373
Austreibungen, die Vernichtung großer Gemeinden, die hastige
Flucht, i)ei der häufig nur das nackte Leben und selten der Besitz
an Büchern gerettet werden konnte, die Verstümmelung und die
Verbrennung des jüdischen Schrifttums bewirkten nur allzu oft
die Vernichtung der Gebetbücher und der in ihnen vorhandenen
poetischen Schätze. Das Beispiel, das von der Gemeinde in Worms
berichtet wird, daß dort aus einem Brande nur ein einziges Exemplar
des Gebetbuches, und auch das nur als Bruchstück gerettet werden
konnte, so daß von einem Piut nur noch die Hälfte vorhanden war
und in Zukunft l)enutzt werden konnte, wird sich häufig wiederholt
haben; solche unfreiwillige Verstümmelungen von gottesdienstlichen
Poesien sind nicht allzu selten gewesen. Dazu kamen andere Fehler-
(|uellen, die bei der handschriftlichen Überlieferung ganz natürlich
waren. Die Fehler der Abschreiber spielen dabei verhältnismäßig
die geringste Rolle. Auch daß die Gemeinden häufig Poesien an
anderen Stellen verwendeten, wie die Autoren beabsichtigt hatten,
durfte noch hingehen. Bedenklicher war es bereits, wenn sie will-
kürlich zu lang scheinende Stücke abkürzten; ganze Partien in den
Piutim wurden überschlagen, sie wurden infolgedessen nicht mit
\'okalen versehen und schließlich gar nicht mehr abgeschrieben,
so daß sie vollständig aus den Handschriften ausfielen. Dasselbe
Schicksal erlitten fast regelmäßig die Bibelverse innerhalb der Piutim,
aber auch allzu lange Reime oder gar ganze Stücke aus Keroba-
kompositionen wurden eigenmächtig weggelassen und verschwanden aus
den Gebetbüchern. In den Handschriften der Spanier überschlug man
die Schlußstrophen (5T^3), häufig auch Jozer und Keroba, in denen
der Deutschen ganze Hälften von Neujahrshymnen, so z. B. die in
den Poesien mit '\^'C7 Y'^ gegenübergestellten Strophen mit "jms? I'^'O,
in denen mit Tnbi« nr7"c diejenigen mit C":i< r.rr?2 usf. Nur
in ganz seltenen Fällen wurden solche Stücke ungekürzt beibehalten.
Namentlich die Gebetbücher der Provence hatten das Schicksal,
daß verstümmelte Poesien in ihnen vereinigt wurden, sie sind besonders
reich an derartigen Bruchstücken von ganzen und halben Strophen.
Die Auslassungen in den Handschriften waren zahllos, besonders
bei alphabetischen Aufzählungen oder Litaneien wurden völlig Avill-
kürlich ganze Buchstabenreihen gestrichen, sämtliche Zeilen sind fast
in keinem Ritus erhalten, aber auch die "Weglassungen sind ganz
verschieden, wie es auch umgekehrt vorgekommen ist, daß derartige
374 Geschiclite des Gottesdienstes
Litaneien nach Belieben verlängert wurden, so daß z. B. i:Db^ "i^ins?
bald in 22, bald in 44 Zeilen vorliegt. Die Abkürzungen von Seliclias
werden schon vom 12. Jahrhundert an beklagt, die Teilung der poe-
tischen Einschaltungen, die Vereinigung der Stücke verschiedener
Autoren war bei ihnen noch leichter herzustellen, und es ist auch
von dieser Freiheit sehr häufig Gebrauch gemacht worden. Auch
davor scheute man sich nicht, Zusätze zu Gebeten und Piutim anderer
zu verfassen; mitunter sind aus einer Dichtung einige Strophen ge-
strichen und dafür kritiklos andere fremde mitten hineingesetzt
worden. Der einzige Trost bei all den ungeschichtlichen Verstümme-
lungen und Zerstückelungen der Handscliriften ist der, daß sichtliche
und bewußte Änderungen der Stammgebete nur in äußerst seltenen
Fällen vorkamen.
8, Selir wichtige Änderungen in der Gestaltung der Gebetbücher
traten an der Schwelle der Neuzeit ein. Zunächst wurden sie durch
die Wanderungen und Austreibungen der Juden herbeigeführt, bei
denen naturgemäß meistens die Bücher der Vernichtung anheimfielen.
Die plötzliche Austreibung der Juden aus Spanien hatte zur Folge,
daß die Mitglieder verschiedener Gemeinden sich in einer Synagoge
zum Gebet vereinigen mußten. Es war unmöglich, daß an ihren
neuen Niederlassungen besondere Gottesdienste nach dem Gebrauche
von Saragossa und Sevilla, von Toledo und Barcelona usw. ein-
gerichtet wurden, und selbst in großen Gemeinden wie Konstantinopel
oder Saloniki, wo anfangs die früheren Bewohner einer Stadt sich
zum Gottesdienst nach ihrem Herkommen vereinigten, konnte die
Spaltung nicht dauernd aufrechterhalten werden, mit der Zeit wurde
der Gottesdienst mehr oder minder einheitlich. Unter fast allen aus
Spanien oder Portugal herstammenden Juden wurde das einfache
kurze Gebetbuch von Katalonien eingefülu't, auch überall im Orient,
wohin sepharadische Einwanderer kamen, wurde es herrschend. In
Deutsclüand ging es ähnlich. Es war ganz ausgeschlossen, daß die
nach dem Osten zurückgedrängten Juden die alten Bräuche von
Sachsen und Schwaben, von Böhmen und Österreich und wie die
Unterscheidungen sonst hießen, dauernd beibehielten, auch ihr Ritus
wurde einheitlich, nur ganz wenige große Gemeinden, wie Prag und
Posen, wie Worms und Frankfurt hielten in Einzelheiten ilu'e Sonder-
überlieferungen aufrecht.
Mindestens ebenso starke Eingriffe wie die Auflösung der Ge-
Der EinfluU des Buchdrucks 375
iiu'iiuUMi hatte die Erfindung der Buchdruckerkunst zur Folge. Es
war ganz selhstverständlicii, daß zu den ersten PreLk-rzeugnissen in
liel)räisclier Sjjrachc die Gebetbüclier geiuirtcn, in kurzer Zeit sind
für alle Riten Druckausgaben des Gebetbuchs hergestellt worden.
Der Buchdruck brachte eine große Umwälzung auf diesem Gebiete
mit sich. Nunnu^hr ordneten die Drucker an, was in die Gebet-
sainnüung aurgcnoninieu werden und was fortbleiben sollte. Sie
waren keine Gelehrten und quälten sich auch nicht damit, möglichst
gute Vorlagen für ihre Ausgaben zu beschaffen; der Zufall bestimmte,
was gedruckt wurde, in den meisten Fällen auch die Rücksicht auf
den Absatz. Der Reichtum der Handschriften war für die Drucker
eine unnötige Beschwerung, sie mußten darauf sehen, daß die Bücher
iiandlich und nicht zu teuer waren, und sie bescliränkten daher das
aus den Handschriften zu entnehmende Material, soweit es irgend
möglich schien. Die Mannigfaltigkeit der Bräuche mußte ebenfalls ein-
gestellt werden, da es nicht lohnte, für jeden kleinen Kreis von Inter-
essenten Gebetbücher nach seiner besonderen Überlieferung zu ver-
öffentlichen.
Auch abgesehen von der Willkür, mit der die Drucker verfuhren,
hatte die neue Kunst wichtige Folgen für die Entwicklung des Gottes-
dienstes. Zunächst eine günstige, denn die Tradition wurde nunmehr
eine weit zuverlässigere und gesichertere. Auch die Kenntnis der
hebräischen Sprache konnte mein* gefördert werden, der Unterricht
war erleichtert, das Lesen ohne Schwierigkeiten erlernbar. Jetzt
war auch die Möglichkeit vorhanden, daß jedes Gemeindemitglied
ein Exemplar des Gebetbuches in die Hand bekam; in früheren Zeiten
waren die Handschriften unerschwinglich teuer und sehr selten, die
Gemeindemitgiieder hatten nur an den hohen Feiertagen Gebetbücher
zur Verfügung, nach größeren Verfolgungen verschwanden die vor-
handenen Exemplare meist vollständig. Nunmehr aber waren die
Gebetbücher leichter zu beschaffen, sie verbreiteten sich immer mehr,
fast niemand in der Gemeinde blieb ohne Gebetbuch.
Eine ungünstige "Wh-kung der neuen Vervielfältigung war die Ver-
schärfung der kii-chlichen Zensur über die Bücher. Schon im Mittel-
alter waren gegen einzelne Stellen des Gebetbuchs, wie "rrr und
z^rcb-abl, wiederholt Anklagen vorgebracht worden, die ilu-e Änderung
zur Folge hatten. Nunmehr aber wurde die Aufsicht über die hebräi-
schen Bücher schärfer, die Denunziationen getaufter Juden wurden
376 Geschichte des Gottesdienstes
häufiger, die Inquisition wurde die ,, Zuchtherrin über jüdische Flüche
und Seufzer", auch die Klage über Druck und Verfolgung wurde
„unter Aufsicht gestellt und war doch die einzige Freiheit, deren
Israel sich bewußt geblieben". In den Selichas mußten zu scharfe
Ausdrücke geändert, mitunter ganze Stellen gestrichen werden. An-
fangs wm'den die Lücken durch Z^\ischenräume angedeutet, sclüießlich
aber verschwanden auch sie, „es wurden heimliche Hinrichtungen".
Die Änderungen durch die Zensur arteten bisweilen zu den lächer-
lichsten Ausschreitungen aus, über die es schwer ist zu schreiben,
ohne satyi'isch zu werden. Schließlich änderten die Juden selbst
häufig die Texte, um nicht erst dem kirchlichen Argwohn und den
Strafen zu verfallen.
Eine andere Fehlerquelle war die ^Nachlässigkeit und geringe
Bildung der Drucker und Setzer, der Gebettext verwilderte infolge-
dessen gar sehr. Man begreift es kaum, daß die Eabbiner derartige
Mißstände einreißen ließen, aber sie hatten selbst für die Sorgfalt des
Druckes, für die Korrektheit des Ausdrucks wenig Verständnis, sie
hätten wahrscheinlich auch nur wenig ausrichten können. Die Vor-
beter und Jugendlelu'er, welche das Feld beherrschten, hatten und
verbreiteten eine undeutliche und umichtige Aussprache, ihr böses
Beispiel wurde von den Druckern befolgt. Was halfen alle Wehklagen
von gelelirten und gewissenhaften Herausgebern des Gebetbuches,
wie Schabbatai Sofer aus Lublin (1611), was nützten die kühnen
Änderungen von Spraclikennern, wie Salomo Hanau (um 1710) ! Die
Zeit hörte nicht auf sie, es blieb bei dem alten mißbräuchlichen Ver-
fahren. Das Herkommen heiligte alle Fehler und ^beistände, eine
neue Zeit mußte erst kräftig rütteln, ehe eine Bessenmg eintrat.
Die schlimmste und verhängnisvollste Folge der geschilderten
Entwicklung aber war die Anbetung des Buchstaben. Sie
ging aus frommer Gesinnung hervor, aus dem Bestreben, alles treu
nach Vorschrift zu befolgen, sie war eine Steigerung der alten Krank-
heit der Minhagim und mußte noch verheerender wirken. Gelehrte,
die es nicht verschmähten, sich mit solchen Fragen zu befassen, wußten
ja wohl darüber Bescheid, wieviel Wert sie der neuen Autorität bei-
legen durften, sie waren sich über die vielen Zufälle klar, welche zur
Entstehung der gedruckten Gebetordnung beigetragen hatten. Die
Mehrzahl der Gelehrten aber nahm das Bestehende als berechtigt hin,
und vollends für die große Masse der Unwissenden war das in ihrer
i
Mystik und Goltesclienst 377
Hand boliiKHiflio (Ichcthiicli l)in(li'ii(l(' Vorschrift, von der ahzuvveichen
ilir Todsünde schien. Wanne Teilnahme konnte niemand i'iir einen
derartigen Gottesdienst liegen, das Herkommen nnd die Vorschrift
bedeuteten in ihm alles, die persönliche Andacht trat dahinter zurück.
Die tötliche Wirkung der Buchstabenverehrung hat dem Gottes-
dienste in höchstem Maße geschadet, denn der Geist, der ihn hätte
beleben können, war el)enfalls äußerst ungesund. Die Versuche, der
Buchstabengläubigkeit al)zidiellVn, haben bei dem völligen Mangel
an allgemeiner Bildung, an Zucht und Ordnung, zu derartigen Aus-
schreitungen geführt, daß an der Schwelle der Neuzeit die Form des
Gottesdienstes völlig unhaltbar geworden war.
§ 44. Der Einfluß der Mystik auf den Gottesdienst.
Literatur: Zuiiz, Kitas: Pli, Blocii in MS XXXVII, 1893, S. 18 tf.;
IL, 19C5, S. 129 fit'.; Soliecliter, Studies in Jiulaisin, LS. It!".; II, 148 fT.;
202 tt". JE Art. Cahalu III, 456 ft". ; Chasidism VI, 152 fif.; Prayer X,
160 t^'.
1. „Ein Gebet ohne x\ndacht gleicht einem Körper ohne Seele."
Mit diesem Ausspruche ist die Andacht als das Lebenselement des
Gebets bezeichnet; w^o sie fehlt, verliert es seinen Sinn, wenn es nicht
gar zur Gotteslästerung herabsinkt. Die erste Einrichtung eines
Gottesdienstes ging aus dem Bedürfnis des Gläubigen, sich zu seinem
Schöpfer zu erheben, hervor, auch für jede spätere bewußte Erneuerung
und Veränderung des Gottesdienstes ist vornehmlich das Verlangen
nach Verstärkung und Vertiefung der Andacht maßgebend. Es ist
daher in den Anfängen des Gottesdienstes oder einer bestimmten
gottesdienstlichen Form nicht viel von der Innerlichkeit die Rede;
das Moralische versteht sich da von selbst. Erst wo das Gebet zur
Gewohnheit geworden ist, wo vorgeschriebene Gebete zu festgesetzten
Zeiten eingerichtet werden, stellt sich die Möglichkeit der Veräußer-
lichung ein. Keine religiöse Gemeinschaft kann derartige Veranstal-
tungen entbehren, eine jede sieht sich daher von Zeit zu Zeit von jener
Gefahr bedroht, die das Gebet zur „angelernten Menschensatzung"
und zum bloßen Lip])enwerke macht. Es war die Aufgabe der religiösen
Unterweisung, der Veräußerlichung des Gottesdienstes mit allen
Mitteln entgegenzutreten. Neben der reichhaltigen Literatur, die auf
die Herstellung der äußeren Ordnung hinarbeitet, gibt es ein nicht
minder umfassendes Schrifttum, das sich mit der für den Gottesdienst
378 Geschichte des Gottesdienstes
erforderlichen Gesinnung und Andacht beschäftigt. Fast stets finden
sich beide Forderungen in denselben Scliriften nebeneinander, zum
größten Teil aber ist die Lelu^e von der Verinnerlichung des Gottes-
dienstes gar nicht kodifiziert, nicht zum Gegenstande der Erörterung
in den Schulen gemacht, dafür aber in tausend populären Büchern
betont worden, die in die breitesten Massen eingedrungen und Gemein-
gut geworden sind. Die Mahnungen der Propheten und Psalmisten
gegen jede Veräußerlichung des Gottesdienstes klingen durch das
gesamte rabbinische Schrifttum hindurch, die erste Anforderung an den
Betenden ist überall die der Andacht n5lD. ,, Andacht ist die voll-
ständige, innerliche Hingabe an die Verehrung Gottes, die Verdrängung
aller anderen Gedanken aus Herz und Seele, so daß das gesamte
Innenleben in der einen Vorstellung von Gottes Größe und Güte sich
konzentriert."
2. Neben der Forderung der Andacht, die selbst für nüchterne
und das Intellektuelle nicht ausschließende Religionslehrer eine selbst-
verständliche ist, gehen jene enthusiastischen Bestrebungen einher,
die vermittels des Gottesdienstes eine möglichst hohe Wirkung zu
erzielen wünschen. AUe der Mystik ergebenen Richtungen be-
trachten das Gebet als eines der stärksten und wirkungsvollsten Mttel
zur Herbeiführung des von ihnen ersehnten Zustandes der unmittel-
baren mystischen Vereinigung der menschlichen Seele mit der Gott-
heit. Es hat in der jüdischen Religion an Strömungen von mehr oder
minder deutlich ausgesprochenem mystischen Charakter niemals
gefehlt, sie haben auch sämtlich Einfluß auf den Gottesdienst aus-
geübt, bald in der Weise, daß sie besondere Vorkehrungen zur Hebung
der Andacht veranlaßten, bald und zumeist nach der Richtung hin,
daß sie neue Gebete oder gar neue Arten des Gebets ins Leben riefen,
die von ihren schwärmerischen Ideen erfüllt waren. Der Erfolg ist
den Bestrebungen der Mystiker nicht stets gleich günstig gewesen, es
hat Zeiten gegeben, in denen sie bei den offiziellen Kreisen geringe
oder gar keine Anerkennung fanden, während sie in anderen Epochen
begeisterte Zustimmung erlangten; die Herzen der Massen hingegen,
in denen die tiefe natürliche Sehnsucht des Menschen nach dem Gött-
lichen durch geistige Kultur nicht ausgeglichen ist, haben sie stets im
Fluge gewonnen, darum konnte den von ihnen vertretenen Ideen
der Zugang zur Synagoge niemals dauernd verwehrt werden.
3. Das älteste Beispiel mystisch gerichteter Frommer in nach-
Die .Mystiker der gaoniiisclien Zeil. 379
biblischer Zeit bieten (be Essäer und Tlierapeiiteii, in denen der Geist
inniger Andacht und religiöser Kontemplation mächtig war. Es
ist eine in der Wissenschaft häufig vertretene Meinung, daß die (Iruiul-
formen des jüdischen (lottesdienstes von den Essäern geschaffen
worden sind; zuverlässige Nachrichten darüber gibt es nicht, und die
Wahrscheinlichkeit si)richt dagegen. Nicht zuletzt zeugen die ruhige
Heiterkeit, der von jeder Schwärmerei freie Inhalt der jüdischen
Gebete gegen einen et\Naigen essäischeu Ursprung. >s'icht alle Frommen
sind freilich von jenem Geiste unberührt geblieben, es fehlte auch in
den Reihen der Pharisäer und späteren Habbinen nicht an Betern,
die bei jeder Andacht das innere Erleben der Gottheit erstrebten.
Zu ihnen gehören jene ,, Frommen der alten Zeit" (rpTn ,2'^~^cn
S'^rTCi^-in) , die das Hervorbrechen der ersten Sonnenstrahlen be-
übachteten, um sofort das Bekenntnis zum Einig-Einzigen sprechen
zu können und die erst eine Stunde in andächtiger Vorbereitung, in
frommer Vertiefung zubrachten, bevor sie die Tefilla beteten. Schwärmer
und Begeisterte treten vereinzelt durch das ganze Zeitalter des Talmuds
auf. Seine Lehrer sind durchaus nicht immer die nüchternen Formalisten,
als die man sie kennt, es finden sich unter ihnen zahlreiche Anhänger
der Lelu-e, welche das Gebet von besonderen Vorbereitungen und
begleitenden Bewegungen abhängig macht, damit es die Gottesnähe
vermittle; sie sorgten dafür, daß die Erörterungen und Vorschriften,
welche die äußere Ordnung und Korrektheit des Gottesdienstes zum
Ziele haben, nicht das Übergewicht erreichten.
4. Als geschlossener Ki'eis mit einheitlichen Bestrebungen treten
uns die ]\Iystiker erst in der Zeit nach dem Abschlüsse des Talmuds
entgegen. Als Reaktion gegen die einseitige Beschäftigung mit der
Halacha und die tjberschätzung der das Herz kalt lassenden Studien
entstand die Bewegung der nnDTC •'l^v. Das waren Mystiker, welche
tagelang fasteten, den Kopf zur Erde hängen ließen und dabei allerlei
Hymnen murmelten, um auf diese Weise des Gottes voll zu werden.
Sie nannten das „in die Mcrkaba hinabsteigen"; die Merkaba (nc"^
nnr^i^) ist schon bei den ]\Iischnalehrern die zusammenfassende Be-
zeichnung aller esoterischen Betrachtungen. „Die himmlischen Vor-
gänge, zumal diejenigen, welche sich gleichsam um Gott unmittelbar
abspielen, die Gruppierung der Himmelsscharen nach ihren ver-
schiedenen Rangstufen, besonders die mannigfachen Huldigungen,
wie sie die Ensel dem unsichtbaren Gott darbringen, l)ilden den
380 Geschichte des Gottesdienstes
Gegenstand der Merkaba." Die Gedanken und Bestrebungen jener
^Mystiker sind in der Hechalot-Literatur niedergelegt, in der Be-
sclu*eibung der sieben hiinmlisclien, von Engeln erfüllten Hallen, die
sie in ihrer Verzückung zu sehen und zu durchsclu-eiten glaubten. Den
Inhalt des ältesten auf uns gekommenen Hechalot-Werkes, der mbD'^n
-mn, füllen zum großen Teil K e d u s c h a h y m n e n aus, „eigen-
tümliche Phantasiestücke von längerem oder kürzerem Umfang,'
welche stets auf das „Dreimal heilig" ausklingen. Die Hymnen ent-
belu-en jedes realen Gedankens, sind aber bisweilen von einer glühenden
Phantasie durchströmt und werden von einem übersprudelnden Wort-
schwall getragen." Die Engel, ihr Dienst und ihr Lobgesang vor Gott
spielen dabei die Hauptrolle. Zur Bezeichnung Gottes wird ein selt-
samer geheimnisvoller iS^ame verwendet. Am Schlüsse des Buches
folgen Lieder, die für den höchsten Grad der Verzückung bestimmt
sind, darunter der Hymnus n:ir5?m n"i?n, der in fast alle Gebet-
bücher übergegangen und in jener halbklaren Wortfülle gehalten ist,
die für die Gebete jener Mystiker charakteristisch ist. Der schwär-
merischen Gottesverehrung der Mystiker entspricht die Häufung
gleichbedeutender und gleichklingender Worte, die wenig besagen und
den Gedankenfortschritt nicht fördern; ilu-e überschwenglichen Hymnen
legen sie am liebsten den Engeln in den Mund, .deren sie ganze Scharen
neu einführen und auftreten lassen. Sie unterscheiden sich dadurch
von der nüchternen Frömmigkeit, die aus Bibel, Talmud und den
alten Gebeten bekannt und mehr nach dem Worte der Psalmisten
„Dir ist Schweigen Lobgesang" orientiert ist. Bei dem Eifer, den die
Mystiker für die Verbreitung ihrer Ideen an den Tag legten, ist es
begreiflich, daß sie Einfluß auf die Liturgie gewannen. Selbst in den
Stammgebeten sind Stellen zu finden, deren übersprudelnder Reichtum
an Worten in keinem Verhältnis zum Inhalt steht, in denen, entgegen
der sonst befolgten Gewohnheit, die Engel eine große Rolle spielen.
Am deutlichsten wird das bei der K e d u s c h a , dem Lieblingsgebete
jener Kreise, zu dessen eifriger Pflege und Bekanntmachung sie
glaubten von Gott selbst aufgefordert zu sein, wofür sie hofften dank-
bare Anerkennung zu erlangen. Die Keduscha im Jozer trägt alle
Merkmale ihrer Eigenart und verdankt ihnen ihre Aufnahme in das
tägliche Morgengebet (vgl. S. 66 f.); auch die Mannigfaltigkeit der
Formeln zur Einleitung und Überleitung der Keduscha-Verse in der
Tefilla ist nicht ohne ilu-e Einwirkung entstanden, insbesondere der
Die Mystik in Deiilscliland 3öl
Ciodaiiko der Krone "irD, woU-lic die hiinmlischoti Scharen ^leiclizeitig
mit Israel (Jott veileilien, ist ein echt mystischer. Neben der Keduscha
geliört das K a d d i s c h zu den von den Ekstatikcrn bevorzugten
Gebeten: der Hymnus, welcher auf den Kern des Kaddisch, auf die
Eidogie i?3"i n'cr s«n"' folgt, überdies im Gegensatz zum vorhergehenden
Teil in hebräischer Sprache gehalten ist und keinen Fortschritt der
Gedanken zeigt (nnrir"'i Tinr"» S. 94), dürfte gleichen Ursprung haben.
Eine ähnliche Fülle von gleichliedeutenden Worten finden wir in
Gebeten wie n^::^i rrs? (S. 22) und nnrc^ (S. 86); daß die Zahl der Worte
in beiden Fällen gleichgroß ist, muß ebenfalls auffallen. Auch der
Piut blieb von der Einwirkung jener Mystiker nicht frei, Kalirs Kcdu-
schas mit ihren an die Hechalot erinnernden eingehenden Schilderungen
der Engel sind ein klarer Beweis dafür. Vielleicht ist überhaupt das
durch die Mystiker wachgerufene Verlangen nach Hymnen für die
Ausbreitung des Piut maßgebend gewesen; gewisse häufig wieder-
kehrende Formeln (wie icip: iDm ,i::iir: '\D2i usw.) machen das
sehr Avahrscheinlich.
5. AVie lange die Bewegung der n^ri'c '^i^T' im Vordergrunde ge-
standen hat, ist nicht bekannt, so viel aber steht fest, daß die mystischen
Gedanken weite Volkskreise für sich gewonnen und auf viele Jahr-
hunderte eingewirkt haben. Eine direkte geradlinige Verbindung führt
von der Mystik der gaonäisclien Zeit zu den ähnlichen Bestrebungen,
die in Deutschland von der Mitte des zwölften Jahrhunderts an
große Bedeutung gewonnen haben. Die ,,G e h e i m n i s s e der
Gebete" (nrsrn rmc)^ die damals eine gewaltige Rolle zu spielen
begannen, werden auf einen A h r o n b. S a m u e 1 zurückgeführt ;
er galt ehedem als eine „Erdichtung der Traditionarier", heute wissen
wir, daß er aus Bagdad stammte und etwa um 850 nach Italien ge-
langte, das Land seiner ganzen Ausdehnung nach durchstreifte und
schließlich ebenso geheimnisvoll verschwand, wie er gekommen war.
Sein Lebensbild ist von der Sage derart ausgeschmückt worden, daß
wir die wahren Züge nicht mehr zu erkennen vermögen, aber alle
Berichte schildern ilm als einen ungewöhnlichen Mann, der vermittels
des geheimnisvollen Gottesnamens Wunder ohne Zahl zu wirken ver-
mochte. Man begreift es, daß er als „der Vater aller Mysterien" ver-
ehrt wurde. In den Kreisen der deutschen ]\Iystiker kursierte ein
Stanmibaum der Lehrer der j\Iystik, dessen einzelne Namen fraglos
unrichtig sind ; mit Sicherheit läßt sieh nur das eine daraus schließen,
382 Geschichte des Gottesdienstes
daß die Tradition die Herkunft der Mysterien aus Italien und im
letzten Grunde aus Ahrons dortigem Aufenthalte herleitete. Offenbar
hatten die Kalonymiden (oben S. 326) bei ihrer Übersiedlung die
„Geheünnisse des Gebets" mit sich gebracht und im Schöße der
Familie weiter gepflegt, bis sie durch Samuel und Jehuda „die
Frommen" eine Macht wurden.
Samuel der Fromme ( ipin ü^-iz'-rb-p to vcnn ba^-rr),
1115 in Speier geboren, und sein Sohn Jehuda (i"S l^cnn rrm-^
tT'npn '^iüi^W), 1217 in Regensburg gestorben, sind die Begründer
der Mystik unter den Juden in Deutschland. Die Bewegung war
ebenfalls eine Reaktion gegen das überhandnehmende Talmudstudium,
das damals nach der scharfsinnigen Methode der Tosafisten ausgebildet
wurde. ]^icht daß die beiden Frommen Gegner des Talmuds gewesen
wären, sie waren beide anerkannte Lelu'er der Halacha, ilir Streben ging
nur dahin, die Forderungen des Gemüts zur Geltung, ein tief erfaßtes
Ideal der Frömmigkeit und Sittliclikeit zur Verwirklichung zu bringen.
Beide gingen ihre eigenen Wege, wichen von der Richtung ihrer Zeit
entschieden und bewußt ab. Was uns hier angeht, ist ihre Bewertung des
Gebets und des Gottesdienstes. Wälirend für die Tahnudisten die Fröm-
migkeit sich in erster Reihe in der Erforschung des Gesetzes äußern
mußte, so daß sie die Zeit für das Gebet nach Möglichkeit abkürzten,
betonten die Mystiker, daß das Gebet die höchste Äußerung der Fröm-
migkeit wäre. Sie beruhigten sich jedoch nicht bei der hergebrachten
Art des Gottesdienstes, forderten ^^elmehr jene enthusiastische
Innigkeit der Beziehung zu Gott, die das Gemüt nur in einer von
der Welt abgewandten Kontemplation findet. Das echte Gebet ist
ein Aufsteigen der Seele zu Gott, es kann daher nur in einem Zustande
der Ekstase verrichtet werden. Von dieser Anschauung ausgehend
haben die beiden „Frommen" den tieferen Sinn der Gebete, der
bis dahin ein geheimgehaltenes Erbgut ihrer Familie gewesen, iliren
Zeitgenossen bekannt gegeben. Samuel war bemi Tode seines Vaters
noch jung, dieser übergab daher die „Anordnung der Gebete und ihren
inneren Sinn" (niicm nbsnn iipr) dem Vorbeter Eleasar in Speier,
damit er sie seinem Sohne im reiferen Alter mitteilte; Samuel hat dann
mit seiner reichen Phantasie und seinem tiefen Gemütsleben die Lehre
gepflegt und durch seinen Sohn fortgepflanzt. Worin die Geheimleliren
bestanden, kann man aus den Kommentaren zum Gebetbuch ersehen,
die beide verfaßt haben, die allerdings durch allerlei spätere Über-
Dio Mystik in Dontschland 383
arbeit unooii und Zusätze entstellt worden sind, nieht minder aus
ihren Außerun<i;en über Andacht, die sich im Buche der Frommen und
in den Schriften iines Jüngers Kleasar aus Worms finden. Kür das
Gebet wird die tiefste Innerlichkeit und aufrichtigste Andacht gefordert,
das Verhalten im Gotteshause muß der Heiligkeit des Ortes ent-
sprechen, an dem wir den Herrn der ganzen Erde anbeten. Die Zeit-
genossen liören bittere Worte und scharfen Tadel, weil sie sich nicht
immer eines solchen Verhaltens befleißigen. Man soll nur in derjenigen
Sprache beten, die man versteht; das Gebet erfordert Andacht, die ohne
Verständnis seines Inhalts nicht möglich ist. Die höchsten sittlichen
Anforderungen werden an den Vorbeter gestellt, Sittenreinheit, Demut,
Fneigennützigkeit müssen ihn zieren, er muß allgemein beliebt sein
und darf mit der Gemeinde nicht in Hader liegen. Er muß sein Gebet
verstehen, nicht durch die Schönheit der Stimme glänzen wollen^
sondern der Andacht der Gemeinde dienen, Wahrhaftigkeit und
Ergriffenheit muß der Grundzug seines Gebetes sein; wer nicht Not
leidet, oder wer an Teuerung der Lebensmittel ein Interesse hat, soll
nicht den Vorbeter spielen, wenn bei Dürre um Regen gebetet wird;
wer nicht zu Tränen gerührt ist, soll nicht Selichas vortragen, in denen
der Beter sich als weinend bezeichnet. Der kunstvolle Piut, bei dem
die Verfasser auf das Außenwerk, den „unjüdischen" Reim, den Nach-
druck legen, wird daher verworfen; die Mystilver sind nicht grund-
sätzliche Gegner des Piut, aber sie kennen zu viele Dichtungen, die
ihr Mißfallen erregen. Sie haben selbst religiöse Gesänge verfaßt,
Samuel die Hoschana ns^ns ]iT2n 35? r^innD, von der nur zwei Zeilen
und die zugehörigen Bibelverse am Ende in den Gebetbüchern ver-
bheben sind; Jelmda werden ebenfalls einige Gebete zugesclniebeii,
ohne daß sich Sicheres darüber aussagen läßt. Wie alle Mystiker waren
sie Freunde von Hymnen, einer der ausführlichsten und zugleich er-
habensten im Gebetbuche, der Einheitsgesang ("irTin "iir S. 81), wird
dem Vater, der Schluß, das Lied von der Heniiclikeit Gottes ("l2Dn i'^C),
dem Sohne zugesclmeben. Da die Lehre von der Herrhchkeit Gottes
{'^22) den Mittelpunkt der Theosophie Jehudas bildet, ist an der
Überlieferung nicht zu zweifeln, zumindest aber muß die Dichtung
aus ihrem Jüngerkreise hervorgegangen sein. Andere Hymnen sind
wahrscheinlich verloren gegangen, denn das Buch der Frommen
spricht ausdrücklich von neu verfaßten Gebeten. Die Hauptsache
aber blieb die Erzielung der Andacht beim überlieferten Gebet. Durch
384 Geschichte des Gottesdienstes
die gesamte Mystik geht ein konserv^ativer Zug, sie will die Tradition
nicht beseitigen, sie will sie nur mit jenem Geiste der Frömmigkeit
erfüllen, den sie beim Gebet fordert. Die Mittel zur Erhebung der
Seele in den ekstatischen Zustand sind Anrufungen von Engeln, mit
denen die ganze Welt bevölkert gedacht wd, und mit denen der
Fromme in ständigem Verkehr steht, Verwendung geheimnisvoller
Gottesnamen, künstlicher Alphabete. Die Buchstaben haben ihre
tiefe Bedeutung, in den Gebeten steht keiner zu viel und keiner zu
wenig, mit ihrer Zahl und Anordnung ist ein geheimer Sinn verbunden.
Die Frommen in Deutschland pflegten daher die Zahl der Worte und
Buchstaben in den Benediktionen der Tefilla zu zähle n, sie schärften
auch ein, daß man nicht ein Zeichen hinwegnehmen oder hinzutun
dürfte, da alles in bestimmter Absicht so angeordnet wäre, daß jeder,
der an den ,, hochheiligen" Gebeten Änderungen vornähme, vor Gottes
Richterstuhl Rechenschaft darüber ablegen müßte. Was die Meister
nur angedeutet, hat ihr Jünger Eleasar b. Jehuda in seinem Werke
,,Rokeach" den weitesten Kreisen in breitester Ausfülirlichkeit vor-
getragen; durch ihn ist die Mystik der deutschen Juden populär, die
Kunst, wie man „die Mauer vor dem geistigen Auge entfernte, um
die Gottheit zu schauen", allgemein bekannt geworden. Die Schar
der Schwärmer, die Sehnsucht nach Visionen wuchs. Es fehlte auch
nicht an nüchtern Denkenden, die das gewaltsame Hervorrufen der
Verzückungen tadelten, weil jener Zustand nicht immer erreicht
würde und, selbst wenn es geschähe, die Seele nachher wiederum in
ihren verwirrten Zustand zurücksänke. Gewiß, es lag in
der ganzen Richtung eine krankhafte Überspannung, es felilte der
Zeit an Klarheit und Besonnenheit des Denkens, es mischte sich darum
auch allerhand Aberglauben ein, aber das eine ist nicht zu leugnen,
daß hier ein weit über das Gewöhnliche hinausgehendes Ideal
lauterster und innerlichster Frömmigkeit gelelu-t
wird. Es hat die deutschen Juden lange Zeit beherrscht und iliren
Seelen selbst in den trübseligsten Zeiten eine hohe Schwungkraft ver-
liehen; im Gebet vergaßen sie sich selbst und ihr Unglück, fülilten sie
sich ganz eins mit ihrem Vater im Himmel.
6. Andere Wege als die deutsche Mystik ging die in der Provence
entstandene und hauptsächlich in Spanien ausgebildete K a b b a 1 a;
sie war der Rückschlag gegen den Rationalismus der besonders durch
die Schriften Maimunis verbreiteten aristotelischen Philosophie, gegen
Die spanisclie Kabbala 385
die Vcil'liichligiing des JiulciUiinis in tlicorctisclii' SpekulatioiHMi.
Ihr Interesse war daher zunächst ein theoretisches, die Lehre von der
rnvergleichlichkeit Gottes und (h'r KinMiiation der Sephirot stand
im Vordert^Munde. Die Mainuinislen hatten aber auch durch ihre aUe-
«ijorisdie Aush'o;nni!; des jüdischen Zereinoniaigesetzes Anstoß gi'geben,
und es war natürlich, daß die Gegenströmung seine Bedeutung wieder
stark betonte. Der Ausübung der Zeremonien wurde eine magische
Wirkung zugesprochen, sie trägt zur Erhaltung des Weltalls bei und
wendet der Erde den Segen aus der "Welt der S])liären zu. Ganz be-
sondere Wichtigkeit erhält das Gebet, man muß es nach seiner
tieferen Bedeutung erfassen und sorgfältig nach der Vorschrift ver-
richten, weil das Gebet die Gnadenfülle herbeizieht, die von Gott aus-
geht. Nicht direkt, sondern vermittels der Sphären, der Mensch müßte
sich daher genau nach der Tradition richten, denn nur auf diese Weise
könnte er in rechter Weise auf die höhere Welt einwirken. Es dauerte
nicht lange, bis auch in Spanien die praktische Mystik bekannt und
mit der theoretischen verschmolzen wurde, im Buche S o h a r , das
um 1300 entstand, ist die Vereinigung bereits vollzogen. ]\un werden
alle Mittel zur Erzielung der Ekstase em})fohlen, die wir von den
deutschen Mystikern her kennen. Engelanrufungen, Buchstaben-
verdrehungen, hypnotische Bewegungen, alle Vorkehrungen, die dazu
führen, die menschliche Seele in den Hinmiel zu versetzen und ilir das
Schauen der überirdischen Herrlichkeit zu ermöglichen. Selbstver-
ständlich war es wiederum das Gebet, dem unter den Mitteln zur
Vereinigung der höheren und niederen Welt die erste Stelle eingeräumt
wurde. „Was der zündende Funke für den Brennstoff bedeutet, das
leistet das Gebet für die Erhebung des Menschen zur Welt des Lichtes."
Die Engel als Leiter der Sphären sind zur Aufnahme des echten Gebets
bereit, Sandalfon windet daraus eine Krone für den unendlichen Gott,
Metatron veranlaßt seine Belohnung durch Verleihung des himm-
lischen Segens. Die Anschauung des Sohar von der Bedeutung des
Gebets hat die Würdigung des Gottesdienstes außerordentlich gehoben;
in einer Zeit, in der die Gebildeten dem überlieferten Gottesdienste
gleichgültig, die gi'oßen Massen verständnislos gegenüberstanden, hat
sie ilmi neue Werte beigelegt, eine Art Apotheose geschaffen. Die
phantastischen Gedanken des Sohar haben zahllose, vom Leben nieder-
gebeugte Menschen den Qualen des Diesseits entrückt, die Verzückung
beim herkömmlichen Gebet, bei der Lektüre der vielen kabbalistischen
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. •^0
386 ■ ' 'Geschichte des Gottesdienstes
Hymnen haben ilmen mitten in der Höllenpein ihres Daseins eine
Vorahnung der himmlischen Freuden bereitet. Darüber darf man
freilieh die schweren Schädigungen nicht vergessen, welche die kab-
balistische Theorie der jüdischen Frömmigkeit bereitet hat. Das Gebet
wurde durch sie ein Werkzeug zm' gewaltsamen Herbeiziehung wunder-
barer Wirkungen; die Einführung von Mittlern z^vischen Gott und den
Menschen bedeutete einen der verhängnisvollsten Rückschritte in der
Geschichte der jüdischen Religion, allem Aberglauben wurde durch die
neue Lehre Vorschub geleistet.
7. Man versteht es, daß imter dem Einflüsse der beiden mystischen
Strömungen die Sorgfalt in der Feststellung der Überlieferung des
Gebets so selu* zunahm. Wenn wirklich von jedem Worte und jedem
Buchstaben, von jeder Bewegung und jeder Wendung so unüberseh-
bare Wirkungen abhingen, so mußte in der genauesten und peinlichsten
Weise die korrekte Überlieferung und die rechte Art des Gebets er-
forscht imd gelehrt werden. Daß die Bräuche trotzdem in zahlreichen
Punkten voneinander abwichen, hätte in emer Zeit gesunden Denkens
und starken Geisteslebens zur Erschütterung jener Lelu^en füliren
müssen, solchen Erwägungen aber war jene Epoche des Niederganges
weniger zugänglich als je eine. Die Unsicherheit des Lebens, die Un-
gewißheit, welche Sorgen und Gefahren schon der nächste Tag bringen
konnte, machten eine Erhebung des Gemütes, wie sie durch die
frommen Übungen der Kabbalisten gegeben waren, selir erwünscht.
Je melu- das geistige Leben zurückging, je befestigter die Stellung des
Sohar als eines „heiligen Buches" wurde, desto größeren Einfluß
gewannen seine Lehren auf das Leben. Einen besonders günstigen
Boden fand er nach der Vertreibung der Juden aus Spanien im Heiligen
Lande, in der neugebüdeten jüdischen Gemeinde in Safed. Selten hat
der Zufall auf engem Räume so viele begeisterte und begabte Anhänger
einer Lehre vereinigt, wie damals im kabbalistischen Kreise von Safed.
Die ganze Luft war von mystischen Gedanken getränkt, ein großer
Kreis bereit, die aus ihnen sich ergebenden praktischen Forderungen
zu erfüllen. Es war eine Stadt der ,,Heüigen und Männer der Tat",
geführt von hochangesehenen Tabnudisten wie David ibn Simra imd
Joseph Karo, von beliebten Predigern wie dem „heiligen" Moses
Alscheich und Abraham ha Levi Beruchim, von Dichtern und Schwär-
mern wie Salomo al-Kabbez und Moses Kordovero. Sie alle aber
überragte Isaak Lurja, dem eine kurze Lebenszeit von nur
Die lurjanische Mystik 387
38 Jalirt'ii und ein mir zweijälirigor AulVntlialt in Safcd (1570 l)is 1572)
eine jSioiadezu j^ött liehe Verehrung einzutragen genügten. Isaak Lurja
wur(U' die Sonne, die alle anderen Sterne von Safed verdunkelte; an
seinen Xanien knüpft die neue Kabbala an, die überall, wo Juden
wohnten, Verbreitung fand; die Anordnungen des heiligen ,,Ari'\ das
ist der Name Lurjas bei seinen Anhängern, genießen noch heute bei
allen Juden, die von den religiösen Bewegungen der Neuzeit unberührt
geblieben sind, ein unvergleichliches Ansehen. Isaak Lurja hat auf
der Grundlage des Sohar ein neues System begründet, aber das eigent-
liche Ziel seiner Lehre und des gesamten Kreises von Safed ist ein
üiieraus praktisches, nämlich die Zeit der Erlösung, in der die Welt-
ordnung ihre Vollkommenheit erreicht (pprn 2b"i"), vorzubereiten.
Es ist ein hohes sittliches Ziel, das sie anstreben, in Safed hat sich eine
Art Orden gebildet, der von seinen Mitgliedern die erhabensten mensch-
lichen , fast übermenschlichen Tugenden fordert, eine reuevolle
Stimmung, die den ganzen Menschen ergreift und innerlich verwandelt.
Unter den frommen Übungen der Mystiker von Safed spielen wiederum
gottesdienstliche Versammlungen und Gebete eine hervorragende
Rolle, dort sind neue gottesdienstliche Einrichtungen geschaffen
worden, die ihren Weg durch alle Länder machten. Das Gebet ist für
Lurja eine der wichtigsten Funktionen des Lebens; vermöge der
innigen Gemeinschaft mit Gott wird der Mensch das Behältnis für einen
neuen Abglanz des göttlichen Lichtes und eine neue Ausstrahlung
seiner Gnade. Jeder Laut im Gebet hat neben der wörtlichen seine
tiefe geheimnisvolle Bedeutung; wer das Gebet ohne Andacht spricht
oder durch unreine Gedanken entweiht, hält das Eintreffen der Er-
lösungszeit auf. Darum werden für das Gebet besondere Vorbereitungen
angeordnet, r^:"D, d. h. W^orte zur Konzentration der Gedanken beim
Gebet auf einen bestimmten Gottesnamen, und 2"^~":ni, d. i. die Art
und Weise, den für jede besondere Gelegenheit geeigneten Gottes-
namen in der Wortzusammensetzung eines Gebets hervortreten zu
lassen und auszusprechen. Den Anhängern des mystischen Ki'eises
von Safed wurde es zur Pflicht gemacht, sich alltäglich mit einem der
Genossen zu vereinigen und über die rechte Art der Gottesverehrung
auszusprechen. Nicht zufrieden mit den drei täglichen Gebetszeiten,
deren regelmäßiger Besuch ihnen ernsthch ans Herz gelegt wurde,
führten sie einen neuen Gottesdienst zu Mitternacht ein (msn);
sie erschienen an allen Wochentagen in Trauerkleidung in der Syn-
25*
3gg Geschichte des Gottesdienstes
agoge, setzten sich auf die bloße Erde, stimmten Klagen über die
Zerstörung des Tempels und die Zerstreuung Israels an und schlössen
mit einem Bekenntnisse ihrer Sünden, deren schwere Last die Er-
lösung immer wieder hinausschob. Am Vorabend des Sabbats sollte
ein jeder über sein Tun während der ganzen "Woche Rechenschaft
ablegen, dann festlich gekleidet hinausgehen aufs Feld oder in den
Hof der Synagoge, dort das Hohelied, verschiedene Psalmen und
den Gesang -'"'n rcb vortragen, um die ,, Prinzessin Sabbat" würdig
zu empfangen (S. 108). Das ganze Leben wurde als ein ständiger
Gottesdienst betrachtet, die Lehrer der Kabbala streiften
mit ihren Jüngern in der Umgegend umher und sangen Hymnen,
Lehrer ■s\^irden herumgeschickt, die den Frauen und Kindern Unter-
richt in den Gebeten und Gesängen erteüten. Am Tage vor dem
Xeumonde hielten sie ein Fasten mit Gebeten und Selichas wie an
jedem biblischen Fasttage und mit Selbstpeinigungen, wie sie sonst
nur am Yersöhnungstage üblich waren (S. 124). Selbstredend wurden
die Fasttage, die an die Zerstörung des Tempels erinnern, mit außer-
gewöhnlicher Last beschwert; am 17. Tammus saß man von Mittag
ab in der Synagoge; am 9. Ab verließ man sie gar nicht mehr und
brachte die ganze Zeit mit Klagen zu. In den ^S^ächten vor dem
siebenten Tage des Pesach, vor dem ersten .des Wochenfestes und
vor dem Hoschanatage wurde überhaupt nicht gesclilafen, sondern
die ganze Xacht mit Hymnen oder mit dem Lesen von Stellen aus
der Bibel und dem Sohar ausgefüllt. Die 49 Omertage wurden mit
den 49 Worten im 67. Psalm in Verbindung gebracht, jedem Tage
entspricht ein anderes Wort, das laut hervorgehoben werden muß
und dann seine Wirkung ausübt. Der symbolische Leuchter, der aus
den Worten des Psalms hergestellt wird, ge^^innt eine richtige magische
Bedeutung, dient als Amulett, als Mahnung zur Andacht; er wird
mit allerhand unverständlichen, abergläubischen Zeichen versehen,
in Gebetbüchern und an den Wänden der Synagoge befestigt. In
der Nacht zum Versölmungstage wird ebenfalls nicht gesclilafen,
sie dient vielmehr niu- dem Studium der Vorschriften über den Ver-
söhnungstag, dem Absingen von Hymnen aller Ait.
Ein solches Leben mit ständigen Bußübungen, Trauerriten und
Sündenbekenntnissen macht einen außer orc' entlich düsteren Eindruck;
das war es indes nicht. Das Streben der ]\Iystiker von Safed ging
gerade nach der entgegengesetzten Seite, die Freudigkeit des sich
I
I
Aiisbrt'itiiiiK' tlcr lurjiiiiisclicii Mystik 389
soinom Gotto nahe t'ühlciulcii Mciisclieii lebte in iliiien, besonders
die Feiern der Sabbate, Xeiinionde und Feste waren Zeiten reinsten
Froiisinns, fijeli()l)enster Stimiiuiiiii. die ^gemeinsamen Mahlzeiten, die
dabei <i:esiinii,eiuMi Hymnen erheiterten die (ienossen, erweekten in
ihnen Verzückunf^en. als nähmen sie an Pa-adiesesfreuden teil.
Israel Nagara, der begabteste Faitan seines Jahrhunderts,
der ,, selbst die Engel durch seine Lieder anzuziehen wußte", be-
zauberte die Genossen durch Gesänge, bei deren Klang man sich
in den Himmel versetzt glaubte.
Die lurjanische Mystik mit ihren neuen gottesdienstlichen Ein-
richtungen breitete sich wie eine ansteckende Krankheit rasch und
weithin aus, es hat nie wieder eine Bewegung gegeben, die in so kurzer
Zeit Gottesdienst und Gebetbuch so nachdrücklich beeinflußte.
C h a j i m Vital C a 1 a b r e s e (gest. um 1620) wurde Lurjas
Aj)ostel, durch ihn wurde die neue Lehre bekannt gemacht, ihre
Anhänger durchwanderten alle Länder und unterwarfen sich alle Ge-
meinden. Lurjas mystische Behandlung der Gebete wurde durch
den Druck verbreitet, und so lernte man überall die neuen Gebete,
die unverständlichen Konzentrationen (n:"D), die Fasten und Buß-
verordnungen kennen. „Es blieb kein Ritus verschont, wie alle Siddur
und Machsor von Tlemsan bis Kaffa beweisen. In unzähligen Jehi
Razon, Engelnamen und sefirotischem Bombast w'ard Aberglauben
und Geisterdienst verewigt, die Bedeutung des öffentlichen Gottes-
dienstes in den Hintergrund gerückt und Amulettenkram in das
Gebetbuch und unter das Volk gebracht." Von Palästina verpflanzte
sich die lurjanische Schwärmerei zuerst nach Italien, wo Menachem
Asarja da Fano ihr Vorschub leistete. Dort feierte man zuerst den
kleinen Versöhnungstag, dort bildeten sich Vereine, die Montag und
Donnerstag fasteten und beteten, Stätten für die Frühandachten
(^pn: z-i-^-aT) und die Mitternachtsklagen (n::n). ,,Es wurden aus den
deutschen, spanischen und römischen Gebetsammlungen Stücke
ausgewählt, auch neue, zum Teil mit kabbalistischem Inhalte an-
gefertigt und dieser neue Gottesdienst für wichtiger, heilbringender
als der öffentliche erklärt". Für alle derartigen Sammlungen wird
der Name lipr üblich. Die Texte von Seph., die seit jener Zeit ver-
öffentlicht wurden, sind voll von Angaben nach dem Sinne Isaak
Lurjas.
Entscheidend wurde für die Verbreitung der lurjanischen Mystik,
390 Geschichte des Gottesdienstes
daß sie auch in Polen, wo die größte Zahl Juden wohnte, an-
erkannt wurde. Die „Geheimnisse des Gebets" waren in Deutschland
seit dem 13. Jahrhundert nicht melu- von der Bildfläche verschwunden,
bei ihrer Auswanderung nach Polen hatten die Gelehrten sie mit sich
gefülirt, aber sie blieben zunächst eine Ait Geheimlehre, deren Inhalt
nur besonders auserwälilten Jüngern mitgeteilt wurde. Erst um
das Jahr 1600, als die Lage der Juden auch in Polen sich zu ver-
schlimmem begann, wurde zu den Trostmitteln gegriffen, welche
aus der lurjanischen Kabbala reichlich strömten. Xathan Spira,
1633 in Krakau gestorben, hat ihr durch seine beliebten und weit-
verbreiteten Predigten rip^'cr" Ti'^j'c viele Getreue gewonnen, den
größten Erfolg aber verdankt sie der Werbekraft des R. J e s a i a H o r -
w i t z , der, von Verehrung für die Meister der Kabbala erfüllt, die
größten deutschen Rabbinatssitze ausschlug und nach Palästina
pilgerte, wo er 1630 in Safed starb. Er genoß selbst den Ruf eines
Heiligen, sein Religionsbuch ri""3~ nnib i:r: wurde ausschlaggebend
für die allgemeine Anerkennung und Verbreitung der lurjanischen
Ideen, für die Aufnalune seiner neuen Gebete in die Ordnung des
Gottesdienstes. Zwar erschien das Gebetbuch 2"''C'cri i'r, in dem
Horwitz das gesamte kabbalistische Ai'senal niederlegte, erst 1717,
aber der Boden war für die neue Aussaat vorbereitet, als j^athan
Hannover, der Geschichtsschreiber der Kosakenverfolgungen, 1662
sein Gebetbuch 'i^'i i"^"r; veröffentlichte. Das wurden die Haupt-
quellen, aus denen die neue Offenbarung nach allen Seiten hin sich
ergoß; nunmehr wurde kein Gebetbuch ohne jene Beigaben dem
Druck übergeben. Die Schwärmerei blieb nicht auf Polen beschränkt,
die Flüchtlinge, die nach den Metzeleien von 1648/49 scharenweise
durch alle westem-opäischen Gemeinden zogen, fülirten den Taumel-
geist in Deutsclilaud, HoUand und England ein. Eine ganze Anzahl
Zusätze ist von damals her dem Gebetbuch verblieben; so die Lieder
bn^i und ^b^y "jTii? am Anfange, die Verse 7c:n TTil, der Hymnus
rrair "i-a sowie melu-ere Gebete beim Ausheben der Tora, das Sabbat-
lied ■'"'" riD:;, eine Anzalü Engelanrufungen, wie z. B. z\\ischen
den Absätzen des Schofarblasens, der Einheitsgesang und Gabhols
Königskrone. Es befinden sich darunter sehr gehaltvolle Stücke ; man
kann den Kabbalisten nicht abstreiten, daß sie sich darauf ver-
standen, auszuwälilen, was die Herzen erhebt und den Geist der Reü-
giosität weckt, aber es fehlt doch auch nicht an Zeugnissen sclilimmsten
Der Chassidismus 391
Aberglaubens. Vor allein aber bedeuteten jene lurjanisclien Besonder-
lieiten, wiedie 2^:"pr .r":"Z wiid z-'i'n"'. die aus den westeuropäischen
(lebetbüeliern seit langem wieder verseliwunden sind, eine schwere
Belastung; des religiösen Lebens und einen Holm auf jeden echten
Gottesdienst.
8. Der sabbatianische Taumel kündete den Bankrott der Kabbala
an, und die immer scliäiuUiclieren Ereignisse, die sich daran an-
schlössen, wären geeignet gewesen, die Gemüter vollends zu ernüchtern,
als die Kabbala im Chassidismus eine Erneuerung erlebte.
Auch der Chassidismus war eine Reaktionsbewegung gegen die Über-
treibung des Talmudstudiums und die Auswüchse des ritualen For-
malismus. Er entstand in den Kreisen der Ungebildeten und Unter-
drückten, die in der herrschenden Religionsübung keine Befriedigung
fanden, die Gemütswärme suchten statt des starren Formelwesens,
Begeisterung statt der nüchternen Haarspalterei. Israel Baal Sehern,
der Begründer der Sekte (gest. 1761), war kein Gelehrter, sondern
ein Naturkind voll glühenden Glaubens, voll verzehrender Sehnsucht
nach dem Göttlichen, kein Grübler, sondern ein bis zur Raserei Be-
geisterter und durch die ihm ständig zuströmenden Offenbarungen
Beglückter. Das hat den Chassidismus so populär gemacht, daß er
nichts forderte als ein empfängliches Herz, eine Menschenseele, die
bereit war, sich zu verlieren, um sich in geläutertem Zustande wieder-
zugewinnen. Israel Baal Sehern erneuerte Lurjas System der Ekstase.
Der Kern der Religion war für ihn aufrichtige Liebe zu Gott, vereinigt
mit innigem Glauben und unerschütterlichem Vertrauen in die Kraft
des Gebets. Im Beten und Hymnensingen konnte er sich nie genug tun.
Jedes echte Gebet, so lelu'te er, muß auf die himmlische Welt ein-
wirken, es darf nicht an den Bitten und Wünschen der Menschen
haften bleiben, sondern muß uns Gott näher bringen; die eigene
Individualität muß mi Gebet verleugnet werden, die Seele sich los-
reißen von ilu-er ii'dischen Behausung, einen hohen Flug nehmen
über die Welt des Sinnlichen hinaus in das Reich der göttlichen Gnade.
Auf das Gebet legten daher die Chassidim das allergrößte Gewicht,
mit Aufbietung üu-er gesamten rohen, naturwüchsigen Kraft suchten
sie sich in Exaltationen zu versetzen, sie verschmähten auch geistige
Getränke nicht als Mittel zur Erreichung eines traumhaften Zustandes.
Da ihnen die Ekstase für das Gebet unentbehrlich schien, küimnerten
sie sich wenig um die hergebrachten Gebetzeiten und den gemein-
392 Geschichte des Gottesdienstes
Samen Gottesdienst, sie vereinigten sich in besonderen Konventikeln,
aber auch dort betete jeder für sich allein, wenn der Augenblick der
Verzückung ihm gekommen schien. Sie verwarfen auch das Gebetbuch
des polnischen Ritus, fülu-ten die Gebete Isaak Lurjas ein ("•"is^n "iipr)
und brachen auf diese Weise mit der gottesdienstlichen Überlieferung
ihrer Umgebung. Einen Gewinn für das religiöse Leben bedeutete
die Bewegung nicht, der Vorzug, der in ilu-em Streben nach Inner-
lichkeit lag, wurde reichlich aufgehoben durch die Verkehrtheit ihrer
abergläubischen Vorstellungen und iluTS wilden Gebarens. ,,Es war
lustig anzusehen, wie sie oft ihr Beten durch allerhand seltsame Töne
und possierliche Bewegungen (die als Drohungen und Scheltworte
gegen ihren Gegner, den leidigen Satan, der ihre Andacht zu stören
sich bemühe, anzusehen waren) unterbrachen, und wie sie sich dadurch
so abarbeiteten, daß sie gemeiniglich bey Endigung des Betens ganz
ohnmäclitig niederfielen."
9. Seinen Grundsätzen gemäß bedeutete der Chassidismus eine
vollständige Auflehnung gegen den Gottesdienst, eindringlicher konnte
seine Unhaltbarkeit nicht dargelegt werden, als wenn weite Kreise
nicht aus Unglauben oder Zweifelsucht, sondern aus innerster Sehn-
sucht nach Frömmigkeit sich von ihm abwandten. Das hätte eine
ernste Mahnung zur Revision des Gottesdienstes sein müssen, aber
dazu kam es nicht, der Chassidismus verblieb nicht in der Oppo-
sitionsstellung seiner Begründer, er suchte einen Ausgleich mit dem
Rabbinismus und trug infolgedessen eher zur Verschlechterung als zur
Verbesserung des Gottesdienstes bei. Das System der Beharrung
und des Buchstabenglaubens, die asketische, weitabgewandte Stim-
mung, das Streben nach gewaltsamer Herbeiziehung der messianischen
Erlösung wurden durch ihn gestärkt, er brachte als neue Störungen
den Lärm und die wilden unruhigen Bewegungen mit. So endet
die zweite Epoche der Geschichte des Gottesdienstes mit einem Zu-
stande schwerer Entartung. Sie hat mit wenigen Gebeten und mit
einer starken Bewegungsfreiheit begonnen, die Bräuche waren der
Gemeinde angepaßt, Gebet und Belehrung ihr in ansprechender Weise
geboten. Das ist nun alles in sein Gegenteil verkelut. Die Gebete
sind lang, vom ersten bis zum letzten Worte festgelegt, Bräuche,
die für andere Zeiten und andere Umgebungen bestimmt waren,
werden mit peinlichster Genauigkeit als strenge Vorscluiften befolgt;
die Belehrung ist fortgefallen, die Schriftvorlesung durch die dabei
l ii^Minstigcs Ergebnis Tiir diMi (Jottt^sdiciist 393
(.'in^orissciu'ii Mil.lljräuclic ciiljulct. (Irr Tiiil. der einst hclclircii snlllc,
heluMTsflit. ()l)W(>lil nicht mehr xcrstandcii, den (iottcsdionst. J)ii'
Leitung dos (iottesdienstes lieii;! in der Hand von nnj^esclmlton Vor-
botorn, die wähl- und geschnuu-kh)s die „Gesänge " wählen, mit denen
sie ihn in die Länge ziehen. Kein Wunder, wenn in solcher Zeit über
Mangel an Andacht und Aufmerksamkeit, über Unordnung und Störung
geklagt wird. Der Gottesdienst bedurfte einer gründlichen Krneuerung
und Belebung, wenn er sich weiter erhalten sollte. Beides hat ihm
die Neuzeit gebracht.
I
Kap. III. Die Neuzeit.
§ 45. Die ersten Reformen im Gottesdienste.
Literatur: Zunz G. V.^, S. 463 ff'.; Graetz, Geschichte, XI; Philipson D.,
The Reform Movement iu Judaism; Philippsou M., Neueste Geschichte
d. jüd. Volkes, Bd. I; Bernfeld S., '-x-r*:: r-r~ -p-a-i-rs-^-n r-irr: JE
Art. Prayer-Books X, 174ff".; Reform Judaism das, 347 ff.
1. Die Neuzeit beginnt mit Moses Mendelssohn, dem
„Reformator der deutscheu Israeliten"; von seinem Auftreten
nehmen jene Bestrebungen iliren Ausgang, von denen die innere Ge-
schichte der Juden seit mehr als einem Jahrhundert ausgefüllt ist.
Es ist hier nicht der Ort, die Reformbewegung nach allen Seiten
ausführlich zu behandeln, nur die Versuche zur Verbesserung des
Gottesdienstes sollen zur Darstellung gelangen.
Die Juden erwachten aus einem jahrhundertelangen Traume,
die Sehnsucht nach der messianischen Erlösung wich zurück vor dem
Wunsche, es sich in der Welt behaglich einzurichten, sie versuchten
wieder, sich unter den Menschen zurechtzufinden, sie traten aus
ihrer Abgeschiedenheit heraus und wollten sein, ^^äe andere waren.
Sie nahmen die Menschenrechte für sich in Anspruch, strebten nach
Erleichterung ihrer Stellung im Staate; Verbesserung ilu'er bürger-
lichen Lage, Erlangung der vollen Gleichberechtigung wurden die
Losungsworte, die mehrere Gesclilechter hindurch ihr Denken und
Tim beherrschten. Mit dem Fortschreiten ihres ünterrichtswesens
wuchs ihr Sinn für Zucht und Ordnung, verfeinerte sich das Verständnis
für Formenschönheit und Wohlklang. Sie befleißigten sich allgemeiner
Bildung, wurden von dem Strome der herrschenden Gedanken mit
fortgerissen, das kritische Denken, das ganz Eiu'opa ergriff, bemächtigte
sich auch Dn-er Religion. Fromme Übungen bildeten nicht mehr den
einzigen oder vorwiegenden Gegenstand ilu'es Interesses, der Dog-
matismus, der die jüdische Religion das ganze Mittelalter hindurch
beherrscht hatte, wurde überwunden, neues, frisches Leben regte
sich in der Behandlung aller Fragen.
Die Neuzeit 3P5
Von clor gowaltiycii W-räiulerung im Leboii uml Denken der
Juden konnte der Gottesdienst nicht unberührt bleiben. Seine Formen
entsi)rachpn nicht mehr den Anforderungen der neuen Zeit, Auge
und Ohr l'iililten sich in gk'icher Weise abgestoßen, Verstand und Ge-
müt blieben unbefriedigt und kalt. Gar viele unter den Gebildeten
vermochten hinter dem wenig ansprechenden Äußeren den wert-
vollen Kern niciit mehr zu erkennen und gingen der Synagoge ver-
loren, auch wenn sie sich nicht von ihrem Bekenntnisse lossagten.
Ihnen standen in überwältigender Mehrheit diejenigen gegenüber,
denen jede bewußte Änderung als Abfall vom Judentum erschien.
Eine geringe Zahl von Einsichtigen forderte Verbesserungen, die das
Wesen des Gottesdienstes nicht berührten, wie Vereinfachung der
Gebete und Abstellung der eingerissenen Unsitten, ästhetische Formen,
ein des Gotteshauses würdiges Verhalten. Doch ehe es dazu kam,
trat eine neue Zeit ein, sie brachte neue politische Ideale, bildete
einen neuen Menschheitsbegriff; man fragte sich, ob die überlieferten
Gebete in ihrem Ausdruck und iluTn Gedanken damit stets über-
einstimmten, imd beantragte, was nicht mehr zeitgemäß schien, zu
ändern. Schließlich fülu'te das wissenschaftliche Denken zu einer
kritischen Prüfung der gesamten Tradition, es wurde eine völlige
Umgestaltung der gottesdienstlichen Einrichtungen gefordert.
Die Reformbewegung hat eine starke Erregung hervorgerufen,
der Gegensatz zwischen den Anhängern der Überlieferung und den
Freunden der Neuerungen schien mehr als einmal unversöhnlicli,
er führte zu heftigen Käm])fen und Spaltungen in den Gemeinden,
Mcht alle Juden wurden in gleicher Weise von diesen Bestrebungen
ergriffen, den „portugiesischen" Gemeinden blieben sie nahezu ganz fern,
bei ihnen hatte die Kabbala alles gesunde Leben erstickt, sie haben
sich nie wieder zu kraftvoller Geistestätigkeit aufschwingen können,
ilu: Gottesdienst und ihre Gebetbücher sind von den durch die Mystik
hervorgerufenen Zusätzen nicht befreit worden. Auf der großen Masse
der Juden in den östlichen Ländern lastete zu schwerer Druck poli-
tischer und ökonomischer Art, als daß sie an der neuen vorwärts
drängenden Bewegung hätten teilnehmen können. Hunderttausende
blieben dem Chassidismus ergeben, weite Kreise verfielen vollständig
dem Indifferentismus. Xur im westlichen Europa, wo die Juden auf
allen Gebieten einen ungeahnten Aufschwung zu verzeichnen hatten,
hat die gottesdienstliche Frage die Gemüter tief bewegt. Deutschland
396 Geschichte des Gottesdienstes
bildete den Mittelpunkt der Kämpfe; von da verbreiteten sich die
Reformbestrebungen später nach England und nach Amerika, um
scliließlich wieder auf das Land ihres Ursprungs zurückzuwirken.
2. Obwohl eine neue Generation mit besserer Bildung und ver-
edeltem Geschmack herangewachsen war, bestand der Gottesdienst
in seiner alten Gestalt fort, das Herkommen mit all seinen häßlichen
Auswüchsen herrschte darin unverändert. Für die Dauer war das ein
unhaltbarer Zustand, es mußte etwas geschehen, um den veränderten
Ansprüchen entgegenzukommen. Die Jünger Mendelssohns, in denen
das Verständnis für die hebräische Sprache und Poesie geweckt war,
nahmen zunächst an der unschönen und wenig korrekten Art, wie
die Gebete zum Vortrag gelangten, Anstoß; ihr an der Philosophie
der Aufklärung geschultes Denken konnte sich bei den Ideen der
Mystik nicht beruhigen. Ihr erstes Bestreben richtete sich daher
auf die Verbreitung sorgfältig hergestellter Ausgaben des Gebetbuchs,
auf seine Säuberung von den Entstellungen, die es unter kabba-
listischem Einflüsse erlitten hatte. Von den Männern, die sich darum
besonders verdient gemacht haben, mag es genügen, W o 1 f H e i d e n -
heim (1757 bis 1832) zu nennen, den man mit Recht als den Mendels-
sohn des Gebetbuchs bezeichnet hat. Ihm gebührt der Ruhm, eine
neue Epoche in der Gebetbuch-Literatur eingeleitet zu haben, seine
Ausgaben von Siddur und Machsor zeichnen sich ebensosehr durch
ihre Korrektheit wie durch ihre ansprechende Form aus, die bei-
gegebene Übersetzung stand auf der Höhe der Zeit, sein Kommentar
wurde bahnbrechend für die Erforschung des Piut. Heidenheim
ließ die durch die lurjanische Mystik eingeführten Hinzufügungen zu
den Gebeten bis auf ganz geringe Reste weg, seine Texte in Verbindung
mit der Übersetzung von Michael Sachs sind auch für die von der
Reformbewegung nicht berührten lü^eise die leitenden Gebetbücher
geworden. Mit der Lossagung von allem kabbalistischen Beiwerk
zu den Gebeten war ein entscheidender Schritt getan, hiermit war eine
Trennung von den in der vorangegangenen Epoche allgemein geltenden
Anschauungen und Überlieferungen ohne weiteres gegeben. Es war
eine jener stUlen L^mwälzungen, die, ohne viel Aufsehen zu erregen,
epochemachende Bedeutung haben. Das von Seligmann B a e r im
x\nschluß an Heidenheims Methode bearbeitete Gebetbuch stellt,
soweit man Korrektheit in der Herstellung des Textes und der Punk-
tation beanspruchen kann, eine gewisse Vollendung dar; andererseits
Nouo Ausgaben und l borsel/.unpon des Gebetbuchs 397
bodcutot ('S oiiu'ii Hiickscliiitt, weil es wiederum viel von den alten,
entstellenden Hei<;aben niitaulfi^enüninien hat und darin einem im
Verlaufe des l'J. Jalirliuiiderls eingetretenen romantisehen Hüek-
sclihig/ liulditi;!.
Aueh V 1) e r s e t z u n g e ii zu den überlieferten (jcbeten wurden
allnicählieli mehr und mehr verbreitet, das Verständnis des Gottes-
dienstes wurde denen, die des Hebräischen unkundig waren, er-
schlossen. Unter den portugiesischen und italienischen Juden waren
Übersetzungen der Gebete seit vielen Jahrhunderten gebräuchlich
und von niemand beanstandet. Im Gebiete des deutsch-polnischen
Kitus war seit langer Zeit eine jüdisch-deutsche Übersetzung verbreitet,
eine Übertragung in die L a n d e s s p r a che jedoch wurde überall
da, wo die polnischen Rabbiner das Übergewicht hatten, ver])önt.
Als Isaak Pinto in London eine englische Übersetzung der Gebete
herausgeben wollte, stieß er auf solchen Widerstand, daß er sein Werk
in New-York drucken lassen mußte. Nicht besser erging es der ersten
Übertragung in die deutsche Sprache. Im Jahre 1786 veröffentlichte
J) a V i d F r i e d 1 ä n d e r eine Übersetzung der Gebete und der
Sprüche der Väter mit erklärenden Anmerkungen, die er noch in
hebräischen Lettern erscheinen ließ. Wenn ihn auch nicht, wie einst
Mendelssohns Bibelübersetzung, der Bannstrahl traf, so wurde das
Werk doch durch den Prediger Eleasar Fleck eles in Prag
(»ffentlich angegriffen, Friedländer sah sich genötigt, es durch ein be-
sonderes „Sendschreiben an die deutschen Juden" zu verteidigen.
Nichtsdestoweniger gab Isaak E u c h e 1 schon 1788 eine neue Über-
setzung in deutsche n Lettern heraus, es folgten Übertragungen
ins Holländische, Dänische, Ungarische, alhnählich in alle Sprachen,
die von den Juden gesprochen wurden, ohne daß es notwendig war,
große Kämpfe für die Übersetzung zu führen. Bis auf die allerextremsten
Kreise der Chassidim, die noch heute den alten Jargon für die einzig
berechtigte und erlaubte Sprache der Juden halten, ist niemand mehr
gegen den Gebrauch der Landessprache für die Übertragung der Ge-
bete aufgetreten.
3. Das waren wohl Abweichungen vom Herkommen, sie ließen
aber den Gottesdienst als solchen unverändert, die ^'ielbcklagten 3Iiß-
stände, die Länge der Gebete, die Belastung mit unverständlichen
Piutim, der störende Lärm, der besonders die Schriftvorlesung be-
gleitete, waren damit nicht beseitigt. In die festgefügte Ordnung der
398 Geschichte des Gottesdienstes
Synagoge wagte niemand einzugreifen, ehe nicht durch die französische
Kevolution das Selbstbestininiungsrecht der Völker gegenüber der un-
umschränkten Herrschaft der Autorität zum Siege geführt worden war.
In A ra s t e r d a m entstand 1795 ein Verein F e I i x L i b e r t a t e;
sein Hauptzweck war die Verfechtung der Emanzipation, gleichzeitig
aber verlangten seine Mtglieder Reformen im Gottesdienste,
Abschaffung der Piutim und Änderung solcher Gebete, die einen
politischen oder sozialen Gegensatz zwischen Juden und ^S^ichtjuden
zur Voraussetzung hatten. Da die Vorsteher und Rabbiner ihnen
Widerstand entgegensetzten, gründeten sie eine eigene Gemeinde
Adaß Jeschurun ; in zahlreichen Streitsclirif ten, die von beiden Seiten
her veröffentlicht wurden, kam die Frage der Berechtigung der ge-
forderten Reformen zur Erörterung. Als dann Xapoleon das große
S a n h e d r i n zusammenrief, hofften weite Kreise, daß von dieser
Körperschaft eine umfassende gottesdienstliche Reform ausgehen
würde. Es blieb jedoch alles beim alten, die einzige Einwirkung auf
den Gottesdienst, die jene Versammlung hervorrief, war die Be-
stimmung der Konsistorialordnung vom Jalire 1807, nach der die
Rabbiner die Verpflichtung erhielten, für die Ordnung in der Syn-
agoge zu sorgen und allsabbatlich beim Gottesdienste eine Predigt
in der Landessprache zu halten. Das war für alle Länder eine Neuerung,
denn wenn auch außerhalb Deutschlands solche Predigten nichts
Ungewöhnliches waren, so wurden sie doch nicht regelmäßig gehalten.
In Deutschland waren bis dahin rein deutsche Predigten nur ganz
vereinzelt und bei besonderen Anlässen geduldet worden; da die Re-
gierung sie nunmehr verordnete, mußten sie widerspruchslos zu-
gelassen werden, aber es fehlte zunächst an geeigneten Rednern, die
der Sprache genügend mächtig waren.
Die Forderungen der Konsistorialordnung erhielten ihre Be-
deutung, als sie auf das Königreich Westfalen übertragen und durch
Israel Jacobsohn streng durchgeführt wurde. Jacobsohn war
kein Reformator im eigentlichen Sinne, theologische Kenntnisse und
wissenschaftliche Vertiefung gingen ilmi ab, hingegen war er ein Mann
von praktischem Blick, von rasch entschlossenem, energischem Handeln.
Sein Wunsch war es vor allem, den jüdischen Institutionen ein zeit-
gemäßes ansprechendes Aussehen zu geben, sie in würdiger, auch
Andersgläubigen gefälliger Gestalt vorzuführen. Er legte daher den
größten Nachdruck auf die Beseitigung aller äußeren Mängel
J
Isr.iol J;i(nl)S()lm 399
dos (lottosdionstcs, auf die Vorscliöiu'iuiig seiner Formen. Soweit sein
Kinlluß reiciite, iiielt er auf Kinfüiirung der deutschen Predigt und
geordneten Gesanges. In den Synagogen des Konsistorialbezirks
wurden aueli die Piuliin ;il)uesciiafft und einige Gebete, die Klagen
über Druclv und Verfolgung enthielten und daher mit den politischen
Verhältnissen nicht in Einklang standen, geändert. Das alles wurde,
wenn auch vielfach mit Widerstreben, liingenommen. Sehr unliebsam
wurde es bemerkt, als Jacobsohn beim Gottesdienste in der Schule des
Konsistoriums zu Kassel auch deutsche Gebete und Lieder
einführte, und vollends erregte er den allgemeinen Unwillen, als er
in der von ihm erbauten Synagoge in Seesen sogar eine Orgel spielen
ließ. In der Hauptsache bestand die Liturgie aus den alten hebräischen
Gebeten in unveränderter Fassung, der deutsche Teil des Gottesdienstes
aber erfuhr sehr viel Anfechtung, Berief sich Jacobsohn darauf, daß
die Kenntnis des Hebräischen im Abnehmen begriffen war, dann er-
widerten die Gegner, daß die Verdrängung des Hebräischen aus dem
Gottesdienste eine noch größere Vernachlässigung der Sprache der
Väter, die zugleich die Sprache der Heiligen Schrift und das einzige
gemeinsame Band aller Glaubensgenossen wäre, zur Folge haben
müßte. Bereits damals, in den allerersten Anfängen der Bewegung,
wurden dieselben Argumente einander gegenübergestellt, mit denen
noch heute nach hundert Jahren der Kampf geführt wird. — In ähn-
licher Weise wie in Seesen wurde in Frankfurt a. M, am Philanthropin
jeden Sonntag, später auf Veranlassung von Johlsohn, der auch ein
Gesangbuch dafür ausarbeitete, am Sabbat eine x\ndachtsstunde
gehalten. Die Form der neuen Gottesdienste und vor allem die deut-
schen Gesänge waren in vielen Stücken christlichen Vorbildern nach-
geahmt, was selbstverständlich starken Anstoß erregte, aber doch
nacli kurzer Zeit häufig als richtig anerkannt und ohne Widerspruch an-
genommen wurde. Der Gottesdienst in den jüdischen Lehranstalten
hatte die Wirkung, daß er die Zöglinge mit Hilfe der Schuldisziplin
an Ordnung und würdevolle Haltung im Gotteshause, an Predigt und
Chorgesang gewöhnte. Xoch wichtiger war, daß auch die Eltern der
Schüler an seinen Einrichtungen Gefallen fanden und an ilmi teil-
nahmen. Auf diese Weise wurden Predigt und Gesang, Ruhe und
Andacht in weiten Ki-eisen ein Herzensbedürfnis, namentlich die
regelmäßige deutsche Predigt fand viel Verbreitung und wurde bald
nicht mehr als fremdartig betrachtet.
400 Israel Jacobsohn, Berlin
Jacobsohn versuchte auch, die Konfirmation der Knaben
und Mädchen zu einer regelmäßigen Einrichtung zu machen; eine
solche Verpflichtung auf ein Glaubensbekenntnis hatte in der Ver-
gangenheit keine Wurzel, sie konnte daher auch nicht durchdringen.
Ein Bestandteil des Gottesdienstes wurde sie nur in den Reform-
gemeinden, in Berlin und in Amerika. Die Konfirmation gehörte
zum Reformprogramm einiger den Juden wohlgesinnter Regierungen,
sie sollte eine Gewähr dafür bieten, daß der jüdischen Jugend ein
Religionsunterricht in der Landessprache erteilt worden war. In
Dänemark wurde sie durch Gesetz verordnet; in den wenigen Ge-
meinden dieses Landes regte sich damals ein ziemlich freier Geist, neben
der dänischen Predigt fanden auch andere Reformen im Sinne Jacob-
sohns eifrige Anhänger. In allen Ländern, in denen die Einbürgerung
der Juden in Sitte und Sprache eine neue Erscheinung war, wiederholte
sich das Streben, der Wandlung auch in der Einrichtung des Gottes-
dienstes einen mehr oder minder deutlichen Ausdruck zu geben.
4. Bedeutungsvoll wurde, daß Jacobsolm 1815 seinen Wohnsitz
nach Berlin verlegte. Hier hatte die Gleichgültigkeit der Gebildeten
gegen die überlieferten Institutionen des Judentums einen erschrecken-
den Umfang angenommen, hier hatten die Jünger Mendelssohns den
Lehrgehalt der jüdischen Religion im Sinne der Aufklärung umzu-
gestalten versucht, in der Gemeinde aber war alles unverändert ge-
blieben. L'nmittelbar nach Erlaß des Edilvts vom 11. März 1812 hatte
David Friedländer ,,tjber die durch die neue Organisation der Juden-
schaften in den preußischen Staaten notwendig gewordene Umbildung
ihres Gottesdienstes in den Synagogen" geschrieben und die Unter-
stützung der Regierung für eine durchdringende Änderung zu er-
langen gesucht. Abgesehen von der „Herstellung einer ansprechenden
äußeren Form" forderte er die „v o 1 1 e, u n v e r k ü m m e r t e E i n -
führung der deutschen Sprache in das Gebet".
Noch einschneidender war es, wenn er alle Gebete messianisclien
Inhalts beseitigt, die Zukunftshoffnungen gestrichen sehen wollte,
da sie durch die Gewährung der Emanzipation gegenstandslos ge-
worden wären; er bekannte sich damit zu einem der verhängnisvollsten
Irrtümer der jüdischen Aufklärung, die den Messiasgedanken seines
idealen Inhalts völlig entkleidete und ihn lediglich auf die Erlangung
irdischen Glückes, politischer Gleichberechtigung bezog. Friedländers
Schrift erregte begreifliches Aufsehen, außer einer Anzahl Gegen-
Heformversuclio in BtTÜii 401
schril'lLMi luitto sie jedocli keine weiteren Folgen. Als sich luiii Jueob-
sohn in Berlin niodcdieü, richtete er im eigenen Hanse einen Gottes-
dienst für die Sabbate und Festtage ein, der mit Ürgelbegleitung,
deutschen Chorgesängen und renelniäßig ?nit einer Predigt ausgestattet
war. Die Gebetordnung war im groLk'ii und ganzen die hergebrachte,
in den einleitenden Gebeten war manches gekürzt oder ins Deutsche
übertragen worden; die wesentlicliste Neuerung war die, daß die
Telilla nicht wiederholt wurde und das Musafgebet ganz ausfiel. Die
hebräischen Gebete und die Toravorlesung wurden in der für korrekter
gehaltenen portugiesischen Aussprache vorgetragen. Jacobsohns
Gottesdienst fand unter den zahlreichen Gebildeten der Gemeinde
sehr viel Anklang, man mußte bald einen größeren Saal für ihn wählen,
aber die neue Einrichtung hatte keinen langen Bestand, schon im
Dezember 1815 wurde der Gottesdienst von der Regierung verboten,
weil es nach der alten Judenordnung von 1750 nicht gestattet war,
außerhalb der Gemeindesynagoge Gebetversammlungen zu halten.
So ruhte die Veranstaltung eine Zeitlang. Da aber die einflußreichsten
Männer der Gemeinde das gr()ßte Interesse daran hatten, den Gottes-
dienst in der ihnen zusagenden Form fortzusetzen, benutzten sie den
notwendig gewordenen Umbau der Synagoge als Anlaß, um den
Gottesdienst nach der von Jacobsohn eingeführten Ordnung wieder
aufleben zu lassen. Ein Ctesangbuch und ein eigenes Gebetbuch für
die Sabbate und Festtage wnirden für diese Zwecke veröffentlicht.
Auch diesmal bezogen sich die Änderungen mehr auf die Form als auf
den Inhalt des Gottesdienstes, sie bestanden im wesentlichen in starker
Verwendung der deutschen Sprache für die einleitenden Benedikt ionen
und Psalmen und in der Benutzung einiger Lesarten des sepliara-
dischen Ritus; auch das Musafgebet wurde wieder eingeführt. An
den Feiertragen blieb ebenfalls der größte Teil des hebräischen Gottes-
dienstes in der alten Weise bestehen, nur die Piutim waren stark ein-
geschränkt, am Versöhnungstage jedoch wurden auch sie in nicht
unbeträchtlicher Zahl verwendet. Wenngleich die Abweichungen von
der hergebrachten Liturgie nicht bedeutend waren, wurden doch die
deutsche Predigt, die deutschen Gebete und Gesänge, sowie die Orgel-
begleitung von vielen als Gewissenszwang empfunden, sie forderten
durch eine Beschwerde bei der Regierung beschleunigte Wiederher-
stellung der Gemeindesynagoge. Die Anhänger der Neuerungen
wiederum wollten den Bau nicht vollenden, ehe nicht eine Einigung
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. 26
402 Geschichte des Gottesdienstes
über die Reformen erzielt war, sie wünschten eine Erweiterung der
Synagoge und die Einrichtung zweier Gottesdienste nebeneinander;
dazu kam es tatsächlieli, als die Gegner die unvollendete Synagoge
für einen Gottesdienst nach dem Herkommen notdürftig herrichten
ließen. Der langwierige Kampf der Parteien und die Untersuchung
der Regierung füllten schließlich zu dem bedauernswerten Ergebnisse,
daß durch Kabinettsorder vom 9. Dezember 1823 jede Änderung
im jüdischen Gottesdienste, auch die Predigt und deutsche Gesänge
grundsätzlich verboten wurden. Auch in anderen preußischen
Gemeinden, wie Breslau und Königsberg, mußten die seit längerer
Zeit dort eingeführten Predigten eingestellt werden. Für Jahrzehnte
war damit im Gebiet des Königreichs Preußen jeder Fortschtitt des*
Gottesdienstes unmöglich gemacht.
5. Die Notwendigkeit, den Gottesdienst in einer dem modernen
Empfinden mehr zusagenden Form zu ändern, wurde zur selben
Zeit allenthalben gefülilt. Das größte Aufsehen erregte die Grün-
dung des ,,X e u e n israelitischen T e m p e 1 v e r e i n s" in
Hamburg. Im Jahre 1817 vereinigte sich dort eine größere Anzahl
von Glaubensgenossen in der Absicht, ,, einen würdigen und geordneten
Ritus herzustellen, nach welchem an den Sabbat- und Festtagen,
so wie bei anderen feierlichen Gelegenheiten, in einem eigenen zu diesem
Behuf e eingerichteten Tempel der Gottesdienst gehalten werden soll.
Bei diesem Gottesdienst soll namentlich auch eine deutsche Predigt
und Choralgesang mit Begleitung der Orgel eingefülu:t werden". Hier
hatte sich zum ersten Male eine Gemeinde gebüdet, die sich die
Durchführung eines reformierten Gottesdienstes zur Aufgabe setzte,
das Gebetbuch, das zur Eröffnung des Tempels im Herbst 1818 er-
schien, wich in wesentlichen Punkten von allen bisher bekannten
gottesdienstlichen Ordnungen ab.
Der Gottesdienst wurde nur an Sabbaten und Feiertagen gehalten,
das Gebetbuch enthielt daher nur die Gebetordnung für diese Tage,
später erschien ein Anhang mit den Gebeten für Purim und den 9. Ab.
Die äußeren Kennzeichen des Gottesdienstes am Tempel waren Ge-
sang durch einen gemischten Chor, Orgelspiel, die regelmäßige deutsche
Predigt und deutsche Lieder, für welche der Prediger K 1 e y ein
eigenes Gesangbuch veröffentlichte. Dem Gebetbuche wm'de die
Überlieferung des portugiesischen Ritus zugrunde gelegt,
auch die Aussprache des Hebräischen geschah nach der Weise der
l>('r Hamburger Tempel 403
Portugiesen. Für die Aiiswjilil der Gebete war die Unterscheidung
zwisclien typischen und akzessorischen Gebeten maßgebend; die
typischen, „d. h. solche, die allezeit als wesentliche Bestandteile des
israelitischen ( iottesdienstes galten", wurden „gewissenhaft beibehalten,
und nur in den akzessorischen Gebeten bewegte man sich mit Freiheit".
Durch die Benutzung der sepiiaradischen Gebetordnung waren zahl-
reiche Abweichungen von dem bei der Mehrzahl der Juden Hamburgs
üblichen Wortlaut der Gebete bedingt, innerhalb des benutzten Gebet-
buchs aber war der Text in fast unveränderter F'orm beibehalten;
die auffallendste Neuerung war, daß auch viele Stamragebete nicht
hebräisch, sondern in deutscher Übersetzung aufgenommen waren.
Der Gottesdienst am Eingange des Sabbats ließ die den älteren Gebet-
büchern unbekannten einleitenden Gebete fort, er begann mit Ps. 92
und brachte das Abendgebet in der überlieferten Form; allerdings
waren nur das Schma und die auf die Tefilla folgenden Stücke
iiebräisch, alle übrigen deutsch. Im Morgengottesdienste des Sabbats
waren die einleitenden Benediktionen und Psalmen (§ 11, 12) stark
gekürzt und in deutscher Sprache gegeben; das Schma und seini?
Benediktionen hatten dieselbe Form wie am Abend, die Tefilla
wurde in hebräischer Sprache mit Einschaltung der Keduscha sofort
laut vorgetragen. Für die Vorlesung der Tora war der dreijährige
Zyklus eingeführt, die Vorlesung erfolgte ohne Kantilene in portu-
giesischer Aussprache, die Haftara fiel aus. Beim Aus- und Einheben
der Tora, sowie vor und nach der Predigt w'urden deutsche Lieder
gesungen. Das Musafgebet wurde ebenfalls sofort laut vorgetragen.
An den Festtagen war der Aufbau der Gebete derselbe wie an den
Sabbaten. Die Piutim fehlten an den Wallfahrtsfesten, das entsprach
der portugiesische Q Gebetordnung; an den beiden ernsten Festen
hingegen waren sie in sehr gToßer Zahl beibehalten, sie entstammten
sämtlich der Überlieferung der Portugiesen, der Gottesdienst am
Versölinungstage dauerte in herkömmlicher Weise den ganzen Tag.
Als später die Gebetordnung für Piirim erschien, brachte sie die
Neuerung, daß die mittleren Benediktionen der Tefilla durch das
zusammenfassende Gebet i::">nri ersetzt waren.
Die Änderungen im Wortlaute der Gebete waren nicht sehr be-
deutend, sie betrafen im großen und ganzen nur Einzelheiten des
Stils. Das Ziel der Neuerung war in der Hauptsache eine Verkürzung
und Vereinfachung des Gottesdienstes, er sollte ferner mehr als bisher
26*
404 Geschichte des Gottesdienstes
verständlich werden und zu Herzen sprechen. Von grundsätzheher
Bedeutung waren nur zwei Änderungen. In den Miisafgebeten war
die Bitte um Wiedererbauung des Tempels und Einrichtung der
Opfer durch eine andere ersetzt, in der um gnädige Aufnahme des
Gebets als Ersatz für das Opfer gebetet wurde. Ferner war eine Um-
gestaltung der Bitten um Herbeiführung des messianischen Reiches
vorgenommen worden. Der Ausdruck der Zukunftshoffnung wurde
nicht aus den Gebeten beseitigt, im großen und ganzen wurde er in
der überlieferten Form beibehalten. Überall da, wo von der geschicht-
lichen Bedeutimg des jüdischen Volkes die Rede oder wo eine
symbolische, rein religiöse Auffassung des messianischen Ideals mög-
lich war, wurde der Wortlaut unverändert gelassen; wo hingegen die
nationale Seite der Zukunftshoffnung hervorgehoben war, wo um die
gemeinsame Rückkehr nach dem Heiligen Lande, die Vereinigung aller
Juden im Lande der Väter gebetet wurde, erhielten die Sätze einen
allgemeineren und symbolischen Inhalt.
Sieht man von der Vermischung deutscher und hebräischer
Stücke innerhalb desselben Gebetabschnitts sowie von der Verän-
derung der Schriftvorlesungen ab, so kann man die Abweichungen des
Gebetbuchs vom Herkommen nur als sehr gemäßigt bezeichnen, es
war keineswegs revolutionär, es lag den Begründern des Tempels
fern, sich von der jüdischen Gesamtheit zu trennen; ihr Bestreben
ging dahin, ,,dem Kultus in dessen ganzem Umfange Würde und
Whksamkeit zu verschaffen", von den religiösen Lehren des Juden-
tums wollten sie sich in keiner Beziehung lossagen. Das Gebetbuch
war nicht von Theologen, sondern von gebildeten Laien nach dem
Bedürfnisse des Augenblickes verfaßt, sie betrachteten es nicht als
endgültiges, abschließendes und unantastbares Werk; wie es im
Zeichen der „Fortbildung" entstanden war, sollte es von Zeit zu Zeit
einer Prüfung und Verbesserung unterzogen werden können. Das
Gebetbuch war kein Meisterwerk, es hatte sich von einer prinzipiellen
Stellungnahme ängstlich ferngehalten und, um möglichst \'iele und
verschiedenartige Kreise zu befriedigen, Kompromisse aller Art
zugelassen. Abraham Geiger hat es einer unerbittlichen Kritik
unterzogen und, weil es ,,in fast allen Punkten eine klare und ziel-
bewußte Durchführung eines fortgesclu-ittenen religiösen Prinzips'-
vermissen ließ, als rückständig verworfen. Von anderen wiederum ist
es getadelt worden, weil es ihnen zu radikal geschienen, auf die An-
jDt'r 1 laiiilmr^'i-r 'rniipcl 405
scliauungcii clor ClciiiciiKlc /,ii wi'iii;,^ l\iicksiclit f^e-iiuimiien und mit
rasc'licm Schritte von drii IiciiscIioikUmi religiösen Anschauungen sich
entfernt hat. InshesoncUMc die .\h\veichun<!;en in (h'ii messianischen
(Jeheten wurden viell'aeh auch von solchen Männern ange<rrifi'en,
die dem Fortschritte huldigten und dem (lottesdienste des Tempels
als (!aii/ein ilie Anerkennung" nicht versatjten. Sie heriihrlen damit
die verwundbarste Stelle im (lehetljuclie des Tempels. Wohl war,
wie wir sahen, die Frage der Verbindlichkeit des Messiasglaubens
in seiner bisherigen Gestalt in Fluß geraten, was aber den wirklichen
Inhalt der messianischen Idee bildete und im Gebet zum Ausdruck
gelangen konnte, dieses Problem war kaum in Angriff genommen und
liatte keineswegs bereits eine abschließende Lösung gefunden, so daß
daraufhin eine Änderung berechtigt gewesen wäre. Aussclüaggebend
waren dabei auch nicht theologische Frwägungen, wie sie später
zur Revision des gesamten Messiasbildes geführt haben, sondern über-
triebene Besorgnisse wegen der Erlangung der Emanzipation. Die
Gegner der Gleichberechtigung der Juden, die um Gründe niemals
verlegen waren, benutzten den Hinweis auf die Zukunftshoffnungen,
auf den in den Gebeten ausgesprochenen Glauben an die Errichtung
eines jüdischen Reiches im Heiligen Lande als willkommene Waffe.
Es war eine Verkehrtheit der Reformer damals und noch lange später,
daß sie den Messiasglauben in seiner überlieferten Form diesem Ein-
wände zum Opfer zu bringen bereit waren und das alte Judentum ge-
wissermaßen des Mangels an Bodenständigkeit und Vaterlandsliebe
bezichtigten. Das politische Vorurteil mußte mit politischen Gründen
bekämpft werden; wer die Frage gerecht und ohne Voreingenommen-
heit prüfte, konnte aus dem Messiasglauben keine stichhaltigen Gründe
gegen die Gleichberechtigung der Juden herleiten, wofür der berühmte
englische Staatsmann Macaulay in seiner Verteidigungsschrift für die
Juden mit unwiderleglichen Gründen den Beweis geführt hat. Die
Begründer des Tempels ließen sich nicht nur in diesem einen Punkte
von Erwägungen der Zweckmäßigkeit leiten, ihr ganzes Tun war
durch äußere Rücksichten bestimmt, es waren Männer des prak-
tischen Lebens, die an den Reformen arbeiteten, nicht Gelehrte oder
Geistliche, die danach strebten, einen neuen Religionsbegriff zu ent-
wickeln und in der Ausgestaltung einer Gebetordnung folgerichtig
durchzuführen. Nichtsdestoweniger muß ihrem Streben die An-
erkennung zuteil werden, daß sie zuerst den Mut fanden, einen Ver-
4.06 Geschichte des Gottesdienstes
such zur Erneuerung des Gottesdienstes zu machen. Selbst die Gegner
des Tempels konnten ihm das Zugeständnis nicht versagen, daß er
„den hoch angesammelten Wulst der Jahrhunderte mit einem Schlage
ohne viel Bedenken aus dem Gotteshause entfernt, das heüige Spinn-
gewebe, das niemand anzutasten gewagt hatte, in jugendlichem Un-
gestüm weggefegt und Sinn für geregeltes Wesen, für anständige
Haltung beim Gottesdienst und für Geschmack und Einfachheit ge-
weckt hat".
Hätten die Kabbiner, wie einsichtige Anhänger des Alten be-
fürworteten, sich der neuen Bewegung bemächtigt, hätten sie auf die
Reformer einzuwirken und die nach ihrer Meinung begangenen Irr-
tümer abzustellen versucht, wer weiß, welche Entwicklung das Juden-
tum in Deutschland genommen hätte. Statt dessen aber nahmen
die Rabbiner dem neuen Unternehmen gegenüber von vornherein eine
entschieden feindliche Stellung ein. Kaum waren die ersten
Bogen des neuen Gebetbuches erschienen, als das Rabbinatskollegium
in Hamburg durch einen Anschlag in der Synagoge die Gemeinde-
mitglieder vor der Benutzung des Buches warnte. Schon einen Tag
später erließ der Rabbiner in Altona eine ähnliche Bekanntmachung.
Man braucht nur die Schi'iftstücke mit ihrem halb hebräischen, halb
deutschen Wortlaut zu lesen, um sofort zu begreifen, daß hier zwei
Weltanschauungen aufeinanderstießen, zwischen denen eine Ver-
ständigung unmöglich war. Der Tempelverein ließ sich durch die
Drohungen nicht einschüchtern, er veröffentlichte sein Gebetbuch
weiter und wandte es in seinem Gottesdienste, der sich von vornherein
eines guten Besuches erfreute, ständig an. Das Rabbinatskollegium
holte bei den angesehensten Rabbinern Deutsclüands, Österreich-
Ungarns und Italiens Gutachten ein, die es in der Sammlung ^"01 nbx
r'iinn veröffentlichte. Als übereinstimmendes Ergebnis konnte
es schon auf dem Titelblatte verkünden, ,,daß es verboten ist, die in
Israel übliche Gebetordnung vom ersten bis zum letzten Worte zu
ändern und erst recht etwas davon zu streichen; daß es verboten ist.
in einer anderen als der hebräischen Sprache zu beten, und daß jedes
Gebetbuch, das nicht den Vorschriften oder dem Brauche entsprechend
gedruckt ist, ungültig, daß es somit unstatthaft ist, daraus zu beten;
daß es endlich verboten ist, am Sabbat oder den Festtagen in der
Synagoge auf irgendeinem Instrumente zu spielen, selbst wenn es
durch einen Nicht Juden geschieht". Die Ausführungen der Rabbiner
Der Hamburger Tempel 407
waren selir scharf, sie waren gewöhnt, zu hel'elüen und unbedingten
Clehorsain zu finden, es geschah zum erstenmal, daß sie einem größeren
zusammengesciilüssenen Kreise begegneten, der sich bewußt vom
Herkommen und von den ral)binischen Anordnungen entfernte. Sie
gingen in ihrer Verketzerung viel zu weit, sie setzten allen Ansprüchen
nur das uneingeschränkte Verbot entgegen. Die Rabbiner standen
den Neuerungen völlig verständnislos und ratlos gegenüber, obwohl
einige aus eigener Erfahrung von Bestrebungen wußten, die sich auf
eine Abkelir vom überlieferten Judentum bezogen. Sie kannten die
Welt nicht, sie lebten nur in ihren Büchern, sie beherrschten wohl den
Talmud und die Dezisoren bis zu ihren letzten Ausläufern aufs gründ-
lichste, al)er sie waren in der Dialektik befangen und hafteten durchaus
atn Buchstaben; in den Geist des biblischen und rabbinischen Juden-
tums vermochten sie sich nicht mehr zu versetzen, von den Einflüssen
der Geschichte auf die Entwicklung der Bräuche und Religions-
anschauungen hatten sie keine Vorstellung. Sie stellten sich daher
übereinstimmend auf den Standpunkt, daß jegliche Neuerung
zu verwerfen war, selbst Dinge, die nirgends verboten worden
waren, für die sich nur mit Mühe und Not vermittels scharfsinniger
Ableitungen und anfechtbarer Schlüsse eine Zurückweisung finden
ließ, wollten sie nicht gestatten. Nach ihrer Überzeugung beruhten
nicht allein der Wortlaut der Gebete, sondern auch sämtliche gottes-
dienstlichen Einrichtungen ohne Unterschied auf alter Überlieferung,
durfte auch in den Bräuchen nichts geändert werden, da auch sie
,. hochheilig" waren und „schon die geringste Abweichung in ihnen die
Wirkung des Gebets in Frage stellte". Man merkt es den Gutachten an,
daß die Verfasser sich von jenen Gesichtspunkten leiten lassen, die durch
die Kabbala in die Halacha eingeführt worden waren, sie fürchten,
daß die besonderen Bedeutungen und Wirkungen, die jeder Zeremonie
und selbst den unscheinbarsten Bräuchen dort zugeschrieben sind, in
Frage gestellt werden. Besonders bezeichnend für ihre Ratlosigkeit
allen neuen Erscheinungen gegenüber ist ihre Stellung zur Orgelfrage.
Im talmudischen Schrifttum ist von ihr nirgends die Rede, aber daß
sie nicht statthaft sein könnte, das stand noch vor der Untersuchung
fest. Freilich wußten sie nicht recht, ob die Musik überhaupt
oder nur das Spielen an den Sabbaten verboten werden sollte, und da
letzteres bei Hochzeitsfeiern von einwandfreien Gesetzeslehrern
gestattet ist, erwuchs den Gutachtern die schwierige Aufgabe, nachzu-
408 Geschichte des Gottesdienstes
weisen, daß die Verschönerung des Gottesdienstes keineswegs als so
bedeutungsvolle Pflicht gelten könnte wie die eines Familienfestes.
Es war die Dialektik, die sich selbst den Todesstoß versetzte. — Er-
freulich ist an den Gutachten nur eins, die einmütige entschiedene
Erklärung, daß der Messiasglaube und die Zukunftshoffnungen den
Juden nicht unfähig machen, die Bürgerpflichten zu erfüllen, daß
die Treue gegen den Herrscher und das Vaterland zu den religiösen
Vorschriften des Judentums gehören.
Die Schärfe in der abweisenden Stellung der Rabbiner war aber
auch darum unberechtigt, weil sie selbst nichts getan hatten, um den
Verfall des religiösen Lebens zu verhüten. Es war nunmelu" offen-
kundig, daß fast eine ganze Generation dem Gottesdienst entfremdet
worden war, weil sie seinen Inhalt nicht mehr verstand, von seiner
Form sich abgestoßen fülüte. Die Rabbiner hatten der Gleichgültig-
keit sorglos zugeschaut, und sie ließen sich nun nicht einmal auf die
Prüfung der Beweggründe derer ein, welche versuchten, dem Übel
zu steuern. Eine Verständigung zwischen den beiden gegenüberstehen-
den Richtungen war vollständig ausgeschlossen, weil die Vertreter
des Herkommens keinerlei Xeigung zeigten, sich mit den Zielen und
Wünschen der ]^euerer vertraut zu machen. Ihre Argumente und
Anschauungen wiederum konnten auf die Mitglieder des Tempels
keineswegs Einch'uck machen. laicht nur, daß sie einige rabbinische
Entscheidungen in Händen hatten, die zugunsten der gleichartigen
Bestrebungen in Berlin abgegeben waren und die Neuerungen durchaus
billigten, hat auch eines ilrrer tätigsten ]\Iitglieder eine scharfe satirische
Widerlegung der Gegner veröffentlicht und dem Urteil der Gutachter
die widersprechenden Äußerungen der rabbinischen Quellen gegenüber-
gestellt. Aber das war keineswegs ausscWaggebend. Wären der
Schulchan Aruch und seine berufensten Ausleger auch sämtlich gegen
sie gewesen, so hätte die Tempelgenicinde sich darum von ilu'en Be-
strebungen nicht zurückhalten lassen. Die Zeiten hatten sich eben
geändert, das Ansehen des Talmudismus war gestürzt, es wurde nicht
mehr nach den formalen Entscheidungen und dialektischen Folge-
rungen der rabbinischen Urkunden Recht gesprochen; auch Glaubens-
sätze und religiöse Einrichtungen mußten sich dem Urteilsspruch der
Vernunft unterwerfen, sie wurden nicht mehr bloß darum hochgehalten,
weil sie von den Vätern überliefert waren, sondern auch auf ilu'en
inneren Wert und ihre Zweckmäßigkeit geprüft. Der alte Gottesdienst
her Ihiiiiliiirgpr Tempel 409
liatto sich iihcrlchi, er war zu einer leeren Form j^ewurden, das Her-
sagen von imverstäiullielien Gebeten, der abstoßende Gesang? der
Vorbeter, das iännciKlt' TreilxMi in den Synagogen waren niclit mehr
zeitc;einäli. sie Urachten keine l-irbauung, befriedigten (his An(hichts-
l)e(lürlnis nicht. Das waren ungewoiinte, hinge nicht gehörte Forde-
rungen, al)er es war auch ein neues Geschlecht mit völlig veränderten
Lebensbedingungen, lüe sie erhob. Als Versündigung gegen den Geist
der jüdischen Religion konnte es gewiß nicht gelten, wenn Maß-
nahmen getroffen wurden, die Gebetordnung zu vereinfachen, Weihe
und Feierlichkeit beim Gottesdienste wiederherzustellen. In einem
der Gutachten gegen den Tempel wird der ,, Abfall" der neuen Ge-
meinde als Strafe dafür erklärt, daß der Gottesdienst in Deutschland
an sehr vielen ^lißbräuchen krankte, daß die Besucher ihn durch
Fnterhaltung. mitunter sogar durch Zank und Streit störten. Das
war allerdings der Kern des Übels, eindrucksvoller konnten selbst die
Fürsprecher der Reform ihr Vorgehen nicht rechtfertigen; die Rab-
biner aber in ihrer rührenden Weltfremdheit sahen nicht ein, daß die
Mißstände durch das Festhalten an jenen Bräuchen bedingt waren,
an denen sie ihrer angeblichen Heiligkeit wegen nicht rühren lassen
wollten.
Durch ihren Einspruch begaben sich die Rabbiner völlig jedes
Einflusses auf den gebildeten, fortgeschrittenen Teil der Judenheit,
das Bestehen und Gedeihen des Tempels haben sie nicht gehindert.
Ob die Hamburger sich der vollen Tragweite ihres Vorgehens be-
wußt waren, ob sie sich als Vertreter eines neuen Prinzips fühlten,
läßt sich bezweifeln, der Tempel rechtfertigte in keiner Weise die
Hoffnungen und Besorgnisse, die man an seine Entstehung knüpfte.
Die revolutionäre Gesinnung, die vielleicht am Anfange in ihm herrschte,
war bald verflogen, die Mitglieder liebten ilire Behaglichkeit und Ruhe,
sie dachten mehr an ilu-e Geschäfte als an eine Umgestaltung der Re-
ligion, sie waren mit der neuen Einrichtung zufrieden, keineswegs
aber von kampflustigem Tatendrang oder opferfreudiger Begeisterung
erfüllt. Auch die Prediger des Tempels waren nicht ^Männer von über-
ragender Bedeutung, sie gingen in den Pflichten für die Gemeinde
auf und unter, ilu'e ganze Tätigkeit erschöpfte sich in Predigt und
Unterricht, zu geistigen Führern der Judenheit fühlten sie sich nicht
berufen und besaßen sie auch nicht die Fähigkeit, ^'iederschmetternd
war der Eindruck ihrer Persönlichkeiten, den Leopold Zunz in das
410 Geschichte des Gottesdienstes
vernichtende Urteil zusammenfaßte, daß ,,an einem ausgestopften
Rabbi im zoologischen Museum mehr Judentum zu studieren wäre,
als an den lebendigen Tempelpred^ern". Daß vom Tempel die Wieder-
geburt des Judentums ausgehen könnte, erwartete nach wenigen Jahren
niemand mehr, man konnte in ihm nicht mehr sehen als den Versuch,
ein Gebäude äußerlich herauszuputzen, an dessen Tragfähigkeit man
nicht recht glaubte, für dessen gründliche Ausbesserung man Aufwand
und Mühe nicht mehr für lohnend hielt. ,,Die Hamburger täuschen
sich gewaltig, wenn sie ihren Reformationsideen eine universelle Be-
deutung beilegen, aber es ist eine Täuschung, die man ihnen lassen
kann. Was brauchen sie zu wissen, daß sie selbst im Übergange sind?"
So schrieb schon 1824 Moritz Moser, dem nichts ferner lag als blinde
Voreingenommenheit gegen die fortschrittliche Bewegung.
Der Tempel mag als eine nicht uuAvichtige Episode gelten, als
„eine neue Epoche in der jüdischen Religionsgeschichte" kann der
Historiker sein Entstehen nicht bezeichnen, „Wir haben den Gottes-
dienst verbessern wollen, und dies ist geschehen, zum Reformator
fühle ich mich nicht berufen"; diese Worte des tatkräftigsten und
geistvollsten unter den Begründern des Tempels zeigen deutlich die
engen Grenzen des Unternehmens, dem entsprachen auch die Wir-
kungen. Der Tempel hat innerhalb seines kleinen Kreises zur Be-
kämpfung der Gleichgültigkeit beigetragen, er hat die Teilnehmer
an dem neuen Gottesdienste im Glauben befestigt, hat auch in solchen,
die der Synagoge fast entfremdet waren, die religiöse Begeisterung
aufs neue geweckt und aufrechterhalten. Darüber hinaus waren
seine Leistungen und Erfolge gering. Die bedeutsamste Tat des
Tempelvereins war 1820 die Einrichtung eines Filialgottesdienstes
in Leipzig, wo sich während der Feiertage, die meist mit der Oster-
und Herbstmesse zusammenfielen, zahlreiche Kaufleute aus Ham-
burg aufhielten; Besucher aus allen Ländern, besonders auch aus
Polen, Rußland und Ungarn lernten hier die neue Form des Gottes-
dienstes kennen und vieles daran schätzen. Sie berichteten in der
Heimat von dem, was sie gesehen hatten, und so verbreitete sich an
zahlreichen Orten Sinn und Verständnis für einen ansprechenden
Gottesdienst. Predigt und Chorgesang, Beseitigung der unverständ-
lichsten Stücke des Gebetbuchs und der Piutim, vor allem aber die
Herstellung von Ruhe und Ordnung in den Synagogen wmden in vielen
Gemeinden als dringendes Bedürfnis empfunden.
Weitere Reformen 411
Jnf2;rüL)en licMiiciiulen, wie in Wien und Prag, wurden eigene Tein|)el
mit Prodigtgottesdienst gegründet, in Prag erschien bei der Kinweihung
des Tempels 1837, trotz Chor und Orgel, das gesamte Rabbinat. In
Deutschland erließen die Regierungen einiger kleinerer Staaten
Synagogenordnungen, um einen würdigen und angemessenen Gottes-
dienst zu erzielen, und ließen sie auch gegen den Willen der Gemeinden
streng durcliführen. Rücksichtslos waren die Eingriffe der Juden-
ordnung in Sachsen-Weimar, die neben der Änderung vieler gottes-
dienstlicher Bräuche bestimmte, daß bis auf ganz wenige Ausnahmen
sämtliche Gebete nur in deutscher Sprache vorgetragen werden
durften. Der Landrabbincr Heß war von einem derart fanatischen
Hasse gegen das überlieferte Judentum erfüllt, daß er die Regierung
zu ihrem Vorgehen ermutigte, olnvohl sie gleichzeitig die rechtliche
Stellung der Juden verschlechterte, aber die Gemeinden stellten den
Reformen so entschiedenen Widerstand entgegen, daß sie erst nach
15 Jahren in Kraft gesetzt werden konnten. Auch in Preußen geriet
das Verbot von 1823 (oben S. 402) allmählich in Vergessenheit, die
(iemeinden konnten die deutsche Predigt als regelmäßige Institution
einführen. So regte sich allenthalben der Wunsch nach Neuerungen,
vor allem nach Verkürzung und Verschönerung des Gottesdienstes
und nach religiöser Belehrung, hier und da wurde auch wegen Ab-
stellung eines Mißbrauches oder Beseitigung eines Piut gekämpft,
im ganzen aber herrschte Ruhe und Erstarrung, die Offenbarungen
eines neuen Geistes waren nirgends wahrzunehmen; trotz aller Er-
neuerungsversuche geschah nichts Durchgreifendes, um den Verfall
aufzuhalten.
§ 45. Die Reformbewegung auf ihrem Höhepunkte.
Literatur: Philipson. Philippson, Bernfeld, JE das. Protokolle und
Aktenstücke der zweiten Rabbinerversammlung.
1. Auf die Gründung des Hamburger Tempels folgten trübe Jahre
für die deutschen Juden. Ihr messianischer Traum wurde jäh unter-
brochen, eine gewaltige Flut von Schmähschriften und die Hep-Hep
Bewegung brachten ihnen in Erinnerung, daß das Mittelalter, zu-
mindest für die Juden, noch nicht sein Ende erreicht hatte. Infolge
der zunehmenden Reaktion in allen deutschen Staaten rückte die
Aussicht auf Erlangung der Gleichberechtigung in weite Ferne. Das
Ideal, an dessen Verwirklichung zwei Generationen ihre ganze Kraft
412 Geschichte des Gottesdienstes
gesetzt hatten, war zerstört, die Hoffnung, die ihnen Mut und Halt
gegeben hatte, entschwunden, die Mehrzalil der gebildeten Juden verlor
das Vertrauen in die Zukunft ihrer Religion, viele suchten Anschluß
bei der herrschenden Kirche, andere lebten in stumpfer Verzweiflung
hin. ohne sich um die Glaubensgenossen zu kümmern. Die religiösen
Zustände nahmen eine trostlose Gestalt an, das alte Judentum verfiel
immer mehr, es fehlte ihm an Führern und an Bekennern, seine Lelirer
hatten keinerlei Verständnis für die Sprache und die Bestrebungen
ihrer Zeitgenossen, seine Anhänger übten die überlieferten Vorschriften
mit strengster Gewissenhaftigkeit aus, aber ohne jede innerliche Anteil-
nahme, daher auch ohne den Wunsch, sie den Nachkommen zu ver-
erben. Es wuchs ein Geschlecht heran, das ,,gott- imd sittenlos in
bloßem Sinnenrausche dahinlebte. Kein Religionsunterricht, keine
guten Beispiele, bloß Verspottung alles Guten und vollkommene
Ignoranz". Tiefer blickende Geister konnten es sich nicht verhehlen,
daß der Mangel an Glaubensinnigkeit und der verständnislose Formen-
dienst notwendig zum Abgmnd führen mußten, wenn nicht rechtzeitig
eine vollständige Umwandlung des Geistes im Judentum, eine gründ-
liche Reform einträte. Ein solcher Mahnruf waren Samson Raphael
H i r s c h s „Neunzehn Briefe'', die vermöge der Wärme der Emp-
findung und der Tiefe der Auffassung, die aus ilmen sprachen, auf die
Zeitgenossen einen überwältigenden Eindruck machten. Sie ver-
traten eine neue Anschauung von dem Entwicklungsgange und den
Aufgaben der jüdischen Religion und entfernten sich gedanklich
sehr weit von der herrschenden Lelire. Sobald er aber auf die Ge-
staltung des Lebens zu sprechen kam, ging Hirsch mit dem Stabilitäts-
prinzip wesentlich über den Schulchan Aruch hinaus; für seine Lehre
„beginnt und schließt das Judentum mit dem Schulchan Aruch und
dem Minliagbuche", eine Veränderung des religiösen Lebens konnte
sie demnach nicht herbeiführen. Etwa gleichzeitig hatte Abraham
Geiger den Begriff einer jüdischen Theologie auf der Grundlage der
geschichtlichen Kritik entwickelt. Auch er hatte zur Reform auf-
gerufen, nicht zu einzelnen Veränderungen und zu kleinen Verbesse-
rungen im Gottesdienste, sondern ebenfalls zu einer völligen Um-
gestaltung des gesamten religiösen Denkens und Lebens. Die Reform
bedeutete ihm ,,eine umgeänderte, neue Gestalt, ein verjüngtes Leben,
vom Geiste getränkte, dm'chdrungene Formen. Das Schwere wie das
Leichte, das Ganze wie das Einzelne soll Sinr und Bedeutung haben.
Der zwciti' ll,iiiil)iiixi'r 'l'ciiipristi'cit 4 [ ;■}
soll (It'U (ii'ist i'ilii'hiMi. (las llciz ciwäiiiKMi, (huiiil es auf dio ganze
Lebensäuliening Kinfluli habe". AUiiiählicli besserten sich die Zeiten,
die Cieniütor wurden idealen Forderungen wieder mehr zugänglich.
Mit den fortschreitenden Erfolgen des Bürgertums nach \H'M) gewann
auch die Sache der Juden mehr Aussicht, in (iabriel K i e Li e r er-
stand den .luden ein beherzter vSachwalter von hohem sittlichem
l'atlios. ihm gebührt das Verdienst, daß das Selbstbewußtsein der
deutschen Juden sich wieder hob, daß die überzeugungstreue wuchs.
Jede Reform auf religiösem Gebiete, die bezweckte, die bürgerliche
Kmanzi])ation zu erleichtern, lehnte Rießer mit Entschiedenheit ab;
der Eindruck seines Beispiels blieb nicht aus, als die badische und
die bayrische Kegierung als V(ub(>dingung für die Clewährung bürger-
licher Rechte gewisse Änderungen im religiösen Leben und in den
gottesdienstlichen Bräuchen forderten, wurde ihr Ansinnen entschlossen
zurückgewiesen.
2. Wenn auch die Stimmung sich änderte und allenthalben die
Vorboten einer neuen Zeit sich bemerkbar machten, so nahm die
Bewegung doch vorerst nirgends feste Gestalt an, bis wiederum durch
den Hamburger Tempel der Friede unterbrochen wurde. Diesmal
jedoch wurde ein Sturm entfesselt, der weithin wütete, die jüdische
Gesamtheit ergriff und den Anlaß zu einer grundsätzlichen Reform
des Gottesdienstes gab. Die Tempelgemeinde sah sich infolge des An-
wachsens ilirer Mitgliederzahl zu einer Erweiterung ihres Gottes-
hauses genötigt und beschloß, „dem Geist des zeitgemäßen Fortschritts
entsprechend" diese Gelegenheit zu einer Revision ihres Gebetbuchs
zu benutzen. Zu den Herbstfeiertagen 1841 erschien die neue Aus-
gabe unter dem doppelten Titel „min::? "no, Gebetbuch für die
öffentliche und häusliche Andacht der Israeliten, Gebetbuch für die
öffentliche und häusliche Andacht, nach dem Gebrauch des neuen
Israelitischen Tempels in Hamburg". Die Re\äsion bestand haupt-
sächlich darin, daß die wenig gehaltvollen deutschen Gebete durch
ergreifendere und wirksamere ersetzt wurden; die Piutim, welche sich
als viel zu zahlreich und daher unanwendbar erwiesen hatten, wurden
weggelassen. Die Stammgebete hingegen wurden erweitert und ver-
vollständigt, manches, was früher ausgefallen war, wurde wieder-
hergestellt. So erschienen vor allem die Gebete für die Wochentage
wieder; die einleitenden Benediktionen waren gekürzt und deutsch,
die Psalmen nicht wesentlich gekürzt und hebräisch, das Schma wie
414 Geschichte des Gottesdienstes
früher (S. 403), von der Tefilla die drei ersten und drei letzten Stücke
nebst der Keduscha hebräisch, die übrigen deutsch wiedergegeben,
zum Abscliluß folgten das Kaddisch und ein deutsches Lied. Die
Einschaltungen und Toravorlesungen wurden in alter Weise beibehalten.
Große TSeuerungen im einzelnen waren nicht vorgenommen worden,
es sollte ,,jede Abweichung, wo es irgend angängig war, vermieden
werden, der hebräische Ausdruck wurde mit besonderer Schonung
behandelt, jedem, wenn auch besseren neuen Ausdrucke wurde der
ältere geweihte vorgezogen". Bei der Tefilla z. B. war in der Über-
tragung der XIV. und XV. Bitte die nationale Hoffnung entsprechend
dem Vorgehen der L Auflage vergeistigt, in die Eulogie der XVII.
war die Lesart der alten Quellen (oben S. 31, 56) eingesetzt. Im ganzen
waren die Änderungen gegenüber der früheren Auflage gering und im
konservativen Sinne vorgenommen. Xiemand kam auf den Gedanken,
daß das Erscheinen des Gebetbuchs irgendwelche Erregung ver-
ursachen könnte, es wurde auch wälu'end sämtlicher Feiertage un-
beanstandet benutzt. Kaum aber waren die Feste vorüber, da erschien
eine lange Bekanntmachung (nr^-i^) des „Chacham" B e r n a y s ,
die an die Entscheidung des Rabbinats vom Jalu-e 1819 erinnerte und
es für verboten erklärte, das vorgescliriebene Gebet aus dem neuen
Gebetbuche zu verrichten. In der schroffsten. Form wurde von dem
neuen Gebetbuche gesprochen, es wurde ihm „willkürliche Verstümm-
lung, Auslassung, Abweichung tmd frivole Behandlung unserer religiös
verheißenen Zukunft, mutwillige Behandlung des Heiligen, Zer-
stückelung und Zerstörung fast aller Gebete" zum Vorwurf gemacht.
Eine solche Erklärung war von Bernays nicht erwartet worden. Er
war kein Rabbiner alten Schlages, er wußte Bescheid in allen Wissen-
schaften, in Philosophie und Kabbala, er hatte Gedanken über den
Entwicklungsgang des Judentums ausgesprochen, die in den Ohren
eines alten Rabbis, wenn er fähig war sie zu verstehen, wie strafwürdige
Ketzereien klingen mußten. Bei ihm hätte man mein* Besonnenheit
und Unbefangenheit voraussetzen dürfen, tatsächlich soll er auch
erst durch das Drängen seiner über das Wachstum des Tempels ver-
ärgerten Anhänger sich zu jener Erklärung haben verleiten lassen,
aber er überschritt doch mit seinen Vorwürfen das Maß des Erlaubten
und, was weit schwerer ins Gewicht fällt, die Grenzen der Wahrheit.
Es war daher nur begreiflich, daß sein Verhalten in den weitesten
Kreisen Tadel fand. Xicht nur, daß die Tempelgemeinde mit einer
Der zweilf Hamburger Tcmpelstreit 4] 5
geharnischten Erklärung sieh gegen die Einmischung verwalirte, aucli
Theologen, die am Gebetl)uchc des Tempels viel auszusetzen hatten,
erklärten ilire Entrüstung über die von Bernays beliebte Verketzerung
einer Gemeinde, für deren religiöses Eigenleben er bis dahin keinerlei
Interesse gezeigt hatte. Jnlolg«' der Unljesonnenheit der (Icgnur des
Tempels wurde das Erscheinen des neuen Gebetbuchs der Anlaß zu
einem erneuten Kampfe, der aber bei dem Ausgangspunkte nicht
stehen blieb, sondern zu einer folgenschweren prinzipiellen Entscheidung
fülnte.
3. Die Verhältnisse lagen nicht mehr so wie 1819, wo die ab-
lehnenden Gutachten der Rabbiner fast ohne Widerspruch hingenommen
wurden, inzwischen war eine neue Generation mit anderen Anschau-
ungen und Bestrebungen herangewachsen. Der Fortschritt wurde
niclit mehr von Männern vertreten, ,,die der Religion nicht gehörig
kundig waren und sich in seichtem Geschwätz der Aufklärerei ergingen''.
Inzwischen war die Wissenschaft des Judentums ent-
standen, der Weg zur geschichtlichen Erfassung der Religion gefunden
worden. Z u n z ' „Gottesdienstliche Vorträge" hatten in klassischer
Methode mit unwiderleglichen Beweisen die Tatsache der Entwcklung
der religiösen Institutionen dai'getan, es hatte sich gezeigt, daß der
jüdische Gottesdienst keineswegs von Anfang an dieselbe fertige Ge-
stalt und den gleichen Umfang gehabt hatte, sondern daß die Liturgie
fortwährenden Veränderungen unterworfen gewesen, daß sie aus
kleinen Anfängen hervorgegangen und durch ständige Bereicherungen
zu dem geworden war, was den Zeitgenossen von E^vigkeit her un-
verändert und unveränderlich erschien. Zunz hatte auch zu den
Zeitfragen Stellung genommen und das Ergebnis seiner Untersu-
chungen dahin zusammengefaßt, daß ,, keiner organisierten jüdischen
Behörde und keiner Gemeinde das Recht streitig gemacht werden
könnte, neue Gebete einzufüliren, sowie solche Zutaten zur Gebet-
ordnung meder abzuschaffen, welche durch Länge, Unverständlichkeit
und anstößigen Inhalt der Erbauung mehr hinderlich als förderlich
geworden". Als der wichtigste Teil der Verbesserungen erschien
ihm die Notwendigkeit „der Wiederherstellung, die Rück-
kelir von dem Mißbrauche zu dem Brauch, welches die Rückkehr von
der erstarrten zu der lebenskräftigen Form ist". Auf Zunz' For-
schungen hatte Geiger die jüdische Theologie aufgebaut; für ihn war
die Umgestaltung des Gottesdienstes nicht mehr Selbstzweck, sondern
4]^ß Geschichte des Gottesdienstes
ein Zweig des großen Reformprogramms, das die Lebensfrage des
Judentums bildete. Jetzt konnte man bei äußerlichen Änderungen
nicht mehr stehen bleiben, die gesamte R e 1 i g i o n s a n -
s c h a u u n g wurde auf eine neue Grundlage gestellt, es erhob sich
die Frage, wie weit die in den Gebeten vertretenen religiösen An-
schauungen den geläuterten Vorstellungen entsprachen. Es war ferner
eine jüdische Presse entstanden, in der die Streitpunkte eifrig be-
sprochen wurden, es bildete sich eine öffentliche Meinung, die für und
wider die vorgeschlagene Reform lebhaft Stellung nahm. Vor allem
aber gab es, was für den Gebetbuchstreit in Hamburg von Wichtigkeit
war. bereits eine ganze Anzahl Rabbiner mit moderner akade-
mischer Bildung, die von der Notwendigkeit gottesdienstlicher Re-
formen durchdrungen waren und sie in bescheidenerem oder größerem
Umfange in ihren Gemeinden durchgeführt hatten. Diesmal ist es
daher die Tempelgemeinde, welche theologische Gutachten über das
angefochtene Buch einfordert?, um festzustellen, ,,ob es wirklich den
israelitischen Religionslehren zuwider, und daher der Gebrauch des-
selben beim Gottesdienste nicht zulässig sei". Die Gutachten sind
weit davon entfernt, dem Gebetbuche uneingeschränktes Lob zu zollen,
die einen nehmen an den Abweichungen vom überlieferten Texte oder
an der willkürlichen Verschmelzung verschiedener Texte Anstoß, den
anderen gehen die Änderungen nicht weit genug, sie vermissen eine
folgerichtige Durchführung des Reformprinzips; alle aber stimmen
darin überein, Bernays Haltung mit Entschiedenheit zu verurteilen,
sie klagen ihn nicht nur wegen der Mißachtung der Gewissensfreiheit
an, sondern sprechen einem Rabbiner, der nichts zur Verbesserung der
Mißbräuche des bisherigen Gottesdienstes getan hatte, überhaupt das
Recht ab, in der Frage als Richter aufzutreten.
4. Für Hamburg war die Angelegenheit damit erledigt, sie war
aber durch den Schriftenkampf und das damit verbundene öffent-
liche Aufsehen eine Frage der jüdischen Gesamtheit geworden und
mußte einer allgemeingültigen Lösung zugeführt werden. Von mehreren
Seiten war seit längerer Zeit der Zusammentritt einer Rabbiner-
Versammlung befürwortet worden, der Tempelstreit trug mit
dazu bei, ihre Einberufung zu beschleunigen, am 12. Juni 1844 trat die
erste in B r a u n s c h w e i g zusammen. Die Rabbinerversamm-
lungen waren als unparteiische Vereinigungen gedacht, in denen alle
Richtungen sich zu gemeinsamer Beratung über Mittel und Wege
Die erste Rabbinerversammlung 417
zur AI)stollun<: der Schäden im zeitp^enössischcn Jiulentinne vereinigten,
sie sollten der Willkür und der Zersplitterung ein l^nde machen, eine
für die Gesamtheit annehmbare Auskunft aus den tagtäglich sich
ergebenden Schwierigkeiten suchen. Derjenige Teil der Rabbiner
aber, der alles Heil nur im Festhalten am Herkommen erblickte, hielt
sich geflissentlich von den Versammlungen fern und begab sich jedes
Einflusses auf die künftige Gestaltung der Verhältnisse der großen
Masse der deutschen Juden, es war seine Schuld, wenn die Vertreter
einer radikalen Reform das Übergewicht erlangten. Es entsprach
ihrer Bedeutung, wenn die gottesdienstlichen Probleme bei den Be-
ratungen über die [Neugestaltung des Judentums in die erste Reihe
traten. Von den Beschlüssen der ersten Rabbinervcrsammlung hatte
nur einer Beziehung zum Gottesdienst, es wurde die Abschaffung
des Kol Nidre empfohlen; es war eine Verkehrtheit, daß es im
Zusammenhange mit der Frage des Judeneides geschah, und daß auch
hier eine religiöse Tradtition dem politischen Streben zum Opfer fiel.
Dem Gottesdienste selbst wurde zunächst nur eine ausführliche Be-
sprechung gewidmet, eine Kommission erhielt den Auftrag, über die
folgenden sechs Punkte zu beraten:
1. ,,0b und wie weit die hebräische Sprache bei dem Gottesdienste
notwendig, und wenn auch nicht notwendig, doch vorerst noch
ratsam erscheine?
2. Inwieweit das Dogma des Messias und was mit demselben im
Zusammenhang steht, in dem Gebeten berücksichtigt werden
müsse?
3. Ob die Wiederholung der 18 Benediktionen notwendig sei und
die Musafim beibehalten werden müssen?
4. Auf welche Weise n-^^rr^ ns'^-ip und 'ST^p 't (das Vorlesen aus
der Tora und das Aufrufen zur Tora) eingerichtet werde?
5. Auf welche W'eise "lEiC ry^pn (das Posaune-Blasen) und
abib ni:"^"^: (Palmen-Halten) einzurichten sei?
6. Ob die Orgel beim jüdischen Gottesdienste rätlich und zu-
lässig sei?"
Es war keine geringe Aufgabe, die der Kommission zufiel, die Meinungs-
verschiedenheiten in der Versammlung hatten bereits ahnen lassen,
daß hier der Keim zu schweren Verwicklungen lag.
5. Die Beratung über den Gottesdienst füllte den größten Teil
der Sitzungen der zweiten Rabbinerversammlung aus, die in F r a n k -
El bogen, Der jüd. Gottesdienst. '^'
418 Geschichte des Gottesdienstes
fürt a. M. vom 15. bis 28. Juli 1845 tagte. Die Komission, welche
aus fünf Mitgliedern bestand, legte einen umfassenden Bericht vor,
er „verbreitete sich ausführlich über die Grundsätze, welche etwa bei
einer Reform des Rituales in Betracht kommen dürften, und gab zu-
gleich eine sehr genau ins einzelne gehende Übersicht der etwa vor-
zuschlagenden Liturgie für das ganze Jahr". Schon hier begannen
die Schwierigkeiten, ein Mitglied der Kommission hatte sich gegen jede
in Vorsclilag gebrachte Abänderung des öffentlichen Gottesdienstes
erklärt, die anderen waren ebenfalls nicht in allen Punkten einig und
verwahrten sich ausdrücklich gegen die Verantwortung für den vollen
Inhalt des Berichtes. Aus der IVIitte der Versammlung wurde ge-
tadelt, daß die Kommission selbständig über ihren Auftrag hinaus-
gegangen war und, anstatt sich mit der Beratung der sechs Fragen
zu begnügen, ein umfassendes Reformprogramm vorgelegt hatte;
es wurde ilu* daher aufgegeben, den Bericht in der Weise umzuändern,
daß er lediglich die Entscheidung jener Fragen enthielt. Wenn schon
bei der Behandlung der rein formalen Außenseite derartige Zwistig-
keiten entstanden, so konnte man voraussehen, wie sehr bei der sach-
lichen Beratung die Meinungen aufeinanderplatzen würden. Der
Kommissionsbericht ging von dem Grundgedanken aus, daß eine Reform
des Gottesdienstes im bisherigen Sinne nicht genügte, sondern daß
„eine neue organische Gestaltung desselben not täte", die ,, Gebrechen
des Gottesdienstes" werden als ,,die wichtigsten Ursachen des Mangels
an Teilnalune am religiösen Leben" hingestellt, durch ihre Abstellung
soUen die Synagogen wieder zu iln-er Würde erhoben, die Gemüter
ihnen zugewendet werden.
Die Debatte gestaltete sich selir heftig und unerquicklich, die
Meinungen waren noch so wenig geklärt wie das Jahr vorher in Braun-
schweig, die kurze Zwischenzeit reichte tatsächlich nicht hin, imi eine
Frage von solchem Umfange und solcher Tragweite nach allen Seiten
durchzuarbeiten. Für die Gestaltung des Gottesdienstes mußte die
Gesamtauffassung der Grundfragen der Religion maßgebend sein,
dazu aber war die jüdische Theologie eine noch zu junge Wissenschaft,
um für so zahh'eiche mchtige Probleme fertige Antworten liefern zu
können. Bei allen folgenden Abstimmungen machten sich die Folgen
des Fehlens eines leitenden Prinzips unangenehm fühlbar, die Mehr-
heit der Versammlung aber hielt es für wichtiger, Beschlüsse zu fassen,
als sich bei der Entscheidung von Grundsätzen aufzuhalten. Die
Die Uiibbinerversammlung in FiMiikliirt ;i. M. 419
erste Frage mußte melirfach geteilt werden, da sieh sonst ein Be-
scliliilj überhaupt nicht iierbeiführen ließ. Die Kommission hatte
die objektive Not\ven(lijz;keit des (Jebets in hebräischer Sprache ver-
neint, sie aber lediglicii vom Standpunkte des Talmuds und seiner
Kodifikatoren erwogen; darin fand sie keinen Widerspruch. Via fragte
sich jedoch, ob nicht aus anderen als den formal gesetzlichen, ob nicht
aus religiösen und historischen Gründen eine objektive Notwendigkeit
zur BeibeiuUtuug der hebräischen Sprache für die wichtigsten Ge-
bete anerkannt werden mußte. Hier schieden sich die Geister, nur
13 Stimmen erklärten sich dafür, drei waren unschlüssig, die Mehrheit
von 15 Stimmen stellte sich auf den Standpunkt, daß es das Ziel
bleiben müßte, vollständig in der Muttersprache zu beten,
daß es aber zurzeit noch ratsam wäre, auch hebräische Gebete
beizubehalten. Die Abstimmung brachte den ersten Zwiespalt in die
Versammlung, F r a n k e 1 sah sich veranlaßt, sich von ihr loszusagen
und in der Lösung der Reforrafrage seine eigenen Wege zu gehen.
Völlige Uneinigkeit ergab sich, sobald man zur Beratung der
Einzelheiten sciu-itt. Es lag nicht in der Absicht der Versammlung,
eine neue Liturgie zu schaffen, sondern aus der überlieferten beizu-
behalten, was möglich w^ar; über das Maß des Möglichen aber gingen
die Meinungen sehr auseinander. Die Kommission legte den voll-
ständigen Entwurf eines Gebetbuchs vor, jedoch war kaum einer der
Versammelten geneigt, ihn unverändert zu übernehmen. Die Kom-
mission hatte die hebräischen Gebete auf ein sehr geringes Maß be-
schränkt, sie schlug vor, nur den ersten Abschnitt des Sclima, die
ersten und letzten Benedilvtionen der Tefilla hebräisch zu sprechen;
das wurde als ein guter Rat hingenommen, aber fast übereinstimmend
als zu wenig erklärt. Die Messiasfrage barg schwierige,
bisher ungeklärte theologische Probleme in sich, Einigkeit herrschte
nur über den einen Punkt, „daß die Bitten um unsre Zurückführung in
das Land unsrer Väter und Herstellung eines jüdischen Staates aus
unsern Gebeten ausgeschieden werden" sollten. Im übrigen waren die
Anschauungen über den Ursprung und Inhalt der Messiasidee sehr
verschieden, man mußte sich daher mit der allgemeinen Entschließung
begnügen, daß ,,die Messiasidee in den Gebeten hohe Berücksichtigung
verdiente". Einen Fortschritt über die Lehre der alten Reformer
bedeutete es, wenn ausdrücklich dagegen Verwahrung eingelegt wurde,
daß der Messiasglaube in seiner alten Fassung gegen die Vaterlands-
420 Geschichte des Gottesdienstes
liebe verstieße. Für den Geist, der die Versammlung erfüllte, ist es
bezeichnend, daß mehrere Redner das messianische Zeitalter der
allgemeinen Menschenliebe als bereits gekommen und begonnen er-
klärten: eine glückliche Zeit, in der auf einen unmittelbar bevorstehen-
den Sieg des Rechtes, der Wahrheit und der Menschlichkeit mit Sicher-
heit gebaut werden konnte! Ohne Widerspruch wurde der Vorsclilag
angenommen, die Wiederholung der Tefilla abzuschaffen,
an Wochentagen sollte nach dem Wunsche der Mehrheit nur der Anfang
und das Ende, an Sabbaten und Festen alles sofort vom Vorbeter laut
vorgetragen werden. Die Kommission hatte in ihrer Mehrheit das
M u s a f g e b e t für unstatthaft erklärt, die Versammlung war zwar
entschieden gegen die Beibehaltimg der Bitte um Wiederherstellung
der Opfer, aber ebenso ungeteilt gegen die Beseitigung des ganzen
Musafgebets ; eine Mehrheit wünschte sogar die Aufnahme einer Er-
innerung an das einstige Opfer, selbst die Beibehaltung der Opferverse,
,,wenn der Text hebräisch bleibt", ein mit der sonstigen Stellung zur
hebräischen Sprache schwer vereinbarer Zusatz. Die Toravor-
lesung sollte in hebräischer Sprache beibehalten, jedoch verkürzt
und derart eingerichtet werden, daß sie keine Störung der Ordnung
veranlaßte. Die Kommission hatte Einführung des dreijährigen Zyklus
vorgeschlagen, was mit großer Melirheit angenommen wurde; auch
das Torafest sollte nur alle drei Jahre gefeiert werden. Die Vorlesung
sollte ohne Kantilene stattfinden, der vorgelesene Abschnitt nachher
in der Muttersprache wiedergegeben werden ; über die Art
dieses „modernen Targums" gingen die Meinungen sehr auseinander.
Neben der Tora sollten nicht nur Propheten, sondern auch
Hagiographen zur Verlesung kommen, jedoch nur in deut-
scher Sprache und, nach dem Wunsche der Mehrheit, im Vormittags-
gottesdienst. Das Buch Esther sollte nur einmal verlesen werden.
Im Gegensatz zur Kommission wünschte eine große Mehrheit das
Beibehalten des A u f r u f e n s , jedoch die Abschaffung des Tora-
abschnittes für den Maf tir. Die Frage des Schofar und des Feststraußes
wurde vertagt. Endlich wurde einstimmig beschlossen, daß die 0 r g e 1
in der Synagoge nicht nur zulässig ist. sondern auch am Sabbat von
einem Israeliten gespielt werden soll und kann. Eine Kommission
wurde mit der Bearbeitimg eines Gebetbuches auf Grund der gefaßten
Beschlüsse betraut, die Wahl verriet -wiederum die große Uneinigkeit
der Versammlung, die sich bei den Beratungen der Kommission in
Die Besclilüsse der Rabbinorversarninlungen 421
erschrockenclor Weise wiederholte; zur Ausführung des Auftrags ist
es nie gekoimuen, weil die Kabbinerversaiundung nur noch einmal
zusammentrat, in Breslau (13. bis 24. Juli 184()) stand die Sabbat-
frage im Vordergrunde, der Gottesdienst wurde hicrlxi nur insofern
berührt, als ein Vorsehlag auftauchte, Sonntagsgottesdienste ein-
zuführen, der jedoeh nieht die .Mehrheit fand. Es wurde dort ferner
beschlossen, daß die zweiten Feiertage abgeschafft werden konnten,
und daß das Schofarblasen am Neujahrstage, der Feststrauß am
Hüttenfeste auch am Sabbat nicht ausfallen sollten.
Die Beschlüsse der Rabbinerversammlungen hatten ein ähnliches
Schicksal wie das Gebetbuch des Tempels ; sie wollten allen Genüge tun
und befriedigten niemand. Den Positiven hatten sie zu wenig, den
Radikalen zu viel von der alten Liturgie stehen lassen; diejenigen, die
mit dem herkömmlichen Gottesdienste vertraut waren, verwarfen die
Vorschläge, weil sie ihnen zu weit, die anderen, weil sie ihnen nicht
weit genug gingen. Die von den Wortführern der Rabbinerversamm-
lungen vertretenen Theorien erweckten in den Vertretern der radi-
kalen Reform die Hoffnung auf eine völlige Lossagung vom rabbi-
nischen Judentume, eine Hoffnung, der die Erfüllung nicht folgte,
die erwartete Verständigung zwischen den versammelten Rabbinern
und den Reformfreunden blieb aus. Die erste Absage an die Rabbiner-
versammlung war das Verfahren bei der Einrichtung eines Gottes-
dienstes für die Herbstfeiertage 1845 durch die „Genossenschaft für
Reform im Judentume" in Berlin.
6. Die Geschichte der Entstehung jener Genossenschaft, die
später den Namen J ü d i s c h e R e f o r m g e m e i n d e angenommen
hat, ist bekannt. In erster Linie war es die Unzufriedenheit mit den
Gemeindeverhältnissen in Berlin und der Wunsch nach religiöser
Erneuerung, die zu ihrer Gründung führten. ,,Die religiösen Zu-
stände der Berliner Gemeinde waren in vielen Beziehungen verrottet
zu nennen. Während die halsstarrige, streng konservative Partei auch
den unschuldigsten Neuerungen, welche man, um wenigstens dem ästhe-
tischen Bedürfnisse und dem gesunden Menschenverstände einen kärg-
lichen Zoll zu entrichten, einzufüliren versuchte, den hartnäckigsten
Widerstand entgegensetzte, fanden auf der andern Seite, alle dem
Geiste und Wesen des Judentums treugebliebenen, die sich nach einer
innerlichen Regeneration sehier ewigen Ideen und einer Verschmelzung
derselben mit dem höheren Religionsbewußtsein der Gegenwart
422 Geschichte des Gottesdienstes
sehnten, in der Richtung einer durchaus äußerlichen Restauration
der Zeremonialinstitute, sei es auch in einem modernen Gewände,
keinerlei tiefere Befriedigung." Die Lage der Gemeinde war recht
traurig, Beobachter aus den verschiedensten religiösen Lagern klagen
übereinstimmend über den zunehmenden Verfall und die wachsende
Entfremdung weiter Kreise. Sachs vermochte infolge seiner un-
erbittlichen konservativen Strenge auf jene, die dem religiösen Leben fern
standen, nicht die starke Wirkung auszuüben, zu der sein Prediger-
talent und seine klassische Persönlichkeit ihn befähigt hätten. Die
imbefriedigte Sehnsucht nach einer ansprechenden Form der religiösen
Übung suchte Erfüllung in jener radikalen Lösung, mit welcher die
Genossenschaft für Reform ins Leben trat. Es war ein tiefernstes
religiöses Streben, das die Gründer der Genossenschaft erfüllte. „Wir
wollen: Glaube; wir wollen: positive Religion; wir wollen: Judentum.
Wir halten fest an dem Geist der Heiligen Sclu-ift, die wir als ein Zeugnis
göttlicher Offenbarung anerkennen, von welcher der Geist unserer
Väter erleuchtet wurde. Wir halten fest an allem, was zu einer wahr-
haften, im Geiste unserer Religion wm^zelnden Gottesverehrung gehört.
Wir halten fest an der Überzeugung, daß die Gotteslehre des Juden-
tums die ewig wahre sei, und an der Verheißung, daß diese Gottes-
erkenntnis dereinst zum Eigentum der gesamten Menschheit werden
wird". Dieses umfassende Bekenntnis verlor ^iel von seinem Werte
durch die Grundsätze, nach denen es ausgelegt wurde. Deren
erster war das uneingeschränkte Selbstbestimmungsrecht; der ange-
strebte ,, Ausgleich z^^ischen Leben und Lehre" wurde auf einer selir
unbilligen Grundlage vollzogen, nur das Leben mit allen seinen Irr-
tümern und Verkehrtheiten blieb maßgebend, die religiösen Formen
mußten den Gewohnheiten einer dem geschichtlichen Judentum ent-
fremdeten Gemeinde weichen. Es war eine Fortsetzung dieses IiTtums,
wenn die Gemeinde von den politischen Verhältnissen Deutschlands
ihren Ausgang nahm, sich auf die deutschen Glaubensgenossen be-
schränken wollte; der Gegensatz von religiöser und vaterländischer Ge-
sinnung hatte keine innere Berechtigung, eine wirklich religiöse Re-
form mußte für alle Juden anwendbar sein. Und endlich war es eine
Verkennung der Wirklichkeit, wenn die Gemeinde die Erfüllung des
messianischen Berufes des Judentums für sich allein in Anspruch
nahm; dieses Streben verfolgte die gesamte Judenheit, freilich auf
dem Boden des geschichtlichen Judentums, nicht auf dem des freien
Die Berliner Heformgemeinde 423
Mt'iisclu'nluiiis , wie die Worlliiliicr der (loiiossciisclial't verkün-
det oii.
Kurz nach Bogründunjn; der Genossenschaft wurde der lieschluli
gefaßt, ,.ziir Befriediiriiiigch's in derselben sieli kundgebenden religiösen
Bedürfnisses einen provisorischen (.lottesdiensl zunächst für die bevor-
stehenden großen Feste einzurichten." Der Gottesdienst war von dem
herköniinlichen grundsätzlich verschieden. ^Jänner und Frauen saßen
in demselben Räume, die einen auf der rechten, die anderen auf der
linken Seite. Die Männer erschienen ohne Kopfbedeckung und durften
keiiuMi Tallis tragen. Der Gottesdienst wurde vollständig in
deutsche r Spraclie gehalten, nur ganz wenige Bibelstellen wie das
Schnui, die Keduscha, der Priestersegen wurden hebräisch und deutsch
vorgetragen, die Gebete von Chorgesang und Instrumentalmusik be-
gleitet. Jedes Vorrecht der Ahroniden fiel nach den Grundsätzen der
Gemeinde weg, der Priestersegen wurde vom Prediger gesprochen
und vom Chor wiederholt. Es war ferner beschlossen worden, am
Neujahr das Schofarblasen zu unterlassen, am Versöhnungstage den
Gottesdienst durch eine mehrstündige Pause zu unterbrechen.
Die Gebete mußten für diesen in seiner Art neuen Gottesdienst
eigens bearbeitet werden. Es wm-den die wesentlichsten älteren Ge-
bete aufgenommen und neue eingereiht, ,,die besonders die geschicht-
lichen Erinnerungen und die tieferen Festgedanken im gehobenen Tone
der älteren Gebetstücke vor die Seele des Betenden führten". Die
vorherrschenden Gedanken der Gebete waren diejenigen, welche im
Programm der Gemeinde an erster Stelle standen, nämlich der Ge-
danke der opfermutigen Hingebung und des Priestertums Israels,
sowie die IVIission, die es unter den Völkern zu erfüllen hatte. Gerade
am Neu Jahrstage, an dem die messianische Idee in den überlieferten
Gebeten im Mttelpuukte steht, war die Durchführung dieser Ge-
danken nicht allzu schwierig. Da ferner festgesetzt war, daß der
Gottesdienst nicht von aUzu langer Dauer sein sollte, da überdies zu
jedem Gottesdienste eine Schrift Vorlesung in hebräischer und deutscher
Spraclie und eine Predigt gehörten, mußten die Gebete auf ein geringes
Maß verkürzt werden. Die Gebete für den N^eujahrsabend liielten
sich ziemlich in dem Umfange der alten Gebetordnung. Am Vor-
mittag wurde nur e i n Gebet gesprochen, es entsprach dem Schacharis ;
um die beibehaltenen hebräischen Stellen, Schma und Keduscha,
gruppierten sich Gebete, die dem herkömmlichen Jozer und der Te-
424 Geschichte des Gottesdienstes
filla entlehnt waren. Da Musaf wegfiel, wurde ein Teil seines Inhalts
ebenfalls übernommen; dazu kamen lange Auseinandersetzungen und
Keflexionen im Sinne der Grundgedanken der Gemeinde. Die Ge-
bete wui'den vom Vorbeter „in streng oratorischer Form, ohne alle
Melodie" vorgetragen, ab und zu durch ein stilles Gebet der Gemeinde
oder durch Chorgesang unterbrochen. Der Eindruck der Gottesdienste
war ein tiefer; 600 Teilneluner fanden sich zu ihnen ein und waren
alle von Begeisterung ob der seit langem fehlenden Erbauung erfüllt.
Die Wh'kung für die Gemeinde war außerordentlich günstig, sie zählte
damals in Berlin 327 und auswärts 426 Mitglieder, eine Ausbreitung,
die sie nie wieder erreicht hat.
Die bedeutsamste Folge aber war, daß die Mitglieder eine Wieder-
holung des Gottesdienstes wünschten und vorschlugen, ihn zu einer
ständigen Institution auszugestalten. Am 2. April 1846 bezog
die Gemeinde ein eigenes Gotteshaus, nach langen Kämpfen wurde
beschlossen, den Gottesdienst zweimal wöchentlich, am
Sabbat und am Sonntag, zu halten; die maßgebenden Mtglieder er-
klärten sich für den Sabbatgottesdienst und stimmten entschieden
gegen eine Verlegung des Sabbats auf den Sonntag, es wurde schließ-
lich eine Einigung dahin erzielt, daß der Gottesdienst an beiden Tagen
als durchaus gleichberechtigt bestehen, daß beide nicht als fest-
tägliche behandelt werden sollten. Schon 1849 ging der Sabbatgottes-
dienst wegen mangelnder Beteiligung ein. Der Gedanke, daß der
Sonntag der eigentliche Ruhetag der Gemeinde wäre, gewann
immer mehr an Boden, der Gottesdienst am Sonntag erhielt einen
ausgesprochenen festtäglichen Charakter. Von den Festen wurden
außer am Xeujahr immer nur die ersten Tage, am Pesach auch der
siebente und am Hüttenfest der achte Tag im Gottesdienste gefeiert,
andere Erinnerungstage des jüdischen Jahres wurden nicht beachtet;
hingegen wurde die Konfh-mation als ein feierlicher, gottesdienstlicher
Akt eingeführt. Das Gebetbuch wurde bei dem Fortschritt des Gottes-
dienstes nach Bedarf hergestellt und meistens mit einer gewissen Eile
bearbeitet. Als Holdheim 1847 als Prediger in die Gemeinde eintrat
und ihren Lehrinhalt theologisch bearbeitete, erkannte er sofort die
Notwendigkeit, das Gebetbuch einer neuen Bearbeitung zu unterziehen,
aber erst 1856 wurde eine gründliche Revision vorgenommen. Selbst
Holdlieim hatte auszusetzen, daß die Gemeinde anfangs revolutionär
und zu negierend vorging. Er vermißte die Berücksichtigung der
Die Berlinor lieformgemeinde 425
historisclieii ÄluineiUe, deren Felilon dem Gottesdienste einen nur
,.h;ill)jiidischen" Cliarakter gab, er erkannte endlich, dal.» ,,in den
neu eingeführten Cieheteii wenit^'er f^a-oße Geistesschöpfungen, als
moderne Phrasen" vorlagen. Im Interesse des historischen Judentums,
um die Berührungspunkte mit der Geschichte und der Gesamtheit der
(ienieinde mehr hervortreten zu lassen, forderte er eine Umarbeitung
des Gebetbuchs; in den Gebeten sollten biblischer Geist und biblische
Form herrschen, sollten auch die treibenden Ideen der Reform zu
deutlichem Ausdruck gelangen. Der Gottesdienst bestand nach
Holdheims Umarbeitung jedesmal aus drei Teilen, er begann mit
einem Choral, es folgten die eigentlichen Gebete und zuletzt nach
der Vorlesung aus der Tora und der Predigt ein SchluLJgesang. Die
( lebete waren in verschiedenen Fassungen geboten, neun Zyklen wurden
ausgearbeitet, die einander ablösen sollten, ,, wodurch ein indirektes
Zugeständnis gegeben schien, daß die Gebete in der Landessprache mit
der Zeit ermüdend wirken müssen". Der Aufbau der Gebete blieb der
in den Anlangen der Gemeinde festgestellte, auch die äußere Form uiul
Anordnung des Gottesdienstes blieb unverändert. Das Gel)etl)uch
ist auch später vielfach Verbesserungen in kleinerem oder geringerem
Umfange unterworfen worden, die das Wesen des Gottesdienstes
nicht berührten.
Eine grundsätzliche Umgestaltung erhielt das Gebetbuch 1885, vor
allem aber bei der Neubearbeitung, die gelegentlich des fünfzigjährigen
Bestehens der Gemeinde durch M. L e v i n vorgenommen wurde. Die
Choräle fielen vollständig fort, sie wurden durch biblische Psalmen
ersetzt. Auch die Gebete wurden einheitlich gestaltet, für jeden
Sonntag derselbe Text festgesetzt. Die Gebetordnung Avurde grund-
sätzlich an das a 1 1 e G e b e t b u c h wieder angeschlossen ; die leiten-
den Ideen der Gemeinde behaupteten ihre alte Stellung weiter, aber
der Aufbau der Gebete folgte der traditionellen Form, die alte Fassung
der Benediktionen ist in ihrer Schlichtheit wieder aufgenommen. Das
auf die ersten beiden Sätze verkürzte Schma ist wie seit der ältesten
Zeit wieder von seinen Benediktionen eingefaßt, die Tefilla erscheint
wieder in Gestalt eines Sieben-Gebets, die Keduschaverse bringt sie
in hebräischer Sprache. Auch für das Ausheben und Einheben der
Tora sind an Stelle der früheren Choräle Bibelstellen gesetzt, das Gebet
schließt mit einer verkürzten Fassung von Olenu und dem hebräischen
Priestersegen. Auch darin ist eine grundsätzliche Abweichung von
426 Geschichte des Gottesdienstes
der älteren Auffassung eingetreten, daß der Gottesdienst am Sonntag
nicht mehr als festtäglicher beti'achtet wird. IN'ach denselben Prin-
zipien ist auch der Gottesdienst für die Festtage bearbeitet, jeder
Festgottesdienst erhielt sein besonderes eigentümliches Gepräge; wenn
man etwa die Liturgie für den Versöhnungstag mit der früheren Fassung
vergleicht, so ■vNdrd die Annäherung an die jüdische Überlieferung
ganz besonders deutlich.
Die große Einwirkung auf die Umgestaltung des deutschen
Judentums, welche die Begründer der Reformgemeinde erhofft und die
Gegner gefürchtet hatten, ist nicht eingetreten. Die Ausdehnung der
Gemeinde ist eine sehr bescheidene geblieben, außerhalb Berlins
kam es nirgend in Deutschland zur Einrichtung eines ähnlichen
Gottesdienstes, die auswärtigen l^Iitglieder fielen allmählich wieder
ab. Sogar in Berlin hat die Anziehungskraft der Gemeinde nicht
zugenommen, der Kreis ihrer Mitglieder hielt sich seit 1854 immer
in denselben Grenzen, die anfängliche große Begeisterung wich all-
mählich zunehmender Lauheit und Gleichgültigkeit. Die große
Mehrzahl der deutschen Judenheit hat der Reformgemeinde keine
Gefolgschaft geleistet, ihre radikalen Änderungen der bestehenden
gottesdienstlichen Einrichtungen bedeuteten einen gewaltsamen Bruch
mit der Tradition, der geschichtliche Zusammenhang war hier voll-
ständig aufgegeben, die wenigen Gedanken, welche von den Begründern
der Gemeinde aus dem alten Judentum mit übernommen wurden,
konnten nicht hinreichen, die gewaltige Kluft auszufüllen, welche
sie von den Vorfahren trennte. Die Gründer der Gemeinde ließen
sich auch allzuselir von rein verstandesmäßigen Erwägungen leiten
und vernachlässigten die Forderungen des Gemüts, für die Dauer
vermochten sie daher mit ihren Einrichtungen keine Erfolge zu er-
zielen.
7. Der Radikalismus, mit dem die Reformgemeinde Ou'e gottes-
dienstlichen Einrichtungen ausbildete, war, da er für eine eigens
hierzu begründete Gemeinschaft dienen sollte, leicht durchzuführen.
Weit schwieriger gestalteten sich die Verhältnisse in den alten Ge-
meinden, in denen nach den Beschlüssen der Rabbinerversammlung
mit der Einrichtung der neuen Liturgie vorgegangen werden sollte.
Die Gemeinden waren nicht einheitlich und in ihrer Melu'heit den
Reformen durchaus nicht geneigt. Von einer Begeisterung für das
allzu stürmische Vorgehen der Frankfurter Beschlüsse konnte nirgends
Gegnerschaft gegen Reformen 427
die Rode sein. Im (!('i!,('iitci!. die Hochachtung vor dem Minhag be-
stand in aller Kraft fort, um jede AI»Nveichiiiig vom Herkommen der
Gemeinde muüle ein het'tii^er Karnj)!" gel'idirt werden; sogar wegen so
geringfügiger Dinge, wie das Aufrufen zur Tora mit Namensnennung,
oder wegen der i^eseitigung des ersten 'jp^'S 2ip^, des Gebets für die
alten, seit Jalirhunderlen nicht mehr bestehenden babylonischen
Behörden, entspannen sich tiefgehende Streitigkeiten. Selbst in Polen,
das in Deutschland allgemein als ein Land der Finsternis versclirieen
war, einigte man sich viel k>ichter auf die Abstellung gewisser Unsitten
oder die Auslassung der l'iutim; der Unterschied war eben der, daß
man es dort meist mit talmudisch gelehrten Männern zu tun hatte,
die mit dem Entwicklungsgang des Gebetbuchs mehr oder minder
vertraut und nicht der vollständigen Verknöchcrung und Buchstaben-
anbetung verfallen waren, die in den deutschen Gemeinden vielfach
herrschte. Der schwerste Mißstand, der sich damals und seitdem
wiederholt, namentlich in großen Gemeinden, fühlbar gemaclit hat,
war der, daß Männer, die für ihre Person sich von der Beobachtung
der herkömmlichen jüdischen Satzungen vollständig losgesagt hatten,
gegen die Änderung des unwesentlichsten Brauches in der Synagoge
so entschieden Stellung nalmien, als wäre dadurch der Bestand des
Judentums gefährdet. Von einer Durchführung der Beschlüsse der
Rabbinerversammlung war daher nirgends die Rede, selbst wo die
Regierung hinter den Reformern stand und die Einführung von Syn-
agogenordnungen begünstigte, durfte man es nicht wagen, so weit-
gehende Reformen in Vorschlag zu bringen. In den meisten deutschen
Gemeinden kam es daher nur zu einer Verkürzung des Gottesdienstes
durch Abschaffung einiger besonders unverständlicher Stücke des
Gebetbuchs, durch teilweise oder vollständige Beseitigung der Piutim,
die man an den beiden ernsten Festen beibehielt; ferner wurde für die
Herstellung der äußeren Ordnung in der Synagoge, für würdevolle
Haltung, für Mäßigung und Ruhe gesorgt, in den meisten Gemeinden
wurde Chorgesang eingeführt. Neben die deutschen Predigten traten
ferner einige deutsche Gebete für die Behörden und für besondere
Gelegenheiten sowie für das Ausheben und Einheben der Tora. Bis
zu diesem Grade wurden die Reformen selbst in Gemeinden mit ortho-
doxer Leitung angenommen.
8. Das Schibbolet der Parteien wurde die Orgel oder andere
Instrumentahnusik, um ihre Anerkennung ist in der ersten Zeit der
428 Geschichte des Gottesdienstes
Keformen der Kampf am allerheftigsten entbrannt. In fast allen
größeren Gemeinden wurde nach und nach ein Gottesdienst mit
Musikbegleitung eingerichtet, die Folge davon war fast durchweg,
daß ein Teil der Gemeinde einen besonderen Gottesdienst nach her-
kömmlicher Art abhielt. Mit der Benutzung der Orgel war durchaus
nicht eine Änderung der Gebete unabweisbar verbunden, in den
meisten Fällen wurden zuerst nur einige deutsche Lieder neben ihr
eingeführt. Die Reform des Gebetbuchs kam erst ganz all-
nicählich. 1854 veröffentlichte Abraham Geiger das erste refor-
mierte Gebetbuch, das zum wirklichen Gebrauch einer Gemeinde
bestimmt w^ar. Das Gebetbuch entsprach keineswegs den Grundsätzen
der Rabbinerversammlung, der gesamte Gottesdienst blieb in he-
bräischer Sprache, die Gebete waren wohl ein wenig verkürzt,
die Piutim waren weggelassen, aber das Gebetbuch als Ganzes war
das herkömmliche. Änderungen hatten nur diejenigen Stellen er-
fahren, welche sich mit Geigers allgemeinen Anschauungen nicht ver-
trugen; so waren gehässige Ausdrücke gegen Andersgläubige gestrichen,
die Bitten um Wiederherstellung der Opfer und des jüdischen Staates
beseitigt und durch solche rein geistigen Inhalts ersetzt, auch die Er-
wähnung der Auserwählung war in ilirem Ausdrucke abgeschwächt.
Wirklich neu war im Gebetbuch der deutsche Text, denn er
brachte nicht eine wortgetreue Wiedergabe des Hebräischen, sondern
eine vollständig freie Umarbeitung in einer klassischen, modernen
Form; freilich war der deutsche Text für die Privatandacht und nicht
für den Gottesdienst der Gemeinde bestimmt. Die Schriftvorlesung
war nach dem dreijährigen Zyklus, die Haftara nur deutsch und in
neuer Auswahl der Texte vorgesehen. Am Eingang der Sabbate und
Feste, vor und nach der Predigt sowie an den oben bezeichneten
Stellen sind Gebete oder Gesänge in deutscher Sprache beigegeben.
Geiger selbst hatte m'sprünglich viel weitergehende Wünsche für die
Reform des Gebetbuchs, sah sich aber bei der Bearbeitung zu einer
Anpassung an die Anschauungen und an die Bedürfnisse seiner Ge-
meinde genötigt. In späteren Jahren hat er für seine neuen Wirkungs-
kreise in Frankfurt und in Berlin eine erneute Bearbeitung des Gebet-
buches vorgenommen, die in je einer Fassung für West und Ostdeutsch-
land erschien. Darin ist das deutsche Element stärker berücksichtigt
und auch die Verkürzung an manchen Stellen strenger durchgeführt,
einige Stücke sind nach fortgeschrittenen theologischen Anschauungen
Der weitere \'erlauf der Reformbewegung 429
mehr uiui^earboitot. Im ^'aiizen aber l)ewalirt aiicli dieses (jel)etbiicli,
(las in vielen Gemeinden eingeführt wurde, (Umi herkömmlichen
Charakter.
Das Breslaiier GebetlMuh (ieigeis wurde durch M. Joel später
noch mehr dem Herkommen angepaßt, manclie Änderungen, z. B.
diejenigen bei der Auserwähhing, den Opfergebeten wurden nicht in
demsell)en Umfange wie bei deiger beibeiialten. Was al)er vor allem
den eigentümlichen Charakter dieser l'marbeitung bestimmte, war
die Anordnung, daß der traditionelle Wortlaut neben dem geänderten
in kleinen Typen zum Abdruck kam, so daß der Vorbeter zwar den
reformierten Text vortrug, es jedem einzelnen aber unbenommen war,
das gewohnte Gebet zu sprechen. In Joels Gestaltung hat sich das
Gebetbuch dann in zalil reichen großen und kleinen Gemeinden ver-
breitet, es entsprach am meisten dem Standpunkte der positiven
historischen Reform . der durch Frankeis Schule in Deutschland
vorherrschend wurde. Geigers und Joels Gebetbücher blieben der
Typus, nach dem die deutschen Reformgebetbücher eingerichtet
wurden; in Einzelheiten des Ausdrucks und in den eingeschalteten
deutschen Cxebeten herrschte die größte Mannigfaltigkeit.
9. Die Begeisterung für die Reformen nahm sehr rasch ab, die
lebendige Bewegung trat zurück, man gab sich mit dem, was bereits
errungen war, zufrieden. Auch als die Rabbinerversammlung in
Kassel 1868, die Leipziger Synode 1869 neue Vorschläge zur Reform
des Gottesdienstes machten, rief das keinen tieferen Eindruck mehr
hervor. Die Beschlüsse der Synode waren außerordentlich gemäßigt
und verrieten einen weit positiveren Geist als die der Rabbinerver-
sammlung von 1845. Die Synode sprach sich für Beibehaltung der
Toravorlesung in hebräischer Sprache aus, sie wünschte die wöchent-
lichen Abschnitte zwar verkürzt, aber die Innehaltung des einjährigen
Zyklus und überließ es den Gemeinden, auf welchem Wege sie die
beiden Forderungen in Einklang bringen wollten. Die Haftara sollte
in der Landessprache vorgelesen und nicht lediglich aus den Propheten,
sondern auch aus den Hagiographcn ausgewählt werden. In der Um-
gestaltung der Gebete schloß sie sich an die bereits von Geiger be-
folgten Grundsätze an. Sie sprach sich endlich gegen die Wiederholung
der Tefilla aus. Der Festgottesdienst sollte im großen und ganzen der
herkömmliche bleiben, an Sabbaten und Festtagen sollten die Piutim
ausfallen, am Neujahrs- und Versöhnungstage jedoch sollten einige
430 Geschichte des Gottesdienstes
besonders inhaltreiche beibehalten werden und mit ausdrucksvollen
deutschen Gebeten abwechseln. Über das Maß der von der Allgemein-
heit anerkannten Reformen ging erst das Gebetbuch hinaus, welches
H. V 0 g e 1 s t e i n im Auftrage der westfälischen Gemeinden 1894
veröffentlichte. Das deutsche Element trat sehr stark hervor, der
hebräische Teil wurde entsprechend verkürzt, die Gebettexte wurden
in einigen Punkten, wie in der Auserwählung und dem Messianismus,
noch mehr als früher geändert. Eine wichtige Neuerung dieses Ge-
betbuches war die gleichzeitige Einführung einer Schulausgabe, mit
welcher die Jugend von Anfang an auf den Gottesdienst der Gemeinde
vorbereitet werden sollte. Hier war zum erstenmal in der Reform-
bewegung für einen größeren Kreis von Gemeinden ein gleichmäßiges
Gebetbuch hergestellt worden. Einen ähnlichen Versuch, für ein
ganzes, wenn auch kleines, Land ein gleichmäßiges, modernen x\n-
sprüchen entsprechendes Gebetbuch einzuführen, unternahm 1905
der Großherzogliche Oberrat der Israeliten in Baden ; die Annahme des
von ihm mit großer Sorgfalt unter Vermeidung vieler Fehler der
früheren Gebetbücher bearbeiteten Werkes scheiterte jedoch an dem
heftigen Widerstände der orthodoxen Partei, die jeder Änderung ihr
altes Non possumus entgegensetzte und die Abweichungen vom
üblichen Texte zum Teil mit denselben Argumenten bekämpfte, die
1819 gegen das erste Gebetbuch des Hamburger Tempels vorgebracht
worden waren.
§ 47. Die Reformbewegung außerhalb Deutschlands.
Literatur: Philipson, das.; JE das.
1. In fast allen fortgeschrittenen Ländern gestalteten sich die
Lebensbedingungen der Juden im 19. Jahrhundert ähnlich wie in
Deutschland, infolgedessen entstanden allenthalben dieselben Be-
wegungen, dieselben Kämpfe. Mit der Überwindung des geistigen und
sozialen Ghettos, mit der Verbesserung der Bildung und Erweiterung
des Gesichtskreises machte sich unter den Juden die Unzufriedenheit
mit dem herkömmlichen Gottesdienst geltend; die wenig würdige
äußere Form wurde als störend empfunden, der imverständliche In-
halt bot Anlaß zur Klage. Die unter den günstigeren äußeren Ver-
hältnissen aufgewachsenen Geschlechter fühlten sich dem Gottes-
dienste entfremdet, es war die Frage, ob sie in völlige Gleichgültigkeit
Die Hi'foniihewL'guii^ aiiLlcrhalb Deutschlands 431
verfalltMi oder diiicli Ahstcllmig der Mißstände, diiicli Jlerstolluiig
einer angemessenen Im)i in des Gottesdienstes wiedergewonnen werden
sollten. Die Kcfornien im (lotlesdienste wurden Lebensfragen
für den Fortbcstand der (Jlaubonsgemeinscliaft. In allen Kultur-
ländern hat die äußere Gestalt des (iottesdienstes mehr oder minder
eingreifende Verbesserungen erfahren, überall wurde Chorgesang
eini;eführt, in Frankreieh und Italien aueh Orgelbegleitung, während
die Liturgie unverändert blieb. In manchen Ländern, wie z. B. in
rngarn, wurde als Gegenleistung für die Gleichberechtigung der
Jiulen die volle Einbürgerung gefordert ; dazu gehörte die ]*redigt in
der Landessprache an Stelle des verbreiteten jüdisch-deutschen Jargons,
die gegen starken Widerstand von selten der Orthodoxen durch-
gesetzt wurde. Unter dem Eindruck der Revolution von 1848 bildete
sich in Budapest eine Gemeinde nach dem Muster der Berliner Reform-
gemeinde, sie fristete aber nur ein kurzes Dasein, für so plötzliche
Sprünge war das Land nicht reif. Um die bedeutungslosesten Kleinig-
keiten im Bau der Synagogen und in den Bräuchen des Gottesdienstes
mußten in Ungarn erbitterte, mitunter blutige Kämpfe ausgefochten
werden, es war daher schon viel, wenn in zahlreichen Gemeinden eine
Verkürzung des Gottesdienstes, Abschaffung der Piutim und die regel-
mäßige Predigt in ungarischer Sprache durchgesetzt wurden,
2. Unter direktem Einfluß des Hamburger Tempels entwickelte
sich die Reformbewegung in England und in Amerika. In L o n d o n
ging das Verlangen nach Reformen von den Portugiesen aus, in ihrer
Gemeinde herrschten strenge Bestimmungen, die j\Iitglieder waren
durch die Satzungen nicht nur in ihrem religiösen, sondern auch in
ihrem privaten Leben völlig gebunden. Der Gottesdienst ließ an
äußerer Schönheit, Würde und Andacht viel zu wünschen übrig, es
wurde daher schon 1828 unter den Mitteln zur Hebung des Gottes-
dienstes vorgesclilagen, ihn soviel wie irgend möglich abzukürzen und
Predigten in englischer Sprache (bis dahin wurde alles, was nicht
hebräisch war, in portugiesischer Sprache vorgebracht) einzuführen,
die an jedem Sabbatnachmittag über einen biblischen Text gehalten
werden sollten. Die Predigten wurden eine Zeitlang gehalten, dann
aber wieder eingestellt. Da wurde Ende 1836 eine Änderung des Gottes-
dienstes nach dem Muster des Tempels in Hamburg gefordert, die
Gemeinde aber lehnte dies aus Furcht vor Sektenbildung ab. Auch
unter den Aschkenasim machten sich die ersten Spuren von Unzu-
432 Geschichte des Gottesdienstes
friedenheit bemerkbar, namentlich die mit der Toravorlesung ver-
bundenen Unsitten erregten Anstoß. Es kam hinzu, daß die wohl-
habende jüdische Bevölkerung die bisherigen Wohnsitze im Zentrum der
Stadt aufgegeben hatte, daß sie nach einem ihren Häusern näher ge-
legenen Gottesdienste strebte; die portugiesische Gemeinde aber ging
auf den ihr gemachten Vorschlag, im Westen Londons eine Synagoge
mit verändertem Gottesdienst zu begründen, nicht ein. Die Folge
davon war, daß sich 1840 eine neue Gemeinde bildete, die den alten
Gegensatz zwischen Sepharadim und Aschkenasim aufhob und eine
Synagoge der englischen Juden einrichtete. Ihr Programm
forderte einen Gottesdienst in hebräischer Sprache und in Überein-
stimmung mit den Grundsätzen der jüdischen Religion, der jedoch
reformiert und derart eingerichtet sein sollte, daß er das Andachts-
gefühl erwecken konnte, in dem ferner regelmäßige Predigten in eng-
lischer Sprache gehalten werden sollten. Zu den sofort eingeführten
Reformen gehörte die Abschaffung der zweiten Feiertage. Ein eigenes
Gebetbuch wurde herausgegeben, dessen Änderungen hauptsächlich
in Kürzungen und in Beseitigung der am meisten beanstandeten Stücke
der Gebetordnung bestanden. Im Musafgebet wurde die Tefilla wesent-
lich verkürzt. Die auffallendsten Abweichungen waren die Wieder-
gabe des Kaddisch in hebräischer Sprache und die Beseitigung
der Gebete um Wiederherstellung der Opfer; die Bitten um Rückkehr
nach Zion und um das Erscheinen des Messias hingegen wurden bei-
behalten. 1859 wurde Orgelbegleitung eingeführt.
Die Begründung der neuen Gemeinde entfesselte bei den aner-
kannten religiösen Behörden die wildesten Leidenschaften, die portu-
giesische Gemeinde schloß die Mitglieder geradezu aus ihrer Mitte
aus, verweigerte ihnen die Beerdigung auf ihrem Friedhofe; die Ehe-
schließungen der neuen Synagoge erhielten nicht die vom englischen
Gesetze vorgeschriebene Anerkennung, Ehen mit Mitgliedern der
Gemeinde wurde die religiöse Weihe verweigert. Alle Willenskund-
gebungen der Gemeinde halfen nichts, ilire Beteuerungen, nur der
Sache der Religion, der Verbreitung und Vertiefung der Frömmig-
keit dienen zu wollen, wurden nicht beachtet. Dadurch, daß die Ge-
meinde ihre Reformen mit einer Lossagung vom Talmud verteidigte,
verschlimmerte sie die Lage, das Rabbinat warnte alle Gemeinden
Englands vor den Neuerern, erhielt allerdings daraufhin von den
wichtigsten Gemeinden des Landes wenig höfliche Erwiderungen.
|)it' HeformijL'Wt'giing in Aiiu'rika 433
Allen AnlV(lituiii!;(Mi zum Trotz blieb die flonioindo bostohon, 1856
wurde sie durch eine l'arlanientsaUte anerkannt. Sie hat ihre Grund-
sätze und ihren (idttesdienst unverändert beibehalten, eine weitere
Reform nicht voriiciutnimen. Ihre He<;rün(lnnif id)te segensreiche
Wirkungen auch auf die anderen Gemeinden des Landes aus, in der
offiziellen Synagogenordnung wurde die Würde des Gottesdienstes
anbefohlen, einer regehnäßigen englischen Predigt das W^ort geredet,
vielfach wurde Chorgesang eingerichtet. Im ganzen aber blieb die
englische Judenlieit bei dem hergebrachten Gottesdienste. Keform-
gemeinden haben sich neben der in Loiulon nur noch in Manchester
und Bradford gebildet, auch sie haben ihren Oppositionscharakter
längst aufgegeben. Eine weitergehende Reform wurde erst in jüngster
Zeit in London eingeführt; um sie zu verstehen, müssen wir zunächst
die Verhältnisse in Amerika betrachten.
3. In den Vereinigten Staaten war die Zahl der Juden vor hundert
Jahren noch außerordentlich gering, die Organisationen der (iemeinden,
mit Ausnahme der portugiesischen, waren selir schwach. Der Mann,
dem die amerikanischen Gemeinden ihren Zusammenschluß und ihren
englischen Charakter verdanken, war Isaak L e e s e r in Philadelphia,
Durch ihn wurde 1830 die englische Predigt als wesentlicher
Bestandteil des Gottesdienstes eingeführt, er hat das Gebetbuch und
die Bibel ins Englische übersetzt und damit dem Verständnisse des
Gottesdienstes wertvolle Dienste geleistet. Er stand auf dem Boden
des Hergebrachten und lebte der festen Überzeugung, daß die Re-
formbewegung nur von kurzer Dauer und vorübergehend sein würde.
Als Leeser seine Laufbahn begann, war schon ein sein- ernster Vorstoß
von Reformern radikalster Richtung unternommen worden. In
Charleston, S. C, der damals zahlreichsten Gemeinde der Vereinigten
Staaten, wurde bereits 1824 eine Umgestaltung des Gottesdienstes
angebahnt. Auch diesmal war die Anregung von Deutscliland ge-
kommen, die Reform wurde im Xamen der Aufklärung gefordert.
Zur Hebung der Andacht und des Verständnisses der Gebete sollte
der Vorbeter die wichtigsten Teile der Liturgie in englischer Sprache
wiederholen, wenn es anginge, sollten die Gebete derart verkürzt
werden, daß sie alle hebräisch und englisch gesprochen werden könnten;
endlich sollte die Schriftvorlesung dadurch fruchtbar gemacht werden,
daß allwöchentlich eine belehrende Predigt an sie angeknüpft würde.
Die Forderungen wurden abgelehnt, worauf eine kleine Schar von zwölf
El bogen. Dar jüd. Gottesdienst.
28
434 Geschichte des Gottesdienstes
Mann kurz entschlossen, sich zu einer jüdischen Reformgemeinde
(The Reformed Society of Israelites) vereinigte. Aus dem beschei-
denen Reformprogramm, das nur die Berücksichtigung der Mutter-
sprache beim Gottesdienste gefordert hatte, wurde eine vollständige
Gegnerschaft gegen das rabbinische Judentum. Die Gemeinde stellte
sofort in Anknüpfung an die Grundlehren Maimunis ihr Glaubens-
bekenntnis auf, ersetzte aber einige der wichtigsten durch ihre eigenen
Grundsätze; sie erkannte nur den Dekalog als geoffenbart an, leugnete
die leibliche Auferstehung und belüelt niu- den Glauben an die Un-
sterbhclikeit der Seele bei, sie strich auch den Glauben an den Messias
und forderte dafür die Liebe zu Gott, dem einzigen Erlöser, sowie Werke
des Wohltuns, Diesen Grundsätzen entsprechend richtete sie ihren
Gottesdienst ein; eine so radikale Umgestaltung war damals noch
nügends vorgenommen worden. Am Eingang des Sabbats las man
Psalm 92 und 93 englisch, dann das Schma hebräisch und englisch,
die Tefilla englisch und stark verkürzt, nur den Scliluß "i"j:: i~bi5
hebräisch und englisch, endlich tS':'j englisch, dann ^^1lrde ein Kapitel
aus den Propheten gelesen, ein Lied gesungen, vom Vorbeter ein
selbst verfaßtes Gebet und der Priestersegen gesprochen. Am Sabbat-
morgen wurde wieder mit einem englischen Lied und Gebet begonnen,
dann folgten Psalm 33, -I2ffi: "in^s? und mrip nrx englisch, ri2TZJ und
Tefilla wie am Abend, ausgewählte Verse aus den Psalmen hebräisch
und engliscli, ein Gebet für das Vaterland, Vorlesung aus der Tora,
Predigt, ein englisches Lied, ein Gebet und der Priestersegen. An
den Feiertagen wurden besondere Gebete mit Beziehung auf die fest-
liche Gelegenheit eingelegt. Der Gottesdienst fand mit Musikbegleitung
statt, die Gemeinde erschien ohne Kopfbedeckung. Die Gemeinde
bestand nicht lange, denn sie hatte keine geistlichen Führer; sie bietet
für die Geschichte das allergi-ößte Interesse, weil sie in so früher Zeit
bereits alle Elemente der späteren amerikanischen Reform aufweist,
sie zeigt auch bereits deutlich den Einfluß der äußeren Einrichtung
des protestantischen Gottesdienstes. Etwa zehn Jahre nach dem
Aufhören der ersten Reformgemeinde wurden in der alten Gemeinde
in Charleston Reformen nach Art des Hamburger Tempels emgef ührt ;
dieselben Kämpfe wie in Europa spielten sich auch dort ab, mitunter
nahmen sie sogar noch heftigere Formen an.
4. Die starke jüdische Einwanderung aus Deutschland, die um
1840 einsetzte, hatte die Bildung zahlreicher neuer Gemeinden zur
I
Die RL'furinbt'Wcf^uiijj: in Aiin-rika 435
Folgo, in (U'iicii voll vornlierein ein reformierter Gottesdienst, zumeist
unttT 'Ziiji;iiin(U'k'f,aini( des Ilambiirnjer (lebetbiiclis, eingerichtet
wurde. Die Vereinigten Staaten kannten keinen (r e ni e i n d e -
zwang, von selten des Staatsgesetzes stand und steht heute noch
keinerlei Hindernis im Wege, immer neue religiöse Vereinigungen zu
begründen. Junge Gemeinden ohne Vergangenheit, ohne Bindung an
irgendeine Tradition, deren Mitgliedschaft freiwillig ist und daher
aus Gleichgesinnten besteht, können ohne große Schwierigkeiten die
religiösen Institutionen na^h den eigenen Wünschen ausbauen. Die
amerikanischen Gemeinden haben daher mit Leichtigkeit die Reformen
im Gottesdienste durchgeführt, ihn vielfach sogar in solchem Maße
geändert, daß der jüdische Charakter des Gottesdienstes kaum noch
zu erkennen ist. Bis 1840 ist überall der Gottesdienst in der herkömm-
lichen Art gehalten worden, doch bildeten sich innerhalb der bestehenden
Gemeinden Reforravereine, die, wenn sie sich stark genug fühlten,
neue Gemeinden mit mehr oder minder abweichenden Formen des
Gottesdienstes begründeten. Die Mitglieder und ihre geistigen Führer
waren zumeist aus Deutschland gekommen, es wurden daher deutsche
Predigten und deutsche Gebete eingeführt. Die Änderungen in den
hebräischen Gebeten hielten sich in engen Grenzen, betrafen meist
nur die Bitten um Wiederherstellung der Opfer und die Rückkehr nach
Zion, früh begann aber auch schon der Widerspruch gegen die Lehre
der Auferstehung. Eine in jüdischen Kreisen bis dahin nirgends ge-
kannte Neuerung war es, als Jsaac M. Wise in Albany, X. Y., die pro-
testantische Sitte der Familienbänke und damit das Zusammensitzen
beider Geschlechter einführte.
Mit Wises Eingreifen beginnt die radikale amerikanische
Keformbewegung, die dann durch David Einhorn und Samuel
Hirsch, beide Teilnehmer der Rabbinerversammlungen in Deutsch-
land, ihre theologische und philosophische Begründung erhielt. Die
Grundgedanken dieser Reform sind nur aus dem hohen Selbstgefühl
heraus zu begreifen, welches der ungeahnte Aufschwung der Ver-
einigten Staaten allen ihren Bewohnern einflößte; besonders die dem
Druck und der Armut in Deutschland entflohenen Einwanderer wurden,
durch die freien Gesetze und den zunehmenden Wolüstand der Xeuen
Welt geblendet. Daher konnte Wise erklären, daß das ameri-
kanische Judentum eine neue Epoche der jüdischen Ge-
schichte einleitete, und fordern, daß die religiösen Formen den An-
28*
436 Geschichte des Gottesdienstes
Sprüchen des amerikanischen Lebens und Denkens Rechnung trügen.
Die Anpassung der Religion an die Gegenwart und an die Um-
gebung wurde das leitende Prinzip der Reform, die Forderungen der
Zeit wurden für das höchste Gesetz auch in der Religion erklärt. Es
ist klar, daß diesen Anschauungen gemäß dem Gottesdienste die
jeweilig modernste und ansprechendste Form gegeben wurde, aber
es ist offenbar, daß hier Grundsätze von sehr zweifelhaftem Werte
in die Religion eingeführt werden. Eine Bewegung, die den ewigen
Kern des Religiösen zum reinsten Ausdruck zu bringen strebt, begibt
sich in vöUige Abhängigkeit von rein weltlichen Erwägungen, sucht
ihre Orientierung an praktischen Zielen von wechselndem und sein*
bedenklichem Gehalt. Die amerikanischen Reformer haben das schon
in Deutschland \ielfach vertretene Prinzip, daß die dem Bewußtsein
der Gemeinde fremd gewordenen Formen ihre Berechtigung verlieren,
auf die Spitze getrieben, ohne zu prüfen, ob darin nicht sehr hohe
Werte enthalten sein konnten, für deren Erhaltung und Wiederbelebung
zu kämpfen verlohnte. Einhorn brachte eine bedeutsame Vertiefung
in die Reformbewegung, wenn er Israels m e s s i a n i s c h e n B e r u f
an der ganzen Menschheit in den Mittelpunkt des religiösen Denkens
stellte und von da aus das gesamte religiöse Leben gestalten wollte,
freUich konnte auch er das Amerikanisieren als zentrale Idee nicht
genügend zm'ückdrängen.
Nach diesen kurz angegebenen leitenden Prinzipien ist die Reform
des Gottesdienstes in Amerika erfolgt, sie ist in den Synagogen, die sie
annahmen, nicht gleichmäßig durchgeführt, es finden sich selbst in
den in der Union o f American C o n g r e g a t i o n s zu-
sammengeschlossenen Gemeinden die verschiedensten Stufen der
Reform. In der äußeren Form ist allen Gotteshäusern gemeinsam die
Verwendung von Musikbegleitung und gemischtem Chor, die Be-
seitigung der Frauengallerie ; nicht allgemein ist die Barhäuptigkeit,
der Vortrag der Gebete durch den Rabbiner an Stelle des Vorbeters.
Viele Gemeinden halten ilu-en Gottesdienst am Freitag Abend. Sonn-
abend und am Sonntag, ganz wenige nur am Sonntag; die zweiten
Feiertage sind durchweg aufgehoben. Auch die Liturgie ist nicht
überall dieselbe; in einigen Gemeinden sind die Gebete vollständig
neu bearbeitet und enthalten kaum mein- als eine schwache Erinnerung
an die alte jüdische Gebetordnimg. Die verbreiteten Gebetbücher
knüpfen an die überlieferte Liturgie an, wenn sie sie auch sehr frei
Die Reformbewegurij,' in Aiii«rik.i 437
gestalten. Wisc voröflViUlichle ISf)? ein (ichcthiicli tiiitcr dcMi Titel
„M i II h a fj; A m e r i k a'' (l^mc^ -»in r^bsn sp^'ncs jn:72j, das
in den (lenieindcn des Westens nnd Südens slarkt! Verbreitung fand.
Das (iebethueli war vollständig^ in hebräiselier Sprache, in den ein-
leitenden und abschließenden Abteilunt^eii ein \veni<( gekürzt, sonst
aber durchaus nach dem Herkoninien auli^ebaut; nur an denjenigen
Stellen, die den Glauben an die Auferstehung oder an den Messias und
die mit seinem Erscheinen verbundenen Umwälzungen erwähnen,
sind radikale Veräiulerungen vorgenommen. Sehr interessant ist,
daß sämtliche Überschritten und Verweisungen des Buches in hebräi-
scher Sprache, sogar nnpunktiert, gegeben sind; so gute Kenntnisse
des Hebräischen durfte man auch in Amerika damals noch voraus-
setzen. Einhorn veröffentlichte 1858 sein „T'Tir rb", Gebetbuch für
israelitische Keformgemeinden"', das in der Anordnung des Gottes-
dienstes nnd in der Hervorhebung der für die Reformbewegung maß-
gebenden religiösen Gedanken dem Beispiele Holdheims folgt. „Wäh-
rend er, soweit wie möglich, an die von Zunz erwiesene Liturgie der
alten Zeit sich anlehnte, ließ er in jedem Gottesdienste den frohgemuten
Dank für Gottes Großtaten in Israels Geschichte erklingen. Besonders
die Liturgie des Versölinungstages kündet in unübertrefflicher Kunst
die erhabene Wahrheit von Israels Weltmission als Priestervolk und
verdeutlicht mit einer Begeisterung, welche aus dem innerlichsten
jüdischen Gefühl hervorgeht, die alte und die neuzeitliche Vorstellung
von Sünde, Reue und göttlicher Vergebung. Das Ganze ist das Werk
eines Meisters, dessen Größe sich in allen Einzelteilen erkennen läßt."
Das Gebetbuch war hebräisch und deutsch abgefaßt und daher nur
für deutsch sprechende Gemeinden zu verwerten, erst 1896 ist es in
einer englischen Ausgabe erschienen. Inzwischen aber war 1894: das
Gebetbuch der amerikanischen R a b b i n e r k o n f e r e n z ein-
geführt worden, „"::s<"',r^ r'^tr ^'ü. The Union Prayer-Book for Jewish
Worship", das seitdem in etwa 250 Gemeinden der Vereinigten Staaten
angenommen worden ist. Die Herausgeber bezeichnen es als ihr
Ziel, die ergreifenden Erinnerungen an die Vergangenheit mit den
dringenden Forderungen der Gegenwart zu verbinden und die Feier,
lichkeit des Gottesdienstes dadurch zu steigern, daß die beiden wesent-
lichsten Elemente, die elirwürdigen Formeln der alten Zeit sowie mo-
derne Gebete und Betrachtungen in der Landessprache vereinigt
werden. In seinem nichthebräischen Teile, in den theologischen An-
438 Geschichte des Gottesdienstes
schaiumgen, sowie den dadurch bedingten Änderungen des hebräischen
Textes befolgt das Gebetbuch Einhorns Vorbild; der hebräische Teil
ist reichhaltiger als der seiner Vorgänger. Das Gebetbuch zerfällt
in zwei Teile; der erste enthält die Gebete für die Sabbate, Wallfahrts-
feste, Wochentage und häusliche Andacht sowie die Schriftvorlesungen,
der zweite die Gebete für die beiden ernsten Feste ; sämtliche hebräi-
schen Gebete sind von einer englischen Übersetzung begleitet. Der
Aufbau der Gebete ist folgender. Der Abendgottesdienst beginnt mit
einem hebräischen Psalm und mit einer englischen Auswahl von
Bibelstellen, die Vorbeter und Gemeinde abwechselnd vortragen, es
folgt das hebräische Abendgebet in seinem traditionellen Aufbau in
verkürzter Fassung, vom "1212 ist nm- der erste Abschnitt und ein
Satz aus dem dritten (Xum. 15 40) beibehalten, i:niDTrn fehlt ; die
Tefilla besteht an Sabbaten und Festen aus den ersten beiden Bene-
diktionen und einem Stücke aus der mittleren in hebräischer Sprache
sowie einer abschließenden englischen Bitte, an Wochentagen ist sie
ganz englisch; es folgen wiederum eine englische Auswahl von Bibel-
stellen, ein englisches Gebet des Vorbeters, ein gemeinsames Lied,
eine englische Wiedergabe von Olenu, eine Ansprache an die Trauernden
und das Kaddisch der Trauernden nach der im Tempel zu Hamburg
üblichen Formel, endlich Gesang von n:"'~"::s?3 'j'^i«. Den Gebeten
für die Trauernden ist Aiel Aufmerksamkeit gewidmet, eine besondere
Liturgie für den wälirend der Trauerwoche im Trauerhause gehaltenen
Gottesdienst festgesetzt. Am Morgen der Sabbate und Feste ist die
auffälligste Abweichung vom Herkommen das Ausfallen des Musaf-
gebets. Der Aufbau ist dem des Abendgebets ähnlich, ein einleitender
hebräischer Gesang von Bibelstellen, einige englische Gebete aus dem
alten Siddur, das Schma mit seinen Benediktionen in verkürzter Form,
die Tefilla mit der Keduscha und der mittleren Benediktion hebräisch,
eine englische Auswahl von Bibelstellen nebst dem Gebet des Vor-
beters, die letzten Benediktionen der Tefilla englisch. An den Festen
whd auch ^'ij'^ und der Priestersegen, soAne eine Auswalü aus den
Hallelpsalmen (Ps. 113, 117, 118) hebräisch vorgetragen. Ausheben
und Einheben der Tora sind von hebräischen Gesängen begleitet, die
Vorlesung aus der Tora ist kurz und wü'd englisch übertragen, die
Haftaras werden nur englisch vorgetragen, aus Propheten und Hagio-
gi'aphen gewählt; gerade in diesem Teile des Gottesdienstes gehen die
Bräuche der Gemeinde im einzelnen sehr auseinander. Auf die Schrift-
1
Ä
Die liffonnbewegung in Amerika 439
vorlesunfi: folfrt die Prodis mit ciiilcilcrKlcni und ahsclilicücndcm Lied,
der Scliliiü ist wie am Ahcnd, nnr daü am l'jidc der Kahhincr den
Priest (Mso^^Mi s|)riclit. Die Saljhatc haben aneli einen Xaclimitlfigs-
gotlesdienst mit eiideitendeni liehräiseliein (!esaii{( und Psalm 140,
Schriftvorlesung, englischer Tefilla mit hebräischer Kediischa, Predigt,
Schriftversen, eii«:lischer Vorlesung aus den Sprüchen der Väter und
einem Segen. Von besonderen (Jelegenlieilen sind berücksichtigt:
die Ankündigung des Neumonds, der Neumondstag, Chamikka, der
9. Ab, das Gebet um Regen am Schmini Azeres. Da von den Festen
immer nur die ersten Tage beobachtet werden, fehlt das Fest der Tora-
freude ganz. Das Union Prayer-ßook hält zwar konsequent seine
theologische Richtung ein, hat sicli aber im übrigen in der Auswahl
der Gebete und in der Berücksichtigung der Gelegenheiten sehr nach
den Fordernngen der Gemeinden gerichtet und dieser Anpassung die
Theorien radikaler Theologen geopfert.
Es konnte nicht ausbleiben, daß die amerikanische Reform auf
Europa zurückwirkte, nach ihrem Reisj)iel ist neuerdings der Gottes-
dienst der Jewish Religious Union in London und der Reformgemeinde
in Paris eingerichtet worden. In Deutschland ließ sich bereits im
westfälischen Gebetbuch Einhorns Einfluß wahrnehmen; das jüngst
von C. Seligmann bearbeitete ,, Israelitische Gebetbuch für die neue
Synagoge in Frankfurt a. M." folgt im Aufbau dem amerikanischen
Vorbilde, wenn es aucli die beibehaltenen hebräischen Gebete fast
unverändert wiedergibt und im Gegensatz zu Amerika das liebräische
Element an AVochentagen mehr berücksichtigt als am Sabbat und
den Festen. Das sind Neuerungen aus allerjüngster Zeit, über die der
Geschichte vorerst ein abschließendes Urteil nicht zusteht.
5. Wh' haben die Reformbewegung bis in die unmittelbare Gegen-
wart verfolgt, ilire Forderungen und Erscheinungsformen in den ver-
schiedenen Ländern kennen gelernt, es obliegt uns nun, aus dieser
Mannigfaltigkeit das Gemeinsame zu ermitteln und in zusammen-
fassendem Urteil geschichtlich zu werten. Die Ausgangspunkte der
Reformbewegung sind allenthalben die gleichen, mit der Veränderung
der sozialen Lage und der Hebung der allgemeinen Bildung der Juden
stellt sich die l^nzufriedenheit mit dem herkömmlichen Gottesdienste
ein. Gegenstand der Klage sind zunächst die in die Augen fallenden
äußeren Mängel, die unruhige, bisweilen würdelose Haltung der Ge-
meinde, der wenig weilievolle, nicht selten abstoßende Vortrag der
^^Q Geschichte des Gottesdienstes
Gebete. "Waren diese Mißstände erst einmal gerügt und als solche
erkannt, so genügte das, um ilu-e allmähliche Abstellung herbeizu-
führen, es war nur eine Frage der fortschreitenden Erziehung, wann
sie gänzlich verschwinden sollten. Ruhe und Ordnung, Würde und
Andacht beim Gottesdienste sind für den Kulturmenschen so selbst-
verständliche Forderungen, sie kommen gleichzeitig so sehr den Vor-
schriften des traditionellen Judentums entgegen, daß ihre Berech-
tigung bis in die konservativsten Kreise anerkannt, daß überall an
ilu-er Durclifülu'ung gearbeitet whd. Die Veredlung des kantoralen
Vortrags und die Einführung harmonischen Chorgesangs sind ebenfalls
von allen Richtungen gefördert und zur Verschönerung des Gottes-
dienstes in Anwendung gebracht worden. Umstritten ist die Zu-
lassung der Orgelbegleitung. In einigen Ländern, wie in Italien und
Frankreich, ist sie auch bei strengster Innehaltung der Überlieferung
anstandslos eingeführt, in anderen, wie in England, geradezu als eine
Kriegserklärung gegen die Gemeinde betrachtet worden; in Deutsch-
land bildet sie die Grenzlinie der Parteien, sie hat bei den Gemeinden
iimner mein: Anklang gefunden, und der noch vorhandene Widerstand
richtet sich nicht melu* so selir gegen das Instrument an sich, wie gegen
das Spielen an Sabbaten und Festtagen.
Beanstandet wurde auch allgemein die L ä n g e des Gottesdienstes,
die zum Teil mit den erwähnten äußeren Mängeln zusammenliing,
zum größeren Ted aber daher rührte, daß im Verlaufe der Jahrhunderte
die Gebete weit über das ursprüngliche Maß hinaus angewachsen und
überdies mit zahlreichen Piutim belastet worden waren. Es war un-
möglich, den Sinn der Piutün zu erfassen, auch manche Stücke unter
den Stammgebeten blieben dem Laien unzugänglich. Je mehr aber
die Kenntnis der hebräischen Sprache zurückging, desto schwieriger
wm-de das Verständnis selbst der einfachen Gebete und der Schrift-
vorlesungen; besonders das weibliche Geschlecht, das mehr als früher
am öffentlichen Gottesdienste sich zu beteiligen wünschte, blieb hmter
den Anforderungen an die hebräischen Spraclikenntnisse stark zurück.
Die natürliche Folge war der AVunsch nach Küi'zung des Gottes-
dienstes, nach Beseitigung der unverständlichen Gebete und Piutim,
nach Einfülmmg von Gebeten und belehrenden Vorträgen in der
Landessprache. Über einen großen Teil dieser Forderungen wurde
ebenfalls weitgehende Übereinstimmung erzielt. Die Predigt in der
Landessprache ist in den Kultmiändern von sämtlichen Richtungen
I
Das Ergebnis der Keformbewegung 441
als eine woliltätinv iiiul scf^iMisrcicIic l'üiiiiclitiiii^ uncrkaiiiil uiid ciii-
m'füliit ^v(>^ll•ll; wonii sie .iiicli ikkIi iiiclit ausnahmslos jede Schrift-
vorlesunti,- an Sal)l)altMi und lu-steu he^Mcilel, so findet sie doch rep^el-
uiäl.)iiJ: uiul iu kurzen Zwisclionräunien statt. Audi der Beseitigung
der Piutini und (k'r unverständlichsten Stücke der Gebetordnung
haben sich schließlieh nur jene wenigen Unversöhnlichen widersetzt,
die in keinem Punkte eine Abweichung von Minhagbuchc dulden.
Selbst über Kürzungen an den Staninigebeten ließe sich bis zu einem
bescheidenen Grade ein allgemeines Einverständnis erzielen. J']benso
wie die Predigt haben Gebete in der Landessprache Eingang in die
Synagoge, für die Liturgie im engeren Sinne (S. 205) sogar die J^illigung
sämtlicher Richtungen gefunden. Was über die genannten Änderungen
der herkömmlichen Gebetordnung hinausgeht, ist nur von Synagogen
mit bewußt fortschrittlicher Tendenz angenommen worden; dazugehört
die Verkürzung der Toravorlesung, die Verkürzung der einleitenden und
des abschließenden Abschnitts des Morgengebets, die Unterbrechung der
hebräischen Gebete durch solche in der Landessprache. Auch diese \n-
derungen haben bei einem großen Bruchteil der Gemeinden Anklang ge-
funden. Erst auf einer weiteren Stufe der Reform beginnen dann wesent-
liche Eingriffe in die Hauptstücke des Gebets bis zu jenen radikalen Um-
gestaltungen, die von der überlieferten Art des Gottesdienstes wenig und
von der hebifiischen Sprache so gut wie nichts übrig gelassen haben.
Die Reform im eigentlichen Sinne besteht nicht in der Kürzung
der Gebete und der Zurückdrängung der hebräischen Sprache, sondern
in jenen Veränderungen des Textes, die aus dogmatischen Rücksichten,
aus der Bestreitung oder verschiedenen Auslegung religiöser Lehren
hervorgegangen sind. In der Hauptsache handelt es sich um die
Lehre von der leiblichen Auferstehung und um den Glauben an den
persönlichen Messias, mit dessen Erscheinen nach der in den Gebeten
vertretenen Anschauung die AViederherstellung des Tempels und des
Opferdienstes, die Sammlung der Zerstreuten Israels und ihre Zurück-
führung nach Zion verknüpft ist. Im Gegensatz zu den vorerwähnten
Forderungen, denen fast alle Scliichten Verständnis entgegenbrachten,
sind die dogmatischen Bedenken hauptsächlich von theologisch ge-
bildeten Männern vertreten worden; großer Popularität haben sie sich
nicht erfreut, über das Maß der bereits im Hamburger Tempel durch-
geführten Änderungen liinaus haben sie in weiteren Kreisen niemals
besonderes Interesse gefunden.
442 Geschichte des Gottesdienstes
In diesem Zwiespalt zwischen den Bestrebungen der Theologen
und dem Verständnis der Gemeinden liegt ein nichtiger Grund dafür,
daß die Erfolge der Keformbewegung zu dem Aufwand an Mühe und
Kraft, zu den Erschütterungen des Gemeindelebens in keinem rechten
Verhältnis stehen. Die Führer der Eeformbewegung haben in ihrer
idealistischen Begeisterung den Blick für die realen Verhältnisse ver-
loren, sie haben den allgemeinen Fortschritt ihrer Zeit, nicht minder aber
den Aufschwung der religiösen Bildung unter den Juden gewaltig
überschätzt. Ebensowenig wie der Völkerfrüliling des Jahres 1848
die erhoffte Zeit vollendeten Menschentums eingeleitet hat, ebenso-
wenig haben die in den Rabbinerversammlungen vertretenen An-
schauungen eine tiefgehende Erleuchtung unter den Glaubensgenossen
bewirkt. Die dünne Oberschicht der Gebildeten, die sich jene Theorien
zu eigen machte, war durch die allgemeinen Kulturinteressen ausge-
füllt, sie verliielt sich der religiösen Bewegung gegenüber ziemlich
gleichgültig und bot eine Stütze von geringer Tragkraft. Die breiten
Massen hingegen, deren Leben in den Anschauungen und Formen der
Vergangenheit verankert war, gingen leer aus ; die theologische Reform
vermochte nicht sie fortzureißen, ihre dogmatischen Entscheidungen
besaßen nicht die Kraft, Begeisterung zu erwecken. Die Zeitverhält-
nisse waren überdies sein* ungünstig, sie stellten den Menschen auf
die Jagd nach Erwerb und Genuß ein, entfernten ihn weit von der
Verfolgung des messianischen Ideals. Es zeugt von Mut und Tatkraft,
daß die Reformer, ohne sich in langen theoretischen Erwägungen zu
ergehen, rasch Zugriffen und im Vertrauen auf iln* Beispiel und ilu"e
Lehre das Leben umzugestalten versuchten, aber die Xachteile des
überstürzten Vorgehens blieben nicht aus. Es wiu'de mit kühl ab-
wägendem Verstände reformiert, dem nüchternen Rationalismus %'iel
von der Poesie und dem stimmungsvollen Gehalt des Gottesdienstes
geopfert. Die wissenschaftliche Begründung der neuen Auffassungen
hatte erst km'ze Zeit vorher begonnen, die Theologie legte sich in der
Eile auf Anschauungen fest, die der Forschung keineswegs für alle
Zeiten standliielten und in den Gemeinden auf entschiedenen Wider-
stand stießen. Die Geschichte hat über alle radikalen Umwälzungen
ihr Verdikt gefällt, um- eine an die Vergangenheit anknüpfende, stetige
Entwicklung als berechtigt eiiviesen.
Die Fehler, welche am Anfange der Bewegung gemacht wurden,
haben dauernd ihre Entwicklung geschädigt, wenn auch die x\nzeichen
Das Krgi'l)uis der I{ff(»riiilii'\vcKUiiK' 443
sich nu'liii'ii, dal.) die Laue sich leimst ii;cr |r,'stallcl. Ks hh'iht, ih-r
Arbeit genug zu (im; mii i\vv Änderung und Zusammenstreichung
(U'rCicholc ist \vonii!;(Mii'icht, wcmi nicht ziiu:h'ich Hc<j;cistening und Ver-
ständnis l'ür den Cluttesdienst geweckt wird. Daran aber hat es bisher am
meisten gefehlt, von ihren hervorstechendsten Ziehen ist die Rcform-
bewegung am weitesten entfernt geblieben. Es ist ihr nicht gelungen,
die angestrebte Freiheit in die gottesdienstlichen Formen zu bringen,
dazu mangelte es ihren Anhängern an Verständnis, an liebevoller Ver-
tiefung. Auch der Gefahr der Veräußerlichung ist der reformierte Gottes-
dienst nicht entgangen, sein Programm ist eine nicht minder starke Bin-
dung geworden, wie die der alten Gebetordnungen. Endlich hat die Be-
fürchtung, die vor hundert Jahren an den Anfängen der Bewegung aus-
gesprochen wurde, sich in erschreckender Weise erfüllt; die Ver-
trautheit mit dem Gottesdienste hat trotz seiner Vereinfachung nicht
zugenommen, die Gleichgültigkeit gegen seine Einrichtungen ist ge-
wachsen, sie ist gerade dort mit am größten, wo den Forderungen
nach zeitgemäßen Umgestaltungen am meisten Rechnung getragen
wurde. Darin aber liegt die mchtigste Aufgabe für die Zukunft, die
alte Begeisterung für den Gottesdienst, die Innigkeit der Gebetstimmung
wieder zu erwecken. Der Gottesdienst muß \Aieder werden, was er den
Vätern gewesen: der Mittelpunkt des religiösen Lebens, eine Stätte
religiöser Sammlung und Weihe.
D. III. Abschnitt:
Organisation des jüdischen Gottesdienstes.
Kap. I. Die Gottesdienstlichen Gebäude.
§ 48. Namen, Alter, Verbreitung und Lage der Bethäuser.
Literatur: Low Leopold, Der synagogale Ritus in MS XXXIIh 1884,
S. 97 ff. = Ges. Sehr. IV, Iff. ; Synagogale Altertümer, Plan und Kol-
lektaneen das. V, 21 — 36. 93; Hoffmaan D., Die Synagogen in Altertum
in Isr. Mon. 1899, S. 5ff.; Schürer, Geschichte IL 497 flf., HI, 71 If.;
Bacher, Art. Syuagogue in Hastings, Dlct. of the Bible IV, 633 ff.; in
JE XI, 618 ft'.
1. Der Gottesdienst war nicht an bestimmte Örlliclikeiten imd
Gebäude gebunden, es konnte ein jeder wie Daniel in seinem Zimmer
(sn^b7 611) für sich allein (i^n^n ,"C-Z" l^lb -m) beten, die Vor-
lesungen und Belelirungen hingegen forderten eine Öffentliclikeit,
eine Gemeinde. Es ist einleuchtend, daß die Gemeinde sich stets an
demselben Platze versammelte, daß ein Raum für die gottesdienst-
lichen Zwecke hergerichtet wurde. Der älteste Name, der dafür üblich
war, knüpft an das biblische 2"n r"iD (Jer. 398) an, worunter in vor-
exüischer Zeit ein öffentliches Gebäude verstanden wurde. Der Xame
erhielt sich im Volksmunde recht lange, noch gegen Ende des 2. Jahr-
hunderts imsrer Zeitrechnimg war s^'ö" ri2 ein populärer Ausdruck;
der Gebrauch des Wortes war allerdings damals bei den Gelehrten ver-
pönt und galt als Todsünde (b. Schabb. f. 32 a). Eine andere biblische Be-
zeichnung ist rctiP. nil (Jes. 56 7), der zweite Tempel soll ein B e t -
haus für alle Völker werden. Nach allgemeiner Annahme bezieht
sich auch ■::s^ ^-ir^^'a (Ps. 748), vielleicht auch n-'i2 r^n (Hi 3023),
auf die im Lande verbreiteten Stätten für gottesdienstliche Versamm-
lungen ; sicher ist, daß Aquila das Wort so aufgefaßt und durch awaytoyäg
Diu Namen der Bethäuser 445
wicderiicirchcn li;i1. I)iosor irriccliische Ausdruck ist schließlich der
ffehräuchliclistc und vcrbreitctste gowordon. in LXX entspricht er
dem hiblischeu "-;:". dem Worte für Gemeinde . In den Targumim
wird das Xomen mr durch srx::, die Verben '':'^n'pn und res« durch
r:r wiedertregeben , davon heißt das Versamiulungshaus der Ge-
meinde Krr:z ^2, prägnant auch i<rr:;. J)a der Stamm auch in
der hebräischen Form c:2 vorkommt (Esth. 416), wird im iiach-
l)il)lischen Wortschatz auch rc:3 im Sinne von Versammlung ge-
braucht: das für sottesdienstliche Versammlungen dienende Ge-
bäude heißt daher rc:Dn r^n, plur. PT'CID ^rn. Derselbe Wechsel
im Sprachgel)rauc)i liegt bei airayMy^ vor. Es bezeichnet ursprüng-
lich wie src:D die Gemeinde, wird dalier auch zur Benennung von
Vereinen gebraucht, heißt aber schließlich ebenfalls Versammlungs-
stätte der Gemeinde, gottesdienstliches Gebäude. Das Wort ist als
Fremdwort durch Vermittlung des Lateinischen ins Italienische,
Französische, Deutsche, Englische übergegangen, im Spanischen liegt
es in der Bildung Esnoga vor.
Unter den hellenistischen Juden finden wir am häufigsten die
n;Er r'^a (LXX or/.og vr^g tioogev/J^.^) entsprechende Bezeichnung
TCQOöevyJ], 7tQO^ev/.ii\oiov , wovon Juvenal sogar ein lateinisches
Proseucha bildet. Der Unterschied im Sprachgebrauch zwischen Pa-
lästina und der griechischen Diaspora wird besonders klar, wenn Philo
von den Essäern hervorhebt, daß sie ihre heiligen Stätten OLvayojyai
benennen. Ganz vereinzelt findet sich oaßßaTslov, was auf die
Zusammenkünfte an jedem Sabbat hinweist und im syrischen rr^l
^■'-irp- i«r2r. plur. '--rp- ^nr r^n seine Parallele hat. Heiden be-
dienten sich zur Bezeichnung der jüdischen Bethäuser auch des Aus-
drucks la uQcc, den sie für ihre Tempel anzuwenden pflegten. Bei
den arabisch sprechenden Juden lebte rc:2n ri'2 in czrbs fort,
dem Sinne entsprach auch ~"12:\, das sich als aljama in Urkunden
aus der Provence findet; Makrizi gebraucht jedoch auch das dem
"rsr r''2 entsprechende Salawat. In Sizilien war im Mittelalter
die Bezeichnung Meskita verbreitet, die dem arabisclien ""»scr =
Moschee entsprach; auch die Falaschas nennen ihre Bethäuser ^lesgid,
wahrscheinlich ist das eine alte Bezeichnung, die auf das in neu ent-
deckten Texten vorkommende r"nrrn r'^a zurückgeht. Die Türken
nennen die Bethäuser Havras, Avas aus dem hebräischen Wort für
Verein (man) genommen ist.
446 Organisation des Gottesdienstes
In romanischen und slavischen Ländern sowie in Ungarn wurde
die Bezeichnung des Bethauses an das lateinische templum ange-
lehnt, daneben aber kommen auch andere Benennungen wie Synagoge
oder das Äquivalent von Bethaus vor. In Rom bezeichneten die Juden
Du-e Gemeinschaft wie die anderen Nationalitäten als Schola, die älteste
Nachricht darüber liegt aus dem Jahre IUI vor. Daher kam es, daß
ihre Versammlungsstätten in Italien schola, in Deutschland Schule,
Schul hießen; Luther übersetzt Givaywyri im N.T. meist durch
Schule, und in der jüdisch-deutschen Mundart heißt das Gotteshaus
bis heute Schul. Vor einem Jahrhundert wurde für moderne Bet-
häuser der Name Tempel beliebt, in Österreich hat sich diese Be-
zeichnung vielfach eingebürgert, in Deutschland wird der Name Syn-
agoge vorgezogen.
2. Wann zuerst ständige Bethäuser errichtet worden sind, wissen
w nicht; die Anschauungen darüber hängen zum Teil mit der Auf-
fassung der erwähnten Namen zusammen. Wenn man, wie die alte
jüdische Tradition, bereits in 2:7n rrin ein Bethaus erblickt, müßte
die Einrichtung vorexilisch sein. Da wir aber in vorexilischer
Zeit sonst nirgends von einem regelmäßigen Gottesdienste der Ge-
meinde und damit zusammenhängenden Gebäuden erfahren, da auch
in dem Namen an sich keinerlei Hinweis auf die Verwendung als
Bethaus liegt, ist die Annahme nicht aufrecht zu erhalten. Hingegen
ist es sehr wahrscheinlich, daß für die gottesdienstlichen Versamm-
lungen im Exil (ob. S. 235) besondere Stätten geschaffen wurden.
Wo ein Prophet wohnte wie Ezechiel, bildete sein Haus den natür-
lichen Mittelpunkt (vgl. z. B. Ez. 8 1), an anderen Orten hingegen
mußten Versammlungsstätten gesucht werden. In talmudischer Zeit
fülu'te man das Alter einiger babylonischer Synagogen, ^vie der in
Schefitib (nTiBlT!) bei Nehardea und in Huzel, direkt auf die Zeit der
Exulanten zurück. ]\Iit der Verbreitung des gemeinsamen Gottesdienstes
in Palästina, besonders nach dem Auftreten Esras, nahmen dann die
Synagogen im Lande zu, und in der Zeit der syrischen Bedrängnis,
aus der Ps. 74 stammt, werden bereits ,,alle Versammlungsstätten
Gottes" durch Feuer zerstört.
Die ältesten datierten Nachrichten über das Vorhandensein
von jüdischen Bethäusern stammen aus Ägypten. Eine Inschrift
aus Schedia bei Alexandrien berichtet von der Widmung der Pros-
euche der Juden für den König Ptolemäus III Euergetes (247 — 221)
\
Ursprung diT Bcili;kusor 447
iiiul die Köniijin liorciiiko. Auch auf einer anderen liisclirift und einem
l'ajiynis, die ni)cli ans dem ;i .Jalirliuiideil slamnuMi, wird der jiidischon
Proscnclien in Ägypten gedacht, so dal.) ihr Vorliandensein um die
Glitte des 3. Jahrlinnderts nicht zu bezweifeln ist. JJetraclilet man
(his Bethaus in Scheilia als eine Filiale der großen Proseuche in Alex-
andrien, dann müßte diese noch eine ganze Weile älter und kurz nach
der Einwanderung der Juden in die aufblüliende neue Stadt errichtet
worden sein. Es ist beliauptet worden, daß die Institution der Syn-
agoge in den hellenistischen Ländern entstanden und erst
von dort in Palästina eingeführt worden ist. Das widerspricht jedoch
allen sonst bekannten Tatsachen; die vollständige Abhängigkeit der
alexandrinischen Juden in religiösen Fragen vom Mutterlande weist
darauf hin, daß die Entwicklung umgekehrt w\ar, daß die in Palästina
längst verbreiteten Synagogen nach Ägypten übertragen wurden.
Wir sehen aus den genannten Zeugnissen, in wie früher Zeit das ge-
schaii. Die Ausbreitung <ler Synagogen erfolgte mit erstaunlicher
Schnelligkeit, überall woliin .luden wanderten, ahmten sie die neue
Einrichtung nach. Strabos Wort, daß es keinen Platz in der olv.oiutvi]
gibt, der nicht das Geschlecht der Juden aufgenommen hat und von
ihm eingenommen wird (um 85), dürfen wir auch auf die Synagogen
anwenden. Wo eine einigermaßen beträchtliche Zahl von Juden wohnte,
schritt sie zur Gründung einer religiösen Gemeinde und eines Bet-
hauses. Daher finden wir noch vor dem Untergange des jüdischen
Staates nicht nur in Palästina, sondern auch in der Diaspora aller
Orten Bethäuser, zumal aus der griechisch-römischen Welt besitzen
wir zahlreiche Nachrichten über die Existenz von Synagogen. Jo-
sephus spricht von den Synagogen in Dora, Tiberias, Cäsarea, Antio-
chien, die Evangelien von denen in Nazareth und Kaj)ernaum, die
Apostelofeschichte von denen in Jerusalem, Damaskus, Salamis auf
Cypern. Antiochien in Pisidien, Ikonium. Philij>pi in]\lakedonien, Thes-
saloniche, Beröa, Athen, Korinth. Ephesus. In den verschiedensten
Orten und Gegenden Agyjjtens bezeugen Papyri und Inschriften das
\'orliandensein der Synagogen, in Rom werden sie durch die Grab-
schriften der Katakomben belegt; überall vom persischen Meere bis
zu den Säulen des Herkules, wo Juden wohnten, treffen wir Sj)uren
jener neuartigen Mittelpunkte für ihr religiöses Leben. Für Philo
und Josephus galten sie als uralte Listitutionen aus mosaischer Zeit
und aucli die rabbinische Tradition in den Targumim versetzt sie in
448 Organisation des Gottesdienstes
die Anfänge des israelitischen Volkes zurück. Das Christentum konnte
seine Propaganda überall an die Synagogen anknüpfen, sie waren nicht
nur ,,fontes persecutionum", wie Tertullian sie nennt, sondern auch,
wie Harnack schreibt, ,,die wichtigsten Voraussetzungen für die Ent-
stehung und das Wachstum christlicher Gemeinden im Reiche". Die
Errichtung von Synagogen hat in nachchristlicher Zeit nicht still-
gestanden. Solange das Staats- oder Kh-chengesetz es nicht verbot,
sind sie überall, wohin Juden kamen, entstanden, und selbst, wo sie
nicht gestattet waren, wurden contra legem im geheimen Stätten für
das Gebet begründet. So ist es bis auf den heutigen Tag geblieben,
die Synagoge ist die ständige Begleiterscheinung der jüdischen Ge-
meinden auf dem ganzen Erdenrunde.
3. In Palästina gehörten die Synagogen zum Stadtbilde, sie wurden
mitten in der Stadt erbaut, da wo es am geeignetsten schien. In der
Diaspora scheint das nicht der Fall gewesen zu sein, Paulus findet
in Philippi die Synagoge außerhalb der Stadt an dem Flusse (l'i(rj
rijg Tvi/.iqg rcaqa Tcorauov ov tvoui-ouer ^cgogeiyr^v eivai Akt. 1613).
War es Zufall oder Absicht, daß die Synagoge hier am Wasser
lag? Josephus berichtet auch von einem Volksbeschluß der Bürger
von Halikarnaß, wahrscheinlich aus Cäsars Zeit, durch welchen den
Juden gestattet wurde, nach der Väter Sitte am Meere Synagogen
zu bauen {^cgoaevyag Ttoie7a&ai Ttgog zjj d^ahäoor^ v.aza rö Ttarqiov
a'O-og Ant. XW 1023). Auch die auf einem Papyrus aus dem ägyp-
tischen Tebtynis vom Ende des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts
erwähnte TtQogevyj] tojv 'lovdaiiov lag am Wasser. Die rabbi-
nischen Quellen erwähnen nur, daß der Ort, an dem sich Gott den
Propheten außerhalb Palästinas geoffenbart hat, stets am Wasser
gelegen war. Von einer Vorsclu-ift, Synagogen am Wasser anzulegen,
wissen sie nichts, in Palästina waren die Bethäuser auch nicht am
Wasser, und dem Bedürfnisse des Händewaschens vor den Gebeten
genügten sicher ein Brunnen oder ein Wasserbecken, \Aq es noch heute
jede Synagoge und jede Moschee enthält, besser als die Xähe des
Flusses oder des Meeres. Es ist sehr unwalu'scheinüch. daß selbst in der
Diaspora die Synagogen überall am Wasser lagen. Was die Bet-
häuser in Rom anlangt, so ist es kaum von einem einzigen wahrschein-
lich, daß ein Fluß in der Xähe war. Auch von der großen Basilika in
Alexandrien 's\'ird es nicht bericlitet und, daß die zahbeichen in der
Stadt Alexanch'ien zerstreuten Synagogen sämtlich am Wasser gelegen
I
Lage der Bethäuser 449
liabcn Süllen, ist kaum anzunehmen. Es dürfte selbst in der Diaspora
keine einheitliche Norm darüber bestanden haben. In den jüdischen
Quellen ist nicht vor dem 14. Jahrhundert die Kede davon, erst
Jakob b. Ascher hebt hervor, daß es r a t s a m ist, am Wasser zu beten,
und im letzten Jahrhundert rühmt Chajim Palaggi in Smyrna (1788
bis 18t)0) als besonderen Vorzug der Synagogen in Konstantinopel,
daß sie am Wasser liegen, fügt jedoch zur Entschuldigung sofort hinzu,
daß die Empfehlung, am Wasser zu beten, sich nur auf die Privat-
andacht bezieht. Nirgends ist auch, soviel wir wissen, ein Gewissens-
konflikt dadurch entstanden, daß die Synagogen nicht unmittelbar
neben einem Wasser lagen.
Die andere Ortsangabe für die Synagoge in Philippi, daß sie sich
vor dem Tore befand, dürfte nicht auf Zufall beruhen, in der Regel
werden in der Diaspora die Synagogen außerhalb der Stadt gelegen
haben. Innerhalb der Städte, wo Götzentempel waren, vermied man es
zu beten; nur da, wo eigene Judenviertel bestanden, wie in Alexandrien,
blieb man in denselben. Völlig gleichmäßig wird das Yerfalu-en jedoch
kaum gewesen sein, Ausnahmen kamen immer vor; in Korinth z. B.
kann die Synagoge schwerlich außerhalb der Stadt gestanden haben,
wenn das Haus des Titius Justus, in dem Paulus abstieg, sich un-
mittelbar neben ilu: befand (Akt. 187). In Rom, wahrscheinlich auch
in anderen Städten, war es durch Gesetz verboten, fremde Kultstätten
innerhalb des Pomeriums anzulegen. — Auch in Babylonien lag
höchstwalu'scheinlich eine ähnliche Schwierigkeit vor. Es ist anzu-
nehmen, daß die persischen Feueranbeter die jüdischen Gotteshäuser
nicht innerhalb der Stadt diüden wollten (xmrrD ^n ^nrc sp b.
Joma 10 a), und daß sie infolgedessen weit weg erbaut werden mußten.
Im Talmud gilt eine der Stadt nahe Synagoge (srDi^c Ä?nr:D ^n
b. Kidd. 73 b) als Ausnahme, die Entfernung war das Gewöhnliche,
So spricht auch der Midrasch davon, daß man zur Synagoge weit
hinauszieht, sich den Weg einteilt und stückweise zurücklegt (S'J::": ü2
:2n"nb Tauch. I, S. 61b). Bei Regenwetter und brennendem Sonnen-
schein flüchtet man sich bisweilen in die Synagogen (obwohl das als
verboten gilt), weil kein anderer Schutz in der Nähe zu finden ist
(b. Meg. 28b). Sehr häufig werden Maßregeln genannt, die in der
Befürchtung, die Andächtigen allein oder in geringer Anzahl in den
Bethäusern zurückzulassen, iliren Ursprung haben. Im Mittelalter
begegnet uns von Rasclii an bei allen Lehrern der deutsch-französischen
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. ^9
450 Organisation des Gottesdienstes
Schule die Anschauung, daß die Synagogen in Babylonien außerhalb
der Städte auf den Feldern lagen ; sie muß auf direkte Tradition zurück-
gehen, denn aus eigener Erfahrung kannte man Feldsynagogen nicht,
und die Annahme tritt mit zu großer Bestimmtheit auf, als daß sie aus
bloßer Kombination hervorgegangen sein könnte. Sicherlich aber hat
es auch in Babylonien an Ausnahmen nicht gefehlt, es muß auch
Synagogen innerhalb der Städte gegeben haben.
4. Die Synagogen der Diaspora standen unter staatlichem Schutze.
In Ägypten waren sie dem Könige gewidmet und als unverletzlich er-
klärt; Inschriften dieses Inhalts aus älterer Zeit werden, wenn sie
schadhaft geworden sind, durch die Behörden später erneuert. In der
Synagoge zu Schefitib bei Nehardea soll sogar das Bildnis (5?'J"n:s)
des Königs aufgestellt gewesen sein, wahrscheinlich handelt es sich
dabei ebenfalls um eine Widmung, und nur darum galt das Gotteshaus
nicht als entweiht. Auch die Synagoge von Kasiun im nördlichen
Galiläa ist nach einer dort gefundenen Inschrift „zum Wohle des
Kaisers Septimius Severus und seiner Söhne Caracalla und Geta" er-
richtet (um 197). Eine andere Art der Ehrung war auch die Benennung
des Gotteshauses nach dem Kaiser {acvaycoyrj "AvyovGTTqaiMv, xmCSD
0"i"iiiD5<1). Die chinesischen Juden von Kai-Fung-Fu hatten in der
Mitte des Betraums einen Tisch, auf dem in goldenen Lettern der
Name des Kaisers nebst einem Gebet für *sein langes Leben ein-
gezeichnet war.
Da den Juden freie Ausübung ihres Kultus gewährt war, standen
die Synagogen unter dem Schutze des Gesetzes. Wer sie zerstörte oder
gewaltsam entweihte, verfiel strenger Strafe, meist erfolgte auch die
Verurteilung zum Schadenersatz. Vom patristischen Zeitalter an
fehlte es nicht an christlichen Geistlichen, die ein frommes Werk darin
erblickten, Synagogen zu zerstören oder in Kirchen umzuwandeln.
Die letzten weströmischen Kaiser mußten wiederholt wegen solcher
Ausschreitungen Strafen verhängen. Auch Papst Gregor der Große
erklärte die gesetzwidrige Vernichtung oder Besitzergreifung einer
Synagoge für strafwürdig ; wenn er auch der Meinung war, einen einmal
als Kh-che geweihten Raum nicht wieder herausgeben zu dürfen, so
trat er doch dafür ein, daß die Juden eine volle Entschädigung erhielten.
Die erste gewaltsame Umwandlung einer Synagoge in eine Kirche
erfolgte in Byzanz, im byzantinischen Reiche wurde diese Ungerechtig-
keit zum staatlichen Grundsatz erhoben, bei der Erorberung des
Zaiil der Bt'Uulu.s.T 451
A'aii(l;il('iinMcIi('s n.T) ii,al) Kaiser Jiislinian don HctVIil, aus den zalil-
n>'uli('ii Syiiai!;()i^(Mi KiicIuMi zu iiiachon. Das l^cispicl laiid im .Miltcl-
allcr. besonders in romanischen Ländern, Xachahmunf^; in Spanien
steluMi noch heute zaldreiche Kirchen, die einst Synaj^of^en waren,
darunter die beiden nionumentak'n Bauten von El Transito und
S. Maria la Bianca in Toledo, die wegen ihres hohen architektonischen
Wertes neuerdings anf Staatskosten restauriert und zum National-
eigentuni erklärt wurden. Tn Deutschland verfuhr man meist so, daß
bei \'erniclitun«;" der jüdischen (lemeinden die Synaj^ogen zerstört und
auf ihrem Platz eine Kirche j^ehaiit wurde. Das letzte Beispiel einer
derartigen Verwendung von Synagogen auf deutschem Boden fand
in Wien statt, wo Leopold L am 18. August 107Ü die Synagoge „als
eine ^lördergrube, zum Hause Gottes hat aufrichten lassen", wie eine
Inschrift geschmackvoll berichtet. Nicht selten geschah es, daß in
Zeiten der Gefahr die Gemeinden sich in ihrem Gotteshause ver-
sammelten, Feuer daran legten und mit ihm zusammen in den Flammen
den Tod fanden.
5. Die Zahl der Synagogen war in manchen Städten beträchtlich;
da es meistens kleine Gebäude waren, erwies sich bei einer größeren
jüdischen Bevölkerung eine stattliche Anzahl als notwendig. Auch
andere Gründe führten dahin, man hatte z. B. besondere Synagogen
für den Sommer und für den Winter (b. B. B. 3a). xVus Jerusalem wird
übertreibend berichtet, daß zur Zeit der Zerstörung des Tempels 394
oder gar 480 Synagogen dort waren, eine ähnliche unwahrscheinliche
Ziffer wird von Better angegeben, aber immerhin werden auch in zu-
verlässigen Berichten hohe Zahlen überliefert. So whd von 13 Syna-
gogen erzäldt, die um 300 in Tiberias vorhanden waren, Philo erwähnt
das Vorhandensein einer großen Anzahl Proseuchen in Alexandrien,
und in Rom sind uns jetzt durch die Gräberinschriften bereits 11 Ge-
meinden aus der Kaiserzeit bekannt. Unter heidnischer Herrschaft
war die Freiheit, Gemeinden und Synagogen zu gründen, unbeschränkt.
Die christlichen Kaiser von Theodosius IT. (408 bis 450) an haben nicht
mehr gestattet, neue Synagogen zu erbauen, und nur noch die Freiheit
gelassen, die alten auszubessern. Die kirchliche Gesetzgebung be-
stimmte dann, daß die Juden einer Stadt nie mehr als eine Synagoge
besitzen durften. Sie traf sich darin mit der mohammedanischen,
denn auch nach Omars Bestimmungen war es verboten, mehr als eine
Synagoge in einer Stadt zu erbauen, in Wirkliclikeit aber wurden sehr
29*
452 Organisation des Gottesdienstes
\iele Ausnahmen geduldet. Die staatliche Gesetzgebung hat überall,
wo Judenordnungen unter dem Einflüsse kirchlichen Geistes entstanden^
an der BesclKänkung festgehalten, erst als mit der Neuzeit die Ge-
wissensfreiheit zum Grundsatz erhoben wurde, konnte die alte Praxis
wieder hergestellt werden.
6. Die Synagogen galten als Heiligtümer im Kleinen {ZiVa TU'ip'a),
sie hatten heiligen Charakter, d. h. man durfte sie für andere Zwecke
als die des Gottesdienstes oder der Belehrung nicht verwenden. Man
durfte sie nicht einmal betreten, wenn man nicht beten wollte, sie
nicht als Durchgang benutzen u. dgl. Diese Bestimmungen wurden,
jedoch nicht mit voller Strenge durchgeführt, oder die Synagoge
muß, abgesehen von dem Kaume, der zum Gebet diente, Nebenräume
enthalten haben, deren anderweitige Verwendung gestattet war.
Denn die Synagogen waren nach allem, was wir wissen, Gemeinde-
häuser im weitesten Sinne des Wortes. Außer den Gebetsversamm-
lungen wurden in ihnen z. B. Leichenfeiern für hervorragende Männer
und Frauen gehalten. Der Talmud nennt eine i?m"i)a"l Sirffi'D d. h.
Kevolutionssynagoge in Cäsarea; übereinstimmend damit berichtet
Josephus, daß während des jüdischen Krieges dort politische Zu-
sammenkünfte stattgefunden haben. In Pantikapäum, dem heutigen
Kertsch auf der Krim, findet die Freilassung eines Sklaven im Jahre 81
in der Synagoge (in:l Ttß Ttqoaevyrig) statt. Ferner wu'd im Tal-
mud häufig berichtet, daß Rechtsakte und richterliche Funktionen im
Synagogengebäude vollzogen werden, wahrscheinlich nicht im Bet-
raume, sondern in dafür bestimmten besonderen Zimmern (vgl. S. 468 f.),
aber als Mittelpunkt des sozialen Lebens eignete sich die Synagoge
sehr gut für Ankündigungen aller Art. Josua b. Le^d (3. Jahrh.) bean-
spruchte für die Gelehrten das Recht der Benutzung des Synagogen-
gebäudes und danach wurde in Palästina vielfach gehandelt (j. Meg. III,
4 f. 74 a). Auch Wohnräume für den Küster waren liäufig mit der
Synagoge verbunden. In Babylonien dienten die Nebenräume als
Herberge für durchreisende Fremde. Die wichtigste Verwendung
fanden die Synagogengebäude für Schulzwecke, von der ältesten Zeit
an war es üblich, an die Synagoge Räume für den Unterricht anzu-
schließen. Schule und Synagoge wurden auf diese Weise untrennbare
Begriffe.
Im Mittelalter wurde die Synagoge für den Juden nicht bloß der
Ort des Gebetes, sondern geradezu die Stätte des gesamten Gemeinde-
Verwendung der Bolhäuser 453
Ichoiis. Die SyiiagutiL'ii mul ihre Neboiiiüiiiiie dieiitou dalier iiiclil nur
dvy (lemeindeverwaltung, sie wurden wie in alter Zeit auch für Mit-
teilungen und Aul'ii;el)üte aller Art verwendet, die Heffierungsbeliörden
forderten vielfach, daü Ankündigungen an dieser Stätte erfolgten, welche
die (iewähr für die weiteste Offentliehkeit bot. Auch die Eide mußten
von den Juden in der Synagoge geleistet werden. Eine eigenartige
rechtliche Funktion wurde den Synagogen zugewiesen; wer glaubte,
ein Unrecht erfahren zu haben, ohne daß ihm von selten der Behörden
eine hinreichende Sühne zuteil geworden war, hatte die Befugnis, den
Gottesdienst in der Synagoge zu nnterbrechen und dessen Fortsetzung
solange zu verhindern, bis ihm Gerechtigkeit wiederfahren wäre;
selbstredend wurde dieses Mittel häufig mißbräuchlich angewendet und
es mußten strenge Maßregeln dagegen getroffen werden. Die Schule
fand im ^littclalter wie in alter Zeit sein- häufig im Gebäude der Syn-
agoge Unterkunft. Im großen undganzen ist es bis in die Gegenwart
so geblieben, daß neben den Beträumen in zahlreichen Fällen auch die
Schule und die Verwaltung der Gemeinde im Gebäude der Synagoge
untergebracht wird.
§ 49. Bauart der Bethäuser.
Literatur: Low, llofl'iiiaiiu, Bacher das.; Krauß. Die galiläischen
Syaagogeuruiueu.
1. Es war nicht erforderlich, für die Zwecke des Gottesdienstes
ganze Häuser bereit zu stellen, es genügte ein Raum, in dem die Ge-
meinde ungestört ihre Andacht zu verrichten in der Lage war; nament-
lich in der Diaspora wh'd in den meisten Fällen zuerst ein Privat-
h a u s für die gottesdienstlichen Versammlungen verwendet worden
sein, ehe es zur Gründung und zum Bau einer Synagoge kam. In
der Gestaltung des Baues war die Gemeinde vollständig frei. Die
Misclma enthält keine einzige Bestimmung über die Erforder-
nisse der gottesdienstlichen Gebäude, die Tosefta nicht mehr als zwei,
die eine bezieht sich auf den Platz, die andere auf die Orientierung
des Gebäudes. Für die Anlage gilt die Vorsclu-ift, daß die Synagoge
am höchsten Punkte des Ortes ("iiy btü n^ir^n) erbaut werden soll.
Die Orientierung soll derart sein, daß der Eingang an der Ostseite
liegt, die Gemeinde sich nach Vv'esten zu wendet (Tos. Meg. IV 22,
23 S. 22715 ff.).
Die Bibel berichtet von Daniel, daß im Obergemache seines
454 Organisation des Gottesdienstes
Hauses, in dem er betete, die Fenster nach Jerusalem hin gerichtet
waren (6 11). Daran anknüpfend schreibt eine Baraita für die P r i v a t -
a n d a c h t vor, sich in der Diaspora nach dem heiligen Lande, in
Palästina nach Jerusalem, innerhalb der Stadt nach dem Tempel,
auf dem Tempelberge nach der Richtung des AUerheiligsten hin zu-
wenden, derart, daß das ganze jüdische Volk sich beim Gebete nach
ein und demselben Punkte richtet (b. Ber. 30a). Auch die Mischna
setzt diese Bestimmung voraus (Ber. IV 4), wohlgemerkt aber nur
für die Andacht des einzelnen; wie sie sich die Einrichtung der Bet-
häuser denkt, sagt sie nirgends.
2. Bei dem Mangel an Quellenmaterial über die Beschaffenheit
der Bethäuser und ihre Bauart ist es von hoher Wichtigkeit, die vor-
handenen Reste von Synagogengebäuden aus alter Zeit zu betrachten.
Da kommen vor allem die elf Synagogenruinen in Galiläa in Be-
tracht, deren inmier mehr dem Verfalle ausgesetzte Trümmer vor
nahezu einem Jalu'zehnt durch eine Expedition der Deutschen Orient-
gesellschaft einer eingehenden Untersuchung unterzogen wurden.
Über das Resultat liegt vorerst nur eine vorläufige Mitteilung vor,
die jedoch für unsere Zwecke genügt. Die Synagogen liegen in un-
mittelbarer ISähe des Tiberias Sees um die Städte Meron, Tiberias und
Kapernaum herum. Das hauptsächlichste Ergebnis der Forschung
ist die Festlegung ilu'es Bauplans und die Feststellung, daß der Grund-
riß sämtlicher Ruinen gleich ist: ein breites Mittelschiff mit einem
Säulenumgang auf di'ei Seiten, der eine Empore trug.
Von der größten Synagoge, der von Teil Hum, dem alten Kaper-
naum, heißt es in dem Bericht: „Von den Umfassungsmauern des
18 zu 24 m großen Baues ist wenig erhalten, aber doch genügend, um
die Gliederung aller Außenwände dm'ch Pilaster, die Durchbrechung
der Südmauer durch ein Hauptportal und zwei Xebenportale und der
Ostmauer durch eine Seitentür zu erweisen. Die Seitentür führte auf
einen mit gi'oßen Platten ausgelegten Hof, dessen Abscliluß nach Osten
und Korden hin nicht mehr festgestellt werden konnte. Xach Süden
hin ist ihm und der Synagogenfront eine 3,30 m breite und fast 2 m
hohe Terrasse vorgelagert, zu der von Westen eine Treppe mit 4,
von Osten her eine Treppe mit 14 Stufen emporfülute. Die sclmiale
Brüstung der unüberdeckten Terrasse ist nur aus den Standspuren zu
ersclüießen. Das Terrain fiel von Westen nach Osten ab, der östliche
Teil der Terrasse und der Osthof erhoben sich auf wolügefügtem
Die [galilaischen Synagogenruiiicn 455
Qiijult'rhaii his zu H m über Auücuuiveaii. Vor boidcn Treppen bej^innt
eine IMhisferiini!; mit Hasaltsleineii, die von der ()sttre|)pe aus offenbar
zu dcni See hiiiabliilirle, der heule ea. 80 in weit \(m der Synagoge
lieiil.
Ini Innern wurde ein an drei Seilen uinlaufender Säulenunigang
auf erhölitem Stylobat festgestellt. Die Säulenstühlc mit den ange-
arbeiteten Basen stehen zum großen Teil noch in situ. Ursprünglich
standen auf der Ost- uiul Westseite je (">, auf der Nordseite 2 quadra-
tische Stühle für Vollsäulen, an den Ecken, die die A'ordkolonnade
mit der Ost- und Westkolonnade bildete, besondere Eckstühle für
Pfeiler mit angearbeiteten Hall)säulen. Der Fußboden des 3\/., m
breiten Umgangs liegt in gleicher Höhe mit dem des 8 m breiten
Mittelschiffs. Beide waren mit großen Kalksteinplatten belegt. An
den Längswänden zogen sich zwei Bankreiiien hin, deren obere an den
Querwänden und zu beiden Seiten der Osttür mit einem Polster en-
digte. In der Südwestecke ist das Polster erhalten und zeigt an der
Vorderseite einen Kopf.
Für den Aufbau des Innern wurden monolithe Säulenschäfte aus
Kalkstein von 3,74 m Länge, korinthische Kapitelle und Epistylien
mit angearbeitetem Fries von fast 3 m Länge gefunden, die einer
unteren Säulenstellung angehörten. Schäfte von etwas kleinerem
Durchmesser, dazu gehörige Kapitelle ausWulst und Kehle und passende
Epistylien stammen von einer oberen Säulenstellung. Balkenlöcher
auf der Rückseite der Epistyhen zeigen, daß der Umgang zweige-
schossig war. Das Mittelschiff war also von 3 Seiten
von ei n e r Empore u m zöge n.
Von den Wänden der Emporen stammen walu-scheinlich die
Stücke einer vortrefflich gearbeiteten Wandarchitektnr, die sich aus
Halbsäulen mit attischer Basis und korinthischem Kapitel, einem
reich ornamentierten Fries, der über den Halbsäulen in Kröpfen vor-
sprang, und emem Geison mit Sima zusammensetzte. Die zahlreich
und zum Teil sehr gut erhaltenen Friesstücke zeigen in Kreisfeldern,
die von Akanthuswerk umrahmt sind, den verschiedenartigsten
Schmuck: Blätter, mannigfache Blüten, Rosetten, Steine, Penta-
gramme und Hexagramme, zwei Traubensorten und Granatäpfel. Die
in der 2sähe der Xordwand gefundenen Friesstücke enthalten Tier-
vorderteile von Löwen oder Lämmern, die aus Akanthusblättern
hervorspringen, aber leider alle absichtlich abgesclilagen sind. Auf der
456 Organisation des Gottesdienstes
mit Akanthus und Palmetten verzierten Sima ist eine figürliche Dar-
stellung erhalten geblieben : 2 x\dler, die eine Girlande in den Schnäbeln
halten, und ein Seepferd.
Zahheiche Steine einer kleineren Architektur scheinen von einer
ädikulaartigen Dekoration der inneren Südwand zu stammen. Es
gehören dazu Teile eines Giebels, 2 bis 3 Konchen, die innerhalb des
Giebels angeordnet waren, und über die ein Tierfries im Bogen hinweg-
ging, sowie gedrehte Säulchen mit korinthischen Kapitellen. Vielleicht
rühren von dort auch Reste einer farbigen Stuckdekoration her, die
unmittelbar vor der Front gefunden wurden.
Die figürlichen Darstellungen der drei Türstürze sind nur nach
den Umi-issen zu vermuten ; ein Adler und Ghlanden tragende Eroten
über dem Mttelportal, \'ier- und zweibeinige Tiere zwischen Palm-
bäumen über den Seitenportalen. In der ]yiitte des westlichen Sturzes
war eine Vase, in der Mitte des östhchen ein wohl von einem Adler ge-
haltener Kranz. Zu dem Hauptportal gehören zwei Türkonsolen, die
an der Frontseite mit einem Palmbaum dekoriert sind. Zu dem weiteren
Aufbau gehört ein Fenster, das nach innen und außen von einem
Giebel mit Konche üljerdeckt war und durch Gitterstäbe geschlossen
wm'de. Den oberen x\bschluß der Front bildete offenbar ein großer
Giebel, dessen horizontales, reich geschmücktes Gebälk nach Art der
syrisch-römischen Architektur dm-cli einen Bogen unterbrochen wurde.
Die aus Akanthusblättern springenden Tiere des dazu gehörigen
Frieses sind sämtlich abgeschlagen."
Sein- bedeutsam wegen ihrer guten Erhaltung und als Zeichen
für die Bauart in der Diaspora ist die Synagogenruine in H a m m a m -
L i f , dem alten X a r o , in Xordafrika in der ]Xähe von Karthago
am Fuße des Djebel-bu-Kuruein. Aus den Ruinen läßt sich noch heute
der Grundriß und die Anordnung des umfangreichen Gebäudes erkennen.
Ein französischer Gelehrter bescln-eibt es wie folgt: „Der Bau büdete
ein fast regelmäßiges Viereck von ungefälu* 20 m Seitenlänge. Offen-
bar waren ein Xebeneingang in der Mtte der Südostseite am äußersten
Ende eines langen Ganges und eine Ausgaugstür an der TSordwestseite
vorhanden, aber die Hauptfassade, vor der sich ein Hof befand, stand
im Südwesten. Die Fassade wm-de von zwei Saiden geschmückt, auf
denen, wie sich erkennen läßt, ein Giebel ruhte. Die monumentale Tür
führte zu einer Säulenhalle, die rechts ein massives Mauerwerk entliielt,
links zwei kleine Zimmer. Durch die Säulenhalle o:elano:te man in ein
l>i<' Synagoge im alten Naro 457
gloit'li hreitos. aber \v('ni<r('r tiofcs recht eck ifjt's Vostihül. Links von
der Vürluille führte eine kleine Tür in ein Ziininer, gej^enüber vom
Hanpteingang verband eine große Tür den Vorraum mit dem Betraum
(sanctuaire). Auf dn- Schwelle befand sich eine Inschrift mit dem
Xninen der Stifter des Mosaiks. Der eigentliche Betraum war ein
längliches Rechteck von 10 zu Gm Seitenlänge. Er zeigte im Westen
eine runde Nische, die an den Mhrab der Moscheen erinnert. Der
Fuüboden war ganz mit Mosaik bedeckt, dessen Breitseite in drei
Felder von verschiedener Ausdehnung geteilt war. Nahe am Eingang
und im Hintergrunde waren Vögel, Vierfüßler. Blumen, Früchte, von
Laubwerk umgeben, dargestellt. Das Mittelstück des ^losaiks über-
traf an Größe die beiden anderen zusammen, es war wiederum in drei
Teile geteilt, die in entgegengesetzter Art, d. h. der Länge nach ange-
ordnet waren. Oben sah mau eine Landschaft am Wasser, Fische und
Wasservögel, unten eine reine Landschaft. Palmen beschatteten eine
Schale, und an den Henkeln standen zwei Pfauen einander zugekehrt.
In dem mittleren Teile befand sich innerhalb einer Umrahmung von
Schwalbenschwänzen zwischen zwei siebenarmigen Leuchtern und
anderen Kultusgegenständen eine Widmungsinschrift, die den An-
dächtigen Kunde davon gab, daß der Mosaikboden des Heiligtums
auf Kosten einer Dame mit Namen Juiiana hergestellt worden war.
Im Nordwesten des Betraumes, aber ohne Verbindnug mit ihm,
hinter der Nische breitete sich ein großes rechteckiges Zimmer aus, das
nach außen gerichtet war. In der Südostecke des Betraumes öffnete
sich ein langer Gang, der in mehrere Säle führte, zwei links, drei rechts.
In der Ostwand, gegenüber der Nische, waren drei Türen durchge-
brochen, die nach ebensoviel Zimmern führten. Das erste Zhnmer
diente als Aufbewahrungsort für die Kultusgegenstände und die
heiligen Bücher; das zeigte eine Inschrift an, die in den Mosaikboden
eingelassen war.
Die Synagoge enthielt also, abgesehen von den Anbauten, etwa
15 Zimmer, die um das Hauptportal, einen Quergang uiul den Bet-
raum gruppiert waren. Die Bestimmung der meisten Räume ist un-
bekannt. Viele waren mit Mosaiken geschmückt. Außer den erwähnten
Bildern haben sich Reste mit folgenden Darstellungen gefunden:
siebenarmige Leuchter, verschiedene Tiere, Löwen, Hyänen, Hähne,
Rebhühner, Perlhühner, Enten, Fische, Bäume und Fruchtkörbe,
außerdem die Büste eines jungen Mannes mit langen Haaren, der auf
^gg Organisation des Gottesdienstes
der Schulter einen gebogenen Stock hält, die Büste einer Frau mit
einem Helm, die einen Speer trägt usw. Durch die Motive imd den
Charakter der Dekorationen erinnert die Synagoge von Naro an die
afrilianischen VUlen aus der Kaiserzeit, sie scheint aus dem dritten
oder vierten JaMiundert unserer Zeitrechnung zu stammen."
3. Nehmen wir hinzu, was uns aus literarischen Quellen oder
Inschriften über Synagogen des Altertums bekannt ist. Da haben
wir zunächst der Schilderung zu gedenken, die der Talmud von der
großen Proseuche in Alexandrien {(.leyioxri /.cd ^reoioifjuarorri Philo)
entwkft: „Wer nicht die Doppelstoa von Alexandrien gesehen hat,
hat nie die Herrliclikeit Israels geschaut. Wie eine große Basilika war
sie gebaut, eine Säulenreihe innerhalb einer anderen, mitimter waren
doppelt so viel Menschen darin, wie die Schar der aus Ägypten ge-
zogenen. Den 71 Ältesten im Sanhedrin entsprechend befanden sich
in ihr 71 Katheder von Gold mit Edelsteinen und Perlen ausgelegt,
jedes einzelne stellte einen Wert von 25 Miriaden dar, eine Tribüne
von Holz war in der Mitte usw." (Tos. Sukk. IV 6, S. 198 20 ff.).
Philo führt Klage darüber, daß bei der Zerstörung der Proseuchen
in Ägypten zur Zeit des Flaccus auch die zu Ehren der Kaiser auf-
gestellten Schilde, goldenen Kränze und Stelen mit Insclu'iften mit-
vernichtet worden sind, und daß man es den Juden unmöglich mache,
ihre Dankbarkeit gegen Wohltäter zu bezeigen, wenn sie nicht die
heiligen 7iEoißoloi besitzen, in denen die Dankzeichen aufgestellt werden
könnten. Mit derselben Bezeichnung jiEQißoloi werden auch die Vor-
höfe der Synagoge in Phokäa an der ionischen Küste erwähnt, wo die
Stifterin der Synagoge und des TteQißolog mit einem goldenen Ki-anze
und der Ttooedgia geehrt wird. Der palästinische Talmud erwähnt eine
miiS, das ist ebenfalls ein größerer Hofraum dicht am Synagogen-
gebäude. In Mantiaea endlich Avurde ein TtQovaog für die Synagoge
gestiftet.
4. Aus den herangezogenen Beschreibungen der alten Ruinen
können wn mancherlei für die spätere Entwicklung der Synagogen-
gebäude lernen. Bei den meisten der erwähnten Bauten muß es auf
fallen, wie hoch sie angelegt sind. Das erinnert an die behandelte
Vorschrift der Tosefta (ob. S. 453). Nicht überall hatte man die Mög-
lichkeit auf einer Terrasse zu bauen, in einem solchen Falle forderte
dann Rab, der darin sehr streng dachte, in Babylonien zumindest,
daß die Dächer der Privathäuser die Svnaoogen nicht überragen dürften,
Hohe der Bcthauser 459
iMul H. Asclii häufe tatsäclilicli für den Sifz der llocIiscIiiiK', Mala
j\lac-list'ja, eint' Syiiaj;()<;(', die sich ühcr aHc (Ichiuidc (h-r Stadt erhöh
(h. Sehal)l). IIa). Das war später nicht mehr (hiich/.id'nhreii, schon (h-r
Miihasdi berichtet, daü einst in a l t e r Z o i t die Syna^'o<,aMi liohe
(iehäude waren. Wo die Kirche S^'gen jede tjberliebun^ der Juden
eiferte, gestattete sie keine inoiiunientalen Synagogen, insbesondere
fülirte sie darüber Klage, wenn die jüdischen Gotteshäuser sich vor
benachbarten Kirclien anszeiclmeten, was selbst im hohen ]\Iittel-
alter noch hier und da vorkam. Die staatliche Ciesetzgebung ließ sich
durch die kirchlichen Anschauungen beeinflussen und stellte ebenfalls
der Krbauung von monumentalen Synagogen allerlei Dindernisse ent-
gegen. ^Nichtsdestoweniger blieb die alte Vorschrift über die Höhe
der Gebäude zu Recht bestehen, und im hohen Mittelalter begannen
die Talmudisten über ihre Nichtbefolgung nachdenklich zu werden.
Die einen forderten geradezu, daß die jüdischen Besitzer der um-
liegenden Häuser ihre Gruiulstücke abtragen müßten, die anderen
fanden eine Entschuldigung darin, daß im nördlichen Europa die
Dächer nicht wie im Orient flach sind, daß man demnach auf unseren
schrägen Dächern nicht hantieren und in die Synagoge blicken und
damit den Gottesdienst stören kann. Es werden aber auch Beispiele
erwähnt, wo berühmte Lelirer eine teilweise Erhöhung der Synagogen
forderten, zum mindesten sollte der Boden unter dem Dache der
umliegenden Häuser nicht höher liegen als der Giebel der Synagoge.
Eine strenge Durchführung der talmudischen Vorschrift war in nicht-
jüdischer Umgebung unmöglich, in christlichen und mohammedanisciien
Ländern wird ganz offen zugegeben, daß mit Rücksicht auf die
herrschende Bevölkerung von einer Befolgung des Gesetzes Abstand
genommen werden müßte. In Polen wurde es, spätestens um 1650,
üblich, am Dache der Synagoge eine die Wohnhäuser überragende
Stange anzubringen, die Sitte ging nach Deutschland über und hat
sich, allerdings in künstlerischer Ausführung, bis zum heutigen Tage
vielfach erhalten, wenn auch die gottesdienstlichen Gebäude der Gegen-
wart vermöge ihrer monmnentalen Anlage eine solche Erhöhung nicht
nötig hätten.
5. Die Orientierung des Bauplatzes war selir verschieden, die
erwähnte Vorschrift der Tosefta, die Eingangstür im Osten anzulegen
und das Gebäude nach Westen zu richten, finden wir nur bei der Ruine
in Irbid befolgt. Im Talmud wird von der Orientierung der Synagogen
460 Organisation des Gottesdienstes
nirgends gesprochen, für die Richtung beim Privatgebet werden ge-
legentlich die verschiedensten Seiten empfohlen, am häufigsten die
"Wendung nach Osten; das Christentum hat früh diese Sitte ange-
nommen, sie wird bis zum heutigen Tage beim Bau der Kirchen be-
obachtet. Trotzdem keine bindenden Vorsclu'iften darüber erwähnt
werden, muß sich sehr früh die Sitte herausgebildet haben, die Rich-
tung nach dem Heiligen Lande zu wählen und auch die Bethäuser
danach zu bauen. Darauf wies das Beispiel Daniels hin, auch die
Angaben im Gebete Salomos bei der Tempeleinweihung (I. Kön. 8 44. 48)
wm-den so ausgelegt. Hieronymus bezeugt als jüdische Sitte, sich
beim Gebet dem Tempel zuzuwenden. Auch Apion erwähnt, daß die
Synagogen nach Osten zu liegen, die Ruine von Hammam-Lif hat ihre
Hauptfassade im Südwesten, so daß die Beter mit dem Gesicht nach
iSordosten saßen, also ebenfalls in der Richtung nach Jerusalem.
Endlich ist zu beachten, daß die Samaritaner ebenfalls in der Rich-
tung nach dem Berge Garisim beten und darin. Wie in den meisten
religiösen Sitten, die jüdischen Einrichtungen befolgen. Trotz aller
dieser Zeugnisse ist nicht zu bezweifeln, daß die Praxis nicht einheit-
lich war. Die galiläischen Ruinen sind mit einer Ausnahme von Süden
nach ]^orden orientiert, also von Jersulem abgekehrt. Daß hier ein
Baumotiv aus alter Zeit fortwirkte oder daß die Gemeinde zur Tür
zugewendet saß, ist schwer anzunehmen, vielmehr ist es bei einigen
Gebäuden ganz offenkundig, daß die Anlage mit Rücksicht auf die
Fermwkung des Gebäudes gewählt ist. In Teil Hum und in Kerazeh
beherrscht die reich ausgeschmückte Fassade den See und bietet den
Vorbeifahrenden den herrlichsten Anblick, ebenso genießt man von der
Terrasse aus oder durch die geöffneten Türen prachtvolle Aussichten.
Die Ruine von Xebratein liegt ,,auf einem Ausläufer der Safeder Berge
auf einem ausgesucht schönen Platze mit der Aussicht auf den Hidesee,
die Jordanebene nördlich davon und den ganzen Gebirgszug des stolzen
Hermon". In Meiron ist die Plattform für den Bau der Synagoge aus
einer kleinen, steilen Felskuppe ausgehauen, von der sich ebenfalls eine
schöne Aussicht auf den See bietet.
Die Sitte entschied für die Richtung des Gesichtes nach Jeru-
salem. Daneben aber blieb die Vorschrift in Geltung, daß der Eingang
der Synagoge im Osten liegen sollte. Maimonides hat sie nach dem
Vorgange Alfasis kodifiziert, er macht aber nicht die Richtung der
Beter davon abhängig, schreibt ilmen vielmelu- vor, sich nach der
Anlage der Bethäuser 461
Lade hinziiwciulon (vpjl. S. 471), wi'lcho je nach der ojoocjraphischcn
\ai^q (los Ortes ihicMi Platz crhalton sollto. In l'^rankrcich und Deutsch-
land jedoch sah man von der liest iiimuitii!,- iihci- die Türen gänzlich ab,
hielt sich nur an die Weiulunii" nach Palästina und baute die Synagogen
so. dal.) sie nach Osten zu lagen und den Eingang an der Westwand
hatten. Im Schulchan Arucii ist aus einer Kombination beider An-
schauungen die Bestimmung entstanden, daß die Eingangstür gegen-
über der durch den Platz der Lade angegebenen Richtung sich be-
finden muß. Die in Europa allgemein befolgte Wendung nach Osten
war geographisch nicht ganz genau, Mordechai Jaffe forderte darum
eine südöstliche Riclitung. aber obwolil sein Hinweis später erneuert
wurde, blieb es bei der Orientierung nach Osten. Die Baustellen der
Synagogen wurden sehr sorgfältig, vielfach sogar recht unvorteilhaft
abgesteckt, um die östliche Richtung zu erhalten. Die Gemeinden
waren darin weit weniger nachgiebig als selbst die strengsten Rabbiner,
die infolge ihres Einblicks in die Quellen ein Abweichen vom Her-
kommen nicht für unmöglich hielten.
6. Die Zahl der Türen, die in die Synagoge führten, whd sehr
verschieden gewesen sein. In den galiläischen Ruinen finden wh
regehnäßig eine Haupttür in der Mitte und zwei Seitentüren, aucli
der Midrasch erwähnt eine mittlere Tür; es ist daher nicht ganz aus-
geschlossen, daß das eine ständige Einrichtung war und vielleicht eine
symbolische Bedeutung hatte. Neben den Türen an der Eingangswand
zeigen die Ruinen und kennt auch der Talmud Seitentüren (snrE
i?:"'"'ns5 b. Sota 30 b), die wahrscheinlich in die Xebenräume führten.
In Jrbid soll der Fußboden bedeutend tiefer gelegen haben als die
Schwelle der Eingangstür. Falls das nicht besondere Ursachen liatte,
sähen wu* hier zum ersten Male die Vorschrift des Talmuds befolgt,
daß man beim Beten an einer niech'igen Stelle stehen soll, um aus
der Tiefe Gott anzurufen (vgl. Ps. 130 1). Xach dem einfachen Sinn
jener Stelle (b. Ber. 10b) kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die
Vorschrift sich nur auf die Andacht des einzelnen im Privathause be-
zieht; in talmudischer Zeit wurde ilu* in Babylonien schon Rechnung
getragen, der Vorbeter stand dort tiefer als die Gemeinde. Im Mittel-
alter aber baute man die Gotteshäuser so, daß man auf einer oder
melu-eren Stufen zu ihnen hinuntersteigen mußte, und erst in neuerer
Zeit wird meist von dieser Tradition abgewichen.
7. Der Fußboden der galiläischen Synagogenruinen ist fast durch-
462 Organisation des Gottesdienstes
weg mit einfachen Steinplatten belegt, nur in Umm-el-Amed
war er mit einem schlichten Mosaik aus Kalksteinwürfeln bedeckt;
in Hammam-Lif und am Pontus hat man reichen und kunstvollen
Mosaikschmuck gefunden. Hier scheint die Diaspora sich dem grie-
chischen Geschmack angeschlossen zu haben, während man in Pa-
lästina im allgemeinen die strengere Anschauung befolgte und Mosaik
verpönte, obwohl im Tempel zu Jerusalem eine kunstvolle Pflasterung
verwendet war. In Babylonien machte die Scheu selbst vor den Stein-
platten (a^:ni« bir nsirn b. Meg. 22b) nicht Halt; es galt als verboten,
sich auf ihnen niederzuwerfen (rr^irimrin), da es dennoch geschah,
wurde unser Niederwerfen für nicht ganz vorschriftsmäßig ausgeführt
erklärt. Schließlich ging die Bedenklichkeit so weit, daß man nicht
einmal mehr auf einem Holzfußboden niederfallen wollte; in Deutsch-
land, wo die Sitte herrschte, sich am Versöhnungstage während der
Aboda niederzuwerfen, breitete man Matten, in ärmeren Gegenden
auch Stroh, auf dem Fußboden aus, um jeden Anschein zu vermeiden,
als fiele man auf den bloßen Fußboden.
8. Der innere Raum hatte in der Regel die rechteckige Form der
römischen Basilika, die Proseuche in Alexandiien nennt der
Talmud 'ipb"'Dn, die galiläischen Ruinen ebenso wie Hammam-Lif
haben sämtlich für den Betraum die Form des. länglichen Rechtecks.
In den galiläischen Ruinen laufen an zwei Längsseiten Säulen ent-
lang, meistens auch an der dritten, so daß ein vollständiger Umgang
vorhanden und der Raum in ein breites jVIittelschiff und zwei schmälere
Seitenschiffe geteilt ist. Die Einteilung in drei Schiffe ist in den meisten
Synagogen beibehalten worden, selbst in Kai-Fung-Fu war sie vor-
handen. In Galiläa sind meistens Spuren einer doppelten Säulen-
stellung erhalten, walirscheinlich war der Umgang von einer Empore
umgeben. Die Anlage und der Stil der antiken Synagogen verraten
den Einfluß römischer Monumentalbauten; die Ausführung und
Gliederung der Fassade, die Anordnung der Portale, die Stellung und
Verarbeitung der Säulen, die Bildung und Ausschmückung der Giebel
entsprechen dem allgemeinen Brauche der Kaiserzeit. In gewissen
Einzelheiten wie z. B. der besonderen Gestaltung des ionischen Kapitels
ist spezifisch jüdischer Einfluß zu erkennen. Diese Verbindung von
Fremdem und Eigenem darf als Grundgesetz des Synagogenbaues
zu allen Zeiten angesehen werden. Das Streben ging im allgemeinen
daliin, die Synagogen so schön und würdevoll, wie die Mittel der Ge-
Baustil (I.T Hcthauser 463
nu'iiule es <j;t'sl;ülo(('ii, zu cniclilcii; dal.) .sie Hiclit allzu präclitii:; wurdcii,
dafür soi-f^fo eine foiudliclR' (Icsi'lz^^'hunp^. Vüv die Bauart war zu
allen Zeiten der iu der l'm^ehung herrsclionde Geschmack und Stil
nial')trel)en(L iu b]iuzellieiteii wurde zuü:uiisten der Tradifiou und der
eigeuliiiulieheu (iestailuug der Synaj^ogeu davon abgewichen. Ein
cliarakteristisches Beispiel bietet die Synagoge in Worms; ihr ältester
Bestandteil (1034 vollendet) ist ebenso wie die um 1100 erbaute Syna-
goge von Speyer in romanischen Stil gelialten, der Anbau in Worms
vom Jalire 1213 zeigt bereits den Einfluß der frühen Gotik. Die noch
erhaltenen s|)anischen Synagogen sind in maurischem Stil gebaut,
allerdings mit starken Abweichungen, die auf eine sehr glückliche
Entwicklung der Kunst unter den Juden Sj)aniens schliel.icn lassen.
Im Orient erinnern die Synagogen vielfach an die Kubbali der Mo-
hammedaner, an die auf den Gräbern erbauten Ka])ellen, die den
Pilgern als Andachtsstätten dienen. So ist es zu allen Zeiten gewesen,
nuin baute die Synagogen in dem in dem betreffenden Lande gerade
herrschenden Stile und bot alle erreichbaren Mittel auf, um eine mög-
lichst künstlerische Vollendung zu erhalten. Besonders bezeichnend
sind hierfür die erst neuerdings beachteten Holzsynagogen in Polen
und Rußland, die ebenfalls eine bald mehr, bald weniger auffällige
Übereinstimmung mit dem allgemeinen Baustil der dortigen Kirchen
zeigen. Sie sind überdies ein treffender Beweis dafür, daß selbst dort,
wo von der Umgebung ein künstlerischer Einfluß nicht ausging, auf
eine geschmackvolle und sorgfältige xAusführung der gottesdienst-
liclien Gebäude Wert gelegt wurde.
In der Neuzeit bildeten sich zahlreiche neue Gemeinden in großen
Städten, die opferwillig reiche Mittel für Synagogenbauten bereit-
stellten, die beschränkenden Gesetze fielen in den meisten Ländern
weg, die Architekten konnten sich ungehindert von ihrer künstle-
rischen Eingebung leiten lassen. So sind in allen Erdteilen prachtvolle
Synagogen entstanden, die vielfach ihrer Umgebung zur Zierde ge-
reichen. Ein eigentümlicher Synagogenbaustil hat sich jedoch bisher
nicht entwickelt, je nach dem Vorherrschen der einen oder anderen
Richtung wurde die maurische, byzantinische, gotische, romanische,
klassische Bauart oder eine Verbindung von mehreren Stilen ver-
wendet. Eine neue Erscheinung an den modernen Synagogengebäuden
ist ihre Verzierung mit einer oder mehreren Kuppeln, die zuweilen zur
Erhöhung des Gebäudes dienen (oben S. 458 f.). Wie weit sie architek-
464 Organisation des Gottesdienstes
tonisch zum Innern der Synagoge passen, das müssen die Fachmänner
entscheiden, für den Gottesdienst haben sie sich zumeist als sehr störend
erwiesen, da die Akustilc durch sie wesentlich beeinträchtigt wurde.
9. Xach talmudischer Vorschrift soll man nur in einem Hause
beten, in dem sich Fenster befinden (b. Ber. 31a). was bei den
antiken und orientalischen Häusern durchaus nicht selbstverständlich
war. Man sollte meinen, daß die Bestimmung auch für Synagogen
gilt, tatsächlich ist sie zumeist auch so ausgelegt worden; in den
Kuinen sind mehrfach die Ansätze für Fenster erhalten. Im Sohar
werden 12 Fenster für das Bethaus gefordert und im Schulchan Aruch
ist dieselbe Zahl empfohlen, was in den letzten Jahrhunderten beim
Bau auch \'ielfach beachtet wurde. Aber es gab in alter Zeit Synagogen,
die überhaupt keine Fenster besaßen, dafür aber dachlos waren, so
daß unter freiem Himmel gebetet wurde. R. Ami und R. Assi in Ti-
berias (300) beteten gern an ilirer Lehrstätte, die nicht überdacht
war (i"i'C" "»m b. Ber. 8 a), Epiphanius berichtet auch von den
Samaritanern, daß sie nach dem Beispiel der Juden unter freiem
Himmel auf sonnenbescliienenen Orten ihre Gebete verrichteten.
Die dachlosen Synagogen lassen sich im Orient in allen Jahrhunderten
nachweisen. Maimonides entschied, daß Fenster für die Synagoge
durchaus nicht notwendig wären, da die talmudische Vorschrift sich
nur auf die Privatandacht bezöge und die Erhöhung der Andacht be-
zweckte. Im 17. Jahrhundert erzählt Pietro della Valle, daß in Aleppo
der Gottesdienst in der Regel in dem von Säulenhallen umgebenen
Hofe der Synagoge stattfinde, daß nur bei regnerischer oder kalter
Witterung ein Saal benutzt werde. Auch Ch. J. D. Asulai (gest. 1807)
kannte noch in Jerusalem Synagogen ohne Dach, die auch von den
strengsten Rabbinern gebilligt wurden.
10. Die galiläischen Synagogen zeichnen sich durch reiche und
reichhaltige Ornamente an den Säulen, den Friesen, den Tür-
stürzen und Giebeln aus. Darunter befinden sich charakteristische
jüdische Ornamente, wie der siebenarmige Leuchter, Weinlaub und
Trauben, Granatäpfel, Pabnblätter und Zweige, Becher und Ölgefäße,
Pentagi-amme und Hexagramme. Überraschend wirken die \ielen
bildlichen Darstellungen von Tieren und sogar vereinzelten mensch-
lichen Köpfen, die sich in allen Ruinen, auch in den galiläischen, finden.
Es ist bezeiclmend genug, daß die Figuren fast ausnahmslos ver-
stümmelt sind. Ob der Vandalismus auf jüdische oder mohamme-
Ornamenti' in den liilliausiiii 465
(laiiiselie Fanatiker ziiiik'kjLi;i'lit, läßt sich iiiclit i'utsclit'idcii, niun niiilj
ihn, wie die Verhältnisse liegen, auch Juden zutrauen, nach der
herrschend gewordenen Meinung verstoßen die Ornamente gegen die
jüdische Keligionsanschauung. Tatsächlich hat die Lehre in solcher
Strenge niemals bestanden, die Synagogen sind zu keiner Zeit ohne
figürliche Darstellung geblieben, ,,die Fabel von dem Hasse der
Synagoge gegen alle Kunst bis in das Mittelalter und die Neuzeit
hinein müßte endlich vor den Tatsachen des Lebens und den Zeug-
nissen der Literatur verschwinden". Mit der Furcht vor der götzen-
dienerischen Anbetung der dargestellten Gegenstände hatte unter den
Juden auch die Scheu vor ihrer künstlerischen Nachbildung aufgehört.
Nur nuMischliclie Figuren, die Cherubim und die Vereinigung der
Tiergestalten, die Ezechiel am göttlichen Thronwagen geschaut hatte,
waren verboten, alle anderen Ornamente, Pflanzen wie Tiergestalten,
genullt so gut wie plastisch dargestellt, hätten ungestört angebracht
werden können. So hatte Epliraim b. Joseph (12. Jahrh.) die Be-
malung der Synagogen mit Tiergestalten, wie Vögeln und Rossen,
gestattet. Die Fenster der Synagoge in Köln waren damals mit Glas-
malereien von Löwen und Schlangen, die von Meißen mit Bäumen
und Vögeln geschmückt. Namentlich Löwen sind in verschiedensten
Formen in ]\Ialerei, Stickerei und plastischer Darstellung jederzeit als
Dekorationen in der Synagoge vertreten gewesen. Der freieren Praxis
stand eine Äußerung Maimunis entgegen, der zwar nicht die bildliche
Ausschmückung der Synagogen verbot, aber für sich persönlich den
Brauch befolgte, die Augen zu schließen, so oft er an einer mit Bildern
verzierten Wand betete, weil er fürchtete, dadurch abgelenkt zu werden.
Das machte ängstliche Gemüter immer meder bedenklich, so daß
einzelne Rabbiner selbst die Ausmalung der Wände mit Blättern,
Blumen und Bäumen verboten. Die Beispiele solcher Ausschmückung
waren jedoch zu zahlreich und zu bekannt, und selbst wo neue Orna-
mente für unerlaubt erklärt wurden, blieben die alten geduldet. Sie
erhielten sich auch in solchen Gegenden und Jalu-hunderten, die man
im allgemeinen als finstere und kulturfeindliche zu betrachten pflegt.
Chr. Wagenseil kennt als weitverbreiteten Synagogenschmuck in
Deutscliland Blumen, Palmzweige, Bilder des Tempels von Jerusalem,
hebräische Gebete und Bibelverse und Verzierungen ähnlicher Art.
Noch weit bezeichnender sind die Nachrichten aus einigen der er-
wähnten Holzsynagogen Polens; in der einen finden sich zwar keine
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. »jO
466 Organisation des Gottesdienstes
Malereien, dafür aber am heiligen Schrein und an der Balustrade der
Frauengalerie sogar Tierköpfe in Bas-Relief, in einer anderen sind die
Wände durch Gebete und Bibelverse geschmückt, die aber sämtlich
von Malereien eingerahmt sind, unter denen allerlei Vögel und Tiere
nicht fehlen. Unter dem Einfluß der kunstfeindlichen Talmudisten
waren in den letzten Jahrhunderten die Verzierungen der Synagogen
selir einförmig geworden, die Ausschmückung mit Bibelversen und
Gebeten, mit Erinnerungstafeln für Woliltäter oder nichtssagenden
Schablonen war allgemein üblich. Die Verfeinerung des Geschmacks
in der Neuzeit und die reichere architektonische Ausgestaltung der
Synagogen haben wieder mehr Abwechslung in die Ornamentierung
gebracht, bezüglich der geeigneten Gegenstände aber befinden sich
die Künstler meist in großer Verlegenheit. Das Muster einer künst-
lerischen und in ihren Motiven völlig im Geiste der jüdischen Religion
gehaltenen Ausschmückung der Synagogenwände und Fenster bietet
die neue Synagoge in Szegedin in Ungarn.
11. Eine eigentümliche Gestaltung gewinnt der innere Ausbau
der Synagogen heute durch die Anlage der Abteilung für die F r a u e n
die sich zumeist auf einer Galerie befindet. Das ist nicht immer so
gewesen, alte Synagogengebäude haben den Raum für die Frauen hinter
dem der Männer auf demselben Geschoß. Es erhebt sich die Frage,
wie es mit der Absonderung der Gesclüechter beim Gottesdienste
überhaupt steht. In der Einrichtung des Frauenvorhofs im jerusa-
lemischen Tempel (Ditt: rnT^) kann sie iliren Ursprung nicht haben,
denn jener Vorhof diente nur als Grenze für den Raum, den Frauen
betreten durften; er gehörte aber nicht ausschließlich den Frauen,
auch Männer konnten sich in ihm aufhalten, mußten ihn sogar als
Durchgang benutzen, wenn sie an den Opferaltar zu gelangen wünschten.
jMur bei einer Gelegenheit wurde die Trennung der Geschlechter streng
durchgefülu't, beim Feste des Wasserschöpfens (nnxirn r.^^ rn^ffi)
mußten die Zuschauerinnen auf besonderen Tribünen (S"i:2nTa
= i'iiuovQo) Platz nehmen, aber nicht, um sie von den Männern fern
zu halten, sondern um sie vor Ausschreitungen zu schützen, die bei
der überschäumenden Festfreude nicht ausgeschlossen waren. Am
Gottesdienste der Synagoge haben Frauen von Anfang an als voll-
berechtigte Mitglieder teilgenommen. In ältester Zeit fand man nichts
dabei, wenn eine Frau aus der Tora vorlas, erst später Aviirde es mit
Rücksicht auf die Gemeinde für unstatthaft erklärt. Daß Frauen
FrauciigaliMicii 4(37
tli(> !?ottos(lionsl Hellen Vers;mimlimnjen besuclileii, berichten die
Quellen wiedeiluilt, hingegen erwähnen sie nirgends, (hiß das weibliciie
Geschlecht sich in einem besonderen Räume aufhalten mußte. Aus
alter Zeit wird nur von den Therapeuten überliefert, daß ihre
Andachtsräume mit einer doppelten Mauer versehen waren, deren
iniuMe sich 3 bis 4 Ellen über den Boden erhob, um eine Scheidewand
zwischen Männern und Frauen herzurichten. Die Mischna weiß davon
nichts, sie kennt lediglich eine .\bgrenzung für einen am Aussatze
Erkrankten; sobald ein solcher die Synagoge besucht, wird für ihn eine
Umfriedung hergerichtet, er muß als erster eintreten und darf erst
zuletzt den Raum verlassen (Xeg. XIII 13), eine Maßregel, die sich
aus hygienischen Rücksichten sehr wohl begreifen läßt. Von einer
ständigen Absonderung der Frauen hingegen weiß die ]\Iischna nichts.
Auch der Talmud kennt eine Frauengalerie nicht, er berichtet, daß
Abbaje irdene Krüge, Raba getrocknete Schilfstäbe zur Abgrenzung
zwischen den Sitzplätzen der Frauen und der Männer aufstellen ließ,
um einen Verkehr zu verhindern (b. Kidd. 81a). Daraus ergibt sich,
daß selbst in den gewiß nach den strengsten Grundsätzen eingerichteten
Synagogen Babyloniens, wie in den alten christlichen Kirchen, ge-
trennte Sitzreilien für Männer und Frauen vorhanden waren, daß sie
aber ganz dicht nebeneinander lagen. So wird es auch überall gewesen
sein. Wenn wir daher in den Synagogenruinen sowohl in Galiläa wie
in Hammam-Lif besondere Emporen mit Sitzreihen finden, so mag es
nicht unberechtigt sein, in ihnen die Plätze für die Frauen zu vermuten,
eine absolute Sicherheit aber, daß in jenen antiken Synagogen Frauen-
galerien vorhanden waren, gibt es nicht.
Im Orient werden die Frauen im allgemeinen nicht allzu häufig
dem öffentlichen Gottesdienste beigewohnt haben, Maimonides bringt
daher in dem Abschnitte über den Synagogenbau überhaupt keine
Bestimmungen über den Platz der Frauen. Das war im Abendlande
anders; hier besuchten die Frauen die Gotteshäuser, zumal wenn eine
Predigt stattfand, erschienen sie in stattlicher Zahl. Angesehene
Lehrer wie Raschi sprachen sich gegen jede Zurücksetzung und
Kränkung der Frauen aus. Elieser b. Joel ha Levi aus Bonn (um 1200)
berichtet, daß an Sabbaten vor der Predigt zwischen den Sitzen der
Männer und der Frauen Vorhänge ausgebreitet wurden, was darauf
schließen last, daß die Plätze in demselben Räume lagen. Allmählich
ging man, walirscheinlich aus Platzmangel, dazu über, getrennte
30*
468 Organisation des Gottesdienstes
Käume für die Frauen an die Synagoge anzubauen (":;© nc:3~ riü
Siir:). In Worms z. B. stammt die Männersynagoge aus dem Jahre 1034,
die der Frauen wurde erst 1213 errichtet. Auch in der Altneuschul in
Prag bildet die Frauensynagoge einen Anbau, und so ließen sich die
Beispiele aus den wenigen erhaltenen alten Synagogen vermehren.
Die Zimmer für die Frauen lagen dicht neben der SjTiagoge oder ein
wenig erhöht und waren durch Balustraden oder Fenster mit dem
Männerraum verbunden. Aus der Erhöhung wurde im Laufe der Zeit
ein ganzes Stockwerk, ebenso wurde die Abgrenzung mit dem Fort-
schreiten des ]\Iittelalters immer strenger, dichte Gitter oder mit
Vorhängen versehene Glasscheiben versperrten den Anblick der
betenden Frauen, und die vöUige Abschließung galt als ein strenges
religiöses Gebot. In den meisten Fällen beeinträchtigten die Galerien
auch den architektonischen Einch'uck der Synagogen, es gibt aber
auch Beispiele, wie in der portugiesischen Synagoge in Venedig, wo
die Anlage der Frauengalerie der Arcliitektur des Gebäudes erst den
künstlerischen Abschluß verleilit.
In der I^euzeit trat bezüglich der Einrichtung der Frauengalerie
eine gründliche Wandlung ein. In den modernen Synagogen wurden
die Gitter vollständig beseitigt, was vielfacli zu leidenschaftlichen
Kämpfen gefülu't hat, da man mi Laufe der Zeit glaubte, selbst für
die Höhe und die Dichtigkeit der Vergitterung religiöse Gründe und
beachtenswerte Gewälu-smänner finden zu können. Selbst da, wo
man dem Herkommen soweit als möglich Rechnung zu tragen wünschte,
wurde die Absclüießung der Frauengalerie außerordentlich gemüdert,
die Gitter sind künstlerische Verzierungen geworden. In der Berliner
Reformgemeinde wiu'de von x\nfang an die Frauengalerie beseitigt,
dem weiblichen Geschlecht vraide eine Abteilung im unteren und
einzigen Geschosse des Gotteshauses eingeräumt. In Europa fand
dieses Beispiel nur ganz vereinzelt Nachahmung, in Amerika liingegen
wurde die neue Einrichtung sein* beifällig aufgenoimnen, die Synagogen
mit Frauengalerien sind in der Neuen Welt in der ]\Iinderzahl. Wise
führte dann nach dem Vorbilde der christlichen Kirchen die Familien-
bänke ein (oben S. 000), in vielen amerikanischen Reformgemeinden
sitzen seitdem Männer und Frauen untereinander. Selbstredend hat
die Einteilung und Arcliitektur der Synagogen durch diese Neuerungen
große Veränderungen erfahren.
12. Außer dem Betraum enthalten sämthche Synagogenruinen
Nebenräumc der Bethäuser 469
im'hicre Xebenräimie, in Ilammcam-Lif ist ihre Zahl so boträcliilich,
(laß (las Gebäude den vielseitigsten Bedürfnissen der (ienieinde
geniiii^en konnte, daß es offenbar aucji zu V'ersaininlun<(en, für Ver-
wallungs- und für Unterriciilszwecke benutzt wurde; ein Kaum diente
für die Aufbewahrung von Kultusgegenständen. An den galiläischen
Synagogen finden wir ausgedehnte Terrassen mit Sitzgelegenheiten
und herrlichen Aussichten, die der (lemeindc zur Erholung dienten.
Um die Synagogen herum zog sich häufig ein von Säulen eingeschlossener
Wandelgang, die auch im rabbinischen Schrift tum erwähnte Doppel-
stoa (oben S. 458), in den Hallen wurden wie in der römischen Exedra
(SilCDS) Sitzgelegenheiten angebracht, die Gemeinde brachte dort
ilire Mußestunden zu. Mitunter trifft man nur wenige Säulen am
Eingange, die eine Vorhalle (coöran^, Atrium) bildeten, einen Raum,
der sich bis auf den heutigen Tag in den Synagogen findet, der im
Mittelalter in Deutschland den Namen Polisch erhielt. In den Hallen
waren vielfach Ehrenzeichen und Erinnerungstafeln an die Landes-
fürsten und die Wohltäter der Gemeinde angebracht. Wie heute noch,
befand sich ferner schon in alter Zeit im Vorräume der Synagoge oder
in dem durch Säulen eingeschlossenen Hofe ein Waschbecken, an dem
die Gläubigen vor dem Gebet Waschungen vornahmen (nDTi:\); inter-
essant ist eine auf einem Papyrus vom Jahre 113 gefundene Rechnung
über den starken Wasserverbrauch der Synagoge der Thebäer in
Oberägypten. Aus den ältesten christlichen Basiliken, in denen die
Bauart und Einrichtung der Synagogen ziemlich genau befolgt ist,
läßt sich über die Anlage der jüdischen Bethäuser des Altertums
mancherlei lernen; die meisten Bestandteile der alten Gebäude haben
sich, soweit das beim Wechsel der Baustile möglich war, bis in die
Gegenwart erhalten.
§ 50. Innere Einrichtung der Bethäuser.
Literatur: Low, Hoffmaun, Bacher das.
1. Die innere Einrichtung der Synagogen war ursprünglich
sehr einfach, nur ein einziger Gegenstand gehörte zu ihr, der Sclirein
mit den Heiligen Schriften. Er heißt, wie Xoahs Arche, "nTi
(Taan. II 1, Meg. III 1), vollständiger a^iso '■:td ^3^-'. (Tos. Jad. II 12,
683 8), aram. s^m^^n (j. Ber. V 4, 9 c), griech. yußcotog (LXX
Gen. 6 14). Die Teba war aus Holz verfertigt; wenn sie zerfiel, machte
man aus den nicht schadhaften Überresten eine neue (b. Meg. 26 b).
470 Organisation des Gottesdienstes
Sie war beweglich, zu den Gebetversammlungen an den Fasttagen
wurde sie auf den Marktplatz getragen (Taan. 11 1). In den Bet-
häusern stand sie walirsclieinlich nur w^ährend des Gottesdienstes
an ihrem Platze, sonst hinter einem Vorhange in einem der Neben-
räume. Ein ,, Sanktuarium" hat es in den ältesten Synagogen nicht
gegeben, die Eichtung war durch den Platz bestimmt, an den der
Sclirein gesetzt wurde. Vor ihm stand der Vorbeter (§ 53), auf ihm
lagen die biblischen Rollen, aus denen vorgelesen wurde. Der Name
"DT bedeutete später nur noch den Ort, an dem der Vorbeter stand,
aber auch zur Bezeichnung des Schreins wurde er recht lange ver-
wendet, vor allem in Babylonien; wir finden ihn daher in Amr.,
von dort ist er auch in V. übernommen.
In der Tosefta (Meg. IV 21, 22712) heißt der Aufbewahrungsort
der Heiligen Schriften np, Sanktuarium. Es mag sein, daß damit
bereits auf jene Nische in der Mauer hingewiesen ist, die in den Kirchen
als Apsis, in den Moscheen als Mihrab bekannt ist und sich in den
Ruinen von Kerazeh und Hammam-Lif wiederfindet. Vielleicht
aber ist TCIp nur eine Abkürzung für inpn "iTix, ^ie wir den
Schrein noch heute nennen, "jlii? heißt in der Bibel die Lade der
Stiftshütte, im Volksmunde hieß daher auch die Lade der Synagoge
s<:ii5; am Ende des 2. Jahrhunderts wurde jedoch diese Bezeichnung
als Todsünde erklärt (b. Schabb. 32 a. oben S. 444), was nicht
hinderte, daß der palästinische Talmud die Lade stets i?:TiS (ohne
Zusatz) nennt. Der Ausdruck '"iix erhielt sich später, zum Teü
neben ni'^r, bei italienischen, französischen und deutschen Juden,
während bei spanischen und orientalischen das im salomonischen
Tempel zur Bezeichnung des Heiligtums dienende Wort bD^n üblich
war.
In den ältesten romanischen Synagogen Deutschlands war die
Lade noch in Form einer in die Mauer eingebauten Nische ange-
bracht; da die Torarollen unter der Feuchtigkeit der Mauer litten,
führte man hölzerne Laden ein und gewöhnte sich daran so
sehr, daß schon um 1200 von den eingemauerten Laden überhaupt
nichts mehr bekannt war. Späterhin verfertigte man die Lade auch
aus Marmor. Die ,, heilige Lade" stand an der Jerusalem zugekeluten
Wand und bestimmte die Richtung der Synagoge (oben S. 460).
In einigen Synagogen des Orients jedoch, z. B. in Konstantinopel,
war die Lade im Süden oder Norden aufgestellt, infolgedessen wurde
Die heilige Lade 471
auch beim Clebet nicht die Richtung nach Osten eingehalten, bis
die aus Sj)anien eingewanderten Rabbiner sich entschlossen, das
Pult des Vorbeters nacli Osten hinzuschieben, so daß die (lemeindc
beim Gebet nicht mehr der Lade zugewandt war. Im allgemeinen
aber blieb die Lade im Osten stehen, erst in der Neuzeit sind einige
ganz seltene Abweichungen hiervon zu verzeichnen.
Die Lade war nach den Angaben des Talmuds mit einem Bal-
dachin (nb^D j. Meg. III 1, 73d) oder einem Vorhange (scns
b. Meg. 26b) bedeckt, letzterer wurde auch abgenommen und als
Unterlage für die Schriftrolle benutzt, wenn sie auf das Vorlesepult
Ci-^nnb j. das. = mmb b. 32a) gelegt wurde. Die Lade stand erhöht,
man stieg auf einigen Stufen zu ihr hinauf, es blieb dem Sohar
vorbehalten, sogar die Zahl der Stufen zu bestimmen. Auf die
architektonische Ausführung der Lade wurde von früher Zeit an die
allergrößte Sorgfalt verwendet. Auf einigen antiken Glasgefäßen
und in den römischen Katakomben sieht man einen mit einem
Aufsatze verzierten Schrank, der im Innern — die Türen stehen auf
den Abbildungen offen — durch eingesetzte Bretter in mehrere
Fächer geteilt ist, in denen die Buchrollen liegen. Es kam vor, daß
nur ein Teil der Fächer für Bibelexemplare Verwendung fand, während
in den übrigen Raum andere Dinge gelegt wurden. Schon im Alter-
tum sieht man die Lade mit figürlichem Schmucke ausgestattet, sie
wird von Tauben, die den Ölzweig halten, oder von Löwen flankiert,
die Verzierung durch Löwen ist recht lange üblich geblieben. Die
Lade bildete auch später die höchste Zierde der inneren Einrichtung
der Synagoge. Selbst in schlichten Bauten findet man Laden von
hervorragender künstlerischer Ausführung; in berühmten Gebäuden,
wie in der portugiesischen Synagoge in Amsterdam oder der von
Florenz, sind Meisterwerke der Bau- oder Schnitzkunst geschaffen
worden (vgl. die Abbildungen J. E. II, S. 110 f.). Für die Verzierung
der Heiligen I^ade haben sich im Laufe der Zeit einige typische
Eigentümlichkeiten herausgebildet. An ihrem Oberbau sind in der
Regel die beiden Gesetzestafeln angebracht, was allerdings vor
dem 17. Jahrh. nicht nachzuweisen ist; sie selbst ist mit einem Vor-
hange geschmückt (rzns), der sich in deutschen Gemeinden über,
in portugiesischen hinter den Türen befindet. Die Vorhänge sind
in kunstvoller Weise gewicht und gestickt, vielfach ebenfalls mit
figürlichen Darstellungen, besonders mit Löwen, geschmückt.
4.72 Organisation des Gottesdienstes
deren Zulässigkeit Anlaß zu religionsgesetzlichen Bedenken und
Erörterungen geliefert hat.
2. In der Lade befinden sich die heiligen Schriften; in alter
Zeit waren es Tora- und Prophetenrollen, später nur Torarollen.
Die Tora mußte vollständig sein; in der ältesten Zeit gestattete
man, auch aus defekten Exemplaren vorzulesen, später aber wurde
das verboten, um auf diese Weise auf die Gemeinden einen Zwang
zur raschen Erneuerung gewaltsam vernichteter oder schadhaft ge-
wordener Exemplare auszuüben. Die Schriftrollen waren in alter Zeit
in Tücher (mnsn'a) eingehüllt und in ein Futteral (pT) gesteckt,
die Tücher waren bisweilen farbig und durch kleine Glocken verziert.
Am Feste der Torafreude, pflegte man die Torarolle prunkvoll zu
kleiden und wie eine Braut zu schmücken. In Babylonien setzte
man ihr Kronen aus Gold, Silber oder Myrtenblättern auf, in Spanien
und Südfrankreich wurde sie mit eleganten Schleiern und Frauen-
schmuck geputzt. Daraus hat sich allmälilich die Bekleidung der
Tora mit denjenigen Zierstücken ("Clp "^JD) entwickelt, die wir mit
geringen Abweichungen seit dem Mittelalter überall antreffen. Die
beiden Enden der Torarolle sind an Holzsäulen (2i^n f ") befestigt,
auf denen sie zusammengerollt wii'd, die Rolle wird mit einer Binde oder
einem Wimpel (ns'a) umwickelt, darüber wird ein Mäntelchen {7'>"'a)
gelegt. Auf dem Mantel hängt an Ketten nach Ai't des BrustschUdes
des Hohenpriesters eine Platte (c::), die zumeist mit figürlichem
Schmuck und den Gesetzestafeln verziert ist, sowie eine Hand mit
langgestrecktem Zeigefinger ("i"^), mit dem die vorzulesende Stelle
angezeigt ^vird. Oben auf den Holzsäulen prangt eine Ivi'one (~nw7,
^.rs) oder ein Paar Granatäpfel, die in der Bibel ebenfalls als
Verzierung der hohenpriesterlichen Kleidung genannt sind (ai:ir"i,
auch ainiBn). Nicht immer wird der Tora der ganze Schmuck angelegt,
er wh'd je nach der Festlichkeit des Tages abgestuft; die meisten Ge-
meinden besitzen die Ausstattungsgegenstände auch in einfachem und
kostbarem Material zur Unterscheidung zwischen Wochentagen, Sab-
baten und Festen. Die Art der Ausführung hing von den verfügbai'en
Mtteln und dem Schönheitsinn ab. Am guten Willen, die besten
Kunsthandwerker für die Arbeiten heranzuziehen, hat es niemals ge-
fehlt ; seitdem die Aufmerksamkeit wieder auf die Kultusgegenstände
aus älterer Zeit gelenkt wurde, sind ganz hervorragende Leistungen
des Kunstgewerbes für synagogale Zwecke bekannt geworden.
'I'iiliiiiic und S urlcst'pult 473
3. Die aiitiki' Basilika lmrIoIü in einem erliüiiteii l'lalzc, aiil'
dem die Richter saßen. Auch in den antiken Synagogen finden wir
das wieder, an die Lade sciiließt sich eine Phittfonii aiu die den
Namen ms'^n (ßi]ua) fülirt. In der Mischna bedeutet r^•ü^^2 das
eriuihte Pult, das z. B. für den König errichtet wurde, wenn er am
Ausgange des Erlaßjahres vor versammeltem Volke aus dem Deutc-
ronomiuni vorlas (Sota Vll 7); die griechische Benennung ents|)rach
dem hebräischen 7~^'!2, von dem aus Ksra das Buch der Tora las
(Xeh. 8 4). In der ungewöhnlich umfangreichen Basilika in Alexan-
drien befand sich in der Mitte eine solche Tribüne, von der aus
der Synagogendiener der Gemeinde Zeichen gab. Das wurde der
Anlaß, in vielen Synagogen in der Mitte eine Tribüne zu bauen,
von dort aus die Schrift zu verlesen und zu predigen, Maimonides
erklärte es sogar für ein religiöses Gebot, eine solche Tribüne in der
Glitte der Synagoge zu errichten.
Andere benannten die Stelle, von der aus vorgelesen wurde,
mit dem biblischen "x"i3^, wieder andere gebrauchten dafür das
aus dem Tempel bekannte Wort IDTi, in jeder Gegend wählte man
eine andere Benennung, die sich aus der Bibel oder dem Talmud
belegen ließ. In China hieß die Tribüne Mosesstuhl, wofür S"npp
ncc" im Midrasch eine Analogie bietet. Als deutsche Übersetzung
wählt Jakob Weil (um 1400) den kirchlichen Ausdruck Altar (^S'l:^").
Die verbreitetste Bezeichnung aber, die sich schon in Raschis Talmud-
kommentar findet, ist A 1 m e m o r (Almemar), eine Verstümmelung
des arabischen Alminbar, womit man die Kanzel in den Moscheen
benennt. Auf der Tribüne mußte sich ein Tisch oder Pult zum Vor-
lesen befinden, wofür am einfachsten '^n^W oder SDD, vielfach
aber ebenfalls ~nT gebraucht wird. Das letzte Wort kam in so
verschiedenartigen Bedeutungen vor, daß es für die Gelehrten schwer
war, sie auseinander zu halten, die Ausdrücke wechselten, weil auch
die Anordnung des Synagogenbaues wechselte. Im Laufe der Zeit
finden wir folgende Arten von Aufstellung der Tribüne. Entweder
Tribüne und Vorbeterpult werden getrennt, das Pult befindet sich
an der Treppe, die zur Lade führt, die Tribüne unmittelbar neben
der Lade oder in der Glitte des Gebäudes. Oder beide sind vereint;
sei es, daß beide unmittelbar an die Lade anschließen oder daß
die Tribüne mit dem Vorbeterpult und dem Vorlesetisch in der Mitte
des Raumes steht. Namentlich wenn die Synagoge groß war oder
474 Organisation des Gottesdienstes
aus mehreren aneinandergefügten Räumen bestand, war ihre Auf-
stellung in der Mitte sehr geeignet, da dann der Vorbeter nach
allen Seiten gehört werden konnte. Josef Karo kannte aus eigener
Erfahrung zahlreiche Synagogen, in denen die Tribüne nicht in der
Mitte, sondern am Rande stand, er hielt das in kleineren Räumen
auch für ganz zweckmäßig, er vermied es infolgedessen in den Schul-
chan Aruch Vorschriften darüber aufzunehmen. Sein Glossator
Moses Isseries jedoch fügte die erwähnte Vorschrift Maimunis wört-
lich hinzu, infolgedessen wurde es in Deutschland und Polen überall
als religiöse Pflicht betrachtet, in der Mitte der Synagoge ein Alme-
mor zu errichten und von dort aus die Tora vorzulesen oder einzelne
Gebete zu sprechen.
Für das Auge waren und sind die Almemor Zierstücke der
Synagoge, sie wurden meist mit sehr viel Kunstfertigkeit, vielfach
aus kostbarem Material hergestellt; schon aus dem Altertum wkd
von der Verwendung von Marmor für diesen Zweck berichtet. Ferner
boten die feierlichen Prozessionen von der Lade zum Almemor und
zurück ein glänzendes Bild. Andererseits aber waren mit der Auf-
stellung des Almemor auch viele Unzuträglichkeiten verbunden.
Die Tribüne beanspruchte sehr viel Raum und versperrte allen,
die hinter ihr ihren Platz hatten, die Möglichkeit, zu sehen und zu
hören. Um beide Mißstände zu beseitigen, wurde neuerdings in den
meisten modernen Synagogen kein Almemor in der Mitte errichtet.
Dadurch konnte die Zahl der Sitzplätze bedeutend vermehrt werden,
es konnten ferner alle Synagogenbesucher freien Ausblick nach dem
Vorbeterpult und der heiligen Lade erhalten. Die neue Einrichtung
stieß auf sehr viel Widerspruch und mußte in zahh-eichen rabbi-
nischen Gutachten gerechtfertigt werden, infolge ihrer Nützlichkeit
aber hat sie sich fast überall durchgesetzt; in Amerika, in Deutsch-
land und in Österreich-Ungarn sind Synagogen mit einem Almemor
in der Mitte nur noch in ganz seltenen Fällen erbaut worden, viel-
mehr wird die Tribüne unmittelbar vor den Stufen zur Heiligen Lade
angebracht. Auf ihr stehen das Vorbeterpult (auch "Tar genannt)
und der Vorlesetisch, das erste der Lade, der letztere der Gemeinde
zugekehrt; in ganz seltenen Ausnahmefällen sind beide vereinigt.
Ferner gehören zur Ausstattung der Tribüne seit alter Zeit ein
Stuhl (i?C2) oder eine Bank, auf denen derjenige sitzt, der die Tora
während des ZuroUens und bis zur Zeit des Einhebens hält. In älterer
Sil/.f 1111(1 Sil/.ordiuiii^^ 475
Zeit wurde von (lt>r Tribüne lierah gej)re(li;^t, in (Ion griechischen
Synagogen bediente man sieh einer eigenen Kanzel (aiißo)v); neuer-
dings ist die Kanz(>l uninittelhar vor dov ]au\v (»(h'r in vcM'einzelten
FäMen an einem IMeih-r der Seiten wände angebracht.
4. Sitzgek^genheiten (sboBD = Subsellium) gab es in (h'ii alten
Synagogen nur in selir geringer Zahl, die Gemeinde saß waiirschein-
lich zumeist auf dem Fußboden auf ausgebreiteten Matten (■^D''2
b. 11 Hatr. 8a). Die wenigen Sitzl)äid<e sind an einigen galiläischen
Ruinen in die Mauer eingelassen und noch sichtbar. Es gab Ehren-
plätze in der Synagoge (/rooaW«), die unter anderem an Wohltäter
der Ciemeinde, aucii an weibliche, verlieiuMi wurden; vielleicht
dienten die Plätze mit den in den Ruinen noch sichtbaren Kissen
für diesen Zweck. Auch den Gelehrten wurden Ehrcrplätze bewilligt.
In der Tosefta wird die Sitzordnung in der Synagoge wie folgt be-
schrieben: die Presbyter (2"':pT) sitzen mit dem Gesichte zur Ge-
meinde und dem Rücken zur f^ade, das Vorbeterpult steht ebenso,
desgleiclien die Priester, wenn sie den Segen sprechen; die ganze
Gemeinde hingegen und der Synagogendiener wenden das Gesicht
der Lade zu (Meg. IV 21, 22710). Den Gelehrten wurden ilire Ehren-
plätze nicht immer gegönnt, in den Evangelien wird es ihnen zum
Vorwurf gemacht, daß sie sich zur nQOTOAaO^eäoia drängen (Mk. 12 3!t
u, Par.), was nicht hinderte, daß auch in den Kirchen der Bischof seine
Kathedra und die Geistlichen ihre Bänke auf der Tribüne am Altar
hatten. Derselbe Name Ä«"nrp wird auch im Talmud für bevorzugte
Sitze verwendet, in der großen Proseuche in Alexancbicn sollen 71
solche Sitze aus Gold vorhanden gewesen sein, auch im Mittelalter
nannte man in Deutschland die Ehrenstühle der Synagoge 5<"n"''jp.
Die Sitzordnung in der Proseuche in Alexandrien ist auch darin
interessant, daß dort die Plätze der einzelnen Berufsarten zusammen-
lagen, jedes Gewerk hatte eine selbständige Abteilung inne, ,,die
Goldarbeiter besonders, die Silberarbeiter für sich, die Schmiede,
die Weber und die Tarsienarbeiter für sich". Späterhin wurden
solche Unterscheidungen und Bevorzugungen für ungehörig erklärt.
In den europäischen Synagogen wurden ferner für alle Besucher
Sitzplätze eingeführt, man saß auf Sesseln oder Bänken, während
in den mohammedanischen Ländern das Sitzen auf der Erde auf
den ausgebreiteten Matten noch sehr lange verbreitet blieb, was im
Orient noch heute zu sehen ist. wie überhaupt in den älteren portu-
476 Organisation des Gottesdienstes
giesischen Synagogen die Zahl der Sitzbänke gering ist. Die Plätze
an der Ostwand (niTia) rechts und links von der Lade blieben noch
immer sehr begehrt. Die Gemeinden mußten mit der Zeit dazu
übergehen, zur Deckung ihrer Ausgaben Plätze zu verkaufen und
zu vermieten, es wurde aber darauf gehalten, daß die als bevorzugt
betrachteten Sitze auch wirklicli den Würdigsten vorbehalten l)lie-
ben; regelmäßig erhielt der Rabbiner einen Platz in der Nähe der Lade
eingeräumt. Als die Gebetbücher leichter zu beschaffen waren und
sich häufiger in den Händen der Beter befanden, mußten besondere
Pulte für sie angeschafft werden (Ständer ni^-^), die sich vielfach
bis in die Neuzeit erhalten haben. Da sie beweglich waren, erwiesen
sie sich als ein selir störendes Element im Gottesdienste, sie nahmen
überdies infolge ihrer Größe übermäßigen Platz ein, in den modernen
Synagogen konnte dem einzelnen soviel Raum nicht mehr gewährt
werden, infolgedessen sind sie beseitigt worden. Selbst in ganz
orthodoxen Gemeinden werden Jetzt feste Bänke mit unbeweglichen
Lesepulten errichtet. Ganz ohne Widerspruch ließ sich auch diese
Abw^eichung vom Herkommen nicht immer durchführen.
5. Endlich ist noch der Beleuchtung der Synagogen zu ge-
denken. Der Talmud kennt bereits Lampen und Leuchter (12,
rm;^) und weiß, daß an einem so bedeutsamen Tage wie Jom Kippur
mehr Lichter angesteckt werden als sonst. Die Synagogen wurden
an den Festen auch bei Tage beleuchtet, damit sie einen feierlicheren
Eindruck machten. Man brannte im Altertume Öl. Das wurde
auch im Mittelalter fortgesetzt; da aber das Brennöl im Abendlande
wenig brauchbar war imd viel Qualm erzeugte, ging man zur Be-
leuchtung mit Talg- und Wachskerzen (ST2) über, ängstliche Ge-
müter hielten es jedoch für richtig, auch ihnen ein wenig von dem
in den alten Quellen vorgeschriebenen Öl beizusetzen. In der Neuzeit
wurden die technischen Fortschritte der Beleuchtung widerspruchslos
für die Synagogen nutzbar gemacht. Dem Herkommen entsprechend
brennen noch heute 2 Kerzen vor dem Vorbeterpult. Vor der Lade
befindet sich die ewige Lampe (""'ür i:), in der auch heute noch
Öl gebrannt wird, eine Erinnerung an das nie verlöschende Licht im
Heiligtume ; literarisch ist die ewige Lampe vor dem 1 7. Jahrhundert
nicht nachzuweisen. Die Kosten der Synagogenbeleuchtung wnirden
früher häufig durch freiwillige Gaben aufgebracht, der Spender
wurde im Gebet gedacht.
Kap. II. Die Gottesdienstliche Gemeinde.
§ 51. Gemeinde und Synagoge.
Literatur: Low, B(l, V., Bacher, Schürer das.; Weinberg, Die Orgaui-
satiou der jüdischen Ortsgenicindcu in dor tainmdischcn Zeit in MS XLI,
1897, S. 588 ft\
1. Das Vorhandensein einer Synagoge wird in Palästina zur Zeit
der Misclina als selbstverständlich vorausgesetzt; einem Gelehrten
wird empfohlen, an einem Platze ohne Synagoge überhaupt nicht
zu wohnen (b. Sanh. 17b). Es gab Synagogen selbst in kleinen
Flecken ("!23), in denen nur an den Markttagen (nc^rDn i)a"^) die für
den Gottesdienst notwendige Zahl von Männern zusammentraf,
natürlicii erst recht an größeren Plätzen (nbn;^ i^J'), in denen regel-
mäßig auf 10 berufsfreie Leute gerechnet werden durfte, und in den
Hauptstädten (T^s), wo sogar Fremde aus der Umgegend sich am
Gottesdienste beteiligten. Zum Bau einer Synagoge und zum Ankauf
der biblischen Schriften können die Bewohner einer Stadt durch eine
ihnen auferlegte Besteuerung gezwungen werden; so lautet das
Gesetz der Religionsquellen, das mit den durch das Staatsgesetz
gebotenen Modifikationen bis in die Gegenwart zu Recht besteht.
Gar zu häufig brauchten die Gemeinden das Zwangsverfahren nicht
zur Anwendung zu bringen, die Mitglieder haben sich die notwendigen
Opfer gern auferlegt. In der Diaspora war die Möglichkeit, zwangs-
weise das Umlageverfahren anzuwenden, nur in den seltensten Fällen
gegeben; abgesehen von Babylonien, wo die Gemeinden eine straffe
Organisation besaßen, war man dort stets auf freiwillige Beiträge
angewiesen. Es hat auch, wie \nv sehen, niemals daran gefehlt,
2, Es kam vor, daß ein Privatmann (T^ni) die Synagoge errichtete
und der Gesamtheit zur Verfügung stellte, oder daß er einen als "Wohn-
haus gedachten Bau für gottesdienstliche Zwecke widmete (C^pn).
Selbst Heiden haben solche Schenkungen gemacht. Wie das Evan-
gelium erzählt, daß ein römischer Centurio den Juden von Kapernaum
478 Organisation des Gottesdienstes
die Synagoge erbaut hat (Luk. 7 5), so berichtet auch der Talmud
wiederholt von Heiden, die den Synagogenbau gefördert haben, eine
griechische Inschrift gibt davon Kunde, daß in Akmonia in Plirygien
sogar eine Priesterin des Kaiserkultus, Julia Severa, die Synagoge
gestiftet hatte. So ist es unter veränderten äußeren Verhältnissen
zu allen Zeiten geblieben; es ist immer wieder vorgekommen, daß
einzelne Glaubensgenossen iliier Gemeinde ein Synagogengebäude
geschenkt haben, es hat auch niemals an vereinzelten Beispielen ge-
fehlt, daß von nichtjüdischer Seite vollständige Gebäude oder größere
Beiliilfen für gottesdienstliche Zwecke zur Verfügung gestellt wiu-den.
]S^icht immer wurde das ganze Gebäude hergegeben, dann kamen
wenigstens einzelne Teile durch Spenden {tlyai = nn~:) zusammen,
oder es wurde gesammelt und auch das bereits vorhandene Vermögen
der Gemeinden mitbenutzt. Xamentlich für größere Orte gingen
viele Beiträge von auswärts ein, von solchen Glaubensgenossen, die
häufiger die Stadt zu besuchen und dem Gottesdienste beizuwohnen
Gelegenheit hatten. Wenn die Synagogen baufällig waren oder ver-
größert werden mußten, wurden die Mittel auf dieselbe Weise auf-
gebracht. Sie flössen bisweilen so reichlicli, daß sogar Gelder über-
schüssig waren und eine andere zweckentsprechende Verwendung
finden mußten. Die Xamen der Spender wurden dm'ch Inschriften
an den Wänden des Synagogengebäudes oder an den von ihnen ge-
stifteten Teilen des Baues verewigt. In Kefr Berein berichtet eine
Inschrift, daß der Le^'ite Josef den Türsturz hatte anfertigen lassen,
in Hammam-Lif hat Asterius, der Sohn des Rustikus zusammen mit
Margerita, der Tochter des Riddeus einen Teil der Vorhalle mit Mosaik
geschmückt, im Innern wiederum hat eine junge Dame namens Jidiana
„für ihr Seelenheil" die Synagoge mit Mosaik auslegen lassen. Solche
^sachrichten lassen sich aus allen Jahrliunderten in großer Zalil zu-
sammenstellen, die von außerordentlicher Opferwilligkeit und Frei-
gebigkeit zeugen. Xicht anders war es mit den einzelnen Stücken
der inneren Einrichtung. x\lle Gegenstände, die im Innern der Synagoge
standen, vom einfachsten Stuhl bis zur ToraroUe und ilu-en Aus-
schmückungsstücken, konnten gestiftet werden und wurden gespendet.
Auch an diesen Widmungen haben sich Nicht Juden ebenso wolü be-
teiligt wie Juden. Die Namen der Spender werden seit dem Altert lun
auf den Gegenständen ilirer Widmung zum ehrenden Andenken verewigt .
In vielen Gemeinden ist es Sitte, daß an den Gedenktagen einzelner
W'idituiiigrii fiir (las Clotteshaus 479
Kaiiiilii'ii die diircli ihii'ii ()])l'('rsimi der Syiiaguge f^esclieidvtcn (j('',^'ii-
stände zur Verwendung konimen. Im westlichen Dcutscliland besteht
die Einriclitung, daß die Knaben, wenn sie das erstemal in die Synagoge
getragen werden, einen Wimpel für die Torarolle mitbringen, auf dem
ihr Xame und ihr (leburtsdalum aufge/AMchnet ist, so daß die Ge-
meinden in ihrer Wimi)elsammlung geradezu ein Dujjlikat desGeburten-
regislers besitzen. Kür die Wohltäler der Synagoge wurde voiu frühen
Mittelalter an am Sabbat ein Gebet gesprochen (oben S. 203).
3. Von der Art der Aufbringung der Mittel für den Bau der
Synagoge und für ihre innere Einrichtung hängt das Verfügungsrecht
darüber ab. Im allgenuMuen darf das Synagogengebäude für andere
als gottesdienstliche Zwecke nicht verwendet werden, nur das Lehr-
haus steht noch höher als das Bethaus. Die Einrichtungsgegenstände
wiederum haben einen höheren Grad der Weihe als das Gebäude,
am höchsten steht die Tora. Nach den alten Bestimnumgen soll man
ein Bethaus überhaupt niclit veräußern oder zum mindesten aus-
bedingen, daß es nur für würdige Zwecke verwendet wird. Diese Be-
stimmung ließ sich aber nicht für alle Zeiten in vollem Umfange
aufrechterhalten. Wo Private oder kleine Vereinigungen aus eigenen
Mitteln ein Bethaus errichtet hatten, gewährte man ihnen auch ein
völlig freies Verfügungsrecht. Die Gemeinden konnten nicht ebenso
unbeschränkt verfahren, im allgemeinen mußte die Gemeindever-
tretung sich der Zustimmung der Gemeindeversammlung versichern ;
in größeren Orten, wo für den Bau der Synagogen auch Gelder von
auswärts bewilligt worden waren, war ein Verkauf überhaupt nicht
zulässig. Widmungen durften nur im Sinne der Stifter verwendet
werden, erst wenn ihre Xamen auf den Gegenständen nicht mehr
zu erkennen oder vollständig aus dem Gedächtnis geschwunden waren,
fanden ihre Spenden auch andere Bestimmung, freilich immer zu äiin-
lichen Zwecken. Im Mittelalter kam es vor, daß einzelne Spender
sich und ihren Erben für alle Zeiten das Recht vorbehielten, die not-
wendigen Reparaturen an der Synagoge stets aus eigenen Mitteln zu
bestreiten; es konnte vorkommen, daß die Erben dann einmal dieses
Recht an andere abtreten wollten, aber die Gemeinden ließen es sich
nicht gefallen, wenn die neuen Besitzer des Rechtes ihnen nicht gleich
würdig erschienen. Überhaupt war man in bezug auf die Verwertung
der Synagogengebäude oder ihres Materials außerordentlich streng.
Man duldete nicht einmal, das Material einer alten Svnagoge für einen
480 Organisation des Gottesdienstes
Neubau zu verwenden; erst wenn das neue Gebäude vollständig
fertig und benutzbar dastand, durfte an eine Verwertung des alten
Betliauses gedacht «w^erden.
4. Wie in den größeren Orten die Synagoge ilire Benutzer nicht
ausschließlich aus dem Stadtbereich hatte, sondern ihre Wirksamkeit
darüber hinaus erstreckte, so geschah es auch andererseits meist,
daß nicht alle Bewohner eines größeren Platzes zu ein und derselben
Synagoge gehörten, sondern daß mehrere Gemeinden und Bet-
häuser in ihnen vorhanden waren. Das war in Palästina nicht minder
wie in der Diaspora so eingerichtet. Die Unterscheidung der Gemeinden
erfolgte sehr häufig nach Landsmannschaften. .,Da stunden
etliche auf von der Schule, die da heißet der Libertiner, und der Kyrener
und der Alexanderer und derer, die aus Cilicien und Asien waren."
Was hier die Apostelgeschichte (G 9) berichtet, wird auch durch andere
Quellen aus dem Altertum bestätigt. Der Talmud erzählt von einer
Synagoge der AlexancMner in Jerusalem, der Babylouier in Sepphoris,
der römischen Juden in Mechusa. Die Inschriften berichten von
einer Synagoge der Hebräer in Eom, denen die Vernaclesier gegen-
überstehen, so daß eine Scheidung zwischen denjenigen anzunehmen ist,
die die Muttersprache beibehalten hatten und denen, die das Idiom
der Umgebung bevorzugten. In einer Metropolis Ägyptens haben die
Thebäer ihre Synagoge, und in Tarsos die Kappadozier. Diese Sitte,
daß Leute derselben Herkunft sich zum Gottesdienst zusanmien-
schließen, wurde auch später beibehalten, freilich waren dann nicht
nur Gründe der Landmannschaft, sondern auch des damit verbundenen
Ritus maßgebend. So finden ^\il•, um nur einige ganz wenige Beispiele
herauszugreifen, im Mittelalter in Kaho die Synagogen der Palästinenser
("^^lai?© bfit) und der Babylonier (l^^pi^n:; bs), in Rom die Synagoge
der Sizilianer, der Kastilier und der Katalonier, in Saloniki die Syna-
goge der Ai-agonier, derer von Barcelona u. v. a. Oder es bildeten
sich Synagogen dadurch, daß in gi'oßen Handelsstädten die Leute
aus derselben Stadt, die sich zu geschäftlichen Zwecken dort aufhielten,
zum Gebet zusammenkamen; so entstanden in Breslau z. B. die Syna-
gogen der Glogauer, der Lissaer, der Krotoschiner, der Lemberger,
der Landsjuden u. a.
Ein anderer Grund für die Gliederung der Gemeinden war die
Zugehörigkeit zu einem bestmimten Berufe. In Alexandrien
hatten, wie wir sahen, die einzelnen Gewerke ihre abgegrenzten Plätze
\;iiiirii (Irr < ii.lli'sli;iiisiT 4^1
in (liT Synai;uiij(', auch die Lihciliiicr in .Icriisalciii hczcicliiicii Leute
eiiios bcslimiiitcii Slaiulcs, in Tarscis finden wir die Synai^of^e der
Lcinwandliändicr und in Kmn die der Kalkhicnncr. Die Tcilnnj; der
(iomcindcn nach IJciiil'cn hat sich auch späterhin xieli'ach erhalten.
Sie hatte eine hervorrai^cnde soziale Hedeutuiii:. \'(ni Alexaiulrien
heißt es;, dal.), wenn ein Krenuler hinkam, er im (lotteshauso mit Leich-
tif^keit Zufiang zu seinen Zunitgenossen und auf diese Weise Arbeits-
ii,elegenheit fand. Eine soziale Funktion vertrat die Synagoge auch
dort, wo die Gemeinde aus Angehörigen aller Beru^sklassen zusammen-
gesetzt war. Der Fremde, besonders der Arme, konnte stets darauf
rechnen, nach dem (Jottesdienste Helfer zu finden, die sich seiner
annahmen, ihm Herberge und Speise und. wenn es irgend anging, auch
eine Beschäftigung verschafften.
Man unterschied die Synagogen auch nach äußerlichen Merk-
malen, z. B. nach den E m b 1 e m e n , die an ihnen angebracht waren.
In Sepphoris gab es eine Synagoge des Weinstocks (s:si:n s<nr;3),
in Rom eine solche des Ölbaumes (hhtla^). vielleicht diente auch der
siebenarmige Leuchter oberhalb des Portals in Xebratain eiiuM" solchen
Unterscheidung.
Manche Gemeinden hatten ihren Namen von berühmten
Männern oder hervorragenden Förderern. In Rom finden wir die
Synagoge der Augustesier, die entweder nach dem Kaiser Octaviau oder
nach dem jeweiligen Augustus sich bezeichnete, oder aber hauptsäch-
lich aus Sklaven und Freigelassenen Octavians sich zusammensetzte.
Eine andere Synagoge war nach Alexander Severus benannt; in ihr
soll sich eine Torarolle befunden haben, die von Titus nach Rom
gebracht und vom Kaiser den Juden zum Geschenk gemacht worden
war. Auch nach jüdischen Fürsten nannte man die Synagogen, eine
römische Gemeinde heißt nach Herodes, eine andere höchstwahrschein-
lich nach dem König Agrip])a.
In den mohammedanischen Ländern erhielt sich die Sitte, die
Synagogen nach biblischen Personen zu benennen, zumeist
wiu-den dann Beziehungen zwischen jenen Männern und den be-
treffenden Orten zugrunde gelegt. So gab es Mosessynagogen in Fostat
und Damwah in Ägypten, in Aleppo u. a. Besonders zahlreich sind die
Eliasynagogen; wir finden sie in Jaujar und Fostat, in Damaskus und
Byblus. in Laodicea und Hama, vielleicht auch schon um 600 in
Sizilien. In Palästina und Babylonien leitete man die Bezeichnungen
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. 31
482 Organisation des Gottesdienstes
der Synagogen aiicli von Tannaim und Amoraim ab, besonders er-
freute sich der Xanie Simon b. Jocliais großer Beliebtheit; in den
meisten Fällen befinden sich jene Synagogen neben den angenommenen
Grabstätten der Lehrer und erinnern an die Kubbah, weiche die
Mohammedaner über heiligen Gräbern zu errichten pflegen. Auch
diese Sitte, Bethäuser nach berühmten Männern der Vorzeit zu be-
nennen, hat sich niemals ganz verloren, wenn sie auch im Laufe der
Zeit selten geworden ist. In gewissem Sinne erinnert daran die schöne
Sitte der Gemeinden in Nordamerika, sich einen Beinamen beizulegen,
der an eine biblische Bezeichnung anklingt.
Im Gegensatz dazu sind die in Europa gewählten Xamen nüchtern.
Wo mehrere Synagogen vorhanden sind, werden sie nach ihrer Lage
unterschieden oder allenfalls als alte und neue Synagoge (auch im
Mittelalter schon ]Tr"' PDZDn r^n) bezeichnet. Auch diese Sitte kann
sich auf alte Vorbilder berufen, in Rom z. B. finden wir die Gemeinde
der Campesier, die am Campus Martins, und der Suburesier, die in
der Nähe der Subura ihr Bethaus hatte.
§ 52. Die Beamten der Gemeinde.
Literatur: Low, Schürer. Bacher, Weinberg-., das.; JE Art. Archi-
synagogue 11, 86, Hazzau VI, 284 ff
1. Die Verwaltung der Gemeinde war nicht überall und zu allen
Zeiten gleich. Wenn sie auch nach Mögliclikeit den Zuständen der
ältesten Epoche angepaßt worden ist, so sind doch gewisse .\bwei-
chungen unvermeidlich. Die UnterscMede prägen sich nicht nur in
der Sache, sondern c uch in der Bezeichnung der Funktionen aus.
In den Quellen ist das Bewußtsein der Verschiebung nicht immer
deutlich vorhanden, daher werden die Xaclirichten der älteren Zeit
häufig schief aufgefaßt ; es kommt sogar vor, daß die Texte unrichtig
wiedergegeben werden, weil man inz^^ischen mit den Worten einen
anderen Sinn verband.
Die Gemeinde (noiD" i:n) ist, wie wir gesehen haben, mit der
Kommune (ii^n i:n) nicht identisch. Die Verwaltung der religiösen
Gemeinde liegt daher nicht in den Händen der Leiter der Stadt ("^D^ns
"i"'7n); da wo die Ortsbehörden die Leitung haben, wird ein besonderer
Ausschuß mit den Angelegenheiten der Synagoge und des Gottes-
Xorstclicr der (IdUrslKUiscr 483
tliciistcs betraut. So war os \ViMiiü:stt'ns in Palästina iiiul in dciijonigen
Orten Babyloniens, deren iMiiwoliner in überwicj^cnder Zahl jUdiscli
waren. In der Diaspora lai^; die äußere \'erwaltnng der Gemeindein der
Hand der Arehonten. an deren S|)itze der (lerusiarch stand. Uns
soll hier nur der (iottesdienst hesehiUligen. für dessen Leitung nach
den ältesten Quellen niclit mehr als zwei Beamte in Betracht kommen,
iWr \'()rsteher und der Diener der Syiuigoge.
2. Der Vorstehe r der Syn.i^oge heiüt in Palästina TDJ^l
rc:2n, in der griechisch-römischen Diaspora aQXKfvmyioyog, ÜQyojv
xijc: avvayioy7]g, Archisynagogos (Arcosinagogus). Er hat den Gottes-
dienst zu leiten und darin die Funktionen zu verteilen. Aus der Reihe
dei' Besucher des Gottesdienstes, ganz gleich, ob sie Mitglieder der Ge-
meinde sind oder nicht, fordert er einen auf, die Gebete vorzutragen.
Wenn aus der Schrift gelesen werden soll, wird ihm die Tora gereicht,
er wählt diejenigen aus, die zum Vorlesen hintreten, er beehrt nachher
einen mit der Aufforderung zu predigen. Er sorgt auch für die äußere
Ordnung in der Synagoge; wer etwas Unrechtes tut, wird von ihm
zurechtgewiesen (vgl. Luk. 13 14). Die Sorge für das Sypagogengebäude
mag nicht an allen Orten zu seinen Aufgaben gehören, aber es ent-
spricht doch seinem Amte, daß er es in Stand hält und erforderlichen-
falls die Kosten für seine Ausbesserung, Vergrößerung oder gar für
einen Neubau aufbringt. Das Amt ist sehr geschätzt, vielleicht das
höchste, das die Gemeinde zu vergeben hatte. Die ptioSD "»tCitn stehen
im Range zwar nach den Gelehrten (a'i'aDn ^Tiiabr) und den Primaten
(min ^b^iÄ), aber vor den Armenvorstehern {^'P''^ "^^«33 b. Pes. 49a).
Auch bei der Toravorlesung haben sie einen bevorzugten Platz, die
Etikette verlangt es jedoch, daß der Vorsteher nur dann liest, wenn
von den Genieindemitgliedern die Aufforderung dazu an ihn ergeht
(Tos. Meg. IV 21, 227 10). Bei Leichenfeiern wurde eine Zeitlang zu
Ehren des norsn lUi?"! ein Becher geleert und ein Segen gesprochen.
Das Amt war nicht leicht, es nahm viel Zeit in Anspruch, die kaiser-
liche Gesetzgebung bestimmte daher, daß die Archisynagogen von
allen persönlichen Dienstleistungen gegen den Staat und die Kommunen
befreit sein sollten. Ob immer nur ein Archisynagogos fungierte oder
mehrere nebeneinander, ist aus den Quellen nicht ersichtlich. Manch
einer bekleidete gleichzeitig noch andere Ämter, wie das des Archon,
es seheint auch, daß, wer einmal ein solches Amt bekleidet hatte, den
Titel für alle Zeiten behielt. Das Amt wurde durch Wahlen vergeben,
31*
484 Organisation de? Gottesdienstes
der Inhaber konnte wieder gewählt werden, sogar auf Lebenszeit
{dia i:iiof) ernannt werden. Es kam auch vor, daß der Sohn dem Vater
im Amte folgte. Trotz aller demokratischen Gesinnung liebte man es
im allgemeinen, die Ämter von den Vätern auf die Söhne zu vererben,
es scheint, daß ^^elfach auch unser Amt auf dem Wege der Erbschaft
übertragen wurde; sicher ist, daß der Titel auch unmündigen Kindern
zuerteilt Avü-d, daß sie als zukünftige Archisynagogoi {ao/iaivdycoyog
vr^TiioQ) bezeichnet wurden.
Auf diese Weise wurde der Name Archisyuagogos mit der Zeit
ein Elrrentitel, mit dem ein Amt nicht verbunden war. Auch Frauen
füliren ihn daher, so nennt eine Säule in Myndos die Archisynagogin
Theopemptes, ein Grabmal in Smyrna ist von der Jüdin Rufina er-
richtet, die denselben Titel trägt. Andererseits wd das Wort auch als
Spottnamen verwendet, der Kaiser Alexander Severus ymA ein Syrus
Archisynagogos genannt, wahrscheinlich, weil er den jüdischen Ge-
meinden seine Gunst schenkte, vielleicht gar ihre Synagoge bereicherte
(oben S. 481).
In welchem Verhältnis die TTQEaßi'Tcooi, die boiEusebius als Leiter
der judenchristlichen Gemeinden und im Codex Theodosianus neben
den Ai'chisynagogi genannt werden, zu ihnen stehen, ist nicht recht
Idar; rtQEQßvitQOi ist die Übertragung von a"^:pT, welche nach dem
Talmud Elu-ensitze im Gotteshaus einnahmen. Ebensowenig sind wir
über die Bedeutung ähnlicher Titel wie yr^offrarTjc und enioraT^g
unterrichtet.
IVIit besonderen Leistungen zum Wohle der Gemeinde sind die
Titel 7taTi]Q OiraycjyriQ imd ^ir^rr^Q avvaycoyrig, die auch lateinisch
als Mater syn. und sogar Pateressa vorkommen, verknüpft. Ein Amt
war damit nicht verbunden, sie waren Ehrentitel für wohlverdiente
Personen, die nach Ait unseres Elirenbürgerrechtes ausgezeichnet
werden sollten. Aus einigen Beispielen läßt sich vermuten, daß der
Titel an besonders würdige und betagte ]\litglieder verliehen wurde.
Interessant ist es, daß ein und dieselbe Person die Auszeichnung von
melu'eren Synagogen erhalten konnte; welch hohe Ehre darin erblickt
wurde, beweist am besten eine römische Grabinschrift, in welcher
der Gatte der Verstorbenen als Bruder eines Vaters der Synagoge be-
zeichnet wü'd.
So reich wie aus der Diaspora ist das aus talmudischen Quellen
fließende Material nicht. Der Name ro:2" ffis?^ kommt in nachtan-
\ iti'stclicr. Dinier der ('ictniMiidi' 485
Haitischer Zeit nicht iiu'hr vor, es ist auch traulich, ob die 'rrciiiunif^ der
Ämter in (h'rsellxMi Weise l'ortdauerte, dal.) der Leiter der Synai^oge
nicht (Ut \'er\valtun<^ der Cleineiiide angehörte. In der Toselta be-
reits treten die ^T" ■»c:"'E als diejeniicen aid'. die das \'errüt(iin<^s-
reclit über die Synagoge besitzen (Meg. Uli, 224 11 j, woliir Kaba
T^yn "^nTJ nyyas setzt (b. Meg. 2Ga). Die späteren Zeiten haben die
neuen Namen festgeiialten. Die Verhältnisse machten es oft eif'ordei-
lich, daß die X'orsteher nicht nur die Syntigogen, sondern sämtliche
Angelegenheiten der Judenschaft leiteten; der Ausschuß der (lenieindi;
wurde als die '':n'pr{ "»nTü oder die n^CüS ,a'^5in:i3 bezeichnet, er bestand
auch später noch meist aus sieben Mitgliedern, häufig aber auch aus
mehr, z. B. aus zwölf, von tlenen jedes einen Monat im Jahre zu fun-
gieren liatte (ininn d:iS). Für besondere Zwecke wurden eigene
Konnnissionen gewählt; wo ein kleinerer Kreis mit der I>eitung der
Synagoge betraut wurde, hießen seine Mitglieder rc;:n r^n ^xn3.
Das Amt blieb stets unbesoldet, es wurde durch Wahlen seitens der
Gemeindemitglieder vergeben und war einem jeden zugänglich. Die
AValüen fanden, wie in der ältesten Zeit, in der Regel im Herbst statt.
Neuerdings wurde die Verwaltung der Gemeinden und die Verteilung
der Ämter überall durch behördlich anerkannte Statuten geregelt.
Die Ehrentitel der alten Zeit kommen später nicht mehr vor, die einzige
Auszeichnung, die verdienten Gemeindemitgliedcrn zuteil wurde,
w^ar ilu-e Walü in die Verwaltung oder in ganz seltenen Fällen ihre
Befreiung von der Steuerlast.
3. Dem Leiter des Gottesdienstes steht der Diener zur Seite.
Er heißt hebr. rc:3n "[Tn, aramäisch 5<:Tn, griech. i7n]oiTr^q. Wir
finden ihn in denselben Quellen wie den noSDn TDfiin, selbst auf den
Grabsclu'iften wird verzeichnet, daß der Verstorbene dieses Amt ])e-
kleidet hat. Das Amt muß demnach ebenfalls als eine Auszeichnung ge-
golten und höher bew^ertet worden sein, als bei uns durch die Bezeich-
nung Diener zum Ausdruck kommt. Auch dem rc:2n irn wurde
die Elu-e zuteil, daß bei dem Mahle nach der Beerdigung in alter Zeit
ein Segen für ihn gesprochen wurde. Der wichtigste Unterschied wh-d
der gewesen sein, daß das Amt aller Wahrscheinliclikeit nach besoldet
war. Der rorrn "itn hat beim Gottesdienst die Anordnungen des
Vorstehers auszufüliren, durch ihn ergehen die Aufforderungen an
diejenigen Gemeindemitglieder, die zum Vorbeten, Vorlesen oder
Predigen eingeladen werden. Er hat die biblischen Rollen aus dem
486 Organisation des Gottesdienstes
Schrein zu bringen und sie wieder dorthin zu tragen, er hat auch die
zu lesende Stelle in ihnen aufzuschlagen. In der Synagoge nimmt
er einen besonderen Platz ein (oben S. 475). der minier besetzt sein
muß; wenn er z. B. aus der Tora liest, muß ein anderer ihn an seinem
Platze vertreten. In der großen Proseuche in Alexandrien stand er
während des Gottesdienstes auf der Tribüne in der Mitte mit einer
Fahne in der Hand, mit der er der Gemeinde das Zeichen gab, so oft
sie mit Amen einzufallen hatte (Tos. Sukk. IV 6, 198 23). In einem
Texte dieses Berichts ist der Beamte n:"iü^ genannt (j. das. V 1, 55b).
Die Funktionen des TDIDn "n waren vielseitig. Er hatte das
Synagogengebäude zu überwachen und in Ordnung zu halten, es
wm'de ihm daher eine Wohnung darin zugewiesen. Auch als Wächter
der Stadt whd er genannt, als städtischer Beamter hat er die Ein-
wohnerschaft nach Jerusalem zu begleiten, wenn sie die Erstlinge
dorthin bringt. Endlich hat er als Diener des Gerichtshofs u. a. auch
die Geißelstrafe zu vollziehen. Das Verwalten, iVufsichtführen lag
in der Grundbedeutung des Worts, Epiphanius ist in gewissem Sinne
im Rechte, wenn er die aCavhai mit den Diakonen vergleicht, sie
hatten tatsächlich die Tätigkeit eines Verwalters. Daß immer ein und
derselbe Beamte alle genannten Leistungen ausführen konnte, ist
kaum anzunehmen, wahrscheinlich ist in den meisten Fällen das Wort
rc^DH nur fälsclilich zu "jTn hinzugefügt oder aber der Gemeinde-
diener mußte tatsächlich für alle diejenigen Behörden Dienste ver-
richten, die im Gemeindehause tagten.
Nicht ganz in den Rahmen der zuletzt genannten Funktionen
passen die Nachrichten, die den PD^Dn "n als Kinderlehrer nennen,
der den ersten Leseunterricht zu leiten und die sabbatlichen Lektionen
einzuüben hatte; als solcher heißt er auch "iBD. Xakkai, einer der
Begründer der masoretischen Studien, wkd in einer Tradition als
Synagogendiener, der die Kerzen in Ordnung zu bringen hat. in einer
anderen als "iSC bezeichnet. Der Ausdruck für Diener lautet an dieser
Stelle allerdings ffilsTr, denn spätere Quellen kannten und unterschieden
das nicht melir genau. Daher wird in einem ^iel zitierten Bericht
(j. Jeb. XII E., 13a) erzälilt, daß die Gemeinde in Simonias von Juda I
einen Mann empfohlen zu haben wünschte "i'^'^zr'a "SC 'ini "ji'^T iC^m
piDils bD ■":; nnri. Man könnte es zur Not erklären, daß eine kleine
Gemeinde einen solchen Tausendkünstler brauchte, der die hetero-
gensten Funktionen ausübte, riclitig aber ist wohl, was in der Parallel-
Diener der (leiiieiiMli' 487
Stelle ((i(Mi. r. Sl) von ilim ^n'fordcrt wiril ni^.r^ ":^^^{ N'pr xn^C
lll'^'l ns "ill i:riS; danach hraiiclitc er also nur zu leinen uiul zu
richten (l->-':r73 lEO "j"^^-:).
Der Zusammenhang zwischen "itn und IBC führt uns zu einer
anderen Kr\väc;ung. Auf einer K(Mhe riuiiiscluT Inschriften finden wir
den Titel ;'(>«//// (aei'c, mehrfach in \'erhin(hini( mit (leiiieinden. so
dali sie als Gemeindebeamte angesehen werden (nüssen. l']s ist nicht
ausgeschlossen, daß -orn/z^rf/f/'c die Übersetzung von "EC ist und einer
der Funktionen des ITn entspricht.
In nachtalmudischer Zeit wurde der Diener T'CT genannt, seine
Funktionen in der Synagoge und beim Gottesdienste blieben im
großen und ganzen dieselben, auch Nebenämter waren fast stets mit
seiner Stellung verbunden, die dim das Auskommen ermöglichen
sollten. Dem Amte fehlte auch späterhin nicht ein gewisses Ansehen,
nicht gar zu selten waren es gelehrte Männer, die es bekleideten. Was
dem Synagogendiener eine eigenartige Stellung gab. war seine große
Vertrautheit mit den Gemeindemitgliedern, mit denen er bei freudigen
und traurigen Gelegenheiten in Berührung kam.
In größeren Gemeinden war ein zweiter Diener angestellt, der
Schulklopfer (Schidklöpper), der die Aufgabe hatte, mit einem Hammer
an die Tür der Synagoge oder gar an die Tür jedes Gemeindemitglieds
zu klopfen und zum Gottesdienste zu rufen. Da seine Leistung der
des Glöckners der Ku-che entspricht, wird er in Urkunden Campanator,
Glockenere genannt. Das Amt ist alt, schon aus dem Jahre 200 wird
ein i^T^p'Q genannt (j. Bez. V 2, 63a). In einigen Gemeinden wurde
der Schlägel als so wichtiges Instrument angesehen, daß man sogar
gestattete, ihn in der Heiligen Lade zu verwahren (j. Meg. III 1, 73 d).
Der Schulklopfer war im Mittelalter selbst in christlichen Kreisen der
bekannteste ^Mann der jüdischen Gemeinde. Seine Leistung galt als
so wichtig, daß sogar die Zahl der Schläge, die er in den verschiedenen
Gegenden bei seiner Runde an den Türen machte, überliefert wurde.
Die Gerichtsbehörden benutzten ihn häufig als Büttel zur Erledigung
polizeilicher Aufträge.
4. Außer dem Vorsteher und dem Diener kannte die Synagoge
des Altertums keinen Beamten. Der Vortrag der Gebete, die Ver-
lesung und Erläuteruno; der Schrift erfolgten durch Gemeindemit-
glieder, der Vorsteher bestimmte, wem die Ehre zuteil werden sollte,
vorzubeten, Tora und Propheten zu lesen oder zu übertragen und zu
488 Organisation des Gottesdienstes
predigen. Jedem Besucher des Gottesdienstes waren sämtliche Funk-
tionen zugänglich, nur die persönliche Würdigkeit war für die Zulassung
maßgebend, ein Vorrecht durch Geburt oder fachmännische Ausbildung
gab es nicht. Wenn in den ältesten Quellen bereits der Vorbeter als
Beauftragter der Gemeinde ("iliis rr^bTT) erscheint, so ist damit nicht
ein ständiges Amt bezeichnet, sundern nur die Tätigkeit, der er im
Augenblick obliegt. Im Prinzip besteht die alte demokratische Ver-
fassung in der Synagoge bis zum heutigen Tage fort. Auch heute noch
kann man in zahlreichen Synagogen Privatleute vorbeten und aus
der Schrift vorlesen hören; einen Gegensatz zwischen Laien und
Fachmännern oder gar Priestern kennt das Judentum nicht, wenn
auch die Verhältnisse vielfach dazu gezwungen haben, vom Her-
kommen abzuweichen und die Leitung des Gottesdienstes in die
Hände von Berufsbeamten zu legen. Es war für die Dauer nicht
durchführbar, sich auf freiwillige Leistungen zu verlassen, es fehlte
häufig an befähigten Kräften, während Ungeeignete sich zu den
Funktionen di'ängten. Das. erste Amt, das geschaffen werden mußte,
war das des Übersetzers der Schriftvorlesung, dem 'J'aüi'nri wird am
frühesten gestattet, sich seine Tätigkeit bezahlen zu lassen; zwar wird
warnend eingeschärft, daß auf einem solchen Verdienst kein Segen
ruht, aber die Mahnung weist doch darauf hin, daß die Besoldung
schon häufig erfolgt. Wahrscheinlich mußte der lin, der ohnehin als
Lehrer fungierte, die Übertragung der Schriftvorlesung übernehmen.
Ebenso machte es Schwierigkeiten, stets die nötige Anzahl Gemeinde-
mitglieder zu finden, die aus der Schrift vorzulesen verstand; es kam
allmählich dahin, daß das Vorlesen der Tora einem angestellten Be-
amten (i^mp) übertragen wurde (vgl. S. 171). Ausnahmen kommen,
wie bemerkt, noch heute vor, und die Haftara wird immer noch in der
überwiegenden Mehrzahl der Gemeinden von Privaten, häufig sogar
von Knaben, vorgelesen.
5. Das wichtigste Amt, welches die Synagoge ausbildete, war das
des V 0 r b e t e r s. Wir sind nicht darüber unterrichtet, wann zum
ersten Male die Anstellung von Vorbetern erfolgte. Xach den Quellen
zu schließen, müßte es schon im amoräischen Zeitalter geschehen sein.
Im palästinischen Talmud erscheint der Vorbeter mehrmals unter
dem Namen im, den das Amt später führte, aber es läßt sich be-
weisen, daß die Texte auf Grund des jüngeren Sprachgebrauchs ge-
ändert worden sind. Auch im Tr. Sofrim finden wir den Vorbeter als
\ iil'lictcr, \ nrsjillgiT 439
■jTn bezok'linot, os ist indessen nicht aiisf^esciilossen, daLi die be-
frcrienden Stellen erst nachliäiflieli dort einfjeseiiohen sind. Aber
urii die Entsteliimgszeit von Solriin niai,^ viellacli schon die Sitte
verbreitet gewesen sein, einen Vorbeter von Bern!' anzustellen. Die
Liturgie war im Laufe der Zeit an l'nil'ang gewachsen, sie zu be-
herrschen erforderte gute Kenntnisse; die Vertraut iieit mit der he-
bräischen Sprache hingegen hatte in weiten Kreisen abgenommen.
b]s herrschte ferner allgemein der Wunsch, die (lebete von einer
angenehmen Stimme vorgetragen zu hören. „Ehre (iott mit deinem
\('rmögen'", das bedeutet, wenn du eine angenehme Stimme hast uml
in der Synagoge sitzest, so erhebe dicii und erteile (Iott die Kiire; in
dieser Auslegung ist noch eine freiwillige Leistung des Vorbeters
vorausgesetzt, aber die Forderung eines stimmlich angenehmen Vor-
trags mußte notgedrungen dahin führen, daß ein befähigter Vertreter
für das Amt gesucht und dauernd ver[)fliciitet wurde. Ausschlag-
gebend dürfte dann die Einführung des Piut gewesen sein. Der "irn
war der Sänger, der Dichter, der die Hizana verfaßte und vorsang,
der in dieser Eigenscliaft anfangs n e b e n dem ^12:: nibr auftrat und
iiin bald verdrängte. Der "iin übernahm neben dem Tiut auch die
Stammgebete. Die Bedeutung des Vorbeters wuchs mit der Aus-
bildung des öffentlichen Gottesdienstes, je mehr die Liturgie zunahm,
desto unfassender wurde seine Wirksamkeit, desto einflußreicher
sein Amt. Der Vorbeter war in den meisten Fällen der einzige in
der Gemeinde, der über ein Gebetbuch mit den zahlreichen poetischen
Einschaltungen verfügte, die Gemeinde hing an seinen Lippen und war
ihm auf Gnade und Ungnade ausgeliefert. Der Vorbeter war im ]\Iit-
telalter so unentbehrlich, daß auch die Frauen in ihrer Abteilung eine
eigene Vorbeterin (a"'t::b rbbsr'ari) hatten. Das Jocii wurde gern ge-
tragen, die Sangeskunst der Vorbeter erfreute sich allgemeiner Be-
liebtheit, ihre Stellung war selir mächtig; selbst berühmte Gelehrte
konnten gegenüber ihrem vielfach eigenmächtigen Verfahren nichts
ausrichten, die Vorbeter wurden bestimmend für die Gestaltung des
Gottesdienstes. Das Vorbeten trat überhaupt mit der Zeit hinter dem
Gesänge vollständig zurück, der "im \mrde immer mehr der Vor-
sänger oder, wde man in romanischen Ländern sagte, der Kantor,
er mußte eine gute Stimme besitzen und schön singen, schließlich
durfte er sogar sich beim Gesang begleiten lassen. Die Gemeinden
scheuten keine Kosten, um einen stimmbegabten Vorbeter anstellen
490 Organisation des Gottesdienstes
zu können ; tüchtige Sänger zogen umher und durften gegen Bezahlung
an einem Sabbat oder einem Feste in der Synagoge auftreten.
An den Vorbeter wurden von Anfang an ge\N-isse Ansprüche ge-
stellt. Er mußte eine deutliche Aussprache haben; wer S und V .~
und n nicht hörbar unterscheiden konnte, wurde selbst in der Zeit der
elirenamtlichen Vorbeter nicht zugelassen (b. Meg. 24b). Selbst-
redend wurde die Kenntnis der Gebete, der Heiligen Schrift und der
gottesdienstlichen Bräuche vorausgesetzt. Es wairde ferner, obwolil
nach der Mischna schon ein Kna})e von 13 Jahren für das Amt geeignet
ist, ein reiferes Alter gefordert (b. Chul. 24a). Vor allem aber mußte
der Vorbeter sich durch sittliche Unbescholtenheit und tiefe Reli-
giosität auszeichnen ; der Vertreter der Gemeinde im Gebet mußte von
anerkannter Würdigkeit, wenn irgend möglich, sogar allgemeiner
Beliebtheit sein. Zumindest durfte er keine Feinde in der Gemeinde
haben, ein einziger Gegner genügte, um gegen seine Beschäftigung
Einspruch zu erheben; da diese weitgehende Freiheit gar zu häufig
mißbraucht wurde und zu Streitigkeiten Anlaß gab, wurde schließlicii
der Majorität der Gemeindemitglieder die Entscheidung zugewiesen.
An den Vorl^eter bei öffentlichen Fasten werden im Talmud außer-
gewöhnlich hohe Anforderungen gestellt (Taan. II 2), daher ^^^lrden
auch beim Synagogengottesdienst an den beiden ernsten Festen und
den ihnen zur Vorbereitung dienenden Tagen nur Auserwählte als
Vorbeter zugelassen, Männer von tadelloser Führung, von unbe-
strittenem Ansehen mit der Fähigkeit eines ausdrucksvollen, zu
Herzen gehenden Vortrags; selbst die Freunde des Gesanges ent-
schlossen sich, an diesen Tagen auf die Entfaltung einer schönen Stimme
zu verzichten und den Wiü'digeren den Vorzug zu geben.
Es hat zahlreiche Vorbeter gegeben, die den hohen Anforderungen
ihres Amtes in jeder Beziehung entsprachen, die sich der Bewun-
derung der Mitwelt und der x\nerkennung der Nachwelt erfreuten.
Häufig zeichneten sich die Inhaber des Amtes durch mehr als ge-
wöhnliche Gelehrsamkeit aus und nahmen eine führende Stellung in
ihrer Zeit ein; man brauclit nur an Meir b. Isaak in Worms (S. 334)
und an Jakob Möllin (S. 371) zu erinnern. Aber es fehlte auch nicht
an Ausnahmen, offenbar waren sie sogar in der Mehrzahl. Von dem
Augenblicke an, wo die Gemeinden das Hauptgewicht auf den Ge-
sang legten, waren sie geneigt, über alle Mängel hinwegzusehen, wenn
der Inhaber des Amtes sie durch eine schöne Stimme entschädigte.
l ii/.iil;iiigli<lik(il dir' \ orbotcr 491
Nur zu häuliij; t];ab es Streit und Alfter wcfijcu der Voihctcr, denn
ilirc l<'üliruii^- inncrlialh und auüorliall) der Synaf^of^c liclj nicht selten
viel zu wiinsclieii iihiit^; in Spanien halle ihr Amt schon um l.'iOO
sein ^^anzes Ansehen verloren. Auch ihre Hernislätitjkeil hel'riedii^te
nicht immer, sie nahmen sich die Freiheit, (lehete willkürlich zu ver-
ändern, sie t ruften die Gebete flüchtig und ohne Andacht vor, sie führten
fremde Melodien ein. Vor allem aber wurde ihre Kitelkeit getadelt;
,,das Lied der Toren" (Koh. 7.")) nannte man ihre endlosen (iesängo,
mit denen sie das (lebet hinzogen, man sagte ihnen nach, daß sie beim
Gesänge mehr auf den Heilall der ZulKirer als auf die Ehre Gottes
bedacht waren. Die .\ngriffe gegen ihre sprichwcirtlich gewordene
Torheit und gegen ihre rngezogenheiten nu>hrten sich von Geschlecht
zu Geschlecht. Wenn man sie auch anklagte und ihrer spottete, so
ließ man sie doch gewähren, weil der Gesang als ein notwendiger Be-
standteil des Gottesdienstes galt. Auch in den Herzen jener unglück-
lichen, von allen Seiten getpiälten, von allen Freuden ausgeschlossenen
Juden lebte das Sehnen nach der edlen Welt der Kunst. Die Synagoge
war der einzige Ort, an dem sie sich frei fühlen, der Gesang des Vor-
beters die einzige und oft recht zweifelhafte Kunst, deren sie sich
freuen durften.
Als nach der h>findung des Buchdrucks mehr Gebetbücher in die
Hände des Publikums gelangten, nahm die Abhängigkeit der Gemeinde
vom Vorbeter ab. Die Gemeinde konnte nunmehr selbständig beten
und die Bedeutung des "jin trat zurück. Von derselben Zeit an
aber nahm die Unbildung und Verwilderung unter den Vorbetern zu,
sie verwalteten ihr Amt mit wenig Würde und wachsender Anmaßung.
An Ausnahmen hat es nie gefehlt, unter den Portugiesen hielten sich
die Ausschreitungen der Vorbeter in gewissen Grenzen; aber im Ge-
biete des deutsch-polnischen Ritus wurde der "n inmier mehr der
Schrecken aller ernsten Synagogenbesucher. Der Tiefstand des Gottes-
dienstes an der Schwelle der Neuzeit w-ar nicht zum wenigsten durch
die Unsitten der Vorbeter verschuldet. Es bedurfte langer, müh-
seliger Arbeit begeisterter Berufsgenossen, es bedurfte des Auf-
tretens einiger genialer Künstler, um unter den veränderten Verhält-
nissen der Neuzeit dem Vorbeter wieder eine würdige Stellung im
Gottesdienste zu erringen.
6. Erst seit dem letzten Jahrhundert tritt auch der Rabbiner
als Beamter der Synagoge in die Erscheinung. Bis tief in das Mittel-
492 Organisation des Gottesdienstes
alter hinein sind die Rabbiner überliaupt nicht von den Gemeinden
angestellt gewesen, sie waren freiwillige Volkslehrei', anerkannte,
wegen ilirer Gelehrsamkeit verehrte Privatleute, die ein Lehrhaus
hielten, der Gemeinde ilir Wissen zur Verfügung stellten, Männer, denen
die Gemeinden ilu- Vertrauen schenkten und sich freiwillig unter-
ordneten. Aber selbst nach 1350, nachdem sie besoldete Beamte der
Gemeinde geworden waren, erschienen die Rabbiner selten beim
öffentlichen Gottesdienste, sie hielten vielmehr Privatandacht und zogen
es vor, mit ihren Jüngern im Lehrhause zu beten. In der Synagoge
störte sie der endlose Gesang, demgegenüber sie ohnmächtig waren,
sie kamen daher in das Gemeindebethaus nur an den hohen Feier-
tagen, oder wenn sie predigten, was selten geschali. Darin brachte
die Neuzeit eine durchgreifende Änderung. Die Predigt trat wieder
in ihre Rechte, sie wurde wie im Altertum ein wichtiger Bestandteil
des Gottesdienstes. Aber während bei den schlichten Schriftauslegungen
der alten Zeit jedermann das Wort nehmen und zur Gemeinde sprechen
konnte — was in einigen Ländern, wie England und Italien, bis in die
Gegenwart hinein beibehalten wurde — blieb die Predigt unserer
Tage das Vorrecht der berufsmäßigen Kreise. Die wachsende Be-
deutung der Predigt im letzten Jahrhundert hat den Rabbinern eine
wichtige Funktion beim Gottesdienst eingetragen. Im westlichen
Europa und in Amerika haben sie regelmäßig belehrende Vorträge zu
halten; auch die Gebete in der Landessprache werden von Dinen ge-
sprochen. In den Reformgemeinden geht die Tendenz dahin, immer
größere Stücke der Liturgie dem Rabbiner zu übertragen; in der
Berliner Reformgemeinde und in vielen reformierten Gemeinden
Amerikas ist das Amt des Vorbeters ganz beseitigt, die gesamte Liturgie
wird vom Rabbiner vorgetragen, der gesangliche Teil vom Chor aus-
geführt. Die Heraushebung des Rabbiners aus der Gemeinde nach
Art eines „Geistlichen" ist eine sehr bedenkliche Seite der fortsclu-ei-
tenden Reform.
Kap. III. Der Gottesdienstliche Vortrag.
§ 53. Vorbeter und Gemeinde.
Literatur: Low, Schürcr das.
1. Der Gottesdienst ist seiner Bestimmung nach G o in o i n d e -
g 0 1 1 e s d i e n s t , er ist ohne Gemeinde nicht denkbar, die ein-
zelnen Gebete und Vorlesungen, aus denen er sich zusammensetzt,
dürfen nur vor einer bestimmten Öffentlichkeit vorgetragen werden.
Die Gemeinde als (")ffentlichkeit. Gesamtheit heißt "Ti32 (von "122
Gen. 4135 vereinigen); das Wort bezeichnet die Gesamtheit im Gegen-
satz zum einzelnen (T^ni), in der Gemeinde beten heißt "n^sn 37 bbsrn
oder niDsn :;:;2rn. Zuröffentliclikeit gehören zehn erwachsene männ-
liche Personen (l'^^'ö). Der Talmud leitet die Zahl vom biblischen m7
her, und in der Tat finden wir in der Heiligen Schrift häufig die Ver-
einigung von zehn Personen als das Mindestmaß von Öffentlichkeit,
l'm so auffälliger ist es, daß nach einer ))alästinischen überliefenmg
in Sofrmi bereits sieben Mann für den öffentlichen Gottesdienst ge-
nügen sollen. Die Mischna nennt eine große Stadt eine solche, in der
sich stets zehn Mann gescliäftsfrei halten können, um den Gottes-
dienst zu besuchen (2i:b"J3 rnC" Meg. 1 6). Das sind nicht etwa
Angestellte der Gemeinde, sondern freiwillige Besucher des Gottes-
dienstes, auf deren Anwesenheit man stets rechnen kann (a"'^ii2l
rc:Dn r.inb ■rDSb'Ca j. Meg. das. 70b). Es ergibt sich daraus, daß
der Besuch des Gottesdienstes an Wochentagen im allgemeinen kein
sehr guter war, daß nur an Sabbaten und Festen, wo man berufsfrei
war, alle den Gottesdienst aufsuchten; daher kam es auch, daß in
manchen Gegenden die Synagoge als Sabbathaus bezeichnet wurde
(oben S. 445). Wenn es schon im alten Palästina mit solchen Schwierig-
keiten verknüpft war, den Gottesdienst täglich zu halten, so läßt sich
ermessen, daß es in der Diaspora häufig noch weniger möglich war. die
nötige Anzahl von Synagogenbesuchern zusammenzusehen, besonders
im Mittelalter, wo die Gemeinden klein waren und der Beruf die
Leute vom Hause weit weg führte. Um den Gottesdienst dennoch
494 Organisation des Gottesdienstes
nicht allzu häufig ausfallen lassen zu müssen, wurde es damals üblich,
von Gemeinde wegen Leute zu bezahlen und fest anzustellen, damit
sie dem Gebet beiwohnten. Wo es ganz unmöglich war, das Jalir
über die notwendige x\nzahl zusammenzubringen, erstrebte man es
wenigstens für die Feiertage, zumal für die beiden ernsten Feste.
Die Gemeinden boten alles auf, um an den ausgezeichneten Tagen den
Gottesdienst halten zu können. Es erregte gi'oße Erbitterung, wenn
aus so kleinen Gemeinden einzelne für die P'eiertage nach größeren
Orten reisten und dadurch die Einrichtung des Gottesdienstes er-
schwerten. Trotzdem die Gemeindebüdung in der Neuzeit sich stark
verändert hat, ist die Maßregel der Anstellung von berufsmäßigen
Besuchern des Gottesdienstes auch heute noch nicht überall über-
flüssig geworden. In neuester Zeit aber hat man sich hie und da über
die traditionelle Zahl liinwegzusetzen und auch bei weniger als zehn
Teilnehmern den Gottesdienst zu halten begonnen.
2. Der Fülu-er der Gemeinde im Gebet ist der "113"^ ni^TT. Er
ist ihr Sprecher, nicht ihr Vertreter, aus ihrer Mitte als Wortführer,
nicht als Fürbitter ausgewählt. In diesem Sinne wird die Wirksamkeit
des Vorbeters in alter Zeit aufgefaßt, „die Augen der Gemeinde hängen
an ihm, und seine Augen sind auf Gott gerichtet", wie es im Midrasch
und in einem alten Gebete heißt. Erst als das Gebet unter dem Ge-
sichtspunkt der Pflicht betrachtet wurde, entstand der Satz, daß der
Vorbetcr die Gemeinde vertrete (R. ha Seh., Ende i«"'2n2 nin:: w'^XO
"irmn i-i ail-i" rs), aber niemals wurde er als priesterlicher jVlittler
gedacht. Das ganze Mittelalter hing an der Vorstellung, daß der Vor-
beter der Vertreter der Gemeinde sei; das hatte sein* günstige Folgen,
denn die Anforderungen an den Vorbeter wurden aus diesem Grunde
sehr hoch gespannt, es ist aber klar, daß auch viel religiöse Unklarheit
damit vei'bunden war. Die Neuzeit ist mit Recht zur alten Auffassung
zurückgekehrt.
War der 1133: n^'^ir der Sprecher der Gemeinde, so blieb diese
nicht bloß stummer Zuhörer, sie beteiligte sich am Gebet dadurch,
daß sie an bestimmten Stellen mit Responsen einfiel (~'y). Die Re-
sponsionen waren ein Vermächtnis des Tempels, beim Gesänge der
Psalmen waren Eiüogien üblich. Die einfachste Form ist in "^Tin
1T2X1 ""CS ablj":: '- Ps. 8943 erhalten; in erweiterter Form hieß dies
2b:r- 1^ bÄ^-ir-^ ■'-biJ 'i llin, schließlich aber, um den Glauben an
die jenseitige Welt zu betonen (Ber. IX p]nde) ::5«"iir^ i~^5? '" "jinn
|{('S|)(msit)nfii der CiciiiciiKle 490
rr'^rn -r" zrTn ]-q ((ulcr 'n in a'^irms), wie l's. 41 1 1. loii.'ji».
1. Chr. l().'{ti 7.11 lesen ist. Die allen Doxolof^ieii sind siinitlicli in das
( Sehet hueli üheif^effanj^eii, aber nicht als Kes])(insionen. Üeini (le-
Mieiiulegottesdiensle wurden sie in alter Zeit f^elegentlieh öirentlieher
Kasten verwendet, das «eschali jedoeli aussehlielilieli im i^ereieho des
Tempels zu Jerusalem r"»nn nnm nni^n '\7X02 ^^m p "i^am: n^n «b
(Taan. II 11). Als Kesponsion der Gemeinden in den Synai^ntfjcn wurden
diejenigen Worte id)lieh, welche das Volk auch im Tempel auf den
Levitengesang erwiderte, l^i« und n^'^bbn (l*s. 105, Chr. das.). Das
"i^S ist die wichtigste und am häul'igsten verwendete Kesponsion ge-
blieben; sie wird gesprochen, sobald der Vorbeter ßenediktionen vor-
trägt oder der Vorleser sie spricht oder die Ahroniden ihren Segen
erteilen. In Alexandrieu stand der Synagogendiener auf der Tribüne
in der Mitte und schwang die Fahne, um dem Volke das Zeichen zum
Einfallen mit dem AnuMi zu geben. Für so bedeutsam galt die Ke-
sponsion, daß selbst dort darauf AVert gelegt wurde, wo, wie in der
ausgedehnten Proseuche in Alexandrieu, die Besucher die voran-
gegangenen Benediktionen nicht hatten hören können. Das Amen
hatte dieselbe Bedeutung wie in der Bibel, es drückte eine Anerkennung
des Gehörten und eine Bekräftigung des Vorgelesenen aus, am meisten
entspricht das Amen nach den Benediktionen den Worten Jeremias
Im Tempel zu Jerusalem war die Kesponsion "i^i^ nicht zugelassen,
statt dessen wurde auf die Eulogien mit "r"^ ab^rb ^r'sb'C "^SD ac T"ii3
erwidert. Dieselbe Rcs])onsion finden wir beim Kultus des Hohen-
priesters am Versöhnungstage; jedesmal, wenn er den Gottesnamen
ausgesprochen hatte, erwiderte die Gemeinde mit "iPiD^'a Tias ZW ^m
l"i abi:7b. Im Gebete finden wir genau dieselbe Kesponsion nur
an einer Stelle, sie unterbricht die beiden ersten Verse des 7^TD.
sie ist wahrscheinlich die älteste Kesponsion der gesamten Liturgie.
Dem Sinne nach entspriclit ihr Tac llim Sin linn. das nach der
Erwähnung des Gottesnamens durch den Vorbeter von der Gemeinde
gesprochen wird ; es ist eine Zusammenstellung der beiden
Eulogien Sin "Jinn und lüTT Tina, die wir in ittSir V^2 (oben S. 83)
finden.
Auch die andere in den Psalmen erw^ähnte Kesponsion rpi^^n ist
in die Liturgie übergegangen, sie wurde bei der Kezitation des Hallel
verwendet.
496 Organisation des Gottesdienstes
3. Die Alt des Respondierens und der Beteiligung der Gemeinde
war in der ältesten Zeit bei den verschiedenen Teilen des Gebets
nicht gleichmäßig. Am einfachsten war der Vortrag der Tefilla, die der
Vorbeter allein sprach, während die Gemeinde zuhörte und Vers für
Vers mit 1^S5 beantwortete. Als später eingeführt wurde, daß die
leise Tefilla der lauten vorangehen mußte, änderte das die Vortrags-
weise nicht, der Vorbeter sprach seinen Text genau so wie in der
älteren Zeit und die Gemeinde hatte in derselben Weise zu erwidern.
Neue Responsionen brachte die Keduscha für die Gemeinde, da sie die
Bibelverse mit dem Vorbeter im Chore sprach. Beim Priestersegen fiel
die Gemeinde ebenfalls hinter jedem Satze mit "j^X ein.
Nicht ganz so, aber infolge des sich gleichbleibenden Refrains
ähnlich war die Rezitation des Hallel. Der Vorbeter begann mit rr^lbrn,
die Gemeinde wiederholte es, und nach jedem Halbvers fiel sie von
neuem mit Halleluja ein, im ganzen, wie die alten Quellen berichten,
123 mal (j. Schabb. XVI 1, 15c). Die Vortragsweise des Hallel (i^j":^
5«"::'^":^"-; b. Sukka 38 b) wurde im Laufe der Zeit häufig geändert. In
manchen Gegenden war es üblich, die Verse am Ende, von Ps. 11821
an, zu wiederholen, in anderen wiederum sprach man sie nur einmal.
In Babylonien wurde um 350 das Halleluja nur noch zweimal am
Anfange von der Gemeinde gesprochen, sonst das ganze Stück Ps. 113
bis 117 in einem Zuge, dann wurde wieder' inn (1181) und '" 5?!:i?
(118 28) wiederholt, schließlich Si:iri "^1^.2 antiphonisch gesprochen,
im Laufe der Zeit verschwindet jede Spur von dieser alten Rezitation ;
aus dem Mittelalter hören wir schon, daß, Avie heute, hinter den drei
Versen mit "ii^i«"' (118 2 ff.) jedesmal "111" wiederholt wh'd. Ein wenig
erinnert die in Westdeutschland verbreitete Art, Psalmen versweise
abwechselnd zwischen Vorbeter und Gemeinde vortragen zu lassen,
an das Verfahren der alten Zeit. Die Wiederholung der Verse 118 21 ff.
wurde allgemein angenommen.
Für das Schma und seine Benediktionen war der antipho-
nische Vortrag üblich. Der Vorbeter leitete das Gebet ein, die
Gemeinde wiederholte den von üim vorgetragenen Halbvers und fülu'te
den Satz zu Ende. So wurde den ganzen Abschnitt durch verfaliren.
Hatte der Vorbeter 'rs5"nr!"i ~t:r gesprochen und von der Gemeinde den
ganzen Satz bis zu Ende gehört, so flocht er leise die erwähnte Re-
sponsion 'IDi ~il^D air ""nn ein. Vom Halbieren der Sätze erhielt die
Vortragsweise den Namen yav 27 DiB, d a s S c h m a teile n. Nicht
\ frscilicdiiir \;imcii liir di-u \ cuIhIii- 4<J7
iilx'nill war dicsclhc Vorfrausart üblich, die l-ciilc von .Jcriclio z. H.
waiidtcMi ein WMfalircii an. das man ycr rs TT. das Scliina
z u s a nnn (' n t' a I t (' II nannlr, d. li. dmi ini<r der \'(»rl)('t('r den
i!,anzon Absclinitt ohne rntorhrci-hnni^ vor. und die (icnicindc hürlc zu
oder sprach die Worte mit ihm; die rnterbrechnni;: durdi '"S" 2Tr T'.na
fiel dort fort. Der zuerst nur vereinzelt vorf^ekommene Krauch, das
Schnia forthiufend vorzutraücn. wurde si)ät(>r allsenu'in. freilich tiiit
Heihehaltunii" der H(>s|)onsion '"Z" :c T'""2, die jedoch immer noch
leise gesprochen werden mußte. In (icrm. wurde es id)lich, die drei
biblischen Abschnitte leise zu sprechen, da bei der Gemeinde die Ver-
trautheit mit ihnen vorausgesetzt wurde, so daß sie dvi^ Vorbeters
nicht bedurfte.
4. Entsprechend der verschiedenen Art der Abschnitte des Ge-
l)ets werden für die Vortragenden verschiedene Xamen angewendet.
Wer aus der Hibel vorlas, hieß (niirn) S'"ip. wer durch den Pro-
phetenabschnitt die Vorlesung beschloß, iC^srn "'••^"JEic. Wer das Hallel
vortrug und den Ahroniden den Segen vors])rach, hieß S5ip'a; weil man
das Vortragen von Bibelstellen stets mit S?lp bezeichnete, wurde das
Wort auch in der Liturgie verwendet, obwohl die Gebete niemals
gelesen, sondern immer nur auswendig vorgetragen wurden (ns b:r Xlp).
Der Vorbeter für das Schma hieß y^V 77 oi"S, selbst als die Vortrags-
weise, die zu dem Xamen Aidaß gegeben hatte, längst verlassen war.
Kndlich hieß derjenige, der die Tefilla übernahm, n^Tri ^if: "ni". weil
er vor den Schrein mit den Torarollen hintrat: der Name erhielt sich
auch noch, als der Vorbeter schon lange vor der Tefilla dort seinen Platz
einnehmen mußte. Wo sein Platz tiefer lag als der Fußboden der
Synagoge, gebrauchte man dafür niT- "^rs;!: "iiT^ ,r"'n:"i s^TiH. Weil er
seinen Platz verändern und vortreten mußte, hieß er auch SS'^p.
Der Vorbeter für die Tefilla wurde der Vorbeter schlechthin, weil er
der einzige war, der an einem sichtbaren Platze auftrat und der Ge-
meinde ein Gebet zu Gehör brachte, bei dem sie fast gar nicht mit-
wu'kte. Andere Vorbeter gab es nicht, weil das Gebet in der ältesten
Zeit nur aus den genannten drei Teilen bestand. Für jeden Abschnitt
wurde ein anderer Vorbeter gewählt, an Tagen, an denen zwei Tefillas
zu sprechen waren, fungierten zwei Vortragende, das Hallel sprach
dann der erste, Schofar z. B. wurde vom zweiten geblasen.
Der Gottesdienst begann damit, daß der Vorsteher der Synagoge
an oinen der Anwesenden die Aufforderung ergehen ließ mr rr Z"Z:
Elbogen. Der jüd. Gottesdienst "^
498 Organisation des Gottesdienstes
war dieser Akt vollzogen, dann ließ er einem anderen sagen "'isb ili"
ni"irn oder mpl i^i. Es galt als Anstandsregel, eine derartige Einla-
dung zunächst bescheiden abzulehnen und eine zweite oder gar dritte
Aufforderung abzuwarten, während es andererseits als ungehörig ange-
gesehen wurde, sich allzu lange zu sträuben und die Gemeinde in Ver-
legenheit zu lassen. Es konnte aber auch geschehen, daß der Erwählte
die ihm zugedachte Würde ablehnen mußte, weil ihm die Fähigkeit
abging, das Gebet auswendig vorzutragen. Am schwersten war der
Vortrag der Tefilla; sie war verhältnismäßig lang, die Reihenfolge
ihrer verschiedenartigen Sätze war fest bestimmt, und es fehlte dem
Vortragenden der Anhaltspunkt, der durch das Einfallen der Gemeinde
bei anderen Gebeten gegeben war. Daher wurde dem Vorbeter auch
Zeit gelassen, sich die Tefilla zunächst zurecht zu legen ("i"'"Dn ,'jpr
inbsn). An den hohen Feiertagen, die selten wiederkehren und eine
ungewöhnlich lange Tefilla haben, schreiben es noch die Handschriften
aus dem Mittelalter vor, daß der Vorbeter sich zunächst seinen Text
zurechtlegen soll, eine Maßregel, die nach der Einführung der Gebet-
bücher völlig überflüssig war. Sehr leicht konnte es geschehen, daß
der Vorbeter den Faden verlor (r:^"in CiTii:), häufig trug er auch falsche
Texte vor; nach den ältesten Bestimmungen sollte er in einem solchen
Falle seinen Platz einem anderen einräumen, .später wurde man nach-
sichtiger und ließ ihm lange Zeit, sich auf das Richtige zu besinnen. Nur
bei bestimmten Sätzen, die einen Prüfstein für die religiöse Gesinnung ab-
gaben, hielt man unnachsichtig darauf, daß der Vorbeter den richtigen
Text sprach oder abtrat. An gewöhnlichen Tagen stand der Vorbetcr
allein, an Fasttagen standen ihm zwei Gemeindemitglicder zur Seite,
eines zur rechten und eines zur linken. Jüngere Schriften haben auf
Grund irriger Texte diese Bestimmung auf alle Tage des Jahres be-
zogen. Bis auf den heutigen Tag ist es unter den italienischen und
portugiesischen Juden Sitte, daß am Versölmungstage den ganzen
Tag über zwei Mitglieder der Gemeinde dem Vorbeter an die Seite
gestellt werden. Im Mittelalter war das auch in Deutschland üblich
und wurde sogar auch am Neujahrsfeste durchgeführt.
5. Über die Haltung der Gemeinde beim Gebet berichtet Agathar-
chides von Knidos, daß die Juden mit ausgestreckten Händen {ey.TEia-
•/.oTsg zag yßQag) beim Gebet sitzen. In der biblischen Zeit muß
das allgemein üblich gewesen sein; daß ein solcher Brauch aber aucli
in den Synagogen herrschte, läßt sich nirgends belegen. Höchstens
Haltung' (liT ('.cmriiide 499
hfl den KkstatikiMii der spälcrcii Zeit l'iiulcri wir nchcn vielen anderen
körperüclien Hewef^ungen aiicli das Ausbreiten der Hände. Im all-
gemeinen war eine gesetzte llaltnng der (Jemeinde vorgeschrieben,
l^eim Selima sali sie, und der Vorheter blieb in ihrer Mitte; noch im
Mittelalter, wo der Vorbeter bereits einen besonderen IMatz hatte,
kam es vor. dal.l er hei diesem Ahselinitt sitzen blieb. Bei der Tefilla
erhoben sieh Vorbeter und (iemeinde, bei einigen Stellen verneigten
sie sieh (nnr), aber (Übertreibungen waren auch da nicht gern gesehen.
Endlich warf sich beim stillen (iebet, das auf den öffentlichen Gottes-
dienst folgte, die Gemeinde auf die Erde. Neue Bewegungen führten
die Mystiker ein. Von ihnen rührt die Sitte her, bei der Keduscha zu
hü|)len, die in Europa zuerst in Frankreich beobachtet wurde. Auf
denselben Ursprung dürfte es zurückgehen, wenn man in Frankreich
und Deutschland dabei in die Höhe blickte, während man in Spanien
die Allgen abwärts richtete. Bei den Frommen in Fraid<reich wurde
auch zuerst die Sitte beobachtet, w'ährend der Tefilla den ganzen Körper
zu schütteln (112::7 ns? y:^: ,y7i:nn), was wahrscheinlich ebenfalls
von den Mystikern stammt und sogar angeblich im Midrascli emp-
fohlen wird. Das Schaukeln w'ar ursprünglich nur beim Studium üb-
lich, Jehuda ha Levi w-ollte es damit erklären, daß, da die Bücher selten
waren, viele gleichzeitig ein Buch benutzten und sich der Reihe nach
dazu herabbeugen mußten. Für das (iebet trifft fraglos jene andere
Erklärung mehr zu, daß durch die Bewegung das Blut in Wallung ge-
bracht w'erden sollte, eine echte Forderung der Mystiker. Die Ka-
suisten liaben viel darüber gestritten, ob man beim Gebet schaukeln
sollte und bei welchen Stellen, schließlich gaben wieder die Ekstatiker
den Ausschlag für das Schütteln. Wer zu einer Funktion aus den
Reihen der Beter hervorzutreten hatte, mußte gut gekleidet sein.
Das war man der Würde der Gemeinde schuldig; nicht nur mangel-
hafte Beschaffenheit des Anzugs, sondern auch gewisse Arten von
Gewändern waren verpönt und machten denjenigen, der sie trug, für
den Vortrag unmöglich (Meg. IV 8, Tos. das. IV 30, 2283). Der Vor-
beter pilegtc sich in seinen Mantel einzuhüllen (rr^biTD "ir'^b'jn r"L:7rin
mn::). Daran anknüj)fend , nahmen gelehrte Männer die Gewohnheit
an, wenn sie das Gotteshaus aufsuchten oder überhaupt sich zum
Gebet hinstellten, eine besondere Kleidung anzulegen; vorzugsweise
war in Babylonien ein Gürtel beliebt, der dem hängenden Obergewand
der damaligen Zeit Halt gab. Insbesondere pflegten sie jene Art von
32*
5QQ Organisation des Gottesdienstes
Mantel anzuziehen, die im Talmud ""'bi: heißt. Infolgedessen ent-
stand der allgemeine Brauch, beim Morgengebet ein dem nibl2 ent-
sprechendes Gewand anzulegen, das der Vorbeter stets trägt. Auch
im übrigen wurde auf die Innehaltung der alten Sitte sehr geachtet,
man hatte besondere Kleider für die Synagoge; das war im Mittelalter,
wo im allgemeinen auf die Kleidung nicht viel Sorgfalt verwendet
wurde, außerordentlich segensreicli. Yielfacli freilich wurden die
Nachrichten alter Quellen und die Sitten beliebter Lehrer skla\äsch
und pedantisch nachgeahmt, auch wo die von ihnen getragenen Kleider
längst nicht melir der herrschenden Sitte entsprachen. Ein solcher
Überrest alter Kleidung ist der weiße Kittel, der noch lieute in Deutsch-
land vielfach am Versöhnungstage getragen wird, der im Westen
Deutschlands sogar noch den mittelhoclideutschen Xamcn Sargenes
führt. Man kann die neuerdings eingeführte Amtstracht für Rabbiner
und Vorbeter mit der alten Sitte der besonderen Kleidung in Ver-
bindung bringen.
Die K 0 p f b e d e c k u n g beim Gebet war durch das Anlegen des
ribt: bedingt, der mit einer KopfhüUe verbunden war. Sie galt einer-
seits als Ausdruck untertäniger Verehrung der göttlichen Majestät,
andererseits wurde es als Vorzug des freien Mannes betrachtet, daß er
bedeckten Hauptes bleiben durfte. Es ist ein Privileg Israels, daß es die
Offenbarung des Königs aller Könige gemütlich sitzend und bedeckten
Hauptes vernehmen kann, während die Diener der irdischen Macht
alle Proklamationen barhäuptig unter Schrecken und Zittern anhören.
Besonders in Babylon ien wurde auf Kopfbedeckung Wert gelegt,
sie entprach der allgemeinen Sitte, sie war aber nirgends als religiöser
Brauch vorgeschrieben. So konnte es geschehen, daß in Palästina
in nachtalmudischer Zeit Stücke des Gebets oder der Priestersegen
mit unbedecktem Haupt vorgetragen wurden, was allerdings nicht
allgemeinen Beifall fand, denn im allgemeinen galt es als unzulässig,
den Gottesnamen unbedeckten Hauptes auszusprechen. Auch in Europa
scheint die Kopfbedeckung zuerst im mohammedanischen Spanien
streng durchgeführt worden zu sein. Am Anfang des 13. Jahr-
hunderts hören wir, daß in Frankreich die Segenssprüche bei
der Mahlzeit ohne Kopfbedeckung vorgetragen wurden, und daß es
sogar üblich war, am Torafeste Knaben ohne Kopfbedeckung zur Tora
zu rufen. Das fand schon damals nicht allgemeine Billigung, späterliin
wurde der Braucli der Kopfbedeckung zum Gesetze erhoben. Von
\ Orlx'lfr iiml < 'ii>mi"iii(i(,' 501
Harliäii|)fii!,ktMt in clci- Syiia^ogt' war iiiclil wieder die Kede, bis Alirod
("lioriii (I7()() l)is 1844) sie 182G empfahl und die Kerliiier Kel'orni-
goiiieiiide sie in ihrem Gottesdienst vorsehrieh. In lüiropa hat diese
Kinrielitung des Heformgottesdienstes nirj^ends Naehahinunü: ge-
funden, „das Beten mit entblößtem Haupte stem|)elte ihn besonders
7M einem fremdartigen, und stieß auch innerlieh Gleichgesinnte ab;" in
Amerika hingegen ist in vielen Reformgemeinden die Koi)fbedecknng
abgeschafft, in einigen dem Gutdünken der Beter überlassen.
Die Besprechung über das Verhalten beim Gottesdienst hat mehr-
fach über die alte Zeit hinausgeiiriffen, weil die im Talmud erwähnten
Bräuche niemals ihre Bedeutung verloren haben; die späteren Au-
toren haben ihnen Beachtung geschenkt und sie kodifiziert, so wurde
ihnen auch unter veränderten Verhältnissen, soweit es irgend möglich
war, Rechnung getragen.
6. Eine völlige Umgestaltung erhielt der Gottesdienst durch
die Ausbildung des Vorbeteramtes, er wuchs an Ausdehnung, und das
gesamte Vortragswesen wurde stark verschoben. In der ältesten Zeit
war der Vorbeter erst bei der lauten Tefilla vor die Lade getreten,
später begann er schon mit dem T^ip vor iDin, wo Maimonides z. B.
ihn noch auftreten läßt; inzwischen aber hatte er sieli in manchen
Ländern schon der vorangehenden Psalmen bemächtigt und zuletzt
wurden sogar die einleitenden Benediktionen nicht nur in der Synagoge
gesprochen, sondern gleichfalls laut vorgetragen. Dazu kam endlich,
daß die Liturgie nicht mehr mit der Tefilla scliloß, sondern daß auch
die a-'rznr zum öffentlichen Gebet hinzutraten und sich immer mehr
ausdehnten. Der Vorbeter leitete das gesamte Gebet, trug es von Anfang
bis zu Ende laut vor. Wo die Gemeinde das Gebet beherrschte, sprach
sie es still mit, allmählich betete die Gemeinde neben dem Vorbeter.
In Frankreich und Deutschland waren die Kundigen (a-'i«"'pn) zahl-
reicher als im Orient und in Spanien, auch die gedruckten Gebet-
bücher fanden hier früher Verbreitung. Daher rührt es, daß hierzulande
der Vorbeter abgesehen von der Tefilla, die er von Anfang bis zu
Ende vorträgt, nur am Ende der Abschnitte seine Stimme erhebt,
während er außerhalb des deutschen Ritus die gesamte Liturgie laut
spricht, wobei die Gemeinde ihn begleitet.
Trotzdem die Gemeinde sich daran gewöhnt hat, mit dem Vor-
beter mitzubeten, blieben ihr die alten Responsionen vorgeschrieben ; es
kamen sogar neue hinzu und es wurde ilmen viel Ge^^icht beigelegt. Be-
502 Organisation des Gottesdienstes
sonders die Bedeutung der Responsionen beim Kaddisch und der
Keduscha ist unter dem Einfluß der Mystiker sehr übertrieben worden.
Bei den Piutim war die Gemeinde nicht nur das ganze Mittelalter hin-
durch, sondern auch später noch auf den Vorbeter angewiesen, er trug
den Text vor, und die Gemeinde konnte nur, wo es anging, mit einem
Refrain einfallen; daher erfreute sich der Pismon, der fast stets einen
Refrain hatte, großer Beliebtheit. Das Zuhören lag der Gemeinde nicht,
sie wollte entweder mit dem Vorbeter mitbeten, oder sie suchte sich in
anderer Weise die Zeit zu vertreiben. Beides wirkte außerordentlich
störend und machte in der Neuzeit eine durchgreifende Änderung des
gesamten Vortragswesens notwendig.
§ 54. Der gottesdienstliche Gesang.
Literatur: Zunz, Syn. Poesie. S. 114fF., Berliner. Die Entstelumg- des
Vorbeterdieustes in Isr. Monatsschr., 1899, S. 4ff.: Ackermann, Der syna-
gogale Gesang-; Friedmann A., Der synagogale Gesang; JE Art. Cantil-
lation m, 537 tf.; Music, Synagogal IX, 119tf.
1. An die Stelle des schlichten und einfachen Vortrags der Gebete
ist im Laufe der Zeit kunstvoller, abwechslungsreicher Gesang getreten.
Wie es zu diesem Umschwung gekommen ist und woher die im Gottes-
dienste verwendeten Melodien stammen, sind viel umstrittene und
kaum mehr aufzuklärende Fragen. Es liegt nahe, an einen Zusammen-
hang mit dem Gesang der Le\itenchöre im Tempel zu Jerusalem zu
denken, aber w^k wissen nichts davon, ob die Gesänge der Leviten aus
Rezitativen oder aus Melodien bestanden und wieviel davon über-
liefert wurde. Sicher ist, daß niemals schriftlich aufgezeichnete Me-
lodien vorhanden waren, ferner, daß nach der Zerstörung des Heilig-
tums die meisten Gelegenheiten für den herkömmlichen Gesang fort-
fielen. Es wäre nun möglich, daß für diejenigen Teile des Gottesdienstes,
die mit dem l'empeldienst in Zusammenhang stehen, wie den Psalmen-
vortrag, den Priestersegen, die Prozessionen am Hüttenfeste, sich
einige Melodien durch Tradition erhalten hätten. Bei dem lebhaften m
Interesse, das allen Angelegenheiten des Tempelkiütus entgegen-
gebracht wm'de, ist das sogar sehr wahrscheinlich, ein sicherer Nach-
weis läßt sich jedoch nicht dafür erbringen. Aus dem Talmud ergibt
sich sogar mit ziemlicher Gewißheit, daß bei der gedrückten Stimmung,
die nach dem Untergange des eigenen Staatswesens die Gemüter be-
herrschte, die Freude am Gesänge verloren gegangen war und daß im
Der SynagdKcnfjt'SüliK 503
jillgcniciiH'ii jcck' Art von Musik als verholen «f.ill. Siclieie Naelirieliteii
über die IM'leue des (.iesaiifres in alter Zeit besitzen wir nur ans den
Kreisen der ziendich abseits vom otliziellen .Indenlnm stellenden
'riierapenten. die ihre Hymnen in l<nnst<;ereelitem. mehrstimmi'^em
Chorgesansj; vortrnijen. Daü in der liellenislisclien Diaspora (Icr ('Ikk-
fijesanfi' all<>"emein id)li(li war, ist kaum anzunehmen, (hi sonst ir«(end-
eine Xaehricht (hirüber auf uns jj;ek()nnnen wäre.
2. Clanz (»hne Gesansf ist die Synafijoge niemals gewesen, er war
sieherlich auch mit dem einfachsten Vortrag verbunden, wie ja er-
fahrungsgemäß der ungesciiulte Vortrag stets singend endet. Wenn
nun gar der Vorbeter in gehobener Stimmung und mit innerer Be-
wegung die Gebete sprach, wird seine Stimme öfter einen i'eierlichen
Ton angeschlagen haben. Die Korderung einer angenehmen Stimme
wird zuerst beim Fastengottesdienst an den Vorbeter gestellt, der
in gedrückter Stimmung uiul vom Leid der Gesamtheit tief ergriffen
sein mußte. Die Erkenntnis, daß ein wohlklingeiuler Vortrag die
Weihe des Gottesdienstes erhöhte, hatte zur h'olge, daß auch beim
täglichen Gebete Wert darauf gelegt und die Verwendung von stimm-
begabten Vorbetern warm em])fohlen wurde. Wie beim Gebet war
auch beim Verlesen der Heiligen Schrift durch die Absicht, sinngemäß
uiul eiiulrucksvoil den Text wiederzugeijcn, der Anlaß zu nnxluliereiulem
Vortrag, zur kantillierendeu Rezitation gegeben. Von Melodien sind
wir da überall noch weit entfernt, aber ein rezitierender Gesang war
früh eingeführt.
3. Die Forderung eines m e 1 o d i s c h e n Vortrags tritt zuerst
in Verbindung mit dem Lesen der religiösen Literatur auf. s::n ^-^'^n
2-^3"ii: 5«:. ^Wer die Schrift liest ohne Melodie und die Traditionsliteratur
studiert ohne Gesang, auf den. so meint R. Jochanan, ist der Schrift-
vers anwendbar, ich gab ihnen Gesetze, die nicht schön waren (b.
Meg. 32a). Dementsprechend wurden Bibel und Traditionsliteratur
mit Akzentzeich.en versehen und regelrecht gesungen. Die Akzente,
die noch heute allen Bibelausgaben beigegeben sind, wurden lange als
alte Bestandteile des biblischen Textes angesehen, die Zeichen selbst
aber sind nicht älter als etwa das 6. oder 7. Jahrhundert, und das
bei uns übliche System hat sich erst allmählich entwickelt. Das hindert
jedoch nicht, daß die angewendete Singweise (hts^'J: ,113:) älter ist.
Die Akzente haben mehr hermeneutische als musikalische Bedeutung,
504 Organisation des Gottesdienstes
aber die liergebraclite Kantillation konnte mit den Alvzenten, mit
denen sie die Satzeinteilung und den Rliythmus gemeinsam hatte,
sehr wohl verbunden werden. So erhielt jeder Akzent die Bedeutung
einer Note oder vielmehr meistens einer musikalischen Phrase. Nicht
alle Bücher der Bibel wurden in derselben Weise vorgetragen. Die
Kantillation für die Tora ist anders als die für die Propheten, von beiden
unterscheidet sich die Vortragsweise der Klagelieder und die des
Buches Esther; selbst innerhalb der Tora wird bei einzelnen Stellen
und an besonderen Tagen eine verschiedene Kantillation angewendet.
Aus alledem ergibt sich, daß ein und derselbe Akzent nicht immer
gleiche musikalische Bedeutung hat. Es bildeten sich ferner ver-
schiedene Modulationen des Vortrags in den einzelnen Ländern heraus.
Man unterscheidet bisher die deutsch-polnische von der sepharadischen
und der orientalischen Kantillation, aber die Reihe der vorhandenen
Vortragsweisen ist damit keineswegs erschöpft. Man nannte die Kan-
tillation im Mittelalter ,,Tropp", wie auch in der Kirche der Gesang
mit reich bewegter Melodisierung Tropus genannt wurde; beim Unter-
richt der Kinder war eine eigene Singweise üblich, die man Stubentropp
nannte, Jakob Möllin trug die Schriftabschnitte am Neujahr und
Versöhnungstage in diesem noch heute üblichen Tropp vor. Wie weit
die verschiedenen Modulationen der Kantillation bei der Schrift-
vorlesung von der Musik der Umgebung beeinflußt sind, ob sich ein
gemeinsamer Grundzug in der Phrasierung erkennen läßt, ist bisher
nicht zu ergründen; das uns vorliegende Material ist vorerst zu wenig
umfangreich, um ein sicheres Urteil zu ermöglichen.
4. Die Gebete wurden ebenfalls lange Zeit in der überlieferten
kantillierenden Weise vorgetragen, die Bewertung einer angenehmen
wohlklingenden Stimme nimmt immer mehr zu, je näher wir dem
Abschluß der talmudischen Epoche kommen. Im Tr. Sofrim wird beim
Ausheben der Tora wohlklingendes Singen (ni2i":) vorgeschrieben.
Das Prophetentargum übersetzt den biblisclien Ausdruck für Gesang
p: mit "J"'^ö, und der Name "jTn, der schließlich für den Vorsänger
gebräuchlich wurde, ist von rnrrn Hizana abgeleitet worden. Damit
ist der Schlüssel zur Erklärung der Einführung des melodischen Ge-
sanges für die Gebete gegeben. Die Piutdichter waren es, die den
Gottesdienst nicht nur mit ihren Dichtungen, sondern auch mit der
neuen Vortragsweise bereicherten, llu-e Schöpfungen waren Lieder im
wahren Sinne des Wortes, sie wurden von den Verfassern selbst gc-
Der SyiiagOKt'nK't'sung 505
siinntMi. Die Aiirciiiiii^ da/u kam iliiicn aller Waliiscliciiiliclikcil iiacii
voll der (triciitalisL'luMi Kiiclic. .J'lhciiso wie die \'orbroitung syrischer,
«;ru'cliiselu'r und ialiMnisclicr Kirclicruiicliluiit^M'n imicrliall) (\vn Judon-
tunis den l'jlVr erweckte, durch poeti.sche (iebele dem (iottesdieiist
llUiiiz /u geben, ebenso wirkte gewiß auch der Khang der Kirchen-
lieder mit seinen feierlichen Weisen anregend aul" den synagogalen
Clesang". Auf die Verbreitung und Anerkennung des (lesanges hat
sicher aucii das Streben der Mvstiker aus den ersten gaonäischen Jahr-
hunderten l'ordernd eingewirkt; die Mystilcer haben zu allen Zeilen
ucrn Hynnien gesungen. ..die Xacheiferung Israels, es dem harmo-
nischen Gesänge der himmlischen Scharen gleichzutun, ist ein Lieb-
lingsthema der Hechalot, die selbst den göttlichen Thron singen
lassen." Ebenso emi)fiehlt später Juda der Fromme, beim Gebet ge-
lallige und wohlklingende ]\lelodicn (T^rm piria': D-^yzV! '^ly^) zu ge-
brauchen, die zur Sanmilung und Hebung der Andacht beitragen,
Melodien, die das Herz zum Weinen bringen und freudig aufjauchzen
lassen.
Der Einwükung auf das Gemütsleben hat der synagogale Gesang
seine Anerkennung zu verdanken. Weil er die Beter erhob und fortriß,
in ihnen andächtige Stimmung, Schmerz und Freude erregte und
vertiefte, setzte man sich über das Herkommen und über die dem Ge-
sang feindliche Überlieferung hinweg. Die angesehensten Gesetzes-
lehrer erklärten den Gesang für gottesdienstliche Zwecke, zur Ver-
herrlichung Gottes für erlaubt, später sogar für geboten. Selbst Mai-
nionides, der unerbittliche Gegner jeder Art von Musik, koimte sich der
allgemeinen Stimmung nicht widersetzen und mußte die Töne, die
zum Lobe Gottes erklingen, gestatten. Es wurde häufig über die Miß-
bräuche und über die Übertreibungen der Sänger Klage geführt, aber
der Gesang an sich nicht nur geduldet, sondern „weil er das Herz rührt",
allgemein empfohlen. „Piut und Pismon wurden nicht bloß abgelesen,
sondern rezitiert, teilweise gesungen. Es gab einen Gesangsvortrag
für Jozer, Ofan, Meora usw., die Keroba, die aramäischen Illustrationen
u. V. a., ferner für Aboda, Selicha und Kina". Die Melodien, nach
denen die einzelnen Stücke zu singen waren, wurden in den Hand-
schriften am Anfang angegeben, in den gedruckten Gebetbüchern sind
einzelne immer noch genannt. Das ging so weit, daß bisweilen die
Rezitation eines Piut gänzlich unterlassen wiu-de, weU man die Me-
lodie dazu vergessen hatte. Die für die Piutim vorgeschriebenen
50 t) Organisation des Gottesdienstes
Melodien entstammen den verschiedensten Quellen, es lassen sich
darunter die Weisen von Volks- und Minneliedern aus allen Ländern
wiederfinden, es ist auch nicht zu bezweifeln, daß die Vertonung von
Kii'chenliedern hie imd da übernommen wurde. Die Kunst kennt
eben keine Grenzen, sie läßt sich nicht auf bestimmte Kreise beschrän-
ken. Die Vorbeter nahmen unbedenklich ihre Melodien, wo sie sie fanden,
man hört schon früh den Tadel, daß zu viele fremde Gesänge in die
Synagoge eingeführt würden, aber selbst mit dieser Klage stehen die
Juden nicht allein, die kirchlichen Schriftsteller erheben denselben
\'orwurf, daß zu viel weltliche Musilc mit der christlichen Liturgie ver-
mischt werde. Es gab Mustermelodien, die bekannten und verbreiteten
hebräischen oder fremden Lieder wurden als Melodien für viele andere
angewendet. Die Tatsache, daß sehr viel Piutgesang aus nichtjüdischen
Kreisen entlehnt wurde, ist einwandsfrei erwiesen, es erhebt sich die
Frage, wie viele von den Synagogengesängen auf jüdischer Tradition
beruhen. Denn auch das ist nicht zu übersehen, daß viele Melodien
eine gewisse Eigenart aufweisen, die sonst nirgends wieder zu finden
ist und auf alter Überlieferung beruhen muß.
5. Auch vor den Stammgebeten machte die Freude am Gesang
nicht halt, man übertrug bestimmte Piutweisen auf einzelne Gebet-
stücke, benutzte die Melodien der Schriftvorlesung oder komponierte
eigene Gesänge. Fast für jedes Gebetstück bildete sich eine eigene
Melodie und ein eigenes Rezitativ für Sabbate und Feste heraus. Be-
sonders die ehüeitenden Psalmen wurden sehr gern und recht lange
gesungen. In Eegensburg brauchte man an Sabbaten für das eine Stück
"i'aK'ü "TTin eine volle Stunde, ebensoviel verwendete Isserlein in Wiener
Neustadt während der Zeit vom 1. Elul bis nach dem Versöhnungs-
tage darauf. Auch im Orient beanspruchte der Vortrag der Psalmen
um 1200 eine gute Stunde. Von dem reichen Programm eines Vor-
beters und seinen Wh'kungen gibt Immanuel Romi um 1300 ein an-
schauliches Bild, wenn er einen Vorbeter seine Stimme wie folgt rühmen
läßt: Wenn ich die große Keduscha, einen Jozer oder die Keroba
spreche, dann werden auch die Härtesten mit fortgerissen; wenn ich
am Versöhnungstage bete, die Megilla am Purim lese. TlüD ^^ ^n den
Wallfahrtsfesten oder einen Psalm vortrage, dann zittern die Ge-
waltigen ob meiner Stimme, und w^enn ich die Klagelieder zum Gehör
bringe, dann bleibt kein Auge tränenleer".
Die Melodien für die Stammgebete prägten sich den Gemeinden
I
Aiisdcliiniiij,' des (li-sangcs, Chorgesanp 507
ein und iialimcn, nUwidil sie nicht aut'<i('Z('ic*lin<'t waren, IVstc (ifstalt
an, so dal.) man von den licrköminlichen Sangwoiscn iiiclit im-hr abwich.
In Dcnlschland nnteiscliicd man schon im 14. und lö. .lahrhundtTl die
Gesängo am Rhein von denen in Kegenshnrg und r)sterreieh. Jakob
MöUin empfiehlt, die an einem Orte id)liehen Melodien sorgfältig zu
hüten und nicht mit fremden zu vertauschen, die späteren llalacliisten
nahmen sein Wort sehr streng. Seiiu' .Jünger verzeichneter genau,
in welcher Art er die einzeliUMi (lehetstücke an den M'ischiederu'n
Festen vorgetragen hatte, und da man sich viellach daiuich richtete,
konnte er als ilur Schöpfer des in Deutschland und Polen üblichen
Synagogengesanges gepriesen werden. Auch die J'ortugiesen schenkten
dem Gesang der Gebete große Heaclitung, sie unterschieden 18 Grund-
melodien, von denen jede in vier Modulationen gesungen werden
konnte. In Deutschland hätte man sich datnit nicht begnügt. Aus
Worms z. B. werden im 17. Jahrhundert Melodien erwähnt zu "rr vor
ittSTC Tnn, zu i^5?r iT^n an Sabbaten und an Feiertagen, zu den
darauffolgenden Psalmen an Sabbaten, für den I. und 8. Tag Pesach,
für den 23. Ijar, als Tag der Verfolgung 109(5. für den Monat Ab usw.
usw. In Polen war man womöglich noch sangeslustiger, die Vorbeter
durften Hut Phantasie ungezügelt walten lassen und einen Gesang
produzieren, den nuni ,, einen in Musik gesetzten PilpuP" genannt hat.
Wie der Pilpul wurde auch der Synagogengesang nach dem Westen
verpflanzt zum Schaden der Gemeinden und des Gottesdienstes; denn
der ,, Gesang" jener weder in der Musik noch in der hebräischen Sprache
gebildeten Vorbeter wurde die Hauptsache, das (Jebet aber wurde in
den Hintergrund gedrängt, sein Text erbarmungslos verstümmelt.
6. Der synagogale Gesang war im allgemeinen Sologesang, die Ge-
meinde begleitete zwar häufig den Vorbeter, aber nicht im geschulten
Chor, sondern mit wilden und willkürlichen Unterbrechungen, die den
Vortrag störten. Auch die Responsionen wurden ohne Ordnung und
Gleichklang geboten. Ganz selten, bei feierlichen Gelegenheiten, z. B.
bei der Installation des Exilarchen, wurde in Bagdad zum Sabbat-
gottesdienst ein Chor (Di"nnn) herangezogen. Das kam auch im Mittel-
alter in verehizelten Fällen vor, in Italien z. B. unterstützten einige
Sänger den \'orbeter an hohen Feiertagen. Eine seltsame Verirrung
war die Einfülirung von Chorknaben (Sinmc^) in Polen, die im Osten
vielleicht noch bis auf den heutigen Tag bekannt ist, die auch in Deutsch-
land vielfach Jahrhunderte lans: den schädhchsten Einfluß auf den
508 Organisation des Gottesdienstes
Gottesdienst ausübte. Zu beiden Seiten des Vorbeters stellte sich je
ein Sänger auf, der mit hoher oder tiefer Stimme — man nannte sie
darum Singer und Baß — die Gesänge des Vorbeters begleitete, indem
er harmonische Intervalle ansehlug, oft auch kleinere selbständige
Passagen ausfülu'te. Diese Art des Gesanges konnte man bis in die
IVIitte des vorigen Jahrhunderts allgemein in den Synagogen hören,
(sie war z. B. in Berlin noch 1840 tiblich), sie steigerte die Unordnung
und Geschmacklosigkeit aufs höchste.
Der mehrstimmige kunstgerechte Gesang ist in jüdischen Kreisen
zuerst in Italien gepflegt worden. Salomo de R o s s i druckte 1620 in
seinem nr"::!!'":: "'iTCX a'^n^rn, der ersten Veröffentlichung von Noten
für hebräische Gesänge, 30 Stücke aus dem Gebetbuch mit Melodien
für- melirere Stimmen. Man siebt daraus, daß sein Bemühen haupt-
sächlich auf die Einführung eines geregelten Chorgesanges gerichtet
war. Welcher Erfolg diesen Bestrebungen beschieden war, ist nicht
mehr festzustellen, so verwildert wie in den Synagogen des Xordens
war der Gesang in den Gemeinden Italiens niemals.
7. In Deutschland trat die Umwälzung ein, als in der Zeit nach
Mendelssohn der Geschmack der Juden sich verfeinerte und von dem
hergebrachten polnischen Gesänge abgestoßen fühlte. Damals wurde
die Notwendigkeit erkannt, dem Vortragswesen der Synagoge seine
Ordnung und Würde wiederzugeben. Unter den Mitteln zur Veredlung
des Gesanges kamen in erster Beihe die Einführung von Gemeinde-
liedern und Orgelbegleitung zur Anwendung. Unter allen Neuerungen,
die an den Namen Israel Jacobsohns anknüpfen, hat keine so ent-
schiedene Gegnerschaft hervorgerufen wie die Einfüluung der Orgel.
Sie wm'de als ein tötlicher Angriff gegen das überlieferte Judentum,
als eine Zerstörung des Wesens des jüdischen Gottesdienstes aufge-
faßt, und obw^ohl der Kampf nunmehr nahezu ein Jahrhundert dauert,
hat er an Schärfe nicht verloren. So erhielt die Orgel eine Bedeutung,
die ilir nicht zukommt; aus einer Maßnahme, die nur vom Standpunkte
der Ästhetik und der Zweckmäßigkeit zu beurteilen ist, wurde sie eine
Frage des Parteiprogramms, ein Streitobjekt der sich bekämpfenden
religiösen Richtungen. Jacobsohns Absicht ging dahin, den Gesang
des Vorbeters durch Lieder der Gemeinde zu ersetzen, dem vielstimmigen
(lesang durch die Orgelbegleitung Halt und Stütze zu geben, ihn reiner
und rhythmischer zu gestalten. Dabei kam der überlieferte Synagogen-
gesang vollständig in Wegfall, die neuen Gemeindelieder hatten weder
Ililiiiii^: di's (losiiiigi's im \l\. .1 .iliilimuli rl jjQg
mit (Ich licspunsioiKMi noch mit (Ion Melodien der Tradition cinon
Ziisammcniian«:-, die nnhostrittcnc Hcrciclicrimu; diiicli das ncuo
Klcmcnt d(>s (i(Mn('iiid('i!;(>saiiij:s hafte eine \'craniiiiiiir an .Melodien zur
Kol<!,"e.
Die wirkliche Ke<;eneration des Synaj^o^cnj^esantis verdaid^cn wir
Salomon S u 1 ze r (ISÜ4 — 1890), in dessen Person sich alle dalür er-
fordorlicluMi (laben liannonisch vereinigten, mnsikalisches Genie, eine
|)hänomonale Stimme nnd tiefste Vertranthoit mit den traditionellen
Gesängen. Das Schicksal stellte ihn an einen tjünstigen Platz, beschied
ihm eine Wirksamkeit in dem Wien Hcethovens nnd Schnberts. So
wurde Sulzer der Pfadfinder des modernen Synagofi;enji:esan<>;s, sein
..Schir Zion" das grundle<!jende Werk, aus dem alle Nachfolger An-
regung empfangen haben. Die Bedeutnng Sulzers besteht darin, daß
er als erster eine kritisclie Auslese unter den herkömmlichen Gesängen
getroffen, die unbrauchbaren entfernt und die fehlenden durch eigene
Kompositionen ergänzt hat. Er hat ferner die alten jüdischen Ge-
sänge in Notenschrift wiedergegeben, sie nach den Gesetzen der Musik-
wissenschaft sinngemäß umgeformt, so daß sie m(Modi()s und rhythmisch
zugleich wurden. Endlich hat er die Institution des Synagogenchors
zu ungewöhnlicher Blüte gebracht, indem er Gesänge schuf, die nicht
nur kunstgerecht, sondern auch von altjüdischem Geiste und echt
religiöser Weihe durchdrungen waren. Sulzers Gesänge erklangen in den
Synagogen aller Erdteile und gaben seinen Berufsgenossen den Impuls
zu gleichem Streben. In seinem Geiste arbeitete Moritz Deutsch
in Breslau (1818 — 1892), der sich besonders die sacli- und fachgemäße
Ausbildung von Vorbetern angelegen sein ließ und ihnen in seiner
„Vorbeterschule'' eine vollständige Sammlung der „alten Synagogen-
Intonationen'" bot. Für den Gemeindegesang sorgten die „Braun-
schweiger Gesänge'" von H. G o 1 d b c r g , indem sie die Gebet-
stücke mit einem wenig komplizierten, ein- oder höchstens zweistim-
migen musikalischen Satz boten und dadurch auch solchen Gemeinden,
die einen Chor nicht einrichten konnten oder wollten, den gemein-
samen Gesang ermöglichten. Ein ebenbürtiger Nachfolger Sulzers
wurde Louis L e w a n d o w s k i (1823—1894), der als Chordirigent
in Berlin (seit 1840) für die Ausbildung des dior- und Gemeindegesangs
bahnbrechend gewii'kt hat. In seinem nbcr' n:^ :ip hat er zunächst
den Rezitativen für den Vorbeter besondere Sorgfalt zugewendet,
die er aufs genaueste in musikalischer Form wiedergibt, ohne sie ihres
510 Organisation des Gottesdienstes
pigenartigen jüdischen Charakters zu entkleiden, daneben aber für
den Gebrauch kleinerer Gemeinden zweistimmige Gesänge geboten,
„welche sich durch leicht fließende Melodik und Harmonik aus-
zeichnen." Seine volle Größe als Musiker offenbarte er in den vier-
stimmigen Chören für Sabbate und Feste, welche sein Werk mm
nTan enthält. Hier hat er eine große Anzahl Melodien geschaffen, die
sich durch vollendete Schönheit auszeichnen und die von einem tief
religiösen Geist durchweht sind. Der gesamte Gottesdienst wurde
von ihm für die Berliner Gemeinde für Vorbeter, Chor und Orgel
bearbeitet, seine Kompositionen wurden weithin verbreitet und im
besten Sinne populär. Die Gesänge Lewandowskis brachten der
Glaubensgemeinde die Gedankenschätze der Vorfahren nahe, sie
wurden zum getreuesten Dolmetscher für die prophetischen Offen-
barungen, von denen unser Gottesdienst durchzogen ist.
In ähnlicher Weise haben zahlreiche andere Meister durch Be-
arbeitung alter und durch Komposition neuer Melodien sich um die
Hebung des Gottesdienstes bemüht. Auch die Melodien der Portu-
giesen haben in Federigo C o n s o 1 o einen ebenso begeisterten wie
kunstverständigen Interpreten gefunden. So wird seit Jahrzehnten
mit Eifer an der Veredlung des Synagogengesangs gearbeitet, auf
die musikalische Durchbildung der Vorbeter und die Einrichtung
eines geregelten Chors der höchste Wert gelegt. Die Erfahrung hat
gelehrt, daß die stimmungsvollen alten Klänge aus der Väter Zeit
tief eingewurzelt und ein unentbehrlicher Bestandteil des Gottes-
dienstes sind. Andererseits führt die fortschrittliche Tendenz dahin,
durcli reichere Ausgestaltung der Instrumentalbegleitung und durch
die Vereinfachung der Liturgie den Gesang im Gottesdienste zurück-
zudrängen. Wie sich die Entwicklung auch gestalten mag, die Musik
ist in der Synagoge nicht um ihrer selbst willen, sondern als Mittel
zur Erreichung der Ziele des Gottesdienstes zu pflegen. Die Aufgabe
des Gottesdienstes ist und bleibt die Sammlung der Gemeinde zu
gemeinsamer Andacht, zur Erhebung zum Vater im Himmel und
zur Belehrung aus dem ewig sprudelnden Quell seiner Offenbarung.
Anmerkungen.
A. Einleitung.
Zu § 2 8. 2 1". Nähere Ausführung nel)sl (i<ii /.ugehörigen Belegen
gibt Abschn. II, S. 232 ff. — Eine Würdigung der religionsgeschicht-
liehen Bedeutung des jüdischen Gottesdienstes bei W. Bousset, Die Re-
ligion des Judentums im neutestamentlichen Zeitalter-, S. 201 f. — Das
Zitat bei Zunz O. V., S. 384. — S. 3 -jT«3 vgl. weiter S. 207. — Zu § 3.
Zu den Definitionen vgl. JE Art. Benedictions III, 8 ff., Liturgy VIII,
132 ff. — Die Stellen mit UiTovQyfTv in der griech. Bibel s. in Hatch
und Redpath LXX — Coneordance S. 872 f. rr-jTrJs im Midrasch bei
Jos. Perles, Beiträge zur hehr. u. aram. Spraclikunde S. 68 f. Achelis,
Prakt. Theol. l'-\ S. 185 f. kann sich den Zusammenhang der verschie-
denen Bedeutungen von ,, Liturgie" nicht erklären, weil ihm mar mit
dem gleichen Bedeutungswandel als Mittelglied fehlt. Das neutestament-
liche Material bedarf unter diesem Gesichtspunkt einer erneuten Prüfung.
Auch Rietschel, Liturgik I, S. 27 f. läßt sich durch seine Unkenntnis
nicht hindern, über das hebr. mar und die Bedeutung des jüd. Kultus
wegwerfend zu urteilen; das hebr. mar bedingt ebensowenig ,, falsches
gesetzliches Wesen" wie das deutsche Wort Gottesdienst. — Zum
Text des Sifre vgl. Friedmann a. a. O. u. Hoff mann, Midr. Tann. S. 35;
vgl. ferner j. Ber. IV. Anf. (7a) u. Midr. Seh. T. zu Ps. 66 (157b). —
10 biblische Worte für Gebet führt Sifre Dt. § 26 (70b) an; vgl. auch
die von Friedmann das. zitierte Literatur. — '^-a ist bei Gesenius,
Wörterb., XV. Aufl., S. 146 vom assyr. Karabu = segnen abgeleitet. —
Über die Erfordernisse der Beracha s. b. Ber. 40a; manches Lehrreiche
bietet Jawitz S. 4 ff., w^eniger brauchbar sind die Ausführungen M. Libers
in La recitation du Schema etc. S. 16 f. Der Satz p-os ns-;: =—• 2"J< TX
(j. das.) bedeutet, daß eine Bibelstelle als ,, Beracha" nicht verwendet
werden kann, es sei denn, daß sie, wie Ps. 120 in der Fastenliturgie,
einen Abschluß erhält. — Die Etymologie von rötn bei Goldziher, Ab-
hdlgn. z. arab. Philol. I, 36; Gesenius a. a. O. S. 638 leitet es mit Well-
hausen vom arab. ss = schneiden ab. Daß nssjn sich nur auf das Acht-
zehngebet bezieht, ist Studien S. 36 nachgewiesen. — S. 6. Zur Be-
deutung von --0 vgl. Riv. Isr. V. 98 — 102. Nachweise über den Ge-
brauch von— ;aim Sinne von Gebetbuch Ri llte. 33g; — tttc tias. 19 f, vgl.
512 Anmerkungen.
auch S. 33 (wo auch kleinere Sammlungen von Gebeten erwähnt sind).
Außerhalb des deutschen Ritus werden — iö und "rm-c nicht immer
in der im Text behandelten Weise gebraucht. — S. 7. Das Zitat aus Tos.
Schabb. XIV, 4 (1283o), vgl. Studien S. 1; das andere Zitat Ri S. 18. —
S. 8. Ginzberg, Geonica, New York 1909, II, 114 ff., vgl. das. 109 ff.
Zum folgenden s. JE Art. Prayer Books X, 171 ff. Von Amr. besitzen
wir einen vollständigen Text in der während des Druckes erschienenen
Ausgabe Frumkins (weiter S. 13), Die Abhandlung von Marx ist auch
separat erschienen und danach zitiert. Zahlreiche Mitteilungen aus
Saadja bei Bondi, Der Siddur des R. Saadja Gaon, Frankfurt 1904, und
bei Frumkin im Kommentar. Über Machsor Vitry vgl. S. D. Luzzatto
in V'Tc; r'"5X S. 184 und viele folgende Briefe. Es wurde veröffentlicht
durch S. Hurwitz nach Cod. Br. Mus. Add. 27 200 . 201 ; Auszüge aus dem
besseren Cod. in Oxford (Bodl. 1100) bei Frumkin. Raschis Siddur,
von Buber vorbereitet, wurde nach dessen Tode von J. Freimann heraus-
gegeben. Kleinere Sammlungen Ri S. 33. — Über ;n:^ weiter S. 355 ff.
Die einzelnen Riten sind in ihren Eigentümlichkeiten Ri S. 38 ff. cha-
rakterisiert, s. auch Luzzatto xs^a S. 15 ff. Über die Genisa s. Schechter,
Studies II, S. 1 — 30. Die Handschriften von Gebetbüchern, insbesondere
solche der Festgebete zählen nach Tausenden; besonders die Bibliotheken
von Hamburg, London, (British Museum und Jews' College), München,
New York (Jewish Theological Seminary), Oxford, Paris, Parma, Rom
sind reich daran. Der weitaus größte Teil der Genisa-Fragmente liegt
in Cambridge; aber auch Oxford, Br. Museum, Petersburg, E. N. Adler
in London, die Kgl. Akademie in Budapest besitzen große Mengen von
Handschriften, die dorther stammen. Vor etwa Jahresfrist sind in Kairo
neue reiche Schätze gehoben worden, vgl. die Mitteilung in REJ, LX^^ 24.
— Die Bibliographie der Gebetbücher, zumal der älteren Drucke, liegt
noch sehr im Argen; im allgemeinen ist zu vergleichen Steinschneider,
C. B. pp. 303—484, Zedner, Catalogue, S. 446 ff., van Straalen, S. 143 ff.,
Benjacob, s. v. -m-c S. 314 ff., s. v. nibsr S. 661 ff., JE Art. Prayer-
Books X, 172 ff. Die älteste Ausgabe des T'iwX '"c bei Zedner, 458,
■r^s C. B. Nr. 2064. Über c"ex Ri S. 59 f. ; Luzzatto ü'z^ S. 16, das Ge-
betbuch wurde nie gedruckt. In It. ed. Livorno ist nur die Einleitung
von Luzzatto; die ed. princeps s. C. B. Nr. 2061. — Der Titel von Rom.
lautet auch X'^STn 'c (Benjacob S. 664). Ein Unikum der Ausg. Kon-
stantinopel 1510 u. d. T. ri:cn r"3sr 'o (bei Berliner, Aus meiner Biblio-
thek, Nr. 1) ist im Besitz der Stadtbibl. in Frankfurt a. M. Die bekannt
gewordene I. Ausg. Venedig 1524 (nicht, wie Berl. das. schreibt, 1574 75),
die andere 1573/76 nach Zedner 483. Von letzterer konnte ich durch
die Güte meines Freundes Felix Perles in Königsberg ein ziemlich voll-
ständiges Exemplar benutzen. — Seph. erschien zuerst u. d. T. r'^rrn
r^ssn r.':nr; eine unbekannte Ausg. von 1517 in C. B. S. 305.
Nr. 2066, die erste bekannte 1524 das., Nr. 2067. — Über den südara-
bischen Siddur vgl. Bacher in JQR, XIV. 1902, S. 581 ff. Gesamtaus-
Aiiiuri'kiiii^M'ii. f)(iJ
^aluii Villi I'i'dV. ^'ilit ( s iii( lil, ilii' C.i I i Ic liii' j( de (|( r dn j S tadle sind in
rin/.cincn 'reden elS(llienen, s. die llil'l|iie|;i|dien.
§ 4. hie S. 11 !;ell;uinlen Wilke sind nnteti S. :{fi2, ."{(ÜMT. Iie-
s|W(Mlien. 7,11 M;iimiini v^l. lillic^'i n, Itci' l{ihis im .Miscline 'l'(.t:i (in
Mosts b. Miiinion, Lcip/.it,^ IUI»«, Bd. 1. 8. 315) ff.), wo <'inl.'itend iiurli
auf die HcsiliafftMilicit der Texte liiii{ie\vi( stn ist. ^-'n:*: ist zitiert nach
rd. Heiliii 1805, ::p ■'■52C iiadi ed. Bultei, W'iina IHH(\. ^iTi vrrrH I
iiarli Florenz 17öO, c^-- j nach Warschau 1882, Ahudrahaiii nacli
Wat'stliau 1870, die von der ersten Au.«gal)o Lissabon 1489 nur ganz
wenig ahweiclit. — Zur Literatur, S. 13, ist zu henierken, daß von Fruni-
kin inzwischen aucli Bd. 11 er.schienen ist. l'r. gild aul.{er dem (auch von
Marx benutzten) Texte der Oxforder Hands(lirif( von Amram \arianteu
(k'r anileren Handschriften Amrams, Mitteilungen über Saadja und
niohrere handsclir. (iebetbücher, daneben aber den vollen Text des
Siddur na( ii ptdiiischem Ritus und i inen umfassenden Kommentar
literarischen und rtdigiösen Inlialls Abgesehen davon, dai.i der Kom-
mentar alles andere als wissenschaftlicli genannt werden muß, entsteht
durch die l berfiille des Gebotenen eine gewaltige \erwirrung, in der
man sicii nur unlei' Schwierigkeiten zurechtfindet. Aus Fr.s Buch geht
wieder einmal klar hervor, wie notwendig eine wissencehaftlic he Ausgabe
von Amram wäre.
B. I. Abschnitt.
Kap. I.
{} t). Die Disposition des täglichen Morgengebets Itei M. Sachs,
Hei. Poesie, 1. Aufl., S. 168. Die im Text erwähnten Benennungen
finden sich an folgenden Stellen "si"! 3r nssr Midr. Seh. T. zu Ps. 17 (65b),
~r;rn rrisn das. zu Ps. 72 (103b), T^-^r und T^rsx sowie '-nc"i xmb^
vgl. Studien S. 78, 81, -sr rrba z. B. JQR X 654, die griech. Angaben
bei Jos. Ant VIII, 83, u. Epiphanius, llaeres. XXIX, 9. — S. 15. Meir
von Rothenburg in Resp. -j'-cr 217, Beiliner Randb. I, S. 10. Die
kabbalistische Auffassung z. B. bei Lewysohn Ci'jn:^ — p*c S. 24 f.
§ 7. 1. r-'w rx"'~p meist in Talmud, Midrasch iind halachischen
Schriften (Ber. II, 1 x---ci. -::" r:rr in Handsclir. und gedruckten
Gebetbüchern aus ileni Orient, r— N"2n 'l findet sich u. a. bei Abudr.
Die Benediktion zum r"cr JQR. X, 657. vgl. dazu Ginzberg, Geonica I,
136 ff. ; dagegen Abudr. 47a. — =-n- x-n- Manh. § 26.
2. S. 17. Streit um »=-,= j. das. 11c: b. 50a (Studien. S. 19|. --zr-
bei Tur I, 57 und Abudr. vgl. dazu Litg., S. 13. In Amr. 4a ist hier
T'n'b lr-2 eingefügt, das ist jedoch später Zusatz vgl. Mx. S. 4, Fr. I, 185.
Responsion für 15-Q Sifre Dt. 306 (132b), Studien S. 19.
3. Analyse des Jozer bei Rapaport, Zunz, Jawitz a. a. 0., Studien
S. 20 ff. Zu "jin-^n Manh. § 30, wo 'n'a i2'':;2 gegen 'n-z '.'n'rj verteidigt wird ;
s. auch Riv. Isr. IV, 194 ff. u. b. Ber. 50a. — Saadja Amr. 4b f. Fr. I. 193f.,
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. 33
514 Anmerkungen.
Bondi 13, Studien S. 21. Bei Saadja fehlt von lai n-o bis law iiix Bondi 17,
bei ihm findet sich neben ^Tna hu ein anderes Alphabet, Bondi das.,
Studien S. 22 u. Anm. 1 auch über die Reimkette. Die Schlußbuchstaben
O o
im Alphabet sind nur noch durch Tias Qiiatj'o ni'cn vertreten, Saad.
liest 'irnp bx? 11S01 T^^n (Fr. 1, 194), unser Text ist offenbar nicht ohne
Absicht geändert. Man wollte in lias ü"i"3DTa auch ein Akrostichon
hn.'D'^-a erkennen, Baer. S. 77. Zu D-^ninx dbis vgl. für Saadja Litg. S. 13,
Bondi das., Studien S. 24. Kaffa in der Krim bei Baer S. 78; Ri 82 ist
die Zugehörigkeit des Ritus zu Rom. erwiesen, die Piutim des Machsor
Kaffa s. bei Markon, xss snsia -rnn^ mix bs "^-oh-q in Dn-i::xb 'p-isr,
F e s t s c h r. für A. H a r k a v y , S. 449 ff. Auch in Persien war
das erweiterte Alphabet bekannt vgl. JQR, X, 608. — Über die ntai-na in-fli
weiter S. 379 ff. Der Text in Amr. 4a ist dort nicht ursprünglich (Mx. 18,
hebr. Teil S. 4), er stammt aus den niBsin vgl. Bloch S. 20. Der alte
Bericht bei Ginzberg, Geonica II, 48, Studien S. 22 f. Über M'p "la-.
Ri 181, Baer 78, Fr. I, 188. Über den Schluß des Jozer Baer S. 79, Studien
S. 23. Die Entwicklung in den Reformgebetbüchern veranschaulicht
folgende Zusammenstellung: öiniix fehlte im Hamburger Tempel (weiter
S. 412, '"112 '^"larin und die Keduscha bei Vogelstein (S. 430), die ganz
kurze Fassung bei Einhorn (8. 434) und dem Union Prayer-Book (S. 435)
sowie im badischen Gebetbuch (S. 430).
4. Zum Text von nai ranit G. V. 382, REJ, L, 145 ff., Studien S. 26ff.
Erweiterungen des Textes, die in Frankreich üblich waren, verwarf
Jehuda d. Fromme, vgl. .1. Perles in G r a e t z - J u 1) e 1 s c h r i f t ,
1887, S. 17.
5. Zu "(OX vgl. Fr. I, 196; Ginzberg, Geonica I, 138 führt ',iax auf
die oben zu S. 16 erwähnte Benediktion zurück, was sehr gekünstelt ist.
Zur Zählung der Worte vgl. Manh. § 33, 34, Tur 1, 61 u. Komm., Baer
S. 81. Über I5"i nbrb inirs^ nitiD Diu 712 s. Blau in REJ, XXXI, 189
u. Studien S. 10.
6. Über die Komposition von n^sr n?3X Studien S. 28 ff. Aus Saadjas
Text bei Bondi S. 13, Raschi vgl. Pardes 55a; Pal. in JQR, X. 656,
Germ, für Piut bei Baer S. 216. — Die Art der Ausarbeitung von n"iw
iminx ersieht man z. B. aus dem Faksimile Studien S. 32; das. 31
über den Schluß der Geulla; Polemik Judas des Frommen gegen
andere Zusätze bei Perles a. a. O. In Worms wurde i:5X"a erst durch
Meir b. Isaak (S. 334) eingeführt, s. Epstein in »i-fin IV, 91 f.
7. Vgl. Studien S. 13 ff. Privatgebete (S. 25 u.) das. 40 ff., weiter
S. 73 ff.
8. Ausführliche Begründung Studien S. 7 ff. Gegen meine Auf-
fassung schrieben Blau REJ LY, 201 ü., LIX, 198ff. ; Bacher das.
LVII, 100 ff., meine Verteidigung das. LVl, 222ff. ; eine vermittelnde
Anschauung vertritt Liber das. LVII, 161 ff., LVIII, 1 ff. (auch separat
erschienen u. d. T. La Recitation du Schema et des Benedictions), dem
Brody in MS LIV, 491 ff. zustimmt. Trotz des heftigen Widerspruchs
AiiiiirrkMiiK''". 515
srlii' iili iiiicli ^(t'iiöligt, an niciiici' Auffassung,' fesl/.uhaltt'H. Es ist lu-
nüclist II i 0 h l zu bowt'isiM», daß D"iB an ir^'endiMncr Stelle im T a 1 -
jn u d „Benediivtionen sprccin^n" oder ,,die Benediktion über das Brot
spreelien" bedeutet, vieiuielir bedeutet O"« stets das Brot brechen,
noi-x das aliKeteilte Stuck Brol. Dasselbe gilt von raa. Die Stelle
b. Cliull. 7b nba nrsu; noino » rsD xb macht keine Ausnalime von der
Kegel. Bacher beruft sich freilich auf Kaschis Erklärung '^naia riTi nh;
wie wenig zwingend diese ist, ergibt sich aus dem Komm, des U. Gerschom
z. St. n:n5 n'r, xs "'iibr. Demnacli liegt weder in dem VVorte raa noch in
no—s ein Hinweis auf die Benediktion. Daß ein frommer Jude das
Brot nicht bricht und nicht ißt, ohne vorher eine Benediktion zu sprechen,
ist eine andere Sache und hat mit der Bedeutung des Wortes in alter Zeit
nichts zu tun. Raschi freilich und alle späteren Bearbeiter des Talmuds
liaben das nicht mehr auseinandergehalten, und auf derartigen nicht
ganz präzisen Auffassungen der Späteren beruhen zum größten Teil die
Einwendungen meiner Gegner. Wie der Terminus soiy » D"iB in Sofrim,
von den Geonim oder Raschi u. A. aufgefaßt wurde, darüber könnten
wir uns rasch einigen, da die Quellen es durchaus klar und in nicht
mißverständlicher Weise mitteilen, es handelte sich jedoch darum,
von allen wie immer gearteten jüngeren Interpretationen ab-
zusehen und den ursprünglichen Sinn der ältesten
Quellen zu ermitteln. Aus ihnen ergibt sich mir auch heute noch
kein anderes Resultat als das Studien S. 7 ff. begründete. Die Ver-
bindung von D'"E mit hy vermag ich auch heute noch nicht zu belegen,
daß aber daran allein, wie Bacher meint, die Erklärung scheitert, er-
scheint mir nicht einleuchtend. Es ist nun einmal ein eigenartiger Aus-
druck, der n u r in Verbindung mit stoü vorkommt, man sagt z. B. in
der viel angeführten Baraita siaiü bs onisn, aber mson bs» '^na'an. Wir
sind alle darüber einig, daß der Terminus yoia bs c^s sich auf die bibli-
schen Stücke nebst den Benediktionen bezieht und daß das Schma
versweise antiphonisch rezitiert wurde; die Differenz ist die, daß meine
Gegner den Ausdruck o^B durchaus von den Benediktionen herleiten
wollen, während ich ihn aus der Bedeutung ,, halbieren" ableite. Liber
geht viel zu weit, wenn er die antiphonische Rezitationsweise mit dem
heutigen Text des Gebetbuchs in Verbindung bringen und wenn er in
sämtlichen in Meg. IV, 5 genannten Funktionen das gleiche Schema,
womöglich bei allen Benediktionen die gleiche Disposition erkennen will.
§ 8. 1. Vgl. Studien S. 36, na-nn 'b ^ar das. 33 ff. mi's? Sof. XVI
Ende.
2. Die berühmte Ausnahme von der Wiederholung der Tefilla,
welche Maimuni angeordnet hat, s. in Resp. David ibn Simra, Vened. 1749,
Nr. 5 u. 94, vgl. dazu A. Geiger, Wissensch. Zeitschr. II, 247 ff. u. Melo
Chofnaim S. 70 ff.
3. Die Disposition der Tef. b. Ber. 34a im Namen von R. Chanina
(III. Jhdt.), j. das. 11,4 (4d) R. Acha i. N. Josua b. Levis (gleichz.l.
33*
516 Anmerkungen.
4. Über den Ursprung der Tef. s. b. Ber. 26b, j. IV 1 (7a f.). — Zur
Erklärung von "^blpen vgl. das auf einer in Jaffa gefundenen Inschrift
vorkommende ).iv6nw).og PEF, QS, 1900, 118 u. 122. Schürer, 111*23.
5. Über Entstehung des Achtzehngebets habe ich meine Aufstel-
lungen aus Gesch. d. Achtzehngebets mit starken Modifikationen wieder-
gegeben. Vor allem sind die verschiedenen Gruppen von Benediktionen,
aus denen das Gebet besteht, klarer herausgearbeitet, auch ist überall
auf die bekannte älteste Textgestalt Bezug genommen. Es ist der Haupt-
fehler in den Ausführungen von Lob und Isr. Levi, daß sie ihre Hypo-
thesen auf den heutigen Text aufbauen. Levis Auffassung von dem Zu-
sammenhange zwischen den Psalmen Salomos und dem Achtzehngebet
vermag ich mich auch heute noch nicht anzuschließen. Außer der ge-
meinsamen Zahl achtzehn und der Abhängigkeit beider von biblischen
Ausdrücken vermag ich trotz wiederholter eingehender Prüfung keinerlei
Beziehungen zu entdecken. Die scharfen Angriffe der Psalmen Sal.
gegen die Priesterpartei haben mit XII nichts zu tun, und daß Qis^Tan 'a
ursprünglich gegen die Sadduzäer gerichtet war, ist unhaltbar; vgl. weiter
S. 36 ff., besonders S. 38. Eine andere Frage ist die über das Verhältnis
der Tefilla zu dem Psalm am Ende des hebr. Sirach, aus dem mehrfach
Parallelen angeführt sind. Hier ist eine starke Beeinflussung nicht von
der Hand zu weisen, man sieht aus Sirach, daß in jener Zeit ähnliche
Gedankengänge in verschiedenen Formen Bearbeitung fanden. Ähn-
liche Beziehungen hatte auch Loeb schon zwischen einzelnen Psalmen,
Deuterojesaias usw. und der Tef. gefunden, nur sind seine Ausführungen
zu einseitig und darum mehrfach unannehmbar.
5. S. 29 u. den pal. Text von II s. S. 44; nach Hoffmann richtet
sich die Hervorhebung von üTiTsn n^'^nri gegen die Samaritaner, es ist
jedoch sehr fraglich, ob es zur Zeit ihres Abfalls schon eine Tefilla gab. —
Das Zitat S. 30 aus G. V. 381. Die Heraushebung der nationalen Bitten
besonders scharf bei Loeb S. 21 ff.
6. Früh. Mittelalter (S. 31) z. B. Raschi zu b. Ber. 11 b. Die Stelle
Tam. V 1 ist von mir ausführlich behandelt in Studies in Jewish Lite-
rature in honor of K. Kohler, Berhn 1913, S. 78 ff. Daß e-^si-ir n=-r nicht
Priestersegen bedeutet, das. S. 80 und Achtzehng. S. 16, Anm. 3. —
Eine Bitte für Jerusalem auch bei Sirach 36i7 ff.
7. Die Ansicht, daß die Tef. ursprünglich nur aus sechs Benedik-
tionen bestand, G. V. 380 und von dort vielfach übernommen.
8. Der Zusammenhang der nationalen Bitten mit Ez. 2034 ff. bei
Loeb S. 38, vgl. auch weiter S. 35. Bitte um n"'35 yap auch bei Sir.
36i3, 51i2 f. Die Didache bringt lOs ein Gebet, daß die ,, geheiligte Kirche
von den 4 Winden in Gottes Reich" geführt werde; dort handelt es sich
um das Tischgebet, das ja auch heute noch eine nationale Bitte enthält. —
S. 34 ob. gegen Levi REJ XXXII, 171. Einen Zusammenhang zwischen
XI und cnx""i nimmt auch Hoffmann 51 f., 55 f. an. 'li^zr^ in b. Ber. 29a,
j. das. IV 3 (8a), die Zusammenfassung b. Meg. 17b; vgl. Loeb S. 38.
Aiiiiii'i'kiiii^'i-ii. 517
i». Nilhcrcs zu n X - A( lilzehng. S. 22 f., (Iaf,'<'jjfii Isr. Lc'-vi in
RE I \l.\ \l. li)<>. Zu hcachlon ist jodorh, daU in Taan. II zmiiichst
nwST als crsfc Kinsclialluii^ aufj,'t'/.ahll ist, daü ilmi-ii alxT erst dio
/.wi'ito Eulofjic t'iitspriclil, wahrend es lu'ißt "^i"«-; 5X'""i"' bsrsa (b.
Taan. Klbi.
10. Zu i:":-:n 's gibt os eine iiinfangroichf Literatur, dh' man bei
.Sfhuier II' r)4;5f.; Strack, Einleitung? i. d. Talmud''. 163 f.; Strack,
Jesus, die Häretiker und (iliristen nach d. alt. jüd. (Quellen § 21a — d,
§ 20 verzeichnet findet. Hinzugokomnien ist Berliner Uandb. I, 50 ff.
Zur Bedeutung von '(■'■c vgl. auch Bergmann, Jüd. Apologetik, S. 7 f.
Die Stellen der Kirchenväter bei Schüror das. 544, Anm. 161. — Sämtliche
Darstelhingen der christlichen Liturgie beginnen mit der Messe, über
<iie Anfänge der Gebetorilnung herrscht großes Dunkel; auch Duchesne,
Drigines du Culte Chretien ', 47 ff. nimmt an, daß zunächst der Gottes-
dienst nach jüdischer Art fortgesetzt wurde. Selbst Rietschel, der mit
den jüdischen Einrichtungen sehr wenig vertraut ist, kann nicht umhin
<las zuzugestehen I, 232 ff. — • S. 37. Benediktionen von bt"3 weiter
S. 253. Zu Minim als \erleumder vgl. Joel Blicke I, 32 ff., II, 49 ff. —
Judenchristen als N'orbeler müssen nach Meg. I\'. Ende vorausgesetzt
werden. — S. 38 Irrtümer beim Vorbeten Ber. V, 3 u. j. das. (9c), die
Ausnahme bei ppn bxi^c das.; statt "j3 Diiasn 1"01I5 X3 ist nach Ginz-
berg, '-r~':3 I 22 und j. Ber., ed. Luncz 55a '-p zu lesen, vgl. Strack,
Jesus usw. S. 66*. — a-:i-2 y:i sbia Text nach j. Ber. IV, 3, j. Taan. II (65c) ;
in j. Ber. II, 4 lesen unsere Texte nnru;~, Cod. Vatic. jedoch (bei Luncz 19b,
Ginzberg das. 348a) liest ebenfalls ü-rans vgl. Strack das. 65*. Die
Lesart c-ai"s versucht Fei. Perles in OLZ 1913, S. 73 f. zu verteidigen,
meiner Ansicht nach mit unzureichenden Gründen.
11. Analogien für die Zahl 18 j. Ber. IV, 3 (8a f.), j. Taan. II, 2
(65c), b. Ber. 29a, Num. r. cap. 2, Seh. T. zu Ps. 29 (231) und die dort
gegebenen Parallelstellen, vgl. Baer S. 87.
12. Zu den Belegen Achtzehng. S. 24 ff. .sei noch der Hinweis auf
Pal., weiter S. 53, hinzugefügt. Sehr bezeichnend ist die Anordnung
Sam. b. Chofnis, daß derjenige, der die Eulogie 'ar."! n:in iin 'x spricht,
riTQa nx weglassen kann (Harkavy, Stud. u. Mitteilg. 111, 34, Note 89,
vgl. JQR XX, 807). Demnach war noch im XL Jhdt. in Sura bekannt,
daß ri-Q'2 nx erst durch Beseitigung der ursprünglichen Eulogie von XIV
in die Tef. gekommen war.
§ 9. 1. Abweichungen Luzzatto X2- 5 f., weiter S. 266 ff. —
Abudr. am Ende der Erklärung der Tef. 59a. — Zählung der Worte
Tur I 113, J. Perles a. a. O., weiter S. 384. Auch Baer gibt noch regel-
mäßig die Zahl der Worte an. — Derenbourg REJ XIV, 26 ff. — Pal.
Rezension JQR X, 656; Dalman, Die Worte Jesu 299 ff. vgl. auch
REJ hin, 237 f. — Saadjas Text bei Landshuth s. v., Bondi S. 13 f..
Fr. L 242.
518 Anmerkungen.
2. Varianten u. biblische Parallelen sind zahlreich in Achtzehng.
S. 49 ff. (MS 1902, 515 ff.) mitgeteilt, darauf ist im folgenden meist
verwiesen.
3. Mehrere Bibelverse vor der Tef. auch in Pers. JQR X, 609. — I
•pxi B-i^lü nsp auch REJ LIII, 237. Nach Tos. Ber. 49a s. v. "jT^a
muß angenommen werden, daß I mit Qi-^pi "^n ?x schloß. Zu "sist vgl.
Achtzehng. 45, 50. — S. 43 ob. muß es statt Amr. 51b heißen Amr. das.
Fr. II, 292. — S. 45 {MS das. 437). Manh. n"-i § 2 (41b) nennt es art:^
ns'^s; tatsächlich wird es in Frankreich für verbindlich erklärt Tos.
Ber. 12b s. v. xnsbni, dort versuchte man auch den bereits bestehenden
Brauch zu rechtfertigen, wie die eingehende Auseinandersetzung in
V. S. 362 ff. ( = Seh. L. 13a u.) zeigt. Hai bei Itt. 252, Maim. n?En 'n II, 9.
II. "T^nan bxn vermutet Loeb als Eulogie REJ XIX, 19; Varianten
Achtzehng. 50 (517), JQR X, 658, Studien 46. Zu den in fast allen Texten
wiederkehrenden Sätzen gehört auch y^r'n? i". Der angenommenen
kurzen Fassung widerspricht offenbar Sifre Dt. 343 (142b), jedoch
scheint dort der Text nicht in Ordnung zu sein, vgl. Midr. Taan. S. 209. —
iun T^^i^a in Pal., hingegen fehlt es in beiden Mscr. von Amr. s. Marx 5
u. Fr. I, 237. Zum pal. Brauch s. Rapaport, Erech Miliin 228a. Saadja
kennt und gestattet solche Zusätze wie 5-j- ot rrn-c ^o-c oder t;u:;3, die
offenbar ans Ende von II gesetzt wurden, Bondi 14. • — Deutschland
(S. 45) s. bei Isseries zu Seh. Ar. I, 114 3. Zu Manh. vgl. auch Tos. Taan. 3a
s. V. bau; Sommer und Winter Tos. das. 3b s. v. niia-'S, Ri 40. — "iisn":" ax
hat auch Amr. 44b, Fr. II, 292, vgl. jedoch Mx. 27 zu Amr. 46a, wo
oiisn-n SN zitiert ist.
III. Achtzehng. 52 f. (518) vgl. auch Bloch in MS XXXVII, 305 ff.
IV. Zur Bedeutung Kohler das. 447. 'irn nrx findet sich bereits
Hai. Ged. ed. Hild. 32, vgl. auch REJ LIII, 227. Zum Text von j. Ber.
vgl. Ginzberg '^i^".^ 19, Ratner 128, zu rs"::!-! rinx (S. 47) s. Jawitz,
S. 45. Auch bei Amr. Fr. II, 108 findet sich erst y^n rrx. dann rstsn nrx,
vgl. die dort angef. Literatur.
VI. "bü auch bei Amr. in beiden Mscr., Mx. 5; 'Tt:: 5N "^c, in Germ,
gewöhnlich abgekürzt und vollständig erhalten in Rom. It., findet sich
am Ende fast aller Tefillas für s""'^. 2=r" rsi auch bei Amr. nach Mx. 16,
Saad. bei Bondi 39, vgl. Responsen nr::, n^cn Nr. 160.
VII. Trotzdem der Anfang biblisch ist, wurde schon im Mittelalter
X5 eingeschoben, vgl. V. S. 66, Kusari III, 19, Tur, Abudr., Seph. und It.
In Amr. ist kein Text von ijsr, der Saadjas bei Fr. I, 243.
VIII. (S. 49). Zu Amr. vgl. Mx. 5 Fr. 1,242; -—"x:-^ b=3 best
auch Oz. T.
IX. Die Bitte um Regen erw^ähnt Gen. rab. VI. 5 (ed. Theodor
S. 45) HT'-^-c'i ■pbsTQ ra^iij'i Nniusib nbr 'pa. — Text von Amr. in korrekter
Form bei Fr. I, 245, vgl. Mx. 5.
X. Amr. vgl. Mx. 5, Fr. I, 246, der Text lautet ebenso /?£J LIII, 237.
XL Alfasi z. St. vgl. auch Manh. n"~, § 2, Tur I, 118 und It. Die
AiiiiH'i'kiiiij^'i'ii. 519
Analogie von \L"npn bxn, das in 'pn ~3";n gc;Ui(ii'il wird, iii.k iit es walir-
scheinlich, daß dem ::BC'3n '^b'sn dci- Text 'isn bxn /,ii^,'niiidc liegt. Ms.
Münclipii liest, b. Bei'. iL'h licr^n rxn* irii^f^ bxn -"ix tü"^ r* nsr nin ■'X^
vgl. '-E"0 ■'""T"' '• •'^^■
XII. Zum Text von n-:-;n 'z vgl. Baer 93 ff., der viel«- alte Texte
heriicksielitigt, Berliner, Strack (cd», zu S. 36). Amr. bei Mx. ö, Fr. I, 246,
253. Iteueldin vgl. L. Geiger, Joh. Reuchlin S. 229, Anm. 3; der An-
fang 'Tiic^bi mit spiller sehr erweitertem Text auch in Pers. JQR X, 610.
— ■pnT rrdb-Q in 'Tn"« ::2C ed. Wiener, IX, S. 29, LXIV. S. 95 f. wo auch
eine apologetische Erkliirung dafür gegeben ist. r:*:"w""5";V neben n'^r'3
•/.. B. in It. Yem. ü/.. T.
XIII. Tos. Ber. ed. Zucki'rm. liest c-^ip h-::^ r:^— 3cV3"2, in den
anderen Ausg. heißt es wie in j. Ber. II, 4 u. Parall. o-^spt 3il"i 0*^-0 bo hh-D
cpnab n::2"32. — • Rasehi zu !>. Ned. 49b s. v. 'r'^'na. — ■ Amr. Cod.
C). Mx. 6, Fr. I, 253. — Für die Fassung u;^-: xb nbrrb- auch Berliner 63,
Zu.sätze in Pers. JQR X, 610.
XIV. Saad. bei Fr. 1,242, vgl. auch REJ Llll. 237. Zu cn-
Amr. Mx. 27, Saad. Fr. II, 263. — Mittelalter (S. 54) vgl. Fschkol II, 17,
Tur I, 557. — Zur Eulogie "iTS ore^a vgl. Büchler in JQR X.\, 799 ff.
— ■ It. ebenso in Rom. vgl. weiter S. 129, 230.
XV. Amr. Fr. I, 253, der "^rr":;"? "'S liest; hingegen fehlt es in Cod. S.
bei Mx. 6. Der Ausdruck '^nrp ^r.riC'b ist biblisch Ps. 25 5 u. Gen. 49 im.
X\I. Bei Amr., Mx., Fr. das. nx -ps-^^i C"^^m2 sspi 'x "t -flrp r-;a
•'"xa DST-a nnx ir:":nr' "rr-bsn S'snc bx '^3 ■insen.
XVII. Achtzehngeb. 60 ff. rrc crsEPiil auch bei Amr. Mx. 6.
rirmni fehlt noch REJ Llll, 237. — Maim. Resp. ed. Lichtenberg
Nr. 98, I, 20a, Geiger A., MeloChofnaim 64 ff. Saadja Oeuvres IX, 156,
Toledo in Manh. § 59, Karo zu Tur I, 120, Paltui bei Manh. n"- § 5.
XVIII. Achtzehng. 62 f., ip -inix w^^t-o aus I. Chr. 29i3. —
Luzzatto in V'nc r,":x 465. — S. 58 zu Sof. XX 8 vgl. Müller, 286,
Note 27, 28. — Abudr. 54c. — cas vgl. Itt. 252, Tos. Meg. 4a s. v. pDB,
— ansi bei Amr. 44b, Fr. II, 249 ohne ti^T-j; 'rn". •'■■zi bei Amr. das. vor
tba bsi — zu '2-.T "T,-o Berliner, Randb. 30.
XIX. Zu n-2"^:n -ir-a in Pal. vgl. Stud. 46, Werlheimer in -j-x
fi-^'r""!": I 90. — n'iö'STi" zuerst Pardes44c, Meir. Rothenburg in Maimuniot
zum Gebettext. Zu Mincha hat es auch Amr. 18a nach Mx. 11 u. Fr. I, 188.
In Yem. hörte es Ibn Sappir I, 57a, in der Ed. jedoch steht c-Vj n-r.
Eulogie n-5an nc"r in Germ, zunächst an n''- seit ed. Thiengen 1560,
bald darauf aus kabbalistischen Gründen auch für die Bußtage ein-
geführt, Berliner I, 34.
6. In Germ. "ed. Prag u. Trino fehlt -;-;r T'^': n»r noch, vgl.
Baer 104. — Ursprung von 'x ".db-z in Manh. § 62 aus unbekannter
Hagada, Amr. hat es 9a, Fr. I, 264 f. Weitere Zusätze Baer 105. —
Piutartige Verkürzung Achtzehng. 47, Erweiterung Studien 47/8.
§ 9a. 1. Trishagion in der christl. Liturgie von Clemens Romanns
520 Anmerkungen.
an Achelis I, 390, Rietschel I, 243, 259, 294, 312. — n-i-^^s io isinp
Sof. XVI (nicht XVII) 12 Ende. Baer 79 nennt im Gegensatz dazu die
Keduscha des Jozer n"'^c*''! ticip; der Ausdruck ist nach Analogie
von Sof. X, 8 gebildet, kommt aber in den alten Quellen nirgends vor;
Manh. § 27 spricht von ^i^s-Q IN :;cT^^ ncip.
2. Nach dem Vorgange Rapaports, Kalir Note 20, S. 119 wird die
Keduscha vielfach auf essäischen Einfluß zurückgeführt, aber Josephus
berichtet nur von Gebeten der Essäer vor Sonnenaufgang, ohne der Ked.
Erwähnung zu tun. — ^^2*2" bezieht sich nach Ginzberg Geon. I, 129
unbedingt auf den Vorbeter des Jozer; da das nicht zu beweisen ist,
kann es mit solcher Entschiedenheit nicht behauptet werden. — Statt
tT2;'np? lesen alte Texte in b. Ber. 21b "üllp?; das muß nicht durchaus
eine andere Bedeutung haben, vgl. Ginzberg das. — i-ax 'n (S. 62)
vgl. Hymann '-axi ü''N3n nna-n 1,89; zum Text Ratner 131. — Dafür
daß die Jozer- Keduscha älter sein muß, tritt neben Ginzberg besonders
Kohler a. a. O. ein, die von ihm angeführten Belege sind jedoch nicht
genügend beweiskräftig. — Zu ^i'v:: n: Studien 33 ff. — Zu Chili. 59
vgl. auch Jellinek r---- r,-= V, 162, Tos. Sanh. 37b s. v. r:=-:. Sof.
XX, 7 zitiert das in einer Baraita x"''^n '~ "'Sn. — Um 800 vgl. das Frag-
ment bei Ginzberg, Geon. II, 50 ff. ; das. I, 130 wird aus den hier erwähnten
Tatsachen jedoch die entgegengesetzte Folgerung gezogen. Nach
Sof. XX, 7 wird die Ked. an jedem Tage mit einem Musaf u. am Cha-
nukka gesprochen.
3. So auch Müller, Sofrim S. 228. — S. 63. Nach Bloch a. a. O.
310 ist die Keduscha in der Tef. die Heiljgung'durch Israel, während
die Mystiker (weiter S. 380) darauf ausgingen, die Verherrlichung seitens
der Merkaba-Engel zum Ausdruck zu bringen und darum die dramatisch
belebte Keduscha einführten. — vo'C in Keduscha vgl. Amr. IIa, Fr. I, 278,
auch Erech Mill. S. 37b; deutlicher ist die Nachricht in Geon. II, 50 f.,
Pardes 56b, wo ausdrücklich C'TX r'zhi als Urheber des Verbots ge-
nannt ist. Gerade diese Stelle spricht gegen Ginzbergs Auffassung, weil
nur von einem gegen Palästina gerichteten Verbot und einem Ersatz
der Schma durch die Amida-Keduscha die Rede ist.
4. Zu den Texten vgl. Litg. 13 ff., Saad. Keduscha bei Bondi 17. —
In '^r'^?"2:i bei Maim. ist vielleicht eine Spur desselben Geistes, der
sich in der Einführung von ^pni ausdrückt. — Tils hatte auch It., wie sich
aus Seh. L. 13 ergibt. Auch Oz. T. hat *r,=. — Vp:: tx Amr. 10b.
V. S. 156. — Ofannim im Talm. s. ob. S. 62. — c^'s ohne jede Ein-
leitung wird auch in gaon. Responsen zitiert z. B. Amr. 10b, IIa. Fr. I,
278. — Zu ""i-ix (S. 66) vgl. Pard. 42a, danach ließ Eljakim aus Speyer es
,,als Lied der Engel" zuerst am Wochenfeste vortragen, das Buch der
Frommen, ed. Berl. § 501, kennt den Brauch bereits an allen Wallfahrts-
festen. Meschullam b. Kai. (weiter S. 327) ist Verf. der Keroba für
2"r in Germ., in der das Wort "r'^x eine große Rolle spielt; besonders
ist das letzte Stück der Bearbeitung der Keduscha zu beachten, dessen
Aiimcrkiiii^ri'ii. 521
KefriUis ■:-:— ix '- iiihI -■^Jw ~"'~x it; l.nitiii. I)ii' Alif.is.siiiij^s/cil
<lei' Zus.U/.i' zu iliii Ki'diischavorstMl wiirdi' mit l{ii(ksiilil (l.iriiuf an-
^'('sctzt, <l;il.'. "r"ip3 hiTcits in S»if. X\l, 12 rrwiihnt ist. — \'«tn (ii-iilschcii
Bcarhcituii},'!'!! ist dif Ix'kaiinlcslc die von Altr. (ifi^^cr mit der Koiii-
|)itsilioii voll I .i'waiidowski. rjnc cii^disclic fiudcl si<li im I iiinii I'i'ayiT-
Buok.
."). Al>gi'scii('n von (Irii licrcits idicii S. IS Tiir die j^M'id^iTi' .lii^'ciid
der .l(»/.('i-KL'dus(lia aii^n'grhciu'ii «'«ründi'U ist der Eifer zu l)i'a(lilcii,
mit dem die .MysliktM- danach strchti'ii, aui-h dem t'iiizclncii dazu zu
vcr-liclfcn, dal! er die Keduscha oder wenigstens den Ersatz dafür, niaiTir
iTi'ö. sprt'fiu'u koiiiito. Selbst im .liv/.er mußte die Kedusciia heim
Trivatgebet überspruii^'eu werden; da die Halacliisten immi-r wieder
auf den Punkt zurückkommen, scheinen die Mystiker immer neue
\'orstöl3e unternommen zu liaben, bis sie schließlich Sieger bliel)en.
Die Quellen über diesen Kampf sind von Büchler in REJ LIII, 220 ff.
zusammengestellt (vgl. Stud. 20 f.). Bei Saad. nun ist vom ganzen Jozer
für den einzelnen so gut wie nichts übriggeblieben; eine so radikale
\ erkürzung hätte er nicht vorgenommen, wenn er sich nicht auf eine
alte \ orlage hätte stützen können. Die N'orlage aber bot der alle p a 1.
Jozer, der im Laufe dei' Zeil zum Jozei- für das Einzelgebet degradiert
wurde.
§ 9b. Das Bruchstiick einer Ahliaiidlung von L. Low in dessen
des. Sehr. V 34 ff.
1. Zum N'erständnis der Ausdrüek(^ cVxn r'^vz und -p-T in der
Mischna s. Büchler, d. Priester u. d. Kultus usw. S. 126 und die dort
Anm. 1 angeführten Stellen. — "irins nsr wird im Talm. auch Tannaiten
in den Mund gelegt, die Ausdrucksweise gehört jedoch erst der amor.
Zeit an. — fi'X-r: im Sifre und in b. Sota z. St., bei den jüngeren Hala-
cliisten vielfach rx"r:, w^e fälschlich auch einige Taimudausgaben
haben.
2. Die religionsgeschichtliche Bedeutung der Übertragung des
Priestersegens in die Synagogen ist besonders scharf von Isr. Levi REJ
XXX, 142 hervorgehoben. Sifre suta a. a. O. leitet das aus Ex. 2024
ab. — Die körperlichen Gebrechen (S. 69) sind nur solche am Gesicht,
an Händen und Füßen, weil das Volk darauf liin/.ulilicken pflegt. Tos.
Sota VIII, 8 (307 5), vgl. b. Meg. 24b, j. 75b u. ( .
3. Die Verpflichtung der Ahroniden betont R. Juda b. Pa.si (um 300)
im Namen R. Eleasars, vgl. auch b. Sota 38b u. Or Sar. II, 165. In der
christlichen Kirche ist der Priestersegen erst durch die Reformation
Bestandteil des Gottesdienstes geworden, vorher ist er nur vereinzelt
nachzuweisen, Achelis, S. 365 (wo die Worte ,,mit dem jeder Synagogen-
gottesdienst geschlossen wurde" der Verbesserung bedürfen), Riet-
schel, 326, 402 u. ö. — Über die Finger der Priesterhände, vgl. J. Low
im Gedenkbuch für D. Kaufmann S. 68, Berliner 41. Auf Grabsteinen
sind die ausgebreiteten Hände Zeichen der ahronidischen Abstammung. —
522 Anmerkungen.
Die Vorstellung von der magischen Wirkung des Segens wurde durch
die Mystiker sehr verstärkt. Daß die Priester dem t'lp den Rücken
kehren und sich mit dem Gesicht zur Gemeinde wenden, schreibt auch
Tos. Meg. III, 24 (227i3) vor; das entsprach der babylonischen
Sitte, in Palästina standen sie mit dem Gesicht zur heiligen Lade
Chili. Nr. 36, S. 34. — Zu Sifre § 39 vgl. S. suta S. 49 u. b. Sota 39b. —
Das Aufrufen geschah in ältester Zeit durch den "n d. i. den Diener
(weiter S. 485 ff.); so faßte noch Jak. Tarn die Quellen auf Tos. Ber. 34a s. v.
nsri xb. Wenn später der Vorbeter die Funktion ausführen mußte,
so liegt hier vielleicht eine von jenen vielen \'erwechslungen auf Grund
des späteren Sprachgebrauchs vor, durch die "fln^ n^Vw an Stelle von
•jTn trat, vgl. Or Sar. a. a. O. und Kohut, Aruch s. v. 'in. — Die
Bibelverse (S. 70) finden sich zuerst in Raschis c^a mx'^cs 'n (Cod.
Vatic. Nr. 318), vgl. V. S. 101, Berliner, Randb. I, 40; da aber sämtliche
Riten die Verse angenommen haben, muß ihre Einführung in recht
früher Zeit erfolgt sein. Gegen die Unterbrechung des Segens durch die
\'erse vgl. z. B. Abudr. 33a, Bet Josef zu Tur I, 128. — Gebet bei Träumen
vgl. R. Nissim b. Jak. zu b. Ber. 55b. Das Gebet ist schon in Amr. Hb,
Fr. I, 287 übernommen, aber die Verordnung, es stets beim Priestor-
segen zu sprechen, rührt erst von Meir Rothenburg her (Hag. Maim. zu
nbsn 'n XIV, 7). Selbst Jesaia Horwitz (390) erklärte sich dagegen,
Berliner, Randb. 41. — Die Fassung des ■ps'*! 'Jr^ am Schlüsse stammt aus
Nathan Hannovers 'i'^a ''"rc (Berliner, das.). Zur Erklärung des selt-
samen Dnp3X usw. s. Heller in REJ LV, 60 ff., Krauß das. LVI, 251 ff.
— Gesang beim Segen schon O. Ch. 109b. Resp. MaHaRIL, Nr. 148. —
Täglichen Priestersegen hat auch Saad. Bondi 17, Yemen (ibn Sappir I.
57a), Jerusalem (Ri 84). Unterlassung des Priestersegens L. Low a. a. O.
vgl. O. Ch. u. MaHaRIL z. St. Komment, zu Tur I, 128 Ende. — Amster-
dam JE I, 538 ff. — Palästina Chili. Nr. 29 S. 28, Manh. § 64. — Am
9. Ab im Morgengebet fällt der Segen aus, bei Amr. Fr. II, 268 ist er
noch üblich. — Jak. Tam. (S. 72) s. oben. — Meir Rothenburg Resp. ed.
Prag, Nr. 648, Mord. Meg. § 817, Bet Josef z. St. — Statt David Kimchi
(im Text) lies Josef Kimchi, Abudr. 32d. — Gründe gegen den Priester-
segen s. Geiger. Jüd. Zeitschr. XI, 284, Philipson, Reform Movement,
S. 347, 351.
§ 10. Zur Terminologie vgl. Maim. nssn 'n V 13, 14. — Daß
unter n-r-^rnn das Privatgebet zu verstehen ist, wurde Studien 40 ff.
eingehend begründet. Im Arabischen wird der Ausdruck bs:n dafür
verwendet, was Juda ibn Tibbon mit bsir", aber auch mit nsEns 3"i:rrr
oder mir"^. 'sn übersetzt hat, vgl. Bacher, Einl. zu Abulwalids n'^o"u;n 'o,
X, Note 4. — Yemen bei Sappir, I, 57a, Saad. bei Bondi 15. — ni"i^ix '"Jt
s<"3 bei den Halachisten der letzten Jahrhunderte, daher auch in den Ka-
lendern. — Aus der gaon. Literatur z. B. ■'•cm r2N" "''SX b? 3*S5 in
H. Ged., ed. Hild., 22. Natronai bei Amr. 9a, Fr. I, 264. — Seh. Ar. I, 131.
4. Amr. 12a, vgl. dazu Mx. 6 f.. Fr. I, 299. — Techinnastücke
AiiiiH'rkiiiigni. 523
bei Zunz, Lilg. lö f., Saad. l)i'i Fr. I, 2!»S, Hniidi IT). Maiiii. in n";5En 'o
vgl. Moses b. Maimon I, 330. — Zu S. 76 ob. \ . S. 70, Fr. I, 298, wo
auch andtii' .AbwcicIiuu^tMi niitgi'li'ill werden. Sehr inlcressant ist
Abulwaiids MitteilunK, daU .sein Lehrer Isaak b. Saul des Abends Ps. 143
als Teehinna zu sprechen pflegte, bis ihm die Bedeutung von TT'DS \'s. 9.
unklar wurde; darauf hin las er den Psalm nicht mehr, n''CJ"'izjn 'D s.v.
nc:. ed. Bacher S. 226 u. Einl. a. a. (). Daß mehrere Fassungen zu-
lässig sind, weiß noch Abudr. Ps. 6 in Germ, ist erst seit IHO Jahren
eingefüiirt, Berliner Handb. 24. — l'";ni Oin-i usw. auch bei Saad., vgl.
Fr. 1, 297 f., Tin Tsx'^'i stammt aus 'ra "i"rr Berliner, das., Baer 116,
Fr. das. — R. Aktba, weiter S. 147. - bx-ö-^ n^ic Ki 131, Litg. 18, Fr. I, 300.
— Sündenbekenntnis erst seit den letzten Jahrhunderten, wahrscheinlich
unter lurjanischem Einfluß (weiter S. 387 ff.) eingeführt.
6. Zum Text von Meg. Taan. vgl. ed. Neubauer S. 22. — Di-
dache s. G. Klein, D. älteste christl. Katechismus usw. S. 212; Regen-
fasten Taan. I, 4 ff. Sonstige Fasten Tos. Taan. II, 4 (217») 'm '3 dp
"1122 rT"3T2 ^■c'n T^ni, auch das Estherfasten findet Montag und Donners-
tag statt, s. Sof. XVII, 4, weiter S. 131 — no-'jrn ■'•s'' Meg. I, 1. —
S. Olam vgl. Marx, Seder Olam, deutsch. Teil, S. 20, Manh. § 70.
7. Amr. 19b (Fr. I, 393), It. auch bei Fr. I, 301. — Zu
ninn xim vgl. Baer 112, Litg. 16, Groß, Gallia Judaica 74 f., Ber-
liner, 70 ff. Wenn Zunz sich auf V. bezieht, so denkt er an Ms. Bodl.,
wo sich die Erzählung tatsächlich findet vgl. Fr. I, 293 (gegen Berliner).
Daß cin-i X"ni bei Amr. ein Zusatz ist, lehrt Mx. 11. — Varianten zum
Text von Dtn-; xini bei Baer das. u. Fr. I, 294. Der Text verdiente eine
besondere Untersuchung. — mrp3 bei Amr. 23, Fr. 395, sxnu;'' -^ron "^
Ri 123 f. wird im XI. Jhdt. bereits benutzt, s. Litg. 17. — Andere Poesien
bei Amr. vgl. Mx. 11. — Akrost. pnn V. S. 71. — 'sx V« "'X Litg- das.,
Berliner, S. 29. Amr. kennt sie noch nicht.
8. Vgl. Seh. Ar. I, 1314 ff., jedoch ist die dortige Zahl überschritten
worden, eine Aufzählung aller Tage bei Baer 112. Der Einfluß privater
Feste bei Berliner, Aus dem inneren Leben d. Juden im Mittelalter,
S. 114.
9. Natronai s. Resp. Lyck Nr. 90, wo 2 Rcsponsen ineinander
geraten sind, Amr. 14b, Itt. 253, V. S. 26. Ginzberg, Geonica II. 299
faßt fälschlich it"nm mriip als eine Art Haftara-Benediktion auf und
übersieht, daß voraufgegangenes Studium vorausgesetzt wird. Auch
diese Keduscha wollte man im Einzelgebet verbieten. Amr. Fr. I, 330,
Bondi 15. Saad. (Bondi 17 f.) u. Maim. haben einen abweichenden Text.
— Babylon. Ritus s. Amr. u. Resp. Lyck das.
10. Amr. 14a, Fr. 317, 327. V. S. 74, O. Ch. 21b § 4 ff. über die
in Toledo üblichen Psalmen Manh. § 77. Saadja bringt an dieser Stelle
seine 2 berühmten Gebete (weiter S. 324). — 'nbxs 'px fängt logisch
richtiger mit -rnbxr ^^2 an, die Umstellung erfolgte, damit das Akrost.
•,i:i< entstände, vgl. JQR XIII, 160. — Noch mehr Zusätze bei Baer 154 ff.
524 Anmerkungen.
11. "rsr finde ich zuerst Tur I, 133; nach Berliner, S. 49 hatte es
schon Rokeach für den Morgengottesdienst. — Zu den Anklagen gegen
•r» s. JE I, 336 ff., Berliner das. Zu Preußen vgl. die Literatur bei
Scheinhaus a. a. O., L. Geiger, Gesch. d. Juden in Berlin 11. 27 f., .1.
Freund, Emanzipation d. Juden in Preußen I, 13 Anm. 15.
12. Gegen ^^rrn "*r und die häufige Wiederholung des Kaddisch
erklärt sich auch Elia Wilna bei Fr. I, 114. Unechte Verse gegen Ende
des TCSr^^r-c weist Simonsen in MS XXXVII, 463 ff. nach.
§ 11. 1. Amr. bei Fr. I, 138 beginnt hier den öffentlichen Gottes-
dienst -.^XTü "]i^n nn'Ei T!ö'JzT\ '— ■''2"" s-n-'^"r- bsss^-b nc:-!! n"2s '-ci '^•o'.'zvoz'.
2. Zum Text von b. Schabb 118b vgl. Aptowitzer in -jn -px^ nsran
I, 84 ff., die Beziehung auf Ps. 145 ff. schon bei Moses Gaon in Aruch
s. V. bsn u. Alf. z. St.
3. Ps. 30 vielleicht durch Lurja veranlaßt, Berliner, S. 22; Elia
Wilna gegen die Aufnahme Fr. I, 114. — Daß "-cx-^- "^na aus 2 ganz
verschiedenen Teilen besteht, betont auch Bloch in MS XXXVII 262.
Der erste Teil fehlt in vielen Genisa-Fragmenten und bei Saad. (Bondi 16,
Fr. I, 154, Saad. hat ihn nur für Sabbat). Nach der Übersicht bei Mx. 3
u., Fr. I, 167 müßte er auch bei Amr. fehlen, trotzdem beginnt 2b, Fr. 138
mit 'r;5<ir ynz; wahrscheinlich ist das ein späterer Zusatz. Zur Vor-
tragsweise vgl. Rapaport, Kalir S. 117 auf Grund des Berichts von
Nathan ha Babli (um 960) bei Neubauer, Mediaevel Jcav. Chronicles II, 83.
Der Sinn des ersten Teils bei Margulies a. a. O., T. d. B. El., ed. Fried-
mann, S. 179. — Zur Eulogie ninSffirc bbnc "^3-2 vgl. Amr. das., Saad.
bei Bondi 16. — Moses Gaon a. a. O., Müller J.. r>TS,-z S. 76, Zunz
Litg. S. 12.
4. Bei Amr. (Fr. 167) u. Saad. fehlt iTin noch, Verse hinter 'tb Vsn"!
zuerst in V. S. 61 f. vgl. mehr über diese Zusätze bei Jawitz 63 f., Ri 59;
im verbreiteten Text von Amr. finden sich die Verse im der Sabbat-
liturgie S. 27a, sie fehlen jedoch in den Hss., s. weiter zu S. 112/3. Gegen
jede Einschaltung schreibt sehr entschieden Itt. 249. ^ Zum Text von
j. Ber. V 1 Ratner, S. 120. — Ps. 100 weder bei Amr. noch Saad. Über
die Tage, an denen er gesprochen wird, Manh. § 21, Tur I, 50. Vgl. Ber-
liner, S. 22 auch über den hier häufig eingeschalteten Ps. 20. — Mit
1312 'n (S. 85) beginnen in Amr. die Semirot, es geht '-cxc 'ITS voran;
Manh. § 19 kennt es nur für Sabbate, in Seph. steht es am Beginn der
Sem. für alle Tage.
5. Mehr Verse mit '^"rx zuerst in \'., vgl. Ri 59, sie stehen auch
in den Mss. von Amr. Mx. 3, Fr. I, 167.
6. Die Verse übt>b 't yra usw. zuerst Rokeach § 320, Tn "^-rzT bis
V. 13 schon Amr. (Fr. 168, Mx. 3), aber nicht mehr; das folgende war
ursprünglich nur am Sabbat üblich und zwar zuerst in den romanischen
Ländern; nach Deutschland wurde es durch Moses b. Kalonymos aus It.
eingeführt, V. S. 226, für Frankreich Ri 14. Zum Ganzen vgl. Ginzberg,
Geon. I, 127. Im Tempel in Jerusalem wurde Ex. 15 am Sabbat nachm.
Aiiiiicrkiiii^'cii. i)-i)
als r.-;ilm <;cMiM<4.'n, \<. ll. lia Seil. ;{|;i: '!i" l" Inriialiiiii' in di' I-ilKi^i«'
wunli' sflir Ix'kampfl. sn von Nalroiiai und Itl. '24U. II in I fr r-'r:
rinden wir das Lied noch in l'tTs., s. JQR \, <»<>s.
7. hie HiliifiinfJ: «Icr Syiuifiyma in nsrc" riiliil Hin. li a. a. ( ). 202
.Mil" tiii' .MyslikiM* xuriick, liocli linden sich älinlichc Wciiiluiif^cn hcroils
Mi'ch. 28lt und 29a, cd. llnlfin. 45, 47. Saad. Text ist kürzer, liingegen
ist der Schluü weiter ausj^Mliilul, Hdndi Ki. Die Eulogie bei Amr. Fr. 178;
(tl)W(ihl Anir. sehr lieft ii:,^ dagegen spiii hl, liat Saad. die Euh gie mit
r'XTnn ^"^ Fr. Iö4.
8. Vorbeter lü (i, .Maini.. nbsn 'n l.\, 1. In Pers. werden erst
hier r'^S'^a angelegt JQR X, (508. In Anir. (Fr. 178, Mx. 3) heißt es
viir n^nc"^ als Anleitung Qnin-, rQ'^nn res ni'scn i^isi, weil hier erst der
Vorbeter auftritt, iler bis dahin gesessen hat; er beginnt fieilich nach
dem S. 82 erwähnten Irrtum mil n^n-^.
§ 12. 1. Bei Saad. Maim. stehen die -ncn '3-i2 unter den nia-Q
•"'nzn (,,Berachot über körperliche Genüsse" Bondi 20) weil sie zu
Hause gesprochen werden, Saad. Text bei Bondi a. a. O. Maim. nisn 'n
VII.
2. ■":: r\" und "rx" hat amh scIkiii Aiiir. unter den speziellen
Benediktionen s. Fr. 1, 38, er kennt auch Ps. 59 als Vers beim Ver-
lassen des Gotteshauses, schon in \. finden sich mehr Verse. Gegen
■2:: nn schrieb Sal. Lurja. sonst aber war es allgemein angenommen
und gebilligt; s. Berliner I, 11.
3. Zu 'hiv^ vgl. Luzzatto X-- 20, Berliner 13. — Zur Fixierung
und literarischen Verarbeitung der Dogmen im Judentum vgl. Schechter,
Studics I, 200 ff. — Immanuel, Machberct IV vgl. Chajes in R i v. I s r.
VII, 96, ZFHB XI, 159. — Ed. Krakau nach Berliner 12.
4. Seph. hat einen Einschub '^i^-zi ■'33 ^-r -p2 u.sw. Fr. I, 41. Über
den Inhalt von =2-r 7-1X s. den schönen Aufsatz in I. Abrahams, Festival
Studies, S. 174 ff. — Gabirol als Verfasser S. P. 216.
5. Daß die -n'cn m^na ursprünglich nur als Gelegenheitsgebete
gedacht waren, beweisen am deutlichsten die von ihnen losgetrennten
Benediktionen für r-s^a und -fSEn, die heute noch nur beim Anlegen
dieser Gegenstände gesprochen werden. Nachdem die "Titrn '2 in das
tägliche Gebet aufgenommen waren, fand man die Begründung, daß
darin eine Anerkennung der Schöpferkraft Gottes lag, vgl. z. B. Esch-
kol I, 7 (ed. Albeck. S. 10). — D'^T^ ns^'JJ » am Anfang nach Fr. 47
auch bei Amr. und in V. S. 56, im Talmud ist die Reihenfolge n-:r3 ^nbx
und dann 'Ti rb-j: =r. Die Reihenfolge der kurzen Bened. ist nicht nur
bei Amr., sondern auch später vielfach vcn der des Talmuds abweichend,
vgl. Jawitz 5 f.. Berliner 13 ff., Fr. I, 53. — Zum Text von j. Ber. IX
(S. 90 ob.) s. Ratner 198. -na schon bei Amr. zurückgewiesen, Mx. 2,
Fr. 85; aus "5 ist aus Rücksicht auf die Zensur '-zz geworden, Baer 40 f.
Das -r^s-r -:rrr für Frauen ist jünger als V., erscheint zuerst in
Tur I, 46 und Aluidr. Ue. Statt -:xcr hat -rr^r Saad. a. a. O. und
526 Anmerkungen.
Maini. n5En VII, 6 vgl. auch '•^'^■^•i 'sn z. St. y^ar, c- "^jn-s^r xbia bei
Schechter im Kaufmann-Gedenkbuch, hebr. T., 8. 53; vgl. auch Pers.
in JQR X, 607. Der Sinn der 3 Benediktionen bei Kaufmann in MS
XXXVII, S. 14 ff.
6. Statt 'n "^^r:-!- porb liest Amr. '-r- ^'-'•< -v Fi. 1, 70. Daß mit
dieser Gruppe große Umwandlungen vorgenommen worden sind, beweist
am besten die verschiedene Reihenfolge in den Texten. Amr. 2a (Fr. 72 ff.)
hat sie hinter der in 5. und vor der in 7. behandelten, vgl. dazu Ginzberg,
Geonica I, 126. Tur 1, 46, Ende berichtet, daß der Verf. die rrninn ns-ia
hinter rr^cn "^nsst versetzt habe, darauf I2'n2 und die kurzen Bened.
folgen ließ; Moses Isseries bemerkt z. St., daß in Deutschland die jetzt
in den Gebetbüchern stehende Reihenfolge üblich ist. Alle alten Gebet-
bücher jedoch haben, wie Elia Wilna mit Recht bemerkt, die ganze
Gruppe, d. h. die Tora-Benediktionen einschließlich des doppelten
Studienstoffes am Ende hinter Gruppe 7; so ist auch heute noch die
Reihenfolge in Frankfurt a. Main. Vgl. dazu Berliner 16 und Fr. I, 98
im Kommentar. — Talmudische Bestimmung b. Kidd. 30a. - — Zu den
Erweiterungen (S. 91 ob.) s. Tur I, 1; nach Berliner, 28 wäre rrap 'S3 und
niüpn niKE 1589 gelegentlich der Pest eingeführt worden, ein Beweis,
wie seltsame Ursachen auf die Gestaltung der Liturgie eingewirkt haben.
— Zu Pea I, 1 gibt es eine Menge Varianten, vgl. die Tabelle bei Ber-
liner 18. — Zu dem ganzen paläst. Komplex vgl. Moses b. Maimon I, 328.
7. Amr. schließt bereits vor übisb die "inrn 'l ab und betrachtet
dies als Überleitung zu -^NC 'li"", ähnlich wie It. (S. 92). In den Ge-
betbüchern wird EST- vielfach mit kleineren Typen gedruckt, weil es
als nicht zum Texte gehörig betrachtet wird; aus gleichem Grunde
fehlt es in Amr. Ms. O. bei Fr. 94 (es steht aber das. 101). Auch Abudr. 18d
leitet es mit "i?aii 'pamsü moipa Ta"n ein, er selbst aber ist dagegen.
Tur I, 46 nennt als Quelle dafür ''rbu;'!"'.'^ ; so wurde diese Angabe im
Mittelalter oft fälschlich gemacht, vgl. Aptowitzer in MS LV, 419 ff. —
Zum Ursprung von :nx xrr rrrb vgl. Rapaport a. a. O. — Zu 'rrn "i'^n
weiter zu § 16. — Eine ähnliche Ausdrucksweise wie 'yy^y::-z ':n:xc "r-iOX
vgl. Seh. T. zu Ps. 56 (27a). — Zum Text von j. Ber. s. Ratner 199. —
Zu -s-ac nx-^-p u. a. Itt. 249. — Zu It. (S. 92) Seh. L. § 6, Manh. § 13. —
Für die Stellung der -ncn niann im Gebet ist folgende Stelle bezeichnend;
bei Amr. heißt es zur Einleitung (Fr. 50) '- 'x '^r r-r^i '7'.3'2i "iTnn binnw
§ 12a. 2. Die Stellen der Quellenschriften sind sämtlich bei Pool,
S. 8 ff. angeführt, vgl. Jawitz 82. Zu b. Ber. 3a wird vorausgesetzt, daß
Kaddisch in der Synagoge und im Lehrhause zu hören ist. — Kadd.
als Abschluß des agadischen Vortrags zuerst bei Zunz G. V. 385e als
Erklärung Rapaports, der jedoch irrtümlich xr^sn: auf Trostreden für
die Trauernden bezieht, während es sich um die allgemeine Zukunfts-
hoffnung ( = "j^a nrn;) handelt. Ein ähnliches Gebet wie Kadd. ist,
wie Pool mit Recht hervorhebt, irn ht vor der Toravorlesung, vgl. weiter
AiiiiicrUiiii^'rii. 527
S. 199. — Kadd. und \ nUv l iisri' In-i Klriii, 1>. alt. clin.stl. Katc.lii.s-
mus 256 ff. = ZfM\V\'ll. liHXl, ;54 ff. Kohlers Ankniipfmip an dir
Kr/.;lliliiiif!: II. -Mk. 12, IIS ff. i.sl ddcli sehr gewapl. — snris 32 "i": xsrb
(S. 94 oh.) bringt Koldcr mit Nch. 95 nsnm n:-2 32 3y ccif:-
/.usainiiKMi. — Dialokt vgl. Dalinan, Aramüi.scho (Iraiiuiiatik^, S. 26.
;}. t"fl>i'rall wo Toile des Ochcls abgeschlossen werden sollten, wie
7.. H. iia( li den rrm^i (§ 11), wurde Kadd. dazu verwendet. — Zu
Sof. XL\, 12 .s. Müller, S. 279. Nach P. d. R. E. XVII besuchen die
Trauernden die Synagoge. Zur .\rt der Begrüßung bezw. Entlassung
vgl. H. .Vkibas cibcb C2-«n23 123 am Schlüsse seines Dankes für die
Teilnahme am Tode der Söhne in b. Moed Kat. 21b, Seinachot VIII. —
'nnxb T^nrn x^ibra Sof. das.
4. T. d. B. El. XX ed. Friedmann, S. 120. Die Akibalegende s. in
T. d. B. El. suta XVII, ed. Friedm., S. 23 und die Noten, Pool 102. —
Ein ganzes Jahr sagen die Trauernden noch nach Kolbo § 114 Kaddisch,
das wurde auf Grund des Sohar wegen \i:"nn ^""^ cisn-^sn c^ü"'. ::eü";
Eduj. II, 10 auf 11 Monate verkürzt, vgl. Isseries zu Seh. Ar. II, 3764
und Lewysohn D^:n:^ ifpia S. 136. — Or Sarua II, 11. — Jahrzeit
s. JE \"11, 63 f. — \on besonderem Einfluß auf das Kadd. der Trauernden
war die lurjanische Bewegung, Lewysohn, S. 138.
5. Pool S. 10". — T^n'^b c^np häufig bei Amr., fehlt aber stets in den
Hss. vgl. Mx. u. Fr. zu den betr. Stellen.
6. Text Amr. bei Fr. I, I7ö. — Die vielen Synonyma bei ']-:n"' usw.
füiirt Bloch a. a. O., 264 ebenfalls auf die Mystiker zurück. Am Schlüsse
dieses Satzes gehört x"n '^■'-aNirnip"! n^iir naturgemäß zusammen, Seph.
beantwortet es mit der Responsion '{Cü; in Deutschland aber ist seit
XIII. Jahrh. xin '^^"a als Responsion zu xiriipn aufgefaßt und davon
getrennt worden, vgl. Or Sar. II, 10a. — X'^pins 3Si PX-ia-^ 3S im Gebet-
buch des Tempels in Hamburg und in Frankfurt a. M. In die hebr.
Sprache wurde Kadd. in der Reformgemeinde in London (S. 432) über-
tragen.
7. Nathan ha Babli das. S. 84, vgl. Schechter im Kaufmann-Ge-
denkbuch 54. Maimonides, Resp. ed. Lichtenberg III, 9a, vgl. auch
MS XLI, 215 ff. Nachmanides bei Juchasin, ed. Filipowski, 219 Ende. —
Die Zusätze Litg. 19. Bei Beerdigungen wurde auch ein Zusatz S<2"n ''b2nr
verwendet, den Hai Gaon selbst am Festtag gestattete, s. Warnheim
Q'^'aan nsinp S. 109.
B. § 13. 1. Zur Bedeutung von nnj^a vgl. Gesenius s. v., Le-
vy III, 153. S. auch Tos. Pes. 107a s. v. yco u. d. Note von R. Jes.
Berlin z. St. mit dem Hinweis auf das bei Abudr. gebrachte Zitat aus
dem Targum Onk., wo arn nnb Gen. 38 durch X^sr ra^h wiedergegeben
ist; danach müßte nnro als das gegen Abend verrichtete Gebet an-
gesehen werden, wie Herzfeld a. a. O. annimmt. Wenn Epiphanius
Haer. XXIX, 9 ein Gebet ,ufor]i h^^'Q^i und eins 'ifw tP;»' ianinav
ansetzt, so scheint er unter dem ersten nb-x nn:': zu verstehen.
528 Anmerkungen.
Oder soll er noch etwas von dem zu Mittag verrichteten Musafgebet der
Maamadot (weiter S. 237 f.) gewußt haben? — Die Mitte zwischen
9V2 Std., der Zeit von ny^p nnso, und d. Einbruch der Nacht heißt
nns^ari 5?s „Teilung der Mincha" Tos. Ber. III, 1 (023); diese Zeit,
10^/4 Uhr, wurde die eigentliche Gebetszeit, noch heute wird vielfach
diese Zeit genau innegehalten, an ihr Mincha und Maarib (§ 14) zu-
sammen gebetet. Die frühe Vereinigung beider Gebete (S. 99) ergibt
sich schon aus Resp. Lyck Nr. 51, vgl. ferner V. S. 7, Eschkol I, 56.
Tos. Ber. 2a s. v. -ri^ü^n-Q, Ri 8.
2. Ps. 145 bei Amr. MS. O. (Mx. 11, Fr. I, 375), Jona Gerundi in
naiüjn n^5X, vgl. Abudr. z. St. — V. S. 76 f.
3. Geonim vgl. Achtzehng. S. 47.
§ 14. 1. Über zu frühes Abendgebet klagt schon Resp. Lyck Nr. 78,
vgl. Ascheri zu Ber. I, 1. In Palästina wurde in solchen Fällen das
Schma beim Einbruch der Nacht noch einmal gebetet j. Ber. I, 1 (2a).
2. Die Begründung für ein"; X'^fi' Pard. 55 a, Manh. § 83. — ^^
S. 77 f. — Ps. 134 vgl. Baer S. 163. — Bei Saad. nur is-^i -cc n'X=2 'n
Fr. I, 381.
4. Studien S. 26, ob. zu S. 20. — Text bei Fr. das.
5. Zu i:a5<''l vgl. Stud. 16 f. — Rab b. Ber. 12b (weiter S. 263).
In nr^xi n"CN lesen alle Texte außer Germ, (jedoch auch V. 78)
"^iih-o "rsx'sn; den Satz rrb'n; riirtr- hat nur Germ, (schon V.). vgl.
Baer 166. — Die Stelle bei Amr. 19a, Ms. O., bei Fr. I, 382, jedoch hat
das übliche nis "^r Jer. 31ii. Saad. bei Fr. das.
6. Zu ■r-'^rcr? u. besonders zur Eulogie s. Büchler a. a. O. ; der von
B. hergestellte kurze Text entspricht etwa dem in REJ; auch Pers. hat
im Sabbatgebet eine so kurze Fassung, vgl. JQR X, 605. — Zum Text
von j. Ber. (S. 102 ob.) vgl. Ms. Rom bei Ginzberg, "^Ti^i:; 350 u. Jesaia
di Trani in y^-ü-on 77b zu b. Taan. 13a. — Genisatexte s. JQR X, 656,
REJ a. a. O. Büchler a. a. O. will aus Gant. r. IV, 4 § 6 beweisen, daß
die alte Eulogie nur tsis^'i'^ nra lautete, erwähnt jedoch selbst die
Stelle Lev. r. IX Ende, aus der er das Gegenteil folgert. Amr. 43a,
Manh. 23b § 3 sind für palästinische Bräuche nicht beweiskräftig.
7. R. Gamliel vgl. Graetz 1\\ S. 35; Weiß ^^c— ;■ — i ^"i II. 93.
8. Babylonischer Ursprung Pard. 55b, Itt. 173. — Die weite
Entfernung der Synagogen bei 5"":D, Gebote 19, Seh. L. 41. — Religions-
verfolgung nach n-riTC-^n brs bei Abudr. 39a. u. — Zeitersparnis RSBA
bei O. Gh. 43a § 3. Ähnhche Einrichtungen sind Verkürzung der Tora-
vorlesung für Wochentage (S. 156), Abschaffung des täglichen Priester-
segens (S. 71). — Palästina Manh. § 84, vgl. auch Seh. L. ob. — Saboräer-
zeit nach Amr. 19a "S"« "ir^', was Itt. 173 richtig mit dem Zusatz
riS-.in nns"! zitiert ist. Zur Bedeutung vgl. Halevy S'^r-rx^n ni"r-;
III, 183 ff. Über die Verse s. Mos. b. Maimon I, S. 323. Daß es 18 sein
sollen, schreibt schon Pard. 55b vor. — --b'-rr^ (S. 104) mit der Eulogie
von Rom. bringt auch Amr. bei Fr. I, 384. u. zw. neben TIT 1K"". —
AiiiiKikiiii^M'ii. 029
S:>in. l». Mi'ii'. I)ci .M;inli. 5f 84. - Maiiii. ln-i Aliudr. ;}!tl). ist walirsclioinlitli
mir aus dem Stillsilivvcigen von Tcf. \ II, 18 ptschlossfii. — Pcrs. JQR \.
<>(){). — Saad. v^jl. Mos. h. Maimoii S. :}2i) Aiiiii :J. Hoiidi S. 15; das.st'lbe
liir FreitaKabfiul Bondi S. 27, Fr. II, 7. — Maiin. im Text (Ut (jol)ot(\ —
l>io Kulojrii' /.ilicrl auch Nalronai bei Ginzbcrg, Geonica II, 117 ^5T2n
— !•-•; 2S 3r T'cr "11222, wa.s wahrscheinlich vom Abschreiber ver-
iuirzl i.st. ('.i-rcn T-in spricht sich RSBA bei (). Ch. aus. — Nachlgebete
liiidfU wir 7.U(>rsl veronlnel b. Ber. 4b c-;x x-pr E"rx "nb p r^'n- ~."x
T'^-z 3r nr""pb n-s*; rcrrr: r-22: als \'ers wir«! dort flx-nfalls J's. 31«
angeführt — Messianische Bitte s Judaica, Feslschr. zu Herm. Cohens
siebzigst. (ieburtst., S. 677. — ihn Gajjat bei Abudr. das., auch Tr""i (?)
bei (). Ch. das. 43b, § 4 Ende. —
9. -pinn bei den Geonim Amr. 19a (8ar Schalom), Fr. I, 386
;222r •:-2- r,-2 das., Saad. bei Bondi 15. — V. S. 79, Manh. §84. —
hie Psalmen s. Koibo §28. die licutigiMi in (Icrm. Berliner, S. 26.
Kap. II.
A. § 15. 1. Die Feiern der rel. Genossenschaften zuerst i)ci
A. Geiger, Urschrift, 124 f. Einzelheiten in Lewy Festschr. S. 180 ff.
2. r2U5 nb2p findet sich zuerst in den r2Tr nipn. dann im Siddur,
vgl. dazu Ri 149, Berliner I, 43 ff., Schechter, Studies II, 275 ff. — inn n2b
Ri 153, Litg. Nachtrag 59 f.. vgl. auch JE Art. Lekah Dodi VII, 675,
wo auch die Melodie; Herder u. d. T. Lied zur Bewillkommnung des
großen Ruhetags der goldenen Zeit (Adrastea 1802). Sämtliche Werke
26, 422; Heine in den ,, Letzten Gedichten" u. d. T. Übersetzung eines
hebi-. Sabbatlicdes; daß er es Jehuda ha Levi zuschreibt (in Prinzessin
Sabbath) ist ein Zeichen dafür, wie hoch er das Lied .schätzte. — Maim.
Resp., ed. Licht. Nr. 113 (I, 21c) wird befragt, ob die ,,seit undenklichen
Zeiten" herrschende Sitte, Ps. 92 und dann "b^"^ zu rezitieren, zu Recht
besteht. Bei Berliner I, 45 ist auch der dagegen erhobene Widerspruch
erwähnt. —
3. Amr. 25a = Itt. 172, fehlt jedoch in Ms. O. vgl. Mx. 12. Fr. II. 7,
Pers. hat statt tin-r X'ni Ps. 25 g. Spanien s. Manh. r2'w' § 2, Al)udr. 23a,
dagegen O. Ch. I, 61b; zu Worms vgl. V. S. 81, 142, wo Sin- X-ni fehlt.
Die Texte von Saad. bei Fr. das., Bondi 27; die Einschaltung zu 'r r2nx
beginnt s-C'-^r r2nx "r-cb, zu ':2'"2'wn ist die S. 101 erwähnte kurze
Fassung wie in Pers. verwendet. — '"zrc wird nach Sar Schalom bei
Amr. 25a (vgl. Mx. das., Fr. II, 9) in allen Synagogen außer in n2"'il'"',
d. h. der Hochschule von Sura, u. im Exilarchenhause gebetet, irrsn
bei Amr. das. Manh. § 3 erw^ähnt als spanischen Brauch, daß "113110
gesagt wird. Vgl. das. §4 für Frankr. u. Prov. Nach Itt. 172 müßte bei
Amr. auch ^^^ibr r20 'rb? c— s" zitiert sein. Meir s"c in Worms legte be-
sonderen Nachdruck darauf, daß die Eulogie '—r* "r: br bri 'r lautete.
V. S. 142. — —er* wurde nach Amr. auch in Pumbedita i ingefügt,
Pers. hat außerdem noch Ex. I630. — Jeh. b. Barsilai Itt. 173. andre
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. 34
530 Anmerkungen.
Abudr. 23a, vgl. Manh. §3. Frankr. Manh. das., \'. S. 142, It. in Seh.
L. § 65, Tanja § 13. Zum Text s. auch Seh, Ar. I, 267 u. die Komment.
4. Vielleicht wurde mit o:3p nur die Bitte ''.^■c'z irr'np bezeichnet.
— Die Eulogie lautete inPal. nrrn =■•' nxi '^ai uinp^ vgl. j. Ber. VIII,1
(lld,Ratnerl81), Chili. §32; auffäUig ist, daß Sof. XIII Ende für Miürnrip^
eintritt, vgl. dazu Müller, 185. — '^i2T1" i^ms hat sich auch in Frank-
furt a. M. erhalten, zum Text s. O. Ch. 61c § 7 u. 8. — 'fs n:n bei
Amr. 29b f., Manh. § 5 zitiert aus Amr. für Maarib. -m;-2 mn^tü 1:2 ni;)-!',
was in keinem Ms. steht. — '^rcns"::" bei Saad. Bondi 28. ncip nrx
Mx., Fr. das., Natronai l)ei Itt. 174 empfiehlt nur ^n-nxicn, scheint von
ra'ip nrx nicht.s zu wissen. — Amr. Ms. beginnt 22 ist falsch, Ms. O.
(Mx., Fr. das.) beginnt mit ^-i2''i wie Abudr. 23b; dasselbe meint auch
Ascheri zu Schabb. XYI, 5, Tur I, 268. — Pers. JQR X, 606. — Ganz
•msa"' Abudr. das., nur "ir-^rcm Manh. §5; der Schluß lautet Kolbo
ni-s-c n5<"'2i?i rp-cx-;:: nu.-r'ss -157. — V. S. 82, im Gebettext S. 143
findet sich keine Spur mehr davon. — bn;-" na"' (S. 111) Amr. 25b
(vgl. Mx. das., Fr. II, 19); Saad. scheint es nicht gehabt zu haben, der
Text in Amr. ist offenbar schlecht überliefert vgl. Itt. 174. Zu-
rückweisung s. Ginzberg, Geonica II, 51, Manh. § 8.
5. Das doppelte ■ss'^l hat die Dezisoren in große \'erlegenheit
gebracht. Das im Talm. gemeinte ist natürlich das zweite, nur hier
kennt es Amr. — rrc 'pra 'x (Amr. i<nciip) ii5-a ist b. Schabb. 24b
erwähnt, Stud. 35 behandelt. Sehr interessant ist, daß bei Wertheimer,
c^r-T-:: -::\n I, 89 f. als Anfang an-sx ',;•::, zum Schluß rrz^zr. v"- und
r-^xn 2X zitiert werden.
6. Zu Kiddusch vgl. ob. S. 108, JE VII, 483 f. u. Berliner I, 73 ff.
Zur Verwendung des Kidd. in der Didache Klein a. a. O. 216, Riet-
schel I, 248. Text des Kiddusch (für das Haus bestimmt) Amr. 26a,
Fr. II, 28. — 'b'ra n'in Amr. das., vgl. Itt. 177, dahinter die Stücke wie
S. 80 bei Fr. II, 26. — V. S. 145 f. — Wie in Seph. wünscht es auch
Berliner 64. — rnr "z'-pr Ri 152 f., Berliner 45 f.
§ 16. 1. Opferverse Amr. 27a, Fr. II, 38. Für den Sabbat schreibt
Amr. ausdrücklich vor, daß der Vorbeter mit c-ssrn ","2-1 (ob. S. 91)
beginnt. Saadjas Opposition bei Abudr. 44b. — Die Vermehrung der
Psalmen kam daher, daß lange vor Beginn des Gottesdienstes Leute
zur Synagoge kamen und Ps. sangen, erst beliebige, dann bestimmte
vgl. Resp. Lyck Nr. 87, Itt. 248. Die Bräuche waren jedoch verschieden,
danach wurde der Text in Amr. geändert, vgl. 27a mit Mx. 13 u. Fr. II.
38, 47. Auch Ps. 92 bei Itt. 249 scheint einer anderen Quelle zu ent-
stammen, vgl. Nathan ha Babli S. 83. Seph. hat Ps. 122, der nach Manh.
§ 22 im Bethause Josephs ibn Nagdilas in Granada (ermordert 1066 1
üblich war. Zu den in Germ, üblichen Ps. s. Berliner 22 ff. ; daß Ps. 33
außer der Reihenfolge erst hinter Ps. 136 folgt, erklärt Berl. daraus,
daß in der Pesach-Hagada Ps. 33i — 3 hinter Ps. 136 gesprochen wurden,
worauf schon Tos. Pes. 118a s. v. "iin"C hingewiesen ist, wie auch die
.\iiiiirrkiiiif,'i'ri. 531
Drucker dif Nnsc (•iiiziiiinkt'ii iiflcgtcn. Auffulli-iui ist. daU die lli-ilicii-
folgo schon \ . S. (12 so ist. - Kx. Iß wollte Natronai nicht einmal am
Sahbat gosf litten, Itl. 249. — Zu n^ü3 vgl. Jawitz S. 07 ff., der jed(»ch
in der Annahme von J'arallelen zu weil geht. JE IX. 'Mli f. In It. folgt
nou;: erst hinler n^nu;''. so daß von einer Zusarnniengidiorigkeit heidcr
nicht gesproclien werden kann. — Petrus als \ Crf. Li lg. ö, Studien 74,
Uaschi in \ . S. 282. Graelz hat infolge der Legende die Existenz eines
Taitans Simon h. Kaipha angenommen, (ie!=:ch. \' •, 164. — ■ pns'' Ahudr.
45b u. — HftufuuK VMii Synonymen findet sich allerdings iUinlich schon
l'es. X, 5. Der Text liei Amr. 27l> ist weil kürzer als I'r. II. 47. demnach
i.<l vieles späterer Zusatz.
2. Zu 'r-- h;il Anw. 271». l''r. III, 48 eine von di-n Wochentagen
abweithenile Uesponsion -;-2C nan'i"', wieder eine andere Itt. 250, der
streng dagegen ist. — "ttc "px schon Amr. Fr. II, 48. Zu den 3 Einlagen
s. Studien 24 f. Rom. liat neben "(inx hn auch ^^2 sx. — Saad. bei
Bondi 29, Barsilai Itt. 250 f., weiter S. 302. — Toledo O. Ch. 65a, §3,
Tur I, 281, nach Abudr. 48b müfilen die Orte mit rau5 "lOX bxb die
Ausnahme gewesen sein. —
3. nr"2 iT^r"! schon Amr. 28a. Kr. 48. —
§ 17. 1. -Musaf als Zusalzgebet z. B. b. Meg. 22a, wo das verlängerte
Gebet am Fasttag nbsn zp'-2 heißt. — Zu ~rv ~2n s. Urschr. 122, L. Low,
Ges. Sehr. IV, 252; die traditionelle Erklärung, daß I3n Überhaupt be-
deutet. l),'i Weinberg MS XLl, 653 f. ist falsch. — Zeit des Musafg.
Ber. IV, 1 u. b. Ber. 28a, vgl. Mittwoch a. a. O. 30 f.
2. Der Berichterstatter in R. ha Seh. 31a a*. '-an uz- 'z'z:: z- gehört
erst dem 111. Jhdt. an, jedoch die Nachricht ist all. — Zur Entsli hung des
Textes der Mu.saf — Tef. vgl. Rosenthal a. a.O. u. MS LV, 428. — ",i2n ^m
allein genügt nach Raschis Entscheidung völlig, Pard. 55d. — Varianten
zu rnc r^n bei Saad. Fr. 88. Zu tx usw. Manh. §42, O. Gh. 65c § 1;
die Worte fehlen schon Seh. L. § 82, Tanja § 17, aber auch bei Amr. 29b u.
Fr. II, 70. — Genisa vgl. z. B. Bodl. 2716 p. 36b. — Reform vgl. weiter
404, 420.
3. Manh. § 44.
§ 18. 1. b. R. ha Seh. 31a von Jose b. Chalaphta tradiert, der
durch seinen Vater über den Tempelkultus gut unterrichtet war. —
Vorträge vgl. Tanch. hn^ bei Seh. L. § 96, Jalk. Ex. § 408 aus Midr.
•T^aax. Raschi zu b. Meg. 21a s. v. 'ps'^D'iiQ "pxi, G. V. 359. Der Zu-
sammenhang zwischen diesen Vorträgen und vsfxp rinx"! ist Itt. 289 noch
deutlieh zu erkennen; vgl. auch Geonica II, 299. — Prophetenvorlesung
weiter S. 182. — Port. Synagoge in London nach Mifleilung von Dr.
Isr. Abrahams in Cambridge. — It. vgl. Seh. L. § 126. — Amr. Ms. O.
bei Mx. 14, Fr. 100. — Begründungen z. B. Manh. § 60, Seh. L. § 126
1S-1 nr Jes. 498, I. Kön. 1836 ff.
2. Zum Text von rin vgl. Mx. das. Fr. 101. — Alte Ritualien,
34*
532 Anmerkungen.
z. B. Bodl. 2716 p. 36b. — Die selt.samen Erklärungen und Lesartert
zu diesem Stücke bei Baer 262 f., Lewysohn "^-np-a 55 f.
3. Amr. s. G e o n i c a I, 139. Saad. Bondi 30, verschiedene Be-
gründungen bei Baer 265, Fr. 11. 104. — V. S. 113. —
§ 19. 1. Zur Habdala vgl. JE VI, 118 u. Lewy-Festschr. 185 fL
— Verbot jeglichen Genusses b. Pes. 105a. — Zu a-^-rtD Riv. Isr. V,
^8 ff. — Der Satz von Amr. (121 ob.) bei Mx. 15. Fr. II, 117; der Text
ist bei beiden nicht ganz richtig, das ^:-ri55< muß am Schluß der Zeile
hinter ^ro. stehen.
2. Text von Saad. jetzt bei Fr. II, 107, danach könnten die An-
gaben noch erweitert werden; auch unmittelbar A'or der Tef. liest man
dort einen besonderen Abschluß hi'z h'^^'cd ^p-z 5N "xs: ^z Fr. das. u. Bondi
30. — Text der Habdala das. — Maßgebende Autoritäten vgl. die Kom-
ment, zu Seh. Ar. I, 294.
3. Zu Ps. 90 17 vgl. den Midr. zu Ex. 39 43. — V. S. 114.— Zu
^? 'jn'i'i s. Baer 305 ff.
4. In V. S. 116 fehlt offenbar ein Stück, der Text hat viel Ähnlich-
keit mit It.. nur sind die Bitten reichhaltiger, später wurden sie gekürzt.
§ 20. 1. Über den festlichen Charakter des Neumondstages im
Altertum ?. JEXvi. New Moon IX, 243 ff. Zu Sof. XIX, 9 s. Müller, 270 ff.
— Zentralbehörden ergibt sich klar aus dem Streit zwischen Saadja u.
Ben Meir vgl. zuletzt Eppenstein in MS 1910, 316 ff., 452 ff. — Älteste
Erwähnung des IIW "^5 in d'^x'-^ 'o § 103 u. O. Ch. 65b ob. Die "jis^ ^rf
von Seph. finden sich in Amr. 33a als Gebet am Xeumondstage nach der
Toravorlesung; richtiger Text bei Mx. 15.
2. Vgl. Ri 150 ff., Abeles a. a. O.
3. r-^x-cn 'ps^i Tos. Ber. III 10 (76), b. das. 29b, j. IV, 3 (8a), b.
Schabb. 24a. s<:3'ii nbr'^ in Sof. XIX, 7 lautet der Anfang is-inb« 't xsfit
nb:'% vgl. Müller, 269 Note 26. — Text von Pal. MS LV, 439.
4. Nach Saad. (Bondi 34) besteht sisn darin, daß von Ps. 116
nur vs. 12 — 14 u. 19 gesprochen werden. — Rab b. Taan. 28b. — X"^";»,.
die Unterscheidung von ^^;b dürfte, obwohl sie schon bei Saad. vor-
kommen soll (Bondi 34), kaum sehr alt sein. — Amr. 33a. Fr. II, 130,
5. Seit den Tagen Hilleis vgl. Tos. Ber. III a. a. O., weiter S. 248. —
Zu Pal. s. j. Ber. IX, 2 (13d), Ginzberg, -^-ri-i'r 253a u. Ratner 203; Pes.
rabb., ed. Friedm. la Anm. 'n, die übliche Eulogie b. Ber. 44a, 49a schon
im Namen Jehuda ha Nassis. Zum Text von 3'^-rin "^'i'X"; Berliner I, 67. —
Für Sabbat einige nur dort zu findende Einschaltungen bei V. S. 197.
6. n"-> 5C -^-c b. Sukka 54b, Sof. XVIII. 1 vgl. Müller. 250, Note 3.
§ 21. 1. Fasten in alter Zeit s. Levi in REJ X\.\l\. 161 ff. (so
ist statt der Angabe im Text zu lesen), JE Art. Fasting V, 347. Groen-
man A. W., Het Vasten bij Israel, Leiden 1906. — Liturgie um lOOO
weiter zu 3. Die Zahl der Fasttage Ri 124 ff.
2. Ankündigung Amr. bei Mx. 17.
3. Die Liturgie, in nachtalmudischer Zeit Eschkol II. 6. Warn-
.\iitiii'ikiiii;(<'ii. 533
Iiciiii c^^sn ra"p lüT, licsp. n'<":> nTcn Nr. liil, I't'iles, licilraKf 04.
— Zum Priostersegen an Fasttagen s. oh. S. 71.
4, Sof. XVIII, 4 ff. (Müller, S. 250 ff.), Amr. 44a. Fr. II, 268 f. —
Zu S. 129 Text von j. Taan. II vf,'l. Clinzborg, -nmo 174. — ,\mr.
Ms. S. hei .Mx. 27. — In It. kommt für die Eulogie sowohl (|ji> kurze
Fassung o'^bo"!^ nr^ wie hei Maim. als au( h die ausführlichf-re vor,
vgl. (). Ch. — Spanien, so Isaak Alhargeloni hei Tur I, 557; zu P'rankr.
Manli. TTm §26, dagegen V. S. 229. — Klagelieder Sof. X\III, 4 die
anderen Änderungen das. 8 u. XIX, 1. — ■ "iisnn Eselik. II, 17, Manh.
§28, O. Ch. 95d § 16, vgl. Seh. Ar. I, 552 End., 559 4. — Schilfmeerl.
V. S. 226; Manh. das. führt das auf Pal. zurück, und der Einfluü pa-
lästinischer Bräuche auf Italien ist auch sonst erwiesen (S. 9 u. 365). —
Ps. 100 usw. vgl. It. u. O. Ch. das. § 19. — bapnn erst hei Ls.serl. zu Seh.
Ar. I, 5594. — Job vgl. Rom., Kinot zu hause O. Ch. 96a § 20.
§ 22. A. 1. Ausführliche Literatur über Chanukka JE a. a. O. —
Zur Stelle der Einschaltung von r-nx-cn 'fr:^ vgl. Tos. Ber. III, 10. — ■
Der Text der Einschaltung muß nach den Varianten bei Müller, IXLwie
folgt hergestellt werden: ncr p ... m'::^ ^"cx '-[•^jns nriirm nxsE •'0521
nstj"? -^'Z^h TV^*:'. . . . 13^. Zum Streit über die Zulässigkeit des Das vgl.
Tos. Meg. 3a s. v. 'nina, Manh. naia § 25. — Acha vgl. Müller z. St. —
Statt iioQoa. lies tL(f(ioaivrjs. Auch das 'nTTi on''3\anb entspricht I Mk.
14 9 vgl. G. V. 6 Anm. bb. u. zum Text Riv. Isr. IV, 102.
2. 'nn rx -=:•= Sof. XX, 9.
3. Zum Text der Bened. vgl. D'^^BID "^pinpi zu Schabb. 23a, Tos.
Sukka 46a s. v. n-a'wn. — nia ns^a von Mordechai, nach Litg. 486 b.
Isaak; das. 580 wird es vor 1250 angesetzt. Zum Text von rn"ttn u. rria
Baer 440.
B. 1. Zu Purim vgl. die Literatur JE a a. O. — die Estherfasten
auch Sof. XVII, 4 ob. S. 79.
2. "psnn Amr. 37b, Fr. II, 184; dagegen Manh. §23, Tos. Meg. 5b
s. v. D'^-noxa.
3. Die ganze Art, wie der Traktat Meg. eingeleitet wird (ns<ip3 nbyz),
wo nsw schon als die allgemein bekannte Bezeichnung für Esther an-
gewendet ist, die kasuistische Unterscheidung zwischen befestigten und
offenen Städten und die technischen Ausdrücke dafür weisen auf ein
hohes Alter der Einrichtung hin; über die Vorlesung selbst weiter S. 184.
— ^Die Benediktionen als neu zuerst z. Z. R. Aschis (um 400) vorgetragen;
ob die dritte, '{QI, auch am Morgen wiederholt werden sollte, s. V. 218,
Maim. roi,'^ 'n I, 3. Die Bened. isn-in 'x a^n Meg. das. aus derselben^Zeit,
yan "n-« unabhängig davon von Raba das. 7b zitiert; beides zusammen
bei Amr. 36b, vgl. Mx. 18 f. Fr. II, 179. Erweiterung mit x-'sn -iirx zuerst
im Namen Raschis bei Seh. L. § 200; V. S. 214 heißt das Stück taPB
n^rrsrt nc:2 ■'rrx TD^^, Zunz versetzt es in die Zeit der ältesten Er-
weiterungen Litg. 15. — Gemeinsame Rezitation einiger Verse bei Amr.
Mx. 18, Fr. II. 179, wo auch auf V. S. 210, Hag. Maim. zu nss^ 'n ver-
534 Anmerkungen.
wiesen ist. Anfänge von Unterbrechung schon j. Meg. I, 5, lärmende
Störungen Seh. L. § 200, Abrahams a. a. O.
C. § 23. 1. In Amr. Ms. bei Mx. 23 iit\s*Xi yc ^"Z"^ n-c^ s'c; 'sr, "icr —
Die Ausnahme am Musaf n"-i weiter S. 141 ff. — Die Namen der Feste
sind nur angeführt, soweit sie in den liturgischen Quellen vorkommen. —
Zwei Feiertage z. B. b. Meg. 31a, Beza 6a, j. Er. III Ende. — Sabbat —
tef. ob. S. 110. — Gleichlautende Tef. Sof. XIX, 3. — Kontroverse Tos.
Ber. III, 13 (Tisff.). Die Einzelheiten der Tef. für die Festtage sind
MS LV, 436 ff., 586 ff. eingehend erörtert, alle Quellenbelege zu 2—4
sind dort zu finden.
5. In mnD tinx verdient nicht nur der Stil, sondern auch der die
Offenbarung als Zweck der Auserwählung angebende Inhalt — vgl. die
Anknüpfung an Lev. 185 — den Vorzug vor irriT;:: nrx. — Amr. 37b. —
Is. ihn Gajjat nn^u: "^"r'w II, 7. — Gottesreich in Pal. vgl. Judaica,
S. 670. — Zum Text von -ix-^irm s. Ratner 203.
6. '-jin i;s^ Amr. 42a, V. S. 300. — Zu den Opferversen berief
man sich auf Rabs Wort i-omh 'r,s "^minsi 'nxu: "iiiis (b. R. ha Seh. 35a),
das sich allerdings auf die Verse für das Musaf des Neujahrs (S. 142)
bezieht, vgl. die Komm. das. Nach dem Gaon Sar Schalom wurden
die Verse nicht rezitiert, nach Natronai u. Saad. ja; Amr. stellt es frei,
s. Mx. 27, Fr. II, 259; 'nrc ^""-c: II, 26, Geonica II, 112—119, r-p'CE 'rsn
S. 31. Raschi s. V. S. 438 f.
7. Die Baraita auch b. Beza 17a; Raschi z. St. zitiert nn-;-:- c" rx,
hingegen V. S. 299 ebenfalls n':-sn.
8. Zum Text von ^rr-Tr,-? s. c— ro '-^- I, 181.
9. 'iran in Span., ursprünglich nur in Sevilla u. Toledo, vgl. Abudr.
40a. ■ — Die Verse sind bei Amr. 37b noch nicht vorhanden, auch ihre
Verschiedenheit weist auf spätere Einführung hin. — \'. S. 142. —
Zu dem erweiterten Kiddusch für Pesach, den Itt. sogar ""N-p ^"T nennt
(S. 288), vgl. Bondi 32; die von Saadja gestattete Erweiterung hat
Yem. heute noch. Vgl. dazu JQR XW, 591 ff. — Zu den Psalmen ist
Sof. XVIII, 2 -iiai-) "^1^2 X"- r.DS b-o 'stcxnn D"-s^r xsx usw. zu be-
achten und danach Sof. XVII, 11 zu erklären, womit Müllers Bemerkung
S. 252 hinfällig wird. — Die Psalmen bei Amr. 41b, vgl. dazu Mx. 25,
Fr. II, 226. — Hallel (S. 137) Tos. Sukka III. 2 (19523). — Megillot vgl.
Manh. snri 'n § 57 f. — Psalm im Tempel b. Sukka 55a.
10. Zu den Abweichungen für die Mittelfeiertage vgl. MS LV, 441
TTrm\a "i^crir II, 7.
11. a) Die in den Gebeten üblichen Bezeichnungen der Feste,
finden sich schon bei Amr. In Pal. und Sof. ist das 'r~n'|i2'r usw.
ebenso wie das '^s^ riX"':^''? "•" unbekannt, hingegen ist der Zweck der
Feste genannt in den Worten u:ip "'K'^piasT ila wb nniscb. Saad. bei
Fr. II, 199. — Ps. 135/36 als Hallel, Ps. 107 wegen vs. 2. — Keine
c"'?:s< ns^2 V. S. 280 nach n^-irtj nwi; des R. Nissim, Manh. § 52. —
Seder in Synagoge n'''''2Ni , wo als Quelle nniurrs TiXS'U angegeben
AiiiiM'ikuiii;cn. 535
ist. ^ llallfl in l'dlni v^d. da/.u ."^rli. Ar. I, 4S7. Iji-h' ii. di.' K.miiiii.
— Ilallcl iiacli <l('ii tTsli'ii 2 'l'.i^'cn ; weder aus Ariir. iKicIi ans \'. t-r^iltl.
sich Miil Klarlicil. (di an iiiiicn ndcli Ilallcl ^( sa^'l wurde, in s|ifUcrcn
(.Quellen wird es iilierall mit r'rn V(irans',M'selzl. - M. Lciiia \. S. :}(»4. —
Tangel.et w^ iler S. JI4 I.
h) l's. (uS in der ila^ada anf di,- Offenl.arun^' ^^.-d.iilel. l!ut
\. S. ;N4.
c) l's. 7«) we;,M'ii vs. :5. Im 'ralniiid isl V(in den l's. iniiner mir der
Anfanfj genannt, wo sie ciKielen. isl nicht klai-. l in/.üfje Sukka I\', 5.
r)i n Nanieii nr" n:r"i"*n kennt \'. noch nicht, hingegen hereils .Manli.
51"rx 'n §38. - — hie älteste Beschreilaing des Festes in einem Zusatz, zu
Midr. Seh. T. /.u Ps. 172 (128 f.), ilie zugehörigen (lesjuige weiter S. 219 ff.
- \'. S. 444, Manli. das. — Versöhnungstag \{\ !)4 f., S. D. Luzzatto
nr^pn 5:- r,-:- S. 5 f.. IVrliner, nan<ll.. II, 2") ff. — MIncha Hai. Ced.
Ö. 173. — .\. Jahrii. s. Buih d. Frommen, ed. Berlin, §630, Ilarkavy,
Studien u. .Mitt(ilg. \ , 215, Epstein in MSXIAII. 1903, 342 f.
d) b;- "^r-ca usw. b. Iv. ha Seh. 41) u. ö. — Zu Sof. \I\. 2 vgl.
Müller S. 2(>2 f. — Die Verse u. die Eidogie MS L\ , 438 ff. — Kohelet
V. S. 446. — niin s-r^c Taan. 1, 1, Ankündigung Alnidr. SIb. — oira
weiter S. 214 f. — n-.-in rn-^r iieißl im Kommentar des Sal. b. ha Jatom
(XII. Jhdt.), ed. Chajes, S. llö n:-i-n rxr, den bekannten N'amen führt
es zuerst liei ihn <''aiiat 118, Pard. 45b.
§ 24. A. 1. Zum Ursprung des Neujahisfesles vgl. JE IX. •2i'>4,
Benzinger, Hebr. Archäologie^ S. 400, Krauß, Talm. Archäologie II. 417.
720, D. Iloffmann, Das Buch Leviticus 242 ff. B. Jacob, der Pentateuch
365 ff., Eerdmans, Alttestam. Studien IV, 68 und die dort verzeichnete
Literatur. — Zweitägig:.' Dauer R. ha Seh. IV, 4. — Pal. MS LV, 434.
2. Zweimaliges Schofarblasen b. R. ha Seh. 16a; die Begründung
R. Abbahus pcn rx ^^"rs ■'" ist für den Panbabylonismus ein wichtiges
wissenschaftliches Argument geworden vgl. Eerdmans in T h e o 1.
T i j d s c h r i f t , XXXMII, 1904, 20.
3. Idee des Gottesreiches vgl. Judaica S. 672 ff. — Xördl.. südl.
Palästina vgl., R. ha Seh. IV, 5 u. Tos. IV. 5 (2122i). ferner j. das.
IV, 6 (59c) •'•r: p ',:nr '-i2 b'^bsii nz'^v '-r ■;-: nTrs'^: usw. — c""n nw'Tp
und n':""i27 zu vereinigen empfiehlt Simon b. Ganiliel j. das. b. 32a. —
O. Ch. 99a § 1 ist die auch von Landshut h angenommene Ansicht ver-
treten, daß die 3 Stücke mit pni eine kurze Zusammenfassung der
r"-3"c niSTST riiirij-c bilden. Das ist jedoch nicht richtig, der Inhalt der
''.•"Z"! ist schwer, der der 's'^ü gar nicht darin wiederzufinden; wohl
aber stimmt das ganze Stück mit den r*""'?-; überein, in ^■^•zr' ist
die Zusammengehörigkeit wieder ganz deutlich. Der Gedankengang
von ^^trs "r '-l' findet sich bereits Sir. 362 ff., worauf F. Perles in
OLZ 1902, S. 493 hingewiesen hat. — Zu "s-n T^n^x vgl. Riv. Isr. IV, 189,
MS LV, 595.
4. Die für 'C"'^ verwendbaren \'erse Tos. R. ha Seh. IV, 6 — 8
Ö36 Anmerkungen.
{21224 ff.), b. 32 b, j. IV, 7. — Je 3 Verse, wie Pal. auch an anderen Festen
hat, vgl. ob. zu S. 134 u. — Für ':i-:t haben die anderen Riten noch
Ex. 65 (Seph.) Ps. lOSs (It. Rom.) — Pal. MS LV, 595 f. Tannaiten
der Restaurationszeit R. Jose u. R. Jehuda R. ha Seh. das.
5. 'rbr wurde von Josua hergeleitet, was noch Fr. I, 39 verteidigt.
Ygl. mehr hierüber bei Bloch, M. n-:prn n".-n ^"r I, 42, JE I, 336.
Zum Text vom ^r?r s. oben S. 80 f. — Rabs Tätigkeit für den Gottes-
dienst s. S. 267 f. — ■ ^'ST2 ob. 134 f. — Zur Kritik von -51t rrrftt u.rrb;: nnx
die zit. Kohler-Festschrift S. 75. Zu beachten ist. daß mit nnrr ""^^
ein Satz vom Anfang wörtlich aufgenommen ist, wie es am Ende
der Gebetstücke zu geschehen pflegt (s. ob. S. 5 u. 19), daß ferner der
angeführte Vers Lev. 2645 sich auf alle Patriarchen, nicht lediglich
auf Abraham bezieht. N-'^" nsri ob. S. 57. — rrcr: cur"; ohne Erwähnung
der Opfer bei Amr. (Fr. II, 306), Saad. (das. 290), V. S. ä72, älteren
Drucken bei Baer 404. — Eulogie tiiri-n raia bei Saad. (Fr. das.), It. in
Seh. L. p. 137a.
6. Vgl. b. R. ha Seh. Ende, ibn Gajjat I, 28 f., V. S. 352 ff., Sidd.
Raschi S. 78, Ascheri zu n"n IV, 14 g. E., Seh. L. § 290, S. 136a f.
7. Der Text von Er. III, Ende ist nach ed. Lowe, S. 41a zitiert.
In den anderen Texten fehlt das zweite ainn, Rabbinovicz z.St. verzeichnet
keine Variante. — Babjd. Amoräer Rabba vor R. Huna b. das. 40a. —
Pal. Ascheri das. IV, 14 zitiert aus Talm. jer. ■'-f^nx? 'nri-zbrh "ipfi r-:
annnnsirb ■•^^■■cr, die Stelle kommt jedoch nirgends vor. — Eulogie
von Pal. MS LV, 437 f. Text von Sof. nach V. S. 360 (MS. das. 430.) —
Deutschland u. Frkr. V. S. 357 ff., Sidd. Raschi 76; Italien Ar. s. v. atn I,
Seh. L. § 290. Jak. Tam, Resp. ed. Rosenthal, Xr.43— 46. Tos. Erub. 40a
s. V. "p-CT, Beza 16a s. v. "nT-x, R. ha Seh. 8b s. v. n"innr, 35a s. v. x^"^^.
8. Über i-x-^'i-n- s. V. S. 360 f. u. die Noten sowie MS XLVII, 1903,
S. 344 f. — Zum Weglassen von 'nr- V. S. 361 § 322 Ende. — Gerichts-
tag schon b. R. ha Seh. 32b.
9. Vgl. § 8 S. 43, 45 f. Pal. MS LV, 441, 595: lan^T usw. oben
S. 43. 45, 58 f. — S. 147. Amr. 44b (Fr. II, 293). — V. S. 384. — Hai
bei ibn Gajjat I, 45.
10. Saad. bei Bondi 36 (Fr. II, 288), vgl. Amr. 45;«, Manh. n"- § 5.
11. Ps. 47 wird in Germ, noch heute vor dem Schofarblasen ge-
sprochen; Ps. 81 wegen des Anfangs, Ps. 29 wegen des wiederholten
Vp. — Der verschiedene Umfang von 'rsn ":"2X Ri 118. — Die Mär-
tyrer sind in keiner alten Ausg. von Germ, erwähnt, wahrscheinlich erst
nach 1648 aufgenommen worden, vgl. auch Baer S. 111. — Nicht in
Seph. Manh. § 7. — i:s"cxn wert über die verschiedenen Fassungen
s. Ri 141 f. — Fasten ibn Gajjat 43 f. Manh. § 1. — Manh. § 3 "pVssr-
rr^-=s — Selichot Amr. II, 22 ff., Manh. § 25, O. Gh. § 1. —
12. Einschaltungen ob. § 8, S. 43 ff., 50, 57 f. — Selichot Amr. 47b,
1. Elul Manh. § 25, Hai bei Abudr. 70c, vgl. Ri 122. Da nicht mehr des
Nachts gebetet wird, wurden sogar einige Stellen geändert Berliner,
Aiiiin'i'Uiiiic^'cii. 537
l;aiidl). 11, 1*4. S( lioiaibhisrii 1 Khil in l'iaiikr. Maiili. § 24. über
Ps. 27 in (u«nn. Borliiicr I, 2().
B. 1. CIkt dir ICntw i( kliiii^' dir Liliir|,'ic des XcrsölmiiiiRslagcs s.
Stud. 49 ff. r)4 ff.
2. TT da.s. öf). di.' Formel Sifra «Od, .h.iiia III, H j. das. (40d),
1). 3üli, v^d. dazu Müller J., Hesp. (). u. VV. Nr. 144. N::nn nx ::'i'nB3 ']''"!3-
Tos. \', 14. — Ainoräer: Kalt, Samuel, l.evi, H. .!<)( Iiaiian, H. Jeliuda u.
H. ilamnuna. '-;-'3E3 N2n zuerst in H. (). 154, 158 u. Amr. 47a (Fr. II, 339),
Baer4I4r. über die Abfassuiipszeit weiter S. 274. — Zu "ano vgl. Dan. 9ii,
lli 33-.'7, Neil. 933. — ■ j. Joma äliidieli Lev. r. III, 3. — x::n hv bei Amr. 48a,
bei Fr. 341 sehr vermelirt, offenitar (duie Stütze durch die Handschriften.
Nach Or. Sar. II, ij 2S1 liat in Amr. auch schon das alphab. xan ^5
gestanden, jedoch wurde nicht bei jedem Gebet derselbe Text verwendet.
Wahrscheinlich hatte er denselben Text, den wir bei V. S. 391 finden;
zum Text von Germ. s. Baer 417 ff. — 033 3?i schon bei V. das., in den
Gebetbüchern sind Text und Anwendung sehr schwankend, was auf
uroßt- Jugend hinweist, vgl. Baer 418. — - x::it rTi u. xn") Siddur
IJasciii 96. — Eulogie vgl. b. Joma 87 b "»nTQ nnim usw. Saad. bei
Alnidr. 77b; Saad. Text bei Fr. 331. — Unterschied zwischen Vorbeter
und Gemeinde b. das.
3. '^nns "n pai schon bei Amr., ni)wohl es zu den r~"5'2 gehört,
die nur am n"-i üblich sind, ob. S. 141 f. Ein seltsames pal. Fragment,
das die ganzen nrrs^ und das Sündenbekenntnis enthält, MSLV, 595ff. —
Pal. MS L\', 443. — Amr. 47a, nur D'^-nesn ni-^ bei Mx. 34, Fr. II, 344
so auch Saad. das. 328; auch die Eulogie ist bei Fr. das. etwas kürzer. — •
irx-'cm muß in alter Zeit einmal üblich gewesen sein (vielleicht nur
in Pal.?), findet sich aber jetzt in keinem Gebetbuche, vgl. die Erörterung
V. S. 360 f., Manh. "-33 üia § 57, was n"n § 2 widerspricht. — Zu yh-o
vgl. Amr. 47a (Fr. 344), ibn Gajj. I, 61, Manh. § 57 auch über X^-n nbs^;
nach Mx. 35 haben die Hss. von Amr. zu Musaf den Zusatz c-c-x 'jr
^13^. — Zu hrarr ns" vgl. ob. S. 111.
4. Ps. 103 u. 130 wegen |ihrer Zuversicht auf die Sündenvergebung. —
Die Zusatzpsalmen bei Mx. 34, Fr. 346 f., auch in It. u. Seph.
5. Neda weiter S. 237. — Alte Auffassung schon j. Joma \III, 8
(45c); die Änderungen schon bei Amr. — In H. G. 158 schließt T^ -p'i nnx
unmittelbar an rn^^ nrx an. Auch Saad. (Fr. 356) hat nicht -p'a nnx. Eine
Besprechung des Inhalts Kohler-Festschr., S. 75. — "noT nrnnp schon
Amr. 48b; nach Abudr. 78a jedoch vor Mincha.
6. Selichot weiter S. 222 ff., Aboda S. 216 f., 277.
7. Die sehr umfangreiche Literatur zu i-n: p: in JEWl, 539 ff
Protestantische Real-Enzyklop. X, 649 ff. — Der erste Gaon, der Kol
Nidre erwähnt, ist Natronai bei Amr. 47a Fr. II, 342, ibn Gajj. I, 60;
die Gegnerschaft das., zur Herstellung der Texte ist O. Gh. 105d ff.
heranzuziehen. — Jak. Tam. schlägt die Änderung im Namen seines
Vaters vor in seinem -r-n 'c § 144. — Die Melodien y£ VII, 542 ff. —
538 Anmerkungen.
'TCZ 2- in Geigers Breslauer Gebetbuch 1854, Ps. 130 im Berliner
Gebetbuch u. Union Prayer-Book. — Zu rh^-o bi: nn-^a^a in O. Ch. 106b,
vgl. dazu Ri 96.
Ka p. III.
§ 25. 1. Die Toravorlesung in der Gegenwart G. V. 3 ff.. JEWl,
648. — ü'-'-v 'Z"X in Rom. — Die Zahl der Vorlesenden Meg. I\', 1 — 3. —
Das Zitat aus Heines Jehuda b. Halevy. — Segen weiter S. 171. — Aus-
heben usw. S. 173, 198 ff.
2. Moses s. Meg. 111 Ende -n-r 'r'^*; (Lev. 2343)'- 'X'^*: rx n">r^ -r-~
•:z-- nrx- irx == r~T' Sifra z. SL (103b) onb '-^-x nii":: n^n-r -,-zz-z
:-2 -^-'n r-ar:: r'^ar'n nc£= ncs r-rbn rx-ir^s. Sifre Dt. § 127 zu 16i (lOOlj)
IS -pu;"iTn (seil, '-iriis) '"rrs '-rri' rrn-j ■p^.-'n: nn nc^ ^.isx, b. Meg. 32 a -"n
r;DES ncs nrbn e"' br ":-:rr •■■r — ;■ """rx-r '-'■:: '-::••> rnb -ipn n-r-s usw., j.
:Meg. IV, 1 (75a) n-rrj =-;-z- n-rrrr n-rz -,—■ ip -n-u; sx-ur-^ rx -rprn nr-2
nr-; -:t" ':- S'-o ba ibinm c^cin -rx'im. — Esra das. ss-c-b 'ppnn n-.rr
nn:^3 '-':;::i -r^-cnsi '^tc'z n"nra 'p"ftp ini^r, vgl. b. B. K. 82a. — Propheten
s. Mechilta zu Ex. 1522 (45a) nTra 'i'T.p 'm^xä üispTrr c'^x'^nin ünb irprrr
3. Esra vgl. JE V, 321 u. die dort angef. Literatur. — Samaritaner
vgl. A. Geiger in ZDMG XX, 540 ff. = Nachgel. Schriften 111,293,
Büchler 425. — Mischna Meg. 111,7, 8 heißt es . . . ni-isi^sn niTü'nBrj 'piip nos::
snn ni^ii bs '-xct . . . sn bü ■pu:X"!ri -i:: ürn, erst Tos. Meg. IVs setzt hinzu
nosn r'^T^"' bs -iNüi. — Joma VIIi — rr: "^x" ttc "inx snpi d. h. Lev. 16i
u. 2327. — Neujahr nur Meg. III, 7. — Die 4 Sabbate JE IX, 523 f..
Büchlers Ansetzung von C'^bpir gegen die Sadduzäer, ",':t gegen die
Hellenisten S. 426 ff. ist nicht genügend bewiesen. — "r'ip inp-o als
heilige Vorlesung bei Friedmann S. 100, wo auch x-pia x^
Jes. Ii3 so erklärt wird. — Zu Montag u. Donnerstag s. ob. S. 76 f.
u. Tos. Taan. II, 4. — Für Chanukka usw. wird nicht einmal eine
Anlehnung an die Tradition versucht. Die Tos. erwähnt diese Tage
nicht, weil zu den Bestimmungen der Mischna nichts hinzuzufügen war;
daraus ist nicht mit Büchler S. 455 zu folgern, daß sie die Vorlesungen
nicht kannte. — S. 159 "^sb-i-a '"x Meg. IV, 5, b. 24a, Friedmann S. 101 f.:
andere Bestimmungen weiter S. 175. Prophetenkanon vgl. JE III, 146
um 300, fast ein Jahrhundert später nach Cornill, Einleitung. VI. Aufl..
S. 282. — Entstehung der LXX um 250 vgl. Schürer III, 426. — Zu
livuyivojaxovTicg vgl. JQR XIX, 288. — Philo bei Eusebius Präp.
ev. VIII, 7. — Josephus, Ap. II, 17. — Evang. z. B. Luk. 4i6.
4. Neujahr Lev. 2323 — 25, ti^t Deut. 25it — 19. Wenige Verse, eine
Baraita (b. Meg. 21b) lautet nossn r'^rn c^p'Ds '"2 •^r.r.'z ■■'n; später
wurde das auf die Vorlesungen an den Wochentagen bezogen,
aber an der Quelle ist keinerlei Einschränkung angegeben. Wie sehr
häufig bei solchen Verboten muß auch hier angenommen werden, daß
in alter Zeit einmal weniger als 10 ^'erse gelesen wurden, vgl. j. Meg. IV. 2
AiiiiiiiUiiiigi'ii. o39
(75a), Taaii. 1 \ . :{ (()Hl.|. I'rifdiiiaiiii S. lOü. — 21 7 ^ :< Xerst- li. .Mi^. 2:}a.
— Das Zitat (160 ••!•.) aus j. Mc^r. I\, 5 (75b). — R. Meirs. Tos. Mo^. IV, 10,
I). 311); v^l. Sof. X. 4, wo mir ikkIi dii- Ansicht H. Jchinlas iiiilf^'clt'iil ist.
Die Borccliiumtf hei Ffit>diuaiiii 100. 'I'os. .Mc^'. I\', IK r"C2 •r~""C^ TX
n~i"rn r'C:: .~SDn. — t bilden 3 jjUiri^cn Zyklus im .Midrasrh vgl. bi'soiidiTS
Tlu'udur a. a. O. — Massoia (\. \. '.\^. Krifduuiiin 202 ff. — Das Ver-
zeichnis der Sedariiu in der II. Üalibin. Uibel, Venedij? 1523, 'XSTn r~2nia
bei Ihn Sappir II, 22S» ff. u. .luurn. Asialique 1870, .\r. (i, Kinfer,
B^s'-rrn' ri—rn r— o'a S. :Ji», Büchler 431. — Midrasch 155 n:p Esth.
rab. Anf^. — Die Babylonier erwähnen nirgends ausdrücklich den ein-
jährigen Zyklus, aber nach dem Oange der Diskussion in b. Meg. 29b
muß er vorausgesetzt werden. — 54 Paraschen G. V. 4, Friedmann 261. —
Benjamin r"rD"2, ed. Asher, 98, Maim. nisn 'n XllI, 1. .\braham M.
bei Büchler 8. 421. — Sambari in Med. Jevv. Chroii. 1. Ils. Kabbiner-
vers. vgl. Protokolle und .Vktenstücke S. 127; eine Einteilung dazu schlug
unter Berücksichtigung der Massora Herzfeld das. 320 f. vor. Auf die
Tabelle im Gebetbuch des Tempels verweist Salomon das. 65, eine andere
gab A. Geiger in seinem 1854 veröffentlichten Gebetbuche. — Geiger
beantragte in P'kft., den einjähr. Zyklus beizubehalten, aber am Sabb
nachmittag anzufangen und fortlaufend zu lesen (Protok. S. 125), das
wurde fast einmütig abgelehnt; nach seinem ?^)rtgang wurde das in
Breslau eingeführt, aber mit der im Text angegebenen Änderung, daß
mit der neuen Parascha am Sabbatmorgen angefangen wird; der andre
Modus u. a. in Berlin, stets die ersten Verse der Sidia in München. —
In Amerika sind, wie Dr. Rosenau in Baltimore mir freundlich mitteilt,
die Bräuche sehr verschieden, die im Inion Prayer-Book mitgeteilt •
Auswahl wird keineswegs überall verwendet. — 3V2 jähr. Zykl. G. V. 3 f
Chili. Nr. 48, S. 42. Agada j. Schabb. XVI. 1 (15c) vgl. Friedmann 170 ff.
die richtige Erklärung. — Chanina Lev. r. III, «5. Esth. r. 111. 0 steht
dafür xnx '-" ni-s xr:n '1. Chanina I). Acha lebte erst im 1\ . .lahrh.
(Bacher, Agada d. pal. Amr. III, 680^, Proömien 84). Der in Frage
kommende Vers kann nur Lev. 3io .sein, da mit 3» eine Perikope nicht
beginnen dürfte.
5. Xuni. 28i ff. kann nach b. Meg. 2!)ii mit c-rp-r zusammenfallen,
demnach muß es im Frühjahr gelesen werden; da es zum dritten Jahres-
zyklus gehört, der nach Zunz mit Xum. 10, nach Büchler mit Num. 622 be-
ginnt, läßt eine solche Möglichkeit sich nur dann vorstellen, wenn der
Zyklus im Herbst begonnen hat. Damit ist Büchlns Theorie eine der
wesentlichsten Stützen entzogen, denn ihr Ausgangspunkt ist der Beginn
des Zyklus am 1 Nisan (a. a. O. 432 ff.). Die Verteilung der Sedarim auf
die einzelnen Sabbate und Feste wird von B. mit der traditionellen Chrono-
logie in Übereinstimmung gebracht, deren Angaben nicht willkürlich,
sondern daraus entnommen seien, daß die betr. Erzählungen an den ent-
sprechenden Daten vorgelesen wurden. Dann ergibt sich jedoch die
Schwierigkeit, daß die Ableitungen jedesmal nur in demjenigen Jahre
540 Anmerkungen.
des Zyklus gemacht sein können, in dem die Partie vorgelesen wurde,
d. h. die Chronologie der Sintflut im ersten, die des Auszugs aus Ägypten
im zweiten, des Todes Mosis im dritten Jahre. Es wäre jedoch seltsam,
wenn das ohne Widerspruch hingenommen worden wäre, zumal nicht
immer die Meinung ein und derselben Autorität befolgt wurde, bei der
Sintflut z. B. richtete man sich nach R. Elieser, beim Tode Mosis nicht.
Die vier ausgezeichneten Sabbate sollen eingerichtet worden sein, um
die Lücke zwischen dem 7. Adar, an dem Deut. 34, und dem 1. Nisan
an dem Gen. 1 vorgelesen wurde, auszufüllen. Diese Lücke entstand
aber nur jedes dritte Jahr, und die vier Sabbate wurden jährlich ge-
feiert! Ebenso wäre es mit den Festen gegangen, an denen ja in den
drei Jahren jedesmal ein anderer Abschnitt an der Reihe gewesen wäre!
Nach den Quellen ist die Vorlesung an den Festen und vier Sabbaten
älter als der feste Zyklus. Daß die alten Festabschnitte der Mischna
durch diejenigen Perikopen verdrängt wurden, die bei ihrer Wiederkehr
an der Reihe waren, ist nicht bewiesen; nach Büchler selbst wäre es nur
für Pesach und Schowuaus, keineswegs für die drei Herbstfeste durch-
geführt. Wenn es konsequent nach dem alten Midrasch ginge, müßte
Gen. 3022 am Neujahr, Ex. 402 und Lev. 922 am 1. Nisan gelesen werden.
Sehr willkürlich sind auch die angenommenen Jahresformen, und die
Länge der Perikopen wird je nach Bedarf ganz verschieden angesetzt.
Es muß dankbar anerkannt werden, daß Büchler sich durch den ener-
gischen Hinweis auf den dreijährigen Zyklus und den Nachweis seines
langen Bestehens ein hohes Verdienst erworben hat, die Einzelheiten
seiner Ausführungen aber, so scharfsinnig und bestechend sie auch sein
mögen, halten näherer Prüfung nicht stand. — Paraschen G. V. 4, Ver-
schiedenheit der Einteilung vgl. Loeb in REJ VI, 250 ff., Derenbourg
das. VII, 146 ff. — Die Regeln Jehudais H. Ged. S. 617 ff., ^x^ 'rt 132 f.,
Amr. bei Mx. 20 ff.. Fr. II, 187, ':r:5x-i h-c "min ed. Gh. M. Horo-
vitz I, 38 ff., V. S. 203 ff., 221 ff., und an den dort erwähnten Quellen;
aus der häufigen Übernahme mit und ohne Angabe des Urhebers ersieht
man ihre allgemeine Anerkennung. — '"^pcs- brb Meg. III, 6. Die
eingeklammerten Worte geben keinen Sinn ; r"*- nicht, weil von den
Festen bisher keine Rede war und kein Anlaß vorliegt, e i n Fest heraus-
zuheben (Die Schwierigkeit schon bei Tos. das. 29a s. v. psb, jedoch ist
die Lösung ra\L"n nTn? ?n«; i"i-ir< nr^:: •'^iiisn 3"s nicht annehmbar) ;
ni'i^sa nicht, weil sie das ganze Jahr hindurch täglich stattfanden
und demnach an keinem Wochentage die richtige Perikope gelesen werden
konnte. Der Talmud läßt b. 30b in der Diskussion diese Worte unbe-
rücksichtigt. Obwohl sie in allen Manuskripten stehen, müssen sie als
Zusatz gestrichen werden, sie sind durch Assoziation (7^3 mm^ vgl.
dazu Margulies in R i v. I s r. I, 4 ff., II, 3 ff.) aus Taan. IV, 1 hierher-
gelangt. — Rab b. Meg; 29a, wahrscheinlich hat er das aus Meg. Taan. I
kombiniert; sonst ist nirgends eine Spur davon zu finden, daß Num. 28
zu =i^pa gelesen wurde. — Jehudai vgl. z. B. V. S. 203 ff. — Auf die
\llllli||<|l|l)r|.||. 541
.'iinoräisclic Aiisiclil (S. 164 t)l».) weist srlidii d\r .MriiiuiiK U. .liiiiicjas
-rn X"n r'.-:;Bn -nob (30b) hin; Suf. W II. 3, 8 ist os Ijoroils so verordnet,
vpl. Müller (las. 234. - Neninoiid ii. C.han. Mef^. III, 8. — Sabbat-
nachm. Uomife mir am \ eisoliniinffslaj^e ausfallen, vjjl. ob. Tos. zu
b. Moff. 21»a. W (.tlienla^e Sof. WII.S. Fasllaj<e Mep. das.
Tos. I\', «J. Sul'. \\ 11, 7 l;U.U 'Vsp ':-r nur an den Kegenfaslen und dem
9 Ab lesen, sonst Ex. 32u ff. (Jeitnini s. Sar Schalom bei Amr. Mx. 16,
Fr. II, 155 ff. (wo jedoch ein andrer Text vorliegt), Natronai in II. (). 623,
Resp. (^h. C.en. Nr. 4. Auffallend ist die von HN zu Taan. I mitgeteilte
Ansieht des Gaons Paltuj, daß an den Fasten nach den Festen (S. 127)
am Morgen die laufende Perikope, erst zu Minclia hw^ gelesen wird. —
Lev. 26i4 Sof. XVII 7, Midr. Threni. r. Proöm. 27. — Minchavorlesung
erst bei Amr. Mx. Fr. das. — XIII. Jhdt. Or Sar. II, 161a. — Zu kurz
(S. 165), da 5x3 Verse notwendig waren; zweite Feiertage, in b. Meg. 31
stets •'^r i-n Xi-XT Nll'^xm. — Für Pesach Tos. Meg. IV, 5, Abbaje
b. 31b. — Gaon. Zeit z. B. Amr. Mx. 25, Fr. II, 227.— nbwi nach S.
Olam Cap. \'. — Sabbat der Festwoche von Huna im Namen Rabs
b. Meg. 31b. — Wochenfest Tos., j. Meg. das. — Neujahr das., b. das.
Midrasch b. R. ha Seh. IIa. — Hüttenfest Meg. 111,8, Tos. a. a. O.,
b. j. das. — Für die Zwischentage bestimmt Tos. IV, 8 das Opfer je
eines Tages, also Num. 29i7 — i», 20 — 22 usw., jedoch schon b. Sukka 55a
sind für das Musafgebel die Verse von je 2 Tagen vorgeschrieben. —
Jehudai H. G. 619. Amr. 51a, Fr. II, 380, Raschi in V. S. 442, Manh.
sn § 47; \'. u. ^lanh. das. aucli über '- ':rc'n. — Schlußfest. Der
richtige Sinn von a-pn ms"a. ist, wie N. Brüll, Jahrbücher II, 120 be-
merkt, durch Hai Gaon bei ihn Gajjat I, 117 gegeben; danach sind die
drei Worte M n e m 0 n i c a für 3 verschiedene Perikopen, die in ver-
schiedenen Gegenden an dem Tage üblich waren, nis^a = Dt. 30 11
a'^pn = Lev. 263 ff., -•== = Dt. 15i9 ff. Tatsächlich fehlen in mehreren
Talmudtexten die Worte -115;:!-!^=. Raschis Neuerung (Pard. 45b,
V. S. 445 f.) w'ollte dem jetzigen Texte Genüge tun. Amr. kennt an allen
Wallfahrtsf. nur ":-n « (51b). — Schlußfest nur Dt. 33, 34 noch bei
.Vmr. 52a. — Jehuda al Barz. Komm, zu Jezira 166, Saad. das., nach
Büchler a. a. O. 463 hätte sich auch Saadja dagegen erklärt. — b. Ber. 8b
^^•Sbi x^""i "^31":!: xrir xs-^n sr,i"c~S5 "nr^ib^rxb "SO vgl. Halberstamm
in rn-J-i-n 'O 152. — XII. Jahrh. vgl. Pard. 45b, vgl. JE XI. 364 f.
— Mincha am Sabb. Meg. IV, 1, am ^"T b. 31a. — Nicht klare An-
deutung (S. 168) b. Schabb. 24a u"r2 nn:^2 x"'33 -px rri: X3"2bxc
Da nie Propheten ohne Tora gelesen werden, müßte eine solche Vor-
lesung angenommen werden; tatsächlich vermißt eine solche Or
Sar. II, 20b u. Nach Sof. XI, 5 wird die Perikope des Sabbats vor
dem Feste gelesen, das kann sich natürlich auch auf einen Festtag be-
ziehen, der auf Sabbat fällt. — Fasttage s. ob. S. 164. — Von den Z u -
s a t z perikopen wissen die Baraitas noch nichts, wohl aber setzt die
amoräische Diskussion ihre Einführung voraus, vgl. das Verfahren,
542 Anmerkungen.
das j. Meg. III, 6 (74b), Taan. IV, 1 (67c) u. b. Meg. 29b empfohlen
wird. — Bedenken gegen das Rollen der Tora j. Meg. IV, 5 (75b), Jo-
ma VII. 1 (44b), Sof. XI, 3. Im pal. Talmud wird a. a. O. erwähnt, daß
eine Tora nach der anderen gebracht wird, im babyl., daß am 1. Adar
u. 1 Teb. am Sabbat 3 Rollen verwendet werden (Meg. 29b); von Je-
hudai an aber finden wir es überall so H. G. 618, 621, vgl. auch Tos.
Meg. 30b s. V. ixiai. — Daß keine Tora vorhanden vgl. z. B. Eschkol II,
52, O. Ch. I. 23b, § 5, dagegen V. S. 89 f.
6. Erläuternder Vortrag s. § 28, 29. — Zahl der vorlesenden Ge-
meindemitglieder Meg. IV, 1 — 3. — Mindestmaß Meg. IV, 5, 10 Verse
b. 21b. — Purimperikope j. Meg. IV, 2 (75a), j. Taan. IV, 3 (68b), Tos.
Meg. 21b s. V. -pnms -px. — -rTsn b. R. ha Seh. 31a Y'"' "'^, vgl. j. Meg. 111,8
(74b); die Tradition darüber Sof. XII. 7. Amr. Fr. II, 191, Mx. 22, Raschi
u. Tos. in R. ha Seh. a. a. O. — Schluß eines Absatzes Tos. Meg. IV, 17
(226i9j, b. 22a; die Ausdrücke pDiS u. sb'l b. das., Taan. 27b, "^n':n
u. ^Tin j. Meg. IV, 2 (75a); j. Taan. IV, 3 (68b). — Xeumondst. (S. 179)
zuerst vor Raba erörtert b. Meg. 21b. — Unheilvoller Inhalt 'ni'r y^'.'S
::tj -=-:: snini sia ^si2 nn-s j. Meg. III, 8 (74b). — Die Tradition
über die Abteilung zeigt sehr viele ^'erschiedenheiten, vgl. dazu Finfer
a. a. O. S. 37.
7. Exilarch im X. Jahrb., vgl. Nathan ha Babli 84, sonstige Lite-
ratur bei Ratner zu Joma S. 75, Ri 54. — Frauen Tos. Meg. IV, 11
(2264), b. 23a. Minderjähr. Meg. IV, 7, Tos., b. das., Sklaven j. IV, 3
(75a). — Barmizwa s. Low L., Die Lebensalter S. 210 ff. JEU, 509 f.,
die Einrichtung reicht ins XIV. Jhdt. zurück. - — nn"s Meg. IV, 7,
Stud. S. 11, Anm. 1. — Leiter d. Gottesdienstes Tos. Meg. IV, 21 (227io);
Diener das., statt p t n ?a -?:■:? nnxi liest Amr. unp^, Itt. 272 jedoch
■(•rn^, was richtig sein dürfte. — Sof. XI, 4, Art des Aufrufens Amr.
Fr. l, 396. Schon Or Sar. II, 19a bemerkt, daß das Aufrufen dem Tal-
mud unbekannt ist. Wie es später geschah, vgl. Meir Rothenb. Resp.
Prag Nr. 108, Lewysohn 'a•:^r>z■Q "^^'p^s S. 57. — Lasen selbst, nur
das ist mit der talm. Redeweise "i'^^'p od. r'"p3 'T^irw frr u. ä. gemeint. —
Kundige vgl. Tos. Meg. IV, 12, j. IV, 3. — r-irs Tos. das. Philo. De
Septen. VI (M. II, 282, CW V, 101) u. bei Eusebius, Praep. ev. VIII, 7. —
Philo (S. 171), Legatio ad Cai. § 31 (M IL 577); nirgends ist der Miß-
brauch, den christliche Gelehrte mit dem Ausdruck Gesetz als Über-
setzung von Tora treiben (vgl. z. B. Schürer II, 493) so deutlich wie an
dieser Stelle. Über diesen Mißbrauch vgl. jetzt auch T. R. Herford,
Pharisaism S. 56, deutsche Übersetzung von R. Pcrles S. 49. — Kan-
tilene b. Meg. 32a, weiter S. 503 f. — Babylonien Chili. Nr. 47, S. 41,
Amr. 29a, Fr. II, 67 vgl. auch Resp. S. T. Nr. 59. — Balkanländer,
Italien Or Sar. II, 20a, vgl. IIa; Deutschland das. 19b, Spanien vgl.
Itt. 264; Frankr. Pard. 8b, V. S. 98, Eschk. II, 68. — Amr. 24a, Ms. O.
Mx. 12 ob., Fr. I, 397 u. — Knaben Low das. 211 f. — Neuerer Vorschlag
von Graetz in MS 1869, 398 ^^ Vorträge im jüd. theol. Verein, 46. Hier sei
AllllIrlUllIl^iMl. Ö43
aikli (iic Sillf t-rwaliiil, daU die (iciiirimlc l>i.s\vcilcii vom \ urltotcr f^f-
Icseiie N'crse wiederholt odor vorher sprirhl , nach Saad. sind es 10 Verse,
lilx'i' die man sich jcdin li spilfcr iiiclit it« lit klar war, \a\. lOscJik. II, (jn.
l;i'S|.. Hark. 208.
'rn r:-:: j. Hi r. \ II, 2. Zu .Mc^'. 1\, 1 \^\. h. 211) nr-En x:n n.sw.
iSi) hall (S IKK h Kai) das. 22a, dort jedoch ist bereits auch die jetzige
Sitte erwiihiit. Die Stücke, welche schon früher mit Benediktioricii
fjcsprocluMi werden mußten, j. Meg. III, 8 (74b). — Über die Erwiderung
-;"«-'2 Sind. 19 f.. Saaii. in Ivschkol II. r»H, Oeuvres IX, KiO ob. — Zu
Sof. .\11I. H vti;!. Müller 180, Note 41. ()r Sar. II, 21a ob. -n: rnx
crinnerl an die Boned. für Propheten, der übliche Text Amr. 24a. Fr. 1.
397.
9. Philo s. ob. Nr. 7. — Verzicht (S. 173) verboten b. Oit. 59b. —
Levit 'b"'2nn m^sro das.. vgl. die Kommentare z. St. — Hab b. Meg. 22 a,
lluna Git. das. — Exilarchen usw. s. Nathan ha Babli 84. — Frankreich
Or Sar. II, 19a, der sich dagegen erklärt; wahrscheiidich geschah es,
damit der Rabb. als letzter die Tora zurollte, vgl. dazu b. Meg. g. E. —
lU'form. Gemeinden vgl. weiter S. 423. — Verpflichtet, das nannte man
=-^rn vgl. dazu Low L., Ges. Sehr. V, 28. — 'fX^n Low, Lebensalter 187.
— Geldzahlungen. auch\'ersteigerungen, vgl. dazu Low, Ges. Sehr. V, 29
unt. Die Versteigerungen fanden keineswegs überall statt und haben
mit der jüdischen Religion nichts zu tun; sie verraten demnach nicht den
kapitalistischen Geist der jüd. Religion, wie W. Sombart, Die Juden u.
das Wirt.schaftsleben S. 248 f., i)ehauptet. In Kairo war das Recht auf
tlen Kauf der Synagogen-Funktionen z. T. erblich Ri 56. Or Sar. I, 21b.
§ 1 15 wird von einem Streit w^^gen des Aushebens und Einhebens berichtet,
die manche nur dem Vorbeter vorbehalten wollten. Das. wird berichtet,
daß manche sogar dafür bezahlten, den Mantel beim Zurollen reichen zu
können. — Schäden s. Lewysohn, Mekore 39 f.
10. Rolle vgl. Blau, L. Althebr. Buchwesen 38 ff. — das. 65 über
unvollständige Exemplare, "püiain verboten j. Meg. III, 1 (74a),
unentschieden b. Git. 60a, aber Rabba und R. Josef sind dagegen. —
Mittelalter, Not s. ob. zu S. 168. — Ausheben Joma VII, 1, Sota VII, 1,
nsTi weiter S. 469 f. — XII. Jahrh. Or Sar. s. ob. — Hagbaha in
Riessers Zeit.schr. Der Jude 1832. Nr. 14, eine hebr. Übersetzung S. D.
Luzzattos ist in V'tü "'^^^u; S. 232 veröffentlicht, vgl. MS 1900. .546 f.
§ 26. 1. «•'Srs "::s^ Meg. IV, 3. Mittelalterl. Erklärung dazu
z. B. Manh. rri' § 35. — Rapaport, Erech Miliin s. v. xr— jsx S. 167.
Bacher, Exeget. Terminologie II, 14, mehr Belege für xrr^brx Büch-
ler, S. 7. allerdings mit unrichtiger Erklärung.
2. Elia Levita Tischbi s. v. ^:;S3, ältere Aut. z. B. Abudr. 47a, -,-;■!-;•:
^■^232 Meg. IV. 5, vgl. Tos. das. IV, 18, 19; überall ist gestattet, die
12 kleinen Propheten (-c? n^iir br X"n3) außer dem Zusammenhange
zu lesen. — Ein Prophetenbuch z. B. Kleine Proph. s. ob. oder Je-
saias Luk. 4io. vgl. auch weiter 7- Daß ursprünglich nur Haftaras au.«-
544 Anmerkungen.
Ezechiel gelesen wurden, wie Büchler S. 7 ff. al.s .sicher voraussetzt, läßt
sich nicht beweisen; soweit unsre Quellen reichen, finden wir Haftaras
aus allen Prophetenbüchern. — Das Alter der Prophetenvorlesung
(S. 176) muß aus den im Text angeführten Erwägungen höher angesetzt
werden, als bei Büchler S. 2 ff. geschieht. Eine Neueinrichtung von
solcher Tragweite im ersten Jahrhundert müßte irgendwo in den Quellen
erwähnt werden.
3. Von den Amoräern werden nur wenig Haftaras festgesetzt;
R. Huna tut es im Namen Rabs u. Abbaje berichtet über einen Brauch
seiner Zeit (b. Meg. a. a. O.). Von den Mincha Haftaras kennt der Talm.
nur die des Jom Kippur; über die anderen vgl. weiter Nr. 10. — Nach
Büchlers Auffassung, S. 11, war Luk. 4i6die betr. Stelle aufgeschlagen,
der Maftir konnte sie nicht frei wählen. — Sabbathaftaras (S. 117) nennt
der Talmud nur für solche Tage, an denen auch eine andere Festlichkeit
ist, wie z. B. für den 1 Ab. Auch die Haftaras für die Feste haben vielfach
gewechselt, wie sich aus den Regeln Jehudais und aus V. ergibt.
4. Auslegung vgl. z. B. b. R. ha Seh. IIa insn . . . !T:ps: riicrt cx-2,
die Beziehung von Hab. 3 auf die Offenbarung. — Eine Liste der Haftaras
für die Sedarim von Gen. 5 bis Lev. 4 nach dem dreijährigen Zyklus
ist zuerst durch Büchler in JQR VI, 39 — 42 veröffentlicht (vgl. das.
46 f., 49), eine andere für die Sedarim von Num. 22 bis Deut. 1 durch
E. N. Adler das. VIII, 528 ff. besprochen worden. Listen für den ein-
jährigen Zyklus finden sich bei Maim. nipsn 'o Ende sowie JE VI, 136f.
und in jeder besseren Textausgabe des Pentateuchs oder der ganzen Bibel.
Es ist ein Verdienst von Büchler, die Listen aufgefunden, zugänglich
gemacht und auf die für die Einführung gerade jener Haftaras maß-
gebenden Gründe hin untersucht zu haben. Was aber in seinen Aus-
führungen darüber hinausgeht, insbesondere sein Versuch zur Ermittlung
der Haftaras für die Feste und die ausgezeichneten Sabbate kann ebenso-
wenig angenommen werden wie seine Hypothese über die Toravorlesung,
die damit im engsten Zusammenhange steht. Daß erst sehr spät
feste Haftaras eingeführt und die üblichen oft nicht gelesen wurden,
lehrt die gleich folgende Äußerung Hais. Aus letzterem Grunde muß
auch der geistreiche Versuch L. Venetianers (Ursprung u. Bedeutung
der Proph. Lektionen ZDMG LXIII, 103 ff.) zurückgewiesen werden,
dem sich das weitere Bedenken entgegenstellt, daß auch das katholische
.Meßritual in der heutigen Form erst sehr spät nachzuweisen ist. Zur
Verschiedenheit der Haftaras vgl. auch L. Low, Ges. Sehr. IV, 247. V. 29.
5. Worms s. Pard. 61d. — Das Zitat von Hai bei Itt. 279. — Lite-
ratur zum Haftarazyklus von 17 Tamm. an bei Zunz, G. V. 199 ff., Büch-
ler 69 ff. Der Zyklus muß babyloni.?chen Ursprungs sein, weil die unter
palästinischem Einflüsse stehenden Haftaralisten ihn keineswegs be-
rücksichtigen. Büchler folgert S. 64 aus der bloßen Tatsache, daß der
babyl. Talmud keine Trosthaftara erwähnt, daß solche dort unbekannt
waren, daß Rab die Straf haftaras Jes. Ii4 u. 21 aus Palästina mitgebracht
All iiu'rkiinjj:«'!!. 545
lialii'. 1 )ciii ;irLCiiiiiiiiliiiii >■ ^ilciitii» sieht liier die liesdiidcre Scliwierij^-
keil t'iil^e^'eii, (lall der pal. 'ralmiid iiherliaiipl keine ilaftaras nc>nnt.
Auch (lif alliiiahliciie lOiilslehiiii^' des i^Mii/.eii Zyklus, wie B. sie sich
denkt, ist sehr wenig wahrsclu'iniich; unsere Kenntnisse davon sind so
i^'ering, daß si(> nicht einmal für Xerinutuuf^en ausreichen. Die Zeit der
Hildung dieses llat'lai a/yklus tnul.! iimneriiiii snwejt hinaufreichen,
daß die Kariler ihn ohne Bedenken annehmen konnteM: Zunz sel/.l die
l'esikla bereits um 700 an. ('.. \'. 207-
(). Die \'erszald für liaflaras ist in di'r Mischna niciit bestimmt,
die Toseftastelle Meg. 1\ . IS.— 21. \ erse b. .Meg. 23a, j. IV, 2 (75a). Aus-
nahmen das. Auffallend ist, daß Sof. XI\', 1 von 22 Ver.sen spricht.
l>ie llaflaralisten (s. dl).) geben stets Anfang' und l']n<le an. fii^'en hiiiifi^'
hinzu i:;rs 'pp'DS. d. li. nur 2 Verse.
7. xr~::EX "SC b. (lil. (iOa. vgl. Blau, Althebr. Buchwesen S. 65 f.
(legenteil. Stimmen z. B. Paltuj bei Eschkol II, 51 f. — Hai (S. 179)
bei ibn Gajj. I, 105, Itt. 271. — Mohamm. Länder vgl. Seh. L. 15b. —
Berühmtes Exemplar vgl. Pard. 62a. — Haß dii^ Haftam aus einer Holle
gelesen wurde, habe ich nur einmal in Frankfurt a. .M. gesehen. Nach
Finfer a. a. O. III. 84 f. werden sie im westliehen Itußiand liberall ver-
wendet.
8. .Alaftir liest aus der Tora b. .Meg. 2:}a rr'r "riz "".fz. — Da er ein
bereits gelesenes Stuck noch einmal las, konnte die Frage entstehen,
ob er mitgezählt wird (das.). — In Seph. und It. wird auch zur Maftir-
perikope zunächst ein andrer aufgerufen und dann erst der Maftir noch
einmal. — Minderjährige vgl. Resp. Lyck Xr. 94 = S. T. Nr. 60. —
Besondere Abschnitte z. B. Jes. 1, Ez. I, I. Sam. 1. — Barmizwa vgl.
Low, Lebensalter. 212.
9. Älteste Erwälinung der Benedikt ionen b. Pes. 117b, Schabb. 24a.
— Amr. 29b vgl. jedoch M\. 14, Fr. II. 69 f. — V. S. 158. — Den Schluß
der III. Bened. ^TT'Tp ca2 "'S bis nin '^^ zitiert schon S. T. zu Ps. I825
(77b). — Die Änderung der Formel rrcn rip^a ist gegen b. Schabb. 24a.
- S. 182 '.:■} -rm liest auch V. S. 304. — Pesach vgl. Or Sar. II, 128b,
MHRIL20a. — Natronai bei Amr. 43b. — Vgl. S. 394 ob. — Zu den
Benediktionen vgl. auch R i v. I s r. IV, 128 ff., REJ LVII. 179.
10. Babyl. Hochschulen vgl. Resp. Ch. G. Nr. 95, Geonica II, 322.
Nr. XXVI; Itt. 250, 289; vgl. Raschi u. Maor zu Schabb. a. a. O. —
Andere z. B. J. Tam in Tos. das. s. v. xb'sssr. Jeh. b. Barsilai meint,
daß '^s:n eni statt 2*:: trn zu lesen ist. — Bei Amr. kommen die
Mincha-Haft. noch nicht vor, die betr. Stelle in MS. O. bei Mx. 17,
Fr. II, 156 ist sicher ein späterer Zusatz, widerspricht auch dem, was
Mx. das. zu Zeile 11, Fr. 157 mitteilen 53= ■p-.'^::£?3 "(-x snba !-tn:?32. —
Ibn Gajj. i, 23; X"*-! zuerst Sof. XVII, 7 erwähnt, aber der Text ist
dort sehr unsicher vgl. Müller S. 243, Note 26. und es ist nicht klar,
ob die Haft, am Morgen oder Nachmittag gemeint ist. — Zu rö's ^■'listj
vgl. b. Meg. 23a, j. IV, 3 (75a), Sof. XI, 4, H. G. 622. Alfassi entscheidet
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. 35
546 Anmerkungen.
nb"" xr^bn"; entgegengesetzt Itt. 272, der sogar vermutet, Alf. hätte
es zurückgenommen. Auch Pard. 8b läßt auf rtbis schließen, derselben
Meinung ist J. Tarn in seiner sehr heftigen Polemik gegen Meschul-
lam b. Nathan Resp., ed. Rosenthal, Nr. 45c, S. 81 ff. Or Sar. II, 157b.
11. Frankfurter Rabbinervers. S. 137. — Seltsam ist, daß die
Berliner Reformgemeinde die Vorlesung aus den Propheten völlig ab-
geschafft hat. Wie ich authentisch erfahre, soll sie demnächst wieder
eingeführt werden.
§ 27. 1. Hagiographen- Kanon s. JE 111, 147, wo dessen Abschluß
in die Zeit Joh. Hyrkans gesetzt ist; die kritische Schule setzt ihn um
200 Jahre später, das. 149. — Zu Meg. II, 4 vgl. Tos. Meg. I Ende. —
Bereits Saadja erwähnt die Sitte, einzelne Verse von der Gemeinde mit-
sprechen zu lassen, Amr. Mx. 18, Fr. II, 178; Seh. L. §200 gibt zur
Begründung an, daß man den Kindern damit eine Freude machen will.
2. Alte Bibelexemplare vgl. JE III, 144. — Massora s. Müller, 201,
Note 70. — Benediktion Sof. XIV, 4. — Klagelieder s. ob. S. 129. —
Kohelet z. B. Manh. sn § 57.
3. Verbot an Sabbaten b. Schabb. 115a, j. XVI, 1 (15b). — Noch
Natronai bei Itt. 289 erwähnt die Sitte dieser Hagiographen-Vorlesung,
und fast scheint es, als ob Itt. sie auch noch aus seiner Zeit kennt. —
Rapaport Er. Mill. S. 171 f. — 'rx'^!:: nnss G. V. 268, eine neue Ausgalie
hat S. Buber 1903 veranstaltet.
§ 28. 1. Zur Bedeutung von m'in vgl. die Liter, bei Gesenius
Handwörterbuch, XV. Aufl., S. 882; das Wort ist Denominat. vom assyr.
targumänu, Dolmetscher. — Zu den and. Übersetzungen vgl. L. Blau,
Zur Einleitung in die Heilige Schrift, 84, 91. — Zidkia Seh. L. § 78 (29a),
über Giuda vgl. M. Steinsehneider, Giuda Romano im Buonarroti 1870,
JE X, 444.
2. Zur Form ya^n usw. vgl. Bacher, Exeg. Termin. I, 206. —
Zu Meg. IV, 7 vgl. auch Tos. Meg. IV, 21. — j. Meg. IV, 1 (74d) wird
getadelt iinnn ci^n nibi k-tto c^x]? x:m, weil der Platz des Dieners nie
leer sein sollte, s. ob. zu S. 170. — Gaon von Sura bei Nathan ha Babli
S. 84.
3. Freie Übersetzung, sie duifte nicht aus einem Buche vorgetragen
werden j. Meg. das., b. 32a. — Nicht wörtlich, vgl. Tos. Meg. Ende,
tr'^-o tr? "i'ni-! cpoi^ani "^xis ni i^rt. in'-,is5 pics tt^niart .-.rix rrTirri '-;
vgl. dazu Fried mann, Onkelos u. Akylas, 4 f. — Zur Methode der LXX
vgl. Z. Frankel, Vorstudien zur Septuag., 163 ff., Einfluß der pal. Exe-
gese, 1 ff., A. Geiger, Nachgel. Sehr. IV, 73 ff. — Zu Jonathan Geiger
das. 106, A. Berliner, Targum Onkelos II, 105. — Willkür das. 100,
Friedmann, Onkelos u. Aquilas S. 60 f. — Zu Onkelos Abfassungszeit vgl.
F. Rosenthal in Bet Talmud II, Friedmann das. Aquila Geiger das. 83. —
Zu Jonathan Ginsburger M., Pseudo-Jonathan XVII ff.
4. Das Zitat aus Raschi zu Meg. 21b ob. — Die Abweichungen
in der Übersetzung zuerst von S. D. Luzzatto in ":, ^rt'.x festgestellt,
Aimiri'kuiiKi.ii. 547
v^l. (loigiT, Irsrliiill, l(i IT., fur StpluaK- l-'nnik'-l a. a. ()., fiir l'-scliittu
J. Perles, Melotomata Peschillhoniana u. neuordinKS Cli. H<llrr, Unter-
suchungen iil)i'r (lio Pcschittri. — t"ll)or ,, V<'rl»otrMU' Tai^uinini" s. Oins-
l.ui>i:.'r in MS \L1\ . S. 1 If. ■ Saadja v'kI. I<"sp. Hark. \r. 20H, S. 30».
"). Über Juslinian.s .Novelle s. (Jraetz, Gesch. Bd. V*, Note 7, S. 410 ff-
Wie Sof. auch Anw. 2«a (Kr. II. 49), jedoch nach dem Morgengebet
\ .1 !• derVorlesung vgl. aiK h llt.245. — Natronai bei Arnr. 29a (Fr.II, 68)
II. ilt. 266 n:.-n3 -pD-^-a -ix -px '-•c'^x- '■os-rn'a -pxa ^bx ii'xr. ^x:"*— j; i'^ '-ax -|3i
■,-xs~^ -px ■,''"2;in"c '.'z'jirrc 'ivrbi ".'.'zt'c -(rrb^ xbx ■::-n mj^n
•rü'n in\ — .Inda ihn Korci.scli , Risale , ed. Bargis, S. 1, JE
\ II, 345. — Schluß der gauii. Zeit.«^. Hai in Resp. Hark. Nr. 208, Itt. 249,
das folgende Itt. 267 f. — Deutschland vgl. Ginsburger in MS XXXIX,
97 ff. Die Zahl der poet. Introduktionen in V. ist sehr belriUhtlich.
n-"npx von Meir aus Worms, weiter S. 334. — Unverstündliihkeit
Orch. Ch. 25a § 40. — Bearbeitung<Mi in der Landessprache (S. 192)
das. 77d § 7. arabische in N. Afrika Hi 52. — Fraiikfiirlcr Rabb. S. 128,
31!» f.
ü. 1000, so Hai bei Itt. 278. In Mainz kannte man um 1050 kein
Targum zur Ilaftara Pard. 62a. — Ezechiels Vision vgl. auch Ghagiga II, 1.
— Jonathan vgl. Z. Frankel, Zum Targum der Propheten 13 ff., Geiger
a. a. Ü. 109. — Feiertags-Haftaras vgl. V. S. 15 f. ois-in i'sis "cnrr a"r2i
";-:n"^ xi 35-ma" 2D"x nT'T:ji -i'^:33-2rt -i'ax'^ "irixi o'^pioa '; Ti::s^n n^ix mijsn ba.
— C'bl. Haft. Jes. IO32 — 126. — Introduktionen V. a. a. O. — nsrs 2"^a"'
von Jakob Tam, weiter S. 335. — Trotzdem das Portugiesische nicht
mehr ihre Landessprache ist, haben die Sepharadim in ihrer überaus
kons.^rvativen Gesinnung die Abschaffung jener Übertragung da, wo sie
erfolgte, sehr übel vermerkt. — Frankfurter Rabbinerversammlung a.
a. O. S. 137.
7. Mischna vgl. iMeg. I, 8 n"':^'^ !xbx bnab i-nnn X3 d-^^ed: qx und
II. 1 XS"^ xb 7':jb bü ni;-r, rrx-p. In Saragossa wurde seit 1350 Esther
spanisch gelesen G. \'. 413.
§ 29. 1. Zu II. Chr. 17, 9 vgl. Vogelstein in MS IL, 427 ff. Philo,
\ ita Mos. III, 27 (M. II, 168). — n^ab bei Bacher, Exeg. Termin. I, 103 f.,
-;-;n das. 30 ff., am das. 25 ff., II, 41. r],«; '«•
2. Schriftauslegungen zur Haftara kennt der Midrasch nur für den
S. 178 erwähnten Zyklus, so daß man annehmen muß, daß sonst nur
über den Toraabschnitt gepredigt wurde; anderseits macht die von
Bacher in seinem neuesten Buch über die Proömien S. 9 ff. als Eigen-
tümlichkeit der ältesten Schriftauslegung erwiesene Methode. Verse aus
Tora, Propheten und Hagiographen aneinanderzureihen, es wahrschein-
lich, daß auch die Haftara Berücksichtigung fand. — Philo ob. zu S. 170
u. über seine Homilien Schürer III, 649. — nisa-t b. Pes. 70b. — -pw bei
Bacher, Exeg. Termin. I, 141, II, 150. — Der i-öyoi naQax^atoig^
zu dem Paulus und seine Begleiter in Antiochien aufgefordert werden,
Akt. 13i5. ist nicht eine Ermahnungsrede; denn es wäre seltsam, daß
35*
548 Anmerkungen.
die Gemeinde sich von unbekannten Fremden ermahnen lassen sollte.
Hingegen ist naQÜ-Arjaic: die Übersetzung des hebräischen ans (Hatch
& Redpath, Concordance p. 1061), es war eine Trostrede mit mes-
sianischem Ausblick, die der Gemeinde geboten werden sollte. — lülT
c^2"ii G. V., 354, Bacher a. a. O. I, 25 ff. — Predigt in der Landessprache
G. V. 370. Es mag genügen, auf Agobards Klage (ut dicant. melius eis
praedicare Judaeos quam presbyteros nostros, De Insolentia Jud. V) zu
verweisen ; selbstredend konnten die Prediger bei NichtJuden nur durch
Vorträge in der Landessprache Beifall finden. Aber auch die Juden
im fränkischen Reiche haben nicht soviel Hebräisch verstanden, um
einer Predigt folgen zu können.
3. 4. G. V. 344 ff. 350 f., Rapaport Erech Miliin, S. 171 ff.
§ 30. 1. Fromme = Qibö'nin;:; nr" i'^p. In Sof. ist nicht klar,
wer anfängt, warum der ^'^::e^ hier auftritt, wohin er geht. Was be-
deutet ferner der Satz "ninrt nx rr^r^J-c s"nxi ? Elia Wilna hat ihn
gestrichen. Es scheint, daß hier mehrere Quellen zusammengeflossen
sind. — s>D53 'inil O. Gh. I, 65a § 6, Kolbo § 37 nach Machkim, S. 15,
allgemeine Verbreitung erst seit ed. Prag 1541 vgl. Berliner, Randb. I,
28, II, 31. — ^1122 'i"^}« vgl. Or Sar. 11. 19a y''^ p-^nn^ . . . '{s:'2 y^xi 'syra-o^
. . . n-iniT^n nx . . . "^r'^bn (x"s ix) n^rirs i"'-nx ■,■':•? ^"ssni ^tqs 'px . . . ^721x1
trr 5i-!5n cn? 'px ois^-i ''521 h^n by . . . imai-i . . . isn; . . . irnsx nnx . . . 'iir'' 573^5
ibns "-^'^x xbx. It. vgl. Seh. L. § 77 (28b). In Germ, ist das in Seph. (vgl.
Manh. n:^^ § 24, Tur I, 281) an Sabbaten übliche nsib nx'-.n nnx, Dt. 435,
nur am Torafeste üblich. — Die Verse bei Amr. Fr. I, 396 f. haben noch
viel Ähnlichkeit mit denen in Sof. Zur Entwicklung der hier im einzelnen
sehr abweichenden Bräuche vgl. V. S. 71 f., Pard. 47b., O. Ch. I, 22b § 7,
65a § 6, Abudr. 35d, 46d, Tur u. Seh. Ar. 1, 134, 281 Ende. — Umzug,
die mittelalterlichen Quellen melden nur, daß die Gemeinde Ver.se leise
spricht. — bsn br, im Text ein wenig erweitert (Baer 224), wird nur
in W. Deutschland geprochen, an den Festen besonders feierlich, vgl.
schon V. S. 157. — Beim Hinlegen der Tora vor dem ,, Aufrufen" in
Germ, ü'^nn-n 2X, worüber Berliner I, 65, II, 32 vgl. Or Sar. I, § 106
(39a). — Hagbaha nach der Vorlesung nur in Germ, nach einer .Äußerung
von Mos. Isseries zu Tur I, 147. — tixiv y^^'2 aus Sohar zu inp'^i, über
seine Aufnahme vgl. Baer 122, Berliner I, 29. Über die folgenden
Stücke Baer 223, Berliner 46 f., 60. - — Die Umzüge am Torafest er-
wähnt keine mittelalterliche Quelle, vgl. dazu JE XI, 365.
2. Chili. Nr. 49 wird übereinstimmend von der Ehrung der Tora
beim Einhehcn berichtet; wenn Sof. nichts davon erwähnt, ist das durch
die schlechte Gestalt des Textes verschuldet. — .\mr. 24a u. Fr. I, 398. —
Über die Psalmen Baer 125, Berliner I, 25, Ps. 24? nach b. Schabb. 30a;
der Brauch von Seph. bei Itt. 280, O. Ch. 65b, Abudr. 47c.
3. '^^iiy in zuerst Or. Sar. II, 21b, vgl. Ri 8 f. — -!i rmn schon
Pard. 45b, 49d, O. Ch. I, 26b u. kennt das als Brauch des nördl. Frankr.
und meint, daß es in Spanien nur am Torafeste üblich ist, während
Aiinirrkuii^'rii. 549
Maiili. :n § .")() lolülcros gciadi' aus Fraiikr. bcriclitcl. - Ührr n32i:;n
JE \ I, L*.'J8 f. Über die Aiisschreitungon Lowysohri a. a. (). — Die pniü"i
l)t'i liislallalioiifii Xatliaii iia Ralili ,S4, fiir nriUiligainc Hi lä, am Tora-
fcsto Hi 87.
4. Dil' vtMsihiedt'iiartigsttMi Mit tciliiii},'<'ii uikI (ichclc gfslalli-l an
dieser Sie Ho Maiih. nsü § 40.
a) •ps-i'^m Aiiir. 24a, Fr. I, 398; \'. S. 171» liat sie für Sal.hat
Minelia. Ainr. 331), Kr. II, 130 hat dasselbe aiieh für Neuriiuiid. .Mxidr.
48d kennt den Brauch, am Sabbatnachmittag Ps. 92 vorzutragen.
li) Segen für die Anwesenden auch in Amr. a. a. O. für Neumond
<'ingefügt. Andre derartige Formeln bei Fr. II, 76 f., Ui 9, Berliner I, 66.
Jehuda Albarz. Itt. 279. — pne np'' u. ähnl. Formeln Ri 82, Litg. 19,
Berliner I, 65 f. J£ V, 293b. — Gebete für den römischen Kaiser er-
wähnt bereits Philo, Flacc. § 7. Alle Handschriften und Drucke enthalten
das Gebet für das Staatsoberhaupt, die Ilalachistcn leiten es aus Jer. 29?
ab. — Wie Märtyrerlisten entstanden ii. vorgelesen wurden, s. bei Sal-
feld, das Martyrologium des Nürnberger Memorbuchs, S. IX ff., über
die spätere Sitte der Spenden Tanja § 16, Seh. L. § 81 (30b) zu d-^iamn 2X
vgl. MallaRIL 21a. — Das Gebet xjnrx "(-i«'»^ C). Ch. I, 65b § 9. —
Verkündigung der Fasttage Amr. bei Mx. 17, Fr. II, 175, V. S. 173.
c) Über das Seelengedächtnis Low L. Ges. Sehr. V, 29, JEW, 283,
Jüd. Literaturblatt XXVII, 1904, Nr. 21 f. Nur am Versöhnungstage
V. § 312, S. 345 u. § 353, S. 392 unter Berufung auf eine angebliche Stelle
im Midrasch.
d) Ri 86 ff. — ni2X 5352 --rx schon Amr. 52a, Fr. II, 385, fehlt
jedoch bei Mx. 37; Saads. Widerspruch das. — Die Hymnen usw. erwähnt
ibn Gajj. 1, 117. — niyr: n-p-JS3 G. V. 154, Ri 87 f.
Kap. IV.
§ 31. 1. Der Ausdruck Stammgebete zuerst bei Zunz, Ri 5. —
rrS'Z'sz usw. vgl. Levy, Neuhebr. Wort. III, 85. — Zu tTiu;-i vgl. was
weiter § 43 S. 355 ff. u. Ri 3 ff. über den Minhag gesagt ist.
2. TJ-^-^s u. die Derivate G. V. 393, S. P. 60. Steinschneider, Jüd.
Literatur in Ersch & Gruber II, 27, S. 421, § 18. — iT^a das., Perles
das. 63 ff. Zur Bedeutung beider S. Krauß, Lehnwörter II, 443, 262. —
Akrost. Dichtung bedeutet ii^'^u in Warnheims "can naiap, S. 107. —
3. piiSTH S. P. 60. Zu fiSXTn vgl. zuletzt Eppenstein in MS LH,
1908, 467 ff.
4. -p^TS Brody u. Albrecht, S. 17; die Ableitung S. P. 88, 367 f.,
Perles a. a. O. 67. — Augustin S. P. 88. — YinTS als Refrainpoesie bei
Jos. ibn Migasch, Resp. Nr. 204, s. Dukes, Zur Kenntnis, S. 140. —
Piut, Selicha S. P. Kap. III, S. 59.
§ 32. 2. a) Steinschneider das. S. 422.
b) S. P. 79. Steinschneider § 19 Anm. 19, Brody Albr. S. 19.
c) s. M. Hartmann. Die hebräische Verskunst usw. S. 84.
550 Anmerkungen.
d) S. P. 80; Steinschneider das. 425 leitet es von y.vylo^^ i. Pei'les
Byzant. Zeitschr. II, 573 von y.vy.hov ab.
e) So Perles in MS 1886, 231 f.
3. S. P. 61, Brody Albr. S. 35 Nr. 30; TO-ipn z. B. Amr. II, 23a,
Brody, Diwan des Abü-1-Hasän Jehuda ha-Levi III, S. 209 ff. — p-bo
u. 'XTö Brody Albr. S. 114. — "xr^ Amr. II, la, 3b.
4. I. A. a)— c) S. P. 61 ff., Brody Albr. S. 23. — cc/? lü?» 'n
Studien 31. — ni^ai'^ Steinschneider S. 426 1). — xro::': S. P. 64 f.
S. D. Luzzatto, Divan des Jehuda ha-Lewi, 1864, S. 37a, Brody Albr.
S. 9, Brody, Diwan III, S. 5. Das Verhältnis der Poesien a — c zueinander
ist noch nicht ganz klar, die Echtheit der Schlußstrophe des rnccs mit
dem Ausgang IB'^a ib^l vielfach angezweifelt; vgl. Luzzatto a. a. O.,
Brody Albr. S. 102, Nr. 92.
B. (S. 212) S. P. 69 f. — Orient vgl. z. B. Neubauer u. Cowley,
Catalogue of the Hebr. Manuscripts in the Bodleian Libr. II, 26313,
271218, 27147 u. V. a.
II. A. Keroba S. P. 65 ff. Berliner, Randb. II, 66, Stud. 47. Das
Zitat aus dem Midrasch schließt die neuerdings von Ed. Birnbaum,
Liturgische Übungen II gegebene Ableitung von Koriphaios aus. Das
Wort kommt auch in der syrischen Liturgie vor, Sachs Rel. Poesie
S. 178. — Kerobas für Wochentage S. P. 73. Studien a. a. O. — xnr^s
S. P. 69. — Die einzelnen Teile der Keroba S. P. 65 ff., Brody-Albr.
S. 113 f. — aiPiii, die Bibelverse sind in Handschr. und alten Aus-
gaben des T551ÜX '"0 sowie in It. u. Rom. noch immer zu lesen. — Zu e)
macht Berliner a. a. O. darauf aufmerksam, daß der Anfang i« bx schon
an den Schluß des vorhergehenden Stückes, Ps. 224, gesetzt wurde;
auch zu f) vgl. Berliner das. — Über bü u. cc5 vgl. S. P. 69. andere
Kompositionen Neubauer u. Cowley Nr. 2710i rr^ans '"."5 nas.
B. (S. 216) a) Über die Einleitungen vgl. Sachs, S. 247, Anm.,
Berliner II, 62 ff. In Amr. und danach in Seph. bildet nsTilx einen
Teil der Tefilla.
b) Jose b. Joses Poesien zu U5"Ta, neben Kalirs die einzigen
ihrer Art, halte ich jetzt nicht mehr für Einschaltungen; ihr Autor dachte
sie sich wahrscheinlich als Ersatz für die üblichen Einleitungen ('i:'^?»
usw. ob. S. 143), daher werden auch gegen Ende Bibelverse eingeschaltet,
die nur in neueren Ausgaben von Germ, weggeblieben sind. In Pa-
lästina waren derartige poetische Gebete außerordentlich beliebt.
c) Über Aboda s. Ri 101, Studien 49 ff., über die spanischen 'o
STT13S» S. S. P. 80.
d) vgl. JE II, 368 ff., Aufzählung von Dichtern bei Jellinek, c-;-j:-p
'"iin, Neubauer in JQR VI, 698 ff. — MI'^mTX in übertragenem Sinne
z. B. in Rom. — Über den Namen bl-iin n^r vgl. Ri 10, JQR, V 434 f.
Die Bezeichnung, die zuerst (nach christlichem Vorbild) nur für den
Sabbat vor Pesach gebraucht wurde, hat man dann auf alle Sabbate
vor den Festen übertragen; so schreibt Sal. b. ha Jatom im Kom-
Anint'rkiinnfn. ool
iiuMil. zu .M(M'(| I\. n:'c" nz''::n •rs— r-::;" rrc "rcir ':"-:r r::'r d-'l. (Üniji's,
s. lö), vkI. i; i V. 1 s r. \ II, [-.:{.
o) irr ""rx als inysliscli«' !''(iniii>l crkliirt inj i\!iiii. ilcr nllfslc rlirisll.
K;ili (liisimis, S. 4S. x;r'i""n m*^ l/'V. r. 'Mj:. — Kiilcmli-rhcsliiimuing
1«. SiikUa iUli, j. .i;is. I\, I (Ö4I.). ^E 1 1 1, r>03l>. ^ linzüK«' mit Fcst-
strauü (kIci' Woidc vkI. \. S. 443, Or Sar. II, § IJlf» Mi!».i). VUtv die
l in/.iijj^c und die poolisclu-n Hostliaiias vgl. S. P. 73 ff., V't:; nnsx,
S. lült); die guollon Aiiir. öll», H. (".imI. 173. ihn (;;ijj. I. 114 ff. In dein
dnrtigcii /ilal aus Saad. sind dif Worli- "fED" -" rbEr ""Vsep -i nffenbar
vi-rsid/.i, v^l. Kdliul in MS, X.X.WII, .")()() ff. wo Saatijas lloschanot
al)K't>drn<kt sind. — l nizüKc ol). S. 13i>, v'i^d. auch JE, \ I, 1()1 f.. 47»! ff.
Sei». L. § 3()t) (16()a) kennt die rnizüf^c n u r atn sieltcnlen Taj^c
III. S. I". 70. (Imllicr das Zitat am Ende; n-i": rr-^IJS das. 73.
§ 33. 1. S. P. 70 ff., Bfrliiicr 11,21. — Die 13 Eigenstliafl<-n s.
■/.. H. Nnni. Uis, Joel 2i3, Nah. la. Ps. 103$, 14.5ö. — Dio Einleitung
•irrnn bx stets bei Amr. — scr 'p'o sx übersetzt S. P. 152, vgl. Litg. 17.
2. Die Fastenliturgie in Taan. II verwendet mehrere Psalmen. —
Dan. 9, Esr. 9. — ^-2" "poB Amr. bei Mx. 28, S. P. 77, .\nm. a, b. — Die
Stichworte der \'ersgruppen Hi 120 f. — Die kurzen Introduktionen
Amr. 35a verglichen mit \". S. 233. •
3. 2 solche Litaneien S. P. 153, über den frühen Irsprung der
meisten Litg. 18. Den Einfluß di(^ser Litaneien auf die christliche Liturgie
hat Michel, Gebet u. Bild im frnhchrisll. Zeit, S. 44 ff. nachgewiesen. —
Die Selichas für p"=" sind denen in It. srlir ähnlich, daher ihr altertüm-
licher Charakter.
4. S. P. 82 ff., 152 ff.
5. Ri 120 ff. — Gabirols --S-:; in (ierm. fiir r!"-r u..:"-^: — r.-. --
z'^Xin^ •^^ü's S. P. 77, Anm. e. — r'rPSD "'TS'xi usw. häufig in II. —
Die verschiedene Gestalt der Selichas Ri 117 ff. — Hefte n-'D—:::*p
Ki 33, Anm. e.
6. Die alte Selichaordnung für Regenfasten wurde in Babylonien
noch um das Jahr 1000 ausgeführt, vgl. Resp. Gh. Gen. Xr. 160, Perles,
Beiträge 63 ff. — Für die histor. Fasttage hat It. noch heule Kalirs
Kerobot, für den 9. Ab auch Germ. u. Rom. — Die Entwicklung zur
Selicha Ri 125, dort auch ein Verzeichnis der in nachbil)lischer Zeit
entstandenen Fasttage; eine Ergänzung hierzu gab Simonsen in MS
IIXL, 1894, 524 ff. vgl. JE V, 347 f. u. Ri 125 ff.
7. Amr. 47b; Manh. 'srn ms § 59 zitiert naui nn-'boi "^.s- -i r-r '-zy-
nsT n-iiTm rpTim. — Span. Maamad bei Brody Albr. S. 116. — S. P. bO.
— Charisi, Tachkemoni III, 145, bei Brody Albr. S. 175. — das.
III, 135.
8. Entstehung u. Zahl der Selichatage Ri 122 f., Amr. 47b -;— r:
rs^apai n:nn "■"2"n rirrso mosi nn-cTs n-^r-Err: tr-h nrrn rx- 7:-". ^'o^ -na-r^
statt -it!5ia in den Bußtagen sprechen die H. Ged. Vgl. Dukes, Zur
Kenntnis 7, Ker. Chem. VII, 33, Sachs, Rel. Poesie 177. — Die Gebete
552 Anmerkungen.
dieser Vigilien Ri 132 ff., Amr. bei Mx. 28 ff.. Fr. IL 308 ff. — Tripolis
vgl. Sachs a. a. O. 264 ff., Brody Albr. Xr. 13, S. 16. — Über die poe-
tischen Selichas u. die Art ihrer Einschaltung vgl. auch Berliner II, 22 ff.,
75 ff.
A. Die Namen sämtlich in Amr. II, vgl. Steinschneider, § 19 Anm. 12
*iT35 heißen bei den Bußtagen die ersten Selichas, die unmittelbar auf
npnsr! 'n y> folgen, am r""i hingegen sind die letzten so genannt, die
der Rezitation der Verse m;:; /Tü"r tu yra /D'^rtbNn x-,!-! 'i vorausgehen,
vgl. Amr. II, 39 ff., 48. 52 f.
B. a) S. P. 88, 94, 134 f. ~ b) das. 98, Brody Albr. S. 51, Nr. 48. —
c) d) S. P. 90 f. — e) das. 167, vgl. jedoch Hamagid IX, 136. — f) S.
P. 95, die Elegien über die ,,10 Märtyrer" das. 139 ff. JE VIII, 355 ff.
C. a — e) S. P. 135, b) auch 89. f) Amr. II, 23a ff., 28a ff.
9. Die Namen Steinschneider S. 426, Brody Albr. S. 156. — Amr.
ob. S. 129, vgl. Fr. II, 264. — Kalir S. P. 71 f., über Art u. Verteilung
der Kinot Ri 88 ff. — Talmudverbrennung weiter S. 338. — Die Zionide
weiter 350. — Beide Kinot oder wenigstens die letztere auch in den
Reform- Gebetbüchern.
C. IL Abschnitt.
K a p. 1.
§ 34. 2. Die religionsgeschichtliche Bedeutung des Gottesdienstes
hebt W. Bousset, Religion des Judentums, II. Aufl. S. 202 her-
vor, vgl. auch 210, Ende. Über die Bedeutung der Synagoge vgl.
auch Herford, Pharisaism 78 ff. (64 ff.). — Heiligtum im Kleinen Ez. llie.
so wird b. Meg. 29a eine der ältesten Synagogen genannt, in der späteren
jüdischen Literatur wird der Ausdruck häufig zur Bezeichnung der
Synagogen verwendet. — Die allmähliche Verdrängung des Kultus bei
Bousset das. 124 fL
3. Über die Fasten vgl. die S. 532 zitierte Schrift Groenmans,
JE\\ 347, VIII, 133, Mischna Taan. II, die Stellen in den Apokryphen
bei Bonsset 207.
4. Literatur bei Schürer II, 500; Bousset 197 f. vermißt klare
Beweise für diese These, solche vermag er jedoch auch für die von ihm
angenommene Meinung Friedländers (Synagoge u. Kirche, S. 53 ff.),
daß die Synagoge ein Produkt der griechischen Diaspora sei, ebensowenig
vorzubringen. Zu den Argumenten im Texte sind noch die von Bacher
in Hastings Dict. of the Bible IV, 636 betonten Fasttage, die Sech. 7ö.
Jes. 583 ff. erwähnt werden, hinzuzufügen. — Die Stellung des Bekennt-
nisses in den ältesten Gottesdiensten ist Studien 14 hervorgehoben.
Nach Blau JE VIII, 133 wäre das Schma aus Opposition gegen den
Dualismus eingeführt worden; sein Ursprung läge dann im Tempel zu
Jerusalem, aber ausschlaggebend wäre ebenfalls sein Charakter als
Bekenntnis.
Aiitncrkiiiij,'!'!!. 553
ö. t l)t'r Tarn. \ , 1 u. das Morf^MMigflx-l dt-r Pricslfr vn]. Kohlor-
Ft'stschrift 77 ff. Dal,! die Priester im Tempel aramäisch sprarlieii, lial
Büthlef, l'iiesicr u. Kiilliis, (Kl If. Ix-wieseii.
(i. hie 'reiliiaiime der Laien am Opfer fol^'t ans Tain. \'II,3,
Sir. .")(), 1 1 If. — Li'vilent^esaiig in d. (ihnmik Vf?!. Biichler in Zeitsclir.
f. d. altest. Wissenschaft \1.\, 1899, 123, \Xl '.iXi, KoheHe, Die Tempel-
sftnji^er im A. T. bes. S. 100, 199. — Zu den Refrains v^l- auch Jor. 33, 11,
Köberle 110, Büchler 334, vgl. auch Schürer II, 350 f., 355; Bou.sset 127,
418. — Über Maamadot vgl. Herzfehl III, 188, 204, Müller, Sofrim 236,
Anm. 14, Büchler, Priesler ii. Kultus, 92 ff. Schürer 11, 338, Anm. 6. Der
richtige Sachverhalt muß aus Taan. \\', 1 ff. durch Zuhilfenahme von
Tos. das. IV, 3, 2191» und j. IV, 2 (67d) ermittelt werden. Danach hicLJ
jeder der 24 Bezirke "yo^y^, die Abordnung der Laien, die in Jerusalem
dem Opfer beiwohnte, 173513, ihr Führer "TSSTsn laxi Tarn. V, 6; schon in der
Mischna jedoch werden die Bezeichnungen aucli irrtümlich verwendet,
vgl. z. B. Bikk. III, 2. Die 24 ni-.iSüTS verteilten ihren Dienst auf 48
Wochen im Jahre, in den beiden Festwochen konnten alle Priester
ohne Unterschied fungieren, wie auch immer Laien als Wallfahrer
anwesend waren, vgl. b. Sukk. 55b. Die Berichte der Quellen erwecken
den Eindruck, daß die Einrichtung alt ist; wann sie ,,in der späteren
Zeit des Judentums" (Bousset 127) geschaffen worden sein .soll, ist nicht
einzusehen. — Zu Hause gebliebene usw. Taan. IV statt II, wie im Text
steht. — Ein Versuch, die Aierzahl der Gebete zu erklären, bei Herz-
feld III, 188 ff. Nach Blau in ^EVIII, 132 wäre das Mittagsgebet im
Anschluß an die Privatopfer entstanden. Die Herleitung von den Opfern
auch im Talmud. a":pn CTirin "1553 nissn (b. Ber. 26b u. Tos. das.
III, 1, 2) od. 1-1735 •,in"T3n'3 (j. das. I\', 1, 7b); jedoch ist dort für das
Musafgebet überhaupt keine und für das Abendgebet eine unzureichende
Begründung gegeben. Daß das Musafgebet mittags stattfand, ergibt
sich aus Tos. Meg. I\", 1, w'o statt des Wortes qoiTsa in der Mischna
msna steht. — Bekenntnisstücke in der Liturgie des Maamad folgt aus
nT3ST3 ■'CSX CS X"pn j. Ber. I, 8 (3c), b. Joma 20a. — Auf die Gleich-
artigkeit der Gebete in Esra u. Dan. hat Pool, Kaddish S. 2 f. hin-
gewiesen.
7. Wie man sich die n-sinsi-! nD52 vorstellt (vgl. die Literatur
bei Schürer II, 418 f.), ist in unserem Zusammenhange gleichgültig;
leitende religiöse Behörden muß es auch in den Jahrhunderten zwischen
Esra und den Makkabäern gegeben haben und gerade in jene Zeit, über
die keine Quelle ausführlich berichtet, fällt ein wichtiger Umschwung
in den religiösen Anschauungen und Einrichtungen des jüdischen Volkes,
vgl. auch Herford, Pharisaism, S. 20, Übers. S. 17 f. Der im Text mit-
geteilte Satz geht auf R. Jochanan in der ersten Amoräergeneration
zurück, macht aber doch den Eindruck einer alten Tradition; daß R.
Jochanan solche häufig vorträgt, s. bei Bacher, Agada d. pal. Amor.
I, 207.
554 Anmerkungen.
8. Die Bedeutung privater Andacht für die Ausbildung des Gottes-
dienstes auch JE YIII, 134f. — Die Beschränkung des Musafgebets
auf die Sabbate usw. hängt wahrscheinlich mit der Bezeichnung der
Zusatzopfer als D"'S0"ii2 zusammen; wann diese erfolgte, ist unbekannt,
in der Bibel findet sie sich noch nicht. — Die Vorlesungen während der
Maamadwoche Tos. Taan. I\', 3, die Einrichtung der Vorlesung am
Montag und Donnerstag wird auf Esra zurückgeführt, vgl. ob. S. 156.
Vgl. Tos. Taan. II, 4(2173). Gebetordnung vgl. Ewald, Geschichte, Alter-
tümer^ S. 19, Sachs, Rel. Poesie 164 ff.
9. An beiden Stellen, Ps. 119i2 u. I. Chron. 29io (nicht 12) fehlt
noch die für die Beracha charakteristische Anrede ijinsx; diese Art der
Anrede Gottes im Gebet fehlt bei Bousset 431 f., obwohl sie wichtiger
ist als alles Material, das dort aus den Apokryphen und Pseudepigraphen
zusammengetragen ist. — ns-a am Schluß der Bittgebete ob. S. 5. —
Bekenntnis vgl. die zu S. 24 angeführte Literatur, ob. S. 51. — Tefilla
jünger, vgl. Stud. 39 f., J£ VIII, 133. .— Stilles Gebet, ob. S. 25. — Te-
filla S. 30 ff. Berufung auf die Väter Bousset 414 ff. — ri=-= 'srj ob.
S. 5. — ■ Der religiöse Gehalt der Gebete bei Bousset 419 ff. — Bekenntnis
ob. S. 109, 114, 136; Tefilla S. 31 f. — Die häuslichen Feiern ob. S. 107,
120 u. Elbogen, Eingang u. Ausgang des Sabbats, VII ff. — Versöhnungs-
tag Studien 54.
10. Agatharchides bei Josephus, Ap. I, 22 (Niese V, 37, Th. Reinach,
Textes d'auteurs grecs et romains usw. 43).
11. riPisa ob. S. 22, die nationalen Bitten S. 32 ff. Vgl. auch
,,die messianische Idee in den alten jüd. Gebeten" in d. Cohen-Festschrift,
Judaica, S. 669 ff.
§ 35. 1. Alte Elemente in der Mischna hat besonders S. Funk,
die Entstehung des Talmuds, § 6 ff . nachzuweisen versucht. — Paral-
lele Quellen das. § 36, S. 95 f., vielfach sind sie in den beiden Tal-
muden enthalten. — Beginn uns. Zeitrechnung, bezeichnet durch die
Schulen Hillels und Schammais (Strack, Einleitung i. d. Talmud, S. 84)-
weiter S. 248. — Philo bei Eusebius, Präp. ev. VIII, 7. — Josephus. Ant.
IV, 8i3. — Talmud z. B. b. Ber. 2a, j. I, 5 (3b). Tos. III, 1, Maim. r^bsn I. 1 ;
JE VIII, 134 ob., Stud. 39. — Alle Richtungen; unter den Kontro-
versen zwischen Pharisäern u. Sadduzäern od. Essäern findet sich keine
über den Gottesdienst. Überall, wo Juden wohnen, s. weiter S. 250, 4.
2. Gebetzeiten vgl. c"p nsw j. Moed K. III, 5 (83a), S2p nrT:: c;r3
S?3T25 nxi"ipb Tos. Ber. III, 1. Vgl. Luk. lio to n).r]»oc tov ).uov t]v TiQogev-
/ofjitvov TJj WQK Tov d^vutafittTog^ was sich auf die Beteiligung des Volkes
beim Opferdienste bezieht (n'^sirn ',-3 hiu nnap Joma III, 5) und Akt. 3i
inl TTiv 6)QHv Ttjg nQosiv/rjg rrjv ivvcurjv, was etwa dieselbe Zeit bedeuten
wird, s. auch Akt. lOso u. Schürer II, 350, Anm. 40. — Beten auf der
Straße Ber. II, 12, auf der Reise das. IV, 4 ff. — Bedeutung des regel-
mäßigen Gebets für d. rel. Leben Bousset 202, 206, Herford a. a. O.
— Onias JE IX, 404 f. — Chanina das. VI, 205. — Die alten Fromm^^n
Aiimi'ikmiK""n. 555
\vi>i(fr S. 'Mi). — EssiUT, vgl. ilic Lilci-. l»t'i Srlmivf II. (l,")] 11., iilur iliivn
Kiiifluü auf das CJeht-t bes. JE \ , 22r) ff.
:i. AiislcKUii^,' des Schiiia Sifn- IH. § 34 ff. (741» ff.), Nuiii. § 115
(34a f.). {{fiihc Literatur ila/.u \n>i ScIiiMcr ödd ff. vgl. auch Slud. lö f. —
Ben. 1— \. H. ha Seh. I\. Äff., Taan. II. lö, 1\, 1-3. Meg. II— IV. —
Gottesdienst allgemein Ix-kaiuit vgl. Maiiiiuiii /.u Meu. I\', 1 g. E. In der
.Miselma werden goltesdienstliehe Einrichtungen und Gebete nur ge-
1 0 g e ft t 1 i c h hesproclieii, in H. ha Seh. IV, ßz. B. nur, weil es kontrovers
war, an welclien Stellen Scluifar geblasen werden snllte.
4. Hier sind nur solche Gebete angeführt, von deiu'n bereits die
Schulen Ilillels u. Sehainniais sprechen. Schnia Ber. I. 4, kein -;i2X"^ II, 2
(Vgl. 1,5); zu den Bened. b. Ber. IIb, j. 18 (3c. d), ob. S. 16 ff. 100.
•iS-^rcnob. S. 101. — Wortlaut ob. S. 100. — nbEPi Ber. I\', 1. :{. Ilali»-
leste Tos. Ber. III, 10 (74) u. Parall. — Fasttage Taan. 11, I ff. - Sab-
bat u. Feste Tos. Ber. III, 12 f. — Musaf Ber. IV, 1 — tt -:n. so noch
Mar Samuel b. Ber. 30a f., j. IV, 6 (8c). — Tos. Sukka, der Text ist nach
,i. \', 2 (55b) richtig zu stellen. — über den l mfang des Hallet in der
ältesten Zeit vgl. Büchler in Zt.schr. f. d. alttest. Wiss. XX, 123 ff. —
piOS ob. 8.5. — onin das., vgl. Ber. 1,4. — Vorbeter, R. ha Seh. Ende. —
Besonderer Vorb. das. IV, 7. — Richtung Ber. IV, 5, 6, weiter S. 454. —
Abend ob. S. 100. — Versöhnungstag ob. S. 149, 157 f.
5. Meg. I\', 1—5 ob. S. 156 f. — Der Reihe nach S. 159. — Ge-
ineindemitgl. S. 169, Diaspora 170. — Übertragung S. 186 ff., Auslegung
194 f. Gegenstand der Erörterung G. V. 364 ff., Sachs, Rel. Poesie 150 ff.
6. Philo zusammengestellt bei Schürer II, 528 Anni. 98. — Thera-
peuten JE XU, 138 f. — Gri.'ch. in Palästina j. Sota VII, 1 (21b). Vgl.
auch die Erklärung von Vernaclesier bei Xic. Müller, Die jüd. Kata-
kombe am ]\Ionteverde, S. Ulf.
§ 36. 1. Zurückführung der Gebete auf die Opfer b. Ber. 26b,
j. l\ . 1 (7b); die Entscheidung in b. lautet zuletzt Qi:pn max mssn
r":-"]rx ":r" ?Tr-:cx'. Jochanan b. S. AdRN l\, vgl. auch die Erörterung
bei Schürer I, 6.")2 ff. — Gebetzeiten den Opfern angepaßt Tos. Ber. III, 1,
b. u. j. Ber. IV Anf. — Hoffnung auf Wiederherstellung b. R. ha Seh. 30a.
Bitte um Annahme der Opfer Tef. Nr. XVII, ob. S. 55. — Jerusalem XIV,
S. 53. — Messias S. 33 f. Psalmen S. 82. — Priestersegen S. 69 f. —
Schofar R. ha Seh. IV, 1, Palme das. 2. Sukka III, 12 ff.
2. Meg. Ende. Schürer II, 339 Anm. 8 sieht darin priesterliche
Kleidung, davon kann nach der Begründung im Talm. keine Rede sein;
vielmehr handelt es sich um essenische Sitten, die im jungen Christen-
tum vielfach fortdauerten, vgl. JE V, 231 f., VII, 68. — Zunehmende
Vergötterung Jesu bei E. v. d. Goltz, Das Gebet in d. alt. Christenheit
S. 72 f.. 127. — Propaganda weiter S. 448. — In b. Ber. 28b bedeutet
vielleicht pn wirklich den Text fesbsetzen, was dann in diesem Aus-
nahmefalle geschehen wäre, im Gegensatz zu Ti-icrt, Reihenfolge fest-
setzen. Dem widerspricht jedoch i:pn in dem Zitat ob. S. 240. — Sa-
556 Anmerkungen.
maritaner vgl. Lewy Isr., Abba Saul S. 33. — Das II. griech. Zitat Ap.
Const. VI, II, andere christl. Gebete bei Goltz 332 ff. — Soweit bekannt,
steht in keiner Handschrift '■^■o, dennoch möchte ich obige ErkiJirung
nicht aufgeben, da sie sachlich gut begründet ist. — Gnostiker JE V, 685 f.
u. die zit. Liter. — Dualisten {rr.^-c "n'j b. Ber. 33b) das. 684. — stduj Siau;
Ber. V 3, Meg. IV, 9 u. Talm. z. St. — »isia? Ber. II, 3, Mag. 11,1,
Levy III, 202. — Eigenschaften Ber. V, 3, Meg. IV, 9. — Später b.
Ber. 33b, j. Meg. IV., 9 (7oc); zu tt'^a':: -"="-" '^■'gl- auch Simonsentm Ge-
denkbuch für D. Kaufmann, S. 115 f.
3. Abendgebet Ber. I, 9 !-n"T5 p "7r?x ""s. — Zum Namen '{xS'O'ci
i?'"Sm vgl. die Bezeichnung i-i^vonoilog auf einer in Jaffa gefundenen
Grabschrift (Pal. Explor. Fund, Quat. Stat. 1900, 118) Schürer III, 23;
zur Sache ob. S. 39, 41. — Babylonien S. 39. — 'ss-^r. S. 60. — Er-
örterung über die leise Tefilla R. ha Seh. Ende. Schon zwei Generationen
später nannte man einen andren Grund; b. Sota 32b heißt es, daß die-
jenigen, welche ein Sündenbekenntnis einzuflechten wünschen, nicht
beschämt werden sollen, vgl. Raschi z. St. — Abweichungen ob. zu
S. 28, § 82, Neuzeit S. 401 ff. — Nicht zu ermitteln ist, wie weit damals
die Keduscha ausgebildet war und wie sie im Gottesdienste verwendet
wurde. Im I. Klemensbrief findet sie sich 346; es ist interessant, daß
in diesem um 100 entstandenen Schreiben ebenfalls auf feste kirchliche
Ordnung Nachdruck gelegt wird. — Abendgebet S. 102. — Diktion der
Tef. § 9, S. 42 ff. — Geläufig Ber. IV, 3, V Ende. — Schlechter Syna-
gogenbesuch ist in der amoräischen Zeit ausdrücklich bezeugt b. Gitt. 59b.
— Kurze Gebete vgl. Mech. zu Ex. 1525 (45b). — Bericht über R. Akibas
Verhalten Tos. Ber. III, 5 (65). — a'^5":nn S. 242.
4. Differenzierung z. B. Ber. V, 2, Tos. Ber. III, 10 f. (74 ff.).
Taan. I, 1, j. Ber. IV, 1 (7c), IV, 3 (8a), V, 2 (9a), b. 29a, Schabb. 24a u.
Par. ; an all diesen Diskussionen sind Tannaiten der in Frage stehenden
Zeit beteiligt. — R. Akiba R. ha Seh. IV, 5, Tos. Jom ha Kipp. IV. 12
(18919), s. Studien 55.
5. Zyklus vgl. ob. S. 160; danach war selbst zur Zeit R. Meirs der
Zyklus noch nicht festgelegt. — Zahl der Personen b. Meg. 23a. —
Schriftauslegung S. 195, Vorträge der Gelehrten G. V. 352.
6. Folgen des Bar Kochba Krieges Graetz, IV *, 152 ff. ; JE II, 508 f.
— Mischna u. Baraita enthalten zahlreiche Kontroversen der Zeit-
genossen R. Meirs über die Gebete. — Lokale Bräuche z. B. j. R. ha
Seh. IV, 6 (59c), ob. zu S. 141. — Neujahrsgebete ob. zu S. 142.
7. Alte Gebete erweitert z. B. sis"^"! mcx ob. S. 22, Psalm. S. 82. Viel-
leicht wurde damals auch das Kaddisch ausgebildet. — Kasuistik, fast
das ganze Material bei Schürer II, 569 ff. gehört dieser Zeit an und darf
für die von ihm behandelte Periode nicht verwertet werden. — Gebet-
zeiten Ber. I, 1, Tos. u. Talm. dazu. — Störungen Ber. II, 1, III, 5, Tos.
Ber. II, 6 ff., III, 20. — nsia Ber. II, 1 u. Talm. z. St. — Hagada s.
Bacher, Agada d. Tann. II, 22, 161, 199 u. ö. — Irrtümer Ber. V, 5,
Aiiiiicrkim^'rii. 557
Tos. II, 5 (;}-i), I). 21.1, 20a u. o. vkI. aiirli Sl..|,l.-I in MS l,\l. I".tl2,
ösi fr.
§ 37. 2. liaclicr in llaslinj?s, Dictittnary «if tlir- BiMi- I\', 642
fiilirt die Mahnung. '" ''•''' J^ynajjogc zu beton, schon auf Klicscr 1). Jakob
zurück, allein die Lesart in Pes. d. H. K. IHKa ist niehl j^anz sicher.
Wann .\bba Benjamin (b. Ber. fia) f,'elebl hat. lal.U, sich niihl feststellen,
in jedem Falle muß die nrinj^lichkeit, mit der die Amoräer das Beten
in der Synagoge empfehlen, auffallen. Die Stelle Seh. T. zu P.S. 5o (27a)
ist wahrscheinlich jünger als die erwähnten Talmudstellen. Über Syna-
gogenbesuch in späterer Zeit s. weiter zu S. 493 f. — R. Jizchak s.
Bacher, Ag. d. Pal. Amor. II, 205 ff. Zur Sache vgl. auch j. Ber. V, 1 (8d f.).
3. über Rab u. Samuels Verdienste um den Gottesdienst vgl.
G. V. 386 und die von F. Rosenthal zu Graetz, Geschichte IV^ hinzu-
gefügte Note 39. — ns-i n^nx ob. S. 20. — njusxi n^ax S. 101. — iirart
S. 60. — Messias S. 40. — Bibelverse h. Schabl). 119b (nicht 114, wie im
Text steht). — Mar Samuel b. Ber. 30a. — Hab ob. S. 116; sein Zusatz
war in Pal. die einzige Veränderung vgl. S. i;u. — WTim S. 136. —
Sündenbekenntnis S. 150. — Neujahr S. 143. — H. Jochanan G. V. 386,
391; Bacher, Ag. d. Pal. Amor. I, 241 ff. — R. Papas Satz insi^ns yht^
•nsirs (b. Sota 40a), 'i-p-^'-ns "nr—c: "^lon (b. Ber. IIb nach Ms. München,
r)9b, 60b, Meg. 21b).
4. Die gottes(li(Mistliche Ordnung war durch die Mischna bestimmt
und galt darum als unveränderlich. — Wortlaut noch im Flusse vgl.
Luzzatto NS-i 3 f. Gebete zum Schma ob. S. 17 ff., 100 f. — Tefilla vgl.
z. B. b. Ber. 34a, j. IV, 3 (8a), V, 3 (9c), b. Pes. 117b. — Einschaltungen
b. Ber. 33b, j. IV, 3 (8a), V, 2 (9b). — Festtage b. Pes. 117b, Neujahr
b. R. ha Seh. 32a f., \'ersöhnungstag b. Joma 87b. — Schriftvorlesung
z. B. b. Meg. 21b f., 29b ff., j. Meg. III, 6 (74b). — Vorbeter gelobt od.
getadelt b. Ber. 33b, b. Pes. 117b, b. Joma 36b, 56b, 87b u. ö., j. Ber. I, 8
(3d), Schebu. I, 5 (33b).
5. qi3n vgl. das Literaturverz. — nbiJü Studien 31 f., ob. S. 23 f.
— D'^Jlcx-n PS ob. 23, JQR X. 656. — c-ftB ob. S. 105, 109. — Tefilla S. 40,
53. _ -j-x Clip S. 45 f. — n-rsr S. 55 f. — 'u:n nianr S. 59. — Ke-
duscha S.62. — Priestersegen S. 71. — ?::n T^'a S. 44. — Musaf S. 116.
— Tef. für d. Feste 133 f. — Toravorlesung S. 160. — Festtage S. 165 f.
— Maflirperik. S. 169. — Selbstlesen 170 f. — Benediktion 171 f. —
Haftarabened. S. 180 ff. — Abweichungen in Babylonien selbst Nehardea
b. Schabb. 116b, Pumbedita b. Pes. 117b; vgl. b. Meg. 22a. Aus späterer
Zeit in Resp. Is. b. Scheschet § 412.
6. Privatgebete b. Ber. 16b f., j. IV. 2 (7d). — Der Satz x-n rr-n
b. Ber. 62a.
7. Halach. Erörterungen z. B. über die Ersatzgebete vgl. jetzt
MS LVI, 700 ff., 714. — Vorbeter b. Ber. 33b, Meg. 25a; Raba das.
X2''X "^"0 x'^T2"j ■'Ss: xr'"2n. Vgl. dazu auch Bacher, Agada d. babyl. Amor.
12868, 49.
558 Anmerkungen.
8. Messiasbild, die Texte ob. S. 53, 55 f. ; zur Sache vgl. Judaica
S. 675. — Dämonen "j-^pit^ z. B. b. Ber. 3a f., 60a f., Träume das. 55b,
vgl. BiTiri-n 60 b, Zauberei d'^siüS, vgl. D. Joel, Der Aberglaube im
Judentum 1,66 — 105; Blau, Das altjüd. Zauberwesen, Budapest 1898;
JEYIU, 255 f., XI, 597 f.
§ 38. 1. Aufhören der Lehrhäuser in Pal. Graetz IV*, 311 ff.,
Babylonien das. 370 ff. V*, 2 ff. — Saboräer JE X, 610 ff.
2. Bibelstellen G. V. 388; dort werden diese Erweiterungen der
gaonäischen Zeit zugewiesen, sie müssen jedoch schon früher vorhanden
gewesen sein. — ni'^'i^'f S. 81 ff. — Verse mit "^ba, demnach kann die
Hinzufügung von Ex 15i9, die viele Gebetbücher haben, nicht alt sein. —
Techinna S. 76 -i^sb N21 S. 79. — nbiss "r ^ini: 102 ff. — -i"ca irr- S. 85.
— l^?3ül S. 109, and. Verse 136, 147, 152. — Pal. S. 133 f.
3. Tef. der Sabbate S. 110, 115 f., 118, Feste 133 ff. — JozerS. 114,
Studien 24. — Eingang des Sabb. S. 109, Ausgang 121. — Keduscha 61 ff.
4. 'cn nir^2 S. 89 ff. — Benediktionen für Ps. S. 83, 86. — Kad-
disch S. 97 f. — ^^in^ S. 17, bar! bs S. 199. — Gebete nach d. Schrift-
vorlesung 203 ff.
5. Über Alphabete in d. i)ii)l. Poesie s. E. König, Stilistik, Rhetorik
usw. S. 357. — "s-f^^a usw. ol). S. 150. — yn'z 5X S. 18 u. die Anm. —
repn S. 116. — Morgengeb. d. Sabb. S. 114 u. REJ LIII, 241. Vgl.
hierzu u. zu Nr. 6 auch Litg. 12.
6. ^i^:'5 -pN das. — nni-!N nni;-2 S. 118 f. — cn-, S. 17 f. — y.-tti ssii
S. 114. — Ü^EX ^-x 3X S. 78.
7. Selicha S. 222 f. — Litaneien das., Litg. 17 f. Techinna ob. S. 78.
8. Luzzatto X273 6, rt-iirti nn npin^ 11. ff. ^- rair;^ ""w';x in Seph.
für Montag u. Donnerstag, in Germ, für Selichot, ^^-as crn bx in Germ.
nach d. Aboda. — Syrische Kirche Sachs, Rel. Poesie 177 f.
9. Aboda Stud. 56 ff., die älteste mit dem Anfang n'^-a"' n?r«r
zuerst veröfentlicht das. 102 ff. — nssis nnx das. 77, über die Ein-
leitung 59 ff., d. Gebet d. Hoheprstrs. 66 ff.
10. Asharot ob. S. 217 f.
11. Hoschanot 219 f. — !^>^1X usw. zu S. 216. — Sätze mit
•z'z'. sehr zahlreich in allen Riten.
12. Litg. 23 f. — Überarbeitet z. B. r^-.-za -ca. Litg. 228, Sachs
176^. — Asharot heißen in Handschr. xr-n^ai -r^— ; ni'-TX Sachs 177^.
K a p. II.
§ 39. 1. Über Gebetbücher weiter S. 353 ff. ; die Mystik 377 ff.
2. Alphabet vgl. Kant. r. I, 7, Koh. v. I, 13 Tsy -iS xrj'^is "j'^in
3. Itt. S. 252. — Deuterose Graetz V«, 412, Schürer II, 385. —
Die Hauptquelle für Itt. war Samuel ha Nagid {JE XI, 24 f.), der seiner-
seits Sam. b. Chofnis Schriften stark benutzte (Harkavy-Festschr. 168 f.).
— Über Samuel b Jehuda s. Schreiner in MS XLII, 1898, 123 ff., der
Aiiriicikuii^'cii. 559
zitiorto Passus nach Sclircim-is (' hci-sclzuiif^ das. S. 220. — 4.'iU--r)Sl( vj^l.
Brüll, Jalirl)ii(lu'r II, lö ff. - Sclicrira l«'i Ncuhaiicr, Med. Jt'w. Cliro-
iiirlos I, 33 f. Thor die gh'ich/.eitij^cii N'i'rfolgiingi'ii im liy/.aiiliii. Hciclic
\v:\. ob. S. 03 f. -- V\wv Kalkasrhandi s. Gotthoil in JQR MX, 500, 527.
And(Mvs Dokument das. XVIII, S. 13. — Poesien .lannais vpl. llar-
kavys Mitteilungen aus Kirkissanis SektonR(>.schichte in der hehr. Ül)er-
setzun^ von Graetz Ill,r)03ff.; Ilarkavy, Saadja S. KIT; Davidson in
JQR. New. Ser., I, 107; liiicherlisten in REJ \\\\\, litOff., XL, äO,
IQR W. 77 f.
4. Das Zilal aus Sachs. Kcl. l'oisie, 180. Heim usw. in der
aral». Poesie vgl. Brockelmann, Gesch. d. arab. LileiMtur j. 137. Metrum
s llarlmann, Die hebräische N'erskunst, S. 41. — Vor 7ö(» d. i. die L(d)ens-
zeit Kalirs, weiter 8, 31(5.
5. \ordringen des Piut Hi 6 f., S. P. 61. — Keroba usw. ob. S. 210 ff.
— Mincha ist nur am Jörn Kippur mitPiutim versehen. — Selicha S. 224.
— Piutim zu den Perikopen s. Neubauer & Cowley Catalogue usw. II,
2706ir>, 27106. 9, 27124 u. ö. Geschicke des einzelnen ob. S. 221. —
Freiheit im Piut Sachs 179. — Zunz, Vorrede zur Litg., S V; im Text
sind hinter 120 Reschut die Worte ,,120 Tochachas" versehentlich weg-
gelassen. — Über die Piutim aus der Genisa s. Neubauer & Cowley a. a. O.
im Index S. 469 ff.; die Zahl der Handschriften in Cambridge ist jedoch
unvergleichlich größer. Außerdem sind in den letzten Jahrzehnten ganz
junge Sammlungen aus Yemen u. Persien bekannt geworden, vgl. Bacher
in /?£7 LVIII— LX, LXII, 74 ff., Die hebr. arab. Poesie d. Juden Ye-
mens 1910 u. JQR N. S. II, 373 ff. Persisch in ^E VII, 320, Zf HB
XIV 16 ff. vgl. auch REJ XLIII, 101 ff. LXII, 85 ff.
7. Inhalt des Piut Sachs a. a. O., S. P. 126 ff. — Inhalt der Selicha
S. P. 85 ff. — Stil das. 127. — Erweiterung des Weltbildes Sach.s, 204 f.
— 10 Märtyrer (S. 290) S. P. 139 ff., Opferungs Isaaks das. 136 ff. —
Keduscha Sachs, 253i. — Blütezeit z. B. Mose ibn Esra in der Aboda,
Stud. 59; das. auch über die Nachahmung bewunderter Vorbilder in der
arab. Poesie. Vgl. auch Brockelmann a. a. O. I, 6.
9. Akrostichis S. P. 104 ff. — Alphab. Zeilen, wobei Partikeln u. ä.
nicht beachtet werden; daher können sie mit D"i:22, mit xb 15 u.a. ein-
geleitet werden. — Talmud b. Schabb. 104a. — Bibelverse S. P. 95 ff..
110 f. — Kalirs Keroba rtD'^x "ii2T beschrieben Litg. 46 f. ■ — Namens-
akrosticha S. P. 106 ff., Segensformeln das. 108 f. u. Beilage 4, S. 369
bis 372. — Jehuda ha Levi Amr. II, 44a, Brody, Diwan 111,286. —
Fremde Namen S. P. 109 f. — Simon u. Salomo weiter 328, Jechiel
S. P. 108.
10. Die Reime in der Bibel (G. V. 392b) sind unbeabsichtigt, vgl.
König a. a. O. 356 f.; selbst bei den Versen im Talmud (Brody in den
Anm. zu Frances c^ns'O' pnr) S. 33) ist es sehr zweifelhaft, wie weit Ab-
sicht vorliegt. Alle jüd. Autoren des Mittelalters stimmen darin überein,
daß der Reim vor Kalir resp. Jannai in der hebr. Poesie nicht bekannt
560 Anmerkungen.
war, vgl. Hartmann a. a. O. u. Brody, Studien zu den Dichtungen Je-
huda ha Levis S. 10. — Art des Reims im Piut S. P. 86 ff. — Reimworte
entsprechend dem Inhalt das. 96 f. — Bibelverse als Refrain das. 95. —
Mostedschab ob. S. 228, ähnlich in den Rehitim S. P. 99. — Efodi in
•iSX niüSa Kap. VIII, S. 43. — Saadja weiter S. 325.
11. Über Metren in der Bibel vgl. die Literatur bei König 303 ff.
u. Steuernagel, Lehrbuch d. Einleitung usw. § 30, 108 ff. — Dichter
vgl. Hartmann a. a. O., das. 47 über quantitierenden Rhythmus. — ■
Vorwurf gegen Dunasch in den cinsTa ""iia^n niniirn S. 7, 21 ff. — Je-
huda ha Levi, Kusari II, 70, 78, 82. — Charisi Tachkemoni XVIII, vgl.
auch Buch d. Frommen § 469 f. — Bewertung der Silbenquantitäten
vgl. Brody, Studien S. 17 ff. — ■ Aufzählung der Metren bei Rosin, Reime
u. Gedichte Abraham ibn Esras S. 6 ff. u. bei Brody a. a. O. 26 ff. —
Hartmann S. 83. — Gesang S. P. 114 ff.
12. Das Zitat S. P. 126. — Eigentümlichkeiten das. 117 f. —
Aram. Wörter das. Beil. 5, S. 372 — 374; latein. u. griech. bei Krauß,
Lehnwörter I, S. XXVI, ff. — Übermaß S. P. 118. — Ungewöhnliche
Plurale das. Beil. 6 u. 7, S. 374—377. — Nomen S. P. 119. — Verbum
120 ff. Infinitive, Beil. 8, S. 377 f. Zweibuchstabige Formationen S. 378
bis 380. s"3b vor dem Verbum finitum S. 380 — 382. Peitanische Wörter
S. 382 f. Nominalformen S. 383—409. Neue Verbalformen S. 410—421.
Partikeln als Verba S. 421—423. Dunkelheiten S. 123 ff., wozu die
Beilagen 15 — 17 gehören: Nachweis über verschiedene, vorzugsweise von
den älteren Synagogal-Dichtern gebrauchte, oder ihnen eigentümliche
Ausdrücke S. 423 — 437. Die . . die Beziehungen zu den Israel beherrschen-
den Reichen und Kirchen betreffenden Ausdrücke S. 437 — 455. Der
alte Bund und die alte Hülfe 455 — 458. Ergänzungen gibt Zunz Ri 234 ff.,
Litg. 627 ff. u. Nachtrag 66 ff. Zur Sprache der Piutim vgl. auch Luz-
zatto XM 10 ff.
13. Abraham ibn Esra zu Koh. 5i, S. P. 117. — Heidenheim im
Kommentar zu "^sbia rtSiDJX im Musaf des I. Neujahrstages. — Das
Zitat (S. 299) aus S. P. 117, das zweite das. 123. — Saadja weiter 322 ff. —
Klassiker, aus neuester Zeit seien nur Victor Hugo u. Gabriele d'Annunzio
genannt. — Zitat (S. 300) aus Jud. 169. — Spanische Dichter G. V. 433 f.
14. Urteile über den Piut bei A. A. Wolff rraxi wbc rr/rfS,
Stimmen d. ältesten, glaubwürdigsten Rabbiner über die Piutim. Leipzig
1857 u. Ri 163 ff., wo auch Verteidiger des Piut angeführt, die Wider-
stände allerdings unterschätzt sind. — Unterschied zwischen Babylonien
u. Palästina Ker. Chem. VI, 247. — Allmähliche Zulassung des Piut
vgl. Eppenstein a. a. O. S. 596. — Jehudai bei Ginzberg, Geonica IL 51.
— Koben Zedek s. Seh. L. § 28. — Natronai s. Resp. Gh. Gen. 50, Seh.
L. § 28 (13a) vgl. dazu MS. LIV, 355. — Hai bei Itt. 252, vgl. auch
Chananel in Seh. L. a. a. O. 12b. — Jehuda b. Barsilai Itt. 252. — Jung.
Zeitgenosse s. V. S. 370. — Gerschom Seh. L. a. a. O., V. S. 362 ff. —
Tarn das. — Abr. ibn Esra s. oben. — Maim. More I, 59 vgl. auch Resp.,
AiiMifikun^c II. 561
ed. Li(,ht<'nl)('rg I, Xr. TJT ii. Lcwy-Fostschr. hehr. S. 4i». — Oliarisi
Tadikciiioiii XXIV, l)t'i Bnidy Allir. S. 187. Äliiil. Ndrwürfc \V(»lff
S. 14 lt., Ki 16(). — Jos. Karo zu Tur I, G8, lli». Klia Wiliia in
r~ rtwr'2 Jj 127. — KimdiLTf wcilrr S. 427.
§ 40. 1. Zu doli splirliclii'ii Quellou j^clKtnii die Lislv alter 8e-
licha-Dichtor Litg., Boil. 1, S. 625 f., die AufziUiluug bei Harkavy u.
Saadyana a. a. ()., Chari.si, Tarlik. III (Brody All>r. 170 ff.).
;{. Anonymer IMut Lif^'. 23 ff. - Jo.se da.*^. 26 ff. Land.shuMi So ff.,
Harkavy 106 ff. ; bei L. u. H. .'Jind auch alle Irrtünifr der Früheren ver-
zeiehnot. — Mittelalter Bacher in JQR \\\,:42. — Über die Kür-
zungen (Jerni. ob. zu S. 216. — Aboda s. Sludicn 7S IT. ii. IIS. nrx
r::i2 iu Rosenberg •j'S'p II, 111 ff. rtinr -rx Litg. 64<) f., zu
Petrus als Urheber Stud. 74-. — --:ts in y:~ II, 1 ff., wo fälschlich
■'^nx: steht. — -SDX Stud. Sl u. 118, rm Litg. 28. — k'cx Hi 142,
Landshuth 87; Übertragung S. P. 163. — (""bersetzungen von nVsnx
bei Sachs, Festgebete der Israeliten IL
4. Saadja bei Harkavy das., Eppenstein a. a. O. ö9ö. — Pinchas
als Dichter vgl. Neubauer u. Cowley, Gatalogue II, 27313, 28472i; 27148
(•pin onrs ?).
5. Über Jannai vgl. Litg. 2S f., Laiidslnil 1(»2 ff., Luzzallu xr- S. —
Ob '03 ri"". TX ihm angehört, wird von Davidson JQR, N. S., I, 107 Anni.
in Zweifel gezogen. — Poetik JQR XIV, 742. — Anan bei Harkavy,
S. 107 f. vgl. MS 1902, 377. — Gerschom in Seh. L. § 28. — Bücher-
listen oben zu § 393. — ''i'^x in den alten Ausg. von Germ. Landshuth 103.
— Aufzählung bei Davidson a. a. O. — Aus der Genisa sind 2 Poesien
Jannais durch Wertheinier in seinen cbü""' "^t:; 18 b f. gedruckt. —
Sage bei Landshut 103. Ich erinnere mich, vor Jahren eine ähnliche
Erzählung über einen italienischen Dichter gelesen zu haben, kann sie
aber jetzt nicht wiederfinden. Wie Dr. Aldo Sorani in Florenz mir
mitteilt, findet sich ein Analogon im .Morgante Maggiore von Pulci
(XV. Jahrb.).
6. Über Kalir vgl. Rapaports Biographie in Bikk. ha Itt. XI, 95 ff.,
Litg. 29 ff., Landshuth 27 ff., Luzzatto x:-: 9 ff. — Das Zitat von Frankl in
Zunz-Jubelschr. S. 160. — x-i"3p Aruch. s. v. -h^ III. — Sitte, Zunz,
Zur Geschichte 168 f. — Cagliari Rapaport, Note 17. — Jakob bei Schul-
lam in Juchasin, ed. Krakau, 34 b, 48 b, dagegen Landshuth 29. —
Metaphern u. Symbole nimmt Rapaport, Note 12, an; daß er darin sehr
übertreibt, ist ihm oft entgegnet worden. — Keler in Melanges Renier 433,
Berliner, Gesch. d. Juden in Rom, IIa 15 f. — Cyrill J. Perles in By-
z a n t. Z e i t s c h r. II, 582. — Unteritalien s. ob. — Portus bei Ber-
liner a. a. O. — Deutschland Ker. Chem. VI 7, and. Länder das. 8. —
Babylonien Luzzatto x::"3 9. — Palästina zuerst S. Cassel in Frankeis
Zeitschr. f. d. rel. Inter. 1846. 224 f. — Nur e i n Feiertag Tos. Chag. 13a
s. V. 35-ft, Rapaports Einwendungen dagegen (Note 1) sind nicht stich-
haltig, da die Verwendung der Piutim durch die Gemeinden für ihren
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. 36
562 Anmerkungen.
ursprünglichen Zweck gar nichts beweist. Doppelte Poesien besitzen
wir von Kalir zum 9. Ab, eine in Germ., eine in It., für Purim vgl. Frankl
a. a. O. 162. — Quellen Litg. 33. — Pal. Textgestalt schon Rapaport,
Note 28, 33. vgl. Achtzehngebet S. 26. — Palästina, so zuletzt auch
Zunz s. Litg. 33. — Kallirrhoe (S. 31 4i schon Cassel u. F. Perles in OLZ X,
1907, 543. — Tiberias Eppenstein a. a. O. 594. — Kalir als Tannait s.
Landshuth 27, als erster sprach sich Jos. Steinhardt in rpi^ ii-tsr
dagegen aus. — Poesien für 9 Ab Tisi n'K^ scn i'sxx und rtpnsn 'n ^5
bei Rapaport, Note 3, die richtige Erklärung bei Luzzatto a. a. O. 10. —
Die Poesien Kalirs verzeichnen Landshuth 31 ff., Litg. 43 ff. — Genisa
z. B. bei Neubauer u. Cowley. Catalogue, Index S. 444; dort 2708i auch
unbekannte Poesien zu Pesach. — Kerobot Litg. 32. — Willkür das 60. —
4 Sabbate 43 ff. — 9. Ab 46 ff. — Kalir als Muster Litg. 31. 34 Anm. —
Hagada das. 29 f. — Messianische usw. Schriften das. 603 ff. — Sprache
das. 35 ff. — \'erbreitung der Poesien Kalirs Litg. 33. Übersetzungen
zahlreich in Sachs, Festgebete d. Israeliten, vgl. auch S. P. 67, 75, 130. —
Zitate Litg. 61 ff.
§ 41. 1. Vgl. Litg. 64. — Über die Zeit nach 1050 das. 126, dorther
das Zitat.
2. Anonyme Dichtungen das. 64 — 93. 219 — 232. — Über Saadja
s. Litg. 93 ff., Landshuth 286 ff., Steinschneider C. B. p. 2203 ff. —
^■^nbx "1 rx in Rosenberg v2-p II, 30 ff., wo es fälschlich mitten unter
die Asharot bsx n'^ribx (26 ff.) gestellt ist, und Oeuvres IX, 58 ff. —
Aboda Studien 82 f., gedruckt in -jr^ip IL 10 ff. ; die zweite ta'ip^a tr^ d'^ü^x
Studien 83 f. u. 122 ff. — Hoschana-Zyklus s. MS XXXVII, 1893, 506 ff.
Selichot Litg. 97: vgl. Schechter, Saadyana, Nr. XVIII, w^o XVII— XXIV
auch andre unbekannte Piutim Saadjas abgedruckt sind. Eine Tochecha
veröffenll. Brody in JQR, N. S., III, 83 ff. Vgl. Neubauer u. Cowley,
Catal. II, S. 494 f. — Über Agron s. Harkavy a. a. O. S. 28, Eppen-
stein in MS LIV, 193.
3. Salomo ha Babli Litg. 100 ff., \'ogelstein u. Rieger, Gesch. d.
Juden in Rom I, 181 ff. — Selichas das. Litg. 232 ff., Übersetzungen
S. P. 167 ff., Vogelstein u. Rieger 183. — r-^r-ibc Litg. 233, s. jedoch
oben 228 B.e). — Aboda Studien 87 f.
4. Über die Kalonymiden vgl. die Literatur bei Aronius, Regesten
Nr. 136, S. 58, JE VII. 424 f. Stammbäume Litg. 107 u. JE das. —
Mose b. Kai. Litg. 104 ff., Landshut 257 f. — Kalonymus aus Lukka
Litg. 108. — Meschullam b. Kai. Litg. 108 ff., Landshuth 265 ff. —
Mainz REJ XXIV, 149 ff., Salfeld, Martyrologium 434. — Aboda
Stud. Soff., 126 ff. Übersetzungen S. P. 130 f. u. Sachs. Festgebete der
Israeliten, Bd. IV.
5. Simon b. Isaak Litg. 111 ff. — Verfolgung 1012 s. Aronius.
Regesten, Nr. 145, S. 62, Salfeld a. a. O. 288. — Kürzungen Ri 140. —
Selicha Litg. 235 ff., Übersetzungen S. P. 174 ff. u. Sachs, Festgebete der
Israeliten in fast allen Bänden.
Aiiiiifikuiigni. 563
(). GcM'ScIlom LilK- -•{<"< f-. l IxTScliillll^l-ll S, I'. 171 ff. \ iTfnl>^MillK''ll
s. (ilicii, iihiT die Zwaiit^slaiifi- seines Sohnes s. (Itaelz \'*, .'J87, (lallia 303.
JEW (139. ~ Hcnjaniin Lil^. 120 ff., 239 ff. Ziinz nennt ihn S. P. 170
den fi iielil liar,<len Selichailiclitef seines Jahili. n. ..vielleicht aller ro-
maniscli-^'i'i'rnaniseher Diclüer überhanpt" ; dort anch einige; ülx^r-
setzunf^en seiner S(>liehas. — Joseph I). Salonio Lit^'. 123. — Zahlal
das. ff.. S. I'. \:V2.
7. \ü\. oU. zu 1. Elia b. .Menaclieni LitK^ 120 ff., Landsliuth 13 ff. —
n":x in Hosenl)erff yyfp II, 55 ff. — Selichas Litg. 243. — Josef Bon-
fils Luz/.atto in -ns-xn iT^a I, 48 ff., Lan<lsliuth 96 ff.. Litg. 129 ff., Groß,
Gallia Judaica S. 308. Die angeführten Stinke alle in Genn., Kom-
mentare zu r"n"^r! -nbx in Or Sar. 11, r)7r ff. Seliehas Litg. 243, S.
P. 180.
8. Litg. 139, 244 ff., Landsluilli 17 f.; Übersetzungen S. P. 206 ff. ;
Parallelen in den Selichas Litg. 61(i.
9. .Meirs. Litg. 145 ff., 248 ff.; über den Namen da.s. 610. Landsliuth
162. Übersetzungen S. P. 188 ff. — Haschi (vgl. die Literatur JE X, 328)
Litg. 252 ff., S. P. 181. Zum Siddur usw. vgl. die Einleitung von Buber
u. Freimann zu ihrer Ausgabe des Siddur Raschis, 1911. — Jakob Tarn
Litg. 265 ff., Landshuth 106 ff.
10. Elegien über die Verfolgungen geleg(>nllieh des ersten Kreuz
Zugs verzeichnen Graetz, Gesch. VP, 357 (sehr ungenau), Salfeld, Mar-
tyrologium 101 ff. ; einige deutsche Auszüge S. P. 95 ff. — Menarhem
Litg. 158, 250, Landshuth 189 ff. Salfeld 103, vgl. Epstein MS XLI,
300 ff. — David Litg. 254, Landshuth 59. Gesandtschaft beim Kaiser
s. Aronius, Regesten Nr. 170, S. 71 ff. — Kalonymus Litg. 104 ff., 255. —
Elieser Lüg. 259 ff.. Landshutli 20 fr., JE V, 118 f., vgl. S. P. 246.
11. Joel s. Litg. 269, Landshuth 81 f.. Salfeld 113, vgl. S. P. 252. —
Ephraim b. Jakob Litg. 288 ff., 619, Landshuth 47, J£ V, 190 f., vgl.
S. P. 262. — Ephraim b. Isaak Litg. 274 ff., Land.shuth 48, vgl. S. P.
254 ff. — Menachom Litg. 294 ff., S. P. 263. — Meir b. Baruch Litg.
357 ff.. 623, Landshuth 160 f., vgl. S. P. 312 f., JE VIII, 437 ff.
12. Über jüngere Dichtungen s. oben zu § 395.
§ 42. 1. Allgemeine Charakteristik bei Sachs, Karpeles a. a. O.
D. Kaufmann in der Vorrede zu S. Heller, Die echten hebr. Melodien,
II. .\ufl., 1893. — Das Zitat aus Charisi III. — Um die Wiederentdeckung
der Poesie der span. Juden haben sich besonders Dukes, Kämpf, Letteris
Edelmann und vor allem S. D. Luzzatto, um die Erläuterung der Ge-
dichte neben ihnen M. u. S. Sachs, A. Geiger u. neuerdings H. Brody
verdient gemacht. \on den zahlreichen Werken, welche Übersetzungen
der Dichtungen enthalten, seien hier genannt: Karpeles, Zionsharfe,
1889, A. Sulzbach, Die religiöse u. weltl. Poesie der Juden, (auch Winter
u. Wünsche, Die jüd. Literatur, III) u. Heller (s. ob.).
2. Ibn Abitur s. Sachs, Rel. Poesie 248—255, Litg. 178—186,
Landshuth 92—94. — Maamad Charisi III, 140 (Brody Albr. S. 175). —
36*
564 Anmerkungen.
Aboda: Studien 88 f. — Keduscha bei Sachs 253. — Hoschanas vgl.
Litg. 179 ff. — Proben: Sachs 40 ff., S. P. 220 f., Brody Albr. 9 ff.
3. Über Ihn Gajjat s. Sachs 255—269, Litg. 194—200, Landshulh
ni_116, Luzzatto ffij-uJ'^'^s- ni3 38 ff., Steinschneider C. B. 1110 ff. —
Seine Halachot weiter 362. — Aboda: Studien 90 f. — Einteilung der
Poesien: Litg. 195, Zitat das. • — Tripolis im Gebetbuch r,'::" TiS':;
Venedig 1648 u. 1711. — Proben bei Sachs 46—62, S. P. 225, Brody
Albr. 16 ff.
4. Über Bachja vgl. Sachs 273 ff., Litg. 201, Landshuth 49—51;
die nriSin übersetzt bei Sachs 63 ff., beide Poesien hebräisch zuletzt
gedruckt in A. S. E. Yahudas Ausgabe des Al-hi daja ilä farä 'id al-
qulüb, Ende; vgl. auch Brody Albr. 61 f. — Isaak:Litg. 201, Landshuth
126 f., Geiger, Jüd. Dichter S. 9—12.
5. Gabirol s. Sachs 217—248, Litg. 187—194, Luzzatto a. a. O.
69 ff., Steinschneider C. B. 2313 ff., Geiger Salomo Gabirol 1867, s.
Sachs n^nr,!-;; Proben bei M. Sachs 1—40, S. P. 222 ff., Brody Albr. 39 ff.
— Zitat S. 344 aus Sachs 223, die Königskrone das. 1 ff. u. 223 ff. —
Verse (S. 346) in Heines Jehuda ben Halevy. Mose ibn Esra bei Stein-
schneider a. a. O., Charisi III, beide nach Übersetzung von Geiger a. a. O.
S. 109 f. — Unbekannte Abodas Stud. 89 f., 136 ff.
6. Höhepunkt der Poesie s. Sachs 272, Litg. 202. — Mose ibn Esras
Lebenszeit bei Luzzatto nbin" 24, das Zitat aus. Sachs 282 f. ; vgl.
sonst Steinschneider C. B. 1801 ff. — Selichadichter = nsorrod. ",n;3
S. P. 228. — Aufzählung der Dichtungen bei Landshuth 243 — 255.
berichtigt Litg. 202 f., 614, Luzzatto mb 54 ff. .— Proben: Sachs 69—83,
S. P. 228 ff., Brody Albr. 76 ff., Studien 92 f. — Über seine Poetik s.
Steinschneider, Arabische Literatur § 101, Schreiner in REJ XXI, 98 ff.,
XXII, 68 ff.
7. Die sehr reiche Literatur über Jehuda ha Levi s. bei Brody,
Studien, S. 5 Anm., JE VII, 351. Viel neues Material für eine Biographie
des Dichters ist im Diwan u. in Brodys Erläuterungen zu den Poesien
enthalten. — Die Verse aus Heines Jeh. ben Halevy. ■ — Zu S. 349 vgl.
Sachs 303 ff., Karpeles 420 ff., 426. — Die Zionide Karpeles 426. Deutsche
Übersetzungen des Liedes haben bereits Mos. Mendelssohn und Herder
angefertigt, s. Karpeles, Diwan d. Jeh. Halevi II. Aufl., S. 172 ff. — Auf-
zählung der religiösen Poesien Litg. 203 — 207, Landshut 69 — 77, am
reichhaltigsten, allerdings ungeordnet, in Luzzattos Vorrede zu seinem
Diwan. — Proben bei Sachs 83—106; S. P. 231 ff.; A. Geiger, Divan dos
Castiliers Abu'l Hasan usw., S. 56 ff. (= X. S. III 138 ff.); Karpeles.
Diwan (s. ob.); Brody Albr. 100 ff.
8. Über Abraham ibn Esras Leben s. zuletzt Rosin in MS XLII.
18 ff.; über seine rel. Poesien Sachs 310—320, Litg. 207—14, Landshuth
5 — 9. Eine Sammlung der Dichtungen bei Egers, Diwan des Abr. ibn
Esra; dort 186 f. ein Verzeichnis der im Diwan nicht enthaltenen reli-
giösen Lieder. — Proben S. P. 238 ff.; Sachs 109—118; Rosin, Reinir
Aiimci'Uiiii^^cii. oOo
11. (HMiichtr des Alu-. il)i) lOsrii, IM. II, Cnllcsil. roesic. Brody .Mhr.
Uf) ff.
§ 4:?. 1. l ntorricht s. Clüdeinaims Artikel Educalioii in JE\\
43 ff. — Apo.slolat vgl. Vogelstein in MS IL, 427 ff. — Brieflicher Ver-
kehr s. J. Miiller, Briefe u. Responsen in der vorgeonäischcn jüd. Lite-
ratur 188Ü. — Ha<,'adal)ü(her O. \'. lS2d. — Gebete in der talimid.
Zeit ob. 25G ff.
2. Sofrim ist sehr eingehend bearbeitet von J. Müller, Leipzig 1878;
in der Einl. ist über Ursprung u. Charakter der Schrift das Erforderlichen
nachzulesen. — ■ Über Toravorlesung u. Gebete spricht Sof. von X (resp.
1X9) ab, jedoch wird XII, 8b— XIII, 8 wieder auf das Thema des Tora-
Schreibens zurückgekommen; hagadische Ab.schweifungen auch sonst. —
W'ochentagsgebete in X, 7; daß XVII, II sich auf festliche Tage bezieht,
wurde ob. S. 85 u. 113 nachgewiesen. — Jehudai ob. S. 163.
3. Minhag Ri 2 ff., ob. S. 206. — isrisü nip-o z. B. Pes. IV, Meg. II
u. ö. — nrön ■!::20 sns'S Sof. XIV, 18. — Wie der Minhag sich bildete
und beeinflußt wurde Ri 3 1., Zitat aus Ri 4. — Anfragen bei Geonim
Ri 5, 16, 184 ff. Das Material ist seit Zunz bedeutend größer geworden,
vieles ist aus den nach Materien geordneten Zusammenstellungen in
J. Müllers, Einleitung in d. Responsen d. Geonim zu entnehmen, aber
auch dazu lassen sich aus den Veröffentlichungen der letzten 20 Jahre
zahlreiche Ergänzungen beibringen.
4. Zur Entwicklung der Gebetbuchliteratur s. Ginzberg, Geonica I,
119 ff. — Natronais Gebetordnung das. II, 119 ff.; seine Responsen bei
-Müller, Einleitung S. 104 ff. — Daß damals Gebetbücher schon ver-
breitet waren, hebt Ginzberg mit Recht hervor, wenn auch der von ihm
erbrachte indirekte Beweis nicht stichhaltig ist, da die Anfrage, ob ein
Blinder als Vorbeter fungieren darf, an Meg. IV, 6 anknüpft. Vergleicht
man jedoch Natr. Bescheid mit dem Satze Jehudais bei Müller, Hand-
schriftl. Jehudai Gaon zugewiesene Lehrsätze, S. 10, Nr. IX, so sieht
man, daß Jehudais Gegnerschaft gegen Gebetbücher bereits völlig über
wunden ist. — Daß auch Kohen Zedek einen Siddur verfaßt hat, wie
Ri 18c angenommen ist, hat sich nicht als haltbar erwiesen, vgl. Müller,
Handschriftliche usw. S. 17, X; Geonica I, 123. — Zu Amram s. ob.
S. 7u. d. Anmerk. — Die vorliegende Form dieses Siddur ist durch Ginz-
berg I, 126—154, einer sehr eingehenden Untersuchung unterzogen
worden. Daß der Text der Gebete vielfachen Änderungen unterworfen
wurde, ist dort S. 124 ebenfalls anerkannt, aber im Gegensatz zu G.
bezweifele ich, ob von Anfang an der Wortlaut der Gebete vollständig
angegeben war; denn 'r-nsi nibsn -no muß durchaus nicht Wortlaut
der Gebete heißen, der Ausdruck kann sich ebensogut auf die Anordnung,
die Reihenfolge der Gebete u. auf die Eulogien beziehen wie bei Natronai.
— Unter den Quellen Amr.s steht der Brauch der beiden Hochschulen
und des Exilarchenhauses (-»i^rc irs-. n^^, das ich gegen Ginzberg I,
42 f. so auffasse) in erster Reihe; von literarischen Quellen benutzt er
566 Anmerkungen.
besonders die Responsen Xatronais. — Neben den verbreiteten Titeln im
Text kommt auch c-irs '-;l C^riTnia Or. Sar. I, 26b vor. — Die Be-
nutzung Amr. wird bei einer Vergleichung mit Itt. u. V. besonders klar. —
Daß die Piutim im II. T. der Ed. Warschau nicht zu Amr. gehören,
bedarf keines weiteren Wortes. Die Selichas für die 10 Bußtage sind
jetzt durch Mx. 28, Fr. II, 308 ff. bekannt. — Über Saadjas Siddur s.
Steinschneider C. B. 2203 ff . ; Neubauer in Ben Chananja 1863, S. 552.
1864, S. 199, 234; Bondi, D. Siddur des R. Saadja Gaon, 1904 u. ZFHB,
IX, 104. — Abfassung in Babylonien u. Beeinflussung von Ägypten
Geonica I, 166 f. u. Mose b. Maimon I, 327. — Gelehrte z. B. Hai Ge-
onica I, 175. — Andre Ri 19. Man darf jedoch nicht überall, wo in
Quellen aus dem Mittelalter ein ",-!D zitiert ist, ein Gebetbuch ver-
muten. So z. B. bedeutet rtTssu; '^ -" iO in der Bücherliste bei E. N.
Adler in JQR XIV, 57 nicht den Siddur Raschis od. ähnl., sondern die
Aboda Gabirols; der dort mitgeteilte erste Vers bildet den An-
fang der von mir Studien S. 143 ff. veröffentlichten langen Aboda.
Ebenso nannte man Jos. Tob Elems halach. Gedicht (ob. S. 333) häufig
^lö, vgl. z. B. Tos. Pes. 115a s. v. -.ifTi. — Ibn Gajjats Halachot, zuerst
in Geigers Wiss. Zeitschr. V, 396 ff. durch Dernburg besprochen, sind
durch S. Bamberger 1861 u. d. T. nrnsu "^'a^u veröffentlicht; s. auch ob.
342. — Jeh. al Barzeloni vgl. JEVll, 340 f. u. Albeck i-!"T!-!i "^pTp-rna
in Lewy-Festschr. hebr. 104 ff. — Eschkol in Gallia 414, JE I, 110 f. —
Mischne Tora in Mose b. Maimon I, 319 — 331. — Raschi vgl. ob. 335,
zu V. auch Ri 20. Das C'^::":'^sr! ':;:'p ed. von Brody 1894.
5. Minhag im neuen Sinn von Ritus Ri 38. — Verschiedenheiten
das. 7 f. — Balkan das. 79 f., Italien 76 f., Deutschland 59 ff. — Spa-
nien 39 ff. — Dichtungen zersplittert (S. 365) das. 106 ff., 131, 139 ff. —
Kinot 89 f. — Hoschanot 91. — Versöhnungstag 95, 97 ff. — t^T\ rtsnsi
Litg. 107, 110, Berliner IL 13 ff., 63. DieAmnonsage bei Landshuth 45 f.
u. in älteren Ausg. des deutsch-poln. Machsor zu ri""-,. Seiner Verbreitung
und seiner Sprache nach muß das Stück in die ersten Anfänge des Piut
hinaufreichen. Vgl. JE. I, 525 f. — Spanien Ri 88 f., 92 ff., 104 ff. —
Provence das. 45. — Selichas 131 ff. — Spanien das. 732. — Die Unter-
abteilungen der Riten Ri 39 ff. — Daß viele Riten nebeneinander be-
stehen dürfen, hebt z. B. Hai Gaon in c-ri n'irn § 119 Ende hervor
(nims: cssu rrhtr\ "^sn:^ n^a). — Literatur der Minhagim Ri 21 ff. —
Dazu ist ferner zu vergleichen das sehr interessante Werk r"2X "-z von
Menachem Meiri (1249 — 1306), das zwar nicht ausschließlich gottes-
dienstliche Bräuche behandelt, aber viele wichtige allgemeine Bemer-
kungen über Minhagim bietet. Meiris Standpunkt ist der, daß jeder
sich bestreben soll, die Überlieferung seiner Heimat treu zu bewahren,
daß aber niemand seine Bräuche andern aufdrängen soll (S. 6), insbe-
sondere in Fragen des Gottesdienstes und der Gebettexte (S. 101). —
Über die Wormser Minhagbücher vgl. Epstein im Kaufmann Gedenk-
buch S. 288 fL — Meir v. Worms ob. 334. — Abr. b. Nathan vgl. D.
I
Aiimi'rkiiii^,'i'ii. 5G7
Casscl in Zun/, .1 iilxlsclir. 122 ff., (l.illi.i 2s:5, ./fl, llt;r. Mrir oli.
;J38. — Zidkia \ Oifclslciii u. l{it'Kci' I, IJS2 ff. Ahion Iim Cnhcii ii.
Kolbo H\ :n, (iallia 2«)0, 420. JE 1, 12. Kdlx» das. \ II, ä:;« f. \\>\i-
(Irahain H\ 30, /£ I, 139. — c"^r-j -no (Iallia 240. Ti'xl in .1 iil)> Isdir.
fiir iM. Blorli, 190r>, Berichtig, in Zfll H I X. 143 ff. KianUlicil d.T
Minli. OüdiMiiann. l-^rziiluingswesen d. .Indm in I'ranUr. n. I )i'ut.s(hl. II,
13 ff. — Jakob. Mölln JE \ III, 052, da.s Zitat au.s d. Kinl.-ilung zu V'-^-nr:.
— Die über.schfttziing der Minhaf^fiin tritt besonders kraß im Stnil lun
d( n Ifanibiir^'er Tempel (weiter S. 402 ff.) ziita{,'e, die (lulachlen in
tr^^sn •'isn rtbx berufen sich fortwährend auf die l nverilnderlichkeil der
Miniiagini. v<il. la. 3, 23. Eine große {{olle spielt dabei der von .Mir.
Llumbinner in cn-^x -^-s zu 8ch. Ar. I, (iH, angeführte Salz aus j.
Er. III, E. M-^msx anj-^is -icn bx nbsrn -iio ms •inb'cc ■^"srx. Bekanntlich
ist. das Zitat falsch, (>s muß lauten, misna "'"■iD nrb "inVrc E"rx. es be-
zieht sich auf die Einfiilirung des festen Kalenders und hat mit den
Ciebeten niciils zu tun. Ahr. Cumliiiini'r' lniiifl sich siinerscils auf Is.
Lurja.
7. Viele Beispiele für Zerstörungen von Poesien Hi 13!» ff. —
Worms s. Berliner, Über den Einfluß d. ersten hebr. Buchdrucks, S. 22.
■:=5': T2X Hi 119 f. — Selichas das. 142. — Zusätze 144.
8. Synagogen in Konstant, u. Saloniki Ri 146, noch größere Zahlen
bei Graetz IX^ 27 f.. 32. — Einfluß des Buchdrucks Ui 145 f. u. Ber-
liner a. a. O., vgl. aucli Randb. 1, 8 ff. — .\nklagen gegen Gebetbücher
Ri 147, die Zitate aus 148 f. Zensurproben 222 ff. vgl. auch Berliner,
Zensur u. Konfiskalion hebr. Schriften. — Mängel dei' Drucke Ri 174 f.;
Berliner. Abhandlung über den Siddur des Schablai ha-Sofer, 1909.
§ 44. 1. Andacht s. JE IV, 549 f., dort auch die Definition nach
Maimonides; vgl. auch F. Perles Schrift über Bou.sset, Religion des
Judentums, S. 101 ff.
3. Essäer u. Therapeuten ob. 24(). 250. — '-n r"Tcn Ber. \. I,
b. 32b, "(TtTT: das. 26a.
4. Vgl. Bloch MS XXXVII. 18 ff. Zitat das. S. 22. — Keduscha-
hymnen das. 73. — '^sx"" r"nsn das. 258. — Gebete der n22"ns ^"t-^r^ 262 ff.
5. Ahron b. Sam., Lilg. 105 als Erdichtung usw. bezeichnet, ist
jetzt durch die Chronik d. .\chimaaz von Oria (bei Neubauer, Med.
Jew. Chron. II, 112) näher bekannt; vgl. Kaufmann in MS XL, 1896,
465 ff. — Stammbaum der Mystiker s. REJ XXIII, 230 ff. MS IL, 1905,
692 ff., wo auch die ganze zugehörige Literatur verzeichnet ist. —
Über Samuel d. Frommen Epstein in ■,'-;n 1\'. 8i ff., über Jehuda Litg.
218 ff., Landshuth 77 f., Güdemann, Erziehungswesen usw. I. 153 ff. —
Eine zusammenhängende Gruppe von Sätzen über Andacht u. Gebete
in D^n^Dn 'O §§ 393 — 588. — Über den Einheitsgesang s. Berliners
gleichnamige Schrift. — Zählen der Buchstaben Tur I, llßg. E., vgl.
dazu Perles in Graelz-Jubelschr. S. 17 f. — Über Eleasar b. Jehuda s.
Litg. 317 ff., Landshuth 24 ff., Güdemann das. 173, JE V, 100 ff.
568 Anmerkungen.
6. Kabbala s. JEUl, 456 ff. Sohar das. 699 ff. Aus dem Sohar
stammt das Gebet !T2'a '^i-c beim Ausheben der Tora ob. S. 200.
7. Zum Ganzen s. Schechter, Studies II, 202 ff., Bloch MS IL,
129 ff. Die Kabbala auf ihrem Höhepunkt usw. (auch separat). —
Safed bei Schechter 209 ff. — Lurja das. 254 ff. — Orden in Safed
das. 242. — Lurja über das Gebet S. 271. — Neue Gottesdienste 242 ff.,
Mahlzeiten 249; Isr. Xagara als Hymnensänger 251, vgl. auch Bacher
REJ LVIII— LX, LXII, 74ff. u. Davidson das. 85 ff. —Vital s. Schechter
266 ff., Landshuth 64; das. 122 über Lurjas Piutim. — Lurjanisches
im Gebetbuch Ri 149 ff., die Zitate das. 150. In Germ, ist die Beein-
flussung durch die Kabbala seit Ed. Thiengen 1560 nachzuweisen, vgl.
dazu Berliner Randb. I, 30 ff. — Men. As. da Fano JE V, 341 f. — Die
große Zahl der Cii3ipn ist aus den Anführungen bei Steinschneider
C. B. 455 — 477, Zedner, 447 ff. u. van Straalen, Index 519 f. ersichtlich,
obwohl diese Aufzählungen nicht lückenlos sind. — Nathan Spira JE
XI, 523, Nr. 24. — Jes. Horwitz das. VI, 465 f., Landshuth 133 f. —
Nathan Hannover JE VI, 220. — Zusätze Ri 152 f., Berliner a. a. O.
8. Schechter, Studies I, 1 ff., JE VI, 152 ff., Horodezky S. A.
mT^onn ni-iirb, Warschau 1912. Über Isr. Baal Sehern Schechter
S. 7 ff., Horodezky, das. 17 f. — Seine Theorie des Gebets Schechter 29 fL
— Eigenes Gebetbuch das. 46. — Zitat aus Sal. Maimons Lebensge-
schichte, 1792, I, 222.
9. In den genannten Gutachten ni-^n '-.z- rhu ist überall der
Einfluß der lurjanischen Mystik wahrzunehmen. Änderungen oder
Verdeutschungen der Gebete werden für unstatthaft erklärt, weil dadurch
die ursprüngliche Absicht u. die Einwirkung auf die höhere Welt ver-
eitelt wird.
Kap. III.
§ 45. 1. Als Beispiel für die Beurteilung des Gottesdienstes durch
die Gebildeten (S. 395) kann die Auffassung Bendavids und Dav. Fried-
länders gelten, vgl. auch Bernfeld 13.
2. Über Isaak Satanows Gebetbuch s. Ri 169 f., 175, 231 ff. —
Über Heidenheim Ri 175, Berliner Randb. I, 9, 38 ff. ; über sein Leben
MS XLIV, 127 ff., XLV, 422 ff., JE VI, 319. — Über Sachs s. Eschel-
bacher in MS LH, 385 ff., JE X, 613. — Baer JE II, 433 f. — Über-
setzungen aus älterer Zeit Ri 154 f., die Liste kann leicht vermehrt
werden. — Pinto in London u. die and. ersten Übersetzungen G. V.
467, Ri 170; Philipson, Reform Mov. 14 f., JEX, 172.
3. Amsterdam Graetz, XP, 211 f., Philippson I, 65, JEl, 542.
Die Streitschriften verzeichnet de Silva Rosa in ZfHB XV, 1911, 107 ff.
— Franz. Konsistorialordnung s. Lemoine, Napoleon I et les Juifs,
S. 281. — Über Jacobsohn s. Jost, Kulturgesch. 14 ff., Philippson I, 29 ff.,
Graetz XI 2, 278 ff., 373 ff. (bekanntlich sehr ungerecht), Bernfeld 59 ff.
— Über die Reformen im Kgr. Westphalen und ihre Aufnahme s. Auer-
Amiicrkmi^'fii. 5G9
Lach, (Ji'scli. il. Jmlfii in Hall..'isla(ll, 21« ff. s. auch (). V. 475. — Pliil-
anlliropin ;-. liaerwald ii. Aillcr, Cicsch. dos Philaiilhrupii), 8. 5U ff. —
Konfirrualioii ('.. \. 472, JE 1\, 211» f. Alsoine fremdarligo Einrichtung
wird sie u. a. von I.. i.ow, Li-itciisaitiT 218 ff. 412 bezeichnet. — Däne-
mark JE l\\ .")24.
4. Über David Fritilhliider s. .). H. Ritlers gh'ichnaiii. Schrift,
JE\\!)\4!. ■ — Die Strcit.sciiriften bei L. Geiger, (lescli. d. Juden in
Berlin, 11. 210 ff.. Friedl. Anschauungen bei .lost a. a. (). 12 ff., Philipp-
son 1, ö2. — Über den Jacobsohn.sciien Gottesdienst s. Jost (a. a. O.)
u. Zunz (G. V. 475 f.), die beide an ihm teilgenommen haben, Zunz eine
Zeillang als Pre<liger. — Über die Gebetbücher u. die Einzelheiten des
Streites s. Geiger a. a. O. II, 219 ff. u. die Berichtigungen bei Bern-
feld G3 ff., 241 ff. — Preußen, G. V. 476.
5. über den Hamburger Tempel s. Jost 20 ff.. Theologische Gut-
achten über das Gebetbuch nach d. Gebrauch d. Neuen Isr. Tcmpel-
vereins in H., S. 4 ff., Graetz XI-, 76 ff., Philippson I, 162; über das
Gebelbuch Bernfeld 247 ff. — Kritik durch Geiger in .seinem Der Ham-
burger Tempelstreit 1842, S. 37 ff . ; andre, z. B. Mannheimer in den
Theol. Gutachten, S. 96, Stein das. 113 f., Frankel im Orient 1842,
Xr. 7 — 9. — Macaulay, On the disabilities of the Jews, ed. Abrahams
u. Levy, S. 31 ff. — Gegner (S. 406) z. B. Graetz XI, 378 f. — Anhänger
des Alten wie J. L. Riesser, Sendschreiben an meine Glaubensgenossen. —
Die Stellung der Rabbiner in rT^^in i-i2l nix, Altona 1819, u. Löwen-
stamm d-^Tin^Tis, Amsterdam 1823, vgl. dazu Jost 22 ff., Graetz 379 ff.,
ob. zu § 436 u. 449. — Über die Orgelfrage vgl. 'i2n i-i2T nss, S. 4 f., 15,
19 ff., 30 ff.; Löwenstamin S. 17 f. — Die Gutachten im p"is reis waren,
wie Jost 24 f. u. Bernfeld 76 ff. richtig bemerken, v o r dem Hamburger
Streit zur Verteidigung des Berliner Gottesdienstes gesammelt.
Über Liebermanns Charakter s. Graetz XI, 381 u. Berliner in J ü d.
Presse, 1891, S. 547.
Die Satire von M. J. Bresselau u. d. T. rr~i np: n^p: 2-n ist wieder
abgedruckt bei Bernfeld 254 ff. Sonstige Streitschriften bei Jost a. a. O.,
G. V. 493 ff. in den Anmerkungen. — Mißbräuche im Gottesd. rügt
Eleasar Schemen Rokeach aus Triesch in '2rt •'"is"! nbx S. 95. — Still-
stand im Tempel A. Geiger a. a. O., S. 63 ff. — Zunz u. Moser bei Strodt-
mann, Heinr. Heines Leben I, 283. Bekannt sind Heines wiederholte
spöttelnde Bemerkungen über den Tempel und seine Prediger. — Die
Äußerung S. 410 stammt von Bresselau, s. Theol. Gutachten, S. 25. —
Leipzig u. and. Gemeinden G. V. 477 f., Jost 27, 66 ff. — Sachsen-Weimar
Ijei Philipson 52, 105; nach Jost 226 protestierte Heß gegen die An-
wendung jedes Zwangs.
§ 45. 1. Über die Zeit von 1820 bis 1830 s. Philippson I 83 ff. —
Der innere Verfall bei Geiger, Zeitschr. f. wiss. Theol. L 1 ff. u. in Hirschs
Neunzehn Briefen, Nr. 1. — Über Hirsch s. Jubiläums-Nummer des
Israelit, 1908, JE VI, 417, über Geiger vgl. Abraham Geiger, Leben
570 Anmerkungen.
u. Lebenswerk, herausg. von Ludw. Geiger, Berlin 1910. — Rießer s.
Philippson I. 240 ff., S. Stern, Gesch. des Judentums von Mendelssohn
bis auf die Gegenwart, S. 198 ff.
2. Über den II. Hamb. Tempel-Streit vgl. Theologische Gutachten
usw., Jost 193 ff., Philipson 109 ff. — Über Bernays s. Graetz XI, 387,
JE 111, 90; daß er von Gemeindemitgliedern in den Kampf gedrängt
wurde, bei Bernfeld 137, Anm.
3. Zitat aus Geiger, W i s s. Z e i t s c h r. 1, 11 ; die folg. Zitate
aus G. V. 492 f. — Die Presse wurde besonders durch Ludw. Philippson
zu Bedeutung gebracht, der seit 1837 die Allgemeine Zeitung des Juden-
tums herausgab. Außerdem kommen in Deutschland damals der Orient
und der Israelit des neunzehnten Jahrhunderts, auf orthodoxer Seite
der treue Zionswächter in Betracht. — Von Rabbinern mit akad. Bil-
dung nennt G. V. 475, 482 eine Anzahl Namen.
4. Rabbinerversammlungen s. Jost 48, 86 f., 143, Geiger Leben
u. Lebenswerk S. 45 ff. ; die Versammlung in Braunschweig verdankt
ihre Einberufung der Initiative Ludwig Philippsons, s. A 1 1 g. Z e i t g.
d. J u d. 1843 u. 44. — Gegnerschaft der konservat. Rabbiner in A 1 1 g.
Z e i t. d. J u d. das. u. Rapaport, Sendschreiben eines Rabbinen 1845. —
Über Braunschweig s. Protokolle der ersten Rabbiner- Versammlung,
deren Richtigkeit stark angegriffen wurde, s. Jost 237 ff., Philipson
220 ff. — Kol Nidre in Protokolle S. 41. — Kommission für Liturgie
das. 99 ff., 45 ff.
5. Frankfurt s. Protokolle und Aktenstücke der zweiten Rabbiner-
versammlung, Jost 249 ff., Philipson 233 — 259. — Kommissionsbericht,
Protokolle, S. 285 ff., Debatte über das Formale das. 14 f. Der Bericht
gab wesentlich das Programm des Kirchenrats Maier aus Stuttgart
(J£ VIII, 264) wieder s. Protok. 289 ff. — Prinzip, besonders von
Frankel gefordert, Protok. 19 f., vgl. Jost 251 f. — Abstimmung über
hebr. Sprache Protok. 30, 54, 59 f.; über Frankeis Austritt s. MS XLV,
234, Philipson 268 ff. — Entwurf eines Gebetbuchs Protok. 314 ff., Ab-
stimmung darüber 72. — Messiasfrage 106. — Wiederholung d. Tef. 107.
— Musaf 123 f. — Toravorlesung 319 ff., Beschlüsse 127, 133. — Pro-
pheten u. Hagiogr. 135 ff. — Aufrufen 145. — Orgel 151. — Breslau s.
Protokolle der dritt. Versammlung deutsch. Rabbiner; Sonntagsgottes-
dienst das. 249 ff. ; zweite Feiertage 208 ff . ; Schofar usw. am Sabbat
245 ff. — Kritik der Rabbinervers, durch die Teilnehmer s. z. B. Hold-
heim, Gesch. d. Entsteh, u. Entwick. d. jüd. Reformgem. in Berlin,
S. 139 f. u. Jost 250; Geiger, Die dritte Versammlung deutscher Rab-
biner. Über Kritik von orthodoxer Seite s. Philipson 225 ff., 271°.
6. Über die Reformgemeinde s. Holdheim u. Stern a. a. O., M.
Levin, Die Reform d. Judentums, 1895, Philipson 317 ff. Gemeinde
Berlin s. Honigmanns Aufzeichnungen im Jahrb. f. j. Gesch. u. Lit. VII,
177 und A. H. Heymann (Konservativ), Lebenserinnerungen, S. 242 ff. —
Zitat (S. 422) aus dem Aufruf ,,An unsere deutschen Glaubensbrüder",
Amnrrknn^'on. ö71
bei Holtlhrim 49 ff. - (lollcs.liciist das. 123 ff., Slorn 290 ff. - Hcgel-
niäliiKt'i- Ciullosdiriist llnldliciiii 14(5 ff. — (-harakler dcssclhcn 153. —
Nur Sonnlaj!:s 181. — Gebolbucli 1«>3 ff.. Hobihriiiis .Xiittagc IJJö ff.,
die Grundsütze seinos Ocbotltiuhs 2U4 ff. — Kritik der Zyklen bei Lc-
viii, 8. !)G; dort aiuii die (irundsiUzc, nach denen die l inarbeiluriK cr-
fol^'le. Anch t,M'>,Mn\varti^' \sl eine iiene Bearbeitung' iles (lelx-tbu« hs in
\ uriiereitnnt,'.
7. Streitigkeiten in den ('■cineindeii .s. Heyniann a. a. n. 27H.
l'olen s. H. Chajes nx'"':nn "^r-T !)i . - l nter.'ilütznng der Regierung z.
B. Stuttgart; Maiers Gebetbucii f(ir(J. ,,liausl. ii. öffeiitl. Oottcsverehrnng"
erschien 1848. In den meisten ("lemeinden entstanden um die Mitte des
Jahiliunderts Synagogen-Ordnungen ; es wäre sehr wichtig, sie zu sammeln
und zu vergleichen, einige rtennt Low W 24.
8. Orgel G. V. 4!)1 ; viel Literatur l)ei IMiilip.son 258, JE IX, 433. —
Geigers ITST^S Dl"! "ii n3En ":nc (Leben usw. S. 14(5 ff.) erschien erst 1854,
weil die Gemeindeverhältnisse in Breslau erst Ende 1853 eine ge.setz-
liche Regelung erfuhren, s. Brann, D. schles. Judenheit vor u. n. d. Edik
von 1912, S. 31. Andre Gebetbücher, wie das Philippsons, sind für
die private Andacht bestimmt. — Geigers zweites Gebetbuch
s. Jüd. Zeitschr. VII, 241 ff. — Jocl 1872, vgl. dazu die Polemik in Jüd.
Zeitschr. VII, 1 ff. u. 240 sowie Joels, Zum Schutz gegen ,, Trutz".
9. Vgl. Verhandlungen der I. Israel. Synode zu Leipzig, S. 185
Anm. — H Vogelstein, nssn "ito Israel. Gebetbuch, 2 Bde., 1895 f., s.
dazu die dagegen u dafür veröffentlichten Gutachtensammlungen. —
Über das badische Gebetbuch s. die Denkschrift des Oberrats der Is-
raeliten, D. Hoffmanns Sendschreiben u. M. Steckelmachers Wider-
legung des Sendschreibens. In allen Gebetbuch- Kämpfen, bis in die
neueste Zeit, spielt der Satz ris'iaa D^Mn 'SZ'^m: rs::'2ia recisn ba eine große
Rolle; der Satz bezieht sich jedoch nicht auf die Gebete, sondern
auf die Benediktionen vor Genüssen (-p;!-:-!! n'3^2), wie schon S. Serillio
im Komment, zu j. Ber. VI2, Mainz 1878; S. 72a, richtig bemerkt.
§ 47. L Über Ungarn s. Jost 70 — 77, Low, Ges. Sehr. IV, 331 ff.,
JE VI, 50L Neuerdings ist man viellfach über die im Text genannten
Reformen hinausgegangen.
2. Vgl. G. V. 486., Philipson 122 ff., 537 If.. J£\lll. U53. 333,
Gaster The ancient synagogue of the spanish and portug. Jews, S. 176 f.
3. Leeser s. JE VII, 663. — Charleston G. V. 486, Philipson 461 ff.
4. Philipson 468 ff. — Über Wise s. JE XII. 541 f.. Sam. Hirsch
das. VI, 417, über Einhorn s. Kohler, in Year Book of the Central Con-
ference of Amer. Rabbis, XIX, 215 ff. — Wises Reformideen Philipson
477 ff. _ über Einh. Gebetbuch Kohler das. 252 ff., das Zitat aus S. 254.
— Über das Union Prayer-Book Philipson 493 ff. — Über die Jewish
Religious Union (S. 439) vgl. C. G. Montefiores Predigtsammlung ,,Truth
in religion", 1906. Das Gebetbuch, 1903, hat den Titel ,,A Selection of
prayers, psalms and other passages and hymns for use at the Services of
572 Anmerkungen.
the Jew. Rel. Un.", die Stücke werden an den am Saljbatnachmittag und
den Feiertagen stattfindenden Gottesdiensten frei gewählt, außerdem
findet Schriftvorlesung und Predigt statt. — Seligmann, Israel. Gebet-
buch, 2 Teile, 1910 und Denkschrift dazu 1912.
D. in. Abschnitt.
K a p. I.
§ 48. 1. D5)n U^'z bei Low, Ges. Sehr., IV, 8 f. Zum Text von
Schab. 32 a s. Rabbinovitz VII, 64. — owayojyrj \g]. LXX-Concor-
dance 1309 f. Über D33 u. die Derivate s. Levy, Neuhebr. Wörterb.
s. v. und Bacher in Dict. of the Bible a. a. O. — ■ Esnoga erklärten die
Kabbalisten als hebr. rais üx vgl. Luzzatto, nisi, S. 115. — noogtv/ri
s. die Stellen bei Schürer II, 517. Juvenal, Sat. III, 296. — oaßßareTov
Jos. Ant. XVI, 62, das Syrische bei Payne-Smith, Thesaurus, col. 497.
Die arab. Namen Low V, 22. Zu niinmyn rr^S s. Schechter, Documents
of jew. Seetaries, IS. 11 u. die sehr seltsame Erklärung bei Leszynsky,
die Sadduzäer S. 154, gegen die sich Ginzbergin MS LVI, 447 mit Recht
wendet. — Havras REJ XXXI, 53. Schola s. Berliner, Juden in Rom,
IIa S. 8 gegen Güdemann, Erziehungswesen III, 94.
2. Tradition, Midrasch in Dav. Kimchis Komm. z. Ez. ■ — a^nisiü
b. Meg. 29a, Scherira, ed. Neub., 26; die Schreibung in einem Worte be
Benjamin v. Tudela, S. 69. — Schedia REJ XLV, 161 ff.. Schürer III
41 — ^43. — Hellenist. Länder s. ob. zu S. 235. — Strabo bei Jos. Ant
XIV, 72. — Verbreitung der Synagogen s. Bacher a. a. O. 637, Schürer
III, 1 ff. — ■ Targum bei Bacher a. a. O., Hoffmann S. 5 f. — Harnack
Mission u. Ausbreitung d. Christentums, S. 1.
3. Über Synagogen am Wasser s. Low IV, 24 ff. u. die Liter, bei
Schürer II, 519^^ Halikarnaß s. auch Schürer III, 110, Tebtynis das. 45
— Rabb. Quellen bei Bacher 638. — In Alexandr. wurde nach Philo
Flacc. § 14 ,,in Zeiten der Not" am Wasser gebetet; so wie in Palästina
die Fastengottesd. auf dem Marktplatz (nin"i) stattfanden. — Jak. b
Ascher u. Palaggi bei Low IV, 26. Im Aristeasbriefe § 305, auf den
vielfach verwiesen wird, steht nur, daß die Übersetzer morgens erst
baden u. dann beten, nichts darüber, ob sie gemeinsam beten und an
welcher Stelle. — Rom s. Marquardt, Rom. Staatsverwaltung III, 35.
Babylonien s. Epsteins Ausführungen in Markons np-nrn i:ni"son 48,
denen gegenüber auf die Bestimmtheit hingewiesen werden muß, mit der
die Tradition auftritt. Die von Low IV, 15, Hoffmann 23 als Beleg
angeführte Stelle Gen. r. 708, wo niü3 1X3 auf die Synagoge bezogen
wird, ist nicht beweiskräftig, da der Nachdruck auf 1X3, nicht auf niuja
liegt. Ausnahmen kamen jedoch vor, z. B. Mechusa b. Meg. 26b, wo die
Synagoge innerhalb der Stadt liegt.
4. Ägypten s. ob. — ■ Nehardea b. Ab. Sar. 43b ; da dort "'ibl ixinüi 21
genannt sind, muß es sich um die Zeit vor den Verfolgungen durch die
Aiiiiicikuii^'cii. 673
Mn^'i. r liaiidclii (^'i'j^'-cii I InlTiiuiiiii 2'.l\. Is.isimi s. I{i'ii,iii, .Mi>^-i(j|i de
IMu'iiicie, 774. - Kai-l'iin^;-Ku s. JE\\,'ii\i. - Scluitz di-s üe-
sclzos s. Cod. Thfod. W IS, 9. 12. 20, 21, 25-27-, Schürcr III, UÜ. —
Patri.slisches ZoitalliM- s. Bacher in JE XI, 023, draetz, Gesch. IV*,
354 ff. — Justinian Schüivr III, 53, REJ XLIV 27. — Toledo s. JE XII,
180. — Wien hei 1). Kaufmann, die letzte Vei'treil)unf,' d. Juden aus
Wien, 155 ff.
5. Jerusalem halle 394 Syn. nach I). Ket. 105a, 480 nach j. iMej,'. 111,1
(73(1), wofür j. Kri. Mll, 1 (35c) 460 steht. — Tiberias b. Ber. 8a. —
Philo Leg. ad. (lai. :2(), l\um s. Müller, die jüd. Katakombe usw. S. 107. —
Theodosius am 20. X. 415, Cod. Theod. XVI, 822. — Kirche s. Scherer,
Rechtsverhältnisse der Juden S. 45. Omar JE IX, 396 f.
6. Heiliger Charakter der Syn. Meg. III, 1 — 3 u. Talm. z. St. —
Leichenfeiern b. Meg. 28b. — Cäsarea j. Nas. VII, 2 (56a). — Panti-
kapäum Lit. bei Schürer III, 23, Deißmann. Licht vom Osten, 233. —
Zu den nichlgottesd. \'errichlungen in den Syn. vgl. auch Bacher 642 f. —
Gegen Störung des Gottesd. ist eine der \ erordnungen K. Gerschoms
gerichtet vgl. Rosenthal in Ilildesheimer Jubelschr., S. 49 ff. über
die Syn. im Mittelalter s. Abrahams, Jewish Life in the Middle Ages, S. 7 ff,
§ 49. 1. Zur Orientierung vgl. Low IV, 37; L. vergleicht die
Richtung der Synag. mit der des Wüstenzelts Num. 338. — Zum Text
von b. Ber. 30a vgl. Sifre Dt. § 29, Midr. Tann. S. 19.
2. Über die Synagogenruinen in Galiläa vgl. die Mitteilungen der
Deutschen Orient-Gesellschaft, bes. Nr. 29, Krauß a. a. O., Master-
man, Studies in Galilee I S. 109 ff. Das Zitat über Tell-IIum aus Mit-
teilungen Xr. 29, S. 14 ff. — Hammam-Lif; das \erdienst, die Ruinen
als jüdisch erkannt zu haben, gebührt D. Kaufmann, vgl. REJ XIII, 46ff.,
wo auch eine Abbildung des Mosaiks gege!)en ist. Die Beschreibung
nach Monceaux in REJ XLIV, 11 ff.
3. Zum Text von Tos. Sukk. vgl. j. das. V, 1 (55a), b. 51b. — Philo
Flacc. § 7. — Phokäa REJ XU, 236 ff.. Schürer III, 14. — n-rs j.
Meg. III, 4 (74a). — Manlinea REJ XXXIV, 148, Schürer II, 521.
4. Midr. Tanch. »n'pna 4 (III, 55b), ich halte die Stelle für eine
Glosse. — Kirche z. B. in Sens, Abrahams S. 27. — Mittelalter Low IV,
27 ff.
5. Irbid Mitteilungen Nr. 29, S. 13. — Empfohlene Richtungen bei
Low 39 ff. — Christentum s. Rietschel, Liturgik 1,88, 124. — Heil.
Land, nach Bacher a. a. O. 639 gilt die Vorschrift, die Türen im Osten
anzulegen nur für Babyl., weil Pal. westlich davon lag, was kaum richtig
ist. — Galiläa, Baumotiv s. Krauß, S. 5. — Aussicht auf den See, von
Masterman S. 111, 119 betont. — Nebratein s. Mitteilungen, S. 25. —
Meiron das. 23. — Maim. r'zzT, 'n XI, 2; für Frankreich u. Deutschland
vgl. Tos. Ber. 6a s. v. -"nx, Hag. Maim. a. a. O., Tur I, 150. — Seh.
Ar. I, 50, 5, Mord. Jaffe 'C'dis 942 vgl. dazu Mos. Sofer Resp. L § 27;
Low IV, 50 ff.
574 Anmerkungen.
6. Drei Türen findet man in ed-Dikki (Mitteilungen, S. 6), in Tell-
Hum (das. 14), in Meiron (das. 23), in Kefr birim (das. 27), vgl. auch
Krauß, S. 20. — Midrasch Lev. r. XXIJ, 4 x^S'^a^a "is^n. Seitentüren sind
in Umm el-Kanätir, Teil Hum, Nebratein vorhanden, Mitteil. S. 7, 14,
26. — Fußboden in Irbid das. 13. Zur Sache vgl. Low IV, 33, Studien 34.
— Synagogen, zu denen eine oder mehrere Stufen hinunterführen, gibt
es noch in großer Zahl, so z. B. die ..Alte Synagoge" in Berlin; besonders
auffällig ist es bei der Altneuschul in Prag.
7. Schlechter Plattenfußboden in ed-Dikki u. Kanätir (Mitteil.
S. 6 f.), Kalksteinplatten in Teil Hum (das. 15), Mosaik aus Kalkstein
in Umm el-Amed (das. 11). — Hammam-Lif ob. S. 457. — Pontus bei
Levy, Jahrb. II, 298. — Nicht vorschriftsmäßig s. Tos. Meg. 22b s. v.
rr''S'2 '^xi. — Matten Seh. Ar. I, 131$, vgl. Lewysohn wi.rc'Q i^ipa
§ 56, S. 84. Zur Sache vgl. auch Krauß S. 16, dessen Bemerkung
über Teil Hum jedoch nicht haltbar ist, da sie vom heutigen Zustand
der Ruine ausgeht. Der Fußboden der Synagoge in Cochin ist mit
Porzellanplatten belegt, vgl. Kohut, Semitic Studies 416.
8. ipb^ö^ ob. S. 458. — Hammam-Lif 457. — Galiläa 454. — Kai-
Fung-Fu JE IV, 36. Doppelte Säulenstellung in ed-Dikki, Kanätir
(Mitteilungen S. 6 f.), Meiron u. Nebratein (S. 23, 26), dreischiffig Kefr
birim u. El Djisch (S. 30 f.), mit Umgang Umm el-Amed (das. 11), Irbid
u. Teil Hum (13 ff.). — Rom. Einfluß s. Mitteilungen Nr. 29, S. 33. —
Jon. Kapitel das. S. 11, Masterman S. 116. — Über den Baustil der
Synagogen im Mittelalter s. JE XI, 626, in der Neuzeit das. 631 ff.,
beides ausführlich besprochen und durch zahlreiche Abbildungen er-
läutert von Frauberger in den Mitteilungen d. Gesellsch. z. Erforsch,
jüd. Kunstdenkmäler 1 u. II. — Worms s. Epstein in MS XL, 556 f. —
Speyer das. XLI, 29 ff. — Spanien bei Frauberger a. a. O. II, 42. —
Kubbah JE XI, 625 f. — Holzsynagogen in Polen vgl. die Literatur in
JE XI, 262, Kaufmann, Zur Geschichte der Kunst in der Synagoge in
Ges. Sehr. I, 97 ff., Frauberger a. a. O. II, 15 ff.
9. Über Fenster vgl. Low 34 ff., 84, Krauß, S. 20. — Sohar blfp-'l
Seh. Ar. I, 904. — Epiphanius, Haer. 80i. — Maim. Resp. I, 139. —
Pietro della Valle bei Low 34, über die Synagogen in Aleppo E. N. Adler
im Kaufmann-Gedenkbuch 129 f. — Asulai bei Low IV, 35.
10. Ornamente ob. 455, vgl. ferner Mitteilungen S. 6 ff., 11, 26,
Masterman 121. — Zum folgenden vgl. D. Kaufmann, Zur Gesch. d.
Kunst in d. Synagoge in Ges. Sehr. I, 87 ff. — Szegedin vgl. A Szegedi
Uj Zsinagöga, 1903, mit vielen Abbildungen.
11. Frauenabteilung s. Low, IV, 55 ff., Hoffmann 31, Krauß, 15. — ■
Zum Feste des Wasserschöpfens vgl. Büchler in JQR X, 678. — Tora-
vorlesung ob. 170. — Frauen beim Gottesdienst z. B. b. Ber. 17a, Sota 22b,
Ab. Sar. 38b. — Therapeuten s. Schürer III, 688 JE XII, 138 f. — b. Kidd.
81a sieht diese Maßregeln für die Feiertage vor, wo der Andrang groß war.
— Kirche bei Achelis, Prakt. Theologie I, 198. — In Galiläa sind zwei-
Alllllrlkllll^'cll. 575
p'schossi«,' (lii- Hiiiii.'ii in l iiiiii i'I-AiiiimI ii. Itliid i Mit teil., S. II), Teil II ihm
(das. 15) iM(>ir(Hi ii. Ncluiilciii (20 f.). - [{.isciii ln-i Isscrlciii 'poE § l."}2. —
KI. I). Joe! Iia Li-vi hei Mitni. Scliahh. § .'Hl. VVorins .s. ol.. zu \r. S. —
Pia;; JE \, lös. — Brii.stwclir .s. Lr»vv I\', 72 ff. — NCiiiMÜf,' im Hau von
Loughcna Ix'i Fraulicrj^t-r 11,37. — KiUupfc in der Neuzeit Itei I-nw a.
a. O. — Reforni^n'iuoinde ob. S. 423. — Anieiik.i l'inlipson 468 ff.
12. Haninuun-Lif 8.407. — Oalilaa .Masteiiiian 112, 120 f. -
W and<lt,';inj,'e usw. s. das. Mal(>rial bei Srhürer II, r)21, .\nni. ()7, Krauü 12.
— X-nD2X f^fSnu isl dir l'liersolzung des hehr. n='i"3. — i'nlisch
Low \', 21. - Ein-enzeiclien s. Philo Leg. ad. Cai. § 20, s. auch Schürer 111,
92. — r!:-!-5 s. die Erklärung von Flei-scher bei Levy, Wort. I, 438. —
Heehnung über Wasserverbrauch bei Schiirer 111,48. — ChrisUiche
Basilika bei Hietschel 1. 81 ff. Die Frage, ,, woher die (Ihristen den Typus
(irr Basilika enlnoninien haben" (das. S. 85) löst sich daniit auf einfache
Weise.
§ 50. 1. Zu --T vgl. auch Schürer H, 525. — Teba erst zum
Oottesd. hingestellt, daher Tos. Meg. I\'. 21 nn'^rn nx "pn'^J'acsi; hinler
dem Vorhange -^ xn:— 2 "^"nx j. Joina \11, 1 (441)), vgl. auch llam-
mam-Lif ob. 8. 457. — Sanktuarium vermißt, s. Mitteilungen S. 6 u. 11,
-Mastermann S. 114 will eines in Kerazeh erkennen. — Ort, wo Vorbeter
stand; so schon b. Sota 39b ('m rx ::"csnb). — \a"ip erklärt Bacher,
Dictionary IV, 639 als verkürzt aus cnp^an rr^s. was ich für unmöglich
lialte. — Apsis Rietschel I, 83. — Daß man das Wort •,'i'^x nicht ge-
])rauclien wollte, hing wahrscheinlich damit zusammen, daß ""x Sarg
hieß vgl. Bacher das. — Zu den Xamen ist der in Sizilien vorkommende
n'^ria:: hinzuzufügen, was nach Krauß, Lehnwörter II, 30 aus x'^ois"::x =
timisia entstanden ist. — Hölzerne Laden als Neuerung Or Sar. II, 79d. —
Über den Standort der Lade s. Low IV, 54 ff. ; Della Torre, Scritti
sparsi I, 162 f. — nb-'S s. Levy, Wort. II, 318; ob }-ib''3 mit XD'^^ b. Meg. 26b
identisch ist, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, Ra.schi u. Tos. z. St.
sind über die Erklärung nicht einig. Antike Glasgefäße s. JQR XIV. 737ff.
Schürer das. 524, Müller, die jüd. Katakombe, S. 78 f., JE II, 107 ff. —
Über den Dekalog an der Lade s. Abrahams in Kohler Festschr. S. 51 ff.
— Vorhang Low V, 25. Vgl. auch Frauberger a. a. O. IIl/lV, S. 13 f.
2. Tora vollständig, ob. 168; Ergänzung defekter Ex. j. Aleg. Uli,
(74a). — n-ns-jTS Meg. IIL 1, Kel. IX, 3 u. ö. Tos. Jad. II 12 (6839), s.
Bacher das.; das ist nicht identisch mit xalvfifia IL Cor. 3i4, wie Deiß-
mann, Paulus S. 64 will; pn Bacher das. Krauß Archäol. 11,265. —
Färb. Tücher Kel. XXVIII. 4, Glocken (-pST) Tos. Kel. BI 13 (579::i), b.
Schab. 58b. — Torafreude Manh. l-i=-D § 59, vgl. auch Resp. Seh. T. § 314,
il>n Gajj. 2313 g. E. — ctp "^M Low V, 25 mit reichen Literaturangaben
und Frauberger a. a. O. III/IV, 19 ff. mit vielen Abbildungen.
3. ms^'z s. Bacher Low. das. — Alexandrien ob. 458. — Maimon.
nbsn XI, 3 3n:-2 z. B. V. S. 71, •m z. B. It. bei der Beschreibung der
Toravorlesung. — Mosesstuhl REJ XXXV, 10, JE IV, 36; in Or Sar. II,
576 Anmerkungen.
79d, § 386 bedeutet x^'Ti::!p einen großen Stuhl wie XD2. — Jak. Weil
bei Berliner, Aus d. inneren Leben, II. Aufl., 116. — Almemor das.,
JE I, 430 X05 z. B. in It., hingegen nn'^n Manh. rao § 24. — Über die
verschiedenen Bedeutungen von rQin s. Tur I, 150 u. die Komment, z.
St. — Tribüne u. Vorbeterpult getrennt, wie früher allgemein in Deutsch-
land, vereint, wie in portugiesischen Gemeinden. — Jos. Karo vgl. zu
Tur I, 150, Isseries zu Seh. Ar. I, löOe. — Marmor z. B. in Syracus Corp.
Inscr. Graec. 9895, Levy im Jahrbuch f. Gesch. der Juden II, 186, S. 273,
vgl. Side das. 272 u. Schürer III, 22. — Kämpfe um die Aufstellung
des Almemor s. Low IV, 93 ff., JE I, 431.
4. XPDSDJ. Meg. III, 1 (73d). — 13^2, b. B. Batr. 8b (nicht a, wie
im Text), erklärt R. Gerschom z. St. als Matten, die an den Wänden der
Synag. ausgebreitet sind. — Sitzbänke in gal. Ruinen in ed-Dikki (Mitteil.
S. 6); Wandbänke früher in Umm el-Amed (das. 13); 2 Bankreihen in
Teil Hum, die in Polster endigen (das. 15). — nQo^ÖQiu z. B. in Phokäa
REJ XII, 236 ff.. Schürer III, 14. — Sitze in der Kirche Rietschel I, 84.
— X^inp auch p 1 u r. nix^'inp Tos. Sukk. IV, 6 u. Par. Das Wort wird
von Bacher IV, 639 auch für das unverständliche x^iu^ j. Meg. III, 1
(73d) eingesetzt, das bisher als = lectica (?) aufgefaßt wurde; Ascheri
zu Meg. IV u. Or Sar. a. a. O. lesen 5<*i^::ba. Bacher stützt sich auf die
Analogie von x'TTinpm bosori j. Schabb. 6a. Nach Low V, 26 = Krauß,
Lehnwort. II, 545a ist es = xXivrr]n. — Deutschland Or Sar. II, IIb
§ 48; vgl. Low V, 25 f. Alexandrien Tos. Sukka IV, 6. — Keine Unter-
schiede, s. Müller, Resp. O. u. W. § 106 u. t"ü zu Seh. Ar. I, 150, Ende;
Plätze verkaufen s. Low V, 33. Pulte das. 26.
5. Beleuchtung s. Krauß, Talm. ArchaeoL I, 69, 408, Low V, 26;
Berliner, A. d. inneren Leben, 116 u. Zur Beleuchtung in der Synagoge
in Jüd. Presse (Monatsschr.) 1895, S. 5. — x'-'^s bei Meir. v. Rothenburg
Resp., ed. Budap., 153c. — Ewige Lampe s. Frauberger a. a. O. III, 37,
and. Beleuchtungskörper das. II, 39.
Kap. II.
§ 51. 1. Zu ^^2 u. ^s: vgl. Krauß in -^nrn III, 17. — Zehn be-
rufsfreie Männer Meg. I, 3 u. die Erklärung dazu j. I, 6 (70b), vgl.
auch Schürer II, 516^*. — Zwang Tos. B. Mez. XI, 23 (3962o),
Maim. nbsn XI, 1, Seh. Ar. I, 150i.
2. Privatmann, Wohnhaus j. Meg. III, 1 (73d), vgl. Ned. IX, 2. —
Heiden Tos. Meg. III, 5, j. das. III, 2 (74a), b. Ar. 16b. — Akmonia s.
Schürer III, 20 f. — Spenden z. B. Lampen, Balken Tos. Meg. III, 3, 5.
— Sammlungen z. B. Ägina bei Levy a. a. O., ebenso Smyrna Levy das. —
Eine Stiftung intQ tv/^g REJ VII, 161f. — Überschüsse = tri-frrxi
Meg. III, 1. — Inschriften s. Tos. Meg. III, 3, j. III, 2 (74a). — Kefr.
Berein s. Krauß, Synagogenruinen, S. 7- — • Hammam-Lif ob. 457. —
Wimpel, der Brauch ist nicht überall gleich; vielfach wird gewartet, bis
AiiMHiUilli^'rii. 577
die Kiiulii' s(||),s| l;mlcii l<<iiiiifii ; .\liliil(liiii;,'cii hei I''iMiilMTj,'»'r ;i. ;i. ().
III, 21. SliltuiiKiii im Altnliiiii Tus. Mcy. 111,2.
:{. \ iTwciuiiiiiK s. .\l('g. 111, 1. — Nicht vci;iiil.i.rii .M.-^'. 111, 2, 3. —
VerfiigunK-^ni hl Tos. Mop. 111,(5, j. III. I (T.'Jill. lt. 26a. — Gelder
von auswärts li. das. - WidmunKcii s. ol». ■ — Mit tclaltcr Or Sar. bei
Ascheri Mc^. I\, 1, v-,'1. Low \, 22. — Matorial s. j. .Mo^- Hl, 1 (7.'M),
1). 2f)b, 281.
4. Aloxaiuii'. in .lcni.^;ili'iii. Tos. Mv^. III, (i, li. 20a sli'iil ="c—J
dafür; nach Krauü, Archiiol. 11, (52") iKMlnilcl, das dasselbe, da dir Alc-
xandrinor sich viel mit. der Ilrrstclhiii^' ..larsischcr flcwiinder" bcfaUlcn.
■ — Scpphoris j. Joma VII, 1. Römer in iMocInisa b. Mcg. 2(5b, wenn nicht
'^X'2i'^" dafür zu lesen uiul als Juden aus dem Süden Palästinas ( =- nim)
zu erklären ist. — Hebräer usw. in Rom bei .Müller, die jüd. Ivalakombe
109. — Thebäer s. Schürer III, 48, 50. — Tarsos das. 22. — Kairo bei
Benjamin v. Tudela S. 98. Rom s. Berliner, Gesch. d. Juden in Rom II. —
Saloniki s. üb. zu § 438. — Breslau s. Brann in Graetz-Jubelschr. S. 223.
Berufe in Alexandrien ob. S. 475. — Libertiner u. Kalkbrenner bei
Müller a. a. O. 108, Schürer 84. — Leinwandhändler s. Schürer III, 23,
s. ob. zu S. 254 § 363. — Soziale Funktion der Synagoge s. Berliner,
A. d. inn. Leben 114 f. x:b"'51 xncia j. Xas. VII, 1 (56a) ^A«/'« Schürer
III, 84. — Nebratein s. Masterman 121, Mitteilungen Nr. 29, S. 25. —
Augustesier s. Müller 107. — Severus s. Epstein in MS 1885, S. 338 f.,
in Chwolson-Festschr. S. 49. — Herodes, so nach Müllers richtiger Lesung
das. 108, Agrippa das. — Mohamm. Länder s. JE XI, 625 f. — yc- r'Tra
z. B. in Worms, schon xpnr xncrs Lev. r. 22, 4. — Rom, Schürer III, 83.
§ 52. 1. -."^sn •'0:^s Tos. Meg. III, 1, wahrscheinlich identisch mit
den -i-ssr; br ccr-s ^"z'.^z-o (b. Git. 60a) u. den "nr, i::i:: 't (b. Meg. 26a),
jedoch unterschieden von den r'"'D;3 "^cxn (Git. das.) — Archonten s.
Schürer III, 84 ff., li, 511 f.
2. Vgl. dazu Schürer, JE a. a. O. Die ver.schiedenen Formen des
Namens bei Schürer III, 88, Anm. 46 u. Müller 115; es verdient Beachtung,
daß beide Inschriften am Monteverde ungenaue Schreibung haben
aQ/iarvywyog u. ((Q/inrrrtyMyTji. — Gebete vortragen Lev. r.
XXIII, 4. — Tora Joma VII, 1, Sota VII, 7. — Predigt Akt. 13i5. —
Gebäude vgl. den Archisynagogos Theodoros in Agina bei Levy im
Jahrb. usw. II, 272. — Höchstes Amt, so Vogelstein u. Rieger I, 43. —
Die Baraita b. Pes. 49a verdient offenbar den \'orzug vor der amoräischen
Aufstellung b. Git. 60a mit ihren kasuistischen Unterscheidungen, die
unter dem Einflüsse der Baraita in b. Her. 13b entstanden sind; letztere
bezieht sich jedoch auf das Lehrhaus und darf nicht, wie bei Berliner,
Gesch. d. Jud. in Rom I, 68, auf die Synagoge übertragen werden. —
— Leichenfeiern j. Ber. III, 1 (6b). — Gesetzgebung Cod. Theod. XVI, 84.
— Mehrere Archis. Mk. 5:2, Akt. 13i5, auch in der Inschrift von Ak-
monia Schürer III, 20. — Mehrere Ämter zugleich s. Schürer 87*^ —
Wahls. Chrysostomus bei Schürer III, 86; nach der Inschrift von Berenike
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst. 37
578 Anmerkungen.
in der Cyrenaika (Schürer 79 f.) hätte die Wahl um die Zeit des Hütten-
festes stattgefunden. Die Sitte, die Gemeindevorsteher kurz nach dem
Hüttenfeste zu wählen, läßt sich bis in die neueste Zeit nachweisen. —
Lebenszeit s. die Beisp. bei Schürer III, 86*^^ Müller Anh. 10. — Kinder s.
Ascoli, Iscrizioni inedite o malnote usw. p. 49. — Frauen, Schürer II, 512,
Myndos REJ XLII, 1 ff., Smyrna das. VII, 161 ff. — Severus bei Lam-
pridius, Vita Severi 28. — Presbyter s. Schürer III, 89 f., der den Titel
für jünger hält; demgegenüber ist zu beachten, daß D'^spt schon sehr
früh vorkommt u. daß die Gleichstellung von nQtaßvrfQoi u. ^Q/i-
(fSQtjxiTät = 5<|-"i''S iC^i in Justinians Nov. 146 die Identität beider noch
immer erkennen läßt. — nQoaruTrjg auch auf der neu gefundenen Inschrift
aus Xenephyros in Unt. Ägypten REJ LXV, 137. — Pater u. mater
Syn. bei Vogelstein u. Rieger a. a. O. 43, Schürer III, 88*8. — Bruder s.
N'ogelstein u. Rieger 44. — Spätere Titel bei Abrahams, Jew. Life 53,
Güdemann, Erziehungswesen in Deutschland II, 92, Epstein im Kaufmann-
Gedenkbuch 308. — Befreiung von Steuern wurde z. B. Moses Mendels-
sohn gewährt, s. MS 1882, 28; das. 30 f. auch über die Gemeindeämter.
3. Vgl. Schürer II, 515; dunkel ist die Bedeutung von vaxÖQos das. —
Grabschrift s. Schürer III, 88*'. — Mahl u. Funktionen s. ob. zu 2.
Bacher, Dict. IV, 640 folgert aus der Bar. b. Meg. 25b, daß der '35t-! ^-n
aus der Tora vorzulesen pflegte; nach dem richtigen Text Tos. Meg.
g. E. lag (jedoch Chanina selbst. — Funktionen des ',tn in Lewy Fest-
schrift 176 f., Bacher a. a. O. ; zur Bedeutung des Wortes s. auch Low, V,
31,6. — Zu Nakkai s. Bacher in Berliners Magazin XVII, 169, XVIII, 50.
— yQKjbif4((Tfvi^- in Grabschr. bei Vogelstein u. Rieger I. Anh. 1, Nr. 176,
Müller, S. 116. yQ. vrinio^-^ das. 115, ist noch nicht recht klar. "20 u.
'itn sind noch nicht identisch in der Baraita b. Sota 49a u. — -i^oc
s. Abrahams, Jew. Life, 55 ff., zur Stellung s. auch das Ansehen Juspas
in Worms bei Epstein a. a. O. 303 ff. — Schulklopfer s. Low V, 33,
Abrahams, S. 9, Berliner, Inn. Leben 114. — xiripo bei Hoff mann S. 31.
4. -(na-iin b. Pes. 50b.
5. Talmudstellen, in denen "itpi den Vorbeter bezeichnet, s. bei
Kohut Ar. s. v., Low V, 31 f. — Stimme Pes. r. 127a zu Pr. 39. Be-
rühmte Gelehrte z. B. Saadja Ri 7f. — Anforderungen an den Vorbeter
JE VI, 284 ff. Berliner, Entstehung des Vorbeterdienstes in Isr. Lehrer
u. Kantor (Beil. zu Jüd. Presse) 1899, S. 4 f. — Kenntnis der Gebete
s. b. Taan. 16a. — Zum Alter vgl. Resp. Lyck Nr. 84 = Seh. T. 90, Or
Sar. II, 116. — Schlechtes Verhalten Seh. T. No. 50, 51. Meiri m^x -,;•:
S. 27 f. u. ö. — TadQl der Vorbeter Berliner 30 f., 34, JE VI, 286. Ge-
bete ändern vgl. Saadja a. a. O., M. Minz bei Güdemann a. a. O. II, 96,
häufig im Buch der Frommen. — Verfall des Gottesdienstes s. G. V. 494 f.
6. Rabbiner besoldet s. Güdemann a. a. O. II, 95 ff.
Kap. III.
§ 53. 1. ^132, die richtige Bedeutung bei Schürer II, 505ii. —
Minjan JE VIII, 603. — Sofrim X, 8, vgl. dazu Tos. Meg. 23b s. v. ')\S",
Aiiiiii'ikiiii^Tii. 579
Asoheri z. St. Miillir, Sdfiim S. löl. — Synagogonbcsuch ob. S. 256,
260; Mittelalter s. K. Ghananol in Tos. Git. 59b, zufriedener äußert
sirh Mein Kotlu'ub. Hesp., (m1. Budape.st, Nr. 107, Ili 2i, Low V, 27. —
llnlu> Feiertapo Ha^. Maiiii. zu nbon 'n XI, 1.
2. Zitat aus n'i''E"'E zv rrn im M\».saf für Neujahr in (lerrn. . — Zu *^-2
'•21 ao s. Blau in REJ WXI, 189, Sind. 8 ff.
.'{. Zu den Hosponsionen vgl. Leitner, D. gottesdienstl. Vortrag, 1906,
zu llallel Büchlers erwähnte Aldi, in Z e i t .s c h r. A 1 t. W i s s. XX —
\ ertrag des Schma Stud. 3 ff., ob. S. 26 u. die Anmerkungen dazu.
In Seph., wo der Vorbeter noch heute da.s ganze Gei)et laut vorträgt,
entsteht eine Pause hinter r"aa, denn n"j "[i-a wird leise gesprochen.
4. x-^p u. n^-j2^ Meir. IlI, l\\ - x^po. R. haSch. IV, 8 —
ns bs X'*p Taan. 11,3. — o-iB s. ob. 3. — 'nn ■'SB^ nat? Studien 33 ff.,
ol>. 27. — X2i-p ob. 212. — Zwei Vorbeter R. ha Seh. IV, 8. — Die Auf-
forderungen Lev. r. XXIII. 4, j. Ber. IV, 4 (8b) s. Studien 38, dort auch
Quellen über Ablehnung. — -^non Tos. R. ha Seh. Ende. — '"in qi-ia
z. B. Ber. V, b. 34a ff. — Prüfstein ob. 37 f., 252 f. — Fasttage Mech. 54b,
vgl. dazu Stud. 38 f.
5. Agatharchides ob. 244, vgl. dazu Neh. 8o nmi ssian. — Beim
Schma pflegte die Gemeinde in Pal. in amor. Zeit zu stehen, vgl. j. Ber. 1,6,
Chili. § 1. — Übertreibungen verpönt j. Ber. I, 8 (:?d), b. Meg. 22b. —
Schütteln Jeh. ha Levi Kusari II, 79 f., vgl. Pard. 58b, Berliner, Einfluß
d. Buchdrucks S. 23, Abrahams, Jewish Life 278 ff. JE s. v. Sway»
ing XI, 607. — Kleidung s. Studien 11, Berliner, Vorbeterdienst S. 5. —
rrh'ji Krauß in Bloch-Jubelschrift hbr. S. 83 ff., Talm. Archäol. I, 168. —
Bestimmte Kleider bei Berliner, Inneres Leben 69 f. — Kopfbedeckung
Studien 11, Anm. 2. — Palästina s. Sof. XIV, 15. — Frankr. bei Or
Sar. II, § 43. Chorin s. Low, Ges. Sehr. II, 251 ff., über Barhäuptigkeit
S. 311. — Reformgemeinde ob. 423, Zitat aus Graetz XI, 520. — Amerika
JE II, 532, vgl. auch Abrahams a. a. O. 278 ff., JE das. 531 ff.
6. Vorbeter Ri 6. — Deutschland vgl. Raschi zu Sukka 38b s. v.
ion:"a^; aus späterer Zeit sagt Abr. Gumbinner zu Seh. Ar. I, 53, Nr. 2,
daß alle des Gebets kundig sind, daß der Vorbeter nur wegen der Piutim
da ist. — Störungen durch die Gemeinde G. V. 494.
§ 54. Unter den wenigen Notizen zu unserem Gegenstand bei
Low V, 27 findet sich die Bemerkung ,, Undankbares Thema". Die ganze
Literatur darüber besteht, so weit ich sehen kann, im wesentlichen aus
Bearbeitungen der bei Zunz S. P. 114 ff. gebotenen Notizen. Die Schriften
über Synagogengesang aus neuerer Zeit sind mit mehr Temperament
und guter Gesinnung als mit wissenschaftlicher Sorgfalt verfaßt; die
Aufsätze von Birnbaum, die auf gediegener Kenntnis von Einzelheiten
aus der Gesch. des Synagogengesanges beruhen, sind sehr schwer zu-
gänglich und sollten einmal gesammelt werden.
1. S. Ackermann S. 6 ff. — Therapeuten JE XII, 139.
2. Fastengottesdienst Taan. 16a r-r 'h-p'..
37*
580 Anmerkungen.
3. Akzente s. JE I, 189. Hermeneut. Bedeutung, verschiedene
Modulationen Ackermann 16 f., Friedmann S. 7 ff. — Stubentropp,
Berliner, Inn. Leben 53.
4. ITO-^'S': in Sof. XIV, 9 — p u. "(tn ob. 207 f. — Gesang beim
Piut ob. 283; das Zitat aus Ackermann 28, Mystiker S. P. 114, Jehuda im
Buch d. Frommen § 11. — Anerkennung des Gesanges durch Halachisten
S. P. das., Ackermann 27. — Zitat aus S. P. 114. — Melodien das. 115,
Güdemann a. a. O. II, 96. — Kirchliche Schrifsteller bei Rietschel I, 469.
5. Stammgebete s. auch Berliner, Inneres Leben, 52. — Immanuel
Kap. 28. Grundmelodien Berliner das., Vorbeterdienst 13. — Gesänge
in Worms s. Kaufmann-Gedenkbuch 309 f. — Polen s. Low, Lebensalter
314, G. V. 449.
6. Installation bei Neubauer, Chronicles II, 81 — Italien bei
Immanuel Kap. 15. — Chorknaben in Polen Ackermann 41 f. — Berlin
bei Heymann, Lebenserinnerungen S. 242. — Rossi s. Ackermann 45,
JE X, 486.
7. Orgel s. ob. zu § 468. Die heutige Stellung der Gegner wird schon
durch den Titel von Berliners Schrift ,,Zur Lehr u. Wehr, über u. gegen
die kirchliche Orgel im jüd. Gottesdient" gekennzeichnet. — Über die
Vorbeter der Neuzeit s. Ackermann 49 ff.. Friedmann im Jahrb. f. jüd.
Gesch. u. Liter. 1913, 191 ff.; über Sulzer außerdem JE XI, 586, über
Lewandowski das. VIII, 66, Consolo das. IV, 234.
Sach- und Personen-Register.
Ab (l.M- lu'unt.' r)3. 127. 128—130.
I.itiirgio 128 f.
Einsclialtunj^oii i. d. Trf. 53. 129.
230.
Toravorlesung löG. 104.
Prophetenvorlosung 156. 176.
183. 193.
Vorlesung d. Klagoliodor 185.194.
Kinot 129 f. 229—231. 365 1'.
Kerobot 129 f. 213. 22!) L 365 L
In Reformgebetbüchern 130. 439.
Abba Areka s. Rab.
Abbaje 165. 185. 264 f.
Abendgebet :
Name 99.
Einführung als Gemoindegebet
100. 256. 262.
Das Schma u. seine Bened. 100 ff.
D. vierte Bened. zum Schma 101.
109. 247.
D. Tef. im Abendgebet 102. 255 f.
Ersatz für d. T.^f. 102—105. 111.
137.
Tachanunim nacli d. Ab. 105.
Fassung am Eingang d. Sabb.
109—112.
— am Ausg. d. Sabb. 121.
— a. d. Wallfahrtsfesten 136 bis
139.
— am Versöhnungstag 152.
Piutim zum Ab. 212.
Aberglaube 70. 95. 122. 270. 386.
391 f.
Aboda-Benediktion 29. 31. 56 f. 99.
128.
Aboda-Dichtung 153. 216 f. 277 ff.
Ursprung 217.
Fassung 217. 277 f.
Bearb.iitungen 277. 307 f. 323 ff.
326 ff. 341. 343. 352.
Abraham b. Isaak 362.
— ha Levi Beruchim 386.
— b. Meir Ibn Esra 298. 300. 303.
324. 351 f.
— b. Nathan ha Jarchi 11. 369.
Abudraham David 11. 370.
Achtzehngebet.
Name 14. 27. 39. 41,
Entstehungszeit 28—30.
Redaktion 27. 36. 39. 41. 254.
Bedeutung 5. 14. 248.
Bestandteile:
Aus der Tempelliturgie 30 f.
Hymnische Einleitung 31, 248.
Bittgebete allgemeinen Inhalts
32^.
— nationalen Inhalts 32—35.
— Gelegenheitsgebete 35 — 39.
Dankgeijete 31. 248.
Disposition 28. 31. 43. 46. 55.
Einführung eines 19. Stückes
39. 41.
Textgestalt 41—59.
Beeinflussung durch die Bibel
42 ff.
Zusammenziehung d. Achtz. 60,
255.
Die einzelnen Benediktionen:
I. 31. 43. 146. 148. 213.
II. 29. 31 f. 44. 146. 148.
213—215.
III. 31. 45 f. 61 f. 146. 148.
213 f.
IV. 32. 46 f.
582
Sach- und Personen-Register
V. 32. 47.
VI. 32. 36. 47 f. 127.
VII. 30. 35. 48.
VIII. 32. 48 f.
IX. 29 f. 32. 49.
X. 29. 33. 35. 50.
XI. 33—35. 38. 50. 148.
XII. 36— 39. 40. 51 f. 213. 252.
375.
XIII. 35. 38 f. 52. 267.
XIV. 29. 31 f. 35. 39 f. 52 ff.
128 ff. 213. 230. 267.
270.
XV. 39—41. 54.
XVI. 30. 32. 40. 54 f. 127. 137.
XVII. 29—31. 55 ff. 99. 125.
128. 270.
XVIII. 31. 57 ff. 130f. 146—148.
XIX. 31. 59. 215. 146—148.
267.
Zusätze am Anfang u. am Ende
43. 59 f.
S. auch Tefilla.
Agatharchidcs von Knidos 244.
498 f.
Agrippesier, Synagoge der 481.
Ahron ha Cohen 11. 370 f.
— b. Samuel 381.
Ahroniden beim Priestersegen 67 ff.
72. 423.
— Vorrecht b. d. Toravorl. 172.423.
Akiba R. 141. 147. 149. 257. 276.
Akrosticha 78. 86. 285. 309.
Alphabetische 207. 291.
aus Bibelversen 291.
Namensakrost. 292 f.
Akzente in der Bibel 504.
Alenu 80 f. 143. 375.
Alexander Severus, Synagoge 481.
Alexandrien, Proseuche in 447. 458.
475. 481. 495.
Alfasi 50. 460.
Almemor 473 f.
Alphabetische Wortfolge 17 f. 114.
150. 274 f.
Alphabetische Dichtungen 209. 21 2.
215. 223. 290 ff.
Altar 473.
Amen 493.
vor dem Schma 21.
in der Tefilla 28. 37. 59.
im Kaddisch 94—96.
Amerika 9.
Reformbewegung in 396. 431
bis 436.
Namen der Synagogen in 482.
Amora-Sprecher 197.
Amoräer, Gottesdienst in amor.
Zeit 260 ff.
— Tendenz der 269 f.
Amram Gaon 8. 10. 359 f. 513.
Amsterdam, Reformbewegg. in 398.
— Sabbatianer in 71.
Amtstracht beim Gottesdienst 500.
Anan 285. 309.
Andacht 377 f.
im lurianischen Sinne 387 f. 391.
Vgl. Privatandacht.
Antiphonischer Vortrag 496.
Apokalyptik 33. 244.
Apsis 470.
Araber, ihr Einfluß auf den Piut
285 f. 339.
Aramäische Sprache 22. 79. 93 ff.
187 ff. 200. 221. 279.
Archi-synagogos 483 f.
Archonten 483.
Arcosynagogos 483.
Asharot 217 f. 278.
am Schabuot 217. 278.
an den großen Sabbaten 218 f.
Bearbeitungen 321 f., 329. 332.
343.
Introduktionen zu ihnen 218.
Asti, Ritus von 9.
Asulai Ch. J. D. 464.
Atrium 469.
Auferstehung 29 f. 32. 44. 434 f. 437.
Aufrufen zur Tora 170. 199. 427.
Augustesier, Synagoge der 481.
Siicli- und l'ci'Sdiirii-Ki'^^'isti'r
583
Aiishchcii (l,r 'l'otM 1 .')(). 174.
Bott'iliti;iiii<,' (1. (li'iiii'iiKh' 174.
GebcU' boini A. d. T. lUH ff.
S. auch Schriftvorlosunir.
Ausstrecken der Hände 244. 498 f.
ßabylonien, Enlwiekhitip: d. Gottes-
dienstes in 2üO ff.
LlntiTscliieilo ^'ci^mmi Palnstina
2<i(i ff.
Kaniijf gei,'on den Piiil 301.
Verbreitung des Piut in B. 282 ff.
301.
ßachja ihn Pakuda 343.
Baeh weide 21 it. 252.
Baden, Gebetbuch für 430.
Baer, Seligman 396.
Balkanlilnder 10. 364.
Bar Küchba-Aufstand, Folgen des
258 ff.
Barhäuptigkeit b. Gottesdienste
423. 434. 436. 501.
Barniizwa-Knabon 171. 180.
Basiliken aU Synagogen 462.
— christliche 469. 575.
Behörden, Segen f. d. jüdischen 203.
472.
Segen f. d. Staatsb. 203. 427.
Bitte f. d. Ältesten 52.
Bekenntnis 15 f. 24 f. 91. 199. 235 f.
238. 283.
Benediktionen, Formulierung 5. 241.
im Schma (s. Schmal 16 ff. 100
bis 103.
im Achtzehngebet 27 (s. Acht-
zehn?.)
in d. Semirot 82. 86.
zum Hallel 125.
zum Buche Esther 132.
zur Toravorlesun.'.T 171 f.
zur Haftara 180—182.
Piutim zu den 210—212.
— , Die ersten 87—92.
Ursprung 87.
Zusammensetzung 92.
in Kefurnigubflbuciitrn 403. 413,
— , Die hundert 7. 358 f.
Benjamin ben .\braham .\na v 91.
— i)en Serach 330.
— von 'l'udela 160.
Berlin, Die ersten Ivi'formi'U i. d.
Gemeinde 400 f. 421.
Jüdische Pefornig'-mcii.di' 421
bi.s 426.
Geigers Gebetbuch für B. 428.
Ge-sang in d. Synagogen 508 f.
Bernays Jsaak 414. 416.
Beschneidung 221.
Berufsbeanite d. Syn.igoge 488.
Beten, hebr. Bezeichnungen für
4—6.
Biblische Stücke im Gebel 5. 16.
21 f. 24. 236. 242. 249.
in den erstt-n Benediktiuncn 90 f.
in den Semirot 82. 85 f. 129. 272.
in der Keduscha 61.
im Priestersefjen 72.
in den Tachanunim 76.
in den Opfervorscliriften 90. 99.
117. 126. 134. 138 f. 145.
in den Sabbatgebeten 109 ff. 114f.
118 f. 121 f.
in den Gelteten der Wallfahrtsf.
134. 136 ff.
in der Neujahrstefilla 142 ff. 147.
264.
am Versöhnungstag 152.
an Fasttagen 128 f.
beim Aus- u. Einheben der Tora
198 f. 201.
in Piutim 213 f. 273.
in Selichot 221.
als Gebet 5. 249.
als Akrostichon 291.
als Refrain 294.
in Reformgebetbüchern 425. 438.
Vgl. auch Psalmen.
Vgl. auch Schriftvorlesung.
Bittgebete 5 f. 27. 248.
stehend vorgetragen 27.
584
Sach- und Personen-Register
Selichot als 223. 229.
im Piut 324.
Bradford, Reformen in 433.
Brauch (s. Minliag).
Braunschweig, Rabbinerversamm-
lung 417.
Braunschweiger Gesänge 509.
Bräutigam der Tora 167.
Breslau, Rabbinerversammluno in
421.
— Reformversuche in 402. 42ö f
Brunnenlied 117.
Buchdruck, Einfluß auf die Gebet-
ordnung 3. 375 f.
Budapest, Reformen in 431.
Bußgebete 76 f.
Selichot als B. 221 ff.
Bußps-almen 152.
Bußtage, Die zehn 148.
Einschaltungen in die Tefilla 43.
45. 57 f. 148. 301 f.
Zusätze zur Tefilla 148.
Selichot an 226 ff.
Calabrese, Chajim Vital 389.
Campanator 487.
Campesier, Synagoge d. 482.
Chajoth, Die heiligen 63.
Chanina ben Dosa 246.
Chanukka, Entstehung 130 ff.
Einschaltungen in die Tefilla 58.
130.
Hallel und Psalm 30. 130.
Die Lichter u. ihre Bened. 130.
Schriftvorlesung an Ch. 156. 168.
176.
Kerobot, Einführung von 302.
in amerik. Reformgemeinden 439.
Charisi, Jehuda b. Salomo.
Gegen das Metrum 295.
Über den Piut 303 f. ^
Über die Dichter in Spanien 339.
341. 346 f. 351.
Charleston, S. C, Reformen 433.
Chassidismus 391 f. 395.
China, Synagogen in 450. 462. 473.
Chisana 207 f. 283 f.
Chisdai ibn Schaprut 341.
Chorgesang in älterer Zeit 507 f.
im neunzehnten Jahrh. 399 ff.
509 f.
der Engel 63.
Consolo Federigo 510.
Dänemark 400.
Dankgebet 4 f. 31. 248.
David b. Meschullam 337.
— ibn Simra 386.
Deboralied 193.
Dekalog 24. 191. 218. 236. 238.
242. 322.
Denkzeichen 237.
Deutsch, Moritz 509.
Deutschland, Ritus von 9. 364 f.
Stellung zur Reformbewegung
395 ff.
Ausschreitungen d. Vorbeter 491.
Diener (s. Synagogendiener).
Doppelstoa 469.
Doxologien der Psalmen im Gebet-
buch 5. 85. 495.
Duchenen 68.
Dunasch 295.
Efodi 294.
Ehrenplätze in den Synagogen 475.
Eigenschaften, die dreizehn 128.
200. 227.
in den Selichot 128. 222. 276.
Einheben der Tora 156.
Einheitsbekenntnis 21. 63.
Einhorn David 435.
Eisenmenger 81.
Ekstase, Prinzip der Chassidim 392.
Eleasar Rokeach aus Worms 95.
384.
Eleasar ha Kalir s. Kalir.
Elegien s. Kinot, Selichot.
Eljakim von Speyer 59.
Elia Wilna 305.
Sacli- uiiil l't'rsuiicii-lii'Kislcr
585
Elia b. .Mi'iiuclii'm '.i'S'l.
— b. Schemaja 333.
Elias-Synaj,'opfn 481.
Elicscr 1)011 Nallian !!». :{:{(i.
En^t'laiirufiiiii,'('ii hei den l^;il)ba-
li.sU'n 380 f. 389.
Engolchöiv 18 r. ()2 r. noö.
in Ii('l"(>rin<;('l>i'tl)ii(lit'i'ii 0(5.
im rillt 2iK».
England 1).
Reformen in 431 IT.
Laienppediger in 492.
Epiphanias, Kirchenvater 30. 404.
Ephraim b. Isaak 337.
— b. Jacob 337.
— b. Joseph 405.
Erlösung, Bitte um 23. 30. 35. 49.
135 f. 141. 244 vgl. Geulla.
Eschatologische Anschauungen u.
Bitten 19. 21. 23. 29. 34. 38.
53.91.93.95. 117. 123. 133.
(s. Mcssianismus)
Eschkol 302.
Esra, Einführung d. Toravorlesung
150 ff.
Einführung d. Schriftauslegung
194 f.
Einfluß auf d. Gottesdienst 239f.
Esra Ibn s. Abraham, Mose.
Essäer 240. 379.
Esther, Vorlesung des Buches 131f.
184 ff. 420.
Übertragung i. d. Landessprache
193.
Esther-Faston 131.
Euchel, Isaak 397.
Eulogien 5. 241. 490.
des Schma 17 ff.
der Tefilla 27 ff. 29. 39 f. 254.
359.
im Kaddisch 93.
m den Bened. d. Haftara 181.
Europa, Namen der Synagogen
482.
Exedra 409.
Fano, .MenacliiMii As;uja 389.
Fasttage 35. 126-130.
Namen 12(5.
Arten d. F. 7(5. 120 ff. 225 f.
Neujahr als F. 148.
Versöhnungslag 153.
d. kli'ine Ver^ölin. 124.
Liturgie an 54. 71. 75. 127 f. 27(5 f.
Mincha an 99.
Neila an 152.
Toravorlcsung an 128. 155 !. 164.
108.
Prophetenvorlesung 128. 155.
170. 182 f.
Kerobot 128. 213. 225. 302.
Selichot 127 f. 221 ff. 270 f.
s. Ab d. neunte.
Fasttagsgebete als Vorbild f. d.
Gottesdienst 35. 235. 238 f.
Feststrauß 138. 219 f. 252. 417.
Festtage 85. 132 — 154.
die Wallfahrtsfeste 132 — 140.
(s. d.)
die ernsten Feste 132. 140.
154 (s. d.).
die Tefilla an 133. 248.
Toravorlesung an 155 ff. 165 ff.
Propheten Vorlesung an 155. HOf.
182. 191.
Gebete beim Ausheben d. Tora
199 f.
Gebete nach der Toravorlesting
204 f.
Piutim im Morgengebet 210
bis 215.
— im Abendgebet 212.
in amerikanischen Reformge-
meinden 438 f.
Guter Synagogenbesuch a. Fest-
tagen 493.
— , die zweiten 132. 105. 421. 424.
432. 430.
Figürliche Darstellungen s. Orna-
mente.
586
Sach- und Personen-Register
Finale 210. 213 f.
Fleckeles, Eleasar 397.
Fossano, Ritus von 9.
Frankel, Z. 419. 429.
Frankfurt a. M., Gebetbuch 428.
439.
Frankreich, Ritus von 9. 365.
Reformen in 398. 431. 440.
Frauen, Beteiligung an der Tora-
vorlesung 170.
Ihre Plätze i. d. Synagoge 423.
435 f. 466—468.
Friedländer, David 397. 400.
Frühgebetpoesien 343.
Futteral für die Tora 472.
P^inktionen in der Synagoge 483.
Gabirol Salomo ibn 87 f. 224. 226.
344—346. 390.
Galiläische Synagogenruinen 454ff.
Gamliel II, Redaktion der Tefilla
27. 30. 39. 254 f.
Einführung d. stillen Tefilla 28.
255.
Einschaltung d. Minäei-Bene-
diktion 36 ff. 252 f.
Gebet, Arten des 5 f. 238.
Bezeichnungen für 5 f.
Formulierung des 5. 241 f. 249.
Aufbau der Gebete zur Liturgie
67. 240 ff.
Stammgebete u. Piut 2 f. 9. 206.
286. 301. 371 f.
Die älteste Liturgie 240 — 244.
Die G. i. d. Mischna 245—258.
Ihre Ausgestaltung durch die
Amoräer 262—269.
Erweiterung d. Stammgebete
272—275.
Sammlung d. Überlieferung 271.
354. 358 ff. 364 ff. 371 ff.
Reform d. Wortlautes d. 398 bis
404. 413. 428 f.
— d. Aufbaues d. 400. 423.
433 f. 437—439.
Geheimnisse d. G. b. Mystikern
327. 381—384. 390.
Gebetbücher, in alter Zeit nicht
vcrh. 7. 353 f.
Zeit ihrer Einführung 354.
Verschiedenheit d. Sammlung
354. 358 ff.
Sammlungen a. d. Mittelalter
361—363. 371.
Mängel der Überlieferung 373 f.
D. ersten Drucke u. ihre Mängel
9 f. 11. 375 f.
D. ersten verbesserten Ausgaben
396 f.
D. ersten modernen Über-
setzungen 397.
D. ersten reform. 399—404. 413f.
Entwurf d. II. Rabbinervers.
417—421.
Reformgebetbücher in Deutsch-
land 428—430. 439.
— in England 432. 439.
G. d. Reformgemeinde in Berlin
423—426.
G. d. Reformgemeinden in Ame-
rika 437.
Gebetmantel 423. 499.
Gebetordnung 4. 6 f.
Gebetordnungen aus dem Mittel-
alter 354. 358 f. 363. 367—374.
Befestigung der 372. 377. 392.
Reform der 400 ff. 423. 437.
s. Gebet.
Gebettext, Beweglichkeit des 41 f.
56. 243. 249. 254. 265. 392.
Gebetvortrag durch Ehrenbeamte
487 (s. auch Vorbeter).
Gebote und Verbote, die 613.
216 L (s. Asharot).
Geiger, Abraham, Reformbestre-
bungen 404. 412. 415 f. 428 f.
Gelehrte, Segen für die 203.
Gemeinde, für Gottesdienst not-
wendig 1. 493 f.
respondiert beim Gebet 494.
S;itli- 1111(1 l'ci'Sdiii'ii-üc^ristpr
587
bt'ti'l uiil il. \ üiIjcUt öUl.
Gemeindoboainte 482 — 492.
C.omoindcvcrwalluiij,' 482.
GeIntMIlcl('^^'l)t't 20. 2S. 'M. 242.
25.') f. 2G1. 392.
tieinoindegesang 399. 509.
Gemeindegottosdieiist, Charaktor d.
1. 235. 240 f. 247. 251. 2G0 f.
Ursprung des 235 — 238.
Zeiten des 238. 247 ff. 25(5.
Inhalt dos 239—243.
Ausgestaltung 243. 248 f.
s. auch C.chi't.
Spraclie 236. 279. 400. 403 ff.
419. 423. 428. 430. 433. 437 ff.
441.
• ierschoni hon Johuthi 303. 330.
(lesang beim Gottesdienst 502
bis 510.
für Gebete 504. 506 f.
für Piutim 504 f.
verschiodono MohKÜon 505 — 507.
vgl. Chorgesang.
Oeulla im Schma 23 f. 101.
Piutim zur 211.
Goulla i. d. Tofilla 35. 48.
Giuda Romano 187.
Glaubensartikel d. dreizehn 88.
Glockonoro 487.
Gnoslikor 36. 57. 253 f.
Goldberg, H. 509.
Gottesdienst, Besuch des 493.
Vorlauf des 497 f.
Wirkung auf d. Leben 246.
Gottosreich, Bitte um seine Herbei-
führung 93. 103—105. 135.
142 ff. 248.
Granatäpfel (Toraschmuck) 472.
Gregor d. Große 450.
Gürtel beim Gebet 499.
Gürtelreime 209.
Haarbleicher, M. 174.
Habdala 46.
l r.sprung ii. iiidiiiliiii^,' I2IM'-
240. 243.
Inhalt 46 f.
liaflara, Bi-dfuluiigd. W'.irtrs 174 f.
-i{()ll.-n 178 f. (.s. Prophelon-
vorlesung).
Ilagadah, Einfluü auf d. i'iut-
dichlor 281. 288. 317. 341 f.
(s. .Midra.sch).
II agiographen- Vorlesung 184 — 18(5.
Einführung der 185 f.
H. als Ilaftaras 186.
II. am Sabbafnacliinittag IIS.
182.
Benediktion d. 185 f.
H. in Reformsynagogen 185 f.
420. 438.
Hai Gaon 44. 58. 178 f. 192. 302.
Halbfeste (s. Chanukka, .Mitlolfeier-
tage, Neumond, Purim).
Ilallel 249. 269.
am Neumond 125.
am Chanukka 130.
an Festtagen 136 — 138.
an Mittelfeiertagen 137.
am Pesachabend 137.
Vortragsweise 496.
Name des Vortragenden 497.
in amerik. Reformgebetbüchorn
438.
Hallelujah 495 f.
Haltung beim Gebet 498.
Hamburg, Gründung d. Tompol-
gomoinde 402 ff.
Kampf um das Gebetbuch 406ff.
D. zweite Tempelstreit 413 — 416.
Hammam-Lif, Synagoge in 456 ff.
460. 462. 470. 478.
Hand als Toraschmuck 472.
Hannover, Nathan 200. 390.
Hebrew Union Prayer-Book 186.
437.
Hechalot 380 f. 505.
Heiden, Spenden für Synagogen
478.
588
Sach- und Personen-Register
Heidenheim, Wolf 11. 298. 396.
Hellenistische Länder, Gottesdienst
250.
Herodes, Synagoge des 481.
Heß, Landrabbiner in S. -Weimar
411.
Hieronymus 36. 460.
Hiob 186.
Hirsch, Samuel 435.
Hirsch, Sams. Raphael 412.
Hochzeitswoche, Piut für 221.
Hohelied 186.
Hohepriester, Gebete des (siehe
Tempel).
Holdheim Sam. 424 f.
Holzsäulen an der Tora 472.
Horwitz, Jesaja 390.
Hoschanot, Nameu. Ursprung219 f.
Poesien der 138 f. 219—220.
278. 316. 341. 323. 366.
-Zyklus 323.
-Tag 138 f. 166. 219 f.
Bewertung bei den Mystikern
383. 388.
Hüpfen bei der Keduscha 499.
Hüttenfest (s. Sukkaus).
Hymnische Gebete in der Tefilla
31.
im Piut 208.
Hypopsalma 208.
Immanuel Romi 88. 506.
Inquisition 376.
Interpretationsregeln d. R. Ismael
90.
Introduktionen, poetische, Namen
u. Zweck 209 f.
zur Schriftvorlesung 191.
zum Targum 193. 221. 286.
334 f.
beim Aufrufen zur Tora 202.
im Morgengebet 211.
im Abendgebet 212.
in der Tefilla 213.
zur Aboda 217.
zu den Asharot 218.
zu fremden Poesien 329.
Irbid, Ruinen von 459 f. 461.
Isaak ihn Gajjat 183. 272. 341
bis 343. 362.
ha Lewi 145. 362.
Or Sorua 95.
b. Reuben 343.
Isaaks, Opferung
im Gebet 78. 144.
im Piut 290.
in Selichot 229. 335.
Israel Baal Schem 391.
Italien, Gebetordnung 9. 365 .
Reformen 431.
Laienprediger 492.
Ittim, Sefer ha 362.
Jahne 28. 255.
Jacob ben Ascher 11. 449.
ben Moses Möllin 95. 371. 504.
507.
Tam 72. 145. 335.
Jacobsohn, Israel 398—401. 508.
Jahrzeit 95.f.
Jannai 308—310.
Jechiel ben Joseph 293.
Jehuda b. Barsilai al Barceloni
111. 114. 191. 282. 302. 362.
— der Fromme 81. 382—384. 505.
— b. Samuel ha Levi 212, 214.
231. 292. 295. 348—351.
Jehudai Gaon 163. 166. 168. 301.
Jericho 26.
Jerusalem, Synagoge der Liber-
tiner 481.
Bitte um Wiederaufbau 29 f.
32. 35. 40. 52. 180 f. 252. 270.
Jesaja di Trani 40.
Jezira, das Buch 331.
Jochanan, R. 264.
Joel ben Isaak 337.
Joel, M. 429.
Johlsohn 399.
Jose ben Jose 306—308.
SmiIi- uihI I'i'r.sinicii-Iti'j^'isli'i-
589
.Iusci)li Iviinclii 7-. 't'2'2.
Saiiil'aii ICil,
ii)ii Al.iliir L>L>c,. :!4l f.
ha l.cwi aus Im Ir IJci'ciii 47S.
1). Saloino ',VM.
1). S;unut>I HDiil'ils :V.\-2 f.
Josophus Flaviiis 2't. \'>SK 170.
447 ff.
Josua Paitan 308.
Jozer, l'r.'^priiii}; und C.hai'aUtrp 17.
248.
im täglichen Morgoiiffobet 17 — 20.
im täglichen Abendgebet 100.
im Sabbatgebet 114. 273.
an Festtagen 130. 273.
Piutim im 210—212.
-Poesien 308. 316 f. 320. 325.
328. 330 f. 333 f. 336. 345.
366 f.
Judenohristen (s. Minäer).
Justinian 190. 282. 451.
Justinus Martyr 36.
Kabbala 11. 15. 64. 108. 124. 139.
200 (s. Mystik).
Kaddisch 92—98.
Zeit der Entstehung 93. 94.
ursprüngliche Bestimmung 93 f.
liturgische Verwendung 92. 94.
95.
Analyse 93 f.
eschatologische Bitten 93 — 95.
97.
Sprache des 94. 432.
b. Tode eines Gelehrten 94.
in der Trauerzeit 94 ff.
Arten des 96.
Ersatzgebet für 96.
Varianten des 97 f.
Erweiterungen 97 f.
Bedeutung bei den Mystikern
96. 381.
am 9. Ab 129.
Ansprache vor 438.
Kaddisch, Halb- 96.
iiarh Smiirtil 86. ".14.
na« h Tachanun 79. 94.
nacii (I. Toravurl. 179.
Kaddisrli, .lalom (der Traurnidi-n).
81. 92. 94. 96.
Ursprung 95.
im Trauerhause u. an Todes-
tagen 95.
Kai Fung Fu 450. 462.
Kairo, Zyklus d. Tctravcjrl. in 160;
Kalir Kleasar 40. 291. 298 f. 310
bis 320.
Name 310 f.
Zeit 314—316.
Heimat 312—314.
Poesien 215. 316. 365.
Kinot 230 f. 365.
Hoschanot 220. 366.
Kaiirische Poesien 317. 319 f.
Kalonymiden, Familie 326 f.
Kalonymos b. Jehuda 336.
— aus Lukka 327.
Kantilation der Toravorlesung 504.
Kantor 389 (s. Vorbeter).
Kapernaum 454. 477.
Karäer 177 f. 358 f.
Karo, Joseph 56. 305. 374. 386.
Kasiun, Synagoge in 450.
Keduscha als Benediktion 31. 45 f.
146. 148. 213 f.
Kedu.<^cha als Huldigung der Engel,
ihre Zahl 67.
Ursprung 45. 65. 61 f.
ihre Bedeutung bei d. Mystikern
18 f. 66 f. 379 ff.
im Jozer 18 f. 61. 66.
in der Tefilla 61—65.
in Palästina und in Babylonien
267.
am 9. Ab 129.
Piutim zur Keduscha 341. 214ff.
-Hymnen der Mystiker 380.
-Responsionen 396.
Keduscha de Sidra, Ursprung und
Alter 67. 79.
590
Sach- und Pprsonen-Register
Xamen 79.
Targumverse der 61. 63. 79.
am Sabbat zu Mincha 118.
zu Sabbatausgang 121.
am 9. Ab 129.
an Purim 132.
Kefr Berein, Synagoge 478.
Kerazeh, Synagoge 460. 470.
Keroba 212—215.
Name 212 f.
Bestandteile 213—215.
Bearbeitungen 40. 309. 316. 320.
326—328. 332 f. 341.
Verwendung 54. 28 f. 213. 225.
302. 365 f.
Kiddusch, ursprünglich bei Mahl-
zeiten 107. 243.
s. Stellung im Gottesd. 111 f.
am Pesachabend 137.
am Neujahr 147.
Kinderlehrer 188. 486.
Kinot, Name und Charakter 8.
54. 129 f. 229 ff.
Entstehung 230.
Inhalt 230 f.
Arten 231. 365 f.
Bearbeitungen 317. 335 ff. 350.
365 f.
Kirkisani 285.
Kittel 500 (s. Sargenes).
Klagelieder (s. Kinot).
Klagelieder, Vorlesung der 185 ff.
Klausner, Abraham 371.
Kley, Prediger 402.
Kohelet, Vorlesung von 185 ff.
Kohen Zedek, Gaon 301
Kol Nidre 153—154. 417.
Konfirmation 400. 420.
Königsberg, Reformversuche 402.
Königtum Gottes, Erwähnung d. 5.
Konsistorialordnung v. Jahre 1807
398.
Konstantinopel, Synagogen 449,
Kordovero Moses 124. 386.
Koreisch, .Jehuda ihn 191.
Korfu 10.
Kopfbedeckung beim Gottesdienst
500 f. (s. Barhäuptigkeit).
Kreuzzüge, Einfluß 203. 231. 336 f.
Krone als Toraschmuck 472.
Kunst i. d. Synagoge 465 (s. Bau-
stilC; Ornamente).
Kunstformen der Gebete 274. 278f.
im Piut 290 ff. 318. 322 f. 327.
346.
Kutäer, Benediktion eines 253.
Lade, die heilige 461. 470—472.
Lampe, die ewige 476.
Landessprache 3.
Übersetzung der Gebete in die
397.
Gebete beim Aus- und Einheben
in die 200 f.
Gebete nach der Schriftvor-
lesung i. d. 205. 427. 441.
Gebete und Gesänge in der
399—403. 411. 413 f. 419 f.
423 ff. 428. 430. 434 ff. 441.
SchriftvorJesung i. d. 170. 183.
186. 250. 429.
Übertragung der Vorlesung i. d.
187. 190—194. 250. 420. 423.
429. 547.
Predigt i. d. 196 f. 398 ff. 427.
431. 433 f. 441. 548.
Landesvater, Segen für den 203.
Leeser, Isaak 433.
Lehrvorträge, tägliche 79.
am Sabbatnachmittag 117 ff.
120 f.
Leinwandhändler, Synagoge d. L.
in Tarsos 481.
Leipzig, Reformversuche in 410.
Leuchter als Embleme 481.
Levin, M. 425.
Levita, Elia 175.
Leviten, Vorrecht bei Toravorl.172.
Lewandowskv, Louis 509 f.
Saili- und l'fi'siiiirii-lic^i.sli'r
5H1
l.ihi'rliiu'i', SyiiiiLTdi,'!' in .Icrusa-
K'in 4()1.
I.ippinaiin aus Mulliauscn KO.
Litaneien ir)2ff. 174 f. 223. 27().
278.
Liturgie, ErklAruntr d. WOrtos 4.
im Spracliurt'luauiii 20"). 44L
London, Uefornifn in 431 ff. 439.
Lurja, Isaak, als .Mystiker 387 f.
sein Einfluß IL IÜ8. 124. 38i) f.
392. 407.
.\Liunuuiot 08. 237—239.
Maamadpoesien 226. 341. 343 f. 367.
Maarib (s. Al)('uds;ohot).
Maaribini 212. 332. 334. 3G7.
.Macaulay. T. B. 40ö.
Maciisor 6 — 8.
Saloniki 51.
Vitry 8. 363.
Kommentare zum 335. 337.
.Maftir 168. 175.
Maimonides, Moses, Gebetordnung
11. 362.
über den Torazyklus 161.
über Piut 303.
über Gesang 505.
über Synagogenbau 460. 464.
-Manchester, Reformen in 433.
ALmhig 369.
Mantel beim Gebet 500.
— für die Tora 472.
Märtyrer, Die zehn 228. 290. 337.
Gedächtnis der 203. 231. 336 f.
Mater synagogae 484.
Megillot an Festtagen 137 ff. 184 ff.
(s. auch Hagiographen).
Meir b. Baruch aus Rothenburg 15.
59. (72.) 338—369.
— ha Cohen 369.
— b. Isaak 334.
Meiron, Synagoge in 461.
Melodien für Gebete 503 — 505.
beim Vortrag der Piutim 283.
295 f.
Im-I d. S. hriflvnrl. \r,(i. 171. '»04.
in {{i'fonugi'iiirindi'M 403. 420.
Mt-rniMii 203.
.Memorbücher 203.
Menachem b. Jacob 328.
— b. Josepli 370.
— b. Machir 335.
MendeLssohn, M(»s«'s 394.
Mendol.s.sohnianer 3. 396. 400.
.M-rkaba bei d. Mystikern 18 f. ()2fl'.
210. 379—381.
Meschuliaiu b. Kaloiiyriios 66.
327 f.
Messianismus 387. 400. 404 f. 419
422. 434. 436.
Messianische Gedanken u. Bitten
im Gebet:
im Schma 19 ff.
in der Tefilla 28 ff. 50. 54.
in den Tachanunim 79. 83 f.
in d. ersten Benediktionen 92.
im Kaddisch 93. 95. 97.
im Sabbatgebet 116. 118.
im Musaf d. Festtage 134 f.
l)pi d. Neumondverkündigung
124.
in d. Haftarabenediktionen 180.
in der Keduscha 65 f.
ihre Fassung in Reformgebet-
büchern 50. 54. 56. 400 ff. 417.
419 ff. 422 f. 430. 434. 437 f.
441.
Mesusa 25. 247.
Metrum im Piut 285. 291. 294 ff.
309. 346.
Meturgeman 178. 187 ff. 197 f.
Midrascli 195.
s. Einfluß auf d. Piut 275. 279.
28L 288, 317 f. 341 f.
Mihrab 470.
Minäer, Bedeutung des Wortes 36.
Benediktion eines 37.
Einführung einer Bened. zu ihrer
Fernhaltung v. d. Synagoge
37 f. 252 ff.
592
Sach- und Personen-Register
Minchagebet 98—99.
Name 98.
Ursprung 98. 238.
Bestandteile 99.
am Sabbat 117—120 (s. d.).
an Festtagen 98. 168. 164.
Toravorlesung 156. 167.
Prophetenvorlesung 176. 181 ff.
Vernachlässigung 262.
Minhag-Amerika, Gebetbuch 437
Minhag-Brauch 355. 357.
Ausbildung u. Elemente des 356f.
Verbreitung 357.
-Ritus 363.
Minhagim, Aufzeichnung der 368.
Vereinigung der 374.
Überschätzung u. Krankheit der
372. 412. 427.
Mischne-Tora 11. 362.
Mittelfeiertage, Gebete an d. 137.
Toravorlesung 155 f. 165.
Moncalvo, Ritus von 9.
Montag u. Donnerstag, Tachanunim
77.
Schriftvorlesung 77. 155 f. 157.
160.
Gebete nach der Toravorlesung
202 f.
als Fasttage 76. 127. 225.
Morgengebet, Name 14.
Ursprung 238.
am Alltag 14 ff.
am Sabbat 112—115.
an Festtagen 136.
Vorbeter beim 14 f. 87. 92.
Mosaik in der Synagoge 457. 462.
Moser, Moritz 410.
Moses Kordovero 124. 386.
Mose Al-Scheich 386.
— ibn Esra 346—348.
— b. Machir 108.
— b. Maimon (s. Maimonides).
Mosesstuhl 473.
Moses-Synagogen 481.
Aloseslied 116. 129
Musafgebet, Name 115.
Ursprung 238. 248.
am Sabbat 115 — 117 (s. Sabbat),
am Neumond 125 — 126 f.
an Wallfahrtsfesten 133 f.
am Mittelfest 137.
am Neujahr 141 ff.
in Reformgemeinden 117. 401.
403 f. 420. 424. 432. 438.
Musafopfer bei der Schriftvor-
lesung 165 f. 168.
Musikbegleitung beim Gebet 399.
401 f. 411. 427 f. 432. 436.
Kampf um die 406^408. 410.
417. 420. 427 f. 431 f. 440. 508.
Mystik, Einfluß der 281. 378—393.
ältere 379.
der Chassidismus 391.
in Deutschland 382—384.
in gaonäischer Zeit 379 — 381.
lurianische 386—390.
die spanische Kabbala 384 ff.
Mystiker, Bewegungen d. M. beim
Gebet 385. 392. 499.
Gesang der 200. 380. 383. 388 f.
391. 505. V
Bevorzugung d. Responsionen
95 f. 502.
Bevorzugte Gebete der M.:
Kedu.scha 15. 18 ff, 63 f. 66.
Einleitung d. Sabbat 108. Ulf.
388.
Kaddisch-Responsionen 95 f.
Priestersegen 69.
Hoschanot 139.
die dreizehn Eigenschaften 200.
der kleine Versöhnungstag 124.
d. 9. Ab 388.
Nachtgebet, Einführung d. 238.
240. 247. 262.
Nagara Israel 389.
Naro, Synagoge in 456 f.
Natronai b. Hilai 7. 191. 302. 358 f.
Nebratein, Synagoge in 460. 481.
Sacli- iiiiil l'i'rsuiicii-Kt'^fislcr
593
Ni'hardi-a ISO.
Neheinia, EiiifliiU iuif d. Ciottes-
diensl 2:U) f.
Neila-Gi'lK't, am \ frsdliimiigstage
152 f. 240.
an ]''asllagtMi 102.
an d. Maamadot 152. 2.'J7 f.
Neujahrsfest 140 — 145).
Name 140.
Zahl der Feiertage 132. 140.
Charakter d. Gebete 141.
3 besondere Bened. f. d. Tef.
141—144. 248. 2ü4.
Erweiterung der III. Bened. 141f.
147.
Sonstige Veränderungen i. d. Tef.
146 f. 301.
Berücksichtigung d. Neumonds
144 — 146.
Auffassung d. N. als Bußtag 146
bis 148.
Selichot am 148. 227.
Piutim i. d. Tef. 216.
Tora Vorlesung 158 f. 164 f.
Prophetenvorlesung 176 ff.
Schofarbhisen 140 f. 204.
Selichatage vor d. 227 f.
Neumondstage 122 — 126.
Verkündigung der 123 f. 204. 439
Neumondsweihe 124.
Fasttage vor dem 124 f. 388.
Veränderungen d. Liturgie 125.
Hallel u. and. Psalmen 125 f.
Musafgebet 125 f.
Toravorlesung 155. 158. 164. 168.
Prophetenvorlesung 176. 181.
Österreich, Gesänge in 507.
Offenbarung, Dank für die O.
in der Tempelliturgie 236.
im Morgengebet 20 f. 25.
im Abendgebet 100.
Omer-Tage bei den Mystikern 388.
Onias der Kreiszieher 246.
Opfer, Erwähnung in der Tefilla
Elbogen, Der jild. Gottesdienst.
29 f. 55—57. 116. 12(1. 135.
138. 145.
Gebet um Wiedi-rhi-rshlluiig der
29 f. 55—57. 116. 126. 134 ff.
252. 263.
dcsMii Aiidriung in lleformgem.
404. 420. 428. 432. 435.
Opferung isaaks /s. Isaak).
Orgel (s. Musikbegleitung).
Orient 10. 363 ff.
Orientierung d. Synagogi-n 459 f.
Ornamente in der Synagoge 455 ff.
464 ff.
auf Slickereien 471 f.
Osten, Hiciitung d. Synagogen nach
460 f.
Paitanim 207. 305—353.
Palaggi Chaim 449.
Palästina, Entwiiklung d. Gottesd.
260. 264 f.
Unterschiede von Babyl. 266 ff.
Heimat des Piut 285.
Paltui Gaon 57.
Papa H., für den Gottesd. 264 f.
Papyrus Nash 24.
Parasche 155. 160 ff.
Benennung d. Wochen nach 161.
Pater synagogae 484.
Paris, Heformen in 439.
Perikope (Parasche) 155.
ausgewählte 158.
Umfang der 159.
Zusatzp. 157. 164. 168.
Maftirp. 168 f. 179 (s. Toravor-
lesung).
Perser, Verfolgungen durch d. 282.
Persien, Piutim in 338.
Pesach 137—138.
Liturgie 137 f.
Kerobot u. Gebete um Tau 138.
214 f.
Toravorlesung 165. 191.
Prophetenvorlesung 182. 191.
Peschitto, Übersetzung der 189.
38
594
Sach- und Personen-Res'ister
Petrus 308.
Pflichtgebete (s. Stammgebete).
Pharisäer, Einfluß auf den Gottes-
dienst 246.
Philadelphia, Reformen in 433.
Philanthropin in Frankfurt a.M. 399.
Philippi, Synagoge in 449.
Philo 149. 159. 171 f. 195 f. 250.
447. 451. 485.
Pinchas, Paitan 308.
Pinto Isaaiv 397.
Pismon 207 f. 224. 228.
Piut, Name 3. 207. 283 f.
Entstehung u. Verbreitung 281ff.
285. 301.
Charakter 208 ff. 286 f.
Arten des 209—212.
Stoff des 288 f.
Kunstform des 281. 285 f. 290
bis 295.
Sprache des 296 ff. 318 f. 331.
339. 342. 347. 351.
Epochen des 306.
Zahl der Piut-Dichtungen 288.
Gegner des 301 ff.
Überlieferung des 373.
Kommentare zum 335. 337.
\'ortrag (Gesangbegleitung) 283.
5—6.
Stellung der Reform zum 305.
397 f. 403. 427. 429. 431. 440.
Platte als Toraschmuck 472.
Poesie, synagogale 206—208 (s.
auch Piut. Selichot, Kinot).
Polen 9. 427.
■ Synagogenbaustil in 463. 465.
Mängel der Vorbeter in 495. 507.
Polisch 469.
Portugiesische Gemeinden, ihre
Verbreitung nach d. Vertreib.
10. 374.
ihre Vorbeter 491.
ihre Stellung zur Reform 305.431.
— Aussprache in den Reform-
gemeinden 401.
Prag, Reformen in 411.
Prediger, älteste Bezeichnung für
195. 197.
Haltung und Platz des 197 f.
als Ehrenbeamte 197. 487.
als Berufsbeamte 492.
Rabbiner als 197. 398. 492.
Predigt, älteste Bezeichnung für
194 f.
Arten der 196.
Gebrauch der Landessprache196.
398 ff. 410 f. 427. 431. 433.
440 f. 548.
Preußen, Reformen in 400 ff. 411.
Priesterliturgie (s. Tempel).
Priestersegen 31. 56. 68—72. 236.
238. 249. 252. 267.
Bezeichnungen für 68.
im Tempel zu Jerus. 67. 236.
in der Synagoge 68 ff. 252.
zu welchen Zeiten 71. 117. 128.
Haltung beim 68.
Gebete vor u. nach dem 69 f. 71.
Gebete d. Gemeinde während
des 7-0.
Rezitation d. P. durch d. Vor-
beter 69 ff.
Unterschiede zwischen Palästina
u. Babylonien 267.
Stellung d. Reformgemeinden 72.
423. 425. 434. 438.
in de.i ersten Benediktionen 91.
nicht ins Aramäische übertragen
189.
als Benediktion d. Tef. 31. 59.
72. 236.
Privatandacht 25. 242. 246. 255 f.
261.
die Tachanunim 73 ff. 242. 256.
265.
die Tef. im Abendgebet 102. 261.
Nachtgebet 262.
Prophetenvorlesung 118. 174 — 184.
Einführungszeit u. Ursache 175 f.
178.
I
I
Sai li- 1111(1 I't'isoii.'ii-Rogister
595
Namr 174 I'.
kein fcsliT Zyklus 175 — 178.
Wahl diM- AbschnilU' 170 f.
\ »M'botene Abschnitte 177.
X'erzeichnisse dor Al).schnitte
177 f.
N'oin 17. Tainimis Ins /,. Iliilfcn-
ffstf 178.
l.ängo der 178.
BmviM'tiini,' d(M' 17!» I'.
Wrr da/.u hffuKt ist 17<) f. 183.
BenediktioiuMi zur 180 — 182.268.
Targuin diM' 192 f.
Introduktionon zum Tar<,Miin der
193. 334 f.
i l)ertraguiis in die Landesspr.
192 f. 403. 420. 428. 438.
AnschlulJ d. Schriflauslegung an
195.
an Fasttagen 128.
an Festtagen 155. 17(>. 182.
Proselyton, Bitte für die 38. 52.
P.salmen 14 f. 81. 186. 237. 249.
425. 438. 495.
Morgenpsalmen an Festtagen
136 ff. 147.
Bußpsalmen 152. 222.
— in biblischer Reihenfolge:
Ps. 92—93. 95—99 . . . 108.
,, 113 — 118 . . . 125.
„ 121 — 124 . . . 113.
„ 120—134 . . . 119 f.
„ 145—150 . . . So.
in nicht biblischer Reihenfolge
108. 113. 152.
Psalmen, einzelne
Ps.
6
12
17
18
19
20
22
24
25
139.
139.
152.
137.
113.
79.
131.
201 f.
152.
27 .
.. 149,
29 .
.. los.
138. 147. 201 f.
30 .
.. 130.
.33 .
.. 113.
152. 434.
34 .
.. 113.
42 .
. . 138.
43 .
. . 138.
47 .
.. 147.
51 .
.. 152.
65 .
.. 152.
67 .
.. 121.
152. 388.
08 .
. . 138.
70 .
.. 138.
81 .
.. 138.
147.
83 .
.. 137.
84 .
.. 99.
90 .
.. 113.
91 .
.. 113.
121.
92 .
. . 108.
113. 137 f. 434
93 .
. . 108,
113. 126. 434.
95 .
. . 108.
113.
96 .
.. 108.
126.
97
. . 108.
136.
98
. . 108.
99
. . 108.
100
.. 84.
109. 112 f.
103
.. 152.
104
.. 119
•. 126. 152.
106
.. 137.
107
.. 137.
111
.. 120.
139. 203.
113
. . 434.
113-
-118 ...
125.
114
.. 137.
117
.. 438.
118
. . 438.
119
.. 119 f.
120-
-134 . .
119 f.
121-
-124 ...
113.
122
. .. 119.
138.
130
. .. 152.
135
. .. 137.
136
. .. 112.
137.
137
. .. 126.
143
. . . 523.
38^
596
Sach- und Personen-Register
Ps. 144 ... 121.
„ 145 ... 79. 80. 85. 92. 172.
227. 439.
,, 145—149 ... 85.
„ 148 ... 201.
„ 150 ... 85. 137.
Pumpedita 20. 302.
Purim, Entstehung 130.
Liturgie 130.
Vorlesung des Estherb. 132.
184ff.
Toravorlesung 156.
Rab, Wirken f. d. Gottesdienst 263f.
Rabba, Wirk. f. d. Gottesd. 264 f.
Rabbiner, Ehrungen für den 4. 171.
Funktionen als Prediger 197.
398. 496 f.
bei d. Liturgie 200 ff. 427.
— beim Vorl. d. Haftara 179.183
bei Gebeten in Reformg. 421.
436. 496.
Rabbinerkonferenz, amerikanische
437.
Rabbinerversammlung in Braun-
schweig 416.
in Breslau 421.
in Cassel 429.
in Frankfurt a. M. 419 ff. 427.
über Torazyklus 161.
über Ahroniden 72.
über Prophetenvorlesung 183.
über Übertr. d. Toravorl. 192.
Rapaport, S. L. 11 f.
Raschi, Gebetordnung 8. 363.
als Selichadichter 335.
als Piutkommentator 335.
Reformbewegung :
Anlaß zur Entstehung der 394
bis 396.
Die ersten Reformen i. Gtsdst.
394 ff.
Predigt u. Gebete i. d. Landes-
sprache 398 f. 430—434.
Reformversuche in Beilin 400
bis 402.
Reformgemeinde in Berlin 421
bis 425.
— in Hamburg 402—411. 413.
— in England 431 ff.
— in Amerika 433 ff.
Gegnerschaft gegen die 406 ff.
426 f. 431 f. 434.
Stellung d. Rabbinervers. 416
bis 421.
Kampf um d. hebr. Sprache 419ff.
Stellung z. Messiasglauben zur
Erwähnung d. Opfer 4. 400.
404 f. 408. 418.
Ergebnis der 439—443.
Reformgebetbücher :
Veränderungen d. Tefilla 50. 31.
56. 82. 414.
nationale Gebete u. Messianismus
50. 54. 414. 420. 428. 437.
Wiederholung d. Tef. 403. 417.
420.
Musafg. in 117. 401. 403. 417.
420. 424. 432. 438.
Sündenbekenntnis in 151.
Toravorlesung in 161. 172. 403-
417. 420.
Gebete n. d. Schriftvorlesung205. ^
(s. Landessprache.^
Piutim in 305.
Kol Nidre 154. 417.
Refrain im Piut 208 f. 212. 219 f.
228. 291.
Regen, Gebet um 44. 139. 214 f.
439.
Regensburg, Gesänge in 507.
Reim 17. 19. 87. 281. 285. 291. 293.
309.
Gürtelreime 209.
Bibelreime 309.
Religionsverfolgungen 33. 64. 257.
282—284.
Responsen 24. 26. 72. 83. 94 ff.
246. 250. 494 ff. 502.
Rezitation des Schma 22. 26. 496 f.
Rhein, Gesänsre am 507.
Sacli- iiiul PtTsoiicii-Kcgislcr
597
Rhythmus im l'iiit 27'). 278. 25)1.
294 ff.
Hiesscr, (liil»ri"l 413.
Hingwörter 293.
Kitus der Gelx'tüht'ilicforunj^. 3.
8—10. 363 ff.
in Palä.stiiia 9. 2')U. 2(>() ff. 3()4 f.
in BahyhHiion 9. 200. 2'>«) ff. 3ü4
bis 366.
in den Balkanländorn, Italien,
Frankreich, Deutschland 9.
364—360.
in Spanien 10. 364—367.
in der Provence 10. 367.
in Yemen 10. 71. 74. 362.
Mischung d. Riten 364.
Abgrenzung d. Riten 367.
Wiedervereinigung der R. 374.
Rossi, Salomo de 508.
Rußland, Baustil d. Synagog. 463.
Ruth 185 f.
Saadja b. Joseph
als Paitan 321—324.
sein Gebetbuch 8 f. 301 f. 364.
seine Poetik 294. 324 f.
Sabbatgottesdienst,
Gebot zur Weihe des Tages 107.
243.
Einführungd. Abendgebe tesl07f.
— d. Musafgebetes 115— 117.248.
Modifikation d. Gebete z. Schma
109. 114. 121. 275.
— d. Tefillas 110 f. 114 f. HO f.
118 f.
Zusätze z. Abendgebet 108. 111 f.
Kiddusch i. q. Synagoge Ulf.
Vermehrung der Semirot im
Morgengebet 112 — 114.
Schriftvorlesung:
Tor.'^vorlesung 155 ff.
Prophetenvorlesung nOff.lSl
Gebete dazu 199. 204.
Lehrvorträge zu Mincha 117 f.
186.
L('luV(.rlri»ge z. .Mx-ndgebet 121 ff.
llal.d.ila 46. 121 f. 243.
in {{''formgebetbüchern 108. 117.
403. 438.
Sabbate, ausgezeichnete 156,159.
163. 317.
— die ,,grofien" 219.
Sabbathaus 445. 492.
Sabnräer 271.
Sachs, Michael 396. 422.
Sachsen-Weimar, Reformen in 411.
Safed, Kabbalisten von 386 ff.
Salman aus St. Goar 361.
Salomo b. Isaak (s. Raschi).
— b. Jehuda Hababli 225 f.
— b. Jehuda ibn Gabirol 335. 341.
344—346.
— al Kabez Halewi 108. 386.
— Lurja 81. 386 ff.
Samaritaner,
Auslegung d. Fest Vorschriften
155 f.
Orientierung d. Synagog. 460.
Bedachung d. Synagog. 464.
Samuel der Fromme 382—384.
— der Jungen- 37. 252.
— Hanagid 191. 341.
— Mar S. Wirken für den Gottes-
dienst 262.
— b. Jehuda ibn Abun 283 f.
— b. Moir 104. 114.
Sanhedrin von 1807. 398.
Sanktuarium 470.
Sargenes 500.
Schalonn aus Wiener Neustadt 371.
Schaufäden 25. 247.
Schedia, Synagoge in 446 f.
Schefitib, Synagoge in 446. 450.
Schemarja ben Simcha 370.
Schemini Azeret 139 (s. Sukkaus).
Schemuel ha Katan 37. 252.
Schenkungen (s. Widmungen).
Schilfmeerlied 23. 113. 117. 129.136.
Schimeon ha Pakoli 28. 41. 254
Schläcrel 487.
598
Sach- und Personen-Register
Schma 14 f. 16—26. 100—103. 247.
Namen 16.
Bestandteile 16—25. 101 f. 242.
247.
Vortragsweise d. Seh. 22. 25 f.
496 f. 514.
in d. ersten Bened. 91.
in d. Keduscha 63 f.
beim Ausheben d. T. 199.
Fassung d. Bened. in Reformg.
20 f. 403 f. 413 f. 423. 434. 438.
Piutim z. d. Bened. 210 f. (s.
Jozer).
Schofarblasen 140. 420 f.
Zeit des Seh. am Neiij. 140 f. 204.
Liturgie zum 204. 216.
im Elul 149.
Schowuaus (Wocheniest), Liturgie
138.
Asharot 217 f. 278.
Toravorlesung, Introduktion zur
191.
Übertragung der Hattara 193.
Ruth 185 ff.
Schriftauslegung 194 — 197.
die alte 194 f. 250.
als Predigt 196 f.
in Form d. Piut 282 ff. 288.
Schriftvorlesung 154—205. 235.
238 f. 241. 249 f. 257. 268.
420. 438.
Toravorlesung s. d.
Prophetenvorlesung, s. d.
Hagiographenvorlesung, s. d.
Gebete zur 198—205. 425. 428.
438.
Übertragung der 186 — 194.
im Altertum 187 ff. 250.
im Mittelalter 191—194.
in der Neuzeit 192 f. 420. 423.
429. 438.
Poetische Introd. z. Übertr. 191.
193. 333.
Schulehan Aruch 372. 412.
Schulklopfer 487.
Schütteln beim Gebet 499.
Seelenfeier 204.
Seelenheil, Gebet für das 202. 204.
Seesen, Reformen in 399.
Segen für den Landesvater und
die Behörden 203. 427.
für jüdische Behörden and Ge-
lehrte 203. 427.
für die Anwesenden und Wohl-
täter 203. 479.
für Verwandte 204.
Segen bei d. Tora\oil. 202 ff.
Selichot 8. 127 f. 153. 158. 221
bis 229.
Name u. Ursprung 221 ff. 226.
276.
Charakter und Inhalt 208. 221 f.
224.
Die alte Selicha 222—225.
die poetische Selicha 224 f.
286.
in der Tefilla 225 f.
Selichottage (Fastlage) 127 f.
historische Gedenktage 225.
. 262.-
vor Neujahr 148. 227.
die Bußtage 148. 227.
der Versöhnungsta;? 153. 226.
366.
Bearbeitung der S. 324 f. 329 ff.
335. 348 ff.
Zensur der 376.
Verschiedenheit d. S. -Samm-
lungen 368.
Seligmann, C. 439.
Semirot, Name 13. 82.
Entstehung 82. 272 ff.
Kern d. 82.
Erweiterung d. 82—86. 272.
Benediktionen zu d. 82 — 84. 86.
Stellung i. d. Lit. 13. 87.
am Sabbat 112 f. 403.
an d. Festtagen 136.
in Reformgebetb. 403. 413.
Septuaginta, Übersetzung 24. 188ff.
Sacli- iiiitl IN'iSDUi'ii-FJt'KisliT
599-
Sidtliii' 6 f.
— - Anna Ml .'5r>!l.
— liasclii S. :{:{■).
- Saadjas ST. 361 f. 3H4.
Siiiuha Ikmi Saimicl aus \ilry 303.
SiiiKin I.. Isaak 293. 328—330.
— 1). Jothai, Syiia^'ot,^' 482.
Simson I). Zadok 3G'J.
Sitze in dor Synapoirc 47.'> f.
Sofrim (Inhalt des Traktats) 354 f.
Sohar 385 f.
Sonntag, Cottosdionsl am 399.
421. 424. 430.
Spanien, Ritus von It). 367.
Spanische Kabbala 384 ff.
Spanische Paitanim 339 ff.
Spenden währ. o. Toravorl. 201 f.
für Syiiaf^ogon 477 ff
Speyer, Synagoge in 4(53.
Spira Nathan 390.
Sprüche der Väter 119. 43!>.
Stammgebete 3. 11. 200. 390.
Geschichte 232 ff.
Heimat 279.
Ausschmückuni!' 271 ff. 275.
Variierung 273 ff.
.\bschluß 280.
und Piut 207. 283.
in der Landessprache 403 ff. (s.
Landessprache).
Änderungen durcli die Reform 31 .
56. 403 f. 413. 423 434. 436 ff.
439.
Ständer für Gebetbücher 470.
Stehen beim Gebet 499.
Strophen im Piut 281. 285. 291 ff.
Stubentropp 504.
Suburesier, Gemeinde in Rom 482.
Sukkaus (Hüttenfest):
Liturgie am 138 f.
Toravorlesung am 157 f. 105 f.
FeststrauB am 138 f. 219 f.
Der Hoschanatag 138 f. 219 f.
Das Schlußfc-st 139 f. 214. 185.
Das TdrafriMidcnfrsI IJi». KKif.
439.
s. W'allfahrtsfcsl.'.
Sul/.er, Sah)mi»n 509.
Sündenbekennliiis 149 f. 277.
Name 151.
Ursprung 149 — 150. 243. 204.
d. Priesters im Tempel 149.
am Versohnungstag 149. 277.
im täglichen (lebet 75.
an Fasttagen 127.
Bestandteile des 150 f.
Selichol als 221 ff. 229.
in den Kinot 230 f.
Synagoge, Bezeichnungen für444ff.
Entstehung d. 223. 235. 240 f.
440 ff.
Die ältesten 440 ff. 453 ff.
Lage d. 448—450.
außerhalb der Stadt 107. 449.
am Wasser(?) 448 f.
an Grabstätten 482.
Staatl. Schutz d. 450 f.
Gewaltsame Umwand!, in Kir-
chen 450 f.
Verwendung der 452 f.
S. u. Kommune 477.
Bauart der 453 — 409.
Anlage und Orientierung 453.
459 ff.
Höhe u. Bedachung 459 f. 404.
Türen u. Fenster 401. 404.
Fußboden (Mosaik) 401.
Xebenräume 458. 409
Baustil 462 ff.
Ornamente 455. 401. 404 ff.
Innere Einrichtung 459 — 470.
Frauengalerie 423. 430. 400 bis
408.
Herstellung u. \erfügungsrecht
477—479. 482.
Benennung d. S. und Gemeinden
480—482.
Synagogengesang (s. Gesang) 503ff.
-diener 485 ff.
600
Sach- und Personen-Register
Synagogenordnungeii 411. 427. 571.
-Verwaltung 4S2 ff. 492.
Synode in Leipzig 428.
Szegedin, Synagoge 466.
Tachanunim 14 f. 73—81. 242.
256. 265. 272 f. 357. 371.
Name 73 f.
ein Privat^ebet 14. 73 f. 75.
242. 256. 262.
Anlehnung an biblische ^Muster
75 f.
Sündenbekenntnis i. d. 76 f.
Keduscha de Sidro 78.
Anhänge an die 79 — 81.
am Montag u. Donnerstag 76.
an festlichen Tagen 78. 125. 129.
131. 137.
im Minchagebet 99. 125.
im Abendgebet 105 f.
Tallis 423. 499 f.
Tam, R. Jacob 154. 303. 314. 335.
Tammus 17., der 127. 388.
Targumim 187—189.
Methode 188.
Aufhören dTargumvortrgs. 190ff.
Tarsos, Synagoge 481.
Tau, Gebet um 44. 138. 214 f.
Teba = Schrein 469 f.
= Platz des Vorbeters 470 f. 473.
Tebet, der 10. 127.
Tefilla, Name 5. 14 f. 27. 240. 242.
248.
als Gemeindegebet 28. 31. 242 f.
als Gebet des einzelnen 28. 255.
Alter 28 ff. 242.
für d. Morgengebet 14. 27. 240.
428.
für d. Minchagebet 99. 243.
für d. Musafgebet 118. 248.
nicht im Abendgebet 102. 247.
255.
Aufbau 242.
an Wochentagen (s. 28 ff.).
248.
an Sabbaten 110. 248.
an Wallfahrtsfesten 133. 248.
am Neujahrsfeste 141 ff. 248.
am Versöhnungstag 151 f.
Differenzierung 256.
am Neumond 57. 125.
an Fasttagen 54. 127. 248.
am 9. Ab 53. 129.
an Chanukka u. Purim IS*^» f.
an Mittelfeiertagen 137. 248.
Der Wortlaut in den 4 Sabbat-
gebeten 110 f. 114 f. 116 f.
der Wortlaut an d. Festen 118 f.
137. 139. 141 ff. 151 f.
Vortrag der (laut) 28. 254 f.
leise mit Wiederholung 28. 45.
89. 255.
keine Wiederholun/ im Abend-
gebet 102 f.
Ersatz für Wiederholung am
Sabbat Eingang 108. 111 f. «
Wiederholung in Reformgem. M
401. 403. 417. 420. 429. 438.
Redaktion 30 f. 254 f. ^
Diktion der 242. 256.
Wortlaut , verschieden in Pa-
lästina und Babylonien 42.
267.
Änderungen inReformgenieinden
49 f. 52. 54. 403 ff. 414. 425.
434. 438.
Poetische Einschaltungen in
die T.
Kerobot 212 ff.
Selichot 225.
Kinot 129. 230.
s. Achtzehngebet, Musaf.
Teil Hum, Synagoge in 454. 460.
Tempel in Jerusalem:
Reste aus d. Liturgie d. 25. 29 ff.
55. 67. 73 f. 82. 139. 217.
219. 236. 239. 252. 358.
Bitte um Wiederherstellung 29 ff.
55. 116. 124. 134. 252. 404.
414. 428. 438.
SiK'li- 1111(1 l'frsoiii'ii-Kci'isli'r
601
Ti'in|)i'l-\ ri'i'iii in llaiiiliiirg 4ü:J ff.
4i:{ rr.
Thoodusiiis 1 1. iöl.
Threni (s. Klagelieder).
Tisch für \'()rl>oti'r 473.
Tischri der :{. 127 f.
Tora, Verherrlicliung der T. am
Torafeste Ui8. 174. 205.
Bekleidung der 472.
Torafreude (s. Sukkaii.s).
Tora rolle 471.
\orsehriften über d. 168. 174.
Zahl der 168. 174. 268.
Aus-, Ein- u. Hochheben 156.
174. 198 ff. 474.
Torasehrein 174. 469 f.
Tora Vorlesung:
Ursprung u. Anfänge 155. 158.
235. 243.
Tage der regelmäßigen 155 f.
159. 249.
Einführung eines Zyklus 157 ff.
167. 257.
einjähriger Zyklus 155. 160 f.
177. 268.
dreijähriger Zyklus 160 f. 177.
268. 403. 420. 428 f.
dreieinhalbjähriger Zyklus 161 f.
Vorlesung ohne Zyklus 161. 425.
438.
Beginn des Zyklus 162. 166 f.
539 f.
Perikopen der 155 f. 159. 160 ff.
168 f. 195.
Zusatzperikope 157. 164. 168.
Maftirperikope 168 f. 179. 183.
268. 240.
Die P. der Feste 156 ff. 162 ff.
165 ff.
Vorlesung in der Landessprache
171. 250.
Verfahren bei der 156. 169 f.
355. 417.
Melodie der 156. 171. 403. 420.
504.
Aiifnilrii zur 170 !'. 199. 417.
420. 427.
Reihenfolge der Aufgtrufcnen
172 r.
Benediktiduen zur 171 f. 268.
s. Schriftvdrli'sung.
Tribüne 473.
Trishagion 61. 63. 67. 519 f.
Trupp 15(). 504.
Übersetzer (Meturgemau) 187 ff.
488.
Umm el Amed, Synagoge 462.
Umzüge 199 f. 474.
am Tora fest»' 200.
am Hüttenfeste 219.
Ungarn, Reformen in 431.
Union of American Congegrations
436.
Union, The — Prayer Book 437.
439.
Verneigen beim Gebet 499.
Versammlung, die Große 6. 28.
30. 240 ff.
Versöhnungstag 26. 149 — 154. 249.
257. 388.
Die Tefilla 151 f.
Priestersegen 68. 71.
Psalmen und andere Zusätze
88 f. 152.
\eila-Gebet 152 f. 238.
Toravorlesung 158 f. 165 ff.
Prophetenvoripsung 176. 182.
Sündenbekenntnis 149 — 151.
226.
Aboda 153. 216 f. 277.
Selichot 150. 226.
Maamad 226. 241. 343 f.
Kol Nidre 153 f.
Verschied. Entwicklung d. Piu-
tim 366 f.
Verstorbene, Gebet für 202. 204.
Vitry, Machsor 8. 363.
Vogelstein, H. 430.
602
Sach- und Personen-Resrister
Vorbeter:
Namen für 25. 27. 87. 212 f.
488. 493 f.
Art des Amtes 487 f.
Funktionen der 171. 492.
Anforderungen an d. 490 ff.
Mängel d. 491. 507.
D. V. i. d. Neuzeit 492. 508 ff.
Platz d. 25. 473 f.
Vorhang zur heiligen Lade 471.
Vorlesen der Schrift, ein Ehren-
amt 487.
bezahltes Amt 488.
mit Melodie 503.
Vorsänger 489.
Wallfahrtsfeste 132 — 140. 244. 247.
Name 132.
Zahl der Feiertage 132.
die Tefilla 133—136.
Halle] 137.
Megillot 137.
Tora Vorlesung 165.
Prophetenvorlesung 176 ff. 181.
die Mittelfeiertage 137.
s. Pesach, Schowuaus, Sukkaus.
Widmungen für Synagogen 477
bis 479.
Wimpel für Tora 472. 479.
Wise, Isaak M. 435.
Worms, Synagoge in 463. 468.
Gesänge 507.
Würdigkeit der Vorbeter 490.
Yemen, Ritus von 10. 71. 74. 338.
362.
Zahlal ben Netanel 331.
Zeigefinger für Tora 472.
Zensur der Gebetbücher 51. 80.
375 f.
Zidkia, ben Abraham Rofe 11.
187. 369 f.
Zion, Bitte für 29. 31 f. 35. 40.
53 f. 56. 180 f. 231. 252. 270.
232. 400. 404. 428. 435. 441.
Zunz, Leopold 11. 196. 298 f. 409 L
Zurollen der Tora 173 f. 474.
Zwischensabbate 163.
Zyklus der . Toravorlesung 155 f.
s. Toravorlesung.
Sacli- und Pcrsoii.-ii-licKisl.'i-
603
(oniiTut 486
liftiiMi' 475
(i,(cyiyrmixnv 159. 170. 190.
an/iairäyioyo^- 483 f. 577.
ün/foy Trii auraywyfig 483.
ßt,ucc 473.
■ iHdllllCTH s 487.
(^^(^«(Txfiv 194.
öoüuoi 209.
tyxan'uc 130.
fyxcaviauöi 130.
^'^Y(yo« 469. 575.
iiäarna 466.
/;itör«rr)!; 484.
ii'Xoyict 5.
f J';f«/' 5. 27. 478.
ifo« 445.
y.ißfoiog 469.
AftTOi'oj'trr 4. 51 1.
XfiTOVoytic 4.
Aoyoi,- nftouy.).r\c>tiiH 196.
ui)it^(j firrayioyi'; 484.
vrjar*/'« 126.
VoriiijViK 122.
o?xos r^s nr>ooa'/5? 445.
7iaTi]o avy(cy(oyri<; 484.
nio(ßoi.og 458.
TIQfOßvTfQOt 484.
TioofJpi'K 458. 475.
nnuvaog 458. 469.
71 noafrxTi'jQiov 445.
7iQotJtv/Jt 445. 448. 452.
nQoajäjtig 484. 578.
TiQWToxnO^töiji'u 475.
GußßttTtiov 445.
avvttywyii 194. 444 ff 450.
vnr)otTrjg 485.
r/(i)r« 131.
j/'«Auüs 208.
w(y^ 207.
604
Sach- und Personen-Register
335 inn^3 DTJ TX
309 aiD3 m-l TS
218 m55l2 tDTT Ti5
217. 219. 558 mnTN
218 niirsn nnnTj?
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199. 506 ^1^3 «j^X
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47. 121 "i^n r'-:~>^r^ nrs
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336 112p S-ilT D-^nbS
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310 n-^bpn -irrb«
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322 r^DIS CS« -^Dri«
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277 nnx r.:"2S ^r:i<
28. 240 .... nb-:*n rc:2 ^te:s?
237 n^7T3 "»c:«
606
Sach- und Personen-Register
444f ri7tr r^s
286 rctrr> V~z3
165 SSCDn
212. 334 nlDl
165 snDn
184 s^nn nbibn
Ulf ^^p^b-a nian
163
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39f. 53f. 181. 230
482
482
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59.
99
146 f.
. . i?nn-n2n
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-ii-n "«rn
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75 i^ni «yn
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75 a^)ami nbsr cps
74. 229. 324. 343 nrpn
167 -TCS^nl
5. 249 ^nn
79. 121 . . ::s?-i.ni" ir-:s t^^^
109. 117 . . nm;^ ir: ^rs "jT^n
494 ... . bs^ir^ ^r.:x '- T^2
17. 172 Tll)2n 'l T^2
102—105. 109. 272 abi^b 't "Tinn
5. 241 '-; r.rs -['in
125 s'irin t""nr fin
83. 495 i5'r. T.^n
14. 82—84. 92. 1 13. 506f. n'cSC Tinl
22. 26. 93. 'd:^ -nnD =Tr ^111
495. 497.
22 ^-r- mn
200. 390 n^TD Tiin
4 ^ni
29 f. 32. 35 -rb:r -j^i
4f. 241. 243. 249 n.-nin
111. 137. 263 . 't p7)2 rns? HDnn
68. 72 rrrr^ nans
17. 86. 94f. 129. 172. 211. -313
274. 500.
5. 240. 242 f. 254f. 301 . . r^3^3
87-92. 112. 136.274 nnirn T'D^n
164 r-'bzp' r'2"in
6 ni^Em nsnn
32. 46. 121 -jrnn
46f. 121 i:r;rn
150. 153 . . . abij 1T1 rill
126 nn^i
216. 277 . tJsn^ 2:17 r::iD
307 . . -jon n-a zbnr r::iD
332 ... . n"^ TTabrn -j^nia
i43f. 216 r^bri:
153 in in;
45f TCI^p
110. 434 rm-p
333 nbD ]i:nbr
308. 332 n:-r
121 rbin-
nns?
498 . .
322 . .
108 . .
266 . .
23. 211.
127 . .
267
• ■ • bnn
. . n"nn
165. 191 iTSibTcn 'iTinn
507 =^mnn
97 f -jiD^Tai^m (-Z'^^nn
97
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445. 449 s<rr:2 ^n
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• • • '^DT'Q i^in
• • • 311-17- T>n
n:in
• :i2S7 "iisb i:ia
• • • i-TQ" im
336. dnnn) imin
444
473
58
58
238
46
444
464
310 f. 325—27.
344. 347. 351.
154 n77'a br r.nirin
170. 445. 449. 468. 482. rcZZr. r^2
492.
444. 446 Z7- Pia
445 rnnrcn r^n
444 nj^r rin
444 s)2" rii
445 11-Tii-; iir r-2
445 ii-nr.i- i«rnu r^n
Sach- 1111(1 l'cr.suiK'ii-Kf^ji.slcr
607
24. 211 i:3bi2 'n
25. 73. 242. 250 =^nm
220 rirp2 inm
220 nnc ■»im
68. 473 piT
203 r^b 1^1^3-1
125. 159. 1G4. 169 rbT
177 T^-^'^ i^T
46 nyi
308 irnbs -D^.i
209 TTI^m
195—197 tnn
183 ITDm
195—197 "iin-n
380 nrTGSJni r^ns^n
321 ns'abD bs« ^b"^5«n
169 :rTi?n
44 mn;;n bsn
50. 519 "jETrnn b5«n
151
n:o- :i5n
46. 141. 146. 148. 519. Z^-,pr] bs^n
46. 120 T<-:-2n
240. 243 nbinn
21. 210 .... 'tc-i 112-n imnr.
53 ]v:z2 "imnn
172 m^.r^ nn^nn
194 (mirb) "i-inn
32. 34. 48. 50. 60. 255. 263. i;:inn
265. 403.
195 r[::iT^
174. 199 nnn."in
369 r.T^:ii3i'^i2 rir^yri
195 -sn:^n
188 nuii-in
27. 497 n-^nn «inn
31. 57 (n-'-'mn) ns-in
237 m-j 13 '-;■- n-nn
82. 84. 113. -i^cn -isnp '-ib mn
129. 272.
29 TTiy n:inb mn
29 . . . 'itt:^ ^m: y^p^b inn
177 a-ibr^ii ps^ --;-n
174. 198 n5<3:-n
273 r.i<-^n
138. 2l9f s«:rc'-
rn rs^ ru.- r-z'2
'dh st^ br r-D^3
. . . HDinn ^:Dnn
-i^n TDnn
141 .. .
149
72
54
If)
36—40. 51. 252. . . s^r-cn rz^2
83. 113. 125. 249. 274 -^rn rD*3
49 2i:rn PD-n
20. 25. 101. I7lf. 23(5 n^-rn TD-^n
48 s-'b-n rD^2
46 --cDn TD-a
30 f. 59. 67-72. 23C) z^ZHD "3^3
50 ztz^c rs^n
52 aipi-;:: rD"^3
109 nT3i ^7->2W2
14 irnrn
165. 191 nbrn
445 r''ic:D T3
22ff. 48. 101.211.244 267. 352 nb"S53
16. 22. 211 f. 267 . . bi^^Tr"^ bS3
485 rD:3r. r-^n -^sna
483 r^-p--2 'K33
31. 44. 213 , 2j
44 D-^-Q^y nmaa
483 m-tn ibna
199 lb-I3
35. 48 bi«nt:^ bs?^3
181 -:bs-5
469 rr.i^y
466 STJTin
229 r^lT3
133 ri^y
173 nb-'bj
43. 89 . . . . a^nTJ a-'-icn bri^
445 r-isj
361 . . nnsonbsi rs5ib::bs ri^s
210. 228 ^.^j
52
?n::n -»na
38. 52 a^ia
138. 214f. 293 zrs
78 . . .
335 .. .
22 . . .
211 f. 272
ibr-' '-
608
Sach- und Personen-Register
174 nTJSn
163 npDön
101 f. 109. 212 . mbü nDD Trisn
476 "o^-ipn
157 '-r\pr\
123 m^y bD bipn
200 mspn
132 i;snn r.x :iin
52 aip^nsrn ^ip n^ann
47 nmirnn nrnn
33—35. 38. 50 . . ir'i-jsTri nn'^'irn
32-47. 201 irn^irn
508 ... . n^biüb nrx a^niirn
97. 202f nnDirn
101. 109. 136. 247. 438. 529. Isn^DCn
31. 53 'jn^::^ -joTTn
175 sjnnrn a^btn
73 mnmun
73. 462 n-iinmrn
128. 48 32yn bijT
94 -JTaX ITGS?!
76. 272 :7-i: tib i:n:55i
99 ^non iin "^zs^i
129 in-iin ri5T ^:i?i
118 "^rbsn i:s«-i
29. 55 "^SnC^ ^ri5T
150 pnns ripxi
79. 117. 121 f. 214 . . irnp nrs?i
163 "(rnrxi
79. 118. 153. 272 bxi5 "r::"": 5?m
66 . . . '■ai<5 v,D i»-ip i^n-im
214. 381 pm
278 ... . n»^p nbrn Y- '^m
278 y:)2 ^D^br: "iDn
141 ny^T^ )3m
141 mnD ir lom
141 Tin£ "jr -LSI
201 n'üi?'' nn;m
168 ... . lyinün »in: mrr'm
126. 145. 164 . DD^inn iri^nm
165 nmr ns« nps 'ni
25. 74. 76. 149. 151. 229. 308 i^-n
151 siii s?i:iT 'im
65. 67. 210 ' a^:£ism
20 aibirb n:i5inm
139. 166. 535 .. . nm x:y»in
138. 21 9 f mirinn
125 ... . TT^in TTsii :» i^rrn
204 n^aü: msrn
156. 163 . . . . Cn niöis) Tö^nn
37 (i^niTnia) Tirnn
47. 121 i:V:7 bnn
58 nnin: f: m-jn
58 ^•nn: mi:n
216. 278 mifiiS 32? nin
216 abir mn aT^n
148 i:s)25?n ai^n
470 Vj,^
380 nrnn rV:D^n
114. 136. 275. 302 . . "^mn :;n
174. 201 nc:2n
219 r,T-i:-
206. 355 riDbn
265. 269. in^innb iniinr: ^D:n
557.
113 bbn
82 (ai-i bsn) ::n
125 ins^n ::n
130 riii-nm bbn
82. 85. 496 nilbbn
114 pKb iii^'cn
59 .... '-i«i i^r Ti? Ti:;rn
104. 109 mnsn r-icn
56. 270 . . i^isb insiDir niinrn
104 miDn i^tin
211 nn^n Y-^n
50. 148. 264 . . . -JSTT^n Y^^n
46. 146. 264. 267. 519. mpH Y:;^^
147 aV^cn mm- Y-^"
100. 109. 121. 212 z-^^^y n^nrrn
47 nbc: nnirn
56 ir:^DC niran
110. 118 i:':; n:-
131 rbn r"^:ri
89 HD rr"»: "r"!:n
172 .. . a'i'Qirn ])2 n-rin -irnrn
203 nyiirn ^m:n
28. 41 i-i-icn
48 nns ryn nrrn
122 irrr n-^sn
175. 497 s?in;n ""lasn
Saili- iuhI l'iTs<>iirii-l{<'iristt'r
(iO'.l
i3(). 264 i;r"^Tin
•'■^t' irr^nrTnm
246. 37'J rP'^ri
•41 Y-^t'^
40 n:-2 -ri
40 nsnn: rj in
40 n-j72T :"j in
71 2-irri
133-137.145.151.182.264. i:: ^m
36 an-iT
326 ns«bb nrr "^rbbiT
210 .. : r.biT
156. 159. 163 . . Ct nCHD) IIDT
78. 330 ... . sn-iniJ n-inn nsr
58 Tirn^ -IDT
142. 1441'. 216. 229. 293 . . -jtidt
1 40. 145 nmn -jinDT
57. 141—144. 147. 216. 229. nzinDT
264. 293. 307.
43. 45. 146f. 30 If ^DT
14. 81—87. 92. 136. 272. nn^'OT
134. 137 i:min ]72t
138 i:n"nn 'nia 112-
i38f isrnrir '12J
39. 52. 475. 484 2^:pT
249 in- inn
445 nnnn
107 nmnn
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132 5{:,n, in
i37f riü^n :\n
138 niDcn 3n
138 nrisrn .nn
132 5Jr:i:'jr- 5?:n
132 is*ii^-jE- i^jn
134 inrr":: z'^i'cr, r:\",n
116. 254 ein
i22f rnn
126 12^*7 cnn
226 aTin rnin
137 -;n^ri b'n
174. 543 l-^rTZ'n
308 . n^r.:rrn n-n
207 f .285. 309. 485. 491. 504 j^rrn, ]7n
Elbogen, Der jüd. Gottesdienst.
77 f. 273 2-n- x-m
16. 100. 109. 152 . 2in-i sim
210 i-imiT'» n^nm
i'> yat: as n^m
i^^5 nrn arn nim
51 a-^riam
162 nnr-en "jr PT^im
125. 133f. 146. 151 .. . -rx-^rm
166 f. 535 HDian psn
174. 199 n-nrn rxn
16. 24. 101 n^sj^T
"76 in -"CS-^I
169 pb^r xa^T
110 2^-rs' 7^2^-1
86 -i^-; Tinil
136 .. nr^ -nTiT
199. 390 -c:2 "^nr
121 D7i: ^-i1^
89 1121 in-iT
164 ririz bn-^i
110 a^nbs :d^i
110 f. 273 =^"2-rn ibD-'i
166 . nc^ '-yi"!
97 nip-^E n'a-.rii
333 ^-py, -in^j« -;-)-it
122 Y: im
57 3^-^nn bDi
53 -n-i X0D1
58. 146 f. . . 3131:2 a^'^nb snsi
115 irr: xbi
40. 53. 213. 270 . . "i^i^ aibr'-^-^bi
36. 51. 213. 375 .. . a^rrbrn
50 ai-irT^bl
51 "j-nT r'z:T2i
138 arr^Dcr arn:i2i
134 f. 263 -rs-jn i:£iaT
116. 134 . . '2in nx T^iEb nr72i
366 rpr -:r3i
165 azb ar'^EDT
57 abD bn
109 ... . 'labc TDD nrb;? tttst
34 "jtncD "rpisi
267 1-cr rs -^n
109 i:rs?s -i'DCT
109. 115. 273 ^ITSri
47 bnan
b9
610
Sach- und Personen-Register
80 i:i3y i3^nbs '"i -»m
85. 113. 136. 273 ... . "nnD "^n^
70. 89. 116. 124. 202f. . -jisn nn^
59 'jisnb i^n'i
201 ibbni
113. 125 fibbn-i
104 ns bD "iibbni
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139. 220 ÄiSyiTin riV
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149. 151. 163 .... a^iBDn ÜV
116. 135 mDTan qv
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133 f. 137. 145. Tunp snpi3 nro ar
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137. 151 T!3-Ip a?-ip^ ai^
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132 a-^Ä^m: z^iq'-^
63. 66. 214 Y'^^
285. 309 i^r ,^S5:^
8. 360 laias^n niDi
57. 125. 133—135. 137. i^niT nb^^
144. 147. 152.
342 n«i;i pns^
342 y^wiia p pn2i
198 ns?^^^
485 f nODDH "Tn
207. 282 f. 504 mSTH
512 iJ^itn
169. 201 nrn
28 mrn
197 asn
78. 228 i^iünn
223 ... . 'by ann "i^Dsb i:s«i:n
543 a'^m-'n
266 a^:\n3ü qibn
130. 163 nD:n
46 ryir\ y.^n
46 ny"'-i i;;n
47 nbob niTan "jiin
47 nbcb nmai )-\:n
52 a-i-i^Dn
246. 379 ... . a^siiciiin a^n^cn
333 ncö nno bon
387. 389 müzn
96 iri^p ^sn
293 nnn
282 nmn
169 ^nn
171 ann
5. 249 amn, ainn
291 ... .' n-a^rn
153 i:^rn
173
rn
167 niTTiJnn irn
167 nmn -nn
485 ... .
243
207
207
138. 21 4 f. 268. 293
499 f
472
296
498
- . . rir-j
. . . . ca
. . . . ara
r:?nn ?-na
337 n'a ii^Dn^
87 f. 112. 117. 390. 438 .. . b"l3^
472 1^
94. 96 S?a-1 SittbTT S«rTi
93. 381 xm nii2Tr sn-^
349 .. . biSTöffi in ^'[■:T^ rmn^
Siitli- Mild I'rrs(tii('ii-I{i'j,'isl('r
61t
481 s:£)ian «rc:D
452 s?n^"Qn snr:3
473f SDD
223 r-»:rD
477 nDD
210. 213. 373 311D
477 -7^3
20. 497 ycT Pi? f^O
47. 121 i^rrnnnr =r2
223 r-^rrr srD
13Ü piimr CCS
153 r.^ro
64 -IPD
472 nPD
345 riDb^ irD
223 -icnn sb
16. 247 n^ini«:
114 mir Tcs bsb
19 'TTin bsb
130. 532 f bbnn ns 1)2^::
45f mi mb
131 ... . nD:n bc ns p^bnnb
65 a^nbi^b 3Db n^nb
471 -jimib
471 mmb
296 inb
511 n^r^^-jb
227 n-TJCTTS« '»b'^b
223. 227 r^pn::n 't Tb
315 . . . . nns«n npnrn '- 7b
108. 388 ^-in r\y:
194 Tab
39 a'^TCITCrbl 2T^b
323 IJTDb
529 a'^cii::? rsni? -jy^ab
308 i:^nbsi T:7^b
254 r"i£'ab
116. 268 rii2 ncab
91 f a-is? s^rr» abi>b
187. 193 T7b
170. 188. 193 r^jyr:
65 1-itts^ Tinn ar-a^b
65 . . a'^niaiKi a"^nnr)2 arrrb
90 mm ^nn-n pc-b
16. 247 ni;cb
22. 244 a^-lSTS r»"<2''
193. 335 2:rE S-^S-»
14. 16. 210r ^ST»
14. 16. 10(1. 114. 210. 27ri. -«•'55 nsTi
17. 20. 210 ... r.^^^.m-cn -^t»
1(1. 210 f r-'.ICTi
22 1:^^"^ ins "iij:-!-»
203. 427 '^p^t aip-»
103-105. 109 .... ir;^^ lij-i-t
27. 4',t7 .... nSTH "^lEb TTi
18. 379. 381 ... . nnD^r ^TITi
130 a'^bcn*'
115 mrr mac"»
110. 115. 117. 119. ^riDbrn imcc-i
12(5. 13(5.
109 .^ . a^iiacn ■^n'cr"»
14. 82. 85 f. 115. 274. 381 n2rr^
17. 274 ........ . ^-nr^
97. 99. 381 ... nnnr^i T'^nri
173 nnD
220 rmriD
383 -jTan ns rrc^ns
336 .. . ^-^tD TIS"! BIX rmnD
72 an:nD
259. 378 n:i3
387. 389. 391 rirD
253 ^nD
285. 307 n^-JD
166 Y" nDri "»D
223 T^m bj "^D
164 2i:n T^bir id
471 sb-'D
123. 219 1-n 73
165 f -iiDnn b3
I53f in-i: b^
211 irr::" bD
154 iJCE bs
370 inbD
18. 275 Bini"S abD
222 s:r^r^n id
135 i:3^nn p
201 . . .no-»:D
445 rc:D
445. 449 Src:3
450 c— ^-ci«-; fitrr:3
39*
612
Sach- und Personen-Register
125. 145 a-itr-n trin'a
6. 309 ^.vn-a
7 nbsn biE -nTn-a
7 smTn^
44 aTisn ninia
152 r.-^rr.i:;b binis
151 nbiDi bnTQ
151 n:i7 bm)2
151. 182 -irn rb^nia
210-212 "^in^
5. 243 .... (nD-in br) rnrjia
206 iri7T:r. br) jnuTa
5 "[TIS rn-jr
5 nsp 7n"Ji2
472 nns-L^r
294 luia
52 '^■naD bs5 ^12
336 aii2 ici«"i "r"' "»12
45. 146 T1T2D "'■Q
101. 210—213 .... rc')2D ^-a
327 ....... . fxn^i i?b "»^
201-204 "^-imr •>)2
127. 223. 276 n:rr ^■a
123 nrjir ^^
228 niniia
35. 253 I^Ü
36 mru
36-39. 51. 252 3i;i'a
38 f. 51 ai-5T r-'iD'a
123 f Tü-in- ■;^7"^-":i2
22 r,-|-nD3 r3T2
42. 273. 278 f-^
329. 373 linni« i7-Q
50 . . . -osc^i n-p^i nns« Y-^
104 -irb ^n bs Y'^
125 ... . mnmrnn bbna nb)3
43 nT17 Y5^
151 ynsn bs br Tb^
329. 373 irb^ ibia
267 b5?mü"> 112 f:^
134 iiam Y'^
147. 152 . . . abiyn bs b:' ib^a
5. 22. 142. 216. 229. 293 . risb^
36 11-17 niDb^
80. 141—144. 147. 216. m^lDb^Q
229. 266. 293. 307.
331
125
• 3p7^ 11S5
7-358 nD-Q nsr
107. 110 irnnfi?^
334 -nias n^bic i-^s^r
2iof mxia
39. 52 Dip-'"i::b n-jnr
49 a^sirn ^m^
124 ir-inn ■jisrns
473 :n3^
195 mnDn -1^5)2
132. 184 (^ro5«) nb:;T2
390 mpii2:7 r.b:r
120 niarjü
43. 152 (rona) p^
213. 215 (-JT1S) p^
43. 111 nai? pia
43. 530 ani.ni? 1:572
i80f nn p^
296 nn^n: 1-11112
200. 222 ... . nn»:? irbit ni)2
159 . . . (mina '^ i^s) i^sbir
195 TmT2
153 ts-iin n^ i:« n^
87 lai: nr
223 ^ii^sb lies?: n72
251 u"n^n nsai rnn)2
371 b"iirn2
264 a-^ii^
57. 519 Y^ i:n:i« a^iTa
59 pam ainitt
254 a'i";ii2 a''iiT2
115. 133. 157. 164. 237 f. . . rcTS
137 -ly^-Q
444 "-sj inyiia
i38f. 145 nnrffi ^lyiü
132 a^nyra
134. 146 .... nn72Cb ai"iyTa
120 rac i^sTö
44 f. 138. 268 .... b"jn i^mu
209 n»iTa
84. 201 mirb ni'aTT2
121 • . nann bw ^2772
87 1^712
163 ni.anr
Sacli- tiMil I'i'isuniMi-Register
613
212 nni7^
99 ^"»"1773
K>o 2"^ni7 2'''^y'ü
2i2f mnin^ia ,a^2^"i7ia
333 HD^^Ta
373 i^-^nbi« mr7^
373 TTirs nrya
i«9 b5r nr^'Q
189 pnsj-i mrrr
472 ncr
175. 183. 497 ... i^n^;:! Ti-JB)^
23 a^pii^i a^V:ir -^cr
207 rrjiiD'Q, "l:"'"'ET3
163 'i'ip^DStt
173 nnsTa
166 -nom Qipn ms^
22 ncy m2T2
203 i<:n:s "i^s^bsia
74 iiib^x "^biSTa
39. 54. 181 . n^TlE^ pp n^'OSÜ
163 712)3
50 bi?-iffii ■'m: fnp^
210. 229 rnaipü
126. 133. 181 ... rnrn np^
136. 138 f. DiSÜTm bSlTTi inpl2
145. 151. 181.
126. i33D^Trnn ^csm bs^nci np^
452 'cy)2 Tl-p-a
356 lynzv mp^
487. 497 i?ip^
133. 138 f. 145. 158 . . cnp i<np^
487 Snpl2
47 mbob nm^
177 .. . . . n^Dn^
230 niniia
347 npr^ ^nnn mr^
326 ... . DTa-^zi^p ^nni mr^
507 D-iTmna
308 ain^-ipn a^nmiria
49. i38f. 2i4f mnn n-iTT^a
35. 51 a^n^nna
165 s^mn -ir^
165 1321)2
227 mn-ibob ■ji^s-'DC):
327 f. . . . oiia'i2ibp "^nnin abiDa
45. 213f Tt:in2
42 iSDbia
59 irnbs« -^rabTi
65 ■JE"' «in TCIpTS'Q
66 l3Db)3 TT3ip7273
8. 2fi(). 363 yrr.-Q
75. 356 yr>:i2
9 irs-'b'j^s« 5n:)2
9 T:Drs ^n:)2
9. KX). 266 bintci yii< -^rn :n:ti
10. 266 :;:i3 ->:2 3n:)2
9 -i)2i"i 5n:'n
9 aiT7"ibn :in:r!
10 n-iEc 3n:)2
437 i«pi-i7rr 3n:)2
9 "jibiD an:73
10 . . . l-jin y-is) «12131-1 3n:)3
496 «bibm s:n:T2
370ff ai:n:72
485 a^^inria
11. 369 (abi7) rn:73
163 nsyn i:)3
119. 275. . . nmDi nnn« rm;)2
132 n":Ta
98f. 133. 237f nn:)2
98 nbn:; nn:)3
98 nrjp nn:'a
336 -i-iDTQ in^n an:)3
101. 105. 109. 129. 181 1112 an:T3
183. 493 -^^Z-C
476 ni:i3
116 f'BS3)3
445 ^13013
135 nrnr bffin ai^oTs
213 ail2Dn 11D12
37. 51 aincir
228 ni:«rD)3
131 inyiTCi ms n^ia
472 b^ya
213 n)3"innn "iiria
57f. 125. 130. 213 ynSTSH ]^y^
5 nn^rsn ■■»r'a
60. 255 ... . mü7 n:T3TE ';i7)3
237. 553 n737B
226 f. 341 (nn^bo) -i^ya
163. 237. 553 m)37)3
160 Ca i2a) «3-1713
614
Sach- und Personen-Register
211 f.
352
336
nn2-
498
• • • • [Kai mc
6f
6. 28. 41. 254
Fiel "nc
6. 155. 157. 160. 254. Nomen 1-50
332.
31 niD-Q -IID
79 3vn 110
332 ns-i^rn mc
74 • ■ -i-nn -no
371 TT^inU mo
74. 149 . . . . a^l^SDn DTi n-iD
222 nn-ibc i'iD
153. 21 6f. 277 ... . m^nj "nc
413 (Gebetbuch) . . nm^ "no
79 nuj^np -nc
8-360 a-rar n i"io
127 n^::7r n-ic
6 nbsr n-D
5. 359 .. . niDnm nbsr nc
437 bi^Tiri ribzir -no
11. 362. 512 n:Trn ro mbsr -no
6 i?n"io
277 ^)2v: sino
155. 160 i^mc
184 .ij-no
222 nnibO iTIO
i20f a.nno
160. 186 a^mo
381 nbern mio
32. 35 f. 47. 225. 227 . . ^;V n":;0
47 (hd-is) nn^bo
222. 224 f nn^bo
151 ■ii:7n rn"i"::o
8. 127. 148. 153. 224. 227 mn-^O
178 .■ . iüZ-^iy pn^o
210. 213 f pV-o
5 n^irnb li^ao
214 niir^^ pTiso
475 . .. .. ............ i^-^cfio
486f. . -50
174. 201 ...... (nn^n) ido
52 D-ilBIO
181 -irs n'sr'a
236f. 553 -nTcr^a
229 mii2£ffi^, riEria
295 :pca
67 aTir'a
135 riTjj bffii b^nn2
74 ni::nrT3
48 a^nioi« n^ria
201 -[T r:ri3
140 y-^-pr^
187 f. 197 . ... i^sninü, lüs-iria
• • sin nrs« irs«:
x"^:
nn;rn rrnrn x^^:
181
175
182 .... .
180
296. 503—505 yy.
478 .. nn-:
27. 497 ... . Cnn ii^nr^) r^n:
53. 129. 181 an:
196 nrn:
196. 526. 548 .... -jins rm:
178 {':-[ nrnc) s?r)2n:
94f (irinp) sr^n:
74 ....... -;::n b^ n^^-j:
417 nbib r:^-j:
209. 213 mrn rb^-u::
68—102. 152. 237 f. aiirrc rr-^-:
171. 503 ff me^y:
296 27:
499 (7yi:nn) r:^:
129 nisrr n-r:
64 ^cnp:! T-^^^y-
73—76 aiiSi« rb'>tz
163 D^ns:
36. 51 2-<"!2:
64 cnp:
64 ^c-i-p:
189 . . . . aiiaannü «bi rsnp:
476 -f-iian n:
68 11-11 ns5 sü:
68 1123 55Tr:
164 Cc: ms) a-'S^r;
68 . . . a->BD (ns^c:^ ris^r:
ii3f in bD rrc:
Sacli- und l'cr.soiifii-Kt'Kisler
615
4(34 . . .
1.S8. 192 .
S. 3(K) .
494 . . .
208 .. .
323 . . .
31137
n:7
n:j
157. 159. 178. 19(5 -jiSy
4« 1237
223 -i^i^s« i::7
2U9 S-JT1-1-J07
472 a«inn yy
srisr ,ri:27
132
'43 r^1^py
229 (ursl r\ipy
iti5 i'cns) rnp7
88 ys a^ip7
i38f «rnn7 ,n3n7
99. 133. 240 n^nny
1(37 minr
« 117
6 "i^bia 117
156 n7nis a^Di7
480 (')^ipS517bN) ■i^^pi7
223 p)2:: mr7
59. 147 f. 267 ... mbcH mr:7
215 zi-öir nTm7
166 ^Tr7r nr7
492 ai:bi:3 nir7
148 nmirn ■^'a^ niir7
118. 261 112:1 ry
122 '^ n^ns
208 DTB
208. 218. 220. 224. 228 .. . -ji^rs
170 nniD
80. 99. 106. 117 . . n-jpn ai-LiS
205. 221 mria n^-js
209 s-J-^n^s
3. 207. 220. 282. 302 a^iaT^S ,'^'\'^t>
207. 309. 504 -j^nß
207 Srj^^B ,'-J^^2
311 onrs
69 3^:2 i:^:d a^re
132 xnoE ,nDE
165 X"^mi2n bcE
164 Y: :CE
354 f (rODTS) a^iEic
150 i^nsaia "1310
197 TT^H :s<7
4 nn37
29. 31. 55 f. 267 . . (HDin) nnn7
153. 21 6 f. 277 .. . (nc) nnn7
if sbrnr ni^n"
27. ()2 137
27. 37. 497 f. . n:i^rr\ ^3Db 127
27 5<nn'^r ^^^p in7
154 a"':-'in7
493 m7
387 "iiprn 3bi7
554 7)3TE PSf^ip r:i7
23 irrns« in7
23. 210 i:^rni< niT7
466 a-^c; niT7
499 (r-L:7rn) ra7
472 nia7
477 nbiia 117
547 iian-^ S5-1 57
199 bsn 57
58. i30f a^c:n b7
31 nnn7n b"
35. 38. 52 a^p^T.:n br
210. 267 a^:Tirsin b7
150f. 153. 274 i«an b7
151 a-'s^an b7
53 a-ibci^-» b7
. sjip^is b7T bsir^ b7
97 . .
97 1331 ^71 :snr"i oy
143. 216 .... ib mp3 p b7
132 nb3a s^pa b7
89 a"'T' rb-'a: b7
292. 336 mb7
68 IDllb nb7
183 r3ab nb7
473 is«ab7
80f. 99. 106. 112. 117. nacb 12^b7
143. 375. 434.
437 -i^icr nb7
170 nnra nipb 1137
237 l^na b7 1127
237 (1737B =) 11137
474f 1^127
616
Sach- und Personen-Register
5. 27 iimbi;
98 nnrian i^nbs
14 n^nniT"; i<mbi
127 iiri^yjrn xm:::
57 niinn bxo pns
108 nsü nbsp
554 ... ynp
50 niibä ymp
470. 522 icip
165 i?BDDn inp
165- niDi '-3 n"- TTTp
45. 62. 267 nrs? mp
210. 214 (Refrän) -^^-^p
123 ....... . ir^inn in-ip
107 an^n n-p
61 n-i^'a:? :t" lunp
45. 61. 129. 278 T^m'ip
61. 79. 94. 121. 129. ia•^^ül HITllp
132.
45. 240. 243 mimp
57. 107. 110. 141. 143 f. an^n rin-ip
146f. 151.
31. 45. 61. 141. 146 . airn nv^^i^
214 mrbffi^ mriip
110. 133. 135 L ^nm^ran irt'-p
79f. 86. 92—98. 99. 106. 129. ir^lp
211.500.-
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170. 417 a^s^T^p, aiii^p
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618
Sach- und Personen-Register
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141—144. 216. 229./ 293. nnB^TT
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220. 323 ... . nsnn ^r:: n:nr
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269 i^nn nmn
29. 33. 44 D^r^n n^nn
73. 242 n:nr
227. 229 (i2i^s) n:nr
228 nnirTi72 n:nn
14. 73—81. 99. D^:i;nr ,]i:nr
105f. 125. 129—131. 137. 220. 242.
256. 265. 500.
73. 223 n:nn
174. 469 f. 473. 497 nn-^H
469 i^r^lT
472 pnn
10 bs:3n
178 «nisynsn s^rbr
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80. 117 in^bfci ^m «:n
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27. 255. 488 f. 494. 499. mns n^blT
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247. 434. 438. 496. 506.
30. 32. 40. 54 y:z^•p yi2T
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57. 60 nbsr 772iffi
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Druck von Hallberg & Büchting (Inh. Alfred Klepzig), Leipzig.
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BM Slbogen, Isinar
660 Der judische Gottesdienst in
E5 seiner geschichtlichen
lilntwicklung