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Full text of "Der jüdische Gottesdienst in seiner geschichtlichen Entwicklung"

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in  2010  with  funding  from 

University  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/derjdischegottOOelbo 


Schriften 

herausgegeben  von  der 
Gesellschaft  zur  Förderung  der  Wissenschaft  des  Judentums 


Grundriß 

der 

Gesamtwissenschaft  des  Judentums 


Der  jüdische  Gottesdienst 

in  seiner 

geschichtlichen  Entwicklung 


von 

Ismar  Elbogen 


Leipzig 

Buchhandlung  Gustav  Fock,  G.  m.  b.  H. 

1913 


3er  jüdische  Gottesdienst 


in  seiner 


^eschichtliclien  Entwicklung 


von 


Ismar  Elbogen 


j',:j 


Leipzig 

Buchhandlung  Gustav  Fock,  G.  m,  b.  H. 

1913 


BS 


,,  ^0^ 


Die  Gesellschaft  zur  Förderung  der  Wissenschaft  des  Judentums 

überläßt  den  Herren  Autoren  die  Verantwortung  für  die  von 

ihnen  ausgedrückten  wissenschaftlichen  Meinungen. 


Dem  Andenken  meiner  Eltern 


Vorwort. 

In  den  wiedorliullen  Anküiidif^uiiji^oii  des  ,,( Iniiidrisscs  der  (icsanit- 
wissenschaft  des  Judentums"  war  das  mir  übertragene  Teilwerk 
zuerst  als  Liturfj^ik,  s))äter  als  Geschichte  des  Gottesdienstes  oder  des 
Synagoi;:enkultus  angezeigt.  Der  nunmehr  vorliegende  Hand  trä^t 
einen  anderen  Namen.  Der  Wechsel  des  Titels  ist  nicht  willkürlich, 
sondern  von  methodischer  Bedeutung.  Der  Plan,  eine  Liturgik,  d.  i.  die 
Tx'hre  von  den  Kunstformen  (h>s  Gott(>sdieiisles  und  ihrer  Anwendung 
im  religiösen  Leben  zu  schaffen,  mußte  rasch  aufgegeben  werden.  Heut- 
zutage, wo  die  Frage  der  Gestaltung  des  Gottesdienstes  von  den  religiösen 
Parteien  so  heiß  umstritten  wird,  ist  es  unmöglich,  ein  solches  Buch  zu 
schreiben,  ohne  das  Prinzij)  der  Neutralitcät,  welches  die  Gesellschaft  zur 
Förderung  der  Wissenschaft  des  Judentums  zu  befolgen  sich  verpflichtet 
hält,  zu  durchbrechen.  Die  Geschichte  des  Gottesdienstes  wiederum, 
wenn  sie  nicht  lediglich  eine  Aneinanderreihung  von  Notizen  aus  der 
Vergangenheit,  sondern,  wie  es  ihre  Aufgabe  ist,  in  a  n  s  c  h  a  u  1  i  c  h  e  r 
AV  e  i  s  e  das  C  h  a  r  a  k  t  e  r  i  s  t  i  s  c  h  e  der  verschiedenen  Entwicklungs- 
stufen bieten  sollte,  konnte  für  die  Lösung  der  gestellten  Aufgabe  nicht 
ausreichen,  sie  durfte  nur  einen  Abschnitt  des  Buches  bilden  und  mußte 
in  einer  systematischen  Beschreibung  des  Inhalts  und  der  Erscheinungs- 
formen des  Gottesdienstes  ihre  Ergänzung  und  Grundlegung  finden. 

Die  Aufgabe  des  Buches  war  durch  seine  Zugehörigkeit  zum 
Grundriß  bestimmt.  Es  mußte,  ohne  sich  in  der  Kleinarbeit  zu  er- 
schöpfen und  ohne  Fachgelelirsamkeit  vorauszusetzen,  auf  der  Grund- 
lage wissenschaftlicher  Forschung  eine  umfassende  systematische 
Bearbeitung  seines  Gegenstandes  bieten,  nicht  so  sein*  in  der  Menge 
und  Neuheit  der  Einzelergebnisse  wie  in  der  Herausarbeitung  eines 
Gesamtbildes  seine  Bedeutung  suchen.  Daher  ist  auf  die  Klar- 
heit und  Übersichtlichkeit  der  Darstellung,  auf  Feststellung  der 
Terminologie  und  Erklärung  der  technischen  Ausdrücke  der  größte 
Wert  gelegt.  An  Vorarbeiten  fehlt  es  auf  unserem  Gebiete  nicht, 
allein  so  weit  ich  sehe,  haften  sie  alle  zu  sehr  an  den  Einzelheiten, 
sie  behandeln  die  zahlreichen  Gebete  und  Bräuche  sehr  eingehend, 
gewähren  jedoch  keinen  Überblick  über  das  Ganze.    Demgegenüber 


.VIII  \or\vort 

war  mein  Bestreben  darauf  gerichtet,  den  Gottesdienst  als 
Einheit  anschaulich  und  greifbar  in  die  Erscheinung  treten  zu 
lassen.  Die  Erforschung  der  Einzelheiten  ist  für  das  Verständnis  des 
Gottesdienstes  von  nicht  zu  unterschätzender  Bedeutung  und  verleiht 
dem  Gesamtbilde  erst  die  richtige  Färbung,  sie  ist  auch  überall  nach  den 
besten  zugänglichen  Quellen  unternommen,  dennoch  durfte  ilire  Dar- 
stellung nicht  Selbstzweck  sein,  sondern  mußte  so  eingesclu-änkt  werden, 
daß  die  Symmetrie  des  Ganzen  nicht  gestört  wurde.  Besonders  in  dem 
Abschnitt  über  die  Organisation  mußte  darauf  geachtet  werden,  die  be- 
rührten fremden  Gebiete  nur  so  weit  heranzuziehen,  wie  für  das  Gesamt- 
bild des  Gottesdienstes  unbedingt  notwendig  war.  Die  Auswahl  und 
Abgrenzung  wird  manchem  ^villkürlich  erscheinen,  der  Kundige  wird 
vieles  für  überflüssig  erachten,  was  er  vorfindet,  anderes,  was  ihm 
wichtig  erscheint,  vermissen.  Sicherlich  wird  mancherlei  verfehlt  sein, 
aber  es  kommt  bei  diesem  ersten  Versuch  nicht  so  sein*  auf  die  Einzel- 
heiten wie  auf  das  Prinzip  der  Anlage  undilu-e  Diux-hfülu-ungim  großen  an. 
Das  Bestreben,  den  Gottesdienst  als  Ganzes  zu  erfassen  und  zm* 
Darstellung  zu  bringen,  hat  auch  nach  einer  anderen  Richtung  zur 
Abweichung  von  der  Überlieferung  gefülurt.  In  den  bisherigen  Bear- 
beitungen und  im  Denken  der  Fachgenossen  steht  in  erster  Reihe  der 
P  i  u  t.  Das  ist  im  vorliegenden  Buche  nicht  der  Fall.  Wer  es  auf- 
schlägt, um  eine  lückenlose  Übersicht  über  Paitanim  und  Piutim  zu 
finden,  wü'd  arg  enttäuscht  sein.  Aber  eine  solche  Arbeit  gehört 
in  die  Literaturgescliichte,  hier  waren  die  Dichter  und  ihre  Werke  nur 
so  weit  zu  berücksichtigen,  als  sie  auf  die  Gestaltung  des 
Gottesdienstes  von  Einfluß  waren.  Wenn  man  das  Auge  über 
die  Grenzen  des  deutschen  Ritus  hinaus  richtet  und  sich  von  den  hier 
im  19.  Jahrhundert  geführten  Kämpfen  nicht  den  Blick  trüben  läßt, 
muß  man  von  der  bisherigen  Ül3erschätzung  der  Bedeutung  des  Piut 
für  den  Gottesdienst  zurückkommen.  Hingegen  ist  dem  Grundstock 
der  Gebete,  den  S  t  a  m  m  g  e  b  e  t  e  n  ,  die  größte  Aufmerksamkeit 
gewidmet,  insbesondere  ÜKcr  Entwicklung  in  der  ältesten  Zeit,  in 
die  uns  die  zunehmende  Bekanntschaft  mit  dem  alten  palästinischen 
Ritus  immer  deutlichere  Einblicke  gewährt.  Vieles  konnte  noch  nicht 
aufgehellt  werden ;  es  wäre  ein  Gewinn  für  die  Wissenschaft,  wenn  die 
ungelösten  Probleme  die  Anregung  zur  weiteren  Erforschung  der 
Stammgebete  brächten.  Weitgehende  Berücksichtigung  hat  auch  die 
X  e  u  z  e  i  t  gefunden,  nicht  nur,  weil  %dr  ihr  nahestehen  und  der 


\  nrwdll  IX 

(liiuerndo  Kampf  uns  ihre  Bestrcbiingon  ständig  ins  Gedäclitnis  ruft, 
sondern  weil  in  ihr  nach  cinor  huif2:on  Periode  des  Stillstandes  zum 
ersten  Male  seit  mehr  als  tausend  Jahren  der  Versuch  zu  einer  wirk- 
lichen Entwicklung  und  Neugestalt  unji:,  zur  Erzeugung  geschicht- 
lichen Lebens  vorliegt.  In  der  Bewertung  der  angeführten  Tal- 
sachen werden  nicht  alle  Leser  meine  Meinung  teilen,  vielen  wird  sie 
l)arteiiscli  ersclieinen,  aber  ich  gebe  mich  der  Erwartung  hin,  daß 
auch  wer  zu  einer  anderen  Stellungnalnne  gelangt,  mein  Bestreben, 
die  wissenschaftliche  Objektivität  zu  wahren,  anerkennen  wird. 

Das  Buch  setzt  voraus,  daß  der  l^enutzer  das  Gebetbuch  zur  Hand 
hat  und  mit  seinem  Jnhalt  vertraut  ist;  es  will  weder  ein  Kommentar 
noch  ein  Quellenverzeichnis  zum  Gebetbuch  sein,  nur  als  Mittel  zum 
Verständnis  seiner  Entstehung  und  seines  Aufbaus  soll  es  dienen.  Die 
Nachrichten,  die  es  über  die  Abweichungen  der  einzelnen  Gebete  bringt, 
sind  in  dem  Bestreben  gesammelt,  möglichst  die  älteste  Form  der  Gebete 
oder  der  gottesdienstlichen  Einrichtungen  erkennen  zu  lassen.  Neue  un- 
bekannte Gebete  sind  nicht  herangezogen  und  nur  so  weit  berücksichtigt, 
wie  sie  in  den  letzten  Jahren  in  Zeitschriften  veröffentlicht  worden  sind. 
Eine  übergroße  Fülle  von  Einzelheiten  zu  bringen,  verbot  der  Wunsch, 
den  gesamten  Stoff  in  einem  einzigen  Bande  zu  behandeln. 

Die  Darstellung  des  Gottesdienstes  erstreckt  sich  über  das  ganze 
Gebiet,  in  dem  er  ausgebildet  worden  ist.  Allein  es  liegt  in  der  Natur 
der  Sache,  daß  die  in  Deutschland  herrschende  Überlieferung 
zugrunde  gelegt  und  vorzugsweise  berücksichtigt  worden  ist,  zumal 
die  weitaus  überwiegende  Mehrzahl  der  Juden  ihr  folgt.  Jedoch  ist 
keine  große  Ritusgruppe  vernachlässigt  worden,  die  \vichtigsten  Gebet- 
bücher aller  Länder  wurden  zu  Rate  gezogen.  Zur  Vollständigkeit  des 
Bildes  hätte  ein  Eingehen  auf  die  Gebetordnung  der  Samaritaner  und 
der  Karäer  gehört.  Allein  abgesehen  davon,  daß  die  Disposition  des 
Ganzen  dadurch  empfindlich  gestört  \vorden  wäre,  haben  beide  Sekten 
nur  jüngere  Bestandteile  des  Ritus  aufgenommen,  es  ist  aus  dem  von 
ihnen  ausgebildeten  Gottesdienst  für  die  Gestaltung  der  Gebete  in 
jener  Zeit,  als  sie  sich  vom  Judentum  loslösten,  wenig  zu  lernen. 

Die  Darstellung  des  Textes  findet  ilire  Ergänzung  in  den  An- 
merkungen, die  ebenfalls  kurz  gehalten  sind  und  an  Umfang  nicht 
über  den  in  einem  Grundriß  werke  angebrachten  Rahmen  hinausgehen. 
Die  Anmerkungen  stehen  in  engem  Zusammenhang  mit  dem  Texte, 
sie  enthalten  Begründungen  und  Qucllenbelege  für  die  ausgesprochenen 


X  Vorwort 

Anschauungen  und  angeführten  Tatsachen,  sie  bieten  ferner  Ergän- 
zungen und  die  Verbesserung  einiger  übersehener  Druckfehler.  In 
den  Anmerkungen  findet  der  Leser  auch  Hinweise  auf  abweichende 
Meinungen.  Eine  Polemik  ist  in  den  meisten  Fällen  vermieden.  Gegen 
ältere  Anschauungen  hätte  sie  wenig  Zweck,  da  dieselben  von  einer 
ganz  anderen  Grundlage  ausgehen ;  auch  auf  neuere  Anschauungen  ist 
nur  dann  ausdrücklich  Bezug  genommen,  wenn  ilu-e  AViderlegung 
infolge  ihrer  weiten  Verbreitung  unumgänglich  war.  In  den  Anmer- 
kungen sind  in  Ergänzung  der  vor  jedem  Paragraphen  angegebenen 
wichtigsten  Literatur  Monographien  über  Einzelfragen  nachgetragen. 
Der  Kürze  halber  ist  vielfach  auf  umfassende  Werke,  wie  Schürers 
Geschichte  oder  die  Jewish  Encyclopedia  verwiesen  worden,  die  sehr 
reichhaltige  Literaturangaben  bringen. 

Der  Entschuldigung  bedarf  die  selir  mangelhafte  und  nicht 
konsequente  Transkription  der  hebräischen  Worte.  Mit  Rücksicht 
auf  die  vielen  Mitglieder  unserer  Gesellschaft,  denen  die  wissenschaft- 
liche Art  der  Umschreibung  nicht  geläufig  ist  und  darum  unver- 
ständlich bleiben  würde,  wurde  die  in  jüdischen  Kreisen  übliche  Trans- 
skription gewälilt.  Da  diese  in  neuerer  Zeit  nicht  konsequent  geblieben 
ist,  waren  Widersprüche  nicht  zu  vermeiden. 

Es  ist  mir  eine  angenehme  Pflicht,  allen  denen  zu  danken,  die  mich 
bei  dieser  Arbeit  gefördert  haben.  Vor  allen  muß  ich  meinen  verehrten 
Lehrer  Israel  Lewy  in  Breslau  rühmend  nennen.  Obwohl  sein 
Xame  in  den  Literaturangaben  nur  einmal  erscheint,  rüliren  doch 
viele  vorgetragene  Anschauungen  von  ihm  her:  während  der  Dauer 
von  zwanzig  Jalu-en  habe  ich  in  seinen  Vorlesungen  und  im  persön- 
lichen Verkehr  so  \Tiele  Belehrung  und  Anregung  von  ihm  empfangen, 
die  diesem  Buche  zugute  gekommen  sind,  daß  ich  ihm  auch  an  dieser 
Stelle  meinen  ehrerbietigsten  Dank  ausspreche.  Meinen  Freunden  Felix 
Perles  in  Königsberg  und  H.  P.  Chajes  in  Triest  habe  ich  für  mancherlei 
Förderung  zu  danken,  auch  Herr  Oberlehrer  Dr.  Fiebig  in  Gotha  hat 
mich  durch  einzelne  Bemerkungen  und  Winke  verpflichtet.  Um  die 
Korrektur  des  Buches  hat  sich  Herr  Dr.  X.  M.  Nathan  in  Hamburg 
mit  gewohnter  Bereitwilligkeit  in  unverdrossener  Mühewaltung  ver- 
dient gemacht.  Bei  der  Bearbeitung  des  Registers  stand  mir  Herr  stud. 
phil.  Woskin  zur  Seite. 

Berlin,  im  September  1913.  ^   ^,, 

L  El  bogen. 


Inhaltsverzeichnis. 

Seite 

Vorwort VII— X 

Verzeichnis  iler  Abkiir/.uiigen XV — X\l 

A.  Einleitung i     13 

§   1.    l  iiijfi'fiizung  dos  Stoffes 1 

§  2.    Geschichtliche  Entwicklung  des  Gottesdienstes    .    .  1 — 4 

§  3.   Sprachgebrauch 4 — lü 

§  4.    Quellen  und   Literatur 10 — 13 

§  5.    Anordnung  des  Stoffes 13 

B.  I.  Absclinitt: 

Besclireibung  des  jüdisclien  Gottesdienstes   .  .  14—231 

Kap.   I.     D  e  r  t  ä  g  1  i  c  h  e  G  o  t  t  e  s  d  i  e  n  s  t 14 — 106 

A.  Das  Morgengebet 14 — 98 

§    6.  Das  tägliche  Morgengebet 14—16 

§    7.  Das  Schma  und  seine  Benediktionen 16 — 26 

§    8.  Die  Tofilla   I.   (Komposition) 27—41 

§    0.  Die  Tefilla   II.   (Wortlaut) 41—^60 

§  9a.    Die   Keduscha 61 — 67 

§   9b.    Der  Priestersegen 67 — 72 

§   10.    Die  Tachanunim 73—81 

§   11.    Die  Semirot 81—87 

§   12.    Die  ersten  Benediktionen 87—92 

§  12a.    Das   Kaddisch 92—98 

B.  Die  übrigen  täglichen  Gebete 98 — 106 

§  13.    Das  Minchagebet 98—99 

§  14.    Das  Abendgebet 99—106 

Kap.  II.  Der    Gottesdienst    an    ausgezeich- 

netenTagen 107 — 154 

A.  Der  Sabbatgottesdienst 107—122 

§  15.    Eingang  des  Sabbats 107—112 

§  16.    Das  Morgengebet  am  Sabbat 112 — 115 

§  17.    Das  Musafgebet 115—117 

§  18.    Das  Minchagebet 117—120 

§   19.    Sabbatausgang 120—122 

B.  Wochentage  mit  festlichem  Charakter 122—132 

§  20.    Die  Neumondstage      122—126 

§  21.    Fasttage 126—130 

§  22.    Chanukka  und  Purim 130—132 


XII  Inhaltsverzeichnis 

Seite 

C.   Die  Festtage         132—154 

§  23.    Die  Wallfahrtsfeste 132—140 

§  24.    Die  ernsten  Feste 140 — 154 

A.  Das  Neujahrsfest 140—149 

B.  Der  Versöhnungstag 149 — 154 

Kap.   III.   Vorlesung    und   Auslegung   der  Bibel  155 — 205 

§  25.    Die  Vorlesung  aus  der  Tora 155 — 174 

§  26.    Die  Vorlesung  aus  den  Propheten 174 — 184 

§  27.    Vorlesung  aus  den  Hagiographen 184 — 186 

§  28.    Die  Übersetzung  der  Schriftvorlesung 186 — 194 

§  29.    Die  Schriftauslegung     .    .    : 194—198 

§  30.    Gebete  vor  und  nach  der  Schriftvorlesung      .    .    .  198 — 205 

Kap.   IV.     Diesynagogale    Poesie 206 — 231 

§  31.    Allgemeines 206—208 

§  32.    Der  Piut 208—212 

I.  Die  Piutim  für  die  Benediktionen  des  Schma: 

A.  Im  Morgengebete      210 — 212 

B.  Im  Abendgebete 212 

II.  Die  für  die  Tefilla  bestimmten  Poesien:  .    .    .  212—220 

A.  Keroba 212—215 

B.  Sonstige  Einschaltungen  in  die  Tefilla     .    .   215—220 
III.  Sonstige  Piutim 221 

§  33.    Die  Selicha 221—231 

C.    II.  Abschnitt: 

Geschichte  des  jüdischen  Gottesdienstes     .  .  .  232—443 

Kap.   I.     Die    Zeit    der    Stammgebete 232—279 

§  34.    Die    Anfänge    des    regelmäßigen    Gemeindegottes- 
dienstes        232—244 

§  35.    Der  Gottesdienst  in  der  tannaitischen  Zeit: 

I.  Vor  der  Zerstörung  des  Tempels 245 — 250 

§  36.    Der  Gottesdienst  in  der  tannaitischen  Zeit: 

II.  Nach  der  Zerstörung  des  Tempels 250 — 260 

§  37.    Der  Gottesdienst  in  der  amoräischen  Zeit      .    .    .  260 — 271 
§  38.    Die   Erweiterungen   und   Ausschmückungen    der 

Stammgebete 271—279 

Kap.   II.     DieZeitdesPiut 280—393 

§  39.    Der  Piut 280—305 

§  40.    Die  wichtigsten  Paitanim:     I.  Bis  Kalir  einschließlich  305 — 319 

§41.   Die  wichtigsten  Paitanim:    II.  Die  Nachahmer  Kalirs  319 — 339 

§  42.   Die  wichtigsten  Paitanim:  III.  Spanier 339 — 353 

§  43.    Gebetbücher  und  Gebetordnungen 353 — 377 

§  44.    Der  Einfluß  der  Mystik  auf  den  Gottesdienst  .    .  377—393 


liilMltsvcrx.ci(lii:i.s  XII I 

Seite 

K,i|).    111.     1)  i  .'  \  (•  u /.  r  i  t 393-443 

§  45.    Die  iTstcii   Hc'ft)niit'n   im   (lottcsdiensto 304—411 

§  46.    Die   l^oforrnbt'\vi>t^iiii^  auf  ihrem   Ilölu'pimklo     .    .  411-430 

§  47.    Die    I{cf<>iiniM'\vrf;uii<i-  ;ml.!rrhalh   Dcutsctilands  .    .  430—443 

D.    III.  Abschnitt; 

Organisation  des  jüdischen  Gottesdienstes     .   .  444—510 

Kap.   1.     D  i  e  g  o  t  t  e  s  d  i  e  n  s  1 1  i  c  h  0  n  (l  c  1)  ä  u  d  e    .  444 — 476 

§  48.    Namen,  Alter,  Verbreitung  und  Lage  der  Bethäuser  444 — 453 

§  4t>.    Bauart  der  Bethäuser      453—469 

§  50.    Innere  Einrichtung  der  Bethäuser 469 — 476 

Kap.  II.  Die  gottesdienstliche  Gemeinde     .  477 — 492 

§  51.   Gemeinde  und  Synagoge 477 — 482 

§  52.    Die  Beamten  der  Gemeinde 482 — 492 

Kap.   III.    Der  gottesdienstliche  Vortrag     .  493^510 

§  53.   Vorbeter  und  Gemeinde 493—502 

§  54.    Der  gottesdienstliche  Gesang 502 — 510 

Anmerkungen 511 — 580 

Namen-  und  Sachregister       581—619 


i 


Verzeichnis  der  wichtigsten  Abkürzungen. 

'"ür  1)  i  1)  1  i  s  (•  li  ('  BiicIn'P  sind  dir  iildiclicii  AI)kiii-ziiiij^(M»  gewählt, 
"ür  Talmud  (1).  hahyl.,  j.  --■■  paläst.):  Ab.  Sar.  =  Aboda  Sara, 
3.  B.  =  Baba  Batra,  B.  Moz.  =  Baba  Mozia,  Ber.  =  Berachot,  Chag.  = 
;hagiga,  Er.  =  Erubin,  Git.  =  (litt in.  .lib.  =  Jebamot,  Ker.  =  Keritot, 
ividd  =  Kidduschin,  Meg.  =  Mogilla,  Men.  =  Menachot,  Neg.  •= 
Srgaiin,  Pes.  =  Pesachim,  R.  ha  Seh.  ^  Rosch  ha  Schana,  Sanh.  = 
\inluMirin.  Schal»!).  =  Schabbat,  Sohebu.  =^  Schebuot,  Seb.  =  Sebachim, 
Taan.    ^   Taanit,    Tarn.    =^=   Tamid. 

Uuuir.    =--   Abudraliani,    Koiniin'ntar  zu  den   (lebeten. 

Vchtzehng.    =   Elbogen.  Geseliichte  des  Achtzehngebets. 

Vnip.    =   -iiüo  DTSS  2-1  "^no,  ed.   Warschau. 

\.nir.   Mx.    =   Marx,   Untersuchungen  zu  Amr. 

^nir.   Fr.    =  Amr.,  herausg.  von  S.  Frumkin,  2  Bde. 

l.  B.    =   Steinschneider,  Catalogus  librorum  hebr.  in  bibliotheca  Bod- 

leiana. 
^han.    =    Konun.   des  R.   (^hananel  im  Talmud  b.,  ed.   Wilna. 
::hill.    =   Müller  J.,  '^vi^  yi»  ■'snb  bnn  ^n  "pn  tn.n-o  qibn. 
Sschk.    =  bcaxn  'o,  ed.  Auerbach, 
i^rk.    =   Ritus  von  Frankreich. 

>.  V.    =   Zunz,   Die  gottesdienstlichen  Vorträge,   II.  Aufl. 
jajj.    =   Isaak  ibn  Gajjat  rrrbn,  ed.  Bamberger. 
>eon.    =   Ginzberg  L.,   Geonica,   2  Bde. 
}erm.    =    Ritus  von   Deutschland, 
iraetz    =   Graetz  H.,  Geschichte  der  Juden,   11  Bde. 
iag.  Maim.    =  n'T''"T2"'"'^  niron 
ial.  Ged.    =   mb'ns  n'sbn,  ed.   Hildesheimer. 
fE    =   The  Jewish  Encyclopedia,   12  Bde. 
(QR    =   The  Jewish  Quarterly  Review. 

sr.  Mon.  =  Israelitische  Monatsschrift  (Beilage  zur ,, Jüdischen  Presse"), 
t.  =  Ritus  von  Italien. 
,tt.  =  n^nrn'D,  ed.  Schor. 

füd.   Zeitschr.  =  Geiger  Abr.,  Jüd.  Zeitschrift  für  Wissenschaft  u.  Leben, 
^itg.    =   Zunz,   Literaturgeschichte  der  synagogalen  Poesie, 
jevy    =   Levy,  J.,  Neuhebräisches  Wörterbuch,  4  Bde. 
ilaim.    =   Maimonides  niin  r\vv^ 
ilanh.    =  s-ni-cn  'o,  ed.   Berlin, 
ilech.    =   Mechilta.  ed.   Friedmann, 
tieg.  Taan.    =   Megillat  Taanit,  ed.   Neubauer, 
»lidr.  Tann.    =    Midrasch  Tannaim,  ed.   Hoffmann. 
►IS   =   Monatsschrift  für  Geschichte  u.  Wissenschaft  des  Judentums. 


XVI  Verzeichnis  der  wichtigsten  Abkürzungen 

OLZ    =   Orientalistische  Literaturzeitung. 

Or  Sar.    =   riiT  '^■x  'd,  ed.  Shitomir,   2  Bde. 

Orch.   Ch.    =   c^^n  r"--^x  'o,   I,  ed.  Florenz. 

P.  d.  R.  E.    =  ^K^bii  '--!  ^pis 

Pal.    =  Palästinischer  Ritus. 

Pard,   =  *i"uji!5  ö'Tnsn  'D.  ed.   Konstantinopel 

Pers.    =    Ritus  von  Persien. 

Pes.  d.  R.   K.    =  x;nr  '*,n  xrp'-tDS,  ed.  Buber. 

Pes.  rabb.    =  T.n'^  xnpiDS,  ed.  Friedmann. 

r.    =  Midrasch  rabba  zum  Pentateuch  und  den  Megillot,  ed.  Wilna. 

Ratner   =   Ratner  B.,  dibcTn*''!  'i'^S  n^nx 

REJ    =   Revue  des  Etudes  Juives. 

Ri   =  Zunz,  Die  Ritus  dcs  synagogalen  Gottesdienstes. 

Riv.   Isr.    =   Rivista  Israelitica. 

Rom.    =    Ritus  der  Balkanländer. 

S.  Olam    =   Seder  Olam  (rabba),  ed.  Neubauer. 

S.  P.    =  Zunz,  Die  synagogale  Poesie  der  Mittelalters. 

Seh.  Ar.    =   Schulchan  Aruch,  4  Bde. 

Seh.   L.    =   -^pb  ■'bnc,  ed.   Buljer. 

Schürer   =  Schürer,  Geschichte  des  jüdischen  Volkes  im  Zeitalter  Jesu 

Christi,  3  Bde. 
Seph.    =   Ritus  von  Spanien. 
Sifra    =   21  ^11  X1ED,  ed.  Weiß. 
Sifre    =   2"i  "^2"!  '^'^SD,  ed.   Friedmann. 
Sof.    =  t^-ie-ö  nrOTD.  ed.  Müller. 

Stud.    =   Elbogen,  Studien  zur  Geschichte  des  jüdischen  Gottesdienstes. 
Straalen,  van   =  v.  Straalen,    Catalogue  of   the  Hebrew  Books  in  the 

British  Museum. 
T.  d.  B.  El.    =--  'irfhü  "»21  s<;n,  ed.  Friedmann. 
Tanch.    =   Midr.  Tanchuma,  ed.  Buber. 
Tos.    =  Tosefta,  ed.  Zuckermandl. 
Tos.    =  rrsDin  zum  b.  Talmud. 
V.   =  1*1121  iitna,  ed.  Hurwitz. 
Vulg.    =   Verbreitete  Version  der  Tefilla. 
Yem.    =   Ritus  von  Yemen. 

ZDMG   =  Zeitschrift  der  deutschen  morgenländischen  Gesellschaft. 
Zedner   =  Zedner,  Catalogue  of  Hebrew  Books  in  the  British  Museum. 
ZfHB  =  Zeitschrift  für  hebräische  Bibliographie. 


A.  Einleitung. 

§  1.  Umgrenzung  des  Stoffes.  Auffi^abe  dos  vorliegenden 
Buclies  ist  die  Darstellung  des  Gottesdienstes,  wie  er  in  den  jüdischen 
Gemeinden  sich  entwickelt  hat.  Wir  denken  heute  beim  Worte 
Gottesdienst  zunächst  an  Andacht  und  Gebet.  Im  jüdischen  Gottes- 
dienste nehmen  aber  auch  die  Vorlesungen  aus  der  Schrift  und  ilire 
Erläuterungen  eine  wichtige  Stellung  ein;  wir  werden  daher  nicht  nur 
von  Gebeten,  sondern  auch  von  der  Verkündigung  der  Schrift,  nicht 
nur  von  Erbauung,  sondern  auch  von  Belehrung  zu  reden  haben. 
Die  gottesdienstlichen  Veranstaltungen  der  Gemeinde  sind  ferner 
mit  gewissen  äußerlichen  Erfordernissen  verbunden,  sie  setzen  eine 
Organisation  und  Versammlungsstätten,  fungierende  Beamte  und 
eine  bestimmte  Art  des  Vortragswesens  voraus.  Alle  diese  Punkte 
sollen  in  die  Darstellung  mit  einbezogen,  in  ihrem  Werdegang  und 
in  iliren  geschichtlichen  Veränderungen  vorgeführt  werden.  Hingegen 
sollen  die  theologischen  Fragen,  die  das  Gebet  betreffen,  und  die 
kasuistischen  Erörterungen  über  seine  Handhabung  uns  nicht  be- 
schäftigen. Ausgeschlossen  sollen  ferner  zwei  andere  Gebiete 
bleiben.  Zunächst  das  Gebiet  des  Opferdienstes,  wenn  auch  der  Opfer- 
kultus vielfach  von  Gebeten  begleitet  war.  Sodann  das  große  Gebiet 
der  privaten  Andacht,  des  Gebetes  des  einzelnen;  es  mag  sich  dabei 
um  ganz  persönliche  Angelegenheiten  handeln,  wie  Tisch-  und  Nacht- 
gebet, oder  um  religiöse  Feiern,  die  sich  in  einer  gewissen  Öffentlich- 
keit vollziehen,  wie  bei  Geburt,  Trauung,  Tod. 

§  2.  Geschichtliche  Entwicklung  des  Gottesdienstes.  Der 
jüdische  Gottesdienst  hat  in  der  Religionsgeschichte  eine  ganz 
hervorragende  Bedeutung.  Er  war  der  erste,  der,  völlig  losgelöst 
vom  Opfer,  als  Gottesdienst  mit  dem  Herzen  nbsr  ~~"nr  bezeichnet 
werden    durfte.      Er  hatte    sich    aber    ebenso    von    allen    anderen 

Klbogeii,  Der  jüil.  Gottesdienst  1 


2  Einleitung 

Äußerlichkeiten,  von  besonderen  geweiliten  Andachtsstätten  und 
Priestern  wie  überhaupt  von  allem  Beiwerk  befreit,  er  war  ein  rein 
geistiger  Gottesdienst  und  konnte,  da  zu  seiner  Einrichtung  nichts 
weiter  gehörte,  als  der  Wille  einer  verhältnismäßig  kleinen  Gemeinde, 
mit  Leichtigkeit  über  die  ganze  Welt  verbreitet  werden.  Er  war 
ferner  der  erste  Gottesdienst,  der  mit  großer  Regelmäßigkeit  statt- 
fand; nicht  nm'  an  Sabbaten  und  Festen,  sondern  an  allen  Tagen  des 
Jahres  wurde  er  gehalten,  und  so  verheh  er  dem  ganzen  Leben  eine 
tiefe  Weihe,  die  um  so  nachhaltiger  wurde,  als  das  tägliche  Gebet, 
Morgen-  und  Abendandacht,  durch  den  Brauch  der  Gemeinde  sich 
gar  bald  auch  zur  Gewohnheit  des  einzelnen  ausbildete,  selbst  wenn 
er  sich  nicht  unter  der  Gemeinde  befand. 

Der  jüdische  Gottesdienst  hatte  nicht  immer  dieselbe  Gestalt 
wie  heute,  er  war  weder  so  lang  noch  so  kompliziert.  Sowohl  das 
Gebet  als  Ganzes  ^vie  auch  die  einzelnen  Gebete  haben  sich  im  Ver- 
laufe der  Zeiten  sehr  verändert,  ,,die  heutige  Liturgie  ist  das  Produkt 
einer  tausendjährigen  Entwicklung"  (Zunz).  Von  einer  festbestimmten 
Liturgie  konnte  anfangs  keine  Rede  sein,  die  Gebete  waren  nicht  nieder- 
geschrieben, nur  dem  Inhalte  nach  fixiert,  der  Wortlaut  blieb  dem 
freien  Ermessen  des  Vorbeters  überlassen.  Das  Gemeindegebet  war 
kurz,  ihm  folgte  die  stille  Andacht  des  einzelnen.  Diese  ist  allmählich 
ganz  zurückgedrängt  worden,  aus  dem  öffentlichen  Gottesdienst 
verschwunden.  Die  ältesten  Gebete  durften  nicht  lang,  sie  mußten 
ferner  schlicht  und  einfach  sein,  Schwierigkeiten  in  der  Sprache  und 
im  Aufbau  waren  vöUig  ausgeschlossen.  Als  diese  Gebete  eingebürgert 
waren,  erfulu'en  sie,  ohne  daß  es  bemerkt  wurde,  stetig  Erweiterungen; 
das  Bedürfnis  nach  Erneuerung,  veränderte  Geschmacksrichtung, 
Einflüsse  von  außen,  der  Brauch  einzelner  Frommer  waren  dabei 
maßgebend.  Die  Erweiterungen  bestanden  in  breiterer,  wortreicherer 
Ausführung  der  vorhandenen  Gedanken,  in  Einfügung  von  kleineren 
oder  größeren  Stücken  der  Heiligen  Schrift,  in  poetischen  Aus- 
schmückungen des  bestehenden  Textes.  Das  waren  Zusätze  von 
geringer  x\usdehnung,  von  gi'oßer  Sciüichtheit  in  der  Form,  von  leichter 
Verständlichkeit  im  Ausdruck.  So  bildete  sich  allmählich  ein  Be- 
stand an  Gebeten  heraus,  die  das  ganze  Jahr  hindurch  —  wenn  auch 
an  emzelnen  Tagen  mit  kleinen  Abweichungen  —  zur  Verwendung 
kamen,  und  die,  da  sie  an  den  alten  Kern  der  Gebete  sich  eng  an- 
schlössen, Stamm  gebete    genannt  werden. 


lOiilwickhuij,'  des   riutlcsdicnstos  3 

Vom  fiinflcn  oder  scclislcn  Jalirliimdcrl,  etwa  von  der  Zeit  ah, 
wo  das  Aul'scliicihcMi  der  (!i'l)oto  «(ostattct  wurde,  kamen  aiidi  andere 
ErweiterunjGjen  auf,  freie  poetische  Schöpfungen,  Bearbeitungen  re- 
lij^iöser  Leinen,  insbesondere  der  Festejedanken.  Man  nannte  diese 
Poesien  mit  einem  hebraisierten  jjjriechischen  Worte  P  i  u  t  (i:t^B). 
Mit  dem  Piut  trat  ein  sehr  bewe«?liches  p]lement  in  die  Liturgie  ein, 
das  die  größte  Mannigfaltigkeit  lieiNorricf.  Der  Kunstgeschmack  und 
die  religiösen  Anschauungen  bestimmten  seine  Form  und  seinen 
Inhalt,  beide  wechselten  sehr  nach  Ländern  und  Jahrhunderten. 
Der  Piut  war  durchaus  freiem  Ermessen  überlassen,  für  seinen  Inhalt 
und  für  seine  Form  gab  es  weder  Vorschriften  noch  Grenzen,  durch 
ihn  wurde  der  Gottesdienst  ausgedehnt  und  recht  kompliziert,  durch 
ihn  entstanden  auch  die  zahlreichen  Abweichungen  der  Länder  und 
Gemeinden,  die  man  als  besondere  Riten  (an:'G)  bezeichnete. 
Die  Schicksale  der  Juden  und  die  Erfindung  des  Buchdrucks  fingen 
an,  diese  Verschiedenheiten  ein  wenig  zu  vereinfachen,  da  kam  durch 
die  Mystik  ein  neues  Element  in  den  Gottesdienst,  das  ihn  stark  be- 
einflußte und  nicht  immer  zum  Guten,  sie  brachte  neue  Vorstellungen, 
neue  Zusätze,  neue  Erweiterungen,  sie  verschob  die  Anschauungen 
über  das  Gebet,  rückte  Nebensäcliliches  in  den  Vordergrund,  ließ 
Wichtiges  zurücktreten.  Auf  die  Masse  der  Gebete  wurde  mehr  Wert 
gelegt  als  auf  die  Korrektheit  ihres  Wortlauts;  jüngere  Zutaten, 
kleinliche  Bräuche  wurden  mit  großer  Sorgfalt  gepflegt,  während  man 
die  Stammgebete  vernachlässigte,  die  Sitten  der  Betenden  verwildern 
ließ.  Erst  infolge  der  Kritik  der  Mendelssohnianer  und  der  Reformer 
vor  hundert  Jahren  sind  die  Bestrebungen  aufgekommen,  die  sich  die 
Veredlung  und  Läuterung  des  Gottesdienstes  zum  Ziele  setzten.  Der 
wieder  erweckte  Sinn  für  das  Schlichte,  Erhabene  und  Weihevolle 
hat  auf  dem  Gebiete  des  Gottesdienstes  ein  reiches  und  lohnendes 
Arbeitsfeld  gefunden;  seitdem  ist  von  allen  Richtungen  an  der  Ver- 
besserung und  Vereinfachung  des  Gottesdienstes  gearbeitet  worden. 
Bezogen  sich  die  Ausstellungen  zunächst  auf  die  äußere  Form,  so  machten 
sich  infolge  der  Umgestaltung  der  bürgerlichen  Verhältnisse  der  Juden 
und  der  Fortscliritte  der  theologischen  Forschung  bald  neue  An- 
sprüche geltend.  Für  die  Landessprache  wurde  sowolü  in  den  Gebeten 
als  auch  in  den  Vorträgen  ein  weiter  Spieh'aum  gefordert.  Wie  die 
gesamte  Überlieferung  unterlagen  auch  die  Stammgebete  der  Ki'itik; 
soweit  sie  im  Inhalt   oder  im  Ausdruck  dem  Zeitbewußtscin  nicht 

1* 


A  Einleitung 

entsprachen,  wurde  mit  Änderungen  oder  Beseitigung  der  Texte 
vorgegangen.  Die  Gebetbücher  der  Reformgemeinden  nahmen  eine 
grundsätzlich  verschiedene  Gestalt  an,  seit  ilu'em  Aufkommen  wurde 
das  Gebet  Gegenstand  außerordenthch  heftiger  Kämpfe,  die  noch 
heute  mit  Leidenschaft  geführt  werden. 

§3.  Sprachgebrauchc  Die  Stetigkeit  des  jüdischen  Gottesdienstes 
machte  eine  Gebetordnung  notwendig,  führte  zur  Entstehung  der 
Liturgie.  Das  Wort  leivovQyeir  ist  in  der  griechischen  Bibel  die 
Übersetzung  des  hebräischen  mir,  leLxovQyia  in  den  jüngeren 
biblischen  Büchern  gleich  rninr.  Liturgie  bezeichnet  demnach 
den  Dienst  im  Heiligtume,  in  erster  Reihe  den  Dienst  der  Priester, 
den  Opferdienst.  Die  Bedeutung  des  Wortes  hat  dann  dieselbe  Wand- 
lung durchgemacht,  wie  sein  hebräisches  Vorbild,  wie  dieses  wurde  es 
vom  materiellen  auf  den  geistigen  Kultus  übertragen  IT  '"inr:: 
n:nn""  bsn  V'n  r-^n:?  sbs  ^rs«  ix  nbsn  it  ■'.'cis  nrs?  r\-:zr. 
nbsn  IT  DDnnb  i'^Dn  [nn^bi  b'^n  rra  icn  nbn  mm:?  ^b  ir^  ^z^ 
„der  Gottesdienst  im  Herzen,  das  ist  das  Gebet",  heißt  es  im 
alten  IVIidrasch  (Sifre  Dt.  §  41,  80  a).  So  ist  im  Sprachgebrauch  der 
rabbinischen  Literatur  rmn"  die  zusammenfassende  Bezeichnung  für 
Gottesdienst  geblieben,  während  ,, Liturgie"  in  die  christliche  Theo- 
logie überging  und  erst  neuerdmgs  wieder  in  den  Sprachgebrauch  der 
Synagoge  eingefülut  wurde,  häufig  freilich  in  der  engeren  Bezeichnung 
für  die  vom  Rabbiner  (im  Gegensatz  zum  Vorbeter)  vorgetragenen 
Gebete. 

Die  Bibel  ist  an  Bezeichnungen  für  „beten"  oder  „Gebet"  ziem- 
lich reich;  in  der  gottesdienstüchen  Literatur  wird  auch  nicht  eine 
von  Dmen  in  dem  gleichen  Siune  verwendet,  sie  haben  fast  alle  mit 
der  Zeit  eine  veränderte  Bedeutung  angenommen.  Einen  zusammen- 
fassenden Ausdruck  für  die  gesamte  Liturgie  gibt  es  nicht,  jedes  Stück 
derselben  hat  nach  seinem  Inhalt  einen  eigenen  Namen.  Im  Tahnud 
und  zum  Teü  noch  im  gaonäischen  Zeitalter  werden  die  Benennungen 
mit  großer  Genauigkeit  ausemandergehalten,  erst  in  späterer  Zeit 
sind  sie  vielfach  durcheinander  geworfen  worden. 

Die  Grundform  des  Gebets  heißt  nD"in.  Der  Ausdruck  geht 
auf  IL  Chr.  2026  '-  ns  iDnn  air  ^d  ronn  p^:?  zurück,  in  Xeh.  95  ist 
ri3"in  neben  rr^~r<  bereits  in  dem  neuen  technischen  Sinne  gebraucht. 
renn  kommt  von  "inn,  das  ursprünglich  auf  die  Knie  fallen 
heißt,   dann  aber  Fürbitte  tun,  segnen  und  schließlich  bei  der  Be- 


Sprachgebrauch  5 

deiitung  Gott  {)  r  e  i  s  o  ii  ,  r  ü  li  iii  v  n  anlaiij^t  (Piel  und  Part.  pass. 
Kai).  So  bezeichnet  amli  n^-^n  das  Lob-  und  Dankgebet  und  hat 
stets  hymnischen  Inhalt.  Die  nD"Q  hat  eine  bestimmte  Form  ce"J 
mD"^2  oder  rci  br  rn-J^  (j.  Ber.  I  8.  3  d).  Das  Vorbild  dafür  gaben 
die  zahlreichen  Lobpreisungen  der  Psalmen,  insbesondere  die  Doxolo- 
gien  am  Schlüsse  der  Bücher  des  Psalters  (4114.7218  u.  ö,).  Feste 
Regeln  für  die  Formulierung  der  nsin  stellten  die  ersten  Amoräer 
(IIL  Jahrhundert)  auf,  bald  ^vi^d  die  Erwähnung  des  Gottesnamens 
(2ir),  bald  die  des  Königtums  Gottes  (niD^'a)  als  unentbehrlich  ge- 
fordert; so  ist  die  übliche  Formel  entstanden  "rn"::s  n  nrs  T"^ 
2birn  i^iz.  Es  gibt  kurze  Benediktionen  "^izp  "TJi'c  (j.  Ber.  das.), 
die  sich  auf  einen  Satz  beschränken,  wie  die  Benediktionen  bei 
Genüssen  und  bei  Erfüllung  religiöser  Pflicliten;  diese  fangen  nur  mit 
Till  an  Ti'inn  r^nris.  Andere  wiederum  führen  den  Xamen  lange 
Benedilvtionen  TT^i«  r^::^,  das  sind  meist  die  Gebetstücke  im  engeren 
Sinne,  die  nicht  nur  mit  Tl"!^  beginnen,  sondern  auch-  emen  Schluß 
nnn  (Ber.  Ende)  oder  2irn  (b.  Ber.  12  b,  j.  das.)  mit  fi^n  haben. 
Dieser  Schluß  heißt  ebenfalls  nD"il  elloyict,  Eulogie,  wie  die  LXX 
die  Chronikstelle  übersetzt,  und  hat  die  Form  '"  ~ps  T^^2.  Daher 
kann  auch  eine  Bibelstelle  (p"'C2)  als  n2"'a  dienen,  wenn  sie  nur 
einen  entsprechenden  Abschluß  durch  eine  Eulogie  erhält  (z.  B.  Ps. 
120  usw.  in  Taan.  II).  Solche  Eulogien  gibt  es  auch  am  Schluß  von 
Bittgebeten,  daher  der  Name  des  wichtigsten  Bittgebets  ~Vi2lD 
nD"a  nncr.  Wo  mehrere  mDin,  d.  h.  eine  Reilie  von  Gebetstücken, 
aufeinanderfolgen,  soll  nur  die  erste  mit  TTin  beginnen,  die  anderen, 
die  auf  sie  folgen  (nnnnn'::  roircn  riD"a)  nicht.  Diese  Regel  erleidet 
aber  wie  die  erste  zahkeiche  Ausnahmen,  wahrscheinlich  ist  sie 
jünger  als  viele  derartige  Gebete,  auf  die  sie  infolgedessen  nicht 
Anwendung  finden  konnte  (vgl.  j.  Ber.  das.).  Hat  ein  Gebet,  HD'^n, 
einen  längeren  Text,  dessen  Gedankengang  sich  vom  i\.usgangspunkt 
entfernt,  so  muß  der  letzte  Satz  vor  der  Eulogie  \neder  zum  Ausgangs- 
punkt zurückfüliren  (nn^rsn  y^7i2  n^irn'::  li^o). 

Neben  riDin  haben  wh  den  Ausdruck  nbsn  (von  bbsr~),  der 
Bittgebete  bezeichnet,  b'^srn,  der  Grundbedeutung  nach  Gott 
zum  R  i  c  h  t  e  r  a  n  r  u  f  e  n  ,  wird  in  der  Bibel  für  Bitt-  und  Dank- 
gebete verwendet.  Im  Talmud  wird  bbsr"  aram.  "'"r?,  "'rsr  aram. 
sr^Vj:  aussclüießlich  für  das  Schemone-Esre-Gebet  gebraucht,  das 
Bittgebet  ilyai  schlechthin.    In  nachtalmudischer  Zeit  aber  bezeich- 


ß  Einleitung 

nete  man  mit  "bsr  jedes  Bittgebet,  jede  Fürbitte,  wofür  im  Talmud 
der  Ausdruck  DT:nri  aiiann  verwendet  wird.  Freilich  gebrauchte 
man  dann  nbsr  wie  in  der  Bibel  auch  für  jede  Art  von  Gebet, 
selbst  für  Lob-  und  Dankgebete,  nbsri  r.iDin,  die  als  von  den 
Männern  der  großen  Versammlung  gegeben  angesehen  werden 
(b.  Ber.  33  a),  bezeichnen  demnach  den  ganzen  Umfang  der  Gebete. 
Der  Titel  der  ältesten  erhaltenen  Gebetordnung  ist  nsim  nbsr  mo, 
wofür  auch  kürzer  rctr  ""C,  r'ibsr  "!"'-c  gesagt  ^^'ird,  woraus  sich 
dann  wiederimi  die  Bezeichnungen  für  das  Gebetbuch  herausgebildet 
haben,   das   „Siddur",  in  manchen  Gegenden  „Tefilla"  heißt. 

ilD  bedeutet  feste  Ordnung,  bestimmte  Reihenfolge,  im  prä- 
gnanten Sprachgebrauch  auch  ,, Pensum";  alle  diese  Bedeutungen 
könnte  es  in  unserem  Zusammenhang  ebenfalls  haben.  Allein  im 
Keuhebräischen  und  in  den  Targumün  wird  es  häufig  angewendet, 
um,  wo  von  einem  größeren  Komplex  die  Rede  ist.  ,,das  Zusammen 
von"  anzudeuten,  z.  B.  Gen.  1 14  zi2Di:ri  rs"  Targ  jer.  S"'2;^D  "nc  r^:, 
und  ist  im  Deutschen  dann  gar  nicht  zu  übersetzen.  In  der  ältesten 
bekannten  Stelle,  wo  "iic  bei  Gebeten  vorkommt,  b.  R.  ha  Seh.  17  b 
bedeutet  rczr.  "nc  den  Inhalt  eines  einzelnen  Gebets.  Auch 
TiO,  S"i"C  ohne  Zusatz  wird  zur  Bezeichnung  der  ,, Gesamtheit  der 
Gebete"  angewendet.  Desgleichen  kommen  Derivate  des  Verbums 
n"D  (Pi.,  Hif.)  hebr.  und  aram.  im  Zusammenhang  mit  dem  Gebet 
vor  und  bedeuten  „Gebete  vortragen",  „Gebete  verfassen".  Die 
enge  Verbindung  des  Stammes  n~c  mit  den  Gebeten  hat  ihren  be- 
sonderen Grund.  Das  entsprechende  biblische  "Wort  "7"!",  im  Targum 
stets  durch  ~"iC  wiedergegeben,  wird  unter  anderem  mit  dem  Objekt 
■)i'~Ta  verbunden  (Hi  32  I4j ;  Ps.  54  -s::s:  Y"  """S^  ^p3,  wo  es  ohne 
Objekt  steht,  muß  es  nach  dem  Zusammenhange  ,, beten"  bedeuten. 
Diesen  Bedeutungswandel  hat  "^~c  nebst  allen  seinen  Derivaten  eben- 
falls durchgemacht,  sie  sind  in  eine  geradezu  unlösliche  Verbindung 
mit  den  Ausdrücken  für  Gebet  eingetreten.  So  sind  "nc  und  "rnc 
die  technischen  Xamen  für  Gebetordnungen  geworden. 

Daneben  bürgerte  sich  eine  weitere  Sammlung  unter  dem  Xamen 
M  a  c  h  s  0  r  ein,  "nrn^  ist  von  "iin  „periodisch  wiederkehren"  ab- 
geleitet. Das  Wort  wird  in  erster  Reilie  beim  Kalender  verwendet; 
infolgedessen  heißt  der  Jahreszyklus  oder  der  gi'oße  astronomische 
Zyklus,  der  einen  Zeitraum  von  19  Jahren  umfaßt,  "inb  i-inr. 
ursprünglich  bezieht  sich  also  ,,M  a  c  li  s  o  r"  auf  den  Ivreislauf  des 


Sprachgebrauch,  ücbotsaminliiii^'rii  7 

Jahres,  und  dann  heißt  Machsor  auch  ehi  ]3uch,  das  sich  mit  dem 
KakMiderwesen  beschäftigt.  Die  Ubcrtragunf?  auf  das  Gebetbuch 
treffen  wir  zuerst  in  der  syrisclien  Kirche  an,  wo  si — rrTO  das  Hrevier 
bedeutet.  In  der  jiidiseheu  Literat iir  bezeichnet  es  die  wiederkehrende 
synagogak^  Orduung.  Die  ältesten  ^I  a  c  h  s  o  r  mögen  Kalender 
gewesen  sein,  denen  nach  dem  Kreislaufe  des  Jahres  die  Anordnungen 
für  die  Gebete  beigegeben  waren;  als  aber  der  Phit  zunahm,  trat  der 
Kalender  in  den  Hintergrund,  nur  der  Name  blieb,  der  von  ihm  her- 
rührt, das  Machsor  brachte  hauptsächlich  Stammgebete  und  Piutim. 
Wer  ganz  genau  sein  wollte,  nannte  die  Sanunlung  r'rsn  (bir)  "ntmi. 
Siddur  und  Machsor  sind  nicht  Gegensätze,  scliließen  einander  nicht 
aus,  Machsor  ist  das  Weitere,  das  Umfassendere.  Siddur  enthält 
gewöhnlich  nur  die  Stammgebete,  während  Machsor  auch  die  poe- 
tischen Beigaben  bietet,  im  Siddur  sind  die  Vorschriften  und  Er- 
läuterungen über  den  Gottesdienst  kurz,  im  Machsor  ausführlicher 
und  durch  manche  verwandte  Gebiete  erweitert.  Der  Sprachgebrauch 
hat  sich  so  gestaltet,  daß  Machsor  zur  Bezeichnung  der  Festgebete 
(Stammgebete  nebst  Piut)  dient,  während  die  Zusammenfassung 
aller  Stammgebete  Siddur  heißt;  in  neuerer  Zeit  werden  dem  Siddur 
bisweilen  auch  Piutmi  für  die  ausgezeichneten  Sabbate  beigegeben. 
Gebetsammhmgen  sind  innerhalb  des  Judentums  verhältnismäßig 
jung,  in  alter  Zeit  herrschte  die  Anschauung,  daß  Gebete  nicht  schrift- 
lich aufgezeichnet  werden  durften,  „wer  Gebete  aufschreibt,  ver- 
sündigt sich,  als  würde  er  die  Tora  verbrennen".  Erst  nach  dem 
Abschluß  des  Talmuds,  als  die  Xot  gezwungen  hatte,  die  anderen 
Zweige  der  traditionellen  mündlichen  Lehre  zu  Papier  zubringen,  wurden 
Gebete  ebenfalls  niedergeschrieben,  erst  nach  dem  sechsten  Jahr- 
hundert wurden  sie  gesammelt,  ,,zur  Zeit  des  Traktats  Sofrim  kann 
das  Dasein  von  Gebetsammlungen  nicht  mehr  bezweifelt  werden". 
Doch  waren  das  noch  nicht  Gebetbücher  im  heutigen  Sinne,  vielmelu" 
blieb  recht  viel  in  ihnen  noch  unbestimmt  und  freiw^illig.  dem  wech- 
selnden Brauche  überlassen.  Hierin  schufen  die  Gelehiien  Wandel, 
indem  sie  Gebet  Ordnungen  verfaßten.  Sie  bauten  sie  auf  ein  Wort 
R.  Meh's  (um  150)  auf.  daß  ein  jeder  verpflichtet  sei,  100  Benediktionen 
an  jedem  Tage  zu  sprechen  (b.  Meu.  44  b,  j.  Ber.  IX  2  13  b).  So 
sind  die  Gebetbücher  recht  lange  nach  dem  Prinzip  der  rTin  "sr 
angeordnet  worden.  Die  älteste  derartige  Sammlung,  die  viel  zitierten 
r"2-3  ns^  des  Gaon  Natronai  (ca.  860)  ist  jüngst  wiedergefunden  und 


3  Einleitung 

von  L.  Ginzberg  veröffentlicht  worden.  Von  Gebetbüchern  ist  das 
älteste  erhaltene  das  vom  Gaon  Amram  (ca.  875)  nach  Spanien  gesandte, 
iia-!^"~  "X"',  "i^sr^  Z"i^"  ni  mo;  es  erschien  zu  Warschau  1865,  der 
Text  wurde  nach  Handschriften  verbessert  und  ergänzt  von  A.  Marx 
im  Jahrbuch  der  jüd.  liter.  Gesellschaft,  Y,  1907.  Xeben  ihm  ist  der 
Siddm-  Saadjas  (892 — 942)  zu  nennen,  der,  zuerst  viel  beachtet,  später 
in  Vergessenheit  geriet,  erst  neuerdings  wieder  aufgefunden  wurde,  aber 
noch  immer  der  Veröffentlichung  harrt.  So  blieb  es  einige  Jahrhunderte 
hindurch  Sitte,  daß  gi'oße  Gelehrte  iliren  Siddur  abfaßten.  Daraus 
gingen  die  umfangreichen  Machsor-Sammlungen  hervor,  das  be- 
kannteste und  auch  inhaltreichste  Werk  dieser  Art  ist  von  Simcha 
ben  Samuel  aus  Vitry  (um  1100)  angelegt  und  Machsor  Vitry 
genannt;  mi  Ki*eise  Raschis  entstanden,  ist  es  der  beste  Zeuge  der 
alten  französischen  Gebetordnung.  Das  Machsor  Vitry,  von  S.  D. 
Luzzatto  entdeckt,  ist  erst  in  jüngster  Zeit  durch  den  Druck  veröffent- 
licht worden  (Berlin  1889 — 93).  Raschis  Siddm-  selbst,  der  wolü  An- 
ordnungen über  die  Gebete  enthält,  aber  nicht  die  Texte,  ist  in  den 
letzten  Jahren  veröffentlicht  worden.    (Berlin  1911). 

Aus  der  überreichen  Fülle  des  Inhalts  der  Machsor  lösten  sich 
kleinere  Schriftgattungen  los,  die  besonderen  Werken  anvertraut 
wurden,  z.  B.  nniro,  r^l-^-p.  Dadurch,  daß  der  Piut  sich  Bürger- 
recht innerhalb  des  Gottesdienstes  erworben  hatte,  wurden  die  Samm- 
lungen recht  stark,  ihm  ward  der  gi'ößte  Teil  des  ]\Iachsors  eingeräumt, 
und  da  er  innerhalb  der  Gemeinden  in  zahllosen  Variationen  ver- 
wendet wurde,  führte  er  eine  überaus  große  Mannigfaltigkeit  in  der 
Liturgie  herbei.  Durch  die  Überhandnähme  des  Piut  ganz  besonders 
kam  es  zur  Scheidung  der  Riten,  denn  jede  Gemeinde  hielt  auf  ihren 
Brauch  nn:^.  Kleine  Abweichungen  wiesen  auch  schon  die  Stamm- 
gebete auf,  aber  sie  waren  unbedeutend,  für  den  nicht  geschulten 
Blick  unmerklich.  Die  Hinzufügung  der  poetischen  Einlagen  hin- 
gegen hat  eine  durchgi-eifende  Verschiedenheit  des  Gottesdienstes, 
besonders  des  festtäglichen,  innerhalb  der  einzelnen  Länder  herbei- 
gefülirt.  Die  Gemeinden  wählten  die  Piutim  völlig  nach  ilu'em  Be- 
lieben und  Gesclmiack,  in  benachbarten  Orten  traf  man  verschiedenen 
Minhag  (Ritus)  an,  Wanderungen  und  Vertreibungen  führten  mitunter 
gänzlich  abweichende  Elemente  zur  Einheit  zusammen,  nicht  gar  zu 
selten  wurden  die  Werke  eines  Dichters  in  der  Ferne  zu  Ehren  ge- 
bracht, während  man  sie  in  der  Heimat  vernachlässigt  hatte.    Es 


Gebetsammlungen,  Riten  9 

wüido  liior  zu  weit  t'iilircn.  .illc  oinzelncn  Riten  und  lokalen  Verschieden- 
heiten aufzuzählen  —  Zunz  führt  ihrer  mehr  als  60  an  —  zumal  die 
meisten  im  Laufe  der  Zeit,  zum  Teil  unter  dem  Einfluß  des  Buch- 
drucks, wieder  verschwunden  sind;  wir  werden  uns  mit  der  Erwähnung 
der  wichtigsten  begnügen,  deren  Gebetbücher  wir  in  unsern  Unter- 
suchungen ständig  berücksichtigen. 

Grundsätzlich  sind  zwei  Kitusgruppen  zu  unterscheiden,  der 
Ritus  von  P  a  1  ä  s  t  i  n  a  und  derjenige  von  B  a  b  y  1  o  n  i  e  n.  Sie 
wichen  bereits  in  den  Stammgebeten  vielfach  voneinander  ab,  von 
beiden  sind  in  der  talmudischen  Literatur  Spuren  vorhanden.  In 
unveränderter  Form  jedoch  ist  keiner  von  beiden  auf  uns  gekommen, 
der  palästinische  Ritus  ist  fast  völlig  verdrängt  worden,  wie  alle 
jüdischen  Institutionen  und  Traditionen  sind  auch  die  Gebete  von 
Babylonien  aus  sehr  stark  beeinflußt  worden,  so  daß  selbst  diejenigen 
Riten,  welche  zur  palästinischen  Gruppe  gerechnet  werden,  in  den 
Stammgebeten  zumeist  das  babylonische  Gepräge  tragen.  Zeugen 
des  palästinischen  Ritus  sind  der  Traktat  Sofrim  (ed.  Müller,  Wien  1875 
—  Sof.)  Saadjas  Siddur  (=  Sa.)  sowie  zahlreiche  in  der  Genisa  zu 
Kairo  gefundene,  in  den  letzten  fünfzehn  Jahren  veröffentlichte 
Fragmente.    Ferner  gehören  zur  palästinischen  Gruppe 

L  der  deutsche  Ritus  (=  Germ.)  der  in  zwei  Abteilungen, 
eine  westliche  irzrj«  ."":'a  und  eine  östliche  "ibls  ^nsia  zerfällt,  wobei 
die  Grenze  durch  die  Elbe  gebildet  wird.  Dabei  ist  aber  zu  beachten, 
daß  die  aus  Deutschland  und  Polen  vertriebenen  oder  ausgewanderten 
Juden  ihre  Gebetordnung  in  die  neue  Heimat  mitnahmen,  so  daß 
w  sie  auch  in  Ländern  wie  Italien.  England,  im  Orient  und  in  Amerika 
finden.  Die  ersten  Drucke  des  nrrs  5n:^  reichen  nach  Italien  bis 
1490  zm-ück,  die  des  i^:i£  3n:T2  erschienen  Prag  1512—1522.  IVIit 
dem  deutschen  ist  der  a  1 1  f  r  a  n  z  ö  s  i  s  c  h  e  Ritus  verwandt,  der 
durch  das  Machsor  Vitry  (=  V.)  vertreten  ist;  er  kam,  infolge  der  Ver- 
treibung der  Juden  aus  Frankreich  (XIV.  Jahrhundert),  früh  außer 
Übung  und  hat  sich  nur  in  drei  italienischen  Gemeinden,  in  Asti, 
Fossano,  ^loncalvo  (D"£S)  erhalten. 

2.  der  italienische  "iS'^b'J^X  y'Z'c  oder  römische  ""^'^  '''.ya, 
auch  Ritus  der  Wälschen  (2^7ri"::n")2  genannt  =It.);  \ielleicht  die 
älteste  Abzweigung  des  Ritus  von  Palästina,  die  erste  Gebetordnung  in 
einem  fremden  Lande.  Für  diesen  Ritus  besitzen  wir  die  beste  Ausgabe 
mit  der  vortrefflichen  Analyse  von  S.  1 ).  Luzzatto  («^"n  ^:a  -^^imsb  S'ms) 


\Q  Einleitung 

Livorno  1856,  2  Bände,  die  erste  Ausgabe  erschien  Soncino  und  Casal- 
maggiore  1-485 — 86.  Der  Ritus  ist  auf  Italien  und  wenige  Gemeinden 
der  Türkei  beschränkt  geblieben. 

3.  der  romanische,  besser  rumelische  oder  griechische  Ritus 
(111  ir-ix'^,  NiS'aTT^  =  Rom.),  ursprünglich  in  den  Balkanländern 
überhaupt  und  noch  heute  in  veremzelten  Bethäusern  auf  Korfu  ge- 
bräuchlich, ist  dem  itaüenischen  in  den  Stammgebeten  sehr  ver- 
wandt. Vollständige  Exemplare  gehören  zu  den  größten  Selten- 
heiten, die  erste  erhaltene  Ausgabe  erschien  Venedig  1524,  eine 
zweite  Konstantinopel  1574. — Auch  der  babylonische  Ritus  ist  nicht 
in  seiner  ursprünglichen  Gestalt  erhalten  geblieben,  schon  Amram, 
sein  ältester  Vertreter,  weicht  vom  Tahnud  vielfach  ab.  Amrams 
Gebetordnung  =  Amr.  kam  nach  Spanien  und  so  wurde 

4.  der  Ritus  dieses  Landes,  der  sepharadische  ("nsca 
=  Seph.),  der  wichtigste  Zeuge  der  babylonischen  Gebetordnung;  frei- 
lich hat  derselbe  zahlreiche  Veränderungen  erfahren,  und  der  spanische 
Ritus  selbst  war  nicht  zu  allen  Zeiten  und  in  aUen  Gemeinden  gleich.  Da 
die  spanischen  Juden  nach  ihrer  Vertreibung  zum  größten  Teü  nach 
Portugal  auswanderten,  nannte  man  sie  Portugiesen,  ilu'en  Ritus  den 
portugiesischen;  bei  ilu'er  späteren  Auswanderung  in  die 
verschiedensten  Länder  dreier  Erdteile  haben  sie  ihren  Ritus  überallhin 
verbreitet;  den  alten  orientalischen  Ritus,  der  zumeist  an  den  baby- 
lonischen sich  angelehnt  hatte,  haben  sie  völlig  verdrängt.  Die  erste 
Ausgabe  des  spanischen  Gebetbuches  erscliien  Venedig  1524.  Eine 
besondere  Unterabteilung  dieses  Ritus  ist  derjenige  von  Y  e  m  e  n  , 
der  in  seinen  Gebetbüchern  (bsbDP)  stark  von  Maünonides  beeinflußt 
ist;  eine  gute  Ausgabe  erschien  Jerusalem  1901. 

5.  Den  Übergang  zwischen  den  beiden  Gruppen  bilden  die  p  r  o  - 
venzalischen  Gemeinden  A"\ägnon,  Carpentras,  Montpellier  (= 
Prov.),  die,  wie  in  allen  Zweigen  der  jüdischen  Literatur,  auch  in 
der  gottesdienstlichen  sowohl  dem  französischen  wie  dem  spanischen 
Einfluß  unterworfen  waren. 

§  4.  Quellen  und  Literatur.  Die  Quellen  für  die  Geschichte 
des  Gottesdienstes  fließen  recht  spärlich.  Aus  alter  Zeit  sind  auf- 
gescluiebene  Gebete  nicht  erhalten,  selbst  die  ältesten  auf  uns  ge- 
kommenen Gebetsammlungen  liegen  erst  in  jüngeren  Überarbeitungen 
vor,  von  denen  keine  über  das  zwölfte  JaMiundert  zurückreicht.  Für 
die  vorhergehende  Zeit  sind  wir  auf  die  zerstreuten  Notizen  angewiesen, 


».hit'lli'D   \iii(l   LiliTiilur  XI 

deiUMi  wir  in  ixMilcii  T  ;i  1  in  ii  d  c  ii ,  in  den  M  i  r  a  s  c  li  i  m  und  ilnx'n 
Erkläreni  sowie  in  den  II  o  s  p  o  n  s  c  n  nnd  Schlitten  über  sYnaf^oj^^ale 
Institutionen  begegnen.  Sic  sind  nicht  selirreiclduUtig,  überdies  weder 
zusammenhängend  —  vollständige  Gebete  sind  im  Talmud  nirgends  mit- 
geteilt —  noch  immer  sicher  datierbar.  Die  Zeit  wirklicher  Entwick- 
lung der  Stammgebete  ist  verhältnismäßig  kurz  und  liegt  fast  völlig 
jenseits  der  Grenze  unserer  Quellen;  w^o  die  schril't  liehen  Nachrichten 
beginnen,  liegt  auch  der  Gottesdienst  m  seinen  Grundzügen  bereits  fest. 
Die  älteste  zusamnu'uhängende  Quelle  ist  der  Traktat  So  fr  im, 
um  ca.  600  entstanden,  aus  den  nächsten  Jahrhunderten  sind  dann 
die  §  3,  S.  8  erwähnten  Gebetsammlungen  zu  nennen.  Aus  dem  hohen 
Mittelalter  sind  von  besonderer  Bedeutung  Maimunis  Mischne  Tora 
(1180),  der  nicht  nur  alle  Bestimmungen  über  den  Gottesdienst, 
sondern  am  Ende  des  ersten  Buches  auch  die  Texte  der  Gebete  mo 
-:rr.  b;  ri^tr.  bietet.  Aus  derselben  Zeit  stammt  das  [D^ir]  5'^n:'a 
des  Abraham  ben  Xathan  ha  Jarchi  aus  Lunel,  der  auf  seinen  Reisen 
die  Bräuche  von  Xordfrankreich  und  Spanien  kennen  gelernt  hatte 
und  reiche  Nachrichten  darüber  mitteilt.  Das  gleiche  Verfahren 
macht  die  halachischen  Werke  der  folgenden  zw'ci  Jahrhunderte  so 
wertvoll,  die  "cp":  ibnis  des  Zidkia  ben  Abraham  Rofe  (ca.  1250)  aus 
Rom,  a-i-^n  nms  des  Aaron  ha  (lohen  (ca.  1300)  aus  Xarbonne, 
ai^n  n-^N,  den  ersten  Teil  der  a^lTJ  ny^-^m  des  Jakob  ben  Ascher 
(ca.  1330)  aus  Toledo.  Dazu  kommt  der  eingehende  Kommentar  zum 
Gebetbuch  von  David  Abudraham  (1340)  aus  Sevilla.  Alle  diese  Schriften 
sind  wdchtige  Zeugen  für  die  Gebetordnung  und  den  Gebettext  ilu-er 
Heimatländer,  ziehen  auch  zur  Vergleichung  vielfach  Xachrichten  aus 
der  Fremde  heran.  Die  ]\linhagimliteratur  des  folgenden  Jahrhunderts 
bietet  für  den  Wortlaut  der  Gebete  wenig,  um  so  mehr  für  die  Ordnung 
des  Gottesdienstes.  Dasselbe  gilt  vom  Schulchan  Aruch.  Für  die 
folgende  kabbalistische  Periode  sind  die  Anordnungen  Isaak  Lurias 
und  seiner  Schüler  maßgebend  geworden.  Unter  den  neuen  Be- 
arbeitern des  Gebetbuches  nimmt  den  ersten  Rang  Wolf  Heidenheim 
in  Frankfurt  ein,  der  zuerst  ^\ieder  auf  Korrektheit  und  Einfachheit 
des  Gebetbuches  Eifer  verwendete.  Die  kritische  Arbeit  beginnt  mit 
S.  L.  Rapaports  Bemerkungen  in  den  Noten  zur  Biographie  Eleasar 
ha  Kaüis.  Darauf  bauen  sich  Leopold  Zunz'  unsterbliche  Werke  auf, 
die  eine  ungeheure  Fülle  handschriftlichen  Materials  venverten  und 
dadurch  für   alle  seitdem   unternommenen  Studien  maßgebend  ge- 


]^2  Einleitung 

worden  sind.  Von  der  wichtigsten  neueren  Literatur  über  den  Gottes- 
dienst seien  hier  genannt: 
L.  Landshuth,  HDin  "ilp'a,  Kommentar  zu  Edelmanns  SiddurSb  "if^sri. 

Königsberg  1845. 
S.  Baer,  i^xlTDi  rni^y  mc.    Rödelheim  1868. 
W.  Jawitz,  niDinn  nipü  'D.  Die  Liturgie  des  Siddur  und  ihre  Ent- 

wickekmg.    Berlin  1910. 
S.  L.  Rapaport,  "i^bpn  '\j:;biin  nibin,  Note  20  in  st:?,-,  -»^lon, 

X,  115  ff.,  und  Nachträge,  das.  XI,  S.  100  ff. 
L.  Zunz,  Die  gottesdienstlichen  Vorträge  der  Juden.  Berlin  1832, 

II.  Aufl.,  Frankfurt  a.  M.  1892. 

Die  synagogale  Poesie  des  Mttelalters : 
I.  Teil:  Die  synagogale  Poesie.    Berlin  1855. 
II.  Teil:  Die  Ritus  des  synagogalen  Gottesdienstes.   1859. 
Literaturgeschichte  der  synagogalen  Poesie.    1865.    Nachträge 
1867;  vgl.  dazu  A.Gestetner  a^-jT'Sn  nrs^.    Berlin  1889. 
Franz  Delitzsch,  Zur  Geschichte  der  hebräischen  Poesie.  Leipzig  1836. 
M.  Sachs,  Die  religiöse  Poesie  der  Juden  in  Spanien.    IL  Auflage. 

Berlin  1901. 
L.  Dukes,  Zur  Kenntnis  der  neuhebräischen  religiösen  Poesie.   Frank- 

fui-t  a.  M.  1842. 
L.  Herzfeld,  Gesch.  d.  Volkes  Israel,  XXIV.  Exkurs:  Über  die  erste 

Entwicklung  des  Synagogengottesdienstes,  Bd.  III,   Nordhausen 

1857,  S.  183—223." 
M.  Duschak,    Geschichte    und    Darstellung    des    jüdischen    Kultus. 

Mannheim  1866. 
A.  Berliner,  Randbemerkungen  zum  täglichen  Gebetbuch,  I,  Berlin  1909. 

II,  1912. 
I.  Elbogen,   Studien   zur   Geschichte   des   jüdischen  Gottesdienstes. 

Berlin  1907. 
G.  Dalman,   Art.:    Gottesdienst  synagogaler  in  Herzog-Haucks  Real- 
enzyklopädie für  protestantische  Theologie,  III.  Auflage,  1899,  VII. 

S.  7—19. 
W.  Bacher,  Synagogue  in  Hasting.  Dictionary  of  the  Bible,  Bd.  IV. 

1902,  636^643. 
I.  J.  Peritz,  Art.:    Synagoque   in  Cheyne  und  Black,   Encyclopedia 

biblica,  Bd.  IV,  1903,  4832—4840. 


Liti'i'iilui',    I  >is|msiti((ii  ]^3 

L.  Blau,  Ali.:  Lituigy  in  Tlu-  Mvisli  Kncyclo|)(Mlia,    Hd.  VIII,   HK)?, 

132—140. 
P.  Fiebig,  Art.:  Gottesdienst,  Jüdisciicr  in  der  Gegenwart,  in  F.  M. 

Schiele,  Die   Religion  in  Geschichte   und  Gegenwart,   Band   II, 

Tübingen  1910,  1581  If. 
Verhandlungen  der  zweiten  Rabbinerversammlung  in  Frankfurt  a.  M. 

1845. 
A.  L.  Frumkin,  3brr.  anrr  n"i  ^ic  3"  Tr^rs  r-iirz  n'^Er  "nie 

'131,    Bd.  I,   Jerusalem   1912,  mit   unbrauchbarem  Kommentar, 

aber  wertvollen  Mitteilungen  aus  wichtigen  Handschriften. 

Bücher  und  Abhandlungen  über  Einzelfragen  sind  vor  jedem 
Paragraphen  zitiert. 

§  5.  Anordnung  des  Stoffes.  Unsere  Darstellung  zerfällt  in 
drei  Abschnitte.  Zunächst  ist  eine  Beschreibung  des  jüdi- 
schen G  0  1 1  e  s  d  i  e  n  s  t  e  s  zu  geben,  wie  er  an  Wochentagen,  Sab- 
baten und  Festtagen  gehandhabt  wird.  Es  werden  der  Reilie  nach  die 
Gebete,  die  Schriftvorlesungen  und  die  poetischen  Ausschmückungen  be- 
handelt, und  zwar  werden  sie  alle  auf  die  älteste  uns  bekannte  Form 
zurückgeführt  sowie  in  ihren  Wandlungen  im  Laufe  der  Zeiten  und 
Riten  bis  auf  unsere  Tage  verfolgt.  Zugrunde  gelegt  wird  hierbei  das 
in  Deutschland  übliche  Gebetbuch  nach  dem  Texte  der  Ausgabe  von 
Baer.  Der  zweite  Abschnitt  bietet  eine  zusammenhängende  Dar- 
stellung der  Geschichte  des  jüdischen  Gottesdienstes 
in  seiner  Entwicklung  von  den  ersten  Anfängen  bis  auf  unsere  Tage; 
sie  gliedert  sich  in  drei  Teile :  die  Zeit  der  S  t  a  m  m  g  e  b  e  t  e  ( — 600), 
die  Zeit  des  Piut  (600—1800),  die  Zeit  der  Ki-itik  (XIX.  Jahrhun- 
dert). Der  dritte  Abschnitt  ist  der  0  r  g  a  n  i  s  a  t  i  o  n  d  e  s  j  ü  d  i  - 
sehen  Gottesdienstes  gewidmet ;  er  behandelt  die  äußeren 
Erfordernisse  des  Gottesdienstes,  die  Gebäude  und  ilue  Einrichtung, 
die  Gemeinde,  ihre  Verwaltung  und  ihre  Beamten  sowie  deren  Tätig- 
keit beim  Gottesdienste. 


B.  l.  Abschnitt: 
Beschreibung  des  jüdischen  Gottesdienstes. 


Kap.  I.   Der  tägliche  Gottesdienst. 

A.  Das  Morgengebet. 
§  6.    Das  tägliche  Morgengebet. 

Das  tägliche  Morgengebet,  nmrn  (Ber.  1 3)  r^nnü  [rbsr],  nsr 
oder  i^'cr  ,  aram.  pinmu"  i^nib^:,  arab.  ~">rr  rs  oder  -:!:"i-t  nibs, 
griech.  l'iodev,  auch  aQyof.ievrjg  ti^c  ^juegag  genannt,  zerfällt  in 
fünf  Teüe: 

1.  Die    imi?"  nsm,    vom   Anfange   des   Gebetbuchs    bis   vor 
n)2SlS  ^T^n  (Baer,  S.  33—54); 

2.  "TOT"  ipics  oder  nni^ü"  von  ^"cxr  T'".'^  bis  zum  Schlüsse 
von  nnmiJi  (Baer,  S.  58—75); 

3.  i::ti  oder  V^t:  "«"»"^p,  die  mit  ""i?  ""^'^  beginnenden  um  das 
Bekenntnis  gruppierten  Gebete  (Baer,  S.  76 — 86); 

4.  nbsn  oder  nTttJy  nstJTü,    das  „Achtzehngebet"  (Baer,   S.  87 
bis  104); 

5.  ')i:nr ;  mit  diesem  Namen  sind  alle  Gebete  zusammenzufassen, 
welche  auf  die  TefiUa  folgen  (Baer,  S.  112—132  bezw.  162). 

Nicht  mimer  hat  das  tägliche  Morgengebet  die  heutige  Gestalt 
gehabt.  Die  emzelnen  TeUe  sind  nicht  immer  so  ausgedehnt,  auch  nicht 
alle  oben  genannten  von  Haus  aus  im  Gottesdienst  der  Synagoge  ent- 
halten gewesen.  Tachanun  (5)  ist  im  ältesten  Gottesdienste  das 
Privat  gebet,  das  nach  Vollendung  der  öffentlichen  Gebete  der 
einzelne  in  stüler  Andacht  verrichtete.  Das  emzige  Gebet,  das  der 
Vorbeter  von  einem  besonderen  Platze  aus  vortrug,  war- die  TefiUa  (4), 
selbst  beim  Sclima  (3)  trat  er  nicht  aus  den  Reihen  der  Gemeinde 
heraus.    Die  Entwicklung  führte  dazu,  daß  der  Vorbeter  auch  das 


l>iis  tii^'liilii'   Murgengebet  15 

Tacliunwii  ivzitierte  und  hereits  Ix'ini  Scliina  seine  Funktion  aul'naiiin, 
aber  nocli  in  Amr.  begejLinon  wir  der  alten  Anscliauung,  wonach  der 
Vorbeter  erst  bei  der  Tefilla  auftritt  und  Taclianun  kein  Gemeinde- 
gebet  ist.  Die  Seniirot  ("2)  sprach  ursijriiutflieli  jeder  für  sieli.  Noch 
lieute  kommt  es  viell'aeh  vor,  daß  bis  zum  Schhit)  der  Semirol  über- 
liaiipt  kein  Vorbeter  fungiert  oder  nicht  derjenige,  der  die  Haupt- 
gebete (3.  4)  vorträgt.  Der  erste  Absclinitt  wurde  überhaupt  nicht 
in  der  Synagoge,  sondern  im  Hause  ges))rochen  und  diente  als  Vor- 
bereitung für  den  öffentlichen  Gottesdienst.  In  Amr.  und  noch  bei 
Maimonides  finden  wir  Anordnungen  in  diesem  Sinne,  erst  durch 
Meir  von  Rotlienburg  (nach  12öO)  wurde  der  Abschnitt  innerhalb 
des  deutschen  Ritus  in  die  Synagoge  eingeführt,  das  wurde  später  in 
anderen  Ländern  übernommen;  jedoch  ist  die  Erinnerung  an  den 
ursprünglichen  Tatbestand  niemals  völlig  geschwunden. 

In  kabbalistischen  Kreisen  wurden  die  vier  Teile  des  Morgengebets 
—  Tefilla  und  Tachanun  wm'den  als  einer  gerechnet  —  als  ein  Ganzes 
aufgefaßt,  das  nach  dem  Prinzip  des  Aufsteigens  vom  Geringeren  zum 
Höheren  aufgebaut  ist.  Die  vier  Teile  des  Gebets  sollten  den  vier 
Stufen  des  Weltalls  entsprechen,  der  niederen  Welt,  der  Welt  der 
Sphären,  der  Welt  der  Engel  und  der  Welt  Gottes.  Man  unterschied 
auch  die  vier  Teile  nach  dem  menschlichen  Organismus:  Der  erste 
Teil  entspräche  dem  menschlichen  Körper,  die  drei  anderen  den  drei 
Seelenstufen,  der  animalischen,  der  vegetativen  und  der  sensitiven 
oder  denkenden  Seele.  So  sehr  diese  Einteilung  auch  einer  Steigerung 
der  Andacht,  entsprechend  der  höheren  Bedeutung  der  einzelnen  Ab- 
schnitte, günstig  sein  mag,  so  unhaltbar  Ist  die  ganze  Aufstellung;  denn 
die  Gebete  sind  nicht  von  einem  Manne  gleichzeitig  und  nach  einem 
Plane  angeordnet  worden,  vielmelu"  zu  ganz  verschiedenen  Zeiten  ent- 
standen und  nebeneinander  getreten. 

Die  ältesten  und  wichtigsten  Gebete  sind  Kriat  Schma  (3)  und 
Tefilla  (4). 

Das  Schma  enthält  das  Bekenntnis,  den  Kern  des  Glaubens- 
bestandes des  Judentums,  die  Tefilla  eine  Anzahl  von  Bitten,  die  die 
wichtigsten  Bedürfnisse  des  emzelnen  und  der  Gesamtheit  betreffen. 
Theoretisch  mag  die  Meinung  richtig  sein,  daß  wir  Gott  keine  Bitten 
vortragen  sollen;  es  ist  auch  alt  jüdische  Anschauung,  daß  er  unsere 
Bedürfnisse  kennt,  ehe  wir  ihn  darum  ansprechen.  Aber  im  wirklichen 
Leben  gibt  es  kaum  einen  Menschen,    der  das,   was   sein  Innerstes 


"I^g  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

bewegt,  nicht  auch  in  Worte  zu  kleiden  und  seinem  Vater  im  Himmel 
vorzutragen  das  Verlangen  verspürte.  Bekenntnis  und  Bitten  waren 
der  älteste  Bestandteil  des  Gottesdienstes.  Es  ist  nicht  schwer  zu  er- 
klären, weshalb  ilmen  eui  hymnischer  Teil  vorangeschickt  wurde.  Nur 
darf  man  die  heutige  Beilienfolge  nicht  zum  Gegenstande  weitgehender 
Folgerungen  über  die  ursprünghche  Absicht  des  Gebetes  machen. 
Wir  betrachten  hier  zunächst  die  Abschnitte  III,  IV  und  V  und  greifen 
dann  auf  II  und  I  zurück. 


§  7.    Das  Schma  und  seine  Benediktionen. 

Literatur:  Rapoport,  Kalir,  S.  115  ff.;  Zixnz  G.  V.^,  S.  382  f. ;  Lands- 
huth,  S.  42  ff. ;  Duschak,  S.  189  ff. ;  Baer,  S.  76  ff.  Kohler  K.,  Über  die  Ur- 
sprünge und  Grundformen  der  synagogalen  Litiu-gie  iu  MS  XXXVII. 
1893,  S.  441  ff.,  489ff.;  Bhiu  L.,  Origine  et  historie  de  la  lectm-e  du  Schema  et 
des  formules  des  benedictions  qui  l'accompagnent  in  BEJ  XXXI,  1895, 
S.  179  ff'. ;  Elbogen,  Studien,  S.  3  ff'. ;  Schürer n*,  S.  528f .,  537  f. ;  Jawitz,  S.  51ft'. ; 
Ginzberg,  Geonica  I,  S.  127  ff.  J.E.  Artikel  Liturgy  VIII,  133  f. ;  Shma 
XI,  266  f. ;  Ahaba  rabba  I,  281  ;  Emet  We  Yazzib  V,  152 ;  Geullah  das. 
648.     Hambiu-ger,  Bcal-Encyclopädie,  Art.  Schema  II-,  S.  1067  ff. 

1.  Man  nennt  den  dritten  Abschnitt  des  täglichen  Morgengebets 
entweder  "'52C  ri5"'"'p  nach  seinem  hauptsäclilichsten  Inhalt  oder 
Txi'>,  weil  die  ersten  charakteristischen  Worte  ms  "ii:t>  lauten;  ja, 
sogar  das  ganze  Morgengebet  hat  hiervon  den  noch  heute  im  Orient 
gebräuchlichen  Namen  i::t'  rctr.  erhalten,  und  auch  die  Poesien,  die 
in  die  Stanmigebete  eingeschaltet  werden,  wurden,  da  sie  hier  zuerst 
begegnen,  ■i::"'P  bezw.  mi  Plm^al  nnsrii  genannt. 

Den  Mttelpunkt  bilden  di-ei  biblische  Stücke  "rc  Dt.  64—9, 
r^:T3  as?  n^m  Dt.  1113—21,  1^2x^1  Num.  1537—41;  nach  dem  Anfangs- 
worte des  ersten  Stückes  nennt  man  sie  auch  alle  zusammen  y^XO  oder 
"rr  rs"tnp.  Den  Aufbau  des  Abschnitts  gibt  bereits  die  Mischna  an 
rp-nsb  nnsi  n^:s':;  D^mD  i^nr  ^mrn  (Ber.  12).  Danach  gehören 
beim  Morgengebet  zwei  Benediktionen  vor  das  Schma  und  eine 
hinter  dasselbe.  Die  vorderen  Stücke  heißen  nach  iluen  Anfängen 
""S  "i::i"i  (vereinzelt  auch  "T'.'iS'a-  rz-n)  und  nni  nnns,  das  hintere 
l"»"::"'"!  r^x  mit  der  Eulogie  bsiTT"»  '::Sj.  Vielfach  wurde  noch  eine  be- 
sondere Benediktion  für  dieses  Gebet  vorausgeschickt,  nach  andern 
der  Bibelvers  Ps.  7838a"in-!  «"-n;  doch  haben  sich  beide  Zutaten  in 
keinem  Ritus  erhalten. 


I 


Das  Schmn  und  sfine  Hcm^diktionen  17 

2.  Unser  Gebet  bes::innt  mit  "'Din.  Bereits  in  der  Mischna  (Ber. 
VII,  3)  wird  dies  von  R.  Ismael  (120)  in  der  tf:el)r;iii('hlielien  Fassung 
zitiert,  die  allerdings  damals  nocli  strittig  war  und  bis  in  die  letzte 
Zeit  der  Amoräer  umstritten  blieb.  Daß  die  Gemeinde,  während  der 
Vorbeter  iDin  spricht,  den  Hymnus  T'^sr'^,  dessen  Wortlaut  aus  Be- 
standteilen des  Kaddischs  (§  12  a)  und  biblischen  Sätzen  zusammen- 
gesetzt ist,  rezitiert,  ist  den  älteren  Gebetordnuugen  unbekannt. 
Wahrscheinlich  wurde  in  der  ältesten  Zeit  auf  tsia  keine  Antwort  er- 
wartet, sondern  dieser  Aufruf  bildete  die  Aufforderung,  den  Gottes- 
dienst zu  beginnen.  Erst  später,  als  er  als  ein  Teil  des  Gebetes  selbst 
betrachtet  wurde,  kam  die  Sitte  auf,  daß  die  Gemeinde  mit  einer  be- 
sonderen Responsion  T^n^cn  n  T">"^3  darauf  erwiderte;  im  zweiten 
Jahrhundert  wird  das  schon  als  allgemein  verbreitet  vorausgesetzt. 

3.  Im  J  0  z  e  r  finden  sich  in  seinem  gegenwärtigen  Texte  Reime, 
alphabetische  Wortfolge  (die  in  einigen  seltenen  Riten  sogar  noch 
weiter  ausgebildet  ist  als  in  den  verbreiteten)  und  anderes,  was  auf 
jüngeren  Ursprung  schließen  läßt.  Dem  Zwecke  des  Stücks  als  Morgen- 
gebet entspricht  die  Lobpreisung  am  Anfange,  die  zunächst  an  Jes.  457 
angelehnt  ist  und  am  Schlüsse  eine  kleine,  dem  Gebet  angepaßte  Um- 
wandlung enthält.  Die  Schaffung  des  täglich  sich  erneuernden  Lichtes 
wird  kurz  als  eine  Erneuerung  der  Schöpfung  gepriesen.  Der  Anfang 
und  der  Schluß,  im  ganzen  12  Worte,  sind  b.  Ber.  11  b  und  12  a  zitiert, 
von  der  Fortsetzung  kommen  die  Worte  n'07'a  21"»  bDn  nn^n 
PTxnn  ohne  Verbindung  mit  dem  Gebete  in  b.  Chag.  12  b  vor.  Dem 
x\nfange  der  Benediktion  entspricht  die  Formel  der  Eulogie  isii 
niT'S'an,  ihr  geht  Ps.  1367  =-'':;n."i  a-^-'^x  r.rrb  voran.  Man  kann  den 
Vers  ebenfalls  noch  zum  ursprünglichen  Bestände  des  Gebetes  rechnen, 
aber  mit  jenen  Worten  ist  dann  alles  gesagt,  was  an  dieser  Stelle  zu 
sagen  war.  Einer  solchen  kurzen  Fassung  entspricht  das  Gebet,  wie 
es  bei  Saadja  für  die  Andacht  des  einzelnen  vorgeschrieben  ist  und 
sich  in  einigen  Genisafragmenten  ohne  nähere  Angabe  findet. 

Was  im  überlieferten  Text  zmschen  Anfang  und  Ende  steht, 
bringt  zu  dem  beabsichtigten  Gedanken  nichts  Neues  hinzu,  ist  nur 
eine  künstliche  Erweiterung  desselben,  man  kann  die  Sätze  fortlassen, 
ohne  am  Sinne  etwas  zu  verlieren.  Der  Anfang  im  n^  ist  Ps.  10424 
entnommen,  der  Schluß  bringt  eine  an  diese  Stelle  nicht  gehörige 
Bitte  i3-»b7  zrr,  zu  der  die  daz^^^schen  stehenden  Sätze  mit  unnötig 
vielen  Worten  den  Übergang  bilden,    irbr  2n^  selbst  gehört  zu  der 

El  bogen.  Der  jüd.  Gottesdienst. 


"I^g  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

folgenden,  bei  Saadja  in  etwas  veränderter  Form  vorliegenden  Reim- 
kette, die  nach  Inhalt  und  Form  sich  als  jüngerer  Zusatz  zum  ur- 
sprünglichen Bestände  verrät.  Immerhin  mag  sie  älter  sein  als  die 
nächsten  Erweiterungen.  Der  Satz  Ti^n  .  .  .  nyi  bllS  ^lin  bs 
ai"iSDT2  usw.  ist  in  alphabetischer  Reihenfolge  gehalten,  wahrscheinlich 
sollten  sogar  noch  Worte  mit  den  Schlußbuchstaben  folgen ;  er  stammt 
frühestens  aus  dem  Ende  der  talmudischen  Epoche.  Im  gaonäischen 
Zeitalter  waren  diese  Alphabete  dem  Gebet  noch  nicht  einverleibt; 
es  standen  mehrere  zur  Verfügung,  und  sie  wurden  abwechselnd  ein- 
geschaltet. Saadja  z.  B.  empfiehlt  ein  längeres,  wo  zu  jedem  Buch- 
staben mindestens  zwei  Worte  gehören,  und  fragmentarische  Gebet- 
bücher überliefern  weitere  ähnliche  Stücke.  Ein  anderes  Alphabet 
findet  sich  gegen  Ende  unseres  Stückes:  .a'iTinä  .ai^'inä  s'::: 
□"^nma  .  .  .  □'^TCir  .a'^illl  Das  Alphabet  ist  da  nicht  vollständig 
durchgeführt,  das  braucht  aber  nicht  an  schlechter  Überlieferung  zu 
liegen,  da  die  Dichter  nicht  immer  die  Alphabete  bis  zum  Ende  aus- 
arbeiteten ;  dennoch  findet  sich  im  Ritus  von  Kaffa  mehr  davon  als  in 
allen  anderen  (-"^ssm  n:?  aiirmb  .  .  .  a^-^zen  d-^dt  a'^p'>rn),  es  ist 
aber  selir  fraglich,   ob  das  nicht  ein  später  Zusatz  ist. 

Die  folgenden  13  Worte  'T'nrr  bis  "bc  greifen  \sdeder  auf  das 
Thema  zurück  ("ili?  i""i"'i{l2)  und  wurden  darum  von  Zunz  mit  zum 
ältesten  Bestände  gezählt,  sie  gehören  jedoch  nicht  dorthin,  sie  dienten 
lediglich  dazu,  den  unterbrochenen  Faden  -uleder  aufzunehmen.  Mit 
den  nächsten  Sätzen  wii'd  durch  die  Worte  2">Tr"p,  sir-TCia  ein  ganz 
neuer  Gedanke  eingeführt,  der  zur  ,,Keduscha"  überleitet.  Daß  sie 
in  der  vorliegenden  Form  nicht  alt  ist,  vvii'd  von  aUen  Kritikern  zu- 
gegeben, strittig  ist  nur,  ob  die  Keduscha  als  solche  an  dieser  Stelle  ur- 
sprünglich ist  oder  nicht.  Gerade  hier  wird  ihr  von  \ielen  der  eigent- 
liche Platz  zugeschrieben,  von  hier  aus  soll  sie  in  die  TefiUa  einge- 
drungen sein,  während  andere  umgekehrt  sie  in  der  Tefilla  als  heimisch, 
hier  als  übertragen  betrachten.  Wir  behandeln  die  Frage  weiter  unten 
§  9  a.  Der  Wortreichtum  unseres  Textes,  der  zur  Überleitung  dient 
und  bei  Saadja  wesentlich  gekürzt  erscheint,  dürfte  schwerlich  älter 
sein  als  das  gaonäische  Zeitalter  und  aus  den  Kreisen  der  nnsiia  i"—' 
stammen.  Das  waren  Mystiker,  die  beim  Gebete  ganz  besondere  An- 
strengungen machten,  die  Gottheit  zu  erfassen.  Sie  suchten  Visionen: 
ein  altes  sehr  beliebtes  IVIittel,  sich  in  Ekstase  zu  versetzen,  das  die 


Das  Schma   und  scin«^   Bniicdikf iom-ii  19 

Mystiker  zu  allen  Zeiten  angewendet  haben,  war  die  Häufung  von 
Hymnen.  Aus  mystischen  Kreisen  stammen  viele  sehr  schöne  Ge- 
bete, viele  allerdings  auch,  in  denen  der  Wortschwall  die  (iefühle  und 
Gedanken  verdrängt.  Die  Keduscha  war  nach  einer  Angabc  in  Amr, 
eines  der  beliebten  Gebete  der  Mystiker  jener  Zeit.  Wir  besitzen 
neuerdings  alte  Berichte,  nach  denen  die  Mystiker  im  ersten  gao- 
näischen  Jahrhundert  außerordentliche  Mühe  aufgewendet  haben, 
um  ihre  Ideen  zu  verbreiten,  und  laut  denen  sie  viele  Kämpfe  damit 
hervorgerufen  haben.  Eine  Angelegenheit,  die  ihnen  besonders  am 
Herzen  lag,  war  die  Verbreitung  der  Keduscha.  In  l*alästina  kannte 
man  die  Keduscha  nur  an  Sabbaten  und  Festtagen,  die  Mystiker  aber 
forderten  ihre  Kinführung  auch  an  Wochentagen,  sie  fanden  starke 
Gegnerschaft,  ruhten  jedoch  nicht,  bis  das  Ziel  erreicht  ward.  Um 
750  etwa  hat  sich  diese  Bewegung  von  Babylonien  nach  Palästina 
verbreitet.  Damals  ist  wahrscheinlich  die  Keduscha  in  den  Jozer 
hineingekommen,  während  sie  dem  alten  })alästinischen  Ritus  voll- 
ständig fremd  war. 

TTin  bsl:  steht  in  du-ektem  Zusammenhang  mit  der  voran- 
gehenden Erwähnung  der  Engelchöre  und  kann  darum  nicht  älter  sein 
als  diese;  das  Stück  enthält  ebenfalls  mehrere  Keime  ptti^Oi  i:"'E) 
r-rin  rnr"  usw.).  Es  mündet  nach  einer  alten  Regel  (Vgl.  oben  S.  5) 
wieder  in  den  Gedanken,  hier  sogar  in  den  Wortlaut  des  Anfangs  ein 
r^cs^n  -•C7'Q  i^'cn  ai^  "^sn  inr^n  ir-nian,  und  als  bibhscher  Beleg 
nTas«D  wird  Ps.  136  7  wö^l^  a^nis  r.Trrb  angeführt.  Das  Wort  a^^is 
wurde  jedoch  verhängnisvoll.  Denn  daran  knüpften  poetische  Gemüter 
(die  erwähnten  Mj'stiker?)  die  Bitte  um  das  neue  Licht  der  messianischen 
Erlösung  an :  "Tii<r  "jl"»::  b"  nn  nix.  Saadja,  in  dessen  Siddur  auch 
Ps.  1367  fehlt,  bekämpfte  den  Satz,  allerdings  in  Babylonien  ohne  Er- 
folg; jedoch  Seph.  Rom.  und  lt.  haben  die  Bitte  nicht,  auf  dem  Gebiete 
des  französisch-deutschen  Ritus  hat  Raschi  sich  dagegen  ausgesprochen. 
In  Deutscliland  war  er  früh  bekannt  und  wurde  von  Elieser  ben  Nathan 
in  Mainz  (um  1100)  verteidigt.  Den  Gegensatz  der  Meinungen  spiegeln 
auch  die  Handschriften  wieder,  die  den  Satz  bald  bringen  und  bald 
fortlassen;  in  den  Drucken  des  deutschen  Ritus  liest  man  ihn  seit 
der  ersten  Ausgabe.  Wo  T2J~n  ns  fehlt,  findet  sich  ein  anderer  Abschluß, 
lt.  und  Rom.  lesen  nach  Ps.  1367  y-xri  :r  [Rom.  -"»«nb]  2:r:  ^^c^2^ 
Seph.  «■'n  rnrs«  7^':;-^  irs)  nrc":;  r'—scr  rprr.-.  Das  scheint  der 
ursprüngliche  Schluß  gewesen  zu  sem,  der  durch  den  messianischen 


20  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

verdi-ängt  wurde,  nn  -i'i«  selbst  ist  offenbar  eine  Abkürzung  der 
einst  ausführlicheren  messianischen  Bitte.  Im  südlichen  Frankreich 
war  es  üblich,  auf  rin  "^^S  die  Verse  Jes.  601  und  Ps.  11827  folgen 
zu  lassen.  Wie  häufig  im  südfranzösischen  Ritus,  dürften  auch  hier 
Reste  palästmischer  Überlieferung  vorliegen;  in  Genisafragmenten  ist 
mehrfach  zwischen  den  beiden  Teilen  des  Satzes  r~n  -ns5und"i::2  rc'Zi 
neben  den  erwähnten  Versen  auch  die  Bitte  13b  iiJ^n  Tn-i'C'a  n:i  zu 
lesen.  Die  Eiüogie  am  Schlüsse  mms'an  Tj:^  findet  sich  bereits  b.  Ber. 
12  a,  j.  Ber.  I  8  (3  c).  Die  Reformgebetbücher  haben  die  Benediktion  viel- 
fach verkürzt ;  zuerst  wurde  nur  gegen  r~n  -ns?  Widerspruch  erhoben, 
dann  wurden  die  Erwähnungen  der  Engel  ("lims  Tinnn)  in  ihrer  Aus- 
führlichkeit besclu'änkt,  schheßhch  wurde  der  Text  in  der  Kürze,  wie 
Saadja  ihn  bietet,  wiederhergestellt. 

4.  Die  zweite  Benediktion  führt  b.  Ber.  11  b  den  Namen  min  nsin. 
Sie  beginnt  in  unserem  Ritus  mit  nni  nnns,  im  Seph.  und  It.  jedoch 
mit  2:""  r^ns?,  das  an  Jer.  313  anklingt.  Die  Verschiedenheit  ist  alt, 
sie  geht  bereits  auf  den  Talmud,  b.  Ber.  11  b,  und  väeUeicht  auf  eine 
Abweichung  zwischen  Babylonien  und  Palästina  zurück;  sie  hat  sich 
durch  die  Zeiten  und  Länder  fortgesetzt  und  venu-sacht,  daß  selbst 
der  Talmudtext  in  zwiefachem  Wortlaut  überliefert  wurde.  Von  den 
gaonäischen  Schiden  hat  Pumbedita  an  ablj?  n^nx,  Sura  an  nni  ~i~S 
festgehalten  und  cb"!:?  ri~s  für  den  Abend  bestimmt.  Diesen  Aus- 
gleich hat  Ami'.,  auch  Germ,  und  Rom.  haben  ihn  angenommen; 
hingegen  hat  Saadja  in  beiden  Gebeten  abi"  rnnx,  Seph.  und  It. 
desgleichen. 

Der  Inhalt  des  Stückes  ist,  entsprechend  dem  alten  Xaraen,  der 
Dank  füi*  die  Offenbarung.  Das  vdi'd  durch  einen  Vergleich  mit  dem 
Abendgebete  und  mit  alten  Texten  deutlich,  in  der  uns  vorliegenden 
Gestalt  des  Gebets  erinnert  nur  der  erste  Teil  an  die  m'sprüngliche 
Bestimmung.  Der  Text  stimmt  i  n  h  a  1 1 1  i  c  h  in  allen  Riten  überein, 
der  Wortlaut  ist  in  den  meisten  umfangreicher  als  in  Germ.  Die  Va- 
rianten sind  jedoch  erst  im  zweiten  Teüe  besonders  zahlreich.  Wie 
in  der  ersten  Benediktion  ist  auch  hier  eine  Bitte  messia- 
nischen Inhalts  eingefügt,  und  sie  wurde  bald  mehr  bald  weniger 
wortreich  ausgeführt;  schon  Ami",  und  Saadja  sind  weit  ausführ- 
licher als  Germ.  Ein  wichtiger  Unterschied  in  dieser  Bitte  ist,  daß, 
während  Germ,  und  It.  f'^i«"  nE:D  rn-x^  2'bcb  irs^^nni  lesen,  also 
die  Bitte  um  Sammlung  der  Zerstreuten  enthalten,  Amr.  Sa.  und  danach 


Das  Schina  und  seine  Bencdiktioncn  21 

Scph.  die  Bitte  um  das  niessianisclie  Ikil  j^anz  allgomein  ausdrücken 
T-is^n  ms:D  rn^x^  aibüT  (n:7-Tr-^),  nrin  "z^by  xnn  (^  -^n^l.  Auf- 
fallend ist,  daü  die  mossianisciic  Bitte  in  Genisafragmenten  mit  dem 
Beginn  nni  nnns  sich  n  i  c  h  t  findet,  nur  in  solchen  mit  rzrix 
D^T.  Die  Kinfiigung  einer  Bitte  messianischen  Iniialts  wurde,  aher 
Wahrscheinlichkeit  nach,  durch  den  Satz  ""znnb  in"^",,  der  den  ersten 
Teil  abschloß  und  den  Übergang  zum  Einheitsbekenntnisse  bildete, 
veranlaßt.  Der  Satz  bedeutet  an  seinem  Ursj)rungsorte,  in  Ps.  8611, 
die  Bitte  um  ungeteilte,  uneingeschränkte  Hingabe  an  Gott,  er  wurde 
dann  im  Sinne  einer  jüngeren  Auflassung  von  DTUn  nirr»  auf  die 
Anerkennung  Gottes  selbst  in  der  Todesstunde,  selbst  durch  das  Mar- 
tyrium bezogen  und  auf  diese  Weise  mit  Gedanken  vom  Jenseits 
und  von  der  kommenden  Welt,  der  messianischen  Zukunft  in  Ver- 
bindung gebracht.  Man  kann  es  noch  dem  heutigen  Texte  der 
Benediktion  anmerken,  daß  sie  einst  bei  1:33"::  nn"'"  endete,  denn  der 
Schluß  r-^n  'T'öc:  (^:D:'a)  i:rn^pi  leitet  wieder  zum  Gedanken  dieser 
Worte  über;  nnnsin  [It.  inissn]  ^-inibi  i:^  nninb  schließen 
bereits  Amr.,  Sa.  und  danach  alle  Riten,  Rom.  noch  ausführlicher 
bii.";n  TTSü  rs  nnnsbi  "j-nibi,  woraus  man  zugleich  sehen  kann,  wie 
durch  Ausarbeitung  einzelner  Worte  die  Texte  häufig  erweitert 
wurden.  Wie  bereits  bemerkt,  haben  Germ,  und  It.  die  kürzeste  und 
einfachste  Fassung  von  r.^i  r.üns.  Die  Eulogie  bxmr"^  Tcrs  "^mnn 
nnriiin  stimmt  in  allen  Riten  überein,  ilir  Kern  findet  sich  bereits 
unter  den  Benediktionen  des  Hohenpriesters  am  Versöhnungstage 
j.  Joma  VIIl  (44  b).  —  Für  die  Reformgebetbücher  wm'de  die  Fassung 
maßgebend,  die  mi  Hamburger  Tempel  seit  1818  eingeführt  war; 
dort  wurde  die  messianische  Bitte  stark  gekürzt  und  im  Wortlaute 
des  oben  angeführten  Satzes  aus  Seph.  verwendet. 

5.  Über  die  biblischen  Abschnitte  ist  oben  S.  16  das  Nähere  be- 
merkt. Germ,  fügt  für  das  Einzelgebet  vor  r^ctr  die  Worte  "iTas:  Y^^  bs? 
ein;  sie  sind  typisch  für  die  Art,  wie  Mißverständnisse  entstehen 
und  eme  religiöse  Deutung  erhalten.  Die  drei  Worte  bilden  die  Auf- 
lösung der  Buchstaben  von  "(las,  das  Amr.,  Sa.  und  sogar  noch 
V.  vor  yQV  haben;  in  Palästina  kannte  man  die  Sitte,  daß  hinter 
dieser  Benediktion  "iias«  gesprochen  wurde,  man  hat  sie  dort  früh  ver- 
boten (j.  Ber.  V  5,  f.  9  c).  Aus  "liS  wurde  nun  nach  einer  bereits  im 
Talmud  (b.  Schabb.  119  b)  gegebenen  Anleitung  ii:«:  Tb^  ex  gemacht. 
Als  die  Mystiker  die  Worte  der  Gebete  zu  zählen  und  hintei-  den 


22  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Zahlen  Geheimnisse  zu  suchen  begannen,  fanden  sie  heraus,  daß  in 
den  drei  biblischen  Abschnitten  245  Worte  enthalten  waren,  die  durch 
pi?D  ibis  '^m  zu  der  mystischen  Zahl  248  n^ül  ergänzt  wurden  und 
so  auf  die  Anzahl  der  Glieder  des  menschlichen  Körpers  oder  der 
religiösen  Gebote  {r\1D^  ni::^)  hinwiesen.  Der  Vorbeter,  der  ibia  bx 
■jüSS  nicht  spricht,  rezitiert  laut  ni2S  DDTibs  n  und  erhält  die 
Ergänzung  auf  diese  Weise. 

Hinter  dem  ersten  Bibelverse  bs"'iTL'''  "üTC  Avird  die  Rezitation 
durch  die  Responsion  "i:?l  abl^b  imsbia  mnD  Dir  Tini  unterbrochen. 
Sie  ist  Ps.  7219  entlehnt,  die  mittleren  Worte  bilden  einen  Ersatz 
für  den  Gottesnamen  l^'inbi«  n.  Die  Responsion  wurde  im  Tempel 
zu  Jerusalem  als  Erwiderung  auf  das  Aussprechen  des  Gottesnamen 
angewendet  (Joma  III  8  u.  ö.),  ihre  Einfügung  in  das  37'aTr  hängt  mit 
der  ältesten  Art  des  Vortrags  dieser  Stücke  zusammen;  vgl.  dazu 
weiter  S.  26. 

6.  Als  Epilog  zu  den  biblischen  Abschnitten  folgt  l'i2"'l  rrax.  Der 
Name  findet  sich  bereits  in  der  Mischna  Tam.  V  1  beim  Frühgottes- 
dienst der  Priester  während  des  täglichen  Opfers.  Wegen  seines  Alters 
erklärt  es  R.  Jehuda  für  biblisch  geboten  SitTiinis"!  ^'^:z-'i  r,^S  b.  Ber. 
21  a.  Die  Eulogie  des  sehr  langen  Gebets  lautet  bi?"i'D''  bmx  daher  der 
andere  Name  nbis^  (vgl.  b.  Ber.  9  b;  jer.  I,  1  f .  2  d).  Die  beiden 
Bezeichnungen  deuten  auf  zwei  Entwicklungsphasen  des  Gebetes  hin. 
i'^Sil  n^i«  ist  eine  Bestätigung  des  Glaubensbekenntnisses ;  es  scliließt 
sich  sehr  gut  an  die  zwei  ersten  Absätze  des  ^^12  an  und  büdet  die 
Bekräftigung  dieser  alten  Sätze  für  die  jedesmalige  Gegenwart.  Die 
nbliij  hingegen  ist  durch  die  Einführung  des  dritten  biblischen 
Stückes  hervorgerufen;  ihr  heutiger  Inhalt  geht  auf  Tos.  Ber.  II  l 
(316),  jer.  das.  1,9.  (3  d)  zurück.  n-'DT''in  ^«1::  [ipnn]  r^tP  r.i<  i!i-''^pr^ 

qiD  a^  n:7^npT  mm^nnD^n:!  n^Dtnb  T^^^  D^'I'üN.  Diese  Kontro- 
verse findet  ihre  Erledigung  durch  das  folgende  Wort:  rr^r.^  '"i 
ib«iai  bsiiiiJ^  112  i^ib  T^izn  piD  nx  n^DT-b  T^nr  n^is  -»ib  p. 

Der  Wortlaut  hat  ebenfalls  manche  bemerkenswerte  Einzelheit. 
n"'22"''i  n^i«  enthält  nebeneinander  Hebräisch  und  Aramäisch,  wie  es  in 
alten  Gebeten  öfter  vorkommt.  Dazu  trat  noch  eine  große  Anzahl 
Synonyma;  Raschi  verlangte  18,  im  Siddur  sind  es  im  ganzen  16, 
und  zwar  in  allen  Riten  dieselben,  ein  Zeichen  ilu-es  hohen  Alters. 
Darauf  wh-d  durch  r'Oi«  der  Satz  noch  einmal  aufgenommen  und  in 


Das  Schma   und  suinu   Bciu-diklioiu-ii  23 

clor  Art  dos  Midrascli  //uMiilicli  wcnfrcicli  diircli^cfiilirl.  Der  Woil- 
laiit  ist  in  uIUmi  Kitcn  bis  aiil'  klcino  iK'langlose  Stilist isclic  Ahwciclmnt^cn 
gleich,  nur  Korn,  liat  einen  völlig  verschiedenen  Schluß;  aulfallend 
ist  in  Germ.  r.r.yME'^  -ii::  1:1:211  statt  des  sonst  überall,  auch  in  V.,  zu 
findenden  und  dem  Stile  der  parallelen  Glieder  ents|)rechenden  1:11::. 
Wo  Piut  einji^eschaltet  wird,  ist  in  Germ,  eine  Abkiirzun<r  im  Gebrauch, 
die  den  gleichen  Inhalt  in  weit  kürzerem  Wortlaut  wiedergibt;  der  Schluß 
i:bx3b  irra  7'ail"  'Vdb  scheint  eine  Erweiterung  zu  sein,  ist  aber  offen- 
bar nur  eine  Zusammenfassung  der  G  euUa.  Kom.  hat  diesen  Schluß 
im  täglichen  Gebete  bewahrt,  in  Genisafragmenten  findet  sich  das  kurze 
2-^1-^1  r,)2X  ebenfalls  im  alltäglichen  Gottesdienste,  wir  haben  es  hier 
wiederum  mit  einem  Rest  der  palästinischen  Liturgie 
zu  tun,  die  sich,  wie  wir  das  noch  öfter  beobachten  werden,  in  Germ, 
in  Verbindung  mit  Piut  erhalten  hat. 

Mit  irmns  n-^y  (V.  nnr)  beginnt  der  zweite  Teil,  die  G  e  u  1 1  a 
in  Form  eines  schwungvollen  Hymnus.  Es  liegt  im  Wesen  dieser 
Stilform,  daß  im  Laufe  der  Zeit  einzelne  Ausdrücke  geändert  oder 
durch  ausführlichere  Satzglieder  ersetzt  werden  konnten,  in  einigen 
Genisahandschriften  sieht  man  es  noch,  wie  am  Texte  gestrichen  und 
zugesetzt  wurde;  sieht  man  von  diesen  Verschiedenheiten,  die  den 
Inhalt  kaum  berühren,  ab,  so  ist  der  Text  überall  der  gleiche.  Er 
mündet  in  die  beiden  Zitate  aus  dem  Schilfmeerliede :  Ex.  löOundLoKi. 
Dafür  sind  am  Schlüsse  die  Abweichungen  um  so  zahlreicher.  Amr. 
nuicht  ohne  weiteres  Schluß  und  erklärt  sich  streng  gegen  jede  Hin- 
zufügung. Trotzdem  sind  überall  solche  vorhanden.  Am  einfachsten 
lautet  Seph.,  der  nur  Jes.  474  i;bxi3  anreiht.  In  allen  anderen  Riten 
ist  an  dieser  Stelle  —  wiederum  entgegen  dem  ursprünglichen  Plane  — 
eine  Bitte  um  Wiederholung  der  Erlösung  eingefügt,  r^ns  bb32 
a"':n  yinr,  erwähnt  Amr.,  der  sie  verwirft;  nichtsdestoweniger  ist 
sie  in  Rom.  und  It.  täglich,  in  Germ,  am  Pesacli  in  Verbindung 
mit  dem  Piut  im  nnn  in  Gebrauch,  sie  dürfte  ebenfalls  auf  palä- 
stinischen Ursprung  zurückgehen.  In  Germ,  hat  die  Bitte  im  täg- 
lichen Gebete  den  Wortlaut  bs«nri  mrjn  -•ü^^p  bxTCi  '\^i,  woran, 
obwohl  deutsche  Autoritäten  Widerspruch  dagegen  erhoben,  der  Vers 
12bi?a  angereiht  ist;  die  Formel  war  auch  im  südlichen  Frankreich 
bekannt.  Rom.  hat  "irbsia  in  Verbindung  mit  nnx  bbsn.  Sehr  aus- 
gedehnte und  völlig  abweichende  Schlußformeln  enthalten  Fragmente 
aus    dem    Orient.     Auf    Ex.    159  folgt    mic   2ip:TiT  aib:i7  ^eü 


24  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

nyiQTL',  darauf  als  Responsion  nicht  nur  Ex.  1516,  sondern  ein  lang 
ausgesponnener  Hymnus  mit  einer  Bitte:  DT^pl  ""n  ::x  7::'a  i:Dbl3  ii'' 
^D  a^mn  i^'amn  rS^y  nn-n  ein  i:"iri-  -^^^  r.'y-^v  "^i"»  i:^b:7  -j^© 

ITQTC  nicnpi  ininipi  innijsm  ib"5a  i-nnDT  imsb^a  isinbiJ  '•i''  li-^br 
n^isa  öxü^T  I2ini2  bD^  i;b  mn^T  is^b:?  ann^  irnba«  ^^^  xin  :i-;in 
px  ii:s5i5i  bi^Tiri  112  "»"s:!  "!:n  abi"'::  -n-'a  "irbr  Y-'o'^i  "•abiT'. 
Die  Formel  der  Eulogie  bäiilT"'  bi^j  ist  babylonischen  Ursprungs,  aus 
dem  IV.  Jalu-hundert,  b.  Pes.  117b  bS5nt)^  bx5.  ir^'p  snn  il3i<.  In 
Palästina  verordnete  Josuab.  Le\ä (III.  Jahrhundert)  ir5«151  biJiüi  -ns 
j.  Ber.  I,  9  (3  d),  diese  Eidogie  ist  heute  nur  noch  in  Germ,  und  zwar  im 
Abendgebet  der  Festtage  in  Verbindung  mit  einem  Piut  üblich,  war 
aber,  wie  der  obige  Text  zeigt,  früher  einmal  im  palästinischen  Ritus 
täglich  gebräuclilich. 

7.  Die  Vereinigung  der  Bibelabschnitte  und  Gebetstücke  in  nsiinp 
ynt!  ist  erst  aUmälüich  zustande  gekommen.  Soweit  unsere  Quellen 
zurückreichen,  nennen  sie  freilich  die  drei  Bibelabschnitte  zusammen, 
dennoch  ist  es  walu'scheinlicli,  daß  sie  einer  nach  dem  anderen  in  die 
Liturgie  Aufnahme  fanden.  An  dieser  Stelle  sollte  das  Bekenntnis 
gesprochen  werden;  dazu  eignete  sich  das  erste  Stück,  welches  das 
Bekenntnis  der  Gemeinde  zum  einzigen  Gotte  zum  Ausdruck  bringt 
und  die  ungeteilte  Liebe  zu  Gott  als  die  für  jede  Zeit  und  jede  Lage 
geltende  Forderung  ausspricht.  Es  ist  in  der  LXX  mit  einer  feierlichen 
Einleitung  versehen,  der  Papyras  Nash  zeigt  es  als  einziges  unserer 
drei  Stücke  zusammen  mit  dem  m'sprünglich  ebenfalls  beün  Gottes- 
dienste verwendeten  Dekalog.  Der  zweite  Absatz  paßt  sich  in  Einleitung 
und  Schluß  dem  ersten  an  und  dürfte  diesem  Umstände  vor  allem  seine 
Aufnahme  verdanken.  Sein  hauptsäclilicher  Inhalt,  die  naive  penta- 
teuchiche  Vergeltungsleln-e,  deckte  sich  noch  mit  dem  Glauben  jener 
frühen  Epoche,  in  der  die  Vereinigung  unserer  Abschnitte  erfolgte. 
Daß  "i'32S"'l  nicht  nm*  der  Anordnung,  sondern  auch  der  Zeit  nach  das 
diitte  Stück  gewesen  ist,  dafür  gibt  es  mehrere  Anzeichen.  Zunächst 
hätte  es,  da  es  dem  IV.  Buch  Moses  entnommen  ist,  nicht  hinter  den 
beiden  Abschnitten  aus  dem  V.  Platz  finden  können.  Sodann  ist 
gut  überliefert,  daß  es  in  Palästina  noch  im  9.  Jalu-hundert  am  Abend 
nicht  rezitiert  wurde.  Ursprüngüch  gehörte  walu-scheinlich  nur  der 
Schlußsatz  zur  Liturgie,  Num.  1541;  dort  whd  die  Befreiung  aus 
Ägypten,    das   zentrale   Ereignis   der   israelitischen   Gescliichte,    und 


25 

zwar  lediü;lk'li  dessen  roligi()se  Bedciitunf,^  in  einer  Weise  betont, 
die  in  solcher  Keinheit  sonst  nirgends  wiederkehrt.  Erst  als  die  beiden 
früheren  Stücke  halachisch  ausgelegt,  als  daraus  die  Vorsclu-iften  für 
das  Anlegen  der  Tefillin  und  über  das  Anbringen  der  Mesusa  her- 
geleitet wurden,  nahm  man  auch  den  ersten  Teil  in  die  Liturgie 
auf  und  sprach  dem  Gesetze  der  Schaui'äden  diejenige  Bedeutung 
zu,  die  iiuu  in  der  halachischen  Auffassung  gegeben  ist.  Die 
Mischna  (Her.  1,  11)  und  Josephus  (Ant.  IV,  813)  kennen  die  drei 
Stücke  nur  vereint,  und  so  haben  sie  sich  durch  die  Jahrhunderte 
erhalten. 

Wie  die  Bibelabschnitte  stammen  die  Gebete,  die  sie  umrahmen, 
nicht  aus  einer  Zeit.  Hier  ist  das  zuerststehende  das  jüngste.  Das 
Bekenntnis  konnte  beim  öffentlichen  Gottesdienste  nicht  ohne  gebet- 
mäßige Einkleidung  rezitiert  werden.  Eine  Einführung  mußte  auf 
seinen  Inhalt  vorbereiten.  Diese  Aufgabe  erfüllte  das  zweite  Stück 
nni  nnns«,  es  heißt  darum  n"nn  DDin,  weil  es  den  Dank  für  die 
Offenbarung  enthielt  (s.  oben  S.  20 f.).  Daß  es  einst  die  einzige  Benedik- 
tion vor  den  Bibelabschnitten  büdete,  bezeugt  die  von  der  Mischna 
Tam.  V 1  mitgeteilte  alte  Priesterliturgie  (rns  nDin,  vgl.  dazu  b.  Ber. 
11  b).  Als  Abscliluß  für  das  Bekenntnis  diente  ni:2"'i  n^i«,  womit  die 
gegenwärtige  Gemeinde  ihre  Zustimmung  zur  alten  Offenbarung  ver- 
sicherte. Nachdem  das  feierliche  Bekenntnis  mit  dem  Morgengottes- 
dienste versclmiolzeu  war,  trat  der  Dank  für  das  physische  Licht,  für 
die  tägliche  Erneuerung  der  Natur  hinzu;  er  wurde,  wie  billig,  an  den 
Anfang  gestellt. 

Mit  n'^::''l  r.'CS  war  in  ältester  Zeit  das  gemeinsame  Gebet  beendet. 
Gegenstand  desselben  bildete  lediglich  das  Bekenntnis,  Bitten 
enthielt  es  nicht,  sie  waren  für  die  Privatandacht  vorbehalten,  die 
nunmehi'  in  üu-e  Rechte  trat.  Das  große  Dilemma  zwischen  Gemeinde- 
und  Einzelgebet  fand  seine  Lösung  dadurch,  daß  der  einzelne  mit 
seinen  Bitten,  den  a">:i:nn,  a'^im,  liinter  das  Gemeindegebet  verwiesen 
wurde.  Später,  als  die  Liturgie  an  Länge  zunahm,  war  solches  nicht  mehr 
angebracht,  daher  rührt  das  strenge  Verbot,  nach  n"'"^"'"i  rras  seine  Privat- 
andacht zu  verrichten :  ■j'^iiaix  bns«,  nis^T  rias  ins  im  a-^-nais?  rs 
2"^mS3  DT»  bw  imii  -no  '^ss«  nbsn  ins  a^in-i  (Tos.  Ber.  III,  6,  p.  6). 

8.  Der  besprochene  Teil  des  Gebetes  wurde  derart  vorgetragen, 
daß  einer  aus  der  Mitte  der  Gemeinde  als  Vorbeter  fungierte;  die 
ganze  Gemeinde  saß  auf  dem  Boden,  und  er  blieb  in  ihrer  Mitte.   Der 


26  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Vortrag  war  ein  alternierender,  antiphonischer;  Vorbeter  und  Ge- 
meinde wechselten  ab.  Davon  erhielt  der  Vortrag  dieses  Gebetes 
einen  eigentümlichen  Namen  y^Qir  by  DiB,  das  Schma  in  halbierender 
Kezitation  vortragen.  Der  Gemeindevorsteher  richtete  an  ein  Mtglied 
die  Aufforderung  ycH'  by  D1"i£).  Der  so  Angeredete  fungierte  als  Vor- 
beter, sagte  den  Anfang  eines  Verses  z.  B.  bs?"!©"'  y^TB  vor,  die  Gemeinde 
wiederholte  diesen  und  setzte  bis  zum  Schluß  fort  . .  .  "rsiffii  ~^c 
"ns'".  Wenn  der  Vorbeter  so  die  Gottesnamen  aussprechen  hörte,  fiel  er 
mit  der  Responsion  in  ablS'b  iniDb^  mnD  mr  "(l"ü  ein,  ganz  so  wie 
nach  der  ErzäMung  des  Targ.  Jon.  und  des  Midr.  der  Erzvater  Jacob 
getan,  als  seine  Söhne  ihm  mit  dem  "'a'C  ihre  Rechtgläubigkeit  bekun- 
deten. Auch  von  der  Offenbarung  am  Sinai  weiß  der  Midr.  zu  erzählen, 
daß  die  Israeliten  diese  Worte  gesprochen  und  Moses  mit  vbiaDirn 
erwiderte.  Von  der  alten  Vortragsweise  rülirt  es  her,  wenn  noch  heute 
rciSDIun  die  ersten  beiden  Verse  des  "TaC  unterbricht  (ob.  S.  22); 
wie  damals,  so  sollte  es  zu  allen  Zeiten  nur  leise  beim  Gottesdienst 
gesprochen  werden  (b.  Pes.  56  a),  eine  Ausnahme  wird  lediglich  am 
Versöhnungstage  gemacht.  Eine  andere  Art,  das  Schma  vorzutragen, 
hieß  r)2ü  ns  l"iD  (Pes.  W,  8),  das  Schma  „zusammenwickeln''.  Sie 
soU  in  Jericho  üblich  gewesen  sein  und  bestand  darin,  daß  der  Vorbeter 
den  gesamten  Text  hintereinander  vortrug,  und  die  Gemeinde  ihn 
Wort  für  Wort  wiederholte.  Bei  dieser  Art  der  Rezitation  war  für 
"/'""■aDt"!  kein  Raum,  und  so  wird  auch  als  charakteristisches  Zeichen 
des  Gottesdienstes  von  Jericho  angegeben,  daß  die  Responsion 
dort  fehlte. 

Vielleicht  wurden  nur  die  biblischen  Abschnitte  in  antiphonischer 
Weise  vorgetragen,  da  nur  von  ilmen  eine  genaue  Kenntnis  beim 
Publikum  vorauszusetzen  war,  während  die  Benediktionen  anfangs 
allein  vom  D^lfi,  dem  Vorbeter,  gesprochen  wurden.  In  der  Mischna 
finden  wh-  den  Xamen  bereits  auf  den  ganzen  Komplex  übertragen, 
einschließlich  der  Benediklionen ;  daher  W'ird  ein  Blinder  von  dieser 
Funktion  ausgesclüossen.  So  erklärt  es  sich  auch,  wie  die  falsche 
Meinung  aufkommen  konnte,  daß  DIB  liier  mit  Beten,  Benedeien 
zusammenhänge.  Im  Talmud  ist  eine  direkte  Erklärung  des  Ter- 
minus nicht  gegeben,  in  nachtalmudischer  Zeit  wurde  er.  da  das 
Verfahren  nicht  mehr  im  Gebrauch  war.  mißverstanden. 


Boncdikfinncn   dos  Srhin;i,  Tofilla  27 

§  8.     Die  Tefilla. 

I.  Komposition. 
Literatur:  Rapoport  und  Zunz  das.;  Landshuth,  S.  52;  Baer,  S.  87  IT.; 
Duschak,  S.  1901V.;  Loeb  Isidore,  Les  dix-huits  b«'M»('H]iftious  in  HKJ  XIX, 
18H9,  S.  17—40;  \jv\\  Israel,  Les  dix-iiuit  bent'-dictions  et  les  Psavnnes 
de  Salomon  liEJ  WWV,  1896,  S.  161—178;  Ilortmann  D.,  Das  Schiiioue- 
Eszre-Gebet  in  Israel.  Monatsschrift  (Beilage  zur  Jüdisclieu  Presse)  1899, 
S.  48  ff.,  1900,  S.  2;  P^lbogen  I.,  Geschichte  des  Achtzchno^ebets,  Breslau 
1902  (-  MS  XLVL  1902,  S.  ß30  ff'.,  427  tt",  518  ff.):  Studien,  S.  H3  ff.:  Schürer 
das.  J.K.  Artikel  Shenione  'Esreh  270ff.;  Ilaniburg-cr  A7';  II   1092 ff. 

\.  Im  Gegensatz  ziiiii  ersten  enthält  der  zweite  Hauptteil 
des  täglichen  Gottesdienstes  Bitten.  Er  liilirt  daher  den  Namen 
r.bEr.  aram.  xmrs,  griech.  trys^i  ""tl  ist  das  Bittgebet  sehU'cht- 
hiii.  Dieselbe  Bedeutung  haben  die  Verben  bbsrn,  "»32  (Fa.);  wo 
der  Ausdruck  sorgfältig  gewählt  ist,  wie  in  der  Misclina  und  im  Tal- 
mud, beziehen  sie  sich  stets  auf  dieses,  nie  auf  andere  Gebete.  Diese 
Bitten  werden  stehend  vorgetragen,  daher  heißen  sie  auch  "T^ts", 
so  noch  heute  allgemein  bei  portugiesischen  Juden  und  im  Orient, 
Der  verbreitetste  Xame  ist  nie:?  n5UT2J  seil,  msna,  die  achtzehn 
Beuediktionen,  Achtzehngebet;  er  ist  von  der  Zahl  der  Eulogien  her- 
genommen, die  das  Gebet  bei  seiner  Redaktion  enthielt  (Ber.  IV,  3). 
Obwohl  später  eine  neunzehnte  Eulogie  hinzutrat,  blieb  der  Name 
bestehen;  er  hat  sich  so  fest  eingebürgert,  daß  in  der  volkstümlichen  Be- 
zeichnung jede  Tefilla,  auch  die  für  die  Sabbate  und  Feste,  die 
nur  sieben  Eulogien  hat,  den  Xamen  !"r,r7  mizic  führt. 

Wenn  an  unser  Gebet  die  Reilie  kam,  erhob  sich  die  Gemeinde, 
und  der  Vorbeter  trat  vor  den  Schrein  mit  den  Torarollen.  ]\Ian  be- 
zeichnete daher  das  Vortragen  dieses  Gebetes  durch  ~nT"  i:e:;  inr, 
aram.  snnTi  i^ip  "üy ;  der  Ausdruck  ist  später,  als  der  Vorbeter  alle 
Gebete  von  einem  besonderen  Platze  aus  vortrug,  mißverständlich 
für  vorbeten  überhaupt  gesetzt  werden,  er  wird  in  den  alten  Quellen 
ausschließlich  in  Verbindung  mit  diesem  Gebete  gebraucht.  In  Baby- 
lonien,  wo  der  Vorbeter  tiefer  stand  als  die  Gemeinde,  nannte  man 
das  Hervortreten  nn'^rn  ■>:£":;  TT^;  in  den  Handschriften  ist  häufig  dieser 
Ausdi-uck  für  den  obigen  gesetzt  worden.  Es  kommt  auch  vor,  daß 
die  Ortsbezeichnung  fehlt  und  nur  -27  gesagt  wird;  insbesondere  wird 
■"""»  in  prägnanter  Bedeutung  angewendet,  noch  häufiger  im  babylo- 
nischen Talmud  das  aramäische  rn;,  so  daß  der  Vorbeter  der  Tefilla 
r^r>':'-s  )!i^^^■n  heißt. 


28  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

2.  Die  Tefilla  war  von  Haus  aus  als  G  e  m  e  i  n  d  e  g  e  b  e  t  ge- 
dacht, sie  wurde  vom  Vorbeter  als  dem  Vertreter  der  Gemeinde  Ti'ötü 
mns  vorgetragen,  diese  beantwortete  jeden  Satz  mit  '\'ni<  und  machte 
sich  dadurch  das  Gebet  zu  eigen.  R.  Gamliel  IL  bestimmte,  daß  jeder 
einzelne  in  der  Gemeinde  das  Gebet  für  sich  sprechen  sollte.  Um 
aber  dem  Gebet  seinen  Charakter  als  Gemeindegebet  nicht  zu  nehmen, 
wurde  die  Wiederholung  (mrn)  der  Tefilla  eingeführt,  so  daß 
sie  als  Gemeindegebet  seitdem  zuerst  leise  gesprochen  und  dann  vom 
Vorbeter  laut  wiederholt  wü-d. 

3.  Das  Gebet  zerfällt  in  drei  Teile:  die  ersten  drei  Benediktionen 
bilden  die  hymnische  Einleitung,  die  letzten  di'ei  den  Abschluß  mit  der 
Danksagung;  die  mittleren  dreizehn  enthalten  Bitten.  Die  erst- 
genannten beiden  Gruppen  sind  an  allen  Tagen  des  Jahres  ohne  Unter- 
schied üblich,  sie  sind  auch  in  der  Mischna  mit  Xamen  versehen,  die 
letzte  wird  ausschließlich  an  Wochentagen  verwendet, 
an  Sabbaten  und  Festtagen  werden  die  Bitten  durch  ein  anderes 
Stück  ersetzt. 

4.  Über  das  Alter  und  den  Ursprung  der  TefiUa  besitzen  vni 
die  verschiedensten  Traditionen,  ernst  zu  nehmende  und  legenda- 
rische, nebeneinander.  Sehen  wh-  von  letzteren  ab,  so  finden  wir 
zunächst  die  3tütteilung  . .  nbsn  .  bx^.cib  srö  i":pn  h^'i^'a-  nc;D  ^Tr:K 
die  Männer  der  großen  Versammlung  hätten  die  TefiUas  geschaffen 
(b.  Ber.  33  a).  Dem  würde  ein  anderer  Bericht  nicht  widersprechen 
^-c-  ':r  niDii  n"T  i:pn  ta^s^^n:  --üd  cr.m  n^rpr  ainirpT  -s^ 
(b.  Meg.  17  b,  j.  Ber.  II,  4,  f.  4  d),  daß  120  Geronten,  worunter  auch 
einige  Propheten  waren,  das  Achtzehngebet  nach  einer  bestimmten 
Disposition  angeordnet  hätten.  In  diesen  Stellen  wird  das  Gebet  auf 
ein  sehr  hohes  Alter  zurückgeführt. 

Dem  mderspricht  aber  die  Xacliricht,  i"'"cn  "^blpsn  ]']y'CXD 
n:n^n  -non  :7  yn  1:0:  r'0^2  n"->  (Meg.  das.),  daß  Simon,  der  Flachs- 
arbeiter, in  Gegenwart  und  wohl  im  Auftrage  Rabban  Gamhels  IL, 
in  Jabneh  die  18  Benediktionen  vorgetragen  habe.  Das  ist  eine  Diffe- 
renz von  melu-eren  Jalu-hunderten  in  der  Ansetzung  der  Entstehungs- 
zeit. Ferner  wii'd  das  eine  Mal  von  einer  Xeuschöpfung  (lipri), 
das  andere  von  einer  Anordnung  (■"i~D~)  gesprochen.  Der  Talmud 
sucht  die  beiden  Angaben  auszugleichen,  durch  die  Annahme,  daß 
das  Gebet  inzwischen  vergessen  und  dann  wieder  neu  geschaffen 
wurde  (Meg.  das.).    Dieser  Ausweg  ist  ungangbar,  mit  dem  Verlauf 


Komposition  der  Ti'filla  29 

dos  \'()lkslel)ens  nicht  vereinbar;  es  ist  ein  Harnionisierungsvcrsuch, 
der  allem  widerspricht,  was  die  Vernnnl't  zuh'iÜt  und  die  (ieschichte 
berichtet. 

5.  Wir  müssen  nns  im  Gebete  selbst  nmselien,  ob  es  Hinweise  auf 
seine  Entstehnngszeit  enthält,  wobei  wir  freilicli  nicht  den  heute  ver- 
breiteten Text  zugrunde  legen  dürfen,  sondern  auf  die  älteste  bekannte 
Textgestalt  zurückzugeiuMi  haben,  in  X  ypr^  ist  von  der  Zerstreuung 
der  Gemeinde  die  Rede.  Das  ist  kein  zwingendes  Argument  dafür, 
daß  das  Gebet  nach  der  Zerstörung  Jerusalems  durch  Titus  verfaßt 
wurde,  denn  bereits  während  des  zweiten  Tempels  gab  es  eine  zahl- 
reiche Diaspora,  und  Sir.  51l2f  bsiüi  "^ms  fnp^ab  mn  zeigt  uns, 
daß  die  Sammlung  der  Zerstreuten  schon  früh  Gegenstand  des  Gebets 
war.  In  XIV  Z'^bin^'^T  scheint  die  Bitte  n:n"i  auf  die  Zerstörung 
der  Stadt  hinzuweisen,  und  viele  Kritiker  betrachten  sie  als  einen  Zu- 
satz aus  der  Zeit  nach  70,  wenn  wir  aber  in  dem  eben  genannten 
Hymnus  Sirachs  iTTip'^""  i"^T  ~:inb  -rr,n  (5112g)  lesen,  so  werden 
v\ir  gewahr,  daß  mit  der  Bitte  nicht  unbedingt  das  Wiederaufbauen 
der  zerstörten  Stadt  gemeint  sein  muß.  Der  Satz  n''i'\2yn  nsc  mrm 
in  XVI  ist  nur  für  die  Zeit  berechtigt,  wo  der  Opferdienst  aufgehört 
hatte;  dem  widerspricht  aber  die  gleich  folgende  Bitte  TNT 
ITjrm  '"^^pr  -nns2  m-)2  ar>srn  bxir^,  die  den  Opferdienst  als  be- 
stehend voraussetzt.  In  diesem  einen  Stücke  sprechen  somit  zwei  ver- 
schiedene Zeiten  nebeneinander  zu  uns.  "irb^  T"^  IX  setzt  seinem  ganzen 
Inhalte  nach  eine  Zeit  voraus,  wo  die  Juden  zum  größten  Teil  ein  acker- 
bautreibendes Volk  waren  und  Freude  an  ihrem  Grund  und  Boden 
empfanden,  was  schon  nicht  mehr  auf  die  Epoche  paßt,  in  der  die  Römer 
die  Hand  auf  Palästina  gelegt  hatten.  Für  den  Einfluß  bestimmter  reli- 
giöser und  politischer  Richtungen  auf  die  TefiDa  ist  es  schwer,  sichere 
Anhaltspunkte  zu  gewinnen.  Es  ist  richtig,  daß  die  ganze  Stimmung  den- 
selben Grundton  zeigt,  wie  die  Frömmigkeit  der  ,. Anawim"  in  den 
Psalmen  und  in  den  Sprüchen,  allein  es  fehlen  uns  alle  greifbaren  Daten, 
um  die  Literatur,  die  von  jenen  Kreisen  handelt,  zeitlich  festlegen  zu 
können.  Ein  klares  Symptom  ist  die  Betonung  der  /Auferstehung  in  II; 
zwar  wird  sie  in  dem  weit  einfacheren  Texte  der  palästinischen  Tefilla 
nicht  so  häufig  erwähnt,  wie  mi  verbreiteten  Wortlaut,  aber  auch  dort 
gilt  ihr  die  Eulogie,  und  man  merkt  es  deutUch,  daß  a'^n'cn  rr^nr 
besonders  hervorgehoben  werden  soll.  Eine  derartige  Unterstreichung 
eines  einzelnen  Glaubenssatzes  mi  Gebete  geschieht  nicht  ohne  Absicht, 


3Q  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

die  Lehre  der  Auferstehung  bildete  einen  der  Streitpunkte  zwischen 
Sadduzäern  und  Pharisäern,  die  siegreiche  pharisäische  Volkspartei 
forderte  die  Anerkennung  ihrer  Anschauung  auch  im  öffentlichen 
Gottesdienste.  Wenn  wir  in  dem  Gebete  selbst  nach  Ai'gumenten 
suchen,  sehen  wir  uns  demnach  zu  der  Annahme  genötigt,  daß  es 
verschiedene  Bestandteile  aus  verschiedenen 
Zeiten  enthält. 

Auch  die  Reihenfolge  der  Stücke  ist  nur  unter  dieser  Annahme 
zu  begreifen.  Die  gegenwärtige  Anordnung  bietet  an  mehreren  Stellen 
Schwierigkeiten.  IS'^syi  ni5"i  VII  steht  weder  mit  dem  vorhergehenden 
noch  mit  dem  folgenden  Stücke  in  Zusammenhang,  mitten  unter  den 
Bitten  um  persönUche  Anliegen  berührt  es  das  nationale  Gebiet  und 
hat  überdies  außerordenthche  Ähnlichkeit  mit  später  folgenden  Bitten ; 
,,die  siebente  Benediktion  erscheint  jetzt  teils  überflüssig,  teils  am 
unrechten  Ort".  Hinter  IX  ']*'cy  liS  folgen  ganz  unerwartet  ohne 
jeden  Übergang  Bitten  nationalen  Inhalts;  sie  sind  selbst  sehr  ver- 
schiedenartig, wieder  ihr  Zusammenhang,  noch  ihre  Einteilung  sind 
ohne  weiteres  erklärlich.  Ebensowenig  versteht  man,  warum  hinter 
den  nationalen  wieder  eine  allgemeine  oder  persönliche  Bitte,  XVI  "^'iT, 
steht.  Endlich  fällt  auf,  daß  XVII  nsn  und  XIX  aibr  a^TT  Bitten 
enthalten,  während  nach  der  angenommenen  Disposition  (S.  28.  3)  der 
dritte  Teil  dem  Dank  gewddmet  sein  sollte.  Die  Versuche  im  Talmud, 
durch  logische  Gründe  oder  durch  biblische  Analogien  die  heutige 
Anordnung  zu  erklären  (b.  Meg.  17  b  j.  Ber.  II 4,  f.  4  d),  können  nicht 
befriedigen,  man  versteht  die  Reihenfolge  und  die  Gliederung  lediglich, 
wenn  man  davon  ausgeht,  daß  die  Teile  der  Tefilla  aus  verschiedenen 
Zeiten  stammen.  Blicken  wir  demnach  auf  die  erwähnten  beiden 
Berichte  der  Quellen  zurück,  so  gelangen  wk  zu  dem  Ergebnis,  daß 
sehr  wohl  beide  richtig  sein  können,  daß  der  Abschluß  der  Te- 
filla durch  R.  Gamliel  IL  stattgefunden  haben  mag,  daß  aber  die 
Anfänge  in  eine  weit  frühere,  in  die  vormakkabäische,  in  die  Zeit 
der  ,, großen  Versammlung"  zurückreichen. 

6.  Unter  den  Bitten  der  Tefilla  finden  sich  Bestandteile  verschiedener 
Art  aus  verschiedener  Zeit,  Reste  der  Tempelliturgie,  Benediktionen 
und  Bitten  allgemeinen  Inhalts,  Bitten  um  nationale  Güter  und 
endlich  solche,  die  man  als  Gelegenheitsgebete  bezeichen  könnte, 
weil  sie  aus  besonderen  Anlässen  aufgenommen,  allerdings  dann 
dauernd  beibehalten  wurden.    Aus  dem  Tempelkultus  stammen  die 


Kimiposil  ioii   liiT  Tcfill;!  31 

hcitlon  HiltiMi  am  ImkIc  der  Ti-Iilla.  m^  WM  wiiidc  \v('<<;('ii  seiner 
eigenartigen  1^'assung  oben  wiederholt  ifenannt.  Hereits  im  friilien 
Mittelalter  wnrde  erkannt,  daß  der  gegenwärtige  Wortlaut  überarbeitet 
ist,  daß  liier  ursprünglich  ein  Gebet  um  gnädige  Aufnahme  des  von  den 
Priestern  dargebrachten  täglichen  Opfers  vorlag.  Auch  der  Hohe- 
priester hatte  am  Versöhnungstage  nach  vollendeter  Kultushandhing 
ein  Gebet  min^n  rr  zu  s|)rechen,  dessen  Kulogie  ~S'^"'2  Tinb  ^r'^r 
i'nr:  (j.  Sota  VII,  22  a;  j.  Joma  VII,  1,  f.  44  b)  lautete,  ganz  so  wie  noch 
heute  im  Musaf  an  Festtagen  der  Schluß  von  n::i  gesprochen  wird. 
Die  Mischna  berichtet  ferner,  daß  die  Priester  im  Tempel  jeden  Morgen 
das  Opfer  unterbrachen,  um  einen  Gottesdienst  zu  halten,  und  daß 
auch  dort  ein  (iebet  mit  dem  ^^amen  rrnnr,  eben  nii,  verrichtet 
wurde  2^:nD  PDim  minr  . .  nDnn  rbir  iDnm  (Tam.  V,  l ).  Ein  weiteres 
dort  vorgetragenes  Gebet  war  wmD  PDID.  die  Kesponsion  der  Ge- 
meinde auf  den  Segen  der  Priester,  die  Bitte  um  Frieden,  die  an  das 
letzte  Wort  des  Priestersegens  anknüpfte.  Auch  die  Bitte  für  Je- 
rusalem XIV  entstammt  der  Liturgie  des  Tempels,  nicht  in  ihrer  heu- 
tigen Form  natürlich,  die  auf  die  Zerstörung  der  Stadt  hinweist,  wohl 
aber  in  jenem  Sinne,  in  dem  Sirach  und  in  dem  der  Hohepriester  am 
Versöhnungstage  für  Jerusalem  und  den  Tenii)cl  betete.  "JT^SI  piirn 
lautet  die  Eulogie  in  dem  Gebete  des  Hohenpriesters  (j  .Sota  das.),  den 
gleichen  Wortlaut  dürfte  sie  auch  in  der  täglichen  Tefilla  gehabt 
haben. 

7.  Das  waren  die  bereits  vorhandenen  Bitten,  die  übernommen 
wurden,  als  das  regelmäßige  Gemeindegebet  niiit  Bitten  aus- 
zustatten war.  Da  w^irde  zunächst  eine  den  Anschauungen  vom 
Gebet  entsprechende  Einkleidung  geschaffen.  Den  Bitten  mußte  ein 
hymnischer  Teil  voraufgehen,  ein  Dank  folgen.  So  entstanden  die 
drei  ersten  Benediktionen  der  Tefilla;  so  die  XVIII  niSTin,  nach  der 
der  dritte  Teil  der  Tefilla  überhaupt  als  Danksagung  bezeichnet  wurde, 
die  zwischen  die  beiden  vorhandenen  rrnnr  und  a"»:":  r2"^n  trat,  weil 
die  Bitte  um  Frieden  nach  wie  vor  den  Abschluß  bilden  sollte.  Tat- 
sächüch  nehmen  die  drei  ersten  und  die  drei  letzten  Stücke  der  Tefilla 
eine  besondere  Stellung  ein.  Sie  allein  werden  das  ganze  Jahr  hindurch 
in  jeder  Tefilla  ohne  Unterschied  verwendet,  sie  allein  haben  bereits 
in  der  Mischna  feste  Xamen  rv:^-p  nimna  max  nTsnx  mD^n  — :d 
2^:n3  r:-"m  nsn^n  n-i:n~  ....  scr.  (R.  ha  Seh.  IV,  5).  Ihre  Sprache, 
zumal  in  der  ältesten  Textgestalt  (§  9),  rechtfertigt  es,  ihre  Abfassung  in 


32  Beschreibung  des  Gottesdienstes] 

frühe  Zeit  zu  setzen,  auch  hn  Inhalt  —  so  wh-  von  der  Einarbeitung 
von  aTlS"  rnnr  in  II  absehen  —  spricht  nichts  dagegen.  Es  erhebt 
sich  nun  die  Frage,  ob  die  ebengenannten  Elemente  jemals  aUein  die 
Tefilla  gebildet  haben.  Das  ist  sehr  wenig  wahrscheinhch,  schwerlich 
hätte  man  sich  entsclilossen,  für  Sabbate  und  Festtage  das  Wochen- 
tagsgebet in  seinem  vollen  Umfange  zu  übernehmen.  Das  wäre  auch 
nicht  eine  Tefilla,  ein  Bittgebet  gewesen,  das  man  mit  a'^^nn 
2'':i:Mr"!  hätte  bezeichnen  können.  Soweit  unsere  Quellen  zurück- 
reichen, finden  wir  auch  stets  die  einleitenden  und  die  abschließenden 
Benediktionen  von  einem  mittleren  Stücke,  das  Bitten  enthält,  be- 
gleitet. Die  älteste  Tefilla  wird  nicht  gerade  die  Bitten  in  so  großer 
Zalil  und  in  solcher  GHederung  wie  heute  vorgebracht  haben,  aber 
nichts  spricht  dagegen,  daß  die  Bitten  allgemeinen  Inhalts 
sämtlich  in  ihr  vorhanden  waren.  Es  sind  Bitten  um  persönliche, 
zum  Teil  sogar  um  materielle  Güter  (VIII  "i:5«Di  und  IX  Tbr  T^n), 
aber  doch  um  solche,  die  aUen  ohne  Unterschied  unentbehrlich  sind, 
um  deren  Schätzung  kein  Widerstreit  der  Meinungen  oder  Interessen 
aufkommen  kann.  Gesundheit  und  Segen  in  der  Arbeit  bUden  die 
Grundlagen  der  Existenz.  Einsicht  und  Verständnis  {IV)  gelten,  wie 
uns  Psalmen  und  Sprüche  zeigen,  als  die  Voraussetzungen  des  re- 
ligiösen Wandels,  die  Bitten  um  bußfertige  Rückkehr  (V)  und  Sünden- 
vergebung (VI)  knüpfen  an  sie  an  und  kennzeichnen  die  Stimmung  der 
Kreise,  welche  die  Tefüla  geschaffen  haben.  Die  Vereinigung  der  beiden 
Gruppen  von  Bitten  um  geistige  und  um  materielle  Güter,  für  das 
Wolil  des  Körpers  und  der  Seele  verrät  eine  selir  gesunde  An- 
schauung vom  Leben,  der  Weltflucht  und  Geringschätzung  des  ir- 
dischen Treibens  fremd  sind  und  die  dennoch  der  Verantwortung  vor 
dem  himmlischen  Richter  sich  stets  bewußt  bleibt.  Die  Bitte  um 
Erhörung  der  Gebete  (XVI)  bildete  den  natürlichen  Abscliluß.  Alle 
die  erwähnten  Bitten  —  mit  der  für  Jerusalem  im  ganzen  sieben  — 
folgten  einander  ohne  Unterbrechung.  Daß  sie  von  Anfang  an  geteilt 
und  mit  besonderen  Eulogien  versehen  waren,  ist  wenig  walirschein- 
lich,  es  Hegt  näher  zu  vermuten,  daß  sie  in  einem  einzigen  Stück  mit 
einer  Benediktion  vereint  waren.  In  iDmn  besitzen  wii^  noch  heute 
eine  derartige  Zusammenfassung  der  Bitten,  und  ähnlich  mag  das 
Mittelstück  der  Tefüla  in  der  ältesten  Form  gelautet  haben. 

8.  Xun  traten  die  nationalen  Bitten  hinzu.    Das  waren  nicht  mein* 
die  natürlichen,  aus  dem  inneren  Drange  des  Menschen  heraus  geborenen 


Kiiiii|Mjsitiuii   der   Tul'ill.i  H3 

(lejj^t'iistäiulo  des  (iol)ols,  sie  setzen  bereits  eine  Reflexion  über  das 
(Jebet  lind  ein  bestininitcs  nationales  Erlebnis  voraus, 
das  dem  Gebete  eine  neue  Richtung  gab.  Ein  solches  Erlebnis  waren 
die  Heligionsverfolgung  durch  die  Syrer,  die  niakkabäisdie  Erhebung 
und  die  Begründung  des  selbständigen  jüdischen  Staates  mit  seinen 
l'arteiungen.  Es  waren  die  gewall  igen  Ersclüitlerun<,M'n,  in  deren 
(iefolge  der  Bhck  des  jüdischen  Volkes  immer  mehr  von  der  (legen- 
wart abgelenkt  und  an  der  criiofften  idealen  Zukunft  orientiert  wurde. 
Die  A  p  0  k  a  1  y  p  t  i  k  beherrschte  das  gesamte  Denken  und  jegliche 
Hoffnung,  die  apokalyptischen  Bilder  der  Messiaszeit  bewegten  alle  Ge- 
müter, die  Bitte  um  ihre  Verwirklicliung  mußte  Gegenstand  des  täglichen 
Gemeindegebets  werden.  Die  Quelle,  aus  der  alle  Apokaly|)tiker  An- 
regung schöpften,  war  Ezechiel.  in  seinen  prophetischen  Reden  war 
eines  der  stets  wiederkehrenden  Bilder  der  zukünftigen  Zeit  die  Samm- 
lung der  Zerstreuten  Israels  und  das  Gottesgericht,  das  die  Spreu  vom 
Weizen  sondern,  die  Bösen  bestrafen  und  die  Guten  zum  neuen  \'olke 
zusammenschließen  sollte.  Das  ist  der  Gedankengang,  dem  die  na- 
tionalen Benediktionen  der  Tefilla  folgen.  Die  erste  von  ihnen  ist  die 
Bitte  um  die  Sammlung  der  Zerstreuten  X  "pr.  Wir  haben  bereits 
erwähnt,  daß  sie  nicht  unbedingt  den  Untergang  des  jüdischen  Staates 
zur  Voraussetzung  haben  muß.  Eine  Diaspora  hat  es  früh,  sogar 
schon  vor  dem  babylonischen  Exil  gegeben;  im  zweiten  Staatswesen, 
zumal  seit  Beginn  der  hellenistischen  Periode,  nahm  sie  einen  be- 
sonders großen  Umfang  an.  In  Babylonien,  Ägypten  und  Klein- 
asien, wenn  nicht  in  anderen  Mittelmeerstaaten  hat  es  zahlreiche 
Niederlassungen  von  Juden  gegeben.  Aber  sie  wurden  nicht  als  natio- 
nales Unglück  betrachtet,  die  friedliche  Durchdringung,  die  dem 
Volke  neuen  Wohlstand,  neue  Kräfte  zuführte,  wurde  im  Mutter- 
lande mit  Genusjtuung  verfolgt.  Erst  als  während  der  hellenistischen 
Bewegung  klar  zutage  trat,  wie  sehr  die  Masse  der  nur  griechisch 
redenden  und  griechisch  denkenden  Juden  überhand  genommen  liatte, 
wurde  die  Diaspora  als  eine  Gefahr  erkannt,  wurden  die  alten  Ver- 
heißungen der  Sammlung  der  Zerstreuten  Gegenstand  des  Gebets. 
Und  an  die  Bitte  um  Vereinigung  des  Volkes  schloß,  wie  bei  Ezechiel, 
die  Bitte  um  Herbeiführung  des  Gerichts  an;  sie  ist  im  heutigen  Wort- 
laute des  Gebets  kaum  wiederzufinden,  bildete  jedoch  ursprünglich 
den  Inhalt  von  -:nT-  XI.  Nach  dem  gegenwärtigen  Texte  nimmt 
die   Bitte  ihren  Ausgangspunkt    von    der   Unzufriedenheit   mit   den 

Klbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  " 


34  Beschreibung^desJGottesdiensteSj  ^^'^ 

ungerechten  Richtern  und  erfleht  von  Gott,  daß  [er  überall  ge- 
rechte Richter  einsetzen  möge  wie  ehedem.  Für  ein  derartiges  Gebet 
ist  kaum  je  eine  Möglichkeit  zu  ergründen.  Weder  die  hasmonäischen 
noch  die  herodianischen  Fürsten  oder  gar  die  römischen  Landpfleger 
hätten  eine  solche  Beschimpfung  ihrer  richterlichen  Tätigkeit  geduldet. 
Daß  sich  um  das,  was  die  „Chassidim"  taten,  niemand  kümmerte, 
daß  man  ihre  Unbeugsamkeit  sowie  ihren  Todesmut  kannte  und 
darum  iliren  Widerstand  nicht  erst  herausforderte,  wird  durch  die 
Geschichte  nicht  bestätigt.  Es  wäre  auch  mit  der  Staatsraison  un- 
vereinbar gewesen,  dazu  war  die  Partei  der  Frommen  doch  zu  mächtig. 
In  einem  Lande,  in  dem  Bürgerkriege  und  Aufstände  so  verbreitet 
waren  und  mit  so  starker  Erbitterung  geführt  wurden,  bedeutete  die 
tägliche  Kj'itik  der  Rechtsprechung  eine  schwere  Gefahr,  selbst  die 
frömmste  Staatsleitung  durfte  sie  nicht  dulden.  Der  Inhalt  der  Bitte 
muß  einmal  ein  andrer  gewesen  sein,  darauf  weisen  der  Wortlaut  und 
die  Quellen  ebenfalls  hin.  Schon  der  plötzliche  Übergang  von  der 
angenommenen  Klage  über  die  Richter  zur  Bitte  um  die  Verwirklichung 
des  Gottesreiches  (i^'CI^  Tlbiai)  ist  hart  und  weist  mehr  in  die  zu- 
künftige als  in  die  gegenwärtige  Welt,  vor  allem  aber  kann  der  Schluß 
"üB'Cm  i:p'i::"i  sich  keineswegs  auf  ein  irdisches  staatliches,  sondern 
nur  auf  das  m  e  s  s  i  a  n  i  s  c  h  e  Gericht  beziehen.  Diese  letzten 
Worte  erschienen  wichtig  genug,  um  in  einer  kurzen  Inhaltsangal)e 
als  Zusammenfassung  unserer  Benediktion  gegeben  zu  werden,  in 
ihnen  liegt  der  Schlüssel  zum  Verständnis  der  ursprünglichen  Ab- 
sicht der  Benediktion,  sie  war  eine  Bitte  um  Herbeifülu'ung  des  mes- 
sianischen  Weltgerichts.  Der  Zweck  des  Gerichts  der  Endzeit  ist  die 
Sonderung  zwischen  Guten  und  Schlechten,  zwischen  Frommen  und 
Frevlern,  die  Bestrafung  der  Frevler.  Auch  davon  war  hier  einmal 
die  Rede,  in  der  Zusammenfassung  der  Tefilla  """^nn  lautet  der 
Satz,  der  nn-iTCn  vertritt,  TJStT-'  Tnr"!  b"  ^^'Jirni  oder  in  einer 
anderen  Version  ^T»  ri:r  a"""!!'"!.-  bri,  in  einer  kurzen  Zusammen- 
fassung der  Tefilla  im  Talmud  steht  dafür  a"i"l'"',n  "ji-  ncr'rir  "i"""!, 
alle  diese  Sätze  lassen  nur  den  einen  Schluß  zu,  daß  in  nniün  von 
der  Bestrafung  der  Frevler  im  messianischen  Gerichte  die  Rede  war. 
Erinnern  wir  uns  an  den  Ursprung  des  Satzes  "r'JEir  raiirn,  er  ent- 
stammt einer  Schilderung  der  messianisclien  Zukunft  Jes.  126  und 
war  auch  an  unserer  Stelle  dazu  bestimmt,  ein  Bild  aus  der  messia- 
nischen Zeit   auszudrücken.    In  Ez.  2034  ff.  ist  die  Zukunft,   in  der 


Kuinposiliiiii   der  'ICfill;!  35 

lott  Köniff  iil)or  Israol  sein  wird,  so  i^n'scliildcrl,  daü  ziinäclisl  die 
f^crstreuten  Israels  aus  allcii  Ländern  versanmielt,  daß  sie  zum 
großen  Gericht  vereiniji:!  und  daß  die  Missetäter  unter  ihnen  schweren 
^trafen  unterworfen  werden.  Das  ist  der  Gedankenfi:an<,',  dem  die 
nationalen  Henediktionen  folgten.  In  X  ypr  wurde  um  die 
Nimnüung  der  Vertriebenen,  in  XI  rOTn  um  die  Herbeiführung 
ies  Gottesgerichts  und  die  Bestrafung  der  Frevler,  in  .\  I II 
2'^p"'T^n  rr  um  die  Belohiiuiiij;  der  Frommen  gebetet.  Die  drei  Hene- 
iiktionen  folgten  unmittelbar  aui'einaiider,  sie  wurden  in  die  Tefilla 
iort  eingeschaltet,  wo  die  allgemeinen  Bitten  zu  Ende  waren,  also 
liinter  IX  irby  T^n.  Wahrscheinlich  gehört  in  die  selbige  eschatolo- 
2;isch  gerichtete  Zeit  die  Erwähnung  des  Messias  aus  dem  Hause 
Davids  in  XIV,  der  Benediktion  für  Jerusalem. 

9.  Damit  war  die  Tefilla  fast  in  ihrem  vollen  Umfange  vorhanden. 
PS  traten  nur  noch  ans  besonderen  Anlässen  einzelne  Bitten  hinzu. 
Schwierig  ist  es,  die  Aufnahme  von  VII  irr^n  ~55-i  zu  erklären,  die 
Probleme,  welche  sein  Inhalt  und  seine  Stellung  bieten,  sind  bereits 
hervorgehoben  (S.  30).  Seiner  Umgebung  nach  müßte  es  eine 
Bitte  um  Befreiung  aus  persönlicher  Not,  etwa  aus  Gefangenschaft 
oder  ähnlicher  Bedrängnis  sein,  dem  widerspricht  aber  der  Wortlaut. 
Befreiung  von  nationalem  Elend  wiederum  ist  in  den  folgenden  Stückeu 
erbeten  und  paßt  nicht  inmitten  der  persönlichen  Bitten;  es  ist  aus 
der  allgemein  gehaltenen  Ausdrucksweise  auch  schwer  zu  erkennen, 
welcher  nationale  Druck  gemeint  ist.  Aus  allen  Schwierigkeiten  finden 
wir  einen  Ausweg,  wenn  wn  auf  die  ältesten  Quellen  zurückgreifen. 
Da  wird  von  einer  eigenen  Liturgie  für  die  Fasttage  berichtet,  an 
denen  die  Bitten  der  tägUchen  Tefilla  vorgetragen  und  noch  sieben 
andere  eingeschaltet  wurden.  Die  erste  der  für  den  Fasttag  be- 
stimmten begann  mit  ir:"n  nxn  und  schloß  mit  bsn^r^  bi«^5,  ganz  so 
wie  heute  die  siebente  Benediktion  der  Tefilla.  Die  Identität  fiel  früh- 
zeitig auf,  schon  der  Talmud  wußte  sie  nur  durch  die  Annahme  zu 
erklären,  daß  nicht  sieben,  sondern  nur  sechs  neue  Bitten  einge- 
schaltet wurden,  daß  die  erste  der  sieben  nur  eine  Erweiterung  der 
täglichen  Bitte  -r:rn  nsn  war  (b.  Taan.  16  b  S^:r-D  nsinssb  r^r^nc 
T^-iS^  i:55"'r-'  bsr.n).  Inzwischen  war  nämlich  die  Xot  des  täglichen 
Lebens  zu  groß  und  ns^  Bestandteil  des  täglichen  Gebets  ge- 
worden. Stammt  'r:rn  r.sn  aus  der  Fastenliturgie,  dann  ist  auch 
seine  Stellung  in  der  Tefilla  erklärt;  die  Fastengebete  knüpfen   an 

3* 


36  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

die  Bitte  um  Sündenvergebung  an,  darum  steht  ni«n  unmittelbar 
lünter  VI  i:b  nbü,  der  Bitte  um  Vergebung  der  Sünden.  Die  Tefilla 
hatte  damit  die  Zahl  von  siebzehn  Benediktionen  erreicht. 

10.  Ein  Achtzehngebet  wurde  sie  durch  R.  Gamliel  IL  als  er  die 
Tefilla  redigieren  und  in  der  Absicht,  die  Trennung  der  Cliristen  von 
der  Synagoge  durchzusetzen,  die  Benediktion  gegen  die  Ketzer  riDll 
a^rrn  einführen  ließ  (m:pr  r.;s^n  a^r'?2n  tdii  b.  Ber.  28  b).  Das 
Stück  fing  in  alter  Zeit  nicht  a^S^irb^bi,  sondern  a^i^lTriabl  D'^S^'ab 
an,  und  dann  kamen  die  Bezeichnungen  DiS'Tül&oder  a^lT  (""nT  nsb'a), 
wahrscheinlich  auch  S"»"!:::  darin  vor.  T'd  bedeutet  im  Hebräischen 
Art,  Abart,  dann  jeden,  der  sich  von  der  jüdischen  Lehre  absondert, 
Ketzer,  Häretiker.  Alle  Ketzereien  konnten  mit  n"i:"''a  bezeichnet 
werden;  es  gehörten  darunter  die  Anschauungen  der  Sadduzäer,  der 
Samaritaner,  der  Christen,  der  Gnostiker.  Infolgedessen  ist  viel  darüber 
gestritten  worden,  welche  Ketzer  in  unserem  Gebete  getroffen  werden 
sollten,  ob  ein  solches  Gebet  nicht  schon  früher  bestand.  Die  Kirchen- 
väter Justinus  Martyr  imd  Hieronymus  berichten,  daß  die  Juden  dreimal 
täglich  in  ihren  Synagogen  die  Christgläubigen  verfluchen,  Epiphanius 
sagt  deutücher,  sie  beten,  daß  Gott  die  Nazaräer  vernichte.  Es  ist 
kaum  daran  zu  zweifeln,  daß  unser  Gebet  sich  tatsächlich  auf  die 
Christen  bezogen  hat,  es  bildete  eines  der  Mittel  zur  völligen 
Scheidung  der  beiden  Religionen. 

In  der  ersten  Zeit  hatten  die  Christen  keine  besonderen  Gebete 
und  keinen  besonderen  Gottesdienst.  Sie  hielten  Vereinigungen  für 
.das  spezifisch  Cliristliche,  wie  das  Abendmahl,  aber  einen  zusammen- 
hängenden Gottesdienst  hatten  sie  nicht;  darum  gibt  es  auch  keine 
christliche  Liturgie  aus  dem  ersten  Jalu'hundert.  Die  Judenchristen 
haben  nach  wie  vor  mit  den  Juden  gebetet,  und  niemand  hat  sie 
zunächst  daran  gehindert.  Die  Judencliristen  hatten  keine  Ver- 
anlassung, die  Synagoge  zu  meiden ;  die  Synagoge  bot  ihnen  nach  einer 
Richtung  zu  wenig,  sie  zog  ihre  Art  des  Messiasglaubens  nicht  in 
Betracht,  räumte  ihr  keinen  Raum  im  Gottesdienst  ein  (ihr  gaben 
sie  in  ihren  besonderen  Vereinigungen  Ausdruck),  aber  die  Gebete 
enthielten  nichts,  was  nicht  auch  ihrer  religiösen  Anschauung  ent- 
sprach. So  nahmen  sie  weiter  am  Gottesdienst  teil,  fungierten  auch 
als  Vorbeter  darin.  Daß  sie  christgläubige  Juden  waren,  bedingte 
in  dieser  Beziehung  keinen  Unterschied,  erst  allmähüch  suchte  sich 
die   Synagoge   gegen   heterodoxe   Erscheinungen   zu   schützen.     All- 


Kuiiiposil  ioii   der  'ICfilhi  37 

mälilicli  trat  die  S|iaiuiimfif  auch  zwisclicn  .liulciiliirii  iiiid  .liuicii- 
{•hristcntiim  ein.  Die  iiatinliclic  l-jitwicklimi^  im  (Üiristciituiii  brachte 
t's  mit  sicli,  daß  die  Vergötterung  Jesu,  seine  Anrufung  im  (lebet  als 
Wundertäter  Fortschritte  machte.  Es  wurde  darum  die  Bestimmung 
getroffen,  daü  man,  wenn  ein  'CQ  eine  Benedikt ion  sprach,  nicht 
auf  dieselbe  mit  Amen  antworten  durfte,  es  sei  denn,  dal.)  man  die 
ganze  Benedikt  ion  geJK'trt  hatte,  was  sehr  verständlich  wird,  wenn 
man  die  alten  christlichen  Texte  liest.  PCs  kam  hinzu,  daß  die  Christen 
als  Feinde  der  jüdischen  Nationalität  auftraten.  In  dem  Bestreben, 
sich  die  Gunst  der  Homer  zu  erwerben,  gingen  sie  mit  Beschul- 
digungen gegen  ihre  alten  Glaubensgenossen  vor,  so  daß  Verleumder, 
•jii-,-j-i-;  un(j  gtncTa,  mit  Christen  identifiziert  wurden.  Die  Hoff- 
nimgen  und  Bestrebungen  der  Juden  richteten  sich  auf  die  Wieder- 
herstellung des  jerusalemischen  Tempels.  Den  Christen  hingegen 
war  die  Zerstörung  des  Tempels  ein  wertvolles  Mittel  der  Propaganda, 
durch  das  Aufhören  des  Opferkultus  hätte  Gott  selbst  seinen  Willen 
kundgegeben,  daß  die  Gültigkeit  des  mosaischen  Gesetzes  beendet 
sein  sollte.  Dieses  Zeugnis  wollte  man  sich  nicht  entreißen  lassen. 
Es  lag  den  ('hristen  daran,  daß  das  Wort  der  Evangelisten  in  Kraft 
bliebe,  Jerusalem  sollte  zertreten  bleiben  bis  zur  Erfüllung  der  Zeiten. 
Ob  und  wann  vor  dem  Aufstand  unter  Trajan  sich  den  Juden  be- 
gründete Aussichten  auf  Erfüllung  ihrer  Hoffnungen  eröffnet  haben, 
wissen  wir  nicht;  möghch  ist  es,  daß  mit  der  Reise  nach  Rom,  die  die 
Tannaiten  unter  Fülu'ung  R.  Gamlicls  während  der  kurzen  Regie- 
rungszeit Xervas  unternahmen,  solche  Hoffnungen  verknüpft  wurden. 
In  jedem  Falle  haben  wh"  in  jener  Zeit  den  Anfang  der  völligen  Schei- 
dung zwischen  Juden  und  Judencliristen  zu  suchen.  Ein  wichtiger 
Schritt  zu  ihrer  Herbeifülirung  war  die  Fernhaltung  der  Christen 
von  der  Synagoge.  Die  Synagogen  waren  beliebte  Missionsstätten, 
sie  boten  Anlaß  zur  Besprechung  der  Glaubensfragen.  Gelegenheit 
zur  Einleitung  der  Propaganda.  Die  Judenchristen  gehörten  zu  ihren 
eifrigsten  Besuchern,  sie  fungierten  auch  als  Vorbeter.  Das  sollte 
ihnen  verleidet,  sie  sollten  von  der  Synagoge  ferngehalten  werden. 
Als  ]^Iittel  liierzu  wurde  die  2TT2~  rD"Q  in  die  Tefilla  eingeführt, 
die  Samuel  der  Jüngere  auf  Veranlassung  R.  Gamliels  verfaßte  (nT37 
n:pri  y^'pn  bsiisc  b.  Ber.  das.).  Die  Bitte  um  Vernichtung  der 
Minäer  hatte  den  Zweck,  die  Synagoge  von  ihnen  freizuhalten.  Das 
ersehen  wir  deutlich  aus  dem  Midrasch   -sn  ~r"j:  r.n^rri  ^:e~  -i"rn 


38  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

bnpni  ir::r  rx  bbp^  n^n-^  m;^^  "ir  in  sn^  axü  ins?  -in^Tn^  "id^i 
"■^X  "ii:"!"  (Tanch.  Lev.  ed.  Biiber  2  a).  Irrtümer  beim  Vorbeten  ge- 
hörten nicht  zu  den  Seltenheiten,  sie  wurden  im  allgemeinen  mit 
Nachsicht  aufgenommen  und  durchgelassen  ;  nur  bei  2T^n  rD"in 
wurde  mit  Strenge  darüber  gewacht,  daß  der  Vorbeter  nichts  im  Gebet 
unterdrückte  oder  änderte,  Irrtümer  wurden  da  nicht  geduldet,  der 
Vorbeter  mußte  sich  an  die  Vorschrift  halten  oder  er  wurde  entfernt, 
denn  gerade  das  war  die  Absicht,  die  Vorbeter  auf  die  P  r  o  b  e  zu  stellen, 
ob  sie  zum  Judenchristentum  neigten  oder  nicht.  Ein  Judenclirist 
konnte  dieses  Gebet  nicht  sprechen,  „er  hätte  sonst  sich  selbst  ver- 
wünscht und  die  Gemeinde  veranlaßt,  Amen  dazu  zu  sprechen"  und 
sich  dieses  Gebet  zu  eigen  zu  machen.  Ein  Judenchrist  konnte 
auch,  wenn  er  in  der  Gemeinde  stand,  es  nicht  mit  anhören,  wie  der 
Vorbeter  die  Bitte  um  Vernichtung  seiner  Gemeinschaft  aussprach 
und  die  Gemeinde  sie  durch  das  Amen  zur  ilu^en  machte.  So  wurde 
2"':il2n  riDnn  ein  Prüfstein  für  die  Anwesenheit  von  Judenclu-isten 
in  der  Synagoge,  für  ihre  Beteiligung  am  Gottesdienste;  oft  hörte  sich 
keiner  von  ihnen  das  Gebet  an,  sie  blieben  dem  Gottesdienst  fern  und 
die  Absicht  war  erreicht. 

Eine  Anknüpfung  für  die  neue  Bitte  war  in  XI  nniffin  gegeben, 
wo  von  der  Bestrafung  der  Frevler  die  Rede  war.  Ohnehin  hatten  die 
eschatologischen  Anschauungen  sich  geändert,  die  Einzelheiten  des 
alten  Zukunftsbildes  hatten  eine  neue  Deutung  erfahren,  auch  die 
entsprechenden  Benediktionen  der  Tefüla  wurden  nicht  mehr  wie 
früher  aufgefaßt.  So  wmde  denn  der  Absatz  über  die  Bestrafung 
der  Frevler  aus  XI  herausgeholt  und  in  die  neue  Bitte  mit  dem  Schlüsse 
2"'""  "■'^D'a  aufgenommen,  die  nun  eine  Verwünschung  gegen  alle 
von  der  jüdischen  Reügion  Abtrünnigen  enthielt  bei  ST'^'a  i^C  """""'S 
z^->-  :7V2T2n  2^rfi£  (Tos.  Ber.  III,  25  j.  Ber.  II,  4  fol.  öa;  JX,  3 
fol.  8  a).  Die  vorhergehende  n^ilcn  handelte  nunmehr  ausschließ- 
lich von  der  Wiedereinsetzung  der  alten  Richter  und  der  Herbei- 
führung des  Gottesreiches.  Andererseits  wurde  gegenüber  der  Verwün- 
schung der  Abtrünnigen  in  XII  eine  besondere  Bitte  für  die  zum 
Judentum  Bekehrten  (p'^'iy)  in  XIII  aipi-^n  b"  eingefügt.  Die 
Zahl  der  Proselyten,  die  sich  zur  ReMgion  des  Sinai  bekannten,  war 
in  jenen  Tagen  nicht  gering,  die  Tatsache  der  zalilreichen  Übertritte 
zum  Judentum,  die  bis  in  die  besten  Gesellschaftsklassen  verbreitet 


Kdtn Position    der  TcfillM  3() 

waren,  ma^  die  Vorhit tcrmiff  fi;('j^(Mi  dic\jeiii}<tMi,  die  sich  von  der  alten 
Kelii^non  lossajjten,  verstärkt  haben,  wie  sie  andererseits  als  Trost  in 
der  seliweren  Zeit  des  Abfalls  enipliinden  wurde.  Dureh  die  (legenüber- 
stellung  der  Bitte  für  die  Proselyten  in  XIU  und  die  Verwünschung  der 
LTntreiUMi  in  XII  kamen  der  wSchinerz  über  die  einen  und  die  Freude 
über  die  anderen  zum  Ausdruck.  So  war  2"':"'T2n  r2^2  ein  ( ielegenheits- 
gebet,  und  es  wäre,  als  der  Anlalj  es  zu  sprechen  fehlte,  vielleicht 
wieder  außer  Gelirauch  gekommen,  wenn  nicht  gleichzeitig  mit  seiner 
Einführung  eine  Redaktion  der  Tefilla  stattgefunden  hätte. 

11.  Das  durch  aT72n  PDin  auf  achtzehn  Benedikt ionen  angewach- 
sene Gebet  ließ  R.  Gamliel  II.  redigieren  und  bestimmte  es  zum  täg- 
lich e  n  Gebet  für  jedermann  2-X  bbSi-TO  ^v  "rsn  "!r'SC  bs-^bTs:;  "" 
n^rr  n:T2C  (Ber.  IV,  3).  Das  Gebet  erhielt  achtzeiin  Kulogien 
und  davon  den  Xamen  ""nr>  "i'üC  seil,  msin,  den  es  für  alle 
Zeiten  behalten  hat.  Die  achtzehn  Stücke  kamen,  wie  wir  sahen, 
in  ganz  verschiedenen  Zeiten  zusammen,  die  Zahl  ist  eine  rein 
zufällige.  Um  der  Zahl  achtzehn  eine  höhere,  gewissermaßen  kano- 
nische Bedeutung  zu  geben,  wurde  sie  symbolisch  aufgefaßt, 
man  suchte  aus  biblischen  Gebeten  und  Erzählungen  Analogien  für 
sie  herzuleiten.  Möglich  wäre  immerinn,  daß  die  Zahl  achtzehn  mit 
Absieht  festgehalten  und  bei  ihr  der  Abschluß  vorgenommen  wurde. 
Denn  ihre  symbolische  Auffassung  ist  schon  in  tannäischen  Stellen 
zu  finden;  überdies  hätte  sich  Gelegenheit  geboten,  die  Zahl  der  Eu- 
logien  zu  vermehren,  es  wurde  jedoch  davon  Abstand  genommen. 
Die  Zahl  der  Bitten  übertraf  diejenige  der  Eulogien,  es  nuißten  einige 
zusammengezogen  werden  2"'""  ""i;2^2  ZTC'E  '^wi  ^■»ria  biE  b^iD 
11355  DN  a^ibCTT^  n:inn  ti-  br^  aip-^TJ:"::  n-jn^n  a-^n^  bei  n-'ipT  bn 
x::"^  l^s^b  ib^xi  ir^r-b  ib^S  (Tos.  Ber.  III,  25),  immerhin  war  es  nicht 
unstatthaft,  die  zusammengezogenen  auch  in  ihre  Bestandteile  aufzu- 
lösen und  so  die  Zahl  der  Benediktionen  wiederum  zu  vermehren.  In 
einem  Falle  wurde  dauernd  von  dieser  Möglichkeit  Gebrauch  gemacht, 
die  Tefilla  wurde  um  eine  neunzehnte  Benediktion  bereichert. 

12.  Kaum  hatte  das  amoräische  Zeitalter  begonnen  und  die  baby- 
lonische Judenheit  sich  unabhängig  von  den  Autoritäten  Palästinas 
gefühlt,  da  wurde  dort  im  Lande  der  Exilsfürsten,  die  ihr  Geschlecht 
in  gerader  Linie  von  David  herleiteten,  eine  besondere  Bitte  für  das 
Erscheinen  des  Messias  aus  dem  Hause  Davids  eingefülnt.  Die  Eu- 
logie  lautete  nyiw^  pp  niüsr,  der  erste,  der  sie  im  Talmud  erw^ähnt. 


40  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

ist  Rabba  bar  Schila  (um  250  b.  Pes.  117  b).  Es  war  früher  die  herr- 
schende Auffassung,  daß  die  jetzt  sechzehnte  Benediktion  nr::  rx 
zum  alten  Bestände  der  Tefilla  gehörte,  daß  a^r^n  rz"^n  dann  als 
neunzehntes  Stück  hinzugekommen  ist,  in  Wirklichkeit  ist  der  Tat- 
bestand der  gewesen,  daß  i^risn  O  die  achtzehn  Benediktionen 
vollzählig  machte  imd  Ti"  n)2::  rx  als  neunzehnte  liinzutrat.  Der 
Beweis  hierfür  ist  Geschichte  des  Achtzehngebets  S.  24  ff.  (MS.  S.  348  ff.) 
ausfülirlich  erbracht,  hier  sollen  nur  die  wichtigsten  Belege  in  kurzer 
Zusammenfassung  angefülul  werden.  Im  palästinischen  Talmud 
und  in  den  von  dort  stammenden  Midrascliim  ist  eine  besondere  Eulogie 
für  den  Messias  nicht  bekannt;  wo  der  Inhalt  der  Tefilla  angegeben 
wii'd,  ist  nur  XIV  a'i'::TL'"ii"'bl  berücksichtigt,  niemals  XV  nr::  rs, 
die  Erwähnung  Davids  findet  sich  nur  in  der  für  XIV  bestimmten 
Eulogie  a'ibTn'i  nrs  -m  ■'nbs  (in  Babylonien  wurde  die  Formel 
T!"  ^nbi«  ausdrücklich  abgelehnt);  wo  die  Benediktionen  der  Tefilla 
gezählt  werden,  wu'd  XVI  "Z'^^p  "^TL"  als  fünfzehnte  bezeichnet,  weil 
n)2^  rx  vorher  fehlt.  Ja  noch  lange  in  nachtalmudischer  Zeit  war 
die  Eulogie  ~"if  ^  ]"'p  n^'d'c  im  palästinischen  Ritus  nicht  bekannt: 
von  Paitanim,  die  ihre  Verse  nach  den  Eulogien  der  Tefilla  ein- 
richteten, wird  sie  nicht  erwähnt,  Eleasar  ha  Kalir  (um  750?)  z.  B.hat 
in  seinen  Kerobot  (§  32)  für  die  Fasttage  und  für  Purim  niemals  Verse 
zu  "ü::  rx  verfaßt,  seine  Dichtungen  setzen  stets  den  Sclüuß  m"  "'nbs 
"CJTi'i  n;il  voraus.  In  der  durch  die  Genisa  in  Kairo  bekannt  gewordenen 
palästinischen  Rezension  der  Tefilla  fehlt  ebenfalls  ni2i  rx  und  der 
Sclüuß  von  XIV  lautet  z-^biTT^i  nsin  ~rn  "^r.rx.  Die  alte  Auskunft, 
die  bereits  R.  Jesaia  di  Trani  (um  1280)  gegeben  hatte,  daß  in  Pa- 
lästina, um  die  Zahl  achtzehn  nicht  zu  überschreiten,  nach  Einführung 
der  2^rrn  rj'^.2  die  zwei  benachbarten  und  ähnlichen  Benedik- 
tionen XIV  und  XV  in  eine  zusammengezogen  wurden,  ist  un- 
annehmbar, denn  das  Gegenteil,  die  nachträgliche  Einfülu-ung  von 
mss  rs  wird  ausdrücklich  von  den  Quellen  bezeugt.  Bei  der  Ver- 
handlung über  die  Zalil  der  Benediktionen  wd  j.  Ber.  IV,  3  (8a) 
bemerkt  "133  2T72  bc  'b  -'^rs  ]"rs  rmrr  r3c  3-;s  "b  ^rx^  zs 
nin-ia  a">^3n  ir-np,  d.  h.  daß  vor  Festsetzung  von  2^r^n  a  nur 
siebzehn  Benediktionen  vorhanden  waren  und  dies  die  achtzehnte 
bildete.  Deutlich  ist  der  Hergang  bei  der  Anreihung  der  Stücke  in 
Num.  rabb.  Kap.  XVIII,  21  angegeben  -J''^   .r.bsr  '"^  s-'^-j^an  srj 


Wurdiiiil    (icr   'Irlill,!  41 

T'ins«,  daß  narnlk'li  die  im  habyloniscluMi  Hitiis  vorhandenen  iifiiii- 
zehn  Menediktioneii  —  in  |)aläs1inis(lH'n  Kreisen  kommt  die  Zaiil 
neunzelin  niemals  vor  —  dadurcli  entstanden,  daß  zu  den  länp^st  vor- 
handenen siebzehn  zuerst  3"':"""an  '2  und  n  a  c  li  t  r  ä  f?  1  i  c  h  n'ü'i  ra 
hinzutraten.  Der  babylonische  Kitus  ist  sehließlieh  der  alleinige 
geblieben  und  mit  iiim  wm-de  überall  TiT  n^::  rs«  als  Beiu'dik- 
tion  der  Tefilla  angenommen,  sehließlieh,  wie  wir  sahen,  sogar  mit 
solchen  Kerobot  vereinigt,  die  den  palästinischen  Ritus  voraussetzten 
und  es  gar  nicht  kannten.  Der  Name  rrzy  n;'er  stimmte  nach 
Einführung  einer  neunzehnten  Iknediktion  nicht  mehr,  aber  er  war 
nun  einmal  durch  die  Mischna  festgelegt  und  wurde  ohne  Bedenken 
beibehalten.  Die  Geschichte  des  Achtzehngebets  war  damit  ab- 
geschlossen, die  Überarbeitungen,  die  es  erfuhr,  sowie  seine  weiteren 
Schicksale  sind  mit  den  Veränderungen  seines  Wortlauts  verknüpft, 
die  wir  im  folgenden  Paragraphen  besprechen. 

§  9.     Die  Tefilla. 

II.  Wortlaut. 

Literiitur :  Baer.  S.  N7  ff. ;  DiM-eubourg, Mi'lan<>es  rabbiniques  in  JiEJ  XIV, 
26  tf.;  Sehechter,  Geniza  Speciniens  in  JQR  X,  656  ff. ;  Dahnan,  Die  Worte 
Jesu,  S  299tt\;  Elbog-en,  Achtzehugebet,  S.  47 ff.;  Studien.  S.  43ff ;  I.  Levi, 
Fragments  de  rituels  de  prieres  etc.  in  RE.T  lÄU.  235  ff.:  Frumkin.  S. 231  ff. 

1.  Die  besprochene  Redaktion  der  Tefilla  bezog  sich  lediglich  auf 
den  Inhalt  und  die  durch  ihn  bedingten  Eulogien  der  Stücke,  sowie 
auf  ihre  Disposition  und  Reihenfolge  riDin  n'"^  "'"•"cr;  iripE"  "^ns'C 
nriin  -"C"  :r  :/n  ■'rs':  (b.  Meg.  17  b.)  Hingegen  wurde  der 
Wortlaut  nicht  festgelegt,  er  blieb  frei  und  beweglich,  der  augen- 
blicklichen Eingebung  des  Vorbeters  überlassen.  Daher  gab  es  lange 
Zeit  mehrere  nebeneinander  hergehende  Texte,  daher  waren  gewisse  Ab- 
weichungen möglich,  die  dann  als  Zeichen  von  Häresie  verboten  werden 
mußten.  Die  Vorbeter  trugen  häufig  einen  Text  vor,  der  vom  üb- 
lichen abwich,  mitunter  auch  offenkundige  Irrtümer  enthielt,  sie 
gerieten  bisweilen  in  Verlegenheit,  weil  ihnen  die  Fortsetzung  des 
Gebets  entfallen  war.  Noch  aus  dem  IV.  Jalnhundert  werden  Ab- 
weichungen beim  Vortrag  des  Gebets  mitgeteilt,  und  sie  dürften, 
solange  die  Gebete  nicht  aufgeschrieben  waren,  niemals  aufgehört 
haben.    Auch  später  gab  es  keinen  einheitlichen  Text   der  Tefilla, 


42  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

die  Gebetbücher  der  versclnedenen  Riten  überlieferten  ihn  in  ver- 
schiedener Weise  in  bald  mehr,  bald  weniger  ausgeführter  Diktion.  In 
demselben  Lande  konnte  man  sie  in  benachbarten  Gemeinden  abweichend 
finden,  und  R.  Da\äd  Abudraham  hat  nicht  übertrieben,  wenn  er 
sagte,  daß  es  nicht  zwei  Gemeinden  auf  dem  Erdenrunde  gebe,  in 
denen  die  Tefilla  Wort  für  Wort  gleichlautend  gesprochen  werde. 
Der  Buchdruck  hat  die  Mannigfaltigkeit  der  Abweichungen  beschränkt, 
aber  nicht  beseitigt,  da  manche  nur  für  kleine  Ki'eise  bestimmte  Gebet- 
bücher nicht  durch  die  Presse  vervielfältigt  wurden;  die  Reform- 
bewegung der  neuesten  Zeit  hat  von  neuem  eine  starke  Zersplitterung 
hervorgerufen.  Ein  bestimmter  Wortlaut  der  Tefilla,  der  als  ü  r  - 
t  y  p  u  s  gelten  könnte,  läßt  sich  nicht  feststellen,  selbst  die  ältesten 
Rezensionen  liegen  in  mehreren  abweichenden  Fassungen  vor  und 
enthalten  einzelne  Formeln,  die  unbedingt  jüngeren  Ursprungs  sein 
müssen.  Alle  Theorien  über  die  Tefilla,  die  an  einen  bestimmten 
Wortlaut  anknüpfen  oder  auf  Zälilung  der  Worte  der  einzelnen  Stücke 
beruhen,  sind  daher  unhaltbar;  ihr  einziger  Wert  besteht  darin,  daß 
sie  als  Kontrolle  für  die  Überlieferung  gelten  können.  Ebensowenig 
läßt  sich  die  von  Jos.  Derenbourg  versuchte  Zurückführung  der  Te- 
filla auf  Benediktionen  von  je  drei  Zeilen,  zwei  parallelen  Bitten 
und  einer  kurzen  Begründung,  und  auf  Eulogien  von  je  zwei  Worten 
aufrecht  halten.  Die  Tefilla  ist  weder  von  einem  Manne,  noch  aus 
einem  Guß  gearbeitet,  so  daß  auf  solche  Gleicliförmigkeit  geachtet 
worden  wäre,  nur  durch  gewaltsame  Eingriffe  in  den  Text  läßt  sich 
ein  solches  Schema  durchführen,  dabei  müssen  aber  bibhsche  Zitate 
melirfach  preisgegeben  werden.  Wie  selu-  der  Wortlaut  der  Tefilla 
durch  die  Bibel  beeinflußt  war,  wird  besonders  deutlich  durch  die 
palästinische  Rezension,  die  erst  neuerdings  bekannt  wurde  und  an 
zahlreichen  wichtigen  Stellen  von  der  übMchen  (^=Vulg.)  abweicht. 
2.  Wenn  wir  nunmelu-  an  die  Besprechung  des  Textes  der  Tefüla 
herantreten,  so  soUen  nur  die  wichtigsten  Varianten  der  einzelnen 
Riten  angeführt  werden;  sie  alle  zu  erwähnen,  würde  den  Rahmen 
dieses  Grundrisses  überschreiten  und  nicht  den  entsprechenden  Ge- 
winn bringen.  Einzelne  orientalische  Riten  lieben  es  besonders,  den 
Wortlaut  der  Tefilla  auszuschmücken,  ohne  daß  in  den  Quellen  ein 
Anhalt  dafür  vorhegt.  Eine  der  bevorzugten  und  leicht  anzubringenden 
Erweiterungen  ist  die  Einfügung  des  Wortes  T'^  oder  'zdb'ü  in  fast 
alle  Benediktionen. 


W'orllaiil   (l.'i-  Tcfill,!  43 

3.  All  (licSpitzo  clor  stillen 'rdilla  wurde  von  K.  Joclianan  (III. 
Jahrhimderl)  nrrr  ^rsr  ■^:-iS  Ps.  5117  gestellt,  im  iMit feialter 
wurden  bisweilen  davor  noeli  andere  Verse  wie  Dt.  323  oder  l*s.  (iös 
eiiifi^efügt;  trotz  des  Widersprnelis  angesehener  Halaeliisten  haben 
sie  sich  hie  und  da  erhalten,  bei  Amr,  fehlen  sie  noch.  Spätere  haben 
sie  auf  die  verschiedenen  Tefillas  verteilt. 

I.  Die  Tefilla  beginnt  mit  einer  hymnischen  Einleitung  rrir 
z^pT:  :r  ^nnr  n:irsin  niDin  (j.  Her.  11,  4  vgl.  b.  das.  34  a). 
Das  erste  Stück  heißt  mns?  (Rosch  ha  Seh.  IV,  5)  wegen  der  Be- 
rufung auf  die  Patriarchen,  im  Mittelalter  bei  Dichtern  und  Dezi- 
soren auch  ]^'ü  nach  dem  Schluß  aninx  p'ü.  Der  Anfang  ist  Mecli. 
zu  Ex.  133  (19  a)  zitiert;  sm:m  miün  bnsn  bs^nist  Zitat  aus  Deut. 
1017  Neil.  932,  eine  Häufung  der  Epitheta  Gottes  über  diese 
biblische  Wendung  hinaus  wird  im  Talmud  streng  verpönt  (b.  Ber. 
33  a,  Meg.  25  a,  j.  Ber.  IX,  1  [12  d],Midrasch  zu  Ps.  19  [S.  82  b]).  Das 
folgende  "i"''-"  rs  stammt  aus  Gen.  1419,  in  Pal.  wird  auch  die  Fort- 
setzung "{""XT  a"''?2Tr  n:p  zitiert,  in  Vulg.  finden  wir  das  nur  im  Gebet 
am  Eingang  des  Sabbats  (§  15  S.  111),  sonst  werden  ynsi  ai'CTr  in  '"^Dn 
zusammengefaßt,  außerdem  ist  ai^rj  a"i~cn  biaiS  dazwischengetreten. 
r-^ns  ">icn  idit^  führt  zum  Thema,  der  Bund  Gottes  mit  den  Vätern 
bildet  die  Grundlage  für  alle  die  folgenden  Bitten.  Ebenso  wie 
2ni:n  ^snb  bsn^  N^ni21  fehlt  es  in  Pal.  Es  ist  auch  keine  rechte  Ver- 
anlassung, die  Zukunftshoffnung  hier  zu  erwähnen,  vielleicht  gescliah 
die  Betonung  der  künftigen  Befreiung  im  Hinblick  auf  den  christ- 
lichen Glauben  von  der  bereits  eingetretenen  Erlösung.  Saad.  liest 
2n^^nx  sriT":;  statt  an^:s  ^:nb.  p^ai  rr^inn^T^r  Y"^  soll  zur  Eulogie 
mit  i:;^  überleiten;  in  Pal.  statt  dessen  irniin^a  irnnx  i^ri  i::3i2 
■»"111  11"!  bD2,  bei  lt.  und  Seph.  hingegen  noch  je  ein  Epitheton 
mehr  (Varianten  Achtzehngebet  S.  49,  50.)  Die  Eulogie  an-QS  p73 
ist  bezeugt  durch  Sir.  51 12  g  im  Gegensatz  zu  rias  '.'^  im  Gebet  für 
den  Eingang  des  Sabbats  (§  15  S.  111);  sie  ist  im  Talmud  (b.  Pes. 
117  b)  und  Midrasch  aus  Gen.  122  hergeleitet.  In  den  10  Bußtagen 
wird  hier  2"'"^nb  i;"'DT  eingeschaltet.  Der  Talmud  kennt  dieses  Stück 
nicht  (ebensowenig  wie  die  andern  an  den  Bußtagen  hinzugefügten  Sätze), 
es  paßt  auch  nicht  hierher,  da  es  eine  Bitte  enthält.  Die  älteste  p]r- 
wähnung  geht  ins  IX.  Jahrhundert  zurück,  bei  Amr.  ist  i:iDT  bereits 
vorhanden  (44  b).  jedoch  noch  Hai  Gaon  (gest.  1038)  war  dagegen, 
Maimonides  kennt  es  als   Br'auch  einzelner,   auch  Manhig  nur  als 


44  Beschreibung  des  Gottesdienstes'i 

nordfranzösisclien  Brauch.  Später  wurde  es  für  verbindlich  erklärt. 
Den  Text  bietet  Amr.  51  b  mit  unbedeutenden  Varianten. 

IL  nmniJ  (Rosch  ha  Seh.  IV,  5)  Preis  der  Allmacht  Gottes,  so 
genannt  nach  dem  Anfang  mn:^  nrs,  dem  vielleicht  auch  einmal  bx" 
112:;"  als  Schluß  entsprach;  S'^rnn  r^inr  (Ber.  V,  2)  nach  derEulogie 
z-irrn  HTiTa  und  der  mehrfachen  Erwähnung  der  Auferstehung,  im 
Mittelalter  n^rra.  Die  nachdi-ückhche  Hervorhebung  eines  Glaubens- 
satzes im  Gebet  ist,  wie  (oben  S.  29)  bemerkt,  nicht  zufällig;  die 
heutige  wiederholte  Erwähnung  ist  nicht  ursprünglich.  Pal.  kennt  sie 
nicht,  das  Stück  lautet  vielmehr  in  einfachster  Fassung  TinSi  nrx 
n^n^  a^^n  '^DbD'a  airr^n  -i^iTaT  min  niffi^  ^r:iT  psi  pin  ttüd  rsi 
riTüinb  111  a^n:-.  Fast  scheint  es,  als  ob  die  Grundform  nS3  nrs 
r'iirinb  in  ain^n  nin)2  gelautet  hätte.  Alle  anderen  Fassungen 
—  selbst  Pal.  hat  eine  zweite  weit  wortreichere  —  erweisen  sich  als 
Erweiterungen,  Vulg.  als  eine  ziemhch  ausführliche  mit  Verwertung 
bibhschen  Materials  zur  Spezialisierung  der  Hilfstätigkeit  Gottes. 
Die  bibhschen  Anklänge  sind  in  diesem  Stücke  besonders  zahlreich, 
sein  Vorbild  findet  es  in  Ps.  146  7  ff.  und  ähnlichen  Stellen,  Erweite- 
rungen des  Textes  bei  Saadja,  in  Ozar  Tob  1877,  S.  11.  Der  Scliluß 
a-T^n  n^ma  in  Pirke  d  R.  E.  XXXI,  g.  E. 

In  diese  Benediktion  wird  gemäß  Ber.  V,  2  "i^lTai  niin  l-^TTia 
an? an  eingeschoben,  das  Taan.  I,  1  von  R.  Eüeser  (I.  Jahrhundert)  als 
a'^isirrii  nillj  zitiert  ist.  Die  Zeit  für  diese  Einschaltung  ist  nach 
der  gültig  gewordenen  Verordnung  vom  Musaf  des  Schemini-Azereth 
bis  zum  Musaf  des  I.  Pesachtages  (Taan.  I,  2).  Die  Gemeinde 
beginnt  es  in  alter  Zeit  erst  zu  Älincha  (Amr.),  später  hat  man  es 
vor  Musaf  ausrufen  lassen,  und  die  Gemeinde  begann  es  sofort  i  m 
Musafgebete  (Pardes  45  c).  In  Palästina  scheint  man  noch  andere 
ähnüche  mit  iN^aturerscheinungen  zusammenhängende  Sätze  gekannt 
zu  haben,  von  denen  aber  keiner  ins  Gebet  aufgenommen  wurde 
i^DTnb  a^^in  ll^^n  K^b  mmin  rL:i  (j.Taan.  1, 1,  fol.  63  d,  b.  Taan.  3  a). 
In  der  amoräischen  Zeit  (zuerst  bei  R.  Jochanan)  tritt  uns  der  Brauch 
entgegen,  daß  im  Sommer  b'jn  T^iTa  gesprochen  wh'd  (j.  Taan.  das.). 
Daher  weist  die  palästinische  Tefilla  diesen  Einschub  auf,  während 
er  in  Babylonien  unbekannt  war,  was  vielleicht  in  den  klimatischen 
Verhältnissen  begründet  ist.  Aim*.  kennt  ihn  nicht,  obwolü  er  irr- 
tümlich in  den  Texten  angegeben  ist.  Von  Palästina  ist  der  Brauch 
nach  Italien  übergegangen,    auffallenderweise    auch    nach    Spanien. 


|\\(H'llaiil   (Irr  Tt'filla  45 

In  Dciilscliland  war  vr  nie  oinjjfcführl ;  in  Fraiikrcicli  fclill  or  in  den 
l'riiliertMi  Jalirliiiiul(M-ten  (Vitry,  Esclikol),  später  aber  scheint  er  sicli 
eingebürgert  zu  liaben  (Manli.).  Manche  scheinen  dort  Sommer  und 
Winter  "^i:n  T^il^  gehabt  zu  haben,  ebenso  wie  der  kastilisehe  Ritus. 

Ferner  wird  in  den  zehn  Bußtagen  in  dieses  zweite  Stück  ITOD  '''ü 
eingefügt,  über  dessen  Ursprung  dasselbe  wie  oben  zu  i:i3T  zu 
sagen  ist.   Statt  ai^nin  nx  lesen  V.  u.  Maim.  'i,'cn'\r\  ns. 

111.  =rn  ni"-;p  (R.  ha  Scli.  IV,  5)  r-irnp  (b.  das.  32a)  nc^np 
(b.  Meg.  17 b)  nach  dem  Inhalt,  in  den  Poesien  des  Mittelalters 
irbca,  weil  es  das  dritte  Stück  ist.  Auf  den  Preis  der  Allmacht  Gottes 
folgt  der  seiner  Heiligkeit.  Der  Anfang  lautete  in  ältester  Zeit,  so  wie 
er  jetzt  im  Germ,  und  Seph.  nur  noch  am  Neujahrsfest  und  Ver- 
söhnungstag (=  2"^.-^i  n'H)  üblich  ist,  T^ac  XTir  nrx  vii-p.  Diese 
durch  Sifre  Dt.  343  (142  b)  gesicherte  Formel  erscheint  auch  in  Pal. 
Wir  gehen  kaum  fohl,  wenn  wir  vermuten,  daß  hier  als  Beleg  Jes.  63 
angeführt  war  und  daß  daraus  die  Keduscha  entstand  (vgl,  weiter 
§9a);  die  jetzt  übliche  Verbindung  von  113©  i5"n:i  nrs?  ©np  mit 
Jes.  5 10  nSj"»"!  liegt  in  Pal.  nicht  vor,  sie  ist  allerdings  durch  Pirke 
d  R.  E.  XXXV,  Ende  bereits  zu  belegen;  sie  paßt  besonders  für  die 
genannten  Feste  als  Tage  des  Gerichts. 

Amr.  hat  die  Fassung  aT^tJ  i"in:  i«in  ^d  >i?b  'n^-^'^-cr^  ^.i-r  ^'-: 

nrs,  dasselbe  bieten  die  Handschriften  von  It.,  jedoch  mit  der 
Variante  T"^^-  statt  'nz^brn;  für  D"Til  ~"-\  hat  Amr.  außerdem 
nrs<  irnp,  während  It.  nur  den  Belegv^ers  "n.""'"  hinzusetzt.  In  den 
Druckausgaben  von  It.,  in  Rom.  und  Carp.  lautet  der  Anfang  ^ri": 
irinp:  inr^ip  zi^ui:  n2::bi  ibta  l-^^:  m-ii,  der  Nachsatz  fnmn  ist 
derselbe  wie  oben;  während  It.  das  ganze  Jahr  hindurch  "^"nx 
-^::  m-^  behält,  setzt  Rom.  am  :"^^i  n"^,  dafür  T^iz:  "^m  "^^n: 
ein.  Eme  ganz  neue  Fassung  bringt  Seph.  mit  «r^-p  nrs?,  dessen 
Schlußsatz  Tibbni  ani  i::n  aiinipl  ebenfalls  auf  die  Keduscha  hin- 
weist; am  D"iii  ~"^  jedoch  folgt  auf  C^p  nrs«  noch  m""!  "ii"":; 
'ns'ib^n  (wie  Amr.,  jedoch  ohne  Tnnr^)  und  außerdem  mp 
"QtD  S"n:"i  nrs.  Alle  diese  Riten  machen  keinen  Unterschied  zwischen 
der  stillen  Tefilla  und  der  des  Vorbeters.  In  Germ,  hingegen  (schon 
in  V.)  wird  ein  solcher  gemacht,  in  der  stillen  Tefilla  wird  r^'p  nri« 
verwendet,  hingegen  wenn  der  Vorbeter  die  Keduscha  rezitiert  hat, 
Y-^r'  ^rr.  -:-n  n-n"-;  am  3"Tn  ~"-^  außerdem  ^rc  s^ir  nrs?  mp. 


45  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Zum  Text  von  mp  nrs  ist  zu  bemerken,  daß  Saadja  TOi"p  Tidtt 
hinzufügt,  Pers.  auch  noch  D-iffimp  T'^mic^ai.  Seph.  hat  außerdem 
aus  -ii-n  nnb  den  Schkißsatz  r.rs5  mpT  '^IIj  V12  bs5  "»D  aufge- 
nommen; Abudraham  beklagt,  daß  die  unwissende  Menge  diesen 
Satz  nicht  beachtet,  seüie  Klage  blieb  jedoch  vergeblich,  der  Satz 
wird  bis  heute  nicht  gesagt;  beachtet  man  die  Fassung  der  folgenden 
Benediktionen,  so  ist  man  geneigt,  ilm  für  alt  zu  halten. 

Die  Eulogie  lautet  Trnpn  bi^n  j.  Rosch  ha  Schana  IV,  6  (59  c), 
b.  Ber.  12  b;  in  den  zehn  Bußtagen  hingegen  fnp"  iblZTi  (b.  das.), 
jedoch  wurde  diese  babylonische  Änderung  in  Palästina  nicht  be- 
achtet, m  aUen  Genisafragmenten  finden  wir  ausnahmslos  xSn 
TEi^pn.  Bei  der  Wiederholung  der  Tefilla  wird  hier  die  Keduscha 
eingefügt,  vgl.  darüber  weiter  §  9  a. 

4,  Es  beginnen  nunmehr  dienTri25?  (scU.  r^z'^n),  der  mittlere 
Abschnitt  der  Tefilla,  welcher  die  Bitten  rr-"i:r  ]D^-I  (j.  Ber.  11,  4) 
enthält.  Ihnen  wii'd  keine  bestimmte  Zahl  beigegeben,  weil  die  Zald 
schwankte,  weil  es  gestattet  war,  einzelne  gesonderte  Eulogien  zu 
sprechen,  wo  es  üblich  war,  melu'ere  zusammenzufassen  (vgl.  z.  B. 
Xr.  XIV  und  XV).  Man  sagte  von  ihnen  ferner,  daß  ilire  Reihenfolge 
nicht  bindend  wäre  (b.  Ber.  34  a  "nc  ]rö  "{"»s?  r"i"'""j:i25?).  Auch  feste 
Xamen  sind  für  sie  niclit  vorhanden,  die  Xamen  schwanken,  für 
einige  Stücke  kommen  im  Talmud  überhaupt  noch  keine  vor. 

IV.  heißt  in  der  j\Iischna  (Ber.  V,  2)  r"~~  ];":"  nach  dem  Scliluß, 
im  Talmud  nri  (b.  Meg.  17  b),  auch  ny^^  (j.  Ber.  II,  4)  und  rsnn 
n^Dn  (b.  Ber.  33  a)  nach  dem  Inhalt. 

Die  erste  Bitte  ist  die  um  Einsicht,  Erleuchtung  (vgl.  das  Gebet 
Salomos  I.  Kön.  39 — 12=  IL  Chr.  110).  Der  Talmud  zitiert  aus  der 
Bitte  n^"^-  'rrn  (j.  Ber.  das.),  entsprechend  lautet  Pal.  Tiy^i  irrn 
"""ini  rrirrn  -rs  irs^^s.  In  allen  anderen  Quellen  findet  sich 
vorher  die  überflüssige  hymnische  Einleitung  mit  "i""  nrsJ,  ferner 
findet  sich  statt  bDTi*"  und  ~:il  häufig  ~i2Dn  (vgl.  Amr.  und  Baer). 
Pers.  hat  auch  lüer  wie  in  den  meisten  folgenden  Bitten  einen  Ab- 
scliluß  nrs?  "(larfn  rt""  bs  12.  Die  Eulogie  r"""  ]:-\ri  bringt  bereits 
die  Mischna  (s.  oben). 

Am  Ausgang  des  Sabbats  wird  hier  die  n^";^"  eingefügt  (Ber. 
V,  2);  zwischen  die  beiden  ersten  Sätze  tritt  "iirriin  nrs.  Über 
den  Ursprung  des  Habdala  vgl.  §  19,  ihr  Inhalt  ist  aus  j.  Ber.  V,  2 


VVorllaiil  »i.T  Ti-rill  a  47 

(9  1))  und  b.  Pes,  104  a  zu  cntnohmon.  Vom  Wortlaut  findon  wir 
in  j.  Ber.  a.  a.  0.  (9  c)  Tai":  T"'-^  ^^i^  '3  s«^^n  "^  ZZ2  --tt  '-^  rr-ai"^  n 

Wörtlicli  ist  dioso  Fassung  nirpjcnds  wiederzufinden,  mit  einif^en  Andc- 
runcjon  in  Germ.  (Baer  301);  Amr.,  Maim.,  Sej)!!.,  It.  und  Rom.  haben 
an  Stelle  dieser  Bitte  eine  andere  (babylonischen  Ursjjrungs  ?)  2Tr3i 
.  .  irnnL^r  -d  .  .  .  nsna^n  ^-ay^  ■irrr-innc,  die  in  Sepli.  noch  etwas 
erweitert  ist.  Der  Anfan^ij  der  Einschaltung  lautet  in  Ann-.,  It.  und 
Rom.  rbinn  nrj?.  In  (lerm.  be<;innt  dieser  Satz,  die  eii^eiitliche  Hab- 
dala,  mit  b"Dn,  denn  hier  wird  vor  der  Habdala  der  erste  Satz 
der  Benediktion  in  anderer  Fassung  noch  einmal  wiederholt  ^^^« 
•::r::in;  es  wurde  lange  darum  gestritten,  ob  das  nötig  wäre,  und 
obw^ohldie  maßgebenden  Kodifikatoren  sich  dagegen  erklärten,  wurden 
beide  Sätze  beibehalten.  Selbst  in  Seph.  fand  das  Eingang,  bei  Abudr. 
findet  es  sich  noch  nicht. 

V.  r^2^^r  (b.  ;Meg.  und  j.  Ber.  das.).  Die  Eulogie  nmrrn  r.snnn 
in  Midr.  Ps.  292  (116  b),  wofür  auch  die  zusammenfassende  Formel 
■^irn^rrn  --2^  in  j.  Ber.  das.  und  IV,  3  (8  a)  zeugt.  Auf  die  Bitte 
um  Erkenntnis  folgt  diejenige  um  religiöse  Erneuerung.  Der  Text 
der  Bitte  besteht  in  Pal.  nur  ausTlir.  521  ffi-in  nmirrn  ^ibsi  '-;  r.2^irr^ 
ZipD  ^i'^^'ü'>.  Vulg.  bietet  drei  Bitten,  die  in  allen  Texten  wieder- 
kehren; alle  frühmittelalterlichen  Quellen  haben  eine  vierte  Bitte 
T"^r^::m  "ipnv,  so  noch  heute  It.,  Rom.;  Saadja  fügt  außer  dieser 
Bitte  noch  ir-fS  "^D  (wie  in  Nr.  VI)  ein. 

VI.  n-ibc  (das.),  die  Bitte  um  Vergebung,  schließt  sich  eng 
an  die  ~nTr  an.  Der  Inhalt  ist  zusammengefaßt  in  die  Worte  nrc 
':'::  (j.  das).  Der  Text  in  Pal.  zeigt  engeren  Anschluß  an  die  Bibel, 
die  zweite  Bitte  lautet  T'^y  -T.'ü  ir"CE  inrm  nni2  nach  Ps.  513, 
deren  Begründung  T^^an-i  s-in"!  "id  erinnert  an  Ps.  119  löG.  In  Vulg. 
lautet  letztere  nrs  nbci  nrj  bs  ^D,  nur  in  Germ,  nrs  nbici  bm'a  "'S 
(V.  bmia  i'^'ü  bs5  -»D),  was  offenbar  aus  Ps.  865  verkürzt  ist,  wie  tat- 
sächlich in  Oz.  T.  zu  lesen.  Eine  auffallende  Vermischung  von  Pal. 
und  Vulg.  bietet  Pers.  Die  Eulogie  lautet  mrc':;  ~3""52  in  j.  R.  ha  Seh. 
IV,  6  (59  c)  und  in  der  (kaiirischen  ?)  Poesie  TTC3  bs  -»is  zum  Ver- 
söhnungstage, so  auch  in  Pal.  nbcb  n2""2~.  die  übliche  Eulogie  ""in 
n-'bD":;  nn-C"  schon  in  Midr.  Ps.  292  und  in  allen  Riten;  "n""^"  "in 
nbcb  in  REJ  LIII. 

An  Fasttagen,  mit  Ausnahme  des  9.  Ab,  werden  in  dieses  Stück 


48  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

schon  bei  Amr.  Selichot  (vgl.  §  33)  eingeschoben;  die  Überleitung 
zur  Eulogie  lautet  dann  :n^i  n:D  i:-in:sn  r.s  ii7l  SDn  id:?^  bsi 
i:"^rn2l7  ^d"^.  In  diesem  Falle  hat  selbst  Germ,  den  alten  Schluß  "'S 

VII.  nblSj  (b.  Meg.  u.  j.  Ber.  das.).  Über  die  Bedeutung 
dieser  Bitte  vgl.  oben  S.  35.  Der  Anfang  stammt  aus  Ps.  119143  f., 
nur  sind  die  Verse  in  den  Plural  umgesetzt,  wie  es  bei  einem  Gemeinde- 
gebet natürlich  ist.  In  Pal.  folgt  sofort  die  Eulogie;  Vulg.  fügt  hinzu 
nnsi  prn  :i5\'.  ^d  (V.  und  Yem.  nns«  prn^  bi^i^  Y:t2  bs?  ^3),  Seph. 
liest  1)2Tr  "irri:  -I2:c  n:^i?:*  i::i5S:  nni2i,  ähnlich  schon  Midr.  Tann. 
S.  209  T-^'^^  ni2:r  rc^iüj  -rnbs«'-;  n::i5.-  (wofür  auffallend  genug  in 
Sifre  Dt.  §  343  a^^^Oi«  "^rr  steht.)  Saaa.  und  Maim.  haben  noch 
eine  Bitte  i::"""  ""i.  Eine  starke  Erweiterung  bietet  Oz.  T.  Unser  bsia 
bi^nt^"!  (Jes.  49  7)  ist  als  Eulogie  bereits  in  Sir.  51 12  e  zu  lesen,  vgl.  Taan. 
IL  4,  b.  Pes.  117  b.,  j.  Ber.  II,  4. 

An  Fasttagen  fügt  der  Vorbeter  an  dieser  Stelle  r'^Z^r  rbsn 
(b.  Taan.  11  b),  das  Gebet  ^"~  ein.  Der  alte  Text  ist  j.  Ber.  IV.  3. 
(8  a),  j.  Taan.  II,  2  (65  c)  mitgeteilt,  keiner  der  gebräuchlichen  Texte 
stimmt  völlig  mit  diesem  überein;  am  nächsten  kommt  ihm  Germ., 
hier  ist  die  einzige  Fassung,  die  die  talmudische  Schlußformel  von 
122:7  immer  beibehält,  die  Bezugnahme  auf  Ps.  10728  fehlt  allerdings 
auch  hier,  sie  findet  sich  nur  in  Rom.  Hingegen  haben  alle  Texte 
einen  anderen  Schlußsatz  n:7n  nns5  sinps  ani:  (It., Seph.)  oder  aiü 
"22"  T^ibs?  55"*p2  (Germ.,  schon  V.)  mit  Berufung  auf  Jes.  6524,  der  im 
Talmud  das.  den  Schluß  des  kurzen  Gebets  '22">n~  bildet.  Die 
Eulogie  m::  m  n2i:7n  bereits  in  der  Mischna  (Taan.   II,  4). 

VIII.  ns^s^  (b.  Meg.  das.),  5^b^n  rs^n  (b.  Ab.  Sar.  8  a)  oder 
n-ö^n  iCST'.  (j.  Ber.  II,  4),  eine  Bitte  um  physische  Kraft,  die  erste 
Bitte  um  ein  materielles  Gut.  In  Vulg.  in  allen  Fassungen  ist  der 
Anfang  Jer.  1714  entnommer,  jedoch,  wie  es  sich  beim  Gemeinde- 
gebet versteht,  in  die  Pluralform  gesetzt.  Pal.  dagegen,  der  sich  sonst 
weit  enger  an  die  Bibel  anschließt,  liest  hier  ■'2"iribs  '"  i2S?ID"i 
isiniDüb  niiis^  nbrni  [i2^ü  nnj-  nn2i5i  |i:;^i]  12:1:  n^s«2^r  oder, 
wie  in  REJ  LIII,  '^  ::b  nsis^  nbrm  SS-'2''  '■"  i2i«E"i;  ob  diese 
auffällige  Abweichung  von  der  Stilisierung  ursprünglich  oder  eine 
spätere  Änderung  ist,  läßt  sich  vor  erst  nicht  feststehen.  Die  letzte  Bitte 
n57m  kehrt  in  Vulg.  überall  wieder,  freilich  mit  dem  Zusatz  ms^C 
zu  nsi£"',  wofür   Seph.   (gegen  Abudr.)  SS"^^1  "DT'S«  liest.    Xeben 


Wortlaut  dfi-  Tffilla  40 

"irmstjbDb  haben  Amr.,  V.,lt.,Seph.,Kom.  ir^lbnn  bD:»,  was  durch 
Ps.  103."?  gerechtfertigt  wird,  Maini.  (Yem.)  nur  dieses,  Seph.  außer- 
dem noch  "^rms:^  bsb.  Die  ]>egründuiig  nrx  ]'C7i'^  ül^^  :s  "^3  überall 
seit  Anir.,  freilich  ist  meist  noch  ps:  und  in  Germ,  ib^s  eingefügt. 
Die  EuU)gie  lautet  in  j.  Her.  (1.  c),  Kschkol  I,  19  a^bin  sei-i,  in  allen  be- 
kannten Texten  im  Anschluß  an  b.  Schabb.  J2ab6«T"'  "tzy  ibtn  iJE'"'; 
in  den  Reformgebetbüchern  ist  die  alte  Fassung  wiederhergestellt. 
In  der  amoräischen  Zeit  wurde  gestattet,  Privatgebete  für  Kranke 
vor  Y-''2  bs  ■'D  einzufügen  (b.  Ab.  Sar  8  a,  b.  Ber.  31  a);  solche  Texte 
sind  bei  Baer  S.  91  zu  fmden. 

IX.  a-iSTCn  nDnn  (Ber.  V,  2),  a^:rn  T^^  (j.  Ber.  IJ,  4),  Bitte 
um  Segen  der  Feldarbeit,  um  Gedeilien  der  Frucht  des  Bodens.  Die 
kürzeste  und  emfachste  Fassung  hat  Germ,  (schon  V.)  erhalten.  It. 
hat  den  Sclüuß  von  is^mri  an  ein  wenig  erweitert,  Pal.  bringt  schon 
den  fremden  Gedanken  der  Erlösung  hinein  durch  die  Bitte  n"ipT 
irrbis.";  yp  rrir  rnnia.  —  In  aieses  Stück  wird  auf  Grund  von  Ber. 
V,  2  die  Bitte  um  Regen  nbs^r  eingefügt.  Der  Beginn  dieser  Einschal- 
tung kann  gemäß  der  Angabe  des  Talmuds  (b.  Taan.  14  b)  ver- 
schieden sein  (vgl.  Achtzelmg.,  S.  44  und  Hai.  Ged.  175);  jetzt  ist 
sie  laut  b.  Taan.  10  a  vom  Abend  des  4.  oder  5.  Dezember  bis  zum 
Pesachfeste  gebräuchlich.  In  It.  wird  die  Bitte  dadurch  erledigt, 
daß  zu  HDnnb  b"j  in  im  Winter  i'J'ai  hinzutritt,  in  Germ,  wird 
statt  "Dia  "jn  des  Sommers  im  Winter  "Diab  "i"j'a"i  bi:  ^m  gesetzt. 
Nach  Midr.  Lek.  Tob  zu  Gen.  123  (29  b)  scheinen  diese  Worte  sämt- 
lich dem  gewöhnlichen  Gebet  anzugehören;  so  erscheint  der  Text 
auch  in  Pal,  während  dort  im  Winter  rra^i^n  "^re  b"  'isn  ^i2Tj  "m 
gesetzt  wird.  Alle  genannten  Texte  erhalten  die  Regenbitte  durch 
eine  geringe  Änderung  der  sonst  üblichen  Bitte,  was  zweifellos 
der  Bestimmung  der  Mischna  entspricht.  Nur  Seph..  nach  den  Ausg. 
schon  Amr.,  hat  zwei  völlig  verschiedene  Stücke,  em  kurzes  für  den 
Sommer,  das  dem  in  It.  üblichen  ähnlich  ist,  und  ein  sehr  ausführ- 
liches für  den  Winter.  Den  Text  findet  man  bei  Maim.  im  Verzeichnis 
der  Gebete:  Amr.  kann  diese  Trennung,  nach  der  dort  8  a  angeführten 
Regel  zu  schließen,  nicht  gekannt  haben.  Gegen  die  Trennung  vgl. 
femer  Manh.  §  56 ;  vielleicht  wurde  sie  durch  die  Erlaubnis  des  Tal- 
muds 2^:rn  rr-'aa  ^^'S  ncr^cb  t^-z  as?  veranlaßt  (b.  Ab.  Sar. 
8  a,  aus  dem  III.  Jalirhundert),  tatsäclilich  sind  auch  solche 
Einschaltungen  mit    besonderen   Bitten  um  Ertrag  der  .\rbeit  des 

Elbogen.   I>or  jiid.  Gottesdienst.  * 


50  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

einzelnen  vorhanden.    Die  Eulogie    a^:rri  "j-nT:   nach  j.    Ber. 
II,  4  in  allen  Texten. 

X.  niiba  ^inp  (b.  Meg.  das.).  Die  Bitten  um  materielle  Güter 
sind  erledigt;  es  folgen  diejenigen  um  nationale  Güter,  zunächst  die 
um  Sammlung  der  Zerstreuten.  Das  Stück  ist  an  die  Bibel  angelehnt 
(Jes.2713;  1112).  Pal.  schließt  mit  ^rm^lbü  ppb,  R.  E.  J.  LIII  mit 
-l^np"::,  in  beiden  fehlt  der  letzte  Satz  i:::spl  Alle  Texte  außer  Germ, 
(doch  auch  V.)  lesen  am  Schluß  i:::^i«:,  dies  fehlt  ebenfalls  in  den 
Hss.  von  Amr.,  wo  der  Satz  abweichend  lautet:  irrT^irJj  f  np^  02  b?1U"i 
f  li?-  riEiD  r3^ST2  -ni  n:^3p:  ^'-n  s^pT  (Oz.  T.  i:rr:nb  mm  xnpn). 
Die  Eulogie  bs^iTU^  "^m:  'f2'pi2  im  Anschluß  an  Jes.  568  findet  sich 
schon  Sir.  5112  f,  vgl.  j.  Ber.  II,  4.  In  den  Gebetbüchern  heißt  es 
überall,  auch  in  Pal.  bsrnr^  "1)2^  ^m:  nach  Midr.  Ps.  292.  In  den  Reform- 
gebetbüchern haben  diese  und  die  folgenden  nationalen  Bitten 
wesentliche  Veränderungen  erfalu-en,  die  Erlösung  und  die  messia- 
nische   Zukunft  sind  rein  geistig  gefaßt. 

XI.  hat  keinen  bestimmten  Xamen  und  wird  im  Talmud  nach 
dem  Anfang  isiirsir  n^'^irn  genannt  (b.  Meg.  das.),  erst  in  einer 
späten  Quelle  findet  sich  dafür  "JSrr  rs^n  (Chan.  z.  St.).  Der  Inhalt 
wird  durch  p"ii:n  nrjsr  und  "irr:  rin  (j.  Ber.  II,  4)  oder  T"  mr": 
a'ir''CiD  (b.  Meg.  das.)  oder  im  Habinenu-Gebet  durch  V'"  a"^"ir'i 
■jiEirb  (j.  Ber.  IV,  3)  bezw.  ■'•L:sir"i  ("r"nn)  "m  '':■:/  z-^rir-":  (b.  Ber. 
29  a)  wiedergegeben.  In  den  verbreiteten  Texten  fehlt  ein  auf  das 
Gericht  an  den  Frevlern  bezüglicher  Satz,  die  Bitte  bezieht  sich  aus- 
schließlich auf  die  Einsetzung  gerechter  Richter  und  Befreiung  von 
ndischem  Druck  (ob.  S.  33  f.),  Rom.  allein  hat  einen  Schluß  bä?"! 
l"|";n  ■i:"ir'^r  s:,  der  an  die  alte  Fassung  erinnert.  Die  erste  Bitte 
ir-JöTT  nn^ir-  knüpft  an  Jes.  126  an.  Saad.,  REJ  LIII,  327  haben 
niu-  diesen  Satz,  schon  Pal.  fügt  1~nb  nri«  ^Z'^^"  "ib'ai  [""ibisr^  B] 
hinzu.  Die  in  Germ,  (schon  V)  und  Seph.  dazwischen  getretene  Bitte 
"I'ö'a  ncm  stört  den  Zusammenhang;  sie  fehlt  auch  in  It.  Rom.  und 
Amr.  Am  Schluß  fügen  It.  und  Amr.  hinzu  p"!"j:i  2il2nnni  "onn 
-osü^m  (Seph.  fehlt  ^onn),  vgl.  Hos.  221;  Rom.  und  Germ,  (schon  V) 
-L:srT2n  i:pn::n  a^isn^ni  ^onn.  Die  Eulogie  lautet  "jsr-cn  nr.ii«  in 
Pal,  "L:£ffi'an  bi?-  bei  Alfasi,  das  babylonische  "jetttst  -'p-i:z  nmx  ""-^ 
(Ber.  12b  vgl.  Ps.  33  5)  findet  sich  in  allen  Texten  der  Gebetbücher. 

In  den  zehn  Bußtagen  wkd  die  Eulogie  nach  Ber.  12  b  in  J^'n^ 
•JEfcn  geändert.     Zu    der    sprachlichen   Schwierigkeit   dieser   Ver- 


Worlli.iil  ilcr  'rclillii  51 

jiiuliin«;  v^l.  Jos.  :5ll  iiiul  Sil.  ||.  Kein.  |()17,  Jcr.  'M:v.)  (lliisclii  zu 
Bor.    lL>l)). 

XII.  S^r-cr.  rz-'n  I).  Her.  28  b,  vn,!.  oben  S.  iiillt'.  Dieses  Stück 
lat  die  meisten  Anderiiiip;en  erfahren,  neben  der  nanirüelieii  Kin- 
,virkiin<]:  der  Zeit  liaben  die  i!;e\vallsanien  Kinjuritfe  der  Zensur  seinen 
iVürtlaut  beeinl'liißt  und  uni<>estaltet.  Ob  es  je  gelingen  wird,  den 
irsprünglielien  Wortlaut  wiederzufinden,  ist  mehr  als  fraglieh.  Im 
ijanzen  Mittelalter,  so  noch  im  Keueiilin-Pfefl'erkornschen  Streit, 
,vird  als  Anfang  des  Stückes  das  Wort  D"'~'a"TL"^b"  zitiert,  das  sich 
lur  noch  in  einem  einzigen  heute  gebräuchlichen  Gebetbuche  erhalten 
lat,  dem  von  Yemen,  das  auch  in  dem  sehr  seltenen  deutschen  Machsor 
Niloniki  1580  und  Rom.  vorhanden  ist.  aber  in  Hss.  sich  vielfach 
indet.  Ferner  mußte  —  wovon  der  Xame  entlehnt  ist  —  2^n2  vor- 
kommen. Nach  den  Angaben  der  Kirchenväter  war  übeidies  die 
Erwähnung  von  ^"^^'22  zu  vermuten,  was  die  Handschrift  Oxford 
/on  Amr.  bietet.  Endlich  mußte  auf  Grund  der  Eulogie  D"^-T  7"':3'a 
nn  ähnlicher  Ausdruck  auch  in  der  Bitte  erwartet  werden,  dem  ent- 
spricht "ipjn  nnn^n  "jinT  pt^^t  in  Amr.  Cod.  Sulzberger,  in  It., 
Rom.,  Yem.  Alle  diese  Elemente  bietet  Pal.  mpr  ■^-r  rs  a^iia^riab 
'-zi?-'  7:;"^.D  aTrm  a^"":::-:  ":ii2^n  '•'p:^r  rr-12  "i-t  r^D^'c^,  wozu 
ils  Abschluß  noch  Ps.  6929  mr:^  bi«  a^p-^ns  a:7i  a^'^nr.  ibd)2  in^i 
ünzutritt.  Damit  stimmt  auch  das  Fragment  in  REJ  LIII,  238. 
soweit  es  erhalten  ist,  überein. 

Diese  Formel  wurde  mit  der  Zeit  nicht  mehr  verstanden  und 
iarum  geändert,  zum  Teil  auch  aus  Rücksicht  auf  christliche  An- 
klagen umgewandelt.  Bezeichnend  ist  der  aus  ..Haliinenu"  bekannte 
d^usatz  in  Amr.  Cod.  0.  -r-'-^nb  ^a'r-'  s:  as«.  ]\Ian  beseitigte  ferner 
üe  im  Stücke  genannten  Kategorien  von  Gegnern  der  Vorzeit  und 
:'rsetzte  sie  durch  Bezeichnungen  für  die  zu  allen  Zeiten  zahlreichen 
Judenfeinde  im^s  ':::%  "i^-  ^i^s?  :3i,  T^n-^s«  :3',  '^'cpi  an^n^s«^ 
ITT-'  '127  ■»TIS  bDT  und  wie  die  Ausdrücke  sonst  lauten,  die  man  bei 
Baer  vereinigt  finden  kann.  Zu  diesen  neuen  Bezeichnungen  gehört 
[\uch  das  Wortt  a^rrb^b".  das  heute  in  Vulg.  an  der  Spitze  steht, 
L'in  gut  biblisches  Wort  (vgl.  Spr.  30  in)  ist  und  dem  mit  a^r'C  häufig 
zusammen  vorkommenden  r"nicr  oder  a->nDi'2  entspricht.  Das 
Wort  ist  nicht  erst  der  Zensur  wegen  aus  a^!"'^  erweitert,  denn  beide 
finden  sich  nebeneinander  in  unzensierten  Texten  und  Handschriften. 
Die  Eulogie  lautet  nach  dem  pal.   Talmud  und  Midr.   W^iy  ""»rs'c 

4* 


52  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

(s.  ob.  S.  38),  ebenso  in  Pal.  und  im  Piut  für  den  Versöhnungstag 
Mi  el  kamoka.  Midr.  Ps.  292  hat  dafür  a^n^i«  nmir  (babyl.).  In  allen  be- 
kannten Gebetbuehtexten  seit  Amr.  steht  beides  zusammen,  jedoch 
bei  Ami*.  Saad.  Maim.  Yemen  a">"Trn  illir.  In  neueren  Gebet- 
büchern ist  der  Text  vielfachen  Änderungen  unterworfen  worden,  die 
Vernunftgemäßeste  ist  die  völlige  Streichung,  wie  es  im  Berliner  Ge- 
betbuch der  Fall  ist. 

XIIL  Der  Xame  a"'p"'~::  rD^n  findet  sich  zuerst  im  Kommentar 
R.  Chan,  zu  Meg.  das.  Im  Gegensatz  zum  Vorangegangenen  bildete 
XIII  eine  Bitte  für  die  Frommen  (a^p^-i^n  "j-^p  n^aTi  Meg.  das. 
a'^rraf  a'^p'^'i^n  j.  Ber.  II,  4)  und  für  diejenigen,  die  sich  dem  jüdischen 
Volke  als  Proselyten  anscliließen.  Sie  erwähnt  in  ihrer  ältesten 
Fassung  neben  'a'^i^  auch  a'^SpT,  die  Ältesten  als  Vertreter  der  Be- 
hörden (Tos.  Ber.  III,  25  j.  das.).  In  Pal.  ist  das  Stück  kurz  formu- 
liert, ^"i«n  "iDi::!  ^TTir-  a7  Sir:  iDr  i:b  --'  'i^'ann  iia-^  "pTir^  "^^y  :r 
aipi"::"^  ni^Sia,  wobei  allerdings  auffällt,  daß  a'iIpT,  was  die  Quellen 
fordern,  felüt.  Auch  in  den  mittelalterlichen  Quellen,  in  It.  und 
Rom.  wird  es  vermißt,  erst  in  Germ,  (schon  V.)  und  in  jüngeren  Aus- 
gaben von  Seph.  erscheint  es  wieder.  In  Germ,  und  Seph.  ist  neu  die 
Erwähnung  von  ailöio,  die  schon  Raschi  kannte.  Statt  des  Ausdruck? 
an^isio  (n^n)  n-jbs  byi  hat  It.  :snr^  r^n  -^2-  rv^r^t  :-n,  wofür 
wiederum  Amr.  (Cod.  0.)  Maim.  und  Seph.  r^n  ^r"  n^nsc  br" 
bi?"!®^  lesen.  Germ  und  Seph.  (schon  Abudi'.)  fügen  ferner  noch 
IS'^bS'l  ein,  Rom.  beginnt  mit  n^cnn  b"  und  liest  dahinter  nur  br 
iD-^brn  pnsn  ^na  bri  a^p^is:-  Die  zweite  Bitte  nr.:  nsr  im  wurde 
gleichfalls  erweitert,  es  kam  statt  "iib  eine  Wendung  hinein,  die  der 
Eulogie  entspricht  riasin  "iTatcn  aini::3n  b:b,  die  persönliche  Bitte 
kam  in  arrcr  i:pbn  a^ffil  zum  Ausdruck,  und  schließlich  trat  als  Ab- 
schluß wiederum  unter  dem  Emfluß  der  Eulogie  "a  "'S  na;  sb  abl"b- 
n:n  i2a  hinzu.  Entgegen  der  alten  Überlieferung  ziehen  die  jüngeren  Texte 
von  Germ,  abirb  hinauf.  Für  den  Wortlaut  am  Scliluß  waren  Ps.  22  ti 
und  252  maßgebend.  Wie  AviUkürlich  an  dieser  Stelle  erweitert  wurde, 
zeigt  die  tJberlieferung  des  Schlusses,  wo  It.  noch  a^^bl"  "b^>  Franz. 
Seph.  und  Rom.  T.^^IO':  (n^sa  bl^isn)  'iicn  bsn  hinzufügen.  —  Die 
Eulogie  lautet  in  Tos.  Ber.  III,  25  a^p^lisb  n-u:aT2,  ebenso  in  Pal.  und 
im  erwähnten  Piut  "1723  bs?  "»y;  in  Vulg.  hingegen  nach  Midr.  zu 
Ps.  292  aipi^sb  n-ja^i  -js^irr. 

XIV.    Ein  alter  Name  fehlt,  die  Bitte  jedoch  ist  alt,  sie  hatte 


Wurllaut  (lor    Ti-filla  53 

zuerst  die  Eulogie  ""^^3  "n-'^n  (Sir.  5112  m)  oder  TT^sn  pirn 
(j.  JomaVll,  1,  441));  später  jedoch  wurde  sie  in  eine  Fürbitte  für 
aie  zerstörte  Stadt  und  die  Wiedercrhauuiig  des  Tempels  (j.  Ber.  II,  2 
irr^n  n:n)  umgewandelt.  Damit  wurde  die  Bitte  für  den  Messias  aus 
dem  Hause  Davids  verknüpft  (j.  Ber.  lV\5,8c),  und  die  Eulogie  lautete 
z-'ircTi^  n:nn^  -rn  ^n:i«  (j.  [{.  ha  Seh.  IV,  ö,  59  c  und  pal.  Midr.).  Dem 
entspricht  die  Fassung  in  Pal.,  die  noch  bei  Saad.  (bis  auf  die  Eulogie 
natürlich)  ziemlich  wörtlich,  sogar  in  einfacherer  und  ursprünglicherer 
Form  erhalten  ist  '^:y^  -"0^7  cttti^  :ji  1^7  mr^  '^yz  nr:7  'bs  '-;  ann 
. . . .  in-^Tcr  mi  n^a  m^bü  b^T  [1217^  byi  ^b^^n  b7i]  "ninD  pc^  ■jT'S 
Dbmi  n:ia  mn  'bs?  •'"5?2.  Die  Formulierung  verdient  schon  darum 
den  Vorzug  vor  der  üblichen,  weil  sie  mit  anderen  Gebeten  des 
gleichen  Inhalts  die  größte  Ähnlichkeit  hat,  auch  die  Aufzählung  findet 
sich  dort  wortgetreu  wieder.  In  der  durch  Punkte  angedeuteten  Lücke 
steht  eine  Bitte,  an  der  bereits  die  Überarbeitungen  bemerkbar  werden; 
in  Pal.  lautet  sie  '{^D-^n  bbDTT  m^n  n:n,  was  wiederum  durch  Ana- 
logien gut  belegt  ist,  bei  Saad.  hingegen  schon  im  Sinne  der  späteren 
Fassung  "BTi"i  rs?  a"iT2n"Q  nrm.  Die  umfassendste  Überarbeitung 
weist  der  verbreitete  Text  auf,  in  dem  kaum  noch  eine  Erinnerung 
an  den  ursprünglichen  Wortlaut  vorhanden  ist,  nur  der  Satz  s^czi 
r^r  riDirb  n-inr  "i"  in  Germ,  und  Seph.  (noch  nicht  bei  Abudr.) 
deutet  auf  die  ehemalige  Vereinigung  von  XIV  und  XV.  Die  Bitte 
in  XIV  wurde  in  eschatologischem  Sinne  umgeändert,  auf  die  Rück- 
kehr der  göttlichen  Majestät  nach  Jerusalem  bezogen,  sie  lautet 
n-c-  s^rnin  ^n^r  a^br.'T'bi  (It.  Germ.)  oder  a^bir-i^  lim  iiDcr 
"■'"'>  (Seph.  Yem.);  das  letztere  erinnert  an  Sech.  8  2.  Amr.  und 
Rom.  fangen  mit  "l"!"»;?  'binii  77  an,  was  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  noch  von  dem  Anfange  mit  am    herstammt. 

Wörtlich  erhalten  ist  die  Formel  mit  ann  in  der  Einschaltung 
für  den  9.  Ab,  wie  sie  j.  Ber.  IV  3  (8  a)  gegeben  und  von  Aim*.,  lt. 
und  Rom.  übernommen  ist,  allerdings  haben  alle  drei  mitten  in  den 
Text  von  j.  Ber.  VI  3  eine  Bitte  um  Wiederaufbau  der  zerstörten  Stadt 
rpi"!  T"'S5'2  --j^pm  --'E-r  'S  '-  "■'.-:  eingefügt.  Die  Bitte  wii-d 
dort  in  allen  drei  TefiUas  eingefügt.  Ilu'  steht  c*ie  Fassung  an:  m 
einer  Handschrift  von  Ann-.,  in  Seph.  und  Germ,  gegenüber,  die  voll- 
ständig überarbeitet  ist ;  sie  geht  auf  Saad.  zurück  und  wird  nach  seiner 
Anordnung  nur  zu  ]\Iincha  verwendet.  Eine  eigenartige  Verbindung 
beider  Formeln  hat  Maim. ;  er  läßt  am  9.  Ab  XIV  vollständig  aus- 


54  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

fallen  und  ersetzt  es  durch  ein  an^.  dessen  Text  am  Anfang  Amr., 
später  Sepli.  ähnlich  ist.  Im  Mittelalter  wurde  es  vielfach  so  gehand- 
habt, daß  2n^  am  Abend  und  Morgen,  an:  zu  Mincha  verwendet 
wurde.  Die  Eulogie  TTrii"'  ~:"in"i  ^Vl  arü^a.  die  zusammen  mit 
dieser  Einschaltung  in  It.  und  Germ,  gebräuchlich  ist,  stammt 
ebenfalls  aus  palästinischer  Quelle.  In  It.  werden  am  9.  Ab  die  Ke- 
robot  bei  XIY  erweitert  und  alle  Kinot  an  dieser  Stelle  eingeschaltet 
(§  32),  an-,  bildet  den  Abschluß  für  die  Kinot. 

XV.  Den  Namen  "i^^i  "Dil  hat  erst  Chan,  zu  Meg.  das.  n'2::  ri« 
ist  das  jüngste  Stück  der  Tefilla.  in  Pal.  überhaupt  nicht  vorhanden 
(ob.  S.  39  f.).  Der  Text  der  Bitte  ist  seit  Amr.  überall  gleich,  Germ. 
It.  Kom.  lesen  "3:7  "n".  Amr.  in  einer  Hdschr.  "i"°'p",  die  Be- 
gründung "r""ir"':  13  fehlt  bei  Saad.  Yem.  Die  Eulogie  stammt  aus 
b.  Pes.  117  b,  eine  ähnliche  findet  sich  bereits  Sir.  5112  h.  Die  Aus- 
drucksweise, die  sich  in  ähnlichen  Gebeten  wörtlich  wiederfindet, 
ist  an  Ps.  132 17  angelehnt.  —  In  den  Reformgebetbüchern  haben 
sowohl  XIV  als  auch  XV  Änderungen  im  Sinne  der  modernen  geistigen 
Auffassung  der  messianischen  Idee  erfahren. 

XVI.,  das  letzte  der  mittleren  Stücke,  heißt  nbsr  b.  Meg.  18a, 
rctr  rr^r  j.  Ber.  II,  4.  Eine  recht  kurze  Fassung  in  Pal.  ""üZ 
.nrs  a-n—  -j-iin  bs  -^2  "i-'b"  an-n  -ir-rsr  bipn  es  'n  [i:bipi] 
.rczr.  "r""il"  •'"i?"a  Gegenüber  diesem  Grundtext  zeigt  Vidg.  in  sämt- 
lichen Riten  Fassungen,  die  die  Bitten  durch  parallele  Glieder  er- 
weitern und  die  Begründung  breiter  ausspinnen.  Auf  die  erste  Be- 
gründung, die  überall  lautet  nrs  a^rirnn  nbsr  ^i2^z'  bs«  "^d  folgt 
die  neue  Bitte  -m^rr  "::&?  ap^n  1:2:^  "■':s"::)2i,  die  allerdings  in  Seph. 
und  besonders  in  Rom.  sehr  erweitert  ist.  Ihre  Begi'ündung  ist  in  Amr. 
und  Seph.  ~E  "~d  r'':zr  "rnt"  ~ri«  ^r,  was  in  Germ,  (schon  in  V.) 
in  :!Ä?"';Tr"i  -r"  r::Er  eingeschränkt  worden  ist,  das  hinzugefügte 
a'^ünnn  ist  eine  Erinnerung  an  das  nns?  a'^nn  D'^üm  a«:^  is  "^a  in 
It.,  Rom.  und  Oz.  T.,  womit  auch  die  Hss.  von  Amr.  übereinstimmen. 
Die  Reformgebetbücher  haben  die  universale  Fassung  der  Begi'ündung 
wieder  hergestellt.  —  Die  Eulogie  rcsr  jrT  Ber.  II,  4,  Taan  II,  4 
vgl.  j.  Ber.  II,  4.  Frühzeitig  wurde  gestattet,  in  dieses  Stück  beim 
stiUen  Gebet  besondere  Bitten,  die  dem  einzelnen  am  Herzen  lagen, 
einzufügen  nber  "^nra  i^a^::  ans«  rjs^r  (b.  Ber.  31  a.  Ab.  Sara  8  a); 
auf  diesen  Satz  beruft  sich  bereits  Rab  als  feststehende  Norm  am 
Anfang  des  dritten  Jaluhunderts.    Wahrscheinlich   ist    hierdurch  die 


Wuillaiil    der   'rcfilhi  55 

orneuto  Bitte  ^:3r')2  V---^"'  cnlstandcii.  In  kahhalistisclicn  Kreisen 
wurde  von  der  Erlaubnis  (lebraueli  treniaclit,  es  \vurd«'n  eine  An- 
zahl solcher  Ritten  formuliert,  die  zur  Einl'üf^ung  an  dieser  Stelle  be- 
stimmt waren.  Einsehaltun<j:en  für  bestimmte  Tage,  die  er  an  ihrer  Stelle 
vergessen  hatte,  durfte  der  Beter  ebenfalls  hier  nachholen  (z.  B.  nbnsn 
ob.  S.  4t)  f.).  —  \n  dieser  Stelle  schaltete  an  Fast  lagen  der  einzelne 
■^rir  ohne  Kulogie  in  alle  Tefillas  ein,  späterhin  wurde  das  auf 
Minclia   l)eschräid\t.   aus  den  beiden  anderen  fiel  es  aus. 

5.  XV 11— XIX.  n:^1^^?  Tr:r,  die  drei  letzten  Stücke  sollen 
(den  ersten  entsprechend)  hymnisclicn  Charakter  haben  (aip^  '^T  inmr 
j.  Ber.  11,4,  b.  34  a.),  insbesondere  dem  Dank  Ausdruck  geben. 
Das  trifft  auf  das  erste  und  letzte  nicht  zu,  es  ist  auch  sicher,  daß  sie 
zur  Zeit,  als  die  angegebene  Disposition  für  die  Tefilla  vorgebracht 
wurde,  denselben  Inhalt  hatten  wie  gegenwärtig.  xVllerdings  beziehen 
sich  diese  Bitten  nicht  auf  Bedürfnisse  der  Menschen,  sondern  auf  ihre 
Beziehungen  zu  Gott  (vgl.  ob.  S.  31). 

XVII.  n-nsr  (R.  ha  Seh.  IV,  5  Tam.  V,  1),  wahrscheinlich  das  älteste 
Stück  der  Tefilla,  das  auch  im  Laufe  der  Zeit  die  mannigfachsten 
Ändenmgen  erfahren  hat;  die  ini  Tempel  zu  Jerusalem  im  Anschluß 
an  das  Opfer  vorgetragene  Bitte  um  dessen  gnädige  Aufnahme.  Die 
älteste  erhaltene  Formel  V-^  """i^""'  n"^rii2  ■iT^::n  "zr  '5?  "-^n 
[Pes.  ':r^-^n]  (Lev.  r.  Vll,  2,  Pesikt.  d  R.  K.  XXV,  28  p.  158  b)  bildet  in 
Pal.  den  ganzen  Text.  Im  provenzal.  Ritus  erscheint  sie  mit  andern 
Sätzen  zusammen,  die  Seph.  entlehnt  sind.  Daß  diese  kurze  Fassung 
allein  den  Text  der  ~~^1"  gebildet  hat,  ist  sehr  unwahrscheinhch; 
der  Satz,  der  in  Vulg.  in  allen  Rezensionen  wiederkehrt,  bs"!!""^  •^rs" 
:i5-r^  r-nn:7  n^'an  iisib  ^nr^  iiirin  '■::ipr  'nns«2  \rr-^]  ^rbsn 
"'S"  muß  bereits  dem  ältesten  Wortlaut  angehört  haben;  nach  dem 
Aufhören  des  Opferdienstes  kann  er  nicht  eingefügt  sein.  In  Vulg. 
steht  daneben  friedlich  die  Bitte  um  Wiederherstellung 
des  Opferkultus  ^r^^  ^^^""^ '^■^^""  [~^J  -^"""-  Das  ist  eine  (baby- 
lonische?) Anpassung  des  alten  Wortlautes  an  die  neuen  Verhältnisse. 
Xicht  die  einzige,  denn  Midr.  Ps.  17,4  (64  a)  heißt  es:  Tprn  iD-^sb 
s:s  :  'rpr-1  s-^  "na  nbsn  cbir  ■j-'Vrsrr  i^mr  '-»rriJ-ir.  '^-i^cn 
z^bc-^-»"::  r.-r'nrn  '-c  irsb  ^rrsc  ncn  a^n-^n  ^-iian-n  ain-i.  Eine 
nicht  unbekannte  Formel,  sie  wird  in  Germ,  am  Musaf  der  Fest- 
tage neben  rri^  verwendet,  wenn  der  Priestersegen  gesprochen  wird 


56  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

(Baer,  S.  358),  in  V.  dient  sie  sogar  für  den  täglichen  Gottes- 
dienst. 

Die  Texte  in  Vulg.  beginnen,  wie  Pal.  mit  nsi,  fügen  jedoch  ein 
Objekt  hinzu  bi^^r-'  ~'C"2;  statt  des  folgenden  srbsrm  in  Amr., 
Saad.  und  Germ,  haben  It.,  Rom.  und  Seph.  "7C  anbsn^i.  Aus 
der  Bitte  )V^2  pC  in  Pal.  ist  der  XIV  ähnliche  Schlußsatz  nrinm 
It.  Ts^D]  a^rn^n  [It.  "T'r  a-'bum^bi]  -i^"/:  [Yem."-;:b]  "imm  irr7 
[Rom.  mi:ir-p  a-^rrDi.  Die  Klammern  zeigen,  wieviel  hier  hinzu- 
gefügt wurde.  Einen  ferneren  Zusatz  haben  vor  ~:i7nn  V.,  Seph. 
und  Prov.  in  der  Bitte  i:rin  -in  fsnr  a^a-^n  -iTin-^a  n^s^  sie  ist 
eine  Ausfühiung  von  Saadjas  7X  '^D  i:a  "■j:-r'.  In  Oz.  Tob,  Rom. 
und  Yem.  finden  sich  noch  mehr  Erweiterungen  in  fast  allen  Sätzen, 
aiit  den  erwähnten  Formen  ist  die  Mannigfaltigkeit  der  Fassungen 
noch  nicht  erschöpft.  Maimonides  wurde  darüber  befragt,  ob  der 
von  einem  Autor  empfohlene  Text  an  ""i":  ar  mi'i  aTTQ  nna 
nrrnn  iins«  -]:nr  n-n^:  n^-^a  r.r^^ri  ".Tm  i:a  nx  tttti:  zulässig 
wäre,  und  bejahte  es.  Eine  solche  Beweglichkeit  zeigt  der  Gebettext 
noch  gegen  Ende  des  zwölften  Jahrhunderts,  derartige  willkürliche 
poetische  Ausschmückungen  wird  es  wahrscheinlich  weit  mehr  ge- 
geben haben. 

Den  ersten  Satz  mit  ~"j:"!  erklärte  Saadjä,  und  Scherira  stimmte 
ihm  darin  zu,  obwohl  er  sonst  seine  Abweichungen  im  Gebet  nicht 
billigte,  nur  da  für  zulässig,  wo  der  Priestersegen  (§  9  b)  gesprochen 
würde;  er  mußte  demnach  stets  zu  Maarib  und  zu  Mincha  mit  Aus- 
nahme der  Fasttage  ausfallen.  In  Toledo  wurde  diese  Vorschrift 
noch  im  XIV.  Jahrhundert  befolgt,  es  wurde  mit  "-i?"^TL"">  iCSl  begonnen. 
Das  beruhte  auf  einer  Auslegung  des  Wortes  ~T;a",  die  anderwärts 
nicht  Anerkennung  fand;  in  der  Provence  und  in  X.-Frankreicli 
wurde  daher  schon  um  1200  stets  mit  n'2^  begonnen,  und  Jos. 
Karo  kannte  um  1500  nur  noch  diesen  Brauch,  der  seitdem  der  allein 
herrschende  ist. 

Die  Eulogie  lautet  im  Anschluß  an  j.  Joma  VII,  1  (44  b),  j. 
Sota  VII,  6  (22  a)  in  Pal.  nay:  nsn^a  -risc ;  ähnhch  in  It.  an 
Fasttagen,  wo  Kalirs  Kerobot  (§  32),  und  in  Germ,  am  Musaf  der 
Festtage,  wo  der  Priestersegen  hinzutreten,  "na~:  rii?"^"^a  ""a'^  "ni^r. 
In  Vulg.  lautet  sie  'j'T'sb  irr.iDir  T^Tn'an,  It.  fügt  li'cn-'a  hinzu,  Rom. 
liest  abweichend  von  allen  Texten  inrao  a^iüTan.  In  den  Reform- 
gebetbttchern  ist  meist  wieder  die  ältere  Eulogie   "'il^  "jms^r  auf- 


i 


\\..rll,ml   (I.T  •rrfillii  57 

jjonoiniiKMi,  obenso  ist  vorher  die  nu'ssianisclic  Stelle  wie  in  XIV 
fijeändert,  der  Hinweis  auf  den  Opferkultus  beseitif^t. 

Vor  nrTnri,  d.  h.  hinter  dem  ehenialifijenSeliliisse  der  Benedikt ion, 
wird  am  Neumonde  und  an  Mittelieierta^en  553"'l  TT^y^  einj^efügt; 
es  heißt  in  den  Quellen  a^-^n  rr^np  (Tos.  Her.  111,  10,8.70)  oder 
:?mx72n  "iT^  (b.  Sehabb.  24  a).  Der  Anfang  X2^^  ri-:y^  ist  zuerst 
Sofrim  XIX,  7. 1 1  erwähnt:  bis  auf  Pal.,  wo  die  Aufzählungen  reich- 
haltiger sind,  stiniMien  die  überlieferten  Texte,  abgesehen  von  ganz 
geringen  Varianten,  überein.  Das  spricht  für  ein  sehr  hohes  Alter  des 
Stückes,  sein  Stil  aber  weist  eher  auf  den  Anfang  der  paitanischen 
Zeit  hin.  Erwähnung  verdient  eine  Äußerung  des  Gaons  Paltui  (ca.  850), 
wonach  5<2''1  nbj"'  ursprünglich  in  die  n:Ti~T  am  Musaf  des  Neu- 
jahrstages (§  24)  gehörte,  wozu  die  häufige  Wiederkehr  der  Worte 
linDT  und  inps  recht  gut  paßt. 

XVI IT.  ni<n^r.  (R.  ha  Seh.  I,  5),  n^^i^Ti  (j.  Ber.  II,  4),  ri-rr  (b.  Meg. 
17  b)  enthält  den  Dank  für  die  Wohltaten,  die  Gott  ständig  den 
Menschen  erweist.  Das  Stück  ist  ebenfalls  sehr  alt  und  wurde  im 
Laufe  der  Zeit  stark  verändert  und  vermehrt.  Der  Anfang  a"'Tir 
V  "^^n:«  findet  sich  Sifre  Deut,  i^  343  (142  b),  Midr.  Tann.  (S.  209) 
zitiert  statt  dessen  "b  l^nrs  a-^iTc  '5?  'r:;".  Eine  einfache  kurze 
Fassung  bringt  Pal,  beachtenswert  ist  am  Schluß  die  Verwendung 
von  Ps.  9418;  eine  ähnliche  Fassung  im  Anschluß  an  Kalirs  Poesien 
teilt  S.  D.  Luzzatto  aus  It.  mit,  auch  Saad.  und  Rom.  haben  kurze 
Texte.  Einschübe  in  diesen  Text  scheinen  schon  früh  üblich  gewesen  zu 
sein,  die  Misehna  erwähnt  und  verpönt  zwei,  deren  Sinn  und  Zweck  uns 
nicht  mehr  verständhch  sind,  weil  sie  wahrscheinlich  mit  gnostischen 
Anschauungen  im  Zusammenhang  stehen,  nämlich  die  Wiederholung 
des  Wortes  a^TTa  am  Anfange  und  die  Sätze  ^y^y  mss  "ip  77 
"irtt  ^D--*  nvj  bri  V'an"!  oder  a^nvj  yz^.^-^ ,  die  jedenfalls  ans  Ende 
gestellt  wurden.  Das  Verbot  hat  nicht  verhindert,  daß  auch  nach 
300  einzelne  Vorbeter  sich  die  Freiheit  nahmen,  ähnliche  Sätze  einzu- 
fügen (b.  Ber.  33  b).  Der  erweiterte  Text  in  Vulg.,  dessen  Kern  schon  in 
Aim".  vorhegt,  stimmt  in  Germ.,  It.  und  Seph.  überein,  er  bewegt  sich 
meist  in  bibhschen  Redewendungen,  und  es  ist  daher  leicht  ver- 
ständlich, wie  er  allmählich  an  Umfang  zunahm.  Amr.,  Rom.  und  It. 
haben  zum  Abschluß  T'-^  rTZ'  s«bT  "imi^  s:  'bs  '-  •':r^'':i!~  Sri 
""212,  das  in  Seph.  und  Germ,  felilt. 

Vulg.  hat  nun  aber  noch  zwei  kurze  Stücke  S-r  "rr"  und    "n 


58  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

a-iinn  (Saad.  nur  sbs  br'l),  die  den  Inhalt  von  2^-iT3  zusammen- 
fassen und  geradezu  Dubletten  dazu  sind  (vielleicht  verdanken  sie 
Olren  Ursprung  den  zwisehengetretenen  Zusätzen,  siehe  weiter).  Die 
neueren  Texte  von  Germ,  und  Seph.  haben  auch  hierbei  noch  einen 
Zusatz,  ":rrir^  :s-  (Seph.  nrjr,  bi?-).  Rom.  "b  ""i:^  a^'abi-n  ^n, 
Saad.  "rbn  "^i?^  nrs«  ""'""'  ">2.  Die  Eulogie  lautet  gemäß  j.  Joma 
VII,  1  (44  b)  in  Pal.  r.i-zr{-  "b  n-jn,  in  Vulg.  'iDi  ITSC  n^r:n,  was 
zuerst  Midr.  Ps.  292  vorkommt. 

An  Chanukka  und  Purim  wird  in  die  r.S"""  auf  Grund  von 
Tos.  Ber.  III,  8  ein  besonderes  Dankgebet  """s«^"  ■;''"'!2  eingeschaltet. 
Ein  kurzer  Text  ~ir:>  ID  . .  . .  r-iTL""TL"  -irro  --"riTn  r-sbs  "ic^rDi 
"12",  der  sich  in  die  Fassung  von  a^nTa  in  Pal.  gut  emfügt,  findet 
sieh  Sof.  XX,  8.  Die  gebräuclilichen  Texte  bestehen  aus  zwei  Sätzen, 
einer  Einleitung  a"'c:ri  br  (abhängig  von  a"^-TC ).  die  für  beide  Feste 
gilt,  und  der  Erzählung  des  zugrunde  liegenden  Ereignisses  -'12''2 
irt'^rr'a  bezw.  "•DT'a  ii^^n.  Die  Texte  lauten  seit  Amr.  bis  auf  die 
unvermeidlichen  kleinen  Abweichungen  gleich.  Hervorzuheben  ist,  daß 
Abudi'.  entgegen  allen  anderen  Texten  r'^~:~  b"  statt  nisnb'ar. 
liest.  Zahlreiche  Varianten  gibt  es  zu  ir"nr['a]  (anr irb)  an'^DTCnb,  vgl. 
dazu  Abudr.  und  Riv.  Isr.  V,  125.  Am  Schlüsse  lesen  Amr.  und  danach 
It.  und  Seph.  '"31  a^oiT  sbs  ".^7  nr:7  p  ani^-  r^'irr^c  acs,  das 
ist  ein  Rest  des  oben  erwähnten  Wortlauts  in  Sof. ;  schon  Hai  Gaon 
und  die  Tosaphisten  haben  den  Satz,  da  Bitten  nicht  an  diese  SteUe 
gehören,  bekämpft,  in  Rom.  und  Germ,  fehlt  er.  Wahrscheinlich  wurde 
nach  der  längeren  Unterbrechung  dm'ch  a^c:n  b~  der  Gedanke 
von  a"'"i":'J2  durch  a^D  :?"!  wieder  aufgenommen,  wodurch  der  Satz 
in  das  Gebet  kam. 

An  den  zehn  Bußtagen  wird  seit  der  gaonäischen  Zeit  die  Bitte  aPD" 
"jr^-'n  ^:a  bs  a^n^-j  a^^nb  eingeschaltet  (vgl.  oben  S.  43),  in  Germ, 
vor  a"'">nn  ba',  in  den  anderen  Riten,  auch  in  Amr..  hinter  dessen 
erstem  ~bc.  Überdies  hat  Rom.  die  weitere  ausfülu-liche  und  ^^eIleicht 
jüngere  Bitte  '^"ani  idt,  die  in  V,  nur  an  z  '"-z  ""-',  vorkommt. 
Daher  hat  sie  auch  Germ.,  jedoch  nur  bei  Wiederholung  der  Tefilla 
am  Versöhnungstage  sowie  beim  Musaf  des  Xeujalu-sfestes. 

In  der  Zeit  der  Amoräer  war  es  Brauch  (und  zwar  zuerst  in  Ba- 
bylonien?),  daß  die  Gemeinde,  während  der  Vorbeter  bei  Wiederholung 
der  Tefilla  ai^iia  rezitierte,  ebenfalls  a^'iTa  sprach.  Die  Einfülirung 
geht  auf  Rah  zurück,  von  dem  in  b.    Sota  40  a  und  j.  Ber.  1,  5  (3  d) 


WdrIl.Mil    dir  'l'.'fill.i  59 

viMsc'hiodiMio  Uiirzo  Sätze  für  diesen  Zweck  init{?eteill  werden;  andere 
Lehrer  eiiipfalilen  andere  Sätze,  mit  der  Zeit  wurde  es  Sitte,  sie  alle 
zusaninienzul'asseii.  Der  in  Baer  fie^n>l)ene  Text  stainint  aus  Sota  40  a. 
(vo:l.  scholl  Aiiir.  II  h);  man  iieiint  das  Stück  "2'""  2"'T""2,  wahr- 
scheinlich W(>^('ii  der  \()ii  (ieleiiMeii  "2^  im  Talmiid  daselhst  be- 
liebten Zusammeni'assunj;'. 

S'^rnD  PD'^n.  Hei  Wiederhol unii-  der  Tefilla  wird  an  dieser  Stelle 
der  Priestersegen  vorgetragen,  vgl.  5^  9  b. 

XIX.  D'^inzi  rs'^n.  Den  gleichen  Namen  führt  auch  die  letzte 
Henediktion,  weil  sie  an  den  Priestersegen  anknü|)ft,  R.  ha  Seh.  IV,  5, 
Tamid  V,  1.  Sie  nimmt  die  letzten  Worte  des  Priestersegens  auf 
durch  21^r  S"*!!'  und  schließt  mit  der  Eulogie  (so  ihr  Xame  b.  Meg.  ]H  1)) 
S'brr.  nr^r  (Lev.  r.  IX  g.  E.  14  a,  Midr.  Ps.  292).  Eine  kurze  Formel 
dafür  enthält  Pal.,  Vulg.  bietet  Erweiterungen  dieses  Textes,  die  seit 
Amr.  im  Wortlaut  bis  auf  ganz  kleine  Abweichungen  übereinstimmen. 
Eine  Besonderheit  von  Germ,  bildet  das  kurze  Stück  ni  3:br,  das 
dann  gesagt  wird,  wenn  der  Priestersegen  nicht  voraufgeht;  es  wird 
zuerst  von  Eljakim  aus  Speyer  (XI.  Jahrhundert)  erwähnt,  fehlt 
noch  in  V.,  wird  aber  später  durch  Meir  von  Rothenburg  wiederein- 
geführt und  überall  in  Germ,  üblich.  Auch  in  Yem.  wird  es  zu  Mincha 
gebetet.  Die  Eulogie  lautet  in  Vulg.  in  allen  Texten  i'ay  rs«  TQTDH 
aibcn  mr-»,  Amr.  18  a  gibt  allerdings  im  Texte  von  Mincha  ^Vrrn  nr^r. 
Die  alte  Eulogie  findet  sich  in  Germ,  nur  an  den  zehn  Bußtagen,  zu- 
sammen mit  der  Einschaltung  W'^n  nsoi;  ans  den  andern  Riten  ist 
sie  geschwnnden.  Der  Text  von  D'^'^n  i£D2  ist  in  It.,  Rom.  und 
Seph.  gegenüber  Germ,  etwas  erweitert,  die  Einschaltung  selbst 
ist  jung  (ob.  S.  43). 

Hmter  der  Eulogie  von  XIX  folgt  in  It.  und  Seph.  l'cs«,  als 
Zeichen,  daß  die  Tefilla  zu  Ende  ist. 

6.  Die  Tefilla  des  Vorbeters  schließt  tatsäclüich  hier,  aber  für  den 
einzelnen  sind  im  Laufe  der  Zeit  eine  Anzahl  von  Zusätzen  hinzu- 
getreten. R.  Jochanan  hat  —  wie  für  den  Anfang  (s.  ob.  S.  43)  —  auch 
für  den  Schluß  einen  Bibelvers  empfolilen:  Ps.  1915  "i'isnb  itp. 
Vor  diesen  Vers  tritt  aber  das  von  Mar  dem  Sohne  Rabinas,  nach  Be- 
endigung der  Tefilla  gesprochene  Gebet  "n:::  "^"bs?  b.  Ber.  17  a  (mit 
Ausnahme  eines  Satzes);  worauf  in  Germ,  und  Seph.  (noch  nicht  in 
Abudr.)  ....  '1211:  irrb  ~r"  folgt.  Dieses  im  Piutstil  gehaltene 
Stück  ist  seinerseits  die  Verkürzung  einer  längeren  Bitte  "in"'  ÖS  i:d5T2 


50  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

-rrrn  ITcr,  die  sich  bei  Anir.,  Saadja,  REJ,  V.,  Manhig  §  63,  Tut.  1, 122 
findet,  aus  den  gedruckten  Gebetbüchern  jedoch  wieder  verschwunden 
ist.  Da  hier  bei  der  nicht  mehr  zum  Pflichtgebet  gerechneten  Ein- 
schaltung ziemhch  frei  verfahren  wurde,  finden  sich  bei  Amr.  noch 
mehr  Zusätze;  so  das  Privatgebet  Rabas  b.  Ber.  17  a  i^'f  "^  "'n^si 
■>m2i;  und  nrn  ■'njir  -ö  nrsi.  Das  letztere  ist  zusammen  mit  5« 
ili:;  in  It.  übergegangen.  Abudr.  verzeichnet  nur  das  "ns:  "^n'^S  des 
Talmuds  und  auch  das  nur  als  Brauch  einzelner;  in  Rom.  fehlt  bis 
auf  "jl^nb  ITii  jeder  Zusatz.  Hinter  Ps.  19 15  finden  wh*  bereits  in 
V.  und  dann  in  Germ,  und  Seph.  mu:?^  sin  i^^n^n  mb«  müi7 
bs^-'Tr^  :d  bn  ir^br  aibTr(im  Anschluß  an  Job  252).  It.  hat  beides 
vor  m^:  ■•nrsi,  woraus  man  klar  sieht,  daß  letzteres  eine  junge 
Hinzufügung  ist. 

Für  Gebete  des  emzelnen  ist  überhaupt  \'iel  Spielraum  gelassen; 
auch  sind  Erweiterungen  nach  Belieben  gestattet,  wenn  sie  inhaltlich 
zu  dem  betreffenden  Stücke  der  TefiUa  passen  (b.  Ab.  Sar.  8  a). 

7.  Wo  die  Notwendigkeit  vorlag,  waren  auch  Abkürzungen  erlau))t 
„nit':7  n:iaffi  "^"12".  Eine  solche  ist  das  von  Mar  Samuel  aufgestellte 
l^rDn,  wobei  die  mittleren  13  Stücke  in  ein  einziges  mit  der  Eulogie 
"bsr  r'dir  zusammengezogen  und  zwischen  die  drei  ersten  und  die 
drei  letzten  gestellt  werden.  Der  Text  ist  j.  Ber.  IV,  3  (8  a)  und  b. 
Ber.  29  a  in  voneinander  abweichender  Form  gegeben.  Üblich  wurde 
mit  ganz  geringfügigen  Änderungen  die  babylonische  Form.  Die 
Texte  bei  mittelalterlichen  Autoren  weichen  in  Einzelheiten  von- 
einander ab,  vgl.  z.  B.  Hai.  ged.,  HUd.  30  und  Esclikol  I,  59.  Aber  auch 
für  die  öffentliche  TefiUa  waren  solche  Abkürzungen  nicht  unge- 
bräuclüich.  Von  einer  solchen  in  der  im  Tahnud  genannten  Form 
n"i  'ji-r  n"i  (j.  Ber.  das.),  die  aus  gaonäischer  Zeit  stammt  (frühestens 
aus  d.  VIII.  Jalirhundert),  findet  sich  der  Anfang  in  Eschkol  I,  55,  das 
vollständige  Stück  unter  den  Genisa-Handsclniften  in  Cambridge. 
Und  wie  dieses  Stück  zeigt,  waren  piutartige  Bearbeitungen 
der  TefiUa  im  Gebrauch,  die  sich  nicht  an  den  Wortlaut  hielten,  sondern 
nur  Inhalt  und  Eulogie  der  einzelnen  Stücke  beibehielten.  Nament- 
hch  in  Palästina,  der  Heimat  des  Piuts,  scheint  man  solche  poetisch 
ausgeschmückte  Texte  begünstigt,  in  großer  Zahl  besessen  und  im 
Gottesdienste  verwendet  zu  haben. 


Kcduscha  ßl 

§  9  a.     Die  Keduscha. 

Literatur:  Zun/,  I.itg.,  S.  13f.;  Ha«'r,  S.  236  t.;  Müller,.!.,  Mas.  Sofriin, 
S.  226 tt";  Kolller,  K.  in  MS.  XXXVII,  1903,  S.  493 f.;  Hüchl.-r  A.,  La 
Kedouscha  <hi  ..VocC'r"  che/,  les  Gueouim  in  h'KJ  LIII,  1907,  S.  220ft".; 
Ginzbcrg,  L.  C.eouii-a  I,  S.  129;  II,  S.  4S  tV. 

1.  Bei  der  Wiederholung  der  Tefilla  zu  Si-hacharis,  Minclia 
und  Musaf  wird  in  das  dritte  Stück,  airn  rcTip,  die  Keduscha 
nc^p  eingefüj^t.  Sie  hat  ihren  Namen  von  dem  Verse  Jcs.  6  3,  dem 
Trishagion,  das  auch  in  der  alten  cliristlichen  Liturgie  von  großer  Be- 
deutung ist.  Neben  diesem  Verse  setzt  sidi  die  Keduscha  noch  aus 
den  Bibelstellen  Ez.  3l2b  1^2^  "1^2  imd  Ps.  14610  -büi  zusammen, 
diejenige  des  Musaf  enthält  außerdem  Dt.  64  rrr  und  Num. 
1541  c  2:Tiri«  '-;  1:5«.  Die  in  die  Tefilla  eingeschaltete  Keduscha 
heißt  m-i^y  :ü  cnp  (Sof.  XVII,  12  Ende).  Daneben  gibt  es  noch 
zwei  andere  Keduschas  im  Gebet;  die  Keduscha  im  Jozer,  welche  nur 
die  beiden  Verse  aus  Jes.  imd  Ez.  (S.  67),  sowie  die  i?"i"iC";  nr'ip  (b. 
Sota  40,  vgl.  §  10),  welche  neben  den  beiden  Versen  noch  Ex.  15  18  und 
zu  allen  drei  Versen  das  Targum  bringt. 

Die  Keduscha  des  Jozer  und  der  Tefilla  liaben  zwischen  den  beiden 
Versen  aus  Jes.  und  Ez.  einen  verbindenden  Text,  die  letztere  auch 
eine  besondere  Einleitung.  Beide  führen  die  Verse  als  Wechselgesang 
der  Engelchöre  ein.  Die  Keduscha  de  Sidra  hingegen  setzt  die  Verse 
ohne  jede  Verbindung  lose  nebeneinander.  Nur  sie  ist  im  Talmud 
mit  Namen  genannt,  die  beiden  anderen  erwähnt  erst  der  nachtal- 
mudische  Tr.  Sofrim.  In  Amr.  finden  wir  sodann  die  Texte  in  ihren 
bekannten  Fassungen. 

2.  Der  Ursprung  der  Keduscha  ist  überaus  dunkel,  die  alten 
Quellen  lassen  uns  vollständig  im  Stiche,  die  älteste  darauf  bezügliche 
Naclu-icht  finden  wir  Tos.  Ber.  I,  9  (S.  27)  n  '-^^2'c-  Z7  '^'.'7  rs« 
"riz  y^2'  .  .  .  i«:^  r'iin::  'i  'p"-pp  -■^.nrn  =7  -:-j  rr-  r-'rr 
1-2i2n  27  r,:-r  rrrrr  '^  n^-  -b^s«  bj  Ta^p^^  '-;.  Was  das  für  ein 
Vorbeter  ist,  aus  welchem  Grunde  er  den  sonst  nicht  vorkommenden 
Namen  ~^2')2  fülirt.  an  welcher  Stelle  er  die  erwähnten  Verse  vortrug, 
ob  die  anderen  Autoritäten  das  Verhalten  R.  Jehudas  billigten  oder 
verwarfen,  all  das  erfahren  wir  aus  der  dürftigen  Nachricht  nicht. 
Auch  wenn  R.  Josua  b.  Le\-i  (um  230)  von  der  Keduscha  des  Vor- 
beters spricht  (~r"-pr  ::"r  r-'ii  srr  -r  b.  Ber.  21  bj,  ist  daraus  nicht 
zu  ersehen,  ob  die  dritte  Benediktion  oder  die  Einschaltung  gemeint  ist. 


52  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Nicht  aufschlußreicher  ist  eine  Stelle  des  palästinischen  Talmuds 
j.  Ber.  V,  4  (9  c  u.)  "iins  '^b  iib^^Tin  -jiri?  n^^:s'Ä«n  prnr^s  ^^-j-ii:! 
irin  sm  y'S  postt  anp^r  b^nr^  i^rnn  nm-ir  -t  i<"i  "jib  "ras 
sinffi  iTOD  i^m-p  ■iri:r'-  i^-idic  ■)!"::  t^i?  n?  nri:'!"  ro-^nn  rbnr'a 
rc2  r.bnr,  weil  auch  hier  das  Gebet,  um  das  es  sich  handelt,  nicht 
genannt  ist;  sicher  geht  daraus  hervor,  daß  zur  Zeit  R.  Abbuns  (vor 
354)  der  verbindende  Text  bereits  vorhanden  war  und  eine  Erwähnung 
der  Engelchöre  a"':s"55  (vgl.  Ez.  119  u.  ö.)  enthielt.  Einen  solchen 
Text  bietet  im  traditionellen  Gebetbuch  stets  die  Keduscha  des 
Jozer,  die  der  Tefilla  lediglich  an  einzelnen  ausgezeichneten  Tagen, 
man  hat  infolgedessen  den  Schluß  gezogen,  daß  die  Jozer- Keduscha 
eine  Wiedergabe  des  täglichen  Morgengesanges  der  himmlischen 
Scharen  darstellt,  daß  sie  älter  ist  als  die  der  Tefilla,  daß  diese  erst 
aus  jener  hervorgegangen  ist.  Ein  solcher  Schluß  ist  irrig,  die  Aus- 
drucksweise des  Talmuds  iirnr  "^^i^ir  "7  [scü.  ~l">r~  "»rsb]  und  der 
ganze  Zusammenhang  der  Stelle  gestatten  nicht,  ein  anderes  Gebet 
darin  wiederzufinden  als  die  Tefilla.  Dazu  kommt  noch  eins.  Nach  der 
gut  verbürgten  Sammlung  der  Differenzen  zwischen  Palästinensern 
und  Babyloniern  war  in  Palästina  die  Keduscha  nur  an  Sabbaten, 
in  Babylonien  hingegen  täglich  üblich  (Chili.  Nr.  59);  ja  selbst  gegen 
800  scheint  das  noch  überall  dort  in  Palästina,  wo  die  eingewanderten 
Babylonier  nicht  m  der  Mehrzahl  waren,  der  herrschende  Brauch 
gewesen  zu  sein.  Nun  ist  es  sehr  wohl  denkbar,  daß  die  Keduscha 
innerhalb  der  Tefüla,  wo  sie  eine  Einschaltung  war,  an  Wochentagen 
fortbheb,  hingegen  wäre  es  keineswegs  zu  erklären,  Avieso  die  Ke- 
duscha im  Jozer,  wenn  sie  ein  wichtiges  Stück  des  spezifischen 
Morgengebetes  bildete,  weggelassen  werden  konnte.  Irgendein  direk- 
tes Zeugnis  von  der  ursprünglichen  Zugehörigkeit  der  Keduscha 
zum  Jozer  gibt  es  nicht,  hingegen  haben  wii'  in  der  dritten  Bene- 
diktion der  Tefüla  sowohl  dem  Namen  als  auch  der  Sache  nach  die 
allerbeste  Anknüpfung. 

3.  Die  älteste  Form  dieser  Benediktion  lautete  i5"""  -rs  iT'ip 
^^tü  (S.  45),  aller  W^ahrscheinlichkeit  nach  war  als  biblische  Beleg- 
stelle Jes.  63  n-ü^ns  n  "p''^  mp  mPDD  angeführt,  ja  es  ist  bei  der 
Vorliebe  der  alten  Tefilla  für  Benutzung  des  Bibelworts  (S.  42)  nicht 
einmal  ausgeschlossen,  daß  lediglich  der  Vers  mp  den  Text  der 
Benediktion  ausmachte  (vgl.  "iSSirn  S.  47).  Der  ursprüngliche  Zu- 
sammenhang des  Verses  nun  wies  direkt  auf  die  Huldigung  der  Engel 


I 


Kcdustha  fJI-J 

hin;  daß  niystiscli  fi;i'stiininto  Gemütor  sieli  dieses  Hinweises  zu  be- 
dienen wußten,  zeifjen  Stellen  wie  Heu.  31)12,  Apok.  Joli.  4S.  Einen 
verwandten  Inhalt  zeif!:le  Kz.  312,  der  Schall,  der  v(»n  der  l>e- 
wefrunir  der  Kni!;el  her  an  das  Ohr  des  Propheten  drinjijt,  klinp;! 
ebenlalls  in  einen  Hymnus  aus,  in  beiden  Stellen  wird  überdies  die 
Herrlichkeit  (nSD)  (lottes  gepriesen.  So  lag  es  nahe,  die  beiden 
Stellen  gemeinsam  zu  bearbeiten,  aus  ihnen  eine  dramatisch  belebte 
Schilderung  des  Wechselgesanges  der  Engelchöre  zu  gestalten,  in 
Jesaia  sind  es  die  Seraphim,  in  Ezechiel  die  ,,Ofannim"  und  die  , .hei- 
ligen Chajot",  die  den  Hymnus  vorbringen,  die  Keduscha  läßt  sie 
zugleich  auftreten  und  wechselseitig  das  Lob  des  Herrn  anstimmen. 
Das  waren  die  (ieilanken.  die  den  MystikiM'u  der  alten  Zeit  und  denen 
des  Mittelalters  reichen  Stoff  zur  Bearbeitung  boten,  daher  die  Mannig- 
faltigkeit der  einleitenden  Sätze  und  der  verbindenden  Texte,  die  im 
Laufe  der  Zeiten  entstanden. 

Nur  die  beiden  Verse  aus  Jesaia  und  Ezechiel  gehörten  zur  alten 
Keduscha.  i^'C'^  in  der  Tefilla-Keduscha  ist  stets  nur  ganz  lose  als 
Zitat  „aus  den  Hagiographen"  mit  den  vorangehenden  Versen  ver- 
knüpft, was  allein  genügt,  um  es  als  jüngere  Zutat  zu  kennzeichnen. 
Daß  der  Vers  in  der  Keduscha  de  Sidra  durch  Ex.  15  is  ersetzt  ist,  hat 
seinen  Grund  darin,  daß  dort  ein  Targum  erforderlich  war;  da  ein 
anerkanntes  Targum  zu  den  Hagiographen  nicht  vorlag,  mußte  ein 
Vers  des  gleichen  Inhalts  aus  einem  Buche,  zu  dem  die  aramäische 
Übertragung  vorhanden  war,  gewählt  werden.  Weshalb  -r^''  in  die 
Keduscha  kam,  ob  es  aus  den  Neujahrsgebeten  übernommen  wurde, 
oder  ob  beal)sichtigt  war,  wie  in  so  vielen  anderen  Gebeten  auch  hier 
den  Gedanken  des  Gottesreiches  zum  Ausdruck  zu  bringen,  läßt  sich 
nicht  mehr  erkennen.  Klarer  ist  hingegen,  auf  welchem  Wege  yüV: 
:S"*Tr"i  in  die  Keduscha  kam.  Gelegentüch  einer  Religionsverfolgung 
im  byzantinischen  Reiche  wurden  gewisse  jüdische  Gebete,  darunter 
das  Einlieitsbekenntnis  und  das  Trishagion,  das  die  Kh-che  im  Sinne 
der  Trinität  auslegte,  verboten.  Die  Synagogen,  die  an  den  Wochen- 
tagen wahrscheinlich  überhaupt  geschlossen  waren,  wurden  an  den 
Sabbaten  überwacht,  bis  die  Stellen  der  beanstandeten  Gebete  vor- 
über waren.  Daher  wurde  zu  dem  Aushilfsmittel  gegriffen,  die  Ke- 
duscha in  das  Musafgebet  aufzunehmen  und  um  den  Anfang  und 
das  Ende  des  "•cc  zu  erweitern.  (SD^nbi« '-  1:5«  STibi^b  23b  r-T.b-r^C) 
Auch  nachdem  die  Verfolgung:  vorüber  und  die  volle  Reliffionsfreiheit 


g4  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Aviederhergestellt  war,  wurde  die  Einschaltung  in  der  Musaf-Keduscha 
für  die  Sabbate  und  Feste  belassen.  Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß 
die  iVufnahme  von  bsil'C'i  yaiD  den  Anlaß  zur  Einführung  von  Y^^"* 
gab,  daß,  nachdem  einmal  Verse  aus  den  Propheten  und  dem  Pen- 
tateuch  zur  Keduscha  gehörten,  auch  die  Hagiographen  darin  ver- 
treten sein  sollten.  Das  älteste  Zeugnis  für  das  Vorhandensein  des 
~72Tr  in  der  Keduscha  findet  sich  P.  d  R.  E.  IV,  Ende,  wo  jedoch  y:i2'^ 
noch  nicht  erwähnt  ist. 

4.  "Der  Texi;  der  Keduscha  im  engeren  Sinne,  der  Bibel  verse, 
war  durch  die  Masora  vor  Schwankungen  behütet;  die  Verschieden- 
heiten entstanden  durch  die  verbindenden  Texte  und  in  der 
Tefilla- Keduscha  durch  die  Einleitungen.    Es   sind  folgende: 

A.  Einleitungen.  Sie  stellen  die  Keduscha  der  Gemeinde  als 
eine  Nachahmung  der  Verhen-lichung  Gottes  durch  die  Engel  dar. 

1.  Die  älteste  Einleitung,  die  wir  kennen,  ist  "TL"inp:"i  "::"'"i~: 
in  Sof.  XVI,  12.  Sie  ist  in  Germ,  an  den  Musafgebeten  üblich.  In 
der  Wortfolge  "::i"^7:i  ^ir-^^ips  finden  wir  sie  in  Seph.  und  seit  dem 
XVII.  Jahrhundert  in  It.  bei  allen  Gebeten  mit  Ausnahme  des  Musaf; 
in  Rom.  an  Wochentagen.  Die  Bibelstelle  Jes.  2923  spricht  sehr 
für  die  Wortfolge  in  der  letzteren  Fassung.  Maim.  liest  abweichend 
von  allen  Texten  ^D'^b^ri  "[©"i^p:.  Alle  Riten  außer  Germ,  er- 
wähnen in  der  einen  oder  anderen  Form  die  Dreiteilung  der  Keduscha 
(mrnp  iribir:),  die  Art  der  Bezugnahme  auf  die  Huldigung  der 
Engel  ist  in  den  Texten  verschieden.  Zu  erwähnen  ist,  daß  in  einer 
als  Variante  gegebenen  Keduscha  zu  Schacharis  von  Pesach  in  Rom. 
an  die  Einleitung  auch  Jes.  6 1, 2  angeschlossen  ist. 

2.  Damit  verwandt  ist  die  Einleitung  tü'ip:,  die  in  Germ,  mit 
Ausnahme  der  Musaf gebete  stets  gesprochen  wird,  in  Rom.  an  den 
Morgengebeten  der  Sabbate  und  Feste.  Es  ist  die  einfachste  Form 
der  Keduscha,  sie  nennt  nicht  einmal  die  Engel.  In  den  alten  Quellen 
ist  sie  nicht  nachweisbar. 

3.  "iPD,  bei  Amr.  für  alle  Gebete  ohne  Unterschied,  findet  sich 
in  den  anderen  Riten  in  sämtlichen  MusaftefiUas.  Germ,  ist  sie  un- 
bekannt, der  altfranzösische  Ritus  hat  sie  jedoch  ebenfalls  zu  Musaf 
verwendet,  V.  nennt  sie  nm  ncnp.  It.  hatte  sie  früher,  wie  Aim-.. 
täglich,  bis  durch  den  Einfluß  der  Kabbalisten  ^TT^^p:  an  die  Stelle 
trat,  "iro  stammt  wahrscheinlich  aus  den  Kreisen  der  babylonischen 
Mystüver,  der  Gedanke  und  die  Ausdrucksweise  sind  üinen  sehr  geläufig. 


Keduscha  65 

H.  VcrhiiuhMule  Toxto.  Sie  stellen  den  Übergang  von  einem 
Bihelverse  zum  anderen  dar. 

1.  Zwisehen  xo^np  und  ll"»2. 

a)  Die  kürzeste  Fassung  bilden  die  Worte  inttS*'  Tinn  on^yb, 
wie  sie  stets  mit  Ausnahme  des  Musaf  in  It.,  an  Woclicnt;igen  auch 
in  (lerm.,  oder  :"'^i2'i«'  ^■'nmrr  zr'cy'':,  das  stets  mit  Ausnahme 
des  Musaf  in  Rom.  und  Seph.  üblich  ist.  Dieser  Übergang  läßt 
die  Beziehunji;  des  :r"2"r  durchaus  unklar  und  macht  den  Eindruck 
einer  Verkürzung  aus  dem  nun  folgenden 

b)  bn^  m  ripn  li?,  das  täglich  in  Amr.  und  am  Morgen  der 
Sabbate  und  Feste  in  Germ,  (schon  in  V.)  im  Gebrauch  ist.  Der  In- 
halt entspricht  völlig  demjenigen  von  impn  nim  a-'iD'SrTi  in  der 
Jozer- Keduscha.  Da  schon  im  Talmud  Ofannim  in  Verbindung  mit 
der  Keduscha  erwähnt  werden,  ist  anzunehmen,  daß  diese  Verbindung 
oder  zumindest  der  ihr  zugrunde  liegende  Gedanke  recht  alt  ist. 

c)  abi7  i5:T2  (V:-:;i)  maD,  in  allen  Riten  in  der  Musaf- 
tefilla,  bei  Mann,  täglich,  seit  dem  XV.  Jahrhundert  in  Deutschland 
am  Jom  Kippur  in  allen  Gebeten.  Der  Ursprung  ist  unbekannt,  die 
Form  i)iutisch,  derart  daß  mit  dem  Schlußworte  des  Bibelverses  1~"I2D 
begonnen  und  darauf  wieder  hingeleitet  wird, 

2.  Zwischen  "inn  und  "^tt  in  der  Musaftefüla  der  Sabbate 
und  Feste.  Die  einfachste  Fassung  lautet  in  Rom.  3"!"'  ''^32  3it2"S 
s^^'C'Si,  wobei  nach  den  alten  Quellen  n2~i?n  zu  ergänzen  wäre. 
In  Rom.  selbst  aber  findet  sich  auch  der  erweiterte  Text,  dessen 
Beginn  im  Anschluß  an  das  letzte  Wort  des  Bibelverses  "laipia'a 
lautet,  er  ist  in  kürzerer  Fassung  als  die  Texte  von  It.,  Seph.  und  Germ, 
gehalten,  die  alle  kleine  Erweiterungen  bieten. 

3.  Zwischen  yc'::  und  ainbs«"::  23b  rvr[7  enthält  Rom.  gar 
keine  Verbindung,  und  m-sprünglich  müssen  die  Worte,  wenn  sie 
dem  obenerwähnten  Zwecke  dienen  sollten,  ohne  Unterbrechung 
gesprochen  worden  sein.  Als  später  die  Ursache  der  Aufnahme  des 
"I2ir  unbekannt  war,  wurden  die  Worte  ebenfalls  durch  ein  poetisches 
Stück  verbunden.  Tnbs«  s«^n  -ni«.  das  wieder  an  das  letzte  Wort 
des  Verses  anknüpft  und  dessen  ganzer  Wortlaut  den  Eindruck  einer 
relativen  Jugend  hervorruft.  Der  Text  in  It.  und  Germ,  ist  der 
gleiche,  in  Seph.  findet  sich  gegen  Ende  noch  ein  Zusatz,  die  Bitte  um 
messianische  Erlösung:  r^rs^r  ri-ns«  zzrs  "^rrs^  ■;",  die  aus  völliger 
Verkennung  des  ursprünglichen  Sinnes  an   diese   Stelle  gesetzt  ist. 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  0 


gg  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

4.  An  SDTiri«  '"  ^:x  schließt  Germ,  an  Festtagen  i:i^-i?  iiis 
an,  eine  starke  Betonung  des  Gottesreiclies ;  den  anderen  Riten  ist  das 
Stück  unbekannt.  Es  stammt  aus  Deutschland,  der  Wortlaut  scheint 
von  der  Poesie  Meschullams  b.  Kalonymos  (gest.  um  1000  in  Mainz) 
beeinflußt.  Ursprünglich  war  n^^i?  nur  an  den  beiden  ernsten  Feier- 
tagen übhch,  seit  1100  fing  man  an,  es  auf  die  WaUfahrtsfeste  zu 
übertragen.  It.  wiederum  hat  an  den  Festen  eine  Bitte  iT^'r"  bi?  aD^nrs, 
die,  vde  es  scheint,  an  den  gleichen  Gedanken  anknüpft;  der  Ausdruck 
und  die  Reime  kennzeichnen  sie  als  ziemlich  jung. 

5.  Vor  ~"~r"'  haben  die  meisten  Texte  übereinstimmend  stets 
"^^i?"::  inrD  nr"p  ^nn'iS"',  eine  reine  Quellenangabe  ohne  innere  Be- 
ziehung zm-  Keduscha.  Jedoch  haben  Ami',  und  Maim.  täghch,  Germ, 
im  Morgengebet  der  Sabbate  und  Feste  statt  dieses  nichtssagenden 
Überganges  ""»Sir  lIDbia  '^'aip'C'a;  das  ist  eine  Bitte  um  Herbei- 
fülirung  der  messianischen  Zeit,  in  der  Gott  allein  König  sein  wird 
(ib'ci).  Die  Anknüpfung  ist  wiederum  durch  das  letzte  Wort  des 
Textes  iiaip'a'a  gegeben,  das  in  die  Quellenangabe  (mrs?-  -Q1D)  aus- 
klingt. 

Die  äußere  Form,  der  Gedankengang  und  der  Wortlaut  der 
meisten  Hinzufügungen  zur  Keduscha  rechtfertigen  die  Annahme 
ihrer  Entstehung  in  der  ersten  Zeit  nach  Abfassung  des  Talmuds ;  auf 
einige  Ausnahmen  wurde  oben  bereits  hingewiesen.  Die  Mannig- 
faltigkeit der  Formen  ist  walu'scheinüch  dadurch  zu  erklären,  daß 
aus  Palästina  und  Babylonien  verscliiedene  Vorlagen  kamen.  Nur 
in  unwesentüchen  Einzellieiten  hat  sich  der  Text  im  Wechsel  der 
Zeiten  und  Länder  geändert.  In  den  neueren  reformierten  Gebet- 
büchern wurden  die  Ei-wähnungen  der  Engel  meist  beseitigt.  Auch 
sind  die  verbindenden  Texte  mehrfach  in  deutscher  und  englischer 
Sprache  poetisch  bearbeitet  worden. 

5.  Die  Keduscha  hn  Jozer  scheint  wesentlich  jünger  zu  sein  als 
die  in  der  Tefüla,  sie  scheint  erst  eine  Schöpfung  der  Mystiker  der 
gaonäischen  Zeit  zu  sein.  Sie  ist  im  Jozer  em  fremdes  Element,  der 
alte  Text  (ob.  S.  17  f.)  enthielt  sie  nicht,  und  man  merkt  auch  dem 
heutigen  Texte  noch  an,  daß  das  Thema  von  den  Engeln  und  ihrer 
Huldigung  mit  Gewalt  herbeigezogen  ist.  Wh*  wissen  aus  den  Über- 
resten der  Literatur  der  Mystiker,  welche  hohe  Bedeutung  sie  der 
Rezitation  der  Keduscha  beimaßen  (S.  181),  und  haben  allen  Grund 
zu  der  Annahme,  daß  sie  es  waren,  welche  die  Aufnahme  der  Keduscha 


1 


Kodusrha,  Prii>storsop[on  67 

in  (l(>n  Jozcr  vciimlaUtcii.  I);is  k;niii  jedoch  nicht  spätor  orfolgt  sein 
als  die  Abl'assunj!;  (U's  'i'r.  Soliiin.  in  (h'iii  zn  wiech'ihollen  Malen  der 
Jozer-Keduöcha  Kiwähnnnfjj  fj;escliiehl.  Vielleicht  wullten  die  Mystiker 
durch  die  Aufnahme  der  Kednscha  in  den  Jozer  auch  denjenigen,  die 
nicht  mit  der  Gemeinde  beteten,  eine  Gelegenheit  bieten,  die  Kednscha- 
verse  zu  rezitieren.  Die  verschiedenen  Krsatzstellen  für  die  Keduscha 
in  der  Ausgabe  von  Amr.  gehören  zwar  dem  ursprünglichen  Texte 
nicht  an,  al)er  sie  entstammen  sämtlich  der  mystischen  Literatur 
und  lassen  deutlich  die  Bestrebungen  jener  Kreise  erkennen.  Für  die 
Jozer-Keduscha  war  die  Einleitung  durch  die  voraul'gehende  Schilde- 
rung der  Engel  des  Dienstes  (DTTCa)  gegeben.  Den  verbindenden 
Text  zwischen  den  beiden  Versen  rinp  und  T"iin  bildet  das  allen  Riten 
gemeinsame  iriip"  nim  ai:s^i?rn,  das  in  Germ.,  wenn  es  mit  Piut 
zusammentrifft,  in  inmiri   n">nm  geändert  wird. 

6.  Über  den  Ursprung  der  Keduscha  de  Sidra  vgl.  §  10.  Sie  ist 
älter  als  die  des  Jozer,  wahrscheinlich  ebenfalls  babylonischen  Ur- 
sprungs. Wenn  das  Targum  sclieni  zu  Ester  V,  1  von  einer  dreimaligen 
Rezitation  des  Trishagion  spricht,  so  denkt  der  Verfasser  wahrschein- 
lich an  unsere  Keduscha  und  die  bei  der  Wiederholung  der  Tefilla 
zu  Schacharis  und  Mincha.  Hingegen  setzt  die  junge  Sammlung 
Midrasch  ha  Gadol,  die  30  Keduschas  wöchentlich  erwähnt  (S.  278), 
bereits  je  4  Keduschas  an  den  6  Wochentagen  und  6  am  Sabbat 
voraus;  3  in  der  Tefilla,  1  im  Jozer  und  2  Keduschas  de  Sidra  zu  Mincha 
und  am  Sabbat ausgang. 

§  9  b.    Der  Priesfersegen. 

Literatur:  Baer.  S.  358  ff.;  Duschak.  S.  266  ff. ;  Berliner,  Randb.  I,  40  ff.; 
Fnuukin,  S.  284  ff'.;  J.E.  Art.  Blessing-,  Priestly  lU,  244  ff. 

1.  Der  Priestersegen  2">:~:  rnil  ist  ein  Residuum  aus  dem 
Kultus  des  Tempels ;  er  bildete  einen  Bestandteil  des  täglichen  Opfers, 
an  jedem  Morgen  und  gegen  Abend  sprachen  die  Ahroniden  unmittel- 
bar vor  dem  Darbringen  des  Ganzopfers  über  das  Volk  den  in  Nura. 
624 — ^26  vorgeschriebenen  Segen.  Die  Priester  traten  im  gegebenen 
Augenblicke  auf  die  Stufen  der  Vorhalle,  von  der  aus  sie  zum  Volke  zu 
reden  pflegten,  und  verkündeten  den  Segen;  die  Bezeichnung  rr-2 
D'^rns  der  Mischna  (Sota  VII,  1)  wird  in  der  Tosef ta  ausdrücklich  auf  den 
Segen  bezogen,  den  die  Priester  auf  den  Stufen  der  Tempelhalle 
sprechen.    (sb'Sn  r-:>-i2  b"  2"^"'T2'S?  z-'ircr.r  -^bs  2"^:r;2  rD'2  das. 

5* 


gg  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

VII,  7  S.  3073).  Iii  amoräisclier  Zeit  wiu'de  für  den  Standort  der 
Priester  die  in  der  Mischna  in  anderem  Sinne  gebrauchte  Bezeichnung 
■;d1"  verwendet,  man  nannte  daher  die  Tätigkeit  der  Priester  nb^ 
■rTib  (z.  B.  b.  Schabb.  118  a).  Hiervon  stammt  das  in  der  jüdisch- 
deutschen Mundart  bis  in  die  Gegenwart  erhaltene  Wort  „duchenen" 
für  Sprechen  des  Priestersegens.  —  Die  Priester  hoben  beim  Segen  die 
Hände  hoch,  so  tat  es  schon  Ahron  bei  der  Einweiliung  der  Stiftshütte 
(Lev.  7  22) ;  der  Ausdruck  T" "  ^  rs«  &{  it:  wird  noch  im  hebräischen  Sirach 
gebraucht  (5020),  im  tannaitischen  Schrifttum  jedoch  istT>BD  ri55  S1C3 
dafür  üblich,  davon  wird  das  Xomen  a^ED  ni^^r:  gebildet  (Sifre 
xsum.  §  39  p  11  b),  das  dann  in  der  halachischen  Literatur  allgemein 
Verwendung  findet.  Endlich  erscheint  im  babylonischen  Talmud 
und  im  Targum,  da  die  Priester  die  Hände  beim  Segen  ausbreiten, 
die  Bezeichnung  (n^)  r~i  C"i£  (z.  B.  Jon.  zu  Num.  6  23).  Daneben 
aber  erhält  sich  der  alte  schlichte  Ausdruck  der  Bibel  i^l  Num.  623 
(sr"  rs?  2"'2""^TC  S'^rnan  vgl.  Sota  VII,  6  und  b.  39  a),  und  neben 
a-iSD  (riiiiL":)  ns^iir:  kommt  Z'^iro  r3-n ständig  vor. 

2.  Der  Priestersegen  bildete,  wie  bemerkt,  ursprünglich  einen 
Teü  des  Tempelkultus.  Nach  den  Berichten  der  Mischna  (Taan.  IV,  1) 
wurde  er  bisweilen  sogar  viermal  an  einem  Tage  gesprochen,  außer 
beim  Morgen-  und  Nachmittagsopfer  auch  zu  Mittag  beim  Zusatz- 
gebet (rci)2,  wofür  in  Tos.  das.  S.  2198  rr^n)  und  am  Abend  beim 
Scliließen  der  Tempeltore  (a"i^"T  rrT:).  Das  geschah  am  Ver- 
söhnungstage, bei  öffentlichen  Fasten  und  beim  Gottesdienst  der 
Standmannschaften  (r7"r  "r  §  34).  Hier  begegnet  uns  zum  ersten  Male 
der  Priestersegen,  ohne  Begleiterscheinung  eines  Opfers  zu  sein.  Dem- 
entsprechend wurde  er  schon  während  des  Tempelbestandes  auch 
in  die  Gotteshäuser  außerhalb  des  Tempels  (n:^-^  ,r''^25)  über- 
tragen; „so  gut  wie  es  einen  Priestersegen  im  Tempel  gibt,  wd  er  auch 
in  der  Provinz  gesprochen".  (Tos.  Sota  VII,  8  S.  307  7;  vgl  Sifre 
suta  S.  53).  Freilich  wurden  einige  unterscheidende  Abweichungen 
festgesetzt;  im  Tempel  wurde  der  ganze  Priestersegen  ohne  Unter- 
brechung gesprochen,  außerhalb  in  drei  Sätzen  (davon  später  r»2"'n 
r'C'^'Ca),  in  die  wahrscheinlich  die  Gemeinde  mit  Amen  einfiel;  hn 
Tempel  wurde  das  Tetragi'amm  ausgesprochen,  außerhalb  nicht;  im 
Tempel  erhoben  die  Priester  ihre  Hände  bis  ans  Haupt,  außerhalb  nur 
bis  an  die  Schidtern  (Tam.  VII,  2,  Sota  VII,  6,  Sifre  u.  S.  s.  z.  St.). 
Fraglos  traten  in  der  ältesten  Zeit  die  Priester,  wenn  die  Reihe  an  sie 


Priestersegen  69 

kam,  von  seihst  vor  uiul  spiaclicii  ihren  Segen;  schwerlich  war  er  mit 
der  'IVfilla  ori^anisch  vcrhinKh-ii.  Zum  Scji^cn  war  jeder  Priester  ohne 
Unterschied  des  Alters  zii^^eiasseii,  i^anz  f^lcich  ol)  er  zur  f^erade  dienst- 
tuenden Abteihmg  gehörte  oder  niclit;  nur  solche  mit  körperliclien 
(lebrechen  wurden  ausgeschlossen,  aber  auch  nicht  unbedingt  und 
ohne  Ausnahme  (Meg.  Ende). 

3.  Mit  der  Zerstörung  des  Tempels  hörte  die  prnuäre  Stätte  des 
Priestersegens  auf,  er  erhielt  sich  nur  noch  an  der  Stelle,  an  die  er 
übertragen  war,  nänilieh  beim  Synagogengottesdienst.  Auch  hier 
wurde  den  Ahroniden  das  Si)recheu  des  Segens  zur  Pflicht  gemacht 
(j.  Ber.  V,  5  f.  9  d).  Er  wurde  in  die  Tefilla  einverleibt ;  wann  das  geschah, 
läßt  sich  mit  Sicherheit  nicht  feststellen,  die  Mischna  setzt  bereits 
voraus,  daß  der  Priestersegen  während  des  lauten  Vortrags  der  Te- 
filla stattfindet  (Ber.  V,  4).  Gleichzeitige  Verordnungen  weisen  eben- 
falls auf  die  Veränderung  der  Stätte  des  Priestersegens  hin,  im  Tempel 
waren  sie  überflüssig,  ihr  Zweck  durch  die  von  selbst  gegebenen  Be- 
dingungen erfüllt.  Jochanan  ben  Sakkai  verfügte,  daß  die  Priester 
ihre  Sandalen  ablegen  mußten,  wenn  sie  den  Segen  sprachen  (b. 
Sota  40  a),  R.  Ismael  b.  Elisa  hält  das  Händewaschen  vor  dem  Segen 
für  erforderlich  (das.  39  a),  sein  jüngerer  Zeitgenosse  Eleasar  b.  Scham- 
mua  auch  einen  besonderen  Segensspruch  (b.  Meg.  27  b).  Etwa  um 
dieselbe  Zeit  dürfte  eingeführt  worden  sein,  daß  die  Priester  ihre 
Finger  beim  Segen  spreizten  (vgl.  Targ.  jer.  zu  ?sum.  627),  daß  die 
Gemeinde  sich  ihnen  gegenüber  stellte  (:^:e  ~.":2  -"':e),  womit  zeit- 
w^eise  seltsame  Vorstellungen  über  die  magischen  AVirkungen  des 
Segens  verbunden  wurden  (vgl.  b.  Sota  38  b).  R.  Akiba  erklärt  es  für 
unstatthaft,  die  Priester  anzuschauen,  während  sie  den  Segen  sprechen 
(vgl.  b.  Chag.  16  a).  Die  Priester  beginnen  nicht  mehr  von  selbst, 
sondern  der  Vorbeter  muß  ilinen  den  Segen  vorsprechen,  und  diese 
Gewohnheit  ist  so  fest  eingebürgert,  daß  sie  sogar  als  biblisches  Gebot 
betrachtet  wii-d  (Sifre  §  39).  Vielleicht  wurde  es  schon  damals  ein- 
geführt, daß  die  Priester  vom  Vorbeter  aufgerufen  wurden,  vor  das 
Vorbeterpult  hinzutreten  und  dort  den  Segen  zu  sprechen,  sicherlich 
war  es  im  amoräischen  Zeitalter  der  Fall.  Die  Amoräer  unterscheiden 
bereits  das  Verfahren  bei  der  Anwesenheit  von  einem  oder  von  mehreren 
Priestern  (b.  Sota  38  a,  j.  Ber.  V,  5  f.  9d).  Neben  dem  erwähnten  Segens- 
spruche, dessen  Wortlaut  zuerst  im  Xamen  R.  Chisdas  mitgeteilt  wird 
(b.  Sota  39  a),  kennt  der  Talmud  eine  stille  Bitte  der  Ahroniden,  sobald 


■^Q  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

sie  ihiTii  Platz  verlassen,  und  eine  andere,  wenn  sie  den  Segen  ge- 
sprochen und  sich  von  der  Gemeinde  abgewandt  haben.    Auch  die 
Gemeinde  wollte  während  des  Segens  nicht  untätig  sein ;  infolgedessen 
wurden  ihr  ebenfalls  in  derselben  Zeit  einige  Bibelverse  vorgeschrieben, 
die  sie  rezitieren  sollte.  Die  Amoräer  waren  sich  nicht  einig  darüber, 
in  welcher  Weise  diese  Rezitation  stattfinden  sollte,  denn  es  wider- 
strebte ilmen,  den  Segen  selbst  in  ungehöriger  Weise  unterbrechen 
zu  lassen,  und  gar  mancher  wollte  sie  gänzlich  beseitigen,  weü  „es 
nicht  angängig  wäre,  daß  einem  niedrigen  Menschen  ein  Segen  gespendet 
würde  und  er  nicht  einmal  das  Ohr  hmwandte"  (vgl.  j.  Ber.  I  l.f.  2  c, 
b.  Sota  39  b  f.).    Die  Einfügung  melu-erer  Bibelverse  hatte  die  ver- 
hängnisvolle Folge,  daß  in  nachtalmudischer  Zeit  zu  jedem  einzehien 
Worte  des  Priestersegens  ein  entsprechender  Vers  für  die  Gemeinde 
eingeführt  wurde,  und  wenn  auch  eingeschärft  wurde,  die  Verse  nur 
wälirend  des  Vortrages  des  Vorbeters  zu  sprechen,  den  Segen  der 
Priester  jedoch  schweigend  mitanzuhören,  so  artete  das  dennoch  m 
einer  Weise  aus,  daß  die  Verse  den  Segen  übertönten;  alle  Mahnungen 
namhafter  Halacliisten  halfen  nichts  dagegen.  Em  nicht  geringerer  Übel- 
stand wurde  dm'ch  die  in  Babylonien  verbreitete  Furcht  vor  bösen 
Träumen  veranlaßt.    Wem  sein  Traum  entfallen  war,  der  sollte  nach 
Empfehlung  eines  Amoräers  (um  400)  wälu'end  des  Segens   vor  die 
Priester  hintreten,  ein  Gebet  sprechen,  daß  sein  Traum  eine  günstige 
Bedeutung  habe  oder  durch  Gottes  Gnade  erhalte,  und  so  schließen, 
daß  die  Gemeinde  Amen  darauf  spricht  (b.  Ber.  55  b),    Auch  dieses 
Gebet  (T^bn  Dibn  ynn)  wurde  in  der  Folgezeit  dem  Priestersegen 
beigefügt  und  von  jedermann  in  der  Gemeinde  nicht  nur  eimnal, 
sondern  am  Ende  aller  di'ei  Sätze  gesprochen.    Eine  jüngere  kabba- 
listisch beeinflußte  Zeit  hat  für  den  Schluß  des  dritten  Satzes  ein  noch 
längeres  Gebet  eingefülut  (iT^i  "'""')   und    in  seltsame  Verbindung 
mit    dem   „aus   dem  Piiestersegen  hervorgehenden  zweiundzwanzig- 
buchstabigen  Gottesnamen'    gebracht.    Alle  diese  Mißbräuche  waren 
nur  dadurch  möglich,  daß  die  Ahroniden  den  Segen  nicht  mehr  sprachen, 
sondern   sangen  und  die  Melodien  recht  lange  hinzogen.     Aber   der 
Segen  hat  dadurch  seinen  ursprünglichen  Sinn  völlig  eingebüßt,  und 
das  war  mit  ein  Grund  dazu,  weshalb  sich  in  neuerer  Zeit  eine  heftige 
Opposition  gegen  ilm  geltend  machte,  die  ^ielfach  zu  seiner  Besei- 
tigung oder  Vereinfachung  führte. 

4.  Der  Priestersegen  findet  in  der  Synagoge  nur  statt,  wenn  ein 


l'riestcrsfyca  71 

Forum  von  miiulcstens  zehn  1uw;u'1is«mi(MI  aiiwosend  ist  (Meg.  1\' ,  4). 
Nach  den  alten  Bestinnniuigen  (ob.  S.  Ü8j  müßte  er  jede  haute  Te- 
filhi  begleiten,  sclion  früh  jedoch  wurde  er  auf  die  Morgentefilla  be- 
schränkt und  fiel  nachmittJigs  aus  (b.  Taan.  26  b).  Eine  Ausnahme 
machten  die  Kasttage,  wo  er  auch  zu  Neila  zugelassen  war;  in  Pa- 
lästina wurde  er  am  Versöhnungstage  wie  in  alter  Zeit  viermal,  in 
Babylonien  dagegen  und  hiernach  überall  in  der  Diaspora  nur  dreimal 
gesprochen  {(Ihill.  Nr.  22).  Die  Sitte,  daß  die  Ahroniden  tagtäglich 
den  Segen  sprachen,  hat  sich  nur  im  Orient  lange  erhalten  und  wird 
in  Temen  bis  zum  heutigen  Tage  befolgt.  In  Europa  scheint  sie  an 
den  Wochentagen  sehr  früh  aufgehört  zu  haben,  wahrscheinlich  weil 
der  Gottesdienst  dadurch  zu  lange  ausgedehnt  wurde,  vielleicht  auch, 
weil  nicht  hnnier  Ahroniden  m  der  Synagoge  anwesend  waren.  ]\lan 
beschränkte  sich  daher  in  Spanien  auf  Sabbate  und  Feste,  in  den 
anderen  Tyändern  sogar  nur  auf  die  Feiertage.  x\uch  an  diesen  blieb 
er  in  Deutschland  auf  das  Musafgebet  beschränkt,  es  war  eine  Aus- 
nahme, wenn  Jakob  MöUin  (um  1400)  ilm  auch  zu  Schacharis  zuließ. 
Bei  dieser  Beschränkung  auf  Musaf  ist  es  dann  geblieben.  Eine  Ab- 
weichung hiervon  wurde  in  der  Zeit  des  sabbatianischen  Wahnes  in 
Amsterdam  eingeführt;  zu  Ehren  der  Messiaszeit  wurde  der  Priester- 
segen wieder  an  jedem  Sabbat  gesprochen,  und  der  Brauch  wird 
dort   in  der  portugiesischen  Synagoge   bis  in  die  Gegenwart  geübt. 

Da,  wo  Alironiden  nicht  anwesend  waren,  und  überall,  wo  der 
Segen  dm'ch  sie  selbst  nicht  mehr  gesprochen  wird,  mußte  ihn  der 
Vorbeter  bei  der  Wiederholung  der  Tefilla  ersetzen.  Nach  einer  Ein- 
leitung sprach  er  dann  in  Babylonien  und  in  der  ganzen  Diaspora 
die  Worte  des  Priestersegens,  in  Palästina  jedoch  gestattete  man  ihm 
diese  Verse  nicht,  er  mußte  sich  mit  dem  Nachsatz  Num.  6  27  ■nauJi 
begnügen.  Der  Ersatz  wurde  für  alle  diejenigen  Tefillas  eingeführt, 
in  denen  die  Priester  den  Segen  hätten  sprechen  müssen,  d.  h.  stets 
für  die  TefiDa  zu  Schacharis  und  Musaf,  an  den  Fasttagen  auch  zu 
Mincha,  am  Versöhnungstage  auch  zu  Neila;  nicht  einheitlich  ist  der 
Brauch  am  Versöhnungstage  zu  ^lincha. 

5.  Wo  die  Priester  selbst  den  Segen  sprechen,  verlassen  sie  schon 
bei  Beginn  der  XVII.  Benediktion  der  TefiUa  ihren  Platz,  in  alter 
Zeit  von  selbst,  später  nach  Aufforderung  durch  den  Synagogendiener. 
In  Germ,  wird  in  diesem  Falle  das  Stück  außer  mit  rr^^  auch  noch 
mit   der  älteren  Formel   l""n   eingeleitet   (vgl.  ob.  S.  öö).     Nach 


72  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Saadja  wkd  nsi  nur  gesprochen,  wo  ein  Priestersegen  angängig  ist 
sonst  fortgelassen  (das.).   Der  Segen  selbst  wii'd  zwischen  die  XVIII. 
und  XIX.  Benediktion  eingeschaltet.    Bei  Anwesenheit  von  melu'eren 
Ahroniden  werden  sie  vom  Vorbeter  durch  das  Wort    a^:nD  zum 
Segen  aufgerufen,   Jakob  Tarn  erklärte  sich  nachdrücklichst  gegen 
diese  Unterbrechung  der  TefiUa.    Nachdem  die  Alu'oniden  die  im 
Tahnud  vorgescluiebene  Benediktion  gesprochen  (ob.  s.  S.  69),  be- 
ginnt der  Vorbeter  mit  dem  biblischen  Segen,  den  sie  Wort  für  Wort 
wiederholen;  im  Orient  war  es  noch  in  der  Zeit  Mahnunis  üblich,  daß 
der  Vorbeter  erst  beim  zw^eiten  Worte  einsetzte,  während  die  Ahroniden 
^DiS"'  von  selbst  sprachen.    Da  wo  der  Segen  nur  vom  Vorbeter  ge- 
sprochen wird,  fügt  dieser  als  Einleitung  die  Bitte  ein  ns^ns  i:"""2 
mnbir'an.   Da  nun  im  Mittelalter  in  Europa  der  Segen  durch  den  Mund 
der  Alu'oniden  zu  den  großen  Seltenheiten  gehörte,  gewöhnte  man  sich 
daran,  auch  wo  sie  ihn   sprachen,  ~3im   irs^'a   vorauszuschicken. 
Meir  von  Rothenburg  handhabte  es  derart,  daß  er  bis  T^m  pns?  ^E"!2 
leise  sprach  und  a"';nD  laut  ausrief ,  worauf  die  Ahroniden  mit  "iCTip  z:? 
"i"^T2i?D  einsetzten.  So  ist  in  Germ,  der  Brauch  geblieben,  wälnend  Seph. 
und  It.  das  ganze  lIDll  beibehalten  haben.  Auf  den  Segen  folgt  die 
XIX.  Benediktion  der  Tefilla  Zlbir  a^lC,  m  Germ,  tritt  an  ilu-e  Stelle 
überall,  wo  der  Segen  ausfällt,  das  kürzere  m  ai"::r  (oben  S.  59). 

6.  Der  Wortlaut  des  Priestersegens  war  durch  die  Bibel  festgelegt. 
Der  Text  der  Emleitungsformel  r-csis  i"3^n  stimmt  in  allen  Vor- 
lagen überem,  ein  Beweis  für  sein  sehr  hohes  Alter.  Eine  auffällige 
Variante  findet  sich  emmal  (aber  nicht  dm-chgängig)  in  Rom.,  wo 
es  heißt  a'^SHD  i^mbi  inn5«b  niTci^n  ii5^n:  "»-i^  rr  nn'^rsn  rmrn 
"Tirnp  a^b,  auch  David  Kimchi  schlug  aus  stilistischen  Gründen 
IlL'i^p  Q"S  a'i;ro  vor.  In  Palästina  sprach  der  Vorbeter  statt  des 
Priestersegens  nur  "^^siL"  ri?  Tcirn,  Amr.  und  Saadja  bringen  den  Vers 
auch  hinter  dem  Segen,  und  so  wurde  er  in  Spanien  und  Südfrankreich 
beibehalten;  in  Xordfrankieich,  Deutschland  und  Italien  hingegen 
war  er  nicht  üblich.  Xach  den  Beschlüssen  der  Frankfurter  Rabbiner- 
versammlung 1845  ist  in  den  Reformgemeinden  Deutschlands  und 
Amerikas  der  Segen  durch  die  Ahroniden  vöUig  aufgehoben  und  niu* 
der  Ersatz  durch  den  Vorbeter  beibehalten  worden.  Auch  in  kon- 
servativen Gemeinden  ist  das  \delfach  der  Fall  gewesen,  oder  der 
Segen  wurde  wenigstens  wieder  auf  seine  schlichte  Form  zm'ück- 
geführt,  jedes  Beiwerk,  vor  aUem  der  überflüssige  Gesang,  beseitigt. 


Priestersegen,  Tachamiiiiiii  73 

§  10.     Die  Tachanunim. 

Literatur:  T.andshuth,  S. 84— 170;  Baer,  S.  112—152;  Dusehak,  S.  21K  fl". ; 
Zuiiz,  Litg..  S.  15  tr. ;  HcrliiuT,  Raiulb.  I,  S.  TOf. ;  Jawitz,  S.  85  ff".  Di<^  Artikel 
Tai'hamin  bei  Hambiirg-er  h'E  II,  S.  8U8;  Tahamm  in  JE  XI,  S.  6G7  f.  Zu  11 
v«j:1.  L.  Si'iieiniiaus,  Alc.nu  Lcsi-habbcach  in  i).st  u.  West  VIII,  1908,  S.  451  ff", 
und  zu  12.  Berliner,  Der  EiniieitsyesaM<;',   Berlin   1910. 

1.  Unmittelbar  zur  Tefilla  gehörl  der  letzte  Teil  des  Morgen- 
gebets. Sein  Xanu'  D-'rirnn  (Dan.  D"?  11.  ö.),  n:nr  (Dan.  920), 
n:nr,  „Taehauuir"  iiint'aßt  alles,  was  im  Ciebetbiiche  auf  die  Te- 
filla folgt.  Das  ist  heute  ein  recht  buntes  Mosaik  von  Bibelstellen 
und  von  Gebeten,  die  aus  ganz  verschiedenen  Zeiten  stammen,  eine 
Gruppe  von  Gebeten,  die  ihrem  nrsprünglichen  (Iharakter  völlig  ent- 
fremdet ist  und  lediglich  durch  Zurückgehen  auf  ihre  Anfänge  ver- 
standen werden  kann.  In  der  Halacha  lautet  der  technische  Ausdruck 
für  unser  Gebet  2rT^:E  br  D'i'rEn:,  s^es«  rb^s:.  Er  stammt  aus 
dem  Talmud,  eine  Erklärung  bietet  b.  Mcg.  22  b,  wo  n-^sri«  b"  bs:, 
in-'^E:ss5  biE:  (rpsi«)  mit  dem  biblischen  mp-'i  gleichgesetzt 
wird,  das  biblische  mnnrn  wird  dort  durch  aibsil  a'^T'  'JlfB  wieder- 
gegeben. Beide  Arten  des  Xiederfallcns  waren  in  Babylonien  am 
Anfange  des  di'itten  Jahrhunderts  bemi  Tachanun  nach  der  Te- 
filla üblich,  und  noch  Maimonides  kannte  beide  aus  dem  Leben.  Die 
genannten  Bezeichnungen  lielfeii  uns,  den  Ursprung  des  Gebetes  zu 
erkennen.  Die  Mischna  Tamid  VII,  3  berichtet:  ^^tC2  a^^ibn  T^n-n 
rc'pr.  bD  b:7i  ,n:;'''pr  pis  bD  b:?  ,a~n  Tinrrm  ,^.::'pr  p-isb  ir-^sr. 
r.i^nrr-.  Wälu-end  des  Gesanges  der  Leviten,  der  auf  das  tägliche 
Morgenopfer  folgte,  warf  das  mi  Tempel  anwesende  Volk  sich  nieder. 
Was  wu"  in  der  ]\Iisclina  in  der  Form  der  Halacha  ausgesprochen 
finden,  wird  durch  die  Erzählung  in  Sh\  5016 — 21  verdeutlicht,  wo- 
nach das  beim  Opfer  im  Tempel  anwesende  Volk  auf  den  Posaunen- 
schall hin  und  später  nach  dem  Segen  der  Priester  mehrmals  zur 
Anbetung  auf  die  Erde  fiel.  Das  war  der  Augenblick,  m  dem  das  Volk 
im  wahren  Sinne  des  Wortes  betete.  Jeder  trüg  in  stiller  Andacht 
diejenigen  Bitten  vor,  die  in  jener  Stunde  sem  Herz  bewegten.  Die 
Eimichtuug  wurde  vom  Tempel  auf  die  Synagoge  übertragen,  das 
Privatgebet  wurde  jetzt  nicht  mehr  im  Anschluß  an  das  öffent- 
liche Opfer,  sondern  im  Anschluß  an  das  öffentliche  Gebet  gesprochen. 
Am  Schlüsse  des  Gottesdienstes  wurde  jedem  einzelnen  Gelegenlieit 
gegeben,  sein  Herz    auszuschütten   und  ohne  jeden  äußeren  Zwang 


74  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Zwiesprache  mit  seinem  Gotte  zu  halten.  Durch  diese  Einrichtung 
wurde  das  schwierigste  Problem  jedes  Gemeindegottesdienstes  gelöst, 
wurde  der  gerechte  Ausgleich  zwischen  den  Ansprüchen  der  Ge- 
meinde, die  das  gemeinsame  Gebet  nicht  entbehren  kann,  und  dem 
billigen  Verlangen  des  emzelnen  nach  emer  unabhängigen,  von  der 
Gemeinde  nicht  beeinflußten  persönlichen  Andacht  ge- 
schaffen. Die  Gemeinde  nimmt  für  sich  die  erste  Stelle  in  Anspruch, 
aber  sobald  ilu'e  Andacht  gehalten  ist,  räumt  sie  dem  einzelnen  die 
MögUchkeit  ein,  dem  inneren  Drange  seines  Herzens  Genüge  zu  tun. 
Als  der  Gottesdienst  nur  das  Bekenntnis  enthielt  und  mit  l"i2il  naa? 
scMoß  (s.  ob.  S.  25),  reihte  sich  die  private  Andacht  an  jenes  an, 
später  wurde  sie  von  dort  an  das  Ende  der  Tefilla  verwiesen. 

2.  Der  älteste  Name,  den  wü'  für  das  private  Gebet  finden,  ist 
2^11-,  Worte,  nbsr  ^ns?  z^^2-  a^nrii?  (Tos.  Ber.  III,  6,  S.  6), 
man  spricht  Worte,  d.  h.  ein  Privatgebet,  am  Schlüsse  der  Tefilla,  und 
es  darf  beliebig  lang  sein  ,so  lang  wie  das  längste  bekannte  Gebet, 
das  des  Versöhnungstages  ^■'■"^EDn  3^^  bc  ("^m)  ^"C.  Sehr  be- 
zeichnend, wenn  auch  nicht  richtig,  ist  die  Lesart  12"  2"'"i7aiS  "{"'S? 
"jI  3i"j:"it  r'CiC  -!-5<  "  'ii"  p  2,  die  wir  in  b.  Ber.  31  a  finden,  wo  die 
„Worte"  bereits  mit  Fürbitte  mrpn  gleichgestellt  sind. 

Die  äußere  Haltung  bei  diesem  Gebete  ist  in  manchen  Gegenden 
dieselbe  geblieben  wie  hu  Tempel  zu  Jerusalem.  IS'och  Maimonides 
weiß  nur,  daß  man  entweder  mit  dem  Gesicht  oder  dem  ganzen  Körper 
auf  die  Erde  fällt,  und  die  ihm  getreuen  Juden  von  Temen  werfen  sich 
bis  auf  den  heutigen  Tag  auf  die  Erde.  So  oft  der  Talmud  aus  dem 
Leben  erzälüt,  berichtet  er  immer,  daß  man  auf  das  Antlitz  fiel 
(2"iEi5  b"  nb^s:);  so  m  dem  Falle  von  R.  Elieser,  dem  seine  Frau 
Imma  Schaloni  nicht  gestattete  -lEi?  b~  bE"''^:  (um  120,  b.  B.  Mez.  59b), 
so  bei  der  Anwesenheit  Rabs  in  Xehardea  (b.  Meg.  22  a).  Vornehme 
hatten  aUerdmgs  die  Freüieit,  nur  ilu-  Gesicht  zur  Seite  zu  neigen  ("^^212 
^rb-JS  b.  Meg.  23  a,  n^-jc  b"  V2'\  j.  Ab.  Sar.  IV,  If.  43d  ob.,  daher 
"::~  b"  n"""!!::  bei  den  Dezisoren.)  Das  sich  zur  Seite  neigen  oder  den 
Kopf  aufstützen  und  verdecken  ist  der  allgemein  verbreitete  Brauch 
der  Synagoge  geblieben,  nichtsdestoweniger  wurde  der  Ausdruck 
ZiSiJ  r^'^tZ  beibehalten.  Seine  Bedeutung  verblaßte  derart,  daß  er 
sogar  mit  '^i5  zusammen  gebraucht  wh'd  z.  B.  rbT:  2''^"ais  "'i? 
a"<sa?,  Maimonides  wendet  den  Ausdruck  a^^nrr  an. 

3.  Der  Inhalt  der  Bitten  war,  da  sie  durchaus  persönlichen 


Tarlianiuiiiii  75 

Charakter  lialtcii,  kein  h  t' s  t  i  in  m  1  c  r ,  er  war  so  mannigfaltig 
wii'  die  lie^,al)iini;-  und  .\us(huckslalii^d<('it,  so  wechselnd  wie  die 
Stimnuingen  und  die  Hedürlnisse  der  Mensehen.  Kinzeliio  derartige 
Gebete  von  Gelelirten  sind  in  b.  Her.  lü  h,  17  a,  j.  I\',  2  (7  d)  erhalten. 
Es  war  ganz  berechtigt,  wenn  man  sie  mit  ^^ni  x^n  bezeichnete. 
Den  Geonim  war  die  Erinnerung  daran,  daß  hier  ein  Privatgebet 
vorliegt,  noch  nicht  entschwunden.  Xatronai  betrachtet  a''Ei<  r'z-LZ 
als  durchaus  freiwillig  (rnrn);  Ainr.  erklärt,  daß  jeder,  der  nach 
lieendigung  der  Tefilla  den  Wunsch  hat,  (.las  Sündenbekenntnis  oder 
eine  Fürbitte  zu  sprechen  (^~2~  ""Tir  ^r:  ^s«  "»i"'  ir"'T2"::  ^72  "'S),  dazu 
berechtigt  ist,  und  stellt  es  einem  jeden  frei,  nach  seinem  Belieben 
zu  beten  nnsii  ins  bD  bs^iin  aiiann  STpn^-i  zr\-^zz  7"  -.^n::  z-ibEir 
irrpn.  Hier  ist  nur  in  dem  einen  Punkte  über  den  Talmud  hinaus- 
gegangen, daß  die  dort  als  Privatgebete  nach  der  Tefilla  (sr'":".:  ^r2) 
mitgeteilten  Gebete  von  denen  zu  aiss?  rb-is:  unterschieden  werden, 
wälu-end  es  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  dieselben  waren.  Den  Cha- 
rakter als  freiwilliges  Gebet  haben  die  Tachanunim  insofern  behalten, 
als  sie  das  ganze  Mittelalter  hindurch  bis  hinab  zum  Schulchan  Aruch 
nicht  unter  die  Pflichtgcbete,  sondern  nur  als  Brauch  (3n;'a)  ge- 
rechnet wurden.  Sie  sind  ferner,  wenigstens  in  ilirem  ersten  Teile,  bis 
heute  em  stüles  Gebet  geblieben,  bei  dem  in  den  meisten  Gegenden 
der  Vorbeter  zu  sitzen,  also  gewissermaßen  die  Gemeinde  sich  selbst 
zu  überlassen  pflegt. 

4.  Als  die  Tachanunim  ein  fester  Bestandteil  der  Liturgie  wurden, 
geriet  ihr  ursprünglicher  Zweck  in  Vergessenheit,  man  scluieb  auch 
für  sie  einen  Text  vor.  Dabei  knüpfte  man  an  biblische  Muster  an, 
au  Gebete  wie  Esr.  96,  Xeh.  lö,  vor  allem  aber  an  das  klassische  Bei- 
spiel des  2^:i:nn  rczr.  rpn  in  Dan.  93  ff.  Dort  geht  der  Bitte 
ein  Sündenbekenntnis,  die  Betonung  der  eigenen  Unwürdigkeit  voraus, 
die  Gaben  werden  als  freiwilliges  Gnadengeschenk  Gottes  erfleht. 
Diese  Gedankenverbindung  ist  in  den  2">:':nr  erhalten  geblieben, 
so  verschiedene  Formen  uns  auch  überliefert  sind,  in  allen  kommt 
der  Gedanke  der  Sündhaftigkeit  und  Unwürdigkeit  des  Menschen 
zum  Ausdruck,  sie  erinnern  darin  an  die  Liturgie  der  Fasttage,  der  sie  viel 
entlehnt  haben.  Die  Fonn  wechselt.  Während  Ami",  mehrere  Gebete 
zur  Auswahl  stellt,  die  an  die  Techinnas  des  Talmuds  anklingen,  hat 
Saad.  ein  Sündenbekenntnis  im  Ansclüuß  an  Dan.  95,  Maim.  knüpft 
an  918  und  Esr.  9ü  an,  die  Zahl  der  Verse  erklärt  er  als  vom  Be- 


75  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

lieben  abhängig.  Auch  V.  liat  eine  freikomponierte  Bitte,  die  in  Form 
und  Inhalt  an  das  Bußritual  erinnert,  schickt  ihr  jedoch  Ps.  25  und  3 
voraus.  Die  Psalmen  blieben  als  Text  der  Techinna  bestehen,  in 
Germ.  Ps.  6,  unter  Weglassung  der  Überschrift,  in  den  anderen  Riten 
Ps.  25.  Den  Psalmen  wird  der  Satz  :npT  ^br  sni  ^rs«-L:n  ]r.rn  ain^ 
"^riinr  vorausgeschickt,  er  findet  sich  zuerst  bei  Saad.  und  ist 
offenbar  der  Anfang  einer  alten  litaneiartigen  Bitte  um  Sünden- 
vergebung. Germ,  schickt  heute  überdies  IL  Sam.  2414  m  Tas^ii 
voraus,  jedoch  kommt  der  Vers  vor  dem  XVIII.  Jahrhundert  nicht  vor. 

5.  Es  liegt  im  Wesen  der  Tachanunim,  daß  sie  nur  still  gebetet 
werden ;  als  sie  aber  in  der  Synagoge  Gemeindegebet  geworden  waren, 
da  kam  es  ganz  von  selbst,  daß  auch  der  Vorbeter  dabei  sein  Recht 
forderte.  So  entstand  em  zweiter  Teil  der  Tachanunim,  bei  dem  man 
sich  von  der  Erde  erhebt,  und  den  der  Vorbeter  laut  spricht  (::""  15~: 
ibs<  2^pic£n  "-p^p-  112  r:£  -^ss^r^  2^:b  rb^s;  ^ns?  irnrrcMaim.). 
Bei  Saad.  sclüießt  die  Techinna  mit  dem  Satze  i:;n  i::n  r.27i2  ^rns, 
der  von  R.  Akiba  einmal  gelegentlich  eines  öffentlichen  Fastens  ge- 
sprochen wurde;  er  eröffnet  schon  bei  Amr.  den  zweiten,  laut  ge- 
sprochenen Teü  der  Techinna,  der  außerdem  noch  aus  einigen,  zumeist 
den  Psalmen  entnommenen  Versen  '1:^1  "":  sib  i:n;xi  besteht.  Die 
Sammlung  gehörte  ursprünglich  walu'scheinlich  ebenfalls  zum  Buß- 
ritual. Dazu  traten  weitere  Zusätze.  In  Germ,  geht  ilir  das  gereimte 
Stück  biiTC  "TaiTC  voraus,  das  in  anderen  Riten  nur  an  Fast-  oder 
Bußtagen  üblich  ist  und,  wie  es  scheint,  erst  im  letzten  Jahrhundert 
m  den  Siddur  für  aUe  Tage  kam,  das  übrigens  auch  in  Seph.  und  It. 
Eingang  gefunden  hat.  Offenbar  ist  es  stark  verkürzt,  aus  Hand- 
schriften sind  einige  Verse  mehr  bekannt.  Seph.  hat  außerdem,  unter 
kabbalistischem  Einfluß,  täglich  das  Sündenbekenntnis  eingeführt 
mit  i:^Trs  und  den  di-eizehn  Mddot  (Ex.  346— 7);  walirscheinlich 
wurde  das  von  der  Liturgie  für  Montag  und  Donnerstag  übernommen. 

6.  Montag  und  Donnerstag  sind  von  alters  her  Fasttage.  Meg. 
Taan.  XII,  g.  E.  (22  a),  vgl.  b.  Taan.  12  a,  erwähnt  bereits  :npr  '^rr 
rc^.D  -:iIT!  :2  br  ^r^rm  ^:f  i^b".  Der  Pharisäer  im  Lukas-Evan- 
gelium 1812  rühmt  sich,  zweimal  wöchentlich  zu  fasten,  die  Di- 
dache  8l  gibt  ausdrückUch  Montag  und  Donnerstag  als  Tage 
dafür  an.  Als  Veranlassung  zu  diesen  Fasttagen  nennt  der  apokiyphe 
Schluß  von  Meg.  Taan.,  sowie  Sof.  XXI,  3,  in^nj  i:^nnn  inr:;  -^yi 
bn  nsTü:»  ^i1^-  bn  rinn  p-"-  b"  2i""m  'ü  i:£T2  'm  an  aiirria 


Tarliaiimiim  77 

airn  rSTi,  eine  Bep;riin(liinii;,  die  für  die  c-liristlifhon  Quollen  zu  juu<^ 
ist.  Montaii^  und  Donnerst a^^  sind  auch  sonst  Fasttage,  die  Fasten  bei 
Kegeunian«!;el  oder  anderen  Kalamitäten  beginnen  an  Montagen,  werden 
aui  Donnerstag  fortgesetzt  usw.  Montag  und  Donnerstag  sind  Markt- 
und  (leriehtstage  ("C^isn  •^12"');  daher  finden  an  ihnen  Vorlesungen 
aus  der  Schrift  statt.  Diese  Tatsache  würde  genügen,  um  eine  aus- 
fülirlicliere  Liturgie  an  den  zwei  Tagen  zu  erklären.  Daß  es  aber 
Fastttige  mit  einer  Hußliturgie  wurden,  dürfte  s(Mne  besondere  He- 
gründung  in  dem  alten  Kalendarium  des  S.  Olam  finden.  Danach  fiel 
der  17.  Tammus,  an  dem  die  steinernen  Tafeln  durch  Mose  zer- 
brochen wurden  (Ex.  3219),  auf  Donnerstag,  der  10.  Tischri  auf 
Montag;  der  letztere  war  der  Tag  der  13  Middot,  welche  den  Grund- 
stock der  Fastenliturgie  bilden  (vgl.  b.  K.  ha  Seh.  ]  7  b,  weiter  §  33). 
7.  Bei  Amr.  und  It.  sind  die  13  Middot  und  das  Sündenbekenntnis 
*:")2CS  für  Montag  und  Donnerstag  bestimmt,  in  Seph.  werden  die 
Middot  sogar  mehrmals  wiederholt  (was  freilich  Abudr.  noch  un- 
bekannt ist).  In  It.  steht  zur  Einleitung  Dan.  91.5—19,  in  Amr.  dies 
und  ähnliche  Stücke  zur  Auswahl,  darunter  auch  Dini  5?im,  das  aus 
Germ,  und  Seph.  bekannte  lange  Gebet.  Über  den  Ursprung  dieses 
Gebetes  überliefern  mittelalterliche  Handschriften  folgende  Legende: 
Xaeh  der  Zerstörung  des  Tempels  zu  Jerusalem  ließ  Vespasian  eine 
Anzahl  Juden  auf  drei  Fahrzeugen  steuerlos  ins  Meer  fahren.  Die 
Schüfe  kamen  mfolgedessen  nach  drei  verschiedenen  Orten,  die  man 
aller  Wahrscheinliclikeit  nach  im  Süden  Frankreichs  zu  suchen  hat. 
Dort  w'urden  die  Insassen  zunächst  wohlwollend  aufgenommen, 
aber  nach  dem  Tode  des  ihnen  sehr  geneigten  Fürsten  bedrückt 
und  ilu'er  Habe  beraubt ;  infolgedessen  sagten  sie  Fasten  an,  für  welche 
zwei  Brüder,  Josef  und  Benjamin,  und  deren  Vetter  Samuel  das 
Gebet  2'n-'  s^irr  verfaßten.  Es  wurde  den  anderen  Gemeinden 
mitgeteilt  und  von  ilmen  ebenfalls  angenommen.  Auf  Grund  dieses 
Berichtes  setzt  Zunz  die  Entstehung  des  Gebetes  ins  VII.  Jahrhundert 
und  betrachtet  es  als  Stoßseufzer  in  emer  Zeit  von  Bedrückungen 
dm-cli  Franken  und  Goten.  Die  Erzählungen  über  den  Ursprung  von 
2in-i  s^rr  sind  auch  legendarisch  ausgeschmückt  und  durch  Wunder- 
berichte vermelu't  worden,  in  anderen  Quellen  heißen  die  Verfasser 
Aniittai,  Schefatja.  Josifja:  diese  Namen  würden  nach  Unteritalien 
weisen,  sie  smd  aber  kaum  richtig.  Die  älteste  Erwähnung  von  s«".-"! 
='n-i  finden  ^vh•  im  Pardes  (XL  Jalirhundert) ;   im  Texte  von  Amr. 


-jg  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

ist  es  eine  spätere  Zutat,  es  fehlt  in  beiden  Handschriften.  Stü  und 
Inhalt  weisen  auf  ein  hohes  Alter  hin;  die  Sprache  ist  vorzugsweise 
biblisch,  viele  wörtliche  Zitate,  besonders  am  Anfang,  und  zahlreiche 
Anlehnungen  an  Bibelstellen.  Auch  die  freikomponierten  Gebete 
darm  zeichnen  sich  durch  Reinheit  und  Schlichtheit  der  Sprache 
aus.  Wenn  die  Abfassung  drei  Autoren  zugeschrieben  wird,  so  ist 
damit  angedeutet,  daß  hier  mehrere  ursprünglich  voneinander  un- 
abhängige Bitten  vereinigt  wurden.  Die  Stimmung  wechselt ;  während 
am  Anfang  mehr  das  Sündenbewußtsein  zum  Ausdruck  kommt,  ist 
am  Schluß  deutlich  auf  Verfolgungen  angespielt.  Walirscheinlich 
waren  es  von  Haus  aus  einzelne  Techinnas  für  Fasttage.  Der  Text 
weicht  in  den  Handschriften  in  Kleinigkeiten  vom  gedruckten  ab,  in 
Seph.  ist  er  wesentlich  kürzer  als  in  Germ.,  es  dürften  also  jüngere 
Zusätze  darin  sein,  allein  sie  sind  dem  Grundstock  derart  angepaßt, 
daß  man  die  fremden  Bestandteile  gar  nicht  bemerkt.  Sie  haben  den 
Umfang  sehr  erweitert,  der  Volksmund  spricht  vom  „langen  aim  i^']t'\r'' ; 
in  neueren  Gebetbüchern  ist  der  Text  vielfach  verkürzt,  Berliner 
schlägt  eine  Verteilung  auf  die  beiden  Wochentage  vor.  Ungeachtet 
des  eingeschalteten  Bußgebets  bleibt  die  tägliche  leise  Techinna  auch 
am  Montag  und  Donnerstag  bestehen.  Die  Gebete,  die  auf  sie  folgen, 
sind  alle  dem  Bußritual  entnommen.  In  Amr.  und  It.  sind  es  eine 
alphabetische  nti:'p:i  mit  dem  Refrain  . . .  pniri  ^'i^py^  amns  r^^n  ^dt 
^)aT25  )^)2b  iDy^TCim,  sowie  eine  Litanei  mit  dem  Stichwort  i:s«"jn, 
Ps.  120,  130,  alles  Stücke,  die  auch  an  Fasttagen  im  Gebrauch  sind. 
Germ.,  Frk.  und  Seph.  fügen  nach  dem  täglichen  Techinnapsalm 
(S.  76)  ^"»BS  linn^  nilU  ba?nir^  ^nbi«  "i  em,  das  aus  Esra  915  und 
Ex.  3212  zusammengesetzt  ist;  ursprünglich  alleinstehend,  wurde  der 
Vers  später  Refrain  \ieler  ausgebildeter  Poesien,  von  denen  eine  statt- 
liche Anzahl  in  der  Druckausgabe  von  Amr.  —  sie  fehlen  in  den  Hand- 
schriften— vorliegt.  Von  der  in  Germ,  üblichen  mit  Klagen  über  schwere 
Verfolgungen  ist  offenbar  nur  ein  TeU  (Akrostichon  pTnn)  erhalten. 
Hinter  lirnn  haben  Germ,  und  Seph.  a"'S5?  ^"lü  "r^ü ;  Germ,  hat,  wie  schon 
V.,  zwei  Fassungen,  die  wenig  voneinander  abweichen  und  in  V.  auf 
Vorbeter  und  Gemeinde  verteüt  sind,  auch  Abudr.  hat  beide.  T"i55  bs5 
Q'^Ba?  dürfte  seinem  Stile  nach  aus  der  ersten  gaonäischen  Zeit  stammen. 
8.  An  festlichen  Tagen  fällt  'jl^nn  aus;  die  Zahl  solcher  Tage  wurde 
im  Laufe  des  Mittelalters  vielfach  vermehrt,  ihre  Anerkennung  hat 
sich  erst  allmählich  verbreitet. 


Tarlianimini  79 

Auf  "i:nr  folgt  Halbkaddisfh  (§  12  a)  als  Zeiflicii.  dal.',  das  Gebet 
abgeschlossen  ist. 

Am  j\lonlai>-  und  Donnerstag  l'iudcl  hier  die  Vorlesung  aus  der 
Tora  statt  (§  25,  3.  4). 

9.  Der  tätliche  Gottesdi(>nst  reiht  dein  Tinr  im  engeren 
Sinne  noch  einige  Stücke  an,  für  die  es  keine  Hezeiehnung  gibt,  die 
daher  ebenfalls  unter  diesem  Namen  zusammengefaßt  werden.  Dazu 
gehört  in  allen  Riten  das  Stück  '::S"i:\  IT^irr  SSi,  eine  Ziisaminenstelhing 
von  Bibelversen,  bekannt  unter  dem  Namen  S5"nc~  sr'ip.  hel)r. 
bei  Maim.  mrilp  mc,  ü^'^n  "no.  Sie  ist  bereits  im  Talmud,  b. 
Sota  49  a,  erwähnt,  und  es  wird  ihr  dort  eine  außerordentlich  hohe 
Bedeutung  zugesprochen.  Der  Name  besagt,  daß  es  die  Keduscha 
im  Anschluß  an  das  Lein-pensum  ist.  t'ber  ihren  Ursjjrung  gibt  es 
eine  Reihe  unhaltbarer  Vermutungen;  die  richtige  Auskunft  ver- 
danken wir  einem  Responsum  des  Gaons  Natronai.  Danach  fanden 
frühmorgens  im  Anschluß  an  den  Gottesdienst  L  e  h  r  v  o  r  t  r  ä  g  e 
statt,  an  deren  Ende  einige  Verse  aus  den  Propheten  und  als  Abschluß 
diejenigen  der  Keduscha  vorgelesen  und,  wie  das  bei  den  Vorträgen 
üblich  war,  ins  Ai'amäische  übertragen  wurden.  Als  der  Kampf  ums 
Dasein  sich  schwerer  gestaltete  und  nicht  die  nötige  Zeit  für  das 
Studium  übrig  blieb,  mußte  es  eingeschränkt  werden,  später  sogar 
ganz  ausfallen,  die  Bibelverse  aber  blieben  am  Schlüsse  des  Morgen- 
gebetes stehen.  Für  die  Richtigkeit  der  Angabe  lassen  sich  mehrere  Be- 
weise anfülu-en.  Zunächst  die  Tatsache,  daß  überall,  wo  wir  die  i^imp 
iJ"'~c~  in  derLiturgie  finden,  auch  belehrende  Vorträge  some  Vorlesungen 
aus  den  Propheten  oder  Hagiographen  nachzuweisen  sind.  Ferner 
folgt  auf  die  Reihe  der  Bibelverse  die  Benediktion  ■"""nrb  i:5«"at:  'ii  ^t^S, 
die  den  Hinweis  auf  das  voraufgegangene  Studium  klar  und  deutlich 
enthält  (r'525«  "■'T  izb  irri).  Endlich  aber  verraten  die  beiden  ein- 
leitenden Verse  Jes.  59  20,  21,  die  freilich  mitunter  fortbleiben,  noch 
den  eschatologischen  Ausblick,  mit  dem  derartige  Vorträge  zu  schließen 
pflegten. 

Schon  mi  babylonischen  Ritus  war  es  gebräuchlich,  der  'C~  i<r"~p 
Ps.  20  "■!:!:  ST^n  '■  i:"""  voranzuschicken,  der  ursprünglich  mit  als  n:-r 
diente  (oben  S.  76),  darum  auch  wegbleibt,  so  oft  diese  ausfällt;  er 
wurde  in  Germ,  und  Seph..  aber  nicht  in  Saad..  It.  und  Rom.  einge- 
führt. Dem  schicken  Germ,  und  Seph.,  ebenfalls  nach  babylonischen 
Anweisungen,    "»^TTi«,  d.  h.  die  Zusammenstellung  von  Ps.  845  und 


gQ  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

14415—14521,  voran,  um  einem  Ausspruche  zu  genügen,  der  ein  täglich 
dreimaliges  Rezitieren  von  Ps.  145  für  überaus  verdienstlich  erklärte 
(b.  Ber.  4  b,  III.  Jahrhundert);  Rom.  und  It.  haben  ilm  nur  am  Montag 
und  Donnerstag  oder  an  Tagen  ohne  li:nr. 

10.  Mt  dem  nochmaligen  ganzen  Kaddisch  ist  das  Morgengebet  zu 
Ende,  nach  V.  setzt  sich  der  Vorbeter  bereits.  Das  hmderte  nicht,  daß 
noch  immer  einige  Nachträge  hinzutraten,  die  freilich  sehr  schwankten 
und  nicht  für  verbindlich  galten  (Maim.  2"n  r'^p^  1j~:).  Sie 
kommen  schon  in  Amr.  vor,  allein  es  ist  fraglich,  ^vie^'iele  davon 
bereits  zum  ursprünglichen  Texte  gehörten,  sie  sind  jedenfalls  erst 
im  Laufe  der  Zeit  so  zahlreich  geworden  wie  heute.  Sie  stehen  auch 
nicht  überall  in  derselben  Reilienfolge.  Gemeinsam  ist  allen  Gebet- 
büchern der  Tagespsalm  der  Leviten  aus  Tamid  Ende,  meist  ist  eine 
Reilie  von  Bibelversen  daran  angehängt,  worunter  i:'a7  'S?  '"  "^m 
I.  Kön.  8  57  f . ;  m  V.  steht  an  Stelle  der  Psalmen  Ps.  83,  in  Germ, 
infolgedessen  beides,  der  TagespsaLm  und  Ps.  83.  In  aUen  Riten 
außer  Germ,  findet  sich  täglich  i;^nbSD  "iii?  und  emige  Stehen  aus 
dem  Talmud,  darunter  die  Agada  aus  b.  Ber.  Ende,  in  Seph.  außerdem 
b.  Mdda  Ende,  in  It.  nrjpn  arjB,  b.  Ker.  6  a.,  j.  Joma  I\^  5. 

11.  Seit  1300  etwa  wird  nnirb  r.-öy  als  Scliluß  des  täglichen  Ge- 
betes genannt,  es  steht  in  aUen  Riten  ganz  am  Ende,  nur  Germ,  bringt 
es  unter  den  hier  genannten  Zusätzen  zuerst  und  fügt  auch  p  br 
Y"  nip2  hinzu,  nni'"::  ir'""  ist  dem  Neujahrsgebet  entnommen,  es 
fülu't  dort  die  mDb^  ein,  den  Gedanken  vom  Gottesreich  auf 
Erden  (§  24).  Es  war  von  hoher  religiöser  Bedeutung,  daß  die  er- 
habene Idee  der  künftigen  Vereinigung  aller  Menschen  in  der  An- 
erkennung des  ehien  Gottes  Bestandteil  des  Tagesgebetes  wurde. 

Die  Aufnahme  von  "t^'ö^  in  das  täghche  Gebet  war  der  Anlaß 
zu  ^^äederholten  Anklagen  gegen  die  jüdische  Religion,  die  in  Deutsch- 
land Jahrhunderte  hindurch  nicht  verstummen  wollten  und  auch 
in  Germ,  zu  einer  Ändervmg  des  Textes  geführt  haben.  Wir  lesen 
heute  i:n:i?i. ..anD  irpbn  ar  i«~r,  wälii-end  die  alten  Handschriften 
und  Seph.  noch  jetzt  i?:  bs«  bi?  a^bbsniai  p^ni  bnnb  aiinnüw  anr 
5'^Tnihmter  a:Tcn  :3d  i::m3T  haben.  Um  1400  trat  ein  getaufter  Jude 
mit  der  Verleumdung  auf,  daß  die  genannten  Worte  sich  auf  Jesus 
beziehen,  und  bewies  es  dm-ch  den  Hinweis,  daß  'p'^il  denselben  Zahlen- 
wert wie  IUI  =  316  hatte.  Cbv^ohl  Lippmann-Mülilliausen  in  seinem 
Nizzachon    sofort    dagegen    protestierte,    wurde    die    Beschuldigung 


Tachaimiiiiii  81 

liäiifit:;  wicdciliolt,  und  wo  die  Zensur  sich  um  die  Hüchcr  der  Juden 
küininoilo,  wurde  der  Satz  a">"^nm2  3nc  durch  einen  nielir  oder 
minder  starken  Ein<?riff  <i;eändert.  Auch  das  jialf  nichts,  die  Judenfeinde 
sucliten  ihre  Ankhigen  immer  von  neuem  zu  hef^ründcn,  am  ausführ- 
lidisten  natürlich  iMseniuen.fjer.  In  Preußen  wurden  die  Juden  1702 
mit  hesonderer  Heftigkeit  wegen  dieses  Gebetes  angekhigt.  Das  hatte 
eine  eingehende  Untersuchung  darüber  zur  Folge,  deren  Verlauf  in 
einem  umfangreichen  Aktenstücke  vorliegt  und  deren  Ergebnis  das 
,,Edict  wegen  des  Juden-Gebeths  Alenu  und  daß  sie  ehiige  Worte 
auslassen,  nicht  ausspeyen,  noch  darbey  hinwegspringen  sollen" 
vom  28,  August  1703  ist.  Wahrsclieinlich  beruht  es  hierauf,  daß  der  Satz 
aus  den  deutschen  Gebetbüchern  endgültig  verschwunden  ist.  Das 
Edikt  verfügte,  daß  Alenu  vom  Vorbeter  laut  vorgetragen  werden 
sollte,  es  wurden  Kommissare  ernannt,  die  die  Synagogen  zu  besuchen 
und  über  die  Ausführung  der  Bestimmungen  des  Edikts  zu  wachen 
hatten.  Zum  Einschreiten  lag  niemals  ein  Anlaß  vor,  und  so  geriet 
das  Edikt  bald  in  Vergessenheit. 

12.  In  Germ,  wurde  ferner  der  Einheitsgesang  "nnin  "fir,  jener 
mystisch  spekulative  Hymnus,  der  im  Kreise  Jehuda  he  Chassids 
seinen  Ursprung  hat  (§  44),  eingeführt.  Salomo  Lurja  (um  1540)  pro- 
testierte hiergegen,  w^eil  ein  so  erhabenes  Gebet  nicht  durch  allzu 
häufige  Verwendung  abgeschwächt  werden  sollte,  ein  Prinzip,  das 
zum  Schaden  des  Gottesdienstes  nicht  auch  bei  anderen  Gelegenheiten 
geltend  gemacht  worden  ist.  Trotz  jenes  Widerspruches,  der  auch 
von  anderen  Seiten  erneuert  wurde,  bheb  der  Schluß  des  Einheits- 
gesanges r"niT2T  s^rri?,  das  Lied  von  der  Herrlichkeit  Gottes, "^23"  iitc 
genannt,  bemi  täglichen  Gebet.  Seit  der  Ausgabe  des  Siddm-  Venedig 
1549  erscheint  er  in  allen  Gebetbüchern  des  deutsch-polnischen  Ritus. 
Die  letztgenannten  Zusätze  (10 — 12)  werden  nicht  in  allen  Gemeinden 
in  gleicher  Weise  verwendet,  sie  werden  von  2^r">  ir^-p  (§  12  a)  unter- 
brochen, die  Beliebtheit  des  Kaddischs  begünstigte  ihre  Häufung. 
In  den  reformierten  Gebetbüchern  sind  sie  meist  auf  il-^b^  beschränkt. 

§  11.    Die  Semirot. 

Literatui-:  Laiidshuth,  S.  23tt". ;  Bacr,  S.  58  ti".;  Herzfeld,  S.  198  ff".: 
Margulies  iu  Biv,  Isr.  lY,  126  ff.;  Berliner,  Randb.  I,  220".,  II  55  tt'.;  Jawitz, 
S.  62  ff.;  Hamburo-er  BE  U.  805;  Art.  Banik  She-Ainar  in  JE  II.  564. 

1.  Von  den  Hauptstücken  des  Gebetes  kehren  wii-  zu  den  jüngeren 
Bestandteilen  der  Liturgie  zurück  und  behandeln  zunächst  die  "»piDS 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  O 


g2  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

mm.    Sie  heißen  auch   V:r.  (b.  Schab.  118  b    und    bei  A'atronai) 
und  mi'i'aT,   zu   deutsch    P  s  a  1  m  e  n.    Die   Bezeichnung    ist  vom 
hauptsächlichsten  und  ursprünglichsten  Inhalt  dieser  Abteilung  her- 
genommen. Der  Abschnitt  reicht  von  ""Ci?!!"  fT'!  bis  zum  Schlüsse 
von    nnrci.    Dm-ch   mißverständliche  Auffassung  und  Einrichtung, 
vor  aUem  durch  die  in  das  Mittelalter  zurückgehende  (schon  in  V.  nach- 
weisbare) Sitte,  daß  der  Vorbeter  hierbei  vor  das  Pult  tritt,  wurde  vielfach 
der  Eindruck  erweckt  und  der  Meinung  Vorschub  geleistet,  daß  schon  vor 
-nnri  unser  Abschnitt  zu  Ende  ist;  jedoch  ist  die  Anschauung  irrig. 
2.  Den  Kern  des  Abschnittes  bilden  die  6  Psalmen  145  bis  150, 
sie  sind  die  eigentlichen  ri"i"i"27.    Zu  diesen  Psalmen  wurde  eine  Be- 
nediktion vorher  und  eine  nachher  gesetzt,  wie  beim  Hallel.   Als  Ein- 
leitung dient  das  Stück  -rSTi"  V^2,  als  Schluß  nnnr-».  Die  erste  Er- 
wähnung unserer  Psalmen  als  Teile  des  täglichen  Gebets  findet  sich  in 
dem  x\usspruche  des  R.  Jose  ben  Chalafta  "^32  b"::-  ""i'aijü  ipbn  tp 
[-72ir:-  bz  -!"  -i^b  -br.ria]   ai^   (b.  Schab.  118  b,  Sof.  XVII,  11). 
Damals,  um  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts,  war  demnach  die 
Sitte,  diese  Psalmen  dem  täglichen  Gebete  einzuverleiben,  noch  nicht 
allgemein   verbreitet;   man   kannte   sie   als   verdienstlichen   Brauch, 
hielt   sie   jedoch   nicht   für   verpfUchtende   Vorschrift.     Andererseits 
wird  mitgeteilt,  daß  im  Tempel  zu  Jerusalem  im  Anschluß  an  den 
Opferdienst  die  Leviten  jeden  Morgen  von  1"1~  bis  "'n">Tr'ci   irrar  bs5 
=  Ps.  1051—15    und    am  Abend    inn  n-»Tr  nb  in^ir   =  Ps.  96  ge- 
sungen haben;   beide  Stücke   stehen  vereint  und    mit   einem  litur- 
gischen Abschlüsse  versehen  I.  Clu-on.  168—36  (S.  Ol.,  XIV).  Walu*- 
scheinlich  gehörte  auch  eine  große  Zahl  anderer  Psahnen  der  Liturgie 
des  Tempels  an.    Die  Gesänge  der  Le\iten  beim  Opferdienst  gingen 
zum  Teil  in  die  Synagoge  über,   und  von  ilmen  wählte  man  für  den 
täglichen  Gottesdienst  die  letzten  Lieder  des  Psalmenbuches,  die  alle 
mit   ri""'!;'*"   anfangen   und  schließen.    Wie   es   in  der  Litm'gie  fast 
überall  Brauch  ist,  wurde  dann  auch  die  Psahnenvorlesung  durch  je 
eine  Benediktion  eingeleitet  und  abgeschlossen.    Das  ist  der  Rahmen 
dieses  Abschnittes,  in  den  alle  heute  darin  enthaltenen  Stücke  ein- 
gefügt w^urden,  aus  dem  heraus  auch  alles  erklärt  werden  muß. 

3.  Heute  beginnt  der  x\bschnitt  \äelfach  mit  Psahn  30,  das  ist 
die  jüngste  Hinzufügung,  die  erst  seit  dem  XVII.  Jahrhundert  im 
Siddur  zu  finden  ist.  In  Seph.  ist  der  Psahn  für  Ghanukka  bestmimt, 
von  dort  ist  er  irrtümlich  ohne  jene  Bezeichnung  übernommen,  vielfach 


Seinirol  gg 

auch  olino  seine  üherselirift  vorfiel  ragen  worden.  "^'QXr  T'T'n  ist 
ein  inlialtlicli  sehr  schöner  Hymnus,  dessen  erster  Teil  sicli  auf  die 
Alhnaeht  und  Vorselnuijs;  Gottes  bezielit,  ein  Thema,  das  hier  ii;ar  nicht 
in  Krage  steht;  erst  der  zweite  Teil  ^"cy  ^^.2  rbnrr;  usw.  leitet  zur 
Sache,  zur  Rezitation  der  Psahnen  üher.  Daraus  isl  zu  scIiiieUen.  daß 
nur  der  zweite  Teil  urs[)riiiiglich  an  diese  Stelle  gehört.  Die  Annahme 
wird  durch  alte  Texte  bestätigt,  in  dciuMi  der  ganze  erste  Teil  Iclill; 
wir  dürlen  sie  mit  ziemlicher  SiciuMheit  palästinische  Texte  nennen 
und  behaui)ten,  daß  der  palästinische  Ritus  erst  mit  dem  zweiten 
Teil  von  •"asr  Tinn  begann.  Solche  Texte  finden  sicii  vielfach  in 
den  Genisafragmenten,  und  sie  haben  mit  den  Benediktionen  vor 
und  nach  Hallel  eine  derartige  Ähnlichkeit  selbst  im  Wortlaut,  daß 
darin  eine  Gewähr  für  ihre  Originalität  liegt.  Auch  Rom.,  das  so  häufig 
palästinische  Traditionen  aufbewahrt  hat,  bringt  unter  den  Semirot 
für  den  Sabbat  ein  "'Tn  rD"^a,  dessen  Inhalt  dem  zweiten  Teile  von 
^•^sr  T":in  entspricht,  und  das  mit  den  erwähnten  Texten  große 
Ähnlichkeit  hat.  Wie  verhält  es  sich  jedoch  mit  der  gegenwärtigen 
Fassung?  In  Germ,  ist  i^asiTU  '^lin  verhältnismäßig  kurz,  zehnmal  Tiia, 
in  Sepli.  länger  und  in  den  verschiedenen  Ausgaben  nicht  ohne  große 
.\bweichungcn.  Verfolgen  wir  die  Anfänge  von  "i^s^TT  "imn,  so  müssen 
wir  den  Bericht  des  Nathan  ha  Babli  beim  Festgottesdienst  aus  Anlaß 
der  Einsetzung  der  babylonischen  Exilarchen  beachten,  wonach  ein 
Glior  mit  dem  Vorbeter  abwechselte  und  jedes  kleine  Sätzchen  mit 
TT"!!  durch  die  Responsion  Sin  ^iin  begleitete.  Infolgedessen  wurde 
von  Rapaport  die  Hypothese  aufgestellt,  daß  die  Art  der  Rezitation 
immer  in  gleicher  Weise  gehandhabt  wurde,  daß  Sil"  ']"i"!n  nach  jedem 
Halbverse  als  Refrain  hinzugesetzt  wurde.  Doch  ist  das  wenig  wahr- 
schemlicli,  vielmehr  scheint  i^sc  Ttin  die  Verkürzung  eines  Stückes, 
das  ursprünglich  weit  länger  und  piutartig  ausgeführt  war.  Der 
Anfang  geht  auf  einzelne  Benediktionen  in  Ber.  IX  (b.  57  b,  59  a,  b; 
j.  i2d;  Taan.  II)  ziuück,  von  ni25?ü  "rinn  bis  picsnn  nT-\7  O  wird 
bereits  zusammenhängend  in  T.  d.  B.  El.  Suta  IV  zitiert.  Für  die 
Aneinanderreihung  dieser  nicht  zusammenhängenden  Sätze  war 
wahrscheinlich  die  Verbindung  mit  dem  im  Gebetbuch  vorangehenden 
Stücke  Tnrs«  '-  S"-  -ri^  maßgebend,  das  mit  Zeph.  320  schließt. 
Der  Satz  =*pr'  ""-;.  t^-  nr"""  ^t;-«  T^-2  knüpft  an  das  vom 
Propheten  verheißene  künftige  Heil  an,  er  preist  Gott  als  Vollstrecker 
seines  durch  die  Propheten  gegebenen  Wortes,  und  dementsprechend 

(5* 


34  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

würde  der  ganze  Hymnus  messianischen  Inhalt  haben.  Danach  kann 
nur  die  kürzere  Fassung  in  Germ.,  It.,  Rom.  die  ursprüngliche  sein, 
nicht  die  ausführliche  von  Seph.,  die  allerlei  göttliche  Attribute  hier 
zusammenträgt.  Eine  Bestätigung  fände  unsere  Ansicht  durch  It., 
wo  "r~"~i?  '-  S'm  -PÄ?  bereits  zu  den  r^TTai  zählt,  allerdings  durch 
die  bald  zu  erörternde  Gruppe  von  Bibelstellen  von  n'ai?'©  Tnn  ge- 
trennt ist.  Freilich  müßte  man  dann  einen  Schritt  weiter  gehen  und 
annehmen,  daß  der  erste  Teü  von  "rxr  T'^,2  m'sprünglich  mit  dem 
zweiten  nichts  zu  tun  hatte,  sondern  sich  eng  an  die  vorhergehende 
Gebetgruppe  (§  12)  anschloß.  Wann  dann  die  Verbindung  der  hetero- 
genen Bestandteile  eintrat,  läßt  sich  schwer  sagen;  soweit  die  Texte 
zurückreichen,  ist  sie  vorhanden.  Die  erste  Erwähnung  von  "Jinn 
TGSiTC  geschieht  durch  R.  Moses  Gaon  (um  825),  Zunz  setzt  die  Ab- 
fassung des  Stückes  wohl  mit  Recht  in  die  Saboräerzeit. 

4.  Wenn  nun  nri^ir  ""l  die  rT^'r?  einleitet,  müßten  die  zu- 
gehörigen Psalmen  unmittelbar  darauf  folgen.  Das  ist  nicht  der  Fall, 
hingegen  steht,  wenigstens  in  Genn.,  zunächst  l'ülC'D.  ii?np  '"ib  l"nn 
dazwischen.  Wir  haben  die  Zusammensetzung  und  den  Ursprung  des 
Stückes  oben  (S.  82)  besprochen.  An  I.  Clu'on.  1636  sind  noch  etwa 
20  Verse,  meist  aus  den  Psalmen,  angereilit,  in  It.,  Rom.  sogar  außerdem 
Ps.  19.  Die  Walü  der  Verse  schwankte  im  Mttelalter  sehr,  mit  Vor- 
liebe jedoch  wm'den  solche  Verse  ausgewälüt,  die  im  Talmud  oder 
Midrasch  als  besonders  bedeutungsvoll  hervorgehoben  sind.  Darunter 
sind  einige,  die  bereits  alte  Quellen  nennen,  so  werden  Ps.  468  und 
8413  bereits  j.  Ber.  V,  1  (8d)  empfolilen,  desgleichen  Ps.  10647,48  in 
Sof.  XVII,  11,  allerdings  nur  für  die  Neumondslitm'gie,  und  unser 
Stück  gehörte  ebenso  wie  die  folgenden  bis  Ps.  145  ursprünghch  der 
Liturgie  feierlicher  Tage  an.  Amr.  hat  es  nicht,  in  den  Genisafrag- 
menten felilt  es  ebenfalls,  und  im  Mittelalter  ging  man,  wie  bemerkt, 
recht  frei  damit  um.  Die  Stellung  des  Stückes  ist  in  allen  Riten  außer 
Germ,  vor  n^aiJTC  TTQ,  so  daß  es  den  erforderlichen  Zusammenhang 
nicht  unterbricht,  aber  auch  dort  hat  man  sich  nicht  gescheut,  die 
nun  folgenden  Einschaltungen  aufzunehmen. 

Zunächst  Ps.  100,  walirscheinlich  ebenfalls  ein  Rest  aus  der 
alten  Tempelliturgie,  in  It.  in  älterer  Zeit  nur  am  Sabbat  gebräuchlich; 
in  Franz.  und  Germ,  wurde  der  Psalm  am  Sabbat  weggelassen,  in  Prov. 
und  Seph.  hingegen  beibehalten.  In  Rom.  steht  er  vor  "^laiJü  ^''n, 
Amr.  hat  an  seiner  Stelle  Psalm  20. 


Semirot  36 

1132  TP  l'iiuU't  sich  bereits  iii  allen  uns  hckaiuiten  Gebetbüchern, 
obwohl  es  urspiiinglieh  ebenfalls  nnr  l'iir  aus},'ezeirhnele  Taii^e  be- 
stimmt war.  Es  besteht  aus  einer  Reihe  von  Bibclversen,  die  sämtlich 
den  Gottesnamen  enthalten.  Die  meisten  stammen  aus  den  Psal- 
men 10431;  1132-^;  13513  usw.  a^-arn  imar^  ist  aus  I.  Chron. 
1G31  genommen,  es  ist  jedoch  leicht  einzusehen,  weshalb  dieser  Fassung 
vor  Ps.  9(311  der  Vorzug  gegeben  wurde.  '131  Tb^^  n  Y-^  '"l  Y-^  '"I 
steht  so  vereint  nicht  in  der  Bibel,  nur  die  einzelnen  Teile  des  Satzes 
kommen  getrennt  vor.  Auch  dieser  Satz  scheint  zu  denen  zu  gehören, 
die  für  die  festtäghche  Liturgie  bcsthnmt  waren;  zusammen  mit 
ninD  "^n^  wird  er  in  Sof.  XVII,  11  und  XVIII,  2  unter  denen  genannt, 
die,  im  Gegensatz  zu  allen  anderen  Psalmen,  stehend  von  der  Ge- 
meinde gesprochen  werden.  Daß  damit  unser  "IISD  TP  gemeint  war, 
läßt  sich  nicht  annehmen.  In  It.  und  Rom.  beginnen  noch  heute  die 
„Semirot"  mit  einer  Sammlung  von  Versen,  an  deren  Spitze  "l":^  "i 
und  "^2"  Ti"'  stehen.  Auch  in  Seph.  wird  zwischen  Til~  und  1T13 
■^rs^r  sehr  feierlich  Y"^  '"*  gesprochen  und  von  einigen  Versen  be- 
gleitet. Der  Ursprung  aller  dieser  Zutaten  ist  in  der  FesttagsUturgie 
zu  suchen,  wie  sie  sich  aus  Handschriften  noch  nachweisen  läßt.  In 
It.  und  Rom.  süid  sogar  darüber  hinaus  noch  Stücke  aus  der 
Bibel  zugesetzt  worden. 

ö.  Erst  jetzt  folgen  die  eigentüchen  mniiaT  Ps.  145  bis  150, 
genauer  14415  bis  150.  Dem  letztgenannten  Vers  geht  ein  anderer 
mit  dem  gleichen  Anfang  "^""Trs?  voraus,  Ps.  845  ^r^2  ^nr'"'  "^^rs, 
und  beide  Verse  sind  mit  Psalm  145  derart  verwachsen,  daß  sie  geradezu 
bisweilen  als  sein  Anfang  zitiert  werden.  Das  Rezitieren  von  Ps.  845 
hat  nur  dann  einen  Sinn,  wenn  man  soeben  das  Gotteshaus  betreten 
hat,  wie  es  z.  B.  zu  3Iincha  (§  13)  der  Fall  ist.  Man  begnügte  sich 
übrigens  nicht  überall  mit  zwei  "^^uX-Versen;  It.  hat  auch  Ps.  1191 
und  V.  noch  vier  andere,  die  mit  '^""«rs«  beginnnen.  Auch  am  ScUusse 
von  Ps.  145  ist  em  fremder  Zusatz,  Ps.  11518,  so  daß  auch  hier  wie 
am  Anfang  und  Ende  jedes  der  folgenden  Psalmen  n-iirbn  steht; 
die  Vereinigung  hat  bereits  Aim-.  Wörtlich  folgen  die  anderen  fünf 
Psalmen,  der  letzte  Vers  von  150  ist  verdoppelt,  weil  er  den  Schluß 
des  Psalmbuches  bildet.  Germ,  und  Seph.  bringen  im  Anschluß  hieran 
die  Doxologien  vom  Schlüsse  der  Psalmbücher  und  Ps.  13521. 

6.  Damit  wären  die  niii27  beendet  und  jetzt  müßte  nnrri 
sich  anschheßen.    In  den  alten  Gebetbüchern  ist  das  auch  der  Fall. 


36  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

heute  wild  in  allen  Riten  außerdem  zunächst  das  Danklied  Davids 
I.  Clu'on.  2910 — 13,  dann  das  Loblied  Xeh.  96 — 11  und  endüch  das 
Schüfmeerhed,  Ex.  1430  bis  1518,  rezitiert.  Xoch  die  gaonäisehe 
Zeit  kennt  nur  das  erste  Stück  im  täglichen  Gebet,  nur  dieses  findet 
sich  bei  Ami\  Jünger  ist  das  letzte,  und  es  war  zunächst  nur  für  die 
Sabbate  bestimmt,  wurde  auch  erst  nach  nnriri  gelesen  und  unter- 
brach die  n"'.'''S27  nicht.  Die  Veranlassung  zu  seiner  Aufnahme 
in  das  Gebetbuch  haben  wir  in  der  Überlieferung  des  Tahnuds  (b. 
R.  ha  Seh.  31  a)  zu  suchen,  wonach  es,  auf  drei  Sabbate  verteilt,  zu 
Mincha  vorgetragen  wurde.  In  V.  wd  ein  Responsum  aus  Rom 
mitgeteilt,  das  für  die  tägliche  Rezitation  des  Liedes  eintritt 
und  nur  am  9.  Ab  und  im  Trauerhause  eine  Ausnahme  gestatten  will ; 
aber  der  gleichzeitige  Jehuda  b.  Barsilai  kennt  immer  noch  seinen 
Gebrauch  nur  am  Sabbat  und  bekämpft  nachdrücklich  jede  Unter- 
brechung der  rini/OT  durch  ungehörige  Einschübe.  Es  scheint  zuerst 
in  romanischen  Ländern  für  alle  Tage  eingeführt  worden  zu  sein; 
Maimonides  setzt  es  nach  nnriri,  wälu'end  V.  es  vorher  bringt. 
Späterhin  wurde  es  überall  hinaufgenommen,  und  da  trat,  offenbar 
um  eine  Verbindung  mit  "l^  Tin"!!  herzustellen,  das  dritte  Stück  aus 
Nehemia  hinzu,  das  mit  der  Spaltung  des  Schilfmeeres  schließt;  end- 
lich erhielt  das  Ganze  im  Anschluß  an  den  verdoppelten  letzten  Vers 
Ex.  15 18  noch  einige  Verse  mit  i'':'Q  zum  Absclüuß.  So  wurden 
die  hymnischen  Stücke  weit  über  Gebühr  und  weit  über  das  ursprüng- 
lich beabsichtigte  Maß  hinaus  angehäuft;  erst  in  einigen  neueren  Ge- 
betbüchern wurden  die  Psalmen  auf  mehrere  Wochentage  verteilt, 
um  die  Länge  des  Abschnittes  auf  diese  Weise  zu  vermmdern. 

7.  Den  Abschluß  der  Semhot  büdet  nnriT"',  dessen  Zusammen- 
setzung %del  Ähnlichkeit  mit  der  Schlußbenediktion  des  HaUel  hat. 
Die  Häufung  von  Synonymen  darm  ist  keineswegs  ursprünghch  und 
wahrscheinlich  von  mystischen  Gedankengängen  beeinflußt.  In  diesem 
Stücke  hat  Abudraham  das  Akrostichon  ""cbr  wiedergefunden  und 
einen  Verfasser  gleichen  Namens  angenommen,  Rapaport  nannte 
ihn  auf  Grund  des  Textes  von  Seph.  zn-'ni?.  Das  Stück,  das  schon  bei 
Amr.  die  allgemein  bekannte  Fassimg  zeigt,  dürfte  älter  sein  als  die 
Sitte  des  Akrostichons,  der  Verfasser  ist  nicht  zu  ermitteln.  Die  Semhot 
werden  durch  Halbkaddisch  (§  12  a)  abgeschlossen,  das  in  den  Gebet- 
ordnungen jedoch  bereits  zum  folgenden  Teile  gezogen  und  mit  'r"2 
(§  7,  1.  S.  27)  verbunden  wurde. 


Somirot,  Krslo  Bcncdikliimcii  g7 

S.  l);il.)  (iic  r"'"""'^T  iiocli  nicht  zuiii  ciiicnlliclicii  (lebet  f^ereelmet 
werden,  eri;il)t  sieh  aus  aljeilei  Anzeichen.  So  werden  sie  f^esproehen, 
(dmc  dali  die  heim  (lel)ot  erl'orderlieho  Anzahl  von  Teilnehmern  an- 
wesend ist.  Nach  V.  werden  erst  naeh  Ahsehhil.l  der  r'^^'27  Telillin 
aiiijelegt,  nach  Amr.,  auch  noch  nach  Ahudr.,  ja  bisweih'n  noch  heute 
tritt  erst  hier  der  Vorbei  er  auf,  in  Seph.  nennt  man  im  (leijensatz 
zum  Vorbetei'  denjenigen,  der  ri'^'^'üT  vorträgt.  "^12712.  Immerhin 
wurden  diese  Psahnen  auch  nach  Amr.  bereits  in  der  Synagoge  ge- 
sprochen, während  die  vorausgehencU'U  Stücke  als  zur  häuslichen 
.Andacht  gehörig  bezeichnet  sind;  Mainionides  zählt  beide  Gruppen 
nicht  zum  öffentlichen  Gottesdienst. 

§  12.     Die  ersten  Benediktionen. 

Litercatur:  Zuir/  G.  V.,  S.  390  f.;  Laiulshutli,  S.  23tT. ;  Baer.  S.  35  ft": 
Berliner, Raiulb.,  I,  litt".,  II  MStt".;  Jawitz.  S.  5f..  8f. :  Ilambur^er,  REU  S()4f. 
Art.  Benediftions  in  JE  III,  8tt". 

1.  Noch  weniger  gehört  der  Anfang  unseres  Gebetbuches,  die 
^mrn  niDiS,  ursprünglich  zum  Synagogengottesdienst;  noch  Mai- 
nionides kennt  sie  nur  als  Brauch  einzelner.  Freilich  verzeichnet  schon 
Amr.  die  Sitte,  sie  vom  Vorbeter  in  der  Synagoge  rezitieren  zu  lassen, 
um  die  Unkundigen  zu  entlasten. 

2.  Das  deutsche  Gebetbuch  beginnt  seit  den  ersten  Druckaus- 
gaben mit  "^3"^  rra  Num.  245;  nach  alter  Auffassung  wird  riS^r's  auf 
die  Gotteshäuser,  ""'rns  auf  die  Lehrhäuser  bezogen  (b.  Sanh.  105  a). 
Das  Stück  ist  aus  Bibelversen  zusammengesetzt,  und  zwar  meist  aus 
solchen,  die  mit  ""iSt  anfangen.  Tfpns  nmr  ist  ein  Gedicht  von 
Salonio  ibn  Gabirol  (1050)  mit  Reim  und  Metrum.  Es  zeichnet  sich 
durch  eine  seltene  Innigkeit  des  Andachtsgefühls  aus.  Es  steht  nicht 
in  allen  Gebetbüchern.  Beide  Stücke  bilden  nicht  Bestandteile  des 
Morgengebetes,  sind  vielmehr  Einführungen  in  die  Andacht  überhaupt. 
In  anderen  Riten  sind  andere  Stücke  für  diesen  Zweck  mitgeteilt, 
in  It.  und  Rom.  ausführliche  mrpn. 

3.  Der  Gottesdienst  beginnt  hierzulande  mit  bl^"»,  im  west- 
deutschen Ritus  folgt  es  erst  am  Ende  der  ^nrn  ns^n.  Das  ist  ein 
Gedicht  mit  dem  durchgehenden  Reim  ir,  aus  dreizehn  metrischen 
Versen  bestehend;  Seph.  hat  am  Schluß  noch  einen  Vers,  der  aber 
nicht  in  das  Versmaß  ])aßt  und  wohl  auch  nicht  ursprünglich  ist. 
Reim  und  Metrum  weisen  auf  späten  Ursprung  liin.    Der  Inlialt  — 


gg  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

das  sagt  auch  der  Schlußsatz  in  Seph.  —  ist  eine  Wiedergabe  der 
dreizehn  Glaubensartikel,  die  Maimonides  am  Sclüusse 
der  gi-oßen  theologischen  Einleitung  zum  Kommentar  des  X.  Ab- 
schnittes von  Sanhedrin  aufgestellt  hat.  Diese  Grundlehren  des 
Judentums  (a^np")  wm'den,  als  Glaubensartikel  formuliert,  in  das 
Gebetbuch  aufgenommen,  wo  sie  meist  am  Ende  des  Morgengebetes 
stehen  (■i"'r5?'C  ""ri?).  Außerdem  sind  sie  in  poetischer  Bearbeitung  in 
Gestalt  unseres  b"j^  dem  Gebetbuch  beigegeben  worden.  Man  hat 
Maimonides  selbst  für  den  Verfasser  erklärt,  indes  fehlen  aUe  Beweise 
für  diese  und  für  ähnliche  Behauptungen.  Alle  Spuren  weisen  darauf 
hin,  daß  '^'^"^  aus  Itahen  stammt;  in  einem  Siddm-  vom  Jahre  1383 
ist  angegeben,  daß  es  vom  Großvater  des  Besitzers,  d.  i.  von  Daniel 
ben  Jehuda  Dajan  aus  Rom,  verfaßt  wm'de.  Das  Gedicht  zeigt  auch 
starke  Anklänge  an  eines  der  Lieder  Immanuels  ben  Salomo,  der  mit 
dem  angegebenen  Verfasser  gleichzeitig  gelebt  hat.  Überdies  wissen 
wii-,  daß  damals  in  Rom  ein  großer  Ki'eis  jüdischer  Gelehrter  sich  viel 
mit  philosophischen  Studien  befaßte  und  ganz  besonders  für  die 
Verbreitung  der  Lelu'en  des  Mamionides  eifrig  einsetzte.  Wir  gehen 
demnach  nicht  felil,  wenn  wü*  dem  angefülu-ten  Bericht  Glauben  schen- 
ken und  das  Lied  als  in  Rom  um  1300  abgefaßt  ansehen.  Ln  Siddur  er- 
schien es  an  der  Spitze  des  Gottesdienstes  zuerst  in  ed.  Ki'akau  1578. 
In  der  Synagoge  wurde  das  Stück  ursprünglich  nur  am  Eingange  des 
Sabbats  oder  auch  am  Schlüsse  des  Musafgebets  verwendet;  der  deutsche 
Ritus  übernahm  es  zuerst  für  den  täglichen  Morgengottesdienst  und 
auch  für  den  Eingang  des  Versöhnungstages.  So  wurde  es  auch  nach 
Seph.  übertragen,  in  It.  hingegen  ist  es  auf  den  Freitag  Abend  be- 
schränkt geblieben. 

4.  abi"  ini?,  eines  der  schönsten  Stücke  des  Gebetbuches,  ist 
gleiclifaUs  nicht  selu-  alt;  es  enthält,  wie  das  vorige,  metrische  Verse 
mit  durchgehendem  Reim  i?":;  in  Seph.  finden  sich  auch  hier  zwei 
Verse  mehr  als  in  Germ.,  die  walirscheiaüch  echt  sind,  da  sie  in  den 
Rythmus  selu*  wolü  liineinpassen.  abir  "jTiÄ?  ist  ein  Gebet  von  reinster 
Poesie  und  allgemeinem,  tief  religiösem  Inhalt.  Man  hat  es  deshalb 
auch  dem  hervorragendsten  mittelalterlichen  Verfasser  von  Gebeten 
zugewiesen,  Salomo  ibn  Gabirol;  es  wäre  seiner  wohl  würdig,  aber 
zwingende  Beweise  für  seme  Autorschaft  gibt  es  nicht.  Dem  Schlüsse 
nach  scheint  das  Stück  ein  Nachtgebet  zu  sein,  tatsächlich  ist  es  in 
das  häusliche  Nachtgebet  aufgenommen;  in  der  Synagoge  aber  ist  es 


Erste  Bonediktionen  g9 

am  Abend  nur  am  Eingang  des  Sabbats  und  des  Versölmungstages 
eingeführt.  In  Worms  wird  es  bis  auf  den  heutigen  Tag  um-  am  .Tom 
Kippur  vorgetragen,  während  es  z.  B.  in  Marokko  bei  einer  Hochzeit 
gesproclien  zu  werden  pflegt,  bevor  die  Braut  unter  den  Trauhinimel  ge- 
führt wird,  ^r-^r  "jniS  ersciuMut  in  den  Handschriften  kurz  vor  VAn- 
führung  des  Buchdrucks  und  geht  dann  mit  dem  gedruckten  Sid(bn- 
in  alle  Riten  über,  meistens  eröffnet  es  das  tägliche  Morgengebet. 
;").  Mit  dem  jetzt  folgenden  Komplex  von  nsin  fangen  die  niDin 
inirn  im  eigentlichen  Sinne  an.  Sie  stehen  in  Germ,  nicht  mehr  in 
Direra  ursprünglichen  Zusammenhange  und  können  nur  verstanden 
werden,  wenn  man  auf  die  Quelle  eines  großen  Teiles  von  ihnen  zurück- 
geht, auf  b.  Ber.  60  b.  Dort  werden  die  Verrichtungen  besprochen, 
die  der  Mensch  am  Morgen  beim  Aufstehen  und  Ankleiden  zu  voll- 
ziehen hat,  es  wird  dem  Froramen,  der  überall  die  Gegenwart  und 
Hilfe  Gottes  schaut,  empfolüen,  bei  jeder  einzelnen,  auch  der  gleich- 
gültigsten Handlung  Gott  zu  danken.  Die  ganze  dortige  Auseinander- 
setzung will  nicht  mehr  sein  als  em  wohlgemeinter  Rat  für  das  Xcr- 
halten  eines  Frommen,  eine  Anweisung  dafür,  wie  er  solche  Hand- 
lungen, welche  gelegentlich  vorkommen,  zu  betrachten  hat.  Keines- 
wegs waren  die  dortigen  kurzen  Lobsprüclie  als  Pfüchtgebet  gedacht 
und  nicht  im  entferntesten  für  den  täglichen  öffentlichen  Gottesdienst 
bestmirat.  Dennoch  wurden  sie  als  Benediktionen  formuliert,  in 
gaonäischer  Zeit  in  das  häusliche  täghche  Gebet  und  sehüeßüch  in 
den  Synagogengottesdienst  übertragen.  Die  Benediktion  rr"»!::  rr 
2'iT',  die  Stücke  ■'"^■'  "^ri«,  r.Tar:  inbs,  die  darauf  folgenden  kurzen 
Benediktionen  bis  r5«~»ri  '^~~  zi^n^j  s^-cn  r^ir»  (und  dazu  wurde, 
wohl  des  gleichen  Anfanges  wegen,  noch  'Tj:^  tp  b.  Ber.  16  b  hin- 
zugefügt) stammen  sämtlich  aus  dem  erwähnten  Zusammenhange, 
bis  auf  2"'":"'  rb^:::  br  stehen  sie  sogar  in  derselben  Reihenfolge. 
Bei  Natronai,  Anir.,  It.  stehen  sie  auch  in  dieser  Weise  ohne 
Unterbrechung  zusammen,  Seph.  läßt  die  beiden  ersten  w^eg  und 
weicht  somit  nicht  einmal  von  der  Anordnung  des  Talmuds  ab.  Die 
kurzen  Benediktionen,  von  denen  nur  elf  aus  dem  Talmud  zu  belegen 
sind,  wurden  mit  ihrer  Aufnahme  in  das  Gebetbuch  vermehrt. 
Mancher  sagte  weniger,  mancher  sogar  noch  mehr;  Germ,  fügt 
zu  denen  des  Talmuds  nur  n:  rr*"~  "n:",  das  sich  freilich  in  keinem 
anderen  Siddur  findet,  aber  in  die  jüngeren  Ausgaben  von  Seph. 
ebenfalls  liinemgekommen  ist.  Hinzugetreten  sind  zur  obigen  Sanun- 


90 


Beschreibung  des  Gottesdienstes 


hing  noch  drei  Benediktionen  aus  b.  Men.  43b,  die  dort  lauten: 
■^-n  ^:5<rr  sbr  HiTS  ^:üz"  i«:r  bs-r-»  ^rs^'rrt:.  In  Tos.  Ber.  YII, 
18  (1622)  und  j.  IX,  2  (13  b)  lautet  die  erste  ^T»  ^:s">rr  5«:r.  Eine 
Begründung  durchaus  nicht  apologetischer  Ai't  findet  sicli  daselbst. 
In  Palästina  nun  ^Yurden  ledigUch  unsere  di"ei  Benediktionen  in  das 
tägliche  Gebet  aufgenommen,  so  hielt  es  auch  Saad.  und  so  noch  Mai- 
monides;  allerdings  weisen  sie  beide  die  Stücke  der  privaten  Andacht, 
nicht  dem  öffentlichen  Gottesdienste  zu,  und  statt  "'i  lesen  sie  nach 
b.  Men.  43  b  im  Gegensatz  zu  Pal.  ~^".  Die  drei  Benediktionen  sind 
nicht  zufällig  zusammengekommen.  In  welcher  Beziehung  sie  auch  zu 
ähnlichen,  in  der  späteren  griechischen  Literatur  auf  Plato  oder  So- 
krates  zurückgeführten  Aussprüchen  stehen  mögen,  frappant  bleibt 
die  Parallele  mit  einem  parsischen  Gebet  an  Ormuzd,  wo  der  Schöpfer 
dafür  gepriesen  wd,  daß  er  seine  Bekenner  zu  Iraniern  und  von  der 
guten  Religion,  zu  Freien  und  nicht  zu  Sklaven,  zu  Männern  und 
nicht  zu  Weibern  geschaffen  hat.  Noch  mehr  Beachtung  verdient  als 
Parallele  jüdischen  Ursprungs  Paulus'  Äußerimg  im  Briefe  an  die 
Galater,  wonach  durch  Jesu  Tod  unter  den  Gläubigen  jeder  Unter- 
schied zwischen  Juden  und  Griechen,  z^vischen  Sklaven  und  Freien, 
zwischen  Männern  und  Weibern  aufgehoben  ist  (III,  19). 

6.  Nun  ist  dieser  nach  den  Quellen  zusammengehörende  Abschnitt 
in  Germ,  durch  ein  längeres  Stück  unterbrochen,  das  von  "»"^mn  pc"b 
mir  bis  abD  15;d  mir  "iTa'^n  reicht.  Wir  finden  da  zunächst 
einen  Segensspruch  über  die  Tora,  genau  genommen  drei  desselben 
Inhalts.  Sie  werden  in  b.  Ber.  11  b  von  drei  Amoräern  des  III.  Jahr- 
hunderts nicht  für  das  tägliche  Gebet,  ^iehnehr  als  einleitende  Bene- 
diktion für  das  tägliche  Torastudium  empfohlen,  von  R.  Papa  (IV.  Jahr- 
hundert), gemäß  seiner  bekannten  ]\Iethode  in  Meinungsverschieden- 
heiten zu  entscheiden,  aUe  drei  zusammengefaßt.  Auf  diese  Bene- 
diktionen mußte  ein  Gegenstand  des  Studiums  folgen.  In  Amr.,  It. 
und  Rom.  sind  es  die  Abschnitte  über  das  täghche  Opfer.  Die  Re- 
zitation von  Opfervorschiiften  galt  lange  Zeit  als  ein  Ersatz  für  das 
nicht  mehr  dargebrachte  Opfer.  Andererseits  lautete  eine  tabiiudische 
Bestimmung,  daß  tägüch  einige  Zeit  dem  Studium  von  Bibel,  Mschna 
und  Talmud  gewidmet  werden  sollte.  Beide  Anschauungen  vereint 
bewhkten,  daß  hier  neben  Xum.  281—8  die  j\Iischna  Seb.  V.  und 
endlich  die  dreizehn  Interpretationsregeln  des  Rabbi  Ismael  rbrn 
rr^~:   rrrrn   r'~'a  rr^f"    eingeführt    wurden.      Die     Anordnung 


Rrsfo  Boncdikf ioiii'ii  9] 

ließ  beliebige  Erweiterungen  durch  andere  auf  den  (ägÜelien  Kultus 
bezügliche  IJihol-  und  Talniudslellen  fz.  H.  Kx.  H017— 21,  .34— ;w,  b. 
Ker.  ()  a,  I). -loma  8S  a)  zu.  Die  zucist  eiwähiiteu  Stücke  sind  sclutn 
l)ei  Natronai  und  späteren  (ieonini  zu  linden,  hie  sinngemäße  An- 
ordnung, die  Stücke  unniiltelbar  auf  die  IJenediktionen  folgen  zu 
lassen,  ist  in  den  alten  CJebetbüchern  innegehalten.  So  aber,  wie  der 
Text  von  Germ,  und  Seph.  geboten  wiid,  wo  die  Bibel-  und  Talmud- 
stellen ganz  am  Ende  der  "inirn  nsnn,  weit  ab  von  den  zugehöriuen 
Benediktion(Mi  zu  linden  sind,  isl  die  Aufeinanderfolge  gar  nicht  zu 
begreifen. 

Neben   der    bes|)rochenen   (iruppe   von   gelehrtem   Stoff  gab   es 
eine  andere,   weit  kürzere  (vielleicht  palästinische?),   bestehend   aus 
Xum.  281— 8,  dem  Priestersegen  Xum.  G24— 2(),  Pealf,  sowie  einigen 
kurzen  Baraitot.    Als  nun  in  Franz.  und  Germ,  die  Torabenediktionen 
vor  n)2tc:  "^nrs  verlegt  waren  und  auch  dort  einiges  Quellenmaterial 
folgen  sollte,  wurden  der  Priestersegen  usw.  unmittelbar  daneben  ge- 
stellt, so  daß  in  diesen  Riten  ein  doppelter  Studienstoff  vorhanden  ist. 
7.  Mit  a"5i  xn-»  sbnrb  beginnt  ein  neuer  Gedankengang,  der  eben- 
falls   aus    den    verschiedensten    Zitaten    zusammengestellt    ist.     Der 
ganze  Zusammenhang  ist  T.  d.  B.  El.  XIX,  Ende  (S.  118)  angegeben 
-nn:3  rrs?  nniTi  rn^?-  ::•  rrn^^  s^'ac?  s<-ii  ans  sn"!  .T^rs  "■'n 
":n:5«  Tr'p-;"^  "~-  sb  a^rbT"  zz  yzr  irs'^T  a'^rr-»  ai-'i  a"'  zzi 
^•jap  r"zr  aari«  s^-^as  s«^--  r^-a  "ii2is«i  .'^t  t:2"::  irrirnr  a'^b'^s'a 
'^T.   aDrs.   Auf  die  Stelle  führt  bereits  Schib.  Lek.  die  Übernahme 
des  ganzen  Abschnittes  in  die  Gebetsammlung  zurück.   Die  einzelnen 
Sätze  lassen  sich  aus  talmudischen  Quellen  belegen:  a"''abi"n  zz  "ai 
und   "^Ti  rrc  'is?  '"c  sind  das  Sündenbekenntnis  des  R.  Jochanan 
bezw.  Mar  Samuel  in  b.  Joma  87  b,  irnpii:  by  sb  ist  aus  Dan.  918 
hervorgegangen,  i:n:s  "ras?  aus  Mech.  zu  Ex.  1518  (44  a),  ~7  s«"n  nrs 
abT"  s?"a:  src   aus  j.  Ber.  IX,  2.  Umstritten  war  lange,  ob  auch  die 
einleitenden  Worte  a^i«  S5~"»  a^T:;  im  Gebete  gesprochen  werden  sollten, 
in  Germ,  werden  sie  gewöhnlich  mit  kleinen  Lettern  gedruckt.    Xicht 
unmöglich  ist  auch  die  Meinung  Benjamins  b.  Abraham  Anaw  (um 
1240),   daß   die   Einführung    des   vcz   an    unserer  Stelle  aus  Ver- 
folgungszeiten stamme,  wahrscheinlich  ist  jedoch,  daß  es  nur  eingefügt 
wurde,  damit  die  Zeit  für  V'cz   r'ü^^^'p  nicht  versäumt  würde.  Den 
x\bschluß  bildet  das  Stück  irres  '"  s?i~   r.rs,   aus  biblischen  Re- 
densarten zusammengesetzt,  das  entsprechend  dem  Zusammenhange 


92  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

im  T.  d.  B.  El.  mit  der  Bitte  um  Herbeiführung  des  messianischen 
Heils  endet.  In  Amr.  merkt  man  der  gegenwärtigen  Fassung  noch  an, 
daß  es  erst  ein  jüngerer  Zusatz  ist.  Amr.s  Reihenfolge  wird  durch 
die  mittelalterlichen  Ritualien  und  V.  bestätigt.  In  It.  findet  sich  be- 
reits vor  a"S  iin^  abirb  die  Überschrift  bin  br  mi'OT;  wir  haben 
bereits  oben  festgestellt,  daß  Tai?Tr  inn  an  den  Sclüuß  ri?  ^mirn 
nüi  aD^rnniE  dh-ekt  anknüpft  (S.  83). 

8,  Fassen  wk  das  Ergebnis  dieser  Auseinandersetzung  zusammen, 
so  dürfen  wir  feststellen,  daß  der  Anfang  des  Morgengebetes  im  wesent- 
lichen aus  folgenden  Unterabteilimgen  zusammengesetzt  ist: 

1.  Verschiedene  niDin  im  Anschluß  an  b.  Ber.  60  b. 

2.  Studienstoffe  und  einleitende  Benedil^tionen  dazu  im  Anschluß 
an  b.  Ber.  11  b. 

3.  Gebet  um  messianisches  Heü  im  Anschluß  an  T.  d.  B.  El.  XIX. 
AUe  drei  Abteilungen  wurden  späterhin  in  ilirer  ursprünglichen 

Anordnung  nicht  mehr  verstanden,  mit  fremden  Gebeten  diu'chsetzt 
und  im  deutschen  Ritus  in  einer  solchen  Weise  durcheinander  ge- 
worfen, daß  sie  geradezu  unerklärlich  sind.  AVann  sie  vereinigt  wurden, 
ist  unbekannt,  aber  zweifellos  ist,  daß  der  ganze  Abschnitt  m'sprüng- 
lich  nicht  zum  öffentlichen  Gottesdienste  gehörte,  daß  er  der  privaten 
Andacht  überlassen  war  und  nicht  vor  dem  IX.  Jahrhundert  einen 
Platz  in  der  Synagoge  erhielt,  den  er  jedoch  noch  lange  später  nicht 
überall  hatte. 

Anhang: 
§  12a.  Das  Kaddisch. 

Literatm-:  L.  Landshuth.  -'"-  "T= 'C,  S.  59 ff.;  Baer,  S.  129 f.,  153, 
588;  Kohler,  K.  in  MS  XXXVn,  1893,  S.  489—492;  Obermayer  J.. 
Modernes  Judentum  im  Morgen-  und  Abendhinde,  1907,  S  91  ff.;  D.  de 
Sola  Pool,  The  old  jewish  aramaic  prayer,  the  Kaddish,  Leipzig  1909; 
Berliner,  Randb .  11,  S.  4  ff. :  Jüdisches  V  o  1  k  s  b  1  a  1 1 ,  Jahrgang-  I. 
Breslau  1889 ;  Art.  Kaddish  in  JE  VU,  401  ff. 

1.  Das  Kaddisch  dient,  wie  aus  seiner  wiederholten  Erwähnung 
hervorgeht,  zum  Abscliluß  des  ganzen  Gebets  oder  wichtiger  Teile 
desselben,  sowie  zum  Abschluß  der  Toravorlesung;  es  ist  aber  auch 
ein  Gebet,  das  Trauernde  am  Sclüusse  des  Gottesdienstes  sprechen. 
Die  liturgische  Verwendung  entspricht  nicht  dem  ursprünglichen 
Sinne  des  Kaddisch,  sie  hat  nicht  nur  zu  einer  Umdeutung,  sondern 


Erste  Bcnedikliunon,    Kaddisch  cjß 

auch  zu  einer  Erweiterunc:  des  Kaddiseli  ^M'fiilirt;  aber  aueli  al)n^eselien 
hiervon  hat  der  ursprüngliche  Worthiut  des  Kaddisch  vielfache  Er- 
weiterungen erfaliren. 

2.  Den  Kern  des  Kaddisch  bildet  dieP^ulogie  innia  sn"*  nrc  scn-^ 
s^iabr  "i^brbi  s'rrb,  die  ganz  deutlich  an  Dan.  220  anklingt:  ihr  he- 
bräisches Äquivalent  findet  sie  in  Ps.  1132  und  in  der  im  Tempel  zu 
Jerusalem  gebrauchten  Eulogie  ~r'  sbirr  TT^'a  "ins  ac  Tlia. 
Die  Erwähnungen  des  Kaddisch  in  der  talinudischen  Literatur  knüpfen 
sämtlich  an  diesen  Satz  an,  dem  sie  ehie  ganz  außerordentliche  Be- 
deutung beimessen,  n.M  s?3-!  nrr  xni  gilt  als  der  Hymnus  aller 
Hymnen.  Die  älteste  Autorität,  die  es  nennt,  ist  Jose  b.  Chalafta 
(um  150)  in  Sifre  Deut.  §306  (132  b)  und  in  b.  Ber.  3  a;  unter  den 
Amoräern  bezeichnet  Raba  als  eine  der  Säulen,  auf  denen  die  Welt 
ruht.  xnssT  N»nn  n^r  sn^  (b.  Sota  49  a).  Was  wir  im  letzten  Aus- 
druck als  einheitlichen  Begriff  finden,  weist  auf  den  Ursprung 
der  Eulogie  hin;  sie  wurde  von  Haus  aus  in  den  Schlußreden,  die  auf 
die  aggadischen  Vorträge  (§  29)  folgten,  verwendet.  Es  war  ein  fest- 
stehender Grundsatz,  daß  die  Vorträge  mit  frohen  Ausblicken  in  die 
messianische  Zukunft  zu  enden  hatten,  solchen  eschatologischen  Ab- 
sclüttssen  aber  ließen  einzelne  Redner  auch  noch  ein  kurzes  Gebet 
folgen.  Das  Gebet  mag  anfangs  keinen  bestimmten  Wortlaut  gehabt, 
vom  Belieben  des  Redners  abgehangen  haben.  Ein  solches  Gebet  mm, 
das  sich  mit  der  Zeit  allgemein  eingebürgert  hat,  war  das  Kaddisch, 
Sein  erster  Satz  enthält  die  zwei  eschatologischen  Bitten  um  die 
Heiligung  des  göttlichen  Xamens  und  um  das  Kommen  des  Reiches, 
und  zu  diesen  Bitten  gehört  die  Eulogie  ^^.212  5?l"i  "rr  S5n^  oder 
üire  hebräische  Form  "i^^  bn^n  Tair  i""'  (b.  Ber.  3  a).  Der  Zusammen- 
hang mit  Ez.  Kap.  36  bis  38,  besonders  der  Anklang  an  38  23  sind 
unverkennbar.  Dies  ist  der  Kern  und  der  ursprüngliche  Sinn  des 
Kaddisch. 

In  welcher  Zeit  die  Bitten  entstanden  sind,  ist  unbekannt,  die 
sein-  einfache  Form  der  Eschatologie  jedoch,  der  schlichte  Ausdruck 
sowie  das  Fehlen  jedes  Hinweises  auf  die  Zerstörung  des  Tempels 
weisen  auf  einen  frühen  Zeitpunkt  hin.  Bekannt  ist  femer  die  Älm- 
lichkeit  mit  dem  „Vater  Unser",  dessen  erste  di'ei  Bitten  bei  Matthäus 
(69 — 10)  in  voller  Übereinstimmung  mit  dem  ersten  Stücke  des  Kaddisch 
sind.  Das  alles  läßt  auf  em  hohes  Alter  des  m'sprünglichen  Kerns 
sclüießen.   Außer  den  erwähnten  Bitten  und  der  Eulogie  scheint  noch 


94  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

der  aramäische  Satz  "ji  i<rD^n  bD  ]^  ^7:?b  zum  alten  Bestände  des 
Kaddiscli  zu  gehören,  der  den  Hinweis  auf  die  agadischen  Vorträge 
und  deren  eschatologischen  Schhiß  (iincn;)  deutlich  enthält.  Aus 
der  Anknüpfung  an  die  Agada  erklärt  sich  auch  die  Verwendung  der 
aramäischen  Sprache,  des  Idioms,  in  dem  die  Gelehrten  sprachen. 
Das  Kaddiscli  ist  nicht  in  einem  Dialekt  der  Volkssprache  abgefaßt, 
sondern  m  jenem  künstlichen  Idiom,  das  in  den  Schulen  gesprochen 
wurde,  das  aus  den  offiziell  anerkannten  Targumim  (§  28)  bekannt 
ist.  Wie  die  Targumtradition  aus  Palästma  nach  Babylonien  ver- 
pflanzt wurde,  so  verdankt  auch  das  Kaddisch,  das  in  Palästina 
entstanden  war,  Babylonien  seine  Erhaltung  und  weitere  Aus- 
bildung, dort  hat  es  seine  Wertschätzung  als  eine  der  „Saiden  der 
Welt"  erhalten. 

3.  Als  liturgisches  Gebet  finden  wir-  das  Kaddisch  zum 
ersten  Male  in  einer  palästinischen  Quelle,  im  Traktat  Sofrim,  der  um 
600  entstanden  ist;  dort  erscheint  es  am  Schlüsse  der  Toravorlesung 
(XXI,  6),  in  Verbmdung  mit  IDin  (X,  8)  und  am  Abschlüsse  des  Ge- 
betes (XIX,  1).  In  Amr.  erfolgt  dann  die  Verwendung  genau  in  der- 
selben Weise  wie  noch  heute.  Für  die  liturgischen  Zwecke  erfuhr 
das  Kaddisch  eine  Erweiterung.  Es  trat  an  den  Schluß  eine  Bitte 
um  Erhörung  des  Gebetes  '"'S"!  "iinnrj:  bnprr;  nur  vor  i;il  (§7), 
vor  der  a?i-D'  nirnp  (§  10)  und  hinter  der  Toravorlesung  (§  25) 
beim  Morgengebet  sowie  vor  der  Tefilla  bei  den  anderen  Gebeten  wiu'de 
das  alte  Kaddisch  ohne  b^prr  gebraucht.  Aber  auch  der  erste  Teil 
erhielt  zwei  Erweiterungen;  die  aramäische  Eulogie  5?li  "'CTr  x~"> 
wurde  durch  eine  hebräische  Umsclireibung  desselben  Gedankens  'innr"» 
'^ji  nnriL'11  ergänzt,  sodann  aber  wurde  hinter  jede  Bitte  die  Auf- 
forderung der  Gemeinde  zm*  Responsion  ("iizs  "i"".^S"i)  eingeschaltet. 
Im  Zusammenhange  mit  der  Trauerwoche  finden  wir  das  Kaddisch 
ebenfalls  bereits  in  Sofrim.  Xach  dem  Musafgebet  am  Sabbat,  so 
wird  dort  berichtet,  suchte  man  die  Trauernden  auf,  sprach  einen 
Segen  und  dann  Kaddisch  (XIX,  12).  Es  ist  sehr  walu-scheinlich,  daß 
bei  einer  solchen  Gelegenheit  zu  dem  alten  Kaddisch  die  Begrüßimgs- 
formel  S2"i  i?^bt:  i«"^  hinzugefügt  wurde.  Wann  und  weshalb  dann 
derselbe  Gedanke  noch  einmal  in  hebräischer  Sprache  hinzukam 
T^iaTTan  aibir  mrj  (vgl.  Hi.  252),  darüber  sind  wir  nicht  imterrichtet. 
Beim  Tode  von  Gelehrten  wurde  der  Anfang  des  Kaddisch  erweitert 
durch  die  Einfügung  von  s^r-nrsb -^r~- 55^:^2,   in  derselben  Fas- 


i 


Kaddisch  95 

siiiig  wurde  er  spilliT  mir  iiiiiiiill('ll)ar  nach  der  IJccrdij^iirif!;  verwendet. 
Die  Selduüsütze  des  Traiierkaddiseh  aber  (S3-'  iJ-crr  SH"^  und  nrj 
^■»•Cl^ian  S^br)  wurden  aueli  dem  lilur|?isc'lien  Kaddiseli  einverleibt 
und  blieben  bei  jedem   Kaddiseli  bestehen. 

4.  Daß  das  Kaddiseli  in  der  Lituiffie  W'rwendiinfif  fand,  hatte 
seine  Ursache  in  der  Eulogie  und  darin,  daß  man  sirnncr  xri-^r  s^rz^'n 
auf  die  Clebeto  bezog.  Für  den  Trauerritus  ließ  es  die  escliatologisclie 
Hitte  am  Anfange  geeignet  erscheinen;  die  Heiligung  des  göttlichen 
Namens,  die  Herstellung  des  (lottesreiches  stehen,  namentlich  bei  dem 
Propheten  Ezechiel.  in  engster  Verbindung  mit  der  Wiederbelebung 
der  Toten,  zweifellos  wurde  auch  iJr'^cn:  auf  die  Trostreden  bezogen. 
Im  Anschluß  an  diese  tatsächlichen  Zusammenhänge  bildete  sich  die 
mystische  Vorstellung  von  der  Wunderkraft  der  Rezitation  der  Kad- 
discheulogie  für  Lebende  und  Tote  (vgl.  b.  Schab.  119  b  und  T.  d.  B. 
El.  XX),  ja  sogar  dem  Sprechen  der  Responsen  wird  schließlich 
die  Kraft  der  Einwu-kung  auf  den  göttlichen  Ratschluß  zugeschrieben. 
Damit  vereinte  sich  die  andere  Vorstellung,  daß  es  Kindern  obliegt, 
für  das  Seelenheil  der  Eltern  einzustehen.  Die  Möglichkeit  hierzu 
Süll  ihnen  die  Teilnahme  am  Gottesdienst,  der  Vortrag  gewisser  Clebete 
geben,  nach  der  mystischen  Akibalegende  insbesondere  der  Vortrag 
solcher  hymnischen  Gebete  wie  Kaddisch  und  iD"^n.  Hier  handelt 
es  sich  noch  lediglich  um  das  liturgische  Kaddisch,  aber  daraus  ent- 
stand allmählich  die  Sitte,  daß  die  Söhne  nach  dem  Tode  ihrer  Eltern 
ein  Jahr  lang  Kaddisch  sagten.  Die  Sitte  hat  in  D  e  u  t  s  c  h  1  a  n  d 
ihren  Ursprung  und  begann  in  der  Zeit  der  großen  Judenverfolgungen. 
Dem  Machsor  \'itry  ist  sie  noch  völlig  fremd,  auch  Eleasar  aus  Worms 
(um  1200)  drückt  sich  noch  sehr  vorsichtig  über  diesen  Punkt  aus. 
Isaak  Or  Sarua  (1220)  aber  berichtet  bereits,  daß  in  Böhmen  und  am 
Rhein  Waisen  am  Schlüsse  des  Gottesdienstes  Kaddisch  sagen,  während 
man  in  Frankreich  nicht  darauf  achte,  wer  das  Kaddisch  spricht;  er 
tadelt  das  unter  Hinweis  auf  jene  Form  der  Legende,  wonach  R.  Akiba 
einen  zur  Höllenpein  verurteilten  Vater  dadurch  rettete,  daß  er  seinen 
Sohn  das  Kaddisch  lehrte  und  es  ilm  in  der  Synagoge  zu  spreclien 
veranlaßte.  Zwei  Jahrhunderte  später  tritt  uns  dann  bei  Jakob  Möllin 
zum  ersten  Male  der  Begriff  ..Jahrzeit",  d.  h.  die  Feier  der  jährlichen 
Wiederkehr  des  Todestages  der  Eltern  durch  Kaddischgebet,  entgegen. 
Die  Sitte  des  Kaddisch  im  Trauerjahre  und  an  den  Todestagen  ist 
nel)st  der  Bezeichnung  Jahrzeit  dann  allmählich  von  allen  Juden  der 


96 


Beschreibung  des  Gottesdienstes 


Welt  übernommen  worden.  Bindende  Vorschriften  darüber  kennt 
keines  der  älteren  Ritualwerke,  auch  nicht  der  Schulchan  Aruch; 
doch  was  die  Halacha  freigelassen,  hat  die  Pietät  geheiligt,  das  Kad- 
disch  der  Trauernden  ist  eine  der  verbreitetsten  und  am  treuesten 
beobachteten  religiösen  Institutionen  geworden.  An  Protesten  gegen 
die  Auffassung  des  Kaddisch  als  eines  Gnadenmittels  hat  es  nie 
gefehlt. 

5.  Aus  der  Art  der  Verwendung  ergaben  sich  di'ei  Arten  des  Kad- 
disch: Voll  kaddisch  übw  ffi^^p  (iiirn  ,ni'a;i)  hieß  das  Gebet,  wenn 
es  mit  bnprn  und  i^m  ii'abir'  i?ni  vorgetragen  wurde,  d.  h.  am 
Schlüsse  des  Gebetes;  Halb  kaddisch  hingegen,  'ir"'"p  ^::n  ,("iDn  'p 
i5-JlT),  reichte  nm-  bis  i^iabrn  ■i"i"''ai?'i.  Das  Kaddisch  der 
Trauernden  wiederum  aini  ir^np  (bli?)  war  VoUkaddisch  mit 
Weglassung  von  bsprn,  es  wird  nach  dem  Abschlüsse  des  Gebetes 
hinter  der  Rezitation  der  jungen  Zusätze  wie  M'C^  usw.  (S.  80 f.) 
gesprochen.  Eine  besondere  Spielart  dieses  Kaddisch  heißt  psn"!  tüi'ip, 
es  wird  von  Trauernden  im  Anschluß  an  Talmudvorträge  gesprochen 
und  entsteht  durch  Einfügung  von  'Hin  riinir"'  TJ  vor  5?3i  niarir  S""»; 
auch  diese  Einfügung  ist  keineswegs  älter  als  der  Abscliluß  des  Tal- 
muds. Infolge  der  Verwendung  in  der  Synagogenhturgie  wurden  auch 
Responsen  für  das  Kaddisch  eingefülu't.  ?\ach  Sifre  a.  a.  0.  soU  der 
Vortrag  derart  sein,  daß  auf  i!:n  "'a'C  s?ni  die  Gemeinde  mit  3b7b 
«■''aby  "i'aS'bl  einfällt;  das  aber  wurde  später  nicht  befolgt,  vielmehr 
mußte  die  Gemeinde  den  ganzen  Satz  S3"i  rrar  i?"i  wiederholen,  die 
Mystiker  haben  bereits  im  Talmud  der  Responsion  ganz  unvergleich- 
liche Wirkung  beigelegt.  In  den  späteren  Jahrhunderten  wurde  die 
Wertschätzung  derart  übertrieben,  daß  bei  allen  Gebeten  für  den- 
jenigen, der  am  Gottesdienste  der  Gemeinde  nicht  teünelunen  und, 
da  es  nur  dort  rezitiert  wird,  das  Kaddisch  nicht  hören  kann,  ein 
Ersatzgebet  geschaffen  wurde,  in  das  die  Mystiker  den  Satz 
xan  n'QTr  5?ni  hineinzubringen  wußten.  Außerdem  kam  als  Response 
das  wiederholte  "^5?  der  Gemeinde  hinzu;  es  wüd  nicht  m  allen  Gegenden 
an  den  gleichen  Stehen  gesprochen,  und  das  ist  ein  Zeichen  des  späten 
Ursprungs. 

6.  Der  Text  des  Kaddischgebets  ist  zuerst  vollständig  in  Amr, 
gegeben.  Daß  der  Text  eines  so  viel  benutzten  Gebets  im  Laufe  der 
Zeit  den  verschiedensten  Wandlungen  unterworfen  war,  braucht  nicht 
erst  gesagt  zu  werden,  es  muß  jedoch  bemerkt  werden,  daß  der  Text 


Kaddisch  97 

der  ersten  Hälfte,  des  sooonaiinten  IIall)k;uldiscli,  bei  weitem  nicht 
so  viele  V  a  r  i  a  n  t  e  n  aufweist  wie  derjcnif^e  der  zweiten;  ein  weilerer 
Beweis  dafür,  daß  die  zweite  Hälfte  jünj^erer  Zusatz  ist.    Der  Text 
von  Amr.  ist  in  denn,  und  It.  ziendich  unverändert  erhalten  geblieben, 
während   die   anderen    Kiten   zahlreiche   Al)weichun^(Mi    l)ictcii.     Die 
Textvarianten  sind  l)ei  Pool  sehr  sorgfältig  zu  jedem  Salze  zusanunen- 
gestellt,  hier  sollen  nin-  diejenigen  von  allgemeiner  Bedeutung  genannt 
werden.  Die  messianische  Bitte  am  Anfange  ist  in  Seph.,  Rom.,  Yem. 
weiter  ausgebildet  worden,  sie  lautet  in  ihrer  vollkommensten  Form: 
n^niina  mp^i    [n-^bD^n  bbDCiT]    ni:pnE  n-c'i^^,,    die  in   Klammern 
gesetzten  Worte  fehlen  bald  im  einen,  bald  im  anderen  Ritus;  die 
Mannigfaltigkeit  der  Textgcslalt  (Pool.  S.  26  bis  38)  erweist  die  Sätze 
als  jüngere  Zutaten.   Auch  in  HDi  "isr"',  das  selbst  eine  Ausarbeitung 
der  vorangehenden  Eulogie  ist,  hat  die  ohnehin  große  Fülle  der  syn- 
onymen Verben  Umstellungen  oder  eine  geringe  Vermehrung  erfahren 
(Pool,  S.  54);  dasselbe  ist  beibnprr  der  Fall  (Pool,  S.  65  f.).  Sehr,  zahl- 
reich hingegen  sind  die  Zusätze  in  den  beiden  letzten  Bitten  dadurch 
geworden,   daß  sie  ausschmückende  und  erweiternde  Bearbeitungen 
erfahren  haben  (Pool,  S.  69  f.,  75  f.);  in  Seph.  und  Rom.  wird  neben  a"'"'n 
eine  große  Anzahl  von  Heilsgütern  erbeten,  alle  in  hebräischer  Sprache, 
was  sich  in  der  aramäischen  Umgebung  ohne  weiteres  als  nachträglicher 
Zusatz  erweist.   Gering  an  Zahl  und  Bedeutung  sind  die  Varianten  zu 
:S7C^  br  (Pool,  S.  89).  Als  Variante  hierzu  kann  das  Äi^p^is  b7l  nc^  b" 
angesehen  werden,  das  dem  Gebete  für  das  Seelenheil  der  Verstorbenen, 
r.nDrn,  wie  es  Seph.  bietet,  entnommen  ist;  es  wird  in  Reformgebet- 
büchern   zur    Herstellung   des    Kaddisch    der   Leidtragenden    einge- 
schaltet, das  auf  diese  Weise  eine  direkte  Beziehung  auf  die  Verstor- 
benen erhält,  die  ihm  in  der  traditionellen  Fassung  fehlt. 

7.  Neben  den  Textvarianten  sind  auch  Erweiterungen 
des  Kaddisch  zu  erwähnen.  Am  Anfange,  in  der  Bitte  um  das  baldige 
Kommen  des  Gottesreiches  „bei  Lebzeiten  der  Gemeinde",  wurde 
der  höchsten  Würdenträger  besonders  gedacht.  In  einem  alten  Be- 
richte über  die  Amtseinführung  der  babylonischen  Exilarchen  wird 
mitgeteilt,  daß  beim  Festgottesdienst  in  das  Kaddisch  die  Formel 
rx^-r-'  r'2  :2-:  ■^■•nm  "iiDiinm  n'::^  Ci?'"  irx-^c:  """«nn  eingefügt 
ward,  in  der  Geniza  zu  Kairo  haben  sich  Fragmente  gefunden,  aus 
denen  sich  ergibt,  daß  die  Sitte  ständig  in  Übung  war,  daß 
bei  jedem   Kaddisch    des   Exilarchen    mit    Namen   gedacht   wurde, 

El  bogen.  Der  jüd.  Gottesdienst.  ' 


gg  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

daneben  auch  der  leitenden  Männer  an  den  großen  Akademien  in 
Babylonien  und  in  Palästina ;  so  lautet  ein  Text  ~b- 3-  r  55"i  lis^iir:  ■•■inn 
'131  "i^^^nm  T-c''\  br  nnit"^"  ri^'i  i'^nS",  ein  anderer  "r:i~5<  ^"nn 
nnTTi  255  inzn  r.r:r  irn^  ^■^nmnp;?-'  i-ss  rn^ir^  rs«-!  ]nrn  ^r^ns« 
. .  ."ji^iinni  rmnnn  ■^f'^brn  pi-i  'in-i  ^-^nn^  Mcht  nur  bis  ins  XL 
Jahrhundert  dauerte  der  Brauch  fort,  auch  noch  ein  Jaluhundert 
später  wii'd  berichtet,  daß  die  Gemeinden  in  Yemen  M  a  i  m  0  - 
n  i  d  e  s  ilire  Ehrfurcht  dadurch  bezeigten,  daß  sie  im  Kaddisch 
seiner  gedachten  "21  y,)2^'''c  in  nr'a  s^rn— ;  ^"inn.  Es  ist  bezeich- 
nend, daß  dieser  Zusatz  mitten  im  aramäischen  Text  liebräisch 
geblieben  ist.  Ungleich  zahlreicher  sind  die  Zusätze  am  Ende,  meist 
weitere  Ausführungen  der  drei  letzten  Sätze,  meist  in  aramäischer 
Sprache,  die  freihch  oft  durch  hebräische  Worte  unterbrochen  wird. 
Der  größte  Teil  ist  im  Ritus  von  Cochin  erhalten.  1.  i^r'^'p  i:nrr 
(Text  bei  Pool,  S.  108),  2.  i«r-C5?  n:T:T  und  3.  ^rrr  ^r^^  (das.  S. 
13,  K  12),  4.  -'r"r'  ".vr  nebst  5.  zrrz  "nrrr.  6.  ein  gereimtes 
Stück,  in:£""i  "'rp  hinter  '^l'prr  und  endlich  ein  weitschweifiges 
2V:r  nt'ir  nebst  n'-u::  -p-^i-;. 

Auch  in  einzelnen  Gemeinden  vonSeph.  ist  am  Schlüsse  der  Feste 
die  Einfügung  von  'T^r'  ■;""  üblich. 

B.    Die  übrigen  täglichen  Gebete. 
§  13.     Das  Minchagebet. 

Literatiu-:  Herzfeld,  S.  184.  187.;  Art.  Minhah  Prayer  in  JE  VIII.  596  f. 

1.  -n:rn  rb&n  (Ber.  IV,  1),  aram.  nn:a"t  &5r':::.  Die  Be- 
zeichnung „Mincha"  führt  auf  den  Ursprung  des  Gebetes,  das  vom 
IN'achmittagsopfer  abzuleiten  ist.  Man  unterscheidet  für  das  Gebet, 
genau  so  wie  für  das  Opfer,  nb^ia  nniü  von  6V2  Stunden  ab  und 
n:-jp  r.n:)2  von  9  7.^  Stunden  ab  (vgl.  Pes.  V,  1 ;  b.  Ber.  26  b).  Will 
man  den  Unterschied  auf  die  Bibel  zmückfüliren,  so  müßte  an  S"»""-:: 
Ps.  5518  und  n-1"  rr,:i2  Ps.  1412  als  Gebetszeiten  erinnert  werden. 
Die  gewöhnliche  Gebetszeit  im  Tempel  zu  Jerusalem  wax  die  neunte 
Stunde  (vgl.  Akt.  3l  r^  c'oa  rr^g  7rQoaeixi]g  1]  eväii^).  In  manchen 
Ländern  wurde  rc'ij  "n:^  gebetet,  so  geschieht  es  noch  heute  fast 
überall  an  Sabbaten  und  Festtagen,  in  Itahen  und  im  Orient  vielfach 
auch  an  "Wochentagen.  Schon  früh  wm-de  indes  mit  Rücksicht  auf 
die  Erwerbsverhältnisse  im  Morgen-  und  im  Abendlande  ]\Iincha  auf 


Mincha-,  Abciuigebul  9i) 

die  Zeit  kurz  vor  Eiiibriicli  der  Xaclit  verlej^l  und  mit  dem  Abend- 
gebet vereinigt;  regehnäliig  gcseliaii  das  am  Kingang  der  Sabbalc 
und  Feste. 

2.  Das  Gebet  für  Mincha  bildet  die  T  e  f  i  1 1  a  ,  die  genau  so  wie 
im  Morgengebet  zunächst  still  gesprochen  und  dann  laut  wiederholt 
wird.  Verschiedenheiten  haben  nur  an  zwei  Stellen  stattgefunden. 
Zunächst  wurde  in  manchen  Gegenden  in  XVII  der  Anfang  mit  ni-) 
weggelassen  (S.  56);  ferner  fiel  der  Priestersegen  aus,  infolgedessen 
wurde  in  Germ,  in  XIX  nn  2f:ir  statt  2V:r  z^r  gebetet  (S.  59). 
Der  Tefilla  geht  nach  der  übereinstimmenden  Angabe  aller  Quellen 
Ps.  145  m  der  üblichen  Fassung  voraus.  Durch  Jona  Gerundi  (XIII. 
Jahrhundert)  wurde  auch  der  Abschnitt  über  das  tägliche  0])fer 
(Xum.  28 1 — 8)  und  ni:pri  z-'-je  (S.  80)  eingefülu-t,  Sepli.  und  It.  haben 
das  angenommen  und  schicken  überdies  Ps.  84  voraus.  V.  setzt  Ps.  5  8 
Tncn  n"'^  ■'rST  voran;  in  (ierm.  ist  das  alles  nie  in  den  Gemeinde- 
gottesdienst gekommen,  sondern  nur  von  emzelnen  gesprochen  worden. 

3.  Xach  der  Tefilla  wii'd  ";i;nr  gebetet,  wie  am  Morgen;  V. 
hat  lüerfür  einige  besondere  Techinnas,  die  mit  den  bei  Amr.  für  den 
Morgengottesdienst  mitgeteilten  identisch  sind.  Da  das  Mincha- 
gebet  häufig  erst  kurz  vor  Einbruch  der  Xacht  verrichtet  wurde, 
konnte  es  bisweilen  an  der  nötigen  Zeit  mangeln,  es  in  der  vorge- 
schriebenen Weise  vorzutragen.  Für  diesen  Fall  wurde  schon  von 
den  Geoniin  empfohlen,  ]i:nr  fortzulassen,  wenn  es  sehr  spät  war, 
sogar  die  Wiederholung  der  Tefilla  abzukürzen. 

Am  Vorabend  eines  festlichen  Tages  fällt  zu  Mincha  "jirnr  aus. 
Als  Eigentümlichkeit  wu-d  aus  Katalonien  berichtet,  daß  es  am  Freitag 
Abend  Sitte  war,  nach  der  leisen  Tefilla  r-^ip  zu  sprechen;  ob  das 
darauf  zurückzufülu-en  ist,  daß  ursprünglich  die  Wiederholung  der 
Tefilla  ausfiel,  läßt  sich  nicht  mehr  ergründen.  Wo  das  Minchagebet 
gesondert  gesprochen  wird,  scliließt  es  mit  irb"  (§10,  S.  80 f.). 

8  14.     Das  Abendgebet. 

■et  '^ 

Literatur:  Landshuth.  S.  218 ff.;  Baer.  S.  163 ff.:  Herzfeld,  S.  184 f.; 
J.  Levi,  Frag-nients  de  rituels  de  priores  etc.  iu  KEJ  LUE,  231  ff.; 
A    Büchler  in  JQR  XX,  799  ff".     Art.  Ma'aril)  in  JE  VUI,  233  f. 

1.  n^rn  r'-^r  (Ber.  IV,  1),  r-n-:-.  z-rn  (Ber.  I,  5,  7).  n^-na 
oder  z-^n-j  (Ber.  1 1),  Aus  den  Einrichtungen  des  jerusalemischen 
Tempels  läßt  sich  das  Abendgebet  nicht  herleiten,  denn  der  Tempel 


IQQ  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

wurde  abends  geschlossen,  und  es  fanden  nachts  kerne  Funktionen 
darin  statt.  Es  ist  vielmelu"  das  natürliche  Bedürfnis  nach  einem 
Naclitgebete,  dem  das  Maarib  seinen  Ursprung  dankt.  T^Drn  Dt.  6  7 
ist  die  biblische  Anlehnung,  otvote  Tcqbg  vuvov  ojqcc  vgeTiEüd^ai. 
nennt  Josephus  (Ant.  IV,  8,  13)  die  Zeit  dafür.  Zu  Beginn  der  christ- 
lichen Zeitrechnung  ist  das  Gebet  bereits  allgemein  eingeführt,  aller- 
dings fand  ein  Gemeindegottesdienst  am  Abend  nicht  statt,  es  war 
vielmehr  das  Xachtgebet  des  emzelnen.  Nachdem  für  Maarib  ein 
Gemeindegottesdienst  eingeführt  war,  wurde  er  bei  Einbruch  der 
Dunkelheit  gehalten,  vielfach,  um  es  der  Gemeinde  zu  erleichtern, 
mit  Mincha  zusammen.  Daß  auf  vollen  Eintritt  der  Xacht  gewartet 
wurde,  gehörte  zu  den  Seltenheiten. 

2.  Den  Kern  des  Gebetes  bildet  das  Seh  m  a  mit  zwei  voraus- 
gehenden Benediktionen  wie  am  Morgen  und,  darin  abweichend,  mit 
zwei,  die  nachfolgen  (Ber.  I,  7). 

In  allen  bekannten  Texten  seit  Amr.  beginnt  das  Abendgebet 
mit  Ps.  7838  und  Ps.  2010  {'VjI  ainn  s?im).  Von  den  verschiedenen 
dafür  gegebenen  Begründungen  ist  die  einleuchtendste,  daß  die  Zeit 
bis  zum  Eintritt  der  Xacht  ausgefüllt  werden  und  daß  unserem  Ge- 
bete wie  den  anderen  einige  Bibelverse  vorausgehen  sollten.  V.  hat 
außer  den  genannten  Versen  auch  Dt.  431  und  für  sämtliche  Verse 
alternierenden  Vortrag  zwischen  Vorbeter  und  Gemeinde.  Seit  dem 
XVII.  Jahrhundert  werden  den  Versen  bisweilen  Ps.  134  und  nach 
kabbalistischen  Angaben  eine  Gruppe  von  Bibelstellen  vorangeschickt, 
so  in  Seph.  und  It.,  in  Germ,  nur,  wenn  Maarib  wkklich  nachts  ge- 
betet wü'd. 

3.  Das  erste  Stück  vor  Schma  entspricht  "^'S  -::"■'  (S.  16  f.), 
es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  beide  in  alter  Zeit  einmal  den  gleichen 
Wortlaut  hatten.  B.  Ber.  11  b  wird  daraus  von  Abbaje  (IV.  Jahr- 
hundert) ms  ^:sr  lfm  ^ffin  -"^bto  ms?  bbiü,  das.  12  a  (anonym) 
die  Eulogie  a^ni7  ^'^''^y'n  zitiert.  Die  Texte  in  den  Ausgaben  stimmen 
bis  auf  geringfügige  Kleinigkeiten  überem;  Amr.,  Germ,  (schon  V.), 
Rom.  und  It.  haben  am  Schluß  das  von  Abudr.  entschieden  ver- 
worfene und  auch  in  Seph.  fehlende  "i'),']  a^'pi  "^n  bs5  tott  nssn::  'i. 
Eine  piutartige  kürzere  Formel  ist  REJ,  L III.,  S.  234  f.  mit- 
geteilt. 

4.  Über  den  Anfang  von  abi7  rnns  vgl.  oben  S.  20.  Auch 
hier  stimmen  die  Texte  bis  auf  den  Schluß  überein,  die  Abweichungen 


Abendgebet  101 

sind  nicht  von  HcdiMitiinp^.  Der  Inhalt  ist  weit  iMiihcitlichcr  als  der 
von  "2"  "nnx  im  Mor^vnffchot,  vr  bezieht  sich  ledif^iich  auf  die  Offen- 
l)ariiiii;    und    rechtfertigt    den  Xamen  nmr  rD"^2,  s.  oben  S.  20,25. 

5.  Von  den  drei  Abschnitten  des  Schnia  wurde  der  dritte  ur- 
s|trnniTlich  am  Abend  nicht  rezitiert,  ^'""'i  i?rs  :~r'.  tu  '"2S"''  (Ber. 
II,  ."5).  In  Palästina  war  dieser  jirauch  in  amoräischer  Zeit  noch  all- 
gemein (j.  Ber.  WK  h.  14  1)),  während  der  späteren  Jahrhunderte  in 
vielen  Gemeinden  verbreitet  (Hai.  Ged.  23).  Der  Iidialt  des  letzten 
Satzes,  die  Erwähnung-  des  Auszuges  aus  Ägypten,  wurde  auch  am 
Abend  zum  Ausdruck  gebracht,  dafür  besitzen  wir  das  Zeugnis  des 
Josephus  (das.)  und  seines  jüngeren  Zeitgenossen  Eleasar  ben  Asarja 
(Ber.  I,  Ende).  Die  überlieferten  Formeln  dafür  lauten  "ünix  ^•'-"S 
1T2r b  r"---":  s-'isr  r-^nr:  irr-^isi  z^-^-^-q-c  "zr^-^T^z  ■;:  (j.  Ber.  1 9 
fol.  3  d),  oder  irr^is^  z"'-^r  t^sjü  i:rü2imr  's  'i  Y-  ":n:s«  z-^i'-q 
i7  ^rr^  z-^n  br  n^^n^n  a^c:  i::  r^rri  2^-;nr  r^n^  (b.  Ber.  14  b). 
womit  wohl  zu  hdi^d  "»12  und  zur  nb^s^  übergeleitet  wurde.  In 
Babylonien  hingegen  war  bereits  um  300  das  Weglassen  von  ^'as«"'" 
völlig  unbekannt;  dort  war  daher  auch  die  zur  rcimy  überleitende 
Formel  anders  und  derjenigen  des  Morgengebetes  angepaßt.  Schon 
vorher  hatte  Hab  für  den  Abend  rirrsi  rrs  vorgeschrieben.  Der 
Text  ist  seit  Amr.  in  allen  Riten  gleichlautend,  zum  größten  Teil  an 
Psalmversc  angelehnt.  Der  Übergang  von  rcf22  ■'^  zu  ii'C'  "i  lautet 
bei  Amr.  ebenso  wie  der  in  Pal.  für  das  Morgengebet  (ob.  S.  24);  in 
Vulg.  aber  findet  sich  allgemein  der  aus  Germ,  bekannte  Text  mit  ge- 
ringfügigen Abweichungen,  in  Seph.  iD'ib'cm  Tiin  z^D  "in*  ähnlich 
dem  am  ]\Iorgen  gebräuchlichen  Wortlaute.  Eine  von  allen  bekannten 
abweichende  Formel  hat  Saad. ;  eine  andere  piutartige,  vielleicht 
palästinischen  Ursprungs,  in  REJ  a.  a.  0. 

6.  Das  Abendgebet  hat  im  Gegensatz  zum  Morgengebet  hier 
noch  ein  viertes  Stück  i:n"'2Tr-,  im  Talmud  sr^-^ii«  nb^Sj  genannt 
(b.  Ber.  4  b,  9  b).  Der  Grundtext  von  Amr.  ist  in  allen  Riten  mehr 
oder  weniger  erweitert,  am  wenigsten  in  It.,  am  meisten  in  Seph.  Ein 
kurzer  Text,  der  lediglich  eine  Bearbeitung  von  Ps.  49  nn-'  i'rrs 
-r-'i«:  -2zrs  enthält,  wiederum  in  REJ  a.  a.  0.  Als  Eulogie  findet 
sich  in  allen  Gebetbüchern  "rb  bs"'!"'  iizy  nrir,  die  Form.el  geht 
auf  Midr.  zu  Ps.  6l  zurück,  wo  allerdings  der  Text  nicht  über  jeden 
Zweifel  erhaben  ist.  In  Pal.  jedoch  lautet  die  Eulogie  2"br  rrc  r-'En 
p-'bcin^  nrm  1^2  2n:i2]  (3^br^n^  bji)  bj^nc^  i72-  bz  br-   "-br, 


102  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

wie  in  Vulg.  nur  an  Sabbaten  und  Festtagen.  Das  ließ  j.  Ber.  IV  5 
(8  c)  -3^nn  ^^":;"  i-^y^EP^  nT^sn  :Dr  rr  n-^srrb  '.^^.2  ^inta  n  n^at? 
b-1  is-ibr  sibir  i-Dic  ü-iiB  S''»"!»  ns-^-ipn  ....  n^Erm  :7^ir  nsi^'ipn 
a'^bm'^  bn  bi?nr''  Tai?  mit  seinen  zahlreichen  Parallelen  in  den 
Midrasehim  vermuten ;  Genisatexte,  die  die  Formel  im  Wortlaute  des 
täglichen  Gebetes  bringen,  haben  die  Vermutung  zur  Gewißheit  ge- 
macht. 

7.  Die  Eiufülu'ung  einer  Bitte  an  dieser  ungewöhnlichen  Stelle 
hat  iliren  Grund  darin,  daß  das  Stück  einen  Ersatz  für  die  T  e  - 
f  i  1 1  a  bieten  sollte.  Solange  Maarib  em  wirkliches  ^achtgebet  war, 
konnte  nur  die  eine  Bitte  um  Schutz  in  der  Nacht  hier  Platz  finden, 
andere  hatten  keinen  rechten  Sinn.  Aber  schon  sehr  zeitig  wurde 
das  Gebet  auf  eine  frühere  Abendstunde  verlegt,  und  es  wurde  wie 
bei  den  anderen  zwei  täglichen  Gebeten  auch  hier  die  Tefüla  einge- 
führt, vielleicht  nach  der  Zerstörung  des  Tempels  als  Ersatz  für 
die  dort  zu  E'^iriT  rb"'":  (§  34)  üblich  gewesene.  Allein  die 
Abendtefüla  wm'de  als  freiwülige  Leistung,  nicht  als  Pfhchtgebet 
beti-achtet  (mp  nb  "i^i?  inrn  rz^r  Ber.  TV,  1;  r^t'n  r-^nnr  r'^tr 
b.  Ber.  27  b,  j.  IV  l,f.  7  d),  und  wenn  auch  R.  Gamliel  deswegen  den 
gewaltigen  Konflikt  mit  R.  Josua  entfesselte  (um  100),  so  blieb  doch 
zunächst  und  auch  trotz  später  erneuten  Widerspruchs  für  alle  Zeiten 
die  iVnschauung  siegreich,  daß  die  Abendtefüla  freiwilliges 
Gebet  war.  Sie  wh'd  infolgedessen  vom  vorhergehenden  Gebet  diu^ch 
^"'"'p  getrennt  und  nicht  laut  wiederholt.  Sie  wurde  aber  auch  lange 
Zeit  beim  öffentlichen  Gottesdienste  überhaupt  nicht  verwendet,  viel- 
melir  wurde  ein  Ersatz  für  sie  geschaffen. 

8.  Ein  solcher  liegt  heute  noch  in  dem  Stücke  liasi  ab-rb  '"  "T'iD 
iri?'!  vor.  Das  ist  eine  Sammlung  von  Bibelversen,  vorzugsweise  aus  den 
Psalmen,  von  Bibelversen,  die  den  Gottesnamen  enthalten  und  die 
18  Benediktionen  der  Tefüla  zu  ersetzen  bestimmt  sind.  Daß  das 
Stück  einen  Ersatz  für  die  Tefüla  bietet,  darüber  herrscht  unter  aUen 
Berichterstattern  Einstimmigkeit,  nur  über  die  Veranlassung  zu  seiner 
Einführung  gehen  die  Meinungen  auseinander.  Nach  einem  Teüe  der 
QueUen  stammt  das  Stück  aus  B  a  b  y  1  o  n  i  e  n  und  fand  dort  Auf- 
nahme, weü  man  in  den  Synagogen,  die  weitab  von  der  Stadt  lagen 
(vgl.  §  48),  die  zu  spät  erschienenen  und  mit  üirem  Gebete  noch  nicht 
fertigen  Leute  in  der  Dunkelheit  aUein  zu  lassen  Bedenken  trug. 
Nach  anderen  wiederum  ist  e«  in  einer  Zeit  der  Religionsverfolgungen 


I 


Abendgebet  103 

eingefülirt  wordon,  als  es  vorboten  war,  die  Tefilla  zu  s|)reclieii;  allein 
eine  solche  Verfolgung  läßt  sieh  mit  Sicherheit  nirgends  nachweisen. 
Es  fehlt  auch  nicht  die  ^leinung,  daß  durch  die  Einführung  von  Tiia 
:':"r'::  i  die  Zeit  gespart  werden  sollte,  die  sonst  für  die  Tefilla  not- 
wendig war;  wir  finden  auch  anderweitig  Einrichtungen,  die  darauf 
abzielen,  eine  unnötige  Ausdehnung  des  Gebetes  an  Wochentagen 
zu  vermeiden.  Endlieh  muß  ein  Bericht  erwähnt  werden,  der,  aller- 
dings ohne  nähere  Quellenangabe,  die  Entstehung  des  Stückes  nach 
Palästina  verlegt.  Möglich  wäre  es,  daß  in  einem  der  beiden 
Länder  die  Tefilla,  in  dem  anderen  der  Ersatz  dafür  üblich  war,  und 
so  ließe  sich  erklären,  daß  wir  in  allen  Riten  von  Amr.  an  beides 
vereint  finden,  die  Tefilla  nebst  dem  vorangehenden  Ersatz  für  sie. 
In  den  meisten  Riten  freilich  wii-d  zb'~b  '1  "J^^^  leise  gesprochen, 
ehie  letzte  Spur  davon,  daß  es  ursprünglich  nicht  zum  Gebet  ge- 
hörte. 

Über  die  Entstehungszeit  herrscht  wiederum  Einstimmigkeit. 
Wo  die  Berichte  nicht  so  gehalten  sind,  daß  ihre  Unmöglichkeit  sofort 
in  die  Augen  springt,  wird  die  Abfassung  in  die  nachtalmudische, 
genauer  in  die  saboräische  Zeit  verlegt.  Mit  dieser  Angabe  stimmt 
der  Inhalt  sehr  wohl  überein.  denn  auch  andere  Gebete,  die  eine  solche 
Zusammenstellung  von  Bibelversen  enthalten,  gehen  auf  jene  Zeit 
zurück. 

Prüfen  wir  den  Text  näher,  so  ergibt  sich,  daß  die  Verse  in  allen 
Riten  die  gleichen  sind,  die  Reihenfolge  ist  allerdings  nicht  immer 
dieselbe.  Aber  keiner  der  uns  vorliegenden  Texte  weist  wirklich  18 
Schriftstellen  auf.  meist  sind  es  nur  15  oder  16.  Ob  und  wie  die  fehlen- 
den zu  ergänzen  sind,  läßt  sich  nicht  sagen;  erwähnt  soll  hier  werden, 
daß  in  handschriftlichen  Gebeten,  z.  B.  auch  im  Siddur  Saadjas, 
Ob.  21,  Ps.  1202,  1506,  Jes.  4517,  I.  Könige  857  sich  finden.  Mög- 
hch  ist  auch,  daß  die  Sätze  a:^n  '"  '^^^n  und  Y-^  '"  mitgezählt  wurden, 
die  zwar  nicht  Sclu'iftverse,  aber  doch  solchen  ähnüch  smd.  Femer 
muß  hervorgehoben  werden,  daß  das  Gebet,  wie  es  uns  vorliegt,  einen 
doppelten  Abschluß  hat.  An  die  Reihe  der  Schriftstellen  schließt 
sich  unmittelbar  r^rm*::  -rnbi«  an.  ^rr~  'S^^  bildet  aber  einen 
zweiten  Abschluß  mit  ähnhchem  Inhalt,  mit  einem  messianischen 
Ausblick.   In  It.  fehlt  "rr"  ■S'\  und  der  Schluß  lautet  ganz  kurz 

n"j:b    2"'"'p"  -rr  '■;   in  Rom.  wiederum  whd  neben  7r:"r  ^S"^  ein 


1Q^  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Schluß  mit  ITCb  :3i  riE  bD  'S  '-  tV:::-i  zur  Auswahl  gestellt,  der 
mit  dem  von  It.  inhaltlich  identisch  und  nm*  eine  weitere  Ausführung 
davon    ist.     Auffallende    Abweichungen     zeigt     auch    die   Eulogie. 
Samuel  ben  Meu-  (um  1130)  hielt  eine  Eulogie  an  unserer  dm'ch  die 
alten  Quellen  nicht  zu  begründenden  Benedüvtion  überhaupt  für  unstatt- 
haft,  und  eine  große  Anzahl  von   Autoritäten  aus  Franki-eich  und 
Spanien  mi  XIII.  und  XIV.  Jahrhundert  schloß  sich  dieser  Meinung 
an.  Auch  Maünonides  soll  sie  geteilt  haben,  und  Pers.  hat  in  der  Tat 
keine  Eulogie  hinter  dem  Gebete.  Andererseits  hat  Rom.  zwei ;  hinter 
irr"  is^"^  die  übliche  rr'zv  Y:^"^  s«^ri  -r)2r  ziyi  -^n  i-^nra  Yrrn 
n::;"::  vv:"'a  bj  b"T  ""i  sbirb,  die  verkürzt  in  Amr.,  Germ,  und  Seph. 
wiederkehrt,  hinter  ^'cbn'^  wiederum  eine  andere,  die  an  It.  anklingt. 
In  It.  lautet  sie  kurz  rr^l':  a'^pl  ^Tb  Ti  bsi  ""~r,  d.  i.  wortgetreu  der 
Anfang  von  Saadjas  Eulogie  i^r  nmür  n:::b  2^pi  n^b  ■'n  bs  Y^^ 
"i^zs«  "ir"i  :'n""::  Y"^^  ""^'cr,    aber  Saadja  hat  auch  die  andere,  denn 
in   seinem  Siddur  whd   z"::^^""::  '"  ']:''n  nicht   nur  an  Wochentagen, 
sondern  ini  Gegensatz  zur  Meinung  der  babylonischen  Geonim,   auch 
am  Freitag  Abend  verwendet  und  schließt  dann  '-r)2r,  TTilzl  Y^TC" 
^icüi  "IJ'I   abll^b.    Einen  von  allen  Riten  vollständig  abweichenden  Text 
bietet  Maünonides.    Auf  irn^DtDri  folgt  abl"b  n  linn   mit   Ps.  31 G. 
imn  "ipsx  TT'S;  außerdem  aber,  so  fälu't  er  fort,  pflegen  Verein- 
zelte (2"~  r'2'p)2  ijnr),    m  die  Mitte  der  Benediktion  eine  Reihe 
von  Bibelversen  einzuschalten;   es  folgen  dann  5  Verse,    die  auch  in 
ab^^b  n  T:-"n  vorkommen,  der  Abschluß    "i^u    "n^  a'^mc  M-^rc^ 

irby  "^l^p",  dann  wiederum  9  Verse,  .":^:pn  '-  ■j-'n 2rn  '-  T"2 

7rr'52i?m  'T^pinn  n^^icr  nbo  Y^^bn:  i^-cr  und  der  Schluß  Y-^n 
HDl  Y'^^  l^'sr  a^^pT  "^n  l^nnrn.  Bei  der  sclüechten  Verfassung,  in 
der  uns  Maimonides'  Gebettext  vorhegt,  ist  nicht  ganz  klar,  ^vie  die 
von  ilun  erwähnte  Einschaltung  zu  denken  ist,  ob  die  Eulogie  am 
Schlüsse  ausschheßlich  zm*  Einschaltung  gehört  oder  auch  bei  nicht 
erweiterter  Benedilvtion  zur  Anwendung  kommt;  bemerkt  muß 
werden,  daß  auch  in  Pers.  die  Reihe  der  Bibelverse  wie  bei  Mahn, 
mit  I.  Könige  1839  beginnt,  und  daß  auch  Yem.,  der  treue  Hüter 
der  maimonidischen  Tradition,  diesem  Verse  nur  ab^rb  '-  ^"nn  und 
abi""  '1  i:;x:"i  vorausschickt. 

Suchen  wir  auf  Grund  all  der  hervorgehobenen  Eigentümhch- 
keiten,  die  uns  bei  dem  Gebet  vorliegen,  eine  Erklärung,  so  dürfte  sieh 
folgendes  ergeben.    Hier  scheinen  zwei  ganz  verschiedenartige  Gebete 


Ab('n(lp(^l)('t  105 

zusanunongot'losson   zu   sein.     Ziinäclist    ein    N  achtgebe  t.    Eine 
l^cilio  von  Versen  heziehl  sieh  l'raghjs  juil"  eine  vorangegangene  oder 
folgende  Bitte  nm  Schntz  in  der  Naeht;  besonders  aus  (h'r  Anordnung 
bei  Mainionides   und    dem    handschriftüchcn   Sickbir  Saadjas   ergibt 
sieh  das  mit   Khirheit.    Das  Xachtgebet  hätte  dann  mit  dem  eigent- 
lichen Abendgebet  niclits  zu  tun,    es  wäre  eine  spätere  Hinrichtung 
aus  der  Zeit,  wo  das  Abendgebet  sclion  kuiv,  nach  Sonnenuntergang 
verrichtet   und  ein   Xachtgebet  unmittelbar   vor  dem  Schlafengehen 
eingeführt    wurde.     J)er  andere   Teil   (h's  Gebetes  wiederum   erweist 
sich   als   eine   Bitte   mit   m  e  s  s  i  a  n  i  s  c  h  e  m   Aus  1)1  icke;    der 
ganze  Inhalt   von   i:"':"^y  tsJ^i   bezieht   sich   auf  das   Ersciieinen  des 
(Kittesreiches.  Von  diesem  (lesichts|)unkte  aus  begreifen  wir  es.  dal.)  das 
Stück   unabhängig  von  den   voraufgehenden  Hibelversen  bei  Saadja 
auch  am   Eingänge  des  Sabbats  vorgetragen  wurde,  und  daß  in  den 
ältesten  Quellen  über  unser  Gebet  wohl  von  abi""^  "1  Tinn,  aber  nicht 
von  i:'':"'^  "ISJ"!"^  gesprochen  wii'd.    Vielleicht  läßt  sich  die  Einfügung 
einer  Bitte  mit  messianischem  Inhalt   an   so   ungewöhnlicher  Stelle 
folgendermaßen  erklären.    Im  alten  ])alästinischen  Ritus  lautete  die 
Schlußformel  von  irn^Drn,  wie  oben  bemerkt,   crn^  n:i31  "i^::  anr^a 
oder  'bin^"»  b:7i    . . .  irinsn.    Ebenso  berichtet  der  Midrasch  zu  Ps. 
147,  daß  die  Schulkinder  am  Abend  den  Vers  r^MC^  IT^S^  'p"^  i'a 
"rsnri  vortrugen.   Als  mm  aber  in  Babylonien  jene  Eulogie  beseitigt 
und  an  ihre   Stelle   die   neue    i:?'::  'iiL'i  112~  "irTC   gesetzt    wurde, 
sollte  für  das  ausgefallene  messianische  Gebet  ein  Ersatz  geschaffen 
werden.    Einen    solchen    hätten    wir   in    12"':">7  IXT^    zu    erblicken, 
wobei  jedoch  nicht  übersehen  werden  darf,  daß  die  Eschatologie  in 
■":"':t  ^S""»  in  zu  klassischer  Form  erscheint,  um  allzu  spät  entstanden 
zu  sein.   Solange  wir  nicht  alte  Texte,  die  die  beiden  Teile  des  Gebetes 
getrennt  darbieten,  auflinden,  werden  wir  über  derartige  Vermutungen 
nicht  hinauskommen.    In  jedem   Falle  begreift  man  es,   wenn  noch 
Isaak  ibn  Gajjat  (XI.  Jahrhundert)  in  dem  Stücke  irr 7  ii5T'  ein 
fremdes  Element  sah  und  nicht  gestatten  wollte,   das  Gebet  damit 
zu  unterbrechen. 

9.  Auch  auf  die  Tefilla  des  Abends  folgte  in  alter  Zeit  y:r>r. 
Das  ist  eine  Bestätigung  für  die  obige  Erklärung,  daß  "jlinr  das 
Privatgebet  ist,  welches  dem  Gemeindegebet  folgte.  Von  den  baby- 
lonischen Geonim  wurde  es  gestattet,  wenn  auch  nicht  gerade  ge- 
fordert, aber  im  Ritus  des  Exilarchenhauses  und  im  Siddur  Saadjas 


IQQ  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

war  ■(":"-  auch  am  Abend  voi-geschriebeu.  Aus  den  uns  vorliegenden 
Gebetbüchern  ist  es  verschwunden,  aber  Spuren  davon  haben  sich 
doch  hier  und  da  erhalten.  So  bringt  V.  wie  am  Schlüsse  des  Morgen- 
gebetes rn'^p~  zvjs  und  Ber.  1 5,  jedoch  fehlt  dort  der  tägliche 
Psalm,  ihn  finden  wh'  in  It.  und  Seph.,  wenn  auch  am  Anfang  des 
Abendgebetes.  Andere  haben  wiederum  Ps.  83  oder  124  als  Schluß 
nebst  T~r5?3  ■(■'i?  und  r^-jp-  ü'^je.  Alle  genannten  Zutaten  können 
auch  fehlen.  In  den  letzten  Jalu-liunderten  hat  Germ,  ziemlich  will- 
kürlich hinter  "r:"  einige  Psalmen  eingeführt,  meistens  mit  Rücksicht 
auf  das  "li^-ip  für  die  Trauernden. 


<ap.  II.   Der  Gottesdienst  an  ausgezeichneten  Tagen. 

A.  Der  Sabbatgottesdienst. 

§  15.     Eingang  des  Sabbats. 

Literatm-:  Landshutli,  S.  248 ff.;  Bacr,  S.  178 ff.;  Herzfeld,  S.  209: 
U)sentl\al  iu  Graetz,  Gesch.  IV ^  S.  470;  Berliner,  Randb.  I,  43 ff.; 
^Ibog'en,  I.,  Eingang  und  Ausgang  de.s  Sabbats  in  Lewy  Festschr.,  S.  17r{ff. ; 
Vlishcon  A.,  Studies  in  tlie  Liturgy,  II  iu  Jew.  Rev.  I,  358  ff. 

1.  Am  Eingänge  des  Sabbats  fand  in  der  ältesten  Zeit  ebensowenig 
;\ie  an  anderen  Abenden  öffentlicher  Gottesdienst  statt.  Vielmehr 
kvurden  zur  Feier  des  Tages  von  den  religiösen  Genossenschaften  (rniian) 
gemeinsame  festhche  Mahlzeiten  gehalten.  Sie  nahmen  ihren  Anfang, 
^venn  es  noch  heller  Tag  war;  beim  Eintritt  der  Dunkelheit  wurden 
>ie  unterbrochen,  vom  Haupte  der  Tischgesellschaft  wurde  bei  einem 
Becher  Wein  das  Gebet  ziu-  Weihe  des  Tages  am  ni2?l"ip  gesprochen. 
Im  übrigen  verrichtete  ein  jeder  das  übliche  ^achtgebet  für  sich, 
mancher  mit  einer  besonderen  Hinzufügung,  die  auf  den  Sabbat  Bezug 
liatte.  Eine  solche  wu'd  von  R.  Zadok  mitgeteilt  -rribs  '"  Trins''2 
■:':  rr:  fpi^n  -«rn  ':"  rb'amr  iSDbu  ^rbicn-üi  T^r  mr"!  ri?  rnns^r 
ri^-i^n  nrn  ■r-'-p-"  b":-.""  ir-^srn  a'"!  rs«  5«"~  (Tos.  Ber.  HL  7  p. 
6  2-2  ff.)  Erst  vom  Beginne  der  amoräischen  Zeit  an,  und  in  Babylonien 
früher  als  in  Palästina,  wurde  auch  am  Freitag  Abend  Gottesdienst  in 
der  Synagoge  gehalten  und  bei  diesem  nach  Beendigung  des  Ge- 
betes imp^  die  Weilie  des  Tages  gesprochen.  Die  Tendenz  ging 
sogar  dahin,  den  Gottesdienst  länger  auszudehnen  als  an  anderen 
Tagen.  Bei  der  weiten  Entfernung  der  Synagogen  Babyloniens  von 
den  Städten  und  bei  dem  dort  herrschenden  Aberglauben  fürchtete 
man  sich,  in  der  Dunkelheit  allein  oder  in  geringer  Anzahl  in  der 
Synagoge  zu  bleiben.  Viele  gingen  am  Freitag,  solange  die  Zeit  es 
irgend  gestattete,  ilu-er  Arbeit  nach  und  erschienen  erst  spät  beim 
Gottesdienst,  sie  holten  in  stiller  Andacht  das  Gebet  nach.  Um 
sie  nun  nach  Beendigung  des  Gemeindegebetes  nicht  allein   zurück- 


jQg  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

lassen  zu  müssen,  wurde  es  durch  einige  Zusätze  verlängert;  so 
wurde,  um  nur  die  bekannteste  Einrichtung  zu  nennen,  für  den  Eingang 
des  Sabbats  eine  Wiederholung  der  Tefilla  eingefülu-t,  die  sonst  am 
Abend  nicht  üblich  war.  Auf  diese  Weise  ist  der  in  allen  Riten 
gleichartige  Gottesdienst  am  Freitag  Abend  entstanden. 

2.  Ein  dem  Mittelalter  noch  fremdes  Element  leitet  den  Sabbat- 
gottesdienst ein,  rsir  r'':2'p;  es  stammt  aus  dem  kabbalistischen 
Kreise,  der  in  Safed  gegen  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  ebenso  nach- 
haltig wie  verhängnisvoll  auf  das  jüdische  Leben  einwii'kte.  Die  im 
Talmud  mitgeteilte  bildliche  Huldigung  einiger  Lehrer  an  die  „Prin- 
zessin Sabbat"  nrc^n  mir  rj^^pb  i«-^:i  is«n  (b.  Schabb.  119  a)  wurde 
in  jenem  Ki'eise  wörtlich  genommen.  Man  ging  mit  einigen  Ge- 
nossen unter  dem  Zuruf  ,,Auf,  laßt  uns  den  Sabbat  empfangen" 
hinaus  ins  Freie  und  sang  dabei  die  Psalmen  95 — 99,  dann  Ps.  29.  zu- 
letzt ein  Lied  mit  dem  Refrain  "»"l"  "Db  und  dem  Schlüsse  ""i^'n 
55rD"::"a  rniL'  aibir":;  n^D  "^iiil  nbD.  Solcher  ^"i"  nDb  —  Lieder  gab  es 
mehrere,  das  üblich  gewordene  ist  das  von  Salomo  al-Kabbez  ha  Levi 
(um  1540),  das  den  Beifall  Isaak  Lurjas  (1534  bis  72)  fand  und.  mit 
dieser  wertvollen  Empfehlung  ausgestattet,  rasch  in  die  Gemeinden 
eindrang,  wenn  es  auch  an  Widerspruch  dagegen  nicht  gefehlt  hat ; 
Rom.  z.  B.  hat  nichts  von  der  neuen  Einrichtung  übernommen. 
Der  kabbalistische  Brauch,  den  Sabbat  einzuleiten,  der  zum  ersten 
Male  im  ai'^n  mo  des  Mose  ben  Machir,  1599,  besclirieben  ist. 
wurde  nicht  überall  in  gleicher  Weise  ausgefülirt.  Sämtliche  Psalmen 
hat  nur  Germ.;  Seph.  bringt  lediglich  Ps.  29,  It.  gar  keinen.  Allen 
gemeinsam  ist  das  Lied  ■'~"i"i  "Db,  alle  Riten  haben  auch  die  Sitte, 
daß  die  Gemeinde  sich  beim  letzten  Verse  zur  Tür  wendet,  eine 
Erinnerung  an  den  ursprünglichen  Gang  ins  Freie.  "'"'"  rc':^  ist  wohl 
das  jüngste  Stück  im  Siddm-,  es  hat  dm'ch  seinen  dichterischen  Schwung 
—  Joh.  Gottfr.  Herder  und  Heinrich  Heine  haben  es  ins  Deutsche 
übertragen  —  sich  das  Bürgen-echt  errungen.  Eine  Kürzung  erfuhr 
die  Einleitung  zum  Sabbatgottesdienst  durch  die  Reformbewegung, 
indem  die  Zalil  der  Psalmen  meist  auf  einen  oder  zwei  verkürzt  und 
aus  ■'11"  nrb  nur  Eingang,  Mttelstrophe  und  Schluß  beibehalten 
wurden. 

Älter,  jedoch  dem  Ursprünge  nach  nicht  nachweisbar,  sind  Ps.  92 
und  93  am  Eingang  des  Sabbatgottesdienstes;  Maimonides  wu'd  be- 
reits über  ihre  Zidässigkeit  befragt.    Auch  sie  finden  sich  in  allen 


EiiiRiui}^  (It^s  S.il»l);its  1^09 

Riten,  wonn  aiu-h  z.  B.  der  Scliulchaii  Ariich  nocli  von  ilmoii  schweifet. 
Koni,  nnd  Pors.  tuKlon  hieran  noch  eine  Keilie  von  HihelsteMen,  dar- 
unter Ps.  100  und  löO,  vor  Ps.  92  setzt  Koni,  im  Anschkiß  an  I.  Kön. 

'\.  Das  Maarihnehet  ist  seinem  Authau  naeli  das  «jh'ielie  wie  an 
Woeheiitaiicn.  In  hezui»' auf  den  Worlhiul  ist  niaiu-lierlei  zu  hemerken. 
Nach  Amr.  wird  aueli  am  Freitag  Ahend  mit  z^rr  s^-m  begonnen, 
und  so  war  es  in  Spanien  iibheli,  in  Deutsehhuul  lan^^e  Zeit  in  Worms; 
in  Sejih.  hat  sieii  der  spanische  Brauch  niciit  erhalten.  Der  Text  der 
Benediktioneii  vor  und  nach  dem  Schma  enthält  in  lt.  die  alten  jia- 
lästinischen  Einschalt uni^en  in5?ip"'l  "^rinrn  am  1^irr)2  n:D  -riJ 
np  rnr  zu  a^n^r  n^i^-rn,  das  alphabetische  (r'a"'">p)  r-^T:\  ■'r"'3cn 
r'\2i  zu  n:iT2ST  ri:5«.  Bei  Saadja  finden  sich  die  entsprechenden 
Poesien  auch  zu  abi:?  rnns  und  irn^srn.  Amr.  sprach  sich  dagegen 
aus,  daher  fehlen  sie  in  Seph.  und  Germ.  In  "rn^tsrn  lautete  der 
Schluß  einst  wie  an  Wochentagen  177  '"sri  ir"  "^T2Tir,  noch  Abudr. 
kennt  das  als  Brauch  von  Sevilla  und  Toledo,  heute  lautet  er  nach 
dem  Beispiele  der  babylonischen  Akademien  in  allen  Riten  ll'Ö^  ÜTISI 
l^Vrir  PD^D,  und  die  Eulogie  HjI  aibir  PDID  T^ntn.  Die  gleich- 
falls palästinische  Wendung  ]i'^'Z  Dn:i2  wurde  von  den  babylonischen 
Geonim  abgelehnt  und  ist  daher  nirgends  erhalten.  (Vgl.  oben 
S.  101  f.).  Eme  Differenz  besteht  darin,  daß  schon  bei  Saad.,  Rom. 
und  noch  heute  bei  Seph.  i:"i"2  pm  usw.  wegfällt,  während  It. 
und  Germ,  es  beibehalten,  sogar  einschließlich  des  in  der  Provence 
und  in  Frankreich,  daher  auch  bei  V.  fehlenden  Satzes  12rs?2  iTaTri 
'rsi'D".  In  der  suranischen  Hochschule  wurde  sofort  hinter  der  Be- 
nedilvtion  das  Kaddisch  gesprochen  und  zur  Tefilla  übergegangen; 
in  den  anderen  Synagogen  hingegen  wurde  in2Vj^  Ex.  3116-17  hin- 
zugefügt. Saadja  hat  außerdem  S^n  i':z'  nDb)2n  -^j  und  irr"  is<"t> 
nebst  der  Eulogie  m^Dn  ^'"2"  (oben  S.  104).  Nach  Jehuda  ben 
Barsilai  und  Abudr.  war  das  in  Spanien  allgemeiner  Brauch,  nur 
daß  zum  Unterschied  von  den  Wochentagen  statt  irrr  "is^T^  I.  Clu*. 
1631  a"'^c~  Tnrr"!  gesagt  wurde;  w^e  Jehuda  ben  Barsilai  haben 
sich  viele  andere  Autoritäten  dagegen  ausgesprochen.  In  Frankreich, 
Deutschland  und  Italien  wurde  nur  iTari  ohne  weitere  Verse  und 
ohne   Eulogie  verwendet,  wie  es  heute  in  allen  Riten  geschieht. 

4.  Die  Tefilla  für  den  Sabbat  unterscheidet  sich  von  derjenigen 
der  Wochentage  dadurch,  daß  die  mittleren  13  Bitten  fortfallen  und 


IIQ  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

durch  ein  Stück  ersetzt  sind;  sie  ist  ein  Siebengebet  rz-n 
rrr  (r"^^i«n  2rn  rT^'-p  ^'cisii  yn»  bbtr-c . . .  rnr  Tos.  Ber.  III 12, 
p.  710).  Das  mittlere  Stück  heißt  =^^r,  nn-p  (vgl.  R.  ha  Seh.  W,  5). 
später  Di":;p  (Sof.  XIX  7),  es  entspricht  m  semer  Anlage  der  ge- 
samten TefiUa  insofern,  als  es  stets  hymnenartig  beginnt,  zur  Be- 
deutung des  Festes  überleitet  und  sclüießlich  eine  Bitte  um  die  rechte 
religiöse  Weilie  und  um  würdiges  Begehen  des  Tages  vorbringt.  In 
alter  Zeit  dürfte  die  Formel  für  alle  Tefillas  desselben  Festtages  gleich 
gewesen  sein;  an  den  Feiertagen  ist  es  in  allen  Riten  (bis  auf  Musaf) 
noch  heute  so,  und  am  Sabbat  ist  wenigstens  die  Bitte  ^"bs"  irnbs 
i:rm:^n  ~2:"i,  irnns?  in  den  xder  Tefillas  gleich.  Aus  üir  findet 
sich  der  eine  Satz  l^n^m  "rrip  und  die  Eidogie  ritD"  irnpa 
schon  im  Talmud  (b.  Pes.  117  b),  der  vollständige  Text  erscheint  zuerst 
bei  Ami'.,  freilich  mit  dem  in  It.  erhaltenen  Schlüsse  nt"i  fi  ^mz'iTii 
TTaiL"  "i^mi?,  der  an  unsere  Feiertagsformel  anklingt.  Trotz  der  Er- 
wähnung ini  Tahnud  und  ihres  Vorkommens  in  aUen  Riten  ist  es 
zweifelhaft,  ob  die  Bitte  die  älteste  ihrer  Art  ist,  wahrscheinlich  ist 
sie  jünger  als  die  kurze  Bitte  beiAim-.  i:">^s?  r.ri?  ^2  i:b  n:n.  Recht 
alt  ist  sicherlich  die  Einleitung  bei  Amr,  iSTibi?  '"  "rn~5?^l ;  sie  ist 
die  Erweiterung  des  Gebetes  des  R.  Zadok  (S.  oben  S.  106)  und  wd 
auch  bei  Saad.  und  in  It.  verwendet.  In  It."  freilich  und  in  Ms.  0. 
von  Amr.  findet  sich  bereits  l'ct""::  ly^lffi"  aii  rs  mp  r.rs«  da- 
neben, das  sie  schließlich  auch  verdi'ängte.  Die  Verwendung  von 
rt'np  r.ri?  muß  alt  sein,  denn  der  Text  ist  sclilicht  und  erscheint  in 
allen  Riten  in  einer  ganz  seltenen  Übereinstimmung.  Als  Beleg  wird 
am  Sclilusse  von  mp  nrs?  heute  in  allen  Riten  Gen.  2 1  ff.  ibDi"!  an- 
gefülu-t,  Aim-.  Ms.  begmnt  mit  22  :3ii,  was  auch  Ascheri  verzeichnet, 
und  Abudi'.  kennt  sogar  einen  Brauch,  der  nm  Gen.  23  fin"^"]  ver- 
wendet; Pers.  hat  die  ganze  Schöpfungsgescliichte  Gen.  11—23.  In 
Spanien  und  in  der  Provence,  und  so  noch  heute  in  Seph.,  scliloß 
sich  daran  'inDirisn  inTZ'i""'  oder  zum  mindesten  der  letzte  Satz] 
"impi  ns  r"i::n  "i^isriT;  auch  inV.  muß  er  einst  gestanden  haben, 
wenn  auch  vielleicht  an  unrichtiger  Stehe.  Xach  der  Analogie  des 
Gebets  am  Sabbatmorgen  zu  schließen  steht  der  Satz  liier  wahr- 
scheinlich zu  Recht.  Über  die  Bitte   iirnir'cn  ~:l^.  siehe  oben. 

In  den  ersten  und  letzten  Stücken  der  TefiUa  ist  keine  Abweichung 
von  den  Wochentagen,  auch  wo  Einschaltungen  vorkommen,  sind  es^ 
die  gleichen.    Ann-,  verordnet  als  Zusatz  für  alle  Tefillas  mi  ersten 


Eingang  des  Sabbats  Hl 

>tiicko  vor  nnns«n  "cz'  "r-eb  dio  Worte  r-rnr  zn^::::  b^n:-'  r^•2-"^ 
"in^rrb;  auf  Grund  welclier  Üborlieferung,  wissen  wii-  nicht.  Die 
Einschaltung  ist  um  so  auffälliger,  als  sie  bereits  in  früherer  Zeit  in 
3;aonäisclien  Kreisen  zurückgewiesen  worden  war;  mit  Recht  wendet 
!;ich  Jeliuda  hen  Barsilai  gegen  die  an  jener  Stelle  ganz  unangebrachte 
Bitte,  in  keinem  Ritus  ist  eine  Spur  von  ihr  verblieben. 

5.  Auf  die  leise  Tefilla  folgt  nach  einer  amoräischen  Anordnung 
'b.  Schabb.  110  b)  schon  bei  Amr.  ^rr"^^  (Gen.  21— 3),  und  so  ist  es 
luich  geblieben,  obwohl  wu*  es  bereits  innerhalb  der  Tefilla  haben. 
Hieran  schließt  sich  yyo  ']'^y)2  rns?  rom,  der  oben  bereits  erwähnte 
Ersatz  für  die  Wiederholung  der  Tefilla.  Er  ist  eigentümlich  zusammen- 
gesetzt; das  mittlere  Stück  r""3s  ]:iia  bildet  eine  Zusammenfassung 
aller  sieben  Benedili;tionen  —  daher  rükrt  der  Name  und  es  sollte  allein 
ajenügen  —  ihm  geht  aber  der  Anfang  der  Tefilla  und  zwar  in  palästi- 
nischer Fassung  (mit  "j'^Si  ai)2r  ~:p  S.  43)  voran,  ferner  folgt  die 
Bitte  r.rr>T.)22  rri^  ^"^■^  im  vollen  Wortlaut.  Der  Text  ist  in  allen 
Riten  übereinstimmend.  Durch  Vollkaddiscli  wii'd  angezeigt,  daß 
das  Gebet  beendet  ist. 

6.  Einen  Nachtrag  bilden  bereits  bei  Amr.  der  Kiddusch  und 
die  Rezitation  des  zweiten  Kapitels  der  Mischna  Schabb.  '^^'p'C'^z  ~ri 
mit  einem  hagadischen  Absclilusse.  Was  es  mit  dem  Kiddusch  für  eine 
Bew\andtnis  hat.  ist  bereits  oben  berührt.  Er  gehörte  ursprünglich 
zur  Malilzeit,  w^urde  später  in  die  Synagoge  verlegt,  und  dort  finden 
wir  ihn  seit  der  Zeit  der  ersten  babylonischen  Amoräer.  In  Babylonien 
war  die  Sitte  der  gemeinsamen  Mahlzeiten  zu  religiösen  Zwecken  nicht 
verbreitet,  auch  wurde  dort  der  Weinbau  nicht  überall  gepflegt.  Infolge- 
dessen wurde  in  jenen  Gegenden,  in  denen  kein  Wein  zur  Verfügung 
stand,  der  Kiddusch  in  die  Synagoge  verlegt,  und  dort  ist  er  am  Schlüsse 
der  Liturgie  geblieben.  Man  wußte,  daß  er  nur  in  das  Privathaus, 
an  den  Famihentisch  gehörte,  und  entschuldigte  sich  damit,  daß  die 
Synagoge  gleichzeitig  als  Herberge  für  Durchreisende  diente,  die  dort 
ihre  ]\Iahlzeiten  einnahmen.  Mit  der  Zeit  hörte  eine  derartige  Ver- 
«•endung  der  Synagoge  auf,  und  es  wurden  viele  Bedenken  geltend 
gemacht,  ob  dann  der  Brauch,  Kiddusch  in  der  Synagoge  zu  sprechen, 
zu  Recht  bestände.  Dennoch  wagte  niemand  ilm  anzutasten,  ein 
Schulbeispiel  für  die  Tatsache,  daß  religiöse  Gebräuche,  wenn  sie 
einmal  eingewurzelt  sind,  durch  Vernunftgiünde  sich  nicht  leicht 
entfernen  lassen.    Der  Kiddusch  blieb  ein  integrierender  Bestandteil 


]^p2  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

des  Gebetes  am  Eingange  des  Sabbats  und  wurde  einer  der  Höhepunkte 
des  Gottesdienstes,  bei  dem  die  Weihe  und  Feierliclikeit  sich  über  das 
gewöhnhehe  Maß  erhoben.  Keine  Gemeinde,  sie  mag  alte  oder  re- 
formierte Liturgie  haben,  würde  ihn  heute  missen  wollen. 

Der  Text  des  Kiddusch  ist  in  allen  Vorlagen  bis  auf  geringfügige 
Abweichungen  gleich,  ein  Beweis,  daß  er  auf  guter  alter  Überlieferung 
beruht.  In  reformierten  Gebetbüchern  sind  im  Kiddusch  wie  überall 
im  Gebetbuch  bei  der  Erwähnung  der  Erwählung  Israels  die  Worte 
a'^'a^Ti  bs^  gestrichen,  die  aUerneuesten  sind  wieder  zum  überüeferten 
Texte  zurückgekehrt. 

Die  Einführung  von  ■i'^p"'"~~'a  rran  geschah,  um  im  Interesse  der 
spät  in  der  Synagoge  Erschienenen  die  Gemeinde  möglichst  lange 
zusanmienzuhalten ;  es  wurde  gerade  dieses  Kapitel  gewählt,  weil  es 
auf  Freitag  Abend  Bezug  hat.  Bei  Amr.  und  in  mittelalterlichen  Kodi- 
fikatoren  steht  es  ganz  am  Ende,  m  V.  und  danach  in  Germ,  vor 
Kiddusch,  in  Spanien  jedoch  verlegte  man  —  wegen  des  Sclilusses  — 
die  Rezitation  des  Stückes  vor  das  Maaribgebet,  dort  steht  es  noch 
heute  m  Seph.,  daraus  ist  es  in  It.  und  Rom.  übernommen.  In  manchen 
Gememden  wurde  es  sogar  vor  Mincha  rezitiert.  Nur  wenn  ein  Feiertag 
auf  Sabbat  fäUt,  oder  während  der  Festwoche  wh'd  es  weggelassen. 
Neuerdings  whd  es  nicht  nm*  in  aUen.  Synagogen  mit  reformierter, 
sondern  auch  vielfach  in  solchen  mit  alter  Liturgie  weggelassen.  Nach 
•\:-Öy  (s.  oben  S.  80)  wü-d  in  It.  bir,  in  Deutschland  Zibiy  ^lim  ge- 
sungen und  damit  der  Gottesdienst  geschlossen.  Pers.  scliließt  auch 
das  Abendgebet  mit  "iITibsz  "i^i«.  Was  sonst  noch  in  den  Gebet- 
büchern an  dieser  Stelle  steht,  stammt  aus  den  kabbalistischen  "^2^^^ 
rit'  und  ist  auch  dort  für  die  häusliche  Feier  bestimmt. 

§.  16.     Das  Morgengebet  am  Sabbat. 

Literatur:  Landshuth,  S.  277 ff.;  Baer,  S.  206 ff. 

1.  Der  Morgengottesdienst  besteht  aus  den  gleichen  Teilen  wie 
an  Wochentagen  (§  6).  Den  imrn  n:D"Q  sind  schon  bei  Amr.. 
wie  in  allen  späteren  Gebetbüchern,  die  Verse  über  das  Sabbatopfer 
Num.  289,  10  beigefügt,  während  Saadja  sich  dagegen  aussprach.  Die 
Zahl  der  Semirot  ist,  ebenfalls  schon  bei  Aim*.,  stark  vermehrt;  eüiiges 
in  der  Werktagsliturgie  stammt  aus  dem  Sabbatgebet  (s.  oben  S.  So) 
Amr.  hat  nach  den  Versen  i7i2  '"  usw.  Ps.  100, 136,  I.  Chr.  16  8—36. 


I 


Morpengebot  des  Sabbats  HS 

Ps.  19,  dann  Kiiizclvcisc,  die  ulk'  don  (lottcsiiaiiu'ii  culhullcn,  —  d'n', 
imnsten  sind  identisdi  mit  den  Versen  hinter  iTarn  isnp  nb  imn 
(ob,  S.  84)  — ,  Ps.  135,  dann  nT2S?r  T^n,  Ps.  92  und  93,  mns  ^n^  usw. 
wie  oben  S.  85.  So  findet  man  sie  heute  nocli  in  lt.  Dazu  kamen 
später  noch  Ps.  33,  .34,  90,  91,  in  Sepli.  überdies  Ps.  95,  V2\  bis  124. 
Auch  die  Reiiienfolge  wurde  etwas  geändert.  Strittig  war  Ps.  100. 
In  Italien,  Spanien  und  der  Provence  wurde  er  nur  an  Sabbaten, 
nicht  an  Wochentagen  eingefügt ;  in  Nordfranivreich  und  in  Deutschhmd 
hingegen  hielt  man  es  umgekehrt,  dieser  Brauch  ist  in  Germ,  und 
Sepli.  beibehalten.  Daß  das  Schilfmeerlied  urs])rünglicli  nur  zu  den 
Sabbat  —  Semirot  gehörte,  wurde  bereits  bemerkt  (oben  S.  86).  Rom. 
hat  weit  mehr  Psalmen  als  alle  anderen  Riten  und  für  sie  eine  be- 
sondere Benediktion  (oben  S.  83). 

Wie  die  Semirot  am  Sabbat  vermehrt  sind,  so  ist  auch  ihr  Ab- 
schluß ausführlicher  als  an  Wochentagen.  Alle  Riten  verwenden 
Hierzu  den  Hymnus  "in  "rs  r'a'C:,  der  durch  seinen  im  ganzen  und 
großen  in  allen  Riten  übereinstimmenden  Wortlaut  und  durch  seine 
>chöne  poetische  Sprache  sich  als  alt  erweist.  Der  Anfang  wird  auch 
jereits  im  Talmud  erwähnt ;  R.  Jochanan  versteht  darunter  b.  Pes.  1 18  a 
las  in  der  Mischna  daselbst  zum  Abschluß  des  Hallel  verordnete 
iTn  PDin.  Derselbe  R.  Jochanan  zitiert  auch  beim  Gebet  um 
Regen  einen  ganzen  Satz,  der  ims  in  r^z:  vorliegt  (n"iT  ifi^iz  "^^E  ":bs5 
3'^D  b.  Ber.  59  b).  Ebenso  führt  sein  älterer  Zeitgenosse  Bar  Kappara 
n  einem  Dankgebete  Sätze  an,  die  sich  auch  in  unserm  Gebete  finden 
j.  Ber.  I  8,  f.  3  d)  l^n  :3  r^^DP  Y-.  Im  Mittelalter  war  (in  Frank- 
'eicli  und  Deutsclüand)  die  Legende  weit  verbreitet,  daß  Vüt:  den 
\postel  Petrus  zum  Verfasser  habe,  Raschi  wies  mit  aller  Entschieden- 
leit  eine  solche  Annahme  ab.  Eine  andere  verbreitete  Annahme  nannte 
len  Verfasser  pn::i  und  stellte  am  Schlüsse  die  Sätze  rbnrr  ^•'■^Tr'^  "^sn 
isw.  derart  untereinander,  daß  sie  den  Namen  als  Akrostichon  ergaben, 
ähnliche  Vermutungen,  die  an  nnriL""^  anknüpfen,  sind  o])en  (S.  86) 
'rwälint;  sie  sind  sämthch  wertlos,  in  der  frühen  Zeit,  aus  der  rizTl 
itammt,  haben  die  Verfasser  ilire  Namen  noch  nicht  akrostichisch 
uigedeutet.  Ob  sich  riac;  unversehrt  erhalten  hat,  kann  bezweifelt 
.Verden;  stellenweise  ist  die  Häufung  der  synonymen  Epitheta  so  groß, 
laß  spätere  Überarbeitung  vorzuliegen  scheint.  Unleugbar  ist  die 
Üinlichkeit  mit  der  Schlußbenediktion  nach  bbn,  dem  im  Talmud 
Pes.  das.)  ebenfalls  angefülu-ten  l^bbn^,  das  einmal  sogar  eine  ähnhche 

El  bogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  ö 


-j^;j^4  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Wortfülle  darbietet.  Die  Ansicht  des  R.  Samuel  ben  Meir  im  Talmud- 
Kommentar,  daß  r^r:  nur  eine  Hinzufügung  zu  dem  vorher  er- 
wähnten 'ii'^brp  sein  soll,  hat  daher  ^^el  für  sich.  Den  Sclüuß  von 
ncr:  mit  der  Eidogie  bildet  das  alltäglich  übliche  nnrir^. 

2.  Die  zum  Sclima  gehörigen  Stücke  (§  7)  gleichen  denen  der 
Werktage;  nur  das  erste  ist  in  allen  Riten  beträchtlich  erweitert. 
Es  besteht  aus  di-ei  Teilen  1.  im^  :=-,  2.  z^rrrr.  'd  z"  ]"IS  rs,  3.  :i«b 
rlTC  "iTDS.  Der  Anfang  "m''  bori  ist  zunächst  eine  Poesie  mit  dem 
Stichwort  bDn,  dem  letzten  Worte  des  voraufgegangenen  "nii  -^"^; 
es  ninmit  dann  7^s?b  "^'SJrn  bis  ^:~"3  IjTiz  auf  und  schüeßt  mit 
dem  nach  Art  des  Mdrasch  ausgeführten  T3i"D  "i^s«  oder,  wie  es  in 
It.,  Rom.  und  Seph.  heißt,  lb  ^1^7  TS'.  —  2.  r"!^  "-i^  ist  eine  Be- 
arbeitung des  wochentägigen  Alphabets  nn  '^:^"  "i^n  bsJ  in  der 
Weise,  daß  hier  auf  jeden  Buchstaben  statt  eines  Wortes  ein  ganzer 
Satz  kommt.  3.  rnr  -^irs?  bi^b  ist  eine  palästinische  (?)  Poesie,  der 
einzige  auf  uns  gekommene  Rest  einer  einst  für  alle  Tage  der  Woche 
durchgeführten  Gattung.  Das  waren  Hymnen,  in  denen  das  Schöpfungs- 
werk der  einzelnen  Tage  verherrUcht  wird,  die  Tage  treten  selbst 
auf  und  preisen  den  Schöpfer  mit  den  Worten  des  für  jeden  einzelnen 
bestiimnten  Psalms  (b.  R.  ha  Seh.  31  a).  Wenn  im  Mttelalter  "Ca«  ""Sb 
rnr"  mi  Xamen  des  Gaons  ^'atronai  zitiert  .^\ird,  so  mag  er  wohl 
der  älteste  Autor  sein,  der  des  Stückes  Erwähnung  tut,  der  Verfasser 
muß  einige  Jahrhunderte  früher  gelebt  haben.  Wahrscheinhch  sind 
alle  derartigen  Zusätze  gegen  Ende  der  talniudischen  Epoche  verfaßt. 
kaum  später,  da  sie  von  sämthchen  Riten  übernommen  wurden. 
In  den  aus  der  Genisa  stammenden  Fragmenten  sind  sie  nicht 
immer  zu  treffen;  auch  Saad.  kennt  sie  nicht,  rnc  ■^ITS  rsb  teilt 
er  nur  als  Brauch  einzelner  mit.  In  Spanien  hat  Jehuda  ben  Barsilai 
sich  mit  Entscliiedenheit  gegen  eine  solche  ., irrige",  unbegründete 
und  haltlose  Änderung  des  täglichen  Gebets  wie  diu-ch  Einschiebung 
von  """T'  b2~  ausgesprochen;  fi'eilich  ohne  Erfolg,  nur  aus  Toledo 
wird  berichtet,  daß  rnw  TCSi  bsib  dort  weggelassen  wurde. 

3.  Die  Tefilla  ist  am  Sabbatmorgen  genau  so  wie  am  Abend 
zusammengesetzt,  ohne  Zweifel  —  und  die  Analogie  der  Festtage 
bestätigt  es  —  hatte  sie  einst  auch  den  gleichen  AVortlaut.  Daß  die 
Einschaltungen  geändert  wm-den,  findet  seine  natürliche  Erklärung 
darin,  daß  der  Sabbat  so  viel  häufiger  ^^^ederkehrt  als  die  Feiertage, 
und    daß  die    allwöchentlich   viermalige  Wiederholung  des  gleichen 


Morgen-,  Musafgcbet  dos  Sabbats  115 

Textes  zu  ointöiiii;"  war.  In  allen  Riten  wird  am  Sabbat inorj^en  n)2C"i 
~r'52  verwendet,  überall  mit  dem  frloichen  Texte.  Xucli  seinem  Tenor 
würde  als  bestätigender  Abseliluü  der  Dekalog  zu  erwarten  sein; 
in  allen  bekannten  Texten  von  Amr.  an  steht  (wahrscheinlich  da 
dieses  Zitat  zu  lang  war)  dafür  rnirn  rs?  bsiTT-'  "»rn  i-i73Tn,  Ex.  31 1<;.  17. 
Der  Anfang  von  Tr"2":"cn  ^maC"»,  das  jetzt  folgen  müßte,  ist  zu  sibi 
irr:  erweitert.  Maimonides  hat  abweichend  von  allen  Riten  diesen 
Zusatz  zu  Musaf,  Abudr.  erwähnt  ihn  gar  nicht.  Der  Text  hat  mit 
Rücksicht  auf  mögliche  Mißdeutungen  mannigfache  Änderungen  er- 
fahren; ein  Genisafragment  liest  inm:ian  aai  3^^i:\  imri  stb  ibsm 
2"^bn7  ISDC^  i?"::,  wodurch  der  Parallclismus  gut  hergestellt  wird.  Das 
ganze  Stück  beruht  wahrscheinlich  auf  einem  Midrasch.  Infolge  der 
Erweiterung  ist  von  'zb^in  'msr-i  nur  der  zweite  Teil  T^mr -^r-pr  ar' 
stehen  geblieben,  Seph.  hat  trotz  ir,n3  sibi  das  ganze  "in^TC"»,  Rom., 
obwohl  ^rr:  ^^b"  fehlt,  nur  den  letzten  Satz  2'i'a"'  rTJsn. 

Über  die  Keduscha  vgl.  §  9  a,  S.  64  ff. 

Auf  das  Morgengebet  folgt  die  Vorlesung  aus  der  heiligen  Schrift; 
vgl.  darüber  und  über  die  zugehörigen  Gebete  vom  Ausheben  bis  zum 
Einheben  der  Tora  §§  25,  26  und  §  30. 


§  17.     Das  Musafgebet. 

Literatur:  Laudshuth.  S.  315  t!".;  Baer,  S.  235  flf.;  Herzfeld.  S.  205  ff.  ; 
ffoseutlial  in  Grätz,  Gesch.,  IV 3,  S.  471  f. 

1.  "^EC'cr!  rbsr,  rc"c,  Musaf  bedeutet  Zusatz,  und  zwar 
sowohl  Zusatzgebet,  d.  h.  ein  über  das  jeden  Tag  übliche  hinausgehende 
Gebet,  wie  auch  Zusatzopfer.  Bekannt  ist  das  Musafgebet  im  Zu- 
sammenhange mit  dem  jMusafopfer,  und  es  wii'd  allgemein  als  ein 
Ersatz  dafür  angesehen.  Aber  die  ältesten  Quellen  kennen  ein  Musaf- 
gebet auch  ohne  Opfer.  Von  den  Maamadot  (§  34)  wü'd  berichtet, 
daß  sie  an  jedem  Wochentage  viermal  Gottesdienst  hielten,  eines 
ihrer  Gebete  hieß  Musaf  rcTa  (vgl.  Taan.  IVl.  4).  Vielleicht 
geht  hierauf  auch  der  Satz  des  R.  Eleasar  ben  Asarja  zurück,  rbsr  "iis? 
"|i7  inns  a«bs?  -iiEO-cn  (Ber.  IV  7),  wonach  die  Institution  des 
^lusafgebetes  mit  dem  Vorhandensein  eines  kommunalen,  d.  h.  am 
Maamad  beteiügten  Verbandes  verknüpft  ist.  Demnach  hätte  das 
Musafgebet  mit  dem  Musafopfer  ursprünglich  nichts  zu  tun.  Alle 
anderen  Nachrichten,  die  wir  besitzen,  kennen  allerdings  das  Musaf- 


116 


Beschreibung  des  Gottesdienstes 


gebet  nur  an  solchen  Tagen,  an  denen  ein  Musaf  o  p  f  e  r  (vgl.  Num. 
28,  29)  dargebracht  whd.  Die  älteste  Erwähnung  finden  wü-  bei  den 
Tannaiten  des  I.  Jahrhunderts.  (Tos.  Ber.  III,  3,  p.  525,  vgl.  III,  10  f., 
p.  74  ff.,  Tos.  Sukka  IV,  5,  p.  19816).  Die  Zeit  des  Musafgebets  war 
zwischen  Schacharis  und  Mincha. 

2.  Was  das  Musaf  am  Sabbat  anlangt,  so  wird  aus  der  Tempel- 
liturgie  berichtet,  daß  das  Lied  Mosis  Dt.  32  dabei  vorgetragen  wurde; 
das  Lied  war  auf  sechs  Wochen  verteilt,  nach  deren  Ablauf  es  von 
neuem  begonnen  wm'de  (b.  R.  ha  Seh.  31  a). 

Der  Text  der  Musaf  t  e  f  i  1 1  a  am  Sabbat  dürfte  ursprünglich 
genau  derselbe  gewesen  sein  wie  der  der  übrigen  Tefillas.  Erst  zu 
Beginn  der  amoräischen  Zeit  wm'de  er  geändert  und  mit  emer  Er- 
wähnung des  Musaf  o  p  f  e  r  s  versehen,  nn  ~n  irirc  "Tin::  ins«  n"i 

s^'i  qoiü  t^"^P^  3^"^  ^T^'on  ir^nmn  (j.  Ber.  IV,  6f.8c.). 
Ein  ganz  ähnlicher  Satz  wie  der  zuletzt  erwähnte  findet  sich  noch 
heute  in  allen  Musafgebeten.  So  abrupt  blieb  die  Ei"v\^ähnung  des 
Opfers  nicht  lange.  Sie  erhielt  walu'scheinlich  bald  eine  Einleitung, 
deren  Inhalt  durch  den  Zielpunkt  vorgeschrieben  war,  eine  Bitte  um 
Wiederherstellung  Israels  und  des  Opferdienstes.  Das  ist  das  allen 
Riten  gemeinsame  Stück  i:bynri  ']i:Bb'a  'iiirn  in"'.  Ihm  geht  außer- 
dem ein  anderes  kurzes  Stück  voraus,  das  sicherlich  einst  ebenfalls 
als  Einleitung  gedient  hat  und  nicht  die  Bitte  um  Erfüllung  der  escha- 
tologischen  Hoffnungen,  sondern  den  historischen  Bericht  über  die 
Einsetzung  des  Sabbats  und  seines  Opfers  zum  Inhalt  gehabt  hat.  In 
Seph.  (beiMaim.  und  Abudi".)  lautet  es  in  sehr  einfacher  Diktion  nr'o':; 
pnp  nn  n^ipnb  irrii::  nm  nTüTTi  -nni  mir  rii'a  ^rc  in  br  r^is 
1TS1D  mir  roi^.  In  den  anderen  Riten  steht  dafür  die  schwierigere 
Fassung  n'^msnip  fni^  nnÄ  r:pn.  Das  Stück  ist  so  angelegt,  daß 
die  Worte  mit  den  Buchstaben  des  Alphabets  in  umgekehrter  Reilien- 
folge  (p'nrr)  anfangen,  auf  T§?  folgen  (gemäß  den  Scldußbuchstaben 
T£^:^)  in  guten  Vorlagen  noch  "iiiinn  nibrs  "^rr  it.::::  irc^ ;  freilich 
sind  die  letzten  drei  Worte  nur  in  alten  Quellen  zu  finden,  aus  den 
Gebetbüchern  sind  sie  geschwunden.  Noch  eine  Abweichung  der  alten 
Texte  muß  erwähnt  werden;  statt  rnirn  ST^  rc""2  heißt  es  bei  Amr., 
V.,  Maim.  und  Rom.  nin  m:ian  ni"'  CjCir,  und  das  dürfte  der  ur- 


Mii.sal-,   Miiicliagtltcl  tlt'ö  Sabltals  117 

sprün}:;liflit'  Ausdruck  sein.  Nicht  uiUTwälint  darf  bleiben,  daü  in 
Gonisat'iafi;nuMilen  uebeii  den  beiden  erwäliuteii  noch  eine  andere 
\vei(scliweiti}z;ere  Kinleilung  vorkommt.  In  allen  reformierten  Ge- 
betbüchern ist  der  p;anze  Passus  beseitigt  uiul  durch  einen  auf 
die  Sabbat  r  u  h  e  bezüglicluMi  ersetzt. 

Zur  Erwähnung  des  Musal'upfers  gehört  die  Rezitation  der 
biblisclien  Opfervorschrift  Num.  28 ü.  K».  Von  der  Erlaubnis  des 
Talmuds,  die  Opferverse  fortzidassen,  scheint  nur  Maini.  (lebrauch 
zu  machen.  Auf  die  Schriftverse  folgen  in  allen  Riten  'Tn3b'?2n  "inrr"^ 
und  ^:nm:^n  n::n,  Rom.  läßt  m'^ir^  fort,  Maimonides  hat  hier  sbi 
irr:  und  nur  den  Schluß  von  in^sir^  {-^y^^W  TipTa  a:?).  Die  letzten 
Benedikt ionen  der  Tefilla  sind  die  üblichen,  auch  zu  ]\Iusaf  wird  in  der 
vorletzten  der  P  r  i  e  s  t  e  r  s  e  g  c  n  rezitiert. 

3.  Auf  die  Musaftefilla  folgt  bei  Arar.  nichts,  in  den  anderen  Riten 
irnrs?2  T»!?.  In  Sepli.  (nach  Manh.  auch  in  Frankreich)  vorher  je  ein 
Kapitel  der  ]\üschna  mit  agadischem  Abschluß,  nachher  "»m  i5:r 
■"n-ibs?  wie  an  Wochentagen  (vgl.  §  10,  S.  80).  In  It.  und  Germ.  aii2S 
r^'^pr^  und  i:^b:7,  in  It.  dann  noch  bi!*-'  und  nm:^  -jr:  ^irs«  n  Tinn; 
in  Germ.  Ps.  92,  vorher  aber  in  sehr  vielen  Gemeinden  "nnsn  i^tD,  in 
wenigen,  meist  polnischen,  auch  rn:  i"imrn  aT^n  ts?  aus  nnnin  T^ir 
(vgl.  über  beide  §  1012). 

In  den  modernen  Gebetbüchern  folgt  auf  die  Tefilla  nur  i:in"::s?D  rs« 
und  t::'. 

§  18.    Das  Minchagebet. 

Literatur:  Laudshuth,  S.  33^  ff.;  Baer,  S.  259 fF. 

1.  Vom  Minchagebet  am  Sabbat-Nachmittag  wissen  wir  aus  der 
Zeit  des  Tempels,  daß  ein  besonderer  Gesang  "iiic  dafür  bestimmt 
war;  das  Schilf meerlied,  das  in  zwei  Teile  geteilt  war,  Ex.  151—10, 
11—18,  und  das  Brunnenlied  Num.  2117—18  wurden  im  dreiwöchent- 
lichen Zyklus  abwechselnd  vorgetragen.  Schon  damals  wurde  der 
Sabbat  mit  belehrenden  Vorträgen  ausgefüllt;  im  Anschluß  an  sie 
fand  um  die  Mittagsstunde  das  ]\linchagebet  statt.  In  späteren  Jahr- 
hunderten wurden  die  Vorträge  und  das  Gebet  auf  den  Nachmittag 
verlegt,  m  manchen  Gegenden  sogar  bis  zur  Dunkellieit  ausgedehnt. 
Eine  Erinnerung  an  den  einstigen  Zusammenhang  zwischen  der  Volks- 
belehrung und  dem  Minchagebet  ist  in  der  Liturgie  verblieben.  Auf 
den  an  den  Wochentagen  üblichen  Beginn  von  Mincha  (§  13)  folgt 


\l^  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

■jT^i:'::  S3"!,  jene  Komposition,  die  stets  zum  Abschluß  eines  Studien- 
vortrages diente  (§  10,  S.79).  Im  Talmud  wird  von  Prophetenvorlesungen 
beim  Minchagebet  am  Sabbat  gesprochen  (b.  Schabb.  24  b),  und  solche 
haben  sich  in  Persien  zum  mindesten  bis  ins  XL  Jahrhundert  er- 
halten (§  26),  aus  Nehardea  wd  berichtet,  daß  in  amoräischer  Zeit 
dort  Vorlesungen  aus  den  Hagiographen  stattfanden  (das.  115  b). 
Der  Gaon  Natronai  kannte  die  Einrichtungen  nicht  melir  aus  eigener 
Anschauung,  aber  er  wußte  von  älteren  gaonäischen  Quellen,  laut 
denen  am  Sabbat-Nachmittag  vor  IVIincha  aus  Sidra  und  Haftara 
in  beliebiger  Auswahl  vorgetragen  wurde;  am  Schlüsse  las  der  Vor- 
beter den  letzten  Vers  der  Sidra,  den  die  Gemeinde  wiederholte,  und 
fulu'  dann  mit  TUlIp  nrill,  d.  h.  ')1"i1£:j  s?D"i  mit  Ausnahme  der  beiden 
ersten  Verse,  fort.  Derselbe  Brauch  hat  sich  in  der  alten  portugiesischen 
Synagoge  in  London  bis  heute  erhalten.  In  It.  und  Rom.  beginnt 
Mincha  mit  einer  Reihe  von  Versen  mit  messianischem  Ausblick,  wie 
Jes.  5813—14,  527,  Sech.  99,  Mal.  31,  23,  24  usw.;  im  ganzen  sind  es 
10  Verse,  genau  so  viele,  wie  nach  den  Bescheiden  der  Geonim  vor- 
gelesen werden  sollen.  Walu'scheinlich  liegt  hier  eine  Erinnerung  an 
die  Vorträge  der  alten  Zeit  vor. 

Auf  ]T^b  5?m  folgt  Kaddisch  und  Ps.  6914  -^rbtr.  ^:^'.  In 
Amr.  fehlt  der  Vers  noch,  erst  Ms.  0.  brmgt  ihn.  Die  älteste  bekannte 
Quelle  dafür  dürfte  Raschi  sein,  dessen  erbauhche  Erklärung  dazu 
in  die  Schriften  der  Dezisoren  übergegangen  ist.  Eine  einleuchtende 
historische  Begründung  ist  nicht  bekannt,  die  befi'iedigendste  ist, 
daß  mit  "iisrn  ry  auf  das  Minchagebet  angespielt  wird.  In  Itaüen 
wurde  der  Vers  dreimal,  in  Spanien,  und  so  noch  heute  in  Seph.,  zweimal 
gesprochen;  später  hat  man  in  It.  die  Wiederholung  weggelassen, 
dafür  aber  als  Responsion  Ps.  86  10  eingeführt. 

Über  die  Toravorlesung  und  die  einstmalige  Hagiographen-  und 
Prophetenvorlesung  vgl.  §§  25,  26,  27. 

2.  In  der  Tefilla  liest  Amr.  als  mittleres  Stück  nrs?  ^d  i:"::  n:r, 
irns,  das  sich  auch  in  Genisafragmenten  findet.  Als  Variante  wii'd 
schon  in  diesen  alten  Quellen  IHi«  nri?  angeführt,  das  allgemein 
üblich  geworden  ist,  freilich  enthält  es  in  handschriftlichen  Ritu- 
alien den  Zusatz  i^  Tin^;m  iDb^  ">:s  ib  r.i^i^  Ten  "in^"  ~r"cl: 
nr"~Tr)  nm:'a,  der  das  so  sehr  auffällige  npy^  ]:i^  pn}:-»  bji  ^rms 
in  im:i  Tirni  wenigstens  einigermaßen  verständlich  macht.  Gemein- 
sam ist  beiden  Fassungen  der  Schluß  nn'ir  nnr.s  rn'Z'c  usw..  der 


4 


]\Iiiicliaf,'ebet  dos  Sabbats  119 

l)is  auf  Koin.,  das  solir  km/,  ist,  in  allen  Hitcii  gleich  lautet,  aber  in 
den  llandselirit'ten  vorseliiedene  \'aiianten  aufweist,  wie  sie  hei  einer 
solchen  Verwendiins  von  Synonymen  nieht  vorwnnderlk-li  sind;  die 
Ausdrncksweisc  gelit  wahrscluMnlicli  an!'  einen  Midrasch  zurück.  Es 
l'olpjt  "ürn-ürs  m-  S"^5<  bis  zum  Knde  der  Tefilla;  Rom.  setzt  vorher 
die  drei  Worte  PTS^in  -zi'n'::  nDT.  die  ein  Überrest  von  imsri 
7nrbT22   zu  sein  scheinen. 

3.  Hieran  schließen  sicli  schon  bei  Amr.  die  Psalmverse  119142, 
71 19,  367;  in  Sei)h.  (Abudr.  will  das  so^ar  schon  bei  Amr.  und  Saad. 
gelesen  haben)  ist  die  Keihent'olge  umgekehrt,  entsprechend  den 
Psalmstellen,  so  war  sie  im  Mittelalter  auch  in  Frankreich  und  der 
Provence  üblich.  Der  Brauch,  die  Verse  hier  einzufügen,  ist  sicher 
recht  alt ;  als  Begi-ündung  dafür  wurde  in  gaonäischer  Zeit  angegeben, 
daß  am  Sabbat-Xachmittag  Moses  gestorben  ist  und  daß  darum,  wie 
bei  Trauerfällen,  die  Gerechtigkeit  Gottes  gepriesen  werde  {'C~iT^  p^"^^)- 
Aus  demselben  Grunde,  so  wird  berichtet,  wurde  am  Sabbat -Nach- 
mittag der  Traktat  Abot  (einschließlich  des  apokryphen  VI.  Kapitels) 
gelesen,  wobei  freilich  nicht  ersichtlich  ist,  ob  jedesmal  der  ganze  Traktat 
oder  jede  Woche  nur  ein  Kapitel.  Die  bei  Amr.  gleichfalls  angefiihrten 
Ka])itel  1  und  III  aus  Derech  Erez  Suta  werden  weder  durch  die 
Handschriften  noch  durch  irgend  einen  Ritus  bestätigt.  Daß  die  vor- 
gebrachte Begründung  nicht  stichhaltig  ist,  wiu'de  bereits  im  Mittel- 
alter oft  genug  eingewendet,  für  uns  ist  die  zum  Ersatz  gebotene  vom 
Stillstande  der  Höllenpein  am  Sabbat  und  ihrer  Erneuerung  am  Aus- 
gange des  Ruhetages  nicht  weniger  unbefriedigend.  Einleuchtend  ist 
allein  der  schon  in  V.  gegebene  Grund,  daß  der  ethische  Inhalt  von 
Abot  für  seine  Aufnahme  in  das  Gebetbuch  maßgebend  war.  Der 
Sabbat  war  von  altersher  ein  Tag  religiöser  Belehrung.  Als  der  lebendige 
Vortrag  aufhörte,  wurde  an  die  Stelle  des  gesprochenen  das  geschrie- 
bene Wort  gesetzt,  der  Traktat  Abot  mit  seiner  FüUe  von  ethischen 
Aussprüchen  eignete  sich  besonders  als  Lesestoff.  So  erklärt  es  sich, 
daß  er  für  den  Sabbat-Nachmittag  zum  Lesen  gewälüt  wurde.  Nicht 
überall  geschah  dies  das  ganze  Jahr  über  ohne  L^nterschied,  die 
Bräuche  waren  da  sein:  verschieden.  Meist  ist  es  üblich  geworden,  den 
ganzen  Sommer  hindurch  je  ein  Kapitel  zu  lesen,  in  manchen  Gegenden 
nur  an  den  sechs  Sabbaten  zwischen  Pesach  und  Schabuot.  Auch 
darin  hat  der  Brauch  gewechselt,  daß  es  vielfach  vor  Mmclia  gelesen 
wird.    Jedes  Kapitel  von  Abot  whd  durch  die  Mischna  Sanh.  X  1 


]^20  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

("::i?iir"'  b^)  eingeleitet  und  durch  Makk.  Ende  gesclüossen.  Für  den 
Winter  sind  in  Genn.  (XIV.  Jahrhundert,  V.  kennt  es  nicht)  Ps.  104 
und  120  bis  134  üblich  geworden;  in  Seph.  Ps.  119  bis  134  und  Ps. 
901,  die  ebenfalls  wegen  ihres  erhebenden  Inhalts  gewälilt  wurden. 
In  Seph.  werden  sowohl  Abot  wie  die  Psahnen  vor  Mincha  gelesen, 
nachher  nur  Ps.  111. 

§  19.     Sabbatausgang. 

Litern tiu-:     Landslmth,  S.  384  ff. ;    Baer,  S.  295  ff.;    Elbogen,  Ein- 
gang luid  Ausgang,  das. 

1.  Der  Ausgang  des  Sabbats  mc  ^i?2:Ta  (i^rnir  '-^piti/i  b.  Pes. 
105  b;  j.  Taan.  16,  64  c)  wurde  in  ältester  Zeit  ebenfalls  durch  eine 
Malilzeit  der  Genossenschaften  (oben  S.  107)  gefeiert;  nach  Eintritt 
der  Nacht  wurde  Licht  gebracht,  ferner,  wie  nach  jeder  Mahlzeit, 
angezündete  Spezereien  ("i'ar^l'a  Ber.  VI  6)  aufgetragen  und  dar- 
über je  ein  Segensspruch  gesprochen;  mit  dem  Tischgebet  wurde  ein 
Segen  über  den  scheidenden  Sabbat,  die  Habdala  übinn,  vereint. 
Die  Habdala  war  eine  sehr  alte  Einrichtung  und  wm'de  ebenso  wie 
Kiddusch  auf  die  Männer  der  großen  Versammlung  zurückgeführt. 
Derselbe  Segen  wurde  (spätestens  im  II.  Tannaitengesclüecht)  auch 
in  die  Tefilla,  die  der  einzelne  sprach,  eingeschaltet.  Die  Mahlzeiten 
kamen  späterhin  außer  Übung,  ja  es  bildete  sich  die  Anschauung,  daß 
jede  Aufnahme  von  Speise  und  Trank  in  der  Dunkelstunde  unstatthaft 
wäre.  Im  XII.  Jaln'hundert  wird  die  im  Talmud  nicht  zu  findende 
Begründung  dafür  angefülu-t,  daß  man  die  Toten,  die  um  diese  Zeit 
ilu-en  Durst  stülen,  schädigte.  Es  bestand  die  seltsame  Vorstellung, 
daß  die  Seelen  der  Abgeschiedenen,  die  den  ganzen  Sabbat  über  Ruhe 
vom  Gericht  haben,  und  auch  am  Sabbatausgange  noch  ^■'"ncnC  "" 
2'i72"::iTr,d.  h.  bis  nach  Beendigung  des  Gottesdienstes  bezw.  der  damit 
zusammenhängenden  Studien,  feiern,  sich  zur  Dämmerungsstunde 
wieder  zur  Rückkehr  ins  Geliinnom  rüsten.  Dasselbe  Ziel  wird  als 
Frist  angegeben,  bis  zu  der  die  Frauen  gut  tun,  sich  der  Arbeit  zu 
enthalten.  Daraus,  daß  der  Schluß  des  Gottesdienstes  als  Zeitbestim- 
mung gilt,  darf  geschlossen  werden,  daß  die  Liturgie  für  den  Sabbat- 
ausgang ziemhch  umfangreich  war;  abgesehen  davon,  daß  es  als  ver- 
diensthch  galt,  die  Beendigung  des  Ruhetages  soweit  väe  möglich 
hinauszuschieben,  suchte  man  auch  den  Gottesdienst  auszudehnen. 
Die  Gebete  sollten    in    feierücher  melodischer  Weise  langsam  vor- 


Ausgang  dos  Sabbats  121 

getragen  werden.  Zu  dein  ühüelien  Abendgebete  traten  Lehrvorträge, 
von  denen  jode  S|)iir  ;iiis  den  Kitualien  gesehwunden  ist;  aber  eine 
Erinnerung  daran  ist  in  der  X'~c~  nr^ip  verbheben.  Auch  der  Aus- 
(hucU  a">'eb"nr  a-^mc-r  -"  weist  auf  sie  hin  und  die  Handschrift 
().  vonAinr.  beriehtot  ausdrücklieh  "m  -n  :d  "^CTO  "iSints«  1:3  '^zri 
T'-",2  ^.^i?'  2^.  "^n  '::  -n  T-rs?  a-ij^p  'nTD:-  ]-^^.-c:>  121  "^rn"  z^sd 
'IDT  ^^^n3b  irs^inc  's«  Tnn  inbiD  1271,  daß  also  hier  ganz  so  wie  an 
jedem  Morgen  Lehrvorträge  stattfanden. 

VieUeielit  schloß  sich  auch  eine  Schriftvorlesung  an.  von  der 
in  den  l'salnien,  die  aUe  Riten  heute  dem  Abendgebete  vorausschicken, 
ein  Rest  erhalten  blieb. 

2.  Obwohl  es  sich  im  Mittelalter  nirgends  nachweisen  läßt,  stimmen 
alle  Riten  darüi  überein,  daß  sie  dem  Abendgebete  Rs.  144  und  G7 
vorangehen  lassen.  Während  Germ,  sich  im  allgememen  mit  den  beiden 
begnügt,  werden  in  Westdeutschland  bisweilen  noch  Psalmen  hinzu- 
gefügt, hl  Seph.  75.  Das  Gebet  selbst  ist  das  gleiche  wie  an  den  W^ochen- 
tagen;  nur  Saadjas  Siddur  hat  in  den  Benediktionen  vor  und  nach 
dem  Schma  jene  alten  palästinischen  Einschaltungen  '"'2  'ri~ni2n  bi« 
b"nb  rip  für  zi^:i^'j  niirisn,  2^-b  ^b  r'^.^n'^  rbinn  -rr^s  für  nrps 
und  ■':b"'";nn  n^s^ix  -tcx  ~:ii25?t  r'cs?,  die  Natronai  und  Ann*,  be- 
kämpften. In  der  Tefilla  wird  in  IV.  vor  die  Bitte  die  Habdala 
eingeschaltet,  die  nicht  lediglich  den  Scheidegruß,  sondern  auch  die 
Bitte  um  P>rnhaltung  von  sittlicher  Gefalu*  enthält.  Der  Text  ist  in 
lt.  und  Seph.  derselbe  wie  beiAmr.,  rb~3~  nrs  und  T:rb";i""r  ^rz, 
in  Seph.  allerdings  etwas  erweitert.  Ganz  abweichend  ist  der  Wortlaut 
in  Germ.  Er  knüpft  in  der  Einleitung  an  ■;:in  nrs  an,  ":r:;"n  "rs, 
fälu't  mit  b-nri  fort  imd  entlehnt  die  Bitte  irbr  bn-  dem  Talmud 
j.  Ber.  V  2  g.  E.  (9  c)  a^i^nn  nr::^-  ^^"^  nnr  Bitten  rs?  -rb"  bnr. 
s^brb  7:ri5ipb,  der  Zusatz  'in  5«i;n  bsr  s^rTirn  berührt  sich  mit 
der  Fassung  in  Anu'.  Die  do})pelte  Einleitung  in  Germ,  und  Seph. 
"r:rn  -rs  neben  irn  nri«  blieb,  trotzdem  maßgebende  Autoritäten 
dagegen  protestierten,  dennoch  stehen. 

3.  Auf  die  Tefilla  folgt  schon  bei  Aim*.  Ps.  91.  der  im  Talmud 
=-i-jS  bc  ^^TL"  genannt  ist;  in  V.  heißt  er  ro^n  b"i"  •^r.iz-^'c,  der 
letzteren  Auffassung  des  Psalmes  ist  es  zuzusclu-eiben,  wenn  schon 
mit  2r:  ■'H'^i  Ps.  90  17  begonnen  Anrd.  Daran  schließt  sich  die  -r"-p 
s^'iC";,  ganz  wie  zu  Mincha,  nur  daß  die  ersten  Verse  diesmal  fort- 
l)leiben  und  sofort  mit  r^-p  -rsJiPs.  224  begonnen  wird  (oben  S.  118), 


]^22  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Fällt  eines  der  großen  Feste  auf  einen  Tag  der  beginnenden  Woche, 
so  ^Yerden  beide  Stücke  fortgelassen,  nur  in  Seph.  wird  trotzdem  nri«: 
rnp  beibehalten.  In  Seph.  ist  damit  die  Liturgie  beendet,  in  It.. 
Rom.  und  Germ,  (schon  in  V.)  sclüießt  noch  T-  '^r^i  (Gen.  27  28—29) 
an,  eine  Sammlung  von  Bibelversen,  die  Glück  und  Segen  bedeuten, 
wobei  die  Segensformeln  des  Pentateuchs  fast  vollzäliMg  vertreten  sind. 
Eine  feste  Gruppe  bilden  darin  die  fbiE  n^Tiö  irblU  niDlsn  icblT 
nriblU,  die  im  Talmud  zur  Beruhigung  eines  durch  einen  Traum  Ge- 
ängstigten verordnet  und  hier  mit  übernommen  sind  (b.  Ber.  55  b).  Im 
einzelnen  sind  zwischen  It.  und  Germ,  mannigfache  Abweichungen, 
in  Westdeutschland  werden  einige  Stücke  weggelassen,  die  im  Osten 
üblich  sind,  die  Tendenz  ist  überall  die,  glückverheißende  Bibel- 
stellen zu  vereinen.  Ebenso  ist  allen  gemeinsam  der  Abschluß  durch 
die  Hagada  von  b.  Ber.  Ende  Dbl27n  Dibir  a^nn^  a-^iaDn  ^i^iabr. 

4.  Es  folgt  die  Habdala,  die  aus  je  einem  Segensspruche  über 
Wein,  Gewürz,  Licht  und  aus  den  ,, Unterscheidungen"  besteht.  Daß 
dieses,  wie  besonders  das  Gewürz  beweist,  ursprünglich  zur  Tafel 
gehörige  Gebet  in  die  Synagoge  geriet,  erklärt  sich  aus  dem  Aufhören 
der  alten  Tischordnung  und  dem  Mangel  an  Wein  in  gewissen  Gegenden 
Babyloniens  (vgl.  oben  S.  120).  In  Seph.  und  It.  werden  den  Benedik- 
tionen eine  Anzahl  Bibelstellen  mit  der  Bitte  um  Segen  in  der  beginnenden 
Woche  vorausgeschickt,  in  Seph.  sogar  außerdem  ein  Teil  des  Piut 
i^'^D^n  in'i::s«.  In  Germ.,  so  schon  in  V.,  sind  sämtliche  Stücke  nur 
für  die  häusliche  Andacht  bestimmt.  Dort  war  ihre  Häufung  un- 
beschränkt, freüich  auch  die  Annahme  in  das  Belieben  eines  jeden 
gestellt;  bei  der  Häufung  von  Gebeten  zum  Eingange  der  Woche  hat 
vielfach  der  Aberglaube  stark  mitgesprochen.  Im  allgemeinen  ging 
die  Absicht  dahin,  möglichst  \äel  Segen  für  die  Ai'beit  der  kommenden 
Woche  zu  erflehen. 

B.  Wochentage  mit  festlichem  Charakter. 
§  20.    Die  Neumondstage. 

Literatur:    Landshuth,  S.  411  ff.;  Baer,  S.  319 ff.;  Abeles.  der  kleiue 
Versöhuung-stag',  1911. 

1.  Unter  den  ausgezeichneten  Tagen  ist  derjenige,  der  am  häu- 
figsten im  Jahre  wiederkelu-t,  der  Neumondstag  ir-nn  rsn  i'oviurjria- 
Er  spielt  bereits  in  der  Bibel  eine  große  Rolle  als  Tag  festlicher  Feier, 


I 


Neumondstage  123 

als  Ta^-  der  Arl)('ils('iiistclliiii«i.  als  Tag  gottcsdionstliclier  Versamm- 
lun^vn  iiiul  piopiu'tisclici-  nclchiiiiiticii.  In  iiaclihihlischor  Zeit  hat  der 
rWnmiüiKlstaf;'  seinen  IVstüelieii  Cliaiakter  eiiigebiUit,  er  ward  in  die 
Reihe  der  Halbfeste  versetzt,  das  Arbeitsverbot  wurde  aufgehoben. 
]y\Q  Festsetzung  des  lieginnes  eines  iumumi  Monates  bildete  eine  der  wich- 
tigsten Funktionen  des  Synedriums,  eines  seiner  bedeutsamsten 
Hoheitsrechte.  Die  Bezeichnung  dafür  war  TTinn  irnp,  Hei- 
ligung, Weihe  des  Neumondes,  eine  Erinnerung  an  die  Weihe  der 
biblischen  Zeil.  ln\  Tr.  Sofrim  XIX.  9  ist  ein  alter  Bericht  über  eine 
solche  feierliche  Sitzung  zur  Hestiinnumg  des  neuen  Monates  erhallen, 
im  Anschluß  an  sie  fand  ein  festliches  Mahl  mit  einem  besonderen, 
weihevollen  Tischgebet  statt.  Kachdem  der  feste  Kalender  einge- 
führt war,  nach  360,  gaben  die  Zentralbehörden  am  Jahresbeginn  die 
^^^chtigsten  Zeichen  kurz  bekannt,  nach  denen  alle  Kundigen  den 
Kalender  mit  Leichtigkeit  herzustellen  vermochten.  In  den  Syna- 
gogen wurde  am  Sabbat,  nach  der  Sciuiftvorlesung,  der  in  der  Woche 
bevorstehende  Beginn  des  neuen  Monates  verkündet  t"-nn  rr^^Dia. 
Die  Verkündigung  ist  in  sämtlichen  Gebetbüchern  zu  finden.  Die 
älteste  Formel  dafür  bringt  Rom.  r^ariab  i^Drrn  inn  i^)2'J  :d  :^pn 
l^nr^  ^'\rn  iic^-p  5?mn  ):nn  "inia  i^tj-i  n^D  i^-in  sm^  ir^ip  :p 

rnirs  ^DD;  sie  erinnert  an  die  alte  Zeit,  wo  die  Behörden  des  heiligen 
Landes  in  aramäischer  Sprache  den  Gemeinden  die  Mitteilung  vom 
Beginn  des  Monats  zukommen  lassen  mußten.  Etwas  modifiziert 
und  bereits  in  hebräischer  Sprache  lautet  der  Satz  in  It.  Titj  ^3 
=171^  rniffi  r.in  mpn  bnpr-i  "»m  T-^nsrr  DiiniD-an  nrr^nn 
. .  aiii . .  ar  1 : 1  n  n  -1  ■;  ^  n  tr  n  n  . .  t'nn  r s^,  i:"::  r ^ir  zT^rpi  a-^bi-: 
Auch  hier  erscheint  die  Mitteilung  als  das  natüi-hch  gegebene  Mittel, 
in  einer  an  Kalendern  armen  Zeit  genaue  Kenntnis  vom  Monatsbeginne 
und  vom  Eintreffen  der  Feste  zu  machen.  Der  Xcumondsverkün- 
digung  wurde,  wie  jeder  frohen  Botschaft,  eine  Bitte  imi  einen  glück- 
"lichen  Verlauf  des  Monats  beigefügt,  ü:^"iDb  nirnaj'^  s^ob^T  s:bT2 
rs^r-»  --»n  n^t:"  bsb^  i?:b  sn-j  lautet  sie  in  Rom.  Daraus  wurde 
später  die  in  Germ,  und  Scph.  übliche  ausführüchere  und  stilisierte 
Bitte  "incnni,  die  dort  der  kurzen  Verkündigungsformel  . .  inn  TTSn 
....  ai^n  nini  folgt.  In  allen  Riten  (außer  Rom.)  geht  der  Xeumonds- 
verkündigimg  eine  Bitte  eschatologischen  Inhaltes  voran,  ~"i"rr  "T2 
"'STnäii:  a"ic:,  deren  Fortsetzung  im  einzelnen  zalih'eiche  Varianten, 


124  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

aber  stets  den  gleichen  Sinn  hat;  Rom.  hat  eine  Bitte  um  Wieder- 
herstellung des  Tempels,  wenn  der  Xeumondstag  auf  den  Sabbat 
fällt.  Die  Gedankenverbindung  scheint  die  gewesen  zu  sein,  daß  im 
Anschlüsse  an  die  Xeumondsverkündigung  über  das  Aufhören  des 
Mittelpunktes,  von  dem  sie  einst  ausging,  geklagt  und  um  Wieder- 
herstellung der  alten  Verhältnisse  gebetet  wm-de.  Davon  ist  heute 
ein  Rest,  in  dem  melnr  oder  minder  ausfülu'üch  um  Herbeifühi'ung 
der  Erlösungszeit  gebetet  wird,  gebheben.  An  die  Bitte  um  die  künf- 
tige Erlösung  wurde  in  It.  und  Seph.  mißverständlich  das  Gebet  für 
die  Befreiung  der  Glaubensbrüder  aus  gegenwärtiger  Bedrängnis 
'-.ir-i  io^:s?i  bs^iffii  irns?  gesetzt,  das  viele  Gemeinden  an  jedem 
Sabbat  sprachen. 

Soweit  die  ältere  Form  der  Xeumondsverkündigung,  der  Seph. 
und  Germ,  in  neuerer  Zeit  noch  mehr  Gebete  vorausschicken;  Germ. 
—  seit  etwa  150  Jahren  —  die  von  Rab  seinem  täghchen  Gebete 
angehängte  Techinna  b.  Ber.  16  b.  die  in  die  Pluralform  umgesetzt 
und  deren  iVnfang  dem  Zwecke  entsprechend  geändert  ist,  "i""^"'.  TT' 
riD^ab:  n2"j'::  "t"  tt"""  rs  t'::"  "~nrr  iiisbis;  Seph.  diejenigen 
Bitten  "iisi  irp,  die  in  It.  und  Germ,  am  Montag  und  Donnerstag  nach 
der  Toravorlesung  gesprochen  werden. 

Die  ursprüngliche  Bestimmung  der  Neumohdsverkündigung,  einen 
Ersatz  für  die  fehlenden  Kalender  zu  bieten,  trat  mit  der  Zeit  in  den 
Hintergrund,  man  sah  in  den  angegliederten  Bitten  die  Hauptsache, 
änderte  infolgedessen  auch  die  Bezeichnung  "iii^-Z'C  in  nnn  "i^z^l^ 
mit  der  Verdeutschung  „Rausch  chaudesch  benschen",  wofür  m 
neuester  Zeit  ,, Neumondsweihe"  getreten  ist. 

2.  Seit  dem  Ende  des  XVI.  Jahrhunderts  hat  sich,  und  zwar 
zuerst  in  Palästuia,  die  Sitte  gebildet,  am  Tage  vor  dem  Xeumondstage 
zu  fasten;  man  nannte  den  Fasttag  den  kleinen  Versöhnungstag 
"Jp  ^"£2  2"i  und  verfaßte  eine  eigene  Liturgie  für  ihn,  die  aus  den 
Bußgebeten  für  den  Versöhnungstag  zusammengestellt  ist.  An- 
deutungen, die  für  ein  solches  Fasten  geltend  gemacht  werden  konnten,-^ 
fanden  sich  bereits  in  der  Literatur  der  vorangegangenen  Jahrhunderte, 
ja  sogar  im  biblischen  Opfer  für  den  Xeumondstag.  Verbreitet  wurde 
das  Fasten  aber  erst  durch  den  von  Isaak  Lurja  beemflußten  kabba 
listischen  Ki-eis,  Moses  Kordovero  hat  es  nach  Italien  verpflanzt, 
von  dort  kam  es  nach  den  nördlichen  Ländern;  ganz  fest  hatte  sich 
dieses  Fasten  nie   eingebürgert,  es  ist  in  der  Neuzeit  meist  wieder 


I 
{ 


Neumondstago  125 

in  Ver<j;cssenhoit    geraten,    ('her    die   hierbei    üblichen   Seliehot    vgl. 
unten  §  33, 

3.  Am  Vorabend  des  Neumondes  zu  Mineha  und  ebenso  am  Neu- 
mond selbst  fällt  l^:nr  (S.  78),  wenn  er  ein  Sabbat  ist,  pns  ^^p^2 
(S.  119)  fort.  Im  übrigen  nntersclieidet  sieh  das  fleljet  nur  wenig  von 
dem  der  Wochentage.  Jn  die  Tefilla  wird  innerhalb  des  XVI 1.  Stückes 
hinter  n::^  seit  den  Tagen  der  ersten  Tannaiten  r—'Srn  l^rr,  d.  li. 
ein  auf  den  festlichen  (Charakter  des  Tages  bezügliches  Stück  einge- 
schaltet, die  Amortäer  nannten  das  "Cnn  1CS"I  btü  iiDTn.  Der  Anfang 
sn"!"!  nry  wird  Sof.  XIX,  11  zitiert;  damit  muß  das  uns  geläufige 
Stück  gemeint  sein,  denn  es  ist  seit  Amr.  bis  auf  unwesentliche  Va- 
rianten in  allen  Riten  gleichlautend.  In  Pal.  findet  sich  eine  Formel, 
die  gegenüber  der  bekannten  im  Wortlaut  vielfach  erweitert  ist. 

4.  Nach  dem  Schacharisgebet  werden  am  Xeumondslage  die 
Hallelpsalmen  (113  bis  118),  "'^"^^n  Vrn,  gesprochen,  und  zwar  mit 
Auslassung  i^ib^  des  Anfanges  (Vs.  1  bis  11)  von  115  und  116.  Das 
Hallel  am  Xeumondstage  ist  den  tannaitischen  Quellen  unbekannt. 
Es  war  in  manchen  Teilen  Babyloniens  üblich,  dort  fand  es  Rab  zu 
seinem  Erstaunen  vor;  da  ihm  die  eigentümliche  Art  der  Rezitation 
den  Eindruck  eines  alt  eingewurzelten  Brauches  machte,  billigte  er 
sie,  und  so  wurde  das  Hallel  in  der  vei'kürzten  Form  für  den  Neu- 
mondstag eingefülut.  Das  Hallel  wh'd  durch  eine  besondere  Bene- 
diktion 'ibnn  rm  i^^'pb  eingeleitet  und  durch  eine  andere,  T^cn  rD"Q, 
abgeschlossen.  Als  solche  dient  in  allen  Riten  das  Stück  libbni, 
schon  im  Talmud  (b.  Pes.  118  a)  erwähnt,  das  in  It.  einen  sehr  ein- 
fachen Text  hat,  in  Germ,  und  Seph.  durch  eine  Häufung  von  Syn- 
onymen erweitert  ist,  während  in  Amr.  und  Rom.  \der  kurze  Reime, 
T^^  "'""^-"^  ""SD  T'^cin  Ti-n-»  "ficrar  Tinrnri  T^rr'c  iibb-'^  vom  letzten 
Psalmvers  begleitet  sind.  ADgemein  verbreitet  ist  die  Eulogie  ^"la 
nnnrrn  bbin'a.   Über  die  hierauf  folgende  Toravorlesvmg  vgl.  §  25. 

5.  Die  Neumondstage  haben,  zumindest  seit  den  Tagen  Hillels, 
ein  Musafgebet,  das  in  gleicher  Weise  wie  das  der  Sabbate  aufgebaut 
ist.  In  Pal.  scheint  die  Musaftefilla  dieselbe  Fassung  gehabt  zu 
haben  wie  die  der  Feste.  In  j.  Ber.  IX,  2  (13  d)  wird  die  Frage  er- 
örtert, ob  i:i<^ir"i  (§  28)  zu  sagen  ist,  und  als  Eulogie  nnia  Tnn 
a'icnn  mitgeteilt;  in  handschriftlichen  Fragmenten  lautet  die  Ein- 
leitung wie  die  für  die  Festtage  r-'nn  nrs  (§  23),  Uns  liegt  in  allen 
Riten  eine  jüngere  Formel  vor.    Sie  enthält,  ähnlich  der  Musaftefilla 


J26  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

für  Sabbat,  1.  eine  Einleitung,  die  an  den  Charakter  des  Opfers  (Num. 
2815)  nnd  des  Festes  (Xum.  109, 10)  als  Sühne  anknüpft,  2.  die  Bitte 
um  Wiederherstellung  des  Opferdienstes  unter  Anführung  der  Verse 
Num.  2811—15;  endlich  3.  die  Bitte  um  Segen  im  neuen  Monat  inn 
-TH  ir^inn  ri«  irbr  mit  der  Eulogie  s^TT-n  ^Ti^xm  ba«^:ir^  Trip)2. 

Fällt  der  Neumondstag  auf  den  Sabbat,  so  bleiben  alle  Ein- 
schaltungen und  Weglassungen  die  gleichen.  In  der  Musaftefilla 
lautet  die  Einleitung  rn::i  nrs?,  in  ausführlicherer  Fassung  als  an 
Wochentagen  und  in  feierlicher  gehobener  Sprache,  die  mehr  an  die 
erwähnte  Formel  in  Pal.  ermnert.  Beim  Opfer  wh'd  vor  DD'i'C-n  i'irs^'^m 
auch  Num.  289, 10,  dahinter  insbisn  imar^  rezitiert,  die  Eu- 
logie lautet  n5i  mr^i  r^irn  r-ip^.  Der  Text  der  Musaftefilla 
ist  seit  Amr.  bis  auf  die  unvermeidhchen  kleinen  Abweichungen  überall 
gleich,  was  auf  ein  hohes  Alter  scliließen  läßt.  In  den  neueren  Gebet- 
büchern ist  er  wie  bei  allen  Musaftefillas  dahin  geändert  worden, 
daß  die  Erwähnung  des  Opfers  beseitigt  wurde.  Damit  fiel  auch  die 
alte  Anschauung,  wonach  der  Neumondstag  ein  Sühnfest  ist. 

6.  Der  Neumondstag  hat  seit  alter  Zeit  seinen  eigenen  Psalm; 
welcher  Psalm  damit  gemeint  ist,  sagt  die  Überlieferung  nicht,  Ge- 
bräuclilich  ist  Ps.  104.  Die  älteste  Quelle,  die  ihn  nennt,  ist  Orch. 
Ch.  I,  69  c,  §  2;  Rom.  hat,  wie  bei  allen  Gelegenheiten,  auch  hier  mehr 
Psalmen  (93,  96,  137  usw.). 

§  21.     Fasttage. 

Literatur:  Duschak,  S.  310ff.;  J.  Levi,  Notices  sur  les  jeuues  chez 
les  Israelites  in  REJ  XXX VH,  123  ff. 

1.  Am  „Fasttage  der  Gemeinde"  "nn::  r'^ljn  vr^avEia  erfährt 
die  Liturgie  gewisse  Veränderungen.  Solche  Fasttage  wurden  in  alter 
Zeit  bei  öffentlichen  Kalamitäten  eingesetzt  (vgl.  I.  Kön.  219;  Joel 
114,  215),  namentlich  bei  häufig  wiederkelu'enden  wie  Regenmangel 
a">x;ira  n^syn  (vgl.  Taan.  I,  III).  Für  solche  Fasten  gab  es  ein  beson- 
deres Zeremoniell  mit  eigener  Liturgie  (Taan.  II).  In  Babylonien 
hatten  die  Anordnungen  über  diese  Fasten  keine  Geltung  (b.  Taan. 
11  b  bnnn  mn::  r.i:"n  "jis?),  und  mit  dem  Aufhören  der  jüdischen 
Autoritäten  tu  Palästina  (um  350)  kamen  sie  ganz  außer  Übung,  den- 
noch wurde  die  Liturgie  der  Fasten  bei  gi'oßen  Notständen  noch  im 
Jahre  1000  verwendet.  —  Neben  den  von  FaU  zu  Fall  eingesetzten 
gab  es    historische    Fasttage  zur  Erinnerung  an  unglückliche 


f 


•  jiNfumondstage,  Fasltago  127 

Kieignisse  in  der  Goscliiclitc  dos  jüdischen  Volkes.  Auch  von  ihnen 
sind  die  meisten  außer  lM)ung  f>;ekoniinen,  obwohl  Meg.  Taan. 
(Schlußkapitel)  sie  als  „von  der  Tora  geboten"  liinstellt.  (Jebliehen 
sind  die  vier  biblischen  Fasttage  (Sech.  81'.)):  17.  Tanimus,  9.  .\b, 
3.  Tischri,  10.  Tebet.  und  hinzugekommen  ist  der  13.  Adar,  weshalb  von 
fünf,  oder,  je  nachdem  man  dem  9.  Ab  und  3.  Tischri  eine  besondere 
Stelle  einräumt,  von  vier  Fasttagen  geredet  wird,  für  die  auch  eigene 
Gebetbücher  {r^'^iyr  [t.]  'T  nc)  vorhanden  sind.  Dazu  traten 
ferner  in  Deutschland  (kaum  vor  1250)  die  Fasten  nach  den  Pesach- 
und  Snkkotfesttagen  an  einem  Montag,  Donnerstag,  Montag  (n"ra 
=  ■^;c  icrn  -^IZ),  am  Anfang  der  Monate  Ijar  und  Marcheschwan. 
für  die  aus  Ps.  211,  Job  15  eine  Begifmdung  hergeleitet  wurde,  wahr- 
scheinlich aber  wurden  sie  im  Zusammenhang  mit  den  trüben  Zeiten 
der  Verfolgungen  emgerichtet.  In  einzelnen  Gegenden  und  Ge- 
meinden haben  ferner  Vertreibungen  oder  Judcnmetzeleien  lokale 
Fasttage  veranlaßt,  die  in  der  Liturgie  ganz  wie  die  anderen  ge- 
nannten behandelt  w^erden. 

2.  Auch  die  Fasttage  wurden  in  Spanien  und  Frankreich  wie  die 
^'eumonde  am  Sabbat  vorher  beim  Gottesdienst  angekündigt;  in 
miseren  Gegenden  ist  nur  von  den  Fasttagen  nach  den  Festen  in  der 
Synagoge  Mitteilung  gemacht  worden  und  zwar  in  Form  eines  be- 
sonderen Segens  für  diejenigen,  die  sie  halten.  In  den  neuen  Gebet- 
büchern wu'd  auf  das  Eintreffen  eines  der  „fünf  Fasttage"  zusammen 
mit  der  Neumondsverkündigung  hingewiesen,  die  anderen  werden 
nicht  mein-  beachtet.  Die  Liturgie  des  Fasttages  selbst  wird  durch 
die  Einschaltung  von  Gebeten  verändert.  In  die  Tefilla  wird  das  Stück 
'Z'^zy  (r^r^r  br  ,s5r-i:"n  s^r-b::)  eingeschaltet;  vgl.  darül)er  oben S.  48. 

3.  Bei  der  Wiederholung  der  Tefilla  fügt  der  Vorbeter,  zum 
mindesten  seit  der  gaonäischen  Zeit,  im  IV.  Stück  Bußgebete  nn-ibo 
ein.  Fasten  ermnern  an  Kalamitäten,  und  diese  sind  nach  der  An- 
schauung des  Altertums  und  Mittelalters  durch  Sündenschuld  hervor- 
gerufen, daher  wird  am  Fasttage  die  Bitte  um  Sündenvergebung 
ervveitert.  Schon  bei  den  alten  Fasten  w'ar  gelegentlich  des  Gottes- 
dienstes eine  Erweiterung  der  Tefilla  vorgeschrieben.  Im  Anschlüsse 
an  die  Bitte  um  Sündenvergebung  (IV)  wurden  sechs  bezw.  sieben 
Gebete  eingeschaltet,  zumeist  Psalmen  oder  andere  Bibelstellen,  die 
von  öffentlichen  Notständen  handeln;  sie  finden  in  einer  Bitte  in  der 
Form  zzrs  rr."^  i«"~  . . .  b  -:~ir  ^t2   und   einer  Eulogie  iliren  Ab- 


228  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Schluß.  ]\'och  bis  zum  Jalire  1000  wurden  im  Orient  wegen  Regen- 
mangels Fasten  angesagt,  an  den  Morgengottesdienst  ein  Gebet  an- 
gegliedert, das  im  Rahmen  der  alten  Liturgie  Bitten  um  Abwendung 
des  T^otstandes  häufte.  Neben  längeren  Bibelstellen  wurden  frei 
komponierte  Gebete  oder  Poesien  aufgenommen.  Nach  den  Angaben 
der  Quellen  hatte  das  Gebet  einen  solchen  Umfang,  daß  es  beinahe 
den  ganzen  Tag  ausgefüllt  haben  muß.  An  den  historischen  Fast- 
tagen jedoch  kam  die  erwähnte  Liturgie  nicht  zur  Verwendung,  viel- 
melir  wurde  die  übliche  Tefilla  beibehalten  und  nur  in  der  Mitte  der 
sechsten  Bitte  dm'ch  die  Einschaltung  der  Selichot  unterbrochen.  Über 
die  Einrichtung  der  Selichot,  die  nicht  zu  den  Stammgebeten  gehören, 
wird  unten  §  33  zu  sprechen  sein ;  hier  soll  nur  bemerkt  werden,  daß 
die  „13  Eigenschaften"  (Ex.  34  6,  7)  den  immer  wiederkehrenden 
Refrain  derselben  bilden.  Nach  Beendigung  der  Selichot  wü'd  mit 
einem  niu-  bei  dieser  Gelegenheit  gebräuchlichen  Übergange  ^jy^  bsT 
(S.  48)  zur  Tefilla  zurückgekehrt.  It.  und  Rom.  haben  an  den  bibli- 
schen Fasttagen  außerdem  Kerobot,  die  in  alle  Benediktionen  der 
Tefilla  eingeschaltet  werden  (§  32). 

Am  Fasttage  wii'd  endlich  am  Morgen  und  Nachmittag  aus  der 
Tora,  nachmittags  sogar  auch  aus  den  Propheten  gelesen,  vgl.  darüber 
§  25  und  26.  Zu  Mincha  wm"de  an  Fasttagen  abweichend  von  der 
sonstigen  Gepflogenheit  der  Priestersegen  gesprochen;  daher  auch 
im  letzten  Stücke  der  Tefilla  selbst  in  Germ,  r^br  r:*»!!',  und  dort, 
wo  man  es  an  anderen  Tagen  fortüeß,  wurde  XVII.  mit  ~::i  be- 
gonnen. Für  den  dritten  Tischri  ergeben  sich  einige  weitere  Ände- 
rungen durch  seine  Zugehörigkeit  zu  den  zehn  Bußtagen;  vgl.  dar- 
über §  24. 

4.  Eine  besondere  Stelle  nimmt  unter  den  Fasttagen  der  neunte 
Ab  ein,  an  üim  sind  die  Eingi'iffe  in  die  Liturgie  bedeutender,  weü 
der  Tag  als  Trauertag  gut.  M.  Sofrün  und  Amr.  schreiben  Trauer- 
gebräuche, wie  beim  Tode  der  nächsten  Angehörigen,  vor,  die  sich 
teilweise  bis  in  die  Gegenwart  erhalten  haben.  In  der  Liturgie  machte 
sich  der  gleiche  Gesichtspunkt  geltend;  eine  Betrachtung  der  Quellen 
lehrt,  daß  aus  dieser  Anschauung  heraus  mit  dem  Fortsclireiten  der 
Jahrhunderte  immer  mehr  Änderungen  vorgenommen  wurden.  Sofrim 
kennt  besondere  Gebete  für  den  Tag  überhaupt  nicht,  am  Abend 
werden  einige  Bibelstellen  Jer.  1419—22,  Ps.  79  und  137  vorgetragen, 
Rom.  hat  das  beibehalten  und  Ps.  74  beigefügt.   Bei  Amr.  kommt  als 


Faslfn^o,   nounfcr  Ali  129 

Al)W('i('hun2f  nur  die  Einschalt iini;  von  am  in  das  Stück  XIV  der 
'IVfilla  (oben  S.  53)  vor,  die  für  alle  drcü  Gebete  des  Tages  vorge- 
sehen ist.  Der  Text  stimmt  mit  j.  Taan.  1!  ((30  c)  überein.  nur  ist  vor 
dem  Schlüsse  noeh  eine  Bitte  n^^T  yiüi'a  ns^pm  nnE773  S"";  r.-": 
2*1^3  y^TT  r::T  bn:z"  Z'br  Ti;:  rpbr  ~"j:  eingcfüni.  und  die  ganze 
Fassung  ist  in  lt.  und  Koni,  ebenso  eriialten.  Schon  im  Ms.  S.  von 
Anir.  steht  die  auch  in  Germ,  und  Seph.  übergegangene,  wahrscheinlich 
babylonische  Fassung  mit .  an:  an  der  Spitze.  Die  Eulogic  lautet 
heute  allgemein  wie  bei  Amr.  a^'^TTin^  n:i2l  ]-\^'l  an:72,  im  Mittelalter 
waren  verschiedene  Fassungen  mit  "i"i"»S  "'bnx  im  Umlauf.  Jn  ganz 
Frankreich  (vielleicht  auch  in  Spanien?)  war  im  Mittelalter  im  Abend- 
und  Morgengebet  an",  nur  zu  Mincha  an:  üblich,  so  daß  die  beiden 
Formeln  Berücksichtigung  fanden;  späterliin  hat  das  nur  liom.  bei- 
behalten, in  Germ,  und  Seph.  wurde  lediglich  zu  Mincha  an:  gesagt, 
lt.  allein  hat  ann  in  allen  drei  Tefillas. 

Im  idjrigen  ist  nach  Amr.  die  Liturgie  dieselbe  wie  an  allen  Fast- 
tagen (s.  oben  S.  127);  in  der  X^-C"  nrnp  wird  der  Satz  rST  ^:si 
"irr^ii  (Jes.  5921),  ebenso,  wenn  der  neunte  Ab  auf  Sabbatausgang 
fällt,  Ps.  91  ff.  (oben  S.  121)  fortgelassen.  Am  Abend  erwähnt  Amr. 
auch  die  Vorlesung  der  biblischen  Klagelieder.  In  Sofrira  ist  der  Brauch 
noch  schwankend,  ob  sie  am  Morgen  oder  am  Abend  gelesen  werden. 
Auf  die  Vorlesung  der  Klagelieder  folgt,  wie  das  nach  allen  Vor- 
lesungen üblich  war,  die  S""i~D~  "ii'np  (S.  79). 

Dabei  blieb  es  nicht :  M.  Sofrim  berichtet,  daß  am  Abend  1D"Q,  ferner 
bis  zu  Mincha  mnnp  und  cnp  ausfielen,  was  nirgends  übernommen 
ist.  Früh  wurde  eingeführt,  daß  am  neunten  Ab  selbst  und  am  Vor- 
abend i"":nr  ausfiel,  und  das  ist  allgemein  beibehalten  worden.  Von 
Rom  aus  wurde  angeregt,  das  Schilfmeerlied  wegfallen  zu  lassen, 
und  das  scheint  im  Mittelalter  allgemein  befolgt  worden  zu  sein,  es 
wurde  aber  später,  außer  in  lt.,  wieder  aufgenommen;  in  Rom.  wurde 
das  Lied  Moses  Dt.  32  dafür  gesetzt.  Ebenso  ließ  man  andere  Stellen, 
wie  Ps..  1(X),  sogar  nb  "in,  die  Opferstellen  nach  den  einleitenden 
Benediktionen  usw.  fort:  auch  im  Kaddisch  blieb  der  Satz  raprr  aus. 
Diese  Bräuche  haben  sich  nicht  alle  erhalten,  die  einzelnen  Gemeinden 
wichen  darin  sehr  voneinander  ab.  Auch  der  von  Amr.  erwähnte 
Brauch  der  Selichot  ist  fortgefallen,  an  ihre  Stelle  traten  die  poe- 
tischen minp  und  die  r^.z^-p  (vgl.  weiter  §  33),  die  in  It.  und  Rom. 
innerhalb  der  Tefilla  vor  der  Eulogie  von  XIV  n:im  in  "in^S 

Elbogen.   Der  jüd.  Gottesdienst.  9 


130  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

airinni,  in  Sepli.  unmittelbar  danach,  in  Germ,  erst  nach  der  Tora- 
vorlesung rezitiert  werden.  In  manchen  Gegenden  las  man  die  Kinot 
nicht  in  der  Synagoge,  sondern  nur  zu  Hause;  in  anderen  wiederum 
vereinigte  man  sich,  um  in  der  Synagoge  Job  zu  lesen.  In  neuerer 
Zeit  hat  sich  die  Wertung  des  neunten  Ab  und  damit  auch  die  Liturgie 
^^elfach  geändert;  von  Veränderungen  im  Gottesdienste  kommen 
meist  nur  die  Vorlesung  der  Klagelieger  oder  einer  Auswahl  aus  ilinen 
und  der  Vortrag  einer  oder  zweier  Kinot  in  Frage. 

Über  die  Toravorlesung  und  Haftara  vgl.  §  25  und  26. 

§  22.     Channukka  und  Purim. 

Literatur:    J.E.  Art.  Hanukkah,  VI,  224  ff.;  Purim,  X,  274 ff. 

A.  1.  Das  Chanukkafest  HDSn  (Meg.  Taan.,  Kapitel  IX),  iyy.ai- 
viaf.i6Q  (I.  Mk.  459),  lyAuina  (Ev.  Joh.  1022)  wird  zur  Erinnerung 
an  die  Weihe  des  Tempels  unter  Juda  Makkabi  vom  25.  Kislew  ab  acht 
Tage  lang  gefeiert.  Seine  Einwirkung  auf  die  Liturgie  ist  nicht  sehr 
groß.  Die  Veränderungen  in  den  Stammgebeten  beschränken  sich 
auf  die  Einschaltung  von  :7"n55^n  '(^"'a  in  das  vorletzte  Stück  der 
TefiUa;  der  Inhalt  ist  oben  S.  58  besprochen.  Das  Stück  wird  zuerst 
Sof .  XX,  8  in  verkürzter  Form  wiedergegeben,  die  vorliegende  Text- 
gestalt ist  sehr  mangelliaft,  offenbar  aber  weicht  dieselbe  von  der 
in  allen  Riten  wiederkehrenden  ab.  Sie  schließt  mit  einer  Bitte  t\v:7 
nr:  TisTi?"::  mi2i  nsibBSi  aio:  s"ii?  "i  i:'a:?,  die  m  etwas  veränderter 
Gestalt  rvü^V  "JD  o:  nrm'j  r^iri^Tr  arD  in  Amr.,  Seph.  und  It.  über- 
gegangen ist.  Um  ihre  Zulässigkeit  an  dieser  Stelle  der  Tefilla  wurde 
viel  gestritten,  Rom.  und  Germ,  haben  sie  nicht.  Der  Einleitungssatz 
aiDSn  bv  wnd  zuerst  von  R.  Acha  (ca.  750)  erwähnt,  der  Schluß 
ns?-nm  Vr^nn  ibi?  n3:n  ^■a^  v^.fys:  irnpi  (Meg.  Taan.  Kap.  IX)  ent- 
spricht dem  Berichte  von  I.  Mk.  459  /mI  tarrjaEv  ^lovöag  ....  'i'va 
aycüvrai  a'i  rK-iiqui  iyy.ai}'ioiiou  rov  d^caiaGTu^giov.  .  •  •  f.iST^  evqqo- 
övvr^g,  VMi  yaqäg. 

2.  Ilinn  fällt  am  Chanukka  aus,  hingegen  wird  seit  alter  Zeit 
Hallel  (unverkürzt)  gesprochen  (Tos.  Sukk.  111,2);  die  Benediktion 
lautet  in  diesem  Falle  in  allen  Riten  außer  Germ,  bbnn  rs  "i^sr^b. 
Chanukka  hat  ein  besonderes  Lied,  Ps.  30  (Sof.  XVIII,  2),  \äelleiclit 
rührt  hiervon  die  Überschrift  r'''2.r\  nssn  niffi  her.  Über  die  Tora- 
vorlesung vgl.  §  25. 


('.Ii;imikk;i,   rurini  131 

3.  Das  Symbol  des  (Hiaiuikkafestes  sind  die  l/iclilcr,  dalicr  nennt 
es  Joseph  US  (fiüia  (Ant.  XU  77).  Die  Licliter  wurden  urs|)ri"mf^licli 
nur  in  den  Häusern,  später  auch  in  den  Synagogen  angezündet,  lieini 
Anzünden  werden  seit  den  Zeiten  der  ersten  Amoräer  besondere 
Henediivtionen  gesprochen,  am  ersten  Tage  drei,  an  jedem  folgenden 
zwei;  es  gab  aber  auch  eine  Anschauung,  die  überhaupt  nur  an",  ersten 
Tage  die  Henediktionen  zulassen  wollte.  Der  Wortlaut  der  ersten 
(nz:n  :c  "":  p'^"::nn'::)  ist  in  der  noch  heute  überall  üblichen  Form 
b.  Scliabb.  23  a  mitgeteilt,  eine  andere  Formel  findet  sich  j.  Sukk.  111,4 
(53  d);  der  Text  der  beiden  anderen  Henediktionen  a'^c:  nirrtr  und 
■i:"innir  ist  wahrscheinlich  aus  Versehen  aus  den  Talmuddrucken 
ausgefallen,  ist  aber  ebenso  alt  wie  derjenige  der  ersten.  In  Sof.  XX,  6 
wird  außerdem  die  Hymne  iVm  rMin  mitgeteilt,  die  dort,  wie  es 
scheint,  an  eine  falsche  Stelle  geraten  ist  und  erst  hinter  den  Bene- 
diktionen gesprochen  wird.  Neuerdings  wnd  in  Germ,  vielfach  im 
Anschlüsse  hieran  noch  der  Piut  "»rriri  112:  n^a  oder  eine  Chanukka- 
hymne  in  der  Landessprache  gesungen.  In  lt.  und  Seph.  wird  nach 
den  Benediktionen  statt  "ibbn  ni:n  Ps.  30  gesprochen,  in  Rom.  nichts. 

B.  1.  Die  Entstehungszeit  und  der  Anlaß  des  Purimf estes  (14. 
Adar)  sowie  des  voraufgehenden  Fastens  (13.  Adar)  sind  historisch 
kaum  mehr  zu  ergründen.  Das  Fasten  kann,  solange  der  Xikanortag 
gefeiert  wurde  (Meg,  Taan.  Kap.  XII),  nicht  bekannt  gewesen  sein. 
Sof.  XXI,  1  berichtet,  daß  in  Palästina  ,,die  Fasten  nach  Mordechai 
und  Esther"  "irci?^  "»d-tc  zi::  •^12'^  an  drei  Tagen  n  a  c  h  Purim, 
und  zwar  am  Montag,  Donnerstag  und  Montag  begangen  wurden.  Alle 
sonstigen  Quellen  kennen  das  Fasten  nur  am  13.  Adariros«  ni^rr.  Es 
wurde  an  Bedeutung  nie  den  biblischen  Fasttagen  gleichgesetzt;  sein 
Einfluß  auf  die  Liturgie  jedoch  ist  der  gleiche  (vgl.  oben  ^  21.) 

2.  Am  Purim  wird  ebenso  wie  am  Chanidika  a'^o:n  '::7  einge- 
schaltet (vgl.  Sof.  XX,  8.  Ende).  Auch  ein  besonderes  Lied  ist  dafür 
bestimmt;  nach  Sof.  XVIII  2  Ps.  7,  den  jedoch  nur  Rom.  hat,  während 
die  anderen  Riten  Ps.  22  verwenden,  den  der  Midrasch  auf  die  Ge- 
schichte Esthers  bezieht.  Die  Hallelpsalmen  werden  am  Purim  nicht 
gesprochen,  mfolgedessen  hat  Amr.  "jirnr  beibehalten;  im  Mittel- 
alter jedoch  wurde  dem  widersprochen  und  "iiinr  wieder  beseitigt. 
über  die  Toravorlesung  vgl.  §  25. 

3.  Am  Purim  wird  das  Buch  Esther  verlesen,  ein  Brauch,  den  die 
Mischna  schon  als  feststehend  voraussetzt,  der  aucli   bereits  Jahr- 

9* 


J32  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

hunderte  vor  ihrer  Redaktion  bestanden  haben  muß  (vgl.  Meg.  Anf.). 
Seit  der  amoräischen  Zeit  findet  die  Vorlesung  zweimal  statt  (b. 
Meg.  4  a),  am  Abend  nach  der  Tefilla,  am  Morgen  nach  der  Tora- 
vorlesung, Die  Vorlesung  des  Buches  Esther  wird  durch  drei  Bene- 
diktionen eingeleitet  n;)a  =n':;r;)3  ^"^p^  b:?.  a^o:  nir-jw,  ii-^-^fin^  (b. 
Meg.  21  b).  Nach  der  Vorlesung  lautet  die  Benediktion  irn*»!  rt?  ün; 
auf  sie  folgen  nacli  Angabe  des  Talmuds  noch  die  Sätze  TTin  "i^sn  m-ii« 
''DTi'a,  die  meist  später  im  Piutstil  ausgearbeitet  waren.  Im  An- 
schlüsse an  die  Vorlesung  wird  i^i'iDT  nwiip  gesprochen.  Strittig 
war  vielfach,  ob  i;">nriir  auch  am  Morgen  statthaben  soll.  Schon 
bei  Amr.  ist  erwähnt,  daß  einige  Verse  des  Buches  Esther  von  Vor- 
beter und  Gemeinde  gesprochen  werden ;  die  Zahl  der  Verse  ist  später 
vermehrt  worden.  Vielfach  wurde  die  Vorlesung  der  Megilla  von 
Gebräuchen  begleitet,  die  der  überströmenden  Freude  Ausdruck 
geben  sollten;  sie  sind  nicht  selten  in  Unfug  ausgeartet,  vgl.  I.  Ab- 
rahams, Jewish  Life  in  the  Middle  Ages,  S.  33,  262.  In  Reformgemeinden 
ist  die  Vorlesung  des  Buches  Esther  meist  auf  den  Morgen  be- 
schränkt, während  am  Abend  eine  Auswahl  daraus  in  der  Landes- 
sprache gegeben  wd.  Die  lärmenden  I^nterbrechungen  von  selten 
der  Gemeinde  liaben  in  kultivierten  Ländern  überall  aufgehört. 

C.    Die  Festtage. 
§  23.     Wallfahrtsfeste. 

Literatur:  Landslmth,  S.  437 ff.;  Baer,  S.  346 tt'.;  Elbogeu,  Die  Tefilla 
füi-  die  Festtage  in  MS  LV,  1911,  426fF.;  Berliner  Randb.  II,  S.  2oft\ 

1.  Die  Feste  a"i"i:7i^T  ainrj  a^ia"'  (Ami-.)  bilden  für  die 
Liturgie  eine  einheitliche  Gruppe.  Die  Struktur  der  Gebete  ist  — 
mit  einer  Ausnahme  —  an  ihnen  die  gleiche;  die  Abweichungen  sind 
in  der  Bedeutung  des  Festes  begründet,  Ihrem  Charakter  nach  sind  sie 
seit  Alters  her  in  zwei  Gruppen  geschieden,  die  drei  Wallfalu-tsfeste 
'D'C^-\  ffibr  und  die  beiden  ernsten  Feste  D"'S?T';  a"'l2"'.  Die  Namen 
der  Wallfahrtsfeste  lauten  in  den  tannaitischen  Quellen  nos  ,ri:::". 
;^n  (Sukk,  III,  5  und  Tos.  das.),  ai-am.  s?nc2,  sr^iir'.  5?jn,  später 
auch  s^rbrjia";  i<'^ii"L2£1  5?:;n.  Die  Mischna  setzt  immer  nur  einen 
Feiertag  voraus,  w^älu'end  der  babylonische  Talmud  auch  die  zweiten, 
die  Feiertage  der  Diaspora  (nilbä  hxs  irir  ITJ  aT^),  berücksichtigt;  in 
Palästina  wird  bis  heute  außer  am  nrirn  Trsi-  nur  ein  Feiertag  gehalten. 


Wiillliilirlsf.'slr  1H3 

2.  Dio  Ciobetc  ciitsjjri'cluMi  clciicii  liir  die  Sahhalc.  Die  'l'd'illa  be- 
steht wie  dort  aus  sieben  StiU-keii,  von  denen  die  drei  ersten  und  die 
(h'oi  letzten  die  dei'  Wochen faiic  sind,  (bis  siebente  enthidt  in  der  Bitte 
(bis  vom  Sabl)at  her  bekannte  ''Cr"l'>22  "ITTip ;  sie  unterscheidet 
sicii  insül'ern,  als  wir  dort  für  jedes  (Jebet  eine  besondere  Fassung  der 
iMnleituiig  besitzen,  wälirend  an  den  Festen  nn:r  r'^nmr  r'iS^J 
völlig  gleichlauten  und  rc'C  —  ähnlich  wie  am  Sabbat  —  eine  Er- 
weiterung dieser  bildet.  Die  Siebenzahl  geht  schon  auf  die  älteste 
tannaitische  Zeit  zurück,  wie  die  Kontroverse  zwischen  Schammaiten 
imd  Hilleliten  über  die  Art  der  Erweiterung  des  Festtagsgebetes  an 
Sabbaten  beweist.  Die  heutige  Fassung  stammt  aus  den  Anfängen 
der  amoräischen  Epoche,  aus  der  Tätigkeit  Kabs  und  Samuels;  nur 
geringe  und  unbedeutende  Zusätze  weisen  auf  spätere  Jahrhunderte. 
""""nn  nrx  wird  b.  Joma  87  b  von  Ulla  b.  Rab  (um  330)  als  ein  ganz 
bekanntes  Gebet  zitiert,  i:b  "irri  in  b.  Ber.  33  b  im  Anschlüsse  an  die 
..Perle"  Mar  Samuels  erw^älmt  (230),  derselbe  Autor  nennt  ^:S"^Trm, 
und  aus  der  Bitte  kommt  neben  dem  erwähnten  Satze  TTISiaS  i^inp 
noch  der  Schluß  z^:r7-i  bs'^r-^  npTS  vor,  der  allerdings  im  IV.  Jahr- 
hunderte noch  strittig  ist.  vgl.  b.  Pes.  117  b.  Für  einen  F'eiertag, 
der  auf  den  Sabbat  fällt,  fordert  schon  der  Tannaite  Nathan  (um  160) 
=^:i2Tni  :55^Tr^  rnr-  np^  (Tos.  Ber.  111,13,  S.  716). 

3.  Alle  erwähnten  Zitate  gehen  auf  babylonische  Autori- 
täten zurück.  Daneben  aber  muß  es  noch  eine  andere,  eine  pa- 
lästinische Rezension  der  Tefilla  gegeben  haben,  von  der  Spuren 
im  Traktate  Sofrim  vorliegen.  Dort  wird  XIX,  3  die  Erwähnung  des 
betreffenden  Festes  mit  den  Worten  5n  2'i  "7-  np  s«-pT2  n'i:  ZT' 
nrn  gefordert;  von  den  bekannten  Gebetbüchern  hat  genau  dieselbe 
Fassung  nur  Maunonides.  Ferner  werden  Sof.  XIX,  7  als  Bestand- 
teile der  drei  Festtagsgebete  die  Stücke  röj  ,S1"'T  nb""»  ,":s5"'Trrii  ge- 
nannt; auch  hierfür  bieten  die  vorhandenen  Gebetbücher  keine  Ana- 
logie, sie  kennen  nr:;  nur  als  Bestandteil  von  Musaf,  SDii  nr~i 
wiederum  für  alle  Tefillas  mit  Ausnahme  vom  Musaf.  Die  kühnen 
Versuche,  durch  Textänderung  in  der  Quelle  eine  Übereinstimmung 
mit  den  bekannten  Gebetstücken  herzustellen,  sind  sämtlich  als 
verfelilt  zu  betrachten.  Als  Eulogie  gibt  Sof.  das.  ""C^  "C7  z~'pi2 
'S:~'p  ■'S^^pr"'  2"':rT-'';  eine  solche  weitschweifige  Formel  kommt  in 
keiner  der  bekannten  Liturgien  vor.  Hingegen  haben  sich  Frag- 
mente, die   alle   die  genannten   Eigentümlichkeiten  des  Textes  auf- 


]^34  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

weisen,  in  der  Genisa  von  Kaii-o  gefunden,  sie  sind  MS.,  LV,  1911. 
S.  433 — 446  und  586 — 593  veröffentlicht  und  besprochen;  die  Frag- 
mente bilden  Reste  des  alten  palästinischen  Ritus,  sie  soUen  im 
folgenden  mit  Pal.  angeführt  werden. 

4.  Im  Musafgebet  aller  Feste  wird  das  Mittelstüek  dadurch  er- 
weitert, daß  irs^'on  i^B'ai  zwischen  •\:b  im  und  irii-iTTm  tritt, 
während  i53ii  nl::^^  ausfällt.  Komposition  und  Text  dieser  Einlage 
sind  seit  Amr.  in  allen  Gebeten  gleich,  irsisn  ■'^S'ai  will  auf  die 
Opferlegende  führen,  es  geht  von  der  Zerstörung  des  Tempels  und  der 
Unmöglichkeit,  Opfer  darzubringen,  aus,  reiht  daran  die  Bitte  um 
Herbeiführung  der  messianischen  Zeit  und  um  Wiederherstellung 
des  Heiligtumes,  an  die  sich  die  Bibelverse  aus  Num.  28  und  29  mit 
den  Opfervorschriften  anschließen.  Auf  die  Opferlegende  folgt  die 
Bitte  i:ib:7  am  Tani  i^'a  i^'ns«  um  Wiederherstellung  der  Wall- 
fahrt. Pal.  bietet  auch  für  die  MusaftefiUa  ganz  abweichende  und 
vereinfachte  Texte;  dort  unterscheidet  sie  sich  von  den  anderen 
Tefillas  nur  durch  das,  was  unbedingt  notwendig  ist.  An  i:':;  ]m 
schließt  sich  sofort  imrn  mrDD  r^OTa  •^:i-^-p  m  n^npnb  mit  den 
zugehörigen  Versen  als  Beleg  an,  hinter  nbSi  ist  dann  die  Wieder- 
herstellung der  Wallfahrt  kurz  angedeutet  und  am  Ende  von  TlSTr.- 
kommt  das  Gebet  mit  den  aus  j.  Ber.  IV.  6  bekannten  Worten  "TL""" 
vlDlTG  P"ip"i  ai"^  ^"!^)ar  irrimn  rs«  Tirsb  wieder  auf  den  Anfang 
zurück  (vgl.  ob.  S.  116).  Sonst  bleibt  alles  beim  alten,  auch  s^n-^:  nb7^ 
fehlt  nicht. 

5.  Zum  Wortlaut  der  Festgebete  ist  im  einzelnen  folgendes  zu 
bemerken.  Statt  I2rnnn  nra?  hat  Pal.  nnn  nrs  als  Beginn  eines 
hymnischen  Stückes,  das  mehr  Schwung  zeigt  als  das  übliche.  In 
"^zb  "rim  folgt  Pal.  genau  der  Angabe  von  Sofrim,  während  Amr.  und 
danach  Seph.  den  Namen  des  Festes  vor  tClp  i«ip^  mi2  ST^  haben; 
in  allen  anderen  Riten  fehlen  die  Worte  ganz.  Pal.  hat  nur  2i17"ii2 
nnisirb;  Amr.  und  die  anderen  Riten  auch";TCt':  s'^Z'aTT  D^^n;  Isaak 
ibn  Gajjat  und  Rom.  fügen  noch  njlTTib  a'^iai::  a"ii2i  ein.  Hinzu- 
gekommen ist  seit  Amr.  in  allen  Riten  die  Erwähnung  der  Bedeu- 
tung des  Festes  (i;m-in  "j-qt  usw.).  Pal.  fügt  an  irb  im  Bibelverse 
über  das  Fest  aus  Lev.  23  an,  reiht  daran  andere  aus  den  Hagio- 
graphen  und  Propheten,  wie  das  sonst  nur  im  Musaf  des  Xeujahrs- 
tages  geschieht.  Die  Bitte  rr:'y  S'ns  schließt  Pal.  mit  dem  ebenfalls 
aus   dem    Neujahrsgebet    bekannten    Satze    -»nbs«  'i-  l'^irv^fz  -i'as'': 


Wallfahrtsfeste  135 

nrns  bsn  inDbm  Y"^  '^^"^  J»');  li^-r  (iciiankc  cii's  Ootlesreiclit'.s 
koinint  in  Pal.  an  s  ä  in  t  1  i  c  h  e  n  Festen  in  seiner  klassisclien  Rein- 
heit zum  Ausdruek.  s«n'^T  rby*  beginnt  dort  wie  in  Sofrim  mit  s«:i< 
n:"^nbs;  der  Text  ist  mehrfadi  erweitert,  die  Reilie  der  in  Krinneriint; 
zurufenden  Dinge  ist  wesentlich  größer,  am  Schlüsse  folgt  die  nur  ans 
Seph.  zum  Neumond  (oben  S.  126)  bekannte  Bitte  um  Erlösung, 
die  sich  in  ]t.  uiul  Rom.  auch  für  die  Feierlage  erhalten  hat,  TT^"! 
,.p»,^v-  rs^i  nrnr  irmiiirbDb  fpi  qio  nTn..aT'  nin  irnp  ssipia  ai"». 
i:STn'^  ist  aus  j.  Her.  IX,  2  bekannt,  jedoch  wird  dort  nur  der  An- 
fang zitiert;  am  Schlüsse  lesen  alle  Riten  außer  Germ,  rcü  "ZZ^^r  "iz. 
die  Textform  wird  durch  Pal.  unterstützt,  wo  es  heißt  rn^i«  "'.ttSj 
nbo  irsnnr  "JD  r'^'i~\^.  Die  Bitte  ']-^rii'Q2  IDirnp  kommt  in  den  be- 
kannten Texten  von  Pal.  nicht  vor,  und  das  scheint  nicht  auf  einer 
Kürzung  der  Abschreiber  zu  beruhen,  sondern  wirklich  zu  fehlen. 
In  der  Eulogie  steht  Pal,  wie  bemerkt,  ganz  allein  (zu  vgl.  ist 
b.  Pes.  117  b). 

6,  I2"is?'jn  ■^lEtn  für  Musaf  beginnt  in  Amr.  und  danach  in 
Seph.  mit  irnns«  inbi^l  i:inbi«,  ist  im  übrigen  bis  auf  die  üblichen 
kleinen  Abweichungen  in  allen  Riten  gleich,  nur  in  V.  ist  der  Schluß 
etwas  erweitert.  Die  Opferverse  fehlen  bekanntlich  in  Seph.,  obwohl 
sie  in  Amr.  vorhanden  sind.  Man  bewies  die  Zulässigkeit  ihres  Fehlens 
aus  einem  Worte  des  Talmuds  (b.  R.  h  Seh.  35  b).  Unter  den  Geonim 
erklärte  sich  Sar  Schalom  gegen  Katronai  und  Saadja  für  ihre  Bei- 
behaltung. Da  es  wenig  Gebetbücher  gab,  da  ferner  in  den  Abschriften 
gekürzt  wurde,  was  ii'gend  möglich  war,  waren  die  Verse  wenig  be- 
kannt und  mußten  schon  darum  fortbleiben.  Raschi  war  ganz  er- 
staunt über  ihre  Einführung,  die  er  als  völlig  neue  Sitte  bezeichnete. 
Dennoch  stehen  sie  in  allen  Riten  außer  in  Seph.,  wo  sie  aber  im  Mittel- 
alter ebenfalls  verbreitet  waren.  Die  Wallfalu't  erwähnt  Pal.  mit  den 
Worten  ^i2yt>  ir^jffln  -f-^ifi'^  nxns  aüi  is^iis?^  r^nn  n^^n  iris^yi 
i:->ban  unter  Berufung  auf  Dt.  1616.17. 

7.  Fällt  der  Festtag  auf  den  Sabbat,  so  wd  das  Gebet  da- 
durch in  seinem  Aufbau  nicht  verändert.  Es  wird  nur  an  geeigneter 
Stelle  die  Erwähnung  des  Sabbats  eingefügt.  Ob  das  genau  der  Vor- 
schrift von  Bet  Hülel  (Tos.  Ber.  III,  13)  entspricht  rnc  :rn  b">nn2 
rnc  brn  a-iica^,  ist  zweifelhaft,  aber  wir  können  schwer  feststellen, 
was  mit  den  Bestimmungen  jener  Baraita  gemeint  war.  In  ^'7  "irn 
whd  vor  den  Namen  des  Festes  nnSTab  nrmr  und  r\Tn  m:^n  ai^  rs5 


136 


Beschreibung  des  Gottesdienstes 


eingeschoben.  Germ,  setzt  dafür  "in  mir"  ^"^  r^  und  nach  Er- 
wähnung des  Festes  das  sonst  in  Germ,  fehlende  nins«S  ein.  Zu 
TTlsi'SD  ^inp  werden  die  entsprechenden  Ergänzungen  aus  der 
Sabbatbitte  hinzugesetzt,  i:rm:ri  n^i  usw.  In  der  Musaftefilla 
werden  außerdem  vor  den  Opfern  die  Verse  für  das  Sabbatopfer, 
hinter  ilmen  '7nD"::'J2n  ^n)2ri  eingeschaltet.  Pal.  liegt  für  Sabbat 
nicht  vor.  Die  Eulogie  gibt  bereits  R.  Nathan  an  (oben  S.  133)  inp'c 
2i''aTn"i  nffiii  r^wn,  aber  noch  Rabina  (V.  Jahrhundert)  hat  gegen 
Abweichungen  hiervon  zu  kämpfen. 

8.  Fällt  der  Feiertag  auf  den  Ausgang  des  Sabbats,  so  wii'd 
in  die  Abendtefilla  hinter  12b  "irm  die  von  Mar  Samuel  verfaßte 
„Perle"  i::7"'"nn  eingeschaltet,  deren  Text  sich  b.  Ber.  33  b  findet, 
sie  ist  ein  Ersatz  für  die  Habdala  (§  192). 

9.  Wie  die  TefiUa  ist  auch  sonst  der  Grundstock  der  anderen 
Gebete  allen  drei  Festen  gemeinsam.  Das  Abendgebet  ist  dasselbe 
Avie  das  der  Wochentage,  "'riinrn  jedoch  wird  in  Seph.  und  Germ,  in 
der  für  Sabbat  üblichen  Form  gesagt.  x\ls  Bibelvers  wird  in  It.  und 
Seph.  Lev.  234  '"  i->"i^  nbi?;  in  Germ.,  so  schon  in  V.,  Lev.  2344 
nca  "il~"iT  verwendet;  in  Rom.  sind  für  jedes  Fest  besondere  Verse. 
Pal.  kennt  die  relativ  junge  Einrichtung  der  Bibelverse  überhaupt  nicht. 
Seph.  und  Rom.  schicken,  wie  an  jedem  Tage,  auch  an  den  Festen  dem 
Abendgebet  einen  Psalm  voraus  und  lassen,  wie  am  Sabbat,  einen 
folgen.  Die  Stellen  sind  im  einzelnen  weiter  unten  angegeben.  Xach 
der  Tefilla  wird  Kiddusch  gesprochen,  dessen  Text  mit  dem  der  mitt- 
leren Benediktion  der  Tefilla  ^äel  gemeinsam  hat. 

Im  Morgengebet  werden  nach  den  "imrn  mD"il  die  Psalmen 
gesprochen.  Sof.  XVIII,  2, 3,  XIX.  2  kennt  für  jedes  Fest  einen 
besonderen  Psabn,  der  am  Eingang  der  HTcn  ■'piOE  zu  sprechen  ist. 
auf  den  dann  T12D  "^ro  und  die  verschiedenen  täglichen  Psalmen  folgen. 
So  ist  es  nicht  geblieben,  Adelmelu-  wd  in  allen  Riten  die  an  Sabbaten 
übliche  Reüie  der  n"T>^T  innegehalten;  in  Germ,  völlig  unverändert, 
in  It.  wird  Ps.  97,  in  Seph.  und  Rom.  der  Psalm  des  Festtages  einge- 
schoben, in  ilmen  wird,  wie  in  Amr.,  bei  Psabn  92  der  erste  Vers  fort- 
gelassen. Wie  am  Sabbat  wird  das  Schilfmeerhed  —  bei  Amr.  sogar 
bis  Ex.  1526  —  und  rxnrz  gebetet.  Es  folgt  der  Jozer  der  Wochentage 
(oben  S.  16  ff.),  um-  an  Sabbaten  imi  "::Dn  usw.  (oben  S.  114),  Pal. 
jedoch  scheint  besondere  poetische  Einschaltungen  für  den  Jozer  der 
Feste  gehabt  zu  haben;  endlich  folgt  die  Tefilla,  vde  bereits  besprochen. 


Wiilll'alirtsf.'stc,    l'rsarh  137 

Allen  (lit'i  i^'cicitai'cii  «ijomtMiisam  ist  die  Kc/Zilatioii  des  llalh'l,  l's.  I  \'^ 
bis  1 IH,  tlcroii  Anordnung-  in  die  fannaitischc  Zeil  zuriickf^'ciit;  fiirrcsacli 
ist  dort  (las  llallcl  nur  an  einem  resp.  zwei  Taigen  eiwälint,  an  den 
anderen  wird  das  \-eikiirzte  ii,('S|)r()('lien.  Im  Mittelalter  kam  (zuerst 
in  Krankreieli?)  die  Sitte  hinzu,  an  jedem  der  Walll'alirtsl'este  eine  der 
Meti;ill(»t  zu  lt>sen.  in  Kom.  wird  diese  Lektüre  auf  mehrere  Tage  verteilt. 

(*l)er  die  Toravorlesuno"  vgl.  v^  25  und  über  die  j\lusaftefilla 
oben  S.  134.  Zu  Musat' irehörte  im  Tempel  zu  -Jeiusalem  ein  besonderer 
l'salm,  der  mit  dem  oben  erwähnten  nielit  identisch  ist. 

10.  All  den  Mittolfeierta<ien  ("rTcn  b^n  ,~rTC)  von  Pesacli  und 
Sukkot  wird,  wie  an  Wochentagen,  gebetet,  jedoch  mit  Einschaltung 
von  S^"!"!  n'rri  in  die  Tefilla  und  mit  Weglassung  von  y:nr.  Das  ^lusaf- 
gebet,  das  ebenso  wie  das  des  Neumonds  durch  "'^rs?  und  "jT^s:  i<2" 
eingeleitet  wird,  ist  das  des  Festes.  Bei  der  Erwähnung  des  Festes 
in  sn"^"!  nb"->  oder  ■:":  im  wird  nach  Sof.  XIX,  3  5<^pr  n"J  2"^ 
T-p  fortgelassen,  ebenso  lautet  Pal. ;  von  den  bekannten  Kiten  macht 
nur  Seph.  einen  Unterschied,  indem  er  das  Wort  Dil:  wegläßt  und 
-TH  Ttlp  snp"a  aTi  rs«  liest.  Hallel  und  Toravorlesung  gehören  auch 
zur  Liturgie  der  Halhfeste. 

IL  Im  einzelnen  ist  zu  den  Festen  folgendes  zu  bemerken: 
a)  Pesach,  das  Befrehmgsfest,  heißt  in  den  Gebeten  r^'2'c~  :;n, 
es  wird  als  "irmn  -^"qt  bezeichnet.  Sof.  XIX,  3  und  Pal.  haben  für 
die  Mittelfeiertage  nicht  die  Bezeichnung  inp  «""pTa  Sit:  aii,  den 
siebenten  Tag  nennt  Sof.  r^"j:"  Tintr  3^^;  in  den  Riten  ist  dieser  Unter- 
schied nicht  bekannt,  nur  in  Seph.  wird  m"J  weggelassen.  J)er  Morgen- 
psahii,  ^ic,  für  Pesach  ist  in  Sof.  XVIII,  2  Ps.  135,  nach  anderen 
Ps.  83  für  den  ersten  Tag  und  die  Mitteltage,  Ps.  136  für  den  siebenten. 
Seph.  verwendet  Ps.  107  als  T^r,  Ps.  114  nach  dem  Abendgebet.  Rom. 
hat  wie  am  Sabbat  Ps.  92,  sodann  135  oder  106  sowie  136  und  150; 
am  siebenten  statt  135  Ps.  18.  Am  I.  und  IL  Pesachabend  wird  in 
der  Synagoge  nicht  Ividdusch  gesprochen,  wenn  er  auf  Sabbat  trifft, 
auch  nicht  "nr  -jirr  rns  rein  (oben  S.  111).  In  Spanien  und  Baby- 
lonien  soll  Seder  in  der  Synagoge  gehalten  worden  sein,  weil  die  Leute 
zu  unwissend  waren,  um  die  Haggada  lesen  zu  können.  Xach  Seph. 
M-ii-d  an  den  beiden  ersten  Abenden  auch  in  der  Synagoge  Hallel  ge- 
sproclien,  das  ist  auch  in  Polen  und  am  Balkan  übernommen  worden. 
Nach  dem  Talmud  wird  beim  Morgengottesdienst  Hallel  nur  am  ersten 


138  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Pesachtage  gesagt,  später  wurde  es  für  die  folgenden  Tage  in  derselben 
Weise  wie  am  Neumond  (vgl.  S.  125)  bestimmt.  Von  den  Megillot  wird 
das  Hohelied  am  7.  Pesachtage  oder  am  Sabbat  in  der  Festwoche 
gelesen.  Die  Opferverse  smd  in  Pal.  und  Rom.  Num.  28 16  bezw.  19 — 24 
resp.  25;  in  Germ,  und  It.  Num.  2816—19  bezw.  19,  während  20— 24  in 
eine  für  alle  Feste  gültigen  Formel  dh'idd:!  arn:^i  zusammengezogen 
sind.  Die  Eulogie  der  Tefilla  lautet  in  Pal.  ns^n  5ni  nie  ir^ip^ 
V^p  ^s«npüT  D^:^Tm  nnTair  ^"i^^Tai.  Mit  dem  Musafgebet  des  ersten 
Pesachtages  hört  min  n-^Tria  auf,  in  Seph.,  Rom.  und  It.  beginnt 
man  da  b'on  "iiiTa  einzufügen,  während  in  Germ,  jede  Erwähnung 
fortbleibt.  Später  hat  sich  hieraus  ein  besonderes  Gebet  um  Tau 
br;  r'':t)r  im  Anschlüsse  an  Musaf  entwickelt. 
Über  die  Toravorlesung  vgl.  §  25. 

b)  Schowuaus  heißt  in  den  Gebeten,  schon  in  Sof.  XIX,  4,  myiirn  5n 
und  wird  als  Offenbarungsfest  i^niin  "iDa  )'Q1  gefeiert,  wofür  in  der 
Bibel  noch  kein  Anhalt  zu  finden  ist.  Als  Psalm  ist  Sof,  XVIII,  3 
Ps.  29  verordnet,  Seph.  und  Rom.  verwenden  Ps.  68,  It.  hat  ilm  vor 
der  Toravorlesung,  nach  dem  Abendgebete  jedoch  Ps.  122.  Als  Megilla 
wird  Rut  gelesen.  Über  Toravorlesung  vgl.  §  25.  Die  Musafverse 
sind  Num.  2826  und 27  (in  Rom.  — 31),  dazu  aniDOn  arni'ai  wie  oben; 
Rom.  hat  Num.  2826  auch  am  Abend  an  Stelle  des  stereotypen  Verses 
aus  Le\ätikus  (s.  oben  S.  136). 

c)  Sukkaus  führt  den  Namen  riDon  jn  und  wird  im  Ansclüusse  an 
Dt.  1614,15  als  isrn^air  ]'ü'  bezeichnet;  in  Sof.  felilt  jede  iVngabe 
darüber  infolge  der  Lückenhaftigkeit  unseres  Textes.  In  Pal.  lautet 
die  Eulogie  in  der  Tefilla  a'^r^arm  nniair  in^-Tai  riDon  3m  mui  wip^ 
ir^p  ^S5ip)3l  a^bis-im.  Als  Morgenpsalm  gibt  Sof.  XIX,  2  Ps.  76  an,  den 
Rom.  tatsäclüich  hat.  Die  Reüie  der  Musafpsalmen  für  die  Zwischen- 
tage ist  in  b.  Sukka  55a  überliefert:  für  den  ersten  Ps.  29,  für  den 
zweiten  Ps.  5016 — ?,  für  den  dritten  Ps.  9416 — ?,  für  den  vierten  das. 
8 — 16  ?  für  den  fünften  Ps.  81 7—?,  für  den  sechsten  Ps,  82  5 — ?.  Verwendet 
wird  in  Seph.  Ps.  42,  43  und  nach  Maarib  Ps.  122.  An  allen  Sukkaustagen 
wird  das  ganze  Hallel  gesprochen.  Die  Musafverse  sind  Num.  2912 — 39 
mit  entsprechender  Auswahl  für  die  einzelnen  Tage.  Eine  Besonder- 
heit des  Sukkausfestes  sind  die  Umzüge  mit  dem  Feststrauß  nach  dem 
Musafgebet.  Hierbei  werden  Gebete  mit  dem  Stichwort  s:3'Cin  Hilf 
doch!  gesprochen,  die  davon  den  Namen  n;7Cin  erhalten  haben 
(vgl.  §32).   Der  siebente  Tag,  im  Talmud  xrm7"i  S'QT',  in  It.  und  Rom. 


W  iilir.ilirtsCcsIf,   Wdclicii-liiillciilVsl  139 

n3n>  ai"',  der  Taj;-  der  l^acli weide,  lieilU  wenden  der  Häiifi^^keit  der 
Umzüge  und  der  Wiederlioliiii^-  dieser  ( lebete  Ximn  2'"',  später  i<:rC"r, 
nm.  Der  Tag  wurde,  wahrsclieinlieli  itii  Anschlusse  au  R.  \\  Scli.  \r- 
Knde,  als  Gerielitstaii;  erklärt  und  iu  Italien,  Fraid<reicli  uiul  Deutsch- 
land schon  im  l'ridien  Mittelalter  (das  geht  bis  ins  \ll.  Jahrhundert 
zurück)  besonders  ausgezeichnet.  Bereits  in  V.  werden  die  Sabbat- 
psalmen, r'QXc:,  die  „große"  Kedusclia  und  andere  Festtagsgebete  für 
ihn  bestimmt.  Inder  späteren  kabbalistischen  Zeit  (vom  Xl\'.  Jahr- 
hundert an)  wurde  der  Tag  dem  Versöhnungstag  an  Bedeutung  gleich- 
gestellt, und  es  wurden  sehr  viele  von  den  Bräuchen  des  Versöhnungs- 
tages auch  auf  den  „Tag  der  Bachweide"  übertragen,  manche  fasteten 
sogar.  Besonders  zeigt  Seph.  den  Einfluß  der  Anschauung  vom  Buß- 
charakter des  Tages;  in  Rom.  wurden  die  ersten  und  letzten  Bene- 
diktionen der  Tefilla  nach  dem  im  Schlußgebete  des  Versöhnungstages 
(v;  24)  üblichen  Wortlaute  gesagt.  Im  frühen  Mittelalter  scheint  man 
die  Umzüge  am  Hoschanatage  nicht  nur  am  Morgen,  sondern  auch 
zu  Mincha  nach  der  Tefilla  vorgenommen  zu  haben.  Aus  dem 
X.  Jahrhunderte  besitzen  wir  die  gut  verbürgte  Nachricht,  daß  am 
Hüttenfeste,  oder  wenigstens  am  Hoschanatage  Umzüge  um  den  Ölberg 
in  Jerusalem  stattfanden.  Es  beteiligten  sich  daran  zalilreiclie  Pilger, 
die  von  weit  her  kamen ;  bei  dieser  Gelegenheit  wurden  auch  die  Be- 
stimmungen über  den  Kalender  des  folgenden  Jahres  bekanntgegeben, 
d)  Der  achte  rn::r  T'ar  (bezw.  achte  und  neunte)  Tag  des  Hütten- 
festes wird  als  besonderer  Feiertag  betrachtet  Sin  Tasy  i3Sa  bai  i3iüir, 
man  erwähnt  ihn  im  Gebet  mit  den  Worten  nsrn  [5n]  ir^m  ST'. 
er  heißt  indes  ebenso  wie  das  Hüttenfest  iirmatc  1^27.  Sein  Psalm 
ist  nach  Sof.  XIX,  2  und  tatsächlich  in  Seph.  (wahrscheinlich  wegen 
seiner  Überschrift)  Ps.  12;  Rom.  hat  wahrscheinlich  aus  ähnlicher 
äußerlicher  Anlehnung  Ps.  6;  in  Sof.  mrd  ferner  Ps.  111  zur  Wahl 
gestellt,  den  wir  auch  in  Pal.  finden.  Vor  der  Abendtefilla  hat  Rom. 
Xum.  2935.  Als  Verse  für  die  Tefilla  finden  wir  in  Pal.  Lev.  2336-^39, 
1.  Kön.  8(JG.  Neh.  Bis  und  Ez.  4327.  Die  Eulogie  lautet  nc^  tci'piz 
r-p  ii5^pi2i  a"^:i2Trr  nmac  "iui^t  r-^-jrj  "^riar  ari.  Als  Musafverse 
werden  Xum.  2935,36,  m  Pal.  auch  37 — 39  und  301  verwendet.  Als 
Megilla  des  Hüttenfestes  dient  Kohelet.  das  Buch  wii'd  am  achten 
Tage  gelesen  (wegen  112),  in  Rom.  auf  die  Feiertage  verteilt.  Zu  ]\Iusaf 
des  Schemini  Azeret  beginnt  min  n^iru,  was  vor  der  leisen  Tefilla 
verkündet  wird;  hieraus  hat  sich  ein  besonderes  Gebet  um  Regen 


140  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

stTj  rbsr  entwickelt.  Der  zweite  Tag  von  Schemini  Azeret  fülirt  in 
der  Literatur  —  nicht  im  Gebete  —  etwa  seit  dem  Jahre  1000  den 
besonderen  Xamen  ~-nr  rnrir,  da  an  ihm  das  letzte  und  nach  einer 
bis  auf  die  gaonäische  Zeit  zurückgehenden  Sitte  auch  das  erste  Ka- 
pitel der  Tora  gelesen  wird  (vgl.  §  25).  Daher  wurde  die  Toravorlesung 
des  Tages  von  einer  größeren  Anzahl  festlicher  Gebete  begleitet  (§  30). 
Die  Stammgebete  hingegen  unterscheiden  sich  nicht  von  denen  des  vor- 
hergehenden Tages. 

§  24.    Die  ernsten  Feste. 

Literatui-:  Landsliuth,  S.  456 ff.:  Baer,  S.  383 ff.:  Friedmann.  The 
New  Year  and  its  Litivrgy  in  JQR  I,  62  ff. 

A.    Das  Neujahrsfest. 

1.  Der  Xeujalu'stag  7V:Tr\  Trs?"^  am  1.  Tiscliri  (die  Bezeichnung  wird 
in  der  Bibel  Ez.  401  für  10.  Tisclui  gebraucht)  führt  den  Xamen 
darum,  weil  mit  üim  die  Zählung  des  neuen  Jahres  beginnt.  Der 
Name  so^^'ie  die  zweitägige  Dauer  des  Festes  lassen  sich  bis  in  die  Zeit 
der  Mischna  zurückverfolgen;  ebenso  alt  ist  die  Anschauung,  die 
beiden  Tage  als  einen  einheitlichen  und  als  uralte  Eimichtung  zu 
betrachten  D^riTrii^  a"is?-in:  r:pn2  ""  rrx'  tts«"*  br  ainrj  sir-^  "^iT 
(j.  Er,  III  Ende,  21  c).  Im  Pentateuch  heißt  der  erste  Tisclu-i  Num.  291 
""""T  S""»,  Lev.  2324  ri~iT  'tz',  daher  in  unseren  Gebeten  DT' 
■("^17"  und  ~"l^r  2"^,  wofür  am  Sabbate  nr'T  "i"*"?  eintritt.  Nur 
in  Pal.  hat  sich  auch  im  Gebete  die  Bezeichnung  ~:r~  CS"'  erhalten. 

2.  Ein  äußerliches  Merkmal,  das  den  Gottesdienst  am  Neujahrs- 
feste von  dem  anderer  Tage  unterscheidet  und  im  Namen  r.r'T  ai"^ 
zum  Ausdruck  gelangt,  ist  das  S  c  h  o  f  a  r  blasen.  Der  Talmud  berichtet, 
daß  msprünglich  das  Schofarblasen  fiühzeitig  beim  Morgengebete 
stattfand,  daß  aber  einmal,  wahrscheinlich  in  politisch  erregter  Zeit, 
die  Römer  jene  Töne  als  Signal  zum  Aufruhr  auffaßten,  daß  sie  darauf- 
hin die  Juden  ül)erfielen  und  niedermachten.  Seitdem  wurde  das 
Schofarblasen  in  den  Musafgottesdienst  verlegt,  weil  an  emer 
späteren  Tagesstunde  über  den  festlichen  Charakter  der  Funktion  ein 
Zweifel  nicht  mehr  aufkommen  konnte  (j.  R.  h  Seh.  IV.  8,  59  c).  Die 
IMisehna  (das.)  trägt  auch  schon  den  neuen  Verhältnissen  Rechnung, 
wenn  sie  verordnet,  erst  beim  zweiten  Vorbeter,  d.  h.  zu  Musaf, 
Scholar  zu  blasen  ("""ppr  ircn).    Die  Folge  der  Neuerung  war  eme 


\fuj:ilirsffsl  14 1_ 

doppelte.  ZimJU'lisl  l'üi'  das  Scliofarblasen;  iiiii  iiiclit  bis  zu  so  später 
Stunde  damit  warten  zu  müssen,  wurde  vor  ilem  Seliol'ar  zu  Musaf 
r";'2T  ]r,Z'Z  ."^T'C  r-"^'pr  das  Hlasen  nach  Seliacliaris  r''y'^'pr 
l^niDT'  imCD  ,nCT>^  ein<>erülirt,  liir  das  man  selion  nni  3(K)  keine 
leehte  I^eji'ründnnii'  mehr  wul.lte.  Sodann  alxT  für  die  Liluriiie.  wie  sich 
gleich  zei<;('n  wird. 

3.  Von  den  (lebeten  (U's  Xenjahrstaftes  heiUt  es  sciion  in  alter 
Zeit,  daß  sie  län<:!;er  sind  als  sonst  im  Jahre  ]r[2  'J^Di^s^'aTr  nsnn  irs 
ri:cn  rs?"!  bxo  nD^n (Tos.  Her.  I,  6).  Die  iMiipfehInno:  an  den  Vor- 
beter, sich  sein  Clebet  vor  dem  lauten  Vortraj'e  zurechtzulegen,  wurde 
ebenfalls  auf  die  Neujahrsgebote  bezogen,  „weil  sie  so  lang  sind" 
(b.  R.  h  Seh.  35  a).  Es  ist  die  Idee  des  (i  o  1 1  es  r  e  ic  h  es .  welche  den 
Charakter  der  Gebete  bestimmt,  am  Xeujahrstage  findet  die  Anerken- 
nung der  Herrschaft  Gottes  über  die  Menschheit  ihren  religiösen  Aus- 
druck; Gott  als  König  vereinigt  die  gesamte  Menschheit  zu  einem  Bunde; 
er  richtet  die  ^Fenschen.  gedenkt  ihrer  Taten  und  bestimmt  ihr  Ge- 
schick; und  wenn  das  Königtum  Gottes  in  der  Gegenwart  noch  nicht 
verwirklicht  ist.  so  wird  er  in  der  Zukunft  seine  Herrschaft  über  die 
ganze  Welt  ausbreiten,  sie  wird  dereinst  bei  allen  Gescliöpfen  An- 
erkennung finden. 

Diese  Gedanken  werden  in  den  drei  Gebetstücken  zum  Ausdruck 
gebracht,  die  dem  Xeujahrstage  eigentümlich  sind.  Die  Xeujahrs- 
tefilla  ist  um  drei  Benediktionen  bereichert,  rriDb'JS  Gott  als  Welten- 
könig, r^r-i3T  Gott  als  Richter,  nncu"  Gott  als  Erlöser.  Trotzdem 
drei  neue  Benediktionen  hinzutraten,  wurden  es  doch  im  ganzen  nur 
neun;  weil  die  r"'"i2bl2  mit  einer  der  anderen  vereinigt  wurden,  im 
nördlichen  Palästina  mit  111  Sil"-  rr—ip,  so  hält  es  noch  später 
R.  Jochanan  ben  Nuri;  im  südlichen  mit  IV  DT^n  nüTip.  so  hält  es 
später  R.  Akiba  und  so  blieb  es  auch;  eine  dritte  Meinung,  die  r^risi 
mit  aiTi  nmp  zu  vereinigen,  fand  nirgends  Anklang.  Wenn  wir 
noch  heute  die  dritte  Benediktion  ^rn  nmp  so  sehr  erweitern,  die 
drei  Stücke  mit  "Dm  (Tins  ir  "Z2-.  --nz  "r  iDm,  [TSi]  l3m 
31p■l^]:)  einschließlich  i^'cr',  einfügen,  und  mit  Ps.  14610  Y''^"^ 
schließen,  so  hat  es  den  Anschein,  als  ob  hier  noch  die  Benediktionen  im 
Sinne  des  R.  Jochanan  ben  Xuri.  im  Sinne  der  Vereinigung  von  nmp 
2rr.  und  r'i'zb'C  vorliegen.  In  Pal.  hat  sich  sogar  die  aus  j.  R.  h  Seh. 
IV,  6  (59  c)  bekannte  Eulogie  'mip-  "rs?"  ro'brn  "^is«  erhalten,  die 
ebenfalls  von  derselben  Art  der  Zusammenziehung  zeugt,  und  nach  dem 


]^42  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Talmud  nur  ini  Musal  des  Xeujahrstages  Verwendung  finden  sollte. 
Die  drei  dem  Feste  eigentümlichen  Stücke  wurden  durch  Schofar- 
töne  unterbrochen,  sie  heißen  darum  auch  ^r:P'^'pr.  Die  älteste  Quelle 
über  die  Komposition  des  Neujahrsgebetes,  die  Mischna  (R.  h  Seh.  IV,  5) 
läßt  in  ilu-er  Fassung  keinen  Zweifel  darüber,  daß  die  Tefüla  in  sämt- 
lichen Gebeten  des  Neujahrstages  gleich  lautete.  Als  nun,  wie  erwähnt, 
das  Schofarblasen  in  die  Musaftefilla  verlegt  wurde,  blieben  auch  die 
riiEiTr  n:i^DT  nii2"::T2  für  Musaf  vorbehalten,  linE  ]r  ■)2m  hin- 
gegen, dessen  Ursprung  vergessen  war,  blieb  in  sämtlichen  Tefillas 
ohne  Unterschied  stehen,  so  daß  wir  in  allen  Tefülas  eine  Ait  von 
niirbia  und  im  Musaf  nun  doppelte  haben. 

4.  Die  drei  Stücke  TCTTa  bestanden  ursprünglich  aus  aneinander- 
gereiliten  Bibelversen;  sie  schlössen  mit  einer  Eulogie,  der  walirschein- 
lich  eine  Bitte  voranging.  Ob  die  älteste  Zeit  auch  bereits  Einleitungen 
besaß  w4e  später,  ist  zweifelhaft.  Jeder  Vers  hieß  nsb^,  IT^rr,  "^E^E; 
die  Zahl  der  zu  vereinigenden  Verse  wird  in  der  Mischna  auf  nicht 
weniger  als  zehn  für  jedes  Stück  festgesetzt,  Jochanan  ben  Nuri  ver- 
tritt die  abweichende  Meinung,  daß  auch  je  drei  Verse  genügten,  und 
es  gibt  eine  amoräische  Anschauung,  wonach  selbst  ein  einziger  Vers 
aus  der  Tora  bei  jedem  der  drei  Gebete  hinreicht.  Geblieben  ist  es 
in  Germ,  bei  je  zehn  Versen  für  rT^Db'a  und  ri'^L^T,  neun  für  r."i:i"i:7, 
in  den  anderen  Riten  sind  es  jedesmal  zehn.  Die  Verse  sind  allen  di'ei 
Teilen  der  Bibel  entnommen,  die  aus  der  Tora  eröffnen  die  Reilie. 
es  folgen  die  aus  Hagiographen  und  Propheten.  Die  Vorschrift,  mit 
einem  Verse  aus  der  Tora  zu  scliließen,  ist  nur  bei  den  r"ii2'~l2  durch- 
geführt, bei  den  anderen  beiden  steht  der  Vers  erst  vor  der  Eulogie, 
was  in  Pal.  auch  bei  den  m^Db^a  rier  Fall  ist.  Ausgesclüossen  sind 
Verse,  deren  Inhalt  eine  Straf  andre-.,  ung  bildet.  Im  Talmud  werden 
brauchbare  und  unbrauchbare  Verse  besprochen;  es  muß  auffallen, 
daß  von  den  für  zulässig  erklärten  Versen  mit  npB  keiner  Aufnahme 
fand,  obwolü  an  geeigneten  Versen  für  die  '■':'"""T  kein  Überfluß 
bestand.  Es  ist  beachtenswert,  daß  die  Tannaiten  der  Restaurations- 
zeit (nach  140)  über  die  Auswahl  der  Verse  verschiedener  Meinung 
sind,  wie  überhaupt  damals  über  die  Komposition  des  Neujalu^sgebetes 
viel  verhandelt  wurde,  ein  Beweis  dafür,  daß  es  erst  in  jener  Zeit  eine 
feste  Form  erhalten  hat.  Die  in  den  Gebetbüchern  enthaltenen  Verse 
stimmen  alle  übercin,  von  den  im  Talmud  besprochenen  sind  nur 
wenige  darunter;  Pal.  hat  einige  Verse  mehr  als  Vulg. 


Neujahrsfest  143 

ö.  Den  Bibelversgrui)|)en  geht  gegeiiwärtie;  eine  Einleitung 

in  liyiMiiiscIier  Fassung  voran,  vor  ri^^sbr  haben  wir  n^cb  "irbr  und 
T:  --"p:  p  :>',  vor  r^r-"2T  das  hdit  nri«,  vor  niEic  endlich  nrs 
ri'rj:.  Die  Einleitungen  sind  in  allen  Riten  seit  Amr.  gleichlautend. 
Über  ihre  pjitstehungszt'it  sind  wir  nicht  unterrichtet,  die  im  Mittel- 
alter umlaufenden  Sagen  über  das  hohe  Alter  von  Tbr  können  uns 
wenig  helfen.  Aus  dem  Anfange  von  IDIT  nrs  wird  in  j.  K.  hScIi.  1,  3 
(57  a),  j.  Ab.  Zara  1,  2  (39  c,  vgl.  auch  b.  R.  hSch.  27  a)  nbnn  an^n  nr 
miabl  'S'^-^rc  a-T^irni:  ....  T^rjr  angeführt.  Als  Quelle  des  Zitates 
ist  11  "^21  sr"'ipr  genannt,  es  kann  keine  Frage  sein,  daß  damit  nicht 
etwa  nur  der  eine  Satz,  sondern  die  ganze  6«r"ipr.  Rab  bezw.  seiner 
Schule  zugewiesen  werden  soll.  üi)er  den  Ursprung  der  beiden  anderen 
Einleitungen  ist  damit  nichts  ausgesagt,  da  aber  der  Stil  und  die  Aus- 
drucksweise der  drei  Stücke  ziemlich  gleichartig  sind,  da  ferner  die 
eifrige  Tätigkeit  Rabs  für  den  Gottesdienst  auch  sonst  bezeugt  ist, 
dürfte  die  Annahme  nicht  allzu  gewagt  sein,  daß  die  Einleitungen  zu 
r"T72  sämtlich  von  Rab  stammen.  Das  schließt  nicht  aus,  daß  die 
Stücke  auch  hier  und  dort  Überarbeitungen  erfahren  haben.  Freilich 
müßte  das  vor  der  Zeit  von  Amr.  liegen,  denn  seitdem  stimmen  sie 
sämtlich  bis  auf  die  üblichen  kleinen  Abweichungen  im  Wortlaut 
überein. 

Sie  sind  dem  Verfasser  nicht  alle  in  gleicher  Weise  geglückt,  die 
zu  den  rrsb'C  zeichnet  sich  durch  Einheitlichkeit  und  Erhabenheit 
des  Gedankens,  nicht  minder  dm-ch  Schönheit  des  Ausdruckes  aus; 
möglicherweise  konnten  da  ältere  Vorlagen  benutzt  werden,  sicher- 
lich ist  in  der  Bitte  das  ab^rn  bD  b"  i^iz  aus  Pal.  verwertet,  das  dort  an 
allen  Festen  gebräuchlich  ist.  Der  Schluß  r)25«  ['iDbr]  T^m^  paßt 
nur.  wenn  ein  Bibelvers  vorangegangen  ist,  die  Eulogie  bD  rr  "b'C 
"■"Sn  ist  durch  die  Verbindung  von  21"^"  rc^ip  und  niDbr  bedingt, 
in  "Z-iJ  ~rs  ist  der  Hymnus  am  Anfang  ebenfalls  von  rühmenswerter 
Schönheit,  wenn  auch  allzu  häufig  derselbe  Gedanke  wiederholt  wd.  Der 
Übergang  zu  den  Bibelversen  hingegen  ist  offenbar  aus  der  Verlegenheit 
hervorgegangen;  die  ganze  Auseinandersetzung  von  Xoah  und  der 
Sintflut  ist  nur  hineingebracht,  um  eine  Anknüpfung  an  den  ersten 
der  angeführten  Verse  Gen.  81  zu  finden,  sie  paßt  zum  folgenden 
durchaus  nicht.  Ebenso  scheint  in  der  Bitte  die  Erinnerung  an  die 
Opferung  Isaaks  (~"p:^)  nicht  zum  ursprünglichen  Texte  zu  gehören; 
der  ini  Anschlüsse  daran  angefülu-te  Vers  Lev.  2645  hat  nichts  damit 


1^44  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

zu  tun  und  könnte  sich  ohne  weiteres  an  den  vorhergehenden  Satz 
anschüeßen ;  nicht  minder  fremdartig  sind  hinter  dem  Verse  die  Worte 
■iiDTr  ai^n",S  STTi  ir^rb  pnisi  r.i'py'i,  die  ebenfalls  den  Übergang 
zur  Eulogie  stören.  In  der  ältesten  Zeit  wurde  vielleicht  einmal  rÖ7^ 
s«!"''  als  Bitte  verwendet,  die  häufige  Wiederkehr  der  Ausdrücke 
-IDT,  'ipS  würde  das  selir  begreiflich  machen ;  eine  alte  Xacliricht  über- 
liefert ausdrücklich,  daß  das  Gebet  nur  in  den  n:Ti37  des  Neujahrs- 
festes enthalten  war.  In  r"^:5:  ~rs  ist  aussclüießhch  auf  die  Offen- 
barung am  Sinai  Rücksicht  genommen,  während  nach  der  Mehrzahl 
der  angefülirten  Verse,  der  Bitte  und  der  Eulogie  zu  scldießen,  in  den 
nnsm"  mehr  an  die  messianische  Zukunft  gedacht  war.  In  der 
Bitte  bn;;  nEirn  "pr  ist  der  Anfang  wörtlich  gleich  dem  der  X.  Bene- 
diktion der  täglichen  Tefüla  (S.  50);  in  der  Fortsetzung  sind  die 
Worte  irm^M  r".2^.p  rs«  ganz  sinnlos  und  führen  vom  Gedanken 
ab,  in  alten  Texten  heißt  es  tatsäclüich  nur  ~tj12-  71:2""  "C":  zr" 

i;^b:7,inSepli "imrn  i:rn-jnnrr  nn-n  rs  's?  n  ^:b  a-ipT  i:ir^ba . . . 

die  Eulogie  lautet  in  It.  wie  in  Taan.  II,  4  n:?-iir  yizit:. 

6.  Der  ungewöhnliche  Umfang  des  Gebetes  machte  es  zur  Un- 
möglichkeit, es  jedem  einzelnen  als  Pfüchtgebet  vorzusclu-eiben. 
Schon  R.  Ganüiel  IL  erklärte,  daß  das  Gebet  des  Vorbeters  für  aUe 
Teilnehmer  am  Gottesdienste  genügte,  und  drang  gegen  starken 
Widerspruch  mit  seiner  Anschauung  durch.  In  Babylonien  wurde  es 
infolgedessen  Sitte,  daß  beim  stillen  Gebet  die  Gemeinde  lediglieh  die 
sieben  Stücke  der  sonstigen  Neujahrs tefiUa  sprach,  die  Einschal- 
tungen 'ir"7'a  hingegen  nur  vom  Vorbeter  hörte.  Alle  Geonim  stmimen 
in  der  Mitteilung  der  Tatsache  und  der  Anerkennung  ihrer  Zulässigkeit 
überein.  In  Europa  hingegen  war  das  nicht  übüeh,  sondern,  wer 
betete,  sagte  auch  im  stillen  Gebete  alle  neun  Stücke,  wer  sich  auf  den 
Vorbeter  verheß,  sprach  überhaupt  kein  stilles  Gebet.  Da  aber  der 
Eifer  im  Beten  sich  im  Mttelalter  zusehends  steigerte,  bürgerte  es 
sich  ein,  daß  ein  jeder  sein  Gebet  vollständig  sprach,  so  schwer  es 
auch  in  emer  an  Gebetbüchern  armen  Zeit  sein  mochte,  sich  in  den 
Besitz  emes  derart  umfangreichen  Textes  zu  setzen. 

7.  Mit  der  großen  Einschaltung  sind  die  Eigentümlichkeiten 
der  Neujahrs tefilla  nicht  erschöpft.  Auch  die  Benediktion  rr'"p 
ai'iri,  die  allen  Festen  gemeinsam  ist,  weist  einige  Besonderheiten  auf: 
sie  reichen  in  recht  alte  Zeit  zurück  und  einige  Wandlungen  im  Gebet- 
texte sind  damit  verbunden.    So  ist  der  Neujahrs-  zugleich  Neu- 


NiMij;ilirsfost  145 

in  0  n  d  s  tap;,  es  war  eine  Kra^c,  oh  das  im  (!ehet<'  besonders  crwälinl 
werden  ninUte.  In  der  Mischna  (Kr.  111,  Ende)  Icilt  K.  Dosa  h.  Hyr- 
kanos  (vor  100)  aus  dem  Gebote  des  Vorbeters  am  Nciijalirstaf^e  die 
Worte  mii  nin  nnn  innn  Trs«n  2^^  rs  Tnbi«  '-  -:-^-^bnn.  Man 
kann  bezweifeln,  ob  der  Text  rielilii"-  ist,  soviel  ;d)er  steht  lest,  dal.)  hier 
eine  luwähmiiijii;  des  Xeumoiides  im  (lebete  <!;el'ordert  wird.  Die  bab}'- 
loniselien  Amoräer  wollten  davon  nichts  wissen,  sie  erklärten  über- 
einstimmend, daß  eine  besondere  Hervorhebunji;  des  Neumondes 
nicht  erforderlich  wäre  "5?:":";  "jssb  riziy  ins.  '^^rz'.  Auch  im  palä- 
stinischen Talmud  ist  die  Ansicht  vertreten,  wenn  auch  noch  nicht  un- 
bestritten, die  jede  Erwähnung  des  Neumondes  ausschließt  (j.  Schebu. 
I,  7,  33  b).  Im  Traktat  Sofrim  aber,  der  den  |)alästinischen  Ritus 
wiedergibt,  heißt  es  ausdrücklich  XIX,  ö  z-'^n  ^^Z'riz  T^"^::  rr.ir-  ri^^n 
2-^:2^  r.T-  n:r-  ui«-)  ST^n:  n-r.  r-nr.  rs^^n'  nr-  mp  sip^  3"i"j 
~7n  "jT^rT"  ""ET  rpr  und  die  Eulogie  lautet  in  ])alästinischen  Frag- 
menten -^-7'^'  -r'^r  11^271  aiTL'-n  inn^i  a-^iir  "»irsm  :siri  r-piQ 
W^'p  '^snp'ai  S'^mm  nn^r.  Demnach  war  im  palästinischen  Ritus 
die  Erwähnung  des  Neumondes  verbreitet,  ebenso  wurden  bei  der  Rezi- 
tation der  Oj)ferverse  walnscheinlich  zunächst  diejenigen  für  den 
Neumond  23"''ir"n  "^rxnn:  Xuni.  2811 — l")  gesprochen.  Solche  (lebet- 
bücher  muß  es  in  Italien  gegeben  haben  und  von  dort  gelangten  sie 
nach  Deutschland;  sie  hatten  nicht  mehr  die  j)alästinische  Tefilhi  und 
brachten  c~n  irS'^  weder  in  "":  "irr?  noch  in  der  Eulogie,  aber  die  ()j)fer- 
verse  hatten  sie  aufgenommen.  Das  widersprach  der  Tradition,  die  das 
Nichterwähnen  des  Neumondes  auch  auf  die  Oi)ferverse  im  Musaf  auszu- 
dehnen pflegte.  Die  Frage  bildete  in  Deutsciiland  und  Nordfrankreich  im 
XL  und  XII.  Jahrhundert  den  Gegenstand  eifrigster,  zeitweise  heftig 
gefülirter  Kontroverse.  In  Frankreicii  war  es  Brauch,  die  Opferverse 
an  Festtagen  überhaupt  nicht  zu  sprechen  (s.  oben  S.  135),  in  Deutsch- 
land hingegen  wurden  sie  um  1050  durch  Isaak  liaLevi,  Rabbiner  in 
Worms,  eingeführt.  Es  war  nur  folgerichtig,  wenn  jetzt  am  Xeujahrs- 
tage  neben  den  Opferversen  Num.  29 1 — ti  aucli  2rT~n  Ti«""n"i  ge- 
fordert wurde;  die  Anhänger  des  Herkommens  bekämpften  jede  Art 
von  Erwähnung  des  Neumondes,  sie  blieben  zuletzt  siegreich.  Zu- 
nächst hatte  auch  Isaak  liaLevi  seine  Anhänger.  Raschi,  sein  Schüler, 
erklärte  sich  mit  der  Neuerung  einverstanden,  gestattete  jedoch 
auch,  daß,  wie  es  bis  zu  jener  Zeit  geschah,  die  Opferverse  olme  Unter- 
schied überhaupt  fortblieben.    Raschis  Enkel,  Jakob  Tam  (gest.  1171) 

Klbogen.  Der  jiul.  Gottesdienst.  lO 


146  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

ließ  die  Xeumondsverse  weg,  änderte  dafür  aber  den  Scliluß  der  Verse 
dahin  ab,  daß  er  las  ..ainiyir  i^iri  ...  nrn:T2i  TTinn  rby  ^y:^ 
STD^HD  2i~">'ar  iSTül.  Diese  Fassung  ist  in  manchen  Gegenden, 
z.  B.  im  Westen  Deutschlands,  angenommen  worden,  im  allgemeinen 
aber  blieb  die  Erwähnung  des  Neumondes  auf  die  Worte  r'":"  ~ib^ 
nrnS'C'i  iL'^nn  beschränkt. 

8.  iVn  den  anderen  Festen  schließt  3"ii~  rmp  mit  i:S">Trm  ab. 
Lag  ein  Grund  vor,  am  Xeujalu'stage  davon  abzuweichen?  Die  Frage 
hat  sehr  viele  Federn  in  Bewegung  gesetzt.  Von  Sofrim  an  stimmen 
alle  Autoritäten  darin  überein,  daß  es  gesprochen  wird,  und  aUe  Riten, 
mit  Ausnahme  des  deutschen,  haben  es.  Auch  in  Deutscliland  war 
es  übhch,  bis  Isaak  haLevi  es  aufhob,  weü  er  r.D'\'2  rs  .  .  "rstirrn 
T^^n^  nur  für  die  WaUfahrtsfeste  passend  fand.  So  verbreitete  sieh, 
unter  ähnliclier  Begründung,  in  ganz  Frankreich  und  Deutschland  der 
Brauch,  i;5<Tm  wegzulassen.  Man  kann  es  nicht  unberechtigt  finden, 
wenn  darauf  verwiesen  wurde,  daß,  im  Gegensatz  zu  den  Wallfahrts- 
festen, auch  das  Wort  a^l'mm  aus  der  Eulogie  weggefallen  ist;  in  Pal. 
finden  wü'  es  (s.  oben  S.  145). 

Die  Frage  hängt  im  Grunde  mit  der  anderen  zusammen,  ob  dem 
Xeujalirstage  die  Bezeichnung  mi:  3T»  zukommt.  Nach  der  Mischna 
kann  darüber  keinerlei  Zweifel  bestehen,  denn  sie  nennt  das  Fest 
HDirn  irsii  bir  nrj  ar  (R.  h  Seh.  FV,  1,  Er.  III,  Ende).  Auch  Sofrim 
XIX,  5  und  Ann.  haben  DTü  Dli,  It.  und  Seph.  haben  keine  Abweichung 
vom  Wortlaut  der  andern  Feste,  Germ,  und  Rom.  hingegen  lassen  das 
sonst  übliche  nn^irb  ai"!y"n2  usw.  fort.  Es  kam  die  Anschauung  auf, 
daß  das  Neujalu'  als  Gerichtstag,  1in~  ST»,  mehr  ein  Bußtag  als  em 
Festtag  sei. 

9.  Die 'Abweichungen  in  den  drei  ersten  und  drei  letzten  Bene- 
diktionen, insbesondere  die  zahlreichen  Gestalten,  in  denen  III  rr"~p 
0125"  vorliegt,  sind  bereits  in  §  8  behandelt.  Die  Eulogie  von  III 
wkd  nach  babylonischer  Anordnung  (b.  Ber.  12  b)  in  TTiipri  Y-'^" 
umgewandelt,  während  in  Pal.  mpn  "::i5-  erscheint,  häufig  in  Ver- 
bindung mit  "DibTsn  Ti"«;  so  findet  es  sich  auch  in  Rom.  Die  mut- 
maßliche Entstehung  der  Einschaltung  "rnns  ■;■  ]DST  ist  oben  be- 
sprochen. Zu  den  Besonderheiten  der  Tefilla  gehören  ferner  die  Ein- 
schaltungen a-^^ni:  ^:^dt  in  die  L,  *71T2D  "»la  in  die  IL,  nTDi  in  die 
vorletzte  und  a^in  "lEcn  in  die  letzte  Benediktion.  Sie  stammen 
sämtlich  erst  aus  n  a  c  h  t  a  1  m  u  d  i  s  c  h  e  r  Zeit.    Sof.  XIX.  8  wird 


Neujahrsfest  147 

btM'k'litct.  dal.)  CS  mir  mit  .Mühe  <<('laiii;\  die  Kilaiihiiis  liir  ihre  Kin- 
fülirmijr  zu  ctwirktMi,  das  •i.anzo  Miltolaltcr  liimlmcli  wurde  die  Oppo- 
sitiuii  gegen  sie  iiieht  stille,  weil  in  den  eisten  und  letzten  iienediktioncn 
der  Tefilla  Ritten  nicht  stehen  sollten,  aber  die  (leonim  setzten  sich 
sehr  für  diese  Gebetstücke  ein  und  so  erhielten  sie  die  Sanktion. 
Sie  finden  sieh  daher  seit  Amr.  in  allen  Clebelbücliern;  in  Anir.  wird 
n-m  (luich  die  Hilte  f^^ni  idt  irDr^o  ^rns<  eingeleitet,  so  auch  in 
lt.  und  Rom.  In  Seph.  hingegen  finden  wir  stets  mPDl  allein,  in  (ierm. 
^3T  "ii^br  •'rns  nur  bei  der  "Wiederholung  der  Musaftefilla,  was  um 
so  auffallender  ist,  als  es  in  V.  für  alle  Ciebete  gegeben  wird.  Als 
Schlußeulogie  von  D'^'^n  "iBon  zitiert  Hai  Gaon.  aibirn  mrij  ib^?"', 
während  sonst  nur  aibrn  mrt"  bekannt  ist. 

10.  Die  zuletzt  (8,  9)  besproclienen  Abweiciuingen  gelten  natur- 
gemäß nicht  nur  für  Musaf,  sondern  el)enso  für  die  drei  anderen  Te- 
fillas.  Tins  "in  pm  wird,  obwohl  sein  Zusammenhang  mit  den  r^^:r"a 
unverkennbar  ist,  auch  in  denjenigen  Tefillas  beibehalten,  für  die  es 
jene  Einschaltung  nicht  gibt.  Ebenso  wird  in  2"i"»~  rcnp  die  Bitte 
2ri"n  bD  by  "jb^  gesprochen,  die  ebenfalls  zu  den  n^sb^  gehört, 
allerdings,  wie  anderw^ärts  (§  23,5  S.  134  f.)  nachgewiesen  ist,  in  Pal. 
an  allen  Feiertagen  gebräuchlich  ist.  Im  Siddur  Saadjas  wnd  ttz^"^ 
i^n'^i  nur  zu  Musaf  in  den  nriDT  verwendet,  und  wir  haben  ge- 
sehen, daß  auch  das  nicht  ohne  Berechtigung  ist.  In  Babylonien 
war  der  Brauch  ebenfalls  bekannt,  wenn  auch  nicht  allgemein 
verbreitet,  in  Europa  wurde  er,  soviel  wir  weissen,  nur  in  Toledo  befolgt. 

11.  In  allen  sonstigen  Bestandteilen  ist  die  Liturgie  für  das 
Neujahrsfest  die  gleiche  wie  für  alle  Feiertage.  Mit  Ausnahme  der 
Psalmen  und  Bibelverse  natürlich.  Der  Psalm  ist  nach  Sof.  XIX,  2 
Ps.  47;  zu  Musaf  wurde  (b.  R.  h  Seh.  30  b)  Ps.  81,  zu  Mincha  Ps.  29 
verwendet.  Vor  der  Abendtefilla  liest  It.  wie  an  allen  Festen  Lev.  23  4. 
Seph.  Num.  10  lo,  Rom.  Xum.  291,  Germ.  Ps.  814.  Am  Abend  wird 
Kiddusch  gesprochen;  der  Wortlaut  weicht  vom  Kidduscli'der' Fest- 
tage in  den  auch  in  der  Tefilla  geänderten  Ausdrücken  ab.  |Xacli 
Schacharis  und  Mincha  wird  irsbr  "mx  gebetet,  nur  an^  Sabbaten 
fällt  es  aus.  Die  Litanei,  deren  Verse  sämtlich  mit  ':3bT2  TIS  an- 
fangen, geht  auf  ein  Gebet  des  R.  Akiba  zurück,  das'er  einmal  bei 
Gelegenheit  eines  Fastens  wegen  anhaltender  Dürre  vorgetragen  hat: 
"a  rs«  255  ^,:y:'c  ^ms«  T^rcb  -rs-jn  -iDb-c  ims«  ■n25?i!sn-'p7  '"^  t""' 
■•rriTCim  npTJ:  i:t2-  nc7  2-^r  j-c  (b.  Taan.  25]  b).    Die  beiden  Sätze 

10* 


148  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

bilden  noch  heute  Anfang  und  Ende  des  Gebetes.  Bei  dem  losen  Cha- 
rakter der  Litanei  war  es  sehr  leicht,  Sätze  einzuschalten,  und  das 
ist  in  reichem  Maße  geschehen.  Schon  Amr.  enthält  25  Sätze,  ebenso 
viel,  wenn  auch  in  einigen  abweichend,  hat  Seph.,  einige  mehr  It. 
und  Rom.,  am  meisten  Germ.,  wo  seit  den  letzten  Jahrhunderten 
auch  der  für  den  Glauben  gefallenen  MärtjTer  gedacht  wird.  Im 
^Mittelalter  wurde  T.Zib'a  ims«  in  Seph.  nicht  gesprochen,  hingegen 
war  es  dort  übhch,  daß,  wie  bei  Ami'.,  jedesmal  bei  Wiederholung  der 
Tefilla  vor  Scliluß  lir'aiir  üvn  eingefügt  wurde;  eine  alphabetische 
Litanei,  von  der  Amr.  nur  die  erste  Hälfte  hat,  die  deutschen  Ge- 
meinden haben  nur  w^enige  Verse  vom  Anfang  und  Ende  beibehalten 
und  rezitieren  sie  ausschließhch  zu  Musaf.  It.  und  Rom.  kennen  sie 
nicht. 

Zur  Schriftvorlesung  vgl.  §  25. 

Mit  der  Auffassung  des  Neujahrsfestes  als  Bußtag  hing  es  zu- 
sammen, daß  am  Beginn  des  Mittelalters  viele  sogar  fasteten,  und 
wenn  das  später  auch  für  den  ersten  Tag  untersagt  wurde,  blieb  es 
doch  am  zweiten  gestattet,  bis  man  unter  Berufung  auf  Xeh.  810  es 
auch  an  diesem  verbot.  Aber  im  Verhalten  beim  Gebete  blieb  der 
Bußcharakter  vielfach  gewahrt,  und  auch  die  an  Fast-  und  Bußtagen 
üblichen  nni'::c  wurden  in  den  südlichen  Ländern  auf  die  Neujahrs- 
tage übertragen. 

12.  Die  Tage  vom  Neujalirs-  bis  zum  Versöhnungstage  werden  als 
die  zehn  Bußtage  rQitT.  i'ai  niir:;  zusammengefaßt.  Die  Einschal- 
tungen in  die  zwei  ersten  und  zwei  letzten  Benediktionen  der  Tefilla. 
die  Änderung  der  Eulogien  in  mpn  i^-izn  (III),  iZErrn  "T':;'an  (XI)  und 
aibffin  r\W\y  (XIX)  sowie  liD':;^  i;->li?  nach  der  Wiederholung  der 
Tefilla  werden  an  ihnen  allen  gleichmäßig  angewendet.  Im  Zeitalter 
der  Geonmi  war  es  ferner  bereits  üblich, .an  diesen  zehn  Tagen  Vi- 
gilien  zu  halten  und  ähnliche  Gebete  wie  an  den  Fasttagen  zu  sprechen! 
rirribD  (vgl.  §  33).  Bereits  um  das  Jahr  1000  wurden  solche  Früh- 
gottesdienste stellenweise  schon  vom  1.  Elul,  in  anderen  Gegenden 
vom  15.  Elul  ab  täglich  gehalten.  Die  Bräuche  waren  sehr  verschieden. 
in  Germ,  war  es  übhch,  am  Sonntage  vor  dem  Neujalu-stage  zu  beginnen, 
wenn  er  mindestens  vier  Tage  vom  Feste  entfernt  war,  sonst  eme 
Woche  zurückzugehen.  Neuerdings  ist  die  Zalil  der  SeUchottage  und 
die  Länge  der  Gebete  beträchtlich  eingeschränkt  worden.  Die  Sitte, 
den  Gottesdienst  bereits  in  der  Nacht  zu  beginnen,  hat  in  westlichen 


Versöhnungstag  149 

LäiKlcni  solhst  in  den  konservativsten  (lenieiiulen  aiilf^elKirt.  Wie 
mit  den  Bußjijeheten,  so  l)e<;ann  man  mit  dem  Scliolarhlasen  schon 
am  1.  i^lul;  dei-  Hiaiieli  hat  allp;emeine  Verbreitung^  f^efunden  und  ist 
erst  neii(M(liii<i:s  in  rel'oiinieiten  (iemeiiKh'n  aiiüer  acht  j^elassen  worden. 
Das  Schol'arl)lasen  erl'ol<;le  am  Schhisse  (h>s  Mori;"en<^ehetes  oiine  J^ene- 
diktioiK  in  denn,  spricht  die  Gemeinde  (hiiaiif  l's.  27. 

B.   Der  Versöhnungstag. 

1.  Der  N'ersöiinnngstau,'  a-iniSDn  Dti  (i<m  S'ar^)  ist  ein  Taff 
mit  lang  ausgedehntem  Gottesdienste.  Schon  Philo  berichtet,  daß  die 
(iemeinde  den  ganzen  Tag  iil)er  im  Gebete  verliarrt.  Audi  in  Palästina 
betrachtete  man  den  Gottesdienst  am  Versöhnungstage  als  den  längsten 
der  bekannt  war,  und  wenn  man  ein  Gebet  als  recht  umfangreich  dar- 
stellen wollte,  so  verglich  man  es  mit  der  Liturgie  des  Versöhnungs- 
tages ni"!1£Dn  a':-'  "»"dd  ib'^SS«.  Wann  man  dort  begonnen  hat,  den 
Gottesdienst  auf  den  ganzen  Tag  auszudehnen,  läßt  sich  nicht  genau 
feststellen,  aber  bereits  von  R.  Akiba  wird  mitgeteilt,  daß  er  den  Got- 
tesdienst unterbrach,  um  den  Leuten  Gelegenheit  zu  geben,  in  ihre 
Häuser  zu  gehen.  Auch  aus  der  amoräischen  Zeit  wiid  von  solchen 
Pausen  im  Gottesdienste  berichtet,  die  darauf  schließen  lassen,  daß 
man  im  allgemeinen  den  ganzen  Tag  mit  Gebeten  ausfüllte.  So 
zählte  man  schon  in  der  ältesten  Zeit  die  Liturgie  des  Versöhnungs- 
tages zu  denjenigen,  die  über  das  gewöhnliche  Maß  hinaus  ver- 
längert werden  D"nT>  b»  niDin . . .  "jnn  'i'^D'^nji^sTü  rnDnn  ibs.  Der  Gottes- 
dienst am  Versöhnungstage  unterscheidet  sich  ferner  dadurch  von 
dem  des  ganzen  Jahres,  daß  es  an  ihm  ein  Gebet  gibt,  welches  sonst 
niclit  üblich  ist,  das  Neilagebet. 

2.  Das  Gebet,  welches  für  den  Versöhnungstag  charakteristisch 
ist,  ist  das  S  ü  n  d  e  n  b  e  k  e  n  n  t  n  i  s  "'TT!.  Dasselbe  hat  in  seiner 
Form  und  seinem  Inhalt  große  Wandlungen  durchgemacht.  AVir 
finden  es  in  der  Bibel  beim  Sühneakt  des  Hohenpriesters  erwähnt 
(Lev.  1621);  die  Tannaiten  erörtern  die  Frage,  wie  jenes  Sündenbe- 
kenntnis wohl  gelautet  haben  mag,  und  stellen  auf  Grund  des  biblischen 
Sprachgebrauches  eine  Fassung  fest.  Die  so  gewonnene  einfache 
Formel  aber  ^rrcs  TMy  "^ra^Zin  ist  nur  bei  der  Darstellung  des 
Kultus,  den  der  Hohepriester  im  Tempel  verrichtete,  beim  Seder  Aboda, 
gebräuchlich.  Ein  anderes  ist  das  Sündenbekenntnis,  das  zur  Tefilla 
gehört,  welches  der  Vorbeter  innerhalb  der  Tefilla,  der  einzelne 


150 


Beschreibung  des  Gottesdienstes 


als  Anhang  zu  derselben  spricht.  Bekannt  ist  das  Sündenbekenntnis, 
das  zur  Tefilla  gehört,  schon  den  Tannaiten,  sie  fordern  zum  Teil 
sogar  eine  Aufzälilung  der  Sünden  hn  einzelnen;  von  einer  Formel 
für  das  Bekenntnis  wird  aber,  wie  das  bei  so  vielen  liturgischen  Stücken 
der  Fall  ist,  erst  von  den  ersten  Amoräern  gesprochen ;  b.  Joma  87  b 
werden  von  mehreren  Autoritäten  des  IIL  Jahrhunderts  verschiedene 
Formeln,  die  für  das  Bekenntnis  damals  in  Anwendung  kamen,  mit  Stich- 
worten zitiert.  Einige  davon  sind  jetzt  kaum  mehr  genauer  zu  ergründen, 
andere  wiederum  finden  im  heutigen  Ritual  bei  anderen  Gelegenheiten 
oder  am  Versöhnungstage  an  anderen  Stellen  Verwendung.  Im  Sünden- 
bekenntnis stehen  geblieben  sind  die  beiden  Stücke,  die  von  Rab  und 
Mar  Samuel  angeführt  werden,  nämlich  sb"^"  "it"^  ""i"'  ~ri«  und  bis« 
'rs'jn  "^rnri«.  Allein  die  im  Talmud  genannten  Stücke  sind,  was 
\\iederum  keine  ungewöhnliche  Erscheinung  ist,  in  der  Folgezeit  außer- 
ordentlich erweitert  worden,  ^:i«"L:n  ';n:i?  bis«,  das  von  Mar  Samuel 
als  besonders  wichtige  Stelle,  ja,  \ne  es  scheint,  geradezu  als  der  Kern 
des  Sündenbekenntnisses  betrachtet  wurde,  bildet  den  Schluß  einer 
Einleitung  mit  der  Bitte  llrbsr  "jissb  i?in,  auf  die  das  alphabetische 
Bekenntnis  "rbij  inSil  i:)2Trs  folgt.  Schon  bei  Ann.  finden  wir 
den  heute  noch  gebräuchlichen  Wortlaut,  der  Text  lautet  in  allen 
Riten  gleich,  wenn  er  auch  hier  und  da  noch  um  das  eine  oder  andere 
Wort  erweitert  ist.  Diese  Übereinstimmung  und  die  alphabetische 
Anordnung  machen  es  walu-seheinlich,  daß  das  Stück  aus  dem  letzten 
Jahrhunderte  der  Amoräerzeit  stanmit.  Daran  sdüießen  sich  in  den 
Gebetbüchern  T"in::)2'a  "rno  und  iri:~  i^nn  7D  by  p^ns  nnai,  die 
beide  aus  Bibelstellen  verarbeitet  smd.  Xun  erst  folgt  das  von  Rab 
erwähnte  2"::i7  iT"!  y^n"^  T^rü  mit  einer  neuen  Bitte  um  Sündenver- 
gebung, die  aus  j,  Joma,  Ende  (45  c)  übernommen  zu  sein  scheint. 
Hieran  reiht  sich  eine  nochmalige  Aufzählung  der  Sünden  in  der  Litanei 
s^'jn  "::~,  die,  nach  ihrem  Aufbau  zu  schließen,  ebenfalls  aus  dem  V.  Jahr- 
hunderte stammen  wird.  Bei  Amr.  finden  wü-  nur  ganz  wenige  b7 
Sun,  acht  Sätze,  die  in  ganz  allgemeinen  xVusdrücken  von  begangenen 
Sünden  reden  "ints  ,33nr3  ,"'V:;3n  ,"irD3,  In  einer  jüngeren,  aber 
da  alle  Riten  darin  wiederum  übereinstimmen,  nicht  viel  jüngeren 
Fassung  wiu-de  daraus  ebenfalls  eme  Aufzählung  in  alphabetischer 
Reilienfolge  gemacht;  in  Germ,  hatte  man  sogar  daran  noch  nicht 
genug  und  verdoppelte  das  Alphabet.  Zum  ältesten  Bestände  gehören 
die  seit  Ami\  in  allen  Liturgien  auf  das  Alphabet  folgenden  Stücke 


Versöhnungstag  151 

mit  ^"^X'jn  rr,  die  aiil'  die  lür  W'r^eliiingon  bcstiiiiintcii  StralVn  oder 
Opfer  Bezug  neliineii.  Abgeschlossen  wird  das  Bekenntnis  mit  dem 
von  R.  Hainnima  in  b.  JomaST  b  genannten  "'S'iD  -»rs  TiSi:  xblT  ir. 
Während  in  allen  anderen  Riten  das  Alphabet  ohne  Unterbrechung 
einhergeht,  wird  in  (ierin.  hinter  den  Buchstaben  "^  ,r  ,r  die  Bitte 
2^3  bri  eingeschoben.  In  neueren  Liturgien  ist  dieses  lange  Be- 
kemitnis  wesentlieli  vcMkürzt  und  auf  di(^  wenigen  ganz  allgemeinen 
Sätze  bei  Anir.  beschränkt  worden. 

Das  Bekenntnis  ist  für  alle  Tefillas  des  Versölmungstages  vor- 
geschrieben, sogar  schon  für  das  Minchagebet  am  Küsttage  (Tos. 
Jom  ha  Kipp.  V,  14,  S.  191).  im  Mittelalter  bezeichnete  man  n:T2Trs5 
als  SUIT  ^m,  Sun  i:^  als  stni  ^m.  im  frühen  Mittelalter  scheint 
man  das  Bekenntnis  mit  einer  besonderen  Eulogie  "inbon  bsn  ver- 
sehen zu  haben;  Saadja  kannte  sie  und  sprach  sich  gegen  sie  aiis,  die 
Kulogie  ist  in  keinem  Ritus  zu  finden.  Es  ist  bereits  erwähnt,  dali, 
wälu-end  die  Gemeinde  das  Sündenbekenntnis  hinter  den  Schluß  der 
Tefilla  setzt,  der  Vorbeter  es  innerhalb  derselben,  vor  dem  Abschlüsse 
von  2"i^~  rimp  spricht. 

3.  Abgesehen  von  dem  Bekenntnisse  trägt  die  Tefilla  denselben 
(Charakter  wie  die  des  Neujalirstages.  Sie  enthält  die  Einschaltungen 
innerhalb  der  zwtI  ersten  und  letzten  Benedilitionen,  seltsamerweise 
auch  Tins  ]r  'iD^'"  in  der  dritten.  Die  Erwähnung  des  Festes  ge- 
schieht nach  Sof.  XIX  6  und  so  in  Pal.  mit  den  Worten  mi'p'Q  aT>3 
nrn  iirn  rb-'n^c  a-^^n  nin  ^iTvn  21:2  ^'■'n  nr-  cnp.  Die  Eulogie 
vonaiin  nn"p  hatte  ihr  Vorbüd  in  dem  Gebete,  das  der  Hohepriester 
nach  vollzogenem  Kultus  un  Tempel  sprach;  eineseiner  Bitten  schloß 
mit  den  Worten  a^'cn-'n  bs-rri  Tay  m:ij  bmr  (j.  Joma  VII,  1, 44  b). 
AVeit  ausführlicher  lautet  die  Formel  in  Sof.  imrrb  nbiDT  bma 
l'^sn  br  br  Y-^  zn-^rrs  b"  ^z2-ni  a^rn-^i  bii-'TEi  la^  n;iybi 
r-p  ■^s-ip'ai  a"i:ttTm  a-^^iEDn  312:1  bs^-^c^  ■anp'c.  Amr.  hat  beides 
abgekürzt,  die  Erwähnung  des  Festes  lautet  bei  ihm  2"ii  'E2n  2ii 
T7~  rn->bc  21"^  r-p  m^.'p'c,  die  Eulogie  -rrirrb  nbici  bma  Y'^a 
V"isn  b3  b7  Yr^  n:iri  niir  bsn  irri'acii  ^^nm  bsiir^  iü7  m:irbi 
Zi-^^ED-  2111  b5?-r"i  ripis.  So  ist  es  in  allen  Riten  geblieben;  die  Er- 
wähnung des  Festes  allerdings  ist,  da  inz\nschen  i:b  "jm  für  alle 
Feiertage  geändert  wurde  (S.  134)  ebenfalls  verändert  worden.  Strittig 
war  lange  der  Anfang  der  Bitte  am  Sclüusse  von  ai-^n  rr"-p;  daß 
':S"icrT:    wegfiel,  darüber  herrschte  Einigkeit,   fraglich  war  nur.  ob 


252  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

die  Bitte  mit  T"":i2  oder  mit  "rr"'""::  b-rrc  beginnen  sollte.  Amr. 
hat  nicht  "Tlv^,  während  ibn  Gajjat.  der  sich  walu'scheinhch  an 
Saadja  anlehnt,  es  bringt.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  geht  die 
Differenz  anf  einen  Unterschied  zwischen  Palästina  und  Babylonien 
zurück;  in  Pal.  hatte  man.  wie  an  allen  Festen  auch  am  Versölmungs- 
tag  T'b'x:,  wälu'end  man  es  in  Babylonien  ausfallen  ließ.  Die  Folge- 
zeit hat  sich  nach  den  Babyloniern  gerichtet  und  TT"'::  b""":; 
angenommen.  Ebenso  war  strittig,  ob  i^l'^'  nb"^  in  der  TefiUa  ge- 
sprochen werden  sollte.  Amr.  hat  es  ebenfalls  nicht,  auch  hier  düi-fte 
der  Ursprung  der  Verschiedenheit  derselbe  sein,  der  Erfolg  jedoch 
war  diesmal  der  entgegengesetzte,  denn  i?!"'":  n"::""'  ist  in  allen  Riten 
gebheben.  Sämtüche  strittigen  Stücke  bringt  Seph.,  zunächst  bnma, 
dann  i«n">l  rib"i  und  endhch  ^^""'2.  Am  Anfange  der  Tefilla  vor  "12 
erwähnt  Amr..  ähnlich  wie  an  Sabbaten,  die  Einschaltung  des  Satzes 
nrn  D"nT>  rs  a-i;nb  bn:-'  m^..  der  sich  jedoch  nii-gends  erhalten 
hat.  Auf  die  Tefilla  folgt,  "s\ie  am  Neujalu-stage,  i:Dbi2  T^S,  zu 
Mncha  lassen  \dele  Gemeinden  es  fort. 

4.  In  allen  übrigen  Punkten  unterscheidet  sich  der  Gottesdienst 
nicht  von  dem  anderer  Festtage.  Amr.  beginnt  das  Abendgebet  wie 
auch  sonst  mit  ü-n*^  5«-m.  Als  Psalm  sind  Sof.  XIX.  2  Ps.  103  und  130 
genannt.  Bei  Amr.  sind  beim  Morgengottesdienste  die  Sabbatpsalmen 
wesentüch  vermehrt,  alle  sogenannten  Bußpsalmen  sind  aufgenommen : 
17,  25,  33.  65.  51.  67,  103.  104,  späterhin  wurden  die  Zusatzpsalmen 
abwechselnd  zwischen  die  gewölmhchen  gestellt.  Vor  der  Tefilla  des 
Abendgebetes  hat  It.,  wie  an  sämthchen  Festen.  Lev.  23  4,  Seph.  und 
Germ.  Lev.  1630,  Rom.  Xum.  297  nebst  Lev.  1630  oder  Lev.  2332. 

5.  Eine  besondere  Eigentümlichkeit  des  Versöhnungstages  ist 
sein  fünftes,  das  Xeilagebet.  In  der  ältesten  Zeit  war  es  ebenfalls  ein 
tägliches  Gebet,  der  Maamad  im  Tempel  zu  Jerusalem  vereinigte 
sich  dermal  täglich  zum  Gebet,  das  letztemal  zu  2">"'"ir  rb"'":,  d.  h. 
km"z  bevor  die  Tore  des  Tempels  geschlossen  wurden.  Von  der  Zeit- 
angabe hat  das  Gebet  seinen  Namen  erhalten.  Außerhalb  des  Tempels 
kannte  man  dieses  Schlußgebet  nur  an  den  öffentlichen  Fasttagen, 
Während  aber  aus  der  sonstigen  Liturgie  jede  Spur  von  Xeila  ge- 
schwunden ist.  hat  sich  am  Versöhnungstage  das  Gebet  erhalten. 
Es*hat  einen  besonders  feierlichen  Charakter  dadurch  erhalten,  daß 
mit  ihm  der  große  Tag  zu  Ende  geht  und  die  Stunde  der  Sünden- 
vergebung im  eigenthchen  Sinne  gekommen  ist.    Die  alte  Auffassung. 


Versöhnungsta^'  153 

(laß  zu  Nc'ila  der  rrloilsspnicli  iihor  den  Mcusclicii  hcsicf^clt  wird, 
hat  i'inigc  VcM-äiuk'riiii^vu  in  der  'IVI'illa  licivorgcrid'cii;  s(i  wird  idx'rall 
■'I'arn  j^jesetzt,  wo  i:nr3  steht.  Im  id)rifj;on  stiiiitiit  (h'r  Wurtiaiii 
ih'r  Tt'filla  mit  dem  des  voraiiiic^aiiiiciicii  Miiicha^chctcs  iihcrciii. 
Vorändort  ist  nur  das  Süiidenhokennlnis.  Zu  Acila  fällt  die  J^itanci 
S-jn  br  aus,  an  zöiy  ^n  ^mi  nrs«  schließt  das  Gebet  1^  in:  nrs 
an.  Der  Kern  des  Stückes  il'^'^n  nia  i:«  nia  stammt  ebenfalls  aus  b.  Joma 
S7  b;  tatsächlich  beo;innon  Maim.  und  Sepli.  bis  zum  heutifien  Taf^e  mit 
diesen  Worten.  Alle  anderen  Hiten  liint>e<ijen  haben  auch  die  schwunu- 
voUe  Einleitung-  'rv.  r^m.  1  )er  Wortlaut  ist  überall  der  gleiche,  wir 
geilen  kaum  fehl,  wenn  wir  die  Abfassung  des  Clebetes  in  dieselbe 
Zeit  etwa  verlegen  wie  die  Einlagen  in  die  Tefilla  des  Neujahrsfestes. 
Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  ]n:  nrj?  eine  Dublette  zu  dein 
folgenden  rbinn  nrs«  oder  daß  das  eine  ])alästinischen,  das  andere 
babylonischen  Ursprungs  war.  Der  Tefilla  des  Xeilagebetes  wird 
T"':::  i«n"  ^nrs  vorausgeschickt,  wie  es  sonst  vor  Mincha  üblich  ist. 

Über  die  Schriftvorlesung  am  Versöhnungstage  vgl.  §  25,  26. 

G.  Zur  Liturgie  des  Versöhnungstages  gehören  seit  ältester  Zeit 
einige  Bestandteile,  die,  ohne  Staninigebete  zu  sein,  doch  in  allen 
Riten  gleichmäßig,  wenn  auch  nicht  immer  im  selben  Wortlaute  an- 
zutreffen sind.  Der  Versöhnungstag  ist  ein  Fasttag.  Infolgedessen 
finden  wir  die  Einschaltungen  für  die  Fasttage,  nn'^ro.  im  Anschlüsse 
an  alle  fünf  Gebete  des  Festes.  Ferner  ist  seit  alter  Zeit  —  zumindest 
seit  dem  IV.  Jalu-hundert  —  der  Brauch  nachzuweisen,  iin  Anschluß 
an  die  Tefilla  einen  n-'^r  ■'-c,  das  ist  eine  Wiedergabe  des  Kultus 
im  Tempel  zu  Jerusalem,  in  mehr  oder  minder  freier  Bearbeitung 
vorzutragen.  Ursprünglich  wahrscheinlich  mit  mehreren  Tefillas  ver- 
bunden, wurde  die  Aboda  späterhm  auf  die  Musaftefilla  beschränkt. 
Wir  werden  von  der  Abodaliteratur  später  ausführlich  zu  sprechen 
haben  (§  32). 

7.  Endlich  aber  ist  hier  derjenige  Zusatz  zu  erwähnen,  mit  dem 
der  Abendgottesdienst  eingeleitet  wird  imd  nach  dem  der  Abend  des 
Versöhnungstages  vielfach  benannt  wird,  ""i":  72.  Er  enthält  eine 
Erklärung,  durch  die  alle  im  Laufe  des  Jalu"es  in  irgendeiner  Form 
übernommenen  persönlichen  Gelübde  aufgehoben  werden,  und  hat 
demnach  mit  dem  Gedanken  und  der  Liturgie  des  Versöhnungstages 
nichts  zu  tun;  nur  sein-  gezwungen  läßt  sich  eine  Verbindung  her- 
stellen.   Wann   das  Stück  entstanden  und  wann  es  in  die  Liturgie 


154  Beschreibung  des   Gottesdienstes 

aufgenommen  ist,  so  daß  eine  rein  persönliche  Angelegenheit  Sache 
der  Gemeinde  wm^de,  können  w  nicht  melir  feststellen.  Sein  Ur- 
sprung muß  in  den  ersten  gaonäisclien  Jahrhunderten  und  außerhalb 
Babyloniens  liegen:  seitens  der  babylonischen  Geonim  stehen  vom 
IX.  Jahrhundert  ab  Äußerungen  zur  Verfügung,  die  sich  fast  ohne 
Ausnahme,  teilweise  sogar  in  kräftigen  Worten,  dagegen  aussprechen. 
Dennoch  ist  es  in  der  Liturgie  verblieben.  Während  aber  die  Formel 
ursprünglich  sich  auf  die  Vergangenheit,  auf  die  im  abgelaufenen  Jahre 
ausgesprochenen  Gelübde,  bezog  (HT  0->mBD  aT>  nr  nn^TT  a^iiED  aT»^), 
erhielt  sie  auf  Veranlassung  von  Jakob  Tarn  im  XII.  Jalirhunderte  eine 
Umwandlung  für  die  Zukunft  (sn"  a^msD  aii  -J  r.T  a-«ii£D  ar)2). 
In  dieser  neuen  Form  finden  wir  sie  in  Germ.,  während^  Rom.  und  It. 
die  alte  beibehalten  haben;  in  Seph.  hingegen  Avurden  beide  vereint. 
Die  Sprache  von  i"?":  73  ist  in  Germ,  und  Seph.  aramäisch,  in  Rom. 
und  It.  hingegen  ganz  so  wie  in  Amr.  und  in  allen  gaonäischen  Zitaten 
hebräisch.  Wie  viele  unbegründete  Anklagen  ''"nz  bs  im  Laufe  der 
Jalirhunderte  über  die  Judenheit  gebracht  hat,  ist  bekannt;  ein  An- 
laß zu  irgendeiner  im  ethischen  Smne  anstößigen  Auffassung  ist 
nirgends  in  den  Quellen  zu  finden,  da  nach  der  übereinstimmenden 
Anschauung  aller  Autoren  nur  Verpflichtungen  gegen  die  eigene 
Person  oder  Verpflichtungen  in  bezug  auf  rituelle  Verordnungen  der 
Gemeinde  dabei  in  Frage  kommen.  Ebenso  bekannt  ist,  wie  viele 
religiöse  Stimmung  und  Poesie  sich  im  Verlauf  der  Jahrhunderte  mit 
i"n:  72  verbunden  haben  — ,  die  fraglos  nicht  dem  Inhalte  des 
Stückes,  sondern  seiner  Stellung  am  Eingange  der  Liturgie  des  Ver- 
söhnungstages entspringen.  Es  ist  die  Weihe  des  höchsten  Festes, 
die  hier  die  Empfindungen  leitet,  ihr  entsprechen  die  feierlichen  Me- 
lodien, die  Kol  Xidre  weit  über  jüdische  Kreise  hmaus  popidär  ge- 
macht haben.  In  neuerer  Zeit  ist  "'i";:  bz  Aäelfach  durch  andere 
Stücke  z.  B.  Gebete  um  Sündenvergebung  (ii?i:m  i^TöS  i^D)  oder  Ps.  130 
ersetzt  worden. 

Dem  11":  bs  gehen  einige  Zeilen  voraus,  in  denen  nach  altem 
Brauch  für  diejenigen  Gemeindemitglieder,  die  sich  über  die  Gesetze 
der  Gemeinde  hinweggesetzt  hatten  und  infolgedessen  exkommuniziert 
waren  (a->:i"Q"),  für  die  Dauer  des  Versölmungstages  der  Bann  auf- 
gehoben und  der  Zutritt  zum  Gottesdienste  der  Gemeinde  gestattet 
wird  (nb"r  br  nn-^Tr-^n  usw.). 


Kap.  III.   Vorlesung  und  Auslegung  der  Bibel. 

§  25.     Die  Vorlesung  aus  der  Tora. 

Literatur:  Zunz  G.  V.,  Kap.  1.;  Herzteld,  S.  209—215;  Friediiiaiin  in 
Bet  Talmud  III,  S.  6tt".;  Theodor,  Die  Midrascliiin  zum  Peutateut-h  und 
der  dreijährige  palästinische  Cyclus  MS  XXXIV,  1885,  S.  351  ff  ;  Büciiler  A., 
The  triennial  Reading-  of  the  Law  aud  Propliets  iu  JQH  V,  1893,  S.  420  ff. 
Hamburger  II,  1263 ff.:  JE  Art.  Law,  Reading  Irom  the  VII,  647 ff.; 
Triennial  Cyc-le  XII,  254 ff.;  Protokolle  und  Aktenstücke  der  zweiten 
Rabbinerversanniduug,  Prankfurt  a.  I\I.  1845. 

1.  Zu  den  ältesten  liturgischen  Einrichtungen  gehört  die  Vor- 
lesung aus  der  Tora  und  den  Propheten,  ja,  es  ist  sehr  wahrscheinlich, 
daß  die  Schrift  Vorlesung  den  Anlaß  zu  den  ersten  gottesdienstlichen 
Versammlungen  gegeben  hat.  Wie  die  Gebete  hat  auch  die  Schrift- 
vorlesung eine  große  Wandlimg  durchgemacht,  ilire  Entwicklung 
liegt  fast  vollständig  jenseits  der  uns  erhaltenen  Quellen,  wir  können 
sie  aus  ihnen  nm*  durch  Hypothesen  erschließen. 

Gehen  wir,  um  einen  festen  Boden  zu  gewinnen,  vom  heutigen 
Bestände  aus.  In  der  Synagoge  wird  regelmäßig  vier  m  a  1  wöchent- 
lich aus  der  Schrift  gelesen,  am  Morgen-  und  ]VIincha-Gottesdienst 
des  Sabbats  sowie  am  Montag  und  am  Donnerstag  morgens.  Dazu 
kommen  die  Vorlesungen  am  Morgen  der  Feste  und  Mittelfeste,  der 
Neumonde,  Fasttage,  Channukka  und  Purim,  sowie  beim  Xachmittags- 
gottesdienste  der  Fasttage.  Sabbate  und  Feste,  der  Fasttag  des 
neunten  Ab  soyde  Mincha  aller  Fasttage  haben  Vorlesungen  aus  Tora 
und  Propheten,  die  anderen  Tage  nur  solche  aus  der  Tora.  Für  den 
Zweck  der  wöchentlichen  Vorlesungen  ist  die  Tora  in  54  A  b  s  c  h  u  i  1 1  e 
geteilt,  die  der  Reihe  nach  je  einer  an  einem  Sabbatvormittage  zur 
Vorlesimg  kommen  (niDis  ,-no  ,i5-nD  Perikope);  da  nicht  jedes 
Jalir  eine  so  große  Anzahl  von  Sabbaten  hat.  werden  an  einigen  Sab- 
baten zwei  Perikopen  vereinigt.  Die  letzte  Perikope  der  Tora  wird 
am  Schlußtage  des  Hüttenfestes  gelesen,  nach  dem  Feste  beginnt 
der  neue  Zyklus,  Am  Sabbatnachmittage,  Montag  und  Donnerstag 


156  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

gelangt  der  Anfang  der  folgenden  Sabbatpeiikope  zur  Verlesung. 
Für  die  Feste,  Halbfeste  und  Fasttage  sind  ihrer  Bedeutung  ent- 
sprechende feste  Perikopen  bestimmt.  Trifft  eines  der  Halbfeste  oder 
ein  Fasten  auf  einen  Montag  oder  Donnerstag,  so  wird  dessen  Ab- 
schnitt und  nicht  der  laufende  verlesen,  die  Feste  und  Mittelfeier- 
tage verdrängen  sogar  die  laufende  Sabbatlektion;  nur  wenn  Neumond 
oder  Channukka  auf  Sabbat  treffen,  wird  zunächst  die  Sabbatperikope 
und  dann  der  Abschnitt  des  Tages  als  Zusatz  vorgelesen.  Unter  den 
Sabbaten  des  Jalu*es  gibt  es  vier  ausgezeichnete  zwischen 
dem  letzten  vor  dem  Monat  Adar  und  dem  ersten  im  Nisan  (m"^s 
mriE,  auch  213^:7  n"3^i<),  an  denen  neben  der  laufenden  Parascha 
ebenfalls  noch  ein  Zusatz  üblich  ist ;  sie  heißen  nach  dem  Anfang  oder  den 
Stichworten  der  betreffenden  Abschnitte,  ^"öpin  rriE  ."^^DT  ,rns  ,Tr"in-. 
Die  Ausdehnung  der  Vorlesung  ist  verschieden,  an  den  Wochentagen 
ist  sie  kurz,  an  den  Festen  länger,  an  den  Sabbaten  am  längsten.  Die 
Toravorlesung  findet  unter  Beteiligung  der  Gemeinde  statt,  aus  deren 
Mitte  je  nach  der  Bedeutung  des  Tages  mindestens  drei,  aber  auch 
sieben  und  mehr  Mitglieder  zur  Tora  ,, aufgerufen"  werden.  Der  Vor- 
beter liest  einem  jeden  nach  einer  traditionellen  Melodie,  ,,der  m'alt 
hergebrachten  Singsangweise,  Tropp  geheißen",  ein  Stück  vor;  vor 
und  nach  der  Vorlesung  ^^'il•d  von  dem  Aufgerufenen  ein  Segen  ge- 
sprochen. Auch  das  „Ausheben"  der  Tora  aus  der  Lade  und  das 
,, Einheben"  in  dieselbe,  das  Aufrollen  und  Zurollen  geschehen  unter 
Beteiligung  der  Gemeinde. 

2.  Fragen  wü-  nach  dem  Ursprünge  dieser  Institution,  so  berichten 
die  ältesten  Quellen,  daß  M  0  s  e  s  die  Vorlesungen  an  den  Festen  und 
Sabbaten  eingerichtet  hat.  E  s  r  a  hingegen  diejenigen  am  Montag 
und  Donnerstag,  wofür  freihch  auch  die  andere  Fassung  vorkommt, 
nach  der  die  allwöchenthchen  Vorlesungen  auf  die  „Propheten 
und  Ältesten"  zurückgeführt  werden;  für  die  Anordnung  der 
Vorlesung  an  den  Fasttagen,  an  Channukka  und  Purim  felüt  jede 
clironologische  Angabe.  Selbst  die  Tradition  nimmt  demnach  eine 
a  1 1  m  ä  h  1  i  c  li  e  Einfülu-ung  und  Ausdehnung  der  Toravorlesung 
an.  Die  Mise  h  n  a  kennt  bereits  die  Vorlesungen  an  all  denjenigen 
Tagen,  an  denen  auch  heute  noch  gelesen  wird.  Von  feststehenden 
Perikopen  nennt  sie  diejenigen  für  die  ersten  Tage  der  Feste, 
für  sämtliche  Tage  des  Hüttenfestes,  für  Chanukka,  Purim,  Neu- 
mond, Fasttage  und  für  die  \'ier  ausgezeichneten  Sabbate.    Für  die 


ToravnHcsniig  157 

übn<::on  Sabbato,  für  ^loiitaji;  iiiul  Donnerstag  setzt  sie  einen  Z  y  - 
k  1  u  s  ("nc)  voraus,  ohne  sieh  über  dessen  Art  aiiszns|)reehen,  nur 
wird  bemerkt,  dal.)  lediij;lieh  die  l'erikopen  vom  Sabbat inor<,n'n  dafür 
in  Ansatz  kommen  (Mef?.  JIKö—S).  i)i(>  Tosefta  nennt  auch  die 
\'(>rh'sun^en  für  alle  Taiic  des  IVsaehfestes  und  briuj!:t  bereits  ab- 
weiehende  IVrikojjen  für  die  nu'isten  anch-ren  Taj^e  (Mej^.  IV,  5 — 9, 
S.  227.)  In  beiden  T  a  1  ni  u  d  e  u  weiden  die  Angaben  über  die  Peri- 
koi)en  dann  weiter  modifiziert ;  im  babylonischen  treten  die 
l'erikopen  für  die  zweiten  Feiertage  sowie  besondere  Zusatz|)erikopen 
(rcTQ)  aus  den  Opferabschnitten  (Num.  Kap.  28  und  29)  hinzu 
(b.  Meg.  31  a  f.),  dort  wird  ferner  bereits  erwähnt,  daß  in  Babylonien 
der  einjährige,  in  Palästina  der  dreiiährio;e  Zyklus  üblieh  ist  (das.  29  b). 
^lan  kann  sagen,  daß  der  babylonische  Talmud  im  großen  und  ganzen 
diejenige  Gestalt  der  Toravorlesung  voraussetzt,  die  noch  heute  in 
der  Synagoge  vorherrscht.  Allein  einige  seiner  Angaben  und  seine 
Abweichungen  von  den  Bestimmungen  der  Misclma,  so  wenig  erheb- 
lich sie  auch  sein  mögen,  machen  es  zur  Gewißheit,  daß  die  älteste 
Art  der  Toravorlesung  eine  ganz  andere  gewesen  sein  muß.  Versuchen 
wir  zu  ermitteln,  wann  und  was  zuerst  vorgelesen  wurde. 

3.  Die  älteste  A  n  o  r  d  n  u  n  g  über  eine  Toravorlesung  finden 
wir  Dt.  31 10  für  das  Hüttenfest  im  Erlaßjahr  (:npn  vgl.  Sota  VII,  7), 
die  älteste  Nachricht  über  eine  erfolgte  Vorlesung  Xeh.  8,  in  dem 
Berichte  über  die  berühmte  Volksversammlung  in  der  Esra  die  Ge- 
meinde auf  die  Tora  verpflichtete  (444).  Damit  gewinnen  wü*  den 
t  e  r  m  i  n  u  s  a  q  u  o ;  es  kann  kein  Zweifel  darüber  herrschen,  daß 
die  Vorlesung  Esras  den  Anlaß  zur  Einführung  der  Toravorlesung 
gegeben  hat,  wie  ja  auch  die  näheren  Umstände  jener  Vorlesung  in 
der  Synagoge  aufs  eingehendste  nachgeahmt  und  befolgt  wnirden. 
Esras  erste  Vorlesungen  fanden  an  F  e  s  1 1  a  g  e  n  statt,  und  so  wurden 
siciierlich  auch  später  die  ersten  regelmäßigen  Vorlesungen  an 
den  Festen  gehalten.  Da  wurden  die  Bestimmungen  der  Tora 
über  die  Feste  vorgelesen  und  ausgelegt  r^'>rc  ■■^"'^riT  "-  nr'a  nias« 
"n  ■)iü-nn  T'rra  ]-^:w  ['•\y^  T^rii?  r^-^rib  mc-^  rs  iinTn  nrr]  (Sifre 
Dt.  §  127  p.  100  b,  Midr.  Tannaim  p.  89).  Wenn  es  richtig  ist,  daß 
die  ersten  nach  ihrem  Inhalte  festgelegten  Vorlesungen  und  Erläu- 
terungen der  Bibel  infolge  der  abweichenden  Auslegung  der  Festes- 
vorsclu'iften  durch  die  S  a  m  a  r  i  t  a  n  e  r  eingeführt  wm-den,  so  würde 
das  ebenfalls  in  die  Zeit  unmittelbar  nach  Esra  führen.   Der  Talmud 


IqQ  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

hebt  die  Wallfahrtsfeste  als  diejenigen  heraus,  deren  Gesetze  zur  Aus- 
legung gelangen  sollten  (b.  Meg,  Ende);  sie  waren  es  auch,  auf  die  sich 
die  Polemik  der  Saniaritaner  bezog,  und  damit  war  die  Notwendigkeit 
der  Schriftauslegung  an  den  W  a  1 1  f  a  h  r  t  s  f  e  s  t  e  n  gegeben.  Auch 
daß  die  älteste  Quelle,  die  Mischna,  wolil  eine  Vorlesung  an  j  e  d  e  m 
Tage  des  Hüttenfestes,  aber  nur  eine  einzige  für  das  Pesach- 
fest  kennt,  dürfte  in  der  Veranstaltung  Esras  seine  Ursache  haben, 
da  er  am  H  ü  1 1  e  n  f  e  s  t  e  „Tag  für  Tag,  vom  ersten  Tage  bis  zum 
letzten  Tage"  die  Vorlesung  aus  ,,dem  Buche  der  Lehre  Gottes"  hielt 
(Xeh.  818).  Die  Vorlesung  am  V  e  r  s  ö  h  n  u  n  g  s  t  a  g  e  fand  im 
Kultus  des  Tempels  ihr  Vorbild,  wo  der  Hohepriester  nach  Vollzug 
der  Opferhandlung  aus  der  Schrift  las  (Joma  VH,  1,  Sota  VH,  6). 
Wenn  erst  alle  Feste  einen  Schriftabschnitt  hatten,  konnte  das  Neu- 
jahrsfest nicht  nachstehen ;  die  Vorlesung  an  ihm  dürfte  die 
jüngste  in  der  Reihe  der  Festtagslektionen  sein,  sie  war  auch  die  am 
wenigsten  umfangreiche. 

Die  Sabbatlektionen  haben  unstreitig  mit  den  yiev  ausge- 
zeichneten Sabbaten  begonnen.  Ihr  Ursprung,  die  Veranlassung 
und  die  Zeit  üirer  Zusammenstellung  sind  in  völliges  Dunkel  gehüllt. 
Aber  darüber  läßt  der  einfache  Bericht  der  Mschna  keinen  Zweifel, 
daß  die  Vorlesung  an  ihnen  ganz  unabhängig  von  den  sonstigen  Sal)- 
batvorlesungen  gewesen  ist.  Von  einem  Zusammentreffen  der  Ab- 
schnitte für  die  ausgezeichneten  Sabbate  mit  den  fortlaufenden  regel- 
mäßigen Perikopen  ist  in  den  ältesten  Quellen  nh'gends  die  Rede. 
Erst  durch  die  Gewohnheit,  an  einzelnen  Sabbaten  zu  lesen,  wurde 
die  Vorlesung  auf  alle  Sabbate  übertragen,  wozu  wlleicht  auch 
die  irrtümliche  Auffassung  der  den  Sabbaten  mit  den  Festen  gemein- 
samen Bezeichnung  r~p  snpia  als  h  e  i  1  i  g  e  r  V  o  r  1  e  s  u  n  g  bei- 
getragen haben  mag.  Endhch  wurde  dann  die  Vorlesung  auch  auf 
die  beiden  Markttage,  auf  Montag  und  Donnerstag  übertragen,  damit 
auch  die  Bewohner  des  flachen  Landes,  denen  die  Synagogen  mit 
regelmäßigem  Gottesdienste  fehlten,  Gelegenheit  hätten.  Schrift- 
Vorlesung  und  -Erläuterung  zu  hören.  Die  letzte  Stufe  bezeichnen  die 
Vorlesungen  an  Ghannukka,  an  Purim,  an  den  Fasttagen,  deren  Ein- 
führung bereits  die  Anschauung  voraussetzt,  daß  kein  festlicher  Tag 
ohne  Toravorlesung  vorübergehen  darf. 

Solange  die  Toravorlesung  lediglich  an  den  Festen  und  ausge- 
zeichneten Sabbaten  stattfand,  wurden  nur  wenige  a  u  s  »•  e  w  ä  h  1 1  e 


Ti)r;ivurli'SuiiK  15lt 

I*  (' r  i  k  0  |)  (' n  ijoloscii,  erst  mit  der  iMiifüliruiij;-  der  r('f,M'lriiäßij!:('ii 
Sabbatvorlosuiif^eii  wurde  die  p;  a  n  z  e  T  o  r  a  der  Heilie  iiaeli  vor- 
S^tragen,  ja,  es  wurde  die  Bestiinniuuo;  getroffen,  daß  die  Tora  im 
tJegensat/.e  zu  den  l*ro|)li('l('n  n  ii  i  der  Keilie  nacli  gelesen  werden 
dürfe,  nn^rn  "J'^^bn^  ■j'^s«.  Aus  dieser  und  nianeher  anderen  Be- 
st ininiung,  dureil  die  der  Toravorlesung  ein  \'(trzug  vor  der  l'roplicten- 
lelition  gegeben  wird,  läßt  sieh  der  t  e  i-  in  i  ii  u  s  a  d  (|  u  e  ni  er- 
seliiießen,  den  wir  für  die  JMnrielitung  der  r  e  g  e  1  ni  ä  ß  i  g  e  n  'I'ora- 
vorlesung  ansetzen  müssen;  es  ist  die  Sammlung  des  1*  r  o - 
|)  h  e  t  en  k  a  n  0  n  s.  Nur  daraus,  daß  die  Propheten  noch  keinen 
kanonischen  Abschluß  haben,  lassen  sich  die  erleichternden  Aus- 
nahmen für  die  Prophetenbüchei  begreifen.  Die  Einführung  der  Tora- 
vorlesung muß  demnach  vor  der  Mitte  des  dritten  Jaiiriiunderts 
stattgefunden  haben.  Wenn  die  griechische  Pentateuchübersetzung 
dem  Bedürfnisse  des  Gottesdienstes  ihre  Entstehung  verdankt,  so  darf 
auch  hierin  ein  Beweis  für  das  Alter  der  Tora  Vorlesung  gefunden 
werden.  Die  dii'ekten  Zeugnisse  für  das  Vorhandensein  der  regel- 
mäßigen Toravorlesung  sind  freilich  jünger.  Unsicher  ist,  ob  der  Aus- 
druck arayiv('ja/Mi'rag  im  Prolog  des  jüngeren  Sirach  sich  auf  das 
Vorlesen  der  Schrift  bezieht,  ebenso  unsicher  das  J)atum  ge- 
wisser Bestimmungen  der  Mischna,  die  zweifellos  weit  älter  sind  als 
die  Kedaktion  dieses  Werkes.  Philo  und  Jose])hus  nennen  die  sabbat- 
liche Schriftvorlesung  als  alte  Einrichtung;  auch  die  Evangelien 
erwähnen  sie  gelegentlich,  und  die  Apostelgeschichte  berichtet,  daß 
Kloses  seit  alten  Zeiten  in  jeder  Stadt  solche  hat,  die  ihn  ver- 
künden, indem  in  den  Synagogen  an  jedem  Sabbate  aus  ihm  vorgelesen 
wird  (1521). 

4.  Der  Umfang  der  ältesten  Perilvopen  war  nicht  sehr  groß.  Unter 
den  Vorlesungen  für  die  Festtage,  die  die  Mischna  nennt,  hat  die 
kürzeste,  diejenige  für  den  Neujahrstag.  nur  d  r  e  i  Verse,  unter  den 
ausgezeichneten  Sabbaten  ""idt  ebenfalls  nm-  drei;  der  längste  Ab- 
schnitt, der  für  den  Versöhnungstag  bestimmte,  Lev.  16,  hat,  selbst 
wenn  das  ganze  Kapitel  gelesen  wurde,  nur  34  Verse.  So  waren  auch 
die  Sabbatperikopen  nicht  sehr  lang,  wenige  Verse  genügten;  selbst  in 
einer  späteren  Zeit  noch,  in  der  das  ganze  System  bereits  sehr  ausge- 
bildet war,  galt  ein  Abschnitt  von  21  Versen  als  durchaus  normal. 
Es  ist  ferner  höchst  wahrscheinlich,  daß  in  der  ältesten  Zeit  nicht 
der  Reihe  nach  oelesen.  sondern  am  Salibat  ein  beliebiger  x\bschnitt 


\Q0  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

{'Cl")  ausgewählt  wurde;  auch  nachdem  dies  verboten  worden  war. 
„damit  Israel  die  Tora  der  Keihe  nach  hörte",  war  von  einer  regel- 
mäßigen Wiederkehr  der  Perikopen,  von  einem  Zyklus,  noch  nicht 
die  Rede.  Noch  R.  Meii*  vertritt  die  Ansicht  einer  lectio  continua  in 
dem  Sinne,  daß  bei  jeder  neuen  Vorlesung  dort  fortgefalu'en  werde, 
wo  die  letzte  aufgehört  hat,  also  am  Sabbatnachmittag  die  Fort- 
setzung der  Morgenvorlesung,  am  Montag  und  Donnerstag  je  ein 
weiteres  Stück  vorgetragen  werde.  Legt  man  diese  Verteilung  und 
die  übliche  Verszahl  zugrunde,  dann  wurden  zur  Vollendung  der  Tora, 
wie  berechnet  wurde,  etwa  2V3  Jahr  gebraucht;  rechnet  man 
nur  die  Sabbatparaschen,  eine  jede  zu  21  Versen,  so  würde  man  gar 
erst  nach  5^/2  Jahren  durchkommen,  zumal  wenn  man  bedenkt,  daß 
an  den  Neumonden,  an  den  ausgezeichneten  Sabbaten  die  fortlaufende 
Vorlesung  vollständig  fortfiel.  Die  Tosefta  enthält  Vorschriften  über 
die  Mindestlänge  von  Paraschen  am  Schlüsse  eines  Buches  oder  des 
ganzen  Pentateuchs,  die  niemals  vorkommen  könnten  und  daher  sinnlos 
wären,  wenn  die  heutige  oder  überhaupt  irgend  eine  zyklische  Einteilung 
bekannt  gewesen  w^äre.  Allmählich  kam  es  zu  einem  festen  Zy- 
klus ("iID),  wir  erf  alu'en  davon  zum  ersten  Male  im  Talmud,  b.  Meg.  29  b. 
daß  nämlich  die  Palästinenser  die  Tora  in  d  r  e  i  J  a  h  r  e  n  beenden. 
(■ji:'©  nbrn  i?ri'i"ni?r  ipD^"  smyn 'irnb).  Der  drei  jähr  ige  Zyklus 
der  Palästinenser  liegt,  wie  erkannt  wurde,  einer  großen  x\nzahl  von 
Midraschim  zugrunde,  fast  allen  Rabbot,  besonders  dem  Levitikus 
rabba,  dem  Tanchuma  u.  a.  Dieselbe  Einteilung  setzt  die  Massora 
voraus,  WTun  sie  am  Schlüsse  jedes  Buches  die  Zahl  der  S  e  d  a  r  i  m 
(a^TlD)  angibt;  die  Zahl  der  Sedarim  schwankt  in  den  Quellen  z-svischen 
153  (154)  und  167;  der  Midrasch  deutet  auf  155,  die  größte  Zahl  von 
Sabbaten,  die  in  einem  Zeitraum  von  drei  Jahren  für  die  Perikopen 
in  Betracht  kommen.  Dem  dreijährigen  Zyklus  stellten  die  baby- 
lonischen Amoräer  den  einjährigen  gegenüber,  d.  h.  sie  lasen 
an  jedem  Sabbat  das  dreifache  Maß  und  teilten  den  Pentateuch,  wie 
noch  heute  üblich,  in  54  Paraschen,  die  man  freilich  später  fälschlich 
ebenfalls  Sidi'a  (s5"i"D)  nannte.  Wie  in  allen  religiösen  Fragen,  wurden 
allmählich  die  babylonischen  Autoritäten  auch  hierin  maßgebend, 
der  em jährige  Zyklus  verdrängte  den  dreijälu-igen  in  allen 
Gemeinden  bis  auf  verschwindende  Ausnahmen.  Eine  solche  erhielt 
sich  in  der  , .Synagoge  der  Palästinenser"  in  Kairo.  Benjamin  von 
Tudela  (ca.  1170)  berichtet,  daß  dort  nicht  jede  Woche  eine  ,.Para- 


Toravorlosuii^,'  IfJl 

scha"  wio  sonst  überall  f>vl('S('n,  sondern  daß  diese  in  drei  ,,Sedariin" 
geteilt  und  die  Tora  erst  immer  naeli  drei  Jahren  dureli<(elesen  wurde. 
Auch  Maimonides  erwähnt  einen  „nicht  verbreiteten  Brauch,  die  Tora 
erst  nach  drei  Jaliren  zu  beenden",  und  sein  Sohn  Abraham  erzählt 
pjanz  wie  Benjamin  vom  Cotteshaus  der  Palästinenser  in  Kairo,  wo 
nur  ein  Seder  wöchentlich  gelesen  wurde.  Noch  im  Jahre  1()7()  haben, 
nach  einem  Berichte  Josef  Samba ris  zu  schließen,  die  Synat^oge  und 
der  Brauch  bestanden.  Sonst  freilich  war  bis  in  die  Neuzeit  vom 
dreijährip;en  Zyklus  nicht  mehr  die  Rede.  Auf  der  Rabbinerver- 
sammlung  in  Frankfurt  a.  M.  1845  wurde  zum  Zwecke  der  Ver- 
kürzung der  Toravorlesung  der  dreijährige  Zyklus  em])fohlen  und 
danach  in  verschiedenen  Gemeinden  eingeführt.  Eine  Tabelle  über 
die  Einteilung  der  Tora  nach  diesem  Prinzip  erschien  zuerst  in  dem 
von  der  israelitischen  Tcmpelgemeinde  in  Hamburg  herausgegebenen 
Gebetbuche  1845.  Allein  die  Einteilung  nach  dem  einjährigen  Zyklus, 
die  Benennung  jeder  Woche  nach  ihrer  Parascha  waren  durch  die 
Gewöhnung  von  fünfzehn  Jahrhunderten  so  stark,  daß  sie  dem  neuen 
Prinzipe  einen  unüberwindlichen  Widerstand  entgegensetzten,  mochte 
es  auch  historisch  gut  beglaubigt  sein.  Es  kam  daher  zu  einer  neuen 
Art  des  dreijährigen  Zyklus,  daß  nämlich  die  Paraschen  des  einjährigen 
Zyklus  beibehalten,  am  Sabbat  aber  nur  ein  Drittel  davon  vorgelesen 
wd.  In  einzelnen  Gemeinden  wird  der  Rest  der  Parascha  auf  die 
drei  anderen  Vorlesungen  der  Woche  verteilt,  so  daß  am  Sabbat  stets 
der  Anfang  der  Perikope  an  der  Reihe  ist  und  trotz  der  Verkürzung 
der  Sabbatvorlesung  die  ganze  Tora  in  einem  Jahre  vollendet  wird; 
in  anderen  ^^^ederum  wird  jedes  Jahr  ein  anderes  Drittel  vorgetragen, 
so  daß  zwar  stets  die  Parascha  nach  einem  Jahre  wiederkehrt,  zur 
Lesung  der  ganzen  Tora  aber  drei  Jalire  erforderlich  sind;  einzelne 
von  diesen  ))flegen  dann  im  zweiten  und  dritten  Jahre  des  Zyklus 
zur  Kennzeichnung  der  Parascha  zunächst  wenige  Verse  von  ihrem 
Anfange  zu  lesen.  Es  gibt  auch  Gemeinden,  in  denen  trotz  reformierten 
Gebetbuches  die  Toravorlesung  nach  dem  einjährigen  Zyklus  fort- 
besteht. In  der  jüdisclien  Reformgemeinde  in  Berlin  und  in  einem 
großen  Teile  der  amerikanischen  Reformgemeinden  wird  ein  kurzes 
Stück  in  beliebiger  Auswalil  möglichst  im  Ansclüusse  an  den  herkömm- 
lichen Wochenabschnitt  gelesen. 

Neben  dem  dreijähiigen  soll  es  auch  einen  d  r  e  i  e  i  n  h  a  1  b- 
jährigen  Zyklus  gegeben  haben,  d.  h.  eine  zweimalige  Beendigung  der 

Elliogen.  Der  jüd.  Gottesdienst.  11 


\Q2  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Tora  von  Sabbatjahr  zu  Sabbatjahr.  Auch  dieser  Brauch  wird  als 
palästinischer  überliefert,  seine  Befolgung  läßt  sich  jedoch  nirgends 
nachweisen.  Nur  eine  Agada  könnte  zu  seinen  Gunsten  angeführt 
werden,  die  von  175  Paraschen  in  der  Tora  spricht  und  im  Traktate 
Sofrim  (XVI,  10)  tatsächlich  als  Vorbild  der  175  Sedarim  für  die  all- 
wöchentliche Vorlesung  auftritt.  Rechnet  man  das  Jahr  zu  50  Wochen, 
so  entsprechen  175  Sedarim  genau  den  Sabbaten  von  3V2  Jalu'en. 
xAUein  die  Rechnung  beruht  auf  einem  Irrtume,  drei  Jahre  haben 
mindestens  einen  Schaltmonat  und  demnach  mehr  Sabbate,  von 
denen  andererseits  wiederum  eine  ganze  Anzahl  mit  Festtagen  zu- 
sammentreffen und  für  den  Torazyklus  ausfallen.  Jene  Agada  redet 
auch  nicht  von  Perikopen  der  Tora,  sondern  von  Absätzen,  in  denen 
ein  bestimmter  Ausdruck  (li^"i  TajÄil  liT^I)  am  Anfange  steht.  Die 
Mögliclikeit  des  Vorkommens  eines  3V2  jährigen  Zyklus  läßt  sich 
nicht  bestreiten,  denn  es  wird  als  Eigentümliclikeit  der  Palästinenser 
überliefert,  daß  der  Zyklus  in  den  einzelnen  Gemeinden  nicht  gleich- 
mäßig war,  daß  nicht  überall  dasselbe  gelesen,  daß  die  Tora  auch  nicht 
in  aUen  Gemeinden  am  gleichen  Tage  beendet  wurde.  Man  kann 
der  letzten  Angabe  ilire  Richtigkeit  nicht  bestreiten,  wenn  man  im 
Midrasch  liest,  daß  der  Amoräer  Chanina  b.  Abba  (III.  Jahrhundert?) 
in  einer  Gemeinde  nnr'cn  )')2  riri:!^  Lev.  2l0.als  Beginn  einer  ,,Sidi'a" 
antraf;  das  ist  nur  möglich,  wenn  ein  fester  Zyklus  in  jener  Gemeinde 
nicht  bestand. 

5.  Der  einjälu'ige  Zyklus  begann  nach  dem  Hüttenfeste, 
aller  Wahrscheinliclikeit  nach  auch  der  dreijährige;  w'enn  es  laut  einer 
Angabe  im  Talmud  vorkommen  kann,  daß  Num.  28  (i'an"::  ^üip  rs«)  im 
Frühjahr  gelesen  wii'd,  ist  der  Beginn  des  Zyklus  im  Herbst  zu  denken. 
Für  eine  gegenteilige  Annahme  lassen  sich  stichhaltige  Beweise  nicht 
vorbringen.  Für  die  Zwecke  der  Vorlesung  ist  Genesis  in  zwölf,  Exodus 
und  Deuteronomium  in  je  elf,  Levitikus  und  Numeri  in  je  zehn  Pa- 
raschen geteilt:  da  die  letzte  im  Deuteronomium  für  den  letzten 
Tag  des  Httttenfestes  bestimmt  ist,  bleiben  für  die  Sabbate  53  Pa- 
raschen. Die  Abteilung  der  Paraschen  war  nicht  zu  aUen  Zeiten  und 
in  allen  Ländern  genau  die  gleiche,  an  einzelnen  Punkten  war  sie 
schwankend,  aber  die  Gesamtzahl  w^ar  überall  dieselbe.  Die  Namen 
sind  vom  Anfang  oder  den  Stichworten  der  Abschnitte  hergenommen 
und  nicht  sehr  alt.  Nun  hat  das  Jahr  nicht  eine  so  gioße  Anzahl  von 
Sabbaten,    und  einige  gehen  durch  die  Feste  verloren,  infolgedessen 


I 


Tora  Vorlesung  163 

könnoii  in  Exodus  und  DcMitorononiium  jo  zwei,  in  Loviticus  dr(>iin<-il 
zwei,  in  Nunu>ri  zweimal  zwei  Pciikopcn  zu  je  einer  vereinigt  (rT^^'mc) 
werden.  Auch  das  waren  niclil  imnier  iil)erall  dieselben  Perikopcn. 
Wie  viele  von  den  l)()|)[)el])araselien  in  Anwendunj^  kornnien,  das 
hängt  von  der  Jahreslorni  ab,  aber  auch  von  bestimmten  Kegeln. 
Zum  Teil  gehen  diese  auf  alte  Zeit  zurück.  R.  Simon  ben  Eleasar 
(um  170)  nennt  eine  Verordnung  Esras,  daß  die  Strafandroliungen 
in  Levitikus  26  vor  dem  Wochenfeste,  die  in  Deutcronomium  28  vor 
dem  Neujahrstage  zu  lesen  sind  (b.  Meg.  31  b).  l)ementsj)recliend 
nuiüten  dann  die  Sidras  verteilt  werden.  In  den  späteren  Jahrhun- 
derten —  wir  finden  sie  zuerst  in  den  weitverbreiteten  Regeln  des  Je- 
hudai  Gaon  (um  750)  —  wurde  dann  die  Formel  aufgestellt,  die  für 
die  Verteilung  maßgebend  geblieben  ist,  ittis  nir^l  I2ü  inoST  n^ps 
lypr.i  l^ip  r:ii,  d.  h.  daß  im  Gemeinjahr  12  Lev.  6  vor  Pesaeh, 
"imiin  Xum.  1  vor  Schowuaus,  "iinrs?"!  Deut.  3  23  ff.  nach  dem 
9.  Ab,  B-^n:::  Deut.  29 9 ff.  vor  Rauschhaschono  gelesen  wird;  im 
Schaltjahr  tritt  nur  die  eine  Änderung  ein,  daß  7l2)a  Lev.  14  vor 
Pesaeh  gelesen  wird. 

Eine  Unterbrechung  der  regelmäßigen  Vorlesungen  bringen  die 
ausgezeichneten  Sabbate,  die  Feste,  Halbfeste  und  Fasttage.  In  der 
ältesten  Zeit  hat  es  nur  an  diesen  Tagen  Vorlesungen  gegeben,  auch 
als  an  allen  Sabbaten  die  fortlaufenden  Perikopen  eingeführt  waren, 
räumten  sie  an  diesen  Tagen  deren  besonderen  Perikopen  den  Platz. 
Darüber  läßt  der  Satz  der  Mischna  nDi:n:  a^TDin  ^'Oii'\7  iipiCET2  brb 
(3'>i"'£rn  arbi  mrr'cb"')  r"^:rr"::  2"'"i"'e:i  keinen  Zweifel.  Die  aus- 
gezeichneten Sabbate  haben  von  den  Perikopen  ihre  Namen,  zibpo 
von  Ex.  3011— 16,  ni3T  von  Deut.  2517—19,  nn2  von  Num.  191—22, 
C-nn  von  Ex.  12 1—20.  Die  Meinung  Rabs,  daß  Num.  28 1—8  (rs? . . .  is 
irnb  ■'iiip)  die  Perikope  für  a-^rpir  bildete,  dürfte  auf  gelehrte  Kom- 
bination, nicht  auf  Tradition  zurückgehen.  Wer  die  Älischna  un- 
befangen liest,  gewinnt  den  Eindruck,  daß  die  vier  ausgezeichneten 
Abschnitte  ohne  Unterbrechung  aufeinanderfolgen,  die  Tosefta  bringt 
bereits  eine  jüngere  Interpretation,  wonach  der  zweite  und  dritte 
Abschnitt  unmittelbar  vor  bezw.  nach  Purim  zu  lesen  sind,  der  vierte 
am  Sabbat  vor  dem  1.  Nisan  oder  am  1.  Nisan  selbst.  (Tos.  Meg. 
IV,  1  bis  4,  S.  2255  ff.).  An  den  Zwischensabbaten  wird  die  Reihe 
unterbrochen  ('i"ip"icsi2),  davon  heißen  die  Sabbate  npcE".  Auch 
flu-  diese   Reihe   findet  sich  in  den  erwähnten  Regeln  Jehudais  eine 

11* 


]^ß4  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Formel,  die  in  den  Kalender  übergegangen  und  maßgebend  ge- 
worden ist.  Wälirend  aber  selbst  die  Tosefta  keinen  Zweifel  darüber 
läßt,  daß  die  genannten  Perikopen  die  ausschließliche  Vor- 
lesung der  vier  Sabbate  bildeten,  trat  in  amoräischer  Zeit  hierin  eine 
Veränderung  ein;  die  regelmäßige  Vorlesung  lief  weiter  und  der  Fest- 
abschnitt wurde  als  Zusatz  (?|DTa)  zu  ihr  verlesen. 

Ebenso  geschah  es,  w^enn  Neumond  oder  Chanukka  auf  einen 
Sabbat  fielen;  ursprüngüch  bildete  Xum.  2811— 15  2 z^r^n  ^rsiim  die 
Neumonds-,  ein  Stück  aus  Num.  7  S^i^ilT'  'S  die  Chanukka-Lektion, 
später  aber  wurden  sie  beide  neben  der  laufenden  Perikope  vor- 
getragen. Es  konnten  nun  Komplikationen  eintreten,  wenn  der 
1.  Tebet,  Adar  oder  Nisan  auf  Sabbat  fielen;  dann  wurden  eben  von 
der  amoräischen  Zeit  an  drei  verschiedene  Vorlesungen  nacheinander 
gehalten,  die  laufende  Sabbat-,  die  Neumonds-  und  die  Festperikope 
(b.  Meg.  29  b,  j.  Meg.  III,  6  fol.  74  b).  Die  Vorlesung  am  Sabbat- 
naehmittag  bheb  in  jedem  Falle  unverändert,  die  Wochentagsperi- 
kopen  hingegen  fielen  am  Neumond,  am  Chanukka,  am  Purim  und  den 
Fasttagen  vollständig  aus,  die  der  betreffenden  Tage  traten  an  ilu'e 
Stelle.  An  den  Fasttagen  werden  nach  der  Mischna  Lev.  Kap.  26  und 
Deut.  Kap.  28  (r^izbp^  mDiS)  gelesen,  die  Tosefta  kennt  bereits 
als  Ausnahme  den  9.  Ab  mit  Deut.  4  25—40  (2^;n  T^bir  "^d),  und  diese 
Vorlesung  wurde  beibehalten.  Die  Geonim  änderten  die  Vorlesung 
für  die  anderen  Fasttage,  sie  bezogen  die  Angabe  der  IVIischna  allein 
auf  die  R  e  g  e  n  f  a  s  t  e  n  ,  die  zu  ihrer  Zeit  nicht  mein*  das  alte 
Zeremoniell  hatten  (§  213),  und  wälüten  für  die  historischen  Fast- 
tage Ex.  32  11—14  (:nii),  34 1—10  {^7  7Ct),  das  einzige  Beispiel  einer 
Vorlesung  aus  der  Tora,  die  aus  zwei  nicht  zusammenhän- 
genden Stücken  (äib'i)  besteht.  Für  den  9.  Ab  kennt  die  Tosefta 
auch  eine  zweite  Perikope,  Lev.  2614  {"b  127'a'irr  xb  2S),  und  sie 
scheint  sich  in  Palästina  lange  behauptet  zu  haben,  denn  auch  Mas. 
Sofrim  und  der  Midi'asch  Threni  rab.  kennen  sie.  An  den  Fasttagen 
wurde  schließlich,  was  den  ältesten  Quellen  noch  unbekannt 
ist,  auch  zu  M  i  n  c  h  a  dieselbe  Toravorlesung  aus  Ex.  eingeführt.  Am 
17.  Tammus  wurde  im  XIII.  Jahrhundert  in  Böhmen  von  Ex.  32  11 
bis  3410  ohne  Unterbrechung  gelesen. 

Die  Perikopen  für  die  Festtage  stehen  in  ihrer  ältesten  Form  in 
der  Mischna  (Meg.  III,  7.  8);  kaum  eine  ist  so  stehen  gebheben,  wie 
sie  dort  verzeichnet  mrd.    Zunäclist  waren  die  dortigen  Perüvopen 


Toravorlesuii},'  165 

für  die  Hcdürl'iiisst'  späterer  Zeiten  zu  kurz,  und  dann  kamen  die 
zweiten  Feiertai!;e  hinzu.  Für  die  Walll'ahrtsfeste  hat  die  Mischna  die 
wenij^en  auf  das  einzehie  Fest  bezüglichen  Verse  aus  Lev.  Kap.  23 
mrTcn  rr-^S  hezw.  für  das  Woehenfest,  da  Lev.  2315  (asb  ariBCl) 
schon  am  Pesaeh  hatte  verwertet  werden  müssen,  Deut.  16  9—12 
(rirmr  ny^W);  die  amoräische  Zeit  bestimmte  dann  für  jedes  Fest 
den  ganzen  Abselmitt.  und  so  wurde  Lev.  22  2()  bis  23  4-1  (2^2  'S  i^r 
T"  IS)  für  den  zweiten  Pesach-  und  die  beiden  ersten  Sukkot-Tage 
festgesetzt,  Deut.  15 19—16 17  ("nonn  bs)  für  die  Schlußtage  aller 
Feste.  Am  Pesaeii  kennt  die  Mischna  die  Vorlesung  nur  am  ersten 
Tage,  und  wir  sahen  oben,  daß  das  seinen  guten  Grund  hat,  die  To- 
sefta  aber  kennt  bereits  die  Perikopen  für  die  übrigen  Tage,  die  den 
|)entateuchischen  Erwähnungen  der  Pesaclifeier  entnommen  werden. 
Abbaje  stellt  dann  die  für  alle  Zeiten  maßgebend  gewordene  Formel 
auf  x-^Din  n:r  x^^TJcn  ■::cs  s^Ecsn  np  s^-nr  ^ria.  Danach  wird 
am  ersten  Tage  izce  Ex.  12  21  ff.  gelesen  (in  der  gaonäischen  Zeit 
wurde  sogar  bereits  1214  "jilDT'r  aDb  nin  '3Vr\  "irn  begonnen), 
am  zweiten  -rr  Lev.  22  2i3,  am  dritten  -\^22  bD  "<:  np  Ex.  13  1  ff., 
am  vierten  rr'^r  rc:  2i«  Ex.  22  24  ff.  usw.,  am  siebenten  der  Durchzug 
durch  das  rote  Meer,  nbirn  Ex.  1317 — 15  26,  der  nach  der  alten  jü- 
dischen Chronologie  in  der  Nacht  zum  22.  Nisan  stattgefunden  hatte. 
Für  den  Sabbat  in  beiden  Festwochen  wurde  in  Babylonien  bereits 
im  in.  Jahrhundert  n-QS  nri?  nsn  Ex.  33 12—34  26  festgesetzt  (b. 
Meg.  31  a).  Für  den  ersten  Tag  des  Wochenfestes,  das  inzwischen  Fe?t 
der  Offenbarung  geworden  war.  nennt  bereits  die  Tosefta  "^Tri^TTn  TTinn 
Ex.  19  und  20.  Für  Neujahr  war  im  Sinne  sjiäterer  Zeiten  Lev.  23  23—2.5 
em  ganz  unmöglicher  Abschnitt,  in  der  Tosefta  finden  wir  dalier 
rrc  rs  ~pE  '""  Gen.  21,  (nach  dem  ^Iidrasch  gedachte  Gott  der 
Sara  am  Neujahrstage)  und  im  babylonischen  Talmud  für  den  zweiten 
Tag  Gen.  Kap.  22  (nip").  Der  Versöhnungstag  allein  behielt  seine 
angestammte  Perikope  n^  -»ins  Lev.  Kap.  16.  Das  Httttenfest  war 
bereits  in  der  Mischna  mit  Vorlesungen  für  alle  Tage  bedacht.  Num.  2917 
bis  301  (:nn  rM^^p)  war  auf  die  Mitteltage  zu  verteilen,  und  die 
Tosefta  gibt  die  Verteilung  in  der  Weise  an,  daß  auf  jeden  Tag  drei 
Verse  kommen;  das  genügte  aber  späterhin  nicht,  die  Perikope  mußte 
größer  sein,  und  nun  entstand  die  Schwierigkeit,  woher  diese  Ver- 
längerung gewonnen  werden  sollte.  Die  Fiktion,  daß  die  Kalender- 
bcrechnung  unsicher  wäre  und  Zweifel  über  die  Kichtigkeit  der  Tage 


\Qß  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

entstehen  könnten,  ließ  die  Möglichkeit,  die  Opfervorscliriften  für 
je  zwei  Tage  (also  2  und  3,  3  und  4  u.  s.  f.)  zusammen  zu  nehmen,  ohne 
weiteres  zu.  Man  brauchte  aber  selbst  dann  noch  doppelt  so  ^äele  Verse, 
und  so  schuf  man  im  Mittelalter  verschiedene  Methoden,  diese  Peri- 
kopen  durch  Hinzufügung  und  Ergänzung  zu  erweitern;  Amr.  wich 
von  Jehudai  ab,  der  ganze  Westen  Europas  von  beiden.  Easchi  schuf 
ein  ganz  eigenes  Verfahren,  das  zwar  anfangs  selbst  m  seinem  eigenen 
Ki'eise  bekämpft,  aber  sclüießlich  doch  allgemein  anerkannt  wurde 
und,  soweit  sich  übersehen  läßt,  heute  überall  gebräuchlich  ist ;  danach 
werden  jedesmal  die  Opfer  von  drei  Tagen  verlesen  (2,  3  und  4;  3,  4, 
5  u.  s.  f.)  und  die  ersten  zwei  zusammen  noch  einmal  wiederholt.  Es 
gibt  aber  auch  Gemeinden,  in  denen  immer  nur  zwei  Tage  verwendet 
werden  (2  und  3,  3  und  4  usf.),  derart,  daß  zuerst  jeder  einzeln,  dann 
der  zweite  noch  einmal  und  schließlich  beide  zusammen  verlesen 
werden.  Zu  solchen  Schwierigkeiten  führte  die  Verlängerung  der 
Tora  Vorlesung  an  Tagen,  an  denen  eine  sachgemäße  Erweiterung  der 
Perikope  nicht  möglich  war.  Eine  besondere  Schwierigkeit  bot  der 
siebente  Tag  ("2"!  i«:"1i;i~),  da  vielfach  Scheu  vorhanden  war, 
das  Stück  für  den  achten,  einen  vollen  Festtag,  an  ihm  zu  verwerten ; 
dieses  Bedenken  wm'de  jedoch  nur  in  Deutschland  anerkannt,  nicht 
in  den  anderen  Riten. 

Am  Schlußfeste  verzeichnet  der  babylonische  Talmud  wie  an  allen 
Schlußtagen  der  Wallfalirtsfeste  mDnn  bD  Deut.  15  19  ff.,  jedoch  mit 
dem  Zusätze  "nDni  a"'pm  r>']1'Q  (b.  Meg.  31  a);  man  konnte  darin  ver- 
schiedene Abschnitte  angedeutet  finden,  infolgedessen  entstanden 
verschiedene  Bräuche,  die  sich  zum  Teil  recht  lange  erhielten.  Im 
allgemeinen  aber  blieb  es  bei  Deut.  15  19,  nur  daß  auch  hier  durch 
Raschi  eine  Erweiterung  eingeführt  wurde;  während  nämlich  sonst 
nur  an  Sabbaten  (wo  eine  längere  Perikope  notwendig  war)  statt 
Deut.  15 19  bereits  14  22  "iTSJ^n  "Wy  den  Anfang  bildete,  wurde  für 
das  Schlußfest  ohne  Rücksicht  auf  Wochentag  oder  Sabbat  stets 
dieser  Beginn  festgesetzt;  nach  anfänglicher  Opposition  wurde  das  in 
Deutschland  und  Frankreich  angenommen,  nicht  in  Spanien  und 
Italien,  ja  in  Italien  wird  selbst  am  Sabbat  erst  mit  Deut.  1512  ^D12'i  "-2 
Tb  begonnen. 

Für  den  zweiten  Tag  des  Schlußfestes  hat  der  Talmud  nsian  ra?7: 
Deut.  Kap.  33;  ob  damit  auch  Deut.  Kap.  34  TW)2  by*"]  verbunden  war, 
ist  nicht  zu  ersehen.  Ebensowenig  wissen  w,  ob  Deut.  Kap.  33  u.  34 


Turavork'suiig  1(57 

auß(M"(UMn  auch  als  Sal)l)alal)s('lmit(  tliculc  oder  nicht;  von  dvv  f^aonäi- 
scheii  Zeit  an  war  es  niclit  mehr  der  Fall,  vielmehr  hildet  dieser  Ab- 
schnitt eine  Ausnahme,  es  ist  die  einzige  Festtagslektion,  die  nicht 
noch  einmal  an  einem  Sabbat  im  Jahre  zur  Verlesung  kommt.  Sie 
ist  für  das  Schlußfest  bestimmt,  um  am  letzten  Festtage  auch  den 
Zyklus  der  Toravorlesung  zu  beenden.  Dadurch  erhielt  der  T.ig  den 
Namen  riTir  rnTsiri,  der  freilich  vor  dem  Jahre  1000  nicht  nachzu- 
weisen ist;  es  wurde  im  Gottesdienste  die  Beendigung  des  Zyklus 
durch  Vorträge  und  Gebete  gefeiert  (vgl.  §  30).  Dazu  trat  noch  die 
andere  Sitte,  gleichzeitig  mit  dem  Schlüsse  auch  den  Anfang  der 
Tora  zu  lesen.  Jehuda  al  Barzeloni,  der  erste,  der  hiervon  berichtet, 
teilt  mit,  daß  vielfach  Genesis  1 1—5  ^1^I3^^■Q  auswendig  vor- 
getragen und  erläutert  oder  poetisch  bearbeitet  wird.  Auch  das  ist 
ein  Brauch,  der  seine  Geschichte  hat.  In  den  babylonischen  Hoch- 
schulen wurde  am  V  e  r  s  ö  h  ii  u  n  g  s  t  a  g  e  zu  Mincha  der  Anfang 
des  Abschnitts  r^ri<"^n  auswendig  vorgetragen,  Saadja  weiß  sogar  davon 
zu  erzählen,  daß  man  zu  N  e  i  l  a  noch  einmal  aus  der  Tora  las  und 
zwar  die  ersten  Verse  der  Genesis;  nach  seiner  Zeit  jedoch  wurde  das 
wieder  abgeschafft.  Den  Bräuchen  scheint  eine  andere  Gestalt  des 
Zyklus  zugrunde  zu  liegen,  die  -säelleicht  schon  im  Talmud  angedeutet 
ist ;  anfangs  mag  der  Schluß  der  Tora  am  Versöhnungstage  zu  Mincha 
vorgelesen  und  daran  der  Anfang  angeschlossen  Avorden  sein.  Als 
später  das  Fest  der  „Torafreude'"  auf  das  Schlußfest  verlegt  wurde, 
trat  an  diesem  Tage  zu  nD"ü~  rsTT  Gen.  Kap.  1  als  neue  Perikope 
hinzu.  Wurden  zunächst  die  Verse  nur  auswendig  gesprochen,  so 
wmden  sie  bald  wü'klich  vorgelesen,  und  war  es  erst  nur  der 
Anfang  —  It.  hat  tatsächlich,  wie  in  alter  Zeit,  auch  heute  noch  nur 
Gen.  1 1—5  — ,  so  wurde  es  bald  die  ganze  Schöpfungsgeschichte  bis 
Gen.  2  3.  Vom  XII.  Jahrhundert  an  wurde  das  allmählich  der  stehende 
Brauch,  wie  es  scheint,  wiederum  in  Frankreich  und  Deutschland 
früher  als  in  anderen  Ländern.  Es  war  eine  hohe  Ehre,  den  Schluß 
oder  Anfang  der  Tora  vorlesen  zu  dürfen;  die  beiden  dazu  Erkorenen, 
meist  die  angesehensten  und  gelelu:testen  Männer  der  Gemeinde, 
wurden  als  Bräutigame  der  Tora  (min  ]pn  und  r^CX-Q  'n)  gefeiert. 
Die  bisher  behandelten  Perikopen  betreffen  sämthch  den  M  o  r  - 
gen  gottesdienst.  Eine  Vorlesung  zu  Mincha  kennt  die  Mischna 
lediglich  am  Sabbat,  der  Talmud  auch  am  Versöhnungstage  (""'■'"'." 
Lev.  18).    Wie  stand  es  an  den  anderen  Festen?    Eine  solche  Vor- 


]68  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

lesimg  ist  nii-gends  nachzuweisen,  man  könnte  sie  nur  aus  einer  nicht 
klaren  Andeutung  im  Talmud  erschließen.  Die  einzige  Quelle,  die  sie 
behauptet,  ist  Sofiim  XI,  5,  aber  ilu'e  Verläßlichkeit  ist  selir  fraglich. 
Xur  wenn  der  Festtag  auf  einen  Sabbat  fällt,  findet  eine  Vorlesung 
statt,  und  zwar  wie  an  jedem  beliebiger  Sabbate  ohne  alle  Rücksicht 
auf  das  Fest.  Eine  Vorlesung  zu  Mincha  haben  auch  die  Fasttage, 
das  düi'fte  die  jüngste  unter  allen  sein,  sie  ist  vor  der  gaonäischen 
Zeit  nicht  nachzuweisen. 

Eine  Einrichtung,  die  ebenfalls  den  älteren  Quellen  unbekannt  ist, 
sind  die  Zusatz  perikopen  der  Festtage,  den  Opfervorsclu'iften 
Kum.  Kap.  28  und  29  entnommen.  Der  Hohepriester  trug  am  Ver- 
söhnungstage ^;7"imrn  rnn'::  "nicrST  Num.  29  7— lO  aus  dem  Gedächt- 
nisse vor  (Joma  VII,  1),  die  Tosefta  fordert  dasselbe  für  die  Vorlesung  in 
der  Synagoge  (Meg.  IV,  6,  S.  225).  Wii'  finden  ferner  im  Talmud,  daß  die 
Perikopen  der  vier  ausgezeichneten  Sabbate,  der  Neumonds-  und  Clia- 
nukka-Abschnitt  als  Zusätze  zur  Sabbat-Perikope  vorgelesen  werden. 
Aus  derartigen  Ansätzen  entstand  die  Einrichtung,  der  Mir  von  Je- 
hudai  an  überall  in  der  Literatur  begegnen,  neben  der  altüberlieferten 
Parascha  auch  noch  eine  Parascha  mit  den  Opfervorsclu'iften  aus 
Kumeri  zu  lesen,  die  man,  da  sie  der  Haftara  (§  26)  unmittelbar  voran- 
geht, auch  Mafth'-Parascha  nennt.  Sie  war  oft  von  der  Perikope 
sein-  weit  entfernt,  man  mußte  daher  die  Tora  lange  rollen,  um  die 
Stelle  zu  finden;  da  man  Bedenken  trug,  die  Gemeinde  damit  auf- 
zuhalten, wurde  eingeführt,  aus  zwei  Torarollen  zu  lesen,  aus 
der  einen  die  Perikope,  aus  der  anderen  die  „Maftü-"-Perikope.  Wo 
drei  verschiedene  Abschnitte  gelesen  wurden,  wie  am  Torafest,  wurden 
auch  drei  Torarollen  benutzt;  das  war  auch  der  Fall,  wenn  der  1.  Xisan. 
1.  Tebet  oder  1.  Adar  auf  Sabbat  fielen.  Vor  Jehudai  läßt  sich  der 
Brauch  der  Maftü'-Perikope  nicht  nachweisen,  von  da  ab  ist  er  überall 
heimisch.  Xicht  jede  Gemeinde  besaß  gleich  drei  Torarollen,  nament- 
lich in  den  Zeiten  der  Judenmetzeleien,  der  e's^'igen  Vertreibungen  und 
Beraubungen  war  ein  so  reicher  Besitz  selten,  dann  mußten  die  Ge- 
meinden in  der  Notlage  sich  mit  einer  oder  zwei  Rollen  beheben,  und 
in  einer  von  ihnen  an  mehreren  Stellen  lesen. 

In  jenen  Tagen  konnte  es  sogar  geschehen,  daß  die  Gemeinde  über- 
haupt keine  vorschriftmäßig  gesclu-iebene  Tora  besaß;  dann  gestatteten 
die  maßgebenden  Autoritäten,  eher  von  den  Vorschriften  abzusehen 
als  die  Institution  der  Toravorlesung;  zu  veriiachlässioen. 


Toravorlcsu  11^'  1  ß9 

0.  Wie  wiiiilc  die  Voil('sim<j,-  <>vliaiullial)l?  Ivs  kann  kaum  ein 
Zweifel  darüber  heslelieii,  claü  in  der  iütesleii  Zeit  ein  einzelner  die 
i>;anze  l'erikope  las;  die  Perikopcn  waren  niemals  lanu'.  einer  konnte 
sie  ohne  iMinüduni;'  \ortra<;'en.  Die  VoilesnnfJi:  war  urspriinfj^lieli, 
wie  wir  sehen  werden,  nicht  Selbstzweck,  sie  diente  als  Mittel  zum 
erläuternden  \'()rtra^e,  es  wäre  störend  gewesen,  wenn  mehr  als  einer 
den  Abschnitt  i^^elesen  hätte.  Allmählich  wurde  das  anders,  das  Vorlesen 
selbst  erhielt  Hedeutuni>',  die  (lemeinde  wurde  daran  beteilip:t.  Ein- 
zelne Teilnehmer  am  Oottesdienste  traten  auf  die  Aufforderung  des 
Leiters  hin  und  lasen  voi',  ihre  Zahl  wurde  abgestuft  je  nach  der  Weihe 
des  Tages.  An  lWw  Wochentagen  einschliel.'dich  Chanukka,  Purim, 
der  Fasttage  und  am  Sabbat  zu  .Miiu-ha  waren  es  drei,  am  Xeumond 
und  an  den  Halbfesten  vier,  an  den  Festtagen  fünf,  am  Versöhnungs- 
tage sechs,  am  Sabbat  sieben;  an  Sabbaten  und  Feiertagen  konnte 
die  Zahl  auch  steigen,  an  den  Wochentagen  und  Halbfesten  sollte  der 
Gottesdienst  nicht  allzulange  ausgedehnt  werden.  Als  Mindestmaß  an 
Vorlesung  wurden  für  einen  jeden  drei  Verse  bestimmt;  wo  drei  lasen, 
sollten  es  jedoch  niemals  weniger  als  zehn  Verse  sein.  Xun  gab  es  alte 
Perikopen,  die  hierfür  nicht  ausreichten.  Wo  man  sie  ändern  oder 
erweitern  konnte,  wie  an  den  Festen  (oben  S.  165),  geschah  es,  wo 
nicht,  mußte  man  sich  fügen;  so  bheb  am  Purim  die  Perikope  p'ris"  i?!"»"!, 
Ex.  17  8—16,  mit  neun  ^'ersen,  weil  es  keine  andere  gab,  die  man  an 
ihre  Stelle  zu  setzen  vermochte.  Die  vier  ausgezeichneten  Sabbate 
sind  wahrscheinlich  darum  zu  Maftir-Perikopen  degradiert  worden, 
weil  sich  für  zwei  von  ihnen  die  nötige  Zahl  von  Versen  unmöglich 
aufbringen  ließ.  Bei  manchen  Perilvopen  gab  es  traditionelle  Eintei- 
lungen; "ins?"  Deut.  321 — 43  wurde  im  Tempel  als  Psalm  verwendet 
und  in  sechs  Abschnitte  geteilt,  genau  so  wurde  es  als  Perikope  ge- 
teilt, wobei  freilich  die  Tradition  über  die  Teilungsverse  im  Laufe 
der  Zeit  zweifelhaft  wurde.  Manche  Stücke  mußten  in  e  i  n  e  ra  Zuge 
ohne  LTnterbrechung  gelesen  werden,  so  die  Strafandrohungen  Lev.  26 
und  Deut.  28  r'bbpn  l-ip-^csr  l"is  (Meg.  IV.  Ende).  Am  Schlüsse  eines 
Absatzes  (ein  solcher  hieß  ebenfalls  nr^s)  durften  nie  weniger  als  drei 
Verse  znrückbleiben ;  wo  derartiges  zu  befürchten  war,  mußten  die 
Abteilungen  vorher  danach  eingerichtet  werden.  In  solchen  Fällen 
gestatteten  einige  Amoräer  einen  masoretischen  Vers  zu  halbieren 
(inn,  pois),  was  walu-scheinlich  dem  Herkommen  entsprach ;  andere 
forderten,  daß  der  Vers  zweimal  gelesen  werde  ("I7"in  ,:c''~).  so  wird 


170  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

bis  heute  am  ]\'eiimondstage  Num.  28 1—3  und  dann  3—5  gelesen. 
Nach  Einführung  des  einjährigen  Zykhis,  wo  die  Perikopen  und  die 
Absätze  für  jeden  Leser  ziemlich  lang  waren,  wurde  die  Forderung  ge- 
stellt, daß  kein  Absatz  mit  einem  Verse  unheilvollen  Inhaltes  beginnen 
oder  schließen  sollte.  In  der  Art  der  Abteilung  herrschte  vöDige 
Freiheit,  mit  der  Zeit  bildete  sich  eine  bestimmte  Tradition  darüber, 
die  allgemeine  Anerkennung  fand,  aber  niemals  als  bindend  an- 
gesehen wurde. 

7.  Die  vom  Leiter  dazu  Aufgeforderten  traten  zur  Tora  hin  und 
lasen  (nmri  r^'^'pb  TQ",  avtairi  amyvtdrai  Luk.  416).  Eine  Aus- 
nahme •  wurde  in  Babylonien  mit  dem  Exilarchen  gemacht,  ihm 
wurde  die  Tora  an  seinen  Platz  gebracht  und  er  las  dort  (pb^nTa  'j'an 
xnrs  Tü^i  ^n;i  s^r^'^nis  j.  Joma  VII,  1,  fol.  44  a.  u.);  diese  Sitte  hat 
sich  zumindest  bis  in  das  X.  JaMumdert  erhalten.  Ursprüngüch 
durften  alle  ohne  Ausnahme  zur  Toravorlesung  herangezogen  werden, 
auch  Frauen  und  Minderjährige,  sogar  Sklaven ;  schon  in  tannaitischer 
Zeit  wurden  die  Frauen  ausgesclilossen,  später  mit  Einführung  der 
Barmizwa-Institution  auch  Minderjährige.  Ebenso  durften  Leute  in 
zerlumpter  Kleidung  (nni£)  nicht  zur  Toravorlesung  heraustreten, 
da  das  die  Wüi'de  der  Gemeinde  verletzte.  Ohne  Aufforderung  durfte 
niemand  hintreten,  selbst  der  Leiter  des  Gottesdienstes  nur,  wenn  die 
Gemeinde  ihn  dazu  einlud;  wenn  der  Synagogendiener  hinging,  mußte 
ein  anderer  ihn  solange  vertreten.  Später  —  die  älteste  Erwähnung 
finden  wir  im  Tr.  Sofrim  —  rief  der  Vorbeter  die  Leute  mit  Namen 
zur  Tora  auf,  was  ebenfalls  S"ip  hieß  und  zu  mancherlei  Verwechselung 
mit  S"ip  lesen  Anlaß  gab;  die  zur  Tora  Gerufenen  hießen  dann  2"'"'inp, 
D^s^inp,  auch  n^ip. 

Die  zur  Tora  Hingetretenen  lasen  selbst  ohne  Hufe.  Nicht 
in  aUen  Synagogen  gab  es  die  erforderüche  Anzalü  Beter,  die  aus  der 
Tora  zu  lesen  verstanden,  in  einem  solchen  Falle  kamen  die  Kundigen 
mehrmals  heran;  und  wenn  gar  nur  einer  fähig  war,  so  las  er  eben 
siebenmal  hintereinander.  Der  Fall  ereignete  sich  naturgemäß  am 
häufigsten  in  denjenigen  Gemeinden,  deren  Mitglieder  das  Hebräische 
nicht  als  Muttersprache  redeten  (riTi^lb  bir  rD:2~  piS):  dort  wurden, 
wenn  es  ü'gend  anging,  wenigstens  Anfang  und  Schluß  der  Perikope 
hebräisch  vorgetragen,  das  übrige,  im  Notfalle  sogar  alles,  in  der 
Landessprache.  Daher  mag  es  kommen,  daß  Philo  nur  "von  einem 
mitzuteilen  weiß,  der  allsabbatlich  aus  der  Tora  liest.  An  dem  Prinzip, 


Toravorlesung  171 

daü  ein  jodcr  solhsl  soin  Stiii-k  vorlesen  sollte,  wurde  solange  wie  irgend 
niöglieli  festgehalten,  aber  es  ließ  sich  nicht  zu  allen  Zeiten  durchführen. 
Jn  alter  Zeit  waren  die  Abschnitte,  die  auf  den  einzelnen  kamen,  kurz, 
in  der  Regel  drei  bis  fünf  Verse,  andererseits  war  die  Bibelfestigkeit 
sehr  groß,  denn  von  frühester  Jugend  an  wurden  die  Kinder  in  der 
Tora  unterrichtet  (Philo)  und  vermochten  ,,die  Tora  leichter  her- 
zusagen als  ihre  Namen"  (Josephus,  Ap.  11, 18).  Nun  aber  nahm  die 
Bibelkenntnis  mit  der  Zeit  ab,  die  Perikopen  wiederum  wurden  über- 
mäßig lang,  es  wurde  auch  eine  bestimmte  Kantilcne  (nr-'r':)  beim 
Lesen  gefordert;  so  wurde  es  recht  schwer,  Leute  zu  finden,  die  ihren 
Abschnitt  aus  der  Tora  selbst  zu  lesen  verstanden.  In  Habylonien 
griff  man  daher  zu  dem  Hilfsmittel,  daß  der  V  o  r  b  c  t  e  r  die  Leser 
unterstützte,  ursprünglich  tat  er  es  leise,  allmählich  wurde  seine  Mit- 
wirkung immer  lauter,  besonders  half  er  bei  der  Kantilene  nach,  zu- 
letzt verdrängte  er  die  Gemeindemitglieder  vollständig,  der  Vorbeter 
oder  ein  beamteter  Vorleser  las  allein  und  der  zur  Tora  Gerufene  stand 
schweigend  daneben.  Dieser  Prozeß  vollzog  sich  niclit  überall  gleicli- 
zeitig;  in  Palästina,  in  den  Balkanländern,  in  Italien  scheint  noch  im 
XII.  Jahrhundert  die  Gemeinde  gelesen  und  der  Vorbetcr  ])assiv  dabei 
gestanden  zu  haben,  während  in  den  anderen  Ländern  der  Vorbeter 
bereits  half.  Im  XIII.  Jahrhunderte  hat  in  Deutschland  und  in  Böhmen 
bereits  der  Vorbeter  allein  aus  der  Tora  vorgelesen,  und  etwa  gleich- 
zeitig dürfte  das  auch  in  Spanien  und  Frankreich  allgemein  üblich 
geworden  sein;  bezeichnend  ist,  daß  da,  wo  in  Amr.  von  Toravorlesung 
gesprochen  ist.  Ms.  Oxford  statt  dessen  den  V  o  r  b  e  t  e  r  vorlesen 
läßt.  So  ist  es  denn  auch  geblieben,  mit  der  einen  Ausnahme,  daß 
Knaben  am  Barmizwa-Sabbat  ihren  Abschnitt  oder  gar  die  ganze 
Perikope  lasen.  Ein  neuerer  Vorschlag,  die  Perikopen  zu  kürzen  und 
dafür  die  Gemeinde  wieder  selbst  lesen  zu  lassen,  fand  nirgends  Be- 
achtung. In  amerikanischen  Reformsynagogen  und  in  der  Berliner 
Reformgemeinde  wu*d  niemand  zur  Tora  gerufen;  der  als  Vorbeter 
fungierende  Prediger  liest  die  Perikope  ohne  Unterbrechung. 

Den  zur  Tora  Gerufenen  bheb  demnach  nichts  weiter  als  die  Bene- 
diktion vor  und  nach  der  Vorlesung  (rnirn  rD"Q).  In  der  ältesten 
Zeit  war  es  so,  daß  vor  dem  Beginne  und  nach  dem  Schlüsse  der  ge- 
samten Vorlesung  je  eine  Benediktion  gesprochen  Avurde  (nr/^sn 
n-^insi::!  rnrcb  'T-a'c  rr.^r^  zrin-^  Meg.  IV,  1).  Das  änderte  sich 
bereits  im  Laufe  der  amoräischen  Epoche  (":pr  ins«':;  b.  Meg.  22  a). 


].72  Beschreibung  des  Gottesdienstes"! 

Zunächst  wurden  einzelne  Stücke  des  Pentateuchs,  wie  die  verschie- 
denen Lieder,  der  Dekalog,  die  Strafandrohungen  herausgehoben, 
bei  ihnen  am  Anfange  und  Ende  die  Benediktion  gefordert,  in  Baby- 
lonien  aber  gmg  man  noch  weiter  und  ließ  jedenAufgerufenen 
vor  und  nach  seinem  Toraabschnitte  die  Benediktion  sprechen.  Die 
älteste  Torabenediktion,  die  w  kennen,  gehört  zum  Gebete  des  Hohen- 
priesters am  Versöhnungstage  und  lautet  rmr^  imnn  (j.  Joma  YII,  1, 
44  a).  Als  Beginn  der  Benediktion  in  der  Synagoge  zitiert  der  Talmud 
bereits  iDin  (j.  Ber.  VII,  2  t^'\-]rn  rsnn  ^nn);  ob  darauf  mit  T^2 
i::>l  a'nS'b  ^li^n  '^  erwidert  wurde,  ist  nicht  ersichtlich,  nach  der 
Analogie  der  Gebete  aber  zu  erwarten;  Saadja  forderte  sogar,  daß  der 
Aufgerufene  die  Responsion  ebenfalls  spräche,  und  so  ist  es  Sitte  ge- 
blieben. Als  Benediktion  vor  der  Vorlesung  ist  allgemein  nnn  "irs 
a">^::7n  bs^  i:i  gebräuchlich,  das  b.  Ber.  11  b  als  Benediktion  vor  dem 
Torastudium  erwähnt  ist ;  Sof .  XIII,  8  nennt  dafür  eine  andere  Bene- 
diktion ai^ün  ■j'a  nmr  in;",  doch  soU  sie  walu-scheinlich  nur  füi*  das 
häusliche  Studium,  nicht  für  die  Synagoge  dienen,  was 
freilich  bei  dem  schlechten  Text  von  Sof.  nicht  klar  ersichtlich  ist. 
Möglich  ist  auch,  daß  die  Benediktion  im  Talmud  babylonischen, 
die  in  Sof.  palästinischen  Ursprunges  ist.  Eine  andere,  ebenfalls 
palästinische  Fassung  der  Benedilvtion  wii'd  Moses  in  den  Mund  ge- 
legt, riCT-  rnir^  nnn  "^.irii?  (Deut.  rab.  XI),  sie  erinnert  an  die  er- 
wähnte Benediktion  des  Hohenpriesters.  Die  Benediktion  nach  der 
Vorlesung  lautet  übereinstimmend  nssi  r"^."in  i:"::  ■jr:  iTUii,  sie  findet 
sich  zuerst  Sof.  das.,  dürfte  jedoch  ebenfalls  aus  fi'üherer  Zeit  stammen. 
Wälirend  die  Benedilction  v  o  r  der  Vorlesung  als  biblisch  galt, 
wurde  die  zweite  erst  aus  dem  Tischgebet  abgeleitet  (b.  Ber.  21  a), 
ein  Zeichen  dafür,  daß  die  erste  weit  älteren  Ursprungs  ist.  Dadurch, 
daß  das  Lesen  der  Gemeindemitglieder  wegfiel,  wurde  dem  Sprechen 
der  Benediktionen  eine  außerordenthche  Bedeutung  beigelegt. 

9.  Die  Reihenfolge  der  zm*  Tora  Gerufenen  war  ursprünglich  ganz 
behebig,  es  gab  keine  festen  Anordnungen  darüber.  Solange  nm 
einer  las,  mag  die  Ehre  stets  einem  der  angesehensten  Gemeindemit- 
glieder übertragen  worden  sein,  nach  Philo  trug  einer  der  Priester 
oder  der  Ältesten  die  Tora  vor.  Daher  beanspruchte  auch  später  der 
priesterliche  Adel  ein  Vorrecht,  das  ilim  bereits  die  Misclma  einräumt. 
Ein  Alu'onide  liest  zuerst  (aus  der  Tora),  nach  ihm  ein  Le^-ite,  nach 
ilim  em  anderer  Israelit  um  des  lieben  Friedens  ^^illen  (Git.  V,  9). 


Toravnrlpsiing  17H 

War  kein  Alironido  zu|2j('f]^on,  so  vcrloi"  auch  (l(>r  I.ovit  sein  Privileg?. 
I^incm  Alironicloii  aber  durfte  nach  anioräischcr  Anschanun^  niemand 
voranii'chcii;  s(>ll)st  wenn  er  t'roiwilli«;  auf  (h'u  l']hren|)hitz  zu  verzichten 
beicit  war,  wurch'  es  ihm  nicht  gestattet.  Am  Anfaiii;-  der  amoräisehen 
Zeit  i<()niit(Mi  fidirende  (ielehrte  wie  Kah  und  1\.  Unna  an  erster  Steih' 
lesen,  später  hörte  das  auf,  selbst  ein  unwissender,  ein  minderjähri^;er 
Ahronide  hatte  den  Vorrang.  Die  Amoräer  wollten  auch  die  Plätze 
hinter  den  Ahroniden  und  Leviten  nach  der  Würdigkeit  vergeben 
wissen  (b.  Git.  60  a).  Anerkannte  Würdenträger  wie  die  J^^xilarelien 
oder  Geonim  lasen  unmittelbar  nach  den  Leviten.  So  ist  es  gekommen, 
dal.)  in  späteren  Jahrhunderten  der  Rabbiner  an  dritter  Stelle  auf- 
gerufen wurde;  in  Frankicich  rief  man  ihn  im  XI II.  Jahrhundert 
als  siebenten,  wahrscheinlich  zum  Abschlüsse,  was  ebenfalls  als  Aus- 
zeichnung galt,  indes  keineswegs  allgemeine  Billigung  fand.  Hierin 
wechselten  die  Anschauungen  und  Hräuclie,  fest  blieb  nur  die  x\nordnung 
für  die  beiden  ersten  Plätze,  bis  die  reformierten  Gemeinden  der  Neu- 
zeit zum  größten  Teil  auch  dieses  l*rivileg  beseitigten.  Bei  freudigen 
oder  traurigen  Erlebnissen  hielt  man  sich  für  verpflichtet,  aus  der 
Tora  zu  lesen,  so  wurde  ein  junger  Ehemann  in  der  Hochzeitswoche  ("rn) 
regelmäßig  zur  Tora  gerufen,  und  es  bildete  sich  ein  besonders  feier- 
liches Zeremoniell  dafür  aus;  bis  ins  siebzehnte  Jahrhundert  sangen 
überall  Vorbeter  und  Gemeinde  die  Erzählung  von  der  Brautwerbung 
für  Isaak  (Gen.  Kap.  24),  in  den  orientalischen  Ländern  dauert  die 
Sitte  bis  zum  heutigen  Tage  fort.  Im  späteren  ]\Iittelalter  sicherten 
sich  die  Gemeindemitglieder  durch  Geldzalüungen  für  die  Wolüfalu-ts- 
zwecke  der  Gemeinde  das  Recht,  zur  Tora  aufgerufen  zu  werden, 
nur  dem  Rabbiner  blieb  stets  an  jedem  Sabbate  und  Festtage  ein  Platz 
reserviert.  Ebenso  wurde  das  Zusammenrollen  (rc'^'^r^)  der  Tora,  das 
nach  dem  Talmud  der  Würdigste  vornehmen  soll,  das  im  ■\Iittelalter 
auch  oft  dem  Rabbiner  übertragen  worden  w^ar,  als  hohe  Ehre  erstrebt 
und  bezahlt.  Auch  das  Zureichen  der  Torabekleidung  (§  30)  betrachtete 
man  als  Elu-e,  ebenso  das  Ausheben  und  Einheben  der  Tora.  Gewiß 
konnte  dieses  Bezahlen  der  Funktionen  in  der  Synagoge  (später  r-^r 
genannt)  schwere  Schäden  zur  Folge  haben,  zumal  sie  eine  Zeitlang  sogar 
meistbietend  versteigert  wurden;  aber  sie  blieben  trotzdem  meist  den 
Würdigsten  vorbehalten,  denn  ihre  Bewertung  war  eine  so  hohe,  daß 
selbst  die  weniger  Würdigen,  wenn  sie  sie  erwarben,  die  Wiü-digsten  damit 
betrauten  (-;?2)  und  auch  das  schon  als  hohe  Auszeichnung  betrachteten. 


174  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

10.  Für  die  Toravoiiesung  beim  Gottesdienste  konnte  nur  eine 
nach  besonderen  Vorsclu'iften  geseliriebene  Rolle  (lEC)  verwendet 
werden;  dieselbe  mußte  die  ganze  Tora  enthalten,  wenn  sie  nur  eins 
oder  einige  der  fünf  Bücher  ("iiTCCin)  enthielt,  war  sie  unbrauchbar. 
Jede  Gemeinde  mußte  daher  eine  oder  mehrere  solche  Rollen  besitzen; 
nur  im  Mittelalter,  in  den  Zeiten  schwerer  Bedrängnis,  gestatteten  die 
meisten  Autoritäten,  im  Notfälle  auch  ohne  ein  vorschriftsmäßiges 
Exemplar  zu  lesen.  Die  Torarollen  wurden  in  einem  besonderen 
Schrein  (~nir)  verwahrt,  sie  wurden  vor  der  Vorlesung  von  dort 
gebracht  (~S5i:";~),  nach  dem  Gebrauch  zurückgestellt  (~c:z~).  In  welcher 
Form  das  in  ältester  Zeit  geschah,  berichtet  die  Mischna  gelegentlich 
der  Beschreibung  der  feierlichen  Vorlesungen  durch  den  Hohenpriester 
am  Versöhnungstage  und  den  König  am  Schlußfeste.  Der  Gemeinde- 
diener nahm  die  Tora  heraus,  reichte  sie  dem  Gemeindeoberhaupt, 
dieses  dem  Hohenpriester-Stellvertreter,  dieser  dem  Hohenpriester  und 
dieser  dem  Könige.  Später  trat  an  Stelle  des  Schreines  die  heUige  Lade 
{üjl'pn  ]",ii?),  das  ,, Holen  und  Zurückstellen"  geschah  durch  den 
Vorbeter.  Nicht  später  als  vom  XH.  Jahrhunderte  an  erstrebten  die 
Gemeindemitgheder  eine  BeteUigung  auch  an  dieser  Funktion;  sie 
„hoben"  die  Tora  aus  der  Lade  ,,aus"  und  reichten  sie  dem  Vorbeter, 
bezw.  sie  nahmen  sie  von  ihm  in  Empfang  und  „hoben  sie  ein".  Das 
wurden  feierliche  Akte  mit  besonderen  Gebeten,  über  die  §  30  be- 
richtet. Nachdem  die  Torarolle  vom  Vorbeter  auf  das  Lesepult  ge- 
bracht ist,  wü'd  sie  geöffnet,  ausgebreitet  und  hochgehoben  der  Ge- 
meinde gezeigt,  die  darauf  die  Worte  Dt.  4  44  n^^rn  rs?7i  spricht; 
in  Deutschland  wm-de  dieses  Hochheben  (Hnnsn)  erst  nach  der  Vor- 
lesung vorgenommen.  Welch  feierliche  Bedeutung  es  mit  der  Zeit 
angenommen  hat,  zeigt  das  schöne  Gedicht  H  a  g  b  a  h  a  von  M.  H. 
Haarbleicher.  In  manchen  Gegenden  wurde  und  wird  das  Entkleiden 
der  Tora  ebenso  wie  das  Zusammenrollen  (s.  oben  S.  173)  als  besondere 
Ehre  einem  Gemeindemitgliede  übertragen. 

§  26.     Die  Vorlesung  aus  den  Propheten. 

Literatui-:  Zmiz,  das.;  Rapaport,  Erech  Miliin  Art.  xr---2X,  S.  167 ff.; 
Herzfeld,  S.  215 ff.;  Adler,  Die  Haftara  in  MS  XI,  1862,  S.  222 ff.; 
Büchler,  JQR,  VI,  Iff.;  JE  Art.  Haftara  VI.  135  ff. ;  Triennial  Cycle  XH  254  ff. 

1.  Die  Vorlesung  aus  der  Tora  wurde  ergänzt  durch  eine  solche 
aus  den  Propheten,  durch  die  Haftara  rp,"JEn  aram.  sr^-JES;  der- 


I 


Prophetenvorlesung  175 

jonii^e,  ilor  (IcMi  ri()|)lu>tou  vortriiir,  IumüI  in  der  Miscliria  X"'2:2  ^"'"JE^. 
■T^'JEn  bock'utot  ,.1'iii  Kiulo  nuiclicn,  absi-lilicüeir'.  Ks  fragt  sicli  nun, 
welches  Objekt  zu  ^i'jen  hinzuzudenken  ist.  Nach  Kapaport  bedeutet 
es  den  Gottesdienst  abscliiießeii,  so  daß  die  Vorlesung  aus  den 
Proplieten  stets  am  Knde  der  Liturgie  iiuen  Platz  gehabt  und  davon 
den  Namen  S  c  h  1  u  ß  erhalten  hätte  (=  Missa).  Diese  Erklärung 
klingt  wenig  wahrsciieinlicli,  es  liegt  aucli  kein  Zeugnis  dafür  vor, 
daß  der  Gottesdienst  mit  der  Prophetenlektion  geschlossen  hätte. 
Vielmehr  bedeutet  i^'^n:!  ■'."'■JEn  die  13  i  b  e  1  v  o  r  1  e  s  u  n  g  mit  einem 
Stücke  aus  den  Propheten  abschließen;  mau  las  aus  der  Tora  und 
beendete  die  Vorlesung  durch  einen  Vortrag  aus  den  Propheten  (^^p 
ü^2'.n  ""»"JE""!  ni^rn).  Auf  dieselbe  Bedeutung  weist  auch  die  im 
Talmud  vorkommende  aramäische  Benennung  der  Prophetenvorlesung 
a-'^TTS  (j.  Sanh.  I,  2,  19  a),  wofür  die  Pesikta  rab.  häufig  S"^n:2  a^brn 
hat;  die  Haftara  heißt  aramäisch  ^«r'crTrs?,  i^rrbir  die  Ergänzung  seil. 
der  Vorlesung. 

2.  In  welcher  Zeit  wurde  die  Vorlesung  aus  den  Propheten  ein- 
geführt? Darüber  besitzen  wir  nicht  einmal  die  sagenhaften  Xach- 
ricliten,  die  uns  für  die  Tora  zur  Verfügung  stehen  (s.  S.  156).  X'acli 
der  Andeutung  einiger  älterer  Autoren  weiß  Elia  Levita  (1469  bis  1549) 
zu  erzählen,  daß  in  der  Zeit  der  Religionsverfolgung,  als  die  Syrer  die 
Torarollen  einzogen,  zerrissen  und  verbrannten  (vgl.  I.  IVIk.  1 5(3), 
zum  Ersatz  die  Vorlesung  aus  den  Propheten  eingeführt  wurde.  Ein  altes 
Zeugnis  für  diese  Annahme  ist  nicht  vorhanden,  und  es  ist  mit  Recht 
dagegen  eingewendet  worden,  daß  die  Syrer  mit  der  gleichen  Gehässig- 
keit das  Lesen  der  Propheten  verhindert  hätten.  In  Ermangelung 
jeder  Nacliricht  aus  alter  Zeit  sind  wir  auf  Vermutungen  angewiesen. 
Die  Prophetenvorlesung  ist  sicherlich  j  ü  n  g  e  r  als  die  T  o  r  a  v  o  r  - 
1  e  s  u  n  g  ,  sie  muß  aber  älter  sem  als  der  Abschluß  des  Pro- 
phetenkanons. Die  Propheten  werden  nicht  der  Reihe  nach 
gelesen  wie  die  Tora,  sondern  m  beliebiger  Auswahl,  innerhalb  eines 
Propheten  werden  bisweilen  zwei  unzusanimenhängende  Stücke  ge- 
lesen, selbst  aus  zwei  verschiedenen  Propheten  durfte  in  alter  Zeit 
gelesen  werden.  Die  Vorlagen,  aus  denen  die  Propheten  gelesen  werden, 
brauchen  nicht  so  vorschriftsmäßig  gesclirieben  zu  sein  wie  die  Tora. 
Die  Tora,  die  zur  Vorlesung  verwendet  wii'd,  muß  vollständig  sein, 
den  ganzen  Pentateuch  enthalten,  für  die  Propheten  genügt  das  eine 
Buch,  aus  dem  gerade  vorgelesen  wird.  AUes  das  läßt  darauf  schließen, 


\1Q  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

daß  zur  Zeit  der  Einführung  der  Haftara  die  Propheten  noch  kein 
abgeschlossenes  kanonisches  Buch  bildeten.  Sicher  ist,  daß  die 
Einführung  der  Haftara  in  vorclmstliche  Zeit  fäUt,  die  ältesten  christ- 
lichen Quellen  kennen  die  Prophetenvorlesung  bereits  als  völlig  aus- 
gebildete Einrichtung  (Luk.  4 17,  Akt.  13 15).  Auch  die  Mschna,  die 
an  dieser  Stelle  Sätze  von  weit  höherem.  Alter  als  ihre  Redaktion  ent- 
liält,  bespricht  die  Prophetenvorlesung  in  einer  Weise,  daß  auf  ein 
bereits  längeres  Bestehen  der  Institution  geschlossen  werden  muß. 

3.  Die  Mischna  (Meg.  IV,  Ende)  bestimmt,  daß  am  Sabbat  und 
den  großen  Festen  beim  Morgengottesdienst  Prophetenvorlesung 
stattfindet.  Daß  das  von  Haus  aus  so  gewesen  ist,  ist  sehr  zweifeDiaft. 
Die  Mischna  nennt  nur  Prophetenabschnitte,  deren  Vei^wendung  sie 
nicht  gestattet ;  gebräuchliche  Prophetenabschnitte  werden  zuerst 
in  der  Tosefta  (das.)  für  die  vier  ausgezeichneten  Sabbate,  in  einer 
Baraita  des  babylonischen  Talmuds  für  die  gi'oßen  Feiertage,  für  die 
Sabbate  der  jVIitteKeiertage,  für  Chanukka-  und  Xeumondsabbat, 
für  den  9.  Ab  genannt  (b.  Meg.  31  a  f.).  Wahrscheinlich  ist  es  auch 
mit  den  Propheten  so  gegangen  \\\e  mit  der  Toravorlesung,  daß  sie 
zunächst  nur  an  den  Festen  oder  an  wenigen  ausgezeichneten  Sabbaten, 
sodann  aber  an  allen  Sabbaten  und  an  ausgezeichneten  Tagen  me  9.  Ab 
stattfand.  Die  Prophetenvorlesung  ist  auch "  später  nur  noch  ganz 
wenig  ausgedehnt  worden.  Es  kam  lediglich  die  Haftara  beim  Mincha- 
gottesdienst  der  Fasttage  hüizu,  die  einzige  bei  einem  ]\Iinchagebet, 
die  sich  schon  dadurch  als  jung  kennzeichnet  und  auch  nicht  m  allen 
Riten  üblich  ist.  Daß  ein  Propheten  z  y  k  1  u  s  nicht  in  Frage  kommt. 
sondern  daß  die  Stücke  völlig  unzusammenhängend  gelesen  werden, 
wurde  schon  erwähnt.  Geschah  die  Wahl  der  Haftara  ganz  beüebig 
durch  den,  der  sie  vortrug,  oder  waren  bestimmte  Stücke  vorgeschrieben? 
Lukas  erzählt,  daß,  als  Jesus  am  Sabbat  die  Synagoge  in  Xazaret 
besuchte,  ihm  das  Buch  Jesaias  gereicht  wurde,  und  daß  er  beim 
Aufsclüagen  die  Stelle  Jes.  61 1  f  a  n  d  (4 16  ff.).  Bedeutet  das  eloer  in 
der  Erzählung,  daß  Jesus  eine  Stelle  fand,  die  er  gesucht  hatte,  oder 
war  der  ihm  vorgelegte  Band  derart  vorbereitet,  daß  er  die  RoUe  an 
jener  Stelle  öffnen  mußte?  Die  Frage  wird  kaum  jemals  gelöst 
werden  können,  zumal  der  Evangelist  ja  Jesus  diese  bestimmte 
Stelle  finden  lassen  mußte;  in  jedem  Falle  aber  würde  die  Tatsache, 
daß  allein  das  Buch  Jesaias  gereicht  wurde,  eine  Beschränkung  in  der 
Auswahl  des  Abschnittes  bedeuten.    Xachzuweisen  sind  festgele2:te 


I'rdlilii'li'iivorlcsunf^  177 

Haftarot  bis  zu  (Irni  aiific^i'hciu'u  /citpunktc  nicht,  und  es  sciicin.t. 
(lau  (liojiMiifjfcn  für  die  Feste  iiüluT  bestinuiit  waren  als  die  der  Sabbate. 
Dali  die  llal'taras  im  Laufe  der  Zeit  "jewecliselt  haben,  beweist  am 
besten  Ez.  16  nimyin  rs?  nbüin-»  rs  7nn;  in  der  Mischna  wird  die 
ViMwendunii:  des  Abselinitles  als  llaflara  verboten,  und  wenn  schon 
sonst  immer  ans  solchen  \'erboten  ein  fiüherer  (lebrauch  erschlossen 
werden  kann,  so  wiril  in  unserem  Falle  ausdrücklich  von  der  einstigen 
Verwendnno;  des  Abschnittes  berichtet  (Tos.  Meg.  IV,  34).  In  der 
Mischna  wird  ferner  Ez.  1  (r.nsn'a)  für  unstatthaft  erklärt,  indes  ist 
die  gegenteilige  Meinung  K.  Jehudas  maßgebend  geblieben,  Ez.  I  ist 
die  Haftara  für  den  ersten  Tag  des  Wochenfestes  geworden. 

4.  Nach  welchem  Prinzip  wurden  die  Haftaras  gewählt?  Der 
Talmud  formuliert  die  einzige  Bedingung  in  kurzen  Worten  rr^b  "^m 
(b.  Meg.  29  b),  d.  h.  daß  eine  gewisse  Verwandtschaft  zwischen  dem 
Inhalt  des  Projjhetenabschnittes  und  der  vorangegangenen  Pcnta- 
teuch-Perikope  vorhanden  sein  muß.  Diese  Beziehung  ist  bei  den 
Festtagshaftaren  und  denen  der  ausgezeichneten  Sabbate  stets  vor- 
handen; wo  sie  nicht  durchsichtig  ist,  hilft  die  agadische  Auslegung 
des  Proplietenal)schnitts  oder  des  Festgedankens  zu  ihrem  Verständnis. 
Bei  den  Sabbathaft aren  hingegen  ist  die  Beziehung  häufig  eine  recht 
lose,  sie  bcscliränkt  sich  bisweilen  auf  ein  einzelnes  Wort.  Das  ist 
leicht  zu  begreifen,  wenn  wir  uns  klar  machen,  daß  mehr  als  150  Pro- 
phetenabschnitte für  die  Sidras  des  dreijährigen  Zyklus  erforderlich 
waren.  Bei  der  Umwandlung  des  Zyklus  in  einen  emjäluigen  hatten 
die  Gemeinden  dann  zu  wählen,  welchen  von  den  drei  Abschnitten 
sie  für  ihre  Parascha  behalten  wollten;  sie  wählten  verschieden,  und 
die  Abweichungen,  die  sich  in  den  einzelnen  Riten  erhalten  haben, 
sind,  wie  die  neuerdings  aufgefundenen  Verzeichnisse  für  den  drei- 
jährigen Zyklus  bew^eisen,  die  Haftaras  der  verschiedenen  Sedarim 
jenes  Zyklus  gewesen.  Am  bequemsten  machten  es  sich  die  Karäer, 
die  fast  dmchweg  die  Haftara  des  ersten  Seder  beibehielten;  es  ist 
möglich,  daß  ihnen  darin  der  altbabylonische  Ritus  vorangegangen  war. 

5.  Wo  zwei  Paraschen  vereinigt  wurden,  wü'd  nach  dem  ahge- 
meinen  Brauch  die  Haftara  der  zweiten  gewählt,  in  Worms  wurde  im 
frühen  Mttelalter  stets  die  erste  beibehalten.  Aus  unbedeutenden  An- 
lässen, wäe  bei  der  Anwesenheit  eines  Bräutigams  in  der  Hochzeits- 
woche, am  Rüsttage  des  Neumonds  u.  a.  konnte  eine  andere  Haftara 
an  die  Stelle  der  gewöhnhchen  treten,  „denn  die  Haftaras  sind  nicht  so 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  A^ 


11Q  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

festgelegt,  daß  sie  nicht,  wo  es  notwendig  ist,  durch  andere  verdrängt 
werden  könnten"  (Hai  Gaon).  Ein  fester  Haftara-Zyklus  hat  sich 
für  die  Sabbate  vom  17.  Tammus  bis  zum  Hüttenfeste  ausgebildet; 
drei  Strafandrohungen  (sn::7nE)";  i^rbr)  und  sieben  Trostabschnitte 
(sirrn:-  "r^ir)  sind  für  diese  Wochen  festgelegt  und  werden  durch 
kein  anderes  Ereignis  verdrängt.  Der  Komplex  muß  frühzeitig 
zusammengestellt  worden  sein,  denn  die  Pesiktas  sind  nach  ihm 
angeordnet,  und  alle  Riten,  auch  die  Karäer,  haben  ihn  angenommen. 
Genaueres  über  die  Zeit  und  das  Land  seiner  Entstehung  läßt  sich 
nicht  ermitteln,  wahrscheinlich  stammt  er  aus  Babylonien. 

6,  Wie  die  Sidi'as  waren  auch  die  Haftaras  ursprünglich  kurz, 
eine  bestimmte  Verszahl  war  nicht  vorgeschrieben.  In  der  Tosefta  wird 
von  Haftaras,  die  nur  ^^er  oder  fünf  Verse  enthalten,  gesprochen,  aber 
auch  von  einer,  die  nur  aus  einem  Verse  besteht,  Jes.  52 3.  In 
amoräischer  Zeit  wurde  die  Länge  der  Haftara  auf  21  Verse  festgesetzt, 
entsprechend  der  Verszahl,  die  aus  der  Tora  gelesen  ward.  Eine  ganz 
theoretische  Zalü,  denn  es  mußten  sofort  ^'iele  Ausnahmen  zugelassen 
werden.  Überall  wo  alte  Haftaras  eingefülut  waren,  die  nicht  ver- 
längert werden  konnten,  weil  in  den  Propheten  ein  anderes  Argument 
folgt  (i52i:r  p'öül),  durften  sie  kürzer  sein.  Die  Haftaras  waren 
ferner  nicht  Selbstzweck,  sondern  vor  allem  Text  für  die  Auslegung, 
die  sich  an  sie  knüpfte  (Belege  sind  in  Pes.  rabb.  leicht  zu  finden, 
vgl.  auch  Luk.  421  ff.);  da  wo  ein  Metm'geman  (§28)  die  vorgelesenen 
Prophetenstücke  auslegte,  durfte,  ja  mußte  demnach  die  Haftara  auch 
km-z  sein.  So  enthält  denn  das  aus  recht  später  Zeit  stammende  Ver- 
zeichnis der  Haftaras  für  den  dreijälu'igen  Zyklus  eine  ganze  Anzalil 
Stücke  von  sehr  geringem  Umfange,  bisweilen  von  nur  zwei  Versen. 

7.  Die  Haftaras  wurden  nicht  immer,  wie  in  der  Erzählung  des 
Lukas-Evangeliums,  aus  dem  betreffenden  Prophetenbuche  vor- 
gelesen, das  sie  enthält,  geschweige  denn  aus  Rollen,  die  aUe  Pro- 
pheten enthielten,  zumal  solche  Exemplare  überhaupt  zu  den  größten 
Seltenheiten  gehörten  (vgl.  Sof.  III,  5).  Vielmelu*  gab  es  schon  früh 
eigene  Haftara-Rollen,  in  denen  alle  Haftaras  und  nur  sie 
gesclirieben  standen.  In  Babylonien  sollte  um  300  ilu"e  Verwendung 
beim  Gottesdienste  verboten  werden,  weü  es  für  unstatthaft 
galt,  solche  Auszüge  aus  der  Bibel  anzulegen,  der  Talmud  entscheidet 
jedoch  zugunsten  dieser  RoUen  (b.  Git.  60  a).  Und  sie  haben  sich, 
trotzdem  es  auch  in  späteren  Jahrhunderten  nicht  an  gegenteiligen 


Propheten  Vorlesung  179 

Stimmen  fohlte,  tatsächlitli  recht  lange  behauptet.  Hai  (iaon  kannte 
alte  Haflaiarollen,  die  noch  in  der  Sassanidenzcit  (also  vor  (540)  ge- 
schrieben waren,  und  auch  noch  ein  Jaiuliundert  später  berief  man 
sich  auf  solche  alten  Exemplare,  die  in  den  früher  persischen  Provinzen 
in  Umlauf  waren.  In  den  mohammedanischen  Ländern  seheint  sich 
die  Sitte,  die  Haftara  aus  besonderen  Rollen  zu  lesen,  recht  lange 
erhalten  zu  haben,  wäiuend  in  den  ciu'istliciien  Ländern  nach  Ein- 
fidirung  der  Buchform  die  Haftara  aus  Büchern  gelesen  wurde.  Ent- 
weder hatte  man  Bibeln,  in  denen  die  betreffenden  Prophetenstellen 
am  Bande  bezeiclinet  waren,  wie  in  dem  berühmten  Exemplare,  das 
im  XL  Jahrhunderte  aus  Babylonien  nach  Deutschland  gekommen 
war,  oder  es  wurden  besondere  Bücher  für  die  Haftaras  angefertigt, 
Nach  der  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  wurden  die  Haftaras 
aus  gedruckten  Exemplaren  vorgelesen,  meist  werden  Exemplare 
verwendet,  in  denen  jedes  Buch  des  Pentateuchs  mit  seinen  Haftaras 
zu  finden  ist.  Daß  aus  Haftara  rollen  gelesen  wird,  gehöit  zu  den 
ganz  seltenen  Ausnahmen.  Selbst  wenn  auf  Hollen  geschrieben, 
werden  die  Haftaras  mit  Vokalzeichen  und  Akzenten  versehen,  so 
daß  sie  sich  von  den  Torarollen  unterscheiden. 

8.  Auch  darin  unterscheidet  sich  die  Prophetenvorlesung  von 
der  Toravorlesung,  daß  nur  ein  einzelner  liest.  Die  Befürchtung, 
daß  die  Prophetenvorlesung  höher  bewertet  werden  könnte,  als  die 
aus  der  Tora,  führte  zu  der  Einrichtung,  daß  der  Maftir  zunächst 
ebenfalls  aus  der  Tora  lesen  mußte.  Jn  der  ältesten  Zeit,  bevor  es 
noch  einen  festen  Zyklus  gab,  las  er  dort  weiter,  wo  der  zuletzt  Auf- 
gerufene geschlossen  hatte;  in  späterer  Zeit  hingegen  wurde  die  Sidra 
oder  Parascha  auf  die  sieben  Aufgerufenen  verteilt,  während  der 
Maftir  die  letzten  Verse  noch  einmal  las.  An  den  Festtagen  und 
ausgezeichneten  Sabbaten,  an  denen  eine  besondere  Maftirperikope 
vorhanden  war  (S.  168),  las  er  diese.  In  jedem  Falle  wurde  die  Tora- 
vorlesung des  Maftir  von  der  vorangegangenen  durcli  Halbkaddisch 
(§  12  a  S.  94.  96)  getrennt. 

Die  geringere  Bewertung  der  Haftara  kam  darin  zum  Ausdruck, 
daß  auch  Minderjährige  sie  lesen  durften,  selbst  in  solchen  Ländern, 
wo  man  diese  von  der  Toravorlesung  ausschloß.  In  manchen  Ländern 
wurden  sogar  n  u  r  Mmderjährige  zur  Haftara  zugelassen,  mit  Aus- 
nahme von  wenigen  besonderen  Abschnitten,  die  angesehenen  Ge- 
meindemitgliedern, meist  dem  Rabbiner,  vorbelialten  blieben.    In  den 

12* 


]  gQ  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

letzten  Jahrhunderten,  nach  Ausbildung  der  Barmizwa-Institution, 
wurde  es  üblich,  daß  Knaben  am  Barmizwa-Sabbat  regelmäßig  die 
Haftara  lasen. 

9.  Die  Haftara  wurde  gelesen,  nachdem  die  Tora  zugerollt  war 
(b.  Sota  39  b).  Zum  Prophetenabschnitt  gehören  ebenso  wie  zur  Tora- 
vorlesung Benediktionen  am  Anfange  und  am  Sclilusse.  Wahrscheinlich 
kommt  ihnen  das  gleiche  Alter  zu  vde  jenen;  die  älteste  Erwähnung 
der  Haftara-Benediktionen  finden  wh-  bei  den  Amoräern  um  300. 

Im  Talmud  wird  TTl  p'a  als  Eulogie  einer  Haftara-Benediktion 
genannt  (b.  Pes.  117  b)  und  eine  weitere  Benediktion  vorausgesetzt, 
in  der  des  betreffenden  Festtages  Erwähnung  geschah  (b.  Schab.  24  a). 
Soweit  uns  Quellen  zugänglich  sind,  beträgt  die  Zalü  der  Haftara- 
Benediktionen  fünf,  eine  geht  ihr  voran,  \äer  folgen ;  ob  die  Zahl 
in  talmudischer  Zeit  bereits  ebenso  groß  war,  läßt  sich  nicht  beweisen. 
Die  Benediktion  vor  der  Haftara  entspricht  derjenigen  über  die  Tora 
in  der  Fassung  von  Deut.  rab.  (D'^DTJ  a"'i{"'i:D  "^nn  ^"Oi5).  Bemerkens- 
wert ist,  daß  in  ilu*  ebenfalls  der  Tora  und  Mosis  Erwähnung  geschieht, 
wodurch  offenbar  wiederum  der  Gedanke  an  eine  zu  hohe  Bewertung 
der  Propheten  ausgeschlossen  werden  soll.  Von  den  Benediktionen 
n  a  c  h  der  Haftara  bezieht  sich  die  erste  auf  die  Erfüllung  der  ver- 
lesenen prophetischen  Verheißungen,  die  letzte  auf  die  Weihe  des 
Tages,  an  dem  die  Vorlesung  stattfindet.  Die  zwei  mittleren  Bene- 
diktionen sind  nationalen  Inhaltes,  die  erste  enthält  eine  Bitte  für  Zion, 
die  zweite  eine  solche  für  den  Messias;  wahrscheinlich  bildeten  sie, 
wie  in  der  Tefilla,  dereinst  nur  eine  Benediktion,  die  in  Babylonien 
mit  Rücksicht  auf  das  Exilarchenhaus  geteilt  wurde  (S.  40).  Die 
Benediktionen,  die  auf  die  Haftara  folgen,  bilden  eine  besondere 
Gruppe,  ihre  Disposition  ist  die  der  großen  Gebete,  insbesondere  die 
der  Tefüla.  Zur  Emleitung  finden  wh*  einen  Hymnus,  den  vertrauens- 
vollen Dank  für  die  Erfüllung  der  Zukunftsverheißungen,  als  Kern 
die  Bitte  um  nationale  Wiederherstellung,  am  Sclilusse  den  Dank 
für  die  Einsetzung  des  heiligen  Tages.  Der  älteste  Text  der  Haftara- 
Benediktionen  findet  sich  Sof.  XIII  9—14  (XXII  f.),  in  allen  wesent- 
lichen Punkten  stimmt  die  dortige  palästinische  Überheferung 
mit  dem  üblichen  Texte  überein,  in  einigen,  in  denen  dieser  abweicht, 
bietet  Amr.  die  Vorlage  für  den  uns  bekannten  Wortlaut.  Amr.  hat 
seinerseits  wiederum  noch  eine  zweite  Überlieferung.  Für  die  Bene- 
düvtion  vor  der  Haftara  stimmen  alle  Texte  bis  auf  unwesenthche 


Prophetenvorle.su  ng  ISl 

l\.l('nii<:;k('iti'ii  ühcrciii.  Die  t'istc  luidi  diT  llal'laiu  lautet  iiacli  dci' 
Ausgabe  von  Ainr.  (nit-lit  in  dvn  Handschriften)  wosentlicli  kürzer 
als  in  Sol. ;  aber  das  kann  nicht  der  ursprüiif^liche  Text  sein,  denn 
widitige  Sätze  kommen  nicht  darin  vor.  Die  Henediktion  zerfällt  in 
zwei  Teile,  die  in  den  Handschriften  (vgl.  b.  Ber.  4(3  b  vgl.  s.  v.  n-'jrr) 
nnd  in  den  Dnickcii  auch  änlkrlich  erkennbar  auseinandergehalten 
wertlcn;  i)cim  l)(>ginnc  des  zweiten  Teiles  ST.  ~ri{  "^54:  setzte  die  (l((- 
meinde  laut  ein,  der  Maftir  nahm  den  Satz  auf  und  fiUn'le  ihn  zu  Ende. 
In  Palästina  erhob  sich  die  (ieuu'iudc  bei  diesen  Worten,  in  Baby- 
lonien  blieb  sie  sitzen.  In  den  späteren  Riten  (schon  bei  Amr.)  ist  der 
Brauch  der  Unterbrechung  durch  die  Ciemeinde  vollständig  geschwun- 
den, es  fehlt  in  unseren  Gebetbüchern  jede  Spur  davon,  in  V.  hingegen 
zeugt  das  doppelte  "i^x:  noch  immer  von  der  alten  Sitte,  wenn  ihier 
auch  nicht  Erwähnung  geschielit.  Zwischen  der  Haftara  und  der 
ersten  Benedikt ion  haben  alle  Riten  Jes.  47  4  HDT  ^::5?"".',  nur  in  Germ, 
fehlt  es.  Am  Anfange  der  nächsten  Benediktion  liest  Sof.  'rc^  n  an: 
■;":"i::  rr,  Amr.  y^'i  b"  an'',  das  ist  dieselbe  Differenz,  die  aus  der  Ein- 
schaltung für  die  Tefilla  des  9.  Ab  bekannt  ist  (S.  53),  üblich  wurde 
ann  (schon  in  V.).  Im  nächsten  Satze  lesen  die  alten  Texte  r:Ql5i"bl 
^r^"^!  nnrrai  ap:  aiprr  tus:,  einige  Rezensionen  von  Sof.  haben 
das  üblich  gewordene  TTS:  m'^brn;  ap:  aip;r  ist,  wahrscheinlich 
um  Mißverständnissen  vorzubeugen,  in  :7iTCin  geändert.  Die  Eulogie 
n^:nn  "il^s  an:T3  in  Sof.  wurde  in  der  Form  on  pis  nac«  üblich; 
bei  Amr.  lautet  sie  wie  die  entsprechende  Eulogie  der  Tefilla  ~:in 
a^ibim"!""  (S.  53).  Xur  Rom.  hat  getreu  die  Fassung  von  Sof.  erhalten. 
x\uffällig  sind  die  Abweichungen  der  dritten  Benediktion.  Bei  Amr. 
hat  sie  den  Wortlaut  der  XV.  Tefilla- Benediktion  HDI  HüS  rs 
(S.  54),  die  zugehörige  Eulogie  jedoch  nzmr-»  ]-\p  n^'Q'm  hat  Sof., 
während  Amr..  dem  babylonischen  Talmud  entsprechend,  "n~  pia 
üest.  Üblich  wurde  die  Fassung  von  Sof.  (freilich  ohne  den  Schlußvers 
Jer.  23t),  den  nur  Rom.  beibehalten  hat)  mit  der  Eulogie  von  Amr.; 
so  zusammengesetzt  finden  wir  sie  bereits  in  V.  Die  Schlußbenedik- 
tion lautet  bei  Ami',  so  wie  das  mittlere  Stück  im  Minchagebet  aiu 
Sabbat  "b  n:n  (S.  118),  die  übliche  Fassung  ist  die  von  Sof.,  nur 
daß  der  Schluß  gegenüber  Sof.  etwas  erweitert  ist.  In  der  Eulos:ie 
stimmen  sie  überein,  sie  lautet  für  den  Sabbat  racn  '0-pi2.  Beide 
Quellen  verändern  die  Eulogie,  wenn  z.  B.  der  Neumond  auf  Sabbat 
fällt  (aT-n  ■^"i'j«-'"  '^'CiT  rnr-  inpia),  was  später  in  keinem  Ritus 


182  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

melir  nachzuweisen  ist.  Hingegen  ist  es  allgemein  üblich,  die  Benedik- 
tion und  die  Eulogie  an  einem  Feiertage  zu  ändern  und  an  den  ernsten 
Festen  von  der  Fassung  der  Wallfalirtsfeste  abzuweichen.  Dafür  bieten 
schon  die  ältesten  bekannten  Vorlesungen  einen  Anhalt,  wenn  unter 
den  Benediktionen  des  Hohenpriesters  'j"i"ri  rbTTa  "~"  genannt  und  vom 
Könige  am  Sukkausfeste  gesagt  wird  '""  CTi^  rnr  a"'b5"i  bir  ]r"i:, 
daß  er  die  Benediktion  durch  eine  auf  das  Fest  bezügliche  ersetzt 
(Sota  Vn,  Ende).  Amr.  hält  sich  dann  wiederum  an  die  Tefilla  und 
liest  nDl  i:b  "inn  (S.  134).  Nur  in  den  Mittelfeiertagen  des  Pesach- 
festes  wollte  man  in  Deutschland  des  Festes  nicht  gedenken, 
wälirend  es  am  Sukkaus  geschehen  sollte.  Am  9.  Ab,  dem  einzigen 
Wochentage,  an  dem  des  Morgens  eine  Haftara  gelesen  wurde,  fiel,  da 
es  ein  Trauertag  war,  seit  Natronai  die  Schlußbenediktion  aus.  Ebenso 
wurde  sie  bei  den  Mincha-Haftaras  an  den  Fasttagen  weggelassen; 
am  Versöhnungstage  zu  Mincha  schreibt  V.  dieselbe  Benediktion  wie 
am  Morgen  vor,  jedoch  ist  es  überall  so  gehandhabt  worden,  daß  die 
letzte  Benediktion  ausfällt. 

10.  Das  Thema  der  Mincha-Haftaras  bedarf  noch  näherer 
Erörterung.  Auf  Grund  einer  bereits  erwähnten  Nachricht  im  Talmud 
(mi2  Di^n  nn:^S  i<^n:  px  rnr  s:^:i«Tü  b.  Schabb.  24  a)  muß  ange- 
nommen werden,  daß  einst  am  Sabbat  zu  Mincha  Prophetenvorlesungen 
üblich  waren.  Diese  Naclu-icht,  die  sich  nirgends  positiv  belegen  läßt,  hat 
die  Erklärer  des  Mittelalters  in  die  größte  Verlegenheit  gebracht.  Die 
Auffassung  der  babylonischen  Hochschulen,  die  bis  nach  Deutschland 
gelangte,  war  die,  daß  in  älterer  Zeit  auch  am  Sabbatnachmittag 
Trostkapitel  aus  Jesaias,  also  vorzugsweise  dem  zweiten  Teile,  vorgelesen 
wurden,  und  daß  die  Sassaniden  zuletzt  ein  Verbot  dagegen  erlassen 
haben.  Andere  erklärten,  daß  hier  nicht  Propheten,  sondern  Hagio- 
graphenvorlesungen  gemeint  waren,  wie  sie  tatsächlich  anderweitig 
bezeugt  werden  (weiter  S.  186).  Wieder  andere  erklärten  die  ganze 
Stelle  für  falsch  überliefert,  ohne  Besseres  dafür  vorschlagen  zu  können. 
Tatsächlich  bleibt  nur  eine  dieser  zwei  Möglichkeiten,  entweder  ist 
die  ganze  Überlieferung  falsch,  oder  es  muß  für  die  älteste  Zeit  eitie 
Prophetenvorlesung  für  den  Sabbatnachmittag  angenommen  werden, 
obwohl  wir  sonst  nirgends  eine  Spur  von  ihr  finden.  Die  einzige  Mncha- 
Haftara,  die  sich  im  Talmud  nachweisen  läßt,  ist  die  des  Versöhnungs- 
tages; schon  damals  wurde,  wie  heute,  das  Buch  Jona  vorgelesen 
(b.  Meg.  31  b).  Nach  dem  Beispiele  des  Versöhnungstages  wurden  die 


Prophetenvorlesung  1H3 

Miiu'lui-llaftaras  auch  auf  diu  Kastla^c  ühcrlraficn,  wo  sk'  sich  jedoch 
vor  dorn  Jahre  lOüü  nicht  nachweisen  lassen.  Ibn  (iajjat  ist  der  erste 
Autor,  der  Hos.  14,  nSTD,  als  Haftara  für  den  9.  Ab  erwähnt,'  die 
Vorlesung  aber  völlicj  dem  Belieben  anheinislellt.  Tatsächlicli  haben 
ahe  Kiten  außer  denn.  Hos.  14  als  Haftara  für  den  Xaciiinitlag 
des  9.  Ab  angenommen.  Noch  jünger  sind  offenbar  die  Haftaras  für 
die  anderen  Fasttage;  wann  und  w'o  sie  aufgekoinnicn  sind,  ist  schwer 
zu  sagen;  Seph.  hat  sie  niemals  angenommen,  Rom.  kennt  sie,  lehnt 
sie  jedoch  ab,  nur  It.  und  Germ,  lesen  an  den  Fasttagen  zu  Mincha 
nnm  Jes.  56  ü  —  57  8,  Germ,  dasselbe  Stück  auch  am  9.  Ab. 

Die  Mincha-Haftaras  sind  als  spätere  Einrichtung  auch  daran 
kenntlich,  daß  der  Älaftir  einer  von  den  drei  zur  Tora  Aufgerufenen 
ist,  also  nicht  erst  nach  der  Beendigung  der  Perikope  auftritt.  Die 
Einrichtung,  daß  hier  der  dritte  als  Maftir  fungiert,  hat.  nachdem 
die  Frage  im  Tabnud  schon  einmal  negativ  entschieden  war,  im  ]\Iittel- 
alter  wiederum  zu  der  irrtümlichen  Auffassung  geführt,  daß  der 
Maftir  zur  Zahl  der  zur  Tora  zu  Rufenden  mitgezählt  werden  dürfe, 
daß  also  am  Sabbat  Vormittag,  beispielsweise  neben  ihm  nur  noch  sechs 
aufzurufen  wären  (""nr"  ]^'.'Q':  nbl"  T^'^Eia).  Eine  befriedigende  Er- 
klärung dieser  Abweichung  bietet  nur  die  liistonsche  Erkenntnis, 
daß  die  Mincha-Haftaras  jüngere  Institutionen  sind,  bei  deren 
Einführung  die  alte  Regel,  daß  der  Maftir  aus  der  Tora  lesen  müßte, 
keine  Beachtung  fand. 

11.  Eine  völlige  Umgestaltung  erfuhr  die  Prophetenvorlesung  in 
der  Neuzeit  auf  Grund  der  Verhandlungen  der  Rabbiner  Versammlung 
in  Frankfurt  a.  M.  1845.  Dort  wnirde  beschlossen,  die  Haftara  in  der 
Landessprache  zu  lesen ;  in  den  Synagogen,  die  die  Neuerung 
einführten,  wird  meist  Anfang  und  Ende  hebräisch,  dazwischen  das 
ganze  Stück  in  der  Landessprache  vorgetragen.  Die  Sprache  der  Bene- 
diktionen ist  ebenfalls  vielfach  die  landesübliche,  bisweilen  sind  sie 
hebräisch  beibehalten,  in  jedem  FaUe  jedoch  gekürzt,  die  beiden 
nationalen  Bitten  sind  ausgefallen.  Die  Haftara  wird  überall  vom 
Rabbiner  vorgetragen,  in  den  meisten  Fällen  auch  die  Benediktionen. 
Wo  diese  in  hebräischer  Sprache  vorgetragen  werden,  geschieht  es 
durch  den  als  i\Iaftir  Aufgerufenen.  Auch  in  konservativen  Gemeinden, 
in  denen  Haftara  und  Benediktionen  unverändert  geblieben  sind,  ist 
es  infolge  der  geringen  hebräischen  Kenntnisse  der  Gemeindemitglieder 
vielfach  dahin  gekommen,  daß  stets  der  Rabbiner  die  Haftara  liest 


184  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

und  jeder  andere  davon  ausgeschlossen  wird.  Auch  das  hat  sich  ge- 
ändert, daß  in  vielen  Gemeinden  die  herkömmliche  Melodie  nicht 
mehr  gesungen,  sondern  die  Haftara  gesprochen  wird. 

§  27.    Vorlesung  aus  den  Hagiographen. 

Literatur:  JE  Art.  Megillot  the  five  VIII,  4'29f. 

Die  Hagiographen  werden  nicht  zu  regelmäßigen  Vorlesungen 
verwendet,  schon  darum  nicht,  weU  sie  in  der  Zeit  der  Einfülirung 
der  Sclu'iftvorlesung  der  kanonischen  Anerkennung  entbeluten.  Die 
Mischna  kennt  nur  die  Vorlesung  aus  dem  Buche  Esther  (rc'y'ü)  am 
Purim  (oben  S.  131),  Ob  von  Anfang  an  das  ganze  Buch  vorgelesen 
wurde,  können  wir  nicht  mehr  entscheiden;  in  der  Mischna  erscheint 
dies  als  Verordnung  R.  Meirs,  während  seine  Zeitgenossen  R,  Jehuda 
erst  von  iTni  TL'is?  25,  R,  Jose  von  rcsv*-  ^inm"  ?nx  31,  R.  Simon 
sogar  erst  von  6 1  i«l~~  rc"^'":!  beginnen  wollten  (Meg.  II,  3,  Tos.  das.  II,  9 
S.  224).  Die  Entscheidung  zugunsten  R.  Mens  Ansicht  wird  im  Xaraen 
der  ersten  Amoräer  überliefert  (j.  Meg.  das.  fol.  73  b),  von  da  an 
ist  stets  nur  das  ganze  Buch  vorgelesen  worden.  Das  Buch  Esther 
wurde  ursprünglich  am  Tage  vorgelesen,  in  der  Zeit  seiner  Ein- 
führung nicht  immer  am  Purim  selbst,  d.  h..am  14.  oder  15.  Adar, 
sondern  in  Palästina  außerdem  bereits  am  vorangehenden  Markt- 
tage für  die  Bewohner  des  flachen  Landes,  die  in  ihren  Dörfern 
keine  Synagogen  hatten.  Das  hörte  nach  dem  Untergange  des 
jüdischen  Staates  auf,  da  wurde  die  Vorlesung  auf  den  Purimtag 
beschränkt,  dafür  aber  von  der  Zeit  der  ersten  Amoräer  an  z  w  e  i  - 
m  a  1  gefordert,  am  Vorabend  und  am  Morgen  (b.  Meg.  j.  das.  4  a). 
Das  Buch  Esther  wurde  aus  einer  besonderen  RoUe  verlesen,  die  kein 
anderes  biblisches  Buch  enthielt  (b.  Meg.  19  a),  und  darum  hat 
dieses  Buch  den  Xamen  nbj^,  ,, Rolle"  schlechthin  erhalten.  Die 
Vorlesung  durfte  jeder  halten,  in  älterer  Zeit  auch  ein  Minderjähriger, 
gegen  Ende  der  Tannaitenzeit  wurde  das  jedoch  verboten  (Meg.  II,  4). 
Die  ,,Megüla"  wurde  nicht  nur  in  der  Synagoge,  sondern  auch  in 
den  Häusern  gelesen,  darum  wurde  sie  in  den  Synagogen  von  den 
Lelirern  (ii5"nc)  schon  vorher  geübt;  am  Ausgange  der  beiden  ersten 
Sabbate  im  Adar  wurde  je  eine  Hälfte  gelesen  (1  bis  5,  6  bis  10). 
eine  Teilung,  die  R.  Meir  streng  tadelte  (Sof.  XIV,  18).  Eine  Bene- 
diktion war  für  das  Lesen  der  Megilla  nicht  vorgeschrieben,  sie  war 


HagiographenvorlesunK  185 

der  Sitte  iibeilasscu  (M»'^'.  I\,  I),  man  koniiti'  votIkt.  man  konnte 
naclilior,  man  konnte  beidomale  eine  lienediktion  sprechen,  man 
konnte  sie  auch  ganz  weglassen,  ganz  wie  es  ortsüblich  war  (Tos. 
Meg.  11,5,  S.  223).  Erst  Abbaje  erklärte  die  Henediktion  vor  der 
Vorlesung  für  unbedingt  erforderlich  (b.  Meg.  21  b,  vgl.  j.  das.  1\'.,  1, 
74  d),  stellte  die  nach  der  Vorlesung  jedoch  noch  frei.  Wenn  die 
Henediktionen  aueh  nicht  als  verbindlich  galten,  so  wurden  sie  doch 
vielfach  gesprochen,  und  ein  bestimmter  Text  bildete  sich  heraus; 
für  die  Benediktionen  vor  dem  Lesen  ist  er  b.  Meg.  21  b  von  R.  Aschi 
gegeben  (vgl.  Sof.  XIV,  3,  5);  für  die  nach  dem  Lesen  besitzen  wir 
eine  ältere  P'assung  von  R.  Jochanan  j.  Meg.  a.  a.  o.,  die  jüngere  in 
1).  Meg.  21  a,  die  denselben  liedanken  mit  anderen  Worten  wieder- 
gibt uiul  auch  allgemein  üblich  wurde.  Der  Text  in  Sof.  XIV,  5  ist 
von  beiden  Versionen  beeinflußt. 

2.  Die  Vorlesung  der  anderen  Rollen  ist  dem  Talmud  noch  un- 
bekannt, hingegen  erwähnt  Sof.  XIV,  3  die  Vorlesung  von  Rut, 
Hohelied  und  Klageliedern.  Rut  und  Hohelied  —  Sof.  folgt  hier 
der  Reihenfolge  in  den  alten  Bibelexemplaren  —  wurden  in  je  zwei 
Hälften  am  Wochenfeste  und  den  letzten  Pesachtagen  gelesen; 
tatsächlich  teilt  sie  auch  die  Masora  in  je  zwei  Hälften,  und  die 
Gemeinden  haben  meist  diese  Teilung  beibehalten.  In  Germ,  werden 
sie  auf  einmal  gelesen,  und  zwar  Rut  am  zweiten  Tage  des  Wochen- 
festes, das  Hohelied  am  Sabbat  in  der  Pesachwoche  oder  am  siebenten 
Tage.  Während  sie  in  alter  Zeit  laut  und  mit  besonderer  Benedikt  ion 
gelesen  wurden  —  in  Seph.  werden  sie  noch  heute  laut  gesungen  — 
liest  sie  in  Germ,  jeder  für  sich,  die  Benediktion  fällt  fort.  Die 
Klagelieder  werden  am  9.  \h  gelesen,  über  die  Zeit  schwankte  der 
Brauch  schon  in  alter  Zeit,  jetzt  werden  sie  am  Abend  gelesen,'  auch 
hier  wird  die  Benediktion,  die  Sof.  XIV,  3  dafür  vorgesehen  ist, 
nicht  verwendet.  Nicht  erwähnt  ist  in  Sof.  das  Lesen  von  Kohelet 
am  Hüttenfeste,  das  freilich  Autoren  des  Mittelalters  ebenfalls  als 
dort  genannt  anführen;  wahrscheinlich  ist  es  nicht,  daß  diese  eine 
Rolle  vom  Vorlesen  ausgeschlossen  war  und  daß  das  Hüttenfest 
ohne  Rolle  gelassen  wurde.  Daß  die  Vorlesung  der  Megillot  ver- 
hältnismäßig früh  eingeführt  war,  dafür  spricht  das  Vorhandensein 
der  ziemlich  alten  Midraschim  zu  ihnen. 

In  neuerer  Zeit  ist  die  Vorlesung  der  Megillot  stark  beschränkt 
worden,   bis  auf  Esther  und   Klagelieder  sind  sie  in    den  meisten 


■[gg  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Gemeinden  ausgefallen,  auch  aus  diesen  beiden  värd  in  den  Eeform- 
synagogen  nur  ein  Teil  und  in  der  Landessprache  vorgetragen. 

3.  Wurde  auch  aus  anderen  Hagiographen  —  abgesehen  natür- 
lich von  den  zalilreichen  Psalmen,  die  in  das  tägliche  Gebet  auf- 
genommen waren  —  vorgelesen  ?  Sof.  XIV,  4  kennt  eine  besondere 
Benediktion  für  das  Lesen  in  den  Hagiographen,  aber  sie  bezieht 
sich  walirscheinlich  nur  auf  das  private  Lesen.  An  den  Sabbaten 
war  es  in  ältester  Zeit  verboten,  vor  dem  Minchagebet  in  den  Hagio- 
graphen zu  lesen.  Aber  im  Anschlüsse  an  den  Minchagottesdienst 
am  Sabbat  scheint  eine  solche  Vorlesung  stattgefunden  zu  haben. 
Aus  Nehardea  wird  sie  ausdrücklich  bezeugt  (b.  Schabb.  116  b); 
so  dunkel  der  Ausdruck  i?n:'52S  s^mrs  -i-iiirDn  imo  ipcE  i<r-nn:s 
auch  sein  mag,  daran  ist  nicht  zu  zweifeln,  daß  von  einer  ständigen 
Hagiographenvorlesung  berichtet  wh'd.  I'nklar  bleibt,  in  welcher 
Art  die  Vorlesung  stattgefunden  liat,  walirscheinlich  wurde  an  die 
einzelnen  Verse  eine  Auslegung  angescMossen.  Rapaport  hat  auf 
die  auffallende  Tatsache  verwiesen,  daß  die  Prooemialverse  der 
pentateuchischen  Midraschim  (vgl.  weiter  §  29)  fast  sämtlich  den 
Hagiographen  entnommen  sind,  und  daraus  den  Schluß  gezogen, 
daß  es  Sitte  war,  am  Sabbat  zu  Mincha  im  Anschlüsse  an  die  Hagio- 
graphen erbauliche  Vorträge  zu  halten,  und  daß  die  auf  uns  ge- 
kommenen Midraschim  diesen  entnommen  sind.  Freilich  sind  die 
Midraschsammlungen  aus  Palästina,  während  die  Hagiographen- 
vorlesungen  nur  aus  Xehardea  bezeugt  sind,  aber  die  Stadt  stand 
wahrscheinlich  in  Babylonien  mit  dieser  Einrichtung  allein,  während 
sie  in  Palästina  allgemein  gewesen  sein  wd.  In  diesen  Zusammen- 
hang gehört  auch  die  Tatsache,  daß  das  Midraschwerk  riCi5nn  riji« 
für  jeden  Sabbat  nicht  nm-  zu  Sidra  und  Haftara,  sondern  auch 
zu   einem   Hagiogi'aphenabschnitt   Auslegungen   bringt. 

In^neuesterZeit  hat  dasHebrewL^nionPrayerbook  auch  Abschnitte 
aus  den  Hagiographen  als  Haftaren  aufgenommen.  Aus  älterer  Zeit  wäre 
noch  zu  erwähnen,  daß  am  9.  Ab  bisweilen  das  Buch  Hiob  gelesen  wurde. 

§  28.     Die  Übersetzung  der  Schriftvorlesung. 

Literatur:  Zunz  G.  V.,  Kap.II;  Luzzatto  S.D.,  ~  ::n"X:  Baclier.  Exeg-et. 
Terminologie  I,  204  ff'.,  II,  2420".;  JE  Art.  Meturgemau  VII,  521  f. 

1.  Durch  die  Vorlesung  sollte  die  Kenntnis  und  das  Verständnis 
der  Schrift  im  Volke  gefördert  werden,  die  Bibel  mußte  daher 


I 


tibprsclzuii«,'  (k-r  Sclirifl vorlfsiiii-,'-  ]g7 

♦Miicr  dem  Vulki'  zii^äiij;li(luMi  Fuini  zu  (Jcliör  f^chraclit  worden. 
Die  Kenntnis  des  Hebiäisclien  n;ihni  bei  den  j^roLkMi  Massen  immer 
melir  ab.  Selbst  in  Palästina  bekhifjt  schon  Xeliemia  die  Zurück- 
drän<!:iinii-  der  liebräiselien  Sprache,  in  der  Diaspora  wurde  sie  kaum 
noeli  verstanden,  auch  die  (lebete  wurden  dort  bisweilen  in  der 
Landessprache  gesprochen.  Die  heili^M'  Schrift  al)er  sollte  immer  so 
zum  Vortrage  kommen,  wie  in  jener  "roßen  Versammlung  unter 
Ksra,  wo  sie  „deutlich  mit  Klarlegung  des  Sinnes"  vorgelesen  wurde 
(Neh.  8  6),  So  trat  zur  Bibelvorlesung  die  Übertragung,  das 
Targum  aiair,  wie  es  die  Quellen  mit  einem  nur  für  diese  Institution 
gebräuchlichen  Ausdruck  nennen.  In  Palästina  und  in  l^abvlonien. 
also  da,  wo  die  Einrichtung  zuerst  bestand  und  am  häutigsten  An- 
wendung fand,  wurde  die  Schrift  ins  Aramäische  übertragen,  und 
so  wurde  unter  Targum  schlechthin  die  a  r  a  m  ä  i  s  c  li  e  Über- 
setzung verstanden.  Allein  das  Wort  bezeichnet  ebensogut  die 
Übersetzung  in  jede  andere  Sprache,  freilich  pflegte  man  dann 
hinzuzufügen  "iTCb  '^3n  ^^^■1^  (Meg.  II,  1),  oder  in  amoräiseher  Zeit 
Tjbn  r.T2.'\^r  (Meg.  II,  1,  73  a).  Natürlich  fällt  auch  die  griechische 
Übersetzung  unter  die  Bezeichnung  Targum  (rmrn  ]^s5ir  ^s■J:^2■l  "ipin 
r.^'iv  sbs5  HDi::  bs  a.nnnnb  nbiD^  j.  Meg.  1, 11, 71  c,  nar.  ob^pr  35^n 
das.).  Daneben  werden  im  Talmud  noch  genannt  ägyptische, 
elymäische,  medische  Bibelübersetzungen  (b.  Schabb.  115  a,  b.  Meg. 
18  a).  Ebenso  sind  in  späterer  Zeit  arabische  und  persische  Über- 
setzungen im  Gebrauch  der  Synagoge  verwendet  worden.  Zidkia  ben 
Abraham  spricht  im  Namen  seines  Verwandten,  des  ])hilosophisch 
gebildeten  Giuda  Romano,  die  zutreffende  Meinung  aus  ilbr  T"b- 
anbc  ai5nnD,  daß  uns  die  Landessprache  ist,  was  den  Alten 
das  Aramäische,  und  ist  darum  geneigt,  eine  Übertragung  in  die 
Landessprache  zur  Pflicht  zu  machen,  eine  außerordentlich  frei- 
mütige Anschauung,  die  erst  das  XIX.  Jahrhundert  wieder  auf- 
genommen und  unter  lebhaften  Kämpfen  durchgeführt  hat. 

2.  Wie  alt  die  regelmäßige  Übertragung  der  Schriftvorlesung 
ist,  läßt  sich  nicht  mehr  ermitteln,  wahrscheinlich  so  alt,  wie  die 
Vorlesung  selbst ;  es  spricht  alles  dafür,  daß  sie  noch  in  jener  Zeit 
eingeführt  wurde,  wo  nur  einer  aus  der  Schrift  vorlas  (S.  169).  Neben 
den  Vorleser  trat  der  Übersetzer  "l^air,  ■jTa:\-'nr,  •)'a5"nn2  zur  Tora 
hin,  er  mußte  frei  dastehen  und  ohne  Vorlage  die  Übersetzung  vor- 
tragen.   Einen  angestellten  ständigen  Übersetzer  gab  es  in  ältester 


Igg  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Zeit  nicht,  ein  jeder  durfte  als  solcher  fungieren,  selbst  ein  Minder- 
jähriger (Meg.  IV,  7).  Ob  einer  die  ganze  Perikope  übersetzen 
mußte  oder  ob  die  Übersetzer  ebenso  wie  die  Vorleser  abwechselten, 
ist  aus  den  Quellen  nicht  ersichtlich.  In  späterer  Zeit  mag  häufig 
der  Gemeindediener,  der  ja  auch  Kinderlehrer  war,  als  Übersetzer 
fungiert  haben  (vgl.  j.  Meg.  IV,  1),  allmählich  wurde  der  "iTs^mn^ 
ein  angestellter  Beamter,  bei  den  langen  Sidras  der  späteren  Zeit 
konnte  man  kaum  beanspruchen,  daß  jedes  beliebige  Gemeinde- 
mitglied als  Meturgeman  zu  fungieren  imstande  war.  Die  Über- 
setzung war  eine  Ehrung  genau  so  wie  das  Vorlesen,  bei  feierlichen 
Gelegenheiten  fungierten  die  angesehensten  Persönlichkeiten.  Wenn 
in  Babylonien  die  ExUarchen  installiert  wurden,  fand  am  Sabbat 
ein  feierlicher  Gottesdienst  statt,  der  Exilarch  las  sein  Stück  aus  der 
Tora  (S.  170),  und  der  Gaon  von  Sura  fungierte  ihm  als  Meturgeman, 
und  ebenso  wurde  die  Haftara  an  jenem  Sabbat  von  einem  an- 
gesehenen Gemeindemitgliede  übersetzt,  das  sich  die  Funktion  zur 
hohen  Ehre  anrechnete.  AVo  die  Juden  nicht  hebräisch  verstanden 
(mT57lb),  wurde  die  Tora  oft  gar  nicht  oder  nur  teilweise  hebräisch, 
ganz  oder  zum  größten  Teil  sofort  in  der  Landessprache  vorgelesen 
(Tos.  Meg.  IV,  13,  S.  226,  oben  S.  170). 

3.  Das  Targum  war  eine  freie  Übersetzung  nicht  nur  in  dem 
Sinne,  daß  es  eine  improvisierte  Übersetzung  sein  mußte,  die  Über- 
tragung durfte  auch  nicht  eine  wörtliche  sein.  Sie  durfte  nicht 
sklavisch  an  den  Buchstaben  sich  anschließen,  sondern  mußte  der 
fremden  Sprache  Rechnung  tragen,  sinngemäß  sein,  andererseits 
durfte  sie  auch  nicht  den  Text  erweitern,  nicht  in  willkürliche 
Paraplu'ase  ausarten  (Tos.  Meg.  IV,  41,  S.  228).  Freilich  ließ  dieses 
Gesetz  immerhin  einen  gewissen  Spielraum,  es  mag  auch  erst  aus- 
gesprochen worden  sein,  nachdem  ein  starker  Mißbrauch  der  Para- 
phrase sich  geltend  gemacht  hatte.  Die  Übersetzung  der  Septuaginta 
dürfte  etwa  den  Typ  darstellen,  wie  der  Durchschnitt  der  Über- 
setzung gehalten  war.  Unter  den  aramäischen  Targumim  zum 
Pentateuch,  die  wir  zunächst  betrachten,  hat  das  nach  Jonathan 
benannte  viele  alte  Elemente  aufbewahrt,  es  zeigt,  daß  die  Über- 
tragung vielfach  eine  freiere,  bisweüen  moralisierende  war.  Be- 
achtenswert ist  besonders  die  dort  bei  wächtigen  Stellen  häufig 
wiederkehrende  Anrede  bs^iTT"'  i:n  "»'c:?  "»'S",  die  auf  eine  gleichartige 
Verwendung  in  der  Synagoge  schließen  läßt.  Die  weitgehende  Willkür 


Übersotzuiif?  der  Srhriflvnrlosnng  189 

der  Moturfijoinaniin  hat  sc-lilicülicli  dazu  }!;('tiilirt,  daü  die  Freihoit 
dor  tM)ortra<!:unü:  ('inp;escliränkt,  daLi  ein  In-liördlich  n'difjicrU's 
Tarjijum  oinücl'iilirt  wurde:  es  ist  das  naeli  0  n  k  e  1  o  s  henannte 
Tarf,niiu,  dessen  Abfassungszeil  an  den  Anfang  der  ainoräisclien 
Schulen  in  I^ahylonien  (200)  zu  setzen  ist.  Auf  dem  (Jehiete  der 
grieehiselien  Biheiüheisetzungen  bietet  Aquila  dieselbe  Erscheinung; 
seine  (Übersetzung,  die  unter  Beistand  und  Anerkennung  der  maß- 
gebenden Lehrer  entstand,  war  bestimmt,  die  Septuaginta  aus  dem 
Synagogengel)rauch  zu  verdrängen.  Onkelos  und  A(|uila  haben  eine 
gewisse  Verwandtschaft  in  der  Methode,  find  es  hat  seinen  guten 
Grund,  wenn  man  das  aramäische  Targum  mit  dem  Namen  des 
griechischen  Übersetzers  belegte.  Allerdings  brachte  das  Erscheinen 
des  Onkelos  noch  nicht  volle  Abhilfe  gegen  alle  Mißstände;  in 
Palästina  und  den  damit  zusammenliängenden  Ländern  konnte  und 
wollte  man  sich  an  die  trockene  Art  dieses  Targums  nicht  gewöhnen, 
es  bieb  immer  noch  die  alte  freiere  Methode  bestehen.  Das  Targum 
Jonathan  und  das  Fragmenten-Targum  zeigen,  daß  noch  viele 
Jahrhunderte  hing  freie  Übersetzungen  mit  umfangreichen  haga- 
dischen  Zusätzen  gebräuclilicli  waren,  die  von  den  Vorbetern  oder 
Meturgemanim  willkiirlicli  eingeführt  wurden. 

4.  Es  war  der  Zweck  der  Übersetzung,  das  Verständnis  des 
Inhaltes  der  Schrift  zu  ATrbreiten.  ,, Ungebildeten  (n'JT^nn),  Frauen 
und  Kindern"  die  Bibel  näherzubringen.  Das  Anhören  des  Targums 
ohne  nähere  Erläuterung  konnte  auch  viel  Unheil  stiften,  zu  zahl- 
reichen Mißverständnissen  Anlaß  geben.  Um  sie  auszuschließen, 
wurde  von  einer  wortgetreuen  Übersetzung  häufig  Abstand  ge- 
nommen, die  Septuaginta  wie  die  Targumim  und  diePeschitto  weisen 
stereotype  Abweichungen  vom  Texte  auf,  die  sich  aus  der  Furcht 
vor  Mißdeutungen  von  einzelnen  Ausdrücken,  von  F^rzählungen  und 
Satzungen  erklären.  Man  ging  aber  noch  weiter  und  schloß  ganze 
Stücke  von  der  Übertragung  überhaupt  aus  ("j'i'ajT'a  5?"^T  rs5"ip:  T^i 
Tos.  Meg.  IV,  31,  S.  228).  Im  Pentateucli  sind  es  zwei  Erzählungen, 
die  nicht  übersetzt  werden.  Gen.  35  22  b  (imsn  nrria)  und  Ex.  32  21—25 
(■^:r-  b:.r  r.rrTi),  weü  sie  für  die  dabei  beteiligten  Personen  wenig 
ehrenvoll  sind,  der  Priestersegen  (Num.  6  24—26),  weil  er  offenbar 
jedem  im  Originaltext  vertraut  werden  soUte  (Meg.  IV,  Ende). 
Die  Zahl  der  nicht  zu  übertragenden  Stellen  war  aber  einst  sicher 
größer,  denn  die  Mischna  und  Tosefta  heben  Stellen  ähnlichen  Inhalts 


190  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

hervor,  die  wohl  übertragen  werden,  was  ganz  überflüssig  ge- 
wesen wäre,  wenn  nicht  ursprünglich  einmal  über  dieselben  Stellen 
Zweifel  bestanden  hätten.  Es  scheint  auch,  daß  eine  Einigung 
über  die  fortzulassenden  Stellen  erst  nach  und  nach  zustandekara 
und  nicht  allerorten  bekannt  war  (vgl.  Tos.  Meg.  IV,  35,  S.  228), 
AVie  lange  solche  Auslassungen  beim  Targum  beibehalten  wurden, 
ist  unbekannt.  Die  jetzt  vorhandenen  Targumim  bringen  Über- 
setzungen auch  zu  den  verbotenen  Stellen.  Dennoch  hat  noch 
Saadjas  Siddur  21  Verse  des  Pentateuchs  aufgezählt,  die  nicht  über- 
setzt werden  durften,  das  waren  weit  mehr,  als  im  Talmud  vor- 
geschrieben war;  sie  wurden  nicht  immer  korrekt  überliefert  und 
es  bildeten  sich  allerlei  Zweifel  darüber  aus,  aber  in  Kairuan  in  Nord- 
afrika wurde  die  Vorschrift  selbst  zum  mindesten  bis  zum  Jahre  1000 
befolgt. 

5.  Die  Einführung  der  feststehenden  Targumim  bereitete  der 
ganzen  Institution  allmählich  ein  Ende,  sie  verlor  ihren  rechten 
Sinn  und  starb  mit  der  Zeit  aus.  Denn  wenn  auch  später  noch  streng 
darauf  gehalten  wurde,  daß  der  Meturgeman  keine  Vorlage  hatte, 
so  bedeutete  dennoch  das  Targum  nur  eine  Wiederholung  der  Vor- 
lesung. Nach  der  Kanonisierung  des  Onkelos  sollte  dieses  Targum 
überall  eingeführt  werden,  auch  wo  das  Ai'amäische  gar  nicht  die 
Landessprache  war;  aber  selbst  wo  aramäisch  gesprochen  wurde, 
redete  man  einen  ganz  anderen  Dialekt  und  verstand  Onkelos  eben- 
sowenig wie  den  hebräischen  Text  der  Bibel.  Die  griechischen 
Bibelübersetzungen  verloren  allmählich  ihre  Bedeutung,  weil  die 
Zahl  der  griechisch  sprechenden  Juden  außerordentlich  zurückging. 
Aber  noch  553  hatte  Kaiser  Justinian  einen  Streit  in  einer  Gemeinde 
zu  entscheiden,  in  der  einige  Mitglieder  neben  dem  hebräischen 
Texte  auch  eine  griechische  Übersetzung  vorgetragen  \vissen  wollten 
{TY^v  'cXXriviöa  cptovriv  TiQug  zriv  avdyvioon'  TVQoqkaußävEiv).  Der 
Kaiser  erklärt  die  Forderung  für  berechtigt  und  empfiehlt  die  Über- 
setzung der  Septuaginta  und  des  Aquila  (Novelle  146).  Justinian  und 
seine  Nachfolger  sorgten  dafür,  daß  das  Judentum  in  den  griechischen 
Ländern  zur  völligen  Bedeutungslosigkeit  herabsank,  und  so  hören 
wir  von  griechischen  Bibelübersetzungen  später  nichts  mehr.  Der 
aus  derselben  Zeit  stammende  Traktat  Sofrim  empfiehlt  das  Targum, 
aber  nicht  in  der  alten  Weise,  vielmehr  sollen  Sidra  und  Haftara 
nach  der  Vorlesung  im  Zusammenhang  übertragen  werden  (XIV,  4). 


Übersetzung  der  Scliriftvorlt'siiiig  191 

Im  Orient  vorbreitete  sieh  mit  der  Herrschaft  des  Ishinis  die  arabische 
Sprache  und  beeinträchtit^te  das  Interesse  am  aramäisclien  Tarj^iim 
wesentlich.  Dazu  kam  in  i>abyh»nien  eine  opixtsilioiielle  Str(")muiif(, 
die  das  Targuni  im  1.  a  ii  d  e  s  d  i  a  1  e  k  t  .  nicht  in  (h-r  über- 
lieferten „rabbinischen  Sprache"  wünschte.  Der  (iaon  Natronai, 
ein  Eiferer  gegen  alle  Abweichungen  vom  Herkommen,  erklärte  ein 
solches  Targum  für  völlig  nnstatthaft,  die  Beseitigung  des  Onkelos 
für  ein  schweres  religiöses  Vergehen,  Man  sieht,  daß  zu  seiner  Zeit 
Wühl  noch  übertragen,  daß  aber  nur  mit  Widerwillen  vom  rezi- 
pierten Targum  Gebrauch  gemacht  wird.  Eine  (leneration  später 
erhebt  Juda  ibn  Koreisch  aus  Tahort  seine  Klage,  daß  in  der  Syna- 
goge in  Fez  die  aramäische  Übertragung  der  Bibel  vernachlässigt 
wii'd  und  dort  eine  Abneigung  gegen  das  Targum  besteht.  In  Baby- 
lonien  selbst  finden  W'ir  das  Targum  bis  zum  Schlüsse  der  gaonäischen 
Zeit  erhalten,  aber  nachher  dürfte  es  auch  dort  aufgegeben  worden 
sein.  Die  Juden  in  Eurojia  haben  das  aramäische  Targum  walir- 
scheinlich  niemals  eingeführt.  Samuel  ha  Xagid  suchte  die  spanischen 
Juden  deshalb  nachdrücklich  zu  verteidigen,  er  meinte,  daß  sie  jeder 
für  sich  das  Targum  läsen  und  es,  nur  um  den  Gottesdienst  nicht 
allzusehr  auszudehnen,  der  Gemeinde  ersparten,  aber  schon  ein 
Jahrhundert  später  weiß  Jehuda  ben  Barsilai  weder  für  die  eine 
noch  für  die  andere  Sitte  Belege  zu  finden,  obwohl  er  persönlicli 
der  Erhaltung  des  Targums  sehr  geneigt  ist.  In  Deutschland  und 
Frankreich  kannte  man  die  Übertragung  nur  bei  zwei  sehr  feier- 
lichen Perikopen,  bei  der  Erzählung  vom  Auszuge  aus  Ägypten  am 
7.  Tage  Pesach  (nrirn,  Ex.  13  17—2(3)  und  von  der  Offenbarung  am 
Sinai  (■^lU'^br-  Tinnn,  das.  19,  20)  am  Wochenfeste.  Es  ist  ein  eigen- 
artiges Targum,  das  das  Machsor  Vitry  für  die  zw^ei  Tage  mitteilt,  eine 
Verbindung  von  Onkelos  mit  dem  Fragmenten-Targura.  Zu  diesem 
Targumvortrag  wurden  auch  poetische  Introduktionen  (ninri)  in 
aramäischer  Sprache  verfaßt,  eine  davon  hat  sich  im  Machsor  bis 
auf  unsere  Tage  gerettet  (rbia  TTaipa«  am  1.  Tage  des  Wochen- 
festes); verständlich  waren  derartige  Poesien  nie,  nach  Wegfall  des 
Targums,  das  sie  einleiten  sollten,  haben  sie  vollständig  ihren  Sinn 
und  ihre  Daseinsberechtigung  verloren. 

Der  Grund  für  das  Einstellen  der  targumischen  Übertragung 
war,  wie  man  sich  ganz  deutlich  bewußt  war,  ihre  Unverständlich- 
keit.    Es  regte  sich  daher  auch  das  natürliche  Verlangen,  sie  durch 


292  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

die  Landessprache  zu  ersetzen.  An  den  eben  erwähnten  zwei  Tagen 
scheinen  tatsächlich  im  südlichen  Frankreich  Bearbeitungen  der 
Tora  in  der  Landessprache  üblich  gewesen  zu  sein.  Im  ganzen 
aber  blieb  das  ein  frommer  Wunsch,  bis  1845  die  Frankfurter  Rab- 
binerversammlung beschloß,  daß  auf  die  Toravorlesung  eine  Über- 
tragung in  die  Landessprache  folgen  sollte ;  danach  ist  sie  in  Deutsch- 
land und  in  Amerika  in  vielen  Gemeinden  eingeführt  worden. 

6.  Vom  Targum  der  Haftara  gilt  dasselbe  wie  vom  penta- 
teuchischen;  ja  das  Targum  bildet  bei  ihrer  Verlesung  einen  noch 
viel  wichtigeren  Bestandteil.  Die  Prophetenstücke  waren  schwerer 
verständlich,  das  Targum  mußte  daher  breiter  angelegt  sein,  Gleich- 
nisse, Anspielungen  u.  ä.  verdeutlichen.  Bei  den  Propheten  ent- 
hielt nicht  jeder  Vers  einen  abgerundeten  Gedanken,  der  Meturgeman 
mußte  daher  nicht  hinter  jedem  unterbrechen,  sondern  durfte  auch 
bis  zu  drei  Versen  zusammen  übertragen  (Meg.  IV,  5).  Die  Haftara 
schloß  die  Schriftvorlesung  ab,  und  so  konnten  sich  an  sie  auch 
ohne  Schaden  umfangreichere  Auseinandersetzungen  anknüpfen. 
Darum  durfte  die  Haftara  zugunsten  des  Meturgemans  sehr  ab- 
gekürzt werden,  so  daß  ihm  ein  breiter  Spielraum  blieb  (j.  Meg.  IV, 
2,  75  a;  b.  23  b).  Die  Erinnerung  an  die  besondere  Wichtigkeit 
des  Targums  zur  Haftara  blieb  dauernd  so  stark,  daß  noch  um  das 
Jahr  1000  in  Babylonien  die  Haftara  fortfiel,  wenn  ein  Meturge- 
man, der  sie  zu  verdeutlichen  verstand,  nicht  aufzutreiben  war.  — 
Wie  im  Pentateuch,  gab  es  auch  in  den  Propheten  Stücke,  die  nicht 
übertragen  werden  sollten;  häßliche  Vorgänge  im  Hause  Davids 
sollten  nicht  vor  dem  Volke  besprochen  werden,  Ezechiels  Vision  vom 
Thronwagen  erschien  vielen  als  ungeeignetes  Thema  für  die  Vor- 
lesung, Ezechiels  Strafreden  fanden  in  der  Zeit  der  Gnosis  verkehrte, 
gegen  den  Fortbestand  des  Judentums  gerichtete  Übersetzer 
(vgl.  Meg.  IV,  5;  Tos.,  das.  IV,  32  bis  38).  Mißverständnissen  und 
Mißbrauch  vorzubeugen,  war  bei  der  Haftara  \ael  leichter;  da  die 
Vorlesung  nicht  an  den  Zyklus  gebunden  war,  gab  es  das  radikalere 
Hilfsmittel,  die  Stücke  selbst  von  der  Vorlesung  auszuschließen.  — 
Die  Methode  des  Targums  zu  den  Propheten  ist  im  „Targum  Jona- 
than" noch  gut  erhalten,  aber  es  mögen  sich  in  alter  Zeit  doch  auch 
ausführhchere  Exkurse  an  die  Paraplu-ase  angeschlossen  haben; 
die  erwähnte  Anrede  'XiTDi  i;n  iiay  -»^r  treffen  wir  auch  im  Jonathan- 
Targum  am  Beginn  von  Perikopen,  die  als  Haftaras  dienten.     Die 


[  IxTSflzimg  der  Scliriflvorlcsuiig  19i3 

Kntwicklun^'  war  diosclbr  wie  beim  Propholontarpjiini,  die  Kodak- 
t'u)ii  eines  Taij;ums  liat  der  liisliliiii(»ii  die  l^i^weglielikeit  i^eiioiniiieii 
und  7,11  ihrem  allmählichen  l'ntergange  geführt.  Noeh  früher  als 
das  penlateuehisehe  ist  das  aramäische  Haftara-Tarfjjum  aus  den 
Synagogen  geschwunden.  Die  (i runde  waren  ganz  die  gleichen, 
es  kam  hinzu,  daß  bei  den  Propheten  die  noch  viel  größere  Schwierig- 
keit der  Übertragung  ins  Gewicht  fiel.  Nur  für  die  Feiertags- Haftaras 
hat  sich  die  Sitte  der  aramäischen  Übertragung  länger  beliauj)tet. 
Das  Machsor  Vitry  enthält  das  Targum  zu  allen  Haftaras  für  die 
Pesaehwoche  und  das  Wochenfest  (S.  165  bis  171),  auch  it.  hat 
sie  sämtlich  mit  Targum;  es  ist  unwahrscheinlich,  dal.)  nicht  zu- 
mindest auch  noch  am  Flüttenfest  das  Targum  zum  Vortrag  kam, 
so  daß  sein  Fehlen  nur  ilurch  die  Unachtsamkeit  der  mittelalter- 
lichen Abschreiber  verschuldet  ward.  Rom.  und  Seph.  haben  beide 
das  Targum  nur  für  den  letzten  Pesachtag,  Seph.  zur  üblichen 
Haftara,  deren  messianischer  Inhalt  die  Besonderheit  rechtfertigt, 
wälirend  Rom.  das  Debora-Lied  (Ri.  5)  verwendet,  wobei  das  Targum 
nur  als  Fortsetzung  der  alten  Sitte  zu  erklären  ist.  Auch  zu  dem 
Vortrag  des  Haftara-Targums  wurden  Introduktionen  verfaßt, 
deren  das  Machsor  Vitry  eine  größere  Anzahl  mitteilt;  der  Zufall 
hat  es  gefügt,  daß  auch  von  ihnen  eine  in  Germ,  erhalten  geblieben 
ist,  2.";rE  n^si  für  den  zweiten  Tag  des  Wochenfestes.  —  Eine  Eigen- 
tümlichkeit von  Seph.  ist  die  Übertragung  der  Haftara  zum  9.  Ab 
in  die  Landessprache,  die  noch  heute  in  den  meisten  „portugiesischen" 
Gemeinden  üblich  ist;  es  ging  freilich  damit  so,  wie  mit  dem  alten 
Targum,  die  Gemeinden  behielten  die  alte  Übersetzung  bei,  obwohl 
das  Portugiesische  längst  nicht  mehr  ihre  Landessprache  und  den 
Gemeindemitgliedern  völlig  unverständlich  ist.  Die  Landessprache 
wurde  für  die  Haftara  ebenfalls  durch  die  Frankfurter  Rabbiner- 
versammlung  eingeführt;  nach  ihren  Beschlüssen  wird  dieselbe  in 
deutschen  und  amerikanischen  Gemeinden  vielfach  n  u  r  in  der 
Landessprache  vorgetragen,  auch  in  manchen  Gemeinden,  denen  diese 
Reform  zu  weit  ging,  wurde  neben  dem  hebräischen  Text  die  deutsche 
Übertragung  eingeführt  (vgl.  §2611,  S.  183). 

7.  Von  den  Hagiographen  kommt  hier  zunächst  nur  das  Buch 
Esther  in  Betracht ;  es  wurde  in  Gemeinden,  die  nicht  hebräisch  ver- 
standen, in  der  Landessprache  gelesen  (T^bn  nT""!"*"::  nrns  r"^"!? 
Mag.  II,  1  vgl.  b.  18  a),  wo  es  aber  hebräisch  gelesen  wurde,  fand 


Elbogen.  Der  jüd.  Gottesdienst. 


13 


194  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

eine  Übertragung  nicht  statt.  Vielleicht  wechselten  die  Anschauungen 
in  den  verschiedenen  Zeiten,  wenigstens  scheinen  in  der  Mischna 
zwei  entgegengesetzte  Meinungen  nebeneinander  zu  stehen.  Der 
nachtalmudische  Traktat  Sofrim  schreibt  für  die  Vorlesung  der 
Klagelieder  am  9.  Ab  die  Übersetzung  vor,  ,, damit  die  Unkundigen, 
die  Frauen  und  Kinder  sie  verstehen  können"  (XVIII,  4);  ob  damit 
nur  eine  aramäische  Übersetzung  oder  eine  solche  in  jede  Sprache 
empfohlen  ist,  ist  nicht  ersichtlich.  Die  Sitte  der  Sepharadim,  die 
Haftara  gerade  am  9.  Ab  in  die  Landessprache  zu  übertragen  (ob.), 
scheint  hier  ihren  Ursprung  zu  haben. 

§  29.    Die  Schriftauslegung. 

Literatur:  Ziinz,  G.  V.;  Rapaport  Art.  r;-;:xiuErecli;Millin,  S.  6  ff. ;  Bacher, 
Exeget.  Termin.  I,25ff.,,33ff.,103f.;  ders.,  Der  Ursprung  des  Wortes  Haggada 
in  AdT,  IL  Ai;fl.,  S.  451  ff.  (JQRIV,  406 ff.);  Maybaum,  Homiletik,  S.  Iff. 

Ziu'  Erreichung  des  Zweckes  der  Schriftvorlesung,  zur  Herbei- 
führung einer  eingehenden  Kenntnis  des  Inhalts  der  Bibel  und 
zur  Verbreitung  ihres  Verständnisses  genügte  der  bloße  Vortrag 
in  der  Landessprache  nicht,  es  mußte  auch  die  sachliche  Er- 
läuterung und  Zusammenfassung  hinzutreten.  Be- 
reits bei  Esras  Vorlesung,  auf  deren  Vorbild  wir  immer  zurück- 
zugreifen haben,  finden  wir  Leviten  nmrb  ayn  rx  HT^'c,  deren 
Aufgabe  es  war,  das  Volk  in  der  Tora  zu  unterrichten,  das  Volk 
an  den  Stoff  heranzubringen  (Neh.  8  7).  Eine  ähnliche  Aufgabe 
teUt  die  Chronik  den  Abgesandten  des  Königs  Josaphat  zu,  „sie 
zogen  in  allen  Städten  Judas  umher  und  lehrten  im  Volke" 
(2"!  n^b"':  IL  Clu-.  17  9).  Die  beiden  Ausdrücke  rnr.  und  Tab 
sind  die  ältesten  Bezeichnungen,  die  wir  für  die  gottesdienstliche. 
Schriftauslegung,  die  Predigt,  haben,  "i^b  ist  das  griechische  j 
diddG/.eiv,  Philo  nennt  darum  die  Synagogen  Lehrstätten  (öiöaa- 
■/.aleia)  aller  Tugenden.  Auch  im  ]^euen  Testament  wh'd  didäo/.tiv^ 
für  predigen  gebraucht ;  die  Bergpredigt  z.  B.  ist  ein- 
geleitet mit  den  Worten  Ididaa/.ev  alrovg  (Mtth.  5  2),  von  den! 
Predigten,  die  Jesus  an  den  Sabbaten  in  den  Synagogen  hielt,  ge- 
braucht Markus  die  Bezeichnung  roT^  odßßaoLv  Ididaa-AEv  eU\ 
rrp  ovvayojyy'^v  (121),  Lukas  'i^v  Öe  diddov.ojv  iv  uiä  tcov  Grra- 
yojyäJv  (11  31),  7jj/  diöda/UDv  avroig  Iv  rdlg  oaßßaoiv  (4  31).  TCD] 
und  seine  Derivate  dienen   in  der  Kunstsprache  der   ältesten  jü-i 


Schriftauslogung  195 

discluMi  AiisU'giinirslitnalur  ziii-  .\iikiiii|)l'iiiiv,-  dci-  Auslcj^ung  an  den 
Bibcltext  (Bacher).  Neben  ~7:b  fiill  in  der  ^deichen  Bedeutunji; 
T^Sn,  insbesondere  T'^'a;  diesem  Worte  verdankt  die  Bezeichnung: 
Hafjada,  das  wichtigste  Element  der  späteren  Prodit,'t,  ihren  Tlrsjjrunp^. 

Kinc  jiini^ere  Bezeichnung  l'iir  die  Scliriflaiish'giing,  die  sich 
aber  für  alle  Zeiten  behauptet  hat,  ist  TTin,  Esra  ist  der  erste,  von 
dem  es  in  bezug  auf  die  Schrift  forschung  angewendet  wird 
(Esr.  7 10).  Das  davon  abgeleitete  Nomen  nTC  bedeutet  in  der 
Bibel  (II.  Chr.  13  22,  24  27)  und  in  den  ältesten  Traditionsquellen 
einen  größeren  Gedankenzusammenhang  der  Auslegung  und  Über- 
arbeitung, bei  dem  die  unmittelbare  Anknüpfung  an  die  Bibel 
nicht  immer  erkennbar  ist.  Erst  aus  der  Zeit  nach  dem  Untergange 
des  jüdischen  Staates  wird  TCi"  und  TUTI^  vom  öffentlichen  Vor- 
trag der  Schrifldeulung,  von  der  Predigt,  gebraucht.  Danach 
heißt  '(tDll  Prediger,  was  in  der  Mischna  freilich  sich  nur  an  einer 
Stelle  von  nicht  unbestrittener  Echtheit  findet  (Sota  IX,  15). 

2.  Die  Änderung  des  Sprachgebrauchs  hängt  wahrscheinlich 
mit  einer  Änderung  im  Verfahren  der  Schriftauslegung  zusammen. 
Die  älteste  Schriftauslegung,  die  Belehrung  n:nn  in  der  Zeit  Esras, 
knüpfte  unmittelbar  an  die  Vorlesung  an,  deutete  das  vorgetragene 
kurze  Stück  des  Pentateuch,  vielleicht  fiel  sie  sogar  mit  dem  Targum 
zusammen,  das  in  breiter  Paraphrase  den  Inhalt  der  Schrift  wiedergab. 
Von  der  Prophetenvorlesung  gilt  die  Bestimmung,  daß  da,  wo  ein 
,,Meturgeman"  fungiert,  die  Perikope  sehr  kurz  sein  darf,  weil 
offenbar  das  Targum  recht  ins  weite  ging.  Ob  die  Schriftauslegung 
auf  die  Vorlesung  der  Sidra  oder  der  Haftara  folgte,  und  in  welchem 
Falle  sie  au  die  eine  oder  die  andere  angeschlossen  wurde,  darüber 
geben  die  erhaltenen  Quellen  keine  Auskunft.  Das  Beispiel  einer 
Schriftauslegung,  die  unmittelbar  an  die  Haftara  anknüpft,  bietet 
Luk.  4  20  ff.  Zweierlei  ist  jedoch  dabei  zu  berücksichtigen,  daß 
weder  die  Schriftauslegung  stets  an  die  Haftara  angeknüpft  haben, 
noch  daß  der  Vorlesende  immer  zugleich  der  Prediger  gewesen 
sein  kann.  Aus  Philos  Beschreibungen  des  Gottesdienstes  ist  zu 
entnehmen,  daß  der  Brauch  nicht  einheitlich  war,  daß 
bald  derselbe,  der  die  Schrift  vorgetragen  hatte,  sie  auslegte,  bald 
ein  anderer  unter  den  „Kundigsten"  den  Vortrag  übernahm.  Wie 
lange  die  Predigt  sich  in  dieser  Weise  streng  an  das  Schriftwort 
gehalten  hat,  läßt  sich  nicht  mein*  ergründen.    Mit  der  Verlängerung 

13* 


295  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

der  Perikopen  wurde  das  Gebiet  ein  weiteres,  der  zur  Auswahl 
stehende  Stoff  ein  größerer,  die  Themen  freier  und  loser  mit  dem 
Text  verknüpft.  Philos  Homilien  sind  die  ältesten  Denkmäler  der 
neuen  Alt  von  Schriftauslegung,  auch  Paulus  hält  sich  in  seinen 
Ansprachen  in  den  Synagogen  in  Damaskus  (Akt.  9 19)  und  im  pisi- 
dischen  Antioehien  (13  16)  nicht  an  das  vorgelesene  Textwort.  Um 
dieselbe  Zeit  wie  in  der  Diaspora  dürfte  die  neue  Gattung  der  Schrift- 
auslegung sich  auch  in  Palästina  verbreitet  haben,  und  wenn  Schemaja 
und  Abtalion,  die  Zeitgenossen  des  Herodes,  als  erste  mit  dem 
Elirennamen  a'^bllSi  Di:TC"!"i  ausgezeichnet  werden,  so  weist  das 
vielleicht  ebenfalls  auf  den  Wechsel  hin,  der  die  Predigt  damals 
zu  einem  selbständigen  Teile  des  Gottesdienstes  machte.  Wenn  sie 
auch  immer  noch  an  die  vorgelesene  Schriftstelle  anknüpfte  (lL""n 
'3V  bü  ir::7i),  so  nahm  sie  doch  nur  den  Ausgangspunkt 
von  dort  und  behandelte  ihre  Themen  frei  und  unabhängig. 
In  dem  neuen  Stadium  der  Entwicklung  nahm  die  ursprünglich 
nur  belehrende  Schriftauslegung  mehr  oder  minder  den 
Charakter  der  erbaulichen  Predigt  an;  ein  wichtiges 
Element  in  ihr  wurde  der  eschatologische  Ausblick,  mit  einem 
Trosteszuspruch  (n72n:,  ]V^  nisn:  --  loyog  TtuqcaSLifuoo)  pflegten 
die  Redner  zu  schließen.  Die  ,,Derascha"  in  diesem  Sinne  konnte 
dann  wohl  auch  gänzlich  vom  Gottesdienste  losgelöst  und  außerhalb 
der  Synagoge  öffentlich  gehalten  werden  (a^n^l  TTi").  Ein  unent- 
behrlicher Bestandteil  des  Gottesdienstes  war  die  Predigt  nicht; 
wo  die  geeigneten  Ki'äfte  fehlten,  unterblieb  sie,  oft  genug  wird  das, 
solange  Berufsprediger  nicht  vorhanden  waren,  der  Fall  gewesen 
sein.  Die  Predigt  fand  in  der  Landessprache  statt.  Die  x\rt  der 
Predigten  wechselte  im  Verlaufe  der  Zeiten  nach  den  wechselvollen 
Geschicken  des  jüdischen  Volkes  und  dem  veränderten  Geschmack 
der  Zeiten;  es  hat  Gegenden  gegeben,  wo  sie  jahrhundertelang 
fast  völlig  verdrängt  war.  Die  Geschichte  der  Predigt  hat  in  Leopold 
Zunz  einen  klassischen  Bearbeiter  gefunden,  seinem  Werke  .,Die 
gottesdienstlichen  Vorträge  der  Juden"  gebühi't  mit  in  erster  Reihe 
das  Verdienst,  daß  im  letzten  Jahrhundert  der  Predigt  wieder  ihre 
alte  Stellung  im  Gottesdienste  eingeräumt  wurde,  und  daß  in  den 
letzten  70  Jahren  die  regelmäßig  wiederkehrende  gottesdienstliche 
Belehrung  in  den  jüdischen  Gemeinden  aller  Kulturländer  ohne 
Unterschied  der  religiösen   Richtung  siegreich   vorgedrungen,   daß 


Schriflausli'guiig  197 

die  I*r{'di«ft  in  der  L  a  n  d  o  s  s  p  r  ;i  c  li  c  wicdcriiin  ein  inte- 
grierender Bestandteil  des  Sahhat-  und  Kest}<ottesdienstes  ge- 
worden ist. 

3.  Wie  alle  anderen  Fnnktionen  in  (h'r  Synagoge,  konnte  ur- 
sprünglich auch  die  Scliriftauslegung  v  o  n  j  e  d  e  ni  K  u  n  d  i  g  e  n 
in  der  (!eineinih>  ohne  Tnlerschied  der  Stellung  und  Ahstaminung 
gehalten  werden.  Paulus  und  seine  Genossen  erscheinen  als  un- 
hekannte  Fremde  in  Antiochien  und  werden  trotzdem  zur  i*redigt 
aufgefordert;  in  den  nicht  hedeutenden  Diasporagemeinden  wird 
die  gottesdienstliche  Belehrung  aus  Mangel  an  geeigneten  Kräften 
oft  genug  unterblieben  und  die  Rede  eines  Fremden  mit  Genug- 
tuung begrüßt  worden  sein.  Später  wurde  das  Predigen  die  Domäne 
der  ,, Schriftgelehrten",  der  Sabbat  wurde  geradezu  nach  dem 
Prediger  genannt  (nTTi  "»^  bir  ryß).  Nicht  alle  Gelehrten  waren 
in  gleicher  Weise  dazu  befähigt,  die  scharfsinnigen  Halachisten 
traten  hinter  den  Agadisten  an  Beliebtheit  zurück.  Die  Predigt- 
kunst war  nicht  zu  allen  Zeiten  gleich  groß.  Als  ben  Soma  starb, 
herrschte  der  Eindruck,  daß  die  Predigtkunst  versiegt  war  (Sota, 
Ende),  sie  feierte  jedoch,  wenn  auch  vielleicht  in  anderer  Form, 
wieder  ihre  Auferstehung  und  ist  niemals,  auch  in  den  trostlosesten 
Zeiten  nicht,  völlig  ausgestorben.  Aber  daran  kann  kaum  ein  Zweifel 
sein,  daß  vom  zweiten  Jalirhunderto  an  die  Predigttätigkeit  auf  die 
berufsmäßigen  Kreise  beschränkt  blieb,  der  Prediger  der  amoräischen 
Zeit  führt  den  Titel  DDH,  noch  später  ist  er  der  Rabbiner.  Wenn 
gleichzeitig  auch  die  Bezeichnung  "iTim  sich  erhalten  hat.  wurde 
dabei  nicht  an  ein  Amt,  sondern  an  die  spezifische  Art  der  Tätig- 
keit, an  die  besondere  Befähigung  für  agadische  Auslegung  gedacht. 

4.  Die  Schriftauslegung  wurde  sitzend  vorgetragen.  Nach- 
dem Jesus  die  Prophetenstelle  gelesen  hatte,  schloß  er  die  Rolle 
und  gab  sie  dem  Diener  zurück;  er  selbst  aber  setzte  sich  und  be- 
gann zu  reden  {UdD-iosr.  »Joiraro  ()V /<-';'£"•  Luk.  4  20  f.).  So  blieb 
es  jahrhundertelang,  daß  der  Prediger  eine  erhöhte  Stelle  bestieg 
©n"n  :sr  und  dort  im  Sitzen  sprach  (ciTn  2C^"i  aznnc).  In 
Babylonien  freilich,  wo  große  Volksmassen  dem  Vortrage  lauschten, 
sprach  der  Gelehrte  nicht  direkt  zum  Publikum,  neben  ihm  stand 
ein  Sprecher  s-ii'ai«,  ein  Dolmetsch  seiner  Gedanken  s:r:\"nr'G.  lia^iT, 
ihm  übermittelte  der  Gelehrte  halblaut  seine  leitenden  Gedanken 
und  Belegstellen,   der  „Turgeman"  hatte  sie  auszuspinnen.  in  einer 


IQQ  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

allgemein  verständlichen  und  weithin  vernehmbaren  Weise  dem 
Publikum  vorzutragen.  Das  Amt  des  „Turgeman"  war  ein  sehr 
angesehenes,  Männer  von  großem  Rufe  haben  in  ihm  ihre  Lauf- 
bahn begonnen.  ]\Iit  dem  Aufhören  der  babylonischen  Amoräer 
ist  das  Amt  ausgestorben,  seitdem  sprach  der  Prediger  wieder  direkt 
zum  Publikum,  wobei  sich  freilich  in  den  großen  Synagogen  der 
Gegenwart  oft  genug  der  Mißstand  zeigte,  daß  nicht  immer  Fähig- 
keiten, Stimmmittel  und  Vortragskunst  in  einem  Manne  vereinigt 
waren. 

§  30.     Gebete  vor  und  nach  der  Schriftvorlesung. 

Literatur:  Berliner,  Randb.  I,  28 f.,  65 f..  II  30 ff. 

Den  alten  Quellen  sind  besondere  Gebete  vor,  während  und 
nach  der  Scliriftvorlesung  unbekannt,  das  Herausnehmen  und 
Zurückstellen  der  Tora  vollzieht  sich  ohne  besondere  Feierlichkeit, 
die  Vorlesung  wird  durch  Gebete  nicht  unterbrochen.  Das  ist  im 
Laufe  der  Zeit  ganz  anders  geworden.  Ausheben  und  Einheben 
der  Tora  wurden  weihevolle  Akte  mit  besonderen  Gebeten,  die 
Vorlesung  selbst  wtu'de  von  Gebeten  begleitet,  und  nach  Beendigung 
der  Vorlesung  werden  ebenfalls  vor  dem  Einheben  der  Tora  eine 
Anzahl  Gebete  eingefügt.  Wir  wollen  sie  in  der  angegebenen  Reihen- 
folge in  ilirer  geschichtlichen  Entwicklung  kennen  lernen. 

1.  Das  Ausheben  der  Tora  (nKsrin,  "«11:1).  Es  ist  in  der  Misclma 
Joma  VII 1,  Sota  VII 1  geschildert,  Gebete  sind  dabei  nicht  er- 
wähnt, auch  der  Talmud  kennt  solche  nicht;  von  den  „Frommen 
in  Jerusalem"  wird  in  einer  jüngeren  Quelle  berichtet,  daß  sie  der 
Tora  entgegengingen,  um  sie  elirenvoll  zu  empfangen  (Sof.  XIV,  14), 
anderweitig  wird  mitgeteilt,  daß  die  Palästinenser  die  Tora  beim 
Einheben  und  Ausheben,  die  Babylonier  nur  beim  Einheben  feierlich 
geleiteten  (Chili.  Nr.  49).  Erst  der  Traktat  Sofrim  gibt  eine  um- 
ständliche, freilich  nicht  ganz  klare  Besclu'eibung  des  Aushebens 
und  einer  umfangreichen  Liturgie,  die  dazu  gehört  (Sof.  XIV,  8 — 14). 
Nach  diesem  Vorbild  erscheint  das  Ausheben  in  allen  Gebetbüchern 
seit  Amr.  durch  Gebete  reich  ausgeschmückt.  Die  einzelnen  Riten 
weisen  große  Abweichungen  auf,  aber  das  Prinzip  ist  doch  überall 
dasselbe;  hymnische  und  Bekenntnisverse,  zumeist  der  Bibel  ent- 
nommen, sollen  das  Erscheinen  der  Tora  verherrlichen.  Es  ist  nicht 
mehr  nur  das  verlesene  Wort  der  Schrift,  dem  gehuldigt  wird,  sondern 


I 


{Jfbolo  zur  Schrillvorlt'suiiK  199 

auch  die  Tora  als  solche.  Maü^chciKl  für  die  Ausf^oslaltiiiif^  der 
Fcierlicldicit  war,  bewußt  oder  uiU)ewuüt,  die  biblische  Erzählung 
von  der  feierlichen  Einholung  der  Bundeslade  durch  König  David 
(11.  Sam.  6  5,  1.  Chron.  138,  1528  IT.).  Die  Liturgie  beim  Ausheben 
7AMfälit  in  drei  Teile.  Zunächst  wird  eine  Gruppe  von  Bib(;lversen 
vor  dem  Ausheben  gesprochen;  schon  in  Sof.  sind  es  neun,  aber 
es  wurde  später  weggelassen  und  zugesetzt,  ganz  nach  dem  Belieben 
der  Gemeinden.  Während  es  in  allen  anderen  Ländern  bei  Vers- 
gruppen blieb,  führte  lt.  für  Sabbate  und  Festtage  den  für  sie  be- 
stimmten Psalm  ■'.•^tD  ein.  Der  in  Germ,  übliche  Anfang  mit  yz:2  ^ron 
(Num.  10  35)  wird  im  südlichen  Frankreich  schon  um  die  Mitte  des 
Xlll.  Jahrhunderts  erwähnt,  hat  sich  aber  in  Deutschland  erst  seit 
der  Mitte  des  XVI.  Jahrhunderts  allgemein  eingebürgert.  Die  vorauf- 
gehende Gruppe  von  Bibelversen  ^^laD  "jis  stammt  aus  Sof.  XIV,  8, 
sie  war  iniXllL  Jahrhundert  im  östlichen  Deutschland,  jedoch  noch 
nicht  am  Khein  üblich,  ist  aber  allmählich  auch  dort  eingedrungen. 
Ein  Versuch,  sie  auch  in  Italien  einzuführen,  seheiterte  an  der  Scheu 
der  Gemeinden  vor  einer  unnötigen  Verlängerung  des  Gottesdienstes. 
Das  Ausheben  selbst  wird  wiederum  von  einigen  Bekenntnis- 
versen begleitet.  Gemeinsam  ist  allen  Riten  Ps.  34  4  -ciy;  hingegen 
sind  die  beiden  in  Sof.  XIV,  9, 10  erwähnten  Verse  713TI?  und  irnbs?  ins 
nur  in  Rom.  und  Germ,  zu  finden,  in  Germ,  auch  nur  an  Sabbaten 
und  Festen,  nicht  an  Wochentagen.  Während  die  Tora  zum  V  o  r  - 
1  e  s  e  p  u  1 1  getragen  wd,  kommen  hymnische  Verse  zur  Rezitation ; 
es  wird  zumeist  auch  ein  Umzug  durch  das  Gotteshaus  mit  der 
Tora  veranstaltet,  die  Zeit  seiner  Einführung  läßt  sich  nicht  fest- 
stellen. Der  letzte  Akt  ist  endlich  die  V  o  r  b  e  r  e  i  t  u  n  g  der  Tora 
f  ü  r  d  i  e  V  0  r  1  e  s  u  n  g  ,  die  ebenfalls  von  Hymnen  begleitet  wird. 
Sof.  XIV,  12  hat  dafür  das  aus  der  gaonäischen  Zeit  stammende 
"::-  :r,  ein  Gebet  im  Stile  des  Kaddisch,  das  jedoch  fast  nirgends 
üblich  ist,  nur  der  Schluß  ni«7r'  nb:r.  wird  in  Germ,  und  It.  zur 
Einleitung  des  „Aufrufens"  (S.  170)  verwendet.  Xach  Sof.,  und 
ebenso  in  Rom.  und  Scph.  wird  die  Tora  vor  Beginn  der  Vorlesung 
hochgehoben  und  der  Gemeinde  gezeigt,  worauf  sie  rsn 
"■^irn  Dt.  4  44  spricht;  in  Germ,  und  It.  geschieht  das  Heben  (nnz:-.) 
erst  nach  dem  Vorlesen,  in  It.  sogar  erst,  nachdem  die  Tora  wieder 
völlig  geschlossen  ist,  so  daß  von  dem  in  Sof.  gewünschten  Zeigen 
der  Schrift  keine  Rede  sein  kann. 


200  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

In  diesen  allgemeinen  und  überall  angenommenen  Rahmen 
fügten  die  einzelnen  Länder  ihre  besonderen  Gebete  ein.  So  nahm 
Germ,  unmittelbar  vor  dem  Ausheben  das  dem  Sohar  entlehnte 
aramäische  Stück  rnx:TU  T^nS  auf,  das  zuerst  in  italienischen  Privat- 
gebeten erscheint,  nach  1600  in  die  Ritualien  und  dann  in  den  Siddur 
überging,  gemäß  dem  Beispiel  Isaak  Lurjas  anfangs  nur  für  Sabbate, 
dann  für  jede  Toravorlesung.  Aus  kabbalistischer  Quelle  stammt 
auch  der  Brauch,  an  gewissen  Tagen  beim  Ausheben  der  Tora 
die  13  Attribute  Gottes  (nilü  n^my  TCbr,  Ex.  34  6)  zu  rezitieren; 
die  Schule  Is.  Lurjas  führte  sie  zunächst  für  den  Monat  Elul  ein, 
von  da  gingen  sie  auf  Xeujahr  und  Versöhnungstag,  zuletzt  auch 
auf  die  Wallfahrtsfeste  über.  Xur  Germ,  hat  sie  beibehalten,  und 
zwar  für  alle  Festtage.  Xoch  jünger  ist  das  für  die  Feiertage  an- 
geschlossene Stück  2i:""  bü  i:inn,  das  zuerst  in  Xath.  Hannovers 
)V:z  'iiS'TC,  Prag  1662,  erschien.  Im  letzten  Jahrhundert  ist  das  letzte 
Stück  ebenso  wie  ni^TC  Tili  vielfach  weggelassen  worden.  In  zahl- 
reichen Gemeinden  wurde  neben  den  alten  Versgruppen  ein  Gebet 
in  der  Landessprache  üblich. 

Einen  besonders  feierlichen  Charakter  hat  das  Ausliehen  am 
letzten  Tage  des  Hüttenfestes,  am  Torafeste  rn^r  riraTC,  wo  der 
Scliluß  des  Pentateuchs  verlesen  wüd,  wo  alle  Torarollen  ausgehoben 
und  in  festlichem  Umzug  herumgetragen  werden.  Zu  welcher  Zeit 
diese  Umzüge  (ritpr^)  begonnen  haben,  können  wir  nicht  mehr 
genau  bestimmen,  gegen  Ende  des  Mittelalters  begegnen  \nr  ihnen 
in  allen  Ländern,  freilich  finden  sie  nicht  überall  bei  demselben 
Gebete  statt.  Während  sie  z.  B.  in  Deutschland  am  Abend  und 
Morgen  gehalten  werden,  sind  sie  in  sepharadischen  Gemeinden 
vielfach  am  Nachmittag  üblich.  Auch  die  Liturgien  sind  nicht 
einheitlich,  die  einfachste  hat  Germ.  Während  nämlich  alle  anderen 
Riten  kunstvolle  Piutim  für  diesen  Anlass  verwenden,  finden  wir 
in  Germ,  vor  dem  Ausheben  eine  Vermehrung  der  Bibelverse  und 
während  der  Umzüge  nur  den  schlichten  alphabetischen  Piut 
i52  nr'^TUi"  n  x;«.  Eine  Häufung  der  Gesänge  war  darum  nötig,  weil 
die  Umzüge  unter  kabbalistischem  Einfluß  auf  sieben  aus- 
gedehnt wurden.  Das  Torafest  wurde  mit  der  Zeit  ein  Volksfest 
in  der  Synagoge,  und  die  Umzüge  wurden  für  die  Zuschauer  eine 
Art  von  Volksbelustigung,  die  in  wenig  kultiAierten  Zeiten  und 
Ländern  nicht  selten  in  Unoebühr  und  Übermut  ausartete. 


richclo  zur  Schriflvorluisuiij,'  201 

•2.  Das  Kinlu'hcn  der  Tora  (nc:2n  ,nc-^:2).  Vom  Kiiilichcii 
der  Tora  (M-Iahicii  wir  in  den  alt(Mi  (^icllcn  übi'rliuii|jt  nichts,  aiic-li 
Sof.  crwähiit  os  i\iclit.  Krsl  Aiiir.  spriclil  davon  (rrnn  IDC  TiT^Tnii 
•"C'p^r)  und  IxM-ic'htc't,  daü  es  von  Ps.  148 13,  14  aT^I  .  .  .  nbbni 
bci^lcitiM  wird.  Diese  Verse  sind  tatsäeldieli  in  allen  Riten  bei- 
behalten, aber  aueh  überall  erweitert  worden.  Wie  beim  A\islieben 
wurde  aueh  beim  l'ünliebeii  mil  der  Tora  ein  Tnizug  gehalten,  und 
es  waren  (iesäni;e  hierfür  erforderlicli.  in  Sj)anien  wurden  die  Verse 
aus  Amr.  nur  an  Woehentagen  gebraucht,  an  Sabbaten  war  es  schon 
um  1100  üblieh,  neben  einer  Reihe  von  Einzelversen  Psalm  29 
-'-b  ^"27^  und  247  ff.  (a-i^rir  "xr)  zu  rezitieren;  das  wurde  später 
(nach  1600)  so  verteilt,  daß  Psalm  29  an  Sabbaten,  Psalm  24 
an  anderen  Tagen  verwendet  wurde,  und  so  ist  es  in  Seph.  und 
(lerm.  geblieben.  In  denn,  geht  allerdings  stets  Ps.  148  13  und  14 
voraus.  Unmittelbar  beim  Zurückstellen  der  Tora  verwenden  alle 
Riten  die  Verse  ""■^S"'  r.n:n'  Xum.  10  3()  und  irnTn  Thr.  5  21, 
jedoch  alle  mit  Hinzutun  anderer,  Germ,  hat  nnrm  am  Anfange, 
irn'ir-  am  Ende  einer  Versgruppe.  Die  Neuzeit  hat  vielfach  einen 
Ersatz  des  Psalms  durch  ein  Gebet  in  der  Landessprache  gebracht. 

3.  Während  der  Vorlesung.  Es  wurde  bereits  erwäiint,  daß 
im  Laufe  der  Zeit  die  Bedeutung  und  Wertschätzung  der  Schrift- 
vorlesung sich  wesentlich  verschob,  daß  der  Xachdruck  auf  das 
Aufrufen  und  auf  die  Renediktionen  fiel.  So  kam  es  auch,  daß  für 
jeden  der  zur  Tora  Gerufenen  ein  Segen  (T"iDTD  ^ü)  gesprochen  wurde. 
Der  zur  Tora  Gerufene  konnte  wiederum  seinerseits  den  Segen  für 
andere  ganz  nach  seinem  Belieben  sprechen  lassen  und  pflegte 
dafür  Geld  zu  spenden.  Das  ist  eine  Einführung  des  Mittelalters, 
die,  wie  es  scheint,  aus  Frankreich  oder  Deutscldand  stammt.  Ur- 
sprünglich war  es  nur  Sitte,  an  einem  Tage  der  Wallfahrtsfeste 
in  der  Synagoge  für  Zwecke  der  Armenverwaltung  S])enden  zu 
gewähren,  was  im  Anschlüsse  an  die  Schriftvorlesung  Dt.  16  17  -i  rzr^z 
genannt  wurde;  in  Si)anien  kannte  man  den  Brauch  nur  am  Tora- 
fest. Es  dauerte  nicht  lange,  bis  der  Brauch  auf  alle  Sabbate  über- 
tragen wurde;  Isak  Or  Sarua  um  1200  sah  nichts  Störendes  mehr 
darin.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach  haben  die  Gemeinden  die 
Einbürgerung  des  Brauches  gefördert,  weil  ihnen  aus  diesen  frei- 
willigen Beiträgen  eine  sehr  beträchtliche  Einnahmequelle  erwuchs, 
auf  die  sie  in  jenen  Zeiten,  in  denen  die  Erträgnisse  der  direkten 


202  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Besteuerung  durch  den  Staat  in  Anspruch  genommen  wurden, 
unmöglich  verzichten  konnten.  So  verbreitete  sich  die  Sitte  des 
Segens  bei  der  Vorlesung  in  allen  Ländern,  in  Seph.  wurde  es  sogar 
üblich,  daß  der  Aufgerufene  Gebete  für  das  Seelenheil  seiner  An- 
verwandten (nnzirr.)  neben  dem  Segen  für  die  Lebenden  sprechen 
ließ.  Wie  es  nun  einmal  das  Schicksal  solcher  Bräuche  ist,  daß  mit 
der  Zeit  die  Xebensachen  zu  Hauptsachen  werden:  in  den  Augen 
der  Unwissenden  wurde  der  Segen  ("12115  "^'2)  der  wichtigste  Teil 
der  Schriftvoiiesung.  Es  ergab  sich  allmälilich  die  Unsitte,  daß 
das  Segensprechen  in  erschreckender  Weise  überhand  nahm,  daß 
es  zu  einer  übermäßigen  Verlängerung  des  Gottesdienstes  führte, 
die  Aufmerksamkeit  von  der  Scliriftvorlesung  selbst  ablenkte  und 
zu  allerlei  Unfug  in  der  Gemeinde  Anlaß  lieferte.  In  den  fort- 
geschrittenen Ländern  ist  die  Unterbrechung  der  Toravorlesung 
durch  den  Segen  daher  meist  längst  wieder  abgeschafft  worden. 

Bei  feierlichen  Gelegenheiten  wurde  das  x\ufrufen  von  be- 
sonderen poetischen  Introduktionen  (mcn),  die  mitunter  sogar  recht 
lang  waren,  begleitet.  Bei  Installation  der  Exilarchen,  Geonim, 
bei  Anwesenheit  eines  Bräutigams  und  ähnlichen  für  die  Gemeinde 
wichtigen  freudigen  Anlässen  wurden  die  Beteiligten  unter  derartigen 
Gesängen  zur  Tora  gerufen.  Regelmäßig  geschah  es  am  Torafeste, 
wenn  die  beiden  „Bräutigame"  (§  25  5,  S.  167)  zur  Tora  gerufen 
wurden, 

4.  Xach  dem  Vorlesen.  Die  Tora  wu'd  nicht  unmittelbar  nach 
Beendigung  der  Vorlesung  zurückgestellt;  daher  konnten  auch 
zwischen  die  Vorlesung  und  das  Einheben  Gebete  treten.  Sie  sind 
sämtlich   dem  Talmud  und  dem  Traktat  Sofrim  noch   unbekannt. 

a)  Wochentage.  Betrachten  wir  zunächst  die  kurzen  Vor- 
lesungen. An  Wochentagen  geschieht  in  Germ.,  It.  und  Rom.  das 
Einheben  unmittelbar  nach  der  Vorlesung,  nur  die  Zeit,  die  zum 
Zurollen  und  Bekleiden  der  Tora  erforderlich  ist,  bleibt  auszufüllen. 
Zu  diesem  Zwecke  werden  am  Montag  und  Donnerstag  soAvie  an 
Fasttagen  einige  kurze,  mit  "jisi  "i"i  beginnende  Bitten  für  den 
Schutz  aller  Gemeinden  Israels  gesprochen.  Sie  sind  bereits  in 
Amr,  vorhanden.  In  Seph.  hingegen  erfolgt  das  Einheben  erst  nach 
der  Keduscha  de  Sidra  (§  10  9,  S.  79),  so  daß  das  Zurollen  in  der 
Zwischenzeit  besorgt  werden  kann  und  eine  Pause  nicht  entsteht. 
An  den   Halbfesten,   wo   die   Bitten  wegfallen,   entsteht   in   Genn. 


Gebete  zur  Schriftvoilcsun^,'  203 

eine  Pause  im  Gottesdienste,  in  ll.  wird  an  diesen  Tagen  ebenso 
wie  in  Seph.  verfaliren. 

Am  Sabbat  zu  Miiu-lui  ist  in  Germ,  eine  Pause,  in  Jt.  und  Sepli. 
wird  Ps.  111  rezitiert.  In  Koni,  wird  hinter  sämtlichen  kurzen  Vor- 
lesungen y,i'\  "»ni  beibehalten. 

b)  Sabbate.  Ganz  anders  liegen  die  Dinge  am  Sabbat.  Hier 
lallt  zwar  die  Veranlassung  der  Einfügung  von  Gebeten  zum  Zwecke 
der  Ausfüllung  der  Zeit  fort,  da  das  Zurollen  der  Tora  während 
der  Vorlesung  der  Haftara  erfolgt,  aber  es  kamen  von  der  gaonäischen 
Zeit  an  andere  Gebete  in  großer  Zald  hinzu. 

1.  Ein  Segen  (TinTD  -^"ü)  für  die  Anwesenden,  wie  ihn  Kom.  ent- 
hält, oder  für  die  ganze  Gemeinde,  wie  in  Seph.  (Ti^TT  i'c)  und  Germ. 
(IplIS  aip"!  11).  Damit  wurde  ferner  schon  früh  der  Segen  für  ver- 
dienstvolle und  wohltätige  Gemeindemitglieder,  ein  besonderer  Segen 
für  diejenigen,  welche  die  Gemeinde  oder  Synagoge  mit  Stiftungen 
bedachten,  vereinigt.  Jehuda  Albarzeloni  erklärte  sich  gegen  diese 
Sitte,  aber  sie  war  zu  sehr  verbreitet,  als  daß  er  sie  hätte  beseitigen 
können. 

2.  Ein  Segen  für  die  höchsten  jüdischen  Behörden,  die  Exil- 
archen und  die  Schulhäupter  in  Eabylonien  sowie  die  Gelehrten 
des  Landes.  Da  das  Gebet  in  Babylonien  entstand,  ist  es  in  ara- 
mäischer Sprache  verfaßt  ("ip'S  aipi  und  n-jb  Ti"i"'D~).  Beide  Gebete 
um  Segen  kennt  schon  die  gaonäische  Zeit. 

Ein  Segen  für  den  Landesvater  und  die  Staatsbehörden  (in:- 
n^lTCr);  er  knüpft  an  Jerem.  297,  Esr.  610  an  und  ist  ebenfalls  sehr  alt, 
wie  die  Übereinstimmungen  des  Textes  in  Germ,  und  Seph.  beweisen. 

4.  Nach  den  Kreuzzügen  wurde  es  in  Germ.,  später  auch  in  It. 
üblich,  der  Märtyrer  der  Gemeinde  sowie  hervorragender,  um  die 
Gesamtheit  verdienter  Männer  zu  gedenken  (a'^iann"  ns).  Daraus 
entstand  später  die  Sitte,  daß  auch  einzelne  für  ihre  verstorbenen 
Angehörigen  in  der  ]N'ähe  ihrer  Todestage  Gebete  sprechen  ließen 
(a-i-ann  6?:i2  bx,  -nDrn  ob.  S.  202).  Besonders  an  den  Sabbaten 
vor  dem  "Wochenfeste  und  vor  dem  9.  Ab  wurden  die  langen  Märtyier- 
listen  der  Memorbücher  vorgelesen  (,,niemern"'). 

5.  In  Spanien  wurde  an  jedem  Sabbat  ein  langes  aramäisches 
Gebet  für  in  Bedrängnis  befindliche  Gemeinden  gesprochen  ("■^sb'J'^ 
s:n:5<) ;  in  anderen  Ländern  war  das  nur  der  Fall,  wenn  die  Xachriclit 
von   einer   bestimmten   drohenden   Gefahr   zu  ihnen   gelangt   war. 


204  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Alle  hier  genannten  Gebete,  ihre  Fassung  und  ihre  Reihenfolge 
hingen  von  lokalen  Gebräuchen  ab,  sie  wurden  nach  Belieben  der 
Gemeinden  eingeführt  und  erweitert  oder  gekürzt  und  fortgelassen. 

6.  Zwei  weitere  Einschaltungen  entstanden  aus  der  Notwendig- 
keit, die  Gemeinden  über  wichtige  kalendarische  Ereignisse  zu 
unterrichten,  über  das  Bevorstehen  des  Neumondes  und  der  Fast- 
tage; sie  sind  daher  auch  überall  eingeführt  worden.  In  welcher 
Form  das  Bevorstehen  des  Neumondes  am  vorhergehenden  Sabbat 
verkündet  wurde,  haben  wir  oben  §  20 1,  S.  123  ausführlich  dar- 
gestellt. Unter  ähnlichen  Formeln  wie  der  Neumond  wurde  das 
Eintreten  der  historischen  Fasttage  am  vorhergehenden 
Sabbat  angekündigt,  an  Stelle  der  beim  Neumond  üblichen  Bitte 
wird  eme  andere,  die  auf  Sech.  8  19  Bezug  nimmt,  gesprochen.  Die 
Ankündigungen  der  Fasten  sind  im  Laufe  der  Zeit  außer  Übung 
gekommen,  nur  die  Fastennach  den  Festen  (ilUJi  iTITi^am  i:TL'  §21, 
S.  127)  werden  bisweilen  in  Form  eines  Segens  für  diejenigen,  die 
sie  halten  ('71111?  -^"n),  angemeldet. 

c)  Festtage.  An  den  Festtagen,  wofern  sie  nicht  auf  den  Sabbat 
fielen,  ließ  man  in  Germ,  alle  obigen  Einschaltungen  fort,  in  den 
anderen  Riten  wurden  sie  wie  am  Sabbat  beibehalten.  In  Deutsch- 
land bildete  sich  die  bereits  erwähnte  Sitte,  an  den  Wallfahrts- 
festen den  Segen  für  Verwandte  sprechen  zu  lassen  und  dafür  frei- 
willige Gaben  zu  spenden.  Am  Versölmungstage  hingegen  wurde 
für  das  Seelenheil  der  Toten  gebetet.  Daraus  entstand  eine  besondere 
Feier  (nTcTC:  n-iDTn),  die  in  Westdeutschland  noch  heute  n  u  r 
am  Versölmungstage  stattfindet,  im  Osten  hingegen  am  letzten 
Tage  aller  Feiertage  mit  Ausnahme  des  Neujahrsfestes.  Am  Neu-' 
Jahrstage  wiederum  wird  in  allen  Riten  vor  dem  Einheben  der 
Tora  Schofar  geblasen,  wobei  eine  Benediktion  vorangeht  und  einige 
Bibelverse  folgen.  Das  Schofarblasen  an  dieser  Stelle  (mui^'a  my^pn) 
ist  nicht  das  ursprünglicho  (vgl.  S.  140),  aber  zumindest  seit  dem 
IIL   Jalu'hundert  neben  dem   Blasen  während  der  Tefilla  üblich. 

d)  Einschaltungen  besonderer  Art  brachte  das  Fest  der  Tora- 
freude, an  ihm  wurden  besondere  Poesien  zur  Verherrlichung  der 
Tora  im  Anschlüsse  an  die  Vorlesung  gesungen.  Wenn  auch  die  Er- 
wähnung von*mni<  bb:;!  TIUX  in  x\mr.  nicht  ursprünglich  ist,  so 
hat  doch  Saadja  das  Stück  bereits  gekannt  und  in  der  ihm  vor- 
liegenden Fassung  verworfen;    das  in  Germ,  erhaltene  ist,  offenbar 


(l('l)t'U'  zur  Scliiit'l vorlfMiiig  205 

uiilcr  dem  l^iiil'liisst' seines  Widcrspriiclis,  ^eäiulerl.  Im  <^;i(»näisclicii 
Zeitalter  waren  auch  andere  äliiiliche  ,, Hymnen  und  \'eilienlieliunj;en 
der  Tora"  veil)reitet.  Zui'  \'erlierrli(liuni;  der  ori'enhainng  gehörte  die 
Lobpreisung  Israels,  das  die  Tora  angenomnu'U  ("ri^^TT"'  sr'^TS^),  vor 
allem  al)er  der  l*reis  Mosis,  der,  zum  Organ  der  Oi'fenharnng  ge- 
wählt, des  unmittelbaren  Verkehrs  mit  den  liimndisehen  Scharen 
und  mit  der  Gottheit  selbst  gewürdigt  war.  Die  \'(irlesuiit;  am 
Toral'este  erzählte  vom  Tode  Mosis;  jüngere  Targumim  und  Midra- 
schini  schmückten  die  in  ihrer  Schlichtheit  erhabene  l'jzähluiig 
dramatiscii  aus,  sie  w'ulJten  von  den  letzten  Stunden,  \-oii  den 
inneren  Kämpfen  des  Propheten,  von  seiner  Ehrung  im  Tode,  von 
seiner  Bestattung  ausführlich  zu  erzählen.  Auch  der  Midrasch 
vom  Tode  Mosis  (nir'a  r"T'"u:s)  wurde  für  den  Gottesdienst  bearbeitet 
und  am  Torafeste  in  der  Synagoge  vorgetragen.  Für  die  synagogalen 
Dichter  war  ein  weites  Gebiet  eröffnet,  das  sie  reich  anbauten, 
aber  nur  wenige  Stücke  des  alten  Vorrates  haben  sich  durch  die 
Jahrhunderte  erhalten. 

Im  letzten  Jahrhunderte  sind  alle  die  znletzt  behandelten  Ein- 
sciialtungen  (S.  202  ff.)  wesentlich  vereinfacht  worden.  Die  bei- 
behaltenen Gebete  für  den  Landesvater,  für  die  Behörden  und  für 
die  Gemeinde,  die  Fürbitte  für  einzelne  Anwesende  bei  besonderen 
tJelegenheiten,  die  Verkündigung  des  Neumondes,  die  Totenfeier  haben 
in  den  fortgeschrittenen  Ländern  Bearbeitungen  in  der  Landessprache 
erfahren.  Sie  werden  nicht  mehr,  wie  ehemals,  vom  Vorbeter,  sondern 
meist  vom  Rabbiner  vorgetragen,  für  diese  „Agende"  ist  der  Name 
,, Liturgie"  im  engeren  Sinne  üblich  geworden. 


Kap.  IV.    Die  synagogale  Poesie. 
§  31.    Allgemeines. 

Literatur:  Diü-^es  L.,  Zur  Kenntnis  der  neuhebräischen  relig'iösen 
Poesie;  Zunz  L.,  G.  V.^,  S.  3951),  Synag-ogale  Poesie,  S.  60ff.;  Duschak, 
S.  224  ff". ;  Perles  J.,  Beiträge  zur  Geschiclite  der  hebräischen  nnd  ara- 
mäischen Studien,  S.  63  ff.     J.E.  Art.  Piyyut  X,  65  ff. :    Pizmon.  das.  68. 

1.  Die  bisher  behandelten  Gebete  bezeichnet  man  als  Stamm- 
g  e  b  e  t  e ;  sie  sind  s  ä  m  1 1  i  eli  e  n  Gebetbüchern  gemeinsam,  auch 
ilir  Text  ist,  abgesehen  von  den  durch  die  Reformbewegung  unserer 
Tage  eingefülu'ten  Änderimgen,  im  großen  und  ganzen  überall  derselbe. 
Es  sind  die  im  Talmud  bereits  bekannten,  in  der  Zeit  unmittelbar 
nach  Abschluß  des  Talmuds  erweiterten  und  ausgearbeiteten  Ge- 
bete; sie  sind  infolgedessen  allgemein  angenommen  und  als  verbind- 
liche Gebete  anerkannt  worden,  gewissermaßen  als  nobn,  sie  galten 
als  nbsr  "::r  nri'J^,  als  der  von  den  alten  Lehrern  zusammengestellte 
Gebetsinhalt,  von  dem  nicht  abge'svichen  werden  durfte. 

Bei  aller  Verehrung  für  die  Tradition  jedoch  ließ  der  religiöse 
Sinn  des  jüdischen  Volkes  sich  nicht  in  die  Fessel  eines  überlieferten 
Gebetes  schlagen,  er  forderte  zu  allen  Zeiten  das  Recht  der  selbst- 
ständigen Betätigung,  die  Freilieit,  auch  die  eigene  Frömmigkeit 
zum  Ausdrucke  zu  bringen,  eine  persönliche  —  oder  sagen  wir  besser  — 
zeitgenössische  ]N^ote  den  überkommenen  Formen  hinzuzufügen.  So 
trat  neben  das  feststehende,  überlieferte  Gebet  ein  beweghches  Ele- 
ment, dessen  Aufnahme  und  Verwertung  im  Gottesdienste  dem  Be- 
lieben der  Gemeinden  überlassen  war  (niün).  Die  religiösen  Be- 
dürfnisse, die  Neigungen,  der  Geschmack  der  verschiedenen  Länder 
und  Zeitalter  haben  auf  seine  Gestaltung  einge^\irkt,  die  Kultur  deij 
Umgebung,  die  politischen  und  sozialen  Verhältnisse  haben  seine] 
Bedeutung  erhöht  oder  vermindert,  den  ilim  gegönnten  Raum  er- 
weitert oder  beschränkt;  mitunter  beheiTschte  es  die  gesamte  Li- 
turgie, anderwärts  wiederum  wurde  es  stark  zurückgedrängt.    Schon, 


Dio  synagogalc  Poosie  207 

in  (loujcuij^cii  (li'l)('l(Mi,  die  dem  Kiial  Schiiia  voruiiKi'iH'ii  (>5j^ll.  12), 
1111(1  iiidenon,  die  der  Tefilin  folgen  (§  10),  haben  wir  solche  beweglichen 
Elemente  des  Gottesdienstes  kennen  gelernt,  aber  auch  sie  waren  noch 
früh  genug  vorhanden,  um  allgemeine  Anerkennung  zu  finden.  Hier 
jedoch  wollen  wir  von  denen  berichten,  die  einer  jüngeren  Zeit  ihre 
Entstehung  verdanken.  ICs  waren  religiöse  Gesänge,  die  die  Erwei- 
terung des  Gebetes  bildeten,  sie  hießen  daher  auch,  wie  die  biblischen 
Psalmen,  2"'"T'r,  was  Zunz  durch  s  y  n  a  g  o  g  a  1  e  Poesie  wieder- 
gegeben hat.  Meist  waren  im  Hebräischen  andere  Namen  dafür  ge- 
bräuchlich, sie  entsprechen  den  Kulturkreisen,  unter  deren  Einfluß  die 
Dichtungen  entstanden;  der  eine  vi-.'^t  stammt  aus  dem  Griechischen, 
er  weist  auf  die  byzantinische,  der  andere  n:Tn  aus  dem  Arabischen, 
er  führt  in  die  islamische  Epoche. 

2.  "•Ji'^E  .5«:-JfiE  vom  griechischen  :rnii^rt[^,  kommt  als  Bezeichnung 
für  Verfasser  von  Poesien  in  Kunstform  schon  im  Midrasch  vor;  als 
charakteristisches  Merkmal  seiner  Tätigkeit  werden  Kompositionen 
mit  zu  Ende  geführten  oder  in  der  Mitte  abgebrochenen  alphabe- 
tischen Akrostichen  genannt;  '^l'Q't  ^r''!  iüzbiü  ""127  "D  i<:'J"^"^s  l-inn 
nb  bcni'a  r^i^T  ]^:T2n  nb  bcma  (Gant.  rab.  1, 7  zu  U).  Aus  dem  Worte 
lw^"^E  wird  ein  Verbum  'C'^'^t  gebildet  und  im  Piel  und  Pual  flektiert, 
als  wäre  es  ein  hebräischer  Stamm  (,rrL:ilE'J2  P'rnr  ,"Ji'^Si  ,"j-'"'E'a 
i;i"'£b  ')i'::"'nr'a).  Am  häufigsten  aber  wh-d  das  davon  abgeleitete  Nomen 
t;T>S  gebraucht.  Das  Targ.  jer.  zu  IL  Kön.  3 15  gibt  das  hebräische 
p;  singen  durch  "^"'■'S  wieder.  Unter  Piut  versteht  man  zunächst  jede 
Art  von  Poesie,  Sabbatai  Donolo  (X.  Jahrhundert)  z.  B.  nennt  das 
gesamte  Exordium  seines  Jezira-Konmientars  einen  Piut;  haupt- 
säclüich  aber  wu"d  der  Name  als  Bezeichnung  für  die  religiösen 
Dichtungen  verwandt,  die  an  die  Stammgebete  angehängt  oder  in  die 
Stammgebete  eingeschaltet  werden.  Zusammen  mit  Piut  kommt 
ein  bisher  noch  nicht  befriedigend  erklärtes  Wort  ■'""•"'i;  für  Dich- 
tungen vor;  auch  hiervon  wurde  ein  Stamm  ~"i"J  ,T't:  abgeleitet  und,  als 
wäre  er  rem  hebräisch,  flektiert.  Das  Targum  jer.  zu  II.  Sam.  616 
gibt  TT£^  durch  ■^'^1"i"y:  wieder,  wahrscheinlich  ist  das  Wort  wie  "J'^'^B 
griechischen  Ursprungs  und  von  äöto,  wdij  abzuleiten.  Es  kommt 
stets  mit  "J'i'^S  zusammen  vor,  einmal  sogar  als  Gegensatz  dazu  und  soU 
akrostichische  Dichtung  bedeuten. 

3.  m:Tn,  arab.  f\:^'u  wird  nicht  so  häufig  wie  Piut,  dafür  aber 
früher  und  im  Orient,  in  der  Heimat  der  synagogalen  Poesie,  ver- 


208  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

wendet.  Die  Werke  der  ältesten  uns  bekannten  Piutdicliter  werden 
unter  diesem  Namen  zusammengefaßt,  sie  kommen  als  Werke  mit 
und  ohne  Kommentar  bis  ins  XIII.  Jahrhundert  in  Bücherhsten 
unter  der  Bezeichnung  ~:i?Tn  vor.  Ein  arabischer  Autor  unterscheidet 
ausdrücküch  die  Chisana  von  den  Pflichtgebeten,  in  die  sie  einge- 
schoben werden  (§  39).  Das  Wort  ist  nicht  so  lange  im  Gebrauche 
gebheben  ^\ie  Piut,  ist  aber  für  die  Erkenntnis  der  Anfänge  der  syna- 
gogalen  Dichtungen,  wie  wir  sehen  werden,  von  außerordentlicher 
Bedeutung. 

4.  Eine  weitere  allgemeine,  wenn  auch  meist  in  engerer  Be- 
deutung verwandte  Bezeichnung  ist  ITJSTS,  von  einem  Verbum  DTö 
abgeleitet,  das  in  angeblich  palästinischen  Targumim  zu  Ex.  15  21 
und  Hi  31  als  Übertragung  von  n:"  (l"r'),  im  Midrasch  in  der  Be- 
deutung von  nninn  Wohlgefallen  gebraucht  \md  und  offenbar 
mit  i//aA,«cg  zusammen  hängt.  Das  Wort  bezeichnet  ursprünglich 
strophisch  gegliederte,  gereimte  Hymnen  über- 
haupt, später  aber  nur  mit  Refrain  versehene,  und  zwar  entweder 
die  ganzen  Stücke  oder  auch  die  Refrainzeile  allein.  Augustin  schickt 
einem  seiner  Lieder  einen  Vers  vorauf,  der  dann  hinter  jeder  Strophe 
wiederholt  \x\i'd,  und  nennt  die  Dichtung  Hypopsalma.  Das 
wäre  ein  ganz  ähnlicher  Sprachgebrauch,  wde  er  sich  in  jüdischen 
Kreisen  herausgebildet  hat.  Im  späteren  Mittelalter  wird  an  Stehe 
des  Refrains  auch  die  laute  Antistrophe  'C^'t  genannt.  Wenn  yc'Z 
auch  zumeist  als  Bezeichnung  für  Refrainpoesien  auftritt,  so  kommt 
es  doch  auch  als  allgemeine  Benennung  für  synagogale  Poesien  ohne 
Unterschied  vor. 

llu'em  Inhalte  nach  zerfällt  die  synagogale  Poesie  in  zwei  Gruppen, 
in  hymnische  und  in  elegische  Dichtungen,  die  wir,  dem  Beispiele  von 
Zunz  folgend,  als  Piut  und  S  e  1  i  c  h  a  unterscheiden. 

§  32.    Der  Piut. 

Literatur:  Dukes,  das.;  Zunz,  das.,  Brody  H.  und  Albrecht  K.,  Die 
ueuhebräische  Dichterschule  der  spanisch-arabischen  Epoche;  JE  das. 
sowie  die  Artikel:  'Abodah  I,  75  f.,  Azharot  II,  368  fF.,  Kerobot  VU,  468 ff., 
Yozerot  XII,  622  f. 

1.  Von  Haus  aus  bezeichnet  Piut,  ^^4e  vm  gesehen  haben,  jede 
Art  liturgischer  Poesie.  Der  Sprachgebrauch  hat  sich  jedoch  so  ent- 
wickelt,   daß   nm-   die   Poesien   h  v  m  n  i  s  c  h  e  n    Charakters,    Lob- 


ArliMi  di'S  l'inl  209 

und  nankru'dcr.  sie  inöffcii  allifcmcincii  Inhalt  liabcn.  sie  inö^'cn  an 
dio  Natur  oder  an  die  Cieschifhto  aukniipIVn,  J*  i  u  t  genannt  werden. 
i)er  Name  l'iut  dient  als  Bezeiclinunji;  der  Gattung,  für  die  einzelnen 
Arten  der  Poesien  f^ibt  es  besondere  Benennunf^en,  die  zum  Teil  von 
der  äußeren  Form  herc^enommen  sind,  meistens  aber  dem  inlialt(>  des 
(Jediehtes  oder  seinem  Platze  in  der  Liturgie  entspreelieii. 

•J.  Die  von  der  äuüeren  Form  entlehnten  sind  die  allgemeineren 
Hezeichnuufien.  sie  köiiiUMi  für  jedes  Stück,  welches  auch  sein  Inhalt 
oder  seine  Stellung  im  Gebete  sein  mag.  verwendet  werden;  sie  sind 
mehreren  Sprachen  entnommen  und  weisen  auf  die  verschiedenen 
Kulturkreise  hin.  von  denen  die  synagogalen  Dichter  beeinflußt 
wurden.  Wir  verzeichnen  hier  nur  die  wichtigsten  und  am  häufigsten 
vorkommenden  Namen : 

a)  s^-J-^nsbs.  ])lur.  l^-uT-'nEbs?,  aucli  in  «"J'^n-'E  abgekürzt,  wird 
ganz  allgemein  für  jede  Art  alphabetischer  Dichtung  verwendet. 

b)  "J"^""',  ri"J"n"'.  plur.  si'JTII  Riegel  oder  Balken;  so  hießen  ur- 
sprünglich Bibelworte  und  Versteile,  die  zur  Einfassung  von  Poesien 
dienten;  dann  übertrug  man  die  Bezeichnung  auf  die  Stücke  selbst, 
die  solche  Einfassungen  enthielten,  oder  auf  Poesien,  die  in  kurzen 
Sätzen  ein  Bibelwort  variieren.  Statt  "J"»'"*  findet  man  bisweilen  Ciia"!"!, 
das  griechische  öqouo^  Läufer,  was  sich  ebenfalls  auf  den  variierten 
Kehrvers  bezieht,  aber  auch  auf  Stücke,  die  rasch,  ohne  Melodie  zum 
Vortrage  kamen,  übertragen  wurde. 

c)  mCTa  Muwaschschach,  eine  der  arabischen  Poesie  entlehnte 
Form  von  Gedichten,  sogenannte  Gürtelreime;  dem  Gedichte 
geht  ein  Vers  als  Thema  voran,  mit  dem  sämtliche  Strophenschlüsse 
reimen.    Derartige  Poesien  finden  sich  nur  bei  spanischen  Dichtern. 

d)  i-P'^p,  wahrscheinlich  lat.  circulare;  der  Name  ist  darum 
gewählt,  weü  die  Bibclverse  am  Schlüsse  jeder  Strophe  stets  mit 
demselben  Worte  enden,  dieses  also  die  ganze  Poesie  umkreist. 
Solche  Poesien  kommen  ebenfalls  nur  bei  spanischen  Dichtern  vor. 

e )  S5i:'*^-""JC~.  wahrscheinlich  vom  altspanischen  estribot,  estrambot 
herzuleiten,  ebenfalls  eine  Art  Refrainlied. 

3.  Einige  Namen  sind  von  der  Stellung  der  Poesien  hergenommen. 
Der  verbreitetste  ist  riTDi,  womit  die  Einleitung  zu  allen  möglichen 
Poesien  bezeichnet  wird.  Es  ist  entweder  die  Einführung  für  das 
Gebet  oder  für  den  Dichter,  der  sich  damit  der  Gemeinde  vorstellt; 
im  letzteren  Falle  sagt  man  genauer  TT"  r'':-^'C':.  Statt  TT'  gebraucht 

Elbogen.  Der  jüd.  Gottesdienst.  14 


210  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

man  auch  "rrirs  oder  in  arabischer  Sprache  rna'ipia.  Auch  inma  (vgl. 
S.  211)  scheint  eine  ähnhche  Bedeutung  zu  haben.  Wie  am  Anfang 
stehende,  so  haben  die  Poesien  am  Ende  besondere  Xamen ;  größere  ab- 
scliüeßende  Poesien  nennt  man  pi^ü  Finale,  für  kürzere  ist  :;ti3  An- 
hang oder  Taa  Abschluß  gebräuchlich. 

4.  Für  die  Benennung  nach  dem  Inhalte  war  die  Bestimmung 
der  Poesien  mnerhalb  der  Litm-gie  maßgebend.  Hauptsäclilich  werden 
Piutim  an  zwei  Stellen  im  Gebete  verwendet,  bei  den  zum  Schma 
gehörigen  Benediktionen  und  der  Tefilla. 

I.   Die  Piutim  für  die  Benediktionen  des  Schma: 
A.   I  m  M  0  r  g  e  n  g  e  b  e  t  e. 

Im  Morgengebete  der  Sabbate  und  Festtage  sind  die  Benediktionen 
des  Schma  mit  poetischen  Einschaltungen  versehen,  die  man  zu- 
sammenfassend i^V  plur.  niiSTi  nennt.  In  der  ältesten  Zeit  bestanden 
die  Jozer-Poesien  aus  folgenden  drei  Stücken: 

a)  "iiT>,  so  genannt  nach  dem  Anfange  der  ersten  Benediktion 
"ni?  "1211  (oben  S.  17),  auf  den  die  Einschaltung  folgt.  Die  älteste 
Dichtung  dieser  Ai't  ist  das  in  It.  an  jedem  Sabbat,  in  Germ,  nur  in 
Verbindung  mit  einem  Jozer  gebräuchliche  rimii  ZJiTi  n::ii«  ab'r  T5? 
Till  l)2i?  bt^iz.  Das  Thema  des  Jozer  ist  meist  die  Schöpfungs- 
geschichte, die  Strophen  oder  deren  Refrain  scliließen  häufig  mifOTip. 

b)  ^£1S,  unmittelbar  vor  ai;£is«m  (oben  S.  67),  an  dessen  Stelle 
dann  allerdings  das  wahrscheinlich  aus  Palästina  stammende  rT^rir." 
■nniTLii  tritt.  Gegenstand  dieses  Piut  ist,  seinem  Platze  im  Gebete  ent- 
sprechend, die  Schilderung  der  Keduscha  der  Engel. 

c)  nblT,  unmittelbar  vor  'i;T3i?  ri""  (oben  S.  23),  schließt  an 
T7:!"lT  DTiri?  "["'S  an  und  spricht  die  Hoffnung  auf  bessere  Zeiten  aus, 
nicht  selten  wird  an  gegenwärtige  Leiden  angeknüpft.  Das  vorher- 
gehende Stück  a"':";rsi~  b"  erhält,  wo  ein  Sulat  eingeschaltet  ist,  die 
kurze  Fassung  des  palästinischen  Ritus  (oben  S.  23). 

Der  hier  geschilderte  Aufbau  ist  der  einfachste,  der  vorkommt;  er 
kann  jedoch  beträchtlich  erweitert  werden,  indem  auch  hinter  b) 
und  c)  noch  einige  Dichtungen  eingefügt  werden,  so 

ha)  rmSTa  anknüpfend  an  n-ni^'an  -i::t»  (oben  S.  20), 
hß)  nn-i?  vor  nnr.sjn  nr^  Ta:?^  nmnr.  (oben  S.  21), 
ca)  nD733  "''a  vor  dem  gleichen  Verse  aus   dem  Schilfmeerliede 
(oben  S.  23), 


Arten  des  Piiil,  Juzer  211 

vß)  *:r:'C  'l  in  den  Kilcii.  die  diese  Wolle  vor  ib'ü'^  "1  lial)eii 
(oben  S.  24),  eiidlieli 

c;')n"::75«3  unmittelbar  vor  bi^'^r'  bs.".  wobei  in  (ierni.  dann 
wieilernni  die  palästiniselie  Formel  nns?  "^bsa  (oben  S.  23)  zur  Ver- 
wendung kommt.  Der  Inhalt  der  letztgenannten  Stücke  ist  meist 
die  Liebe  Gottes  zu  Israel,  oder  sie  behandeln  einzelne  Gebote  und 
die  daraus  geschö|>fte  Hol'fuunti-  ;nd'  Gottes  Gnade.  In  soleher  Voll- 
ständigkeit finden  sich  die  Zutaten  zum  Jozer,  r"-::"^,  wie  man  die 
Stücke  auch  alle  zusammen  nennt,  höchst  selten,  meistens  nur  bei 
spanischen  Dichtern.  Sie  müssen  auch  nicht  alle  zusammen  stehen, 
es  kommt  häufig  vor,  daß  nur  einzelne,  wie  nms^  oder  nnns  für  einen 
Festtag  oder  einen  Sabbat  bearbeitet  sind. 

Die  spanischen  Dichter  der  Blütezeit  haben  auch  schon  v  o  r  dem 
Jozer  mit  ihren  Kinschaltungen  begonnen,  sie  schickten  dem  :3"n  und 
dem  voraufgehenden  r^~p  je  eine  Introduktion,  nc^  voran.  Ja,  sie 
haben  auch  das  Stück,  welches  an  Sabbaten  und  Festen  zum  Ab- 
schlüsse der  Psalmen  dient  und  irrtümlich  zum  Jozer  gerechnet  wurde, 
rrc:  (oben  S.  113),  ebenfalls  vielfach  bearbeitet. 

Die  Kompositionen  zu  nair:  zerfallen  in  folgende  Teile: 

a)  Introduktionen,  die  entweder  den  hebräischen  Namen  r'C" 
r^nb  führen  oder  den  arabischen  "\r;'a,  der  dasselbe  bedeutet. 
Die  Form  der  erhaltenen  "^nn^  ist  derart,  daß  den  Poesien  ein  Leit- 
vers voraufgellt,  mit  dessen  letztem  Worte  alle  Strophenschlüsse 
reimen.    Vielfach  stehen  beide,  P"i"C""i  und  T^mc  nebeneinander. 

b)  r^r:  plur.  ^'^r'ac:,  d.  h.  Poesien,  in  denen  jede  Strophe 
mit  dem  Worte  rizz:  beginnt;  sie  werden  nach  dem  ersten  Absätze  von 
rrr:  vor  den  Worten  Z'^D  rr^^T  s«bi2  "irs  "ibs  vorgetragen,  haben  in 
der  Regel  diese  Worte  auch  am  Schlüsse  der  letzten  Strophe,  jedoch 
ist  die  Echtheit  der  Schlußstrophen  angefochten,  sie  sind  meist  erst 
jüngere  Zusätze. 

c)  TE  "ibs,  müßte  dasselbe  bedeuten  wie  b),  die  Poesien  beginnen 
mit  D''n^,  dem  letzten  voraufgehenden  Worte  von  pütd:;  \'ielleicht 
stammen  aus  den  irE  ibi^-Gedichtcn  die  soeben  erwähnten  unechten 
letzten  Strophen  der  "'err-Lieder. 

d)  ''n2"ir  7D  und  e)  T'TSD  "^"Q,  beide  anknüpfend  an  den  Anfang 
und  das  Ende  des  Verses  Ps.  35 10,  soweit  er  in  püTD:  zitiert  ist.  Auch 
zu  f)  nr'Ti  "'"'S"  und  g)  "7  "DITT  gibt  es  Dichtungen,  die  aber  keinen 
besonderen  Namen  führen.    Der  Inhalt  all  der  hier  genannten  Stücke 

14* 


212  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

ist  liymnisch,  sie  nehmen  zumeist  Bezug  auf  die  Bedeutung  des  Tages, 
für  die  sie  gedichtet  sind,  ihre  Form  ist  in  der  Regel  dieselbe  wie  die 
des  7in^. 

Ein  Bild  von  der  Reichhaltigkeit  der  maiu:-  und  iri"i-Poesien, 
die  Jehuda  ha  Levi  verfaßt  hat,  gibt  die  Probe  bei  Brody  und  Albrecht 
Nr.  88—103,  S.  100  ff. 

B.   Im  Abendgebete. 

Den  Joz'rot  im  Morgengebete  entsprechen  die  Poesien,  die  an 
Feiertagen,  einst  auch  an  Sabbaten,  in  das  Abendgebet  eingeschaltet 
werden.  Die  ganze  Gruppe  heißt  a"'n"'nr^,  n2"'"i"'a,  seit  1600  etwa 
mD"i:r'a,  besondere  Namen  für  die  einzelnen  Stücke  sind  nicht  bekannt. 
Die  Kompositionen  sind  derart,  daß  zu  jedem  Absätze  im  Stamm- 
gebete eine  kurze  Poesie  gehört.  Es  gehen  demnach  zwei  dem  "72r 
voran,  die  eine  vor  a^iiS'  ^ii^'cn,  die  andere  vor  "rfi^iTr"^  ^•iz"  nmü 
(oben  S.  101).  Hinter  dem  y'aTU  folgen  vier  Stücke,  eines  vor  '^'c 
riD'aD,  eines  vor  Y"^''  '"!,  eines  vor  '::5?11U'^  '^5?3i,  eines  vor  TDC  TUmS" 
a""!!?,  wobei  wiederum  zu  beachten  ist,  daß  in  Verbindung  mit  Piut 
hier  überall  die  Schlußworte  der  palästinischen  Rezension  dieser  Ge- 
bete (weiter  S.  267)  verwendet  werden.  Zu  den  sechs,  gewöhnlich  recht 
kurzen  Poesien  gesellt  sich  noch  eine  längere;  vor  nDT2D  "^^  nämlich 
geht  der  kurzen  in  der  Regel  eine  größere  Poesie  mit  einfachem 
oder  doppeltem  Alphabete  und  mit  Refrain  voraus.  Vielfach  ist  auch 
vor  das  letzte  Stück  (vor  lUmSH)  eine  längere  Auseinandersetzung 
halachischen  Inhalts  in  Prosa  eingeschoben,  die  1133  oder  ^^Zil  rsc^r 
heißt  —  im  deutschen  Ritus  ist  nur  zum  zweiten  Abend  des  Pesach  ein 
solcher  Zusatz  in  das  Machsor  aufgenommen.  Auch  an  Introduktionen 
zu  Maarib  (l^iy^b  mm)  hat  es  nicht  gefehlt.  Maaribmi  wurden  zu 
allen  Festen  ohne  Ausnahme  gedichtet,  wenn  sie  auch  nicht  für  alle 
Feste  gleichmäßig  im  Gebrauch  geblieben  sind.  Im  Orient  besaß  man 
solche  Dichtungen  sogar  für  ausgezeichnete  Sabbate.  Spanische 
Dichter  haben  sie  nie  bearbeitet,  sie  haben  auch  in  Seph.  niemals 
,  Eingang  gefunden. 

II.    Die  für  die  Tefilla  bestimmten  Poesien. 

A.    K  e  r  0  b  a. 

Der  zusammenfassende  Name  für  die  in  die  Tefilla  eingeschal- 
teten Poesien  ist  nmip  oder  nmnp.  Das  Wort  ist  von  smip  ab- 


Al'lrtl    (Irs    l'illt,     Kcnil)il  213 

^^i'lcih'l,  (Ici-  Uczi'uliminu'  für  den  N'dihcit'r,  der  die  'rcl'illu  vorlrii*?, 
ihn  lUMint  ;iiuli  der  Midiascli  2""pT  stün  s?Tin.  Miüverständlich 
wurde  statt  nsiip  vermittels  der  l'iir  die  idtlraiizüsisclie  IMiirakMiduii"!: 
CS  jrehräiichliclieii  rmsrlireiltiiiii;-  das  Witrt  T"2"'"'p  f^esetzt  und  als 
Momorialwort  aus  den  Aidanusbuehstahen  des  Verses  l's.  IISI")  :;^p 
^^p^-^j  '"r.sz  rrj-'c:"'  -:-  lieri^eleitel.  Aueli  das  ganze  ( lebet bueli  Tür 
die  Kestta^'e  wurde,  da  es  die  Keroba  enthielt,  bisweilen  mit  dem 
uleiehen  Namen  "('3"i"ip  genannt.  Kerobas  gibt  es  für  ausgezeichnete 
Wochentage,  für  Sabbate  und  Festtage.  An  Wochentagen  wii-d  dann 
in  jedes  Stück  der  Tel'illa  ein  Piut  eingeschaltet.  Die  Kerobas  für 
Wochentage  stammen  sämtlieh  aus  der  alten  Zeit  und  den  orienta- 
lischen Landein,  in  denen  die  |)al;istinische  Rezension  der  Tet'illa  ver- 
wendet wurde:  sie  bestehen  daher  aus  achtzehn  Stücken  uiul  heiUeii 
auch  "-irr  ~:'!2Z.  Je  nach  der  Bedeutung  des  Tages,  für  den  sie  be- 
stimmt sind,  werden  die  Kerobas  bei  einer  Benediktion  erweitert  — 
eine  Art  von  -i":i5'2n  ■j-^j'ö  (oben  S.  57),  am  9.  Ab  z.  B.  bei  XIV  a'^bTüTT'b-i, 
an  den  anderen  Fasttagen  bei  XII  aTTTb^bl.  An  den  Sabbaten  und 
Festen  sind  die  Kerobas  auf  sieben  Teile  beschränkt  und  heißen  dem- 
entsi)rechend  srynr;  sie  werden  nur  beim  Musafgebete  verwendet. 
Beim  Morgengebete  ist  die  Keroba.  auch  r"^nmiJ  oder  "r'ar.  genannt, 
nur  für  die  ersten  drei  Benediktionen  der  Tefilla  und  für  die  Einleitung 
zur  Kednscha  des  Vorbeters  bearbeitet;  sie  zerfällt  in  folgende  Teile: 

a)  mrn  oder  riüi  rb-^'j;,  eine  Introduktion,  mit  der  der  Dichter 
sich  bei  der  Gemeinde  einführt;  die  alte  Introduktion  beginnt  TCC 
-^m:'  Z"''322n,  später  aber  genügte  sie  den  Dichtern,  namentlich  denen 
in  Frankreich  und  Deutschland,  nicht  mehr,  sie  verfaßten  neue,  die 
sie  den  Poesien  voranschickten. 

1))  i:.T2,  vor  der  Eulogie  zu  r^lS.  an  den  hohen  Feiertagen  vor 
■:i27  (oben  S.  43),  besteht  aus  zwei  Stücken,  dem  eigentlichen  Piut 
und  einer  Schlußstrophe.  Das  Piutstück  schließt  mit  dem  Hinweise 
auf  die  Perikope  des  Tages  mrDD,  woran  sich  eine  Anzahl  anderer 
Verse  anreiht.  Mit  dem  letzten  Worte  des  zuletzt  erwähnten  Verses 
beginnt  dann  ein  knrzer  Schluß,  der  zur  Benediktion  (r.-c^rnn  'C7i2) 
überleitet,  er  heißt  p-:c  Finale;  die  spanischen  Dichter  nennen  den 
Schluß  ii'iD,  sie  lassen  die  verbindenden  Bibelverse  fort. 

c)  n-'n^,  vor  der  Eulogie  zu  r:— n:^  bezw.  vor  Ttqd  ^r  (oben 
S.  44  ff.),  ist  genau  in  derselben  Art  gebaut  wie  das  1312. 

d)  r:r"2  vor  der    dritten   Benediktion.  d.   h.  Aor  Einschaltung 


214  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

der  Keduscha  (rrbir^  r\li:^^ip,  wovon  der  Same  cbirr),  klingt 
ebenfalls  in  Bibelverse  aus,  deren  letzte  regelmäßig  Y^'Q"'  (Ps.  14610) 
und  irnp  nns^l  (Ps.  22  4)  sind.  Hier  fällt  die  Sclüußstrophe  fort, 
weil  eine  größere  Anzalil  von  Piutim  sich  daran  anreilit.  Bei  den 
älteren  Paitanim  knüpfen  die  Stücke  b) — d)  an  die  Geschichte  je  eines 
der  drei  Erzväter  an,  erst  hinter  d)  wird  auf  das  Thema  des  Festes 
näher  eingegangen.  Auf  d)  folgen  bei  den  älteren  Paitanim  gewöhnlich 
noch  vier  Stücke: 

e)  fängt  mit  s:  :5«  an  und  schließt  mit  mpn  3"''c  s<n^:  3^p1  "»n; 

f)  ein  hagadisch  geschichtliches  Stück,  auf  das  fi^'ir  s":;^"^  it:  bs5 
folgt,  wahrscheinlich  der  ÜbeiTest  einer  alphabetischen  Poesie  Jan- 
nais  (§40),  der  da,  wo  e)  fehlte,  als  Ersatz  eingelegt  wurde; 

g)  eine  Poesie,  deren  Strophen  mit  Tri"p  schlössen  oder  den  In- 
halt der  Toralektion  behandelten; 

h)  plbc,  ein  langes  Finale  mit  der  Überschrift  TW^i'p  rc^Vi  Y-  "-^^ 
'"I5il  nri?  "^D;  es  bildet  den  ttbergang  zur  Keduscha,  ist  meist  in 
Prosaform  abgefaßt  und  erzählenden  Inhalts,  wird  daher  auch  r"i"^EC 
Qiiril/'x:  genannt.  Die  spanischen  Dichter  lassen  h)  unmittelbar  auf  d) 
folgen,  sie  fügen  dafür  häufig  eine  besondere  Poesie  mit  dem  Namen 
nüTip  an.  Je  nach  dem  Charakter  des  Sabbats  oder  Festes,  für  die 
die  Poesien  bestimmt  sind,  können  Erweiterungen  eintreten,  bei  den 
Spaniern  z.  B.  werden  Pismon  und  Selicha  eingeschoben.  Beispiele 
solcher  vollständigen  Kompositionen  in  Amr.  11. 43  b  ff.,  Brody, 
Diwan  des  Jehuda  ha  Levi  III,  240  ff. ;  ältere  paitanische  Kerobot  bn 
deutschen  Machsor  zu  jedem  zweiten  Feiertage. 

An  einzelnen  Festen  erfährt  die  Keroba  eine  weitere  Ausgestaltung, 
die  durch  die  Toravorlesung  bedingt  ist.  Am  Wochenfeste,  wo  der 
Dekalog,  am  Schlußfeste  des  Pesach,  wo  das  Schilfmeerlied  die  Peri- 
kope  bildet,  ist  vor  das  Finale  h)  eine  x\nzalü  Piutim  eingefügt,  die  die 
einzelnen  Sätze  der  Perikope  begleiten  und  meist  mit  einem  Piut  zum 
Einheitsbekenntnis  abschließen.  Derartige  Kompositionen  heißen 
13-^n^,  ntJim  (oben  S.  209). 

Eine  besondere  Art  der  Keroba  ist  für  das  Musaf  des  ersten  Tages 
des  Pesach-  und  des  achten  des  Hüttenfestes  bestimmt,  an  denen 
um  Tau  (b'J  r"rsr)  und  Regen  (ar^  r'':zr)  gebetet  wurde  (obenS.  44); 
sie  reichen  nur  bis  zur  Mitte  der  zweiten  Benediktion,  bis  zu  min  nTT2. 
d.  h.  bis  zu  derjenigen  Stelle  am  Anfange  der  TefUla,  an  der  die  Ein- 
schaltung für  Tau  oder  Regen  erfolgt.   Es  hat  mehrere  solche  Koni- 


Tal,  Geschem  215 

positioiUMi  £!;('o;('l)(MU  aber  nur  dicjcniircii  Kalirs  sind,  soweit  unsoro 
Kenntnis  reicht,  wirklicli  im  Gottesdienste  verwendet  worden.  Sic 
enthalten  zunächst  zwei  Ininfzeik'r,  von  tlencn  (h'r  eine  vor  smns?  pT2, 
der  andere  unmittelbar  nach  "'"i-'i  ~rx  einij;eschaltet  wird;  an  den 
/weiten  schließen  sich  vier  lanfje  alphabetische  Stücke  an,  von  denen 
das  erste  eme  Art  riTCi  ist;  das  zweite  {n"S)  und  dritte  (p'mür)  bieten 
einen  historischen  überblick  über  die  biblischen  Wunder  von  Tau 
und  liegen,  in  beiden  enden  die  Strophen  mit  entsprechenden  Bibel- 
versen (n^rrr);  das  vierte  besteht  aus  22  Strophen  von  doj)|)elten 
\'ierzeilern,  immer  zwei  Stro|)hen  sind  der  Bitte  um  Tau  und  lve<i'eu 
für  je  einen  Monat  "ewidmet,  eine  knü|)ft  an  den  XanuMi  des  Monats, 
die  andere  an  sein  Sternbild  im  Tierkreise  und  an  die  zwölf  Stämme  an; 
das  ganze  endlich  wiid  abgeschlossen  durch  eine  kurzgefaßte  Bitte 
um  Tau  bezw.  Regen,  die  in  nan  mnn  n^cr  'i«  n  Sin  nrSTD  aus- 
klingt. Die  Keroba  für  b'J  und  aC3  bringen  nur  Rom.  und  Genn.; 
wahrscheinlicii  enthielt  sie  einst  auch  It.,  wo  heute  nur  ilue  aller- 
letzten Sätze  noch  Vei-wendung  finden.  Seph.  hat  ebenfalls  Piutim 
und  Bitten  für  die  beiden  Festtage  (DTT-'^nT  '■:v:r^  Tp"),  aber  sie  werden 
vor  der  Musaftcfilla  beim  Einheben  der  Tora  gesprochen. 

Wie  beim  Jozer  nicht  jedesmal  sämtliche  Poesien,  vielmelu:  mit- 
unter nur  einige  von  den  Dichtern  verfaßt  und  von  den  Gemeinden 
verwendet  wurden,  so  gibt  es  auch  bei  der  Keroba  vereinzelte  Piut- 
stücke  zu  bestimmten  BenediktioiuMi.  lt.  z.  B.  hat  im  Musafgebete 
der  Wallfalutsfeste  vor  dem  Schlüsse  Poesien,  die  gemäß  dem  Ende 
derTefilla  H'br  z^n:  oder  zV:r  "r^~  heißen;  spanische  Dichter  haben 
sie  häufig  bearbeitet.  Auch  die  Keduscha  fand  poetische  Bearbeitung. 
Genau  genommen  sind  die  verbindenden  Texte  zwischen  den  Versen 
ebenfalls  bereits  piutartig.  Neben  diesen  ständigen  Zusätzen,  die 
vermöge  ihres  Alters  geradezu  als  zur  Keduscha  gehörig  betrachtet 
werden,  gab  es  ausfülu-liche  Einlagen,  die  die  Keduscha  unterbrachen; 
sie  sind  nur  für  die  beiden  ernsten  Feste  erhalten.  Häufig  an  Festen, 
bei  besonderen  Gelegenheiten  auch  an  Sabbaten  werden  in  Germ, 
hinter  zr^nrs  '~  "»rs  einige  Verse  eingeschaltet,  die  mit  2:""rcs  an- 
fangen und  davon  den  Namen  fülu-en. 

B.  Sonstige  Einschaltungen  in  die  Tefilla. 

a)  An  den  beiden  ernsten  Festen  (§  24)  sind  die  Kerobas  durch 
zalüi-eiche  Rehitim  aller  Art  erweitert.    Sie  sclüießen  ferner  mit  der 


216  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Keduscha  nicht  ab,  auch  zwischen  die  Verse  der  Keduscha  sind  längere 
Poesien  eingeschoben.  Am  Musaf  Ijeider  Feste,  am  Versöhnungstage 
auch  zu  Schacharis,  folgen  selbst  hinter  der  Keduscha  noch  Poesien, 
ehe  mit  der  Wiederholung  der  Tefilla  ""he  ]r  "rn":  fortgefahren  werden 
kann.  Soweit  könnte  man  die  Piutim  noch  als  Fortsetzung  der  Keroba 
gelten  lassen,  an  beiden  Festen  folgen  jedoch  zu  Musaf  noch  andere 
Einschaltungen,  die  aus  dem  Rahmen  der  Keroba  herausfallen  und 
älter  sind  als  sie.  Es  geht  ihnen  auch  eine  besondere  Einleitung  voraus 
bi<b  ""::■' M"i5  (in  Germ,  sogar  eine  doppelte,  denn  auch  rvz'^t  2"  rr^n 
ist  eine  solche).  Sie  entspricht  dem  rTi,  mit  dem  der  Paitan  sich 
einfülu'te  (oben  S.  213);  während  er  aber  mit  den  anderen  Introduk- 
tionen sich  die  Erlaubnis  der  Gemeinde  erbittet,  haben  wir  hier  ein 
Gebet  an  Gott  um  die  richtige  Eingebung  bei  dem  nun  folgenden  Vor- 
trage vor  uns. 

b)  Am  Neujalu-sfeste  werden  damit  die  Poesien  zu  den  drei 
speziellen  Benediktionen  der  Tefilla  r'^ET  pt^zt  r'^z'Z'c  einge- 
leitet; sie  unterbrechen  den  Tefillatext  nicht,  wie  die  Keroba  es  tut, 
gehen  viebnehr  den  einleitenden  Gebetstücken  ID  b  "  ,-217  ~ri5  .""»r 3;  r.rs 
voraus.  Sie  behandeln  den  Inhalt  der  drei  Gebete,  beleuchten  ihn 
dm-cli  Beispiele  aus  der  biblischen  Geschichte,  sind  auch  äußerlich 
so  gebaut,  daß  jede  Strophe  mit  einem  auf  den  Inhalt  der  drei  Gebete 
beziighchen  Worte  (nDbT2  ,'t^2T  .-istcj)  schließt.  Auf  jede  Strophe 
folgt  ein  Bibelvers,  zum  Teü  sind  es  dieselben  wie  später  im  Gebete. 
Die  Poesien  heißen,  wie  die  zugehörigen  Gebete.  ^r7-pr  X^^^'pr.  Er- 
halten haben  sie  sich  nur  in  Genn.,  von  den  anderen  Riten  hat  nur 
noch  lt.  einen  poetischen  Zusatz,  je  einen  Pismon  zu  m^TiDT  und  """ET . 
der  die  Bitte  unterbricht.  Gemeinsam  ist  allen  Riten  das  auf  das 
Schofarblasen  jedesmal  folgende  kurze  z'":""  r^n  stt.  ;  Germ,  und  Rom. 
haben  außerdem  "':TEr  rL'":i?.  gewissermaßen  ein  Epilog  zu  jedem  der 
drei  Gebete. 

c)  Am  Versöhnungstage  haben  wh*  es  zunächst  in  allen  Tefillas 
mit  einer  Verbindung  von  Keroba  und  Selicha  zu  tun,  von  der  §  33  die 
Rede  sein  whd.  Außerdem  ist  ihm  die  A  b  o  d  a  eigentümlich,  eine 
Darstellung  des  Kultus,  welchen  der  Hohepriester  im  Tempel  zu  Jeru- 
salem verrichtete.  Die  r--nj  lio  stehen  heute  nur  im  Musaf,  einst 
aber  wurden  sie  auch  zu  Schacharis  und  Mincha  verwendet.  Die 
Dichtungen  haben  mit  der  TefiUa  keine  innere  Verknüpfung,  nur  die 
äußere  Verbindung,  daß  sie  während  ihrer  Wiederholuno-,  kurz  vor 


I 


Almda  217 

Hcciuliniiiiii'  der  mitihMCii  Hoiicdiklioii  zum  Vortraijc  fidaii^cn.  Sclioii 
im  Talmud  wird  vom  Voitia;>-  oiniT  Ahoda  durcli  den  Vurbeter  bericlilcl ; 
die  älteste  erst  kürzlicli  bekannt  gewordene  Fassung  folgte  zienilieli 
getreu  dem  Wortlaut  der  Miseima  und  gab  im  Ansehlusse  an  sie  die 
Reihe  der  Hekenntnisse  und  Opl'erliandlungeu  wieder.  Die  s|)äteren 
sind  |)  0  (>  t  i  s  e  h  bearbeitet ;  so  \  cischieden  sie  im  einzelnen  sein 
mögen,  so  sind  sie  doch  sämtlich  nach  einem  iiiul  demselben  Schema 
gearbeitet,  das  offenbar  auf  ein  recht  altes  Vorbild,  wahrscheinlich 
das  in  Seph.  übliche  r:r:  nrx.  zuiiickgeht.  An  den  Hericiit  der 
Mischna  idier  den  Tcmpclkiillus  am  Versöhnungstage  wird  die  dra- 
matisch belebte  Darstellung  jenes  Kultus  angeschlossen.  Voraufgeht 
eine  Einleitung,  die  mit  der  Weltschöpfung  beginnt,  die  wichtigsten 
Momente  der  biblischen  Geschichte  bis  zur  Krwählung  des  Priester- 
stammes bespricht  und  damit  auf  den  Dienst  des  Hohenpriesters  kommt. 
Auf  die  Aboda  folgt  neben  eiiu'm  (lebete  um  Segen  für  das  kommende 
Jahr  ilie  Schilderung  der  Pracht  des  Tempeldienstes  und  des  Glanzes 
der  Hohenpriester  sowie  die  Klage  darüber,  daß  all  diese  Herrlichkeit 
entschwunden  ist.  Manche  Dichlcr  haben  die  Aboda  mehrfacli  be- 
arbeitet, die  meisten  schicken  ihr  einen  eigenen  Prolog  (rni^"  'cb  nci) 
voraus,  einige  haben  auch  Prologe  zu  den  Abodas  anderer  verfaßt. 
Jeder  der  bekannten  leiten  liat  eine  andere  Dichtung  aufgenommen 
und  dadurch  vor  dem  rntergange  l)ewahrt.  Die  Zahl  der  erhaltenen 
bildet  jedoch  nur  den  allerkleinsten  Teil  der  einst  vorhandenen  Abodas; 
in  den  Handschriften  der  Genisa  haben  sich  zahlreiche  Fragmente 
gefunden,  die  ahnen  lassen,  welche  Anziehungskraft  der  Stoff  auf  die 
Gemeinden  und  auf  die  Dichter  ausübte.  In  neuerer  Zeit  sind  an  die 
Stelle  der  piutisclien  Abodas  vielfach  Bearbeitungen  in  der  Landes- 
sprache getreten;  nur  das  alte  Sündenbekenntnis  wurde  licl)räisch 
beibehalten. 

Die  spanischen  Dichter  pflegten  auch  für  den  Morgengottesdienst 
des  Versöhnungstages  Piutim  zu  bearbeiten,  in  denen  sie  im  Anschlüsse 
an  die  Toravorlesung  (Lev.  Kap.  16)  die  Opferhandlungen  des  Hohen- 
priesters beschrieben;  sie  nannten  sie  ebenfalls  r~'2r  "ic. 

d)  Der  Stellung  der  Aboda  im  Gebete  und  ihrem  Charakter  als 
Lehrgedicht  kommen  die  Asharot  (r"!inTS{)  am  nächsten,  die  Auf- 
zählungen der  „613  Gebote  und  Verbote"  der  Tora  (rii-a  y"^T),  die 
für  das  Fest  der  Offenbarung  bestimmt  sind.  Das  Wort  nnr.TS  be- 
zeichnet im  Talmud  nur  die  Verbote,  die  Übertragung  auf  sämtliche 


218  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

Vorschriften,  positive  und  negative,  beruht  auf  dem  Anfange  des 
ältesten  liturgischen  Stückes  dieser  Art  r-'Triii  r"^r;7i<.  Die  Zahl  613  geht 
auf  eine  hagadische  Äußerung  R.  Simlais  (um  200)  zurück  (b.  ]\Iakk.  23b) 
und  ist  seitdem  allgemein  festgehalten  worden;  es  sind  unzählige  Ver- 
suche gemacht  worden,  sie  durch  Aufzälilung  der  einzelnen  Gesetze  zu 
rechtfertigen,  eine  folgerichtige,  einwandfreie  Zählung  ist  jedoch 
bisher  noch  niemals  geglückt.  Die  Asharot  machten  ursprünglich  nur 
ganz  allgemeine  Angaben  über  die  Vorsclu^iften  der  Tora,  später  aber 
boten  sie  die  Aufzählungen  selbst;  zunächst,  ohne  Gebote  und  Ver- 
bote zu  unterscheiden,  zuletzt  so,  daß  die  248  Gebote  und  die  365 
Verbote  in  zwei  getrennten  Gruppen  geboten  wurden.  Saadja  ordnete 
sämtliche  Vorschriften  in  die  zehn  Worte  des  Dekalogs  ein,  und  sein 
Beispiel  wurde  vielfach  befolgt ;  es  gibt  Asharot,  in  denen  zusammen- 
gehörige Gesetze  nebeneinander  gereüit  smd,  aber  auch  solche  ohne 
jede  Ordnung,  \\ie  r'^n:~  nri?  in  Germ.,  dessen  Regellosigkeit  von  jeher 
Staunen  erregt  hat.  Die  Asharot  können  in  Form  einer  Schibata 
(oben  S.  213)  in  die  Musaftefilla  eingearbeitet  werden,  ^vie  Saadja  an 
einer  außerordentlich  mühsam  verfaßteu,  schwer  verständlichen 
Poesie  gezeigt  hat.  Das  ist  jedoch  der  seltenere  Fall;  in  der  Regel  sind 
sie,  wie  die  Abodas.  unabhängis:  von  der  Tefüla,  aber  darauf  berechnet, 
bei  der  Wiederholung  der  Musaf tefiUa  nach  den  Opferversen  (oben  S.  134) 
eingeschaltet  zu  werden.  Urs])rünglich  sind  es  ganz  trockene  Auf- 
zählungen, später  werden  sie  poetisch  ausgeschmückt  und  belebt; 
die  Einleitungen  und  Übergänge  wurden  besonders  kunstvoll  bearbeitet. 
Am  Schlüsse  der  Asharot  ist  die  Verbindung  mit  dem  Gebete  durch 
eine  poetische  Überleitung  r^üT:  rc  7S  gegeben,  sie  ist  weit  und  m  so 
entlegenen  Ländern  verbreitet,  daß  sie  als  recht  alt  gelten  darf.  In 
einigen  Riten  werden  die  Asharot  nicht  in  der  Musaftefilla,  sondern 
vor  dem  Minchagottesdienste,  in  manchen  sogar  an  dem  Sabbat,  der 
dem  Wochenfeste  voraufgeht,  gelesen.  Auch  die  Verteilung  der  Asharot 
auf  die  beiden  Tage  des  Festes  ist  verschieden.  Den  Asharot  schicken 
einige  Dichter  ebenfalls  Prologe  ("jirTS  .nn'rc)  voraus,  in  denen  sie 
sieh  freier  bewegen  und  ilu'en  Gedanken  in  poetischem  Schwünge  Aus- 
druck geben  konnten. 

In  übertragenem  Sinne  wüxl  die  Bezeichnung  r"~~TS?  im  späteren 
Mittelalter  auch  auf  solche  Piutim  angewandt,  die  nur  ein  einzelnes 
Gebot,  aber  nach  allen  semen  Seiten  hin,  oder  alle  zu  einem  Festtage 
gehörigen  Gebote  eingehend   behandelten.    Sie  wurden  an  den  Sab- 


Hosi-huiiul  219 

hatoii  vorwciulct.  die  ciiioin  Feste  voraiis^iniri'ii.  und  wurden  mit  der 
nr-zn,  der  Ankündiuim^-  des  Festes  :^-;2Z^n  "rrni  """Tj  12  (oben 
S.  \'2:\)  verbunden;  bes(»iul('rs  gilt  das  von  den  Wallfalirtsfesten,  die 
ihnen  vorausiichenden  Sabl)ate  haben  mit  der  Zeit  aHe  (hei  (h-n  Xamen 
der  ..i^Tolie  Sabbat "■  r"":-  r2Z  erhalten. 

e)  Die  (Umu  Sidvkotfeste  eif^entümhehen  Poesien  stehen  außer- 
hall) der  Tefilla,  iül«(en  ihr  jedoch  unmittelbar.  Sie  heißen  Hosehanot 
r-irCTi.  Der  Xame  hat  eine  i>anze  (lesehiehte.  Zu  den  Bräuehen  des 
lliittenfestes  s^ehörten  im  Tempel  zu  Jerusalem  die  leierliehen  Fm- 
züge  mit  den  Baehweideii.  .,An  jedem  Tage  umkreiste  man  den 
Altar  einmal,  am  siebenten  al)er  siebenmal"';  bei  den  Fmzügen  wurde 
Fs.  118 1^'  s:  nrT""  ";  s^iii,  nach  anderen  liericliten  eine  mystische 
Variation  hiervon  i<:  rir"'r'"-  Tn  -^Ziü  gesungen  (Sukk.  IV,  4).  Von 
dem  Refrain  s:  "r^ü""-  oder  vielmehr  seiner  aj)oko})ierten  Form  5«:rr"" 
hat  schon  im  Talmud  der  Feststrauß  bezw.  die  Bachweide  den  ^'amen 
SirCTi  (b.  das.  30  b  f.).  Der  siebente  Tag  des  Hüttenfestes,  für  den 
das  Gebot  der  Badiweide  in  erster  Reilie  galt,  heißt  in  der  Alischna 
n2""r  zz-  ■'r'^sr  2""^.  im  ]\Iidrasch  und  im  nachtalmudischen  Schrifttum 
aber  auch  i?:"Ti""~  a""'.  Xach  der  Zerstörung  des  Tempels  liörten 
die  Prozessionen  auf,  die  zugehörigen  Gebete  aber  wurden  auch  in 
der  Synagoge  beibehalten.  Auch  für  die  Prozessionen  wurde  ein 
PJrsatz  geschaffen,  eine  Torarolle  wurde  ausgehoben  und  um  sie  herum 
der  L^mzug  veranstaltet,  an  den  ersten  sechs  Tagen  ein-  oder  auch 
dreimal,  am  siebenten  siebenmal.  Xur  am  Sabbat  fiel  der  Umzug  fort ; 
der  siebente  Tag  durfte  deshalb  niemals  ein  Sabbat  sein.  Im  Kalender 
waren  besondere  Bestimmungen,  um  das  Zusammentreffen  zu  verhindern. 
Im  Mittelalter  schwankte  man  auf  Grund  einer  talmudischen  Kontro- 
verse (b.  das.  43  a),  ob  man  mit  dem  Feststrauße  oder  der  Weide  in  der 
Hand  den  Umzug  vollziehen  sollte;  seit  Jahrhunderten  geschieht  es  nur 
mit  dem  Feststrauße,    obwohl  aUe  Gründe  für  die  Weide  sprechen. 

Die  ältesten  Berichte  über  die  Umzüge  und  Gebete  reichen  in  die 
gaonäische  Zeit  zurück.  Xach  Schluß  der  ]\Iusaftefilla  begann  der 
Vorbeter  i^ini"",  die  Gemeinde  wiederholte  es,  worauf  der  Vorbeter 
die  Bitte  um  Hilfe  in  ausfüMicherer  Fassung  noch  einmal  vortrug. 
Am  siebenten  Tage  wurden"  die  kurzen  Hauschano-Rufe  variiert  und 
siebenmal  wiederholt.  Wahrscheinlich  wuchsen  sich  die  Hauschano- 
Rufe  frühzeitig  zu  kleinen  Litaneien  aus.  In  der  gaonäischen  Epoche 
ist  es  bereits  allgemein  üblich,  poetische  Stücke  vorzutragen,  die  das 


220  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

5«2yTmn  zum  Refrain  haben;  Saadja  erklärt  in  seinen  Tagen  ilu-e  Zahl 
als  unübersehbar.  Die  Poesien  waren  alphabetisch  abgefaßt,  man 
spricht  daher  von  3i:te  ni?  Ä5r"in  S5Ebs,  einem  oder  zwei  Alphabeten,  die 
eingeschaltet  und  vorgetragen  werden,  man  nennt  sie  aber  auch  ganz  all- 
gemein 2*^piD  oder  mit  dem  für  Piutim  überhaupt  üblichen  Namen 
a"'!n2Ts:.  Der  Inhalt  der  poetischen  Stücke  muß  sein*  verschieden 
gewesen  sein,  vielfach  waren  es  Hymnen  und  man  nannte  sie  nn;r  ^in~ 
DiüTiSt,  auch  ~i?'nm  nnc,  anderswo  waren  es  Bitten  und  man  redete  von 
~CpD  "»"lil  oder  2"':i;nr.  Zuletzt  aber  wurde  für  alle  hier  verwendeten 
Poesien  der  Name  eingefülnt,  der  vom  Refrain  hergenommen  ist,  sie 
heißen  allgemein  n:"Tn~.  Während  der  Name  auf  die  Poesien  über- 
ging, trat  der  Refrain  zurück  und  wurde  schließlich  nur  noch  am 
Anfang  und  Ende  gesprochen.  Neben  den  alphabetischen  Hoschanot 
mit  dem  Refrain  5?::7T!Jin,  von  denen  er  täglich  zwei  verwendet,  kennt 
Saadja  und  nach  ihm  Seph.  je  noch  eine  dritte  Einlage  mit  dem  An- 
fange 5?;i5.  deren  Inhalt  der  Zahl  der  Tage  angepaßt  ist;  der  ständig 
wiederkehrende  Refrain  lautet  nn^ri  roir'::  ir"^"n"i  ~;"a  "jT^'J  ~:nr; 
am  siebenten  Tage,  wo  drei  Alphabete  gesungen  werden,  lautet  der 
Refrain  ~2^v  2:^1  ']2"'b'32:T  nüris  nn  TTin:.  jedoch  ist  auch  dieser 
Kehrvers  mit  der  Zeit  verloren  gegangen,  Seph.  kennt  ihn  nicht  mehr. 
In  Germ.,  Rom.  und  It.  ist  die  Hoschanot-Qrdnung  Kalirs  üblich; 
danach  wird  zunächst  ein  alphabetisches  Stück  mit  dem  Refrain  s:nn~. 
dann  ein  zweites  mit  dem  Refrain  i<:  ""inn  "jD  .  .  .  r>?Tl3i~D  vorge- 
tragen. Das  zweite  ist  an  allen  Tagen  das  gleiche,  die  ersten  wechseln; 
am  siebenten  Tage  werden  sie  alle  vereint  und  um  eine  größere  Anzalil 
]3oetischer  Stücke  vermehrt.  Die  Hoschanot  in  Seph.  smd  vom  litanei- 
artigen (Charakter  bereits  sehr  entfernt,  die  kalhischen  der  anderen 
Riten  weniger.  In  Seph.  wurde  die  ganze  Anlage  auch  dadurch  ver- 
wickelter, daß  dem  Hoschanotfeste  der  Charakter  eines  Baßtages  bei- 
gelegt und  Bußgebete  mit  den  Hoschanot  vereint  wurden.  Auch  für 
den  Sabbattag,  an  dem  kern  Umzug  stattfindet,  wurden  trotz  an- 
fänglicher Opposition  hiergegen  Hoschanot  gedichtet.  Der  Inhalt  der 
Hoschanot  ist  vorvviegend  die  Bitte  um  ein  gesegnetes  Jalu",  woran 
sich  häufig  die  Bitte  um  die  künftige  Erlösung  ansclüoß.  Nach  einem 
Berichte  der  Halachot  Gedolot  wären  in  Palästina  (?)  auch  nach  dem 
Minchagebete  Hoschanot  üblich  gewesen.  Im  zehnten  und  elften 
Jahrhundert  scheinen  in  Jerusalem  Umzüge  um  den  ölberg  gehalten 
worden  zu  sein,  zu  denen  zahlreiche  Fromme  von  weit  her  pilgerten. 


l'iiitiin   aul.tci'li.illp   dci'  Crlx'Uf  221 

III.  Sonstige  Piutim. 

Auch  außerhalb  vou  Jozor  und  Tclilla  l'aiid  der  l'iul  \  icll'ach  Vci- 
wcnduii^'.  so  vor  aUcni  hei  der  T  o  r  a  \'  o  r  1  c  s  ii  n  <r.  .Man  verfaßte 
l)esondere  Hymnen,  r'nnc,  für  die  Tora,  inshesoiuh're  für  die  Vor- 
lesung,' ausjj:e\vählter  Stücke,  wie  des  Dekalogs  oder  des  Schilfmeerliedes, 
Introduktionen  in  hebräischer  oder  aramäischer  Sprache  zur  Vor- 
lesun«:  oder  zum  Targum  (oben  S.  191,  193).  Ebenso  gab  es  besondere 
Begrüßungen  für  die  Hochzeitswoche,  für  Beschneidungen  und  ähnliche 
(ielegenheiten,  wenn  die  daran  Beteiligten  beim  Gottesdienst  er- 
schienen, es  gab  auch  Begrüßungen  für  alle  an  einem  F'esttage  zur  Tora 
(berufenen.  Am  Tage  der  Torafreude  wurde  eine  große  Anzahl  von 
Hymnen  nach  Schluß  der  Vorlesung  vorgetragen.  Eine  besondere 
Zutat  für  diesen  Tag  bildet  die  Erzählung  vom  Tode  Mosis  n'iri2  rT^'JE. 
Der  Midrascli  gleichen  Namens  wurde  weiter  ausgeschmückt  und  in 
Verse  gebracht,  die  Poesien  wurden  entweder  am  Vormittage  oder, 
wo  man  den  Gottesdienst  nicht  allzu  lange  ausdehnen  wollte,  vor 
Minclia  vorgetragen.  ,, überhaupt  umrankte  der  Piut  im  Verlauf  der 
Zeit  das  gesamte  religiöse  Leben,  so  wie  jede  Stelle  im  Gottesdienste; 
er  blieb  nicht  in  der  Synagoge  allein,  er  besuchte  auch  die  Familien, 
war  bei  ihnen  an  den  Sabbatmahlzeiten,  bei  dem  Abschiede  des  Sab- 
bat, in  den  Festlichkeiten  wie  bei  der  Trauer  des  Hauses,  Geburten  und 
Leichenzüge  begleitend." 

§  33.     Die  Selicha. 

Literatur:     Dukes,    Zuuz,    Brody  und    Albrecht    das.;  Hamburger 
Suppl.  II,  90i^".;  JE.  Art.  Selihah  XL  1701f.;  Kiuah  VII.  498flf. 

L  Verstehen  wir  unter  Piut  alle  Arten  von  Hymnen,  so  be- 
zeichnen wir  mit  Selicha  E  1  e  g  i  e  n  .  die  B  u  ß  g  e  b  e  t  e  ,  S  ü  n  d  c  n  - 
bekenn tnisse,  Klagen  nebst  den  damit  verbundenen  Bitten  und 
Hoffnungen.  Die  Selicha  ist,  ganz  allgemein  ausgedrückt,  das  Gebet 
der  Fasttage  und  der  dem  großen  Fasten  des  Versöhnungstages  als 
Vorbereitung  dienenden  Tage.  Das  Wort  Selicha  hat  seine  Geschichte, 
die  zugleich  die  Geschichte  der  Listitution  ist.  Selicha  bedeutet  Ver- 
zeiliung,  die  Vergebung  von  Sünden,  die  bei  Gott  zu  finden  ist  (Ps.  130  4), 
die  von  seiner  Barmherzigkeit  (S'^Tcn")  erfleht  wird  (Dan.  99).  Gott 
hat  den  Menschen  die  Sündenvergebung  verheißen  und  ihnen  den  Weg 
gewiesen,  auf  dem  sie  sie  finden  können.  Er  hat  sie  das  Bußgebet 
gelehrt,  das   niemals  ungehört  verhallt;  auf  das  Wort  „Hilf,  o  Gott" 


222  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

antwortet  er,  so  oft  wir  ihn  anrufen  (Ps.  20 10).  Solche  Gebete  um 
Verzeihung  nennt  der  Midrasch  nn^bc  ^mc  (T.  d.  B.  El.  S.,  p.  42); 
dadurch  wurde  der  Ausdruck  S  e  1  i  c  h  a  in  das  Gebiet  des  Gebets 
übertragen.  Besonders  die  dreizehn  Eigenschaften,  lEbc 
mn  ""ITT",  die  Mose  bei  der  Überreichung  der  zweiten  steinernen 
Tafeln  geoffenbart  wurden  (Ex.  34  6,  7),  führen  den  Xamen  nni'vC  "nc ; 
sie  sind  ein  altes  Erbgut  und,  wie  üire  häufige  Anführung  in  den 
biblischen  Scluiften  zeigt,  stark  verbreitet  gewesen.  „Gott  lehrte 
Moses,  sie  zu  beten;  so  oft  Israel  sündigt,  soll  es  vor  mir  nach  dieser 
Ordnung  beten,  und  ich  vergebe  ihm  seine  Sünden"  (b.  R.  h  Seh.  17  b). 
In  bezug  auf  die  dreizehn  Eigenschaften  ist  ein  Bund  geschlossen 
{rrniz  ""i'Cr'  TTibirb  nrt-iD  ri-in),  daß  sie  nicht  wirkungslos  bleiben 
(das.).  Diese  Auffassung  des  Talmuds  erklärt  es,  daß  die  dreizehn 
Eigenschaften  der  Kern  aller  Gebete  um  Sündenvergebung  wurden, 
sie  bilden  noch  heute  den  ständig  wiederkehrenden  Refrain  aller 
Bußgebete.  Die  Bibelstelle  ""um  z-n-'  i:i<  n  '"  konnte  im  Gebete 
nicht  unvermittelt  rezitiert  werden,  darum  wurde  ihr  eine  Einleitung 
beigegeben,  die  die  Verwendung  der  dreizehn  Eigenschaften  im  Gebete 
im  Sinne  des  Talmuds  begründet  (irb  n-nn  ,i:r-i"in  bK).  Sie  wurde 
später,  aber  immerhin  in  so  frühen  Jahrhunderten  (V.  oder  VI.?), 
daß  alle  Riten  es  annehmen  konnten,  durch  die  Anfügung  des  be- 
kannten nri"!  Y'^  "s?  erweitert. 

2.  Das  Gebet  um  Vergebung  hatte  nur  dann  einen  Sinn,  wenn 
ein  Bekenntnis  voranging,  und  zwar  neben  dem  traditionellen 
Sündenbekenntnisse,  das  zu  jeder  Fastenliturgie  gehört,  eine  Schilde- 
rung der  mensclüichen  Sündhaftigkeit  und  Schwäche  einerseits,  der 
Vollkommenheit  und  Gnade  Gottes  anderseits.  In  der  Fastenliturgie 
bot  sich  ein  Vorbild  hierfür;  man  knüpfte  an  biblische  Gebete,  in 
erster  Reihe  an  die  mit  Bekenntnissen  verbundenen  in  Daniel  und 
Esra  an,  man  stellte  Bibelverse  zusammen  oder  rezitierte  Bußpsalmen, 
durch  die  die  Verzeihung  erfleht  werden  sollte.  Man  nannte  dies  alles 
~n">bo  ""Tj:"!  "ipics,  wofür  aber  bald  kurz  "nibo  gesagt  wurde.  In 
den  Selichot  bei  Amr.,  besonders  in  den  Handschriften,  sowie  in  denen 
von  It.  und  Rom.  kann  man  noch  heute  die  wichtige  Rolle  erkennen, 
welche  die  Bibelstellen  hier  einmal  hatten,  kann  man  feststellen,  daß 
sie  es  waren,  die  als  „Selicha"  bezeichnet  wurden.  Man  merkt  ganz 
deutlich,  daß  sie  nach  bestimmten  Gesichtspunkten  gruppiert  sind: 
es  steht  z.  B.  eine  Anzahl  Verse  mit  bs,  eine  Anzahl  mit  3"'^,  mit  ~"J"'n" 


Srlinliol  223 

und  Miidcrt'ii  "Worton  ziisamnion.  odor  dassolbc  Wort,  mit  doui  ein  Vors 
sclilioLlt.  cröiriict  diMi  iioiien  (z.  H.  rc^r  yc^ir  .rczr  ri2-r  nrs«  ^2), 
—  Ziinz  hat  eini2;o  Dulzond  solcher  Stichworte  verzeichnet — kurz,  es 
sind  Anhaltspunkte  für  den  Hörer  und  Beter  vorhanden,  nach  denen 
er  dem  Gebete  des  Vorbeters  zu  folgen  oder  zu  respondieren  vermag. 
War  nicht  immer  gleich  ein  für  den  Anfang  passender  Bibelvers  vor- 
handen, so  wurden  ganz  schlichte  Introduktionen  in  biblischen  Aus- 
drücken verfaßt,  wie  ain^n  T^n'\  br'  ^D  oder  a^"i"'T2n  i<b^  "cnn  sb 
oder  r.p-;:::n  n  Y-  ,T-Sb  ■!T25«:  n)2  usw.,  an  die  dann  die  Verse 
anschlössen. 

3.  Den  natürlichen  Abschluß  des  Bekenntnisses  bildete  eine 
Bitte  um  Hilfe,  um  Änderung  des  gegenwärtigen  unheilvollen  Zu- 
standcs.  Die  Bitte  bestand  aus  Litaneien  einfachster  Art  ai'at'n  irnbs 
"r'^7  ']"i'52n-i  "i^n"!  u.  s.  f.,  aus  einer  Anzahl  Anrufungen  mit  der 
Einleitung a-i 'am (TT)  T:inbs, mit  i:Db)a  ir^ns«. mit  ^"»rsb  i:s?-jn 
i:"'b"  ani  oder  . .  .  "i^ab  "irr  u.  a.  Die  Fastenliturgie  der  Mischna 
bietet  schon  das  Beispiel  einer  derartigen  Litanei  unter  Berufung  auf 
biblische  Persönlichkeiten  und  die  ihnen  gewordene  Errettung  la 
""■1  Sir. .  .  .  r.:"r ;  selbstredend  gingen  auch  solche  Litaneien  in  die 
Selichagcbete  über,  sie  beginnen  mit  n:rir  "^t)  ,r"i:r'D  oder  aramäisch 
ib  IS"!«  i5:'52n-!.  All  die  Litaneien  wurden  mit  der  Zeit  erweitert, 
mitunter  später  wieder  verkürzt;  die  einfachste  Art  der  Erweiterung 
war  die  durch  alphabetische  Bearbeitung  (,i:s«iil  ''.:'^17,  irni«  ir:" 
Y'"S  ,ini-in  ,"|najÄ  l^^b  mcy  ,i:!:i?ia).  Zu  den  älteren  hebräischen 
traten  ferner  aramäische  Litaneien  isun  i?:)2nn  u.  a. ;  Reste  von  ümen 
sind  in  den  Selichasammlungen  erhalten  geblieben.  Wie  sie  selbst  in 
den  Handschriften  ninr  heißen,  so  sehen  wii*  auch  in  den  Tacha- 
nunim  (oben  S.  76  ff.)  noch  Teile  der  alten  Selicha  vor  uns.  Aus  derart 
einfachen  Elementen  waren  die  alten  Selichot  zusammengesetzt,  sie 
waren  wahrscheinlich  für  alle  Fasttage  —  und  nur  an  ilmen  wurden  sie 
verwendet  —  gleich.  In  Germ,  finden  wü*  für  die  spät  eingeführten 
Fasten  am  Rüsttage  des  Neumonds  (oben  S.  124)  Selichas,  die  den  alten 
Clustern  ziemlich  nahe  kommen. 

4.  Das  alte  sclilichte  Material  an  Bußgebeten  reichte  für  die 
Bedürfnisse  und  den  Geschmack  späterer  Zeiten  nicht  mehr  aus.  Als 
der  Piut  wachsender  Beliebtheit  sich  erfreute  und  immer  weitere 
Verbreitung  fand,  als  alle  Gebete  mit  poetischen  Ausschmückungen 


224  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

bereichert  wurden,  konnte  auch  die  Selicha  nicht  leer  ausgehen.  Es 
entstanden  zunächst  einfache,  schmucklose,  aber  tief  empfundene, 
später  kompliziertere  Dichtungen,  bei  denen  die  Künstelei  den  Inhalt 
vielfach  beeinträchtigte.  In  der  äußeren  Form,  Sprache  und  Dar- 
steUungsweise  unterscheiden  sie  sich  in  nichts  von  den  Piutim;  nur 
ihr  Inhalt  konnte  nicht  so  mannigfaltig  sein,  er  mußte  sich  auf  die 
elegischen  Themen  beschränken,  die  zum  Bußgebete  paßten,  auf 
Ausfüllrungen  über  die  Sündhaftigkeit,  Schwäche  und  Vergänglichkeit 
der  Menschen,  auf  Klagen  über  die  entschwundene  einstige  Herrlich- 
keit, über  Druck  und  Verfolgung,  auf  Bitten  um  gnadenreiche  Ver- 
gebung, um  Niederwerfung  der  Dränger,  um  Befreiung  und  Verwirk- 
lichung der  messianischen  Hoffnung.  Alle  diese  Themen  waren  nicht 
ausschließliches  Gebiet  der  Selicha,  sie  konnten  im  Piut  ebenfalls 
bearbeitet  werden,  aber  während  für  den  Piut  auch  sämtliche  anderen 
religiösen  Fragen  zu  Gebote  standen,  war  die  Selicha  auf  die  genannten 
beschränkt;  die  poetische  Selicha  war  nur  eine  Gattung  des  Piut. 

5.  Damit  die  poetischen  Stücke  eingeführt  werden  konnten, 
wurde  der  überlieferte  Bestand,  die  Bibelverse  und  Litaneien,  in 
Gruppen  geteilt,  zwischen  sie  wurden  die  poetischen  Stücke  einge- 
schoben. Sie  wurden  mit  Rücksicht  auf  die  ihnen  zugewiesene  Stelle 
abgefaßt,  paßten  sich  den  Versgruppen  im  Inhalte  oder  in  den  An- 
fangsworten an,  in  Rom.  z.  B.  finden  wh-  Poesien  zu  '"b  liv  (Ps.  107  8), 
zu^rncn  n-^3  i;s?-'(Ps.  58)u.  a.  m.  (p^cE  ^-c  :"  r^^'-rz'c  r-^nibc). 

Ein  bekanntes  Beispiel  ist  Gabirols  "}"^sn  iD  "JSir,  das  an  Verse  mit 
DölTö,  deren  letzter  Gen.  1825  mit  dem  Schlüsse  fns«-  bD  UE^C" 
usw.  ist,  anknüpft.  Anfangs  benannte  man  die  eingeschalteten  poe- 
tischen Stücke  "(i'CTB.  später  aber  nannte  man  sie  alle  "rr^bc,  plur. 
nirr^bc,  und  behielt  den  Xamen  Pismon  für  diejenigen  Selichas  vor. 
die  einen  Refrain  hatten,  während  die  anderen  nach  ihrer  Stellung 
oder  ihrem  Inhalte  besondere  Xamen  erhielten,  die  weiterhin  be- 
sprochen werden  soUen.  Die  Verse  bezeichnete  man  im  Gegensatz  dazu 
mit  dem  Namen  a'ipiDS  oder  a^^n-i  ipiDS.  Die  Selichas  rni  alten  Sinne, 
die  Verse  und  Litaneien,  stellten  das  feste,  die  poetischen  Stücke  das 
bewegliche  Element  dar,  es  gab  über  ihre  Aufnahme  keine  Vorschrift. 
sie  wurden  dem  augenblicklichen  Bedürfnisse  überlassen  ""n^bc  ""^'S" 
nywn  'j-ns  ">Sd.  In  Rom.  und  It.  blieben  die  poetischen  Einschaltungen 
von  den  alten  Selichas  getrennt.  In  It.  sind  sie  nicht  einmal  in  das 
Gebetbuch  aufgenommen,  ihre  Einschaltung  war  dem  Beheben  des 


Si'licliol    an    Fast  laf((Mi  225 

\'orl)otiMs  überlassen  CiTnr;  yi'^o  nnirD  ^'^"Si),  der  sie  wahrsclieinlieh 
in  einer  hesonderen  Sanunliing  vor  sich  hatte.  In  Koin.  lol^t  auf  das 
vdllstäiidiii,'  gegebene  Bußritual  eine  Saninihing  poetiseher  Stücice 
zur  Auswahl,  die  je  nach  der  Sitte  der  (u'ineinde  einn-eschallet  werden 
können.  Ahidich  war  es  wohl  in  Sepli.,  wo  nicht  allzu  viek'  poetische 
Stücke  eingefügt  werden.  Ganz  anders  hingegen  gestaltete  es  sicli  in 
Deutschland  und  Frankreich.  Hier  übenvogen  die  poetischen  Ein- 
fügungen, die  Versgru))i)en  traten  liinter  ihnen  zurück,  sie  wurden 
mehr  und  mehr  verkürzt,  von  den  Gemeinden  zum  großen  Teil  über- 
haupt nicht  beachtet,  so  daß  in  diesen  Ländern  unter  Selicha  lediglich 
die  [)oetischen  Stücke  viM'standen  wurden,  von  denen  schon  im  XII. 
Jahrhundert  umfangreiche  Sammlungen  vorkommen. 

6.  Noch  eine  andere  Änderung  erfuhr  die  Selichaordnung. 
Ursprünglich  war  sie  nur  für  Fasttage  bestimmt.  Die  Fasttage 
waren  verschiedener  Ai't,  Gedenktage  oder  Gelegenheitsfasten.  Die 
letzteren  wurden  bei  Regenmangel  oder  anderen  Kalamitäten  ein- 
gesetzt, denn  jedes  Unglück  galt  als  Folge  der  Sünde,  und  Sünde  er- 
heischte Sühne.  Die  Liturgie  für  solche  Fasten,  wie  sie  in  ihren  Um- 
rissen in  der  Mischna  gegeben  ist,  wurde  im  Orient  lange  beibehalten, 
jedoch  hie  und  da  durch  poetische  Stücke  bereichert.  An  den  histo- 
rischen Fasttagen  verwendete  man  in  Palästina  Kerobot,  so  daß  nach 
Poesien  innerhalb  der  Selicha  kein  Bedürfnis  melu-  vorlag.  In  Baby- 
lonien  hingegen,  wo  Kerobot  nicht  beliebt  waren,  wurden,  wie  bei  den 
Regenfasten  der  Mischna,  innerhalb  der  Tefilla  bei  VI  i;b  nbo  Se- 
lichas  eingefügt:  den  poetischen  Einlagen  fiel  dabei  die  Aufgabe  zu. 
die  Begebenheit,  die  dem  Fasttage  zugrunde  lag,  zu  behandeln.  Diese 
Alt  der  Ausgestaltung  des  Fasttagsgottesdienstes  wurde  die  ver- 
breitetere.  Die  Zahl  der  historischen  Gedenktage  wuchs  stark  an, 
da  man  Todestage  berühmter  Persönlichkeiten  oder  Unglückstage 
aus  den  biblischen  Büchern  und  der  späteren  Geschichte  ilirem  Datum 
nach  festlegte  und  als  Fasttage  ansetzte.  Freilich  wurden  solche  Tage 
weder  allgemein  noch  lange  Zeit  hindurch  beobachtet,  ebenso  wenig 
wie  die  Fasttage,  welche  einzelne  Fromme  und,  Uirem  Beispiele  folgend. 
ganze  Gemeinden  sich  auferlegten.  Bestehen  blieben  neben  den  bib- 
lischen Fasttagen  (§§  21,  22)  die  Fasten  nach  dem  Pcsach-und  Sukkot- 
feste,  die  jedoch  auf  Montag  und  Donnerstag  verlegt  wurden,  an 
denen  ohnehin  viele  fasteten.  Dazu  trat  die  große  Zahl  der  lokalen 
Gedenktage,   eine  Folge  des   traurigen   Verlaufs   der  jüdischen  Ge- 

Elbogen.  Der  jüd.  Gottesdienst.  l«* 


226  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

schichte.  Metzeleien  und  Vertreibungen  prägten  sich  den  Gemeinden 
als  trübe  Erinnerungen  ein,  die  Daten  des  Martyriums  wurden  von  den 
Überlebenden  und  den  nachkommenden  Geschlechtern  als  Fasttage 
begangen.  Zunz  hat  zuerst  ein  reichhaltiges  Verzeichnis  solcher  Ge- 
denktage zusammengestellt,  das  wiederholt  durch  Daten  aus  älterer  und 
neuerer  Zeit  vielfach  vermehrt  w^urde.  Wo  ein  Fasttag  stattfand, 
gehörten  Selichas  zur  Liturgie;  sie  wurden  nach  dem  alten  Ritual  ge- 
betet, den  poetischen  Einlagen  diente  die  Gelegenheit,  welche  die 
Einrichtung  des  Fastens  veranlaßt  hatte,  zum  Vorwurf;  die  Selichas 
für  diese  Tage  haben  das  Quellenmaterial  für  die  Geschichte  der 
Judenverfolgungen  geliefert. 

7.  Unter  den  Fasttagen  nimmt  der  Versöhnungstag  eine  be- 
sondere Stellung  ein,  er  ist  Festtag  und  Fasttag  zugleich,  beides  ge- 
langt in  den  poetischen  Einlagen  für  die  Tefilla  zum  Ausdruck.  An 
ihm  wird  nach  Amr.  vom  Vorbeter  eine  Verbindung  von  Keroba  und 
Selicha  in  die  Tefilla  eingefügt,  d.  h.  einige  Piutim  zu  den  ersten  drei 
Tefilla-Benediktionen,  die  dem  Belieben  überlassen  sind,  und  die 
Selichas,  die  zu  den  Pflichtgebeten  des  Tages  Z^T.  rmn  gehören. 
Amr.  nennt  eine  solche  Komposition  "isric,  näher  bestimmt  ""crr 
nTTiboT  11'j:"!  "li  iriTT.  Die  spanischen  Dichter  pflegten  solche  Kompo- 
sitionen zum  Versöhnungstage  zu  verfassen,  die  beides  enthielten, 
Keroba  und  Selicha,  in  denen  die  Selicha  organisch  in  die  einzelnen 
Abteilungen  der  Keroba  hineingearbeitet  war.  Charisi  nennt  Josef  ibn 
Abitur  den  ersten  unter  den  spanischen  Dichtern,  der  ein  aT"!:  ll2"'a 
3"^"ne2~  verfaßt  hat.  Vom  Fasten  des  Versöhnungstages  nun  wurde 
die  Bezeichnung  in  Spanien  auf  alle  Fasttage  übertragen,  und  so  nennt 
Charisi  z.  B.  Gabh-ols  Fasttagskompositionen  ebenfalls  r")2'''^~  '"eye. 
In  den  anderen  Riten  war  zwar  weder  der  Name  noch  die  organische 
Verbindung  von  Piut  und  poetischer  Selicha  üblich,  jedoch  wurden 
vor  Schluß  der  Tefilla,  vor  irr::iirb  b^n^  i<'"55  ebenfalls  Selichot 
eingefügt  und  dabei  das  Sündenbekenntnis  vorweggenommen  (oben 
S.  152). 

8.  In  allen  erwähnten  Fällen  handelte  es  sich  um  Fasttage,  und 
die  Selicha  fiel  nicht  aus  ilu'em  gewohnten  Rahmen,  sie  wurde  innerhalb 
oder  unmittelbar  nach  der  Tefilla  vorgetragen.  Eine  neue  Art  von 
Selicha  kam  für  die  Zeit,  die  dem  Versöhnungstage  vorausgeht,  auf. 
Zunächst  für  die  Bußtage  (oben  S.  148),  die  schon  früh  vielfach  als 
Fasttage  begangen  wurden.    An  einigen  von  ihnen  jedoch,  am  Neu- 


Die  Öelichutage  227 

jahrsfosto  und  am  Sahhat,  inußlc  das  Faston  unterlassen  werden, 
da  fasteten  die  Fronunen  zimi  Ersatz  bereits  v  i  e  r  Tage  vor  dem 
Neujahrsfeste.  Mit  der  Zeit  wurde  die  Zahl  der  Tage  noch  erweitert, 
es  gal)  Leute,  die  bereits  am  1.  Elul  mit  dem  Fasten  begannen,  d.  h. 
vierzig  Tage  vor  dem  Versöhnungstage,  entsprechend  der  Zeit,  die 
Mose  vor  dem  Empfange  der  zweiten  steinernen  Tafeln  und  der  Offen- 
barung der  (heiz(>lin  Eigenschaften  auf  (h-ni  Sinai  zuzubringen  hatte 
(Dt.  11)10).  An  sämtliclien  Tagen  nun.  die  in  einer  Hegend  als  Fast- 
tage bestimmt  waren,  wurden  auch  die  Huügebete  verrichtet,  r^rr^bc 
mcpai  n:nr.  iin"n;da  die  zuletztgcnanntcn  in  die  Zeit  fallen,  die  vor- 
zugsweise für  die  Sündenvergebung  bestimmt  ist,  nannte  man  sie  die 
Selichatage  (rirr^bc  i^^)  schlechthin.  Ihre  Zahl  ist  in  den  einzelnen 
Ländern  verschieden;  es  gibt  noch  heute  Gegenden,  in  denen  am  L  Elul 
mit  den  Selichot  begonnen  wird,  hierzulande  werden  sie  am  Sonntag 
vor  dem  Neujahrsfeste,  bezw.,  wenn  dies  auf  Montag  oder  Dienstag 
trifft,  schon  am  Sonntag  vorher  aufgenommen,  so  daß,  da  die  Sabbate 
ausfallen,  vor  dem  Neujahrsfeste  vier  bis  höchstens  neun,  nach  ihm 
sechs  Tage  in  Frage  kommen.  An  den  ,,Selichatagen"  beginnen  die 
Gebete  vor  Tagesanbruch  (nnibcb  "i  "^  'S  "^  D  TT  r),  hier  und  da  sogar  schon 
zu  Mitternacht,  man  nannte  sie  daher  mi2Trs?  oder  riTCTrs?  ■'b''b. 
Wie  die  Fasttagskompositionen  führen  sie  auch  den  Titel  Tc;?r.  Das 
Fasten  galt  nicht  als  allgemein  verbindlich.  Die  Selichaordnung  ist 
an  diesen  Tagen  unabhängig  vom  Fasten,  sie  konnte  auch  nicht  in  die 
TefiUa  eingefügt  werden,  denn  der  Gottesdienst  wurde  des  Nachts, 
ohne  Verbindung  mit  einem  der  täglichen  Gebete,  gehalten.  Die 
Selichot  sind  daher  an  diesen  Tagen  anders  eingeleitet  wie  an  Fast- 
tagen, sie  beginnen  an  ihnen  nicht,  wie  an  den  Fasttagen,  mit  135  nbc, 
sondern  mit  Ps.  145,  mit  "'"ni'S?,  sowie  mit  einer  langen  Versgruppe 
np-isn  '"  Y'  lind  gehen  erst  dann  auf  a'iSi?  T"i5  bs5  über.  Gerade  für  diese 
Selichatage  bis  zum  Versöhnungstage  einschließlich  —  bei  Amr.  sind 
auch  die  beiden  Neujahrsnächte  mit  Selicha-Gottesdienst  bedacht  — 
ist  die  Zahl  der  poetischen  Selichas  ziemlich  groß,  weit  gi-ößer  als  für 
die  Fasttage.  M\c  Riten  besitzen  ein  reiches  Material  von  (poetischen) 
Selichas  für  diese  Tage,  welches  genügt,  um  AViederholungen  unnötig 
zu  machen;  das  Machsor  Tripolis  besitzt  sogar  für  dreiund- 
zwanzig Tage  im  Elul  Selichas  von  der  Hand  eines  Dichters, 
Isaak  ibn  Gajjat.  Besonders  wurden  die  erste  Nacht  und  der  Rüsttag 
zum  Neujahrsfest  ausgezeichnet,  am  Rüsttage  zum  Versöhnungsfeste 

15* 


228  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

hingegen  wurde  mit  Rücksicht  auf  die  zahlreichen  Gebete  des  folgenden 
Tages  ihre  Zahl  beschränkt,  indes  sind  die  Bräuche  da  nach  Ländern 
und  Gemeinden  sehr  verschieden.  Die  Aus^yahl  der  poetischen  Se- 
lichas  war  völlig  frei  und  willkürlich,  nicht  einmal  an  diejenigen  Regeln 
gebunden,  die  für  Inhalt  oder  Reihenfolge  der  Piutim  maßgebend 
waren,  darum  ist  die  Verschiedenheit  der  Riten  in  bezug  auf  die  Se- 
lichasammlungen  noch  größer  als  in  den  Piutim. 

Wie  unter  den  Piutim,  so  gibt  es  auch  unter  den  Selichas  be- 
sondere Gruppen,  deren  Namen  vom  Inhalt,  von  ihrer  äußeren  Form 
oder  ihrer  Stellung  unter  den  Gebeten  hergenommen  sind. 

A.  Tsach  der  Stellung  heißen  a)  die  zuerst  eingeschalteten  poe- 
tischen Selichas  nnipS,  Eröffnung;  bei  Amr.  heißt  die  meist  kurze 
Einleitungsselicha  "1125.  b)  Die  letzten  heißen  bei  Amr.  STni'a,  weil 
sie  an  das  Tachanun,  bei  dem  der  Vorbeter  sitzt,  anschließen : 
in  It.  begegnen  wir  der  Bezeichnung  mUT^r  n:nr. 

B.  Nach  der  poetischen  Form  unterscheiden  wir: 

a)  ^TCTö,  die  mit  einem  Refrain  versehene  Selicha  (oben  S.  208), 
wobei  der  Refrain  sowohl  aus  einer  ganzen  Strophe  wie  aus  einer 
Zeile  bestehen  kann.  In  der  deutschen  Selichasammlung  ist  der 
Pismon  in  der  Regel  die  letzte  der  poetischen  Selichas  oder  wenigstens 
die  letzte  vor  einem  zweiten  in^D  Tnbc  '"  "i'Ci?"'^.  Im  Orient  hieß 
auch  der  Refrain  als  solcher  ITOTfi,  in  Amr.  häufig  abgekürzt  'TE. 

b)  ni^s^rc^.  Die  aus  dem  Arabischen  stammende  Bezeichnung  be- 
deutet das  wiederkehrende,  seil.  Reimwort.  Dem  Gedichte  ist  ein 
Bibelwort,  ein  ganzer  Vers  oder  nur  ein  Teil,  vorangeschickt  (in  der 
Regel  ein  Vers  aus  der  nächsten  Gruppe),  mit  dem  die  Strophen- 
schlüsse das  letzte  Wort  oder  ein  darauf  rennendes  gemeinsam  haben. 
Diese  Dichtungen  finden  sich  nur  bei  spanischen  Dichtern. 

c)  nirir  und  d)  niTL'i'nr  sind  Bezeichnungen  für  zwei-  bezw.  drei- 
2eilige  poetische  Selichas. 

e)  ri:ir"iL',  vollständige,  heißen  vierzeilige  Selichas.  Die  ]\Iehr- 
zalil  der  mit  diesem  Namen  bezeichneten  Selichas  stammt  von  Salomo 
ha  Babli  in  Rom;  man  war  daher  versucht,  die  Benennung  von  semem 
Namen  rrcbll"  herzuleiten,  jedoch  fehlt  es  auch  nicht  an  Vertretern 
dieser  Gattung,  die  andere  Namen  führen. 

f)  ";:i5i:n  Selichas  mit  dem  Refrain  ir-n::  i^sun ;  ihr  Inhalt  handelt 
meist  vom  Martyrium  des  jüdischen  Volkes  oder  auserlesenen  Blut- 
zeugen, insbesondere  den  .,zehn  Märt\Tern". 


Arien   (i.T  Sclicliii  229 

('.  \'()m  liiliMitc  sind  lulj^ciulc  Manien  iicnoninicii: 
aj  nnrT,  i'iiic  Sclhstaiiklayc,  in  Aiiir/s  Saiiiinliiiig  gewöhnlich 
die  erste  Selicha  nach  ch-r  Kinleitung.  Die  poetische  Form  ist  so,  dal.) 
gewöhnlich,  ähnlich  wie  beim  I\lnstegab,  ein  Vers  gewissermaßen  als 
Leitmotiv  vorangeht,  i'reilich  mit  dem  Unterschiede,  daß  er  nicht 
wiederholt  wird.  Die  spanisclien  Dichter  haben  die  Tochecha  dem 
Maamad  einverleibt. 

b)  "rp3.  Bitte,  nicht  immer  poetisch,  vielfach  ausführliche  (Jc- 
bete  in  Prosa  mit  dem  Anfange  ''IIS  oder  s:i<,  gehört  eher  zum 
Maamad  als  zur  St'licha. 

c)  ptit:*,  Darstellung  der  blutigen  Verfolgungen  und  der  frei- 
willigen Hinoplerung  des  Lebens  durch  die  (iläubigen,  fast  nur  in 
Frankreich  und  Deutschland  bearbeitet. 

d)  ""pr,  die  Erinnerung  an  die  Opferung  Isaaks.  Schon  in  der 
Litanei  für  die  Fasttage  wird  auf  die  Erhörung  Abrahams  am  Berge 
.Moria  verwiesen.  Die  Selicha-Dichter  haben  das  Thema  der  hin- 
gebungsvollen Oi)ferwilligkeit  von  Vater  und  Sohn  tausendfältig 
liearbeitet;  der  naheliegende  Hinweis  auf  die  täglich  sich  crnemrnde 
Bereitwilligkeit  der  Väter  und  Mütter,  mit  ihren  Kindern  für  (iott  zu 
sterben,  bildet  den  elegischen  Ausgang  dieser  Dichtungen.  Die  Spanier 
haben  auch  die  Akeda  oft  mit  der  Keroba  verbunden  und  zwar  meist 
mit  dem  Mechaje,  in  dem  nach  dem  Herkommen  vom  Erzvater  Isaak 
gehandelt  wurde  (oben  S.  213). 

e)  ~:r,r  Fürbitte,  berührt  die  Beziehungen  zwischen  Gott  und  dem 
Volke  Israel.  Zur  Wahl  des  Namens  trug  jedoch  auch  die  Stellung 
der  Selicha  bei,  die,  stets  in  Verbindung  mit  dem  Tachanun  (oben  S.  223), 
das  den  Abschluß  der  Bußliturgie  bildet,  eingeschaltet  wird.  In  der 
Sammlung  bei  Amr.  läuft  sie  in  den  Vers  '"51  TSS  '\^\'^'n^a  iiTT  (Ex.  32 12) 
aus.  der  aus  der  Liturgie  für  Montag  und  Donnerstag  bekannt  ist. 

f)  ~'2-pi2  heilkm  bei  Amr.  einige  Selichas  für  die  Xeujahrstage; 
es  sind  Einleitungsgcdichte,  die  mit  dem  Zusätze  rTiiiSii"^",  rT^D^Ts:, 
""r'-TT":;  und  r""£"r""  genannt  werden,  weil  sämtliche  Strophen  auf 
'JSii"2  ,r'z"r'C  1"-',  bezw.  ^STir  reimen. 

g)  ■'""T  heißen  Sündenbekenntnisse  in  lang  ausgedehnter  Prosa, 
gewöhnlich  mit  dem  Anfange  ab":"  biT  "ilt^i. 

9.  Eine  besondere  Art  der  elegischen  Piutim  mit  der  Schilderung 
von  Verfolgungen  und  Martyrien  als  Inhalt  sind  die  für  den  9.  Ab 
bestimmten  r'l^-p   Klagelieder.     Das  AVort  "•'p  ist  biblisch. 


230  Beschreibung  des  Gottesdienstes 

es  bezeichnet  die  Totenklage.  Im  Talmud  wird  rni'^'p  als  Name  für  das 
biblische  Buch  der  Klagelieder  verwendet  und  schließlich  für  die 
poetischen  Elegien,  die  neben  diesem  Buche  am  Fasttage  der  Zer- 
störung Jerusalems  zum  Vortrage  gelangen.  Unter  den  arabisch 
sprechenden  Juden  wird  auch  der  Name  "pri'abi?  oder  ""»ma  dafür 
gebraucht,  was  wiederum  in  das  hebräische  miiar  zurückübersetzt 
wurde.  Die  ältesten  Einschaltungen  waren  auch  am  9.  Ab,  wie  an 
jedem  anderen  Fasttage,  S  e  1  i  c  h  a  s;  so  berichtet  Amram  und  nocli 
Saadja.  Aber  schon  vor  ihrer  Zeit  war  eine  andere  Art  von  Elegien 
üblich,  Kerobas  mit  ausgedehnten  Erweiterungen  beim  XIV.  Stück 
der  Tefilla,  dessen  Eulogie  S'^blTTT'  n:in  lautet.  Es  ist  Kalir,  dem 
wir  den  Anbau  dieses  Gebietes  danken.  Von  ihm  sind  zwei  Kerobas 
für  den  9.  Ab  erhalten,  von  denen  die  eine  in  Rom..  It.,  die  andere  in 
Westdeutschland  Verwendung  findet;  zu  ihnen  gehört  als  Einlage 
eine  große  Anzahl  von  Kinot,  in  Deutschland  wurden  davon  etwa 
20  aufgenommen,  in  Rom.  und  It.  finden  sich  noch  weit  mehr.  Nur 
in  Rom.  und  It.  ist  den  Kinot  der  ursprüngliche  Platz  innerhalb  der 
Keroba  gewahrt  geblieben,  in  allen  anderen  Riten  hingegen  sind  sie 
von  der  Tefilla  getrennt.  In  Germ,  werden  sie  erst  nach  der  Schrift- 
vorlesung vorgetragen,  in  Seph,  unmittelbar  nach  der  Tefilla.  Die 
Kinot  nehmen  in  Seph.  demnach  denselben  Platz  ein,  den  auch  die 
Selichot  dort  haben,  tatsächlich  gleicht  auch  ihr  Beginn  durchaus 
dem  der  Selichot,  darin  dürfte  noch  eine  Erinnerung  an  die  alte  Zeit 
liegen.  Die  Folge  der  Loslösung  der  Kinot  von  der  Tefilla  war,  daß 
auch  für  den  Vorabend  des  9.  Ab  einige  eingeführt  wurden. 

Einer  der  Gründe,  die  für  die  Trennung  der  Kinot  von  der  Keroba 
maßgebend  waren,  dürfte  ihr  zunehmender  Umfang  und  erweiterter 
Inhalt  gewesen  sein.  Der  sinngemäße  Inhalt  der  Kinot  ist  die  Klage 
über  die  Vernichtung  des  Tempels,  der  Priester  und  des  Kultus,  über 
die  Entweihung  des  Heiligtums  durch  die  Feinde,  über  den  Untergang 
der  beiden  Staaten  Juda  und  Israel,  über  den  Gegensatz  zwischen 
der  Not  in  der  Diaspora  und  dem  Glück  in  der  Heimat.  Es  wird  aber 
auch  —  wie  in  der  Selicha  —  den  Ursachen  der  Not  nachgegangen  und 
an  die  Sünden  der  Väter  erinnert,  an  ihren  Ungehorsam  gegenüber 
allen  Mahnungen  der  Propheten,  an  die  Wohltaten  Gottes  im  Verlaufe 
der  Geschichte  und  an  Israels  Undank.  Diese  Themen  werden  in  den 
verschiedensten  Variationen  behandelt,  die  Dichtungen  laufen  auf 
eine   niederschmetternde   Anklage   gegen   die   eigene   Sündhaftigkeit 


Kinot  231 

hinaus,  auf  eine  (IuicIi^^cIicihIc  l-vcclitfortigung  des  göttlichen  Rat- 
schhjssos;  anliottcs  (ii-rcchti^kcit  und  [.ichc  wird  trotz  aller  Xötc  nicht 
gezweifelt,  darum  klin^^en  die  Kinot  ähnlich  den  itroj)hetischen  Heden 
in  Maimungen  zur  Umkehr  und  in  Trostverheißungen,  in  Schilderungen 
des  künftigen  Heils  aus.  Die  sj)anisclien,  i)rovenzalischen  und  afri- 
kanischen Dichter  schildern  das  Leid  fast  durchweg  nur  in  allgemeinen 
Zügen,  ohne  auf  einzelnes  näher  einzugehen.  Die  kalirischen  Poesien 
hingegen  führen  sämtliche  Themen,  insbesondere  aucii  die  l'nter- 
drückungen  in  der  (ieiijenwart.  sehr  eingehend  aus.  Daraus  leiteten 
die  Dichter  der  Folgezeit  das  Recht  her,  die  Leiden,  die  sie  miterlebten, 
in  Klageliedern  zu  verewigen,  die  sie  oder  die  von  den  Verfolgungen 
betroffenen  Gemeinden  ebenfalls  für  die  Liturgie  des  9.  Ab  bestimmten. 
Vom  ersten  Kreuzzuge,  109G,  angefangen  bis  über  die  Zeit  des  schwarzen 
Todes  hinweg  (1348  49)  haben  allgemeine  und  lokale  Judenmetzeleien 
oder  Katastrophen,  wie  z.  B.  die  Talmudverbrennung  in  Paris,  den 
Dichtern  in  Deutschland  und  Frankreich  Stoff  zu  Klageliedern  geboten, 
die  sofort  oder  später  Bestandteile  der  Kinot-Sammlungen  wurden. 
In  Spanien  waren  die  Martyrien  nicht  gleich  häufig,  aber  auch  dort 
wurden  die  schweren  Verfolgungen,  namentlich  die  von  1391,  durch 
die  Kinot  verewigt.  L^nter  den  jüngeren  Kniot  fand  besonderen  Beifall 
Jehuda  ha  Levis  ^bSTTP  s?'"~  'Vi,  in  dem  die  Sehnsucht  nach  den 
heiligen  Stätten,  die  Liebe  zur  zerstörten  Heimat  der  Ahnen  einen 
ungewöhnlich  zarten  und  innigen  Ausdruck  fand.  Eine  große  Anzahl 
von  Nachdichtungen  folgte  ihr,  sie-  alle  redeten  Zion  direkt  an  und 
fingen  mit  dem  Worte  ]Vi  an,  sie  erhielten  davon  den  Namen  "iirs, 
'\V1  und  galten  als  wertvoller,  unentbehrlicher  Bestandteil  in  den 
Sammlungen  aller  Riten.  Die  Zahl  der  Kinot  wurde  mit  der  Zeit  sehr 
beträchtlich,  die  Gemeinden  füllten  vielfach  den  ganzen  Vormittag 
mit  ihrer  Rezitation  aus,  erst  in  neuerer  Zeit  wurde  sie  stark  einge- 
schränkt, in  reformierten  Gemeinden  bis  auf  eine  oder  zwei. 


C.    II.  Abschnitt: 
Geschichte  des  jüdischen  Gottesdienstes. 

Kap.  I.   Die  Zeit  der  Stammgebete. 
§  34.    Die  Anfänge  des  regelmäßigen  Gemeindegottesdienstes. 

Literatur:  Ziinz,  G.  V.^,  S.  379  ff. ;  Herzfeld,  S.  183  ff.;  Graetz,  Ge. 
schichte,  IIb,  n.  Aufl.,  S.  186  ff.;  Duschak,  S.  183  ff.;  Kohler  K.,  Über 
die  Ursprüuge  und  Gruiidforineu  der  synag-ogaleii  Liturgie  MS  XXXVII, 
1893,  S.  441  ff.,  489  ff.;  .I.E.  Art.  Liturgy  VIII,  132 ff. 

1.  Die  Geschichte  des  Gottesdienstes  wird  durch  die  Geschichte 
der  religiösen  Ideen  bestimmt ;  was  im  religiösen  Denken  im  Vorder- 
grunde steht,  strebt  danach,  sich  auch  im  Gottesdienste  durchzusetzen. 
Das  gelingt  freilich  nicht  restlos.  Auch  in  der  Religion  ist  die  Ent- 
wicklung eine  allmähliche,  niemals  eine  sprunghafte,  die  alten,  durch 
die  Tradition  geheiligten  Einrichtungen  oder  Gebete  lassen  sich  nicht 
vollständig  verdrängen ;  der  Kampf  endet  daher  in  den  meisten  Fällen 
damit,  daß  das  Neue  mit  dem  Alten  verschmolzen  wii'd.  Soweit  wir 
die  Entwicklung  zu  übersehen  vermögen,  hat  sie  sich  in  der  Weise 
vollzogen,  daß  der  ursprüngliche  Kern  des  Gottesdienstes  stets  erhalten 
geblieben  ist,  die  ältesten  Bestandteile  sind  noch  heute  darin  vor- 
handen wie  bei  seinem  ersten  Anfang.  Die  xArt  und  Weise  jedoch, 
Avie  der  Gottesdienst  vollzogen  wurde,  die  Einflüsse,  die  sich  seiner  zu 
bemächtigen  suchten,  die  Hüllen,  mit  denen  der  Kern  umgeben  wurde, 
sind  nicht  immer  dieselben  geblieben,  haben  mit  der  Zeit  und  mit 
der  Umgebung  gewechselt.  Die  drei  Perioden,  in  die  wir  die  Ge- 
schichte des  Gottesdienstes  geteilt  haben  (§  5,  S.  13),  nahmen  nicht 
alle  dieselbe  Stellung  zur  Frage  der  Veränderung  des  Gottesdienstes 
ein.  Die  erste  und  die  dritte  zeigen  mehr  Selbständigkeit  als  die  zweite. 


I)i('   AiilVuigr  lies  ( 'i('iiiciii(i('gi»lti'S(licnslos  233 

AlU'li  sio  stjiiul  nulil  oluic  ciiicncs  rrtcil  und  olnio  »'i<j(Mi('  Wiiiisclu' 
dem  iiberiKmmu'iU'ii  (lottcsiliciistc  lictrciiidx'r,  aber  die  Kritik  bezog 
sii-li  aul'  den  liiil.  auf  die  jünjicicii  Zusätze  /um  (lebete,  die  als  solche 
i)ekannt  und  darum  leicht  zu  \eiäiulerii  oder  zu  Ix'seitigen  waren,  die 
Zweifel  wagten  sich  nicht  an  die  Stammgebete  heran,  sie  wurden  bis 
auf  geringfügige  Veränderungen,  die  die  Zeit  von  selber  brachte,  in 
ihrer  übiM'kommeiien  Vovm  ix'lasscn.  Hingegen  haben  die  beiden 
anileren  l'ei'ioden  mit  ihren  Angriffen  auch  vor  den  Stammgebeten  nicht 
Halt  gemacht.  Die  Zeit,  die  sie  geschaffen  hatte,  hielt  sich  auch  für 
berechtigt,  frei  mit  ihiicn  umzugehen,  freilich  mit  der  l^inschränkung, 
dal.)  sie  t^berlieferungen  aus  einer  Vergangenheit,  die  auch  für  sie  schon 
die  graue  Vorzeit  darstellte,  hohe  Verehrung  entgegenbrachte.  Anders 
lue  Neuzeit,  der  die  Kritik  das  Gepräge  gibt,  die,  wie  auf  jedem  Gebiete 
menschlichen  Wissens  und  Handelns,  auch  dem  Gottesdienste  gegen- 
über ihre  Selbständigkeit  uneingeschränkt  gewahrt  hat  und  weder 
durch  das  Alter  der  Tradition  noch  durch  die  Bedeutung  der  ihr 
vererbten  Gedanken  sich  von  der  Betätigung  ihres  Urteils  zurück- 
halten ließ. 

2.  Es  ist  nicht  leiclit,  die  Entwicklung  des  Gottesdienstes  im 
einzelnen  zu  verfolgen,  die  Änderungen  sind  vielfach  vorhanden, 
eile  die  Quellen  ihrer  Erw^ähnung  tun;  es  verhält  sich  meist  so,  daß 
die  Literatur  ihrer  erst  gedenkt,  nachdem  sie  längst  in  Kraft  ge- 
treten sind.  Für  die  älteste  Zeit  kommt  als  Erschwerung  hinzu,  daß 
wir  keine  unmittelbaren,  zeitgenössischen  Quellen  besitzen.  Wo  die 
literarischen  Berichte  über  den  Gottesdienst  beginnen,  steht  er  bereits 
fertig  da.  aus  jenen  Jahrhunderten,  in  denen  seine  Anfänge  und  die 
ersten  Stufen  seiner  Entwicklung  liegen,  ist  kein  Zeuge  vorhanden, 
die  Überlieferung  ist  im  Sinne  der  späteren  Geschlechter  wiedergegeben 
und  stellt  häufig  Einrichtungen  der  Vorzeit  so  dar,  wie  sie  selbst  sie 
kannte,  ohne  des  einst  vorhandenen  Gegensatzes  und  der  Zwischen- 
stufen zu  gedenken. 

Die  Untersuchung  hat  von  der  Entstehung  der  Synagoge 
auszugehen  und  ihren  Ursprung  zu  erforschen.  Daß  sie  eine  bis  dahin 
nirgends  gekannte  Einrichtung  gewesen  ist,  daß  sie  eine  neue  Art 
der  Gottesverehrung  eingeleitet  hat,  ist  zweifellos,  aber  zu  welcher 
Zeit  und  aus  welchem  Anlasse  sie  ins  Leben  gerufen  worden  ist. 
darüber  sind  historisch  beglaubigte  Daten  nicht  mehr  zu  ermitteln. 
Ihre  Begründung  bezeichnet  einen  der  wichtigsten  Fortschritte  im 


234  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Werden  der  Religionen;  es  war  das  erste  Mal  in  der  Geschichte  der 
Menschheit,  daß  regelmäßige  gottesdienstliche  Versammlungen  an 
Stätten  gehalten  wurden,  die  keine  andere  Weihe  hatten  als  diejenige, 
welche  die  Vereinigungen  der  Gläubigen  ihr  gaben,  es  war  ein  Gottes- 
dienst, der  sich  von  den  bis  dahin  bei  allen  Völkern  üblichen  Bräuchen 
befreite,  auf  alle  materiellen  Beigaben,  wie  Opfer  und  sonstige  Dar- 
bietungen, auf  die  Vertretung  durch  Priester  verzichtete  und  den 
Menschen  mit  seinem  Gemütsleben  in  den  Mittelpunkt  der  Gottes- 
verehrung stellte.  Es  ist  derjenige  Gottesdienst,  dessen  Formen  in 
den  europäischen  Religionen  herrschend  geworden  und  darum  der 
Kulturmenschheit  so  vertraut  sind. 

Wie  alle  alten  Völker  hat  auch  das  jüdische  den  Kultus  mit  dem 
Opferdienste  begonnen,  ihm  allein  wahre  Bedeutung  beigelegt.  Es 
ist  nicht  daran  zu  zweifeln,  daß  bereits  in  der  Zeit  des  ersten  Tempels 
gebetet  wurde,  allein  in  welcher  Weise  das  geschah,  darüber  sind  wir 
nicht  unterrichtet,  und  keinerlei  Beweis  liegt  dafür  vor,  daß  regel- 
mäßig an  allen  oder  wenigstens  an  bestimmten  ausgezeichneten  Tagen 
ein  Gemeindegottesdienst  stattgefunden  hätte.  Wie  kam  es  nun  zu 
dem  späteren  gemeinsamen  Gebete,  zu  den  ständig  wiederkehrenden 
religiösen  Versammlungen,  wie  kam  es,  daß  an  die  Stelle  des  einen 
zentralen  Heiligtums  die  zahllosen  Anbetungsstätten,  die  „Heilig- 
tümer im  kleinen",  getreten  sind?  Der  Wechsel  trat  nicht  plötzlich 
mit  einem  Male  ein,  jahrhundertelang  bestanden  beide  Institutionen, 
der  Tempel  und  die  Synagogen,  nebeneinander.  Aber  die  Synagogen 
breiteten  sich  immer  mehr  aus  und  gewannen  zusehends  an  Kraft 
und  Bedeutung  für  das  religiöse  Leben,  sie  machten  den  Tempel  ent- 
behrlich, bewirkten,  daß  bei  seinem  Falle  keine  Lücke  im  religiösen 
Leben  entstand.  Wir  kennen  den  Ausgang  der  Bewegung,  wir  kennen 
jedoch  nicht  die  treibenden  Kräfte,  welche  an  ihren  Anfängen  wirksam 
gewesen  sind.  Versuchen  wir  die  Entstehung  der  Synagoge  zu  er- 
gründen, so  stoßen  wir  auf  unüberwindliche  Schwierigkeiten;  bei  dem 
Mangel  an  direkten  Kachrichten  vermögen  wir  eine  bestimmte  Ant- 
wort nicht  zu  finden,  wir  sind  vielmehr  auf  Vermutungen,  auf  die 
Kombination  derjenigen  Momente  im  Tempeldienste  sowie  in  der 
Entwicklung  des  jüdisch-religiösen  Lebens  angewiesen,  die  für  die 
Entstehung  und  erste  Ausgestaltung  des  Gemeindegottesdienstes 
Bedeutung  haben  konnten. 

3.  Eines    der   ältesten   Beispiele   eines   Gottesdienstes,   bei   dem 


I)i('  Aiifilnpo  des  Oomoindcgotlesdionsles  235 

nicht  das  Opfer,  sondern  die  Gebete  im  Vordergrunde  standen,  waren 
die  Versammliini^en  an  Fasttagen.  Sie  liahon  bereits  in  vor- 
exilisfher  Zeit  stattgefunden,  schon  diimals  nicht  immer  an  der  Stätte 
des  Opferaltars;  hingegen  waren  sie  regelmäßig  von  Gebeten  begleitet, 
mitunter  fiel  sogar  das  Opfer  ganz  weg,  das  Gebet  füllte  allein  die 
zeremonielle  Handlung  aus.  Die  gottesdienstlichen  Versammlungen 
an  den  Fasttagen  mit  ihren  Bittgebeten  sind  von  großem  Einflüsse 
auf  die  Ausgestaltung  des  späteren  Synagogengottesdienstes  gewesen. 
Eine  Beschreibung  der  bei  ihnen  üblichen  Zeremonien  besitzen  wir 
erst  aus  späterer  Zeit,  die  Mischna  stellt  sie  so  dar,  wie  sie  in  der  Epoche 
der  Tannaim  gehandhabt  wurden,  aber  die  meisten  der  dabei  üblichen 
Formen,  und  gerade  die  wichtigsten  von  ihnen,  stimmen  mit  den  Er- 
zählungen der  Bibel  und  den  Schilderungen  von  Fasten  in  den  apo- 
kryphischen  Büchern  derart  überein,  daß  an  dem  Alter  der  Zere- 
monien nicht  zu  zweifeln  ist. 

4.  Die  gottesdienstlichen  Versammlungen  an  Fasttagen  waren 
jedoch  nur  vorübergehende  und  seltene  Erscheinungen,  während  wir 
nach  Vorbildern  für  die  täglichen  Gottesdienste  suchen.  Es 
herrscht  unter  den  Forschern  Einigkeit  darüber,  daß  die  Anfänge 
solcher  religiöser  Versammlungen  im  babylonischen  Exil  zu  suchen 
sind.  In  Babylonien  fehlte  es  den  Juden  an  einem  gemeinsamen 
Mittelpunkte.  Wollten  sie  den  Zusammenhang  mit  der  Vergangen- 
heit aufrecht  erhalten,  die  nationale  und  religiöse  Eigenart  bewahren, 
das  Gemeinschaftsbewußtsein  beleben  und  kräftigen,  so  blieb  ihnen 
nur  diese  Möglichkeit,  sich  zu  vereinen  und  diejenigen  Gedanken  und 
Empfindungen  zum  Ausdrucke  zu  bringen,  die  alle  bewegten.  Die 
Propheten  in  der  Gemeinde  der  Exilierten  haben  durch  das  Mittel 
der  Vorlesungen  aus  den  heiligen  Schriften,  der  daran  geknüpften 
Unterweisungen  durch  Ermahnungs-  und  Trostreden  das  religiöse 
Bewußtsein  gestärkt,  die  Wiedergeburt  des  Volkes  vorbereitet.  Be- 
sonders an  den  Sabbaten  und  den  nationalen  Gedenktagen  versammelte 
sich  das  Volk,  um  den  Worten  der  Lehrer  zu  lauschen.  Hier  liegen  die 
Ursprünge  der  regelmäßigen  gottesdienstlichen  Versammlungen,  als 
deren  Inhalt  wir  in  der  Hauptsache  Vorlesungen  und  Belehrungen  aus 
der  Heiligen  Schrift,  sowie  das  Aussprechen  des  gemeinsamen  Be- 
kenntnisses anzusehen  haben.  Belehrung  und  Bekenntnis, 
seine  beiden  ältesten  Bestandteile,  haben  dem  jüdischen  Gottesdienste 
sein  Gepräge  gegeben.    Es  ist  anzunehmen,  daß  nach  der  Rückkehr 


236  Geschichte  des  Gottesdienstes 

aus  dem  Exil  die  dort  begonnenen  Versammlungen  in  der  Heimat 
fortgesetzt  wurden,  daß  sie  auch  nach  der  Wiederherstellung  des 
Tempels  mit  seinem  Opferkultus  sich  weiter  erhielten. 

5.  Sogar  innerhalb  des  Tempels  zu  Jerusalem  machte  sich  der  Ein- 
fluß der  neuen  Art  des  Gottesdienstes  geltend.  Das  erste  sicher  nach- 
zuweisende Beispiel  eines  täglichen  öffentlichen  Gebets  stammt  aus 
dem  Tempel.  Die  diensttuenden  Priester  ("il2'ir'J2  ">r:i?)  unterbrachen 
jeden  Morgen  ilire  Opferhandlung,  um  in  der  Quaderhalle  einen  Augen- 
blick dem  Gebete  zu  weihen  (Tam.  V,  1).  Das  war  ein  Gottesdienst, 
dem  alles  Priesterliche  und  Kultische  fernblieb.  Im  Tempel  mit  seinem 
vorgeschriebenen  Opferritual  und  Levitengesang  war  das  gemeinsame 
Gebet  nicht  vorgesehen  und,  selbst  nachdem  es  eingeführt  war,  blieb 
es  mit  dem  Kultus  nur  in  losem  Zusammenhange.  Den  Priestern  war 
beim  Gottesdienste  keinerlei  Funktion  zugedacht,  das  Gebet  nahm 
auf  ihren  Stand  nicht  Rücksicht.  Die  Sprache  der  Gebete  stimmte 
nicht  mit  der  des  Tempelkultus  überein;  während  in  ihm  die  Priester 
sich  des  Aramäischen  bedienten,  hat  sich  als  Sprache  der  Gebete  das 
Hebräische  behauptet.  Der  Inhalt  jener  täglichen  Liturgie  der  Priester 
erinnert  an  die  Bekenntnisversammlungen  des  Exils;  die  biblischen 
Bestandteile  waren  in  ihr  vorherrschend,  es  kamen  einige  Stellen  aus 
dem  Pentateuch  zum  Vortrage,  die  die  hauptsächlichsten  Lehren 
des  Glaubens  zum  Ausdruck  brachten,  wie  den  Dekalog,  das  ,,Höre 
Israel",  vielleicht  auch  einige  Kernworte  nationalen  Charakters, 
wie  die  Bileam-Sprüche ;  die  biblischen  Stücke  wurden  durch  eine 
Einleitung  und  einen  Abschluß  eingefaßt.  Die  Einleitung  enthielt 
den  Dank  für  die  Offenbarung,  als  Abschluß  folgte  die  Versicherung 
der  Gemeinde,  daß  die  den  Vätern  erteilte  Offenbarung  noch  immer 
den  Inhalt  auch  ihres  Glaubens  bildete  (rr'T  rz^n  ,n^"j:i"  rrs«  oben 
S.  25).  Wenn  ferner  ein  Gebet  um  gnädige  Aufnahme  des  Opfers 
(n"n:ir)  und  eine  Art  von  Priestersegen  (ü"^:":  rr-^n)  folgten,  so  haben 
wir  hierin  ein  Zugeständnis  an  den  Stand  der  Priester  und  an  die 
Stätte  ihres  Gebetes  zu  erblicken.  Das  Urteil  über  den  L^sprung  der 
Einrichtung  selbst  kann  dadurch  nicht  beeinflußt  werden. 

6.  Die  nachexilische  Zeit  führte  eine  engere  Verbindung  des 
Volkes  mit  dem  Kultus  herbei.  Die  Stellung  des  Volkes  zum  Tempel 
hatte  sich  im  Exil  gründlich  gewandelt;  die  alte  iVnschauung  vom 
Werte  des  Opfers  an  sich  entsprach  nicht  mehr  der  herrschenden 
Richtung,  der  neue  Geist  forderte  die  persönliche  Frömmigkeit,  die 


hie   Anfallen'  des  ( Icnii'iiKli'^nil  Icsdicnstos  237 

iM'tätiiiiiiiii'  ji'tlcs  ciiizcIiuMi  im  rcliuirtscn  l.chcn,  den  „riollosdicnst 
im  llcr/.iMi".  !'\)li,M'iiclitin'  (liiiiliiicfüliit  imiütc  eine  solclic  (Icsinmiiif:; 
zur  I>('S('itii;imi;'  dvv  Optci-  liiliicii;  winde  der  Sclilul,')  ;iiicli  nicht  sofort 
i^i'zof!;»'!!.  so  sc'luif  man  ilocli  l']iiiii(li(im<i,(Mi,  die  dem  Volke  ciiio  stärkere 
Beteili^un«,^  am  Kultus  erniöi^iicliteii.  Kinzeliu'  Kromme,  solclie,  die 
in  Jerusalem  wojinten  oder  voriiherj^ehend  anwesend  waren,  nahmen 
am  tätlichen  Opfer  teil,  wohnten  dem  Segen  hei,  den  die  Priester, 
auf  den  Stufen  der  Tempclhalle  stehend,  über  das  Volk  sj)ra('hen, 
warfen  sich  zum  (lebet  nieder  und  sandten  ihre  Bitten  zum  Himmel 
empor.  Sie  lausehten  dem  Gesänge  der  Leviten,  der,  wie  die  (Ihronik 
beweist,  im  zweiten  Temi)el  hohes  Ansehen  genoLI.  Die  Psalmen, 
das  Gesangbnch  jener  P^poche,  wurden  von  den  Tempelsängern  vor- 
getragen; die  Gemeinde  aber  beteiligte  sich  daran,  indem  sie  mit 
Amen,  Halleluja  oder  mit  größeren  Refrains  ("ncn  2b^>b  "'S  nb  mn 
1.  Chron.  1641,  eine  ähnliehe  Bedeutung  haben  auch  die  Doxologien 
am  Schlüsse  der  Psalmenl)iiclier)  einfiel.  Auf  solche  Weise  wurden 
die  Psalmen  geradezu  zn  Gemeindeliedern,  gewannen  sie  eine  außer- 
ordentliche Beliebtheit  und  Verbreitung.  So  erklärt  sich  ihr  nnge- 
heurer  Einfluß  auf  die  Liturgie  nnd  die  Frömmigkeit  aller  Zeiten. 

Zur  Sicherstelhing  der  Beteiligung  des  Volkes  am  Opfer  wurde 
die  Institution  der  Maamadot,  der  Standmannschaften,  ins 
Leben  gerufen.  Um  das  Opfer  als  Leistung  der  Gemeinde  zu  kenn- 
zeichnen, sollte  es  in  Gegenwart  und  unter  Teilnahme  der  Gemeinde 
dargebracht  werden.  Da  unmöglich  das  ganze  \'olk  ständig  in  Je- 
rusalem den  0})fern  beizuwohnen  in  der  Lage  war,  wurde  es  durch 
die  „Propheten  in  Jerusalem'-  ebenso  wie  die  Priester  und  Leviten  in 
vierundzwanzig  Bezh-ke  (n^'crTS)  geteilt;  jeder  von  ihnen  entsandte 
abwechselnd  eine  Woche  im  Halbjahr  eine  Abordnung  nach  Jerusalem, 
die  dort  beim  Opfer  ,, dabeistand"  (rnj  b^  "^"),  wovon  sie  den  ]S'amen 
~T2"12  ,"nr~  (Standmannschaft)  trug.  An  jedem  Tage  ihrer  Dienst- 
woche hielten  die  Vertreter  des  Volkes  viermal  täglich  (,rc"i2  ,r"'in'ic 
2'^^rr  rb"'":  .nn:'!;)  Gottesdienst  mit  Gebet  und  Schriftvorlesung. 
Die  Zuhausegebliebenen  veranstalteten  während  ihrer  Dienstwoche 
täglich  Versammlungen  zu  gleichem  Zwecke  (Taan.  II).  Die  Ein- 
richtung der  Maamadot  hat  bewirkt,  daß  zum  ersten  Male  im  g  a  n  z  e  n 
L  a  n  d  e  ein,  wenngleich  in  großen  Abständen,  so  doch  regelmäßig 
wiederkehrender,  auch  an  Wochentagen  stattfindender  Gottes- 
dienst  geschaffen  wurde. 


238  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Wie  kam  man  auf  vier  verschiedene  Gebete  ?  Von  den  zwei 
täglichen  Opfern  wurde  das  eine  am  Morgen,  das  andere  in  alter  Zeit 
kurz  vor  Einbruch  der  Xacht  dargebracht,  jedoch  später  auf  die  früheren 
T^aehmittagsstunden  (21/2  Nachmittag)  verlegt  (Pes.  V,  1).  Aus  der 
Beobaclitung  des  Standes  der  Sonne,  ihres  Auf-  und  Unterganges  sowie 
ilu-es  Höhepunktes,  ergaben  sich  wiederum  drei  Gebetszeiten,  morgens, 
mittags  und  abends,  wie  wir  sie  Ps.  55 18  finden  D'inns:!  ipni  11:7 ; 
sie  sind  als  ständiger  Brauch  eines  Frommen  wie  Daniel  (611)  genannt, 
und  noch  der  berühmte  Agadist  R.  Samuel  b.  Xachmani,  gegen  Ende 
des  dritten  Jahrhunderts,  sieht  sie  als  den  ursprünglichen  Anlaß  zur 
Einsetzung  der  drei  zu  seiner  Zeit  üblichen  täglichen  Gebete  an  (j. 
Ber.  IV,  1,  f.  7  a).  Die  vier  Gebetszeiten  der  Maamadot  gingen  aus 
einer  Verbindung  dieser  beiden  Reihen  hervor.  Am  Morgen,  r'i^nr, 
trafen  Opfer  und  Gebet  zusammen,  aus  dem  ^^littagsgebete  entstand 
das  Musaf,  zü^.'ü;  am  Nachmittage  traf  ursprünglich  das  zweite 
Opfer  2">n"""~  "i"!!  mit  dem  Nachtgebete  zusammen,  nach  der  Ver- 
legung des  Opfers  jedoch  wurden  daraus  zwei  Gebete,  das  eine,  welches 
dem  Opfer  voraufging,  um  die  neunte  Stunde  {Akt.  3 1)  "n:^,  das 
andere  am  Abend  zur  Zeit  des  Schließens  der  Tempeltore  2"»-"^  r:^r:, 
kiu'z  nb''";  genannt. 

Wie  die  Liturgie  der  Maamadot  beschaffen  war,  darüber  sind 
wir  nicht  unterrichtet.  Nur  soviel  wird  überliefert,  daß  am  Morgen 
und  zu  Musaf  je  zwei  Abschnitte  aus  der  Schöpfungsgeschichte  vor- 
gelesen, daß  am  Nachmittage  dieselben  Stücke  auswendig  wiederholt 
wurden  (Taan.  IV).  Aus  der  Verschiedenheit  des  Verfalirens  sieht 
man.  daß  die  Anordnungen  nicht  alle  aus  derselben  Zeit  stammen, 
sondern  wechselten.  Zu  jedem  dieser  Gottesdienste  gehörte  auch  der 
Priestersegen,  der  sich  jedoch  außerhalb  Jerusalems  nicht  stets  durch- 
füliren  ließ,  weil  nicht  überall  Priester  zugegen  waren.  Ob  auch  Psal- 
men in  die  Gebetordnung  der  Maamadot  aufgenommen  waren,  ist 
nicht  gewiß,  der  unmittelbare  Anschluß  ilu-er  Versammlungen  an 
den  Gesang  der  Leviten  macht  es  indes  wahrscheinlich,  daß  von  An- 
fang an  einige  Psalmen  dazu  gehörten.  Am  Morgen  wurden  ferner 
die  Bekenntnisstücke,  der  Dekalog  usw.  (oben  S.  236)  vorgetragen. 
Endlich  ist  es  sein-  walu-scheinlich,  daß  in  allen  vier  Andachten  auch 
Bittgebete  vorkamen.  Wir  wissen,  daß  die  Bezirke  bei  eintretenden 
Notständen  den  Blick  auf  ihre  Vertreter  in  Jerusalem  richteten,  daß 
sie  ilire  Fürbitte  in  Anspruch  nahmen  (b.  Taan.  22  b).  Was  bei  großen 


J 


hii'  Anfange  dos  (■iciiiciiitlogottcsdiinistos  230 

haliniisscii  das  Kasten  und  15('lcii  der  ganzen  (iciiiciiidc  Icislctc,  das 
>()lltt'ii  in  solchen  Fällen  die  I litten  der  Maamadot  erwirken.  Man 
nia^  id)erliani)t  die  froninien  Männer,  die  als  Al)«!;eürdnetc  der  CJe- 
ineinde  am  Opfer  teilnalinien,  als  die  ji:eei{):neten  Vertreter  der  Für- 
hit te  hetrachtet  liahen  nnd  so  dürfte  es  dazu  «^'ekoninien  sein,  daß 
in  das  Gehet  der  Maamadot  Bitten  aufgenommen  wurden.  Zuerst 
mölken  solelie  den  Inhalt  des  Musaf  ti'ehildet  hahen.  desjeni;,'en  (ie- 
hetes.  das  der  Fastenlituruie  entsprach  und  nachgehildet  war,  dann 
aher  wurden  sie  auch  in  die  anderen  Gebete  übertragen.  Wie  die 
lütten  gestaltet  waren,  darf  man  aus  der  Form  der  Gebete  in  den 
Büchern  Esra  und  Daniel  schließen,  die  eine  auffallende  Ähnliclikeit 
im  Aufi)au  zeigen;  nach  iiirer  Analogie  dürfen  wir  erwarten,  daß  sie 
mit  einem  Hymnus  begannen,  und  daß  dem  Vortrage  der  Bitten 
das  Bekenntnis  der  eigenen  Sündhaftigkeit  voranging. 

7.  Alle  hier  erwähnten  Einrichtungen  trugen  zum  ^laterial 
für  den  Synagogengottesdienst  bei;  den  exilischen  Versammlungen 
entnahm  er  die  Vorlesung  und  Erläuterung  der  Heiligen  Schrift,  der 
Priesterliturgie  das  Bekenntnis  und  den  Segen,  dem  Levitengesang 
die  Psalmen,  den  Andachten  der  Maamadot  die  Bitten.  Die  wert- 
vollste Anregung  boten  die  Maamadot,  weil  durch  sie  zuerst  der  Gottes- 
dienst an  alle  Orte  übertragen  und  mit  R  e  g  e  1  m  ä  ß  i  g  k  e  i  t 
an   sämtlichen    Tagen    der    W  o  c  li  e    innegehalten   wurde. 

Es  bedurfte  sicherlich  geraumer  Zeit,  ehe  eine  derartige  neue 
Schöpfung  sich  zu  verbreiten  und  durchzusetzen  vermochte.  Die 
Schwierigkeiten,  die  die  Gemeinde  des  zweiten  Tempels  in  den  ersten 
Jahrzehnten  zu  überwinden  hatte,  die  inneren  Zwistigkeiten  und 
die  Störungen  von  außen  waren  der  Durchführung  dieser  Maßnahmen 
nicht  günstig;  wir  gehen  daher  in  der  Annahme,  daß  sie  zunächst  nur 
wenig  Kraft  und  Festigkeit  besaßen,  wahrscheinlich  nicht  fehl.  Solche 
erhielten  sie  erst,  als  Esra  und  Nehemia  Sicherheit  in  das  staatliche 
Leben,  Ordnung  in  die  religiösen  Institutionen  brachten.  In  Baby- 
lonien  waren  die  im  Exil  begonnenen  Versammlungen  fortgesetzt 
worden.  Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  daß  sie  durch  Esra. 
der  die  Vertrautheit  mit  der  Heiligen  Schrift  und  die  Befolgung  ihrer 
Gesetze  zum  Mittelpunkte  des  religiösen  Lebens  machte,  auch  in  Pa- 
lästina neu  l)elebt,  zu  regelmäßig  innegehaltenen  Veranstaltungen 
erhoben  wurden.  Erst  nach  seinem  und  Xehemias  Eingreifen  dürfen 
wir  erwarten,  daß  die  Maamadot  mit   Pünktlichkeit  stattgefunden 


240  Geschichte  des  Gottesdienstes 

haben,  erst  danach  wu'd  mit  der  Zeit  ein  täglicher  Gottesdienst  mit 
festen  Formen  sich  gebildet  haben.  Die  jüdische  Tradition  leitet  die 
Grundformen  der  Gebete  von  den  Männern  der  großen  Versammlung 
her,  ihnen  schreibt  sie  die  Schöpfung  der  Lob-  und  Bittgebete,  der 
Benediktionen  für  den  Eingang  und  Ausgang  der  Feste  zu  rc;D  iTi;:s 
nb-nm  mmp  nb^n  n^nn  bs^-nui'::  anb  r.'pr.  -b-nsn  (b.  Ber.  33  a). 
Diese  Überlieferung  ruht  auf  gutem  Grunde,  in  den  Jahrhunderten 
zwischen  Esra  und  der  syrischen  Bedrängnis  ist  der  Gemeindegottes- 
dienst geschaffen  und  verbreitet  worden,  nicht  auf  einmal,  aber  all- 
mählich durch  Ausbau  und  weitere  Entfaltung  der  vorhandenen 
Einrichtungen. 

8.  Die  Versammlungen  an  Sabbaten  und  Festtagen  waren  seit 
langer  Zeit  üblich,  an  den  Wochentagen  fanden  sie  zunächst  nur 
zweimal  jährlich,  in  der  Maamadwoche,  statt,  von  da  aus  aber  konnte 
leicht  dazu  übergegangen  werden,  ständig,  auch  wenn  der  Bezirk  nicht 
an  der  Reihe  war,  Gebetversammlungen  zu  halten.  Unabhängig 
von  den  öffentlichen  Gebetszeiten  bestanden  die  häuslichen  Andachten 
fort,  die  viele  Fromme  am  Morgen  und  am  Abend  hielten.  Je  mehr 
die  jüdische  Frömmigkeit  sich  vertiefte,  desto  größer  wurde  das  Be- 
dürfnis nach  dem  gemeinsamen  Gottesdienste.  Es  war  nicht  allein 
die  Entfernung  von  der  Stätte  des  Opferkultus,  sondern  in  erster 
Reihe  das  Verlangen  nach  geistiger  Anbetung  und  nach  Erbauung, 
das  den  täglichen  Gottesdienst  der  Synagogen  ins  Leben  gerufen  hat. 
Innerhalb  des  Tempels  zu  Jerusalem,  wo  ständig  der  Maamad  sich 
vereinigte,  war  ja  täglich,  ohne  Ausnahme,  Gottesdienst.  Aber  auch 
in  der  Provinz  hat  die  durch  die  Maamadwoche  und  die  Sitte  der 
häuslichen  Andachten  entstandene  Gewohnheit  allmählich  bewirkt, 
daß  der  Gottesdienst  an  jedem  Tage  ohne  Unterschied  gehalten  wurde. 
In  demselben  Umfange  wie  beim  Maamad  ließ  er  sich  freilich,  wenn  er 
nicht  alle  Erwerbstätigkeit  lahmlegen  sollte,  nicht  durchführen. 
Die  dem  Tempel  eigentümlichen  Gebete.  Musaf  und  Xeila,  fielen  aus. 
nur  am  Morgen  und  gegen  Abend,  vor  Beginn  und  nach  Schluß  der 
Arbeitszeit,  wurde  öffentlich  gebetet;  daneben  erhielt  sich  das  alte 
Xachtgebet  als  häusliche  Andacht,  bis  es  später  als  "in"»"  das 
dritte  tägliche  Gebet  wurde.  Musaf  wurde  nur  an  ausgezeichneten 
Tagen,  an  Sabbaten,  Festen  sowie  an  denjenigen  Halbfesten,  an 
denen  ein  Musafopfer  geboten  war.  beibehalten,  Xeila  an  den  öffent- 
lichen Fasttagen,  später  sogar  nur  am  Versöhnungstage.    Im  Inhalte 


hie    Allfaiigo    des   ('iciili'ilKlr^'ot  Icsdicuslcs  241 

des  (iottcsdiiMistcs  imiüle  cljciilalls  iiiaiulii'  Aiulcrmii;'  ciiilrcleii,  so  fiel 
zu^iiiiston  tlor  Kürze  die  1äf!;licli('  Vorlosimg  aus  der  Tora  fort,  sie 
wiirdt'  l'iir  die  tVicilicluMi  'Viv^r  vcHhcliallcii.  An  den  Woclientagen 
liiiiiiciit'ii  wurden  nui'  die  Markt taii;('  (~C""::~  '''C)  mit  Vorlesungen 
bedacht,  weil  an  ihnen  die  J^andhewohner  in  die  Stadt  katnen;  sie 
hatten  zu  Hause  keinen  gemeinsamen  Gottesdienst,  an  (h'u  iM'sttagen 
vernu)ehten  sie  nicht,  in  die  Stadt  zu  kommen,  und  sollten  (h>nnoch 
von  den  Segnungen  der  Schriftvorlesung  nicht  ausgeschlossen  bleiben. 

War  erst  der  Gottesdienst  zu  einer  ständigen  Einrichtung  ge- 
worden, so  konnte  die  l\iiisteliung  einer  Gebetordnung  nicht  ausbleiben. 
1^>  ist  schwer  denkl)ar.  dal.)  ein  einzelner  täglich  betet,  ohne  sich  zu 
wiedeiholen,  ohne  dal.)  mit  der  Zeit  sein  Ciebet  ein  festes  Gefüge  er- 
liiUt.  und  es  ist  geradezu  ausgeschlossen,  daß  eine  Gesamtheit  sich  in 
regelmäßigen  Abständen  zu  einem  Gottesdienste  vereinigt,  ohne 
daß  bestimmte  Formen  sieh  herausbilden,  die  dann  stets  wieder- 
kehren. Halten  wii-  uns  gegenwärtig,  daß  der  Gottesdienst  allen 
Gemeinden  im  Laiule  und  einer  weitausgedehnten,  von  Jahr  zu  Jahr 
wachsenden  Diaspora  dienen  sollte,  die  religiöse  Einheit  konnte  nur 
ilurch  die  Cileichiieit  der  gottesdienstlichen  Veranstaltungen  aufrecht 
erhalten  werden,   es  nnißten  feste  Formen  dafür  geschaffen  werden. 

9.  Wie  das  im  einzelnen  geschehen  ist  und  durch  wen,  darüber 
schweigt  die  Überlieferung,  sie  faßt,  wie  bemerkt,  die  Behörden,  denen 
die  erste  Ausbildung  der  Formen  des  Synagogengottesdienstes  zu 
danken  ist.  unter  dem  Namen  der  Männer  der  großen  Versammlung 
zusammen.  Sie  sind  es,  welche  der  Belehrung  und  dem  Bekenntnis 
das  G  e  b  e  t  im  engeren  Sinne  hinzugefügt,  die  uns  vertrauten  Formen 
des  Gebetes,  Lob-  und  Bittgebete,  geschaffen  haben.  Auf  sie  geht  die 
Stilisierung  der  Grundform  aller  Gebete  zurück,  der  ro"i3.  Die  direkte 
Anrede  Gottes  '"  "pä?  T^^a,  die  sich  in  der  Bibel  mit  Ausnahme  von 
Ps.  11912  und  I.  Chron. '2912  auch  in  den  jüngsten  Büchern  noch 
nicht  findet,  ein  deutlicher  Ausdruck  eines  stark  ausgeprägten  re- 
ligiösen Individualisnnis.  ist  durch  sie  die  Grundlage  aller  Gebete 
geworden.  Die  Lob))reisung,  der  Hymnus  wird  und  bleibt  die  Form, 
in  der  die  Gemeinde  mit  ilirem  Gotte  Zwiesprache  hält,  selbst  wo  sie 
Bitten  vorträgt,  klingen  sie  in  die  Benedeiung  aus.  Auch  die  erste 
Gebet  o  r  d  n  u  n  g  gehört  in  jene  Zeit.  Sie  bestand  aus  zwei  Teilen, 
aus  Bekenntnis  und  Gebet.  Das  gemeinsame  Bekenntnis  hatten  be- 
reits die  ältesten  gottesdienstlichen  Versammlungen,  es  fand  seinen 

Elbogon.  Der  jüd.  Gottesdienst.  16 


242  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Ausdruck  in  der  Kezitation  von  Schriftstellen;  daß  sie  sämtlich  dem 
Pentateuch  entnommen  waren,  weist  darauf  hin,  daß  sie  in  einer  Zeit 
vereinigt  wurden,  wo  noch  kein  anderer  Teil  der  Heiligen  Sclirift 
kanonische  Geltung  hatte.  Sie  haben  sich  nicht  alle  in  der  Liturgie 
erhalten,  der  Dekalog  z.  B.  ist  in  der  Zeit  des  Urcliristentums  aus 
polemischen  Gründen  wieder  beseitigt  worden  (b.  Ber.  12  a,  j.  I  8,  f.  3  c); 
daß  er  aber  einst  zur  täglichen  Liturgie  gehörte,  zeigt  die  erwähnte 
Priesterliturgie  (S.  236),  zeigt  der  Zusatz  der  LXX  vor  Dt.  64,  zeigt 
endlich  der  vor  einem  Jahrzehnte  aufgefundene  Papyrus  Xash.  An- 
dererseits gehören  auch  nicht  alle  drei  biblischen  Stücke,  die  heute 
darin  sind,  zum  ursprünglichen  Bestände,  zumindest  das  dritte  ist 
erst  in  einem  etwas  späteren  Stadium  aufgenommen  worden  (oben 
S.  24).  Die  Bekenntnisstücke  waren  von  hymnischen  Gebeten,  von 
niDlS,  eingeschlossen,  ganz  so  wie  es  bei  der  Liturgie  der  Priester 
erwähnt  wurde,  die  selbst  schon  unter  dem  Einflüsse  der  Großen  Ver- 
sammlung stand.  Dazu  traten  einige  gemeinsame  Bitten  nbsr,  sie 
waren  ein  jüngerer  Bestandteil  der  Liturgie  und  wurden  als  solcher 
stets  angesehen,  das  Schma  galt  als  biblische  Einrichtung,  die  Tefilla 
nicht.  Den  Bekenntnisvereinigungen  waren  die  Bitten  noch  nicht 
bekannt,  dort  folgte  auf  den  Gemeindegottesdienst  ein  stilles  Gebet, 
für  das  weder  Form  noch  Inhalt  vorgeschrieben  war.  Es  blieb  ganz 
dem  Belieben,  der  Stimmung  der  Betenden  überlassen;  es  war  eine 
private  Andacht  innerhalb  der  öffentlichen,  in  ihr  konnte  jeder  seine 
persönlichen  Anliegen  vortragen.  Die  alten  Quellen  nennen  das  Einzel- 
gebet ai"in,  späterhin  hat  es  in  Anlehnung  an  einen  biblischen  Aus- 
druck die  Bezeichnung  ai:i:nn  ,n:nn  erhalten  (ob.  S.  74).  Bei  den 
öffentlichen  Gottesdiensten  finden  wü"  Bitten  zuerst  unter  den  Ge- 
beten an  Fasttagen,  von  dort  her  kamen  sie  zu  den  Maamadot,  von 
da  schließlich  als  ribs"  in  das  tägliche  Gebet  der  Gemeinde.  Der  Auf- 
bau der  Tefilla,  hymnische  Einleitung,  Bitten,  Dank  lehnt  sich 
unverkennbar  an  biblische  Muster  an,  ilire  Entstehungszeit  kann 
nicht  allzufern  von  der  biblischen  Epoche  gelegen  haben.  Der  Inhalt 
der  Bitten  war  zunächst  ein  ganz  allgemeiner.  Wie  die  Bitten  der 
jüngsten  biblischen  Bücher  nahmen  sie  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
von  der  Sündhaftigkeit  des  Menschen  ihren  Ausgangspunkt ;  auch  die 
Güter,  die  erfleht  wurden,  waren  nur  solche,  die  für  jeden  Menschen 
unentbehrlich  sind  und  darum  jedermann  in  der  Gemeinde  gleich 
am  Herzen  liegen.    Dazu  gehörten  auch  einige  Anliegen  der  Gesamt- 


Dil'  AnfiUigo  des  GemciiKlc^'ut tcsdionstes  243 

lu'it,  so  z.  B.  die  Bitte  für  Jcnis.ilcin  iiiul  den  Tempel,  sclioii  früh  aber 
auch,  wie  wir  aus  den  hihlisehen  Apokrypiieii  lerueu.  die  Bitte  um 
Vereinigung'  aller  (ilieder  des  weithin  zerstreuten  X'olkes.  DaU  das 
(lebet  dureh  die  Berul'unj;-  auf  den  mit  den  Vätern  ii;eschl()ssenen  Bund 
einpjeleitet  wird,  findet  seine  Erklärung  durch  jüngere  biblisclie  und 
a|)okryphische  Gebete.  Das  zeugt  von  einem  festen,  seiner  selbst  nocli 
sicheren  Glauben  an  den  Schutz  und*dic  Gnade  Gottes,  wie  ihn  spätere 
Zeiten  nicht  inuner  hatten.  .\uch  das  Bekenntnis  der  Sündliaftigkeit 
geht  aus  eiiUMU  durchaus  gesunden  i^ewuütsein  luMVor  und  ist  frei  von 
den  selbstquälerischen  Anklagen  der  Epoche  vor  dem  Untergange 
des  Staates.  Jeder  Gottesdienst  sollte  ferner  vom  Priestersegen  be- 
gleitet sein;  daß  er  sich  nicht  überall  durchführen  ließ,  wurde  oben 
erwähnt,  und  am  Nachmittage  wurde  er  bereits  in  recht  früher  Zeit 
aufgehoben  (b.  Taan.  'IG  b). 

Die  Einrichtungen  der  Männer  der  großen  Versammlung  be- 
zogen sich  lediglich  auf  die  \  n  o  r  d  n  u  n  g  und  auf  den  Inhalt 
der  Gebete,  nicht  auf  ihren  Wortlaut.  Dieser  war  nicht  festgelegt 
und  vorgeschrieben,  sondern  der  augenblicklichen  Eingebung  über- 
lassen; es  war  freilich  unausbleiblich,  daß  mit  der  Zeit  für  Einzel- 
heiten gewisse  Formeln  entstanden  (riDil  CBTJ  ,nD"a  bv2  y^L^'a),  im 
Buche  Daniel  merkt  man  bereits  den  Einfluß  der  Liturgie  auf  die 
Fassung  religiöser  Gedanken.  Die  Gebete  der  alten  Zeit  waren  an 
Ausdehnung  kurz,  im  Stile  einfach,  im  Ausdruck  schlicht,  urwüchsige 
Kraft  des  Glaubens  und  Empfindens  vermittelte  stets  im  rechten 
Augenblicke  die  Fähigkeit,  in  wenigen  Worten  viel  zu  sagen,  aus  den  ver- 
trauten Sätzen  der  Heiligen  Schrift  floß  der  Wortschatz  wie  von  selbst  zu. 

Die  Gebete  waren  so  einfach,  von  so  allgemein  gültigen  Gedanken, 
daß  sie  für  alle  Tage  des  Jahres  ohne  Unterschied  dienen  konnten. 
Es  ist  kaum  anzunehmen,  daß  es  besondere  Formeln  für  Sabbate  und 
Feste  gab,  der  Kern  des  Gebetes,  das  Bekenntnis  mit  den  es  ein- 
schließenden Benediktionen,  die  einleitenden  und  abschließenden 
Stücke  der  Tefilla  sind  noch  heute  an  allen  Tagen  des  Jahres  die  gleichen. 
Die  Besonderheit  des  Gottesdienstes  an  Sabbaten  und  Feiertagen 
bildete  die  Vorlesung  und  Erklärung  der  Bibel,  sie  nahm  auch  den 
größten  Teil  der  Zeit  in  Anspruch.  Der  Sabbat  wurde  ferner  bei 
seinem  Kommen  und  Scheiden  durch  häusliche  Feiern  der  religiösen 
Genossenschaften  begrüßt,  die  hierfür  eingeführten  Formeln  (rT'ip 
m5*iam)  gehören  ebenfalls  zu  den  Schöpfungen  der  Großen  Versamm- 
le* 


244  Geschichte  des  Gottesdienstes 

lung  (oben  S.  240).  An  den  Feiertagen  waren  solclie  Veranstaltnngen 
nicht  üblich,  dafür  aber  erfolgte  an  den  Wallfahrtsfesten  die  Pilger- 
fahrt nach  Jerusalem,  am  Versöhnungstage  wurde  des  vom  Hohen- 
priester vollzogenen  Kultus  gedacht. 

10.  Wie  lange  Zeit  dazu  erforderlich  gewesen  sein  mag,  bis  der 
regelmäßige  tägliche  Gottesdienst  sich  überall  verbreitet  hat,  darüber 
sind  wü'  nicht  unterrichtet.  Auffallend  genug  ist  es,  daß  in  den  Makka- 
bäerbüchern  bei  den  Klagen  über  die  Verbote  religiöser  Veranstal- 
tungen und  Zeremonien  des  Gottesdienstes  nie  gedacht  wurde.  Dennoch 
weist  manche  Stelle  in  ihnen  daraufhin,  daß  er  damals  bereits  in  den 
weitesten  Kreisen  häufig  gehalten  wurde.  Wäre  er  später  eingeführt 
worden,  dann  hätten  die  Quellen  sicher  nicht  unterlassen,  von  der 
neuen  Einrichtung  ausführlicher  zu  sprechen.  In  den  Parteikämpfen 
der  späteren  Zeit  finden  wir  niemals  einen  Streit  um  den  Gottesdienst  als 
solchen  oder  um  Einzelheiten  bei  seiner  Ausführung.  In  den  Büchern 
Sirach  und  Daniel  sind  auch  unstreitig  Andeutungen  vorhanden, 
die  das  Bestehen  des  Gottesdienstes  voraussetzen.  Eine  sichere  ]N'ach- 
richt  besitzen  wir  aus  der  Diaspora.  Agatharchides  von  Knidos,  der 
um  die  Mitte  des  zweiten  Jahrhunderts  schreibt,  gedenkt  auch  des 
jüdischen  Gottesdienstes  und  erwähnt,  daß  die  Juden  den  ganzen  Sab- 
bat bis  zum  späten  Abend  in  ihren  Synagogen  zubringen.  Eine  so 
lange  Dauer  muß  die  Schriftauslegung  damals  gehabt  haben. 

11.  Einen  bedeutsamen  Wendepunkt  in  der  Entwicklung  des 
Gottesdienstes  dürfte  die  makkabäische  Erhebung  herbeigeführt 
haben.  Das  Gebet  war  bereits  so  eingebürgert,  daß  man  darüber  re- 
flektieren konnte,  es  war  ein  mächtiger  Faktor  im  nationalen  Leben, 
alle  Gedanken  und  Gefühle,  die  das  Volksleben  stark  erregten,  rangen 
in  ihm  um  Ausdruck.  Der  Erlösungsgedanke  trat  in  den  Mittelpunkt 
der  religiösen  Vorstellungen,  die  Sehnsucht  nach  Befreiung,  nicht  nur 
nach  der  diesseitigen  von  Druck  und  von  Mißgeschick,  sondern  auch 
nach  dem  künftigen  messianischen  Heile  wurde  ein  wii'kungsvolles  Ele- 
ment der  religiösen  Entwicklung.  Der  Auszug  aus  Ägypten  (rs^::"' 
aii::i2)  ist  das  Ereignis,  an  das  jene  Zeit  gern  und  häufig  erinnert,  die 
Befreiung  aus  jener  Sklaverei  (nbl553)  wird  das  Symbol  der  Befreiung 
überhaupt,  ihre  Elrwähnung  wird  ein  wichtiger  Bestandteil  des  täglichen 
Gebets.  Die  Bitten  um  Herbeiführung  der  messianischen  Zeit  werden 
in  die  Tefilla  aufgenommen,  das  religiöse  Leben  wird  mit  nationalen 
Gedanken  erfüllt. 


Der  (lollosdifMist    in   der  Miscliiia  245 

§  35.     Der  Gottesdienst  in  der  tannaitischen  Zeit. 
I.     Vor  der  Zerstörung  des  Tempels. 

Literatur:  Zuiiz,  das.;  HcrzfVld,  das.;  Saclis  M.,  Die  religiö.se  Poesie 

der  .luden   in  S|)anien,   Kap.   II,  S.   lG4tf. 

1.  Auf  ciiiiiiciinal.uMi  i^^osicIicrttMu  l^odcii  hcNvt'fijcii  wir  uns  nicht 
vor  tliT  tannaitiscluMi  Zeit,  in  clor  jMischna  linden  wir  zuerst  zusaiiiinen- 
liänu;en(le  Nachrichten  über  Form  und  Inhalt  des  Gottesdienstes. 
Zwar  stehen  wir  dann  vor  der  Schwierifj^keit,  daß  die  Misdina,  wie 
sie  uns  vorliegt,  erst  um  das  Jalw  zweihundert  rediiüjiert  ist,  daß  die 
viekMi  anonymen  Sätze  in  ihr  nicht  imiuer  «renau  datierhar  sind,  allein 
vielfach  sind  wir  doch  durch  die  parallelen  Quellen  über  die  Namen 
der  an  einer  Institution  beteili2,ten  Autoritäten  unterrichtet  und 
dadurch  in  der  Lage,  die  Zeit  festzustellen,  in  der  sie  ins  Leben  tritt 
oder  als  bereits  vorhaiulen  vorausgesetzt  werden  muß.  Für  die  Ge- 
schichte des  Gottesdienstes  ist  die  Mischna  als  eine  späte  Quelle  an- 
zusehen, selbst  in  ihren  ältesten  Teilen  zeigt  sie  die  Entwicklung  in 
einem  schon  weit  vorgeschrittenen  Stadium,  die  Grundformen,  der 
Aufi)au  des  öffentlichen  Gottesdienstes  sind  bereits  abgeschlossen 
und  haben  im  wesentlichen  dieselbe  Gestalt  wie  heute.  Und  doch 
nuiß  eine  lange  und  nicht  iunner  friedliche  Bewegung  voraufgegangen 
sein,  ehe  es  zu  einer  derartigen  Befestigung  der  Einriebtungen  kommen 
konnte.  Am  Beginne  unserer  Zeitrechnung  bilden  der  Gottesdienst 
und  die  Hauptgebete  den  Gegenstand  schulmäßiger  Erörterung, 
sie  haben  den  Charakter  des  Selbstverständlichen  und  L^nbcfangencn 
eingebüßt,  die  Formen  sind  derart  eingebürgert,  daß  sie  lehrhaft 
werden,  ihre  Berechtigung,  ihre  Anwendbarkeit,  die  Möglichkeit  und 
Zulässigkeit  von  Abweichungen  werden  studiert,  von  den  Theologen 
besprochen,  sogar  schon  kasuistisch  behandelt.  Der  Gottesdienst  ist 
allgemein  bekannt,  zu  einer  so  verbreiteten  Sitte  geworden,  daß  er  als 
uralte  mosaische  Institution  gilt,  als  solche  sehen  ihn  Philo  und  Jo- 
sephus  ebensowohl  an,  wie  die  Autoritäten  des  Talmuds.  An  seiner 
Berechtigung  und  Verbindlichkeit  wird  auf  keiner  Seite  gezweifelt, 
alle  Richtungen,  soweit  sie  sonst  auch  auseinandergehen,  sind  in  diesem 
Punkte  einig;  überall  wo  Juden  wohnen,  finden  auch  regelmäßig  gottes- 
dienstliche Versammlungen  statt. 

2.  In  der  ersten  Zeit  hatte  sicherlich  nur  die  Gemeinde  ihre 
festgesetzte  Gebetordnung  und  ihre  bestimmten  Gebetzeiten.  Der 
Privatmann  betete,  wann  sein  Inneres  ilm  dazu  trieb  und  was  seine 


246  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Frömmigkeit  ihm  gerade  eingab;  beim  öffentlichen  Gottesdienste 
hörte  er  schweigend  zu,  er  beteiligte  sich  nur  durch  die  Responsen  und 
durch  das  stille  Gebet  am  Ende,  wo  er,  wenn  auch  mitten  in  der  Ge- 
meinde, doch  wiederum  mit  sich  allein  war.  Nunmelir  aber  ist  es 
anders  geworden  und  gerade  das  bezeugt  die  weitgediehene  Ver- 
breitung und  Anerkennung  des  Gottesdienstes,  daß  das  Gebet  nicht 
mehr  ausschließlich  Gemeindegebet  ist,  sondern  daß  der  einzelne  sich 
ebenfalls  zu  denselben  Gebeten  für  verpflichtet  hält.  Die  Liturgie  ist 
zum  Gemeingut  geworden,  ein  jeder  kennt  und  wiederholt  sie  täg- 
lich. Der  Gottesdienst  hat  das  gesamte  Volk  gewonnen,  er  beherrscht 
das  ganze  Leben.  Nicht  nur,  daß  zur  Gebetstunde  das  Gotteshaus 
aufgesucht  wird,  die  Handwerker  und  Arbeiter  unterbrechen  ihre 
Arbeit  und  beten  (Ber.  II,  4),  man  betet  auf  der  Wanderschaft,  manche 
Leute  lieben  es,  an  den  Ecken,  auf  den  Gassen  zu  stehen  und  öffentlich 
zu  beten  (Mtth.  6  5).  Welch  unermeßlichen  Wert  die  tägliche  An- 
dacht, die  Weihe  einer  Stunde  am  Tage,  die  Verbindung  zwischen 
Irdischem  und  Göttlichem,  die  Erhebung  des  Alltags  zum  Festtage 
für  die  Entfaltung  der  Religiosität,  für  die  Vertiefung  der  Frömmig- 
keit gehabt  hat,  kann  hier  nicht  weiter  ausgeführt  werden.  2000  Jahre 
des  religiösen  Lebens  im  Judentum,  Christentum  und  Islam  legen 
ein  beredtes  Zeugnis  dafür  ab. 

Die  Faktoren,  die  auf  diese  Entwicklung,  eine  der  wichtigsten 
in  der  Geschichte  der  Religionen,  eingewh'kt  haben,  vermögen  wir 
nicht  mehr  zu  ergründen.  Sicherlich  haben  einzelne  Fromme,  be- 
rühmte Beter,  wie  der  Ki'eiszieher  Onias,  wie  R.  Chanina  b.  Dosa 
Einfluß  darauf  geübt,  aber  es  darf  nicht  übersehen  werden,  daß  die 
gesamte  Richtung  der  pharisäischen  Frömmigkeit  auf 
Vergeistigung  der  religiösen  Formen,  auf  die  Entfaltung  der  per- 
sönlichen Religiosität  abzielte.  Es  gab  weite  Kreise  und  Gruppen  von 
Frommen  (a'^IlffiST.  ^i-^cn  ,rpTi),  von  denen  berichtet  mrd,  daß 
sie  besonderen  Wert  darauf  legten,  frühzeitig  mit  dem  Gebet  zu  be- 
ginnen und  es  in  tiefer,  weltabgekehrter  Andacht  zu  verrichten.  Ob 
sie  aus  den  Kreisen  der  Essäer  hervorgegangen  waren  und  wie  groß 
das  Verdienst  dieser  Sekte  um  die  Ausgestaltung  des  Gottesdienstes 
anzuschlagen  sein  mag,  können  wir  heute  nicht  mehr  sagen.  Sehr 
wahrscheinlich  ist  es  nicht,  daß  die  Partei  der  Weltflucht  zur  Nach- 
ahmung anreizte. 

3.  Infolge  seiner  Verbreitung  hat  der  Gottesdienst  einen  anderen 


Der  Gottesdienst  in  »IfP  Miscliiin  247 

('liarakter  angenoinmiMi,  die  Jiolehrung  tritt  zurück,  der  Hauptzweck 
wild  jetzt  Gebot  und  Andacht.  Das  Bekenntnis,  das  yaiC, 
wird  zwar  wie  früher  rezitiert,  der  ursprünglidie  Sinn  der  Schrift- 
stellen ist  jedoch  vergessen,  sie  werden  schulniäßig  ausgelegt,  es  wird 
die  IMTiehl  des  zweinialigen  täglichen  (ieheles,  die  l'l'iiciit  der  Deid<- 
zeichen  ("i'^rE"  ,r"iS"'2  ,nTT'J2)  daraus  abgeleitet;  die  einen  bürgern 
sieh  so  ein  wie  das  andere,  sie  werden  Ix'ide  von  äußerlich  gerichteten 
^Menschen  oft  genug  mißbraucht  worden  sein  (Mtth.  23  5j,  sind  aber 
weit  häufiger  eme  Anregung  zur  geistigen  Erhebung  gewesen.  Ebenso 
sind  die  Gebete  für  die  Wochentage  von  denen  der  Sabbate  und  Feste 
bereits  unterschieden,  man  ist  daran,  weitere  kasuistische  Differenzen 
zu  erörtern  und  einzufüinen.  Die  Traktate  Berachot,  Bosch  ha  Schana, 
Taanit,  Megilla  geben  uns  ein  Bild  davon,  wie  weit  einzelne  Gebete 
und  gottesdienstliche  Einrichtungen  bereits  einen  bestimmten  Cha- 
rakter angenommen  haben,  wie  weit  ihre  Verbreitung  gediehen  ist 
und  wie  die  Erörterung  in  den  Schulen  betrieben  wird.  Eine  aus- 
führliche und  erschöpfende  Darstellung  des  Gottesdienstes  wird  in 
keiner  alten  Quelle  geboten,  seine  Einrichtungen  werden  als  allgemein 
bekannt  und  jedermann  zugänglich  vorausgesetzt. 

4.  Betrachten  wü-  den  Gottesdienst,  soweit  er  aus  der  Mischna 
zu  entnehmen  ist.  Er  besteht  aus  zwei  Teilen,  aus  Schriftvorlcsung 
und  Gebet.  Das  Gebet  hat  seinerseits  zwei  Hauptstücke,  "'CiT  rs?"'"'.p 
und  nbsr.  Das  "'STU  wird  beim  Morgen-  und  Abend-,  die  ribtn 
beün  Morgen-  und  ^'achmittagsgottesdienst  gebetet.  Zum  y^v:  ge- 
hören die  drei  biblischen  Abschnitte  (oben  S.  16),  am  Abend  jedoch 
wurde  der  dritte  fortgelassen.  Im  Morgengebet  gehen  ihm  zwei  Ge- 
betstücke voraus  und  eines  folgt  (rnsi  rp:E5  S'^rr  inn^  nncn 
"■'■"-i?*),  im  Abendgebet  sind  es  beidemal  je  zwei  (rprsb  STT  nTl 
■^■"ns":;  2">m).  Von  den  beiden  voraufgehenden  ist  das  eine  das 
spezielle  Morgen-  oder  Abendgebet,  während  das  zweite  den  Dank 
für  die  Offenbarung  enthält,  von  den  nachfolgenden  bringt  das  erste 
die  Anerkennung  des  Bekenntnisses  und  damit  ist  der  Dank  für 
die  Befrehmg  aus  Ägypten  verbunden.  Das  dem  Abend  eigentümliche 
zweite  Stück  jedoch  (^:ni3Cn)  bildet  den  Ersatz  für  die  fortfallende 
r'zzr,  es  enthält  die  Bitte  um  Gottes  Schutz  in  der  >\icht.  Der 
Wortlaut  der  beiden  Gebeten  gemeinsamen  Stücke  braucht  nicht 
verschieden  gewesen  zu  sein,  noch  heute  weisen  sie  große  Ähnlich- 
keiten auf,  die  auf   ursprüngliche  Gleichheit  schließen  lassen,  selbst 


248  Geschichte  des  Gottesdienstes 

die  einleitende  Lobpreisung  "ni«  "i::i"'  kann,  da  sie  von  Erschaffung 
des  Lichtes  und  der  Finsternis  zugleicli  handelt,  unterschiedslos  für 
Morgen  und  Abend  verwendet  worden  sein.  Wie  das  Bekenntnis 
an  allen  Tagen  des  Jahres  das  gleiche  ist,  so  war  auch  dieser  Teil  der 
Gebetordnung  für  alle  Tage  derselbe. 

Die  "bsr  war  das  Bittgebet  schlechthin,  in  ihr,  aber  auch  nur 
in  ihr,  trug  die  Gemeinde  Bitten  vor.  Aus  wievielen  Teilen  sie  damals 
bestand,  ob  die  Einteilung  überhaupt  eine  einheitliche  war,  läßt  sich 
nicht  mehr  mit  Sicherheit  sagen  (oben  S.  32).  Wir  wissen  nur,  wie  sie 
gegliedert  war;  der  Anfang  war  hymnisch,  der  mittlere  Teil  enthielt 
die  Bitten,  der  letzte,  wie  man  zu  sagen  plegt,  den  Dank,  in  Wirklich- 
keit hat  auch  er  neben  dem  Dank  zwei  Bitten,  beide  Reste  der  im 
Tempel  beim  Gebete  der  Priester  üblichen  Liturgie  (oben  S.  31).  Der 
Inhalt  der  Bitten  war  neben  den  bereits  in  den  Gebeten  der  Maamadot 
nachgewiesenen  Gegenständen  hauptsächlich  nationalen  (Charakters, 
er  betraf  die  Zukunft  des  Volkes,  das  messianische  Heil.  Die  ein- 
leitenden und  abschließenden  Stücke  haben  bereits  ihre  Xamen  (R.  h 
Seh.  IV,  5),  sie  werden  an  allen  Tagen  des  Jahres  beibehalten  und 
niemals  verändert,  die  mittleren  Bitten  hingegen  sind  nur  an  Wochen- 
tagen im  Gel)rauch.  Der  Halbfeste  wird  durch  eine  besondere  Ein- 
schaltung gedacht,  an  Fasttagen  wu'd  die  Tefilla,  wie  es  von  Alters  her 
üblich  ist,  durch  eine  größere  Anzahl  von  Bitten  ergänzt.  An  Sab- 
baten hingegen  und  an  Festtagen  sind  die  Bitten  innerhalb  der  Te- 
filla auf  eine  einzige  um  rechte  Weilie  des  Festes  beschränkt,  eine 
Ausnahme  bildet  das  Neujahrsfest,  an  ihm  erhält  die  Tefilla  eine  Er- 
weiterung und  hat  statt  der  einen  drei  mittlere  Benediktionen,  am 
Versöhnungstage  wird  das  Sündenbekenntnis  angeschlossen.  Die 
Schulen  Hillels  und  Schammais  sind  verschiedener  Meinung  über  das 
Vorgehen  beim  Zusammentreffen  eines  Sabbats  mit  einem  Festtage, 
ob  dann  die  Bitte  um  die  Weihe  der  beiden  Feiern  vereint  oder  geteilt 
werden  soll,  aber  über  die  Sieben-  und  Kennzahl  selbst  herrscht  völlige 
"Übereinstimmung,  sie  ist  auf  beiden  Seiten  geläufig  und  anerkannt. 
man  verweist  im  Schulstreite  auch  bereits  auf  die  langjährige  Hand- 
habung in  der  Praxis  (Tos.  Ber.  III,  l^f.,  S.  7  10  ff.;  das.  R.  h  Seh.  IV, 
11,  S.  2141  ff.). 

An  den  Festtagen,  den  ganzen  und  den  mittleren,  sowie  am 
Xeumondstage  gibt  es  ferner  ein  Musafgebet.  das  ebenfalls  die  Tefilla 
verwendet;  es  wurde,  wie  es  scheint,  nicht  überall,  sondern  nur  in 


l)tT  (lultosilifiisl  in   der  Misrhiia  249 

rjrößiM'iMi  Orten  iiiif  ('"mein  Kotiiimiiialvorhandc  (1*^7  "iDn  Bcr,  IV,  4), 
den  llaiiptsliidteii  der  Maaniadhe/Jike,  verrichtet,  sein  Wortlaut 
dürfte  sieh  \o\\  dem  i\vv  anderen  Gel)ete  nii  hl  unterschieden  iiabcn. 
Josua  I).  ('hananja  berichtet  aus  seiiUM-  Jufi^endzeit  (um  60),  wie  er 
a!n  Hüttenfeste  den  Oottesdienst  zum  Mor«,a>n-,  Musaf-  und  Mittags- 
>j,-ehet  aufgesucht  hat,  von  deiUMi  das  erste  nach,  die  heich'n  anch'ren 
vor  (h'ii  entsprechenden  Opfern  Ncnichtet  wunh'ii;  zu^deich  ein  lehr- 
reiclu's  Heisj)iel,  wie  (lel)et  und  Opfei-  lU'lx'iicinaiuU'r  hergingen  ('los. 
Sukk.  IV,  5,  S.  198  Ki). 

Wie  weit  auch  Psalmen  in  dieLituigie  aufgenommen  waren,  ist  aus 
derMischna  nicht  zu  ersehen,  nur  von  den  Hallclpsalmen  (oben  S.  125) 
erfahren  wir.  daß  sie  an  18  Tagen  im  Jahre  Verwendung  fanden  und 
zwar  im  Anschlüsse  an  das  Morgengebet ;  es  gab  eine  eigene  Benedikt  ion. 
die  den  Vortrag  der  Psalmen  einleitete  oder  abschloß  ("'Tn  r2i3). 

Soweit  nicht  Bibelstellen  zur  Rezitation  kamen,  war  von  den 
Gebeten  nur  der  Gedankengang  fixiert,  nicht  der  Wortlaut.  Ein  Bibel- 
vers, ptCE,  durfte,  ohne  daß  er  einen  Zusatz  erhielt,  als  Gebet,  nsnn, 
nicht  Verwendung  finden.  Die  Gebete  können  mit  "llia  anfangen  oder 
auch  nicht,  die  meisten  haben  eine  abschließende  Eulogie,  ar-n.  die 
zugleich  den  Gedanken  angibt,  diese  kann  jedoch  auch  fehlen.  Die 
Gebete  werden  vom  Vorbeter  von  Anfang  bis  zu  h]nde  laut  vorgetragen, 
während  die  Gemeinde  nur  die  Responsionen  spricht.  Jedes  Gebet 
wird  für  sich  gesondert  verrichtet,  es  tritt  auch  jedesmal  ein  besonderer 
Vorbeter  auf.  Die  Richtung  bei  der  Tefilla  war  nach  Osten,  der  Beter 
dem  Allerheiligsten  des  Tempels  in  Jerusalem  zugewandt.  Am  Abend 
fand  ein  Gemeindegottesdienst  nicht  statt.  Der  Gottesdienst  ist  im 
allgemeinen  kurz,  ein  solcher  von  besonderer  Art  ist  der  des  Ver- 
söhnungstages; da  wird  der  ganze  Tag  der  Gebetverrichtung  geweiht, 
die  Liturgie  ist  ungewöhnlich  ausgedehnt,  so  daß  ihre  Länge  sprich- 
wörtlich geworden  ist. 

5.  Zum  Gottesdienste  gehörte  ferner  die  Schriftvorlesung.  An 
den  beiden  Markttagen.  Montag  und  Donnerstag,  am  Sabbat-Morgen 
und  -Nachmittag,  sowie  an  den  Festen  und  Halbfesten  wurde  aus 
der  Tora  vorgelesen,  an  den  Sabbaten  und  Festen  außerdem  aus  den 
Propheten.  Der  Schriftabschnitt  war  an  den  Wochentagen,  Festen 
und  Halbfesten  kurz,  nur  an  Sabbaten  länger,  aber  keineswegs  über- 
mäßig lang.  An  den  Festen  wurden  auf  sie  bezügliche  Abschnitte 
verlesen,  während  man  an  den  Sabbaten  schon  früh  dazu  überging. 


250  Geschichte  des  Gottesdienstes 

der  Eeilie  nach  zu  lesen,  ohne  an  einen  festen  Zyklus  gebunden  zu 
sein.  Die  Vorlesung  wurde  von  Gemeindemitgliedern,  die  einander 
ablösten,  und  überall,  auch  in  der  Diaspora,  wenn  es  irgend  angängig 
war,  in  hebräischer  Sprache  gehalten,  im  Notfalle  war  auch  die  Landes- 
sprache zugelassen.  An  die  Vorlesung  schloß  sich  die  Übertragung 
und  Auslegung  des  Schriftabschnittes  an.  Ursprünglich  waren  beide 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  identisch,  die  Übertragung  war  nicht 
wörtlich,  sie  enthielt  zugleich  die  Auslegung,  in  unserer  Epoche  aber 
waren  beide  bereits  voneinander  getrennt,  die  Auslegung  war  selbst- 
ständig geworden,  die  Schrifterklärer  hielten  sich  nicht  mein*  immer 
an  den  Wortlaut  der  vorgelesenen  Perikope,  sondern  knüpften  daran 
freie,  unabhängige  Betrachtungen  über  ein  ihnen  naheliegendes  Thema 
an;  Gegenstand  der  Erörterung  waren  Einzelheiten  der  religiösen  Praxis, 
vornehmlich  aber  die  Religionsanschauungen  und  Zukunftshoffnungen. 
6.  In  den  hellenistischen  Ländern  standen  nach  Philos  Schil- 
derung, die  sich  allerdings  auf  die  Sabbate  beschränkt  und  offenbar 
von  dem  Bestreben  geleitet  ist,  dem  Bilde  einen  möglichst  philoso- 
phischen Anstrich  zu  geben,  Vorlesung  und  Auslegung  der  Bibel  im 
VordergTunde,  sie  füllten  den  ganzen  Sabbat  bis  zum  späten  Abend 
aus,  sie  machten  die  Synagogen  zu  Lehrstätten  der  Aufklärung  und 
Tugend.  Wie  die  Gebete  dort  beschaffen  waren,  wissen  wir  nicht, 
wir  dürfen  voraussetzen,  daß  zumindest  die  Bekenntnisstücke  eben- 
falls vorgetragen  wurden.  Von  den  Therapeuten  hören  avÜ',  daß  sie 
jeden  Morgen  und  x\bend  ein  Dankgebet  für  das  physische  und  das 
geistige  Licht  an  Gott  richteten,  daß  sie  am  Sabbat,  insbesondere  aber 
an  ihrem  großen  Feste,  in  der  Xacht  des  siebenten  Sabbats,  Dank- 
gebete, Psalmen  und  selbstverfaßte  Hymnen  sangen.  Die  Sprache 
der  Diasporasynagogen  war  die  griechische,  selbst  in  Palästina  ver- 
wendeten die  Hellenisten  in  den  Synagogen  das  Griechische  als  Gebet- 
sprache. Der  Vortrag  der  Gebete  geschah  in  derselben  Weise  wie  in 
Palästina,  ein  Vorbeter  sprach  sie  laut,  die  Gemeinde  verhielt  sich 
im  allgemeinen  ruhig  und  fiel  nur  bei  den  Responsionen  ein. 

§  36.     Der  Gottesdienst  in   der  tannaitischen  Zeit. 
II.    Nach  der  Zerstörung  des  Tempels. 

Literatur:  Herzfeld,  das.;  Graetz,  Geschichte  VI;  Sachs,  das. 
L  Der  Untergang  des  jüdischen  Staates  hat  auf  die  Entwicklung 
des  Gottesdienstes  nicht  mehr  Einfluß  geübt  als  irgend  ein  anderes 


Der  Ciul tosdienst  nach  der  Zcrsliuung  des   Tempels  2;")! 

wicht i^os  Eroifi:nis  der  natioiialon  (lescliichtc.  Die  Zerstörung  des 
'IVinpels,  das  Aiifhüron  dos  OptVrktdtus  hatten  für  den  (jottesdienst 
keineswegs  eine  starke  Krschütteruiig  im  Gefolge,  seine  Stellung  iin 
reliii:iösoii  Lehen  war  schon  vorher  (k'rarl  gefestigt,  daß  in  keiner  Weise 
ein  benierkensAverter  Umschwung  eintrat.  Es  ist  jedoch  klar,  daß  der 
(lottesdienst  der  Synagoge  nunmehr  den  Mittelpunkt  der  gesamten 
(lOttesverehrung  bildete,  daß  er  nicht  nur  in  der  praktischen  Durch- 
führung, sondern  vor  allem  auch  im  religiösen  Denken  und  in  der 
Theologie  eine  dominierende  Stellung  erhielt.  Bis  dahin  wurde  nicht 
nur  in  den  Synagogen,  sondern  auch  im  Temix'l  gebetet,  viele  gingen 
dorthin  und  nahmen  an  den  (lebeten  teil,  von  jetzt  ab  war  die  Synagoge 
die  einzige  Stätte,  an  der  die  Clemeinde  iJiren  Gottesdienst  verrichtete. 
Der  Denkweise  einer  späteren  Zeit  gehört  die  Theorie  an,  daß  die  Ge- 
bete einen  Ersatz  für  die  Opfer  bilden,  das  war  eine  nicht  ganz  sinn- 
gemäße Auffassung  des  l'rophetenwortes  irrETi"  a"»"^!:  ~^bTr:i  (Hos.l4  •!'), 
daß  das  Wort  der  Lippen  die  Opfertiere  aufwiegen  soll.  Die  Zeit- 
genossen der  Tempelzerstörung  dachten  nicht  so.  Jochanan  b.  Sakkai 
erklärte  bekanntlich  die  Werke  der  Nächstenliebe  als  Ersatz  für  das 
Opfer  und  von  keiner  Autorität  der  tannäischen  Zeit  sind  die  Gebete 
als  Ersatz  für  das  Opfer  erklärt  worden;  man  paßte  die  Gebetzeiten  an 
die  der  Opfer  an,  lebte  aber  im  übrigen  der  Überzeugung,  daß  die  Ein- 
richtung der  Gebete  ebenso  wie  die  der  Opfer  in  die  graue  Vorzeit 
zurückreiche.  Der  Gottesdienst  hatte  ja  auch  früher  neben  dem 
Opfer  bestanden  und  existierte,  als  dieses  aufgehört  hatte,  in  seiner 
alten  Kraft  weiter.  Die  Gebetordnung  als  Ganzes  konnte  völlig  im- 
verändert  bleiben,  an  den  Einzelheiten  der  Gebete  freilich  mußte 
mancherlei  umgearbeitet  werden,  um  den  neuen  Verhältnissen  Rech- 
nung zu  tragen.  Das  geschah  nicht  durch  Beseitigung  der  nicht  mehr 
zeitgemäßen  Stellen,  sondern  durch  Veränderung  ihres  Tenors;  nach 
^Möglichkeit  wurden  sie  im  herkömmlichen  Wortlaut  erhalten,  nur 
wurden  kleine  Zusätze  eingefügt,  die  den  Sinn  in  einer  Weise  um- 
bogen, daß  er  der  neuen  Lage  entsprach.  So  wurde  damals  und  auch 
später  immer  verfahren,  wenn  eingreifende  Umgestaltungen  sich  als 
notwendig  erwiesen,  und  in  jener  alten  Zeit,  die  sclu-iftlich  aufge- 
zeichnete Gebete  nicht  kannte,  mag  das  die  einzige  Möglichkeit  ge- 
wesen sein,  die  Kontinuität  zu  walu'en  und  die  Beter  nicht  in  Ver- 
wirrung zu  bringen.  Es  kam  hinzu,  daß  allgemein  auf  die  baldige 
Wiederherstellung  des  Tempels  gehofft  (npr-  r^n  r;:2^  n'nr)  und 


252  Geschichte  des  Gottesdienstes 

demnach  mit  der  Wiederbenutzung  der  Gebete  in  der  bisherigen  Form 
gerechnet  wurde. 

Die  Bitten  um  Annahme  der  Opfer  konnten  nicht  in  ihrem  Wort- 
laute bestehen  bleiben,  an  Stelle  der  Bitten  für  die  Erhaltung  Jerusalems 
traten  solche  für  seine  Wiedererbauung,  das  Erscheinen  des  Messias 
und  die  damit  verknüpfte  Umgestaltung  aller  Verhältnisse  wurden 
noch  dringlichere  Angelegenheiten  als  vordem.  Da  der  Gesang  der 
Leviten  verstummt  war,  erhielten  die  Psalmen  in  der  Synagoge  eine 
neue  Heimstätte,  einzelne  Fromme  machten  sie  zu  Bestandteilen 
ihres  täglichen  Gebetes.  Auch  der  Priestersegen  wurde  beibehalten, 
es  wurden  einige  neue  Bestimmungen,  wie  sie  der  veränderten  Sach- 
lage entsprachen,  geschaffen  und  er  wurde  in  die  Tefilla  aufgenommen; 
wo  Ahroniden  nicht  anwesend  waren,  trat  an  die  Stelle  des  Segens 
ein  Ersatzgebet,  innerhalb  dessen  der  Vorbeter  die  Worte  des  Segens 
rezitierte  (oben  S.  69).  Ebenso  galt  es,  Zeremonien,  die  bis  dahin  mit 
dem  Tempel  verknüpft  waren,  wie  Schofarblasen  am  Neujahrstage, 
Palme  und  Bachweide  am  Hüttenfeste  neu  zu  regeln ;  was  sich  irgendwie 
übertragen  ließ,    wurde  gerettet  und  dem  Gottesdienste  einverleibt. 

2.  Weitere  Neuerungen  ergaben  sich  aus  der  religiösen  Bewegung 
jener  Tage.  Die  Auseinandersetzung  mit  dem  jungen  Christentum 
ließ  sich  nicht  länger  aufschieben,  die  Juden-Christen  besuchten  nach 
wie  vor  die  Synagoge,  führten  dort  Bräuche  ein,  durch  die  sie  die  Beter 
irre  machten  (Meg.  Ende).  Ihrem  Glauben  an  den  auferstandenen 
Christus  entsprechend,  der,  je  länger  die  Bewegimg  dauerte,  immer 
mehr  göttliche  Attribute  annahm,  erweiterten  sie  die  schlichte 
Berachaformel  in  der  Weise,  ^\'ie  wir  es  in  den  erhaltenen  Resten  alter 
christlicher  Gebete  häufig  antreffen,  die  sehr  nahe  ans  Heidnische 
streifen.  Endlich  benutzten  sie,  wie  schon  das  Beispiel  der  Apostel 
zeigt,  wie  sich  aber  auch  aus  späteren  Nachrichten  ergibt,  die  Syna- 
gogen als  günstige  Gelegenheit  für  ihre  Propaganda,  sie  fungierten 
wie  die  anderen  Gemeinderaitglieder  als  Vorbeter  und  Prediger,  sie 
waren  so  in  die  Lage  versetzt,  ihren  Ideen  Ausdruck  und  weite  Ver- 
breitung zu  geben.  Gegen  das  Jahr  100  kam  es  zur  ernstlichen 
Trennung,  die  Juden-Christen  wurden  aus  der  Synagoge  verwiesen. 
Eine  der  Abwehrmaßregeln  war  die  Einführung  des  Gebets  gegen  die 
Minäer  D'^r^an  ronn,  das  Gamliel  II.  in  Jamnia  durch  Schemuel  ha 
Katan  abfassen  ließ  (bmi'ctü  1^7  "i'i:"^T2n  pdii  "ippb  rirc  3-S  C^  :2'Z2 
r^zpr^  "iiip"^  t*.  Ber.  28  b).  Es  war  der  ausgesprochene  Zweck  dieses 


Der  Ootli'Stiicrisl  iiacli   iln-  Zcrsloriiii;^'  di's  'l'ciiipris  25'5 

(ichctrs.  il(Mi  .Jiiclt'ii-CliristiMi  den  Autciil liiill  in  dci'  Syiia<;of^e  zu 
vcrliMdcii  oder  ganz  uninöglicli  zu  nuichcu.  (Icradc  bei  diesem  Ge- 
bete wurde  streng  daraul'  geaelitel.  daß  es  in  korrekter  Form  vorge- 
tragen, daü  die  Verwünseliungen  der  Miiiäcr  nicht  unterdrückt  wurden; 
ein  (^u-ist  konnte  demnach  nicht  mehr  als  Vorbeter  fungieren,  er 
konnte  al)er  auch  nichl  in  ih'U  Ixcihcn  (h'r  Beter  stellen  und  es  mit 
anhtiren,  wie  eine  solche  \'eiwünscliung  seiner  (lemeinschaft  ausge- 
sprochen nnd  allgemein  mit  Amen  beantwortet  wurde  (oben  S.  37  f.). 
Ks  gil)t  noch  eine  andere  Bestimmung,  die  ausschließlich  aus  der  Ge- 
^chichti>  jener  Zeit  befriedigend  erklärt  werden  kann.  Wofern  ein 
Kutäer  eine  Beracha  vorträgt,  darf  nur  derjenige  sie  mit  Amen  beant- 
worten, der  die  ganze  Benediktion  vernommen  hat  (Ber.  VIll,  Ende). 
Wenn  es  sich  um  die  Samaritaner  handelte,  wäre  eine  solclie  Strenge 
unbegreiflich,  denn  zugegeben,  daß  sie  das  Tetragramm  in  ungehöriger 
Weise  aussi)rachen,  so  genügte  es,  um  das  beurteilen  zu  können,  die 
Eulogie  zu  hören,  es  w'äre  nicht  der  gesamte  Wortlaut  der  Beracha 
dazu  erforderlich.  Sonst  wird,  selbst  wenn  man  von  einem  Heiden 
eine  Beracha  hört,  nicht  untersagt,  sie  mit  Amen  zu  beantw^orten, 
weshalb  dann  die  ungewohnte  Strenge  gegen  die  Kutäer?  Vergegen- 
wärtigen wir  uns  jedoch  die  Berachaformeln  der  alten  Christenheit 
wie  diese  Ei-/a()i(icoii.ii'r  aoi,  7idvEQ  rjitüjy,  vntq  ...  r^g  iyvwgioa^ 
t^ull•^la  IrfOul  lov  rcaidog  nov  ool  ij  doia  eig  roig  aiiova,:  (Did.  82) 
oder  gar  '()  O-edg  o  TtaruoviQavojQ,  b  aytvvr^rog  y.al  aTCQOoiiog,  .  .  . 
0  O-Eog  y.al  /lacr^q  rov  Xqigiov  oov  tou  f-ioroyspocg  v'iod  Gor  und 
andere  Gebete  der  Apostolischen  Konstitutionen,  so  finden  wir, 
daß  der  Anfang  und  der  Schluß  wohl  völlig  korrekt  jüdisch  sein 
könnten;  nur  in  der  Mitte  erscheinen  die  anstößigen  Stellen,  und 
darum  eben  wurde  verordnet,  daß,  wer  Amen  sagte  und  sich  zu  ihr 
bekannte,  die  ganze  Benediktion  gehört  haben  mußte.  Da  \\\r  wissen, 
wie  oft  in  den  Handschriften  T^ia  in  ^niD  oder  ähnliche  Bezeichnungen 
geändert  wurde,  werden  w^ir  auch  in  diesem  Texte  einen  solchen 
Wechsel  nicht  für  ausgeschlossen  halten,  wenn  auch  dadurch  die 
Bestimmung  bis  zur  Unverständlichkeit  entstellt  wurde. 

Zu  einer  Auseinandersetzung  drängte  fei'ner  das  Verhältnis  zu 
den  häretischen  Gnostikern.  Es  gab  verschiedene  Richtungen  unter 
ihnen,  die  einen  mögen  diese,  die  anderen  jene  Abweichung  vom 
Verhalten  der  Gesamtheit  gepflegt  und  gefördert  haben.  Verpönt 
wurde  besonders  die  Anschauung  der  Dualisten,   derer,  die  an  zwei 


254  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Gewalten  glaubten,  die  darum  gemsse  Worte  im  Gebete  ständig 
wiederholten  (:7Btl'  y^C  ,3''"1^  2"'"i^'a).  Andere  mögen  mit  dem  Ge- 
bete magische  Vorstellungen  verbunden  und  zu  diesem  Zwecke 
Umstellungen  der  Worte,  sogar  völlige  Umkehr  der  Reihenfolge  (""^Eicb) 
gewälilt  haben.  Endlich  gab  es  solche,  die  nur  bestimmte  Eigen- 
schaften Gottes  gelten  ließen,  die  seine  Güte  im  Gegensatz  zur  xUl- 
macht  betonten  und  auch  die  walu*e  Verehrung  Gottes  auf  die  Guten, 
als  bildeten  diese  einen  besonderen  Orden,  beschränkt  wissen  wollten. 
Alle  solche  Besonderheiten  wurden  mit  mehr  oder  weniger  Entschieden- 
heit zurückgewiesen,  am  schärfsten  naturgemäß  diejenigen,  die  gegen 
die  Lelu'e  von  der  Einheit  Gottes  verstießen.  Ein  durchschlagender 
Erfolg  wurde  nicht  sofort  erzielt,  und  manche  Abweichung,  die  be- 
reits im  zweiten  Jahrhundert  als  verpönt  galt,  treffen  wir  im  vierten 
vereinzelt  noch  immer  an. 

3.  Die  Xot  der  Zeit,  die  politische  Umwälzung  und  die  innere 
Gälmmg  legten  es  Gamliel  IL  nahe,  wie  in  \ielen  anderen  Dingen, 
so  auch  auf  dem  Gebiete  des  Gottesdienstes,  feste  Ordnungen  einzu- 
richten, das,  was  bis  dahin  auf  Grund  der  Tradition  gehalten  wurde, 
behördlich  zu  regeln  und  anzuordnen.  Die  zum  Bekenntnis  gehörigen 
Stücke  hatten  seit  langer  Zeit  ihre  Ordnung,  an  ihnen  gab  es  nicht  viel 
zu  verändern,  nur  wurde  für  das  Abendgebet  die  Erwähnung  des  Aus- 
zuges aus  ÄgyiJten,  die  ihm  früher  fehlte,  ebenfalls  vorgeschrieben. 
Freiheit  und  Willkür  herrschten  bis  dahin  in  bezug  auf  die  Tefilla. 
Es  wurde  daher  auf  Gamliels  Veranlassung  eine  Redaktion  (^"c)  der 
Tefilla  vorgenommen,  sie  war  die  Leistung  eines  sonst  unbekannten 
Simon,  dessen  Gewerbe  die  Flachsverwertung  war  ("ii"cn  ^'oipEJl  "jirrTt 
n:ni3  ^icn'-::^  yn  ^:sb  ns^l  n"^b.  Ber.  28b).  Die  Redaktion  ist  nicht 
als  eine  vollständige  Festlegung  des  Gebetes  von  Anfang  bis  zu  Ende 
zu  denken,  das  war  um  so  weniger  möglich,  als  jede  beliebige  Sprache 
für  die  Tefilla  zugelassen  wurde  (Sota  VII,  1).  Abweichungen  mi 
Wortlaute  kamen  weiter  vor  und  haben  nie  aufgehört,  ja  es  wurde 
noch  ein  Jahrhundert  nach  Gamliel  gefordert,  daß  der  Wortlaut  nicht 
gleichmäßig  bleibe,  sondern  stets  Neues  bringe  ("Ol  r.n  rnnb  ^ins 
b.  Ber.  29  b).  Die  Redaktion  bezog  sich  in  erster  Reihe  auf  die  Eu- 
logien  (riDin)  und  auf  ilu-e  Reihenfolge,  aber  auch  die  letztere  galt, 
wenigstens  in  der  Theorie,  nicht  als  unverbrüchlich,  sie  konnte  be- 
liebig gestaltet  werden  (^"io  '-c  '^üi  riij-^-^S  b.  Ber.  34  a).  Die  Haupt- 
sache war,  daß  die  Zahl  der  Eulogien  abgegrenzt  wurde;  sie  kam  auf 


Der  Gottesdienst  nath  der  Zerstörung  des  Tempels  255 

J8,  und  das  dehot  onipfiiip:  davon  scinon  Xanicn  pt-'S  tttt  ni'^TT;  eine 
solche  Abf^ronziuifi:  war  nur  dadurch  zu  erreichen,  daU  lüe  Zusainmen- 
fassun«!:  einiger  bis  dahin  getrennter  Stücke  empi'ohh'n  wurde.  Die 
Möglichkeit,  sie  gesondert  zu  halten,  wurde  jedoch  nicht  ganz  aus- 
geschlossen, in  einem  Falle  wurde  später  in  Babylonien  davon  Ge- 
brauch gemacht,  das  Gebet  erhielt  eine  besondere  Bitte  für  den  Messias 
aus  dem  Hause  Davids  als  neunzehntes  Stück. 

Sicherlich  war  es  schon  lange  vor  der  Redaktion  Brauch  gewesen, 
ilaß  die  Tefilla  nicht  nur  in  der  Gemeinde,  sondern  auch  von  einzelnen 
in  ilirer  häuslichen  Andacht  gebetet  wurde.  Früher  war  darin  die 
weitgehendste  Freiheit  möglich;  nun  aber  war  das  Gebet  ziemlich 
umfangreich  geworden,  es  erhob  sich  die  Frage,  ob  jedermann  auf  ein 
so  ausgedehntes  Gebet  verpflichtet  werden  sollte.  Im  Gegensatze  zu 
Gamliel  II.  waren  seine  Zeitgenossen  hierzu  nicht  geneigt,  ein  Teil 
wollte  das  Gebet  verkürzen,  ein  anderer  die  hergebrachte  Freiheit  in 
keiner  Weise  beschränken  (b.  Ber.  29  a),  tatsächlich  ist  eine  abkürzende 
Zusammenfassung  des  ganzen  Gebetes  oder  wenigstens  der  mittleren 
Stücke  (rnrr  ~:T2tr  'jir'y  ,i::i2n  das.)  im  Gebrauch  gewesen.  Wie 
stand  es  nun  beim  Gemeindegottcsdienste  ?  Bis  dahin  hatte  der  Vorbeter 
die  Tefilla  laut  vorgetragen,  auch  für  ihn  galt  die  erwähnte  weitgehende 
Freiheit  bei  ihrer  Fassung;  nunmehr,  wo  er  sich  an  eine  bestimmte 
Reilienfolge  und  an  vorgeschriebene  Eulogien  halten  mußte,  erhielt  er, 
bevor  er  das  Gebet  laut  vortrug,  einige  Zeit  zur  Überlegung  {'"'2'Ji  nibc 
Tas"b  Ipr'a).  Es  trat  demnach  im  Gottesdienste  eine  Pause  ein,  in 
der  sich  der  Vorbeter  sein  Gebet  zurechtlegte.  Sollten  in  dieser  Zeit 
die  anwesenden  Gemeindemitglieder,  soweit  sie  es  verstanden,  die 
Tefilla  leise  sprechen  oder  nicht?  R.  Gamliel  hielt  es  nicht  für  notwendig, 
offenbar  weil  er  auf  das  geraeinsame  Gebet  den  Nachdruck  legte, 
die  Entscheidung  jedoch  fiel  gegen  ihn  zugunsten  des  Einzel- 
g  e  b  e  t  s  aus,  von  da  ab  Avurde  die  Tefilla  zuerst  von  der  Gemeinde 
still  gesprochen,  dann  vom  Vorbeter  laut  vorgetragen.  Abgesehen  von 
vorübergehenden  und  vereinzelten  Abweichungen  hat  der  Brauch 
sich  bis  in  die  Neuzeit  unangetastet  und  unverändert  erhalten. 

r  Die  Tefilla  wurde  Bestandteil  eines  jeden  Gebets.  Auch  im  Abend- 
gebet, bei  dem  kein  öffentlicher  Gottesdienst  stattfand,  wurde  sie  für 
pflichtgemäß  erklärt.  Es  kam  zu  einem  schweren  Konflikte  wegen 
dieser  Frage,  der  eine  Spaltung  im  Kreise  der  Lehrer  von  Jamnia  herbei- 
zuführen drohte  und  Gamliel  II.  für  einen  Augenblick  sein  Amt  kostete. 


256  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Der  tiefere  Sinn  des  Streites  freilich  war  der,  ob  auch  das  Abendgebet 
einen  offiziellen  Charakter  erhalten  sollte  oder  nicht.  In  der  Theorie 
siegte  die  Meinung,  daß  die  Tefilla  ein  freiwilliger  Zusatz  in  ihm  wäre, 
in  der  Praxis  aber  blieb  sie  Bestandteil  des  Gebetes  und  nur  dadurch 
von  den  anderen  unterschieden,  daß  sie  nicht  wiederholt  wurde. 

Die  Diktion  in  der  Tefilla  war  schlicht  und  einfach,  die  Fassung 
der  Benedüvtionen  meist  kurz,  nach  Möglichkeit  an  die  Bibel  angelehnt, 
ganze  Verse  waren  wörtlich  übernommen.  Durch  den  häufigen  Ge- 
brauch wurde  sie  verbreitet  und  allgemein  bekannt  (ns2  n^l^TT), 
es  gab  viele,  die  sie  ohne  Hilfe  des  Vorbeters  zu  sprechen  verstanden. 
Vom  Synagogenbesuch  dürfen  wir  uns,  zumal  an  den  Wochentagen, 
keine  übertriebenen  Vorstellungen  machen;  die  Erwerbsverhältnisse 
gestatteten  es  nicht  allzu  vielen,  regelmäßig  daran  teilzunehmen,  selbst 
die  Gelehrten  waren  nicht  immer  bereit,  ilu'e  Vorträge  zu  unterbrechen 
und  sich  zum  Gebet  zu  begeben.  Mit  Rücksicht  auf  diese  Schwierig- 
keiten durfte  der  Gottesdienst  nicht  allzu  lange  Zeit  in  Anspruch 
nehmen,  für  sich  allein  konnte  jeder  beten,  solange  er  wollte,  aber  in 
der  Gemeinde  mußte  darauf  geachtet  werden,  daß  sie  nicht  unnötig 
belastet  wurde.  Die  Einbürgerung  des  Gebetes,  auch  in  den  Ki-eisen 
der  Privaten,  war  eine  vollständige.  Was  in  keiner  Religion  bis  dahin 
erreicht  war,  wurde  hier  durchgesetzt,  der  religiöse  Individualismus 
hat  einen  vollständigen  Sieg  errungen,  die  persönliche  Frömmigkeit 
hat  sich  derart  verbreitet,  daß  sie  späterhin  sehr  oft  den  Gemeinde- 
gottesdienst zu  beeinflussen  vermochte.  Das  alte  Privatgebet,  die 
a'i"in~  ,2"':i2nr,  blieb  auch  jetzt  bestehen,  es  folgte  auf  die  Tefilla  und 
war  derjenige  Teil  der  Liturgie,  der  von  allen  autoritativen  Verord- 
nungen unberührt  blieb.  Je  mehr  die  Liturgie  nach  festen  Regeln 
eingerichtet  wurde,  als  desto  segensreicher  erwies  sich  das  Vorhanden- 
sein eines  Gebets,  das  Sache  jedes  einzelnen  blieb,  in  dem  er  sich  frei 
bewegen  und  sein  Herz  ausschütten  konnte,  wie  es  ihn  drängte. 

4.  Weitere  Fortschritte  macht  in  unserer  Epoche  die  Differen- 
zierung der  Tefilla  für  die  verschiedenen  Zeiten,  insbesondere  für  aus- 
gezeichnete Wochentage.  Die  Unterscheidung  zwischen  Wochen-  und 
Festtagsgebeten  war  längst  erfolgt,  nunmehr  trat  sie  auch  für  die 
Wochentage  selbst  ein,  soweit  sie  einen  festlichen  Charakter  hatten, 
für  die  Neumonde  sowie  die  beiden  Dankfeste  Chanukka  und  Purim. 
An  den  Debatten  über  die  Gestaltung  der  Einschaltungen  finden  wir 
stets  Autoritäten  der  hier  behandelten  Epoche  beteiligt.  Ebenso  wenn 


Der  Gottesdienst  nach  der  Zerstörung  des  Tempels  257 

OS  sich  um  das  bosondoro  Ciohot  für  dio  Ro<;onzcit  oder  den  Platz  der 
Ilahdala  am  Sai)l)ataus<;ani!,i'  haiidell,  idjerall  keinen  dieselben  ,\anien 
wieder.  Wie  weit  aueli  der  Fcstgottosdienst  ausgestaltet  wurde, 
wissen  wir  nicht,  ein  Zufall  wird  es  kaum  sein,  wenn  gerade  K.  Akiba 
der  erste  ist,  von  dem  berichtet  wird,  daß  er  am  Versöhnungsieste  den 
ganzen  Tag  über  Gottesdienst  hielt;  vielleicht  gehen  schon  auf  jene  Zeit 
die  ersten  Spuren  von  Darstellungen  der  Aboda  zurück. 

5.  Auf  dem  Gebiete  der  Schriftvorlesung  gilt  es  bereits  als  Regel, 
(laß  der  Reihe  nach  der  ganze  Pentateuch  vorgelesen  wird,  aber  an 
eine  bestimmte  Zeit  war  die  Vorlesung  noch  nicht  gebunden,  der  Zyklus 
stand  noch  nicht  fest.  Auch  über  die  Zahl  der  Personen,  die  an  den 
Festen  an  der  Vorlesung  beteiligt  wird,  herrschen  noch  Meinungs- 
verschiedenheiten. Die  Schriftauslegung  bildet  nach  wie  vor  einen 
wichtigen  Bestandteil  des  Gottesdienstes  an  Sabbaten  und  Festen. 
Sie  hat  sich  allmählich  von  dem  Texte  emanzipiert  und  zu  freien 
Vorträgen  entfaltet.  Eine  gewisse  Konkurrenz  erhielt  sie  durch  die 
Vorträge  der  Gelehrten,  die  nicht  immer  in  der  Synagoge  stattfanden 
und  an  die  Schriftvorlesung  nicht  gebunden  waren.  Neue  religiöse 
Gedanken  hat  jene  Zeit  nicht  hervorgebracht.  Wenn  wir  die  Erlebnisse 
jener  Generation  uns  gegenwärtig  halten,  so  müssen  wir  die  Festig- 
keit ihres  Glaubens  bewundern.  Bei  allem  Sclnveren,  das  sie  erfahren 
hatte,  bei  aller  Xot  und  allem  Druck  hat  sie  sich  ein  starkes  Gott- 
vertrauen erhalten;  die  Zuversicht  in  Gottes  Gnade,  die  ein  Erbe  der 
Vergangenheit  war.  hat  sich  nicht  verloren,  die  religiöse  Stimmung 
ist  nicht  verdüstert  oder  getrübt,  mit  dem  Gebet  ist  die  unerschütter- 
liche Hoffnung  auf  seine  Erhörung  verbunden. 

6.  Der  Aufstand  unter  Bar  Kochba  und  die  hadrianischen  Ver- 
folgungen führten  den  völligen  Zusammenbruch  des  jüdischen  Ge- 
meinwesens, die  Zerstörung  aller  Verbände  und  Institutionen  herbei, 
hatten  die  Verlegung  des  Zentrums  des  jüdischen  Lebens  aus  dem 
Süden  Palästinas  nach  dem  Norden  zur  Folge.  Im  Zeitalter  der  Re- 
stauration (nach  140)  galt  es  zunächst,  die  Zerstreuten  zu  sammeln, 
die  alten  Ordnungen  wiederherzustellen.  Die  Männer,  welche  die 
klassische  Zeit  noch  gekannt  hatten,  waren  sämtlich  ausgestorben, 
infolge  der  gi-oßen  Erschütterung  w^ar  die  Tradition  gelockert,  in 
manchen  Stücken  unklar  geworden,  in  anderen  gänzlich  in  Vergessen- 
heit geraten.  Es  gibt  in  jeder  Gemeinschaft  zahlreiche  Institutionen, 
die  rein  gewohnheitsmäßig  weitergeführt  werden,  ohne  daß  man  sich 

Elbogen.  Der  jüd.   Gottesdienst.  1' 


258  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Über  das  Verfahren  bei  ilmen  Rechenschaft  ablegt;  erst  wenn  irgend- 
eine Unterbrechung  in  ihrer  regehnäßigen  ÜlDiing  eintritt,  beginnt 
man  über  die  Einzelheiten  nachzudenken,  die  dann  häufig  dem  Ge- 
dächtnisse entschwunden  sind  oder,  wie  sich  herausstellt,  sich  der 
Anschauung  nie  deutlich  eingeprägt  haben.  Nachdem  die  Gebet- 
versammlungen längere  Zeit  verboten,  die  in  Judäa  eingeführten 
Bräuche  vielfach  gestört  waren,  mußte  zunächst  an  die  Wiederher- 
stellung des  alten  Gottesdienstes  gegangen  werden.  Zweifellos  er- 
eignete sich  liierbei  bisweilen,  daß  die  maßgebenden  Männer  einseitig 
nur  ihre  persönliche  Überlieferung  oder  Anschauung  zur  Richtschnur 
nahmen  und  abweichende  Gew^ohnheiten  unterdrückten,  die  früher 
voll  anerkannt  waren.  In  der  Regel  wurde  jedoch  der  Tradition 
Rechnung  getragen,  weil  man  nur  so  den  Gottesdienst  in  der  rechten 
Art  verrichten  zu  können  glaubte. 

In  sehr  vielen  Fragen  des  Gottesdienstes  finden  wir  die  führenden 
Mäimer  der  hier  behandelten  Zeit  mit  Diskussionen  beschäftigt,  die 
einen  Einblick  in  die  neue  Richtung  und  die  neuen  Schwierigkeiten 
gewähren.  Bei  den  Neujahrsgebeten  z.  B.  begegnen  uns  immer  wieder 
dieselben  Namen  bei  der  Arbeit,  die  alte  Tradition  nach  Möglichkeit 
wiederlierzustellen.  Die  Reihenfolge  der  Gebete,  die  Herstellung  der 
Neunzahl,  die  Bibelverse,  die  Eulogien,  alles,  schien  mit  einem  Male 
unklar;  in  Whklichkeit  lag  es  so,  daß  vordem  mehrere  Bräuche  gleich- 
berechtigt nebeneinander  hergingen,  während  nunmehr  eine  einzige 
feststehende  Ordnung  gewünscht  wurde.  Derartige  Schwierigkeiten, 
die  bisweilen  durch  den  Einfluß  hervorragender  Persönlichkeiten, 
bisweilen  dmx-h  die  Verschiedenheit  der  lokalen  Sitten  bedingt  waren, 
mußten  überwunden,  entgegenstehende  Anschauungen  miteinander 
vereinigt  werden.  Wichtig  ist,  daß  selbst  in  jenen  Jahren  der  grau- 
samsten Verfolgung  der  Geist  der  alte  geblieben  war.  Von  trüben  Ge- 
danken der  Resignation  und  Verzweiflung,  von  einem  ungesunden, 
selbstquälerischen  Schuldbewußtsein  ist  nichts  zu  bemerken,  die 
frühere  Hoffnungsfreudigkeit  besteht  in  der  alten  Ki-aft  fort. 

7.  Neue  Gebete  sind  in  der  Zeit  kaum  eingeführt  worden,  allen- 
falls wurden  alte  erweitert.  Man  sieht,  daß  die  Zeit  nicht  mehr  die 
Kraft  zu  eigener  Betätigung  in  sich  fühlte  und  sich  an  dem  Besitze 
der  Vergangenheit  genug  sein  ließ.  Dementsprechend  wird  der  Ka- 
suistik über  die  Gebete  die  peinlichste  Aufmerksamkeit  gewidmet. 
Gebetzeiten  z.  B.  haben  auch  früher  bestanden,  nach  althergcbiachter 


Der  Gottusdieiist  nach  dorn    Har   Kochba- Kriege  259 

Sitte  vei'sanimcltc  man  sich  zu  den  ji^cwohnleii  Stunden  im  (jottes- 
hause.  Nunmehr  aber  wird  darüber  einf^ehend  rellektiert  und  beraten, 
es  werden  die  Anfangs-  und  Kndslunden,  zu  denen  jedes  Gebet  statt- 
liafl  ist,  abgegrenzt;  die  t'iiiheren  (lest  lilcciiter  gestatteten  sich  mehr 
Freiheit  (hirin.  die  späteien  wünschten  in  aHen  Dingen  genaue  N'or- 
schril'ten,  feste  Ordnungen.  Ks  galt  aligemein  als  (irund.-atz,  daß 
man  im  Einklang  mit  der  Tradition  der  Vergangenheit  bleiben  müßte. 
J)a  aber  die  Lehensverhältnisse  andere  geworden  waren  und  die  Be- 
ziehungen der  alten  Überlieferung  nicht  mehr  immer  deutlicli  waren, 
führte  das  vielfach  zu  Mißverständnissen  und  irrigen  Ik^stimmungen. 
Der  grundsätzliche  Irrtum  ist  der,  daß  jede  Einzelheit  des  Gottes- 
dienstes als  auf  altüberlieferten  Gesetzen  lieruhend  gedacht  wird, 
während  in  Wirklichkeit  die  meisten  sich  in  freier  Entwicklung 
herausgebildet  haben.  Auch  Störungen,  die  beim  Gottesdienst  ein- 
treten können,  gel)en  Anlaß  zu  zalilreichen  Erörterungen.  Dabei  ist 
das  Ziel,  das  offenbar  den  Gelehrten  vorschwebt,  die  Einzelfälle  nach 
Möglichkeit  zu  erschöpfen,  in  keinem  Falle  erreichbar.  Selbst  über 
den  Umfang  der  Aufmerksamkeit,  die  dem  Gebete  gewidmet  werden 
muß  (nro),  wird  verhandelt.  Man  darf  freilich  nie  vergessen,  daß  die 
in  der  Halacha  niedergelegten  Bestimmungen  nur  die  äußere  Korrekt- 
heit betreffen ;  sie  sind  etwa  den  Gebetordnungen  oder  Agenden  unserer 
Tage  zu  vergleichen.  Die  innere  Frömmigkeit  war  Sache  des  einzelnen, 
sie  wurde  in  den  liagadischen  Erörterungen  besprochen;  dieselben 
Lehrer,  die  in  der  Halacha  dialektisch  vorgehen  und  das  Gebet 
in  Ketten  schlagen,  haben  in  der  liagadischen  Auslegung  und  Er- 
mahnung ganz  andere  Anschauungen  darüber  geäußert.  Es  ist  ein 
Geist  tiefer  Frömmigkeit  und  lebendiger  Religiosität,  den  ilire 
Worte   atmen. 

Der  Richtung  der  Zeit  entsprechend  werden  die  Besonderheiten 
der  Gebete  an  ausgezeichneten  Tagen  behandelt,  die  Veränderungen, 
die  Einschaltungen  und  etwa  dabei  mögliche  Irrtümer.  Die  Juristen 
haben  sich  der  Frage  bemächtigt,  sie  regeln  sie  nach  ihrer  Art  durch 
Aufstellung  von  Ordnungen;  da  nichts,  was  zum  Gottesdienst  gehört, 
aufgeschrieben  werden  darf,  ist  die  Ausarbeitung  einer  Agende  nicht 
möglich  und  so  müssen  all  diese  Einzelheiten  der  kasuistischen  Dis- 
kussion nnterworfen  werden.  Das  Leben  und  die  whkliche  Andacht 
blieben  vom  Streite  der  Gelehrten  zunächst  unberührt,  es  blieb 
innerhalb   des  Gottesdienstes  viel  Freiheit   bestehen,   von  späteren 

17* 


260  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Zeiten  jedocli  wurden  solche  Auseinandersetzungen  aufgegriffen,   als 
maßgebend  angesehen  und  zum  kodifizierten  Recht  erhoben. 

§  37.     Der  Gottesdienst  in  der  amoräischen  Zeit. 

Literatur:  Zimz,  das.:  Graetz,  Geschichte,  IV ^,  besonders  Note  39, 
S,  464  ff. 

1.  Einen  wdehtigen  Fortscliritt  in  der  Entwicklung  des  Gottes- 
dienstes brachte  die  amoräische  Zeit.  Die  bereits  hervorgehobene 
Schwierigkeit,  daß  in  den  Quellen  Berichte  aus  langer  Zeit  unver- 
mittelt nebeneinander  stehen,  liegt  auch  hier  vor,  denn  es  ist  die  Arbeit 
von  drei  Jaln'hunderten,  über  die  der  Talmud  gemeinsam  berichtet, 
ohne  daß  es  immer  leicht  ist  zu  unterscheiden,  was  einer  früheren  und 
was  einer  späteren  Generation  angehört.  Die  Amoräer  fanden  einen 
Stamm  von  Gebeten  bereits  vor,  das  Gemeindegebet  war  aller  Orten 
seit  langer  Zeit  eingeführt,  die  einzelnen  waren  daran  gewöhnt,  ihre 
Andacht  regelmäßig  zu  halten;  auf  dem  Boden  des  Bestehenden 
wurde  nunmehr  die  weitere  Entwicklung  angebahnt.  Sie  vollzieht 
sich  in  Palästina  und  Babylonien  gleichzeitig,  aber  nicht  gleichmäßig; 
wie  in  vielen  anderen  Gebieten  bilden  sich  auch  in  den  Gebeten  gewisse 
Unterschiede  heraus,  der  Ritus  in  Palästina  wird  ein  anderer  wie 
der  in  Babylonien. 

2.  Das  Bestreben  der  Amoräer  ging  in  erster  Reihe  dahin,  feste 
Formen  für  den  Gottesdienst  zu  schaffen,  allgemeingültige  Ordnungen 
einzuführen,  von  denen  nicht  abgewichen  werden  sollte.  Das  konnte 
am  besten  gelingen,  wenn  alle  Glieder  der  Gemeinde  am  Gebet 
der  Gemeinde,  am  Gottesdienste  in  der  Synagoge  teilnahmen. 
Gegenüber  dem  Schweigen  der  vorangegangenen  Zeit  ist  es  mehr  als 
auffallend,  welch  hohe  Bedeutung  von  den  Amoräern  dem  Gottes- 
dienste in  der  Gemeinde  beigelegt  mrd.  Aus  der  außerordentlich 
großen  Anzahl  von  Aussprüchen,  in  denen  dieser  Gedanke  zum  Aus- 
druck gelangt,  können  hier  nur  einige  wenige  angefülirt  werden;  am 
Anfange  des  Tr.  Berachot  begegnen  sie  uns  auf  jeder  Seite.  „Wo  zehn 
beten",  so  lesen  wir,  „weilt  Gottes  Majestät  unter  ihnen".  „Gott  selbst 
befindet  sich  in  der  Synagoge"  oder  gar  ,,das  Gebet  findet  überhaupt 
nur  Erhörung,  wenn  es  in  der  Synagoge  gesprochen  wird"  (b.  Ber.  6  a  f.). 
Darum  wird  es  als  sehr  verdienstvoll  hingestellt,  die  Synagoge  zu  be- 
suchen, als  häßlich,  es  zu  unterlassen;  die  Babylonier  sind  berühmt  und 


l)t'r  Gottesdienst  in   der  amoräischeii   Zeit  261 

{^oscliälzt,  weil  sie  des  MorRons  früh  und  des  Aheiids  spät  die  Syiiaj^oge 
aul'siK'lileii  (das.  8  a).  Ks  fehlt  auch  nielil  an  \Vi(leis|)rucli  {^egen 
eine  solche  Bewertung.  Den  Gelehrten  gefiel  es  durcliaus  nicht  immer, 
daß  die  rnterhreclumg  der  Lehrvorträge  zugunsten  des  Synagogen- 
hesuches  eintreten  sollte,  sie  erklärten,  in  bewußtem  Gegensätze  zu 
jener  Überspannung,  die  vier  Wände  des  Lehrhauses  für  Gott  wohl- 
gefälliger als  alle  Bethäuser  (R.  Chisda  das.),  und  manche  von  ihnen 
verrichteten  ihr  Gebet  dort  im  Tichrhause,  wo  sie  ihre  Vorträge  hielten; 
ja  es  konnte  sogar  vorkoniiuen,  daß  Gelehrte  im  Bet hause  selbst 
während  eines  Teiles  des  Gottesdienstes,  während  der  Toravorlesung 
z.   H.,  ihre  Studien  fortsetzten  (das.). 

Aber  auch  wer  nicht  in  der  Synagoge  betete,  sollte  nach  der  da- 
maligen Anschauung  wenigstens  zur  gleichen  Zeit  wie  die  Gemeinde 
sein  Gebet  verrichten,  denn  das  wäre  die  vom  Psalmisten  erwähnte 
G  n  a  d  e  n  s  t  u  n  d  e  (1"I21  rr).  Es  sei  hier  nur  eine  Erzählung 
angeführt,  die  auf  die  behandelten  Bestrebungen  ein  helles  Licht 
wirft.  Wh'  lesen  b.  Ber.  7  b:  R.  Jizchak  sprach  zu  R.  Nachman  (b. 
Jakob  um  300):  AVarum  kommt  mein  Herr  nicht  in  die  Synagoge, 
um  zu  beten?  —  ,,lch  kann  es  nicht".  —  Dann  sollte  er  zehn  Männer 
bei  sich  versammeln  und  beten.  —  ,,Ist  mir  zu  beschwerlich".  —  Dann 
sollte  er  dem  Vorbeter  den  Auftrag  geben,  ilim  von  der  Stunde,  in  der 
die  Gemeinde  betete,  Mitteilung  zu  machen!  —  „Ja,  was  soll  denn 
das  alles?"  —  Dem  Worte  R.  Jochanans  genügen,  der  im  Xamen 
Simons  b.  Jochai  überliefert :  der  Psalmvers  69 14  hat  folgenden  Sinn : 
,,wann  ist  die  rechte  Zeit  des  Wohlgefallens?  in  der  Zeit,  in  der  die 
Gemeinde  betet.'"  Das  Gespräch  der  beiden  Gelehrten  ist  außerordent- 
lich lehrreich,  der  Eifer  des  einen  und  das  Staunen  des  anderen  sind 
in  gleicher  Weise  bezeichnend,  R.  Nachman  hat  offenbar  keine 
Ahnung  von  den  Bestrebungen,  die  seinem  Ausfrager  eine  wirkliche 
Herzensangelegenheit  sind. 

Ebenso  wie  die  Gemeinde  soll  auch  der  einzelne  danach  streben, 
stets  an  demselben  Platze  zu  beten.  Das  Gotteshaus  ist  ein  ,. Heilig- 
tum im  Kleinen",  es  werden,  wie  wii'  sehen  werden,  eine  Anzahl  Forde- 
rungen an  seine  Lage,  seine  Bauart  gestellt,  die  es  dem  großen  Heilig- 
tume  gleichsetzen.  Aber  auch  im  eigenen  Hause  müssen  in  dem  Räume, 
der  zum  Gebet  verwendet  wird,  einige  dieser  Bedingungen  erfüllt 
sein.  Entsprechend  der  Bedeutung  des  Gebets  muß  es  das  erste  sein, 
womit  der  Mensch  seinen  Tag  beginnt,  vorher  darf  weder  irgend  eine 


262  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Arbeit  unternommen,  noch  irgend  etwas  genossen  werden;  die  älteren 
Amoräer  pflegten  noch  das  Tagewerk  mit  dem  Lehrvortrag  zu  be- 
ginnen, das  galt  den  jüngeren  als  durchaus  ungehörig  (b.  Ber.  14  b). 
E  i  n  Gebet  ist  es  besonders,  dessen  Verbindlichkeit  eingeschärft  wird. 
Das  M  i  n  c  h  a  gebet  hatte  eine  recht  ungünstige  Stellung,  außerhalb 
des  Tempels  war  es  schwer  durchführbar;  mitten  am  Tage  gehalten, 
störte  es  den  Beruf,  und  am  Abend  kollidierte  es  leicht  mit  dem  Abend- 
gebete. Es  ist  gar  keine  Frage,  daß  es  häufig  vernachlässigt  wurde, 
es  mußte  daher  eindringlich  eingeschärft  werden,  ,,auf  das  Mincha- 
gebet  besonders  bedacht  zu  sein"  (b.  Ber.  6  b,  vgl.  28  b).  Auch  das 
Abendgebet  wurde  zum  Gemeindegebet  erhoben  und  unmittelbar  beim 
Einbrüche  der  Nacht  gesprochen,  die  Folge  war,  daß  später  das  Lesen 
des  Schma  kurz  vor  dem  Schlafengehen  noch  einmal  angeordnet  und 
daß  auf  diese  Weise  ein  neues  Xachtgebet  (pz'cr,  i:~  "rr  rs«i-!p)  ein- 
geführt wurde. 

Bei  der  gesteigerten  Bedeutung,  die  dem  Beten  beigemessen  wurde, 
galten  lange  Gebete  nicht  als  verpönt,  sie  wurden  vielmehr  als  Ge- 
währ sicherer  Erhörung  angesehen;  besonders  für  Notstände,  für 
Zeiten  der  Gefalir  wurden  Einschaltungen  gestattet,  selbst  ihre  Auf- 
nahme innerhalb  der  Tefilla  nicht  verwehrt.  Die  alte  Techinna  be- 
stand als  Privatgebet  fort,  aber  die  Kunst,  selbständig  zu  beten,  das 
Vertrauen  zum  eigenen  Gebete  waren  im  Schwinden,  man  nahm  zu 
den  Mustern  die  Zuflucht,  welche  berühmte  Männer  darboten,  ihre 
Privatgebete  wurden  der  Gesamtheit  überliefert  und  dann  nach- 
geahmt. 

3.  Der  Sinn  der  Zeit  für  das  Gebet  prägt  sich  in  der  weiteren  Aus- 
gestaltung der  bereits  vorhandenen  Vorlagen  aus,  die  einfachen  For- 
meln werden  ausgebaut,  an  Stelle  der  gleichmäßig  wiederkehrenden 
Gebete  treten  verschiedenartige.  Insbesondere  in  Babylonien  wurde 
eine  große  ^Mannigfaltigkeit  der  gottesdienstlichen  Formen  und  For- 
meln geschaffen.  Die  intensivere  Pflege  des  religiösen  Lebens,  die 
Heranziehung  der  breiten  Massen  zur  religiösen  Betätigung  vom  Be- 
ginne des  amoräischen  Zeitalters  an  prägt  sich  auf  unserm  Gebiete 
recht  deutlich  aus.  Mar  Samuel  und  sein  Genosse  Abba  Areka,  als 
Lehrer  schlechthin  Rab  genannt,  die  Begründer  des  Talmudstudiums 
in  Babylonien,  haben  auch  für  den  Gottesdienst  Außerordentliches 
geleistet,  fast  in  allen  Gebeten  finden  wii-  die  Spuren  iln-er  Tätigkeit. 
An  der  Formulierung  der  Beracha  finden  wii-  Rab  beteiligt  (b.  Ber.  12  a). 


her  <'.()ltcs(ii('iist   in  der  aiiiuraisclion   Zfil  263 

Die  T^ciu'iliktioncii  vor  iiiul  nach  doiii  Scliiiia,  die  iirs|)rüii;flicli  für 
Muri!;i'n  uiul  AIxmkI  j^lcicli  laiitcii.  werden  variiert,  von  Sanuiei  riilirt 
nm  ~n~s  im  Morii;engel)et  lier(l).  Ker.  II  h),  anf  l\al)  gellt  die  l'nler- 
selieidnni;-  von  n^'j:"'"  rrs  nnd  r.rrs"  r"C5<  znrüek  (das.  12  b).  Beide 
beseliät'tii!;en  sieh  mit  der  Abkiirznng  der  Tefilia,  Saninel  überliefert 
die  zusammenfassende  Formel  """'^n  (das.  29  a);  Kab  hingegen  ist 
an  der  Einführung  der  Bitte  für  den  Messias  aus  dem  Hause  Davids 
beteiligt  (b.  Sanh.  107  a),  die  aus  Verehrung  für  das  Kxilarehenhaus 
in  Babylonien  abgefaßt  wurde  (b.  Pes.  117  b).  Beim  Sabbat-  und 
Festgottesdienste  sind  die  Einwirkungen  der  beiden  Gelehrten  noch 
iiaehhaltiger,  denn  wahrscheinlich  ist  überhaupt  erst  in  ihrer  Zeit 
manches  von  dem,  was  wir  heute  besitzen,  neu  geschaffen  worden. 
So  wurde  in  Babylonien  in  jener  Zeit  der  Abendgottesdienst  am  lüin- 
gang  der  Sabbate  und  Festtage  eingerichtet,  am  Freitag  Abend  sogar, 
um  dem  Gebet  eine  längere  Ausdehnung  zu  geben,  mit  einer  eigenen  Art 
von  Wiederholung  der  Tefilia  (rnr  ]-'"'C  rns«  res  oben  S.  111).  Auch 
die  Einfügung  der  Bibelverse  in  die  Tefilia  für  Freitag  Abend  wird 
auf  Rab  zurückgeführt  (b.  Schabb.  114  b),  und  wahrscheinlich  sind  sie 
von  da  aus  auch  in  die  anderen  Tefillas  des  Tages  eingedrungen.  Die 
^lusaftefilla  wurde  in  Erinnerung  an  ihren  Ursprung  aus  den  Maamad- 
versammlungen  (oben  S.  237)  nur  als  Gemeinde  gebet  gehalten, 
so  kannte  und  verordnete  sie  noch  Mar  Samuel,  doch  schon  zu  seiner 
Zeit  hatten  auch  Private  begonnen,  sie  zu  sprechen.  Im  Wortlaute 
war  sie  den  anderen  Tefillas  gleich  (vgl.  "^b::  -"m  "'bii  b.  Ber.  30  b), 
Rab  jedoch  brachte  sie  mit  dem  Musaf  o  p  f  c  r  in  Verbindung  und 
forderte  infolgedessen  eine  Änderung  des  Wortlautes,  er  wünschte 
darin  einen  Hinw-eis  auf  das  Opfer  (j.  Ber.  IV,  6,  f.  8  c).  Logisch 
gedacht  war  das  nicht,  denn  wären  die  Gebete  als  Stellvertretung  der 
Opfer  anzusehen,  dann  müßten  auch  das  tägliche  Achtzehngebet 
und  die  anderen  Sabbat-  und  Festgebete  eine  Erwähnung  ihrer  Eigen- 
schaft als  Ersatz  des  Opfers  enthalten,  dennoch  ist  die  Forderung, 
die  einer  damals  weitverbreiteten  Anschauung  entsprach,  durch- 
gedrungen, das  Musafgebet  erhielt  einen  derartigen  Zusatz.  Die 
Folge  der  Einfügung  war,  daß  in  das  Musaf  der  Festtage  auch  ein 
Hinweis  auf  die  einstmalige  W^allfahrt  aufgenommen  und  daß  später 
für  die  Musaftefilla  eine  neue  Einleitungsformel  (iri<i:n  ■^:e12"')  ver- 
faßt wurde,  so  daß  sie  ein  von  den  andern  ganz  und  gar  verschiedenes 
Aussehen  erhielt.    Für  die  Festtage  haben  wir  von  beiden  ferner  das 


264  Geschichte  des  Gottesdienstes 

am  Sabbatausgang  einzuschaltende  Stück,  die  babylonische  ,, Perle" 
"!:7"'"i^n,  zu  der  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  auch  n:rini  nri?  und 
"1:3  irn  gehören  (oben  S.  133).  Auch  an  den  Gebeten  zur  Begleitung 
des  Sündenbekenntnisses  am  Versöhnungstage  sind  beide  beteiligt 
(b.  Joma  87  b),  für  die  Tefilla  der  10  Bußtage  führt  Hab  die  Formeln 
•j:Mpn  i;b'Qn  und  -jstt^-  Y-''2n  ein  (b.  Ber.  12  b).  Recht  deutlich  ist 
die  Art  seiner  Tätigkeit  an  der  Bearbeitung  der  Xeujahrsgebete  zu  er- 
kennen. Die  Einleitung  zu  den  niTiDT  heißt  in  den  Quellen  ausdrück- 
lich 3"i  "»n"  55r:^''"'pn,  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  gehören  ihm  aber 
auch  die  Einleitungen  zu  den  beiden  anderen  Stücken  an.  Vorher 
bestanden  alle  drei  aus  Bibelversen,  die  lose  aneinandergereiht 
und  durch  eine  Eulogie  abgesclüossen  waren,  Rab  war  es,  der  sie  zu 
Gebeten  ausgestaltete,  indem  er  zunächst  den  Sammlungen  von 
Bibelstellen  Einleitungen  vorausschickte  und  darin  den  religiösen 
Gedanken  dieser  dem  Neujahrstage  eigentümlichen  Gebete  zusammen- 
faßte, sodann  aber  sie  durch  eine  ihrem  Inhalte  angepaßte  Bitte 
abschloß.  Die  Anlage  aller  drei  Stücke  ist  so  gleichmäßig,  daß  wir 
an  ihrem  gemeinsamen  Ursprünge  zu  zweifeln  keine  Ursache  haben, 
ihre  Gedanken  sind  so  erhaben,  ilire  Sprache  ist  so  edel,  daß  wir  Rab 
als  Beter  einen  recht  hohen  Rang  zuerkennen  müssen. 

Es  wären  noch  viele  Einzelheiten  hervorzuheben,  die  auf  ihn 
und  Mar  Samuel  zurückgehen  (vgl.  z.  B.  b.  Ber.  60  b,  j.  das.  I,  8  f.  3  d 
über  a">n^,  j.  Sukka,  III  4),  sie  verraten  alle  das  gleiche  Bestreben, 
den  Gottesdienst  und  die  Gebete  einheitlich  auszugestalten,  die  vor- 
handenen Gebete  weiter  auszubauen  und  Lücken  durch  Einführung 
neuer  zu  ergänzen. 

In  Palästina  ist  ilir  Zeitgenosse  R.  Jochanan  nach  derselben 
Richtung  hin  bemüht  gewesen,  auch  von  ihm  ist  eine  große  Zahl  von 
Einzelheiten  überliefert,  die  ihn  bei  der  Schaffung  einer  Ordnung  im 
Gottesdienste  zeigt.  Daß  er  ebenfalls  neue  Texte  abgefaßt  hat,  wird 
nicht  berichtet,  es  ist  auch  nicht  sehr  wahrscheinlich,  daß  er  es  getan, 
denn  es  lag  für  die  palästinischen  Autoritäten  keinerlei  Veranlassung 
vor,  ihre  alte  Überlieferung  zu  verlassen  und  neue  Gebete  dafür  ein- 
zusetzen. 

Von  späteren  Amoräern  treten  die  Xamen  Abbaje  und  Raba 
wieder  im  Zusammenhange  mit  Fragen  der  Gebetordnung  häufiger 
hervor  (vgl.  z.  B.  b.  Ber.  27  b.  29  a:  Pes.  117  b;  Joma  87  a;  Sota  40  a 
u.  ö).   Xicht  minder  hat  sich  ihr  Jünger  R.  Papa  an  der  Ausgestaltung 


Der  dollesdiensl  in  cIlt  amuraisclien  Zeit  265 

der  (iebt'tc  l)etoilis:t.  meistens  iiaeli  der  Rielitiin«;  hin,  daß  er  in  den- 
jenigen Fällen,  in  denen  eine  nielirl'aelie  Cberliel'erung  von  Gebeten 
oder  Eulogicn  vorlag,  empfohlen  hat,  die  Texte  zu  vereinigen  und 
auf  diesem  Wege  der  Sehwierigkeit  der  Entscheidung  aus  dem  Wege 
zu  gehen. 

4.  Was  die  Quellen  au  lunzelheiten  uiul  besonders  an  datier- 
baren über  lue  Ausgestaltung  der  Gebete  in  der  amoräischen  Epoche 
berichten,  ist  im  Verhältnis  zu  der  langen  Zeit  blutwenig,  doch  es 
verlohnt  einmal,  im  Zusammenhange  zu  betrachten,  wie  weit  die  Ent- 
wicklung des  Gottesdienstes  damals  gediehen  sein  mag.  Da  ergibt 
sich  folgendes :  Die  gottesdienstliche  Ordnung,  soweit  es  sich  um 
Gebetzeiten  und  um  den  Aufbau  der  Liturgie  handelt,  steht  im 
großen  und  ganzen  fest  und  ist  von  der  heute  üblichen  wenig  ver- 
schieden. Soweit  jedoch  der  W  o  r  1 1  a  u  t  der  Gebete  in  Frage  kommt, 
dürfen  wir  sagen,  daß  da  noch  so  gut  wie  alles  im  Flusse  ist; 
selbst  am  Ende  unseres  Zeitalters  sind  noch  immer  auffallend  wenig 
Gebetstücke  in  ihrem  Wortlaute  bestimmt.  Es  wird  kaum  ein  Stück 
der  Liturgie  im  Talmud  erw^ähnt,  ohne  daß  Differenzen  im  Wortlaute 
angegeben  sind,  ja,  bei  der  sprunghaften  Art  des  Talmuds  kann  man 
bezweifeln,  ob  sie  überhaupt  genannt  werden  würden,  wenn  nicht 
jene  Differenzen  zu  behandeln  gewesen  wären.  Selbst  die  Grundform 
der  Beracha  wh-d  noch  diskutiert;  noch  Abbaje  in  der  Mitte  der  Amo- 
räerzeit  neigt  dazu,  die  Ansicht  Rabs  anzuerkennen,  während  die  allge- 
mein angenommene  Formel  der  entgegengesetzten  Anschauung 
R.  Jochanans  entspricht  (b.  Ber.  40  b).  Von  den  Stücken  vor  und  nach 
dem  Schma  kann  nicht  eines  einen  festen  Text  gehabt  haben,  weder 
im  Morgen-  noch  mi  Abendgebete;  wie  es  mit  dem  dritten  Abschnitte 
des  Schma  am  x\bend  gehalten  werden  sollte,  darüber  herrschte  eben- 
falls keine  Einigkeit.  Zur  TefUla  werden  verschiedene  Abweichungen 
berichtet,  einige  Vorbeter  gestatteten  sich,  Texte  vorzutragen,  die 
niemand  kannte  und  erwartete.  Was  uns  davon  berichtet  wird,  ist 
nur  ein  kleiner  Teil  der  wirklich  vorhandenen  Varianten;  wie  zahlreich 
sie  waren,  ergibt  die  stattliche  Reihe,  die  bei  der  Einzelbesprechung 
der  Tefilla  angeführt  werden  mußte  (§  9).  Besonders  strittig  sind  die 
Einschaltungen  für  ausgezeichnete  Tage,  sowie  die  Abkürzung  ":m". 
Was  nach  der  Tefilla  kommt,  ist  ganz  und  gar  unbestimmt,  der  eine 
pflegt  a-irinr  zu  beten,  der  andere  unterläßt  es.  jeder  handelt  nach 
seinem  Belieben  (-rbsr  nni5  a"i:i:nr  •"^-b  b^:'  b.  Ber.  29  b):   einen 


266  Geschichte  des  Gottesdienstes 

bestimmten  Text  dafür  gibt  es  nicht,  von  einer  Anzahl  von  Gelehrten 
sind  ihi^e  persönlichen  Gebete  überliefert,  in  denen  jeder  seinen  Neigungen 
folgte.  Anch  an  den  Festtagen  waren  Schwankungen  vorhanden, 
sowohl  bei  den  Gebeten  für  die  Wallfahrtsfeste  als  auch  bei  denen  für 
die  ernsten  Feiertage  werden  solche  überliefert.  Liest  man  z.  B. 
die  Verhandlungen  über  die  nirb^  usw.  am  Xeujahrstage  oder 
über  das  Sündenbekenntnis  am  A^ersöhnungstage,  so  wird  man  gewahr, 
daß  fest  bestimmtes  Material  überhaupt  noch  nicht  vorlag  und  daß 
bis  dahin  alles  dem  freien  Ermessen  überlassen  w^ar.  Zahlreiche  Einzel- 
heiten der  Schriftvorlesung  sind  gleichfalls  unbestimmt  und  der 
Diskussion  unterworfen,  ohne  daß  sofort  eine  Entscheidung  getroffen 
wird;  es  darf  daher  nicht  Wunder  nehmen,  wenn  dieselben  Fragen 
mehrere  Generationen  hintereinander  umstritten  werden.  Wieder- 
holt —  und  diese  Tatsache  verdient  die  größte  Beachtung  —  werden 
im  Talmud  Vorbeter  gelobt  oder  getadelt,  weil  sie  dies  und  jenes  getan 
oder  unterlassen  haben;  solche  Äußerungen  des  Beifalls  oder  des 
Mißfallens  sind  nur  für  den  Fall  angebracht,  daß  der  Vorbeter  nicht 
an  einen  festen  Text  gebunden  ist,  vielmehr  über  eine  gewisse  Be- 
wegungsfreiheit verfügt.  Das  Zeitalter  der  Amoräer  fühlte  noch 
immer  hinreichende  Befähigung  in  sich,  selbständig  seine  Gebete  zu 
verfassen;  die  wenigen  Gebete  aus  jener  Zeit,  deren  Text  überliefert 
ist,  zeugen  von  starker  Ki^aft,  von  gesunder  religiöser  Anschauung, 
von  hoher  Begabung,  religiöse  Gedanken  und  Empfindungen  aus- 
zudrücken. Eine  solche  Zeit  konnte  die  Bindung  des  Wortlautes  der 
Gebete  nicht  vertragen,  so  liefen  zahlreiche  Texte  nebeneinander  her; 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  wii'd  durch  die  Tradition  an  den  wich- 
tigsten Zentren  die  Gleichmäßigkeit  hergestellt  worden  sein,  aber  es 
bildeten  sich  auch  Differenzen  heraus,  die  sein*  lange  bestehen  blieben 
und  die  zu  stören  niemand  ein  Interesse  oder  die  Absicht  hatte. 

5.  Die  wichtigsten  Unterschiede  waren  diejenigen  zwischen 
Palästina  und  Babylonien.  Was  später  davon  zusammengestellt 
worden  ist  (bs^iiri  |"^s«  i:nb  bns  ^;i  ■■'n  '^^^rr.^  """"ri),  betrifft  meist 
nur  das  äußere  Verhalten  beim  Gottesdienste;  die  Differenzen  in  den 
Gebeten,  die  wu"  hier  hn  Auge  haben,  sind  nkgends  gesammelt,  nur 
gelegentlich  erfahren  wir  von  ihnen,  ganz  besonders  haben  die  neuen 
handschriftlichen  Funde,  die  zum  gi'ößten  Teil  die  p  a  1  ä  s  t  i  n  i  s  c  h  e 
Überlieferung  wiedergeben,  es  ermöglicht,  die  Verschiedenheiten 
kennen  zu  lernen.    Einige  Beispiele  sollen  zeigen,  was  gemeint  ist. 


1)(_T  Goltcsdiensl    in  der  aiiiuräisclit'ii   Zeil  267 

Dil"  Scliliiüformt'I  dvv  r.b'sij  lautete  in  l'alästiiia  <j:('inäß  den  alten 
Qiielh'ii  'bs:«'  rs^T""  ""'J:  ['''C),  der  Bahylonier  Kaba  liinj^egen  ver- 
ordnete rST""  rs«:«  (b.  Pes.  117  b);  (lerni.  hat  an  Festtagen,  wo  die  in 
Palästina  zuerst  entstandenen  Piutiin  eingeselialtet  werden,  tatsäelilieh 
noch  die  palästinische  Kwlogie  "bSj"  bi^T"'  ~""^  i'z'C.  Bei  gleichem  An- 
lasse iiat  tlerni.  im  Morgengebete  die  in  lt.  stets  vorhandene  Schliilj- 
formel  a'^m  r'^TTT  -"ns  Vrsn,  der  Ursprung  ist  derselbe.  Für  das  vor- 
hergehende Z'^rri«^"  br  .  .  .  n'^::"^"  r'CS  l)esitzt  Germ,  eine  kurz 
zusammengedrängte  Fassung,  die  gleichfalls  in  Verbindung  mit  einem 
Piut  zur  Anwendung  gelangt.  Die  genannten  Texte  finden  sich 
sämtlich  auch  in  den  aus  der  (ienisa  zu  Kairo  gekommenen  Hand- 
schriften, sie  zeigen,  daß  hier  Elemente  des  palästinischen  Ritus 
vorliegen,  welche  mit  den  Piutim  zusammen  nach  Deutschland  über- 
tragen worden  sind,  im  Abendgebet  hatte  der  palästinische  Ritus 
in  der  letzten  Benediktion  täglich  die  Eulogie  ^''bTi'  rrc  ri^2  usw., 
während  in  Babylonien  zwischen  Wochentagen  und  Festen  ein 
Unterschied  gemacht  wurde. 

Die  T  e  f  i  11  a  bestand  in  babylonischer  Rezension  aus  neunzehn, 
in  palästinischer  aus  achtzehn  Stücken,  das  hat  jahrhundertelang 
fortgedauert  und  macht  sich  noch  heute  in  It.  und  Germ,  überall  da, 
wo  Kerobot  eingeschaltet  werden  (§  32),  geltend.  Der  Wortlaut  der 
dritten  Renediktion  der  palästinischen  Fassung  T^iT  s?"!":'  nra«  C'^'p 
hat  sich  in  den  Gebetbüchern  nur  an  den  beiden  ernsten  Festen  er- 
halten: hingegen  ist  die  von  Rab  für  die  Bußtage  eingefühi'te  Eulogie 
■r"~pri  Y~^~  in  Pal.  unbekannt  geblieben.  Der  palästinische  Text 
der  r~""nr  hat  sich  in  Südfrankreich  erhalten,  seine  Eulogie  finden  wir 
auch  in  Germ,  da,  wo  der  Priestersegen  stattfindet.  Die  Eulogie  am 
Ende  der  Tefilla  aibiE"  mr"'~  ist  in  den  Gebetbüchern  nur  in  den  Buß- 
tagen zu  finden,  wird  aber  durch  alte  Quellen  als  der  einstmalige 
tägliche  Abschluß  bezeugt.  Auch  bei  den  Einschaltungen  waren 
Gegensätze  vorhanden.  Die  Keduscha  wurde  in  Palästina  nur  an 
Sabbaten  und  Festen,  in  Babylonien  täglich  gesprochen.  Der  Priester- 
segen fand  in  Babylonien,  da  wo  Ahroniden  nicht  anwesend  waren, 
in  der  Weise  statt,  daß  die  betreffenden  Sätze  der  Bibel  vom  Vor- 
beter vorgetragen  wurden.  In  Palästina  galt  das  nicht  als  statthaft 
und  nur  der  Nachsatz  ^rt"  durfte  gesprochen  werden.  An  Fasttagen 
ließ  man  in  Palästina  andauernd  wie  in  alter  Zeit  den  Priestersegen 
mehrmals  sprechen,  in  Babylonien  hingegen  nur  einmal.    Von  den 


2g3  Geschichte  des  Gottesdienstes 

gelegentlichen  Einschaltungen  verwendete  man  in  Palästina  im  Sommer 
b"L:n  T^iTa,  was  in  Babylonien  unbekannt  war,  allerdings  auffallender- 
weise später  auch  in  den  sonst  vom  babylonischen  abhängigen  Riten 
angenommen  worden  ist. 

In  den  Sabbatgebeten  hatte  der  palästinische  Ritus  andere  Ein- 
lagen für  die  Tefilla  als  der  babylonische,  die  Einleitung  der  Musaf- 
tefilla  in  Seph.  r'^i::  mr^b  geht  auf  eine  palästinische  Quelle  zurück. 
Die  Tefilla  der  Festtage  hat  sich  in  beiden  Ländern  in  völlig  ver- 
schiedenen Gestalten  ausgebildet;  nicht  nur,  daß  die  Abweichung 
der  Musaftefilla  gegenüber  den  andern  in  Pal.  recht  gering  war,  sich 
fast  nur  auf  die  Bibelverse  beschränkte,  wichen  auch  der  Gedanken- 
gang und  der  Aufbau  der  palästinischen  Tefüla  von  der  babylonischen 
sehr  erheblich  ab.  Dazu  kam,  daß  die  Babylonier  die  zweiten  Feier- 
tage hatten  und  daß  sie  gewisse  Modifikationen  des  Kalenders  durch- 
setzten. 

Für  die  T  o  r  a  v  o  r  1  e  s  u  n  g  führten  die  Babylonier  den  e  i  n  - 
jährigen  Zyklus  an  Stelle  des  drei  jährigen  ein,  womit  naturgemäß 
auch  eine  Veränderung  der  Haftara  verbunden  war.  Dort  wurden 
ferner  die  Festtagslektionen  mit  Rücksicht  darauf,  daß  jedesmal  zwei 
Feiertage  zu  bedenken  waren,  geändert;  ebenso  wurde  dort  an  Tagen, 
die  ein  Musafgebet  hatten,  sowie  an  den  vier  ausgezeichneten  Sabbaten 
die  Mafthperikope  eingeführt,  was  zur  Folge  hatte,  daß  an  solchen 
Tagen  nicht  nur  aus  einer,  sondern  aus  zwei  Torarollen  gelesen  wurde. 
In  Palästina  erhielt  sich  lange  die  Sitte,  daß  die  zur  Tora  Aufgerufenen 
selbst  ihren  Abschnitt  lasen,  während  in  Babylonien  schon  früh  der 
Vorbeter  seine  Unterstützung  bemi  Vorlesen  gewährte.  In  Palästina 
kannte  man  wie  in  alter  Zeit  nur  eine  Benediktion  vor  und  eine  nach 
der  Tora  Vorlesung,  in  Babylonien  hingegen  begleitete  ein  jeder  seinen 
kurzen  Abschnitt  mit  je  einer  Benediktion  am  Anfange  und  am  Ende. 
Die  Benediktionen  der  Haftara  wurden  in  Babylonien  weiter  ausge- 
staltet als  in  Palästina,  besonders  die  mittlere  hat  eine  ähnliche  Wand- 
lung durchgemacht  wie  das  ihr  verwandte  Stück  der  Tefilla. 

In  Babylonien  selbst  müssen  in  den  verschiedenen  Gegenden 
abweichende  Bräuche  vorhanden  gewesen  sein,  und  es  ist  sehr  wahr- 
scheinlich, daß  im  Laufe  der  Zeit  durch  den  verschiedenartigen  Einfluß 
angesehener  Führer  die  Differenzen  zunahmen.  Von  Rab  wird  erzählt, 
daß  er  sehr  erstaunt  war,  in  einer  Gemeinde  am  Xeumondstage  die 
Hallelpsalmen  rezitieren  zu  hören,  daß  er  sich  jedoch  aus  der  Ait  und 


IhT  (lut  Ifsdiciist   in   der  anioiMisclicii   Zeil  269 

\V('it;o,  wio  das  iroschali.  rasch  davon  üborzcuf^to,  eino  alto  t^bci- 
liofciimf;  vor  sich  zu  haben  (b.  Taan.  28  b).  Kbciiso  f^iii}^  es  ihm  bei 
andern  CicU'fictihcilcn,  daß  er  sich  Bräuchen  gegenüber  sali,  die  ihm 
tr(>md  waren  (vgl.  z.  H.  b.  Meg.  '22  a).  Wichtig  ist.  aber  vor  aMem,  daß 
trotz  aUen  Strebens  nach  SchalTung  von  festen  Normen  sich  sehr  viel 
Individuelles  erhielt.  In  Babylonien  bestand  jedenfalls  seit 
alter  Zeit  eine  eigene  Tradition,  die  an  vielen  und  wichtigen,  aber 
nicht  an  allen  Punkten  von  Palästina  aus  beeinflußt  werden  konnte. 
G.  Die  Tendenz  der  Amoräer  ging  nach  zwei  Picht ungen  hin, 
alles  in  feste  Formen  zu  bringen  und  das  für  mustergültig  gehaltene 
Beispiel  l)erühmter  ^länner  nachzuahmen.  Die  mehrfach  erwähnten 
Privatgebetc  können  nur  dadurch  bekannt  geworden  sein,  daß  Jünger 
sie  sich  von  ihren  Lehrern  erbaten  und  weiter  überlieferten.  Das 
Beispiel,  das  die  Lelu-er  gaben,  wurde  nach  jeder  Richtung  hin  bis 
auf  die  kleinsten  und  sclieinbar  unbedeutendsten  Handlungen  studiert 
und  nachgeahmt  (T^^'^  "^-5*  "ilsbbT  S^Ti  mir);  da  kann  es  nicht  wunder- 
nehmen, wenn  bei  einem  so  wichtigen  Gebiete,  wie  es  das  Gebet  ist, 
ebenfalls  selir  sorgfältig  das  Vorgehen  berühmter  Männer  beobachtet 
und  zur  Nachahmung  empfohlen  wurde.  Das  konnte  verhängnisvoll 
werden,  indem  aus  solchen  Bräuchen,  die  ein  einzelner  für  sich 
annahm,  aus  Erschwerungen,  die  er  für  seine  Person  sich  auferlegte, 
ohne  jemals  daran  zu  denken,  sie  für  andere  verbindlich  zu  machen, 
mit  der  Zeit  allgemein  gültige  Normen  gebildet  wurden. 
Das  geschah  im  amoräischen  Zeitalter  noch  nicht  oder  nur  selten,  aber 
in  späteren  Jahrhunderten  mehr  als  einmal  und  nicht  immer  zum 
Nutzen  der  religiösen  Institutionen.  Die  andere  Tendenz  oder  wenigstens 
eine  weit  verbreitete  Neigung  war  die,  v  i  e  1  zu  beten.  Im  Gegensatz 
zu  früheren  Jalirhunderten,  die  einen  Vorzug  des  Gebets  in  seiner 
Kürze  sahen,  w^urde  jetzt  an  langen  Gebeten  nicht  mehr  Anstoß 
genommen,  vielfach  galten  sie  sogar  als  erwünscht,  wenn  auch  anderer- 
seits der  Grundsatz,  daß  die  Gemeinde  nicht  allzu  sehr  belastet  werden 
sollte,  nie  außer  Gebrauch  kam.  Wir  haben  oben  R.  Papas  Satz  Trbn 
TibiDb  '"nri^:erw^ähnt(S.  265);  er  stand  mit  seiner  Anschauung  nicht 
allein,  die  Häufung  von  Gebeten  oder  Gebetformeln  war  auch  sonst 
sehr  beliebt. 

7.  Zu  den  genannten  Tendenzen  gesellte  sich  der  Wunsch,  mög- 
lichst alles  in  feste  Formeln  zu  bringen.  Dadurch  wurden  zahlreiche 
halachische  Auseinandersetzungen  veranlaßt,   die  den   Anschein   er- 


270  Geschichte  des  Gottesdienstes 

wecken,  als  ob  die  Amoräer  das  ganze  Gebiet  des  Gottesdienstes  rein 
juristisch  betrachtet,  es  in  Verordnungen  eingezwängt  hätten.  Aus 
den  halachischen  Erörterungen  allein  gewinnt  man  jedoch  nicht  das 
richtige  Bild.  Wo  wir  ihnen  ins  Herz  zu  schauen  vermögen,  lernen 
wir  die  Amoräer  als  Menschen  kennen,  die  nicht  ausschließlich  trockene 
Juristen  waren,  sondern  ein  feines  religiöses  Empfinden  besaßen. 
Soviel  sie  auch  von  dem  Gebete  als  P  f  1  i  c  h  t  sprechen  und  die  Einzel- 
heiten in  der  Erfüllung  dieser  Pflicht  diskutieren  mögen;  wo  man  sie 
nach  ilirer  Meinung  befragt,  entfällt  alle  Kasuistik  und  alle  Spitz- 
findigkeit, bleibt  die  Andacht  die  einzige  Forderung,  die  sie  an 
den  Menschen  stellen,  demjenigen,  der  nicht  andächtig  zu  beten  vermag, 
empfehlen  sie,  es  überhaupt  zu  unterlassen.  Wie  herb  mutet  der  Spott 
an  über  den  Vorbeter,  der  sich  an  Beiworten  für  Gott  nicht  genug 
tun  kann,  oder  das  Wort  Rabas,  daß  man  mit  Gott  nicht  wie  mit  einem 
Gleichgestellten  verkehren  kann !  Das  sind  Aussprüche,  die  sich 
mitten  in  der  Halacha  finden ;  die  wahren  Gedanken  über  diese  Fragen 
aber  muß  man  in  der  Hagada  suchen,  die  den  rechtlichen  Standpunkt 
beiseite  läßt  und  es  nur  mit  den  Forderungen  des  religiösen  Emp- 
findens und  der  persönlichen  Frömmigkeit  zu  tun  hat. 

8.  Ein  wichtiger  Punkt  in  der  Entwicklung  des  Gottesdienstes 
ist  die  Änderung  in  einzelnen  religiösen  Anschauungen, 
die  sich  in  jener  Epoche,  besonders  in  Babylonien,  bemerkbar  macht. 
Bedauerlicherweise  ist  die  jüdische  Religionsgeschichte,  die  Wand- 
lung, die  einzelne  Begriffe  im  Verlaufe  der  Zeiten  durchgemacht 
haben,  noch  sehr  wenig  erforscht,  es  ist  daher  nicht  leicht.  Genaueres 
hierüber  festzustellen.  Um  nur  auf  eines  hinzuweisen,  so  muß  in  jener 
Epoche  eine  neue  Auffassung  des  Messiasbildes  sich  verbreitet 
haben.  Im  üblichen  Texte  der  Tefilla  z.  B.  lautet  die  Bitte  in  XIV 
n^ffir  a^)2nnn  ^-p-  a^rinTr,  die  Eulogie  in  XVII  ir:^D»  Tiiniar; 
"iii::'* ;  das  ist  eine  Anschauung,  welche  den  Sitz  der  Gottheit  auf  dem 
Zion  lokalisiert  und  daher  für  die  ideale  Zeit  der  Zukunft  iln-e 
R  ü  c  k  k  e  h  r  für  notwendig  erklärt ;  das  kann  nicht  immer  die  herr- 
schende Meinung  gewesen  sein,  die  entsprechenden  Stellen  in  Pal. 
lassen  von  dieser  Auffassung  noch  nichts  vermuten,  sie  muß  un- 
bedingt aus  Babylonien  und  aus  den  amoräischen  Jahrhunderten 
stammen.  Es  darf  ferner  nicht  übersehen  werden,  daß  Babylonien 
der  Ursitz  alles  Aberglaubens  gewesen  ist.  Ein  Teil  der  Amo- 
räer war  von  den  Verhrungen  ilirer  Heimat   nicht  frei,   die  Furcht 


l'jrwfili'iiiiig.M»  der  Slammgebete  271 

vur  Üämoiion,  vor  bösoii  Traumon,  vor  Z;iiil)('rei  l)eliorrsclito  aucli 
sie.  DiT  Wortlaut  der  Ciehete  freilich  wurde  davon  nur  in  ganz  we- 
nigen Fällen  i)eriilnt,  er  hlieh  einfaeh  und  ungekünstelt,  aber  auf 
die  Kinrielituiiycii  des  (lottesdienstes  waren  solche  Anschauungen  viel- 
fach von  Einfluß,  und  ganz  besonders  in  den  späteren  Jahrhunderten, 
die  jedes  Wort  im  Talmud  als  verbindlich  ansahen  und  selbst  von 
Itexenglauben  und  Gespensterfurcht  beherrscht  waren,  sind  derartige 
Irrtümer  recht  verhängnisvoll  geworden. 

§  38.    Die  Erweiterungen  und  Ausschmückungen  der  Stammgebete. 

Litt-ratur:     Zuiiz,  das.,  S.  388  ff.;  lAtg.,  S.  11  ff. 

1.  Die  talmudische  Epoche  war  noch  schöpferisch,  sie  wagte  es 
noch,  neue  Gebete  zu  verfassen;  wenn  sich  auch  diese  Gebete  inner- 
halb des  alten,  von  der  Vergangenheit  vorgezeichneten  Rahmens  be- 
wegten, so  brachten  sie  immerhin  noch  neue  und  eigene  Gedanken. 
Gegen  Ende  der  talraudischen  Periode  versiegt  jedoch  diese  Kraft. 
Es  folgt  eine  Zeit  der  Erschlaffung,  eine  Zeit,  in  der  schwere  Ver- 
folgungen die  Fortentwicklung  hemmten.  In  Palästina  hören  infolge 
der  politischen  Bedrängnis  die  Versammlungen  in  den  Lehrhäusern 
auf,  jahrhundertelang  gibt  es  keine  maßgebenden  Lehrstätten  und, 
was  für  uns  von  schwerwiegender  Bedeutung  ist,  keine  zusammen- 
hängenden Nachrichten  über  die  weitere  Gestaltung  der  religiösen 
Verhältnisse.  Auch  in  Babylonien  wird  die  Lage  der  Juden  zusehends 
ungünstiger,  auch  dort  beeinträchtigen  die  nur  selten  unterbrochenen 
Feindseligkeiten  den  Schwung  der  Gedanken  und  das  Gedeihen  der 
Arbeit ;  die  letzten  Generationen  der  Amoräer  und  die  auf  sie  folgenden 
Saboräer  begnügen  sich  damit,  die  Schätze  zu  sammeln  und  zu  sichern, 
die  sie  aus  der  Vorzeit  übernommen  haben.  Für  den  Gottesdienst 
haben  sie  eine  Leistung  aufzuweisen,  die  von  gar  nicht  hoch  genug  zu 
schätzender  Bedeutung  ist,  sie  haben  zuerst  die  Gebete  aufge- 
zeichnet und  damit  ihre  Überlieferung  gesichert.  Sobald  es  sich 
aber  um  selbständige  Leistungen  handelte,  reichte  ihre  Kraft  nicht  aus 
und  sie  mußten  sich  damit  begnügen,  an  die  gegebenen  Gedanken 
und  Themen  anzuknüpfen,  sie  weiter  auszuführen  und  auszugestalten. 
Das  Bedürfnis  nach  neuen  Schöpfungen  war  auch  damals  nicht  ge- 
schwunden, eine  jede  Zeit  hegt  den  Wunsch,  von  sich  aus  zur  Hebung 
des  Gottesdienstes  beizutragen  und  die  überlieferten  Gebete  in  der 


272  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Kichtung  des  Zeitgeschmackes  zu  erweitern.  Allein  das  Bedürfnis 
wurde  nicht  mehr  in  derselben  Weise  befriedigt  wie  vordem,  es  wurde 
in  andere  Bahnen  geleitet.  Die  Zeit  der  eigenen  Zutaten,  der  selbst- 
ständigen Arbeit  am  Gottesdienste  war  vorüber,  der  vorhandene 
Stamm  der  Gebete  wurde  als  verbindlich  und  unabänderlich  respektiert. 
Dennoch  fehlt  es  auch  jener  Zeit  nicht  an  eigenen  Schöpfungen,  wir 
finden  in  ilir  gar  manches,  wovon  im  Talmud  noch  keine  Rede  ist; 
der  Traktat  Sofrim,  der  am  Ende  dieser  Epoche  steht,  führt  Gebete 
an,  die  den  Amoräern  noch  unbekannt  waren,  oder  setzt  deren  Vor- 
handensein voraus.  Es  sind  Gebete,  die  hauptsächlich  Erwei- 
terungen oder  Ausschmückungen  der  früher  vorhandenen 
bilden,  die  sich  mit  ihnen  zusammen  zu  dem  gToßen  Gebiete  der 
Stammgebete  vereinigen.  Dazu  kommen  als  Leistungen  jener 
Zeit  die  ersten  Anfänge  der  Z  u  s  a  t  z  g  e  b  e  t  e  für  die  Festtage  und 
ganz  besonders  für  die  öffentlichen  Fasten. 

2.  Die  Ausgestaltung  der  Gebete  erfolgte,  entsprechend  der 
Richtung  jener  Zeit,  durch  sehr  einfache  Mittel,  durch  Verwendung 
von  biblischem  Material,  durch  Variationen  der  vorhandenen  Formen 
oder  durch  wortreichere  Ausführungen  bereits  bestehender  Gebete 
und  Gedanken.  Ein  sehr  beliebtes  Mittel  war  die  Verwendung  bib- 
lischer Stücke;  ganze  Kapitel  oder  einzelne  Sätze  der  Heiligen 
Schrift  wurden  zu  den  vorhandenen  Gebeten  hinzugefügt.  So  entstand 
z.  B.  der  große  Abschnitt  der  r'-" ^12"  im  täglichen  Morgengebete 
(§  11).  Zunächst  wurden  die  Psalmen,  die  einzelne  Fromme  zu  sagen 
pflegten,  ins  Gebet  aufgenommen,  dazu  traten  andere  Bibelstellen 
wie  das  Gebet  Davids  I.  Chron.  29  10  ff.,  das  Schilfmeerlied  u.  a.,  an 
den  letzten  Vers  des  Liedes  """!  ab'^:?"-  "jb''^''  '"  (Ex.  1518)  wm'den 
noch  einige  Verse,  in  denen  das  Wort  "|:r  vorkam,  angereiht.  Das 
ist  gleichzeitig  ein  Zeichen,  wie  leicht  es  war,  solche  Erweiterungen 
vorzunehmen.  Ein  anderes  Beispiel  ist  '~b  "n"  I.  Chron.  168—35, 
ein  alter  Levitengesang,  an  den  eine  beträchtliche  Anzahl  Bibelverse 
angeschlossen  wurde,  die  heute  zum  Teü  planlos  scheinen,  aber  einst 
sicher  ebenfalls  nach  einem  bestimmten  Plane  und  Zusammenhange 
angeordnet  waren.  Vor  Psalm  145  stehen  zwei  Verse  mit  ^'rs, 
einst  aber  waren  es  weit  mehr  (oben  S.  85).  Andere  derartige  Grup- 
pierungen von  Bibelversen  haben  wir  in  der  täglichen  Techinna  in 
"~:  5«b  i:n:5«i  vor  uns,  auch  'iT'isb  s^m  ist  in  derselben  Weise  zusammen- 
gesetzt. Im  Abendgebet  ist  "rx"  "i^i?  zbi"!:  '-  f^^n  eine  solche  Koni- 


Erweiterung  der  Stamnigebete  278 

Position,  seine  Abfassung  wird  in  den  Quellen  ausdrücklich  den  pan 
nxiin  "irm,  d.  i.  den  Vertretern  der  hier  behandelten  Zeit,  zu- 
geschrieben; das  einigende  Prinzip  war  im  vorliegeiulen  Stücke  das 
Vorkommen  des  Gottesnamens,  ganz  so  wie  bei  TiDD  irr^  im  Morgen- 
gebet. An  den  Sabbaten  finden  wir  "i^'^sci  vor  der  Tefilla  und  andere 
Bibelverse  innerhalb  derselben.  Pal.  hatte  auch  an  den  Festtagen 
derartige  Sammlungen  von  Versen  innerhalb  der  Tefilla,  in  ganz 
ähnlicher  Weise  wie  sie  bereits  die  alte  Zeit  für  die  ^'euja]lrsgebete 
kennt,  aus  allen  drei  Teilen  der  Bibel.  All  diese  Sammlungen  von 
Bibelstellen  haben  gemeinsam,  daß  sie  lose  aneinandergereiht  sind, 
ohne  jeden  gedanklichen  Zusammenhang  und  ohne  jeden  Übergang, 
meist  sind  es  nur  äußere  Kennzeichen,  wie  gemeinsame  Worte,  welche 
die  Verbindung  herstellen.  Solche  Versgruppen  wurden  bisweilen  in 
Ausführung  von  Andeutungen  der  älteren  Zeit  hergestellt,  so  z,  B. 
knüpft  ibD"^!  an  eine  Anweisung  im  Talmud  an.  Ein  etwas  fortge- 
schritteneres Stadium  zeigen  Gebete  wie  mri"'  S":m  (oben  S.  77), 
wo  manche  Stellen  aus  der  Bibel  wörtlich  übernommen  sind,  daneben 
aber  andere  stehen,  die  in  Anlehnung  an  biblische  Worte  und  Redens- 
arten eine  sehr  einfache  Bearbeitung  ihres  Themas  bieten. 

3.  Eine  fernere  leicht  durchführbare  Möglichkeit  zur  Erweiterung 
des  vorhandenen  Stoffes  war  die  V  a  r  i  i  e  r  u  n  g  von  Gebeten.  Ein 
Beispiel  dafür  bietet  die  Tefilla  der  Sabbate  in  ihrer  mittleren  Bene- 
diktion. Im  Gegensatz  zu  den  Festtagen,  die  nur  eine  Formel  für 
alle  vier  Tefillas  besitzen,  ist  hier  jedes  Gebet  mit  einem  besonderen 
Stücke  ausgestattet;  vier  gleiche  Texte  an  dem  wöchentlich  wieder- 
kehrenden Sabbat  waren  zu  eintönig,  während  sie  an  den  seltener 
eintretenden  Feiertagen  ohne  Bedenken  beibehalten  wurden.  Der 
Jozer  wurde  mit  Einlagen  ausgestattet,  die  ilm  ausschmückten,  dar- 
unter solchen,  die  auf  die  Schöpfungsgeschichte  Bezug  nahmen  und 
täglich  abwechselten;  für  den  Sabbat  wurde  er  stark  verändert  und 
bedeutend  erweitert.  Auch  am  Eingange  und  Ausgange  des  Sabbats 
sind  in  einigen  Riten  die  entsprechenden  Benedilvtionen  mit  beson- 
deren, auf  den  Tag  bezüglichen  Zusätzen  versehen.  Über  eine  reiche 
Auswahl  von  Einleitungsformcln  und  verbindenden  Texten  verfügt 
die  Keduscha;  sie  entstammen  sämtlich  der  nachtalmudischen  Zeit, 
vorher  ist  nirgends  eine  Spur  davon  zu  entdecken,  sie  behandeln 
dasselbe  Thema  mit  verschiedenen  Worten. 

4.  Mitunter  wurden  in  Anlehnung  an  Sätze  des  Tahmuds  Gebete 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  1° 


274  Geschichte  des  Gottesdienstes 

ausgearbeitet,  das  ganze  Gebiet  der  nmrn  r.iD^^  ging  aus  der  An- 
deutung in  b.  Ber.  60  b  hervor,  indem  die  dort  gegebenen  Anweisungen 
in  Benediktionen  formuliert  wurden.  Zur  Rezitation  der  Psalmen 
waren  einleitende  und  absclüioßende  Benediktionen  erforderlich,  die 
durch  Ausarbeitung  der  wenigen  Notizen  im  Talmud  über  i^'BJti  PDin 
entstanden.  Verwendung  von  synonymen  Worten,  die  bei  ähnlichen 
Gebeten  schon  die  Mischna  sich  gestattet,  fand  hierbei  Nachahmung 
(vgl.  nbnpian  und  nnnr^  mit  Pes.  X5).  Sie  wirkte  auch  bei  der 
Ausgestaltung  des  Kaddisch  mit,  sie  ist  vor  allem  bemerkbar  bei 
dem  unzweifelhaft  jungen  Zusatz  ']"Qr'i  zu  "iDin  und  bei  dem  Hymnus 
b3~  br,  der  dem  Kaddisch  ähnlich  ist  und  der  Toravorlesung  vor- 
angeht. Ausführungen  älterer  Anregungen  waren  auch  die  auf  die 
Schriftvorlesung  folgenden  Gebete,  z.  B.  der  Segen  für  die  Gemeinde 
und  ilu'e  Wohltäter,  das  Gebet  für  die  staatlichen  Behörden,  die  Bitten 
für  verfolgte  Glaubensbrüder,  die  Ankündigung  des  Neumondes  und  der 
öffentlichen  Fasttage.  Bei  einer  Institution  wie  der  Toravorlesung, 
die  für  sich  bestand  und  mit  den  anderen  Teilen  des  Gottesdienstes 
nur  lose  Verbindung  hatte,  waren  derartige  Zusätze  sehr  leicht  anzu- 
bringen. Die  hier  erwähnten  Gebete  sind  sicher  nicht  gleichzeitig 
entstanden  und  vor  allem  nicht  gleichzeitig  bekannt  und  ange- 
nommen worden,  sie  müssen  aber  doch  sich  sehr  rasch  verbreitet 
haben,  denn  sie  sind  sämtlichen  Gebetbüchern  in  den  verscliiedensten 
Ländern   gemeinsam. 

5.  Zur  Ausschmückung  der  Gebete  bediente  man  sich  gewisser 
K  u  n  s  t  f  0  r  m  e  n  ,  die  leicht  zu  handhaben  waren  und  daher  häufig 
Anwendung  fanden.  Eine  recht  einfache  und  sehr  zeitgemäße  Me- 
thode war  die  Verwendung  der  Wort-  oder  Satzfolge  nach  dem  x\  1  p  h  a  - 
b  e  t.  Sie  konnte  sich  auf  biblische  Vorbilder  berufen,  wo  das  Alphabet 
in  verschiedener  Weise,  allerdings  immer  nur  für  ganze  Sätze,  zur 
Anwendung  gelangt.  Das  bekannteste  Beispiel  eines  Gebets  in  alpha- 
betischer Ordnung  ist  das  Sündenbekenntnis  ir'airi«,  wo  die  Anfänge 
der  Worte  der  Reihe  der  Buchstaben  des  Alphabets  folgen;  bei  dem 
andern  Bekenntnis  s?t:n  b"  sind  es  die  charakteristischen  Worte  am 
Ende,  die  in  alphabetischer  Reihe  erscheinen  (r"-  "ilrSn  .crsn).  Nicht 
minder  bekannt  ist  im  Jozer  der  Satz  nr"  l:"j  T^.2  :ii,  der  heute  als 
fester  Bestandteil  des  Gebetes  erscheint,  einst  aber  imabhängig  davon 
als  Einschaltung  zur  Ausschmückung  des  Textes  dastand;  er  war  ein 
Stück  unter  vielen  gleichartigen,  die  ebenfalls  Verwendung  fanden. 


Weitere  Ausgestaltung  dos  Gottesdienstes  275 

er  war  jedoch  vom  Schicksal  mehr  begünstigt  und  wurde  ins  Gebetbucli 
aufgenommen,  während  die  anderen  verloren  gingen  oder  jetzt  nach 
tausendjähriger  Versehollenheit  in  llandschrit'ten  auftauchen.  Das 
Alphabet  mußte  —  und  das  war  eine  Neuerung  —  nicht  immer  voll- 
ständig durchgeführt,  es  konnte  beliebig  abgebrochen  und  wieder  auf- 
genommen werden.    Auch  dafür  bietet  der  Jozer  ein  Beisj)iel  in  dem 

S.  18  angeführten  a^nmfi  a^iny a^maa  aimna  n^mn«  abD. 

Eine  weitere  Neuerung  war  es,  daß  das  Alphabet  auch  in  umgekehrter 
Reihenfolge  verwendet  wurde,  wie  es  z.  B.  in  der  Einschaltung  für 
das  Musaf  des  Sabbats  nir:nnp  r"^:^-'  mir  r:pr  vorliegt.  Eine  Ver- 
einigung beider  Arten  des  Alphabets  zeigen  die  Einlagen  zu  den  Bene- 
diktionen des  Schma  am  Eingange  und  Ausgange  des  Sabbats.  Auch 
für  das  Morgengebet  des  Sabbats  bringen  Handschriften  die  Bene- 
diktionen in  alphabetischer,  sonst  unbekannter  Fassung.  Die  einmal 
vorhandenen  Alphabete  konnten  wiederum  alphabetisch  bearbeitet, 
aus  den  Worten  konnten  al])habetische  Sätze  gemacht  werden; 
das  Stück  a"iTr:"^~  :2  br  iT;i<  bs?  im  Sabbat-Jozer  z.  B.  ist  eine  Aus- 
führung des  eben  erwähnten  nr"  bniJ  lins  bx. 

6.  Eine  fernere  Möglichkeit  zur  Ausgestaltung  der  Gebete  boten 
weitere  Ausführungen  einzelner  Sätze  im  Stile  des  Targums  oder  des 
Ätidrasch,  im  Sabbat-Jozer  z.  B.  schließt  sich  an  die  vier  Teile  des 
Satzes  Y~  ~T2'-  ^121  "irbn  des?  "jrrr  ""^s^i  iDirs  i^s<  die  Ausdeutung 
jedes  einzelnen  nach  Ai't  des  Midrasch.  Ähnlich  wurde  im  Mincha- 
gebet  des  Sabbats  mit  der  Beschreibung  der  Sabbatruhe  verfahren 
(n:i2s«i  ri3S  rni:T2  nn-:-  nnns?  rms-a  usw.).  Oder  man  bediente 
sich  des  Reims,  um  gleichklingende  Sätze  aneinanderzureihen,  wie 
z.  B.  wiederum  im  Jozer  n:ri2  irnjina  mir  i:Tr  i'-s«  "rb~  an-i 
in^n.  Eine  wirkliche  Erweiterung  des  Gedankens  der  bear- 
beiteten Gebete  ist  mit  all  den  hier  geschilderten  Ausschmückungen 
nicht  verbunden. 

Man  knüpfte  auch  an  das  letzte  Wort  eines  Stückes  an,  um  es 
zu  variieren  und  damit  das  neue  Stück  zu  beginnen.  Auf  ms?  "isii 
bsn  rs?  s?'-2-  a^rr  nr-r  ...  z.  B.  folgt  am  Sabbat  bzni  -;i-ni  bsn 
ny.  "-CSC"  brr;-  --nnii-^.  Ebenso  schließt  a"^ES«  ins?  :s«  mit  dem 
Worte  *s?.  mit  dem  es  begonnen.  Das  sind  Ansätze  zum  Rhythmus, 
der  in  der  gleichen  Periode  aufkommt,  seinen  Einfluß  allerdings  we- 
niger in  den  Stammgebeten  als  in  den  Zusätzen  geltend  macht,  die 
für  besondere  Gelegenheiten  dienen. 

18* 


276  Geschichte   des  Gottesdienstes 

7.  Neben  der  Erweiterung  der  Stammgebete  ging  die  Aus- 
gestaltung des  Gottesdienstes  für  ausgezeichnete  Tage  einher; 
am  reichsten  wurde  das  Ritual  für  die  Büß-  und  Fasttage  bedacht. 
Die  Selichagebete,  die  den  Fasten  eigentümlich  sind,  bestanden  aus 
Gruppen  von  Bibelversen  oder  Psalmen,  die,  wie  oben  von  einem  Teile 
der  Stammgebete  erwähnt  wurde,  ohne  Verbindung,  lose  nebeneinander 
standen;  die  Einleitungen  verarbeiteten  in  schlichtester  Form  bib- 
lischen Wortschatz.  Auch  die  Einführung  zu  den  13  Eigenschaften 
(ismin  bm  ,^WV  Y>^  b^)  ist  im  gleichen  Stile  gehalten.  Das  Haupt- 
material aber,  das  damals  für  die  Fasttage  verfaßt  wurde,  waren  die 
Litaneien,  d.  h.  Gebete  in  kurzen  gleichförmigen  Sätzen,  die 
zum  Abwechseln  zwischen  Vorbeter  und  Gemeinde  bestimmt  sind. 
Man  könnte  sie  ihres  Aufbaus  wegen  mit  den  erwähnten  Gruppen 
von  Bibelversen  vergleichen.  Einige  sind  in  alphabetischer  Anordnung 
gehalten,  andere  knüpfen  an  geschichtliche  Persönliclikeiten  und 
Ereignisse  an.  Ganz  neu  war  das  hier  befolgte  Verfahren  nicht,  ein 
Beispiel  einer  solchen  Litanei  bietet  bereits  die  Mischna  in  der  Fasten- 
liturgie {'nz^w  i'a  Taan.  II),  und  eine  der  bekanntesten,  iZDbiQ  irns«, 
geht  in  ihren  Anfängen  auf  R.  Akiba  zurück  (oben  S.  147);  sie  sind  in 
der  Liturgie  außerordentlich  ausgebaut  worden,  aus  den  wenigen 
Zeilen  am  Ursprünge  sind  umfangreiche  Gebete  geworden.  Es  war 
nicht  schwierig  sie  auszugestalten,  ebensowenig  wie  es  mühevoll  war, 
neue  ähnliche  Stücke  zu  erfinden.  So  büdete  sich  die  gewaltige  Menge 
der  Litaneien  heraus,  über  die  unser  Gebetbuch  verfügt.  Ihre  Mannig- 
faltigkeit tritt  noch  deutlicher  zutage,  wenn  wir  die  seltenen  Riten 
und  die  handschriftlichen  Liturgien  berücksichtigen.  Mancherlei  aus 
dem  Material  der  Litaneien  ist  in  die  Techinna  übergegangen.  Viel- 
fach waren  sie  in  aramäischer  Sprache,  dem  Idiom  der  babylonischen 
Juden,  gehalten;  aus  dem  deutschen  Ritus  sind  die  aramäischen 
Litaneien  fast  ohne  Ausnahme  verschwunden,  ihr  Vorhandensein  ist 
indes  anderweitig  gut  bezeugt.  Zunz  hat  in  der  Literaturgeschichte 
der  synagogalen  Poesie,  S.  17  ff.,  eine  beträchtliche  Anzahl  solcher 
Stücke  angeführt  und  dieser  Epoche  zugewiesen. 

8.  Dem  Fastenritual  gehören  auch  diejenigen  Stücke  an,  die  bei 
aller  Schlichtheit  in  Aufbau  und  Inhalt  den  Ansatz  zu  emer  Kunstform 
aufweisen.  Sie  sind  weder  mit  Reim  noch  mit  Metrum  versehen,  aber 
es  herrscht  in  ihnen  ein  bestimmter  Rhythmus,  sie  zerfallen  in  kleine 
Abteilungen  mit  ungefähr  gleichmäßiger  Silbenzahl;  meistens  haben 


Weitere  Ausgestaltung  des  Gottesdienstes  277 

sie  auch  alphabotisclie  Satzfol<?o,  aber  das  ist  niclil  unerläßliche  Be- 
dingung. Suk'he  Stücke  sind  z.  H.  .sn^TTJ^  nsn  a-^sta  .-nns«  n:r5«  ^te:s< 
n-iTsn  rs  a-'n-n  .vies  Ta^b  a'^-nna  oder  "".zud  inrr  .nri'a  r.nizr 
ncr  "ir  -irEr  .ns^nb  ir  "inc  .r^-^^is  oder  rnsT  .nbs  1:^27  rrn  bs 
nrr  bä«  T'ects  ^:T2r  .'^^3:  nnDir  i^^nn  .-JsrTsn  71^.  Man  wird  an 
Gescänge  der  syrisclien  Kirche  erinnert,  die  in  derselben  Form  ab- 
gefaßt sind.  Es  müssen  starke  Wechselbeziehungen  zwischen  Synagoge 
und  Kirche  damals  stattgefunden  haben,  ohne  daß  ersichtlich  wäre, 
auf  welcher  Seite  die  Priorität  zu  suchen  ist. 

9.  Von  nicht  ganz  so  einfacher  Art  und  so  leichtem  Bau  wie  zu 
den  Fasttagen  waren  die  Zusätze  für  die  Feste.   Am  Versöhnungstage 
fand  von  alters   her  ein  sehr  ausgedehnter  Gottesdienst  statt  (C^e: 
s?"aiiT  simno  b.  Meg.  23  a).  Er  erhielt  sein  Gepräge  durch  das  Sünden- 
bekenntnis, bei  dem  oben  hervorgehoben  wurde;  daß  sein  Wortlaut 
im  Talmud  noch  völlig  freigelassen  ist,  während  es  später  die  durch 
die  Gebetbücher  bekannte  alphabetische  Fassung  erhielt.    Dazu  trat 
ferner  schon  in  sehr  früher  Zeit  die  Gewohnheit,  im  Gottesdienste  der 
Opferhandlung  zu  gedenken,  die  einst  der  Hohepriester  im  Tempel 
zu  vollziehen  hatte,  eine  A  b  0  d  a  ,  miir  "iio,   vorzutragen.    Die 
älteste  erhaltene  Aboda  ist  im  Stile  überaus  einfach,  sie  folgt  der 
Darstellung  der  Mischna,  bedient  sich  meist  sogar  ilu-er  Worte  und 
reicht  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  in  die  talmudische  Epoche  zurück. 
Schon  die  folgende  jedoch,  r:rD  -Pi«  in  Seph.,  ist  von  ganz  anderer 
Art.    Der  Anschluß  an  die  Mischna  ist  aufgegeben,  das  Thema  war 
allerdings   vorgeschrieben,   die   überlieferte   Ordnung  mußte   innege- 
halten werden,  aber  so  weit  es  innerhalb  des  vorgezeichneten  Rahmens 
möglich  war,  wurde  in  der  Darstellung  frei  verfahren,  die  Sprache 
ist  durchaus  selbständig,  als  Kunstform  dient  das  Alphabet.    Als  ein 
neues  Element  tritt  in  rzz'<2  ~rs<  die  Einleitung  hinzu,  die  in  kurzen 
Strichen  die  Urgeschichte  bis  zur  Entstehung  des  Priestertums  zeichnet. 
Das  wurde   das  Thema,  dessen  die  Dichter  sich  bemächtigten,   die 
Einführung  dieser  Schilderung  wurde  für  alle  Nachfolger  vorbildlich. 
Die  Einleitung  war  derjenige  Teil,  in  dem  der  Dichter  seine  Begabung 
frei  entfalten  konnte,  spätere  Dichter  haben  daher  auf  die  Einleitung 
mehr  Raum  und  Anstrengung  verwendet  als  auf  die  Darstellung  der 
Aboda;  hier  wo  sie  das. erstemal  vorliegt,  ist  sie  mit  Gewandtheit 
und  Geschicklichkeit,  aber  ohne  Künstelei  bearbeitet.    Auf  die  Dar- 
stellung des  Opferdienstes  folgt  eine  Reilie  von  Stücken,  die  wiederum 


278  Geschichte  des  Gottesdienstes 

neu  sind  und  später  in  allen  Riten  entweder  in  derselben  oder  in  über- 
arbeiteter Gestalt  wiederkehren;  das  Gebet  des  Hohenpriesters  im 
Allerheüigsten  wird  in  alphabetischer  Ausfülirung  ausgesponnen,  im 
Ansclilusse  an  eine  Andeutung  im  Buche  Sirach  wird  die  glanzvolle 
Erscheinung  des  Hohenpriesters,  der  Prunk  der  von  ihm  vollzogenen 
Zeremonie  in  überschwänglichen  Worten  geschildert.  Die  alte  Zeit,  die 
solche  Pracht  bot,  wird  über  alle  Maßen  gepriesen;  daß  sie  infolge  der 
Sündhaftigkeit  des  Volkes  entschwunden,  daß  an  die  Stelle  ilires  Glanzes 
der  ganze  Jammer  des  Exils  getreten  ist,  in  wehmütigen  Worten  be- 
klagt. Die  Mttel,  die  zur  Ausführung  verwendet  werden,  sind  auch 
hier  dieselben  wie  in  den  vorhin  gekennzeichneten  Gebeten,  einfache 
oder  doppelte  Alphabete,  Rhythmus  der  Versteile,  kurz  dieselben  ein- 
fachen Elemente,  die  wn  auch  bei  der  iVusgestaltung  der  Fasten- 
und  Bußliturgie  kennen  gelernt  haben. 

10.  Ausschmückungen  schlichter  Art  waren  auch  die  A  s  h  a  r  o  t 
des  Wochenfestes,  die  in  ihrer  ältesten  Form  die  Gebote  und  Verbote 
ohne  jede  Verbindung  trocken  aneinanderreihten,  jedoch  auch  bald 
in  der  Weise  bearbeitet  wurden,  daß  zusammenfassende  Übersichten 
Gruppierungen  und  Bewertungen  der  einzelnen  Klassen  sowie  rhyth- 
mische Lieder  zum  Abschlüsse  hinzutraten. 

11.  In  dasselbe  Gebiet  und  in  dieselbe  Zeit  gehören  die  ältesten 
Hoschanot  für  das  Hüttenfest,  sämtlich  sclüichte  Litaneien, 
deren  einziger  Schmuck  das  Alphabet  ist.  Einleitende  Stücke  für  die 
Vorbeter  wie  b^b  nbirr^i?  ,r"iis"is  3"  "Ti  zeigen  ebenfalls  die  unge- 
künstelte Form  jener  Zeit,  die  einfache  an  die  Bibel  angelehnte 
Sprache,  den  schlichten  Aufbau  der  Gedanken,  den  kiu-zen,  nur  von 
der  Betonung  abhängigen  Rhytlimus.  Von  den  Vorbetern  rühren 
höchstwahrscheinlich  auch  gewisse  Anrufungen  vor  einzelnen  Gebet- 
stücken her,  kurze  Sätze  mit  einfachen  Gedanken,  die  später  Vor- 
bilder für  zahlreiche  ähnliche  Sätze  und  vor  allem  Anknüpfungspunkte 
für  weit  ausgeführte  und  schwierige  Poesien  boten  {j:^  "js^bia:  ]2^', 

12.  Kennzeichnend  für  die  hier  beliandelten  Erweiterungen  der 
Stammgebete  ist,  daß  die  meisten  sämtlichen  Riten  gemeinsam, 
demnach  in  einer  Zeit  entstanden  sind,  wo  eine  gleichmäßige  Beein- 
flussung der  gesamten  Judenheit  noch  möglich  war.  Gemeinsam  ist 
ihnen  ferner  die  Einfachheit  der  Form,  die  Schlichtheit  der  Sprache; 
weder  der  Reim  noch  der  Gebrauch  von  schwierigen  neuen  Wort- 


Wcilcri'   Aiis>,^rstallimi,'   des  ( '.ol  tcsdicnstt'S  27') 

bilduiiijon  oder  die  Vor\v«Mtimg  diiiiklcr  Ankläiij^c  an  die  Aiislcffuii^ 
des  Midniseh  sind  in  ihnen  anznl reifen.  \'iele  Sliiek'c  der  älteren  Zeit 
sind  sj)äter  überarbeitet  tider  erweitert  woideii,  man  bianelit  sie  nur 
in  der  jüiiii,eren  h'orin  mit  den  msprüni^diehen  X'oriai^eii  /.n  \'er^deiclien, 
nni  die  cliarakli'ristiselnMi  lOiiiensehal'ten  und  die  XOrziii^e  der  älteren 
Arbeiten  zu  erkennen,  hie  Stücke  sind  leriier  niii'  an  die  (lebete 
an^jeliänj^t,  si(>  unterbrechen  ihre  herkiimmliehe  Keihenl'ülge  nicht. 
Sie  sind  endlieh  sämtlich  anonym,  weder  haben  die  Verfasser  ihre 
Namen  in  ihnen  an,i;ezeigt,  noch  ist  sonst  eine  Überlieferung  über  ihren 
Trsprung  vorhanden.  Die  Heimat  der  ersten  Zutaten  zu  den  Stamm- 
gebeten ist  zum  weitaus  größten  Teile  Palästina  oder  das  benach- 
barte Syrien.  Nur  dort  wurde  die  hebräische  Sprache  derart  ge])l'legt, 
daß  sie  so  stilgerecht  gehandhabt,  so  ausdrucksvoll  angewendet  werden 
konnte.  Was  von  babylonischen  Kompositionen  vorliegt,  ist  in  ara- 
mäischer Sprache  und  in  ganz  anderen  Gedankengängen  gehalten. 
Die  alten  Asharot  freilich  werden  in  der  Überlieferung  den  babylo- 
nischen Hochschulen  zugeschrieben,  ihren  Inhalt  bilden  so  trockene 
Aufzählungen,  daß  daraus  ein  Argument  gegen  die  Überlieferung 
nicht  entnommen  werden  kann;  aber  das  eine  spricht  sicher  dagegen, 
daß  die  Stimmung  in  Babylonien  im  allgemeinen  solchen  Einschal- 
lungen  nicht  sehr  frenndlicli  war.  In  Babylonien  strebte  man 
ilanach,  das  gesamte  Gebiet  des  Gottesdienstes  in  feste,  unabändei- 
liche  F'ormen  zu  bringen;  in  Palästina  hingegen  war  die  Tendenz 
eine  entgegengesetzte,  dort  suchte  man  gerade  Abwechslung  im 
Gottesdienste,  man  wünschte  möglichst  viele  Gebete  zu  besitzen,  um 
nicht  immer  ein  und  dieselben  verwenden  zu  müssen.  Man  traute 
sich  auch  die  Fähigkeit  zu,  den  Gottesdienst  zu  bereichern,  und  das 
Land  besaß  noch  immer,  und  gerade  in  derartigen  Fragen,  genügende 
Autorität,  um  selbt  gegen  den  Willen  der  Babylonier  seine  Neigungen 
siegreich  durchzusetzen. 


Kap.  II.     Die  Epoche  des  Piut. 
§  39.     Der  Piut. 

Literatur:  Zunz,  Syn.  Poesie,  S.  o9ff. ;  Dukes,  Zur  Kenntnis  usw.; 
Sachs,  Rel.  Poesie,  S.  178 flf.;  Duschak,  S.  224 ff.;  Eppensteiu,  Beiträge 
usw.  in  MS,  m,  1908,  S.  465 ff.;  J.E.  Art.  Piyyut  X.  65 flf. 

1.  Um  das  Jahr  550  etwa  dürfen  vra:  die  Stammgebete  als  ab- 
gesclilossen,  auch  ilu'e  ersten  Erweiterungen  als  schon  vorhanden 
und  anerkannt  betrachten;  neue  Gebete,  die  sich  gleichmäßig  in  der 
gesamten  Judenheit  v^erbreiten  und  als  verbindlich  angenommen 
werden,  entstehen  nicht  mehr.  Damit  aber  war  keineswegs  eine  Er- 
starrung des  Gottesdienstes  eingetreten,  keineswegs  der  Bestand  an 
Gebeten  ein  für  allemal  festgelegt,  so  daß  er  nie  mehr  verändert  werden 
konnte.  Alle  Ereignisse,  die  auf  die  Lage  der  jüdischen  Gemeinschaft, 
ilu-e  Erlebnisse  und  Stimmungen  entscheidend  einwirkten,  übten  iliren 
Einfluß  auf  den  Gottesdienst  aus.  Die  Bereicherung  des  Gottesdienstes 
vollzog  sich  späterhin  in  der  Weise,  daß  kunstvolle  Poesien,  Hymnen, 
Elegien  oder  Bitten  zu  den  Stammgebeten  hmzutraten,  die  unab- 
hängig von  ihnen  blieben,  ihren  Gedankengang  selbständig  verfolgten, 
mit  den  Stammgebeten  nur  äußerlich  verbunden,  nicht  mehr  ver- 
schmolzen wurden.  Der  Piut  leitet  eine  neue  Epoche  in  der  Ent- 
wicklung des  Gottesdienstes  ein.  Mein*  als  ein  Jahrtausend  überwog 
die  Stimmung,  welche  an  einer  solchen  Ausgestaltung  des  Gottes- 
dienstes Gefallen  fand,  sie  betätigte  sich  nicht  immer  in  derselben 
Richtung,  aber  so  verschieden  auch  der  Ausdruck  jener  Bestrebungen 
sein  mag,  das  gemeinsame  Kennzeichen  ist  die  Unantastbarkeit  der 
Stammgebete  und  die  Ausgestaltung  des  Gottesdienstes  durch  fremde 
Zutaten,  die  sich  nach  Ländern  und  Zeiten  verschieden  entwickeln. 

Mit  dem  Abschlüsse  des  Talmuds  hängen  zwei  in  der  Geschichte 
des  Judentums  neue  Erscheinungen  zusammen;  die  bis  daliin  münd- 
lich fortgepflanzte  Leine  whd  niedergesclu'ieben  und  die  ehemals 
einheitliche  Tradition  spaltet  sich  in  mehrere  Zweige.  Beide  Neue- 
rungen üben  auch  auf  den  Gottesdienst  ilire  Wü'kung  aus.    Es  ent- 


Die  Epoche   des  Piut  281 

stehen  ffosehricbcnc  GebctbücIuM-,  eine  bis  dahin  unbekannlc  und 
reiche  Literatur,  die  für  die  Kntwickhnig  von  groLJcrti  Belang  wird. 
Und  wie  eine  l.itoratin-  tu  r  (Umi  Gottesdienst,  so  entsteht  eine  solche 
über  den  Gottesdienst,  in  den  einzehien  Ländern  biUkMi  sich  ab- 
weichende Bräuche,  ihre  Feststelkmg,  ihre  Vergleichung,  der  Gedanken- 
austausch darüber  beeinfhissen  den  Gottesdienst.  Während  auf  der 
einen  Seite  an  der  HersteUung  der  äußeren  Ordnung  des  Gottesdienstes 
gearbeitet  wird,  legt  die  andere  allen  Nachdruck  auf  den  inneren  Ge- 
halt, den  religiösen  Wert  des  Gottesdienstes,  auf  die  fromme  Stimmung 
des  Beters.  Auch  die  Mystik  bemächtigt  sich  des  Gottesdienstes, 
anfangs  sucht  sie  ihn  nur  durch  die  Forderung  vertiefter  Andacht  zu 
beeinflussen,  dann  aber  durch  eigene  Zusätze  zum  überlieferten  Gebet, 
die  mit  dem  Piut  eine  gewisse  Ähnlichkeit  haben.  In  der  ganzen 
langen  Zeit  bleibt  der  Piut  das  vorherrschende  Element,  das  dem 
Gottesdienste  sein  Gepräge  gibt. 

2.  Die  ersten  Versuche  zur  Ausschmückung  des  Gottesdienstes  an 
den  Festen  und  Fasttagen,  von  denen  oben  (S.  276  ff.)  berichtet  wurde, 
enthalten  bereits  solche  Zusätze,  die  man  als  Piut  bezeichnen  kann ; 
die  Anwendung  der  alphabetischen  Anordnung,  die  sich  in  einem 
großen  Teile  von  ilinen  findet,  wird  als  eine  der  Eigentümliclikeiten 
der  Piutdichter  bezeichnet.  Dennoch  sind  jene  Dichtungen  ganz 
anderer  Art  wie  der  Piut  im  eigentlichen  Sinne.  Zunächst  sind  sie 
stets  von  den  Stammgebeten  getrennt  geblieben,  nicht  in  dieselben 
eingedrungen,  sie  haben  nicht,  wie  es  beim  Piut  der  Fall  ist,  den  über- 
lieferten Zusammenhang  der  Gebete  unterbrochen.  Sodann  aber 
unterscheiden  sie  sich,  wie  nicht  genug  hervorgehoben  werden  kann, 
durch  die  Schlichtheit  ilirer  Form,  die  Einfachheit  ihrer  Sprache, 
die  Verständlichkeit  und  Klarheit  ilu-er  Darstellung.  Der  Piut  hin- 
gegen ist  in  jeder  Beziehung  K  u  n  s  t  p  o  e  s  i  e  ,  für  ihn  sind  der 
strophische  Aufbau,  die  Venvendung  des  Reims,  der  gesuchte  Aus- 
druck, der  enge  Anschluß  an  den  Midrasch  und  die  dadurch  bedingte 
lehrhafte  Darstellung  kennzeichnend.  Zwischen  den  primitiven 
Zutaten  des  fünften  und  sechsten  Jahrhunderts  und  dem  ausgebildeten 
Piut  nach  dem  Muster  des  kaliiischen  liegt  eine  gewaltige  Kluft.  Es 
muß  eine  Übergangszeit  gegeben  haben,  in  der  sich  eine  Tradition 
darüber  herausbildete,  welche  Stellen  des  Gebetes  zur  Erweiterung 
durch  Poesien  geeignet  waren,  eine  Zeit,  in  der  die  Stilform  des  Piut 
immer   mehr  zur    Entfaltung  gebracht  wurde,  in  der  alles,  was  uns 


282  Geschichte  des  Gottesdienstes 

später  fertig  und  von  der  allgemeinen  Zustimmung  getragen  entgegen- 
tritt, vorbereitet  und  ausgearbeitet  wurde.  Die  Kompositionen  jener 
Zeit  wurden  dm'cli  die  besseren  Dichtungen,  die  ihnen  folgten,  ver- 
drängt, so  daß  die  Gedankenrichtung  jener  Epoche  und  die  Namen 
der  Männer,  die  in  ihr  maßgebend  waren,  bis  auf  ganz  geringe  Spuren 
völlig  verschollen  sind.  Aber  daß  eine  große  Bewegung,  ein  gewaltiger 
Widerstreit  der  Meinungen,  mitunter  vielleicht  auch  heftige  Kämpfe 
mit  diesen  Bestrebungen  verbunden  waren,  daran  kann  nicht  ge- 
zweifelt werden.  Nicht  vom  ersten  Augenblicke  an  hat  der  Piut  überall 
Anklang  gefunden,  für  seine  Verbreitung  und  für  seine  günstige  Auf- 
nahme wurde  eine  Notlage  entscheidend,  Religionsverfolgungen,  die 
den  alten  gottesdienstlichen  Vorträgen  ein  jähes  Ende  bereiteten 
und  die  Einführung  einer  neuen  Art  der  religiösen  Belehrung  zur  Not- 
wendigkeit machten. 

3.  Jehuda  b.  Barsüai  aus  Barcelona  berichtet  in  seinem  S.  ha  Ittim 
auf  Grund  von  Mitteilungen  älterer  Autoritäten  (i^ninn),  daß  die  Ein- 
führung des  Piut  in  einer  Zeit  der  Religionsnot  stattfand  ("ipr:  sbr 
^inb  'iiaicn  ryw^  i^bs?),  „weil  damals  die  Worte  der  Belehrung  nicht 
zugelassen  wurden.  Die  Feinde  hatten  Israel  verboten,  sich  mit  der 
Tora  zu  befassen,  infolgedessen  trafen  die  Gelehrten  jener  Zeit  Ein- 
richtungen, vermöge  deren  sie  im  Rahmen  der  Tefilla  den 
Ungelehi-ten  die  Vorschriften  für  ein  jedes  Fest,  die  Vorschriften  im 
Anschluß  an  die  Sabbatlektionen,  die  Einzelheiten  der  religiösen  Ge- 
setze in  Gestalt  von  Hymnen  und  geremiten  Poesien  (r"i"nn";  r^nir 
D^üTiBT  niTinn)  vorführten."  Die  Erzählung  wird  ganz  beiläufig 
in  das  Werk  eingeflochten,  der  Abschnitt  über  die  Gebete,  r'DiS  nrbn, 
in  dem  die  Frage  wahrscheinlich  ausführlich  behandelt  war,  ist  nicht 
erhalten.  Welche  Religionsnot  gemeint  ist,  läßt  sich  nicht  ohne  weiteres 
ersehen.  Man  denkt  zunächst  an  die  Novelle  Justinians  vom  Jahre  553, 
die  gelegentlich  der  Ordnung  von  Synagogenstreitigkeiten  (oben 
S.  190)  den  Gebrauch  der  „sogenannten  Deuterosis  als  Erfindung 
der  Menschen,  als  von  außen  zur  Bibel  hinzugekommenes,  unge- 
schriebenes, gottloses  Geschwätz"  ganz  und  gar  verbietet.  Das  Wort 
öeovaQVJGig  ynrd  auch  von  den  Kirchenvätern  als  Bezeichnung  der 
jüdischen  Traditionsliteratur  gebraucht,  hauptsächlich  allerdings  als 
Benennung  für  die  Mischna,  muß  aber  hier,  wo  es  im  Zusammenhange 
mit  der  Schriftvorlesung  gebraucht  wh-d,  sich  ausschließhch  auf  die 
targumischen  Paraphrasen  oder,  da  es  sehr  fraglich  ist,  ob  neben  der 


Dif  Entstellung   des    l'iut  283 

giiec'liisclion  i'l)oisctzmifr,  um  die  cUm*  Streit  entbrannt  Avar,  aiicli 
noch  (las  Targimi  ziini  Vurtiaj^e  i^elanirle,  auf  die  helelirenden  Vur- 
träge  luigadischeu  und  lialaehiselieii  Inhalts  hezieiuMi.  Sie  aber  sind 
es.  welche  nach  l^arsilais  Mitteihiui^'en  verb(»ten  und  ihireh  die  Piutini 
ersetzt  zu  werden  bestimmt  waren.  Wir  hätten  demnacii  hier  einen 
Bericht.  (k>r  chis  Aufluiren  der  Midrasch-Vorträ^e  in  1'  a  1  ä  s  t  i  n  a  , 
(his  ja  zum  byzantinisdicn  Reiche  gehörte,  zu  erklären  versucht. 

So  viel  auch  für  diese  Annahme  si)richt,  so  darf  doch  nicht  un- 
beachtet bleiben,  daß  al-Barcelonis  Quelle  wahrscheinlich  eine  b  a  b  v  - 
1  0  n  i  s  c  h  e  war  und  religiöse  Beschränkungen  der  Juden  in  15  a  b  y  - 
lonien  im  Auge  hatte.  Von  solchen  aber  spricht  ausdrücklich  ein 
anderer  Berichterstatter,  der  die  Angelegenheit  ebenfalls  nur  ganz 
gelegentlich  streift  und  darum,  selbst  wenn  man  ihm  sonst  nicht 
inmier  Glauben  schenken  mag,  bei  unserer  Frage  volle  Beachtung 
verdient.  Samuel  b.  Jehuda  ibn  Abun  aus  Fes,  der  im  XII.  Jahr- 
hundert zum  Jslam  übergetreten  und  unter  dem  Namen  Samaual 
1).  Jahjä  al-magribi  als  Schriftsteller  bekannt  geworden  ist,  verfaßte 
eine  umfangreiche  polemische  Schrift  ,,lfhäm  al-jahüd".  das  Zum- 
schweigenbringen  der  Juden,  die  eine  ausführliche  Widerlegung  der 
jüdischen  Lehre  zum  Gegenstande  hat.  Gelegentlich  kommt  er  auf 
die  Schicksale  der  Juden,  auf  die  zahlreichen  sclnveren  Verfolgungen, 
denen  sie  unterworfen  waren,  zu  sprechen  und  bemerkt  da  wie  folgt : 
..Der  Islam  traf  die  Juden  unter  der  Herrschaft  der  Perser  .  .  .;  diese 
haben  ihnen  iiäufig  das  Gebet  verboten  ....  Als  aber  die  Juden 
sahen,  daß  es  den  Persern  mit  dem  Verbote  des  Gottesdienstes  ernst 
sei,  machten  sie  Gebete,  in  welche  sie  Stücke  des  gewöhnlichen  Ge- 
bets hineinschoben,  und  nannten  sie  al-hizäna  (r::Tn).  Sie  kompo- 
nierten zu  diesen  viele  Melodien  und  in  den  Gebetszeiten  pflegten  sie 
zusammenzukommen,  um  sie  zu  singen  und  zu  lesen.  Der  Unter- 
schied zwischen  der  Hizäna  und  zwischen  dem  Pflichtgebet  (salät) 
ist,  daß  das  Pflichtgebet  ohne  Melodie  verrichtet  wird;  es  wird  vom 
Vorbeter  allein  vorgelesen  imd  niemand  schreit  mit,  beim  Hizan  aber 
begleiten  ihn  viele  mit  Rufen  und  Singen  und  helfen  ihm  bei  den 
Melodien.  Als  die  Perser  ihnen  dies  verboten,  meinten  die  Juden, 
daß  sie  nur  (singen  und)  manchmal  damit  aufhören  und  manchmal 
darin  eifrig  sein  sollten.  Das  Merkwürdige  dabei  ist,  daß,  als  der 
Islam  der  Ahl  al-dimma  die  Religionsübung  gestattete  und  das  Pflicht- 
gebet ihnen  erlaubt  wurde,  die  Hizäna  bei  den  Juden  an  Fest-  und 


284  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Feiertagen,  sowie  bei  freudigen  Anlässen  zur  verdienstliehen  Re- 
ligionsübung  geworden  ist;  sie  machten  sie  zum  Ersatz  für  das  Pflicht- 
gebet und  begnügten  sich  damit,  ohne  hierzu  gezwungen  zu  sein." 
Der  interessante  Bericht  ist  nicht  frei  von  Widersprüchen  und  Unklar- 
heiten, sie  beziehen  sich  in  der  Hauptsache  auf  die  Vortragsweise  der 
Hizäna  und  auf  ihr  V^erhältnis  zu  den  Stammgebeten.  IVIit  Sicherheit 
ergibt  sich  indes,  daß  auch  Samau'al  von  der  Entstehung  der  Sitte 
der  Hizäna  in  einer  Zeit  der  Bschränkung  des  Gottesdienstes  wußte 
und  es  tadelte,  daß  sie,  nachdem  ruhigere  Verhältnisse  eingetreten 
waren,  beibehalten  wurden.  Die  Verfolgungen  haben  nach  seinen 
Angaben  die  P  e  r  s  e  r  verursacht.  Das  stimmt  mit  dem,  was  jüdische 
Quellen  über  die  Zeit  von  450  bis  589  zu  berichten  wissen,  sehr  wohl 
zusammen.  Insbesondere  müssen  wir,  wenn  er  unmittelbar  vor  der 
Berührung  der  gottesdienstlichen  Fragen  erwähnt,  daß  die  jüdischen 
„Lehrer  erschlagen,  ihre  Bücher  verbrannt  und  sie  selbst  an  der  Er- 
füllung ilu-er  Religionsgesetze  verhindert  wurden",  an  die  unglück- 
lichen Ereignisse  denken,  die  nach  der  Darstellung  im  Sendschreiben 
des  Gaons  Scherira  am  Sclilusse  der  amoräischen  und  während  der 
saboräischen  Epoche  die  Verbreitung  der  Lelire  unmöglich  machten, 
zur  Scliließung  der  Lehrhäuser  fülu-ten  und  \'ielen  angesehenen  Lelu-ern 
den  Tod  oder  das  Exil  brachten.  In  jene  trostlosen  Zeiten,  die  mit 
einigen  kurzen  Ruhepausen  etwa  ein  Jahrhundert  andauerten,  fäUt 
nach  Samau'al  die  Einbürgerung  der  Hizäna.  Die  Ursache  ist  dann 
walu'scheinlich  dieselbe,  die  Jehuda  b.  Barsilai  erwähnt,  das  Aufhören 
der  belelii-enden  Vorträge  und  üir  Ersatz  durch  religiöse  Lieder  er- 
baulichen oder  belelu-enden  Inhalts;  denn  daß  die  gottesdienstlichen 
Versammlungen  verboten  und  doch,  wenn  nur  solche  Lieder  und 
nicht  die  PfUchtgebete  vorgetragen  wurden,  gestattet  gewesen  sein 
sollen,  läßt  sich  schwer  begreifen.  Die  Religionsnot  freilieb,  die  den 
Anlaß  zu  ihrer  Einführung  gegeben  hat,  wäre  hiernach  nicht  die  von 
Justinian  verfügte,  sondern  die  umfassende  Verfolgung  der  Juden 
Mesopotamiens,  die  mit  dem  Niedergange  des  Sassanidenreiches  zu- 
sammenfällt. 

Über  den  Zusammenhang  des  Namens  Hizäna  mit  den  gottes- 
dienstlichen Vorträgen  belelut  uns  auch  der  arabische  Schriftsteller 
al-Kalkaschandi  am  Ende  des  XIV.  Jahrhunderts,  der  bei  der  Schil- 
derung der  jüdischen  Gemeinde  in  Kaho  unter  den  Würdenträgern 
an  zweiter  Stelle  den  "n  nennt  —  das  Wort  ist  mit  genauer  Angabe 


Die  Entslfhung  des  Piut  285 

der  Oiilion^rajjliio  ^on:el)on  —  der  ,,ein  pjuter  Predip;er  (2"'I:d)  ist  und 
vom  Miiibar  aus  das  Volk  ermahnt."  Ebenso  wird  in  einem  anderen 
Dokumente  aus  Fostat  der  ';Tn  vom  rr^bir  unterschieden  und  ihm  vor 
diesem  der  Vorrang  zugesprochen.  Andererseits  wird  das  Wort  Hizäna 
in  jüdischen  Kreisen  in  dem  Sinne  verwendet,  den  sonst  Piut  hat. 
Besonders  die  Poesien  Jannais,  eines  der  ältesten  Piutdiciiter,  werden 
unter  dieser  Bezeichnung  erwälmt.  Kirkisani  nennt  wiederholt  als  eine 
der  Quellen  Anans,  des  Stifters  der  karäischen  Sekte,  die  "^sr  n:s<7n. 
Auch  in  Bücherlistcn  aus  dem  Mittelalter,  die  in  jüngster  Zeit  ver- 
öffentlicht wurden,  findet  sich  mehrfach  die  Bezeichnung  im  Zu- 
sammenhange mit  den  Gebeten  für  nahezu  sämtliche  Feste. 

4.  Der  Piut  war  nicht  erst  durch  die  genannten  Verfolgungen 
entstanden,  Babylonien  war  auch  nicht  sein  Heimatland,  er  hat  dort 
niemals  als  einheimisches  Erzeugnis  und  als  ein  den  Stamragebeten 
gleichberechtigter  Bestandteil  des  Gottesdienstes  gegolten.  Sein 
Ursprungsland  ist  Palästina,  für  seine  Entstehung  war  das  Be- 
dürfnis maßgebend,  die  religiösen  Anschauungen,  welche  die  Hagada 
erarbeitet  hatte,  in  neuer  Form  zu  verbreiten,  den  Gottesdienst  an 
den  Festen  zu  schmücken  und  in  dem  Glänze  des  religiösen  Gedankens 
zu  verklären.  ,,Die  Festdichtung  war  das  Surrogat  für  die  Institution 
der  öffentlichen  Belehrung  und  allmählich  gleichsam  die  stehende 
Charakteristik  des  Festes,  dessen  Deutung  und  Auslegung,  die  Stimme 
der  Geschichte  oder  die  ins  Wort  gefaßte  Stimmung  der  Gemeinde." 
Der  Zwang,  die  öffentlichen  Lehrvorträge  einzustellen,  war  ilirer 
Verbreitung  außerordentlich  fördernd,  verschaffte  ihr  sogar  in  Baby- 
lonien Eingang  und  sicherte  ihr  die  Billigung  der  anerkanntesten  Be- 
hörden. 

Die  Stimmung  zugunsten  des  Piut,  zunächst  eine  Folge  der 
traurigen  Zeitverhältnisse,  wurde  wesentlich  verstärkt  durch  die 
Berührung  mit  der  Kultur  und  Poesie  der  Araber  (nach  635).  Von 
ilinen  rülirten  die  neuen  Kunstformen  her,  welche  dem  Piut  die  äußere 
Schönheit  und  den  Schwung  verliehen.  Von  ihnen  lernten  die  jü- 
dischen Dichter  den  Reim,  in  späterer  Zeit  auch  das  Metrum,  von 
ihnen  übernahmen  sie  die  Sitte  des  Akrostichons,  aus  ilirer  Art,  alte 
Zitate  zu  verwenden,  schöpften  sie  die  Anregung  zur  Ausbildung  des 
Musivstils.  Eine  Piutdichtung  hat  es  auch  vor  der  Bekanntschaft 
mit  den  Leistungen  der  Araber  gegeben,  ihre  Ausgestaltung  jedoch 
und  ihre  Verfeinerung,  ilu-e  Verbreitung  und  ihre  sympathische  Auf- 


286  Geschichte  des  Gottesdienstes 

nähme  hat  sie  dem  durch  die  arabische  Dichtkunst  wachgerufenen 
Interesse  zu  danken;  ohne  sie  hätte  der  Piut  nicht  die  Anerkennung 
seitens  der  maßgebenden  Kreise,  nicht  die  Mannigfaltigkeit  seiner 
Kunstformen  gefunden.  Von  der  Zeit  der  Ausbreitung  der  Herrschaft 
des  Islams  über  Palästina  und  Babylonien  dürfen  wir  den  Aufschwung 
der  Piutdichtung  datieren.  Bereits  ein  Jahrhundert  später  (vor  750) 
beherrscht  er  die  wichtigsten  Teile  des  Gebets,  sind  die  Stellen,  an 
denen  er  zum  Vortrag  gelangt,  festgelegt,  ist  das  Schema  seiner  Ver- 
teilung der  allgemeinen  Zustimmung  sicher;  die  Annahme,  daß  der 
Vorbereitung  und  Ausarbeitung  der  endgültigen  Form  eine  längere 
Entwicklung  vorausgegangen  sein  muß,  läßt  sich  nicht  von  der  Hand 
weisen. 

5.  Der  wichtigste  Scluitt  in  dieser  Entwicklung  war  das  Ein- 
dringen des  Piut  in  die  T  e  f  i  1 1  a  ,  die  Neuerung,  daß  er  nicht  mehr 
als  Anhang  zum  überlieferten  Gebete,  sondern  unter  Unter- 
brechung der  vorgeschriebenen  Ordnung  inner- 
halb desselben  (nbErn  bb^n  Ittim)  zum  Vortrage  gelangte. 
Dadurch  hatte  der  Piut  Bürgerrecht  erlangt,  und  seiner  Ausbreitung 
stand  keinerlei  Schranke  melir  entgegen.  Zunächst  wurde  er,  als 
Keroba,  nur  in  den  ersten  Benediktionen  der  Tefilla  vei"^'endet, 
aber  bald  eroberte  er  sich  die  ganze  Tefilla.  Von  da  schritt 
der  Piut  weiter  vor  zum  J  o  z  e  r ;  auch  dort  ergriff  er  zuerst  nur  von 
den  Hauptstellen  Besitz,  um  sich  allmählich  neue  Positionen  zwischen 
diesen  Gebetstücken  zu  erkämpfen.  Auch  beim  Jozer  hatte  es  nicht  sein 
Bewenden,  schließlich  wurden  schon  die  die  Semirot  einleitenden 
und  abschheßenden  Stücke  mit  Poesien  versehen.  Wie  das  Morgen- 
kamen Musaf-  und  Abendgebet,  seltener  Mincha  unter  den  Einfluß 
des  Piut.  Neben  den  Gebeten  bot  die  Tora-  und  Prophetenvorlesung 
den  Dichtern  Gelegenheit  zum  Eingi-eifen,  die  Bibelstellen  und  Li- 
taneien in  der  Selicha  wurden  durch  poetische  Stücke  unterbroclien; 
kurz,  es  gab  keine  Stelle  im  Gebet,  keine  Zeremonie  und  keine  Gelegen- 
heit, die  die  Möglichkeit  zu  poetischen  Einschaltungen  boten  und  von 
den  Piutdichtern  nicht  genutzt  worden  wären.  Auch  die  Anlässe 
häuften  sich.  Seinem  Ursprünge  nach  war  der  Piut  für  die  Feste  und 
die  ausgezeichneten  Sabbate  bestimmt,  er  nahm  aber  ebenso  von  den 
Halbfesten  und  den  Fasttagen  Beschlag  und.  wie  es  midraschische 
Auslegungen  für  alle  Sabbate  des  Jahres  gab.  so  wurden  im  Anschluß 
an  die  Perikopen  des  dreijährigen  Zyklus  auch  Piutim  für  alle  Sabbate 


I 


Die   \  erbroilung  dus  l'iut  287 

verfaßt;  ja  es  ist  nicht  aiisi^csclilosson,  daß  si'lhsl  für  die  Wochentage 
unter  Anlehnung  an  die  sabbatliche  Perikope  gedichtet  wurde.  Der 
Piut  machte  bei  den  Bedürfnissen  und  Erlebnissen  der  (iemcinde 
nicht  halt;  die  Geschicke  des  einzelnen  wurden  ebenfalls  zum  Gegen- 
stande der  Dichtling  gemacht,  Geburt,  Hochzeit,  Tod  ihrer  Mitglieder 
trugen  zur  Ausgestaltung  des  Gottesdienstes  der  Gemeinde  bei.  Nicht 
daß  in  allen  Gemeinden  zu  allen  Zeiten  jede  Gattung  des  Piut  in 
gleicher  Weise  ge])flegt  und  gutgeheißen  worden  wäre,  darin  herrschte 
die  denkbar  grüßte  Verschiedenheit.  Nicht  alle  Gemeinden  waren 
in  gleicher  Weise  Anhänger  des  Piut;  diejenigen,  die  ihm  geneigt 
waren,  wurden  häufig  vom  Dichter  überrascht,  ohne  vorher  zu  wissen, 
ob  Poesien  zum  Vortrag  kommen  und  bei  welcher  Gelegenheit  sie  zu 
hören  sein  würden.  Es  war  der  Vorzug  des  Piut  vor  den  Stammgebeten, 
daß  weder  der  Wortlaut  noch  die  Zahl  oder  Reihenfolge  der  Dich- 
tungen irgendwelchen  Bestimmungen  oder  Beschränkungen  unter- 
worfen waren.  Bis  auf  die  Norm,  daß  er  zum  Inhalte  des  Gebetes,  dem 
er  beigefügt  wurde,  passen  mußte,  gab  es  keine  feste  Regel  für  den 
Piut,  er  konnte  eingelegt,  weggelassen,  durch  neue  Schöpfungen  er- 
setzt werden,  ganz  so  wie  der  Geschmack  und  die  Stimmung  der  Ge- 
meinde es  im  Augenblicke  gerade  wünschenswert  erscheinen  ließen. 
Die  Wandelbarkeit  war  die  größte  Stärke  des  Piut,  die  Möglichkeit, 
immer  neue  Dichtungen  heranzuziehen,  war  eine  der  hauptsächlichsten 
Ursachen  seiner  Beliebtheit;  die  Gemeinde  konnte  seiner  nie  über- 
dinissig  werden,  es  lag  in  ihrer  Macht,  nicht  beliebte  Kompositionen 
auszuschalten  und  durch  neue,  bessere  zu  ersetzen  oder,  sobald  der 
Geschmack  sich  geändert  hatte,  an  Stelle  von  veralteten  zeitgemäßere 
Stücke  aufzunehmen.  Der  Piut  verlieh  dem  gesamten  Gottesdienste 
eine  starke  Beweglichkeit,  er  brachte  eine  willkommene  Unterbrechung 
der  regelmäßig  wiederkehrenden,  sich  stets  gleichbleibenden  Stamm- 
gebete, seine  ersten  starken  Erfolge  beruhten  zum  großen  Teile  auf 
dem  Wunsche  nach  Abwechslung,  w^nn  auch  keineswegs  geleugnet 
werden  soll,  daß  auch  sein  Inhalt  und  seine  Kunstform  ein  Zeitbe- 
dürfnis auslösten.  Der  Piut  wurde  ein  wichtiger  Faktor  im  Gottes- 
dienste, gegen  mannigfache  und  mächtige  Widerstände  hat  er  sich 
durchgesetzt  und  behauptet,  die  Produktion  wuchs  zusehends,  die 
Zahl  der  synagogalen  Dichtungen  vermehrte  sich  ins  Ungemessenc. 
Die  gedruckten  Gebetbücher  geben  eine  sehr  unzureichende  Vor- 
stellung von  dem  Reichtum  an  Poesien,  über  die  der  Gottesdienst 


288  Geschichte  des  Gottesdienstes 

einst  verfügte,  und  von  ihrer  Bedeutung  für  das  religiöse  Leben. 
Schon  dadurch  erwecken  sie  irrige  Vorstellungen,  daß  der  Piut  in 
ihnen  als  ein  feststehendes  und  unveränderliches  Element  der  Gebet- 
ordnung erscheint,  daß  er  jedermann  zugänglich  ist,  von  der  gesamten 
Gemeinde  gelesen  werden  kann,  während  er  einst  den  ausschließlichen 
Besitz  seines  Verfassers  bildete,  von  ihm  vorgetragen  und  nach  Be- 
heben verwendet  wurde.  Vor  allem  aber  ist  zu  beachten,  daß  die 
Drucke  nur  eine  geringe  Auswalil  aus  den  großen  Beständen  der 
handscliriftlichen  Sammlungen  aufzunelmien  vermochten.  Zunz  hat 
in  seiner  Literaturgeschichte  nicht  weniger  als  400  Dichter  behandelt 
und  neben  1816  Selichas  „40  Musaf-Keduschas,  57  Maarib,  70  Xisch- 
mat,  70  metrische  Bakaschas,  100  Kerobas,  120  Reschut,  150  Mosted- 
schab,  150  aramäische  Kompositionen,  180  Techinnas,  200  Hoschanas, 
gegen  600  Lieder  und  Piut  im  engeren  Sinne,  600  Klagegesänge,  600 
Jozer  und  Jozerstücke,  Ofan  usw."  erwähnt.  In  dem  halben  Jalir- 
hundert,  das  seitdem  verflossen  ist,  haben  sich  die  Zahlen  bedeutend 
erhöht,  die  unbekannten  Dichtungen,  die  aus  der  Genisa  zu  Kairo 
zutage  gefördert  wurden,  zälilen  allein  nach  Tausenden. 

6.  Der  Piut  ist  kein  einheitliches  Gebüde,  er  hat  seit  seinem 
Aufkommen  im  sechsten  oder  siebenten  Jahrhundert  bis  auf  den 
heutigen  Tag  —  denn  seine  Zeit  ist  in  manchen  Ländern  des  Orients 
noch  immer  nicht  erloschen  —  sein:  viele  Wandlungen  durchgemacht, 
Form  und  Inhalt,  Sprache  und  Darstellung  haben  in  ihm  gewechselt 
je  nach  den  Ländern  und  den  Zeiten  seiner  Entstehung,  er  hat  mit 
der  allgemeinen  Kultm-  der  Juden  gleichen  Scluitt  gehalten  und  hat, 
wie  sie  selbst,  Höhepunkte  und  Epochen  des  Niedergangs  erlebt ;  mit 
der  Veränderung  des  Geschmackes  und  der  Gedankenrichtung  gehen 
Wandlungen  in  der  Beliebtheit  des  Piut  und  in  seiner  Verwendung 
einher. 

7.  Der  Stoff  des  Piut  war  durch  seinen  Zweck  bestimmt,  die 
Dichtungen  hatten  die  Aufgabe,  die  synagogalen  Vorträge  zu  ver- 
treten, der  Gemeinde  für  diejenige  Belehrung  und  Erbauung  Ersatz 
zu  leisten,  die  Dir  ehemals  die  Derascha  (§  29)  vermittelt  hatte.  Der 
Paitan  löste  den  Darschan  ab,  er  mußte  wie  jener  das  gesamte  Ge- 
biet der  religiösen  Lehren,  Institutionen  und  Zeremonien  behandeln, 
die  Geschichte  der  Väter  und  die  Zukunftshoffnungen  entwickeln. 
Den  Sinn  der  Feste  und  ilu-e  Bräuche  zu  erläutern  war  eine  der  ältesten 
Aufgaben  der  Schi-iftauslegung,  sie  wurde  von  den  Paitanim  über- 


Stoff  und  Stil  des  Piut  289 

nommen,  der  Erklärung  der  Fcsfgcdankcn  und  Fcstsymbolc 
waren  ihre  Heuiühungeii  zunächst  gewuhnet.  Aber  hahl  erweilerfen 
sie  ihr  Arbeitsgebiet,  „der  unerschöpfliclie  Reichtum  der  flagada 
ergoß  sich  in  die  religiöse  Poesie,  die  nunmehr  die  Xalionallileralur, 
die  nationale  (icscliicliie  und  den  Glaubens-,  nicht  selten  auch  den 
Gesetzesinhalt  in  das  Gebet  verwebte,  und  selber  ein  Ausdruck  ward 
der  gesamten  Taten  und  Leiden  Israels."  Die  Leiden  bildeten  eine 
traurige  Kette,  die  nicht  abriß,  bis  in  die  unmittelbare  Gegenwart 
sich  fortsetzte.  Die  Dichter  selbst  hatten  ihren  bitteren  Kelch  zu 
kosten,  sie  mußten  die  Metzeleien  und  Verfolgungen  ihrer  Gemeinden 
ansehen,  den  Jammer  und  das  Wchgeschrei  ihrer  in  den  Tod  gehetzten 
Angehörigen  und  Freunde  mit  anhören,  der  Stoßseufzer,  der  sich 
ihrem  Herzen  entrang,  wurde  zum  Klagelied  für  die  Gemeinde  um- 
gestaltet, zu  dem  Lenker  der  Geschicke  richtete  sich  der  Blick  voller 
Ergebung  mit  dem  innigen  Gebet,  die  Zeit  der  zukünftigen  Erlösung, 
die  er  so  sicher  verheißen,  baldigst  herbeizuführen.  Die  Selicha,  die 
bis  dahin  mehr  den  allgemeinen  religiösen  Gedanken  von  Sünde  und 
Vergebung,  von  menschlicher  Vergänglichkeit  und  göttlicher  Gnade, 
von  Druck  und  Erlösung  Auscü'uck  verliehen  hatte,  erhielt  in  der  Zeit 
der  ständig  wütenden  Vernichtung  eine  zeitgenössische  und  persönliche 
Note,  sie  gab  die  Stimmung  wieder,  die  in  den  unschuldigen  Opfern 
des  Glaubenshasses  erzeugt  wurde,  die  unerschütterliche  Treue  zum 
Glauben  der  Väter,  die  unverwüstliche  Zuversicht  in  das  Erscheinen 
des  messianischen  Heils. 

Auch  der  Stil  des  Piut  wurde  stark  durch  die  Hagada  beeinflußt. 
In  der  ersten  Zeit  folgte  die  Darstellung  der  Paitanim  völlig  dem 
Beispiel  des  Midrasch,  sie  gaben  seine  Gedanken,  häufig  sogar  seine 
eigenen  Worte  wieder.  Wo  das  Studium  der  Juden  auf  Talmud  und 
Älidrasch  beschränkt  blieb,  vermittelte  das  aus  ihnen  entnommene 
Material  auch  weiterhin  ausschließlich  den  Stoff  der  religiösen  Poesie; 
wohingegen,  wie  in  Spanien,  die  Beschäftigung  mit  den  Wissenschaften 
die  Kenntnisse  und  den  Gedankenkreis  erweiterten,  wo  die  Philosophie 
die  Auffassung  der  religiösen  Probleme  in  andere  Richtung  lenkte, 
nahm  auch  der  Piut  eine  neue  Gestalt  an,  bereicherten  die  neuen 
Bildungselemente  seinen  Stoff,  beeinflußte  die  veränderte  Denkungs- 
weise  seinen  Inhalt.  Der  Piut  stand  allen  Einflüssen  offen,  in  ihm 
spiegeln  sich  die  Bildungsstufen  seiner  Verfasser,  die  Tendenzen  ilirer 
Epochen  wieder;  naturwissenschaftliche  und  philosophische,  mystische 

El  b  o  gen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  ^^ 


290  Geschichte    des   Gottesdienstes 

und  kabbalistische  Vorstellungen  haben  auf  ihn  einge^sirkt,  sind  mit 
den  biblischen  und  agadischen  Elementen,  die  er  durch  die  Tradition 
besaß,  eine  Verschmelzung  eingegangen.  Der  lehrhafte  Inhalt  bildete 
die  Stärke  und  gleichzeitig  die  Schwäche  des  Piut.  Es  war  außerordent- 
lich wertvoll,  daß  durch  Vermittlung  des  Piut  die  religiösen 
Gedanken,  die  erbaulichen  Erzählungen,  die  trostreichen  Verheißungen 
der  Hagada  in  den  weitesten  Kreisen  der  Religionsgemeinschaft 
verbreitet  wurden.  Wieviel  Frömmigkeit  ist  dadurch  geweckt,  wie\'iel 
Verzagten  Mut,  wie\'iel  Verzweifelten  Hoffnung  eingeflößt  worden! 
Die  leichte  Zugängliclikeit  des  Stoffes  war  aber  auch  häufig  eine  Ver- 
leitung zum  Verse  machen,  die  viele  zum  Anfertigen  von  Piutim  reizte, 
die  keine  Dichter  waren.  Es  bildete  sich  eine  gewisse  Schablone  heraus, 
die  nur  zu  gern  benutzt  wurde,  für  die  gleichen  Gebetstellen  und  die 
gleichen  Gelegenheiten  bediente  man  sich  gern  derselben  Gedanken, 
gewisse  Themen  wie  die  Leiden  der  zehn  Märtyrer,  die  Opferung 
Isaaks,  die  Kedusclia  der  himmlischen  Scharen  werden  die  immer 
wieder  und  häufig  mit  stereotypen  Wendungen  behandelten  Themen. 
Da  war  es  an  sich  schwierig,  originellen  und  packenden  Ausdruck 
zu  finden,  es  ist  auch  nur  wenigen  Dichtern  gelungen,  gar  vieh  wurden 
dabei  langatmig  und  ergingen  sich  in  einförmigen  Wiederholungen. 
Die  Dichter  der  Blütezeiten  freilich  wußten,  sich  völlig  frei  von  jedem 
äußeren  Einflüsse  zu  halten  und  folgten  lediglich  der  inneren  Eingebung, 
in  den  Verfallszeiten  wiederum  trat  von  neuem  die  Anlehnung  an  die 
alten  Vorbilder  stärker  hervor,  nur  daß  dann  auch  das  Beispiel  der 
klassischen  Dichtung  mitwirkte.  Der  Piut  mit  seinem  Fassungs- 
vermögen war  eine  Quelle  der  Belehrung,  war  der  Dolmetsch  des 
Glaubens  an  Gott  und  seine  Gnade,  des  Vertrauens  in  die  Kraft  des 
Gebets,  der  Zuversicht  in  die  Erfüllung  der  Zukunftshoffnungen.  Xach 
dieser  Richtung  hat  er  eine  bedeutsame  Mission  erfüllt,  und  er  er- 
füllt sie  noch  heute  überall  da.  wo  sein  Inhalt  und  seine  Ausdrucks- 
weise dem  Empfinden  der  Gläubigen  entsprechen. 

8.  Eine  nicht  geringere  Rolle  als  der  Inhalt  spielte  die  äußere 
Form  des  Piut.  Er  war  Kunstdichtung  und  mußte  sich  den  Gesetzen 
des  Geschmackes  seiner  Zeit  und  Umgebung  unterwerfen.  Die  Forde- 
rungen wechselten,  und  dementsprechend  legte  der  Piut  ein  anderes 
'Gewand  an,  er  wurde  mannigfaltiger  und  komplizierter,  der  Piut 
machte  sämtliche  Fortschritte  mit,  er  erschien  in  den  verschiedensten 
Gestalten.   Zuerst  ist  das  Alphabet  das  einzige  Bindemittel  der  Zeilen, 


Die  Kunslfurm  des   i'iut  291 

dann  tritt  der  Reim  hinzu;  d(>r  Wcclisol  des  Reims  veranlaßt  die 
Gliederung?  in  Stropiien,  und  vvu  ein  einzif^er  Keim  durch  die  ganze 
Poesie  hindurchgeht,  übernehmen  häufig  Refrains  oder  Bibelverse  die 
Aufgabe  der  Strophenteihmg.  Die  alphabetischen  Akrosticha  wechseln 
mit  solchen  ab,  die  Namen  oder  Hibelstellen  anzeigen,  sie  werden  sogar 
mit  ihnen  verbunden  und  variiert.  Für  den  IJau  der  Verse  ist  anfangs 
ein  gewisser  Rhythmus  maßgebend,  der  später  durch  kunstvolle 
Metren  ersetzt  wird.  Jede  der  hier  genannten  Formen  kommt  im 
Laufe  der  Zeit  zu  immer  künstlicherer  und  gekünstelterer  Anwendung. 
9.  Die  A  k  r  0  s  t  i  c  h  i  s  (l'ü'^D,  später  nTSTn),  die  wir  zunächst 
betrachten,  kann 

a)  eine  a  l  p  h  a  b  e  t  i  s  c  h  e  sein.  Alphabetische  Wort-  und 
Satzfolge  in  verschiedenen  Variierungen  finden  sich  bereits  in  den  aller- 
ersten Anfängen  synagogaler  Poesie  (oben  S.  274 f.).  Der  Piut  konnte 
nur  alphabetische  Zeilen  verwerten,  und  er  wendet  sie  in  den  reich- 
haltigsten Variationen  an.  Wie  in  den  biblischen  Psalmen  ist  auch 
in  den  Piutim  die  Zahl  der  Zeilen,  die  mit  denselben  Buchstaben  des 
Alphabets  beginnen,  sein-  verschieden,  ein,  zwei,  drei,  xäer  bis  zehn, 
sogar  achtzehn  und  vierundzwanzig  Zeilen  bilden  die  Strophen; 
sie  sind  innerhalb  ein  und  derselben  Poesie  nicht  immer  gleich  lang, 
die  einzelnen  Zeilen  kommen  in  den  verschiedensten  Zusammen- 
setzungen vor.  Es  bleibt  auch  nicht  bei  den  einfachen  Al]jhabeten, 
sondern  in  gleicher  Weise  wird  die  umgekehrte  Reihe  (p^Tr),  werden, 
wenn  auch  nicht  ganz  so  häufig,  die  aus  dem  Talmud  bekannten 
anderen  Kombinationen  der  Buchstaben  des  Alphabets  (z.  B.  TTirs, 
znbs,  rrin  cni«,  sogar  ^33  p"^i« )  angew-endet.  Es  können  in  einer  Poesie 
mehrere  Alphabete  nebeneinander  hergehen. 

Das  Akrostichon  kann  ferner 

b)  aus  B  i  b  e  1  v  e  r  s  e  n  bestehen. 

Sehr  oft  verwenden  die  Dichter  von  Kalir  an  Bibelverse  in  akro- 
stichischer Weise,  am  Pesach  z.  B.  werden  im  Jozer  die  Versanfänge 
des  Hohen  Liedes,  am  Wochenfeste  die  des  Dekalogs,  am  Schlußfeste 
die  aus  Moses  Segen  und  Tod  usw.  bald  als  Anfänge  der  Zeilen,  bald 
als  solche  der  Strophen,  bald  auch  in  der  Mitte  benutzt.  Die  Bibel- 
stellen werden  mit  den  Alphabeten  kombiniert,  so  daß  die  alpha- 
betische Reihenfolge  sich  erst  hinter  dem  Worte  des  Bibelverses 
bemerkbar  macht.  Auch  mit  den  Bibelversen  können  wie  mit  den 
Alphabeten  die  gewagtesten   Kombinationen  vorgenommen  werden, 

19* 


292  Geschichte    des    Gottesdienstes 

eine  der  kühnsten  von  Kalir,  wie  sie  glücklicherweise  nicht  häufig  sind, 
besitzen  wir  in  seiner  Keroba  zum  9.  Ab  in  It.;  der  erste  Vers  be- 
ginnt da  immer  mit  je  einem  Anfangsworte  der  Zeilen  in  Thr.  Kap.  5, 
das  nicht  alphabetisch  ist,  und  einem  aus  Thr.  Kap.  4,  die  nächsten 
drei  mit  den  Anfangsworten  aus  Thr.  Kap.  3  in  umgekehrter  Reihe 
(3,  2,  1,  6,  5,  4),  die  fünfte  und  sechste  mit  je  einem  Versanfange  aus 
Thr.  2  und  1.  Die  sechste  Zeile  schließt  mit  den  letzten  beiden  Worten 
des  obigen  Verses  aus  Kap.  5.  Die  Komplikation  ist  jedoch  damit 
nicht  erschöpft,  sie  wird  durch  den  Reim  wesentlich  erhöht. 

Weitaus  die  häufigsten  und  literarhistorisch  die  wichtigsten 
sind 

c)  die  N  a  m  e  n  s  a  k  r  0  s  t  i  c  h  a. 

Daß  der  Dichter  seinen  Namen  nennt,  knüpft  ebenfalls  an  bib- 
lische Muster  an,  die  akrostichische  Form  jedoch,  in  der  es  im  Piut 
geschieht,  ist  arabischen  Vorbildern  entlehnt,  jedenfalls  vor  der  Be- 
einflussung durch  die  Araber  nicht  nachzuweisen.  Der  Name  ist 
entweder  nach  voraufgegangenem  Alphabet  gegen  Ende  der  Poesie 
angegeben  oder  sein  Akrostichon  füllt  die  sämtlichen  Zeüen-  bezw. 
Strophenanfänge  aus.  Mitunter  zeichnen  die  Dichter  nur  ihren  Namen, 
meistens  aber  auch  den  des  Vaters,  wobei  in  älterer  Zeit  häufig  das 
palästinische  ill^n  zur  Anwendung  kommt.  Seit  dem  zehnten  Jalu-- 
hundert  tauchen  auch  die  Bei-  oder  Famihennamen  wie  3^7  Sil: 
(Bonfils),  7Tii?n  (del  Lungo),  "irip  "yi  (Fischlin)  usw.  auf;  die  Heimat 
des  Dichters  oder  seiner  FamUie  wird  angegeben  Tini  (aus  Lunel), 
■^nTiin  (aus  Orange),  "itjrs^ns  (aus  Granada)  usw.  Nach  der  Mtte 
des  zwölften  Jahrhunderts  finden  wir  Ehrentitel  oder  Bezeichnungen 
des  Berufes  wie  i^öin  ,d:"is  ,'iTn  ,nnn  mit  genannt.  Die  spanischen 
Dichter  setzten  vor  Diren  Namen  i^i?,  hinter  ihn  ■)i:pn,  gegen  Ende 
des  XL  Jalirhunderts  T^S'Sn,  wofür  andere,  zumal  in  Verfolgungs- 
zeiten, mbyn  oder  nDn;n  schreiben.  Den  Namen  werden  bisweüen 
Segensforraeln  beigefügt,  zunächst  einfache  und  kurze  wie  pin, 
nini  oder  b"i!ii;  im  Laufe  der  Zeit  aber  wachsen  sie  immer  mehr  in 
die  Länge,  sclüießlich  entstehen  Formeln  wie  aicyam  mir.n  ":;~3"' 
■j^^si  pTH  )üs?  a^nriD  oder  nr;  iiax  n:c  ~y  "^^n  nr::  ^n^i  b".v. 
Dazu  traten  Segensformeln  noch  andrer  Art  oder  Bibelverse,  die  ein 
Gebet  enthalten  (z.  B.  Neh.  1322  n"^55  ib  niDT).  Auch  Zusätze,  die 
sich  auf  den  Inhalt  der  Dichtung  beziehen,  kommen  vor,  so  ist  z.  B. 
ein  berühmtes  Gedicht  Jehuda  ha  Levis  für  den  Versöhnungstag  ge- 


Die   Kunst  form  des  Piut  293 

zeichnot  ST^n  r:"i7  b7  nTi-^n  T^:ns5b  niTan  :i<-"2r  13  "»ibn  m-TT^ 
a-i^^Ern.  Die  Dichter  begnügten  sicli  indes  nicht  damit,  ihren  eigenen 
und  des  Vaters  Namen  einzuzeichnen,  bisweilen  trugen  sie  auch  den 
eines  Hruders  oder  eines  Sohnes  mit  einer  hingen  Segensforniel  ein. 
Simon  b.  Jsaak  zeichnet  im  Jozer  für  den  II.  Xeujalirstag  "^in  "nbst 
2:17  ■'■inb  irnn  blE"i,  Salomo  ha  BabH  in  dem  für  den  siebenten 
Pesachtag  nmiTDT  pinD  nmrn  bi^-^  ppn  idh^'q.  Manche  geben 
ganze  Ahnengalerien;  Jechiel  b.  Josef  um  1340  zählt  so  zahlreiche 
Vorfahren  auf,  daß  er  nicht  weniger  als  114  Buchstaben  für  das  Akro- 
stichon braucht.  Auch  Namen  und  Eigenschaften  Gottes,  Bezeichnungen 
der  Feste,  für  die  das  Stück  bestimmt  ist,  oder  Gebetstellen  aus 
ihrer  Liturgie  dienen  als  Akrosticha,  kurz  es  gibt  auf  diesem  Gebiete 
die  allergrößte  Mannigfaltigkeit,  ja  ein  Übermaß  von  Kunstmitteln 
zur  Ausschmückung  der  Poesien. 

10.  Dem  Akrostichon  am  Anfange  der  Zeilen  entspricht  am 
Ende  der  Reim  Ti^n.  Man  hat  ihn  ebenfalls  schon  in  der  Bibel 
wiederfinden  wollen;  wo  der  Gleichklang  dort  angetroffen  wird,  be- 
ruht er  auf  Zufall.  Die  bewußte  Verwendung  des  Reims  ist  nur  aus 
dem  Einflüsse  der  Araber  zu  erklären;  vor  der  Zeit  Kalirs  sind,  wie 
schon  die  Grammatiker  des  Mittelalters  bemerken,  Reime  in  der 
hebräischen  Sprache  nicht  nachzuweisen.  Die  Reime  können  für 
jede  Strophe  wechseln  oder  durch  die  ganze  Poesie  durchgehen  in 
der  Weise,  daß  entweder  sämtliche  Verse  ohne  Ausnahme  oder  daß 
nur  die  Strophenschlüsse  die  gleiche  SUbenendung,  mitunter  gar  das 
gleiche  "Wort  haben.  Im  letzteren  Falle  können  die  übrigen  Zeilen 
jeder  Strophe  entweder  ohne  Reim  bleiben  oder  einen  für  sie  durch- 
gehenden neuen  Reim  oder  auch  mehrere  wechselnde  Reime  haben. 
Als  besondere  Femheit  gilt  es,  die  Versschlüsse  so  einzurichten,  daß 
das  letzte  Wort  des  ersten  Verses  zugleich  das  erste  des  zweiten  bildet 
und  so  fort.  Solche  R  i  n  g  w  ö  r  t  e  r  finden  sich  auch  schon  in  den 
reimlosen  Dichtungen.  In  alphabetischen  Piutim  sind  in  derartigen 
Fällen  Reim  und  Akrostichon  verbunden,  die  Worte  bedingen  sich 
gegenseitig.  Die  Kunst  des  Reüns  kann  in  der  Weise  ausgedehnt 
werden,  daß  schon  die  Halbzeilen  den  Gleichklang  der  Endung  be- 
sitzen, daß  schon  bei  ihnen  die  Ringwörter  zur  Anwendung  kommen. 

Die  Reime  sind  vielfach  durch  den  Inhalt  der  Poesie  bedingt. 
In  den  Stücken  zu  "'■'E^r  rr.zi^O'  r'"^y:'^  z.  B.  endigen  die  Strophen 
auf  nsVrr,  auf  "V^t,  auf  neir,  in  denen  zu  bü  und  ar3  auf  rj  und 


294  Geschichte    des   Gottesdienstes 

—J^;  ähnlich  ist  es  bei  anderen  Poesien.  Vor  allem  aber  waren  die 
Refrainsätze  und  die  Bibelrerse  von  größtem  Einfluß  auf  den  Reim; 
häufig  bedingte  der  Refrain  sämtliche  Versendungen,  da  sie  alle 
mit  ihnen  reimten.  In  den  Mostedschabs  ist  durch  den  vorangeschickten 
Kehrvers  das  Ende  jeder  Strophe  bestimmt;  meistens  ist  das  ein 
biblisches  Zitat.  Bibelverse  werden  sehr  oft  als  Schlußzeilen  der 
Strophen  verwendet,  der  Grammatiker  Efodi  rühmt  es  als  besonderen 
Vorzug  der  hebräischen  synagogalen  Poesie,  daß  sie  die  Bibelverse  im 
Original  für  die  Dichtungen  verwerten  kann;  er  zielt  dabei  wahr- 
scheinlich auf  Hymnen  der  christlichen  Kirche  ab,  die  das  gleiche 
Verfahren  befolgten,  sich  aber  naturgemäß  der  Übersetzungen  der 
Bibel  bedienen  mußten.  In  der  vorhin  erwähnten  Keroba  Kalirs 
zum  9.  Ab  ist  als  Strophenende  stets  ein  Bibelvers  mit  n^l:  verwendet, 
dessen  Sclilußwort  den  Reim  der  ganzen  Strophe  bestimmt.  Wie 
frühzeitig  Akrostichon  und  Reim  unter  den  Juden  verbreitet  waren 
und  von  den  Dichtern  als  unentbehrliche  Hilfsmittel  betrachtet 
wurden,  lehrt  uns  das  Vorgehen  Saadjas,  der  bereits  in  jungen  Jalu-en 
(920)  zwei  alphabetische  Verzeichnisse  der  hebräischen  Stämme  an- 
legte, sie  in  dem  einen  nach  den  Anfängen,  in  dem  anderen  nach  den 
Enden  der  Worte  ordnete,  damit  die  Dichter  sich  ihrer  für  Akrostichon 
und  Reim  bedienen  könnten;  die  Arbeit  hat  ihn  lange  beschäftigt 
und  ist  wiederholt  von  ihm  erweitert  worden,  die  erhaltenen  Frag- 
mente seines  A  g  r  o  n  geben  ein  Bild  von  den  damaligen  Bestrebungen 
und  Anforderungen  auf  diesen  Gebieten. 

11.  Wie  Anfang  und  Ende  durch  Akrostichon  und  Reim  be- 
stimmt werden,  so  die  Verse  selbst  durch  Rhythmus  und  Metrum. 
Wieweit  die  biblische  Poesie  Metrum  und  Rhythmus  hat,  ist  eine 
neuerdings  viel  umstrittene  und  häufig  behandelte  Frage.  Den  jü- 
dischen Dichtern  und  Sprachforschern  des  Mittelalters  war  hiervon 
nichts  bekannt,  sie  hatten  niemals  das  Bewußtsein,  sich  mit  Rhythmus 
oder  Metrum  an  das  Muster  der  Bibel  anzulehnen.  Die  Stammgebete 
befolgen  das  aus  der  Bibel  bekannte  Gesetz  des  Parallelismus,  legen 
sich  aber  darüber  hinaus  keine  Bindung  auf.  Die  ersten,  einfachen 
Erweiterungen  der  Staramgebete  und  die  ältesten  Piutim  verwenden, 
wie  oben  (S.  275  ff.)  hervorgehoben  wurde,  den  Rhythmus,  der  dem 
Wortton  angepaßt  ist.  Dabei  ist  die  Piutdichtung  recht  lange  ver- 
blieben. Die  Gesetze  des  Rhythmus  wurden  nicht  immer  sehr  streng 
befolgt,    insbesondere   haben   die   in   cluistlichen   Ländern   lebenden 


Die    Kuiistftirin    des  l'iut  '295 

Pailaniüi  sich  woiiiü:  imi  das  (ileiclimaü  der  Wtsc  f^cUüinmcit.  Anders 
die  Dichter  in  (k'ii  mohammedanischen  Ländern,  die  von  den  Arabern 
lernten,  bei  den  Versen  die  Q  u  a  n  t  i  t  ä  t  der  Silben  zu  berücksichtigen 
(a-^ripr  2"'n"'Tr).  So  wird  das  M  e  t  r  u  m  (bpcia)  in  die  hebräische 
Dichtunu:  übertragen,  zunächst  für  weltliclie,  dann  auch  für  gottes- 
dienstht'he  Lieder.  Xoch  Saadja  weil/i  nichts  von  metrischen  \'erseü 
in  hebräischer  Sprache,  sein  Jiinu'er  iMiiiasch  isl  der  erste,  der  das 
Metrum  zur  Anwendung  bringt,  und  mul.)  sich  dafür  den  N'orwurf 
gefallen  lassen,  daß  er  zum  Schaden  für  die  hebräische  Sprache  fremde 
Elemente  in  die  Verskunst  einführe.  Der  Vorwurf  ist  nie  wieder  ver- 
stummt, nur  zu  häufig  wird  darüber  geklagt,  daß  das  Metrum  eine 
fremde  Fessel  ist  und  für  die  hebräische  Sprache  sich  nicht  eigne. 
Seltsam  genug,  selbst  Dichter  wie  Jehuda  ha  Levi  und  Charisi  bekunden 
ihren  Widerwillen  gegen  den  Eindringling  aus  der  Fremde;  das  hat 
sie  freilich  nicht  gehindert,  in  ihren  Versen  die  metrischen  Formen 
der  .-Vi'aber  ständig  zu  befolgen.  Sämtliche  Dichter  der  spanischen 
Blütezeit  haben  ohne  Scheu  metrische  Gedichte  verfaßt,  und  mitunter 
haben  auch  die  Kritilver  zum  Lobe  des  Metrums  das  Wort  genommen. 
Ohne  weiteres  ließen  sich  die  arabischen  Metren  nicht  auf  das  He- 
bräische übertragen,  man  nuißte  erst  die  Bewertung  der  Silbenquan- 
titäten in  ein  bestimmtes  System  bringen.  Einige  wichtige  Metren 
mußten  vollständig  ausfallen,  soweit  es  jedoch  möglich  war,  wurden 
sämtliche  Metren  der  Araber  übernommen.  Über  ihre  Zahl  shid  die 
widersprechendsten  Angaben  aufgestellt  w^orden;  nach  Hartmanns  Be- 
rechnung , .fanden  sich  in  den  Versgedichten,  d.  h.  den  Gedichten, 
deren  einander  gleiche  Verse  denselben  Reim  haben,  47,  in  den  Strophen- 
gedichten,  d.  h.  den  Gedichten,  welche  aus  Gruppen  von  mehreren 
Versen  mit  gemeinsamem  Reim  des  letzten  Verses  und  Sonderreim 
der  anderen  bestehen.  64  verschiedene  Versmaße,  insgesamt  111  ver- 
schiedene Versmaße." 

Die  Aufnahme  von  Rhythmus  und  Metrum  wurde  dadurch 
begünstigt,  daß  die  Piutim  nach  bestimmten  ^lelodien  gesungen 
wurden.  Samau"al  al-Magribi  hebt  als  das  Kennzeichen  der  Hizäna 
ausdrücklich  hervor,  daß  sie  vom  Vorbeter  gesungen  werden  und  daß 
die  Gemeinde  ihn  mit  Rufen  und  Singen  begleitet,  ihm  bei  den  Melo- 
dien hilft  (oben  S.  283).  Tatsächlich  geben  die  Gebetbücher,  und  die 
handschriftlichen  weit  häufiger  als  die  gedruckten,  die  Melodie, 
nach  der  ein  Piut  gesungen  wird,  an:  man  forderte  schöne  Melodien, 


296  Geschichte    des    Gottesdienstes 

die  mit  angenehmer  Stimme  zum  Gehör  gebracht  würden  (mi^ 
Dny  ?"ipi  nn^ariD).  Die  Bezeichnung  für  Melodie  ist  Dyi2,  wofür  auch 
"ills;  und  3713  vorkommen,  bei  den  arabisch  sprechenden  Juden  ist 
"nb  am  häufigsten.  Die  Melodien  wurden  von  überall  hergenommen, 
Volkslieder  und  Gesänge  aus  allen  Kulturkreisen  haben  das  Material 
dazu  geliefert. 

12.  Die  Piutdichter  haben  sich  ihre  eigene  Sprache  geschaffen. 
Sie  waren  bestrebt,  sich  nach  Möglichkeit  an  die  Bibel  anzusclüießen, 
,,die  synagogalen  Dichter  nahmen  für  iliren  Perlenschmuck  den  Stoff 
aus  dem  Midrasch,  die  Schnüre  aus  der  Sclirift."  Aber  das  biblische 
Sprachgut  reichte  in  keiner  Weise  aus,  es  lag  die  Notwendigkeit  vor, 
Gedanken  und  Begriffe  zur  Darstellung  zu  bringen,  die  vorher  nicht 
geläufig  waren,  Akrostichis  und  Reim,  die  unentbehrlichen  Kunst- 
formen, hatten  starke  Beschränkungen  in  der  Wahl  der  Worte  zur 
Folge,  sie  erhöhten  die  Schwierigkeiten  des  Ausdrucks  außerordentlich. 
Die  Dichter  sahen  sich  daher  genötigt,  über  das  ihnen  überlieferte 
Material  hinauszugreifen  und  zu  Neubildungen  ilire  Zuflucht  zu  nehmen. 
Das  war  kein  ganz  neues  Verfahren,  Mischna  und  Talmud  hatten  es 
bereits  eingeschlagen,  hatten  nicht  weniger  als  durch  neue  gram- 
matische durch  eigenartige  sprachliche  Bildungen  zur  Fortentwicklung 
der  hebräischen  Sprache  beigetragen.  Auch  die  Stammgebete  halten 
sich  nicht  immer  lediglich  an  die  Ausdrucksweise  der  Bibel,  auch  sie 
verwerten  bisweilen  das  Sprachgut  des  jüngeren  Hebraismus;  alle 
jene  Abweichungen  vom  klassischen  Stile  jedoch  verschwinden  voll- 
ständig gegenüber  den  Neuerungen  der  Paitanim.  Sie  gestatteten  sich 
eine  ganz  eigene  Art  der  Sprachbüdung  und  Ausdrucksweise. 

Die  Eigentümliclikeiten,  welche  die  Sprache  und  der  Stil  der 
Piutim  aufweisen,  hat  Zunz  mit  bewunderswerter  Geduld  und  Sorg- 
falt gesammelt  und  in  Gruppen  eingeteilt;  er  faßt  sie  unter  folgenden 
drei  Gesichtspunkten  zusammen:  Die  Piutdichter  verwenden:  ,,a)  Worte 
und  Redensarten  aus  Talmud,  Midrasch,  Targum;  b)  abweichende 
Flexion,  unübliche  Syntax,  Neubildungen;  c)  StU-Eigenheiten  und 
eigentümliche  Ausdrücke. " 

a)  Daß  die  Piutdichter  sich  nicht  aussclüießlich  an  das  biblische 
Sprachgut  hielten,  daß  sie  auch  die  erst  im  talmudischen  Sclu'ifttum 
neu  auftretenden  hebräischen  Worte  verwendeten,  war  ilu*  gutes 
Recht;  das  entsprach  der  natürlichen  Entvricklung  des  Idioms.  Ilir 
Felller  war,  daß  sie  unterschiedslos  den  gesamten  Wortschatz  der  ilinen 


Die  Spruchü  des  Piut  297 

vorliofTondeii  Literatur  V(M-wi'rt('t(ni,  als  wäre  er  diircliwefif  klassisch, 
daß  sio  auch  aramäische,  auch  lateinische  und  griechische  Wörter 
entlehnten  und  wie  rein  hebräische  behandelten.  Fremdwörter  wie 
-ibn'::  (libellarius),  wie  r-ip  (IkeQa/cei'a),  wie  '^'iyc'p  (/Mn^yoQo^) 
und  "i^-^rc  ((jir/iyoQo^)  dranp^en  durch  sie  in  die  Sprache  ein,  manche 
wie  cd::  (von  ia$i^)  werden  wie  hebräische  Wurzeln  konjugiert. 
In  bescheidenem  Umfange  findet  sich  dieselbe  Erscheinung  ebenfalls 
schon  in  der  Mischna  und  im  Talmud,  die  älteren  Piutdichter  sind 
auch  kaum  in  nennenswerter  Weise  darüber  hinausgegangen,  wohl 
aber  die  späteren,  zumal  die  französischen  und  deutschen,  denen  die 
Kontrolle  der  gediegenen  grammatischen  Studien  und  Sprachkennt- 
nisse fehlte.  Sie  hatten  eine  starke  Vorliebe  für  unbekannte  und 
ungewöhnliche  Ausdrücke,  Künstelei  galt  ihnen  als  die  wahre  Kunst, 
sie  nahmen  daher  zahlreiche  aramäische  Worte,  auch  ganze  Sätze  in 
ihre  Dichtungen  auf;  für  manche  Zwecke,  z.  B.  für  die  Introduktionen 
zur  Toravorlesung,  schien  ihnen  die  aramäische  Sprache  überhaupt 
mehr  am  Platze  als  die  hebräische. 

b)  Die  Piutdichter  hielten  sich  nicht  an  die  Gesetze  der  Sprache, 
sie  folgten  auch  darin  den  Spuren,  die  mitunter  bereits  im  Talmud 
vorgezeichnet  sind.  Sie  bildeten  Plurale  von  Worten,  die  keine  i\lehr- 
zahl  haben,  wie  Eigennamen  oder  Partikeln,  sie  scheuten  sich  auch 
nicht,  den  Plural  mit  sonst  nicht  gebräuchlichen  Endungen  zu  ver- 
sehen. Beim  Xomen  wird  unterschiedslos  die  verbundene  neben  der 
einfachen  Form  gebraucht.  Mit  den  Flexionsendungen  bei  Nomen 
und  Verbum  gehen  sie  \vülkürlich  um,  vdc  sie  andererseits  Partikeln, 
die  nur  mit  dem  Xomen  verbunden  werden  können,  auch  zum  \'erbum 
stellen.  Die  schwachen  Verbalstämme  werden  von  ihnen  behandelt, 
als  wären  sie  alle  gleichmäßig  defektiv,  sodaß  von  den  verschieden- 
artigsten Zeitwörtern  nach  demselben  Paradigma  Formen  gebildet 
werden.  Eine  ganz  gewöhnliche  Erscheinung  ist  die  Venvendung 
von  solchen  Konjugationen  eines  Verburas,  die  in  der  klassischen 
Sprache  nicht  vorkommen,  eine  besondere  Vorliebe  tritt  für  passive 
Formen  zutage,  insbesondere  deren  Partizipien  müssen  die  ständigen 
Beiwörter  der  Helden  des  Piut  abgeben;  da  werden  nun  nicht  nur 
solche  Passiva  gebraucht,  die  der  älteren  Sprache  unbekannt  sind, 
es  wird  auch  nicht  davor  zurückgeschreckt,  intransitive  Verben  in 
passive  Formen  zu  bringen.  Eine  besondere  Eigentümlichkeit  der 
Paitanim  sind  die  neu  geschaffenen  Worte:  sie  verwenden  Nomina, 


298  Geschichte    des  Gottesdienstes 

die  man  sonst  nicht  kennt,  nicht  weniger  als  40  bis  dahin  nicht  ge- 
brauchte Bildungen  haben  sie  eingeführt,  sie  gewinnen  sie  zum  Teil 
dadurch,  daß  sie  der  Endungen,  die  durch  den  Stamm  oder  die  übliche 
^sominationsbildung  bedingt  sind,  nicht  achten,  oder  daß  sie  auf  Grund 
von  falschen  Analogien  neue  Worte  herstellen.  In  den  meisten  Fällen 
ist  es  die  Fessel  des  Reims,  die  dazu  zwingt,  die  Sprache  in  das  neue 
Gewand  einzupressen. 

c)  Man  würde  durch  die  ungebräuchlichen  und  nicht  korrekten 
Sprachformen  sich  bei  einiger  Übung  hindurchfinden  können;  was 
die  Piutim  außerordentlich  schwierig  und  mitunter  ungenießbar  macht, 
sind  die  Dunkelheiten  ihrer  Redeweise.  Sie  verwenden  gern  seltene 
Worte,  deren  Verständnis  große  Belesenheit  in  Bibel,  Talmud  und 
Midrasch  voraussetzt.  Vor  allem  aber  lieben  sie  es,  ihren  Stil  durch 
Metaphern  zu  schmücken,  die  der  biblischen  oder  talmudischen  Dar- 
stellung entstammen.  In  Schilderungen  aus  der  Geschichte  Israels 
z.  B.  werden  die  Epitheta  für  das  Volk  oder  seine  leitenden  Männer 
den  entlegensten  Benennungen,  Gleichnissen  oder  Geschehnissen  ent- 
lehnt, und  gar  häufig  ist  die  Anspielung  nur  durch  ein  einzelnes  Wort 
gegeben,  so  daß  man  direkt  vor  einem  Rätsel  steht.  Ebenso  müssen 
zur  Bezeichnung  der  Feinde  Israels  und  seiner  Dränger  alle  möglichen 
]S'amen  der  biblischen  Völker  so\N'ie  die  von  ihnen  in  der  Heiligen 
Schrift  genannten  Eigentümlichkeiten  und  gebrauchten  Bilder  her- 
halten. Auch  darin  hatten  die  Paitanim  ihre  Vorbilder,  die  Sprache 
der  Apokalypsen  und  des  Midrasch  haben  oft  ganz  ähnliche  Eigen- 
tümliclikeiten  aufzuweisen,  aber  wie  die  Produktion  der  Paitanhn 
die  der  Alten  an  Umfang  übertrifft,  so  \'iel  größer  sind  auch  die  Schwie- 
rigkeiten und  Rätsel,  die  sich  bei  ihnen  häufen. 

13.  Die  Darstellungsweise  des  Piut  ist  oft  getadelt  worden,  für 
Pmisten  auf  dem  Gebiete  der  Sprache  bot  sie  der  Angriffspunkte  genug. 
Am  bekanntesten  sind  die  Ausstellungen  Abraham  ibn  Esras,  daß  die 
Piutim  nach  dem  Muster  Kalirs  vier  Arten  von  Mängeln  aufweisen, 
die  sie  als  Gebete  ungeeignet  erscheinen  lassen  müssen :  die  Dunkelheit 
ihrer  Redeweise  mit  den  \qelen  rätselhaften  Anspielungen,  die  musi- 
vische  Verwendung  zahlreicher  Stellen  aus  der  Agada,  der  Gebrauch 
talmudischer  Ausdrücke  und  die  geringe  Korrektheit  in  der  hebräischen 
Sprache.  In  Zunz  und  ganz  besonders  in  Heidenheim  hat  Kalir  beredte 
und  warmherzige  Verteidiger  gefunden.  Von  seinem  Standpunkte 
aus  hatte  ibn  Esra  unstreitig  recht,  die  Felder,  besonders  die  Dunkel- 


Die  Spriiclie  des  Piut  299 

heil  (los  Aiisdiiicks  uiul  die  Verf;:('ln'ii  f^cf^^Mi  die  Spraclifri'setzt',  sind 
nicht  ahzid(Mi<,nu'ii.  Die  histoiisclie  (ierechti^keit  jeduch  erlieisciil, 
auch  fri'ij;t'ii  ili»'  Sehwieii'jjkeileii,  vor  denen  die  Piutdiclitor  standen, 
tue  Anf^^en  nieht  zu  verschliel3en.  Ks  war  ihnen  die  Anfjujahe  znf>;ei'allen, 
ihre  Diehtiniijen  in  einer  Sprache  abzufassen,  die  seit  Jahrhunderten 
aul'fijehört  hatte.  Volkssprache  zu  sein,  die  mir  in  den  Lehrhäusern 
ihr  Dasein  fristete  und  auch  dort  nur  für  nu'thodische  lvef,'eln  und 
iiesetzliche  Xornieu  zur  Anwendunii'  kam.  Ks  zeuj^t  von  hohem  Mute 
und  sicherem  Selbstvertrauen,  dal.)  sie  den  Versuch  nicht  scheuten, 
die  Sprache  wieder  zu  beleben,  ihr  neue  Töne  zu  entlocken,  sie  aus- 
drucksfähio;  und  geschmeidig  zu  machen.  Mit  bewundernswerter 
Kidmheit  gingen  sie  ans  Werk,  und  man  kann  ihnen  die  Anerkennung 
nicht  versagen,  daß  sie  Großes  geschaffen  haben;  es  ist  ihnen  gelungen, 
für  das  religiöse  Bewußtsein  einen  neuen  Ausdruck  und  eine  neue 
Stilform  zu  scliaffen,  viele  Jahrhunderte  konnten  daran  Erhebung, 
p]rbauung  und  ]3elehrung  finden.  Die  Piutdichter  haben  eine  F  o  r  t  - 
b  i  1  d  u  n  g  der  hebräischen  Sprache  eingeleitet,  ihren 
Fortbestand  als  Schrift-  und  Literatursprache  gerettet.  Ohne  Ge- 
waltsamkeiten ging  es  dabei  nicht  ab,  ,,der  Paitan  kämpfte  mit  der 
gegen  Form  und  Inhalt  sich  sträubenden  Sprache  und  hat  ihr  manche 
glückliche  Bildung  abgerungen."  Die  Sprachbildung  der  älteren 
Paitanim  überrascht  durch  ihre  Kühnheit,  ohne  durch  ihre  Härte 
abzustoßen,  die  Ausschreitungen  fallen  erst  einer  späteren  Zeit  zur 
Last.  Die  Gesetze  der  Sprache  Avurden  mißachtet,  weil  man  sie  nicht 
kannte,  nicht  weil  man  ihrer  spottete;  es  ist  die  Schuld  der  jüngeren 
Paitanim,  daß  sie,  obwohl  in  ihrer  Zeit  die  Sprachforschung  bereits 
gewaltige  Fortschritte  gemacht  hatte,  sich  die  neuen  Kenntnisse  nicht 
zunutze  machten.  Eine  starke  Verführung  bot  die  Kunstform  mit 
ihren  schweren  Fesseln,  ..der  sprachrichtige  Ausdruck  mußte  dem 
technischen  Zwange  weichen  und  die  Schönheit  ward  von  dem  En- 
thusiasmus verschmäht."  Die  Dunkelheit  der  Darstellung  aber,  der 
Gebrauch  schwieriger  "Wörter  und  rätselhafter  Anspielungen  waren  ein 
Zugeständnis  an  die  Geschmacksrichtung  der  Zeit,  die  Dichter  kamen 
damit  ilirem  Publikum  entgegen,  das  derartige  Verzierungen  und 
Verschnörkehmgen  liebte.  Man  muß  allerdings  sagen,  daß  die  Ge- 
meinden jener  Zeit  von  einer  beneidenswerten  Belesenheit  im  alten 
Schrifttum  gewesen  sein  müssen,  wenn  sie  einer  so  schwierigen  Dar- 
stellungsweise zu  folgen  imstande  waren.    Kalii'  hat  diese  Stilgattung 


300  Geschichte   des    Gottesdienstes 

nicht  aus  Willkür  gewählt,  sondern  weil  das  der  einzige  Weg  war, 
auf  dem  in  seiner  Zeit  ein  Dichter  sein  Glück  machen  konnte;  Bei- 
spiele anderer  Völker  haben  da  auf  die  Poesie  der  Juden  eingewirkt. 
Saadja,  der  im  Gegensatz  zu  Kalii"  durch  Abraham  ibn  Esra  als  Ver- 
fasser von  Gebeten  so  sehr  gerühmt  wird,  hat  es  nicht  besser  gemacht; 
wenn  Kalirs  Piutim  dunkel  genannt  werden  müssen,  so  sind  die  seinen 
geradezu  Bücher  mit  sieben  Siegeln.  Es  hat  in  allen  Literaturen 
Schriftsteller  gegeben,  deren  Dichtungen  voll  von  Dunkelheiten  sind, 
in  denen  selbst  die  Zeitgenossen  kaum  zwei  Zeilen  gründlich  zu  ver- 
stehen vermochten,  ohne  in  Wörterbüchern  und  Enzyklopädien  nach- 
zuschlagen; das  hat  nicht  gehindert,  daß  manche  von  ümen  als  Klassiker 
anerkannt  wurden.  Die  Klassilvcr  der  synagogalen  Poesie  haben  die 
Schwierigkeiten  der  alten  Piutdichtung  mit  Glück  überwunden,  die 
Helden  unter  den  Dichtern  haben  sich  durch  die  Gewalt  der  Kunst- 
form nicht  besiegen  lassen,  sie  warfen  die  Ketten  mit  Leichtigkeit 
von  sich  ab;  „wie  man  einen  Wergfaden  zerreißt,  w^nn  er  dem  Feuer 
zu  nahe  kommt,"  so  hat  ilire  dichterische  Begabung,  iln-  Genie  sich 
von  den  Fesseln  befreit.  Sie  haben  die  überlieferte  Form  nicht  etwa 
verworfen,  im  Gegenteil :  der  Aufbau  ihrer  Dichtungen  ist  häufig  noch 
weit  kunstvoller  geworden,  dennoch  haben  sie  es  verstanden,  ihre 
Werke  zur  Höhe  der  klassischen  Lieder  zu  erheben;  an  Tiefe  des  Emp- 
findens, an  Hoheit  der  Gedanken,  an  Reinheit  der  Sprache  kommen  sie 
den  biblischen  Psalmen  nahe.  Es  waren  eben  echte  Dichter, 
die  hier  das  Wort  ergriffen,  während  der  überwiegenden  Melirzahl 
der  Paitanim  die  dichterische  Begabung  fehlte.  Das  Lehrhafte  im 
Inhalt  des  Piut,  die  Künstelei  der  äußeren  Form  und  der  Wortbildung 
waren  leicht  nachzuahmen.  Das  Bedürfnis  der  Gemeinden  nach 
dem  neuen  Schmucke  für  den  Gottesdienst  war  ein  sehr  lebhaftes;  so 
verbreitete  sich  die  Gewohnheit  Piutim  abzufassen  wie  eine  ansteckende 
Krankheit.  Die  Schablone  war  vorhanden,  Vorbeter  und  Gelehrte, 
Berufene  und  Unberufene  bedienten  sich  ihrer,  um  die  Gemeinden  mit 
ihren  Produktionen  zu  erfreuen.  Darin,  daß  das  Versemachen  unauf- 
haltsam um  sich  griff,  daß  Männer  ohne  dichterisches  Empfinden  und 
ohne  Sprachverständnis  sich  zum  Abfassen  von  Piutim  und  Selichas 
angetrieben  fühlten,  beruht  der  eigentliche  Fehler,  nicht  in  der  Piut- 
,  dichtung  an  sich.  Aber  mag  das  immerliin  eine  Verirrung  sein,  so  war 
es  doch  keine  ganz  wertlose.  Für  die  Zeiten  und  die  Kulturkreise, 
für  die  sie  bestimmt  waren,  erfüllten  die  Piutim  ihren  Zweck  vollauf, 


I 


Gegner  des  Piut  301 

iiiaii  (lurfto  nur  nicht,  wie  es  später  geschah,  absohite  Werte  daraus 
niaehen  wollen.  Sic  redeten  zu  jeder  Zeit  in  ihrer  Sprache,  in  ihren 
Anschauungen,  sie  waren  die  Dohiietsciier  der  Empfindungen  und 
Gechmken  der  unmittelbaren  Gegenwart  und  boten  dadurch  ein 
Gegengewicht  gegen  die  durch  die  Tradition  festgelegte  Masse  der 
Stammgebete. 

14.  Der  Piut  hat  eine  überaus  rasche  Verbreitung  gefunden, 
sicli  stetig  wachsender  Beliebtheit  erfreut,  so  daß  sein  Ansehen  zeit- 
weise das  der  Stamnigebete  verdunkelte.  Man  sollte  daher  annehmen, 
es  hätte  ihm  stets  nur  die  Sonne  des  Glückes  geschienen,  er  hätte 
sich  von  Anfang  an  der  Förderung  der  maßgebendsten  religiösen 
Führer  erfreut.  Dem  ist  durchaus  nicht  so;  der  Piut  hatte  gegen 
tausend  Widerstände  anzukämpfen,  fast  zu  allen  Zeiten  haben  sich 
gerade  die  gewichtigsten  Stimmen  in  feindlicher  Absicht  gegen  ihn 
erhoben;  sie  konnten  jedoch  nichts  ausrichten,  da  die  Massen  auf 
seiner  Seite  waren.  Die  große  Neuerung  am  Piut  war,  daß  er  die  über- 
lieferte Reihe  der  Stammgebete  unterbrach.  In  Palästina,  seinem 
Ursprungslande,  war  man  damit  vertraut,  daß  die  Gebete  häufig 
wechselten;  man  achtete  nur  darauf,  daß  die  überlieferte  Reihen- 
folge, die  festgelegten  Eulogien  (riDna)  erhalten  blieben,  Abweichungen 
vom  Wortlaute,  von  der  Einkleidung  jedoch  war  man  gewohnt  und 
sah  man  sein*  gern.  In  Babylonien  hingegen  stießen  die  neuen  Gebete 
auf  lebhaften  Widerspruch.  Die  babylonischen  Geonim  traten  ihrer 
Zulassung  mit  voller  Entschiedenheit  entgegen,  weil  sie  die  traditio- 
nelle Ordnung  des  Gebets  störten,  die  Tefilla  erweiterten  und  mitunter 
Gedankengänge  an  Stellen  brachten,  wo  sie  fremd  waren  und  nicht 
hingehörten.  Es  war  dieselbe  Stunmung,  die  sich  jeder  Art  von  Ein- 
fügungen widersetzte,  auch  den  kurzen  in  Prosa,  die  sich  dem  alten 
Wortlaut  anschmiegten  und  als  Neuerung  kaum  auffielen,  wie  i:"^dt  usw. 
(oben  S.  43,  bS).  Wird  doch  von  Jehudai  Gaon  berichtet,  daß  er 
prinzipiell  jeder  Einfügung  in  die  herkömmliche  TefUla,  selbst  der 
Keduscha,  widerstrebte.  So  spärlich  die  Äußerungen  der  Quellen  aus 
jener  Zeit  sind,  so  gewähren  sie  doch  einen  Einblick  in  den  Gang  der 
Dinge  und  zeigen,  daß  alle  Einschaltungen  nur  scluittweise  einge- 
drungen sind,  daß  in  jedem  Zeitalter  das  eben  gerade  Neue  bekämpft 
und  schon  im  nächsten  oder  übernächsten  als  vollberechtigt  aner- 
kannt wurde.  Während  noch  der  Gaon  Kohen  Zedek  sich  über  die 
Frage  äußern  muß,  ob  selbst  die  oben  erwähnten  Zusätze  für  die  Büß- 


302  Geschichte    des   Gottesdienstes 

tage  statthaft  sind,  geht  sein  Nachfolger  Natronai  bereits  soweit, 
die  Kerobot  für  alle  Festtage,  für  Chanukka,  Purim  und  den  9.  Ab 
zu  gestatten,  wofern  sie  nur  der  Forderung  genügen,  daß  der  Inhalt 
jedes  Verses  dem  Gebetstücke,  in  das  er  eingeschoben  wird,  entspricht. 
Mit  seiner  Erlaubnis  war  jedoch  der  Widerspruch  keineswegs  end- 
gültig verstummt,  noch  150  Jahre  später  mußte  Hai  Gaon  zu  den 
gleichen  Fragen  Stellung  nehmen,  und  er  hatte  den  Mut,  sich  wiederum 
als  Gegner  der  Neuerung  zu  bekennen,  wie  überhaupt  seine  Schule, 
die  von  Pumbedita,  länger  in  der  Opposition  gegen  den  Piut  ver- 
harrte als  die  von  Sura.  Die  denkbar  schärfste  Sprache  gegen  den 
Piut  führt  dann  Jehuda  b.  Barsilai,  er  nennt  ihn  eine  Verirr  ung, 
wegen  deren  man  die  Leute  zurechtw^eisen,  die  man  ilmen  streng 
untersagen  muß.  Nach  seiner  Meinung  ist  jede  Erweiterung  des  "Wort- 
lautes der  Gebete  über  den  im  Talmud  gegebenen  Rahmen  hinaus 
unstatthaft,  je  weniger  dazu  hinzugefügt  wird,  desto  besser  ist  es, 
selbst  solche  in  seiner  Zeit  allgemein  anerkannte  Erweiterungen  der 
Stammgebete,  wie  fTiT^  b-n  oder  i:"i:t,  verwft  er  und  erklärt  es 
für  ein  erstrebensAvertes  Ziel,  um  ihre  Beseitigung  zu  kämpfen.  Die 
voUe  Schale  des  Zornes  aber  schüttet  er  über  den  Piut  aus,  über  dieses 
ganz  fremde  Element,  das  man  den  Stammgebeten  einfügt.  Einst  in 
Zeiten  der  Religionsnot  wäre  er  gestattet  worden  als  Ersatz  für  die 
verbotenen  Stammgebete,  nachdem  aber  die  Erlaubnis,  den  Gottes- 
dienst in  der  herkömmlichen  Weise  zu  halten,  wieder  erlangt  wäre, 
müßten  auch  die  Stammgebete  wieder  in  ilir  ausschließliches  Recht 
treten  und  nicht  durch  beliebige  Einschaltungen  verdrängt  werden. 
Der  Piut  störte  das  Gebet,  da  er  inhaltlich  verkehrt  wäre,  mit  seiner 
Häufung  der  Epitheta  für  Gott  grenzte  er  mitunter  geradezu  an  Blas- 
phemie, eines  ernsten  religiösen  Mannes  wäre  es  unwürdig,  die  ,, Ge- 
bete der  Propheten"  beiseite  zu  lassen  und  dafür  das  ungereimte  und 
wertlose  Zeug  zu  setzen,  von  dem  die  Väter  nie  etwas  geahnt  hätten 
(irriSi«  D-'nyv:  i?:  ntci«  n-^in  ^^nn  -^i^nri  -fm  -'rs^-  T^nb:  •j'^'j^-'s  -^mz). 
Es  ist  eine  höchst  ungerechte  Kritik,  die  hier  zu  Worte  kommt, 
die  Liebe  zum  Althergebrachten  verdrängt  das  Verständnis  für  die 
Bedürfnisse  einer  neuen  Zeit,  Jehuda  ben  Barsilai  begriff  nicht,  daß 
die  Piutim  eine  neue  Art  der  Frömmigkeit  und  des  Betens  einleiteten, 
daß  sie,  wie  einer  seiner  jüngeren  Zeitgenossen  sich  ausdrückt,  zur 
Ergänzung  der  Stammgebete  dienten,  daß  sie  in  poetischer  Sprache 
den  Ruhm  Gottes  zu  verkünden  bestimmt  waren.     Aber  nicht  weil 


(iegnor   des   l'iiit  3Q3 

er  iiiiiri'iccht  war,  hlich  diosor  Wulvrspriicli  (ilitic  Wirkiiiif^,  sondi'rri 
darum,  woil  iiizwiscliiMi  die  Piiitiiu  durcli  die  Zeit  und  diircli  das  IJci- 
s\w\  hcrülmittM'  Mämior  said^tiunicrl  worden  waren.  Wenn  eine 
Leuchte  wie  Saadja  unter  die  Dicliler  ifej,^an«^en  war,  konnte  man 
die  Poesie  nicht  mehr  gut  für  verboten  erklären.  Kür  K.  Gerschom 
war  auch  Jannai,  von  dem  er  kaum  mehr  als  den  Namen  gekannt 
haben  wird,  zeitlicli  schon  weit  genug  entfernt,  um  als  gefeierter  Ge- 
lehrter und  als  Zeuge  zugunsten  des  Piut  gelten  zu  können.  Weil 
er  eine  Reihe  von  berühmten  Namen  als  Dichter  kennt  und  er  ihr 
Beispiel  für  maßgebend  erachtet,  gestattet  K.  Gerschom  die  Verwen- 
dung des  Piut  ohne  Einschränkung,  und  es  war  nur  natürlich,  daLi 
seine  einflußreiche  Stimme  in  Frankreich  und  Deutschland  überall 
Gehör  fand,  daß  man  dort  dem  Piut  als  Bereicherung  der  Gebete  durch 
Hymnen  gern  Eingang  gewährte.  R.  Jakob  Tarn  ist  dann  der  erste, 
der  Kalir  unter  die  Tannaiten  versetzt  und  dadurch  die  wirkungs- 
vollste Rechtfertigung  für  den  Piut  findet. 

Allein  die  bloße  Tatsache,  daß  der  Piut  so  häufig  und  so  energisch 
in  Schutz  genommen  werden  mußte,  beweist  doch,  wie  oft  und  mit 
welcher  Wucht  die  Angriffe  gegen  iiin  gefülul  wurden.  Es  sind  die 
besten  Namen,  die  auf  Seiten  der  G  e  g  n  e  r  des  Piut  stehen.  Abraham 
ibn  Esra  z.  B.  erhebt  warnend  seine  Stimme  gegen  den  Gebrauch  der 
unverständlichen  und  unverständigen  Piutim.  Auch  Maimonides 
spricht  sich  sehr  energisch  gegen  das  Verfahren  der  Paitanim  aus, 
die  gern  Hymnen  mit  langen  Ansammlungen  von  Attributen  Gottes 
verfassen,  die  glauben,  dadurch  der  Gottheit  näher  zu  kommen,  in 
Wirklichkeit  aber  ,,mit  kühner  Zunge  unverständig  reden  und  mit 
ihrem  Eifer  geradezu  zur  Gottesleugnung  sich  versteigen".  Sehr  be- 
zeichnend ist  die  Behandlung  des  Problems  durch  Charisi.  In  der 
Makame  des  Vorbeters  von  Mosul  geißelt  er  den  Wahnwitz,  der  in 
der  Übertreibung  des  Piut  liegt.  Er  erfährt  in  Mosul  Wunderdinge 
von  den  Fähigkeiten  des  in  der  Gemeinde  angestaunten  Vorbeters 
und  ist  gespannt  darauf,  ihn  im  Gottesdienste  kennen  zu  lernen; 
statt  aber  seine  Hoffnungen  erfüllt  zu  sehen,  hört  er  einen  Mann,  der 
schon  in  den  einfachsten  Stammgebeten  den  erlesensten  Unsinn 
vorträgt  und  der  dann  seine  unwissende  und  stumpfsinnige  Gemeinde 
mit  ,, Piutim  ohne  Form  und  Inhalt,  mit  blinden  und  lahmen  Versen, 
mit  Dichtungen  ohne  Saft  und  Kraft"  derart  quält,  daß  die  Leute 
entweder  ermüdet  einschlafen  oder  entsetzt  das  Weite  suchen.    Ein 


304  Geschichte    des  Gottesdienstes 

verständiger  Mann  in  der  Gemeinde  —  das  ist  Charisi  selbst  —  tadelt 
die  VernacMässigung  der  Stammgebete  zugunsten  der  unsinnigen 
Piutini;  da  aber  stößt  er  auf  eine  Anzalil  von  Gegnern,  die  gerade  den 
Piut  für  die  Hauptsache  erklären,  neben  der  die  anderen  Gebete 
in  den  Hintergrund  treten  müssen,  die  das  Singen  des  Piut  mit  den 
Levitengesängen  des  Tempels  vergleichen,  die  den  Piut  als  in  der 
Bibel  geboten  ansehen,  in  derselben  Bibel,  die  von  den  Stammgebeten 
völlig  schweigt,  die  sich  endlich  darauf  berufen,  daß  der  Piut  in  allen 
Gemeinden  ohne  Ausnahme  verbreitet  und  beliebt  sei  und  daß  sie 
doch  unmöglich  zurückstehen  können.  Charisi  er^ndert  darauf,  daß 
der  Piut  wohl  seinen  guten  Sinn  und  seine  Bedeutung  haben  könne, 
da,  wo  man  ilm  verstände,  daß  er  aber  für  eine  Gemeinde  von  solcher 
Unwissenheit  geradezu  eine  religiöse  Gefahr  bedeute.  Es  ist  unmöglich, 
Charisis  witzige  Darstellung  mit  iliren  feinen  Pointen  in  einer  fremden 
Sprache  wiederzugeben,  die  Spitzen  der  Pfeüe  zerbrechen  bei  ihrer 
Übertragung,  aber  der  Sinn  seiner  Ausfüllrungen  ist  klar,  er  ist  kein 
unversöhnlicher  Gegner  des  Piut,  er  fordert  nur,  daß  das  nötige  Maß 
nicht  überschritten,  die  Aufnahmefähigkeit  der  Gemeinde  nicht 
überschätzt  werde. 

Ähnliche  Vorwürfe  sind  auch  in  allen  folgenden  Jalu'hunderten 
immer  wieder  gegen  den  Piut  erhoben  worden,  man  klagt  darüber, 
daß  er  die  zusammengehörigen  Gebete  unterbreche,  den  Gottesdienst 
über  Gebühr  ausdehne,  daß  er  der  Gemeinde  unverständlich  bleibe. 
Besonders  die  letzte  Klage  wd  mit  dem  Fortschreiten  der  Zeit  immer 
häufiger  vernommen,  selbst  die  zahlreichen  Kommentare,  die  im 
Verlaufe  der  Jahrhunderte  für  die  Piutim  verfaßt  wurden,  konnten 
diesem  Übelstande  nicht  abhelfen,  die  Dichtungen  blieben  sogar  für 
die  Gelehrten  rätselhaft,  geschweige  denn  für  die  große  Masse  der 
Beter.  Die  Folge  davon  war,  daß  die  Gemeinde  durch  Plaudern  oder 
auf  andere  Weise  den  Gottesdienst  störte.  Gelehrte  vermieden  es, 
wenn  sie  nicht  unbedingt  mußten,  den  langen  Gottesdienst  der  Ge- 
meinde zu  besuchen,  oder  sie  nutzten  die  Zeit,  die  auf  den  Piut  ver- 
wendet wurde,  für  Studien  aus,  wodurch  sie  wiederum  der  Gemeinde 
ein  schlechtes  Beispiel  gaben;  ^dele,  die  den  letzteren  Anstoß  ver- 
meiden wollten,  sagten  trotzdem  den  Piut  nicht  mit,  auch  wenn  sie 
in  der  Zeit  nichts  anderes  taten.  Die  Opposition  kam  freüich  zu  spät ; 
in  Charisis  Tagen  war  die  Blütezeit  des  Piut  bereits  vorüber  und  das 
Verständnis  für  dieses  ]Mittel  zm-  Erbauung  im  Aussterben.   Anderer- 


Diu    wichtigsten  Paitanim  305 

seits  hatten  die  Gemeinden  einer  bestimmten  Anzahl  von  Piutim 
Aufnahme  und  Bürgerrecht  gewährt.  Je  knaj)|)er  die  Manuskripte, 
je  verbreiteter  die  Drucke,  je  geringer  das  Verständnis  für  geschicht- 
liche und  lokale  Eigenart,  je  zäher  das  Festhalten  an  den  unbedeutend- 
sten Bräuchen  war,  desto  fester  saßen  die  Piutim  im  Saltel,  desto 
weniger  konnten  selbst  die  gröfjten  halachisclien  Autoritäten  wie 
Joseph  Karo  oder  Elia  Wilna  sie  aus  ihrer  Stellung  verdrängen.  Unter 
Kundigen  fand  ihre  Stimme  Gehör,  die  Unkundigen  ließen  sich  in 
ihrer  alten  Gewohnheit  nicht  beeinträchtigen,  bis  eine  neue  Zeit  und 
eine  neue  Kultur  auch  ilu-en  Widerstand  besiegten.  Die  Neuzeit  hat 
auf  der  einen  Seite  die  große  Masse  der  unverständlichen  und  wert- 
losen Piutim  schonungslos  beseitigt,  sie  hat  aber  andererseits  die 
historische  Bedeutung  dieser  Dichtungen  in  gerechter  Weise  gewürdigt 
und  hat  kein  Bedenken  getragen,  Piutim  von  dichterischem  Werte 
im  Machsor  beizubehalten. 

§  40.     Die  wichtigsten  Paitanim. 
I.   Bis  Kalif  einschließlich. 

Literatur:  Rapaport,  Kalir;  Zunz,  Litg. ;  Laiidshuth,  nmrrn  ^"ii-:r ; 
Graetz,  Die  Anfänge  der  hebräischen  Poesie  in  MS  VIII,  401 ;  IX,  19  ü'. ; 
Luzzatto,  S.  D.,  cr-j^En  mb  in  O.T.  TU,  Iff.,  1880;  Geiger,  A.  in  Jüd. 
Zeitschr.  X,  1872,  S.  262 ff.;  Harkavy,  Stildien  und  Mitteilungen  usw., 
V,  S.  106 ff.;  Schechter,  Saadyana,  Nr.  LI;  Bacher  in  JQR  XIV,  742  fl".; 
Eppenstein,  Beiträge  usw.  in  MS  LH,  1908,  S.  591;  J.E.  die  betr.  Artikel. 

1.  Wenn  wir  daran  gehen,  uns  über  die  Tätigkeit  der  Paitanim 
zu  unterrichten,  so  ist  es  selbstverständlich  unmöglich,  alle  Dichter, 
die  jemals  für  die  Bereicherung  des  Gottesdienstes  tätig  waren,  hier 
aufzuzählen;  es  müßte  sonst  Zunz'  umfangreiches  Werk  über  die 
Literaturgeschichte  der  synagogalen  Poesie  wiederholt  und  durch  die 
zahlreichen  Funde,  die  seit  seinem  Erscheinen  hinzugetreten  sind, 
bereichert  werden ;  selbst  dann  aber  wäre  die  Literatur  noch  nicht  voll- 
ständig verzeichnet,  weil  immer  noch  die  große  Masse  der  anonymen 
Dichtungen  felüen  würde.  Eine  so  ausführliche  literarhistorische 
Aufzählung  würde  den  Rahmen  des  vorliegenden  Werkes  weit  über- 
Bchreiten,  sie  ist  aber  auch  entbelirlich,  weU  der  größte  Teü  der  von 
Zunz  behandelten  Literatur  nicht  zugänglich  und  nur  in  Handscliriften 
zu  finden  ist.  Hier  sollen  nur  diejenigen  synagogalen  Dichter  an- 
geführt werden,  die  von  wirklicher  Bedeutung  für  die  Ge- 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  20 


306  Geschichte  des  Gottesdienstes 

schichte  des  Gottesdienstes  gewesen  sind.  Ältere  Quellen,  in  denen 
die  Xamen  der  Paitanim  gesammelt  sind,  gibt  es  nur  in  ganz  geringem 
Umfange.  Über  die  Person  der  Dichter  war  wenig  bekannt,  in  den 
meisten  Fällen  nur  Legendarisches  überliefert ;  zumal  die  älteren  Au- 
toren verschwanden  gänzlich  in  der  Fülle  von  Märchen,  die  über 
sie  erzählt  wurden,  sie  hatten  das  Glück,  daß  ihre  Xamen  über  ihren 
Werken  vergessen  wurden. 

2.  Die  Geschichte  des  Piut  verläuft  nicht  gleichmäßig,  es  sind 
darin  verschiedene  Epochen  zu  unterscheiden.  Zunächst  die  älteste 
Zeit,  in  der  die  Dichter  erst  das  Schema  und  die  Gesetze  der  Dichtung 
finden  mußten;  sie  reicht  bis  etwa  750  und  hat  in  Kalir  ilu^en  Höhe- 
punkt. Darauf  folgte  eine  Epoche,  in  der  die  Dichter  ihr  ganzes  Streben 
darauf  richteten,  das  Vorbild  der  Alten  nachzuahmen,  in  ihrem  Sinne, 
in  ilirem  Stile  und  nach  der  von  ihnen  vorgezeichneten  Form  zu 
schreiben.  In  diese  Epoche  gehören  zunächst  die  ältesten  synagogalen 
Dichter  des  Orients,  dann  aber  die  Dichter,  die  in  Em^opa  in  christ- 
lichen Ländern  Piutim  verfaßt  haben.  Das  sind  die  Paitanim  im 
eigentlichen  Sinne  des  Wortes,  ilire  Zeit  reicht  etwa  bis  1250,  sie  haben 
aber  vereinzelte  Ausläufer  auch  in  späteren  Jahrhunderten  und  im 
Orient  sind  bis  auf  den  lieutigen  Tag  Dichter  nach  derselben  Richtung 
hin  tätig.  Eine  dritte  Klasse  bilden  die  Spanier  von  etwa  1050  bis 
1200,  die  unter  dem  Einflüsse  der  arabischen  Dichtkunst  sich  von 
der  Form  und  Sprache  des  Piut  emanzipiert  haben  und  die  Blütezeit 
der  synagogalen  Dichtung  im  Mittelalter  bezeichnen. 

3.  Die  Piutdichtung  hat  mit  einer  Anzahl  anonymer  Schöp- 
fungen begonnen,  die  durch  die  besseren  und  wertvolleren  Leistungen 
der  späteren  Zeit  verdrängt  wurden.  In  den  Anfängen  war  die  Sitte, 
die  Xamen  der  Verfasser  durch  Akrostichon  einzuzeichnen,  noch 
unbekannt,  so  daß  eine  Überlieferung  über  die  ersten  Vertreter  des 
Piut  nicht  vorhanden  war  und  ilire  Xamen  der  Vergessenheit  an- 
heimfielen. Aus  der  ältesten  Zeit  ist  uns  nur  ein  einziger  Xame  eines 
synagogalen  Dichters  überliefert,  der  von  Jose  b.  Jose.  Über  sein 
Leben  ist  nichts  bekannt,  man  nennt  ilin  die  Waise  air.">n,  wahrschein- 
lich aus  keinem  anderen  Grunde,  als  weil  er  denselben  Xamen  fülu-t 
wie  sein  Vater.  Auch  daß  er  ein  Hohepriester  war.  ist  eine  willkür- 
liche Annahme,  wie  überhaupt  im  Mittelalter,  weil  man  nichts  von 
ihm  wußte,  zahheiche  Irrtümer  über  ihn  verbreitet  wurden.  Seine 
Heimat  muß  Palästina  gewesen  sein,  denn  es  sind  sonst  in  keinem 


Jose  b.  Juso  307 

T.ande  zu  jener  Zeit  liohräisclic  Dichlor  naclizuweisen.  Seine  Lebens- 
zeil ist  unbekannt,  aber  nacli  der  j^anzen  Art  seiner  Dichtung  muß 
sie  recht  früh  angesetzt  werden,  nicht  später  als  600  bis  650.  Joses 
Dichtungen  liaben  noch  alle  Eigentümlichkeiten  der  ältesten  Ein- 
schaltungen in  die  Gebete;  er  kennt  das  Akrostichon  nicht,  er  ver- 
wendet keinen  Keim,  hingegen  zeichnen  sich  seine  Poesien  durch  eine 
einfache  Sprache,  durch  edle  Ausdrucksweise  aus,  der  schwierige 
Midrasch  hat  in  ihnen  noch  keine  Stätte,  man  zählte  sie  im  Mittelalter 
noch  gar  nicht  recht  zur  Poesie,  bezeichnete  sie  als  Chutab  (2'JD), 
d.  h.  mit  der  Prosa  verwandt.  Jose  hat  femer  nie  einen  Piut  ge- 
dichtet, der  innerhalb  der  Tefilin  zu  stehen  käme,  sondern  nur 
solche,  die  Nachträge  zu  ihr  bilden.  Er  hat  endlich,  soweit  wir  wissen, 
nur  die  beiden  Hauptfeste,  den  Xeujahrstag  und  das  Versöhnungs- 
fest, mit  Dichtungen  bedacht.  Bei  Saadja  und  anderen  alten  Autoren 
steht  sein  Xame  in  hoher  Verehrung,  seine  Werke  waren  frühzeitig 
auch  in  Babylonien  verbreitet,  obwohl  er  nicht  Babylonier  war.  All 
das  spricht  ebenfalls  für  eine  sehr  frühe  Zeit  seines  Lebens. 

Von  seinen  Kompositionen  sind  zu  nennen:  inbi?  nbbr.s  nebst 
"nssi  und  niirb  -c"i:s  für  den  Xeujahrstag.  Sie  heißen  s«r~ipr, 
variieren  je  10  Bibelverse,  die  für  die  Gebete  TT^Sir  ririiDT  rTiabti 
bestimmt  waren,  sie  beginnen  demgemäß  erst  gegen  Ende  mit  der 
Anführung  der  Bibclverse.  Xach  der  ganzen  iVi't  der  Poesie  und 
ilirem  Xamen  ist  es  nicht  ausgeschlossen,  daß  sie  in  Palästina  als 
Ersatz  für  die  Einleitungen  zu  niSTO  nSTiDT  niD"::)2  zu  dienen 
die  Aufgabe  hatten.  Im  deutschen  Ritus  wußte  man  später  mit  den 
Bibelversen,  die  man  doppelt  hatte,  nichts  anzufangen,  und  nach- 
dem man  lange  darüber  gestritten  hatte,  wo  die  Stücke  eingeschaltet 
werden  sollten,  ließ  man  schließlich  die  Verse  weg.  Auch  sonst  wurde 
im  Texte  der  Poesien  mancherlei  geändert,  was  offenbar  als  zu  scharfer 
Angriff  gegen  christliche  Völker  galt.  Ferner  hat  Jose  die  A  b  o  d  a 
für  den  Versöhnungstag  bearbeitet  und  zwar  hat  er  dieses  Thema, 
wie  heute  zweifellos  feststeht,  nicht  weniger  als  drei  m  a  1  behandelt. 
Einst  wurden  die  drei  Abodas  wahrscheinlich  in  ein  und  derselben 
Gemeinde  bei  drei  verschiedenen  Gebeten  des  Versöhnungstages 
rezitiert.  Später  aber,  als  diese  Sitte  aufhörte  und  nur  die  eine  Aboda 
im  Musaf  übrig  blieb,  kamen  sie  auseinander  und  wurden  einzeln  in 
Gebetbüchern  entlegener  Länder  aufbewahrt.  Die  erste  r"'-  ~rs 
lon  a-Q  a:i7  war  im  Mittelalter  in  Burgund  und  Savoyen  in  Gebrauch 

20* 


308  Geschichte   des  Gottesdienstes 

und  hat  sich  im  Ritus  der  drei  oberitalienischen  Städte  Asti,  Fossano 
Moncalvo  (a"£5«)  bis  zum  heutigen  Tage  erhalten.  In  Frankreich  hatte 
man  auch  eine  poetische  Einleitung  dazu  mit  dem  Anfang  rcnr  ]ri^, 
die  keinem  Geringeren  als  dem  Apostel  Petrus  zugescluieben  wurde. 
Eine  zweite  Komposition  üDS  "ni?:  nri^  nn^ns  T^STii  hat  Saadja  in 
sein  Gebetbuch  für  den  Morgengottesdienst  aufgenommen  und  von  dort 
ist  sie  neuerdings  veröffenthcht  worden.  Endhch  gab  es  noch  eine 
dritte  n":i"Di  mtl^b  n"^i~3  "i2Ci5,  von  der  ausdrücklich  bezeugt 
ist,  daß  sie  zu  M  i  n  c  h  a  verwendet  wurde ;  es  sind  vorerst  nur  wenige 
Zeüen  von  ilu'  bekannt,  seinem  Bau  nach  könnte  der  häufig  im  Namen 
Joses  zitierte  Vers  ri;iE::  n:£^~  r"C'Z"r2  ~Tn  selir  wohl  aus  ilir 
stammen.  Für  den  Yersöhnungstag  ist  auch  die  Poesie  i^i^TTs«  üliz^ 
bestimmt,  die  sich  in  Germ,  unter  den  Gebeten  für  den  Vorabend 
befindet.  Es  ist  ein  Sündenbekenntnis  ("'^.""i),  das  ebenfalls  als  An- 
hang an  das  Hauptgebet  gedacht  war;  in  den  meisten  Gebetbüchern 
ist  es  stark  gekürzt,  es  wird  mehr  oder  weniger  daraus  fortgelassen, 
sehr  häufig  werden  sogar  nur  die  Refrainverse  t~"^ä4  "31"  und  T:"'a" 
i:Ti"::i<  beibehalten.  Endlich  wird  unserem  Verfasser  auch  ein  J  o  z  e  r 
zugeschrieben,  von  dem  sich  nur  die  erste  Zeile  2"'"in  Tjris?  2b"i"  7"S 
erhalten  hätte;  unwiderlegliche  Beweise  lassen  sich  für  die  Annahme 
nicht  anführen,  sie  ist  nicht  einmal  sehr  walu'scheinlich. 

4.  Als  Paitanim  der  Vorzeit  (DT'a-p-  ziniiCü)  nennt  Saadja 
in  seinem  Jugendwerke  Agron  neben  ilim  Jannai,  Eleasar, 
J  0  s  u  a  und  P  i  n  c  h  a  s.  Von  den  beiden  letzteren  ist  nicht  mehr 
als  der  Name  bekannt.  Es  gibt  wohl  eine  Anzalil  Piutim  mit  dem 
Akrostichon  Josua,  die  jedoch  sämtlich  nicht  den  Eindruck  machen^ 
als  ob  sie  in  eine  so  alte  Zeit  zurückreichten.  Auch  von  Pinchas  wissen 
wir  nichts,  aber  es  verdient  Beachtung,  daß  in  der  Überlieferungs- 
kette der  Masoreten  in  Tiberias  um  das  Jalu*  700  ebenfalls  ein  sonst 
unbekanntes  Schulhaupt  Pinchas  erwähnt  wird  (~2T^~  rS"^  cnrs  '-). 
Ein  gewisser  Zusammenhang  zwischen  dem  Aufblühen  der  masore- 
tischen  Studien  und  der  Verbreitung  der  Dichtkunst  ist  nicht  zu 
leugnen,  denn  es  mußte  die  Beschäftigung  mit  der  Bibel,  die  Ver- 
senkung in  die  hebräische  Sprache  vorausgehen,  wenn  die  Neubelebung 
der  Poesie  ermöglicht  werden  sollte.  So  wenig  wir  auch  von  Pinchas 
wissen,  eines  ist  sicher,  daß  einst  seine  Gedichte  sein*  verbreitet  ge- 
wesen sein  müssen,  daß  man  sich  häufig  auf  sie  berief.  Keines  der 
bekannten  Gebetbücher  hat  Kompositionen  von  ihm  aufgenommen. 


J.itinai  309 

aber  in  dordenisa  zu  Kairo  finden  sicliDiclitungcn,  die  einem  cnrc  n 
zugeschrieben  werden  und  in  die  für  unseren  Verfasser  angenommene 
Zeit  sehr  gut  passen. 

5.  J  a  n  n  a  i  ist  der  erste  Dichter,  von  dessen  Werken  etwas 
auf  uns  gekommen  ist,  eins  seiner  Lieder  ist  sogar  sehr  verbreitet, 
es  ist  das  in  die  Pesach-llagada  aufgenommene  l^aliit  ri^rsn  21c:  n""  TS 
rcr:^.  Jannai  ist  der  älteste  bekannte  Dichter,  der  Akrostichon  und 
Reim  verwendet;  eine  alte  Poetik  rechnet  auch  seine  Poesien  noch 
nicht  zu  den  Piutim  im  eigentlichen  Sinne,  sie  sclu-eibt  ihm  nur 
B  i  b  e  1  r  e  i  m  e  zu  und  bemerkt,  daß  seine  Verse  nicht  gleichmäßig, 
sondern  bald  gedehnt,  bald  kurz  sind.  Er  ist  auch  der  erste  Dichter, 
der  als  Verfasser  von  Kerobot  bekannt  ist,  die  in  die  Tefilla  einge- 
schaltet werden.  Er  muß  sehr  früh  gelebt  haben,  denn  bereits  Anan, 
der  Stifter  der  karäischen  Sekte,  hatte  sich  nach  glaubwürdigen  Mit- 
teilungen seiner  Anhänger  der  Werke  Jannais  bedient.  Wenn  Jannais 
Poesien  um  770,  der  Zeit,  wo  Anan  sein  „Buch  der  Gesetze"  verfaßt  hat, 
selbst  in  Babylonien  bereits  derart  verbreitet  und  bekannt  waren, 
daß  man  sie  als  maßgebende  Quelle  benutzen  durfte,  so  ist  es  nicht 
zu  viel,  wenn  wir  seine  Lebenszeit  mindestens  zwei  Geschlechter 
früher  ansetzen  und  annehmen,  daß  er  spätestens  um  700  geblüht  hat. 
Für  Saadja  und  R.  Gerschora  gehörte  er  bereits  in  die  graue  Vorzeit. 
Seine  Heimat  war  nicht  Babylonien,  sondern  Palästina,  darauf 
deutet  der  seltene  Name  Jannai  und  die  von  dem  Dichter  angewendete 
Sclu-eibweise,  iiS"!,  die  nur  im  palästinischen  Dialekt  vorkommt. 
Dazu  kommt  endlich,  daß  nur  in  Palästina  damals  die  Abfassung 
von  Kerobot  als  erlaubt  galt.  Jannai  muß  im  Orient  im  frühen  Mittel- 
alter als  Dichter  sehr  berülmit  gewesen  sein,  in  der  erwähnten  Poetik 
heißt  er  ri-'r'a  bx  ^i«r,  der  wohlbekannte  Jannai;  seine 
Poesien  füllten  ganze  Bände  aus,  die  '^Si;'^  hisin  oder,  me  man  sie 
hebräisch  nannte,  ^s^r  "ninis  waren  ein  sehr  verbreitetes  Literaturwerk, 
dem  man  in  Bücherlisten  aus  dem  Mittelalter  häufig  begegnet.  Er- 
halten hat  sich  von  ilmi  nur  eine  einzige  Komposition,  die  Keroba 
a-^rrni  "^-^-js  "»ris?;  sie  ist  für  den  Sabbat  vor  dem  Pesachfeste, 
wenn  er  auf  den  14.  Xisan  fällt,  oder  gar  füi"  den  1.  Pesachtag  selbst 
bestimmt;  aus  ilu-  stammt  das  obengenannte  s^ic:  mi  7S5,  der  An- 
fang der  Keroba  selbst  ist  in  Germ,  aufgenommen.  R.  Gerschom  aber 
berichtet,  daß  Jannai  für  alle  Festtage  Kerobot  verfaßt  hat  (''i^r  'I 


310  Geschichte   des   Gottesdienstes 

Tatsächlich  hat  sich  neuerdings  eine  fragmentarische  Aufzählung 
von  Poesien  gefunden,  in  der  dreimal  Anfänge  von  Piutim  Jannais, 
einmal  ein  längeres  Stück  aus  einem  zrr  (oben  S.  209),  angeführt 
werden,  und  zwar  sind  alle  diese  Anfänge  so  zitiert,  daß  sie  als  ganz  be- 
kannt vorausgesetzt  werden;  wie  es  scheint,  sind  sie  sämtlich  einer 
Bearbeitung  von  Moses  Tod  entnommen.  Unter  den  Handschriften 
der  Genisa  finden  sich  wirklich  zahh-eiche  Poesien  Jannais,  die 
bisher  noch  nicht  gedruckt  sind.  In  Italien,  vielleicht  auch  in  Frank- 
reich und  Deutschland,  müssen  im  hohen  Mittelalter  weit  mehr  Poesien 
von  Jannai  als  die  bekannten  im  Umlauf  gewesen  sein.  Sie  wurden 
im  Gottesdienste  nicht  verwendet,  weil  eine  häßliche  Sage  verbreitet 
war,  die  Jannais  Ruf  schädigte;  man  erzählte,  daß  er  seinem  Schüler 
Kalir,  der  den  Glanz  seines  Xamens  verdunkelte,  aus  Xeid  eine  Schlange 
in  den  Schuh  gelegt  und  ilm  auf  diese  Weise  getötet  hätte.  An  der  Sage 
ist  natürlich  nur  so\iel  wahr,  daß  Kalhs  Poesien  diejenigen  Jannais 
verdrängt  haben,  aber  interessant  ist  es,  daß  in  Italien  auch  von 
berühmten  einheimischen  Dichtern  ähnliche  Sagen  im  Umlauf  waren. 

6.  Der  populärste  Xame  unter  den  alten  Paitanim  ist  der  vierte, 
E  1  e  a  s  a  r  ;  es  ist  der  des  bereits  so  häufig  erwähnten  Kalir,  wie 
man  ilm  kurz  gewöhnlich  nennt.  Kein  zweiter  Dichter  hat  je  wieder 
eine  solche  Fruchtbarkeit  entfaltet  wie  Kalir,  seine  Poesien  erstreckten 
sich  auf  alle  ausgezeichneten  Tage  des  Jahres,  sie  waren  weithin  ver- 
breitet und  geschätzt,  sie  galten  als  vorbildlich,  nicht  mit  Unrecht 
hat  man  ihn  den  Fürsten  und  Gesetzgeber  des  Piut  genannt.  Soviel 
wir  auch  von  ihm  besitzen,  so  wenig  wissen  wir  über  sein  Leben; 
über  seinen  persönlichen  Verhältnissen  schwebt  tiefes  Dunkel,  die  ge- 
lehrten Forschungen,  die  dazu  bestimmt  waren,  es  zu  erhellen,  sind 
selbst  vielfach  in  die  Irre  gegangen.  „Der  Xame  Kalirs  muß  als  In- 
schrift auf  eine  Warnungstafel  gesetzt  werden,  um  zu  zeigen,  wie 
selbst  Meister  der  Forschung  dem  Irrtum  unterworfen  sind." 

Das  einzig  Sichere,  was  wir  von  ihm  wissen,  ist  sein  X  a  m  e  , 
den  er  in  den  meisten  seiner  Kompositionen  akrostichisch  angezeigt 
hat,  nry^S  Eleasar.  Sowie  wir  aber  darüber  liinaus  gehen,  stoßen  wir 
auf  die  widersprechendsten  Annalmien.  Die  Akrosticha  lauten  voll- 
ständig ■'lEC  r'^-^.-p'a  nirp  in-^-^n  ^-rbs«,  für  ^/^bp  steht  bisweilen  -^b-^p. 
Fragen  wir  nun,  was  der  sonst  nirgends  wiederkelirende  Xame  Kalir 
bedeutet,  so  finden  wir  zwei  Erklärungen  dafür,  die  einen  nehmen  um 
als  Rufnamen  des  Vaters  des  Dichters,  die  anderen  als  Beinamen. 


Kalir  311 

Schon  (Miic  uralte  Krklär\iii^'  hrinjit  den  Xaincii  Kalir  mit  dein  syrischen 
Wort  i^Trp,  (las  Kuchen  hi'ileutet,  in  N'erbinclun«;.  ivs  wird  daran 
erinnert,  daß  es  eine  alte  Sitte  war,  den  Kindern  den  ersten  Tnter- 
riclit  im  Lesen  dadurch  angenehmer  zu  machen,  dal.)  man  ihnen  die 
Formen  der  Buchstaben  an  kleinen  Kuchen  erläuterte,  die  man  ihnen 
zu  essen  gab;  so  soll  auch  unser  Dichter  von  seinen  Eltern  mit  der- 
artigen SüBigkeiten  genährt  worden  sein,  da  sie  darin  eine  günstige 
Vorbedeutung  für  die  Erweckung  seiner  Begabung  erblickten,  und 
soll  aus  Daid^barkeit  für  das  Amulett  den  Namen  ,, Kuchenmann" 
beibehalten  haben.  Andere  wiederum,  die  sich  bei  dieser  selir  ge- 
wagten Erklärung  nicht  l)eruliigten,  nahmen  Kalir  als  eine  vom  Wohn- 
orte des  Dichters  hergenommene  Bezeichnung;  Cagliari  auf  Sardinien 
sollte  die  Heimat  des  Dichters  sein  und  er  selbst  sich  darum  als  der 
Kalir,  d.  h.  der  Mann  von  Cagliari,  bezeichnet  haben.  Die  Annahme, 
daß  Kalir  ein  Appellativum  wäre,  wnrde  dadurch  begünstigt,  daß 
angeblich  eine  Poesie  "iibpn  n  p  r  ">  "^a^n  -rr^bs  "»rs  gezeichnet 
war,  so  daß  der  Name  des  Vaters  Jakob  gelautet  hätte  und  Kalir 
sehr  wohl  ein  Beiname  sein  konnte;  aber  als  so  zuverlässig  diese  Über- 
lieferung ausgegeben  wurde,  so  wenig  begründet  ist  sie,  es  ist  sicher, 
daß  sie  auf  einem  Irrtum  beruht.  Wenn  man  ferner  die  Art  der  akro- 
stichischen Zeichnung  in  den  Worten  ^'^b'p  "'ai""!  "^irrs«  betrachtet, 
so  kann  kein  Zweifel  darüber  herrschen,  daß  damit  tatsächlich  der 
Name  des  Vaters  angegeben  werden  sollte.  Allerdings  sind  wir 
gewohnt,  bei  Kalir  so  viele  Metaphern  und  symbolische  Ausdrücke  zu 
finden,  daß  es  nicht  Wunder  nehmen  würde,  wenn  er  auch  hier  ein 
rätselhaftes  Wort  gewählt  hätte.  Allein  solange  wir  nichts  Besseres 
wissen,  ist  es  geboten,  hinter  Kalir  einen  Namen  zu  suchen.  Tat- 
sächhch  findet  sich  in  jüdischen  Grabschriften  aus  Italien  der  Name 
KfAeo  =  Celer,  und  wenn  auch  die  Identifikation  des  Wortes  mit 
diesem  Namen  hn  Zusammenhange  mit  einer,  wie  wir  gleich  sehen 
werden,  u-rigen  Annahme  über  Kalirs  Heimat  gemacht  wurde,  so 
brauchte  es  an  sich  nicht  ausgeschlossen  zu  sein,  daß  tatsächlich  sein 
Vater  einen  solchen  aus  dem  Griechischen  stammenden  Namen  getragen 
hätte.  Auch  jene  andere  Vermutung,  daß  der  Dichter,  dessen  Poesien 
soviel  von  dem  Einflüsse  der  byzantinischen  Dichtungen  verraten,  von 
einem  Vater  abstammte,  der  einen  im  oströmischen  Reiche  häufig  vor- 
kommenden Namen  trug,  daß  -\'C^'p  durch  eine  Metathesis  aus  ""»"i'^p 
=  Cyrill  entstanden  sei,  kann  nicht  ohne  weiteres  abgewiesen  werden. 


312  Geschichte   des   Gottesdienstes 

Kalirs  Heimat  wurde  ebenfalls  an  den  verschiedensten  Orten 
der  Erde  gesucht.  Er  selbst  nennt  als  seinen  Heimatsort  i£C  i''^'^p^, 
das  ist  ein  Xame,  der  sich  bereits  in  der  Bibel  findet,  Jos.  15 15.  Dies- 
mal dürfen  wir  mit  ziemlicher  Sicherheit  annehmen,  daß  es  sich  um 
eine  symbolische  Bezeichnung  handelt,  denn  selbst  in  den  biblischen 
Zeiten  ist  der  Name  Kirjat  Sefer  nicht  mehr  gebräuclilich  gewesen. 
Darum  hatte  es  eine  gewisse  Berechtigung,  wenn  man  hinter  dem 
Worte  einen  anderen  Ort  suchte  und  wenn  man  sogar  außerhalb 
Palästinas  nach  dem  "^.LZ  r'^'^p  Kalirs  forschte.  Auf  Grund  irriger  An- 
nahmen über  seine  Lebenszeit  und  auf  Grund  der  Entdeckung,  daß 
im  zehnten  Jahrhundert  im  südlichen  Italien  blühende  und  weit  be- 
rühmte jüdische  Lelu^stätten  bestanden,  verlegte  man  Kalirs  Heimat 
zunächst  nach  Unteritalien.  Man  erklärte,  daß  die  Ortsbezeichnung 
anders  auszusprechen  wäre  als  in  der  Bibel,  daß  sie  Kirjat  S'far  d.  i. 
Küstenstadt  bedeutete,  und  versetzte  ihn  daher  nach  Bari  oder  noch 
lieber  nach  Cagliari,  das  so  vortrefflich  zum  Xamen  "'"'bp  paßte.  Dann 
wurden  alte  jüdische  Begräbnisstätten  in  Porto,  der  ehemaligen 
Hafenstadt  von  Rom,  mit  der  erwähnten  Inschrift  des  Celer  entdeckt, 
und  es  galt  sehr  bald  als  ausgemacht,  daß  Kalirs  Heimat  in  Civdtas 
Portus,  wenn  nicht  gar  in  Rom  selbst,  zu  suchen  wäre.  Wieder  andere 
legten  Nachdruck  auf  die  Beobachtung,  daß  der  Dichter  in  der  Schrei- 
bung seines  Xamens,  in  der  Anwendung  unreiner  Reime  viel  Ähnliclikeit 
mit  den  in  Deutschland  lebenden  Paitanini  aufwies,  und  so  galt  es 
eine  Zeitlang  als  sicher,  daß  Kalü-  in  Deutschland  gelebt  hätte.  In 
ähnlicher  Weise  wurde  in  anderen  Ländern,  wo  man  gerade  eine  ge- 
wisse Blüte  des  jüdischen  Wissens  in  dem  Zeitalter,  das  man  als  das 
Kalhs  betrachtete,  nachzuweisen  imstande  war,  seine  Heünat  gesucht. 
Einige  Forscher  haben  im  Verlaufe  von  wenigen  Jahren  melu'mals 
ihre  Meinung  über  diesen  Punkt  gewechselt  und  immer  wieder  neue 
Vermutungen  darüber  aufgestellt.  Es  bedeutete  schon  einen  Fort- 
schritt, wenn  man  mit  Entschiedenheit  ablehnte,  die  Heimat  eines 
so  einflußreichen  und  allgemein  anerkannten  Mannes  me  Kalir  außer- 
halb derjenigen  Länder  zu  suchen,  in  denen  die  Zentren  des  jüdischen 
Lebens  und  der  jüdischen  Gelelu'samkeit  sich  befanden.  Aber  auch  da 
kamen  noch  immer  zwei  Länder  in  Betracht,  und  längere  Zeit  schwankte 
die  Wage  zwischen  Babylonien  und  Palästina.  Auf  Grund  einer  ge- 
suchten Auslegung  wollte  man  feststellen,  daß  mit  Kirjat  Sefer  der 
durch  sein  Lehrhaus  berühmte  Ort  Punibedita  gemeint  war,  und  als 


Kalir  313 

man  unfi:lii('klicliorweisc  in  dor  Xäho  der  Stadt  einen  Ort  Siparra 
entdeckte,  der  lautlich  mit  lEC  'p  leicht  zu  identifizieren  war,  schien 
diese  Annahme  gesichert.  Allein  Babylonicn  ist  als  Heimat  Kalirs 
vüllständii?  ausgeschlossen,  denn  seine  Poesien  setzen  ganz  unzwei- 
deutig eine  christliche  Umgebung  voraus.  Ferner  war  in  Babylonicn 
seine  Richtung  durchaus  nicht  anerkannt,  dort  sträubte  man  sich 
lange  gegen  die  l^illigung  solclier  Poesien,  wie  er  verfaßte.  Dazu  kommen 
viele  positive  Zeugnisse,  die  uns  zu  der  Annahme  zwingen,  daß  Kalir 
in  Palästina  gelebt  hat.  Das  Heilige  Land  war  die  Heimat  des 
Piut,  nur  dort  durfte  ein  Dichter  es  wagen,  den  gesamten  Zyklus 
der  Festgebete  mit  Piut  im  zu  i)egleiten,  wie  Kalir  es  getan  hat. 
Man  hat  ferner  schon  vor  Jahrhunderten  der  Tatsache  Beachtung 
geschenkt,  daß  seine  Poesien  für  die  Festtage  stets  das  Vorhanden- 
sein nur  eines  Feiertages  voraussetzten,  eine  Einrichtung,  die  außerhalb 
Palästinas  nirgends  bestanden  hat.  Dem  war  der  Einwand  gegen- 
übergestellt worden,  daß  wir  tatsächlich  Poesien  Kalirs  zu  den  zweiten 
Festtagen  besitzen,  und  als  erwidert  wurde,  daß  die  Verwendung 
für  die  zweiten  Feiertage  vielfach  von  den  Gemeinden  willkürlich 
angeordnet  worden  war,  daß  Kalirs  Dichtungen  tatsäcldich  die  Tora- 
vorlesung des  ersten  Tages  zugrunde  legen,  wurde  mit  dem  Hinweis 
darauf  geantwortet,  daß  zu  einigen  Festen  mehrere  gleichartige  Poesien 
Kalirs  vorliegen,  daß  er  demnach  auch  die  zweiten  Feiertage  gekannt 
hätte.  Da  wii*  aber  neuerdings  auch  doppelte  Poesien  Kalirs  für 
solche  Gelegenheiten,  bei  denen  ein  zweiter  Tag  nicht  in  Frage  kommt, 
wie  für  Purim  oder  den  9.  Ab,  kennen,  so  ist  unzweifelhaft  festgestellt, 
daß  der  Dichter  tatsächlich  kein  Bedenken  getragen  hat,  die  Gebete 
für  ein  und  denselben  Festtag  mehrmals  zu  bearbeiten,  daß  er  in  den 
verschiedenen,  aufeinanderfolgenden  Jahren  immer  wieder  neue  Fest- 
zyklen vorgetragen  hat.  Daß  Kalir  in  seinen  Poesien  palästinische 
Quellen  vorzugsweise  benutzt,  daß  er  eine  große  Vertrautheit  mit 
palästinischen  Verhältnissen  zeigt,  ist  längst  bekannt.  Wichtiger  ist 
in  unserem^  Zusammenhange,  daß  er  stets  den  Wortlaut  der  palästi- 
nischen Tefilla  voraussetzt;  bis  vor  km-zer  Zeit  waren  seine  Dich- 
tungen einer  der  wichtigstenZeugen  für  die  Textgestalt  der  palästinischen 
Tefilla,  seitdem  wir  sie  selbst  besitzen,  sehen  wir,  wie  eng  Kalir  sich 
an  sie  angesclüossen  hat.  Daß  also  Kalir  in  Palästina  oder  allen- 
falls in  dem  dicht  daran  grenzenden  Teile  von  Syrien  gelebt  hat, 
darf  heute  als  eine  unbestreitbare  Tatsache  gelteiL   Es  fragt  sich  nun, 


314  Geschichte    des  Gottesdienstes 

ob  wir  auch  noch  in  der  Lage  sind,  den  Ort  seines  Wohnsitzes  aus- 
findig zu  machen  und  die  Bezeichnung  "^EC  riip  mit  einer  sonst  be- 
kannten Stadt  zu  identifizieren.  Da  muß  auf  zwei  neuere  Versuche 
hierzu  hingewiesen  werden.  Der  eine  geht  davon  aus,  daß  in  einer 
Handschrift  das  Aki'ostichon  auch  einmal  n^b^p  lautet,  und  sieht 
darin  einen  Hinweis  auf  Kalhooo7\,  der  im  byzantinischen  Zeitalter 
üblichen  Bezeichnung  für  das  syrische  E  d  e  s  s  a.  Die  Stadt,  die  in 
ihrer  Blütezeit  ein  Hauptsitz  mssenschaftlicher  Studien  gewesen  ist, 
hätte  sehr  wohl  verdient,  als  "'SD  r''^'p,  als  Stadt  des  Buches  ver- 
ewigt zu  werden.  Gegen  die  auf  den  ersten  Blick  einleuchtende  Ver- 
mutung spricht,  daß  von  einer  wichtigen  ^l'siederlassung  der  Juden 
in  Edessa  nichts  bekannt  ist,  und  daß  ^\\r  keineswegs  dort  eine  derartig 
tolerante  Stimmung  voraussetzen  dürfen,  die  der  Förderung  der 
jüdischen  Studien  günstig  gewesen  wäre;  Kalir  hätte  dann  ferner 
seine  Heimat  in  zwei  nebeneinanderstehenden  Bezeichnungen  desselben 
Inhalts  angedeutet,  wenn  er  sich  einmal  als  der  Mann  aus  Kallirrhoe 
und  dann  als  der  aus  der  Stadt  der  Bücher  vorgestellt  hätte.  War 
einmal  der  Gedanke,  eine  Stadt  der  Bücher  als  Heimat  Kalirs  zu  suchen, 
nahegelegt,  so  mußte  die  Vermutung  auf  T  i  b  e  r  i  a  s  führen,  auf 
denjenigen  Ort,  der  tatsächlich  in  Palästina  jahrhundertelang  die 
wichtigste  Stätte  jüdischer  Gelelu^samkeit  beherbergte,  der  im  Zeit- 
alter Kalirs  den  Mittelpunkt  der  biblischen  Studien  büdete, 
an  dem,  wie  wir  gesehen  haben,  der  neben  Kalir  als  Dichter  der  alten 
Zeit  genannte  Pinchas  aller  Walu-scheinlichkeit  nach  gelebt  hat.  Ein 
direktes  Zeugnis  dafür,  daß  "lEC  r"<"!p  mit  Tiberias  identisch  ist,  besitzen 
^\^l■  vorläufig  nicht,  und  bei  den  mannigfachen  Schwankungen,  denen 
die  Forschung  über  Kalir  bereits  unterworfen  gewesen  ist,  ist  es  vor- 
zuziehen, daß  wir  vorerst  auf  die  Festlegung  seines  Heimatortes  ver- 
zichten und  uns  mit  der  Feststellung  begnügen,  daß  Palästina  sem 
Heimatland  gewesen  ist. 

Die  Lebenszeit  Kalks  wurde  ebenfalls  in  den  verschiedensten 
Jahrhunderten  vom  zweiten  bis  zum  zehnten  oder  gar  eKten  gesucht, 
die  Forschungen  hängen  so  sehr  miteinander  zusammen,  daß  die 
irrtümlichen  Annalmien  über  den  einen  Punkt  auch  die  über  andere 
Beziehungen  seines  Lebens  bedingten.  Es  war  eine  bedeutsame  Ent- 
deckung, als  Jakob  Tarn  im  zwölften  Jalu'hundert  Kalir  in  die  Zeit 
der  Tannaiten  verlegte,  als  er  ihn  mit  Eleasar  b.  Simon  gleichsetzte, 
der  im  Midrasch  als  Paitan  gerühmt  wh'd.    An  der  Behauptung,  daß 


I 


Kalir  315 

Kulir  ein  Tannail  cjewoscn  ist.  wurde  bis  an  die  Schwelle  der  Neuzeit 
festii:elialten.  Man  hat  ihn  nicht  immer  mit  Kleasar  h.  Simon  gleieh- 
gesetzt.  miUiiilci-  wmdt'  er  mit  dem  noch  hciidimtcrcn  Eleasar  b. 
Arach  identifiziert,  so  tlaü  er  soi^ar  im  ersten  .lahrhwnderl  lielebt  liätte, 
aber  gegen  seine  Eigenscliai't  als  Tannait  wurde  nur  ganz  selten  Wider- 
spruch erhoben.  Über  diese  Annalime,  die  der  Wertscliätzung  Kaiirs 
und  seiner  Poesien  außerordentlich  forderlich  gewesen  ist.  braudit 
man  heute  kein  Wort  mehr  zu  verlieren,  kein  verstäiuliger  Mensch 
vermutet  heute  den  Verfasser  so  schwieriger  Piutim  in  der  tal- 
mudischen Zeit.  Seitdem  die  wissenschaftliche  Forschung  sich  des 
Gegenstandes  bemächtigt  hat.  suchte  sie,  neben  den  allgemeinen 
Kriterien  aus  eigenen  Angaben  Kaiirs  einen  Stütz])unkt  für  die  An- 
setzung  seiner  Lebenszeit  zu  finden.  Tatsächlich  gibt  er  mehrmals 
in  seinen  Poesien  Angaben  für  die  Zeit,  die  seit  der  Zerstörung  des 
zweiten  Tempels  verflossen  ist.  Wir  wissen  heute,  daß  die  Abschreiber 
der  Gebete  nicht  imnun-  die  alten  Zalilen  genau  wiedergegeben,  daß 
sie  sich  die  Freiheit  genommen  haben,  Ziffern,  die  mit  ihrer  Zeit 
nicht  mehr  im  Einklang  standen,  entsprechend  zu  ändern,  daß  also 
manche  dieser  Zeitangaben  im  Laufe  der  Zeit  immer  höhere  Ziffern 
erhielten.  Allein  es  gibt  doch  zwei  Zahlen  in  Kaiirs  Poesien  für  den 
9.  Ab,  in  denen  er  in  unzweifelhafter  Weise  davon  redet,  daß  der 
Zorn  Gottes  gegen  Israel  nunmehr  n  c  u  n  h  u  n  d  e  r  t  J  a  h  r  e  dauere. 
Was  lag  näher,  als  darin  einen  Hinweis  auf  seine  Zeit  zu  sehen,  darin 
ein  Zeugnis  dafür  zu  erblicken,  daß  Kalu-  etwa  900  Jahre  nach  der 
Zerstörung  des  zweiten  Tempels,  d.  h.  frühestens  um  950,  geschrieben 
hat?  Allein  die  Annahme  beruht  auf  einer  irrtümlichen  Interpretation 
der  einschlägigen  Stellen.  W^enn  Kalir  schreibt  rim^  yicr.  ■j'^nss 
■':■':  "n  ri  s<b  ^d  -iiri  oder  -r-T.Tr  -rtr  r'sr  rem  r.p-;-^-  "->  Y- 
r^cnb)2  nrinD  "Slir,  so  lehnt  er  sich  offenbar  an  die  Stelle  des  Mid- 
rasch  an  zn^nsb  bi^mi"'  pn  nnnD  ns«:rri  -r^n  -:r  r^sr  nrr":  n"p 
HD"!  a"''crmr  (Lev.  r.  Kap.  VII,  1),  wonach  Gott  den  gegen  Israel 
lange  gehegten  Zorn  900  Jahre  lang  unterdrückt  und  nicht  in  Taten 
imigesetzt  hat.  Die  900  Jahre  beziehen  sich  auf  die  Zeit,  die  vom 
Auszuge  aus  Ägypten  bis  zur  Zerstörung  des  ersten  Tempels  verflossen 
waren,  und  haben  zur  Lebenszeit  Kaiirs  gar  keine  Beziehung.  Heute, 
wo  wir  wissen,  daß  Schriftsteller  wie  Saadja,  der  bereits  942  gestorben 
ist,  Kalir  als  einen  Gelehrten  und  Dichter  rühmen,  der  lange  vor 
ilirer  Zeit  gelebt   hatte,  können  wir  uns  unmöglich  dabei  auflialten, 


3jß  Geschichte   des    Gottesdienstes 

seine  Lebenszeit  im  zehnten  Jahrhnndert  zu  suchen.  Wir  müssen  uns 
die  Tatsache  vergegenwärtigen,  daß  Kalirs  Poesien  bereits  im  achten 
und  neunten  Jalirhundert  auf  die  Ausgestaltung  der  Festgebete  von 
Einfluß  gewesen  sind.  Fügen  wir  endlich  hinzu,  daß  Kalir  als  Schüler 
Jannais  bezeichnet  wird  und  daß  Jannai,  wie  oben  nachgewiesen 
wurde,  etwa  um  700  gelebt  haben  muß,  so  gelangen  wir  zu  dem  Re- 
sultate, daß  auch  Kalirs  Lebenszeit  spätestens  um  750  anzusetzen 
ist.  Mt  einer  solchen  Annahme  befinden  vni  uns  im  Einklänge  mit 
der  gesamten  Entwicklung  des  Piut,  wie  wir  sie  heute  zu  über- 
schauen vermögen. 

Wir  haben  uns  solange  bei  der  Ermittlung  der  persönlichen 
Verhältnisse  Kalirs  aufgehalten,  weil  sein  Name  einen  Markstein 
in  der  Geschiclite  der  synagogalen  Poesie  bezeichnet.  Er  ist  derjenige 
Dichter  gewesen,  der  dem  Festzyklus  diejenige  Gestalt  gegeben  hat, 
die  später  allgemein  üblicli  geworden  und  anerkannt  ist.  Kalir  hat 
sämtliche  ausgezeichneten  Tage  des  Kalenderjahres 
mit  seinen  Kompositionen  bedacht;  vor  50  Jalu-en  bereits  schrieb 
Zunz  ihm  mehr  als  200  Poesien  zu,  nach  den  neuen  Nachrichten,  die 
die  Handscliriften  aus  der  Genisa  zu  Kairo  gebracht  haben,  werden 
wir  die  Zahl  auf  das  Doppelte  erhöhen  und  vielleicht  auch  darüber 
noch  hinausgehen  müssen.  Kalirs  Poesien  sind  in  der  Hauptsache 
K  e  r  0  b  0  t ,  er  hat  nur  ganz  wenige  J  o  z  e  r  und  Hoschanas 
verfaßt,  der  weitaus  größte  Teil  seiner  Dichtungen  ist  zur  Aus- 
schmückung der  Tefilla  bestimmt.  Eine  Aufzählung  der  Poesien 
Kalirs  würde  zu  weit  führen,  wir  müssen  uns  mit  einer  zusammen- 
fassenden Übersicht  begnügen.  Es  gibt  keinen  großen  Feiertag,  zu 
dem  Kalir  die  Gebete  nicht  bearbeitet  hätte,  und  mitunter  hat  er,  wie 
bereits  hervorgehoben  wurde,  melu'fach  für  dasselbe  Fest  gedichtet. 
Nach  den  früheren  Befunden  schien  das  Pesachfest  am  schlechtesten 
von  ihm  bedacht  worden  zu  sein,  allein,  wie  sich  herausstellt,  ist  das 
nur  auf  die  Einrichtungen  der  Gemeinden  in  Europa  zurückzuführen, 
die  für  das  Fest  Poesien  von  heimischen  Dichtern  besaßen  und  darum 
die  Kalirs  nicht  verwendeten.  Überhaupt  muß  beachtet  werden,  daß 
die  gedruckten  Gebetbücher  und  selbst  die  Handsclu'iften  nicht  immer 
ein" genaues  Bild  von  Kalirs  poetischen  Arbeiten  geben;  sehr  häufig 
ist  da  mit  großer  Willkür  verfahren,  die  Gemeinden  haben  fortgelassen 
und  zugesetzt,  wie  es  ihnen  beliebte,  sehr  oft  Stücke  eines  ihnen  nahe- 
stehenden Dichters  mitten  in  die  Arbeiten  Kalii's  gestellt  oder  auch 


Kalir  317 

aus  soincn  Kerobot  Stiicko  gosl riehen,  um  andere  an  ihre  Stelle  zu 
setzen.  iS'eben  den  Hauplfeiertagen  hat  Kalir  auch  die  vier  aus- 
gezeichneten Sabbate  mit  Kompositionen  bedacht,  und 
zwar  hat  er  in  den  meisten  Fällen  nicht  nur  das  Morgen-,  sondern  auch 
das  Musafgebet  bearbeitet.  Auch  die  Wochentage  mit  festlichem 
Charakter  sind  mit  seinen  Poesien  versehen;  zu  1*  u  r  i  m  ,  zu  C  h  a  - 
n  u  k  k  a  und  zu  sämtlichen  Fasttagen  hat  er  Kerobot  verfaßt, 
die  die  Tefilla  durch  alle  18  Benedilvtionen  hindurch  begleiten.  Es 
wurde  bereits  gesagt,  daß  für  einzelne  Tage  auch  diese  selir  schwierigen 
Kompositionen  in  mehrfacher  Bearbeitung  vorliegen.  Besonders  um- 
fangreich sind  seine  Kerobot  zum  Fasttage  des  9.  Ab;  hier  hat  er 
nicht  nur  die  kurzen  Poesien  verfaßt,  die  die  einzelnen  Benediktionen 
der  Tefilla  begleiten,  sondern  bei  der  vierzehnten  hat  er  Anlaß  ge- 
nommen, innerhalb  der  Keroba  in  einer  ausgedehnten  Reihe  von 
ausfükrliclien  Poesien  das  Thema  von  der  Zerstörung  des  Tempels 
und  von  Israels  Leiden  in  der  mannigfachsten  Weise  zu  variieren. 
Aus  dem  deutschen  Ritus,  der  immerhin  etwa  20  Kinot  Kalirs  auf- 
genommen hat,  gewinnt  man  noch  keine  rechte  Vorstellung  von  der 
Riesenarbeit,  die  der  Dichter  hier  geleistet  hat,  erst  aus  den  doppelt 
so  großen  Reihen  in  It.  und  Rom,  kann  man  entnehmen,  me  wenig 
Schwierigkeiten  es  Kalir  machte,  dasselbe  Thema  immer  und  immer 
wieder  in  anderen  Wendungen  zu  behandeln. 

Die  geschichtliche  Bedeutung  der  Poesien  Kalirs  besteht  zunächst 
darin,  daß  er  den  Rahmen  für  die  poetische  Bearbeitung  des  Gottes- 
dienstes geschaffen  hat.  Er  wurde  der  Gesetzgeber  des  Piut  füi-  spätere 
Zeiten,  man  richtete  sich  nach  seinem  Beispiel,  er  wm-de  maßgebend 
für  die  Auswahl  der  Stellen  im  Gebete,  die  poetisch  ausgeschmückt 
werden  sollten,  man  nannte  die  Poesien  '^"i'^bp,  d.  h.  nach  Kalir 
bearbeitet.  Sem  Vorbild  wurde  aber  auch  im  Stile  nachgealnnt,  und 
das  ist  der  zweite  Punkt,  in  dem  Kaln  bahnbrechend  gewirkt  hat; 
durch  ihn  wiu:de  die  Hagada  der  wesentlich  steBestand- 
teil  des  dichterischen  Vortrags.  Kalirs  Dichtungen 
sclüießen  sich  sein:  eng  an  die  Auffassung  und  Sprache  des  Midrasch 
an,  es  gibt  keinen  alten  Midrasch,  der  ihm  nicht  bekannt  oder  ge- 
läufig wäre,  mitunter  befolgt  er  die  Darstellung  der  Hagada  ganz 
wörtlich;  namentlich  mit  den  Pesiktas  stimmen  seine  Piutim  in  auf- 
fälliger Weise  überein.  Das  hat  seinen  guten  Grund,  denn  die  Aus- 
schmückungen, die  er  für  die  Stammgebete  einfülu-te,  waren  ja  gerade 


318  Geschichte   des   Gottesdienstes 

für  diejenigen  Tage  bestimmt,  deren  hagadische  Bearbeitung  in  der 
Pesikta  vorliegt.  Auch  die  messianischen  und  apokalyptischen 
Schriften,  die  bis  zu  seiner  Zeit  vorlagen,  waren  ihm  sämtlich  bekannt 
und  sind  von  ihm  häufig  benutzt  worden.  Was  nun  wiederum  Kalir 
vor  seinen  späteren  Nachahmern  sehr  vorteilhaft  auszeichnet,  ist  die 
Art,  wie  er  den  Midrasch  verwendet.  Er  steht  niemals  unter  dem 
Zwange  seiner  Vorlage,  er  versteht  es,  sich  von  ilu*  frei  zu  machen, 
er  entnimmt  ihr  wohl  den  Stoff,  in  der  Gestaltung  aber  verfährt  er 
vollständig  souverän.  Das  gut  vor  allem  für  die  sprachliche 
Ausführung.  Kalirs  Darstellungsweise  ist  durchsetzt  von  den  Dunkel- 
heiten, über  die  früher  ausführlich  gesprochen  wurde.  Es  konnte 
auch  kaum  anders  sein,  denn  es  lag  ihm  daran,  das  weitschichtige 
Material  der  Hagada  so  vollständig  wie  möglich  für  die  Poesie  zu  ver- 
werten. Den  spraclüichen  Ausdi'uck  aber  hat  er  sich  selbst  gewählt, 
er  unterlag  nicht  dem  Drucke  seiner  Vorlage,  sondern  hat  die  S  p  r  a  c  h  e 
aus  der  Bibel  geholt.  Er  ist  ungewöhnlich  reich  an  neuen  Worten 
und  überraschenden  Bildungen,  an  Sprachfülle  und  Schöpferkraft 
im  Ausdruck  übertrifft  er  alle  anderen  Paitanim,  aber  sein  gesamter 
Wortschatz  läßt  sich  mit  Leichtigkeit  auf  eine  biblische  Grundlage 
zurückführen.  Er  hat  es  gewiß  an  schwierigen  und  grammatisch  un- 
richtigen Wortbildungen,  Formen  und  Wendungen  nicht  fehlen  lassen, 
er  konnte  sie  auch  kaum  entbehren,  denn  er  mußte  dem  schweren 
Rüstzeug  der  Kunstform  Rechnung  tragen,  in  die  er  seine  Poesien 
zwängte.  Die  Akrostichis  des  Alphabets,  der  Xamen  und  der  Bibel- 
verse, ihre  Verquickung  untereinander,  die  Erfordernisse  des  Reims, 
der  durch  Ringworte  und  biblische  Zitate  ebenfalls  sehr  häufig  recht 
kompliziert  wurde,  haben  ihn  dazu  gezwungen,  sich  neue  Worte  zu 
prägen,  vor  Abweichungen  von  der  üblichen  Formenlehre  und  den 
gebräucldichen  Bildungen  nicht  zurückzuschrecken,  aber  wir  können 
bei  ihm  immer  ^vieder  die  Beobachtung  machen,  daß  er  es  meisterhaft 
verstanden  hat,  den  verhältnismäßig  geringen  Wortschatz  der  Bibel 
umzubiegen  und  umzugestalten,  so  daß  er  für  seine  Zwecke  ausreichte. 
Man  muß  sich  vergegenwärtigen,  daß  Kalir  selu*  häufig  dasselbe 
Thema  behandelt,  dieselben  Gedankengänge  dargestellt  hat:  mau 
kann  ihm  die  Anerkennung  nicht  versagen,  daß  er  immer  ^vieder  ein 
neues  Gewand  dafür  gefunden,  und  daß  er  es  verstanden  hat,  dasselbe 
immer  '«deder  mit  neuem  Schmuck  und  neuem  Zierrat  zu  versehen. 
Hohen  Schwung  und  tiefe  Gedanken  lassen  Kalirs  Dichtungen  ver- 


Kulir,    seine   Nachahmer  319 

missen;  sie  waren,  diircli  den  Cliarakter  des  Festes  hestiinnit,  ab- 
hängig vom  Midrasch,  bewegten  sich  innerhalb  festgezogener  Kreise, 
dennoch  aber  hat  es  der  Dichter  verstanden,  aucli  innerlialb  der  ihm 
gesetzten  Grenzen,  der  feststehenthMi  (Iriindideen  nnd  wiederkehrenden 
Bilder  sich  einen  Vorrat  beweglicher  Elemente  zu  schaffen. 

Kalirs  Poesien  wnrden  weithin  verbreitet,  im  Orient,  auf  dem 
Balkan,  in  Italien,  in  Frankreich  nnd  Deutschland  wurden  sie  ein- 
geführt und  als  der  wichtigste  Bestandteil  der  synagogalen  Poesie 
belassen,  auch  nachdem  einheimisciio  Diciiter  den  Festzyklus  be- 
arbeitet iiatten.  In  denjenigen  Ländern,  die  unter  dem  Einflüsse  der 
arabischen  Kultur  standen,  wurden  Kalirs  Poesien  nicht  aufgenommen, 
in  Spanien  und  den  davon  abhängigen  Gebetbüchern  in  Nordafrika 
und  Asien  sind  Kalirs  Piutim  nicht  zu  finden,  es  läßt  sich  auch  nicht 
feststellen,  ob  sie  jemals  darin  enthalten  waren  und  nur  durch  die 
besseren  Arbeiten  der  si)äteren  Zeit  verdrängt  wurden.  Kalirs  Dich- 
tungen wurden  nicht  nur  in  der  Synagoge  vorgetragen,  sondern  auch 
eifrig  studiert.  Man  zitierte  sie  wie  Autoritäten  sowohl  für  sachliche 
Auffassung  als  auch  für  sprachliche  Bildungen.  Selbstredend  ver- 
faßte man  auch  Kommentare  dazu;  bei  der  Dunkelheit  der  meisten 
Poesien  Kalirs  war  das  durchaus  notwendig. 

§  41.     Die  wichtigsten  Paitanim. 

IL    Die  Nachahmer  Kalirs. 

Literatur:  Rapaport.  das.;  Zunz,  das.;  Landshuth,  das.;  Luzzatto, 
das. 

1.  Das  Beispiel  Kalirs  war  nicht  nur  für  die  Anerkennung  der 
synagogalen  Poesie  und  die  Aufnahme  der  Dichtungen  in  den  Gottes- 
dienst der  Gemeinde  maßgebend,  es  hat  jahrhundertelang  nach- 
gewirkt und  immer  Aneder  neue  Männer  auf  den  Plan  gerufen,  die  es 
befolgten  und  auch  ihrerseits  zur  Ausgestaltung  des  Gottesdienstes 
beizutragen  bestrebt  waren.  Mit  Ausnahme  der  Spanier  haben  alle 
Dichter  der  Zeit  nach  Kalir  sich  mehr  oder  weniger  eng  an  seine  Art 
zu  arbeiten  angeschlossen,  die  Kerobadichter  gehen  sämtlich  in  seinen 
Fußstapfen.  Die  ältesten  Nachfolger  Kalirs  sahen  sich  noch  vor 
wichtige  Aufgaben  gestellt,  sie  betrachteten  es  als  ihre  Pflicht,  die 
Lücken  auszufüllen,  die  sie  in  Kalirs  Festzyklus  vorfanden.  Wie  wir 
sahen,  waren  im  Verlaufe  der  Zeit  infolge  nicht  genügend  sorgfältiger 
Überlieferung:  manche  Poesien  Kalirs  verschwunden,  er  hatte  ferner 


320  Geschichte    des   Gottesdienstes 

immer  nur  für  die  ersten  Feiertage  gearbeitet;  darum  sahen  sich  die 
späteren  Dichter  dazu  veranlaßt,  auch  diejenigen  Festzeiten  zu  be- 
denken, die  mit  Dichtungen  Kalirs  nicht  ausgestattet  waren.  Das 
dauerte  etwa  bis  um  das  Jahr  1050.  Zu  jener  Zeit  kann  der  Fest- 
zykkis  als  vollständig  ausgebildet  angesehen  werden,  zu  jener  Zeit 
erfreute  sich  der  Piut  auch  der  unbestrittenen  Anerkennung  in  allen 
Gemeinden,  der  Widerspruch,  der  von  den  Geleln^ten  hie  und  da 
gegen  ihn  erhoben  wurde,  vermochte  gegenüber  dem  Beifall  der  Menge 
nichts  auszurichten.  Mit  der  Beliebtheit  des  Piut  und  seiner  Ver- 
breitung wuchs  auch  das  Ansehen  der  Dichtkunst  und  das  Verlangen 
berühmter  Männer,  sich  in  ilu-  zu  betätigen.  Daher  kommt  es,  daß 
von  1050  ab  die  Zahl  der  Paitanim  sich  zusehends  hebt.  Die  gelelirten 
Studien  fanden  unter  den  Juden  des  Abendlandes  mehr  Verbreitung, 
die  Kenntnis  von  Talmud  und  IVIidi'asch,  die  Vertrautheit  mit  der 
Bibel  und  mit  der  hebräischen  Sprache  nahmen  stetig  zu.  „Keine 
Gegend  der  romanischen  und  germanischen  Länder,  die  bereits  von 
dem  Einflüsse  grammatischer,  exegetischer  und  dichterischer  Lei- 
stungen berührt  wurden,  entbelirte  damals  eines  Rabbiners  oder 
Vorbeters,  welcher  den  öffentlichen  wie  den  häuslichen  Gottesdienst 
mit  Vortrag  oder  Komposition  ausstattete."  Wie  die  Zahl  der  Dichter 
waren  auch  die  Gelegenheiten  zum  Dichten  hn  Zunehmen.  Kalir  hatte 
sehr  viel  Kerobas  aber  wenig  Jozer  verfaßt,  auch  seine  Nachfolger 
hatten  da  noch  manche  Lücke  gelassen,  und  so  blieb  den  Späteren 
ein  Feld  für  ihre  Betätigung.  Man  hatte  ferner  früher  nur  die  großen 
Feiertage  und  die  wichtigsten  ausgezeichneten  Sabbate  der  poetischen 
Bearbeitung  gewürdigt,  nun  aber  -wurde  die  Zahl  der  Sabbate  we- 
sentlich vermelu-t,  wo  sich  im  Charakter  des  Sabbats  oder  in  seiner 
Schriftvorlesung  irgendein  Anlaß  zu  dichterischer  Ausgestaltung  fand, 
wurde  er  benutzt.  Namentlich  die  Jozerpoesien  waren  sehr  beliebt, 
es  wurden  nicht  immer  vollständige  Kompositionen  verfaßt,  oft  nur 
einzelne  Stücke  davon,  aber  der  Jozer  wm'de  auch  erweitert,  es  wurden 
Stellen  mit  Dichtungen  ausgestattet,  die  früher  frei  geblieben  waren. 
Man  trug  ferner  den  wichtigen  Ereignissen  des  Familienlebens  Rech- 
nung; Hochzeit,  Beschneidung  und  andere  Festlichkeiten,  soweit  sie 
die  daran  Beteiligten  in  das  Gotteshaus  führten,  fanden  in  Jozer  und 
Keroba  oder  in  Introduktionen  bei  der  Toravorlesung  Berücksichtigung. 
Endlich  hat  die  zunehmende  Fülle  der  Leiden  die  Dichter  selir  häufig 
zum  Abfassen  von  Klageliedern  angeregt,  das  Martyrium,  welches  die 


Saadju  321 

Juden  von  lOOG  an  iinaiifhöilich  (liirclizcimacluMi  halten,  fand  in  der 
Synagoge  seinen  Widerhall,  di(>  Dichter  hüben  (his  Andeid\en  der 
Glanbenszeugen  in  ihren  Poesien  verewigt  und  ihrem  Heldentod 
dadurcli  die  Cdoriole  verschafft.  Die  Bekenntnistreue  der  Väter 
wurde  eine  stete  Malinung  und  Ermutigung  für  die  nachkommenden 
Geschlechter,  die  mit  ihren  Tränen  und,  wenn  es  not  tat,  durch  ]3e- 
folgung  ihres  Beispiels  das  Andenken  der  Ahnen  ehrten. 

2.  Von  den  meisten  Dichtern,  die  unmittelbar  auf  Kalir  folgten, 
sind  die  Namen  unbekannt.  Es  war  die  Zeil,  in  welcher  der  Schwer- 
puidu  des  jüdischen  Lebens  und  Wissens  sich  allmählich  nach  Europa 
verschob,  die  Leistungen  der  Schriftsteller  im  Orient  wurden  nicht 
alle  übernommen,  meist  nur  dann,  wenn  sie  von  besonderer  Bedeutung 
waren  oder  wenn  der  Ruhm  des  Verfassers  ihnen  die  Unsterblichkeit 
sicherte.  Daher  kommt  es,  daß  aus  den  nächsten  Jahrhunderten  nach 
Kalir  nur  ein  einziger  Name  eines  Paitans  aus  dem  Orient  auf  uns 
gekommen  ist,  und  auch  dieser  nur,  weil  sein  Träger  zu  den  gefeiertesten 
Gelehrten  gehörte.  Es  ist  Saadja  b.  Joseph  (892 — 942),  „der 
berühmteste  unter  den  Gaonen,  der  in  seinen  gottesdienstlichen 
Kompositionen  die  fließendste  und  die  schwerfälligste  Sprache  redet, 
in  jener  ein  Beter,  in  dieser  ein  Paitan,  in  keiner  ein  eigentlicher 
Dichter."  Saadjas  Dichtungen  wurden  nicht  in  eines  der  bekannten 
Gebetbücher  aufgenommen,  ilu-e  Überlieferung  erfolgte  durch  das 
große  Werk,  in  dem  der  Verfasser  „die  Gebete  und  Lobpreisungen" 
gesammelt  hatte,  in  seinem  Siddur,  über  den  in  anderem  Zusammen- 
hang zu  handeln  sein  wird.  Hier  sollen  nur  seine  Poesien  besprochen 
werden.  Drei  größere  Arbeiten  von  ihm  beziehen  sich  auf  das  Wochen- 
fest, sie  behandeln  die  613  Gebote  und  Verbote.  Eine  davon,  in 
arabischer  Sprache,  beginnt  rs^'cbz  bs«  ibrsi",  sie  war  für  den  Gottes- 
dienst am  Wochenfeste  bestimmt  und  wird  vielleicht  noch  heute  in 
mancher  Gemeinde  Nord-Afril^as  vorgetragen.  Eine  Inhaltsangabe 
findet  man  bei  Zunz,  Litg.  S.  96.  Eine  zweite  Behandlung  desselben 
Themas  liegt  in  den  Versen  vor,  die  mit  ^J'^'^r  "j^ribs« '";  rs«  beginnen. 
In  sechs  Abteilungen,  die  abwechselnd  nach  dem  Alphabet  in  gerader 
und  umgekehrter  Reihenfolge  eingerichtet  sind,  deren  jede  aus  11  ge- 
reimten Vierzeilern  mit  Ringworten  besteht,  werden  die  613  Gebote 
und  Verbote  vorgeführt;  es  ist  keine  trockene  Aufzählung,  der  Ver- 
fasser hat  die  Gesetze  nach  Ivlassen  gruppiert,  auch  sorgfältig  am 
Ende  einer  jeden  angegeben,   welche  Anzahl  Gebote  unter  sie  fällt. 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  ^'- 


322  Geschichte  des    Gottesdienstes 

Das  Stück  enthält  kein  Akrostichon  und  ist  demnach  durch  sich  selbst 
nicht  bezeugt;  tatsächlich  ist  seine  Echtheit  auch  bezweifelt  worden, 
keineswegs  mit  Eecht,  denn  die  Zusammenfassung  der  Gesetze  und 
der  Stil  stimmen  vollständig  zu  anderen  ähnlichen  Leistungen  Saadjas. 
Ein  drittes  Mal  hat  er  dasselbe  Thema  der  Asharot  in  Form  einer 
Keroba  mit  dem  Anfang  nr*^^"!  z^'c^'c  nibn  2—  b'^i«  2^n~5i  bearbeitet. 
Unter  den  uns  heute  bekannten  Piutim  gibt  es  kaum  einen  zweiten, 
der  es  an  Künstelei  des  Aufbaus  und  an  Sch^^ierigkeit  des  Ausdrucks 
mit  dieser  Leistung  Saadjas  aufnehmen  könnte.  Er  hat  nämlich  nicht 
nur  die  613  Ge-  und  Verbote  in  die  Keroba  hineingearbeitet,  sondern  er 
hat  sie  außerdem  noch  unter  die  10  AVorte  des  Dekalogs  subsumiert 
und  er  hat  das  Ganze  in  eine  so  schwerfällige  äußere  Form  gebracht, 
daß  er  genötigt  war,  die  seltsamsten  "Wortbildungen  und  unverständ- 
lichsten Verbindungen  für  seine  Dichtung  zu  benutzen.  Die  Asharot 
Saadjas  zerfallen  in  drei  Teile,  der  Anfang  und  das  Ende  bilden  eine 
regelrechte  Schibata  und  begleiten  die  7  Benedilvtionen  der  Tefilla; 
die  Mitte  beginnend  nir.:-  bs'C  nn"»:"  rb:"S  rs  ^3:s  ist  den 
Gesetzen  gewidmet.  Saadja  hat  seinem  Zyklopenbau  verschiedene 
Arten  von  Bibelversen  zugrunde  gelegt.  Er  beginnt  die  Strophen 
der  Reihe  nach  mit  den  Worten  von  Ps.  68  8  -9,  die  Mitte  der  Strophen 
hat  wiederum  Cant.  1 1—14  vorgesetzt,  in  den  Asharot  stellt  er  außer- 
dem jeweilig  die  ersten  Worte  des  Dekalogs  voran;  wie  den  Anfang, 
so  verbrämt  er  das  Ende  mit  Bibelworten,  die  vierte  Zeile  der  Verse 
ist  immer  ein  Bibelvers  und  mit  dessen  Ende  müssen  alle  vorher- 
gehenden reimen,  bei  der  Aufzählung  der  Gebote  endet  jede  Ab- 
teilung, d.  h.  die  Reihe  der  unter  einen  Satz  des  Dekalogs  fallenden 
Gesetze,  mit  demselben  Schlüsse,  welchen  der  betreffende  Satz  in  der 
Bibel  hat.  Daß  in  einem  solchen  Rahmen  wahre  Poesie  nicht  ge- 
deihen konnte,  ist  ganz  klar,  Saadja  hat  sich  wohl  bemüht,  in  den 
Fußstapfen  Kalirs  zu  gehen,  es  ist  ihm  aber  nicht  gelungen,  er  hat 
ihn  an  Künstelei  übertroffen,  dasjenige  aber,  worin  Kalirs  Kunst 
besteht,  nicht  erreicht. 

Saadja  liebte  es,  seine  größeren  Arbeiten  in  mehrfacher  Form 
auszuführen.  Auch  die  A  b  0  d  a  des  Versöhnungstages  liegt  in  zwei 
verschiedenen  Bearbeitungen  von  ihm  vor.  Die  eine  beginnt  "»"s^z 
•»ie:  m23~  n^-'zs  -m-^-  "pT^^,  sie  ist  wie  die  Asharot  in  außer- 
ordentlich gekünstelter  Weise  aufgebaut,  sie  hat  alphabetische  Reihen- 
folge, jede  Strophe  bringt  achtmal  denselben  Versanfang,  jedoch  mit 


Saadja  823 

der  Erscliwormii;,  daß  hei  den  unj^radon  Zeilen  vor  den  betreffenden 
Uiielistaheii  jedesmal  die  Partikel  2  vorgesetzt  ist,  während  die  graden 
wiederum  mit  einer  Bibelstelle,  überdies  mit  demselben  Worte  enden, 
mit  dem  die  vorhergehenden   ungraden  begonnen  haben.    Außerdem 
reimen  je  zwei  Verse  am  Ende,  und  obendrein  haben  die  Verse  noch 
eine  Zäsur,  die  ersten  Halbversc  haben  durchgehenden  Reim  in  der 
ganzen  Strophe.     Der   Inhalt    der  Aboda  weicht   von   dem    üblichen 
nicht   ab,  Saadja  sehließt   sich  ganz   unverkennbar  an   das   Vorbild 
Joses  an,  er  verwendet  wie  jener  den  weitaus  größeren  Teil  der  Dich- 
tung für  die  Einleitung  und  stellt  den  Kultus  des  Versöhnungstages 
erst  in  der  zweiten  Hälfte  dar.   Man  muß  ihm  die  Gerechtigkeit  wider- 
fahren lassen,  daß  er  sich  bemüht  hat,  diese  Schilderung  dramatisch 
zu  beleben,  aber  da  er  so  sehr  viel  Kraft  auf  die  Innehaltung  der 
äußeren  Form  verwenden  mußte,  war  es  unmöglich,  daß  der  Inhalt 
nicht  darunter  litt.    Nach  Saadjas  eigenem  Zeugnis  hat  er  noch  mehr 
Abodabearbeitungen    (p"'CS'E)    geschaffen,    eine    davon    ist    neuer- 
dings fast    vollständig   wiedergefunden  worden.    Sie  beginnt  a'^nrs« 
zipTC  -1,  sie  enthält  ebenfalls  22  Strophen  zu  je  vier  Doppelzeilen  in 
der  Reihe  des  Alphabets.    Die  Form  ist  weit  einfacher  als  die  der 
besprochenen  Aboda.  Die  ungraden  und  die  graden  Verse  haben  in  der 
ganzen  Poesie  durchgehenden  Reim,  die  graden  auf  Z"*,  die  anderen 
auf  n:.   Etwas  kompliziert  wird  die  Anordnung  durch  die  Ringwörter, 
die  graden  Verse  endigen  mit  demselben  Worte,  mit  dem  der  nächste 
ungrade  beginnt,  so  daß  dasselbe  Wort  zweimal  hintereinander  folgt. 
Die  Sprache  ist  in  unserer  Poesie  wesentlich  einfacher  als  in  der  vorher- 
gehenden, der  Inhalt  hingegen  stimmt  in  beiden  vollständig  üben  in, 
derart,  daß  in  den  meisten  Fäll^i  die  Strophen  einander  decken,  nur 
ist  in  der  zweiten  Dichtung  die  Darstellung  weit  kürzer.    Ein  Akro- 
stichon, das  die  Urheberschaft  Saadjas  verbürgt,  ist  in  beiden  nicht 
vorhanden,  aber  sie  werden  beide  ihm  zugeschrieben  und  bieten  keinen 
Anlaß,  ihre  Echtheit  anzuzweifeln.  —  Von  größeren  Arbeiten  Saadjas 
ist  ferner  sein  Hoschan a-Zyklus  zu  erwähnen.    Die   Hoschanas  für 
die  einzelnen  Tage  zerfallen  in  drei  Teile,  das  erste  Stück  beginnt 
stets  mit  "iy^:,  das  zweite  mit  sirrnnn  n:7,  das  dritte  mit  dem  bereits 
früher  (S.  220)  hervorgehobenen  Refrain  rcr'':  "ibrn:  r.:^n  ""^^  ~:3n 
nn-arn.    Für  den  siebenten  Tag  ist   die   Zahl  der  Hoschanas  nicht 
vermehrt.    Die  meisten  Poesien  aus  diesem  Zyklus  sind  mit  den  in 
Seph.  enthaltenen  identisch,  sie  haben  alle  eine  viel  einfachere  Sprache 

21* 


324-  Geschichte    des    Gottesdienstes 

als  wir  sonst  von  Saadja  gewohnt  sind,  es  ist  sehr  fraglich,  wieviel 
davon  Saadja  selbst  verfaßt  und  was  er  von  anderen  übernommen 
hat.  Seine  kleineren  Arbeiten  sind  eine  Anzahl  Selichot  für  Fasttage 
oder  für  die  Bußtage.  Ihre  Darstellungsweise  ist  nach  Saadjas  Manier 
ziemlich  schwerfällig,  meist  knüpft  er  an  bestimmte  Themen,  wie  die 
zwölf  Stämme  Israels,  die  zwölf  Steine  im  Brustschilde  des  Hohen- 
priesters, die  Zerstörung  der  sieben  Heiligtümer  und  ähnliche  Gegen- 
stände an.  Auch  bei  diesen  im  ^'amen  Saadjas  überlieferten  Stücken 
ist  die  Echtheit  nicht  immer  ohne  weiteres  festzustellen,  manche 
davon  sind  jedoch  neuerdings  auch  in  Genisafragmenten  \Näeder- 
gefunden  worden  und  dort  als  ilim  zugehörig  bezeichnet. 

Die  besten  Schöpfungen,  durch  die  Saadja  das  Gebetbuch  be- 
reichert hat,  sind  seine  zwei  Bittgebete  (mrp^),  von  denen  das 
eine  nrsr  tstt  ins?,  das  andere  T~2b  '~  S'n  r.rs«  beginnt.  Es  sind 
die  beiden  von  Abraham  ibn  Esra  wegen  ihres  gemütvollen  Inhalts  und 
leichten  Stils  gerühmten  x\rbeiten.  Tatsächlich  sind  es  die  einzigen 
Leistungen  Saadjas,  die  in  die  Gebetbücher  aufgenommen  wurden, 
der  uns  vorliegende  Text  rechtfertigt  das  ilmen  gespendete  Lob  durch- 
aus, in  der  Hauptsache  knüpfen  sie  an  die  Bibel  an  und  stellen  ent- 
weder Bibelverse  oder  ihnen  nachgebildete  Sätze  zusammen.  In 
ihnen  kommt  eine  schlichte,  aber  tiefinnige  Frömmigkeit  zum  Aus- 
druck. In  der  überlieferten  Form  jedoch  sind  diese  Stücke  nicht 
echt,  sie  sind  mit  jüngeren  Zutaten  durchsetzt,  sind  außerdem  am 
Ende  durch  Ai'beiten  anderer  Autoren  aus  späteren  Zeiten  melu'fach 
verlängert  worden.  Eine  ausfülu'liche  Analyse  findet  man  bei  Lands- 
huth,  a.  a.  0.,  S.  293  ff. 

Saadjas  Ai-t  zu  arbeiten  stellt  .das  höchste  Maß  von  Verwick- 
lungen und  Schwierigkeiten  dar,  deren  der  Piut  fähig  war,  der  Ver- 
fasser der  mehrfach  erwähnten  alten  Poetik  sieht  daher  in  seinen 
Piutim  die  letzten  Ausläufer  ilirer  Gattung.  Wegen  ihrer  Schwierig- 
keiten konnten  Saadjas  Arbeiten  im  Gottesdienste  nicht  benutzt 
werden,  aber  infolge  des  hohen  Ansehens,  dessen  sein  Namen  sich 
erfreute,  wurden  sie  studiert  und  vielfach  zitiert.  Wichtig  wurde 
Saadjas  Beschäftigung  mit  der  Poesie  dadurch,  daß  er  sich  nicht 
nur  als  Dichter  versucht,  sondern  auch  die  Theorie  gepflegt  hat.  Die 
vielen  wertlosen  Dichtungen,  die  in  seiner  Zeit  bereits  im  Umlauf 
waren,  erregten  seine  Aufmerksamkeit,  er  sah  sich  daher  veranlaßt, 
zur  Verbesserung  der  Sprache  und  des  Stiles  der  Poeten  eine  Art  von 


Salomo    1>.   Jfhuda  325 

Lehr  b  ii  c  h  zu  verfassen.  Wir  besitzen  neuerdinfjs  Fra<j;inonle 
seines  A  lij  r  o  ii  ,  das  ursprünglich  als  eine  Art  von  Koinilexikon  ge- 
dacht ^Yar  und  die  hebräischen  Wurzeln  nach  ihren  Anfangs-  und 
Kndbuchstaben  alphabetisch  zusamnienstellte.  Jn  späteren  Lebens- 
jahren jedoch  hat  Saadja  diese  Jugendarbeit  erweitert,  auch  dem 
Inhalt,  ,,der  Seele  der  Gedichte"  seine  Aufmerksamkeit  zugewendet 
und  eine  Poetik  hinzugefügt,  in  der  er  sich  auch  über  den  Stil  und 
die  Bilder  der  Poesie  verbreitete. 

3.  In  der  Zeit  nach  Saadja  folgen  die  Dichter  von  Bedeutung  ein- 
ander in  kurzen  Abständen,  die  ersten  Dichternamen  in  Europa  tauchen 
auf,  sie  stammen  sämtlich  zunächst  aus  Italien,  demjenigen  Lande, 
welches  auf  dem  Gebiete  der  jüdischen  Wissenschaft  die  Verbindung 
der  europäischen  Länder  mit  dem  Orient  herstellte.  Die  Verbreitung 
der  Dichtkunst  ist  ein  Zeichen  der  zunehmenden  Gelehrsamkeit  und 
der  wachsenden  Stetigkeit  in  den  Einrichtungen  der  Gemeinden. 
Der  erste  Name  eines  Paitan  in  Europa  ist  der  Salomos  b.  Je- 
h  u  d  a  ha  Babli  c^rnnn  rn^r^•'  ^n^n  rrobr)  um  950—980.  Seinen 
Beinamen  trägt  er  von  seiner  Heimat,  der  Stadt  Rom,  die  seit  den 
Zeiten  der  Apokalypse  methaphorisch  Babel  genannt  wird.  Salomo 
war  einst  ein  vielgelesener  und  geschätzter  Dichter,  er  wurde,  häufig 
mit  Kalu-  zusammen  genannt,  den  er  auch  in  den  meisten  seiner 
Poesien  nachahmt,  und  zw^ar  zumeist  recht  glücklich,  vielfach  aber 
ist  sein  Satzbau  noch  schwerer,  seine  Darstellung  dunkler,  seine 
Sprache  härter  als  die  Kalirs.  Ein  großer  Teil  seiner  Poesien  ist  nur 
handschriftlich  erhalten,  wenige  sind  in  die  Gebetbücher  übergegangen. 
Unter  den  letzteren  ist  a'i'iTrs^  rt*"»  "'S  besonders  bekannt  geworden, 
ein  J  0  z  e  r  zum  ersten  Pesachtage,  in  dem  der  Verfasser  viermal 
seinen,  dreimal  den  Xamen  "iDliTS,  wahrscheinlich  den  seines  Bruders, 
gezeichnet  hat.  Schon  Raschi  hat  diese  Poesien,  die  Germ.,  It.  und  Rom. 
aufgenommen  haben,  kommentiert.  Außerdem  hat  Salomo  eine  Anzahl 
S  e  1  i  c  h  a  s  verfaßt,  von  denen  wiederum  einige  durch  die  Gebet- 
bücher verbreitet  worden  sind.  Durch  alle  seine  Dichtungen  geht  ein 
Zug  der  Klage,  „gleichsam  ein  leises,  mühsam  verhaltenes  Schluchzen, 
das  jeden  Leser  in  seinen  Bann  zwingt."  Ob  Salomo  Judenverfolgungen 
erlebt  hat,  wissen  wir  nicht,  nach  dem  Tone  seiner  Klagen  müßte  man 
es  annehmen.  Auf  dem  Gebiete  der  Selicha  wurde  er  als  maßgebendes 
Vorbild  betrachtet,  man  nannte  die  Gattung  nach  dem  Muster  der 
von  ihm  bearbeiteten  Stücke  r^:T2:r.  Endlich  ist  von  seinen  größeren 


326  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Arbeiten  die  Aboda  rffiinbr  mis  zu  nennen,  eine  der  längsten 
und  schwierigsten  Dichtungen  ihrer  Art,  die  darin  einen  feinen  poe- 
tischen Takt  zeigt,  daß  sie  bei  der  Schöpfungs-  und  Patriarchenge- 
schichte lange  verweilt,  jedoch  der  Aufgabe  sich  keineswegs  gewachsen 
zeigt;  sie  wd  bis  heute  in  Rom.  verwendet. 

4.  Die  nächsten  Dichter  gehören  der  Familie  der  K  a  1  o  n  y  - 
m  i  d  e  n  an,  die  durch  die  große  Anzahl  verdienstvoller  Männer,  die 
sie  der  Judenheit  geschenkt  hat,  berühmt  geworden  ist.  Die  Familie 
stammte  aus  Lukka  in  Italien.  Dadurch,  daß  sich  eines  ihrer  Mit- 
glieder im  Jahre  982  um  die  Rettung  des  Lebens  Kaiser  Ottos  IL 
verdient  gemacht  hat,  ist  sie  dann,  mit  einem  günstigen  Privileg  aus- 
gestattet, nach  Mainz  übergesiedelt,  wo  sie  ebenfalls  eine  hervorragende 
Rolle  gespielt  hat.  Da  auch  die  nach  Deutschland  ausgewanderten 
Kalonymiden  den  Beinamen  ,,aus  Lukka"  weitergeführt  haben,  ist 
häufig  schwer  zu  entscheiden,  ob  die  Vertreter  des  Namens  in 
Italien  oder  in  Deutschland  gelebt  haben.  Dazu  tritt  die  andere 
Schwierigkeit,  daß  in  der  Familie  die  gleichen  Xamen  immer  wieder 
vererbt  wurden  und  daher  häufig  wiederkehren,  so  daß  es  nicht  immer 
leicht  ist,  zwischen  Großvätern  und  Enkeln,  die  mehrfach  dieselben 
Namen  tragen,  zu  unterscheiden.  Um  die  Ausgestaltung  des  Gottes- 
dienstes in  Deutsclüand  hat  die  Familie  sich  aller  Wahrscheinlichkeit 
nach  außerordentlich  verdient  gemacht,  sie  brachte  die  in  Italien  I- 
heimischen  Traditionen  mit  nach  Deutschland;  in  späteren  Jahr- 
hunderten hat  man  ihrer  Einwanderung  die  Übertragung  der  Leliren 
von  den  „Geheimnissen  des  Gebetes"  zugeschrieben,  sicherlich 
haben  sie  vieles  aus  dem  italienischen  und  dem  palästinischen  Ritus 
mitgebracht  und  nach  Deutschland  verpflanzt.  Dazu  gehörte  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  auch  der  Piut.  Der  erste  Paitan  aus  dem 
Geschlechte  ist  Mose  b.  K  a  1  o  n  y  m  o  s  ,  genannt  Mose  der  Alte 
(Cl^"^:i":;p  ^Sin  mr^).  Über  seine  Lebenszeit  gibt  er  selbst  Aus- 
kunft, wenn  er  in  einem  seiner  Verse  sagt  "TlT'a  ^ni  rs"::!:  nr"  Ti:b"T 
niÄ?^;  er  muß  demnach  etwa  900  Jahre  nach  der  Zerstörung  des 
zweiten  Tempels  gewirkt  haben,  das  würde  uns  etwa  in  das  Jahr  980 
führen.  Seine  Hauptarbeit  ist  die  Keroba  zum  7.  Pesachtage  mit  dem 
Anfange  T^nis-n:  ni3"'Ä?,  die  in  mehrere  Gebetbücher  übergegangen 
ist.  Sie  ist  stark  mit  Midrasch  versetzt,  im  ganzen  im  Stile  Kalhs, 
aber  eine  der  besten  Nachahmungen  seiner  Art,  kraftvoll  und  klang- 
reich.   Ein  anderer  Paitan  aus  demselben  Geschlecht  ist  K  a  1  o  n  v  - 


m  II  s  ans  L  ii  k  k  a  ,  der  \  ii'lli'iclil  triiluT  als  der  chcii  •jciiannic  ge- 
blüht lial.  K.  (lorscliom  rühmt  ilin  als  (ielolirten  und  crwäliiit,  daü  er 
K  0  V  0  I)  a  s  für  s  ä  m  t  1  i  c  li  r  !•'  c  s  I  t  a  g  e  gedichtet  hat,  die  mit 
lla^ada  reich  aiisi^cstattet  waren.  Wir  besitzen  von  jenen  Dich- 
tnni^en  je(h»eh  seiir  wenig,  Znnz  schreibt  ihm  die  Abfassnng  der  Kehitim 
für  dvw  \'ersönungstag,  die  an  (h'n  N'ers  Jer.  10  7  Wl^n  Tri2  isi"',"'  sb  "^"ü 
'"Z"  anknü|)t'en.  zu.  Sie  sind  ebenfalls  Zeichen  tüchtigen  Könnens.  Be- 
kannter ist  sein  Sohn  ]\1  e  s  c  h  u  1  1  a  m  b.  K  a  1  o  n  y  m  u  s  ,  der 
bisweilen  ebenfalls  als  Italiener  bezeichnet  wird,  vielleiclit  auch  dort 
geboren,  aber  sicher  in  Mainz  gestorben  ist,  wo  man  neuerdings  auch 
seinen  (irabstein  wiedergefunden  lial.  Auch  er  wird  von  K.  Gerschom 
als  gefeierter  (ieleiirter  gerülimt.  wir  wissen  auch,  daß  er  mit  den 
angesehensten  Männern  seiner  Zeit  in  Verbindung  stand.  Auch  er 
war  ein  fruchtbarer  Paitan.  Bekannt  geworden  ist  von  ihm  be- 
sonders die  K  e  r  0  b  a  zum  V  e  r  s  ü  h  n  u  n  g  s  t  a  g  e  nr"  r'^ri«, 
die  noch  heute  in  Germ,  beim  Morgengebet  verwendet  wird.  Mehr- 
fach findet  sich  darin  das  Akrostichon  CT!2"':ibp  "•nT'n  sbrr,  das 
seine  Autorschaft  bezeugt.  Die  Keroba  bestellt  heute  aus  mehr  als 
30  Stücken,  aber  nicht  alle  rühren  von  ihm  her,  es  ist  viel  fremdes 
Gut  in  sie  hineingeraten,  u.  a.  auch  die  oben  erwähnten  Dichtungen 
seines  Vaters.  Für  den  Musafgottesdienst  des  Versöhnungstages  hat 
MeschuUam  z  w^  e  i  m  a  1  die  A  b  o  d  a  bearbeitet.  Er  ist  Verfasser  von 
~D  7"''as,  das  im  deutschen  Ritus  gebräuchlich  ist.  Das  Stück  hat 
unter  allen  bekannten  Abodas  die  unregelmäßigste  poetische  Form; 
das  ist  für  die  in  Deutschland  lebenden  Dichter  vielfach  auch  später 
bezeichnend,  daß  sie  das  Grundgesetz  der  Poesie,  das  Gleichmaß, 
nicht  beachteten.  Es  fällt  auf.  daß  der  Aboda  auch  der  Reim  fehlt. 
Es  ist  nachgewiesen  worden,  daß  der  Verfasser  offenbar  die  Absicht 
hatte,  die  Aboda  Joses  abzukürzen  und  in  einer  seinen  Zeitgenossen 
angenehmen  Form,  d.  h.  angefüllt  mit  schweren  Worten  und  poe- 
tanischen  Wendungen,  vorzutragen;  neben  dem  Alphabete  hatte 
er  auch  das  verhältnismäßig  lange  Akrostichon  seines  Namens  anzu- 
bringen. Aus  all  den  Schwierigkeiten  wußte  er  sich  nicht  recht  heraus- 
zuhelfen, daher  gestaltete  er  den  Bau  der  Aboda  so  unregelmäßig, 
daher  hat  er  manches  sehr  kurz  und  sprunghaft,  anderes  wieder  mit 
großer  Ausführlichkeit  behandelt.  Zur  Aboda  gehörte  auch  eine 
Introduktion  "'bVr'a  TTis«  r'^'Jii,  die  von  den  Gemeinden  nicht  mit  über- 
nommen wurde  und  daher  bis  in  die  neueste  Zeit  in  den  Handschriften 


328  Geschichte    des   Gottesdienstes 

vergraben  blieb.  Dasselbe  Schicksal  hatte  seine  zweite  Aboda  nnTCä« 
^■imi«"::^:  ""li:,  die,  wie  es  scheint,  im  Mittelalter  in  Sachsen  und  Böh- 
men gebräuchlich  war  und  sich  in  den  Handschriften  von  Germ,  meist 
am  Rande  von  HD  fi^S  findet.  Der  Bau  ist  ein  viel  regelmäßigerer, 
das  ganze  Stück  enthält  v^ierzeilige  Strophen,  die  mit  Reimen  ver- 
sehen sind.  Der  Inhalt  ist  derselbe  wie  in  HD  f  "^'as*,  die  Art  der  Bear- 
beitung schließt  sich  noch  enger  an  Jose  an.  Außer  für  den  Ver- 
söhnungstag hat  unser  Dichter  auch  für  das  Pesachfest  gearbeitet, 
unter  den  Piutim  des  zweiten  Tages  findet  sich  in  Germ,  manches  Stück 
von  ihm.  Seine  Dichtungen  hatten  das  Schicksal,  das  vielen  Piutim 
bereitet  war,  sie  wurden  von  den  Abschreibern  und  den  Gemeinden, 
denen  sie  zu  lang  waren,  vielfach  gekürzt  und  dadurch  verstümmelt: 
insbesondere  die  Bibelverse,  die  den  Schmuck  der  Strophen  aus- 
machten, mußten  vielfach  weichen. 

5.  Alle  hier  zuletzt  erwähnten  Dichter  haben  ihr  Arbeitsfeld 
hauptsächlich  da  gesucht,  wo  sich  im  Festzyklus  Kalirs  Lücken  fanden, 
sie  haben  den  Gemeinden  dazu  verholfen,  die  Kette  der  Piutim  zu 
vervollständigen,  wo  ihnen  Kaiirisches  Material  fehlte.  Der  wichtigste 
unter  den  Paitanim,  die  in  Deutschland  sich  in  der  genannten  Rich- 
tung betätigt  haben,  war  Simon  b.  Isaak  b.  Abun  (pn2:">  il  ]i3'7affi 
"(inx  iD)  aus  Mainz  um  1000.  Er  wurde  bisweilen  auch  der  Große 
zubenannt,  wurde  allgemein  als  einer  der  verdientesten  Zeitgenossen 
verehrt,  er  galt  sogar  vielfach  als  ein  erprobter  Wundertäter  ("i'a'b'a 
Q"^o:n).  Ein  besonderes  Verdienst  scheint  er  sich  durch  die  Abwelu* 
oder  Beendigung  einer  Judenverfolgung  in  Mainz  im  Jahre  1012 
erworben  zu  haben,  wegen  seiner  Bemühungen  um  die  Rettung  der 
Gemeinden  wurde  er  weithin  iu  den  Seelengedächtnissen  zum  ewigen 
Andenken  erwähnt.  Sein  Name  erfreute  sich  in  jeder  Beziehung  eines 
guten  Klanges,  sein  Hauptverdienst  aber  lag  auf  dem  Gebiete  des 
Piut,  seine  Kompositionen  waren  in  Frankreich  und  Deutschland  fast 
überall  angenommen,  sie  bildeten  die  beste  und  vortrefflichste  Er- 
gänzung zu  denen  Kalirs.  Man  darf  ruhig  sagen,  daß  überall,  wo 
Kalirs  Piutim  fehlten,  bis  auf  die  wenigen  Ausnahmen,  in  denen  die 
zuletzt  erwähnten  Dichter  die  Gemeinden  versorgt  hatten,  Simon  b. 
Isaak  eingesprungen  ist  und  die  Lücken  ergänzt  hat.  Wh*  besitzen 
daher  in  Germ,  von  ihm  einen  J  o  z  e  r  und  eine  vollständige  K  e  r  o  b  a 
für  den  zweiten  Tag  des  Neujahrsfestes,  dieselben  Dich- 
tungen für  den  siebenten  Tag  von  P  e  s  a  c  h  und  den  zweiten  des 


Sirnuii  1).   Isaak  ;'52{) 

W  0  c  !i  c  n  f  0  s  t  0  s;  auch  für  den  ZwiscIuMisiihhat  von  Pcsacli  hat 
(M-  ein  Jozer  verfaßt.  Kr  folü;!  ebenfalls  den  Spuren  Kalirs,  benutzt 
auch  die  jüngeren  Paitaniin,  aber  er  verfügt  niclit  über  die  Kraft  ihrer 
DarsteUung,  vor  allem  nicht  id)er  die  Fähigkeit,  sieh  so  kurz  zu  fassen, 
wie  sie  es  getan  haben.  Das  äußere  Beiwerk  seiner  Dichtungen  ist 
dasselbe  wie  bei  den  anderen  Paitaniin,  Ali)hal)ete,  Naniensakrosticlia, 
bisweilen  sogar  ungewidmlich  lange  Reime  uiul  Refrains.  Mit  den 
letzteren  hat  er  nicht  immer  (llück  gehabt,  sie  wurden  vielfach  im 
Laufe  der  Zeit  gestrichen.  Überhaupt  hat  der  Wunsch  nach  Kürzung 
gerade  seine  Poesien  schwer  getroffen,  von  dem  "i^b^  ib^a  anfangenden 
Rahit  z.  B.  ist  eine  ganze  Hälfte  weggefallen.  urs])rünglicli  war  jeder 
Vers  mit  "JT^br  Y''^  von  einem  anderen  mit  ""ins  Y-^  begleitet,  der  All- 
nuicht  des  himmlischen  war  die  Schwäche  und  Nichtigkeit  des  mensch- 
lichen Königtums  gegenübergestellt.  Simon  war,  wie  es  scheint,  der 
erste  Paitan  in  Deutschland,  der  poetische  Introduktionen 
verfaßt  hat,  durch  ihn  ist  diese  Gattung  von  Poesien  eingeführt  worden, 
spätere  haben  sie  dann  häufig  nachgeahmt  und  sogar  nicht  verschmäht, 
zu  den  Kompositionen  anderer  poetische  Einleitungen  zu  verfassen. 
Vieles  in  den  Festgebeten  wurde  Simon  ohne  Grund  zugeschrieben, 
so  z.B.  die  Asharot  rbn:n  nrx  in  Germ.,  die  schon  von  älteren  Autoren 
zitiert  werden,  die  obendrein  im  Gegensatz  zu  allen  anderen  Arbeiten 
Simons  des  Reimes  entbehren.  Wahrscheinlich  hat  er  niemals  Asharot 
gearbeitet,  da  Germ,  bereits  damit  versehen  war;  ausgeschlossen  wäre 
es  jedoch  nicht,  daß  eine  derartige  Komposition  von  ihm  verloren 
gegangen  ist.  Auch  für  die  Sabbate  hat  er  sehr  viele  Piutim  ver- 
faßt, damals  begann  man  die  Zahl  der  mit  poetischen  Kompositionen 
auszustattenden  Sabbate  bedeutend  zu  erweitern,  Simon  ist  auch 
hierin  für  viele  Nachfolger  Vorbild  geworden.  Endlich  ist  seine  Be- 
tätigung auf  dem  Gebiete  der  S  e  1  i  c  h  a  zu  erwähnen.  Auch  hierfür 
ist  das  zehnte  und  elfte  Jahrhundert  entscheidend  gewesen,  die  poe- 
tischen Selichas  bürgerten  sich  immer  mehr  ein  und  verdrängten  die 
alten,  reimlosen,  schlichten  Kompositionen,  die  häufig  an  Poesie  und 
vor  allem  an  Tiefe  des  Empfindens  alle  künstlichen  Produkte  der 
späteren  Zeit  übertroffen  haben.  Von  Simon  besitzen  wir  eine  große 
Anzahl  von  Selichas,  Techinnas  und  Introduktionen  zu  den  Selichot 
für  den  Versöhnungstag  und  die  Bußwochen.  Der  Dichter  tritt  als 
Vorbeter  der  Gemeinde  auf  und  ergreift  in  ihrem  Namen  das  Wort. 
Neben  dem  Bewußtsein  der  Sündhaftigkeit,  das  überall  durchklingt, 


330  Geschichte  des  Gottesdienstes 

bringt  er  die  Klagen  über  die  Not  der  Zeit  zum  Ausdruck;  grausame 
Verfolgungen  haben  soeben  stattgefunden,  bei  denen  das  Bekenntnis 
zur  jüdischen  Religion  verboten  war,  viele  zwangsweise  getauft  wurden, 
andere  es  vorzogen,  sich  selbst  den  Tod  zu  geben,  w^obei  besonders  die 
Frauen  mit  Opfermut  vorangingen  und  mit  Todesverachtung  sich  in 
die  Fluten  stürzten,  um  nicht  den  Verfolgern  in  die  Hände  zu  fallen. 
6.  Dieselbe  gedrückte  Stimmung  wie  in  Simons  Selichas  kehrt 
in  denen  seines  etwas  jüngeren  Zeitgenossen  R.  G  e  r  s  c  h  o  m  b. 
J  e  h  u  d  a  ,  der  ,, Leuchte  des  Exils",  wieder.  Gerschoms  geschicht- 
liche Bedeutung  liegt  nicht  auf  dem  Gebiete  des  Gottesdienstes,  aber 
auch  er  trat  als  Verfasser  von  Selichas  auf  und  beklagte  darin  eben- 
falls die  Verfolgungen,  unter  denen  er  gelitten  hatte,  bei  denen,  wie 
bekannt,  sein  eigener  Sohn  zwangsweise  zur  Taufe  geschleppt  worden 
war.  Von  Gerschoms  Poesien  ist  eine  besonders  bekannt  geworden, 
der  Pismon  'ilTEnn  nnrj  f  ^i^r  mSi«  mit  der  Introduktion  ri^n  "ZT 
aniliJ,  die  den  Gebeten  am  Rüsttage  zum  Neujahrsfeste  den 
Xamen  gegeben  hat.  Das  hohe  Ansehen  des  Verfassers  und  die  Be- 
liebtheit der  Poesie  haben  nicht  verhindern  können,  daß  sie  selir  stark 
gekürzt  wurden,  ein  Schicksal,  das  auch  anderen  Kompositionen 
desselben  Meisters  zuteil  geworden  ist.  Fast  ausschließlich  als  Ver- 
fasser von  Selichas  ist  Benjamin  b.  S  e  r  a  c  h  bekannt.  Man  gab 
ihm  den  Beinamen  der  Große,  man  nannte  ihn  bisweilen  auch  den 
Mann  des  Gottesnamens,  St'"  bm,  nicht  etwa,  weil  er  als  Wunder- 
täter aufgetreten  wäre,  sondern  weil  eine  seiner  Selichas,  bs?"  '"  s:5? 
bl15in,  nach  den  Anfängen  des  Gottesnamens  von  42  Buchstaben  auf- 
gebaut ist,  und  weil  er  auch  in  seinen  Ofan-Dichtungen  vielfach  mit 
dem  Gottesnamen  arbeitet.  Als  seine  Lebenszeit  gibt  er  selbst  990  Jahre 
nach  der  Zerstörung  des  Tempels,  d.  h.  etwa  1060  an,  seine  Heimat 
ist  wahrscheinlich  in  den  Balkanländern  zu  suchen.  Er  hat  eine  große 
Anzahl  von  Selichas  verfaßt,  von  denen  einige  auch  im  Germ, 
aufgenommen  und  mit  großer  Feierlichkeit  vorgetragen  wurden, 
wie  die  Akedas  a'^r^ri^'a  -^m  aT'ai?  und  nry  ranx.  Sie  sind  meist 
in  einfachem  Stile  verfaßt,  durchdrungen  von  tiefen  und  echten  Emp- 
findungen, der  Inhalt  ist  hauptsächlich  der  Klage  gewidmet,  wahr- 
scheinlich hat  der  Verfasser  in  seiner  Heimat  ebenfalls  schwere  Zeiten 
erlebt.  Xeben  Selichas  hat  er  auch  für  J  o  z  e  r  gearbeitet,  in  Germ, 
sind  seine  Dichtungen  für  den  Sabbat  vor  dem  Pesachfeste  "iüba  TS 
rCD  erhalten,    sein  Ofan  ist  dramatisch  belebt,   je  eine  Strophe  ist 


Diclilcr  um    lÜöO  331 

iiiinicr  der  lluldimnii,'  der  Kngel  gewidmet,  die  zweite  der  ent- 
spreelieiideu  Kiwiilening  Israels. 

Aus  derselben  Zeit  seien  hier  noch  zwei  Dichter  erwähnt,  die 
besonders  durch  die  außerordentlich  kunstvolle  Form  Aufsehen  errej,4 
haben,  die  sie  in  ihren  Arbeiten  anwenden.  Zuerst  J  o  s  e  p  h  b. 
S  a  1  0  m  0  aus  Careassonne,  d(>r  vor  Kasclii  <,M'schriel)en  haben  niuL). 
Seinen  Jozer  zum  Sabl)at  in  dei'  Chanukkawoche  verwenden  (Jerm. 
und  Jt.,  ''2  rtm  T  TTiS  besteht  aus  StrojjJien  mit  n  e  u  n  f  a  c  h  c  m 
Alphabet,  eine  lläut'uni,^  die  sieh  bei  den  älteren  Diehlern  nur  ganz 
selten  und  auch  nur  in  der  Aboda  findet;  naturgemäß  wurde  die 
Sprache  der  Dichtung  ungewöhnlich  schwierig,  sie  mußte  daher  sclion 
sehr  früh  mit  Kommentaren  versehen  werden.  Noch  origineller  ver- 
fuhr sein  Zeitgenosse  Z  a  h  1  a  1  b.  N  e  t  a  n  e  1 ,  der  als  Verfasser 
einer  einzigen  Poesie  bekannt  geworden  ist,  die  durch  ihren  Hau 
Aufsehen  erregte.  Sein  Hymnus  ^p""'  •^':::  besteht  aus  248  Zeilen  mit 
dem  durchgehenden  Reime  2"^i,  worauf  der  Verfasser  sich  sehr  viel 
zugute  tat.  Der  Inhalt  des  Stückes  ist  darum  bemerkenswert,  weil 
er  eine  Schilderung  von  Gottes  Einheit  und  seinem  Schöpfungswerke 
gibt,  die  zum  erstenmal  sich  durchwegs  an  das  Buch  Jezira  anschließt; 
entsprechend  der  Auffassung  jener  alten  Schrift  wird  die  gesamte 
SchöjDfung,  auch  der  Mensch,  aus  der  Kombination  der  Buchstaben 
des  Ali)habets  hergeleitet.  Am  Schluß  geht  der  Verfasser  zu  einer 
Schilderung  der  Güte  Gottes  und  seiner  Wohltaten  gegen  Israel  über; 
da  er  besonders  auf  die  Siege  der  Hasmonäer  hinweist,  dürfte  er  eben- 
falls für  das  Chanukkafest  gedichtet  haben.  Zahlals  Heimat  ist  in 
Frankreich  oder  auf  dem  Balkan  zu  suchen.  Seine  Poesie  zeigt  uns, 
zu  welchen  Seltsamkeiten  die  Entwicklung  des  Piut  führte;  trotzdem 
sie  fast  nur  aus  Künstelei  und  Gelehrsamkeit  bestand,  vom  Inhalt 
und  Ton  eines  Gebetes  sehr  weit  entfernt  war,  erfreute  sie  sich  im 
Mittelalter  hohen  Ansehens. 

7.  Um  1050  beginnt  insofern  eine  neue  Epoche  in  der  Geschichte 
des  Piut,  als  für  einfache  Kompositionen  kaum  mehr  Kaum  war  und 
die  Dichter  sich  daher  darauf  verlegten,  innerhalb  des  vorgezeichneten 
Rahmens  die  Poesie  immer  mehr  auszuarbeiten,  indem  sie  auch  mehr 
als  früher  das  Gebiet  der  poetischen  Selicha  pflegten.  In  der  Sprache 
ist  um  jene  Zeit  ein  gewisser  Fortschritt  zu  verzeichnen,  die  Sprach- 
studien verbreiten  sich  alhnählich,  es  wird  daher  auf  Korrektheit  des 
Stils  mehr  geachtet,  es  tritt  eine  gewisse  Befreiung  vom  Schema  der 


332  Geschichte   des    Gottesdienstes 

alten  Paitanim  ein,  die  Dichter  knüpfen  nicht  mehr  so  eng  wie  früher 
an  den  Midrasch  an,  sie  bevorzugen  die  Bibel,  geben  allerdings  ihren 
Inhalt  sehr  gern  in  der  Redeweise  des  Talmuds  oder  JMidrasch  wieder. 
Eine  Beeinflussung  durch  die  gleichzeitig  erblühende  Dichtkunst 
in  Spanien  ist  nicht  zu  bezweifeln;  wie  weit  sie  im  einzelnen  geht, 
ist  nicht  leicht  zu  erweisen.  An  der  Spitze  der  neuen  Epoche  stehen 
zwei  Dichter  aus  dem  nördlichen  Frankreich,  die  beide  als  Talmud- 
lehrer großes  Ansehen  genossen;  sie  sind  die  letzten  Autoritäten,  die 
ernstlich  über  die  Zulässigkeit  des  Piut  innerhalb  der  Gebete  sich  zu 
äußern  hatten,  es  war  selbstverständlich,  daß  beide  ihre  Zustimmung 
gaben.  Der  erste  ist  Elia  b.  Menachem  der  Alte  aus  Le  Maus.  Er  ist 
Verfasser  von  größeren  Kompositionen,  zunächst  von  "^Dn  n:^"i  r^s, 
Asharot  in  gereimten  vierzeiligen  Strophen  mit  Alphabet  und  dem 
Aki-ostichon  seines  Xaniens.  Sie  sind  sehr  geschickt  gearbeitet,  geben 
der  Reihe  nach  die  biblischen  Gebote  und  die  späteren  Verordnungen, 
bei  den  Verboten  zunächst  diejenigen,  auf  die  schwere  Strafen  gelegt 
sind,  dann  erst  die  einfachen  Verbote.  Die  Asharot  Elias  genossen 
sehr  hohes  Ansehen,  sie  wurden  als  zuverlässige  Auslegungen  der 
biblischen  und  talmudischen  Gesetze  häufig  herangezogen  und  in  den 
gelehrten  Diskussionen  eifrig  besprochen.  Eine  zweite  größere  Kom- 
position von  ihm  führt  den  Titel  "ilD  oder  ausfülirlicher  ronr'^n  iic ; 
sie  gibt  eine  Zusammenstellung  der  täglich  am  Morgen  zu  betenden 
Bibelstellen  und  enthält  zwei  längere  Gebete,  "s?"  nrnr  "rs  und  "ri5 
nb  m"aY:::7r  T^lia,  die  unter  die  Gebete  des  Versöhnungstages  auf- 
genommen wurden,  das  Ganze  enthält  It.  in  seinen  älteren  Ausgaben. 
Auch  als  Verfasser  von  Selichas  war  Elia  bekannt,  die  meisten  gingen 
jedoch  mit  dem  altfranzösischen  Ritus,  der  sie  enthielt,  unter.  Sein 
Zeitgenosse  war  Joseph  b.  Samuel  Bonfils  (mi:  biiTöTl'  '2  rc"!"" 
D>y),  der  aus  IN'arbonne,  dem  Sitze  alter  jüdischer  Tradition,  stammte 
und  in  Limoges  lehrte.  Er  war  als  Sammler  und  Verbreiter  halachischer 
Literatur  außerordentlich  geachtet,  er  hatte  auch  als  liturgischer 
Dichter  eine  hervorragende  Stellung,  seine  Arbeiten  zeugen  von 
kühnem  Schwung  der  Gedanken  und  enthalten  schöne  Bilder.  Ge- 
bräuchlich geworden  ist  nicht  viel  davon,  obwohl  er  fast  sämtliche 
Feiertage  durchgehend  bearbeitet  hat.  Die  meisten  seiner  Poesien  sind 
mit  dem  altfranzösischen  Ritus  zusammen  untergegangen,  einige 
davon  haben  sich  jedoch  auch  in  anderen  Gebetbüchern  erhalten. 
Dazu  gehören  die  M  a  a  r  i  b  -  Kompositionen  zum  ersten  Abend  des 


Elia  b.   Scliemaja  333 

Wofhonfoslos  apr*^  "^■'SS  "r^-'i  und  dos  llüttoiifostcs  nra-'S  ST^n  -^Tn-s« 
Z'^:"'^,  die  alle  mit  seinem  Namen  gezciclmet  sind.  Ferner  besitzen 
wir  vdii  ihm  .1  o  z  e  r  und  Keroba  für  den  Großen  Sabbat  vor 
dem  Pcsach,  im  ganzen  11  Stücke,  darunter  die  umfangreidie  lia- 
lacliische  Abhandlung  nn^^n  in:s«  bs',  deren  Sdduß  nzt  "^iic  :cn 
"iribnD  in  die  Pesaehhagada  übergegangen  ist.  Diese  Abliandlung 
Tobelems  fand  ebenfalls  sehr  viel  Beachtung  und  wurde  mehrfach  mit 
Kommentaren  versehen.  Auch  die  Sabbate  nach  dem  Pcsachfeste  hat 
er  nnt  mehreren  Jozerstücken  ausgestattet,  vielleicht  ist  er  der  erste 
gewesen,  der  für  diese  Sabbate  gedichtet  hat.  Neben  dem  altfranzö- 
sischen und  deutschen  hat  auch  der  griechische  Ritus  eine  Anzahl 
Stücke  von  ihm  angenommen. 

8.  Unter  ihren  Zeitgenossen  gebührt  die  Palme  dem  Dichter 
p]  1  i  a  b.  Sehe  m  a  j  a.  Seine  Heimat  war,  nach  einer  Überlieferung 
unbekannten  Ursprungs,  Bari  in  Unteritalicn,  wo  damals  eine  sehr 
berühmte  jüdische  Gelehrtenschule  bestand,  von  der  man  sprich- 
wörtlich bis  in  Frankreich  und  Deutschland  erzählte;  sonst  wissen 
wir  von  Elias  Lebensverhältnissen  nichts.  Er  ist  einer  der  besten 
S  e  1  i  c  h  a  d  i  c  h  t  e  r  ,  der  oft  sogar  die  allgemein  übliche  Kunst- 
form vernachlässigt,  um  dem  Inhalt  und  der  Sprache  seiner  Kom- 
positionen mehr  Aufmerksamkeit  schenken  zu  können.  Der  Aufbau 
der  Selicha  nach  ihren  drei  Teilen  Klage,  Bitte  und  Hoffnung  ist  bei 
ilim  stets  sehr  sorgfältig  durchgeführt,  seine  Gedanken  sind  nicht  selir 
zahlreich,  er  bewegt  sich  immer  in  demselben  Kreise,  aber  man  merkt 
jeder  seiner  Dichtungen  an,  daß  die  Worte  aus  dem  Herzen  eines  tief 
empfindenden  Menschen  kommen.  Der  Inhalt  ist  meistens  elegisch, 
der  Dichter  ringt  nach  "Worten,  um  seinem  Kummer  über  das  Leid  der 
Gemeinde  Ausdruck  zu  geben,  alles  Leid  führt  er  auf  die  Sündhaftig- 
keit des  Geschlechtes  zurück,  aber  er  unterliegt  nicht  dem  Druck  der 
Sünde,  sondern  er  versteht  es  immer,  sich  durchzuringen  zu  der  Zuver- 
sicht, daß  Gott  die  Sünde  tilgt  und  mit  ihr  auch  die  Dränger  vernichtet. 
Für  die  Nichtigkeit  und  Ohnmacht  des  Menschen  gegenüber  der 
Größe  und  Allmacht  Gottes  hat  kaum  ein  Selichadichter  wieder  so 
innigen,  aus  dem  Herzen  kommenden  und  ki-aft vollen  Ausdruck  ge- 
funden. Die  Zahl  von  Elias  Selichas  belief  sich  auf  mehr  als  30,  einige 
der  schönsten  und  besten  in  Germ,  gehen  auf  ihn  zurück  (dazu  gehören 

*'2nr  n^si  ■'prn  nrs?,  -^.myns  ^n  p^rnn:  Trcn  sips  ,^ni72i). 


334  Geschichte  des  Gottesdienstes 

9.  Sehr  berühmt  war  in  Deutschland  das  ganze  Mittelalter  hin- 
durch M  e  i  r  b.  I  s  a  a  k  ,  der  zur  Zeit,  als  Easchi  sich  dort  aufhielt, 
als  Vorbeter  in  Worms  wirkte  imd  auch  meist  ,,der  Vorbeter"  ("^"'S^  'i 
-nn"^  n^rffi  pn'^i  ^.2)  genannt  \wd.  Er  war  als  einer  der  besten  Kenner 
der  Gebetordnung  und  der  gottesdienstlichen  Bräuche  geschätzt, 
seine  Art,  Gebete  zusammenzustellen  und  vorzutragen,  galt  allgemein 
als  maßgebend,  er  war  eine  xVutorität  in  bezug  auf  Gebet-  und  Piut- 
text,  gestattete  sich  auch  manche  Neuerungen,  die  dann  auf  Grund 
seines  Beispiels  angenommen  wurden.  Als  liturgischer  Dichter  war 
er  sehr  populär,  man  rühmte,  daß  keiner  gleich  ihm  nach  Hagada, 
Halacha  und  Vorscliriften  Sühngebete  zu  machen  verstanden  hätte, 
Gemeinden  erwähnten  seiner  fernhin  im  Seelengedächtnis  und  be- 
gründeten das  damit.  ,,daß  er  die  Augen  Israels  durch  seine  Piutim 
erleuchtet  hatte".  Er  hat  sehr  viel  zur  Ausgestaltung  des  Gottesdienstes 
beigetragen,  aber  nur  weniges  hat  die  Zeiten  überdauert,  seine  Kom- 
positionen wurden  hauptsächlich  in  seiner  Heimat,  in  Worms,  benutzt, 
wo  manches  allerdings  bis  zum  heutigen  Tage  im  Gebrauch  ist;  andere 
Dichtungen  waren  in  Mitteldeutschland  üblich,  sind  aber  später  bei 
der  Vereinheitlichung  des  Ritus  verschwunden,  die  allerwenigsten 
haben  weitere  Verbreitung  gefunden.  Der  Stil  Meirs  ist  nicht  immer 
gleichmäßig,  er  ist  in  Hochzeitsliedern,  von  denen  er  mehrere  verfaßt 
hat,  sehr  einfach,  im  Jozer,  wovon  außerhalb  Worms  heute  nur  ein 
einziger  noch  im  Gebrauch  ist.  dunkel,  in  den  Selichas  gewandt  und  er- 
greifend. Einige  Dichtungsarten  sind  ihm  eigentümlich  und  zu  seiner 
Zeit  zuerst  in  die  Kompositionen  eingeführt  worden.  So  die  längeren 
halachischen  Exkurse  ("tTSi)  in  den  M  a  a  r  i  b-D  i  c  h  t  u  n  g  e  n. 
von  denen  einer  r:n  311  ^,ii5  zum  zweiten  Pesachabend,  überall  in 
Germ.,  der  andere  zum  ersten  2b""  n:f  rPDTi?  nur  in  Westdeutsch- 
land erhalten  geblieben  ist.  Eine  andere  Art  von  ihm  eingeführter 
Poesien  sind  die  aramäischen  I  n  d  r  0  d  u  k  t  i  0  n  e  n  zum 
T  a  r  g  u  m  von  S  i  d  r  a  und  H  a  f  t  a  r  a  an  solchen  Feiertagen,  an 
denen  in  Deutschland  die  aramäische  Übersetzung  vorgetragen  wurde 
(oben  S.  191,  193).  Davon  hat  sich  eine  erhalten,  "J'^bü  TTCipi«  für 
den  ersten  Tag  des  Wochenfestes.  Das  Stück  preist  den  Schöpfer 
und  Gesetzgeber  als  Freund  Israels,  welchem  für  die  Erlösungszeit 
irdische  und  himmlische  Freuden  verheißen  sind.  Glühende,  farben- 
reiche Schilderung  des  Heiles,  das  den  Frommen  im  messianischen 
Zeitalter  bereitet  wird,  hat  der  Poesie  eine  außerordentliche  Beliebt- 


Zur    Zeit   der    Kreuz/.iigo  335 

holt  oingetraiTon,  so  daß  sie  allein  unlor  allen  älmliclicn  Arhciton  die 
Zeiten  überdauert  hat.  Tiiter  den  Scliehas  Mcirs  hcliandeln  die  meisten 
das  Thema  der  Akeda  (idcr.  was  inhaltlich  auf  dasselbe  liinauskommt, 
das  der  Techinna.  Vielleicht  hängt  diese  Eigentümlichkeit  bereits 
mit  der  düsteren  Sliinmung  zusammen,  in  welche  die  deutsche  Jnden- 
heit  am  linde  von  Meirs  Lebenszeit  d\irch  die  blutigen  Verfolgungen 
des  Jahres  109G  versetzt  wurde.  Unter  den  jüngeren  Zeitgenossen 
Meirs  sei  hier  kurz  auch  K  a  s  c  h  i  (1040—1  lOö)  genannt.  Sein  Ruhm 
ist  vor  allem  durch  seine  unerreichten  Kommentare  begründet  worden, 
aber  es  war  selbstverständlich,  daß  von  einem  Manne  mit  derart  ge- 
feiertem Namen  jede  Leistung  volle  Beachtung  fand.  So  hat  Raschi  als 
Bearbeiter  eines  Siddurs,  als  die  im  Machsor  Vitry  hauptsächlich  maß- 
gebende Autorität,  als  Kommentator  des  Piut  großen  Einfluß  auf 
die  Ausgestaltung  des  Gottesdienstes  geübt.  Er  hat  sich  auch  als 
Dichter  versucht,  hat  allerdings  nur  Selichas  verfaßt,  deren  Cirundzug 
tiefe  Wehmut  und  bittere  Klage  sind.  Zwei  Introduktionen  von  ihm 
s-^ribjn  sni:  ns^nsn  inrx  n  und  innc:  3ii:  ts«  sind  in  Germ,  all- 
gemein üblich,  eine  andere  T'Q'ipb  r^^Lr.  findet  nur  in  der  „Altneuschur' 
in  Prag  Verwendung.  Der  Inhalt  der  Selichas  ist  aus  Targum  und 
Midrasch  entlehnt,  der  Stil  ist  einfach  und  klar;  ein  Dichter  von  be- 
sonderer Kraft  ist  Raschi  nicht  gewesen,  aber  sein  gesunder  Instinkt 
hielt  ihn  von  Künsteleien  und  Geschmacklosigkeiten  zurück.  In  seinem 
ganzen  Kreise,  in  der  durch  ihn  begründeten  Schule  war  es  allgemein  üb- 
lich, daß  die  berühmten  Lehrer  des  Talmuds  auch  die  synagogale 
Poesie  zu  bereichern  versuchten,  fast  alle  Koryphäen  der  Tosafisten- 
schulen  sind  auch  als  Dichter  aufgetreten,  ohne  besonderen  Ruhm 
auf  diesem  Gebiete  zu  ernten.  Am  bekanntesten  noch  ist  Raschis 
Enkel,  Jakob  Tam,  geworden,  dessen  aramäische  Haftaraintroduktion 
sjrs  2"^::''  in  Germ,  bis  heute  vielfach  gebräuchlich  ist. 

10.  Eine  größere  Anzahl  von  Paitanim  wurde  in  Deutschland 
durch  die  Schrecken,  die  dem  ersten  Kreuzzuge  vorangingen,  zum 
Dichten  angeregt,  sie  geben  die  verzweifelte  Stimmung  wieder,  in 
die  die  Juden  am  Rhein  durch  den  plötzlichen,  unerwarteten  Aus- 
bruch der  Volksleidenschaft  gegen  sie  versetzt  wurden.  Der  älteste 
Verfasser  von  Elegien,  die  den  ersten  Kreuzzug  behandeln,  war  M  e  - 
n  a  c  h  e  m  b.  M  a  c  h  i  r  in  Regensburg,  ein  Freund  und  Korre- 
spondent Raschis.  Von  ihm  rührt  die  Kina  ^-"rs  bns  her,  die  in  Germ, 
am  9.  Ab  zum  Vortrag:  kommt  und    ffanz  alkemein  die  Leiden  des 


336  Geschichte    des    Gottesdienstes 

Jahres  1096  schildert.  Sie  ist  '^zr  ^2^2  2''---  2n:r  ^D:b5  gezeichnet, 
der  Verfasser  Avill  durch  das  Beiwort  seine  gedrückte  Stimmung  kenn-  i 
zeichnen.  Menachem  ist  ferner  Verfasser  von  Selichas  für  die  Fast- 
tage des  17.  Tanimus  und  13.  Adar.  Außerdem  hat  er  einzelne  Jozer- 
stücke  für  Sabbate  geschrieben,  zum  Teil  für  solche,  die  bis  dahin  noch 
gar  keine  poetischen  Kompositionen  hatten.  Er  ist  ferner  der  erste, 
der  in  Deutschland  ein  poetisches  r'QTr:  verfaßte,  worin  sich  vielleicht 
schon  ein  Einfluß  der  spanischen  Dichter  zu  erkennen  gibt.  Endlich 
ist  die  in  Germ,  am  Sabbat  gebräuchliche  Hoschana  ^"'^■'  S'ii«  rr"C"riD 
n:;iä">  T^SS  von  ihm.  —  Ein  zweiter  Dichter,  der  die  Leiden  von 
1096  schildert,  ist  David  b.  M  e  s  c  h  u  1 1  a  m;  er  gehörte  zu  den 
Abgesandten  der  Gemeinde  in  Speier,  die  im  Jalu-e  1090  von  Kaiser 
Heinrich  IV.  das  überaus  günstige  Privileg  heimljrachten.  Der  plötz- 
liche Umschwung  in  der  Lage  der  Gemeinde  klingt  durch  seine  Dich- 
tung durch.  Er  ist  Verfasser  der  Selicha  "''C'ib  "»r"  :s«  ai~":;i«,  die 
von  der  Grausamkeit  der  Kieuzfahrer  berichtet;  der  Text  ist  melu'- 
fach  verstümmelt  worden.  Dasselbe  Thema  behandelt  K  a  1  o  n  y  - 
m  US  b.  J  e  h  u  d  a  in  Mainz,  wie  es  scheint,  ein  Sohn  jenes  Jehuda 
b.  Kalonymus,  der  ebenfalls  an  der  Deputation  bei  Kaiser  Heinrich 
teilgenommen  hatte.  Er  verfaßte  zwei  Kinot  2"''C  "^rxi  iri  i'c  und 
^1^  ""TT  ■'-■"as  sowie  mehrere  Selichas,  u.  a.  zrr:  2'p"''  bip  blpn  rs 
und  ^^^pr2'c  i:iees?,  die  alle  der  Klage  über  den  Untergang  der  rühm-  ■ 
reichen  und  blühenden  Gemeinden  am  Ehein  gewidmet  sind.  Kalonymus 
ist  auch  sonst  als  synagogaler  Dichter  hervorgetreten,  er  dichtete 
zahlreiche  Jozer,  Ofan  und  Sulat  für  Sabbate,  besonders 
in  letzteren  hat  er  ebenfalls  die  Klage  über  die  tramigen  Erlebnisse 
seiner  Zeit  vorgebracht,  und  seitdem  sind  die  Sulat  sehr  häufig  dazu 
benutzt  worden,  um  das  Thema  der  Verfolgungen  zu  behandeln;  die 
Sabbate  zwischen  Pesach-  und  Wochenfest  sind  sämtlich  mit  solchen 
versehen.  Außerdem  hat  Kalonymus  Sabbatpoesien  für  besondere 
Gelegenheiten,  wie  Hochzeitswoche,  Beschneidung  usw.,  verfaßt.  — 
Endlich  ist  unter  den  Männern,  die  Elegien  über  das  Jahr  1096  ge- 
schrieben haben,  Elieserb.  Xathan  aus  Mainz  zu  nennen.  Von 
ihm  sind  die  beiden  Sulat  ^;rrc  ^!^:tsS  r^nbi«  und  ^-.nt"  :7  ^b  ^-S 
sowie  die  Selichas  "'Cp  "2^17  STibs«  und  "::s?-''i2r"'b  2TC  'TS,  in  denen  über 
den  Glaubenszwang  geklagt  und  die  Opferwühgkeit  der  Gemeinden  ge- 
rühmt wird.  Elieser,  der  ein  splten  hohes  Alter  erreicht  hat,  mußte 
am  Ende  seiner  Tage  auch  noch  die  Verhetzungen  mitansehen,   die 


Zur    Zeit   der   Kronz-zügc  337 

1147  dem  zweiten  Kreiizzii^^e  voraiiffiii^en;  er  hat  auch  ilineii  ein 
Klafjelied  «reweiht,  die  Selielia  """^rn  rs<"i  r-^nnr.  rs.  Auch  sonst  hat 
er  sich  um  die  synagogale  Poesie  viel  gekümmert.  Er  verfaßte  einzelne 
Jozer  für  den  Sabbat  der  IJußwoche  und  für  Familienfeste.  Wichtiger 
aber  war  es,  daß  er  die  alten  Piutini  studierte  und  grundgelehrte 
Kommentare  dazu  schrieb. 

11.  Die  traurigen  Ereignisse  des  Jahres  109(5  wiederholten  sich 
sehr  häufig,  wenn  auch  nicht  immer  in  so  erschreckendem  Umfange. 
In  jenen  religiös  erregten  Zeiten,  in  denen  das  Volk  daran  gewöhnt 
wurde,  in  den  Juden  die  Urheber  jeglichen  Unglücks  und  jeglicher 
Not  zu  sehen,  verging  selten  ein  Jahrzehnt,  in  dem  nicht  mehrere  Ge- 
meinden 0|)fer  der  Volkswut  oder  der  gewaltsam  entfesselten  Leiden- 
schaften wurden.  Der  Glaubenstreue,  der  Hingabe  von  Gut  und  Leben 
wurde  in  der  synagogalen  Dichtung  ein  Denkmal  gesetzt,  die  zahl- 
reichen Poesien,  die  zum  größten  Teil  nur  in  denjenigen  Gemeinden, 
deren  Schicksale  sie  betrafen,  zur  Verwendung  kamen  und  infolge- 
dessen bis  in  die  Neuzeit  meistens  nur  handschriftlich  erhalten  waren, 
blieben  häufig  die  einzigen  Zeugen  des  Heldenmutes,  den  die  jü- 
dischen Gemeinden  in  ihren  Leiden  bewiesen  haben.  Jene  Zeit  hat 
eine  große  Anzahl  von  Dichtern  geweckt,  die  für  die  Allgemeinheit 
und  die  Geschichte  wenig  Bedeutung  besitzen,  deren  Namen  vdr  daher 
hier  übergehen  dürfen;  ihr  Verdienst  besteht  nur  darin,  daß  sie  das 
Martyrium  ihrer  Gemeinden  verherrlicht  haben.  Nur  ganz  wenige, 
die  ein  allgemeineres  Interesse  beanspruchen  dürfen,  seien  genannt. 
Über  die  Ereignisse  des  zweiten  Kreuzzugs  berichteten  J  o  e  1  b. 
Isaak  ha  Levi  aus  Bonn  in  "'.r  iT^rai  sowie  sein  Landsmann 
Ephraim  b.  Jakob,  der  selbst  die  ganze  Schreckenszeit  mit- 
gemacht hat.  Seine  Dichtungen  fallen  dadurch  auf,  daß  sie  häufig 
der  Verfolgungen  und  der  Märtyrer  gedenken,  man  merkt  es  ihnen  an, 
daß  sie  in  einer  von  Blut  getränkten  Umgebung  entstanden.  Er  ist 
übrigens  der  letzte  Paitan  in  Deutscliland,  der  aramäische  Stücke 
verfaßt  hat.  Seine  wertvollste  Leistung  für  den  Gottesdienst  ist  sein 
umfangreicher  Kommentar  zum  Machsor,  nach  dem,  was  davon  ver- 
öffentlicht ist,  ein  sehr  wichtiges  Werk  mit  Quellenangaben  aus  der 
alten  Literatur.  Sein  Zeitgenosse,  der  häufig  mit  ihm  verwechselt 
wurde,  ist  Ephraim  b.  Isaak  aus  Regensburg,  bekannt  als 
halachischer  Schriftsteller.  Unter  den  Dichtern  in  Frankreich  und 
Deutscliland  hat  er  die  besten  Leistungen  aufzuweisen;  „kurz  und 


Elhogen,  Der  jüd.  Gottesdienst. 


22 


338  Geschichte  des  Gottesdienstes 

dennoch  klar,  anmutig,  wenngleich  scharf,  bedient  er  sich  reiner  und 
fließender  Ausdrücke,  deren  Schmuck  die  biblischen  und  talmudischen 
Anspielungen  ausmachen".  Von  seinen  Poesien  sind  nur  Selichas 
verbreitet  worden,  so  iniin  ^D  "irns?  für  den  Fasttag  des  10.  Tebet 
und  einige  ("ipH  ynn  DSsi  ai«  und  i:n:s«  a^ECr  25«)  für  den  Ver- 
söhnungstag und  die  Bußzeit.  Jünger  als  er  ist  M  e  n  a  c  h  e  m  b. 
Jakob,  der  1203  in  Worms  gestorben  ist,  er  dichtete  viele  Jozer, 
Klagelieder  und  Selichas,  alle  mit  dem  traurigen  Inhalt,  der  jener  Zeit 
eigentümlich  ist.  ]N^eben  Ephraim  ist  er  der  letzte,  der  über  das  Thema 
der  zehn  Märtyrer  Poesien  verfaßt  hat.  Endlich  sei  hier  aus  dem  Kreise 
der  Tosafisten  noch  M  e  i  r  b.  B  a  r  u  c  h  aus  Rothenburg  (gestorben 
1293)  genannt,  der  berühmteste  Rabbiner  in  Deutschland,  dessen 
Einrichtungen  und  Verhalten  für  die  Ausbildung  der  gottesdienst- 
lichen Bräuche  in  Deutschland  von  größtem  Einfluß  gewesen  sind. 
Als  liturgischer  Dichter  hat  er  eine  große  Anzahl  von  Poesien  verfaßt, 
meistens  für  ernste  Tage;  davon  sei  hier  nur  die  Kina  TTSn  "E'^r  "^rs^r 
genannt,  ein  Klagelied  über  die  öffentliche  Verbrennung  des  jüdischen 
Schrifttums  in  Paris  im  Jahre  1254,  die  in  Germ,  in  allen  Gebetbüchern, 
selbst  in  denen  der  reformierten  Gemeinden,  für  den  9.  Ab  Auf- 
nahme gefunden  hat. 

12.  Die  Zahl  der  Piutdichter  wird  im  Laufe  der  Zeit  geringer, 
auch  ihre  Kompositionen  werden  spärlicher;  der  Gottesdienst  war 
in  seinen  hauptsächlichsten  Verzweigungen  mit  Dichtungen  reichlich 
versehen,  die  Gemeinden  hatten  aus  dem  ihnen  vorliegenden  Material 
ihre  Piutim  bereits  ausgewählt  und  waren  nicht  mehr  geneigt,  zu 
wechseln,  die  alten  Lieder  gegen  neue  einzutauschen.  Völlig  versiegt 
ist  aber  der  Quell  der  synagogalen  Poesie  auch  dann  nicht,  vereinzelte 
Dichter  hat  es  in  allen  Jahrhunderten  gegeben  und  es  fand  sich  auch 
immer  eine  Gelegenheit  bald  ernster,  bald  freudiger  Art,  die  sie  zum 
Dichten  anregte.  Einen  großen  Aufschwung  hat  die  Synagogen- 
dichtung dann  in  einigen  Ländern  des  Orients  vom  sechzehnten  Jahr- 
hundert angenommen.  Der  sepharadische  Ritus,  der  ihnen  durch  die 
Flüchtlinge  aus  Spanien  und  Portugal  überliefert  wurde,  entbehrte  der 
Piutim  fast  vollständig;  so  sind  den  Juden  in  den  Balkanländern, 
in  Yemen  und  in  Persien  eine  Anzahl  Dichter  erstanden,  die  den 
Gottesdienst  mit  ihren  Werken  sehr  reich  ausschmückten,  die  sich 
dabei  auch  nicht  immer  an  das  Hebräische  hielten,  sondern  bisweilen 
auch  ilirer  Landessprache  sich  bedienten.    Dichter  von  besonderer 


I 


Spanier  33!» 

künstlerischer  Bedeutung  sind  darunter  kaum  vorhanden,  im  all- 
gemeinen schließen  sie  sich  an  die  Muster  der  älteren  religiösen  Dicli- 
tung  an,  ihre  Xachbildungen  sind  bisweilen  ganz  wertvoll. 

§  42.     Die  wichtigsten  Paitanim. 

III.  Spanier. 

Literatur:  Zuiiz,  das.;  Landsluith,  das.;  M.  Saciis,  Die  relij^iöse  Poesie 
der  Juden  in  Spanien;  G.  Karpeles,  Geschichte  der  jüdischen  Literatur, 
Bd.  I;  Brody  und  AU)recht,  das. 

L  In  Spanien  hat  sich  die  synagogale  Poesie  zur  höchsten  Blüte 
entfaltet,  sie  hat  dort  ihren  vollkommensten  Ausdruck  gefunden, 
niemals  wieder  hat  sie  eine  Stufe  erreicht,  in  der  eine  gleiche  Anzahl 
religiöser  Gesänge  von  solcher  Vollendung  in  Form  und  Inhalt  ent- 
standen wäre.  Die  Blütezeit  der  hebräischen  Dichtung  in  Spanien 
beginnt  nach  dem  Aufhören  der  großen  Meister  im  Orient,  sie  nimmt 
auf,  was  dort  begonnen  wurde,  ,,Als  Ostens  Söhne  keinen  Ton  mehr 
fanden.  Da  sind  des  Westens  Dichter  aufgestanden."  Die  Dichter, 
die  in  Spanien  zwischen  1000  und  1150  wirkten,  bezeichnen  den  Höhe- 
punkt der  hebräischen  Poesie  im  Mittelalter.  Auch  die  Spanier  gingen 
vom  altorientalischen  Piut  aus,  auch  sie  knüpften  an  das  Beispiel  an, 
das  ihnen  durch  Kalir  und  seine  ersten  Nachfolger  gegeben  war,  aber 
sie  sind  die  einzigen,  die  sich  vollständig  von  der  Art  ilirer  Vorbilder 
befreit  haben,  die  durchaus  eigene  Wege  gehen,  die  den  gesuchten 
gelehrten  Stil  des  Piut  durch  die  x\nmut  der  Poesie,  die  Weisheit  des 
Midrasch  durch  die  Eingebungen  ihrer  Phantasie  und  ihres  Gefühls- 
lebens ersetzen.  Die  Gebetbücher  der  Juden  in  Spanien  sind  die  ein- 
zigen, die  vom  alten  Piut  freigeblieben  sind  oder  ihn  durch  die  weit 
vollendeteren  Produktionen  der  Dichter  im  eigenen  Lande  verdrängt 
haben.  Es  ist  der  Einfluß  der  arabischen  Kultur,  dem  die  Blütezeit 
der  Wissenschaft  und  Dichtkunst  unter  den  Juden  verdankt  wird; 
der  Anregung,  die  ihnen  von  den  Arabern  kam,  entnahmen  sie  das 
Streben  nach  Bildung  und  Wissenschaft,  nach  Schönheit  und  Gleich- 
maß der  Formen.  Die  meisten  Dichter  waren  Männer  von  umfassender 
Gelehrsamkeit,  von  wissenschaftlicher  Schulung,  belesen  in  der  ge- 
samten damals  bekannten  Literatur,  vor  allem  vertraut  mit  den 
reichhaltigen  Werken  der  arabischen  Dichter.  Melir  als  alle  äußeren 
Bildungsmittel  brachte  ihre  eigene  Begabung  hinzu,  sie  waren  alle 

22* 


340  Geschichte   des  Gottesdienstes 

nicht  nur  religiöse,  sondern  auch  weltliche  Dichter,  die  religiöse  Poesie 
war  nur  eines  der  Stoffgebiete,  das  sie  behandelten,  nur  eine  Seite  der 
Kunst,  die  von  ihnen  geübt  wurde;  aber  gerade  das  ist  es,  was  sie  vor 
den  Paitanim  der  anderen  Länder  auszeichnet,  daß  sie  echte  Dichter, 
Künstler  von  wahrem  poetischem  Genie  gewesen  sind.  Den  synagogalen 
Dichtern  in  Spanien  ist  auch  das  geraeinsam,  daß  die  Zahl  ihrer  Dich- 
tungen eine  selir  große  ist,  jeder  einzelne  von  ihnen  hat  beinahe  ebenso- 
viele  Poesien  verfaßt  wie  der  in  anderen  Ländern  niemals  erreichte 
Kalir.  Ihren  Poesien  war  nicht  das  günstige  Geschick  beschieden^ 
das  sie  wegen  ihres  Wertes  verdienten,  die  große  Katastrophe,  welche 
über  die  Juden  Spaniens  hereinbrach,  hat  die  Gemeinden  und  mit 
ihnen  auch  ihre  Schätze  von  Poesie  vernichtet;  lange  Zeit  fanden  die 
Dichtungen  der  spanischen  Meister  wenig  Beachtung,  erst  die  Gegen- 
wart hat  von  neuem  die  Aufmerksamkeit  auf  sie  gelenkt  und  sie  zum 
Gegenstand  wissenschaftlicher  Forschung  gemacht.  Die  meisten 
mußten  aus  Handschriften  erst  wieder  entdeckt  werden,  andere  aus 
seltenen  Gebetbüchern,  die  in  einzelnen  Gemeinden  der  Provence, 
]^ordafrikas  und  der  Türkei  sich  erhalten  haben.  Unversehrt,  in 
der  Art,  vde  die  Dichter  sie  verfaßt  haben,  sind  die  Poesien  in  den 
seltensten  Fällen  überliefert,  es  ist  eine  Eigentümlichkeit  der  Spanier, 
daß  sie  nicht  einzelne,  zusammenhanglose  Stücke,  sondern  große 
Kompositionen  verfaßt  haben ;  den  Gemeinden  felüte  dafür  das  literar- 
historische Verständnis,  es  machte  ihnen  nichts  aus,  den  Zusammen- 
hang der  Stücke  zu  zerreißen,  nach  Belieben  Poesien  fortzulassen  oder 
auch  Dichtungen  anderer  Meister,  die  ihnen  aus  irgendeinem  Grunde 
geeignet  erschienen,  dazwischenzusetzen. 

Die  Poesie  fiel  auch  den  Spaniern  nicht  als  eine  reife  Frucht  in 
den  Schoß,  sie  haben  darum  gerungen,  an  ihrer  Vervollkommnung 
redlich  gearbeitet;  der  höchsten  Vollendung  ging  eine  Periode  des 
Süchens  und  Tastens,  des  Sturmes  und  Dranges  voran.  Auch  die  Spanier 
mußten  erst  lernen,  das  Gebiet  abzugrenzen,  die  Form  zu  finden, 
die  Sprache  zu  meistern.  Die  Fortschritte  der  Poesie  gehen  mit  denen 
der  wissenschaftlichen  Studien  Hand  in  Hand.  Die  Ergebnisse  der 
Bibelforschung,  die  Errungenschaften  der  Sprachwissenschaft,  die 
Läuterung  der  religions-phüosophischen  Anschauungen  haben  der  Poesie 
neue  Bahnen  erschlossen,  neue  Ausdrucksmittel  geschaffen.  Die  beiden 
großen  Mäzene  der  spanischen  Juden  bezeichnen  die  Marksteine  der 
Entwicklung  auch  in  der  religiösen  Poesie:  ,,In  den  Tagen  des  R. 


Joseph  ibii  Abitur  341 

Chisdai,  dos  r'ürsteii,  l)OG:ann(>n  die  Sänj^or  zu  zwitsclicrn,  in  den 
Tilgen  des  K.  Samuel  ha  Xagid  liel/xMi  sie  ilire  Stimme  erschallen." 
Die  spanischen  Dichter  lassen  sich  in  zwei  Gruppen  teilen;  Joseph  ibn 
Abitur  und  Isaak  ii)n  Oajjal  sind  die  bekanntesten  Vertreter  der  ersten 
Zeit,  welche  die  Vorstufe  bedeutet,  Salomo  ibn  Gabirol  bildet  den 
Übergang  zur  Zeit  der  Vollendung,  die  beiden  ibn  Esra  und  Jehuda 
ha  Levi  bezeichnen  die  Zeit  der  höchsten  Blüte. 

2.  Joseph  b.  Isaak  ibn  Abitur,  auch  ibn  Santas  oder 
Satanas  genannt,  aus  Merida  (^^-"'nis'  '2  T5«:"jr  p  pn^"  in  rc"'"' 
miisia),  um  970,  ist  der  erste  Vertreter  der  synagogalen  Poesie  in 
Spanien.  Er  war  ein  großer  Gelehrter  in  allen  Zweigen  der  rabbinischen 
Literatur,  beherrschte  auch  die  arabische  Sprache  und  Bildung  aus- 
gezeichnet. Als  synagogaler  Dichter  war  er  derjenige,  der  in  Spanien 
die  Formen  und  Gesetze  geschaffen  hat,  nach  denen  die  späteren  sich 
richteten.  Er  war  der  erste,  der  einen  M  a  a  m  a  d  für  den  Versöhnungs- 
tag gedichtet  hat,  d.  h.  jene  Verbindung  von  Piut  und  Selicha,  die  in 
den  spanischen  Gebetbüchern  für  alle  Zeiten  maßgebend  geblieben  ist. 
Es  ist  sehr  wahrscheinlich,  daß  er  den  Maamad  für  sämtliche 
Gebete  des  Versöhnungstages  bearbeitet  hat;  sicher  ist,  daß  ein 
solcher  für  das  Musafgebet  von  ihm  sehr  verbreitet  war.  Zu  ihm 
gehörte  die  Aboda  "ipn^i  IS  bs«  2"^~'::s,  von  der  nur  die  Introduktion 
^rbima  "iiiüia  nj^^ns  in  Seph.  erhalten  geblieben  ist.  Auch  zu  Mincha 
und  Neda  besitzen  wir  noch  Kerobas  von  ihm.  Berühmt  geworden 
ist  seine  K  e  d  u  s  c  h  a  ,  die  in  Anlehnung  an  die  Vorstellung  des 
Midrasch,  daß  zur  selben  Zeit  wie  im  Himmel  die  Keduscha  auf  Erden 
angestimmt  mrd,  den  Wechselgesang  zwischen  Israel  und  den  himm- 
lischen Scharen  poetisch  ausführt;  ,,in  ihrer  schlagenden,  sinnvollen 
Kürze  verrät  sie  ein  tiefes  Nationalgefühl,  ein  kräftiges,  klares,  ge- 
schichtliches Bewußtsein."  Abitur  war  ein  Dichter  von  großer  Pro- 
duktivität, mehr  als  100  Poesien  von  ihm  sind  heute  noch  bekannt. 
Sie  geben  Kerobas  für  alle  Feste,  enthalten  Jozer  für  viele  der  aus- 
gezeichneten Sabbate  oder  auch  für  festliche  Gelegenheiten,  wie  die 
Hochzeitswoche.  Bekannt  ist  sein  Hoschana-  Zyklus,  der  sein: 
reichhaltig  ist  und  für  die  gleichen  Gedanken  immer  neue  packende 
Wendungen  zu  finden  weiß;  der  größte  Teil  davon  ist  in  Seph.  noch 
heute  erhalten.  Die  Sprache  ibn  Abiturs  ist  keineswegs  vollendet, 
sie  ist  mitunter  noch  hart  und  schwerfällig,  sie  erinnert  an  die  alten 
Paitanim,  allem  man  fühlt  doch  überall  die  dichterische  Kraft,  und 


542  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Charisi  konnte  daher  mit  Recht  ihn  Abiturs  Poesien  als  anmutig  und 
wertvoll  bezeichnen.  Auch  darin  zeigt  er  noch  den  Einfluß  des  alten 
Piutstils,  daß  er  eine  Vorliebe  für  gelelirte  Auseinandersetzungen  hat, 
er  benutzt  vielfach  den  Midrasch,  aber  es  ist  doch  schon  bemerkbar, 
daß  er  darin  neue  Wege  besclireitet.  Seine  Aufmerksamkeit  wendet 
sich  vorzugsweise  naturwissenschaftlichen  Dingen  zu,  die  Welt  mit 
dem,  was  sie  füllt,  erregt  vorzugsweise  sein  Interesse,  und  was  der 
Midrasch  über  die  Naturerscheinungen  und  die  Menge  der  geschaffenen 
Dinge  zu  erzählen  weiß,  wird  von  ihm  mit  Vorliebe  dargestellt.  Sein 
Stil  ist  darum  plastischer,  seine  Schilderung  lebhafter  und  interessanter 
als  die  Kalirs. 

3.  Verwandt  mit  der  Art  ibn  Abiturs  ist  die  Dichtung  I  s  a  a  k  b. 
Jehuda  ibnGajjats,  der  1089  als  Rabbiner  der  berühmten 
Gemeinde  Lucena  gestorben  ist  ("""fTa  p  pn^""  ,ri"nrii  p  rs«'^:^  p'^^"')- 
Als  Rabbiner  und  Talmudgelelirter  genoß  er  ausgezeichnetes  Ansehen, 
die  Halachot  für  die  Festtage,  die  er  bearbeitet  hat,  sind  voll  von  wert- 
vollen Angaben  über  den  Gottesdienst,  sie  werden  auch  später  selir 
häufig  benutzt  und  bilden  eine  wichtige  Quelle  für  unsere  Kenntnis 
der  Gebete  und  der  Einrichtungen  jener  frühen  Zeit.  Isaak  b.  Jehuda 
stammte  aus  einer  Familie  mit  dichterischer  Begabung  und  hat  auf 
dem  Gebiete  der  synagogalen  Poesie  Hervorragendes  geleistet.  Mose 
ibn  Esra  rühmt  von  ilim,  daß  er  in  manchen  Gebieten  alle  seine  Vor- 
gänger übertroffen  hat.  Tatsächlich  ist  er  derjenige  unter  allen 
spanischen  Dichtern,  der  den  größten  Reichtum  an  Eigentümlich- 
keiten, an  Neuheit  der  Wendungen  aufweist.  Auch  bei  ihm  ist  das 
äußere  Gewand  noch  nicht  sein-  anziehend,  seine  Sprache  ist  ebenfalls 
noch  nicht  frei  von  Härten  und  Dunkelheiten,  die  Reime,  die  er  selir 
geschickt  zu  verschlingen  weiß,  zwingen  ihn  recht  oft  zur  Anwendung 
seltsamer  Formen ;  er  erinnert  darin  vielfach  an  Kalir,  aber  seine  ganze 
Art  bezeichnet  doch  in  der  Form,  namentlich  im  Wolillaute  der 
Verse,  einen  wesentlichen  Fortschritt  über  den  alten  Piutfürsten. 
Auch  darin  erinnert  er  häufig  an  Kalir,  daß  der  Inhalt  seiner  Poesien 
mit  seiner  gedrungenen  Gedankenfülle  rätseUiaft  bleibt;  aber  auch 
hier  erkennt  man  sofort  die  neue  Richtung,  an  die  Stelle  der  Hagada 
ist  die  Wissenschaft  getreten,  ilir  wird  nunmehr  ein  gut  Teil  des  Stoffes 
für  die  Poesien  entlehnt.  In  den  Dichtungen  ibn  Gajjats  finden  wir 
eine  Menge  von  Angaben  aus  den  Gebieten  der  Anatomie  und  Physio- 
logie, der  Psychologie  und  Astronomie,  die  Kosmogonie  des  Buches 


Ibn  Üajjat  34;j 

Jezira  und  die  Pliilosopliic  (Um-  (I riechen  -werden  von  ihm  zu  alphabe- 
tischen Hymnen  und  (leheteii  bearbeitet.  Wenn  er  z.  H.  eine  Aboda 
dichtet,  so  verweill  er  lange  und  gern  bei  den  Wundern  der  Schöpfung, 
die  ihm  Gelegenheit  bieten,  wissenschaftliche  Bemerkungen  und  An- 
gaben einzuflechten;  auch  die  Geschichte  der  ersten  ilenschheit  bis 
zum  Turmbau  zu  Babel  behandelt  er  recht  ausführlich,  weil  er  auch  da 
in  der  Lage  ist,  seine  Phantasie  und  seiiu»  (!elehrsand<eit  zu  betätigen. 
Hingegen  widmet  er  dem  Gegenstände  seiner  Darstellung,  wo  ihm 
der  Stoff  und  die  Disposition  vorgeschrieben  sind  und  er  Eigenes  nicht 
hinzuzufügen  vermag,  nur  das  letzte  Drittel  der  Poesie.  Seine  poe- 
tischen Leistungen,  von  denen  ebenfalls  mehr  als  120  noch  lieute  be- 
kannt sind,  lassen  sich  in  vier  Gruppen  teilen:  in  den  Maamad  des 
Sühnefestes,  zu  dem  die  erwähnte  Aboda  gehört,  die  Selicha  der  Buße- 
zeit, die  Piutim  für  Festtage,  Frühgebetpoesien.  Die  geschilderte 
Freude  am  ,, gelehrten  Wust"  finden  wir  nicht  in  allen  seinen  Poesien, 
hauptsächlich  ist  der  Maamad  davon  erfüllt,  aber  auch  der  schließt 
mit  einem  Gebet,  „dessen  sich  kein  alter  Prophet  hätte  zu  schämen 
brauchen,  weder  was  Stil  noch  was  Gedanken  betrifft".  Man  muß 
eben  den  Dichter  Gajjat,  der  seine  Schwächen  hat,  von  dem  Beter 
unterscheiden,  der  unübertrefflich  ist.  Eine  einzigartige  Schöpfung, 
die  kein  anderer  wieder  aufzuweisen  hat,  sind  seine  Bußlieder  für  den 
ganzen  Monat  Elul;  nicht  weniger  als  zwanzigmal  hat  er  das  Them^ 
für  die  Frühandachten  seiner  Gemeinde  behandelt  und  dennoch  hat  er  es 
jedesmal  verstanden,  in  neuen  Wendungen  einen  tiefen  religiösen  Inhalt 
zum  Ausdruck  zu  bringen.  Gebete  um  Sündenvergebung,  Mahnungen 
zu  bußfertiger  Reue  und  Rückkelu-  zu  Gott,  Wünsche  für  die  Erhebung 
des  gebeugten  Volkes  und  seines  Heiligtumes  kelu-en  in  allen  wieder,  stets 
in  reiner  und  stimmungsvoller  Form.  Ibn  Gajjats  Poesien  sind 
hauptsächlich  in  den  Gemeinden  Xordafrikas  verbreitet,  besonders  in 
Tripolis  füllen  seine  Dichtungen  den  größten  Teil  des  Gebetbuches  aus. 
4.  Neben  der  ungeheuren  Fülle  der  poetischen  Werke  der  beiden 
eben  genannten  Dichter  verschwinden  die  Leistungen  ihrer  Zeit- 
genossen Bach  ja  ibnPakuda  aus  Saragossa  und  Isaak  ben 
R  e  u  b  e  n  aus  Barcelona;  sie  sollen  dennoch  hier  kurz  erwähnt  werden, 
jener  wegen  der  tiefen  und  echten  Frömmigkeit,  die  sich  in  seinen  beiden 
Gebeten,  der  ~t:'p2  und  nnsir  ausspricht,  dieser  wegen  der  Kunst 
in  der  Verwendung  biblischer  Strophenverse,  die  er  in  seinen  einst 
viel  genannten  Asharot  r.m  r'pr  r.T'^s«  zur  Anwendung  bringt. 


344  Geschichte    des    Gottesdienstes 

5.  Bedeutender  als  alle  bisher  genannten  Dichter  ist  S  a  1  o  m  o 
b.  JehudaibnGabirol  (bin^ns  ps  mi-^  ^n-is  n^abr)  aus  Cor- 
dova,  „ein  Dichter,  dessen  Dichtungen  gedankenvoll  geweiht  sind,  ein 
Denker,  dessen  Denken  dichterisch  verklärt  ist".  Er  war  von  Begeisterung 
für  die  hebräische  Sprache  erfüllt  und  hatte  sich  von  früher  Jugend  an 
das  Ziel  gesetzt,  ihr  die  alte  Anmut  und  Frische  wiederzugeben  und 
dahin  zu  arbeiten,  daß  das  Lied  der  frommen  Sänger  der  Vorzeit 
wieder  in  ihr  erschallen  könnte.  Er  ist  seinem  Vorsatze  treu  geblieben 
und  hat  durch  seine  Dichtungen  mehr  als  irgend  ein  anderer  für  die 
Verbreitung  hebräischer  Lieder  gewirkt.  Die  religiöse  Poesie  war  für 
den  schwer  geprüften,  vom  Schicksal  hart  verfolgten  und  darum  oft 
von  den  trübsten  Gedanken  erfüllten  Sänger  eine  Zufluchtsstätte, 
in  der  er  das  Gleichgewicht  seiner  Seele  wiederfand  und  sich  zur  reinen 
Harmonie  eines  gläubigen  Herzens  erhob.  Der  kühne  Zweifler,  der 
stolze  Denker  wird  zum  demütigen  Beter.  Gabirol  hat  das  ganze 
Gebiet  der  religiösen  Lyrik  angebaut.  Hymnen  und  Betrachtungen, 
Bußlieder  und  Gebete,  Klagegesänge  und  hoffnungsreiche,  sehnsuchts- 
volle Zukunftsbilder  liegen  von  ihm  in  den  vielfachsten  Wendungen 
und  Formen  vor.  ,,Der  in  ihnen  sich  fast  durchwegs  kundgebende 
Charakter  ist  der  eines  düsteren  Ernstes,  einer  strengen,  allen  Glanz 
und  allen  blendenden  Farbenschmuck  von  dem  Leben  schonungslos 
abstreifenden  Herbe,  sowie  einer  demutsvollen,  aus  dem  tiefsten 
Bewußtsein  der  menschlichen  Seele  hervorquellenden  Hingebung  an 
Gott.  Aber  so  hart  und  unerbittlich  Gabirol  die  Nichtigkeit  und 
Eitelkeit  alles  Weltwesens  richtet,  so  unermüdlich  er  in  der  Mahnung 
an  die  Ohnmacht  und  Hinfälligkeit  alles  L'dischen  erscheint,  das  Un- 
gewisse und  Wandelbare  der  Lebenslose  in  unerschöpflichem  Wechsel 
der  Bilder  zu  zeigen  sich  bemüht,  so  edel  und  wahrhaft  erhaben  ist 
die  ungetrübte,  lichte  Fassung  seiner  Seele,  wo  er  seinem,  von  der 
Größe  Gottes  und  seiner  Herrlichkeit,  von  der  Hoheit  und  Heiligkeit 
dieses  größten  Gegenstandes  menschlichen  Denkens  und  Ahnens 
tieferfüllten  Innern  das  Wort  leiht,  und  der  edlen  Dichtung  wunder- 
bare Gabe,  die  ihm  in  so  reichem  Maße  verliehen  worden,  wie  eine 
Opferspende  darbringt  und  das  Schönste  und  Herrlichste,  womit  sein 
Gott  ihn  gesegnet,  durch  die  Würde  dessen,  wozu  er  es  verwendet, 
adelt  und  erhöhet."  Gabirols  Dichtungen,  deren  Zahl  sich  auf  mehrere 
Hundert  beläuft,  umfassen  den  ganzen  Kreis  der  Gebete  im  gesamten 
Kalenderjahr.    Außer  dem  Maamad  des  Sühnfestes  und  damit  zusam- 


Salomo  ihn  (iabirol  345 

menliäiigoiuloii  iMiuahiuuiijcii  luul  HuügobottMi  bositzen  wir  von  ilmi 
Arbeiten  für  die  drei  Wallfahrtsfeste,  für  Purim,  (Jhanukka,  den 
9.  AI)  und  andere  l'^asttage;  er  bereicliertc  die  Gebete  durch  Einschal- 
tungen in  alle  Teile  dos  Jozer  uiul  dureli  licljliclie  kl(Mnere  Tlcdiclite, 
die  das  Morgengebet  eröffnen  und  selilicÜen.  Kein  hebräischer  Dichter 
hat  den  Ton  des  Gebets  wieder  so   zu  treffen  gewußt    wie  Gabirol. 

Das  wertvollste  Denkmal  seiner  Poesie,  in  dem  religiöse  nationale 
und  philosophische  Dichtung  zu  einem  harmonischen  Ganzen  vereinigt 
erscheinen,  ist  sein  großes  Lehrgediciit  nsb^a  "^ro,  die  Königskrone, 
in  dem  sich  die  Weltanschauung  seiner  Zeit  und  die  Grundgedanken 
des  Judentums  in  poetischer  Form  zusammenfinden.  Ein  frommer 
Aufblick  zu  Gott  leitet  das  AVerk  ein,  dessen  wundervolle  Offen- 
barungen im  Universum  nach  seinen  Sphären  sich  zeigt,  ,,wie  es  in 
seiner  Gliederung  aus  der  Allkraft  hervorgeht".  Von  diesem  Höhe- 
punkte steigt  dann  der  Dichter  zum  Menschen  hernieder,  dessen  Seele 
als  ein  Strahl  gepriesen  wird,  den  die  göttliche  Weisheit  entzündet. 
Wie  er  früher  alle  poetische  Kraft  aufwenden  wollte  zum  Lobe  und 
Preise  der  Allmacht,  so  kann  er  jetzt  der  niederbeugenden,  demü- 
tigenden Züge  nicht  genug  finden,  um  seinen  Mangel  der  höchsten 
Vollkommenheit  gegenüber  auszusprechen.  Mit  einem  13ußgebet  und 
Sündenbekenntnis  schließt  das  merkwürdige  Gedicht,  eines  der  selt- 
samsten Erzeugnisse  der  religiösen  Gedankendichtungen  in  der  Welt- 
literatur. 

Ob  die  Königskrone  ursprünglich  für  die  Synagoge  bestimmt  war, 
kann  man  mit  Recht  bezweifeln,  allein  ihr  tief  religiöser  Inhalt  hat  sie 
den  Gemeinden  als  so  wertvoll  erscheinen  lassen,  daß  sie  in  sämtliche 
Gebetbücher  aufgenommen  und  als  Anhang  zur  Liturgie  des  Ver- 
söhnungstages bestimmt  wurde.  Genau  so  ging  es  mit  vielen  kleineren 
Liedern  Gabirols,  sie  waren  vom  Verfasser  nicht  für  den  Gottesdienst 
gedichtet,  wurden  jedoch  als  der  höchste  Ausdruck  religiöser  Stimmung, 
vertrauensvollen  Aufblicks  zu  Gott  in  die  meisten  Gebetbücher  auf- 
genommen. Es  gibt  keinen  Ritus,  der  nicht  eine  große  Anzahl  Gebete 
und  Gesänge  von  Gabirol  enthielte;  seine  großen  Kompositionen  sind 
infolgedessen  häufig  zerstört  worden,  da  nur  einzelne  Partien  aus 
ihnen  von  den  Gemeinden  übernommen  wurden,  aber  dafür  wü'kt  in 
allen  Gemeinden  sein  Geist  fort,  übt  seine  Frömmigkeit  noch  heute 
weitgehendsten  Einfluß,  lebt  überall  die  Erinnerung  an 


346  Geschichte    des    Gottesdienstes 

Gabirol,  diesen  treuen, 
gottgeweihten  Minnesänger, 
diese  fromme  Nachtigall, 
deren  Rose  Gott  gewesen, 

dem  sie  ihre  Liebe  schluchzte, 
den  ihr  Lobgesang  verherrlicht. 

Die  geschichtliche  Bedeutung  Gabirols  beruht  darin,  daß  er  die  gottes- 
dienstliche Poesie  der  spanisch-arabischen  Juden  ihrer  Vollendung 
entgegengeführt  hat.  Der  Übergang  vom  Piut  zur  religiösen  Lyrik  ist 
bei  niemand  deutlicher  zu  erkennen  als  bei  Gabirol.  In  seiner 
Jugend  hat  auch  er  noch  nach  der  Weise  der  alten  Paitanim  gedichtet, 
es  fehlt  auch  in  seinen  Poesien  nicht  an  den  schweren  Wendungen,  an 
den  harten  uud  ungewöhnlichen  Sprachbildungen,  die  dem  alten  Piut 
eigentümlich  sind.  Im  Verlaufe  seiner  Entwicklung  hat  er  sich  immer 
mehr  zu  einem  klassischen  Stüe,  zu  einem  nahezu  vollendeten  Aus- 
druck durchgerungen,  sine  Lieder  erinnern  gar  häufig  an  die  Schönheit 
und  Anmut  der  biblischen  Gesänge.  Er  war  der  erste,  der  in  die 
religiöse  Poesie  das  Kunstmittel  der  arabischen  Dichtung,  das  Me- 
trum, eingeführt  hat ;  er  hat  es  nicht  durchweg  in  seinen  Dich- 
tungen angewendet,  hat  sich  niemals  durch  das  Versmaß  eine  Fessel 
auferlegen  lassen,  er  schaltete  vollständig  frei  damit  und  kehrte  lieber 
zur  alten  Form  des  einfachen  Rhythmus  ziu^ück,  als  daß  er  den  Inhalt 
oder  den  Ausdruck  seiner  Dichtungen  ungünstig  beeinflussen  ließ. 
Der  Eindruck  der  Poesie  Gabriols  war  schon  bei  den  Zeitgenossen  ein 
ungewöhnlich  großer.  Mose  ibn  Esra,  der  nur  eine  Generation  später 
gelebt  hat,  charakterisiert  seine  Dichtungen  wie  folgt:  .,Gabh-ol  war 
ein  vollendeter  Schriftsteller,  beredt,  in  der  Dichtkunst  das  höchste 
Ziel  erreichend.  Er  weiß  sich  der  feinsten  Wendungen  zu  bedienen  und 
ward  daher  allgemein  als  Meister  des  Wortes,  Künstler  im  Vers,  be- 
trachtet; sein  Stü  ist  geglättet,  seine  Ausdrücke  sind  fließend,  die  Be- 
handlung der  Stoffe  ist  anmutig.  Aller  Augen  richteten  sich  auf  ihn 
mit  Bewunderung,  alle  späteren  bedienten  sich  des  Gepräges,  welches 
er  der  Sprache  aufgedrückt  hatte."  Auch  Charisi,  der  ein  Jalu'hundert 
nach  Gabirol  geboren  und  schon  mit  den  Dichtungen  der  aus- 
gezeichnetsten spanischen  Sänger  vertraut  war,  ist  noch  immer  des 
Lobes  voll  über  die  unerreichte  Poesie  Gabh'ols.  „Er  hat  die  höchste 
Stufe  der  Dichtkunst  erstiegen.  —  Der  Vorgänger  Lied  war  gegen  das 
seine  nichtig,  kein  Xachfolger  gleich  ihm  tüchtig.  —  Seine  Schüler 


Mose   ibn   Esra  347 

waren  die  späteren  Sänger  —  seines  Dielitergeistes  Empfänger  — 
er  blieb  der  König,  erhaben,  groß  —  das  Holie  Lied  ist  Salomos." 
(3.  Ihre  höchste  Stufe  hat  die  Poesie  der  jüdischen  Sänger  Spaniens 
in  der  Generation  iiacli  Clabirul  erreicht,  (his  Dreigestirn  ^lose  und  Ab- 
raham ibn  Esra  und  Jehuda  ha  Eevi  sind  die  leuchtenden  Manien,  welche 
die  Vollendung  ankünden.  Die  Vorgänger  hatten  den  Boden  bereitet, 
sie  hatten  um  die  Form  und  die  Sprache  gerungen ,  insbesondere 
Gabirol  hatte  vorbildliche  Dichtungen  geschaffen.  Auf  dem  neu- 
gewonnenen Boden  konnte  jetzt  der  Bau  weitergeführt  und  vollendet 
werden.  Gewandtheit  des  Ausdrucks,  Anmut  der  Form,  Wohllaut  und 
Klang  zieren  von  nun  an  die  Poesie.  Die  Dichter  sind  zugleich  Ver- 
treter der  höchsten  Kultur  ihrer  Zeit,  sie  wurzeln  fest  in  der  Wissen- 
schaft, so  daß  die  talniudisclien  und  hagadischen  Elemente  bedeutend, 
wenn  auch  niemals  völlig,  zurücktreten.  Die  drei  schöpferischen 
Geister  haben  die  hebräische  Poesie  zum  ersten  Male  wieder  seit  der 
Zeit  der  Psalraisten  in  ihrer  natürlichen  Schönheit  und  erhabenen 
Anmut  vertreten.  Der  älteste  der  drei  war  Mose  ben  Jakob  ibn  Esra 
in  Granada,  der  noch  1138  am  Leben  war  (rr^rr  ps  npji  "^n-n  r,Z'Q 
■^""Jic:"!3).  Er  war  als  Dichter  in  allen  Zweigen  der  Poesie  hoch  geschätzt, 
Charisi  feiert  ihn  als  einen  der  glänzendsten  Meister.  Ganz  besonders 
war  er  als  religiöser  Dichter  von  einer  seltenen,  nur  von  wenigen  er- 
reichten Vielseitigkeit.  ,,Die  Reinheit  seiner  Sprache,  die  Gewandtheit, 
mit  der  er  den  so  vielfach  vor  ihm  und  von  ihm  selbst  behandelten 
Stoffen  immer  neue  Seiten  und  Wendungen  abzugewinnen  weiß,  die 
Eleganz  seiner  Form,  die  in  den  verschlungensten  Maßen,  in  der  kunst- 
vollsten rhythmischen  Anordnung  fast  immer  glücklich  und  über- 
raschend sich  gestaltet,  der  prächtige  Ton  und  Klang  seiner  Verse  ver- 
künden einen  reich  begabten  Geist,  der  mit  geübter  Meisterschaft 
die  Kunstmittel  handhabt  und  durch  den  Gebrauch  vervielfältigt''. 
Der  Einfluß  der  arabischen  Dichter  w^ird  bei  keinem  anderen  x\utor 
so  deutlich  wie  bei  Mose,  der  die  Kunstformen  der  hebräischen  Poesie 
in  der  reichsten  Mannigfaltigkeit  anwendet.  Darin  liegt  freilich  auch 
ein  gew^isser  Mangel  seiner  Dichtungen,  oft  gewinnt  es  den  Anschein, 
als  ob  die  äußere  Form  für  ihn  alles  bedeute,  die  Glätte  und  Zierlich- 
keit der  Diktion,  der  geistvolle,  fein  zugespitzte  Ausdruck,  die  ge- 
schickte Einstreuung  von  Bibelversen  scheinen  vielfach  Hauptziel 
und  Zweck  seiner  Dichtungen  zu  sein,  so  daß  die  Wahrheit  und  Tiefe 
der  Empfindungen  dadurch  beeinträchtigt  wird.    Mose  ibn  Esra  ist 


348  Geschichte    des    Gottesdienstes 

der  Dichter  der  höchsten  künstlerischen  Formvollendung,  er  hat  seine 
Gedanken  in  ganz  bestimmten  Wendungen  ausgedrückt,  bei  keinem 
anderen  Sänger  kehren  Bilder  und  Redensarten  so  häufig  wieder  wie 
bei  ihm.  Seine  höchste  Kunst  entfaltete  er  auf  dem  Gebiete  der  Buß- 
lieder, sie  scheinen  seinem  Seelenzustande  und  seiner  Stimmung  am 
meisten  entsprochen  zu  haben,  er  hat  eine  sehr  große  Zahl  Selichas 
verfaßt  und  führte  davon  den  Beinamen  ,,der  Selichadichter"  schlecht- 
hin. In  der  Mahnung  zu  Reue  und  Buße,  zur  Demut  und  Zerknirschung, 
in  der  Erinnerung  an  den  Tag  des  Herrn,  an  die  Vergänglichkeit  des 
Irdischen,  an  den  Tod  und  das  göttliche  Strafgericht  gipfeln  seine 
Bußlieder;  er  hat  sich  dabei  nicht  mit  allgemeinen  Betrachtungen  und 
Mahnungen  für  die  Gemeinde  genug  sein  lassen,  im  Mittelpunkte 
seiner  Lieder  steht  immer  seine  eigene  Person,  es  sind  die  Bekenntnisse 
seiner  Seele,  das  Bewußtsein  der  Nichtigkeit  und  Eitelkeit  des  Lebens, 
wie  es  ihm  selbst  erscheint,  die  Erhebung  zur  himmlischen  Allmacht, 
zu  der  er  sich  durchgerungen.  Ein  neues  Element  bilden  bei  Mose  ibn 
Esra  die  zahlreichen  Betrachtungen  der  Xatur,  die  nicht  mehr  wie 
bei  den  älteren  Dichtern  an  die  wenigen  Angaben  der  Hagada  gebunden 
sind,  sondern  tief  aus  dem  Herzen  des  Dichters  kommen  und  verraten, 
daß  eine  neue  Zeit  angebrochen  ist,  in  der  die  Dichtung  nicht  mehr 
Anlehnung  an  alte  Muster,  sondern  das  Bekenntnis  eines  dichterischen 
Genies  ist. 

Mose  ibn  Esras  Poesien,  von  denen  mehr  als  200  bekannt  sind, 
obwohl  sein  Diwan  noch  der  Veröffentlichung  harrt,  fanden  weithin 
Verbreitung,  fast  kein  Ritus  ist  ganz  frei  von  ihnen  geblieben,  wenn 
auch  die  meisten  nur  wenige  übernommen  haben.  Sehr  zahlreich  sind 
seine  Dichtungen  in  den  Gebetbüchern  der  Provence  und  im  Norden 
Afrikas  vertreten. 

7.  Alle  Vorzüge  der  Vorgänger  vereinigt  in  sich  der  berühmteste 
unter  den  spanischen  Dichtern  der  Blütezeit,  Jehuda  b.  Samuel  ha 
Levi,  der  Kastilier  (:i<"5cr  "'2  ■"7-  r-Ti^j,  1085 — 1145. 

Durch  Gedanken  glänzt  Gabirol 

und  gefällt  zumeist  dem  Denker, 

Ibn  Esra  glänzt  durch  Kunst 

und  behagt  weit  mehr   dem   Künstler, 

aber  beider  Eigenschaften 

hat  .Jehnda  ben  Hale\'y, 

und  er  ist  ein  großer  Dichter 

und  ein  Liebling  aller  Menschen. 


.Ii'liuda  ha  Levi  349 

Hinter  jedoin  seiner  T-ieder  stellt  nicht  nur  eine  f^roße  dieliteriselie 
Begabung,  Süiuleni  uiieii  die  lauterste  rersönliclikeit,  eine  selnvärnie- 
rische  Natur  voll  glühender  Begeisterung  und  edelster  Empfindung. 

Rein  umlSvalirliatt.  soikIit  MaUcl 
war  sein  Lied,    wie  seine'  Seele. 

Jehuda  ha  Levi  ist  ein  Mann,  den  man  nicht  anders  als  eine  Offen- 
barung des  religiösen  Genies  und  als  die  herrlichste  J^lüte  des  jüdischen 
Geistes  bezeichnen  kann.  Die  religiöse  Poesie  bildet  die  Krone  seiner 
Lyrik.  Die  ganze  Glaubensinnigkeit  des  jüdischen  Kultus,  seiner 
Propheten  und  Psalmisten  offenbart  sich  in  ihm,  er  singt  den  Gott, 
den  er  in  sich  fühlt,  dessen  Botschaft  er  in  seiner  Seele  trägt,  dessen 
Zeugnis  er  in  der  Geschichte  seines  Volkes  erblickt,  dessen  Walten  ihm 
die  Natur  verkündet.  Die  Nichtigkeit  des  Erdenlebens  wird  ihm  so 
deutlich  wie  irgendeinem,  er  ruft  zur  Demut  auf,  zur  Ergebung  in  den 
unerforsclilichen  Willen  des  Allmächtigen,  zur  Buße  und  Keue,  die  den 
Weg  anzeigen  zur  Gottesnähe,  dem  höchsten  Ziele  des  Menschen. 
Seine  frommen  Gebete  mögen  inniger,  ursprünglicher  empfunden  sein 
als  die  seiner  Vorgänger,  aber  sie  bilden  nicht  den  unterscheidenden 
Grundzug  der  Poesie  Jehuda  ha  Levis.  Worin  er  alle  jüdischen  Dichter 
überragt,  das  ist  die  unübertroffene  Hingebung  an  sein  Volk,  die  Liebe 
zu  seinen  Heiligtümern,  die  Versenkung  in  seine  geschichtliche  Größe. 
Für  ihn  ist  die  Vergangenheit  Israels  lebendig,  er  verkehrt  mit  den 
Männern  der  Vorzeit,  er  schaut  das  kräftig  pulsierende  Leben  seines 
Stammes,  er  fühlt  dessen  Kämpfe  mit,  er  leidet  dessen  Älartyrium, 
ist  selig  in  seinen  Hoffnungen ;  ihm  ,, öffnen  sich  die  Tore  der  verödeten 
Zionsstadt,  des  Tempels  goldene  Hallen  schließen  sich  vor  des  Dichters 
Auge  auf,  und  fromme  Priester,  andächtigen  Volkes  bunte  Scharen 
ziehen  ein,  Opferduft  und  Levitenlied  dringt  hernieder,  und  Jerusalem 
ist  des  Volkes  voll,  das  der  Herr  zurückgeführt  wie  Träumende  nach 
ihrem  Heimatlande".  Kein  Dichter  weiß  wie  Jehuda  ha  Levi  „die  Mo- 
mente der  wunderbaren  Vergangenheit  herauszufühlen  und  aus- 
zusprechen und  sie  in  den  engen  Rahmen  eines  kleinen  Liedes  zu  grup- 
pieren; Gegenwart  und  Vergangenheit  verknüpft  er  mit  kunstgeübter 
Hand,  und  den  hellen  Schimmer  einer  freudigen  Zukunft  weiß  er  auch 
über  das  Nachtstück  einer  freudelosen  Wirklichkeit  auszubreiten". 

Die  ganze  Lmigkeit,  zu  der  sich  die  Sehnsucht  nach  den  Stätten 
der  ruhmvollen  jüdischen  Vergangenheit  herausbildete,    hat  Jehuda 


350  Geschichte    des    Gottesdienstes 

ha  Levi  in  seinem  Zionsliede  "ibsiTUn  iibn  I^Vl  ausgesprochen, 
dem  berühmtesten  seiner  religiösen  Lieder,  ,,das  noch  heute  in  allen 
Synagogen  Israels  am  Trauertage  der  Zerstörung  Jerusalems  in  feier- 
licher Weise  erklingt  und  in  die  Herzen  aller  Gläubigen  tiefe  Erhebung 
senkt".  Von  ihm  hat  ein  hervorragender  nichtjüdischer  Kritiker  be- 
hauptet, „die  gesamte  religiöse  Poesie,  Milton  und  Klopstock  nicht 
ausgenommen,  habe  nichts  aufzuweisen,  was  man  höher  steilen  könne 
als  diese  Elegie,  in  der  die  Sprache  all  ihren  Reichtum  und  Zauber 
freigebig  dem  erschlossen  hat,  der  nirgends  mit  Künstlersucht  seine 
Meisterschaft,  sondern  mit  frommer  Hingabe  und  vergessender  Be- 
scheidenheit die  tiefsten  Regungen  der  Seele  bekunden  und  betätigen 
wollte." 

l  Ob  Jehuda  ha  Levi  größere  Zyklen  von  Poesien  verfaßt  hat, 
läßt  sich  mit  Sicherheit  nicht  mehr  sagen;  die  Zahl  seiner  Dichtungen 
war  außerordentlich  groß,  schon  bei  seinen  Lebzeiten  wurden  Samm- 
lungen mit  mehr  als  300  religiösen  Poesien  von  ihm  angelegt,  von 
denen  ein  großer  Teil  in  die  Gebetbücher  aufgenommen  ist.  Es  gibt 
keinen  Ritus,  der  nicht  einiges  von  ihm  enthielte,  selbst  die  Karäer 
haben  es  nicht  verschmäht,  ihre  Gebetordnung  mit  seinen  Dichtungen 
zu  schmücken.  Alle  Arten  der  religiösen  Poesie  hat  Jehuda  ha  Levi 
angebaut,  für  sämtliche  Feste,  für  die  ausgezeichneten  Sabbate,  für 
große  Gelegenheiten  hat  er  gedichtet,  alle  Gebetstücke,  die  dazu  ge- 
eignet schienen,  hat  er  durch  Poesien  verherrlicht,  die  meisten  sogar 
mehrfach.  Er  hat  auch  rein  lehrhafte  Stoffe  behandelt,  ist  selbst  nicht 
davor  zurückgeschreckt,  Gesetzesvorschriften  in  Verse  zu  bringen, 
aber  es  gibt  kein  einziges  unter  seinen  Gedichten,  das  nicht  durch 
einen  unverkennbaren  Vorzug  seinen  Urheber  verrät.  Was  ihn  aus- 
zeichnet, ist  die  Wahrheit  und  Innigkeit  seiner  Empfindung,  überall 
in  seinen  Poesien  finden  wir  Ebenmaß  und  besonnene  Begrenzung, 
nirgends  Unnatur  und  falsches  Pathos.  Kraft  und  Schönheit  des 
Ausdrucks  verlassen  ihn  auch  in  der  höchsten  Begeisterung  und  in  der 
schmerzlichsten  Klage  nicht,  nirgends  begegnet  man  Gezwungenem, 
Hartem,  der  Versform  zuliebe  Gesagtem.  Es  ist,  als  hätte  das  sonst 
so  spröde,  unwillige  Sprachmaterial  ihm  alles  Kämpfen  und  Ringen 
ersparen  wollen,  als  wäre  es  dem  Dichter  entgegengekommen,  dem 
es  nur  um  den  Ausdruck  der  seine  Seele  tief  bewegenden  Empfindung 
zu  tun  ist.  Ungesucht  stellt  sich  ihm  stets  das  passende  Wort,  eine 
ausdrucksvolle  Bibelstelle  zur  Verfügung,  alles,  was  sonst  das  Ver- 


Abraluim   ibn  Esra  ;3Ö1 

ständnis  dor  Diclitunfi^on  orschwort,  Versmaß  und  Roim,  Akrostichon 
und  Refrain,  unter  seiner  Meisterhand  wird  es  zur  edelsten  und  an- 
mutigsten Schönheit  gestaltet;  auch  dem  mir  l^rmalen  wird  die 
Seele  der  Dichtung  eingehaucht,  wie  bei  einem  wahren  Kunstwerk 
und  bei  der  Xatur  wird  der  Genuß  nicht  durch  Äußerlichkeiten  oder 
durch  Fremdes  gestört.  So  ist  in  Jehuda  ha  Levi  die  alle  hebräische 
Poesie  wieder  in  vollem  Glänze  erstanden,  von  iliiii  hörte  man  zum 
erstenmal  die  Klänge  wieder,  die  einst  den  Gesängen  der  Psalmisten 
entströmten.  ,,Das  Lied,  das  der  Levit  Jehuda  gesungen  —  ist  als 
Prachtdiadem  um  der  Gemeinde  Haupt  geschlungen  —  als  Perlen- 
schnur hält  es  ihren  Hals  umrungen.  —  Er,  des  Sangestempels  Säul' 
und  Schaft  —  weilend  in  den  Hallen  der  Wissenschaft  —  der  Gewaltige, 
der  Liede.^speerschwinger  —  der  die  Riesen  des  Gesanges  hingestreckt, 
ihr  Sieger  und  Bezwinger.  —  Seine  Lieder  nehmen  den  Weisen  den 
Dichtermut  —  fast  schwindet  vor  ihnen  Asaphs  und  Jedutuns  Kraft 
und  Glut  —  und  der  Korachiden  Gesang  —  deucht  zu  lang.  —  Er 
rang  in  der  Dichtkunst  Speicher  und  plünderte  die  Vorräte  —  und 
entführte  die  herrlichsten  Geräte  —  er  ging  hinaus  und  schloß  das 
Tor,  daß  keiner  nach  ihm  es  betrete.  — ...  In  der  künstlichen  Rede 
Werke  —  zeigt  sich  seiner  Sprache  Kraft  und  Stärke.  —  Mit  seinen 
Gebeten  reißt  er  die  Herzen  hin,  sie  überwindend  —  ...  und  in  seinen 
Klagetönen  —  läßt  er  strömen  die  Wolken  der  Tränen." 

8.  Jehuda  ha  Levi  nicht  ganz  ebenbürtig,  aber  dennoch  ein  Dichter 
von  Bedeutung  und  vor  allem  von  großem  Einfluß  auf  die  Liturgie 
war  auch  Abraham  b.  Meir  ibn  Esra  aus  Toledo  (p  Ttsr  "^nin  2mns 
nn77),  1093— U6S.  Ibn  Esra  konnte  sich  der  Dichtkunst  nicht  so 
ausschließlich  widmen  wie  die  vor  ihm  genannten  Zeitgenossen,  ein 
widerwärtiges  Schicksal  trieb  ihn  unstet  auf  der  ganzen  Erde  umher, 
er  mußte  von  Ort  zu  Ort  wandern,  sich  mühen  und  plagen,  um 
durch  Unterricht  und  gelehrte  Schriften  sein  Leben  notdürftig  zu 
fristen.  Dem  rastlosen  Wanderer  fehlte  es  an  Ruhe  und  Abgeklärtheit 
für  das  poetische  Schaffen,  sein  Geist  eignete  sich  mehr  für  die  exakten 
Studien  als  für  die  Eingebungen  der  Phantasie.  Aber  das  bedeutende 
Talent,  das  in  ihm  schlummerte,  hat  auch  ihn  zu  sehr  beachtens- 
werten Leistungen  befähigt.  Sein  Verdienst  besteht  vor  allem  darin, 
daß  er  die  Juden  in  den  christlichen  Ländern  mit  den  Errungen- 
schaften ihrer  Glaubensgenossen  unter  mohammedanischer  Herrschaft 
bekannt  macht;  die  Kluft  zwischen  Piut  und  klassischer  Dichtung  kam 


352  Geschichte    des   Gottesdienstes 

niemand  so  deutlich  zum  Bewußtsein  und  bei  keinem  Dichter  so  sehr 
zum  Ausdruck  wie  bei  ihm.  Durch  die  Pflege  und  Verbreitung  der 
klassischen  Dichtung  ist  er  ihr  Herold  und  Lehrer  in  den  romanischen 
Ländern  geworden.  Ihm  selbst  fehlt  zum  vollendeten  Dichter  die 
warme  Innigkeit;  der  scharfe  Verstand  herrscht  in  ihm  vor,  und 
auch  seinen  Versen  merkt  man  es  deutlich  an,  daß  er  vor  allem  auf 
den  geistreichen  Ausdruck,  auf  überraschende  Wendungen  und  glän- 
zenden Witz  Wert  legt.  ,,Das  schwungvolle  Aufjauchzen  eines  mächtig 
ergriffenen  Innern  ün  begeisterten  Hymnus,  die  erhabene  Majestät 
einer  nach  dem  Höchsten  ringenden  und  darum  auch  das  Höchste 
erreichenden  Poesie,  dies  alles  tritt  uns  in  den  religiösen  Dichtungen 
Abraham  ibn  Esras  wenig  entgegen".  Hingegen  legt  er  sehr  viel  Sorg- 
falt auf  die  Ordnung  und  Klarheit  der  Gedanken,  auf  die  Reinheit  der 
Form.  Die  Mängel  seiner  Begabung  sind  bei  Abraham  ibn  Esra  da- 
durch ausgeglichen,  daß  er  sich  niemals  an  größere  Dichtungen  wagte  — 
außer  der  Aboda  ist  uns  keine  größere  Komposition  von  ihm  be- 
kannt. Die  150  religiösen  Lieder,  die  von  ihm  vorhanden  sind,  sind 
meistens  kurze  Gedichte  zu  den  einzelnen  Gebetstücken,  insbesondere 
zu  r'ct::  ,rinriS  .rcii^J.  Bei  diesen  kurzen  Poesien  aber  konnte  er 
stets  ein  abgeschlossenes  Thema  behandeln,  einen  religiösen  oder 
philosophischen  Satz,  eine  Lehre  der  Moral  oder  eine  Episode  aus  der 
nationalen  Geschichte;  und  wenn  es  auch  in  den  meisten  Fällen  mehr 
Reflexionen,  Lehren  der  Weisheit  oder  rügende  Ermahnungen  sind, 
so  wirken  sie  doch  durch  ilu^e  fein  säuberliche  Form,  durch  die  ele- 
gante, leicht  verständliche  Redeweise  und  durch  den  W^ert  ihres 
Inhalts.  Die  kurzen  Gedichte  Abraham  ibn  Esras  waren  daher  recht 
beliebt  und  weithin  verbreitet,  sie  sind  zum  größten  Teile  in  der  Pro- 
vence und  in  Xordafrika  zu  finden,  wie  die  Werke  der  anderen 
spanischen  Dichter,  aber  sie  sind  doch  auch  in  ferne  und  entlegene 
Gegenden  gedrungen. 

In  der  Zeit  der  klassischen  Dichtung  hat  es  neben  den  wenigen 
hier  genannten  fülirenden  Dichtern  auch  eine  große  Anzahl  von  Poeten 
gegeben,  die,  wenn  sie  auch  nicht  an  die  ersten  Namen  heranreichen,  doch 
Bedeutendes  geleistet  haben  und  deren  Poesien  vereinzelt  den  Gebet- 
büchern einverleibt  wurden.  Es  ist  das  Verdienst  der  großen  spanischen 
Dichter,  daß  sie  die  synagogale  Poesie  zur  denkbar  höchsten  Stufe 
der  Vollkommenheit  erhoben  haben.  Dadurch  aber  haben  sie  zugleich 
den  eigentlichen  Abschluß  dieser  Dichtung  herbeigefülu"t,  der  Gottes- 


Das   Aiifs(  liicihcii    von  GcbettMi  353 

(lii'iisl  war  mm  nMclilidi  mit  poctiscliom  Malciial  aiis<j;c'stattel ;  Cileicli- 
wiMti^'os  komiie  iliit'ii  L(>istunp;cn  nicht  an  die  Seite  gestellt  werden, 
die  froniincii  Km|)liiidiin<fon  der  (llänl)if(en,  die  ihrerseits  zur  Aus- 
sfhiniu'kiinü^  ih's  (lottosdicnstcs  heiziitrafjen  wünschten,  mußten  in 
Zukunft    in    anderer    Hichtunj;-    Ausdruck    und    Betätigung    suchen. 

§  43.     Gebetbücher  und  Gebetordnungen. 

Liti'i-atur:  Zmiz,  Kitas;  JA' Art.  Litur^y  \'lll,  liibir.;  I'raycr-Books  X, 
llTtV. 

1.  Um  einen  klaren  Einblick  in  die  Geschichte  des  Gottesdienstes 
vom  Zeitpunkte  der  Festsetzung  der  Stamms;ebete  zu  gewinnen, 
müssen  wir  uns  die  Entstehung  und  Entwickhing  der  Gebetbücher 
und  Gebetordnungen  klarmachen,  die  Werkzeuge  der  Überlieferung 
näiier  betrachten,  Gebete  aufzuschreiben  war  in  alter  Zeit  streng 
verpönt.  Solange  die  gesamte  Tradition  nur  mündlich  fortgepflanzt 
wurde,  hat  es  auch  für  die  Gebete  schriftliche  Vorlagen  nicht  gegeben. 
Das  hatte  den  Nachteil,  daß  die  Überlieferung  sehr  unsicher  und 
schwierig  war.  Es  ist  bemerkenswert,  daß  sie  trotz  alledem  sich  immer- 
hin ziemlich  einheitlich  gestalten  ließ.  ISamentlich,  wenn  man  die 
Ausdehnung  der  jüdischen  Diaspora  bedenkt,  muß  man  darüber 
staunen,  wie  es  m(")glich  gewesen  ist.  jahrhundertelang  ohne  schrift- 
liche Vorlagen  auszukommen.  Das  ist  nur  zu  erklären,  wenn  dem 
Unterricht  eine  ebenso  sorgfältige  wie  nachhaltige  Pflege  gewidmet, 
wenn  durch  die  Institution  des  Apostolats  stets  ein  enger  Zusammen- 
hang zwischen  den  Gemeinden  und  den  zentralen  Behörden  aufrecht- 
erhalten worden  ist.  Daß  bei  dem  unvermeidlichen  brieflichen  Ver- 
kehr auch  einmal  Gebete  sclu'iftlich  mitgeteilt  wurden,  ist  ebenfalls 
nicht  völlig  ausgeschlossen.  Soweit  es  sich  um  die  Hagada  handelte, 
wurde  das  Verbot  des  Aufschreibens  nicht  immer  streng  beachtet, 
wir  wissen,  daß  schon  frühzeitig  Hagadabücher  vorhanden  waren 
und  benutzt  wurden;  so  wäre  es  immerhin  möglich,  daß  auch  die  Vnr- 
beter  sich  die  Freiheit  genommen  hätten,  sclu-iftliche  Vorlagen  für 
iitren  eigenen  Gebrauch  anzufertigen.  Zu  beachten  ist  jedoch,  daß 
in  Talmud  und  Midrasch  niemals  ein  Gebetbuch  oder  die  Aufzeichnung 
eines  Gebetstückes  erwähnt  sind;  bei  allen  Irrtümern  der  Vorbeter, 
von  denen  berichtet  wird,  ist  niemals  von  der  unstatthaften  Ver- 
wendung eines  niedergeschriebenen  Gebets  die  Rede,  wird  niemals 
ein  Text  zurückgewiesen,  weil  er  nicht  aus  dem  Gedächtnisse  vorge- 


El  bogen.  Der  jüd.  Gottesdienst. 


23 


354  Geschichte    des    Gottesdienstes 

tragen  worden  ist.  Es  ist  aber  auch  zu  beachten,  daß  die  Notwendig- 
keit, sclu'iftliche  Vorlagen  zu  benutzen,  nicht  so  groß  war  wie  später, 
daß  die  Gebete  kürzer  und  einfacher,  daß  sie  im  Wortlaut  nicht  fest- 
gelegt waren.  Es  kam  nur  auf  die  Innehaltung  der  richtigen  Reihen- 
folge, auf  die  Wiedergabe  des  Gedankenganges  an,  dessen  Ausdruck 
die  Eulogien  waren.  Die  einzigen  Stellen  mit  vorgesclmebenem 
Texte  waren  die  Bibelstellen,  und  sie  waren  niedergeschrieben;  die 
übrigen  Gebete  konnten  beliebig  ausgestaltet  werden,  es  w^ar  für  sie 
eine  kurze,  schlichte  Diktion  üblich,  deren  Wendungen  sich  so  eng, 
wie  es  h-gend  möglich  war,  an  die  Bibel  anlehnten.  Das  war  der  Vorzug 
der  mündlichen  Überlieferung,  daß  die  Gebete  nicht  zu  festen,  unab- 
änderlichen Formeln  erstarrten,  daß  sie  stets  im  Flusse  blieben,  daß 
es  immer  in  der  Hand  der  Gemeinde  oder  ihres  Vertreters,  des  Vor- 
beters, lag,  so  viel  Gefühl  und  fromme  Empfindung  hineinzulegen, 
wie  sie  wollten.  Die  Formulierung  stellte  sich  mit  der  Zeit  von  selbst 
ein.  Selbst  wenn  man  berücksichtigt,  daß  die  Kunst  des  Dichtens 
und  Extemporierens  im  Orient  viel  weiter  verbreitet  ist  als  bei  uns, 
muß  man  sich  doch  fragen,  woher  denn  stets  und  überall  die  prophe- 
tische Ki'aft,  die  Eingebung  immer  neuer  Ausdrücke  und  neuer  Wen- 
dungen für  das  Gebet  strömen  sollte.  In  Palästina  konnte  man  sich 
sehr  scliwer  daran  gewöhnen,  einen  ein  für  allemal  festgelegten  Text 
für  das  Gebet  zu  verwenden;  die  zahlreichen  poetischen  Bearbeitungen 
der  Stammgebete,  die  man  neuerdings  gefunden  hat,  die  bald  kürzer, 
bald  länger  sind  als  diese  und  uns  so  seltsam  anmuten,  sind  offenbar 
nur  zu  dem  Zwecke  geschaffen  worden,  Abwechslung  in  das  Gebet  zu 
bringen,  vor  eintönigen  Wiederholungen  zu  schützen. 

2.  Schließlich  muß  man  einmal  dazu  übergegangen  sein,  Ge- 
bete aufzuzeichnen,  Gebetsammlungen  und  Gebetord 
n  u  n  g  e  n  anzulegen.  Die  beiden  Dinge  müssen  auseinandergehalten 
werden,  denn  sie  gehörten  in  jenen  Zeiten  nicht  zusammen.  Die 
Gebetordnungen  waren  nicht  Gebetbücher  in  unserem  Sinne,  sie 
verzeichneten  in  den  meisten  Fällen  nur  die  Bestimmungen  über  die 
Aufeinanderfolge  der  Gebete  und  das  Verhalten  beün  Gottesdienste; 
die  Aufzeichnung  der  Gebettexte  fand  man  nicht  darin,  sie  war  be- 
sonderen Vorlagen  vorbehalten.  Die  älteste  Schrift,  die  eingehend 
und  in  systematischer  Weise  von  Gebeten  spricht,  ist  der  Traktat 
S  0  f  r  i  m  ,  der  etwa  im  6.  Jahrhundert  entstanden  sein  wird,  wenn 
auch  die  uns  vorliegende  Form  manchen  späteren  Zusatz  enthält.- 


Die  ältesten  Gebetordnungt.'n,   di-r  Miiiliag  355 

Was  wir  dort  vom  Gottesdienste  erfahren,  wird  nnr  l)ei  (lelof^enlieit 
beiläufig  nütgeteilt,  soweit  es  zur  Ergänzung  der  Bestimmungen 
über  die  Schriftvorlesung  erforderlich  ist.  Daher  ist  von  den  (lebeten 
[1er  Wochentage  und  Sabbate  bis  auf  eine  einzige  ganz  unwesentliche 
Bemerkung  nicht  die  Rede,  nur  die  Gebete  für  die  festlichen  Tage 
(Verden  herangezogen,  aber  auch  an  ihnen  wird  nicht  der  allgemeine 
Gang  des  Gottesdienstes  beschrieben,  vielmehr  wird  nur  der  Psalmen,  der 
besonderen  Einschaltungen  oder  abweichenden  Eulogien  Erwähnung 
^etan,  es  werden  ferner  ehiige  Regeln  mitgeteilt,  die  sich  auf  die  Art 
des  Gottesdienstes  beziehen.  Der  Traktat  Sofrim  ist  allerdings  keine 
Abhandlung  über  den  ganzen  Gottesdienst,  sein  Thema  ist  die 
5  c  h  r  i  f  t  v  0  r  l  c  s  u  n  g  ,  die  er  sehr  eingehend  schildert,  indem 
er  von  der  vorschriftsmäßigen  Herstellung  der  Bibelexemplare  ausgeht 
und  dann  das  Verfahren  bei  der  Vorlesung  bespricht;  die  zur  Schrift- 
vorlesung gehörigen  Gebete  sind  die  einzigen,  die  er  im  Wortlaute 
mitteilt,  die  anderen  werden  nur  nebenher  von  ihm  angeführt.  Es 
ist  bekannt,  daß  der  Traktat  Sofrim  im  großen  und  ganzen  ausschließ- 
lich p  a  1  ä  s  t  i  n  i  s  c  h  e  Gebräuche  und  Gebetformeln  voraussetzt, 
wenn  auch  hie  und  da  babylonische  Einflüsse  wahrzunehmen  sind. 
Auch  in  Babylonien  waren,  w^as  Beachtung  verdient,  die  ersten 
schriftlichen  Nachrichten,  die  für  den  Gottesdienst  Verwendung 
fanden,  die  Regeln  über  die  T  0  r  a  v  0  r  1  e  s  u  n  g  e  n ,  die  von  Jehudai  auf- 
gezeichnet wurden.  Demselben  Gaon  erschien  die  Benutzung  schrift- 
licher Vorlagen  für  Selichot  und  Kerobot  am  Versölmungstage  als 
eine  Neuerung  s'on  zweifelhaftem  Werte,  die  er  an  anderen  Feiertagen 
zuzulassen  keineswegs  geneigt  war,  geschweige  denn  daß  er  die  Ver- 
wendung von  Büchern  für  den  Vortrag  der  Stammgebete  gestattet 
hätte. 

3.  Inzwischen  aber  war  eine  neue  j\Iacht  aufgekommen,  die  all- 
mählich mehr  Kraft  und  Einfluß  gewann  als  die  Tradition  und  die 
Stammgebete,  die  auch  zur  Entstehung  der  ersten  Gebetordnungen 
wesentlich  mitgewirkt  hat.  das  war  der  M  i  n  h  a  g  ,  der  Brauch.  Eine 
Institution,  die  sich  jahrhundertelang  in  weit  auseinanderliegenden 
Gegenden  ziemlich  frei  entwickelt  hatte,  mußte  große  Verschieden- 
heiten in  der  Ausführung  erfahren;  es  war  ein  Zeichen  der  persönlichen 
Teilnahme  und  des  lebhaften  Interesses,  wenn  die  Gemeinden  sich  den 
I' itcsdienst  nach  ihrer  Weise  ausgestalteten.  Feststehende  Vor- 
Hhriften    über    das    Gebet,     verpflichtende     Institutionen    (ro^n) 

23* 


356  Geschichte   des   Gottesdienstes 

gab  es  im  Anfange  selu*  wenig,  sie  bescliränkten  sich  auf  die  geringe 
Anzahl  von  Mitteilungen  in  der  ^Vlischna  und  im  Talmud  über  die 
Ordnung  und  Aufeinanderfolge  der  Gebete,  allenfalls  noch  über  den 
Wortlaut  der  meisten  Eulogien  und  über  die  Sclu-iftvorlesung.  Von 
einer  Agende  zum  Gottesdienste,  bindenden  Regeln  für  alle  Einzel- 
heiten, für  den  Vortrag  der  Gebete  und  die  Haltung  der  Gemeinde 
war  man  sehr,  sehr  weit  entfernt.  Es  gab  alte  Traditionen,  die  von 
Geschlecht  zu  Geschlecht  überliefert,  aber  durchaus  nicht  als  gesetz- 
lich verpflichtend  betrachtet  wurden.  Die  Mischna  weiß  von  örtlich 
bedingten  Abweichungen  der  Sitten  und  Gebräuche  (I3ri:r  Z"pi3), 
die  sie  nebeneinander  bestehen  läßt;  im  Talmud,  wo  weit  mehr  vom 
Gebet  und  Gottesdienst  gesprochen  wü'd,  ist  deren  Umfang  erheblich 
größer.  Die  Tradition  über  derartige  Bräuche  war  bisweilen  im  Laufe 
der  Zeit  zweifelhaft  geworden,  der  Brauch  wurde  so,  wie  man  ihn  in 
der  Gemeinde  vorfand,  respektiert,  und  wenn  er  nur  einigermaßen 
zu  rechtfertigen  war,  ließ  man  ihn  ruhig  hingehen.  Der  Brauch  bezog 
sich  auf  die  Form  des  Gottesdienstes,  auf  die  Anwendung  einzelner 
Gebete  oder  Zeremonien,  auf  die  Hinzufügung  neuer  Zutaten.  Im 
Laufe  der  Zeit  fidirte  die  Entwicklung  dahin,  daß  vieles,  was  lange 
Zeit  als  Brauch  bestanden  hatte,  festeGestalt  und  verbind- 
lichen Charakter  annahm.  So  konnte  es  kommen,  daß,  was 
an  einem  Orte  auf  Grund  überlieferter  Institutionen  eingefülu-t  war, 
durch  einen  anderswo  zur  Halacha  erhobenen  Brauch  verch'ängt  wurde, 
daß  Bräuche  alte  gesetzliche  Einrichtungen  beseitigten  (birir  :^~:^ 
T]y:ti).  Der  Minhag  konnte  sein*  verschiedenen  Ursprung  haben,  er 
konnte  auch  ein  Mißbrauch  sein,  und  davor  mußte  die  Religion 
geschützt  werden;  als  nachahmenswert  galt  darum  nur  eiu  solclier 
Brauch,  der  von  maßgebenden  Frommen  beobachtet  wurde  (5r;:'a 
■■»pin),  wie  tatsäclilich  Sitten  und  Bräuche  angesehener  Männer, 
namentlich  beliebter  Lehrer,  eingehend  studiert,  befolgt  und  zur  Nach- 
ahmung empfohlen  wurden.  Zu  den  vorgeschriebenen  Institutionen 
wurden  nur  die  im  Talmud  festgesetzten  Gebete  und  auch  nur  die- 
jenigen Teile  von  ihnen  gerechnet,  die  dort  wklich  erwähnt  sind, 
was  mitunter  vom  Zufall  abhängt,;  alle  anderen  Bestandteile  des 
Gebets  gehörten  lediglich  zum  M  i  n  h  a  g.  Demnach  waren  nur  das 
Bekenntnis  nebst  den  zugehörigen  Benediktionen,  die  Tefüla  und  die 
Schrift  Vorlesungen  an  Regeln  gebunden,  während  in  den  anderen  Teilen 
der  Brauch  sich  völlig  frei  und  ungebunden  entwickeln  konnte ;  die  be- 


liedfuluiig  des  -Minliug  357 

doiitoiulon  VorscliiodiMilicikMi.  die  wir  hol  den  Tac-lianiinim.  den  Psalineii 
und  ersten  BeiiedLl;tiuneii  (§§  10 — 12)  kenneu  gelernt  lialjen,  zeigen, 
wie  sehr  die  Einrichtungen  tatsächlicli  auseinandergingen,  in  den 
einzehuMi  Ländern  hihleten  sich  abweichende  Bräuche,  sogar  ab- 
weichende Texte  der  Stanimgebete;  selbst  in  den  verschiedenen 
Gegenden  und  Gemeinden  ein  und  desselben  Landes  konnten  die 
Meinungen  und  Einrichtungen  sehr  ungleich  sein  (oben  S.  26G  f.). 
Je  mehr  nun  die  Zerstreuung  der  Juden  zunahm,  je  mehr  Gemeinden 
in  entlegenen  Ländern  begründet  wurden,  desto  mehr  wurde  der 
Bildung  abweichender  Formen  Vorschub  geleistet.  Mitunter  kreuzten 
sich  Einflüsse  verschiedenen  LTsprungs  in  einer  Gemeinde  und  führten 
eine  Mischung  von  Bräuchen  aus  mehreren  Gegenden  herbei,  so 
dalo  spätere  Beobachter  die  Konsequenz  vermissen  mußten.  Die  Schick- 
sale der  Gemeinden  waren  für  die  Ausgestaltung  des  Gottesdienstes 
maßgebend.  Auch  die  Bildungsstufe  und  die  Gewohnheiten,  Klima 
und  Kultur,  Sitte  und  Sprache,  Vorstellungen  und  Gebräuche  der  sie 
umgebenden  Bevölkerung  haben  auf  die  gottesdienstlichen  Ein- 
richtungen und  Bräuche  der  Juden  Einfluß  geübt.  Das  Leben  ge- 
stattet nicht,  daß  die  Menschen  sich  hermetisch  voneinander  ab- 
schließen; w"0  mehrere  Bevölkerungsschichten  nebeneinander  wohnen, 
üben  sie  in  Sitten  und  Bräuchen  gegenseitig  Einfluß  aus,  es  findet  ein 
ständiges  Geben  und  Nehmen  statt,  es  hängt  nur  von  äußeren  Um- 
ständen ab,  ob  das  Einheimische  eine  stärkere  oder  schwächere  An- 
ziehungskraft auf  das  Fremde  ausübt.  So  ist  es  auch  beini  Gottes- 
dienste gewesen,  er  ist  niemals  ganz  frei  von  fremden  Eindringlingen 
geblieben.  „Emanationslelu-e,  Astrologie,  Gevatter,  Reim  und  Seelen- 
messe haben  die  Juden  von  Anderen,  knchliche  Ausdrücke,  liturgische 
Sitten,  z.  B.  das  Hüpfen  im  Gebete,  x\ndere  von  den  Juden  erhalten. 
Seit  einem  Jahrtausend  hören  die  Klagen  nicht  auf  über  Fremdes,  das 
bei  den  Juden  sich  eingebürgert.''  Die  Bräuche  wurzelten  an  einzelnen 
Orten  fest  ein  und  waren  dann  nicht  mehr  zu  beseitigen;  zumal  wenn 
beliebte  Lelu-er  oder  Vorbeter  hinter  ihnen  standen,  vermochten  alle 
Bemühungen  der  größten  Autoritäten  nicht,  sie  abzustellen. 

So  haben  sich  schon  frühzeitig  Verschiedenheiten  herausgebildet, 
[ielbst  in  benachbarten  Orten  waren  die  Gebete  und  gottesdienstlichen 
Ijebräuche  nicht  immer  gleich.  Der  Verkehr,  die  Wanderungen  von 
belehrten  brachten  es  oft  mit  sich,  daß  die  Gemeinden  auf  Abwei- 
Ihungen  ihrer  Bräuche  vom  allgemeinen   Herkommen  aufmerksam 


358  Geschichte  des  Gottesdienstes 

gemacht  wurden;  wenn  sie  dann  schwankend  wurden,  wandten  sie 
sich  an  die  maßgebenden  Stellen,  um  über  ihre  Zweifel  Aufklärung 
und  Auskunft  zu  erhalten.  Die  Geonim  wurden  von  Anfang  an  mit 
zahlreichen  Anfi'agen  über  gottesdienstliche  Fragen  bestürmt.  Sie 
hatten  häufig  zu  entscheiden,  wenn  über  den  Wortlaut  der  Gebete 
oder  die  Form  des  Gottesdienstes  Unklarheit  heiTschte.  Inzwischen 
waren  in  Xordafi'ika  und  in  Europa  bis  zum  äußersten  Westen  hin 
zahlreiche  Gemeinden  entstanden  und  sie  waren  nicht  immer  sicher 
über  das,  was  Überlieferung  und  Vorschrift  forderten.  Außerdem 
hatten  sich  Sekten  gebildet,  die  auch  den  herkömmlichen  Gottesdienst 
mit  ihren  Angriffen  nicht  verschonten,  die  in  ihrem  Bestreben,  neue 
Anhänger  zu  gewinnen,  die  Gemeinden  aufwülüten  und  die  Berech- 
tigung ihrer  Tradition  vielfach  in  Frage  stellten.  Seit  der  Verbreitung 
der  karäischen  Sekte  werden  die  Anfragen  bei  den  Geonim  und  ihre 
Bescheide  über  gottesdienstliche  Dinge  häufiger  und  ausfülu-licher, 
es  wird  mit  größerer  Strenge  auf  der  Innehaltung  der  Überlieferung 
bestanden  und  jede  „Abweichung  von  den  Worten  der  Weisen"  nicht 
nur  als  Irrtum,  sondern  auch  als  Sünde  verwiesen.  EiTeicht  haben 
die  Geonim  verhältnismäßig  wenig,  die  Gemeinden  ließen  sich  nur 
in  den  seltensten  Fällen  dazu  bestimmen,  von  ihren  Gewohnheiten 
abzugehen,  die  Mitteilungen  und  Bemühungen  der  befi'agten  Hoch- 
schulen haben  häufig  nur  dazu  beigetragen,  die  Abweichungen  zu  ver- 
melu-en  und  die  VerwiiTung  zu  erhöhen. 

4.  Der  Ungleichmäßigkeit  des  Gottesdienstes  und  der  Schwierig- 
keit, sich  darin  zurechtzufinden,  verdanken  die  ersten  bekannten 
G  e  b  e  t  0  r  d  n  u  n  g  e  n  ihre  Entstehung.  Es  ist  bezeichnend,  daß 
sie  sämtlich  für  Gemeinden  in  fernen  Ländern  gescluieben  wurden. 
Es  war  die  Gemeinde  in  Lusena  in  Spanien,  auf  deren  Verlangen  der 
Gaon  N  a  t  r  0  n  a  i  b.  Hilai  in  Sura  seine  Gebetordnung  entwarf. 
Das  Schema,  die  täglichen  Gebete  auf  die  hundert  Benediktionen  des 
R.  Meir  zurückzuführen  (oben  S.  7),  ist  auch  in  Spanien  bekannt  ge- 
worden, die  Gemeinde  verlangt  zu  wissen,  was  es  damit  für  eine  Be- 
wandtnis hat  (riDin  Mi^'a  "in  rra),  und  der  Gaon  richtet  seine  Ant- 
wort dementsprechend  ein.  Er  zählt  der  Reihe  nach  die  Benediktionen 
auf,  die  man  täglich  vom  Morgen  bis  zum  Abend  zu  sprechen  Gelegen- 
heit hat ;  er  schließt  auch  die  zum  öffentlichen  Gottesdienste  gai*  nicht 
gehörigen,  wie  die  ersten  Benediktionen  und  das  Tischgebet  ein.  Ent- 
sprechend der  Anfrage  und  der  Anlage  seiner  Antwort  zählt  der  Gaön 


Arnrams  Gebelordnung  359 

nur  die  E  u  1  o  oj  i  c  ii  auf,  und  auch  das  tut  er  nur  hei  den  \voni<i;('r 
bekannt(Mi  HoiuHliUtiiuKMi,  bei  so  ^roläufim'ii  wie  dciicii  des  Aclitzchnf^e- 
bets  unttMläüt  oros.  Natronai  bognüij;t  sirli  mit  der  Atmende  in  knappster 
Form  uiul  Kassunii;,  auf  Einzelheiten  der  Ausfiihrung  läßt  er  sich  gar 
nicht  ein,  die  ganze  Clebetordnung  ist  nur  ein  (lerippe  und  beträgt  etwa 
vier  Dvuckseiten.  Natronais  Arbeit  für  den  Gottesdienst  ist  damit 
nicht  erschöpft,  in  unzähligen  Responsen  hat  er  Gelegenheit  genommen, 
sich  ausführlich  über  einzelne  Fragen  zu  äußern;  er  ist  einer  von  den- 
jenigen (lelehrten,  die  am  heftigsten  gegen  die  Abweichungen  der 
Karäer  polemisieren,  ein  Zeichen,  daß  die  Propaganda  jener  Sekte  zur 
damaligen  Zeit  mit  besonderer  Energie  und  offenbar  nicht  ohne  Er- 
folg betrieben  wurde.  Wie  es  in  Natronais  Zeit  mit  den  Gebetbüchern 
stand,  ist  nicht  leicht  zu  sagen,  aber  es  läßt  sich  erschließen,  daß  die 
Vorbeter  sie  damals  bereits  allgemein  benutzten,  ohne  auf  Widerspruch 
zu  stoßen. 

Weit  ausführlicher  ist  die  Gebetordnung  für  das  ganze  Jahr 
(~:d  n:t:  bc  rT^ai  r^bzr  iic),  die  Natronais  Nachfolger,  Am- 
ram  b.  Scheschna,  ebenfalls  nach  Spanien,  wie  es  scheint,  nach 
Barcelona,  geschickt  hatte.  Sie  enthält  ausführliche  Abhandlungen 
über  das  Gebet,  verzeichnet  alle  Bräuche  im  Verhalten  beim  Gottes- 
dienste, gibt  aber  daneben  auch  den  Wortlaut  der  Gebete.  Daß  die 
uns  vorliegende  Form  von  Arnrams  Gebetordnung  nicht  die  ursprüng- 
liche ist,  läßt  sich  nicht  bestreiten.  Die  Texte  der  Gebete  können,  wie 
sich  aus  Vergleichungen  mit  zuverlässig  überlieferten  Äußerungen  des 
Verfassers  ergibt,  unmöglich  in  der  Gestalt  von  ihm  mitgeteilt  worden 
sein,  die  der  Druck  heute  darbietet;  die  neuerdings  bekannt  gewordenen 
Handschriften  des  Werkes  weichen  von  der  gech'uckten  Ausgabe  an 
zahlreichen  Stellen  ab,  sie  enthalten  mancherlei  nicht,  was  tatsächlich 
zum  öffentlichen  Gottesdienste  nicht  gehört,  und  bieten  wiederum 
ausführliche  Stücke,  die  man  bisher  mit  Recht  vermißt  hat.  Auch 
im  Wortlaute  der  Gebete  unterscheiden  sich  die  Überlieferungen  viel- 
fach. Es  ergibt  sich  daraus  mit  voller  Klarheit,  daß  der  Gebetordnung 
Arnrams  im  Laufe  der  Zeit  solche  Texte  hinzugefügt  wurden,  die  im 
Lande  des  betreffenden  Abschreibers  gebräuchlich  waren;  es  ist  ganz 
offenkundig,  daß  in  der  einen  Handschrift  der  Einfluß  der  spanischen, 
in  der  anderen  derjenige  der  provenzalischen  Gemeinden,  in  einer 
dritten  Mißbräuche  der  Kabbala  vorwiegen.  Es  erhebt  sich  nun  die 
Frage,  ob  Arnrams  Gebetordnung  von  Haus  aus  überhaupt  die  Texte 


360  Geschichte    des   Gottesdienstes 

enthielt,  oder  ob  sie  nicht  lediglich  aus  halachischen  Anweisungen  und 
Mitteilungen  von  Bräuchen  bestand,  in  die  nach  dem  Vorbilde  Natro- 
nais kurze  Angaben  der  Eulogien  eingestreut  waren.  In  den  zahl- 
reichen Anführungen,  die  im  frühen  Mittelalter  aus  dem  Werke  ge- 
macht werden,  findet  sich  niemals  der  Wortlaut  der  Gebete,  die  Ver- 
mutung ist  nicht  abzuweisen,  daß  sie  ursprünglich  gar  nicht  darin 
enthalten  waren.  Auch  der  halachische  Teil  ist  nicht  unverselu't  auf 
uns  gekommen.  Ganz  abgesehen  von  leicht  erkennbaren  Zusätzen 
aus  späterer  Zeit,  muß  der  Text  noch  andere  Veränderungen  erfahren 
haben;  seine  Angaben  widersprechen  nicht  selten  gut  verbürgten 
Aussprüchen  Amranis  in  anderen  Quellen  oder  bringen  solche  nicht, 
die  anderweitig  überliefert  werden.  Die  Mitteilungen  Amrams  be- 
rufen sich  sehr  häufig  auf  Anschauungen  seiner  Vorgänger  und  auf 
den  Brauch  der  beiden  babylonischen  Hochschulen  sowie  des  Gottes- 
dienstes im  Exilarchenhause,  bei  dem  die  Überlieferung  mit  besonderer 
Sorgfalt  gehütet  worden  zu  sein  scheint. 

Amrams  Gebetordnung  war  das  ganze  Mittelalter  hindurch  eine 
der  wichtigsten  und  am  meisten  benutzten  Quellen  über  den  Gottes- 
dienst. Der  Dl^:?  Dl  110  oder  "lan^ayr;  "no"^,  wie  man  sie  nannte,  wird 
von  fast  allen  maßgebenden  Lehrern  des  Mittelalters,  ganz  gleich, 
in  welchem  Lande  sie  wohnten  oder  lehrten,  häufig  angeführt.  Ja 
noch  mehr,  die  wichtigsten  Gebetordnungen  oder  halachischen  Schriften 
über  den  Gottesdienst  sind  geradezu  darauf  aufgebaut;  wo  sie  es 
können,  übernehmen  sie  ganze  Partien  wörtlich,  Anu'am  bildet  die 
Grundlage  ihrer  Ausführungen,  das  jüngere  oder  abweichende  Material 
wird  nur  als  Zusatz  zu  ihm  wiedergegeben.  Unbekümmert  darum, 
daß  der  Gottesdienst  in  der  eigenen  Heimat  inzxNischen  eine  ganz 
andere  Gestalt,  die  Gebete  einen  anderen  Wortlaut  angenommen 
hatten,  wurden  dann,  wie  oben  bemerkt,  die  Texte  auch  zwischen 
die  Bestimmungen  Amrams  eingefügt,  es  entstanden  auf  diese  Weise 
neue  und  veränderte  Auflagen  seines  TN^ichtigen  Werkes.  Wenn  Amram 
tatsächlich  Gebettexte  mitgeteilt  haben  sollte,  so  können  es  niu-  die 
Stammgebete  gewesen  sein.  Die  sehr  zahlreichen  Piutim,  die  zu  seiner 
Zeit  schon  weithin  verbreitet  und  anerkannt  waren,  erwähnt  er  wohl 
mit  Namen,  aber  er  gibt  ihren  Wortlaut  nicht  an;  hingegen  hat  er 
den  Selichas,  in  der  Hauptsache  dem  alten  Bestände  von  Bibelstellen 
und  Litaneien,  Aufnahme  gewährt. 

Das  erste  richtige  Gebetbuch   in  unserem  Sinne  ist  die  „Samm- 


Saadjas  Ut-butbucli  36 1 

hing  der  Gebete  und  Lobgosängc"  (nnscrbs"  ri«'~3:bs  rrs?j)  des 
CJauns  S  a  a  d  3  a  b.  Joseph.  Es  ist  niclit  vollstäncUg  crhahen,  nur 
Bruchstücke  sind  auf  uns  gekonunen,  die  sich  allerdings  (hirch  andere 
kh'inere  Fragmente  ergänzen  hissen,  so  (hiß  bis  auf  den  Anfang  und 
das  Ende  wahrsclu^inlich  nur  sehr  wenig  fehlt.  Das  Werk  ist  lux'h 
nicht  veröffentlicht,  es  isl  niu-  aus  Zitaten  bei  Autoren  des  Mittelalters 
und  aus  knappen  Mitteilungen  neueren  Datums  bekannt;  über  die 
Wichtigkeit  des  Werkes  und  seine  Bedeutung  als  Quelle  für  die  Ge- 
schichte des  Gottesdienstes  herrscht  schon  danach  allgemeine  Über- 
einstimmung, Die  Veranlassung  zur  Ausarbeitung  seiner  Gebet- 
ordnung war  für  Saadja  die  Beobachtung,  daß  im  Gottesdienste 
so  viel  hinzugefügt,  weggelassen  und  abgekürzt  wurde,  daß  manches 
aus  dem  öffentlichen  Gottesdienste  verschwunden  oder  nur  noch 
in  der  Privatandacht  üblich,  anderes  bis  zur  Unkenntlichkeit  verändert 
worden  war.  Er  führt  bereits  darüber  Klage,  daß  Gelehrte  sich  die 
Freiheit  nähmen,  in  der  Überlieferung  nicht  begründete  Neuerungen 
einzuführen,  daß  die  Menge  des  Xeuen  die  alten  Sitten  verdrängte, 
und  daß  infolgedessen  die  Bräuche  selbst  in  benachbarten  Gemeinden 
so  sehr  voneinander  abwichen,  Saadjas  Buch  enthält  die  Stamm- 
gebete und  zahlreiche  poetische  Zusätze;  er  teilt  das  ganze  Werk  in 
zwei  Teile,  behandelt  zunächst  den  Gottesdienst  der  gewöhnlichen 
Tage  und  dann  denjenigen  der  Feste,  Außerdem  fügt  er  die  Vor- 
schriften über  den  Gottesdienst  in  arabischer  Sprache  hinzu,  bisweilen 
sogar  in  sehr  ausführlichen  Abhandlungen;  er  gibt  darin  auch  Er- 
klärungen zu  einzelnen  Gebeten  und  geht  auf  ihre  Begründung  und 
ihre  Quellen  ein.  Saadja  war  aber  nicht  nur  Sammler  und  Halacliist, 
sondern  auch  systematischer  Theologe;  er  läßt  darum  der  jMitteiluug 
der  Gebete  auch  kürzere  oder  längere  Abhandlungen  über  den  Sinn, 
den  Inhalt  und  die  Bedeutung  des  Gottesdienstes,  der  Gebete  und 
der  dabei  üblichen  Zeremonien  folgen.  Der  Siddur  ist  vielleicht  erst 
nach  Saadjas  Übersiedlung  nach  Babylonien  verfaßt,  aber  im  Wort- 
laut der  Gebete  und  in  den  Bräuchen,  die  er  mitteilt,  ist  der  Einfluß 
seiner  ägyiDtischen  Heimat  überall  sehr  deutlich  zu  erkennen,  die 
Überlieferungen  des  palästinischen  Ritus,  der  in  Ägypten  befolgt 
wurde,  sind  bei  ilim  wiederzufinden;  daher  kam  es  auch,  daß  seine 
Vorschriften  und  einzelne  von  ihm^empfohlene  Gebete  bei  den  baby- 
lonischen Geonim  lebhaften  Widerspruch  fanden.  Saadjas  Gebet- 
buch war  einst  sehr  verbreitet,  besonders  in  Äg3"pten,  dem  Lande, 


352  Geschichte    des   Gottesdienstes 

für  das  es  bestimmt  war;  aber  auch  in  Spanien  ^Yurde  das  Werk  der 
Beachtung  gewürdigt  und  häufig  als  maßgebend  angeführt,  dann 
wurde  es,  wahrscheinlich  durch  Maimonides,  in  Yemen  bekannt,  im 
Gebetbuche  der  dortigen  Gemeinden  ist  sein*  vieles  daraus  wörtlich 
übernommen. 

Daß  berühmte  Gelehrte  einen  Siddur  zusammenstellten,  scheint 
im  Orient  noch  sehr  lange  Zeit  üblich  gewesen  zu  sein.  In  den  meisten 
derartigen  Werken  wurde  nur  über  den  Gang  des  Gottesdienstes  im 
allgemeinen  berichtet,  es  wurden  die  für  richtig  gehaltenen  Bräuche 
mitgeteilt,  vielfach  auch  erklärt.  Unwillkürlich  wurden  dabei  bisweilen 
auch  einzelne  Sätze  aus  den  Gebeten  angegeben,  zumal  solche,  die 
umstritten  waren,  aber  eine  zusammenhängende  Wiedergabe  der 
Gebete  war  nicht  darin  enthalten.  Die  Gebete  waren  ja  nicht  ihr  Werk, 
die  Gelehrten  hätten  sie  darum  auch  nicht  unter  ilireni  Xanien  ver- 
öffentlicht, andererseits  waren  die  Gemeinden,  auf  deren  Veranlassung 
die  Gebetordnungen  entstanden,  mi  Besitze  der  Texte,  und  es  wäre 
überflüssig  gewesen,  sie  ihnen  zu  übersenden.  Jene  Werke  sind  sämt- 
lich ein  Opfer  der  Zeit  geworden;  was  wir  von  ihnen  wissen,  erfahren 
wir  zumeist  aus  systematischen  Ritualwerken  des  11.  und  12.  Jahr- 
hunderts, wie  den  Halachot  des  Isaak  ibn  Gajjat,  dem  Sefer  ha  Ittim 
des  Jehuda  al  Barzeloni  oder  dem  Esclikol  des  Abraham  b.  Isaak 
aus  Narbonne;  iln-e  ausführlichen  Auszüge  aus  der  alten  Literatur 
haben  die  Gemeinden  vielfach  beeinflußt,  zur  Aufnahme  neuer  Bräuche 
und  neuer  Gebetformeln  veranlaßt.  Eine  Vereinigung  von  Gebettext 
und  Abhandlungen  über  den  Gottesdienst  bietet  erst  wieder  Maünunis 
M  i  s  c  h  n  e  T  0  r  a.  In  musterhafter  Ordnung  sind  dort  zunächst 
alle  Vorschriften  über  den  Gottesdienst  und  alle  Bräuche  zusammen- 
gestellt; als  Anhang  folgt  eine  Aufzeichnung  der  Gebete  für  das  ganze 
Jahr  (niirn  bD  ribsr  "iio),  die  von  den  Kopisten  später  verkürzt 
und  daher  nur  in  verstümmelter  Form  auf  uns  gekommen  ist.  In 
Ägypten,  vielleicht  auch  in  Palästina,  wurde  der  Gottesdienst  lange 
Zeit  nach  Mahminis  Ordnung  gehalten,  in  Yemen  wird  sie  bis  zum 
heutigen  Tage  dem  Gebetbuche  zugrunde  gelegt. 

In  Deutschland  und  dem  nördlichen  Franki'eich  ist  die  Entwick- 
lung ähnlich  gewesen.  Wie  sein*  es  in  der  Hand  anerkannter  Gelelu-ter 
lag,  die  Gebete  und  Bräuche  zu  »verändern,  zeigt  uns  das  Beispiel 
Isaak  ha  Levis  in  Worms,  von  dessen  Neuerungen  wir  melu'fach 
zu  berichten  hatten;  aller  Wahrscheinliclikeit  nach  wurden  ihm  neue 


I 


Siddiir  Kasein,    Machsor  \  ilry  363 

Quellen  über  den  Gottesdienst  bekannt,  die  ihn  zum  Eingreifen  ver- 
anlaßten.  Eine  GebeturdniiniL?  für  die  beiden  Länder  hat  erst  Rasehi 
oder  seine  Schule  verfaßt.  Raschis  Siddur  entspricht  den  Vorgängern 
darin,  daß  er  nur  die  Beschreibung  des  Gottesdienstes,  die  Erklärung 
der  Bräuche  bietet,  die  Texte  sind  nicht  in  ihm  zu  finden.  Hingegen 
war  der  Siddur  offenbar  als  Kompendium  für  das  religiöse  Leben  und 
die  Festzeiten  gedacht,  daher  werden  in  ihm  die  für  die  Sabbate  und 
Feiertage  geltenden  Bestimmungen  sehr  ausführlich  abgehandelt 
und  dargestellt.  Ganz  anderer  Art  wie  Raschis  Gebetordnung  ist  das 
aus  demselben  Kreise  stammende  M  a  c  h  s  o  r  des  Simcha  b.  Samuel 
aus  V  i  t  r  y.  Es  ist  nach  langer  Zeit  wieder  einmal  ein  Werk,  welches 
die  Gebetordnung  mit  dem  Texte  vereinigt;  neben  den  Regeln,  die  sehr 
häufig  wörtlich  aus  Amram  übernommen  sind,  finden  wir  die  Gebete 
mit  einer  Erklärung  ihres  Wortlauts,  die  Schriftvorlesungen  nebst 
aramäischen  Bearbeitungen  für  die  Festtage,  darül)cr  hinaus  ausführ- 
liche Beigaben  wie  die  Sprüche  der  Väter,  die  Grundzüge  des  Kalenders, 
Vorschriften  über  Herstellung  von  Ritualgegenständen  usw\  Endlich 
aber  finden  wir  dort  eine  große  Anzahl  von  gleichartigen  Poesien  ver- 
einigt, die  nach  Gruppen  getrennt  sind;  sie  zeigen,  daß  die  Hand- 
sclu-iften  damals  noch  mit  einem  reichen  Vorrat  von  Piutim  aus- 
gestattet wurden,  daß  sie  die  poetischen  Beigaben  nach  der  Reihe  der 
Gebetstücke  anordneten,  und  daß  es  dem  Belieben  des  Vorbeters  über- 
lassen war,  welche  Poesie  er  im  gegebenen  Augenblicke  gerade  zu 
verwenden  wünschte.  Li  dem  uns  erhaltenen  Anhange  unter  dem 
Titel  2"''j"'"'En  c""jrp  befinden  sich  nur  noch  poetische  Stücke  für 
Maarib.  Jozer  und  Mschmat,  aber  es  kann  kein  Zweifel  darüber  be- 
stehen, daß  einst  die  jetzt  fehlenden  Piutgattungen,  vor  allem  die 
Selichas  und  Kerobot,  ebenfalls  darin  standen. 

b.  In  solcher  Reichhaltigkeit  waren  später  die  Gebetbücher 
nicht  mehr  angelegt,  nur  in  den  besonderen  Sammlungen  von  Poesien 
hat  man  derartige  Mengen  von  Piutim  vereinigt,  im  übrigen  aber 
wurde  es  Sitte,  nur  diejenigen  Gebete  abzuschreiben,  welche  die  Ge- 
meinden nach  dem  bei  ihnen  herrschend  gewordenen  Ritus  (:":r) 
Nvirklich  verwendeten.  So  entstanden  zwei  Arten  von  Gebetbüchern; 
entweder  wurden  nur  die  Stammgebete  abgeschrieben,  und  zwar 
meist  für  den  Privatgebrauch,  wobei  sie  dann  bisweilen  mit  Tber- 
setzungen  versehen  wurden,  oder  umfangreichere  Sammlungen  von 
Stammgebeten  und  Piutim  hergestellt,  die  man  M  a  c  h  s  o  r  nannte. 


364  Geschichte   des    Gottesdienstes 

Durch  die  große  Masse  der  Piutim  ist  die  Verschiedenheit  im  Brauche 
der  einzehien  Gemeinden  und  Länder  besonders  deutlich  geworden, 
schon  im  10.  Jahrhundert  war  die  Gruppierung  der  Festgeljete  nicht 
mehr  überall  gleich,  von  da  ab  aber  gingen  die  Riten  immer  weiter 
auseinander,  weil  der  Geschmack  sich  verschieden  entwickelte,  und 
weil  die  Herrschaft  heimischer  Dicher  und  lokaler  Bräuche  den  Gottes- 
dienst entscheidend  beeinflußte. 

In  völlig  reiner,  einheitlicher  Überlieferung  hat  sich  nirgends  ein 
Ritus  erhalten.  Die  Vermischung  begann  schon  damit,  daß  die  von 
Babylonien  ausgehenden  Anordnungen  und  Gebetbücher  vielfach 
auf  alte  palästinische  Traditionen  stießen  und  mit  ihnen  eine  Ver- 
schmelzung eingingen.  Außerdem  haben  die  vielen  Wanderungen  be- 
wirkt, daß  die  verschiedenartigsten  Überlieferungen  zusammentrafen 
und  nebeneinander  bestehen  blieben.  Die  Gebetordnungen  der  ein- 
zelnen Länder  nahmen  verschiedene  Gestalt  an,  je  nachdem  das  eine 
oder  das  andere  Element  vorherrschte.  Am  meisten  vom  palästi- 
nischen Ritus  haben  die  Gebetordnungen  der  Balkanländer  bewahrt; 
fast  sämtliche  Psalmen  und  viele  Texte  der  Stammgebete  finden  sich 
dort  wieder.  Bereits  bedeutend  geringere  Überreste  sind  in  dem  in 
Italien  üblich  gewordenen  Ritus  bemerkbar,  nach  Deutschland  und 
Frankreich  konnte  verhältnismäßig  nur  noch  wenig  von  palästinischen 
Gebeten  gerettet  werden.  Der  babylonische  Einfluß  ist  in  der  spa- 
nischen Gebetordnung  fast  ausschließlich  maßgebend,  aber  auch  dort 
waren  nicht  überall  dieselben  Gebete  üblich,  in  Toledo  z.  B.  wurden 
viele  Texte  nach  palästinischem  Brauche  verwendet,  was  wahrschein- 
lich auf  den  Einfluß  von  Saadjas  Siddur  zurückgeht.  Überhaupt 
ist  zu  beachten,  daß  die  Riten  nicht  mit  wissenschaftlicher  Genauig- 
keit oder  auf  Grund  von  Quellenforschungen  künstlich  zusammen- 
gestellt wurden,  sondern  daß  sie  wild  wuchsen,  sich  nach  den  gerade 
vorherrschenden  Einflüssen  entwickelten,  daß  die  Grenze  nicht  immer 
sorgfältig  innegehalten  und  auch  das  Überwuchern  von  Unkraut  nicht 
immer  verhindert  werden  konnte.  Für  ihre  Ausgestaltung  war  häufig 
in  erster  Reihe  bestimmend,  woher  die  Gründer  der  Gemeinde  und 
einzelne  Lehrer  von  Ruf  kamen,  sowie  welche  Traditionen  sie  mit- 
brachten und  durchzusetzen  wünschten. 

Doch  nicht  an  den  Stamragebeten  wurden  die  Verschiedenheiten 
des  Gottesdienstes  deutlich,  sie  stimmten  in  der  Anordnung  und  im 
überwiegenden  Teile  des  Textes  überein,  die  Abweichungen  waren 


Die    I\itusgriij)pcii  365 

mir  i^i'lti'ii  und  nicht  Djorade  auffällig;  die  wirkliclion  Diffcron/cn 
stellten  sieh  erst  durch  di(>  Verwendung  des  Piut  ein.  Auch  der  l'iiit 
hatte  seitu'  Schicksale,  die  alten  Diciitungen,  besonders  Kalirs  Kdin- 
l)()sitionen  waren  in  alle  Länder  übertragen  worden,  die  Werke  der 
einheimischen  Dichter  hatten  sich  dann  zu  ihnen  gesellt  und  sie  mehr 
oder  minder  verdrängt.  Aber  auch  beim  Piut  blieb  die  Tradition  in  den 
seltensten  Fällen  einheitlich.  Umfangreiche  Kompositionen  wurden 
nicht  inmier  vollständig  beibehalten,  vieles  darin  wurde  weggelassen, 
sie  wurden  durch  Werke  anderer  Dichter  unterbrochen.  Wenn  die 
Gemeinden  neue  Dichtungen  kennen  lernten  uiul  (lefallen  daran 
fanden,  nahmen  sie  sie  auf,  ohne  nach  ihrer  Herkunft  zu  fragen,  die 
l'oesien  der  Spanier  fanden  überall  Eingang.  Es  trat  somit  eine  Ver- 
mischung der  Piuthn  ein,  dennoch  aber  blieb  der  Typus  einheitlich 
erhalten;  wie  in  den  Stammgebeten,  ergeben  sich  auch,  wenn  man  den 
Piut  betrachtet,  zwei   Gruppe  n. 

Die  in  den  Stammgebeten  verwandten  Eiten  der  Balkanländer, 
Italiens,  Frankreichs  und  Deutschlands  zeigen  auch  in  bezng  auf 
den  Piut  große  Ähnlichkeiten.  Sie  stimmen  zunächst  in  der  Art  der 
Ausstattung  der  Feste  und  vieler  ausgezeichneter  Sabbate  mit  Jozer 
und  Keroba  überein.  Die  Xamen  der  Dichter,  denen  man  in  ihnen 
l)egegnet,  sind  häufig  dieselben;  gewiß  sind  sie  im  einzelnen  durch 
Männer  aus  ihrer  Heimat  verschiedenartig  mit  Poesien  ausgeschmückt 
worden,  aber  vorherrschend  und  charakteristisch  bleibt  in  ihren 
Piut  im  der  Xame  Kalirs.  Die  Gleichartigkeit  der  Entwicklung  wird 
vor  allem  bei  der  Betrachtung  des  poetischen  Materials  für  einzelne 
besondere  Tage  kenntlich.  Am  9.  Ab  z.  B.  verwenden  die  genannten 
Gebetordnungen  sämtlich  die  K  i  n  o  t  Kalks.  In  den  einzelnen 
Ländern  und  den  verschiedenen  Gemeinden  desselben  Landes  gehen 
die  Bräuche  sehr  auseinander,  aber  die  Disposition  ist  doch  überall 
dieselbe.  Kalirs  Trauerzyklus  ist  am  reinsten  im  römischen  Gebet- 
buche bewalirt,  dort  findet  man  seine  Keroba  und  die  zu  ihrer  Er- 
weiterung verfaßten  Kinot  fast  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt;  der 
romanische  Ritus  hat  schon  mein-  fremde  Einschaltungen  auf- 
genommen. Der  deutsche  hat  in  seinem  westlichen  Teile  eine  andere 
Keroba  Kalirs,  im  östlichen  ist  selbst  diese  weggeblieben,  und  die 
Kinot  sind  von  der  Keroba  losgelöst,  aber  auch  im  deutschen  Ritus 
ist  der  Beginn  der  Kinot,  ihre  zusanmienhängende,  umfangreichste 
Gruppe  dem  Zyklus  Kalirs  entnommen.     Ähnlich  steht    es  mit  den 


3g6  Geschichte    des    Gottesdienstes 

H  0  s  c  h  a  n  0  t ,  die  genannten  Länder  haben  alle  entweder  aus- 
schließlich oder  zum  größten  Teil  kaiirisches  Material  aufgenommen. 
Am  Versöhnungstage  galten  in  alter  Zeit  nur  die  Selichas 
und  die  Sündenbekenntnisse  als  obligat,  die  Verwendung  einer  Keroba 
war  freigestellt.  Die  Zeit,  in  welcher  der  Piut  herrschte,  brachte  darin 
eine  Veränderung,  Keroba  und  Hymnen  stellten  sich  neben  die  Selicha, 
diese  selbst  wurde  in  poetischer  Form  bearbeitet,  Piutstoff  im  Selicha- 
gewande  vorgeführt,  jede  Tefilla  mit  einer  eigenen  Keroba  ausgestattet. 
Die  genannten  Länder  haben  ihren  Gottesdienst  am  Versöhnungstage 
in  durchaus  gleicher  Weise  ausgestaltet.  Jozer  und  Ofan  haben  sie 
gemeinsam,  auch  von  den  Kerobot  werden  mindestens  zwei  von 
ihnen  allen  verwendet,  wenn  auch  eine  davon  in  verschiedenen  Ge- 
beten, Die  Übereinstimmungen  zwischen  Italien  und  den  Balkan- 
ländern sind  wiederum  größer  als  die  mit  Deutschland,  aber  bei  allen 
Abweichungen  merkt  man  doch,  daß  die  Tendenz  dieselbe  war  und 
die  Verschiedenheit  nur  durch  die  Arbeit  der  einheimischen  Dichter 
so  groß  wurde.  Man  darf  das  Urteil  auch  nicht  ausschließlich  auf  den 
heute  vorhandenen  Bestand  gründen;  wenn  man  auf  die  alten  Hand- 
sclii'iften  zurückgeht,  so  wird  die  Übereinstimmung  in  den  Poesien 
noch  weit  klarer.  Gemeinsam  sind  den  genannten  Ländern  ferner 
einige  Stücke  im  Musafgebet,  so  z.  B.  das  bekannte  ripn  Snirri.  Die 
Abodapoesien  selbst  waren  verschieden.  Es  entsprach  altem  Her- 
kommen, daß  jedes  Land  eine  eigene  Aboda  verwendete,  aber  die 
ihnen  angehängten  Stücke  und  besonders  ihre  Fortsetzung  durch 
Selichas  zeigen  wieder  die  außerordentlich  nahe  Verwandtschaft. 

Ganz  anders  entwickelten  sich  die  Gebete  an  den  drei  erwähnten 
Tagen  im  spanischen  Ritus;  Spanien  hatte  allerdings  ebenfalls  keinen 
einheitlichen  Brauch,  man  muß  zumindest  zwischen  Katalonien 
und  Kastilien  unterscheiden,  aber  der  Grundzug  und  der  Aufbau 
sind  doch  dieselben.  Für  den  Fasttag  des  9.  Ab  sind  in  Spanien  die 
vielen  Psalmen  imd  die  allgemein  gehaltenen  Klagelieder  bezeichnend, 
von  Kalirs  so  reichhaltigen  und  ins  einzelne  gehenden  Ivlageliedern 
ist  dort  nichts  bekannt,  hingegen  werden  schon  die  ch*ei  Sabbate 
vor  dem  Fasten  mit  sehr  ausführlichen  Jozerkompositionen  bedacht. 
Ebenso  weicht  die  Hoschanaordnung  ab,  der  Aufbau  und  die  poetische 
Ausführung  sind  von  den  kaiirischen  völlig  verschieden.  Ganz  be- 
sonders aber  wird  der  Unterschied  am  Gottesdienste  des  Versöhnungs-, 
tages  klar.    In  den  mannigfachen  Gebetsammlungen  spanischer  Her- 


Die     Hiüisgru|ip('ii  367 

kuiilt  ist  bis  aiil  die  Aboda  viTsclnviiidcnd  wenig  ulU's  Material,  die 
poetische  Bearbeitung  der  Gebete  ist  durch  die  berühmten  ein- 
heimischen Dichter  ausgeführt,  ihnen  ist  der  Aufbau  des  Maamad 
eigentümlidi,  die  poetisclie  Selicha  wird  Bestandteil  der  zur  Keroba 
gehörigen  Dichtungen,  während  die  Selichot  im  eigentlichen  Sinne 
mit  iliren  schlichten  althergebrachten  Litaneien  auf  die  Tefilla  folgen. 
Für  einen  Teil  der  spanischen  (u'bel Ordnungen  ist  ferner  bezeichnend, 
daß  sie  das  poetisclie  Maaiib  nicht  kennen,  daß  sie  für  die  Wall- 
fahrtsfcstc  und  die  ausgezeichneten  Sabbate  weder  Jozer  noch  Keroba 
verwenden,  daß  die  aramäischen  Bearbeitungen  zur  Schriftvorlesung 
bei  ihnen  nicht  vorkommen;  in  einem  anderen  Zweige  der  spanischen 
Gebetordnung  wiederum  sind  auch  solche  Piutini  nicht  ganz  aus- 
geschlossen. Die  spanische  Gebetordnung  gewann  sehr  großen  Ein- 
fluß, sie  wurde  über  viele  Länder  verbreitet,  besonders  im  Norden 
Afrikas  haben  die  meisten  Gemeinden  die  Festgebete  nach  ihrem 
Muster  ausgestattet,  in  den  westlicheren  Teilen,  wie  Tripolis,  Ägypten 
war  allerdings  für  die  Stammgebete  Saadjas  Überlieferung  maßgebend. 
Den  Übergang  zwischen  den  beiden  Gruppen  bildet  das  südliche 
Frankreich.  Die  Provence  stand  mit  Spanien  ebenso  in  Verbindung 
wie  mit  dem  nördlichen  Frankreich,  in  ihren  Gemeinden  sind  daher 
zahlreiche  Entlehnungen  aus  beiden  Gruppen  sowohl  in  den  Stanmi- 
gebeten  wie  auch  in  den  Poesien;  die  Gelegenheiten  für  poetische 
Einschaltungen  sind  nach  dem  Muster  des  nördlichen  Frankreich 
gewählt,  die  Dichtungen  hingegen  vielfach  den  Arbeiten  der  spanischen 
Meister  entnommen. 

Die  Abgrenzung  der  Gebetordnungen  war  nicht  von  Anfang  an 
durchaus  streng  und  unverschiebbar,  selbst  innerhalb  eines  Ritus 
bestand  mehr  oder  weniger  Freiheit,  die  Zusammensetzung  der  Ge- 
meinden blieb  nicht  immer  gleich,  der  Geschmack  änderte  sich.  Dazu 
kam,  daß  bis  zum  Jalire  1150  die  Dichter  sehr  schöpferisch  waren, 
daß  daher  häutig  neues  ]\Iaterial  zum  Vorschein  kam.  Die  Zahl  der 
Piutmi  und  ihr  Inhalt  stand  durchaus  nicht  fest,  es  konnte  damit 
von  Zeit  zu  Zeit  gewechselt  werden.  Bis  auf  die  hohen  Feiertage 
hatte  walirscheinlich  in  den  meisten  Fällen  überhaupt  nur  der  Vor- 
beter eine  Sammlimg  von  Piuiim  zu  Hand,  die  Bestimmung  über 
ihre  Verwendung  war  ihm  vollständig  überlassen.  Besonders  die 
Auswahl  und  Anordnung  der  Selichas  war  ganz  beliebig.  Sowohl 
die  Zahl  der  Bibelverse  wie  ihre  Abteilung  als  auch  die  Einfügung 


368  Geschichte    des    Gottesdienstes 

des  poetischen  Materials  beruhten  auf  Willkür;  von  den  Fasttagen, 
an  denen  Selichas  zum  Vortrage  gelangten,  waren  nur  die  wenigsten 
fest  bestimmt,  die  meisten  wurden  durch  örtliche  Vorgänge,  durch 
Erinnerungen  der  Gemeinden  ins  Leben  gerufen,  ilu-e  Zahl  und  Be- 
achtung wechselte  nicht  allzu  selten.  Ebenso  wurden  die  Selichatage 
vor  den  ernsten  Tagen  nicht  in  gleicher  Weise  gehandhabt  und  ent- 
wickelt, in  manchen  Gegenden  wurden  wenige  Tage  dafür  verwendet, 
in  anderen  ein  ganzer  Monat.  In  Spanien  begnügte  man  sich  damit, 
gleichmäßig  an  allen  Tagen  die  alten  Litaneien  zu  wiederholen;  in 
den  anderen  Ländern  hingegen  arbeitete  man  poetische  Stücke  dafür 
aus,  aber  deren  Zahl  und  Lihalt  hingen  von  keinerlei  festen  Regeln 
ab,  sie  konnten  in  ganz  verschiedener  Weise  aufgenommen  werden 
und  den  Ritus  beeinflussen.  Von  derartigen  Einzelheiten  hing  die 
Gestaltung  der  Gebetordnung  ab,  daher  kam  es,  das  jeder  große 
Ritus  in  mehrere  Unterabteilungen  zerfiel. 

6.  Die  Wahrnehmung  der  zahkeichen  Abweichungen,  die  sich  an 
allen  durch  das  Herkommen  nicht  festgelegten  Stellen  des  Gebets 
von  Gemeinde  zu  Gemeinde  beobachten  ließ,  hatte  ihre  Sammlung 
und  schriftliche  Aufzeichnung  zur  Folge.  Es  entstand  eine  neue 
Literatur,  welche  einen  Einblick  in  die  Bewegliclikeit  einiger  Elemente 
des  Gottesdienstes  gewährt,  welche  gleichzeitig  aber  zur  Befestigung 
auch  der  bis  dahin  freien  Partien  beitrug.  Li  der  Besclu-eibung  der 
abweichenden  Bräuche  selbst  lag  zunächst  keinerlei  Zwang,  sie 
irgendwo  einzuführen  oder  zu  beol3achten,  aber  schon  die  Tatsache, 
daß  so  viele  Einzelheiten  mitgeteilt  wurden,  zeugt  davon,  daß  man 
ihnen  eine  große  Bedeutung  beilegte.  Spätere  Zeiten,  die  allen  Lite- 
raturdenkmälern der  Vergangenheit  einen  tiefen  Sinn  und  verbind- 
lichen Charakter  zuerkannten,  zogen  die  Konsequenz  daraus.  Tat- 
sächlich wurde  der  Brauch  eine  M  a  cht,  das  Tun  der  Vor- 
falu"en  wurde  mit  der  größten  Verehrung  und  Genauigkeit  ergründet: 
soweit  es  irgend  anging,  wurde  seine  Nachahmung  empfohlen.  Der 
Satz,  daß  „der  Brauch  sogar  anerkannte  Institutionen  verdrängt", 
die  Lehre,  ,.den  Brauch  der  Väter  nicht  zu  verlassen,  die  Übung  der 
Mutter  nicht  aufzugeben",  werden  immer  häufiger  und  immer  nach- 
drücklicher eingeprägt,  die  „Bräuche  und  Ordnungen"  oder  „der 
rechte  Brauch"  werden  nicht  nur  häufig  wiederholte  Redensarten, 
sondern  mit  der  Zeit  das  einflußreichste  Element  im  Gottesdienste. 
Gute  und  nachahmenswerte   Bräuche  werden   daher  frühzeitig  ge- 


ÖaininlDügon    von  Minhagim  369 

saininelt.  Ob  es  bcsondors  luM-vorranjiMulc  und  aiif^^-scliciu'  Männer 
waiLMi,  wie  der  Vorbeter  K.  Meir  in  Worms,  oder  die  Bräuche  be- 
ridiinter,  alteingesessener  Gemeinden,  wie  Köln,  Mainz  und  Speyer,  — 
sie  wurden  sorglaltig  registriert,  gesammelt,  und  den  künftigen  Ge- 
scliloclitern  als  liichtsclinur  empfoiilen.  Vorzugsweise  wurde  diese 
Literaturgattung  in  Deutschland  und  Frankreich  gepflegt.  Wichtig 
wurde  die  Sammlung,  welche  A  b  r  a  h  a  m  b.  N  a  t  h  a  n  aus 
Lunel  (■"ni'^n  "r:  '2  zn^ns«)  anlegte.  Er  war  in  der  Provence  geboren, 
hatte  seine  Jugend  in  der  bedeutenden  Gemeinde  Lunel  zugebracht, 
war  dann  später  nach  dem  nördlichen  Frankreich  und  zuletzt  nach 
Spanien  gewandert.  Überall  hatte  er  aufmerksam  beobachtet,  welche 
Bräuche  beim  Gottesdienste  befolgt  wurden,  an  den  besuchten  Lehr- 
stätten, an  denen  er  seine  Studien  pflegte,  hatte  er  wahrscheinlich 
auch  Genossen  aus  anderen  Ländern  getroffen  und  befragt,  und  so 
konnte  er  in  seinem  um  1205  in  Toledo  verfaßten  Buche  ab'"  S^nria, 
gewöhnlich  kurz  j'^'Z'Q  genannt,  mitteilen,  was  er  von  den  Bräuchen 
in  Nordfrankreich,  Westdeutschland,  Burgund,  Champagne,  Provence, 
England  und  Spanien  selbst  gesehen  oder  gehört  hatte.  Auch  aus 
der  Literatur  hatte  er  viel  Material  herbeigeschafft;  wie  es  scheint, 
hat  er  auch  große  liturgische  Sammlungen,  wie  das  Machsor  Vitry, 
abgeschrieben  und  mit  Glossen  versehen.  Seine  Arbeit,  für  den  Histo- 
riker eine  der  wert^'ollsten  auf  diesem  Gebiete,  fand  nicht  die  genügende 
Beachtung  und  eine  nur  sehr  schlechte  Überlieferung;  sie  wurde  viel- 
fach gekürzt  und  durch  Einfügung  aus  den  Werken  anderer  entstellt. 
Für  Deutschland  gewann  ]\I  e  i  r  von  Rothenburg  große 
Bedeutung,  seine  Bräuche  wurden  sorgsam  befolgt,  von  seinen 
Schülern  aufgezeichnet  und  weiter  überliefert.  Er  selbst  hatte  schon 
eine  Ordnung  der  B  e  n  e  d  i  k  t  i  o  n  e  n  zusammengestellt, 
das  meiste  Material  aber  ist  erst  von  seinen  Schülern  in  verschiedenen 
Werken  bearbeitet  worden;  Simson  b.  Zadok  schrieb  im  Jahre  1292 
das  Werk  f  nrr,  dessen  genauer  Umfang  infolge  der  sehr  verschieden- 
artigen Überlieferung  nicht  ganz  klar  ist,  Meir  ha  Cohen,  der  Sammler 
der  nir^iil2  n-:;n,  begleitete  den  von  Maimonides  gebotenen  Text 
der  Gebete  mit  Nachrichten  über  abweichende  Bräuche  in  Deutsch- 
end. Auch  in  den  späteren  Kompendien,  bis  zu  den  Turira  hinunter, 
wurde  ]\Ieir  von  Rothenburg  als  Vorbild  und  Muster  benutzt.  In 
Italien  verfaßte  Meirs  jüngerer  Zeitgenosse  Z  i  d  k  i  a  b.  Abraham 
las  Ritualwerk  "Jpb  ^:nc.    Die  „Ährenlese''  ist  zwar  ein  Kodex  des 

Elbogen.  Der  jüd.  Gottesdienst.  -^ 


370  Geschichte    des   Gottesdienstes 

gesamten  Ritualgesetzes,  sie  geht  aber  vom  öffentlichen  Gottesdienste 
aus  und  berücksichtigt  vorwiegend  diejenigen  Gebiete,  welche  mit 
ihm  zusammenhängen.  Der  Verfasser  läßt  seine  eigene  Meinung 
zurücktreten,  bietet  aber  dafür  sehr  ausführliche  Zitate  aus  ihm 
vorliegenden  älteren  Schriften,  er  sammelt  auch  die  Bräuche,  die  ihm 
zugänglich  sind,  und  hat  so  sein  Werk  zu  einem  außerordentlich 
nützlichen  und  lehn-eichen  gemacht.  Ähnliche  Arbeit  leistete  am 
Anfang  des  14.  Jahrhunderts  Ahron  ha  Cohen  b.  Jakob 
aus  Narbonne.  Er  war  aus  seiner  Heimat  vertrieben  worden  und  ver- 
faßte m  Majorca  sein  umfassendes  Buch  a^in  mrns,  dessen  erster 
Teil  ausschließlich  Fragen  des  Gottesdienstes  behandelt;  er  bemerkt 
ausdrücklich,  daß  das  Werk  Männern  dienen  soll,  die,  wie  er,  ilu-er 
Heimat  gewaltsam  entlassen  und  daher  ohne  Tradition  und  ohne 
Bücher  geblieben  sind.  Vorzüge  seines  Werkes  sind  Methode,  Reich- 
haltigkeit und  wörtliche  Anführung  der  Quellen,  unter  denen  die 
wertvollsten  Mitteilungen  aus  den  verloren  gegangenen  Partien  des 
S.  ha  Ittim  stammen.  Das  Werk  ist  später  von  einem  Schemarja 
b.  S  i  m  c  h  a  für  den  Gebrauch  der  Deutschen  verkürzt,  geändert, 
bisweilen  mit  anderer  Reihenfolge  der  Abschnitte  redigiert  und  unter 
dem  Titel  li  bD  vom  16.  Jahrhundert  ab  sehr  stark  verbreitet  worden. 
Für  die  spanischen  Juden  wurde  David  A  b  u  d  r  a  h  a  m  der 
Führer;  er  verfaßte  im  Jalu'e  1340  in  Sevilla  einen  Kommentar-  zum 
Gebetbuch,  der  wegen  seiner  Klarheit  und  Schlichtheit  rasch  gi'oße 
Beliebtheit  erlangte,  er  verband  damit  aber  auch  ]\Iitteilungen  über 
die  gottesdienstlichen  Gebräuche,  die  auf  diese  Weise  ebenfalls  weite 
Verbreitung  fanden. 

Die  bisher  genannten  iVutoren  hal3en  hauptsächlich  solche  Bräuche 
beschrieben,  die  sie  aus  der  eigenen  Beobachtung  kannten  oder 
wichtigen  älteren  Literaturwerken  entnahmen.  Je  melir  die  selb- 
ständige geistige  Tätigkeit  unter  den  Juden  zurückging,  je  mehr 
das  selbständige  Denken  durch  den  politischen  und  sozialen  Druck 
zurückgedrängt  wurde,  für  desto  wichtiger  galt  die  Sammlung  der 
Überlieferungen  der  Vergangenheit.  Man  verlegte  sich,  da  man  bessere 
und  größere  Arbeiten  zu  verfassen  nicht  die  Ruhe  und  den  Mut  hatte, 
auf  derartige  Sammlungen,  alle  Kleinigkeiten  und  Einzelheiten  im 
Gebete  und  in  den  gottesdienstlichen  Bräuchen  wurden  studiert  und 
festgelegt,  der  Übung  der  Vorfalu'en  wurde  eine  übertriebene  Bedeutung 
beigemessen.  Schon  Menachem  b.  Joseph  aus  Troyes  schrieb  1313  seinen 


ÜberschiUz         der  Minliagiiii  ;}7I 

'C-i-i-i-i-j  ^-ic  in  (lor  ausfjosprnclionoii  Absicht,  Anweisungen  darüber 
zu  geben,  wie  die  Vorbeter  den  Gottesdienst  nach  dem  rechten  Gebraucli 
der  Gemeinde  Troyes  halten  sollten,  damit  sie  nicht  unwissend  und 
einsichtslos  daständen,  nicht  wie  Narren  oder  Träumer  vor  Gott  hin- 
träten und  in  ihrem  wichtigen  Amte  schwere  Fehler  begingen.  Es 
folgen  nun  zehn  Abschnitte,  deren  lidialt  in  keinem  Verhältnisse 
zu  der  Wichtigkeit  steht,  die  dem  Bucht«  in  der  Vorrede  beigelegt  wird, 
sie  l)eziehen  sich  auf  solche  Gebete,  die  nicht  festslanden,  deren  Be- 
nutzung bis  dahin  dem  Belieben  der  Gemeinde  überlassen  war,  wie 
die  Verwendung  und  Stellung  der  Psalmen,  der  Tachanunim,  wie  die 
Gebete  bei  der  Toravorlesung,  die  genaue  Festsetzung  von  Sidra  und 
Haftara  sowie  endlich  die  Feststellung  von  Piut  und  Selicha.  Be- 
sonders grassierte  nach  der  Zeit  des  schwarzen  Todes  (1348  bis  1349) 
in  Deutschland  und  Österreich  jene  Plage,  die  mit  Recht  die  Krank- 
heit der  ]\[  i  n  h  a  g  i  m  genannt  worden  ist.  Durch  die  Zerrüttung 
in  den  Gemeinden  waren  frühere  Einrichtungen,  Bestimmungen  und 
Gewohnheiten  in  Vergessenheit  geraten,  man  stellte  infolgedessen 
Forschungen  darüber  an,  deren  Gründlichkeit  heute  mehr  als  ver- 
wunderlich erscheint.  Soweit  sie  sich  auf  die  Herstellung  des  Zu- 
sammenhanges mit  der  Tradition  bezogen,  soweit  sie  dazu  dienen 
sollten,  die  \ielfach  eingerissene  Unordnung  und  Mißwirtschaft  zu 
beseitigen,  mögen  sie  ihre  Berechtigung  gehabt  haben.  Sie  gingen  jedoch 
weit  darüber  hinaus  und  schenkten  auch  den  kleinlichsten  Dingen  und 
unwichtigsten  Gewohnheiten  eine  derart  übertriebene  Beachtung,  daß 
das  nur  als  krankhaft  und  als  trauriges  Zeichen  einer  Zeit  des  Ver- 
falles betrachtet  werden  kann.  Die  bekannteste  Aufzeichnung  von 
^linhagim  ist  diejenige,  welche  unter  dem  Xamen  des  R.  Jakob 
b.  M  0  s  e  s  M  ö  1 1  i  n  aus  Köln  (V'^nnia  1356  bis  1427)  verbreitet 
ist;  die  Sammlung,  welche  von  Salman  aus  St.  Goar  veranstaltet 
ist,  enthält  auch  die  Minliagim  des  R.  Schalom  aus  Wiener  Neustadt 
und  R,  Abraham  Klausner.  Es  ist  beachtenswert,  welche  Bedeutung 
der  Sammler  seiner  Arbeit  und  Forsclmng  beilegt ;  ich  habe  mir  Mühe 
gegeben,  so  schreibt  er,  und  mich  befleißigt,  genau  zu  beobachten 
welche  Sitten  und  Bräuche  der  Gottesmann  Jakob  Möllin  befolgte, 
auch  bei  Dingen,  die  sehr  einfach  und  selbstverständlich  erscheinen,, 
habe  ich  mich  nicht  gescheut,  ]\litteilungen  aufzunehmen,  um  dadurch 
zu  bekunden,  daß  er  sich  so  zu  vei'halten  pflegte,  denn  er  war  würdig,, 
daß  man  seine  Bräuche  befolgte,  wie  er  selber  Überlieferungen  vom 

24* 


372  Geschichte   des   Gottesdienstes 

berühmten  Meistern  hatte  und  mit  großer  Genauigkeit  ihnen  nach- 
zustreben pflegte.  Der  Schreiber  hält  sich  zwar  für  unwürdig,  ein 
derart  bedeutungsvolles  Werk  zu  verfassen,  da  aber  seine  Aufzeich- 
nungen von  anderen  ^'ielfach  benutzt,  gegen  seinen  Willen  verbreitet 
und  bekannt  gemacht  worden  seien,  habe  er  sich  schließlich  doch 
bereit  finden  lassen,  sie  zu  veröffentlichen  und  dadurch  einem  all- 
gemeinen Bedürfnis  entgegenzukommen.  Das  Resultat  jenes  genauen 
Studiums  der  Minhagim  war,  daß  nunmehr  alles,  was  überhaupt 
möglich  war,  festgelegt  wurde,  daß  jedes  Wort  genau  beachtet,  daß 
über  alle  Stellen,  an  denen  Zweifel  obwalten  konnten,  eingehende 
Forschungen  angestellt  wurden;  über  jeden  Jozer,  ja  sogar  über 
jede  Melodie,  die  in  einer  der  damaligen  großen  Gemeinden  am  Rhein 
oder  in  Österreich  oder  in  der  Umgebung  eines  der  berühmten  Lehrer 
in  Gebrauch  waren,  über  jede  Handbewegung  und  jede  Verneigung 
jener  Autoritäten  wurde  eingehend  und  sorgfältig  berichtet.  Der 
Fleiß  und  die  Mühe,  die  wu-  auf  jene  Kleinigkeiten  aufgewendet  sehen, 
hatten  ihren  Grund  in  der  unnatürlichen  Schätzung  der  Bräuche; 
„der  Brauch  ist  die  Hauptsache"  oder  ,,der  Brauch  unserer  Väter 
kommt  der  geoffenbarten  Lehre  gleich",  solche  Sätze  kann  man  in 
jener  Zeit  außerordentlich  oft  wiederholen  hören.  Das  Resultat  ist, 
daß  auch  die  letzte  Bewegungsfreilieit  aus  dem  Gottesdienste  ver- 
schwindet, daß  alle  Gebete,  alle  Sitten  und  Bräuche  literarisch  fest- 
gelegt werden.  Älit  der  Zeit  fanden  solche  Überlieferungen  immer 
mein-  Beachtung  und  Anerkennung.  Schon  im  S  c  h  u  1  c  h  a  n 
A  r  u  c  h  bildeten  die  Mnhagim  eine  außerordentlich  wichtige  Quelle 
für  die  Kodifizierung  des  Ritus,  und  je  melu"  Zeit  verfloß,  desto  stärker 
wurde  die  Macht  des  Brauchs,  schließlich  kam  es  dahin,  daß  jede 
Änderung  in  der  Überlieferung  der  Väter  als 
streng  verboten  erklärt  wurde.  So  wurde  die  Pflege 
der  Minhagim  ein  folgenschweres  Ül)el ;  in  ihrer  Wirkung  bewahrheitete 
sich  das  scharfe  Wort  eines  geistvollen  Lehrers  des  Mittelalters,  daß 
die  übertriebene  Pflege  der  Bräuche  für  die  Gemeinden  zur  Hölle 
werden  kann. 

7.  Besonders  verhängnisvoll  wurde  die  Festsetzung  aller  Einzel- 
heiten des  Brauches  dadurch,  daß  die  Überlieferung  der  Gebete, 
zumal  der  poetischen  Stücke,  keineswegs  zuverlässig  und  gut  ge- 
sichert war.  Das  konnte  auch  nicht  anders  sein,  weil  die  Schicksale 
der  Gemeinden  selbst  zu  unbeständig  waren.      Die  fortwährenden 


M.ingi'l  clor   handschriftlithen  ÜberlieftTung  373 

Austreibungen,  die  Vernichtung  großer  Gemeinden,  die  hastige 
Flucht,  i)ei  der  häufig  nur  das  nackte  Leben  und  selten  der  Besitz 
an  Büchern  gerettet  werden  konnte,  die  Verstümmelung  und  die 
Verbrennung  des  jüdischen  Schrifttums  bewirkten  nur  allzu  oft 
die  Vernichtung  der  Gebetbücher  und  der  in  ihnen  vorhandenen 
poetischen  Schätze.  Das  Beispiel,  das  von  der  Gemeinde  in  Worms 
berichtet  wird,  daß  dort  aus  einem  Brande  nur  ein  einziges  Exemplar 
des  Gebetbuches,  und  auch  das  nur  als  Bruchstück  gerettet  werden 
konnte,  so  daß  von  einem  Piut  nur  noch  die  Hälfte  vorhanden  war 
und  in  Zukunft  l)enutzt  werden  konnte,  wird  sich  häufig  wiederholt 
haben;  solche  unfreiwillige  Verstümmelungen  von  gottesdienstlichen 
Poesien  sind  nicht  allzu  selten  gewesen.  Dazu  kamen  andere  Fehler- 
(|uellen,  die  bei  der  handschriftlichen  Überlieferung  ganz  natürlich 
waren.  Die  Fehler  der  Abschreiber  spielen  dabei  verhältnismäßig 
die  geringste  Rolle.  Auch  daß  die  Gemeinden  häufig  Poesien  an 
anderen  Stellen  verwendeten,  wie  die  Autoren  beabsichtigt  hatten, 
durfte  noch  hingehen.  Bedenklicher  war  es  bereits,  wenn  sie  will- 
kürlich zu  lang  scheinende  Stücke  abkürzten;  ganze  Partien  in  den 
Piutim  wurden  überschlagen,  sie  wurden  infolgedessen  nicht  mit 
\'okalen  versehen  und  schließlich  gar  nicht  mehr  abgeschrieben, 
so  daß  sie  vollständig  aus  den  Handschriften  ausfielen.  Dasselbe 
Schicksal  erlitten  fast  regelmäßig  die  Bibelverse  innerhalb  der  Piutim, 
aber  auch  allzu  lange  Reime  oder  gar  ganze  Stücke  aus  Keroba- 
kompositionen  wurden  eigenmächtig  weggelassen  und  verschwanden  aus 
den  Gebetbüchern.  In  den  Handschriften  der  Spanier  überschlug  man 
die  Schlußstrophen  (5T^3),  häufig  auch  Jozer  und  Keroba,  in  denen 
der  Deutschen  ganze  Hälften  von  Neujahrshymnen,  so  z.  B.  die  in 
den  Poesien  mit  '\^'C7  Y'^  gegenübergestellten  Strophen  mit  "jms?  I'^'O, 
in  denen  mit  Tnbi«  nr7"c  diejenigen  mit  C":i<  r.rr?2  usf.  Nur 
in  ganz  seltenen  Fällen  wurden  solche  Stücke  ungekürzt  beibehalten. 
Namentlich  die  Gebetbücher  der  Provence  hatten  das  Schicksal, 
daß  verstümmelte  Poesien  in  ihnen  vereinigt  wurden,  sie  sind  besonders 
reich  an  derartigen  Bruchstücken  von  ganzen  und  halben  Strophen. 
Die  Auslassungen  in  den  Handschriften  waren  zahllos,  besonders 
bei  alphabetischen  Aufzählungen  oder  Litaneien  wurden  völlig  Avill- 
kürlich  ganze  Buchstabenreihen  gestrichen,  sämtliche  Zeilen  sind  fast 
in  keinem  Ritus  erhalten,  aber  auch  die  "Weglassungen  sind  ganz 
verschieden,  wie  es  auch  umgekehrt  vorgekommen  ist,  daß  derartige 


374  Geschiclite    des   Gottesdienstes 

Litaneien  nach  Belieben  verlängert  wurden,  so  daß  z.  B.  i:Db^  "i^ins? 
bald  in  22,  bald  in  44  Zeilen  vorliegt.  Die  Abkürzungen  von  Seliclias 
werden  schon  vom  12.  Jahrhundert  an  beklagt,  die  Teilung  der  poe- 
tischen Einschaltungen,  die  Vereinigung  der  Stücke  verschiedener 
Autoren  war  bei  ihnen  noch  leichter  herzustellen,  und  es  ist  auch 
von  dieser  Freiheit  sehr  häufig  Gebrauch  gemacht  worden.  Auch 
davor  scheute  man  sich  nicht,  Zusätze  zu  Gebeten  und  Piutim  anderer 
zu  verfassen;  mitunter  sind  aus  einer  Dichtung  einige  Strophen  ge- 
strichen und  dafür  kritiklos  andere  fremde  mitten  hineingesetzt 
worden.  Der  einzige  Trost  bei  all  den  ungeschichtlichen  Verstümme- 
lungen und  Zerstückelungen  der  Handscliriften  ist  der,  daß  sichtliche 
und  bewußte  Änderungen  der  Stammgebete  nur  in  äußerst  seltenen 
Fällen  vorkamen. 

8,  Selir  wichtige  Änderungen  in  der  Gestaltung  der  Gebetbücher 
traten  an  der  Schwelle  der  Neuzeit  ein.  Zunächst  wurden  sie  durch 
die  Wanderungen  und  Austreibungen  der  Juden  herbeigeführt,  bei 
denen  naturgemäß  meistens  die  Bücher  der  Vernichtung  anheimfielen. 
Die  plötzliche  Austreibung  der  Juden  aus  Spanien  hatte  zur  Folge, 
daß  die  Mitglieder  verschiedener  Gemeinden  sich  in  einer  Synagoge 
zum  Gebet  vereinigen  mußten.  Es  war  unmöglich,  daß  an  ihren 
neuen  Niederlassungen  besondere  Gottesdienste  nach  dem  Gebrauche 
von  Saragossa  und  Sevilla,  von  Toledo  und  Barcelona  usw.  ein- 
gerichtet wurden,  und  selbst  in  großen  Gemeinden  wie  Konstantinopel 
oder  Saloniki,  wo  anfangs  die  früheren  Bewohner  einer  Stadt  sich 
zum  Gottesdienst  nach  ihrem  Herkommen  vereinigten,  konnte  die 
Spaltung  nicht  dauernd  aufrechterhalten  werden,  mit  der  Zeit  wurde 
der  Gottesdienst  mehr  oder  minder  einheitlich.  Unter  fast  allen  aus 
Spanien  oder  Portugal  herstammenden  Juden  wurde  das  einfache 
kurze  Gebetbuch  von  Katalonien  eingefülu't,  auch  überall  im  Orient, 
wohin  sepharadische  Einwanderer  kamen,  wurde  es  herrschend.  In 
Deutsclüand  ging  es  ähnlich.  Es  war  ganz  ausgeschlossen,  daß  die 
nach  dem  Osten  zurückgedrängten  Juden  die  alten  Bräuche  von 
Sachsen  und  Schwaben,  von  Böhmen  und  Österreich  und  wie  die 
Unterscheidungen  sonst  hießen,  dauernd  beibehielten,  auch  ihr  Ritus 
wurde  einheitlich,  nur  ganz  wenige  große  Gemeinden,  wie  Prag  und 
Posen,  wie  Worms  und  Frankfurt  hielten  in  Einzelheiten  ilu'e  Sonder- 
überlieferungen aufrecht. 

Mindestens  ebenso  starke  Eingriffe  wie  die  Auflösung  der  Ge- 


Der    EinfluU    des  Buchdrucks  375 

iiu'iiuUMi  hatte  die  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  zur  Folge.  Es 
war  ganz  selhstverständlicii,  daß  zu  den  ersten  PreLk-rzeugnissen  in 
liel)räisclier  Sjjrachc  die  Gebetbüclier  geiuirtcn,  in  kurzer  Zeit  sind 
für  alle  Riten  Druckausgaben  des  Gebetbuchs  hergestellt  worden. 
Der  Buchdruck  brachte  eine  große  Umwälzung  auf  diesem  Gebiete 
mit  sich.  Nunnu^hr  ordneten  die  Drucker  an,  was  in  die  Gebet- 
sainnüung  aurgcnoninieu  werden  und  was  fortbleiben  sollte.  Sie 
waren  keine  Gelehrten  und  quälten  sich  auch  nicht  damit,  möglichst 
gute  Vorlagen  für  ihre  Ausgaben  zu  beschaffen;  der  Zufall  bestimmte, 
was  gedruckt  wurde,  in  den  meisten  Fällen  auch  die  Rücksicht  auf 
den  Absatz.  Der  Reichtum  der  Handschriften  war  für  die  Drucker 
eine  unnötige  Beschwerung,  sie  mußten  darauf  sehen,  daß  die  Bücher 
iiandlich  und  nicht  zu  teuer  waren,  und  sie  bescliränkten  daher  das 
aus  den  Handschriften  zu  entnehmende  Material,  soweit  es  irgend 
möglich  schien.  Die  Mannigfaltigkeit  der  Bräuche  mußte  ebenfalls  ein- 
gestellt werden,  da  es  nicht  lohnte,  für  jeden  kleinen  Kreis  von  Inter- 
essenten Gebetbücher  nach  seiner  besonderen  Überlieferung  zu  ver- 
öffentlichen. 

Auch  abgesehen  von  der  Willkür,  mit  der  die  Drucker  verfuhren, 
hatte  die  neue  Kunst  wichtige  Folgen  für  die  Entwicklung  des  Gottes- 
dienstes. Zunächst  eine  günstige,  denn  die  Tradition  wurde  nunmehr 
eine  weit  zuverlässigere  und  gesichertere.  Auch  die  Kenntnis  der 
hebräischen  Sprache  konnte  mein*  gefördert  werden,  der  Unterricht 
war  erleichtert,  das  Lesen  ohne  Schwierigkeiten  erlernbar.  Jetzt 
war  auch  die  Möglichkeit  vorhanden,  daß  jedes  Gemeindemitglied 
ein  Exemplar  des  Gebetbuches  in  die  Hand  bekam;  in  früheren  Zeiten 
waren  die  Handschriften  unerschwinglich  teuer  und  sehr  selten,  die 
Gemeindemitgiieder  hatten  nur  an  den  hohen  Feiertagen  Gebetbücher 
zur  Verfügung,  nach  größeren  Verfolgungen  verschwanden  die  vor- 
handenen Exemplare  meist  vollständig.  Nunmehr  aber  waren  die 
Gebetbücher  leichter  zu  beschaffen,  sie  verbreiteten  sich  immer  mehr, 
fast  niemand  in  der  Gemeinde  blieb  ohne  Gebetbuch. 

Eine  ungünstige  "Wh-kung  der  neuen  Vervielfältigung  war  die  Ver- 
schärfung der  kii-chlichen  Zensur  über  die  Bücher.  Schon  im  Mittel- 
alter waren  gegen  einzelne  Stellen  des  Gebetbuchs,  wie  "rrr  und 
z^rcb-abl,  wiederholt  Anklagen  vorgebracht  worden,  die  ilu-e  Änderung 
zur  Folge  hatten.  Nunmehr  aber  wurde  die  Aufsicht  über  die  hebräi- 
schen Bücher  schärfer,  die  Denunziationen  getaufter  Juden  wurden 


376  Geschichte   des   Gottesdienstes 

häufiger,  die  Inquisition  wurde  die  ,, Zuchtherrin  über  jüdische  Flüche 
und  Seufzer",  auch  die  Klage  über  Druck  und  Verfolgung  wurde 
„unter  Aufsicht  gestellt  und  war  doch  die  einzige  Freiheit,  deren 
Israel  sich  bewußt  geblieben".  In  den  Selichas  mußten  zu  scharfe 
Ausdrücke  geändert,  mitunter  ganze  Stellen  gestrichen  werden.  An- 
fangs wm'den  die  Lücken  durch  Z^\ischenräume  angedeutet,  sclüießlich 
aber  verschwanden  auch  sie,  „es  wurden  heimliche  Hinrichtungen". 
Die  Änderungen  durch  die  Zensur  arteten  bisweilen  zu  den  lächer- 
lichsten Ausschreitungen  aus,  über  die  es  schwer  ist  zu  schreiben, 
ohne  satyi'isch  zu  werden.  Schließlich  änderten  die  Juden  selbst 
häufig  die  Texte,  um  nicht  erst  dem  kirchlichen  Argwohn  und  den 
Strafen  zu  verfallen. 

Eine  andere  Fehlerquelle  war  die  ^Nachlässigkeit  und  geringe 
Bildung  der  Drucker  und  Setzer,  der  Gebettext  verwilderte  infolge- 
dessen gar  sehr.  Man  begreift  es  kaum,  daß  die  Eabbiner  derartige 
Mißstände  einreißen  ließen,  aber  sie  hatten  selbst  für  die  Sorgfalt  des 
Druckes,  für  die  Korrektheit  des  Ausdrucks  wenig  Verständnis,  sie 
hätten  wahrscheinlich  auch  nur  wenig  ausrichten  können.  Die  Vor- 
beter und  Jugendlelu'er,  welche  das  Feld  beherrschten,  hatten  und 
verbreiteten  eine  undeutliche  und  umichtige  Aussprache,  ihr  böses 
Beispiel  wurde  von  den  Druckern  befolgt.  Was  halfen  alle  Wehklagen 
von  gelelirten  und  gewissenhaften  Herausgebern  des  Gebetbuches, 
wie  Schabbatai  Sofer  aus  Lublin  (1611),  was  nützten  die  kühnen 
Änderungen  von  Spraclikennern,  wie  Salomo  Hanau  (um  1710) !  Die 
Zeit  hörte  nicht  auf  sie,  es  blieb  bei  dem  alten  mißbräuchlichen  Ver- 
fahren. Das  Herkommen  heiligte  alle  Fehler  und  ^beistände,  eine 
neue  Zeit  mußte  erst  kräftig  rütteln,  ehe  eine  Bessenmg  eintrat. 

Die  schlimmste  und  verhängnisvollste  Folge  der  geschilderten 
Entwicklung  aber  war  die  Anbetung  des  Buchstaben.  Sie 
ging  aus  frommer  Gesinnung  hervor,  aus  dem  Bestreben,  alles  treu 
nach  Vorschrift  zu  befolgen,  sie  war  eine  Steigerung  der  alten  Krank- 
heit der  Minhagim  und  mußte  noch  verheerender  wirken.  Gelehrte, 
die  es  nicht  verschmähten,  sich  mit  solchen  Fragen  zu  befassen,  wußten 
ja  wohl  darüber  Bescheid,  wieviel  Wert  sie  der  neuen  Autorität  bei- 
legen durften,  sie  waren  sich  über  die  vielen  Zufälle  klar,  welche  zur 
Entstehung  der  gedruckten  Gebetordnung  beigetragen  hatten.  Die 
Mehrzahl  der  Gelehrten  aber  nahm  das  Bestehende  als  berechtigt  hin, 
und  vollends  für  die  große  Masse  der  Unwissenden  war  das  in  ihrer 


i 


Mystik  und    Goltesclienst  377 

Hand  boliiKHiflio  (Ichcthiicli  l)in(li'ii(l('  Vorschrift,  von  der  ahzuvveichen 
ilir  Todsünde  schien.  Wanne  Teilnahme  konnte  niemand  i'iir  einen 
derartigen  Gottesdienst  liegen,  das  Herkommen  nnd  die  Vorschrift 
bedeuteten  in  ihm  alles,  die  persönliche  Andacht  trat  dahinter  zurück. 
Die  tötliche  Wirkung  der  Buchstabenverehrung  hat  dem  Gottes- 
dienste in  höchstem  Maße  geschadet,  denn  der  Geist,  der  ihn  hätte 
beleben  können,  war  el)enfalls  äußerst  ungesund.  Die  Versuche,  der 
Buchstabengläubigkeit  al)zidiellVn,  haben  bei  dem  völligen  Mangel 
an  allgemeiner  Bildung,  an  Zucht  und  Ordnung,  zu  derartigen  Aus- 
schreitungen geführt,  daß  an  der  Schwelle  der  Neuzeit  die  Form  des 
Gottesdienstes  völlig  unhaltbar  geworden  war. 

§  44.  Der  Einfluß  der  Mystik  auf  den  Gottesdienst. 

Literatur:  Zuiiz,  Kitas:  Pli,  Blocii  in  MS  XXXVII,  1893,  S.  18  tf.; 
IL,  19C5,  S.  129  fit'.;  Soliecliter,  Studies  in  Jiulaisin,  LS.  It!".;  II,  148  fT.; 
202  tt".  JE  Art.  Cahalu  III,  456  ft". ;  Chasidism  VI,  152  fif.;  Prayer  X, 
160  t^'. 

1.  „Ein  Gebet  ohne  x\ndacht  gleicht  einem  Körper  ohne  Seele." 
Mit  diesem  Ausspruche  ist  die  Andacht  als  das  Lebenselement  des 
Gebets  bezeichnet;  w^o  sie  fehlt,  verliert  es  seinen  Sinn,  wenn  es  nicht 
gar  zur  Gotteslästerung  herabsinkt.  Die  erste  Einrichtung  eines 
Gottesdienstes  ging  aus  dem  Bedürfnis  des  Gläubigen,  sich  zu  seinem 
Schöpfer  zu  erheben,  hervor,  auch  für  jede  spätere  bewußte  Erneuerung 
und  Veränderung  des  Gottesdienstes  ist  vornehmlich  das  Verlangen 
nach  Verstärkung  und  Vertiefung  der  Andacht  maßgebend.  Es  ist 
daher  in  den  Anfängen  des  Gottesdienstes  oder  einer  bestimmten 
gottesdienstlichen  Form  nicht  viel  von  der  Innerlichkeit  die  Rede; 
das  Moralische  versteht  sich  da  von  selbst.  Erst  wo  das  Gebet  zur 
Gewohnheit  geworden  ist,  wo  vorgeschriebene  Gebete  zu  festgesetzten 
Zeiten  eingerichtet  werden,  stellt  sich  die  Möglichkeit  der  Veräußer- 
lichung  ein.  Keine  religiöse  Gemeinschaft  kann  derartige  Veranstal- 
tungen entbehren,  eine  jede  sieht  sich  daher  von  Zeit  zu  Zeit  von  jener 
Gefahr  bedroht,  die  das  Gebet  zur  „angelernten  Menschensatzung" 
und  zum  bloßen  Lip])enwerke  macht.  Es  war  die  Aufgabe  der  religiösen 
Unterweisung,  der  Veräußerlichung  des  Gottesdienstes  mit  allen 
Mitteln  entgegenzutreten.  Neben  der  reichhaltigen  Literatur,  die  auf 
die  Herstellung  der  äußeren  Ordnung  hinarbeitet,  gibt  es  ein  nicht 
minder  umfassendes  Schrifttum,  das  sich  mit  der  für  den  Gottesdienst 


378  Geschichte    des   Gottesdienstes 

erforderlichen  Gesinnung  und  Andacht  beschäftigt.  Fast  stets  finden 
sich  beide  Forderungen  in  denselben  Scliriften  nebeneinander,  zum 
größten  Teil  aber  ist  die  Lelu^e  von  der  Verinnerlichung  des  Gottes- 
dienstes gar  nicht  kodifiziert,  nicht  zum  Gegenstande  der  Erörterung 
in  den  Schulen  gemacht,  dafür  aber  in  tausend  populären  Büchern 
betont  worden,  die  in  die  breitesten  Massen  eingedrungen  und  Gemein- 
gut geworden  sind.  Die  Mahnungen  der  Propheten  und  Psalmisten 
gegen  jede  Veräußerlichung  des  Gottesdienstes  klingen  durch  das 
gesamte  rabbinische  Schrifttum  hindurch,  die  erste  Anforderung  an  den 
Betenden  ist  überall  die  der  Andacht  n5lD.  ,, Andacht  ist  die  voll- 
ständige, innerliche  Hingabe  an  die  Verehrung  Gottes,  die  Verdrängung 
aller  anderen  Gedanken  aus  Herz  und  Seele,  so  daß  das  gesamte 
Innenleben  in  der  einen  Vorstellung  von  Gottes  Größe  und  Güte  sich 
konzentriert." 

2.  Neben  der  Forderung  der  Andacht,  die  selbst  für  nüchterne 
und  das  Intellektuelle  nicht  ausschließende  Religionslehrer  eine  selbst- 
verständliche ist,  gehen  jene  enthusiastischen  Bestrebungen  einher, 
die  vermittels  des  Gottesdienstes  eine  möglichst  hohe  Wirkung  zu 
erzielen  wünschen.  AUe  der  Mystik  ergebenen  Richtungen  be- 
trachten das  Gebet  als  eines  der  stärksten  und  wirkungsvollsten  Mttel 
zur  Herbeiführung  des  von  ihnen  ersehnten  Zustandes  der  unmittel- 
baren mystischen  Vereinigung  der  menschlichen  Seele  mit  der  Gott- 
heit. Es  hat  in  der  jüdischen  Religion  an  Strömungen  von  mehr  oder 
minder  deutlich  ausgesprochenem  mystischen  Charakter  niemals 
gefehlt,  sie  haben  auch  sämtlich  Einfluß  auf  den  Gottesdienst  aus- 
geübt, bald  in  der  Weise,  daß  sie  besondere  Vorkehrungen  zur  Hebung 
der  Andacht  veranlaßten,  bald  und  zumeist  nach  der  Richtung  hin, 
daß  sie  neue  Gebete  oder  gar  neue  Arten  des  Gebets  ins  Leben  riefen, 
die  von  ihren  schwärmerischen  Ideen  erfüllt  waren.  Der  Erfolg  ist 
den  Bestrebungen  der  Mystiker  nicht  stets  gleich  günstig  gewesen,  es 
hat  Zeiten  gegeben,  in  denen  sie  bei  den  offiziellen  Kreisen  geringe 
oder  gar  keine  Anerkennung  fanden,  während  sie  in  anderen  Epochen 
begeisterte  Zustimmung  erlangten;  die  Herzen  der  Massen  hingegen, 
in  denen  die  tiefe  natürliche  Sehnsucht  des  Menschen  nach  dem  Gött- 
lichen durch  geistige  Kultur  nicht  ausgeglichen  ist,  haben  sie  stets  im 
Fluge  gewonnen,  darum  konnte  den  von  ihnen  vertretenen  Ideen 
der  Zugang  zur  Synagoge  niemals  dauernd  verwehrt  werden. 

3.  Das  älteste  Beispiel  mystisch  gerichteter  Frommer  in  nach- 


Die  .Mystiker  der  gaoniiisclien  Zeil.  379 

biblischer  Zeit  bieten  (be  Essäer  und  Tlierapeiiteii,  in  denen  der  Geist 
inniger  Andacht  und  religiöser  Kontemplation  mächtig  war.  Es 
ist  eine  in  der  Wissenschaft  häufig  vertretene  Meinung,  daß  die  (Iruiul- 
formen  des  jüdischen  (lottesdienstes  von  den  Essäern  geschaffen 
worden  sind;  zuverlässige  Nachrichten  darüber  gibt  es  nicht,  und  die 
Wahrscheinlichkeit  si)richt  dagegen.  Nicht  zuletzt  zeugen  die  ruhige 
Heiterkeit,  der  von  jeder  Schwärmerei  freie  Inhalt  der  jüdischen 
Gebete  gegen  einen  et\Naigen  essäischeu  Ursprung.  >s'icht  alle  Frommen 
sind  freilich  von  jenem  Geiste  unberührt  geblieben,  es  fehlte  auch  in 
den  Reihen  der  Pharisäer  und  späteren  Habbinen  nicht  an  Betern, 
die  bei  jeder  Andacht  das  innere  Erleben  der  Gottheit  erstrebten. 
Zu  ihnen  gehören  jene  ,, Frommen  der  alten  Zeit"  (rpTn  ,2'^~^cn 
S'^rTCi^-in) ,  die  das  Hervorbrechen  der  ersten  Sonnenstrahlen  be- 
übachteten,  um  sofort  das  Bekenntnis  zum  Einig-Einzigen  sprechen 
zu  können  und  die  erst  eine  Stunde  in  andächtiger  Vorbereitung,  in 
frommer  Vertiefung  zubrachten,  bevor  sie  die  Tefilla  beteten.  Schwärmer 
und  Begeisterte  treten  vereinzelt  durch  das  ganze  Zeitalter  des  Talmuds 
auf.  Seine  Lehrer  sind  durchaus  nicht  immer  die  nüchternen  Formalisten, 
als  die  man  sie  kennt,  es  finden  sich  unter  ihnen  zahlreiche  Anhänger 
der  Lelu-e,  welche  das  Gebet  von  besonderen  Vorbereitungen  und 
begleitenden  Bewegungen  abhängig  macht,  damit  es  die  Gottesnähe 
vermittle;  sie  sorgten  dafür,  daß  die  Erörterungen  und  Vorschriften, 
welche  die  äußere  Ordnung  und  Korrektheit  des  Gottesdienstes  zum 
Ziele  haben,  nicht  das  Übergewicht  erreichten. 

4.  Als  geschlossener  Ki'eis  mit  einheitlichen  Bestrebungen  treten 
uns  die  ]\Iystiker  erst  in  der  Zeit  nach  dem  Abschlüsse  des  Talmuds 
entgegen.  Als  Reaktion  gegen  die  einseitige  Beschäftigung  mit  der 
Halacha  und  die  tjberschätzung  der  das  Herz  kalt  lassenden  Studien 
entstand  die  Bewegung  der  nnDTC  •'l^v.  Das  waren  Mystiker,  welche 
tagelang  fasteten,  den  Kopf  zur  Erde  hängen  ließen  und  dabei  allerlei 
Hymnen  murmelten,  um  auf  diese  Weise  des  Gottes  voll  zu  werden. 
Sie  nannten  das  „in  die  Mcrkaba  hinabsteigen";  die  Merkaba  (nc"^ 
nnr^i^)  ist  schon  bei  den  ]\Iischnalehrern  die  zusammenfassende  Be- 
zeichnung aller  esoterischen  Betrachtungen.  „Die  himmlischen  Vor- 
gänge, zumal  diejenigen,  welche  sich  gleichsam  um  Gott  unmittelbar 
abspielen,  die  Gruppierung  der  Himmelsscharen  nach  ihren  ver- 
schiedenen Rangstufen,  besonders  die  mannigfachen  Huldigungen, 
wie  sie  die  Ensel  dem  unsichtbaren  Gott  darbringen,  l)ilden  den 


380  Geschichte    des    Gottesdienstes 

Gegenstand  der  Merkaba."  Die  Gedanken  und  Bestrebungen  jener 
^Mystiker  sind  in  der  Hechalot-Literatur  niedergelegt,  in  der  Be- 
sclu*eibung  der  sieben  hiinmlisclien,  von  Engeln  erfüllten  Hallen,  die 
sie  in  ihrer  Verzückung  zu  sehen  und  zu  durchsclu-eiten  glaubten.  Den 
Inhalt  des  ältesten  auf  uns  gekommenen  Hechalot-Werkes,  der  mbD'^n 
-mn,  füllen  zum  großen  Teil  K  e  d  u  s  c  h  a  h  y  m  n  e  n  aus,  „eigen- 
tümliche Phantasiestücke  von  längerem  oder  kürzerem  Umfang,' 
welche  stets  auf  das  „Dreimal  heilig"  ausklingen.  Die  Hymnen  ent- 
belu-en  jedes  realen  Gedankens,  sind  aber  bisweilen  von  einer  glühenden 
Phantasie  durchströmt  und  werden  von  einem  übersprudelnden  Wort- 
schwall getragen."  Die  Engel,  ihr  Dienst  und  ihr  Lobgesang  vor  Gott 
spielen  dabei  die  Hauptrolle.  Zur  Bezeichnung  Gottes  wird  ein  selt- 
samer geheimnisvoller  iS^ame  verwendet.  Am  Schlüsse  des  Buches 
folgen  Lieder,  die  für  den  höchsten  Grad  der  Verzückung  bestimmt 
sind,  darunter  der  Hymnus  n:ir5?m  n"i?n,  der  in  fast  alle  Gebet- 
bücher übergegangen  und  in  jener  halbklaren  Wortfülle  gehalten  ist, 
die  für  die  Gebete  jener  Mystiker  charakteristisch  ist.  Der  schwär- 
merischen Gottesverehrung  der  Mystiker  entspricht  die  Häufung 
gleichbedeutender  und  gleichklingender  Worte,  die  wenig  besagen  und 
den  Gedankenfortschritt  nicht  fördern;  ilu-e  überschwenglichen  Hymnen 
legen  sie  am  liebsten  den  Engeln  in  den  Mund,  .deren  sie  ganze  Scharen 
neu  einführen  und  auftreten  lassen.  Sie  unterscheiden  sich  dadurch 
von  der  nüchternen  Frömmigkeit,  die  aus  Bibel,  Talmud  und  den 
alten  Gebeten  bekannt  und  mehr  nach  dem  Worte  der  Psalmisten 
„Dir  ist  Schweigen  Lobgesang"  orientiert  ist.  Bei  dem  Eifer,  den  die 
Mystiker  für  die  Verbreitung  ihrer  Ideen  an  den  Tag  legten,  ist  es 
begreiflich,  daß  sie  Einfluß  auf  die  Liturgie  gewannen.  Selbst  in  den 
Stammgebeten  sind  Stellen  zu  finden,  deren  übersprudelnder  Reichtum 
an  Worten  in  keinem  Verhältnis  zum  Inhalt  steht,  in  denen,  entgegen 
der  sonst  befolgten  Gewohnheit,  die  Engel  eine  große  Rolle  spielen. 
Am  deutlichsten  wird  das  bei  der  K  e  d  u  s  c  h  a  ,  dem  Lieblingsgebete 
jener  Kreise,  zu  dessen  eifriger  Pflege  und  Bekanntmachung  sie 
glaubten  von  Gott  selbst  aufgefordert  zu  sein,  wofür  sie  hofften  dank- 
bare Anerkennung  zu  erlangen.  Die  Keduscha  im  Jozer  trägt  alle 
Merkmale  ihrer  Eigenart  und  verdankt  ihnen  ihre  Aufnahme  in  das 
tägliche  Morgengebet  (vgl.  S.  66  f.);  auch  die  Mannigfaltigkeit  der 
Formeln  zur  Einleitung  und  Überleitung  der  Keduscha-Verse  in  der 
Tefilla  ist  nicht  ohne  ilu-e  Einwirkung  entstanden,  insbesondere  der 


Die   Mystik  in    Deiilscliland  3öl 

Ciodaiiko  der  Krone  "irD,  woU-lic  die  hiinmlischoti  Scharen  ^leiclizeitig 
mit  Israel  (Jott  veileilien,  ist  ein  echt  mystischer.  Neben  der  Keduscha 
geliört  das  K  a  d  d  i  s  c  h  zu  den  von  den  Ekstatikcrn  bevorzugten 
Gebeten:  der  Hymnus,  welcher  auf  den  Kern  des  Kaddisch,  auf  die 
Eidogie  i?3"i  n'cr  s«n"'  folgt,  überdies  im  Gegensatz  zum  vorhergehenden 
Teil  in  hebräischer  Sprache  gehalten  ist  und  keinen  Fortschritt  der 
Gedanken  zeigt  (nnrir"'i  Tinr"»  S.  94),  dürfte  gleichen  Ursprung  haben. 
Eine  ähnliche  Fülle  von  gleichliedeutenden  Worten  finden  wir  in 
Gebeten  wie  n^::^i  rrs?  (S.  22)  und  nnrc^  (S.  86);  daß  die  Zahl  der  Worte 
in  beiden  Fällen  gleichgroß  ist,  muß  ebenfalls  auffallen.  Auch  der 
Piut  blieb  von  der  Einwirkung  jener  Mystiker  nicht  frei,  Kalirs  Kcdu- 
schas  mit  ihren  an  die  Hechalot  erinnernden  eingehenden  Schilderungen 
der  Engel  sind  ein  klarer  Beweis  dafür.  Vielleicht  ist  überhaupt  das 
durch  die  Mystiker  wachgerufene  Verlangen  nach  Hymnen  für  die 
Ausbreitung  des  Piut  maßgebend  gewesen;  gewisse  häufig  wieder- 
kehrende Formeln  (wie  icip:  iDm  ,i::iir:  '\D2i  usw.)  machen  das 
sehr  Avahrscheinlich. 

5.  AVie  lange  die  Bewegung  der  n^ri'c  '^i^T'  im  Vordergrunde  ge- 
standen hat,  ist  nicht  bekannt,  so  viel  aber  steht  fest,  daß  die  mystischen 
Gedanken  weite  Volkskreise  für  sich  gewonnen  und  auf  viele  Jahr- 
hunderte eingewirkt  haben.  Eine  direkte  geradlinige  Verbindung  führt 
von  der  Mystik  der  gaonäisclien  Zeit  zu  den  ähnlichen  Bestrebungen, 
die  in  Deutschland  von  der  Mitte  des  zwölften  Jahrhunderts  an 
große  Bedeutung  gewonnen  haben.  Die  ,,G  e  h  e  i  m  n  i  s  s  e  der 
Gebete"  (nrsrn  rmc)^  die  damals  eine  gewaltige  Rolle  zu  spielen 
begannen,  werden  auf  einen  A  h  r  o  n  b.  S  a  m  u  e  1  zurückgeführt ; 
er  galt  ehedem  als  eine  „Erdichtung  der  Traditionarier",  heute  wissen 
wir,  daß  er  aus  Bagdad  stammte  und  etwa  um  850  nach  Italien  ge- 
langte, das  Land  seiner  ganzen  Ausdehnung  nach  durchstreifte  und 
schließlich  ebenso  geheimnisvoll  verschwand,  wie  er  gekommen  war. 
Sein  Lebensbild  ist  von  der  Sage  derart  ausgeschmückt  worden,  daß 
wir  die  wahren  Züge  nicht  mehr  zu  erkennen  vermögen,  aber  alle 
Berichte  schildern  ilm  als  einen  ungewöhnlichen  Mann,  der  vermittels 
des  geheimnisvollen  Gottesnamens  Wunder  ohne  Zahl  zu  wirken  ver- 
mochte. Man  begreift  es,  daß  er  als  „der  Vater  aller  Mysterien"  ver- 
ehrt wurde.  In  den  Kreisen  der  deutschen  ]\Iystiker  kursierte  ein 
Stanmibaum  der  Lehrer  der  j\Iystik,  dessen  einzelne  Namen  fraglos 
unrichtig  sind ;  mit  Sicherheit  läßt  sieh  nur  das  eine  daraus  schließen, 


382  Geschichte    des    Gottesdienstes 

daß  die  Tradition  die  Herkunft  der  Mysterien  aus  Italien  und  im 
letzten  Grunde  aus  Ahrons  dortigem  Aufenthalte  herleitete.  Offenbar 
hatten  die  Kalonymiden  (oben  S.  326)  bei  ihrer  Übersiedlung  die 
„Geheünnisse  des  Gebets"  mit  sich  gebracht  und  im  Schöße  der 
Familie  weiter  gepflegt,  bis  sie  durch  Samuel  und  Jehuda  „die 
Frommen"  eine  Macht  wurden. 

Samuel  der  Fromme  ( ipin  ü^-iz'-rb-p  to  vcnn  ba^-rr), 
1115  in  Speier  geboren,  und  sein  Sohn  Jehuda  (i"S  l^cnn  rrm-^ 
tT'npn  '^iüi^W),  1217  in  Regensburg  gestorben,  sind  die  Begründer 
der  Mystik  unter  den  Juden  in  Deutschland.  Die  Bewegung  war 
ebenfalls  eine  Reaktion  gegen  das  überhandnehmende  Talmudstudium, 
das  damals  nach  der  scharfsinnigen  Methode  der  Tosafisten  ausgebildet 
wurde.  ]^icht  daß  die  beiden  Frommen  Gegner  des  Talmuds  gewesen 
wären,  sie  waren  beide  anerkannte  Lelu'er  der  Halacha,  ilir  Streben  ging 
nur  dahin,  die  Forderungen  des  Gemüts  zur  Geltung,  ein  tief  erfaßtes 
Ideal  der  Frömmigkeit  und  Sittliclikeit  zur  Verwirklichung  zu  bringen. 
Beide  gingen  ihre  eigenen  Wege,  wichen  von  der  Richtung  ihrer  Zeit 
entschieden  und  bewußt  ab.  Was  uns  hier  angeht,  ist  ihre  Bewertung  des 
Gebets  und  des  Gottesdienstes.  Wälirend  für  die  Tahnudisten  die  Fröm- 
migkeit sich  in  erster  Reihe  in  der  Erforschung  des  Gesetzes  äußern 
mußte,  so  daß  sie  die  Zeit  für  das  Gebet  nach  Möglichkeit  abkürzten, 
betonten  die  Mystiker,  daß  das  Gebet  die  höchste  Äußerung  der  Fröm- 
migkeit wäre.  Sie  beruhigten  sich  jedoch  nicht  bei  der  hergebrachten 
Art  des  Gottesdienstes,  forderten  ^^elmehr  jene  enthusiastische 
Innigkeit  der  Beziehung  zu  Gott,  die  das  Gemüt  nur  in  einer  von 
der  Welt  abgewandten  Kontemplation  findet.  Das  echte  Gebet  ist 
ein  Aufsteigen  der  Seele  zu  Gott,  es  kann  daher  nur  in  einem  Zustande 
der  Ekstase  verrichtet  werden.  Von  dieser  Anschauung  ausgehend 
haben  die  beiden  „Frommen"  den  tieferen  Sinn  der  Gebete,  der 
bis  dahin  ein  geheimgehaltenes  Erbgut  ihrer  Familie  gewesen,  iliren 
Zeitgenossen  bekannt  gegeben.  Samuel  war  bemi  Tode  seines  Vaters 
noch  jung,  dieser  übergab  daher  die  „Anordnung  der  Gebete  und  ihren 
inneren  Sinn"  (niicm  nbsnn  iipr)  dem  Vorbeter  Eleasar  in  Speier, 
damit  er  sie  seinem  Sohne  im  reiferen  Alter  mitteilte;  Samuel  hat  dann 
mit  seiner  reichen  Phantasie  und  seinem  tiefen  Gemütsleben  die  Lehre 
gepflegt  und  durch  seinen  Sohn  fortgepflanzt.  Worin  die  Geheimleliren 
bestanden,  kann  man  aus  den  Kommentaren  zum  Gebetbuch  ersehen, 
die  beide  verfaßt  haben,  die  allerdings  durch  allerlei  spätere  Über- 


Dio  Mystik  in    Dontschland  383 

arbeit unooii  und  Zusätze  entstellt  worden  sind,  nieht  minder  aus 
ihren  Außerun<i;en  über  Andacht,  die  sich  im  Buche  der  Frommen  und 
in  den  Schriften  iines  Jüngers  Kleasar  aus  Worms  finden.  Kür  das 
Gebet  wird  die  tiefste  Innerlichkeit  und  aufrichtigste  Andacht  gefordert, 
das  Verhalten  im  Gotteshause  muß  der  Heiligkeit  des  Ortes  ent- 
sprechen, an  dem  wir  den  Herrn  der  ganzen  Erde  anbeten.  Die  Zeit- 
genossen liören  bittere  Worte  und  scharfen  Tadel,  weil  sie  sich  nicht 
immer  eines  solchen  Verhaltens  befleißigen.  Man  soll  nur  in  derjenigen 
Sprache  beten,  die  man  versteht;  das  Gebet  erfordert  Andacht,  die  ohne 
Verständnis  seines  Inhalts  nicht  möglich  ist.  Die  höchsten  sittlichen 
Anforderungen  werden  an  den  Vorbeter  gestellt,  Sittenreinheit,  Demut, 
Fneigennützigkeit  müssen  ihn  zieren,  er  muß  allgemein  beliebt  sein 
und  darf  mit  der  Gemeinde  nicht  in  Hader  liegen.  Er  muß  sein  Gebet 
verstehen,  nicht  durch  die  Schönheit  der  Stimme  glänzen  wollen^ 
sondern  der  Andacht  der  Gemeinde  dienen,  Wahrhaftigkeit  und 
Ergriffenheit  muß  der  Grundzug  seines  Gebetes  sein;  wer  nicht  Not 
leidet,  oder  wer  an  Teuerung  der  Lebensmittel  ein  Interesse  hat,  soll 
nicht  den  Vorbeter  spielen,  wenn  bei  Dürre  um  Regen  gebetet  wird; 
wer  nicht  zu  Tränen  gerührt  ist,  soll  nicht  Selichas  vortragen,  in  denen 
der  Beter  sich  als  weinend  bezeichnet.  Der  kunstvolle  Piut,  bei  dem 
die  Verfasser  auf  das  Außenwerk,  den  „unjüdischen"  Reim,  den  Nach- 
druck legen,  wird  daher  verworfen;  die  Mystilver  sind  nicht  grund- 
sätzliche Gegner  des  Piut,  aber  sie  kennen  zu  viele  Dichtungen,  die 
ihr  Mißfallen  erregen.  Sie  haben  selbst  religiöse  Gesänge  verfaßt, 
Samuel  die  Hoschana  ns^ns  ]iT2n  35?  r^innD,  von  der  nur  zwei  Zeilen 
und  die  zugehörigen  Bibelverse  am  Ende  in  den  Gebetbüchern  ver- 
bheben sind;  Jelmda  werden  ebenfalls  einige  Gebete  zugesclniebeii, 
ohne  daß  sich  Sicheres  darüber  aussagen  läßt.  Wie  alle  Mystiker  waren 
sie  Freunde  von  Hymnen,  einer  der  ausführlichsten  und  zugleich  er- 
habensten im  Gebetbuche,  der  Einheitsgesang  ("irTin  "iir  S.  81),  wird 
dem  Vater,  der  Schluß,  das  Lied  von  der  Heniiclikeit  Gottes  ("l2Dn  i'^C), 
dem  Sohne  zugesclmeben.  Da  die  Lehre  von  der  Herrhchkeit  Gottes 
{'^22)  den  Mittelpunkt  der  Theosophie  Jehudas  bildet,  ist  an  der 
Überlieferung  nicht  zu  zweifeln,  zumindest  aber  muß  die  Dichtung 
aus  ihrem  Jüngerkreise  hervorgegangen  sein.  Andere  Hymnen  sind 
wahrscheinlich  verloren  gegangen,  denn  das  Buch  der  Frommen 
spricht  ausdrücklich  von  neu  verfaßten  Gebeten.  Die  Hauptsache 
aber  blieb  die  Erzielung  der  Andacht  beim  überlieferten  Gebet.  Durch 


384  Geschichte   des    Gottesdienstes 

die  gesamte  Mystik  geht  ein  konserv^ativer  Zug,  sie  will  die  Tradition 
nicht  beseitigen,  sie  will  sie  nur  mit  jenem  Geiste  der  Frömmigkeit 
erfüllen,  den  sie  beim  Gebet  fordert.  Die  Mittel  zur  Erhebung  der 
Seele  in  den  ekstatischen  Zustand  sind  Anrufungen  von  Engeln,  mit 
denen  die  ganze  Welt  bevölkert  gedacht  wd,  und  mit  denen  der 
Fromme  in  ständigem  Verkehr  steht,  Verwendung  geheimnisvoller 
Gottesnamen,  künstlicher  Alphabete.  Die  Buchstaben  haben  ihre 
tiefe  Bedeutung,  in  den  Gebeten  steht  keiner  zu  viel  und  keiner  zu 
wenig,  mit  ihrer  Zahl  und  Anordnung  ist  ein  geheimer  Sinn  verbunden. 
Die  Frommen  in  Deutschland  pflegten  daher  die  Zahl  der  Worte  und 
Buchstaben  in  den  Benediktionen  der  Tefilla  zu  zähle  n,  sie  schärften 
auch  ein,  daß  man  nicht  ein  Zeichen  hinwegnehmen  oder  hinzutun 
dürfte,  da  alles  in  bestimmter  Absicht  so  angeordnet  wäre,  daß  jeder, 
der  an  den  ,, hochheiligen"  Gebeten  Änderungen  vornähme,  vor  Gottes 
Richterstuhl  Rechenschaft  darüber  ablegen  müßte.  Was  die  Meister 
nur  angedeutet,  hat  ihr  Jünger  Eleasar  b.  Jehuda  in  seinem  Werke 
,,Rokeach"  den  weitesten  Kreisen  in  breitester  Ausfülirlichkeit  vor- 
getragen; durch  ihn  ist  die  Mystik  der  deutschen  Juden  populär,  die 
Kunst,  wie  man  „die  Mauer  vor  dem  geistigen  Auge  entfernte,  um 
die  Gottheit  zu  schauen",  allgemein  bekannt  geworden.  Die  Schar 
der  Schwärmer,  die  Sehnsucht  nach  Visionen  wuchs.  Es  fehlte  auch 
nicht  an  nüchtern  Denkenden,  die  das  gewaltsame  Hervorrufen  der 
Verzückungen  tadelten,  weil  jener  Zustand  nicht  immer  erreicht 
würde  und,  selbst  wenn  es  geschähe,  die  Seele  nachher  wiederum  in 
ihren  verwirrten  Zustand  zurücksänke.  Gewiß,  es  lag  in 
der  ganzen  Richtung  eine  krankhafte  Überspannung,  es  felilte  der 
Zeit  an  Klarheit  und  Besonnenheit  des  Denkens,  es  mischte  sich  darum 
auch  allerhand  Aberglauben  ein,  aber  das  eine  ist  nicht  zu  leugnen, 
daß  hier  ein  weit  über  das  Gewöhnliche  hinausgehendes  Ideal 
lauterster  und  innerlichster  Frömmigkeit  gelelu-t 
wird.  Es  hat  die  deutschen  Juden  lange  Zeit  beherrscht  und  iliren 
Seelen  selbst  in  den  trübseligsten  Zeiten  eine  hohe  Schwungkraft  ver- 
liehen; im  Gebet  vergaßen  sie  sich  selbst  und  ihr  Unglück,  fülilten  sie 
sich  ganz  eins  mit  ihrem  Vater  im  Himmel. 

6.  Andere  Wege  als  die  deutsche  Mystik  ging  die  in  der  Provence 
entstandene  und  hauptsächlich  in  Spanien  ausgebildete  K  a  b  b  a  1  a; 
sie  war  der  Rückschlag  gegen  den  Rationalismus  der  besonders  durch 
die  Schriften  Maimunis  verbreiteten  aristotelischen  Philosophie,  gegen 


Die  spanisclie  Kabbala  385 

die  Vcil'liichligiing  des  JiulciUiinis  in  tlicorctisclii'  SpekulatioiHMi. 
Ihr  Interesse  war  daher  zunächst  ein  theoretisches,  die  Lehre  von  der 
rnvergleichlichkeit  Gottes  und  (h'r  KinMiiation  der  Sephirot  stand 
im  Vordert^Munde.  Die  Mainuinislen  hatten  aber  auch  durch  ihre  aUe- 
«ijorisdie  Aush'o;nni!;  des  jüdischen  Zereinoniaigesetzes  Anstoß  gi'geben, 
und  es  war  natürlich,  daß  die  Gegenströmung  seine  Bedeutung  wieder 
stark  betonte.  Der  Ausübung  der  Zeremonien  wurde  eine  magische 
Wirkung  zugesprochen,  sie  trägt  zur  Erhaltung  des  Weltalls  bei  und 
wendet  der  Erde  den  Segen  aus  der  "Welt  der  S])liären  zu.  Ganz  be- 
sondere Wichtigkeit  erhält  das  Gebet,  man  muß  es  nach  seiner 
tieferen  Bedeutung  erfassen  und  sorgfältig  nach  der  Vorschrift  ver- 
richten, weil  das  Gebet  die  Gnadenfülle  herbeizieht,  die  von  Gott  aus- 
geht. Nicht  direkt,  sondern  vermittels  der  Sphären,  der  Mensch  müßte 
sich  daher  genau  nach  der  Tradition  richten,  denn  nur  auf  diese  Weise 
könnte  er  in  rechter  Weise  auf  die  höhere  Welt  einwirken.  Es  dauerte 
nicht  lange,  bis  auch  in  Spanien  die  praktische  Mystik  bekannt  und 
mit  der  theoretischen  verschmolzen  wurde,  im  Buche  S  o  h  a  r ,  das 
um  1300  entstand,  ist  die  Vereinigung  bereits  vollzogen.  ]\un  werden 
alle  Mittel  zur  Erzielung  der  Ekstase  em})fohlen,  die  wir  von  den 
deutschen  Mystikern  her  kennen.  Engelanrufungen,  Buchstaben- 
verdrehungen, hypnotische  Bewegungen,  alle  Vorkehrungen,  die  dazu 
führen,  die  menschliche  Seele  in  den  Hinmiel  zu  versetzen  und  ilir  das 
Schauen  der  überirdischen  Herrlichkeit  zu  ermöglichen.  Selbstver- 
ständlich war  es  wiederum  das  Gebet,  dem  unter  den  Mitteln  zur 
Vereinigung  der  höheren  und  niederen  Welt  die  erste  Stelle  eingeräumt 
wurde.  „Was  der  zündende  Funke  für  den  Brennstoff  bedeutet,  das 
leistet  das  Gebet  für  die  Erhebung  des  Menschen  zur  Welt  des  Lichtes." 
Die  Engel  als  Leiter  der  Sphären  sind  zur  Aufnahme  des  echten  Gebets 
bereit,  Sandalfon  windet  daraus  eine  Krone  für  den  unendlichen  Gott, 
Metatron  veranlaßt  seine  Belohnung  durch  Verleihung  des  himm- 
lischen Segens.  Die  Anschauung  des  Sohar  von  der  Bedeutung  des 
Gebets  hat  die  Würdigung  des  Gottesdienstes  außerordentlich  gehoben; 
in  einer  Zeit,  in  der  die  Gebildeten  dem  überlieferten  Gottesdienste 
gleichgültig,  die  gi'oßen  Massen  verständnislos  gegenüberstanden,  hat 
sie  ilmi  neue  Werte  beigelegt,  eine  Art  Apotheose  geschaffen.  Die 
phantastischen  Gedanken  des  Sohar  haben  zahllose,  vom  Leben  nieder- 
gebeugte Menschen  den  Qualen  des  Diesseits  entrückt,  die  Verzückung 
beim  herkömmlichen  Gebet,  bei  der  Lektüre  der  vielen  kabbalistischen 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  •^0 


386    ■  '  'Geschichte  des  Gottesdienstes 

Hymnen  haben  ilmen  mitten  in  der  Höllenpein  ihres  Daseins  eine 
Vorahnung  der  himmlischen  Freuden  bereitet.  Darüber  darf  man 
freilieh  die  schweren  Schädigungen  nicht  vergessen,  welche  die  kab- 
balistische Theorie  der  jüdischen  Frömmigkeit  bereitet  hat.  Das  Gebet 
wurde  durch  sie  ein  Werkzeug  zm'  gewaltsamen  Herbeiziehung  wunder- 
barer Wirkungen;  die  Einführung  von  Mittlern  z^vischen  Gott  und  den 
Menschen  bedeutete  einen  der  verhängnisvollsten  Rückschritte  in  der 
Geschichte  der  jüdischen  Religion,  allem  Aberglauben  wurde  durch  die 
neue  Lehre  Vorschub  geleistet. 

7.  Man  versteht  es,  daß  imter  dem  Einflüsse  der  beiden  mystischen 
Strömungen  die  Sorgfalt  in  der  Feststellung  der  Überlieferung  des 
Gebets  so  selu*  zunahm.  Wenn  wirklich  von  jedem  Worte  und  jedem 
Buchstaben,  von  jeder  Bewegung  und  jeder  Wendung  so  unüberseh- 
bare Wirkungen  abhingen,  so  mußte  in  der  genauesten  und  peinlichsten 
Weise  die  korrekte  Überlieferung  und  die  rechte  Art  des  Gebets  er- 
forscht imd  gelehrt  werden.  Daß  die  Bräuche  trotzdem  in  zahlreichen 
Punkten  voneinander  abwichen,  hätte  in  emer  Zeit  gesunden  Denkens 
und  starken  Geisteslebens  zur  Erschütterung  jener  Lelu^en  füliren 
müssen,  solchen  Erwägungen  aber  war  jene  Epoche  des  Niederganges 
weniger  zugänglich  als  je  eine.  Die  Unsicherheit  des  Lebens,  die  Un- 
gewißheit, welche  Sorgen  und  Gefahren  schon  der  nächste  Tag  bringen 
konnte,  machten  eine  Erhebung  des  Gemütes,  wie  sie  durch  die 
frommen  Übungen  der  Kabbalisten  gegeben  waren,  selir  erwünscht. 
Je  melu-  das  geistige  Leben  zurückging,  je  befestigter  die  Stellung  des 
Sohar  als  eines  „heiligen  Buches"  wurde,  desto  größeren  Einfluß 
gewannen  seine  Lehren  auf  das  Leben.  Einen  besonders  günstigen 
Boden  fand  er  nach  der  Vertreibung  der  Juden  aus  Spanien  im  Heiligen 
Lande,  in  der  neugebüdeten  jüdischen  Gemeinde  in  Safed.  Selten  hat 
der  Zufall  auf  engem  Räume  so  viele  begeisterte  und  begabte  Anhänger 
einer  Lehre  vereinigt,  wie  damals  im  kabbalistischen  Kreise  von  Safed. 
Die  ganze  Luft  war  von  mystischen  Gedanken  getränkt,  ein  großer 
Kreis  bereit,  die  aus  ihnen  sich  ergebenden  praktischen  Forderungen 
zu  erfüllen.  Es  war  eine  Stadt  der  ,,Heüigen  und  Männer  der  Tat", 
geführt  von  hochangesehenen  Tabnudisten  wie  David  ibn  Simra  imd 
Joseph  Karo,  von  beliebten  Predigern  wie  dem  „heiligen"  Moses 
Alscheich  und  Abraham  ha  Levi  Beruchim,  von  Dichtern  und  Schwär- 
mern wie  Salomo  al-Kabbez  und  Moses  Kordovero.  Sie  alle  aber 
überragte   Isaak  Lurja,   dem  eine  kurze  Lebenszeit  von  nur 


Die  lurjanische  Mystik  387 

38  Jalirt'ii  und  ein  mir  zweijälirigor  AulVntlialt  in  Safcd  (1570  l)is  1572) 
eine  jSioiadezu  j^ött liehe  Verehrung  einzutragen  genügten.  Isaak  Lurja 
wur(U'  die  Sonne,  die  alle  anderen  Sterne  von  Safed  verdunkelte;  an 
seinen  Xanien  knüpft  die  neue  Kabbala  an,  die  überall,  wo  Juden 
wohnten,  Verbreitung  fand;  die  Anordnungen  des  heiligen  ,,Ari'\  das 
ist  der  Name  Lurjas  bei  seinen  Anhängern,  genießen  noch  heute  bei 
allen  Juden,  die  von  den  religiösen  Bewegungen  der  Neuzeit  unberührt 
geblieben  sind,  ein  unvergleichliches  Ansehen.  Isaak  Lurja  hat  auf 
der  Grundlage  des  Sohar  ein  neues  System  begründet,  aber  das  eigent- 
liche Ziel  seiner  Lehre  und  des  gesamten  Kreises  von  Safed  ist  ein 
üiieraus  praktisches,  nämlich  die  Zeit  der  Erlösung,  in  der  die  Welt- 
ordnung ihre  Vollkommenheit  erreicht  (pprn  2b"i"),  vorzubereiten. 
Es  ist  ein  hohes  sittliches  Ziel,  das  sie  anstreben,  in  Safed  hat  sich  eine 
Art  Orden  gebildet,  der  von  seinen  Mitgliedern  die  erhabensten  mensch- 
lichen ,  fast  übermenschlichen  Tugenden  fordert,  eine  reuevolle 
Stimmung,  die  den  ganzen  Menschen  ergreift  und  innerlich  verwandelt. 
Unter  den  frommen  Übungen  der  Mystiker  von  Safed  spielen  wiederum 
gottesdienstliche  Versammlungen  und  Gebete  eine  hervorragende 
Rolle,  dort  sind  neue  gottesdienstliche  Einrichtungen  geschaffen 
worden,  die  ihren  Weg  durch  alle  Länder  machten.  Das  Gebet  ist  für 
Lurja  eine  der  wichtigsten  Funktionen  des  Lebens;  vermöge  der 
innigen  Gemeinschaft  mit  Gott  wird  der  Mensch  das  Behältnis  für  einen 
neuen  Abglanz  des  göttlichen  Lichtes  und  eine  neue  Ausstrahlung 
seiner  Gnade.  Jeder  Laut  im  Gebet  hat  neben  der  wörtlichen  seine 
tiefe  geheimnisvolle  Bedeutung;  wer  das  Gebet  ohne  Andacht  spricht 
oder  durch  unreine  Gedanken  entweiht,  hält  das  Eintreffen  der  Er- 
lösungszeit auf.  Darum  werden  für  das  Gebet  besondere  Vorbereitungen 
angeordnet,  r^:"D,  d.  h.  W^orte  zur  Konzentration  der  Gedanken  beim 
Gebet  auf  einen  bestimmten  Gottesnamen,  und  2"^~":ni,  d.  i.  die  Art 
und  Weise,  den  für  jede  besondere  Gelegenheit  geeigneten  Gottes- 
namen in  der  Wortzusammensetzung  eines  Gebets  hervortreten  zu 
lassen  und  auszusprechen.  Den  Anhängern  des  mystischen  Ki'eises 
von  Safed  wurde  es  zur  Pflicht  gemacht,  sich  alltäglich  mit  einem  der 
Genossen  zu  vereinigen  und  über  die  rechte  Art  der  Gottesverehrung 
auszusprechen.  Nicht  zufrieden  mit  den  drei  täglichen  Gebetszeiten, 
deren  regelmäßiger  Besuch  ihnen  ernsthch  ans  Herz  gelegt  wurde, 
führten  sie  einen  neuen  Gottesdienst  zu  Mitternacht  ein  (msn); 
sie  erschienen  an  allen  Wochentagen  in  Trauerkleidung  in  der  Syn- 

25* 


3gg  Geschichte  des  Gottesdienstes 

agoge,  setzten  sich  auf  die  bloße  Erde,  stimmten  Klagen  über  die 
Zerstörung  des  Tempels  und  die  Zerstreuung  Israels  an  und  schlössen 
mit  einem  Bekenntnisse  ihrer  Sünden,  deren  schwere  Last  die  Er- 
lösung immer  wieder  hinausschob.  Am  Vorabend  des  Sabbats  sollte 
ein  jeder  über  sein  Tun  während  der  ganzen  "Woche  Rechenschaft 
ablegen,  dann  festlich  gekleidet  hinausgehen  aufs  Feld  oder  in  den 
Hof  der  Synagoge,  dort  das  Hohelied,  verschiedene  Psalmen  und 
den  Gesang  -'"'n  rcb  vortragen,  um  die  ,, Prinzessin  Sabbat"  würdig 
zu  empfangen  (S.  108).  Das  ganze  Leben  wurde  als  ein  ständiger 
Gottesdienst  betrachtet,  die  Lehrer  der  Kabbala  streiften 
mit  ihren  Jüngern  in  der  Umgegend  umher  und  sangen  Hymnen, 
Lehrer  ■s\^irden  herumgeschickt,  die  den  Frauen  und  Kindern  Unter- 
richt in  den  Gebeten  und  Gesängen  erteüten.  Am  Tage  vor  dem 
Xeumonde  hielten  sie  ein  Fasten  mit  Gebeten  und  Selichas  wie  an 
jedem  biblischen  Fasttage  und  mit  Selbstpeinigungen,  wie  sie  sonst 
nur  am  Yersöhnungstage  üblich  waren  (S.  124).  Selbstredend  wurden 
die  Fasttage,  die  an  die  Zerstörung  des  Tempels  erinnern,  mit  außer- 
gewöhnlicher Last  beschwert;  am  17.  Tammus  saß  man  von  Mittag 
ab  in  der  Synagoge;  am  9.  Ab  verließ  man  sie  gar  nicht  mehr  und 
brachte  die  ganze  Zeit  mit  Klagen  zu.  In  den  ^S^ächten  vor  dem 
siebenten  Tage  des  Pesach,  vor  dem  ersten  .des  Wochenfestes  und 
vor  dem  Hoschanatage  wurde  überhaupt  nicht  gesclilafen,  sondern 
die  ganze  Xacht  mit  Hymnen  oder  mit  dem  Lesen  von  Stellen  aus 
der  Bibel  und  dem  Sohar  ausgefüllt.  Die  49  Omertage  wurden  mit 
den  49  Worten  im  67.  Psalm  in  Verbindung  gebracht,  jedem  Tage 
entspricht  ein  anderes  Wort,  das  laut  hervorgehoben  werden  muß 
und  dann  seine  Wirkung  ausübt.  Der  symbolische  Leuchter,  der  aus 
den  Worten  des  Psalms  hergestellt  wird,  ge^^innt  eine  richtige  magische 
Bedeutung,  dient  als  Amulett,  als  Mahnung  zur  Andacht;  er  wird 
mit  allerhand  unverständlichen,  abergläubischen  Zeichen  versehen, 
in  Gebetbüchern  und  an  den  Wänden  der  Synagoge  befestigt.  In 
der  Nacht  zum  Versölmungstage  wird  ebenfalls  nicht  gesclilafen, 
sie  dient  vielmehr  niu-  dem  Studium  der  Vorschriften  über  den  Ver- 
söhnungstag, dem  Absingen  von  Hymnen  aller  Ait. 

Ein  solches  Leben  mit  ständigen  Bußübungen,  Trauerriten  und 
Sündenbekenntnissen  macht  einen  außer orc' entlich  düsteren  Eindruck; 
das  war  es  indes  nicht.  Das  Streben  der  ]\Iystiker  von  Safed  ging 
gerade  nach  der  entgegengesetzten  Seite,   die  Freudigkeit  des  sich 


I 


I 


Aiisbrt'itiiiiK'  tlcr  lurjiiiiisclicii    Mystik  389 

soinom  Gotto  nahe  t'ühlciulcii  Mciisclieii  lebte  in  iliiien,  besonders 
die  Feiern  der  Sabbate,  Xeiinionde  und  Feste  waren  Zeiten  reinsten 
Froiisinns,  fijeli()l)enster  Stimiiuiiiii.  die  ^gemeinsamen  Mahlzeiten,  die 
dabei  <i:esiinii,eiuMi  Hymnen  erheiterten  die  (ienossen,  erweekten  in 
ihnen  Verzückunf^en.  als  nähmen  sie  an  Pa-adiesesfreuden  teil. 
Israel  Nagara,  der  begabteste  Faitan  seines  Jahrhunderts, 
der  ,, selbst  die  Engel  durch  seine  Lieder  anzuziehen  wußte",  be- 
zauberte die  Genossen  durch  Gesänge,  bei  deren  Klang  man  sich 
in  den  Himmel  versetzt  glaubte. 

Die  lurjanische  Mystik  mit  ihren  neuen  gottesdienstlichen  Ein- 
richtungen breitete  sich  wie  eine  ansteckende  Krankheit  rasch  und 
weithin  aus,  es  hat  nie  wieder  eine  Bewegung  gegeben,  die  in  so  kurzer 
Zeit  Gottesdienst  und  Gebetbuch  so  nachdrücklich  beeinflußte. 
C  h  a  j  i  m  Vital  C  a  1  a  b  r  e  s  e  (gest.  um  1620)  wurde  Lurjas 
Aj)ostel,  durch  ihn  wurde  die  neue  Lehre  bekannt  gemacht,  ihre 
Anhänger  durchwanderten  alle  Länder  und  unterwarfen  sich  alle  Ge- 
meinden. Lurjas  mystische  Behandlung  der  Gebete  wurde  durch 
den  Druck  verbreitet,  und  so  lernte  man  überall  die  neuen  Gebete, 
die  unverständlichen  Konzentrationen  (n:"D),  die  Fasten  und  Buß- 
verordnungen kennen.  „Es  blieb  kein  Ritus  verschont,  wie  alle  Siddur 
und  Machsor  von  Tlemsan  bis  Kaffa  beweisen.  In  unzähligen  Jehi 
Razon,  Engelnamen  und  sefirotischem  Bombast  w'ard  Aberglauben 
und  Geisterdienst  verewigt,  die  Bedeutung  des  öffentlichen  Gottes- 
dienstes in  den  Hintergrund  gerückt  und  Amulettenkram  in  das 
Gebetbuch  und  unter  das  Volk  gebracht."  Von  Palästina  verpflanzte 
sich  die  lurjanische  Schwärmerei  zuerst  nach  Italien,  wo  Menachem 
Asarja  da  Fano  ihr  Vorschub  leistete.  Dort  feierte  man  zuerst  den 
kleinen  Versöhnungstag,  dort  bildeten  sich  Vereine,  die  Montag  und 
Donnerstag  fasteten  und  beteten,  Stätten  für  die  Frühandachten 
(^pn:  z-i-^-aT)  und  die  Mitternachtsklagen  (n::n).  ,,Es  wurden  aus  den 
deutschen,  spanischen  und  römischen  Gebetsammlungen  Stücke 
ausgewählt,  auch  neue,  zum  Teil  mit  kabbalistischem  Inhalte  an- 
gefertigt und  dieser  neue  Gottesdienst  für  wichtiger,  heilbringender 
als  der  öffentliche  erklärt".  Für  alle  derartigen  Sammlungen  wird 
der  Name  lipr  üblich.  Die  Texte  von  Seph.,  die  seit  jener  Zeit  ver- 
öffentlicht wurden,  sind  voll  von  Angaben  nach  dem  Sinne  Isaak 
Lurjas. 

Entscheidend  wurde  für  die  Verbreitung  der  lurjanischen  Mystik, 


390  Geschichte  des  Gottesdienstes 

daß  sie  auch  in  Polen,  wo  die  größte  Zahl  Juden  wohnte,  an- 
erkannt wurde.  Die  „Geheimnisse  des  Gebets"  waren  in  Deutschland 
seit  dem  13.  Jahrhundert  nicht  melu-  von  der  Bildfläche  verschwunden, 
bei  ihrer  Auswanderung  nach  Polen  hatten  die  Gelehrten  sie  mit  sich 
gefülirt,  aber  sie  blieben  zunächst  eine  Ait  Geheimlehre,  deren  Inhalt 
nur  besonders  auserwälilten  Jüngern  mitgeteilt  wurde.  Erst  um 
das  Jahr  1600,  als  die  Lage  der  Juden  auch  in  Polen  sich  zu  ver- 
schlimmem begann,  wurde  zu  den  Trostmitteln  gegriffen,  welche 
aus  der  lurjanischen  Kabbala  reichlich  strömten.  Xathan  Spira, 
1633  in  Krakau  gestorben,  hat  ihr  durch  seine  beliebten  und  weit- 
verbreiteten Predigten  rip^'cr"  Ti'^j'c  viele  Getreue  gewonnen,  den 
größten  Erfolg  aber  verdankt  sie  der  Werbekraft  des  R.  J  e  s  a  i  a  H  o  r  - 
w  i  t  z  ,  der,  von  Verehrung  für  die  Meister  der  Kabbala  erfüllt,  die 
größten  deutschen  Rabbinatssitze  ausschlug  und  nach  Palästina 
pilgerte,  wo  er  1630  in  Safed  starb.  Er  genoß  selbst  den  Ruf  eines 
Heiligen,  sein  Religionsbuch  ri""3~  nnib  i:r:  wurde  ausschlaggebend 
für  die  allgemeine  Anerkennung  und  Verbreitung  der  lurjanischen 
Ideen,  für  die  Aufnalune  seiner  neuen  Gebete  in  die  Ordnung  des 
Gottesdienstes.  Zwar  erschien  das  Gebetbuch  2"''C'cri  i'r,  in  dem 
Horwitz  das  gesamte  kabbalistische  Ai'senal  niederlegte,  erst  1717, 
aber  der  Boden  war  für  die  neue  Aussaat  vorbereitet,  als  j^athan 
Hannover,  der  Geschichtsschreiber  der  Kosakenverfolgungen,  1662 
sein  Gebetbuch  'i^'i  i"^"r;  veröffentlichte.  Das  wurden  die  Haupt- 
quellen, aus  denen  die  neue  Offenbarung  nach  allen  Seiten  hin  sich 
ergoß;  nunmehr  wurde  kein  Gebetbuch  ohne  jene  Beigaben  dem 
Druck  übergeben.  Die  Schwärmerei  blieb  nicht  auf  Polen  beschränkt, 
die  Flüchtlinge,  die  nach  den  Metzeleien  von  1648/49  scharenweise 
durch  alle  westem-opäischen  Gemeinden  zogen,  fülirten  den  Taumel- 
geist in  Deutsclilaud,  HoUand  und  England  ein.  Eine  ganze  Anzahl 
Zusätze  ist  von  damals  her  dem  Gebetbuch  verblieben;  so  die  Lieder 
bn^i  und  ^b^y  "jTii?  am  Anfange,  die  Verse  7c:n  TTil,  der  Hymnus 
rrair  "i-a  sowie  melu-ere  Gebete  beim  Ausheben  der  Tora,  das  Sabbat- 
lied ■'"'"  riD:;,  eine  Anzalü  Engelanrufungen,  wie  z.  B.  z\\ischen 
den  Absätzen  des  Schofarblasens,  der  Einheitsgesang  und  Gabhols 
Königskrone.  Es  befinden  sich  darunter  sehr  gehaltvolle  Stücke ;  man 
kann  den  Kabbalisten  nicht  abstreiten,  daß  sie  sich  darauf  ver- 
standen, auszuwälilen,  was  die  Herzen  erhebt  und  den  Geist  der  Reü- 
giosität  weckt,  aber  es  fehlt  doch  auch  nicht  an  Zeugnissen  sclilimmsten 


Der  Chassidismus  391 

Aberglaubens.  Vor  allein  aber  bedeuteten  jene  lurjanisclien  Besonder- 
lieiten,  wiedie  2^:"pr  .r":"Z  wiid  z-'i'n"'.  die  aus  den  westeuropäischen 
(lebetbüeliern  seit  langem  wieder  verseliwunden  sind,  eine  schwere 
Belastung;  des  religiösen  Lebens  und  einen  Holm  auf  jeden  echten 
Gottesdienst. 

8.  Der  sabbatianische  Taumel  kündete  den  Bankrott  der  Kabbala 
an,  und  die  immer  scliäiuUiclieren  Ereignisse,  die  sich  daran  an- 
schlössen, wären  geeignet  gewesen,  die  Gemüter  vollends  zu  ernüchtern, 
als  die  Kabbala  im  Chassidismus  eine  Erneuerung  erlebte. 
Auch  der  Chassidismus  war  eine  Reaktionsbewegung  gegen  die  Über- 
treibung des  Talmudstudiums  und  die  Auswüchse  des  ritualen  For- 
malismus. Er  entstand  in  den  Kreisen  der  Ungebildeten  und  Unter- 
drückten, die  in  der  herrschenden  Religionsübung  keine  Befriedigung 
fanden,  die  Gemütswärme  suchten  statt  des  starren  Formelwesens, 
Begeisterung  statt  der  nüchternen  Haarspalterei.  Israel  Baal  Sehern, 
der  Begründer  der  Sekte  (gest.  1761),  war  kein  Gelehrter,  sondern 
ein  Naturkind  voll  glühenden  Glaubens,  voll  verzehrender  Sehnsucht 
nach  dem  Göttlichen,  kein  Grübler,  sondern  ein  bis  zur  Raserei  Be- 
geisterter und  durch  die  ihm  ständig  zuströmenden  Offenbarungen 
Beglückter.  Das  hat  den  Chassidismus  so  populär  gemacht,  daß  er 
nichts  forderte  als  ein  empfängliches  Herz,  eine  Menschenseele,  die 
bereit  war,  sich  zu  verlieren,  um  sich  in  geläutertem  Zustande  wieder- 
zugewinnen. Israel  Baal  Sehern  erneuerte  Lurjas  System  der  Ekstase. 
Der  Kern  der  Religion  war  für  ihn  aufrichtige  Liebe  zu  Gott,  vereinigt 
mit  innigem  Glauben  und  unerschütterlichem  Vertrauen  in  die  Kraft 
des  Gebets.  Im  Beten  und  Hymnensingen  konnte  er  sich  nie  genug  tun. 
Jedes  echte  Gebet,  so  lelu'te  er,  muß  auf  die  himmlische  Welt  ein- 
wirken, es  darf  nicht  an  den  Bitten  und  Wünschen  der  Menschen 
haften  bleiben,  sondern  muß  uns  Gott  näher  bringen;  die  eigene 
Individualität  muß  mi  Gebet  verleugnet  werden,  die  Seele  sich  los- 
reißen von  ilu-er  ii'dischen  Behausung,  einen  hohen  Flug  nehmen 
über  die  Welt  des  Sinnlichen  hinaus  in  das  Reich  der  göttlichen  Gnade. 
Auf  das  Gebet  legten  daher  die  Chassidim  das  allergrößte  Gewicht, 
mit  Aufbietung  üu-er  gesamten  rohen,  naturwüchsigen  Kraft  suchten 
sie  sich  in  Exaltationen  zu  versetzen,  sie  verschmähten  auch  geistige 
Getränke  nicht  als  Mittel  zur  Erreichung  eines  traumhaften  Zustandes. 
Da  ihnen  die  Ekstase  für  das  Gebet  unentbehrlich  schien,  küimnerten 
sie  sich  wenig  um  die  hergebrachten  Gebetzeiten  und  den   gemein- 


392  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Samen  Gottesdienst,  sie  vereinigten  sich  in  besonderen  Konventikeln, 
aber  auch  dort  betete  jeder  für  sich  allein,  wenn  der  Augenblick  der 
Verzückung  ihm  gekommen  schien.  Sie  verwarfen  auch  das  Gebetbuch 
des  polnischen  Ritus,  fülu-ten  die  Gebete  Isaak  Lurjas  ein  ("•"is^n  "iipr) 
und  brachen  auf  diese  Weise  mit  der  gottesdienstlichen  Überlieferung 
ihrer  Umgebung.  Einen  Gewinn  für  das  religiöse  Leben  bedeutete 
die  Bewegung  nicht,  der  Vorzug,  der  in  ilu-em  Streben  nach  Inner- 
lichkeit lag,  wurde  reichlich  aufgehoben  durch  die  Verkehrtheit  ihrer 
abergläubischen  Vorstellungen  und  iluTS  wilden  Gebarens.  ,,Es  war 
lustig  anzusehen,  wie  sie  oft  ihr  Beten  durch  allerhand  seltsame  Töne 
und  possierliche  Bewegungen  (die  als  Drohungen  und  Scheltworte 
gegen  ihren  Gegner,  den  leidigen  Satan,  der  ihre  Andacht  zu  stören 
sich  bemühe,  anzusehen  waren)  unterbrachen,  und  wie  sie  sich  dadurch 
so  abarbeiteten,  daß  sie  gemeiniglich  bey  Endigung  des  Betens  ganz 
ohnmäclitig  niederfielen." 

9.  Seinen  Grundsätzen  gemäß  bedeutete  der  Chassidismus  eine 
vollständige  Auflehnung  gegen  den  Gottesdienst,  eindringlicher  konnte 
seine  Unhaltbarkeit  nicht  dargelegt  werden,  als  wenn  weite  Kreise 
nicht  aus  Unglauben  oder  Zweifelsucht,  sondern  aus  innerster  Sehn- 
sucht nach  Frömmigkeit  sich  von  ihm  abwandten.  Das  hätte  eine 
ernste  Mahnung  zur  Revision  des  Gottesdienstes  sein  müssen,  aber 
dazu  kam  es  nicht,  der  Chassidismus  verblieb  nicht  in  der  Oppo- 
sitionsstellung seiner  Begründer,  er  suchte  einen  Ausgleich  mit  dem 
Rabbinismus  und  trug  infolgedessen  eher  zur  Verschlechterung  als  zur 
Verbesserung  des  Gottesdienstes  bei.  Das  System  der  Beharrung 
und  des  Buchstabenglaubens,  die  asketische,  weitabgewandte  Stim- 
mung, das  Streben  nach  gewaltsamer  Herbeiziehung  der  messianischen 
Erlösung  wurden  durch  ihn  gestärkt,  er  brachte  als  neue  Störungen 
den  Lärm  und  die  wilden  unruhigen  Bewegungen  mit.  So  endet 
die  zweite  Epoche  der  Geschichte  des  Gottesdienstes  mit  einem  Zu- 
stande schwerer  Entartung.  Sie  hat  mit  wenigen  Gebeten  und  mit 
einer  starken  Bewegungsfreiheit  begonnen,  die  Bräuche  waren  der 
Gemeinde  angepaßt,  Gebet  und  Belehrung  ihr  in  ansprechender  Weise 
geboten.  Das  ist  nun  alles  in  sein  Gegenteil  verkelut.  Die  Gebete 
sind  lang,  vom  ersten  bis  zum  letzten  Worte  festgelegt,  Bräuche, 
die  für  andere  Zeiten  und  andere  Umgebungen  bestimmt  waren, 
werden  mit  peinlichster  Genauigkeit  als  strenge  Vorscluiften  befolgt; 
die  Belehrung  ist  fortgefallen,  die  Schriftvorlesung  durch  die  dabei 


l  ii^Minstigcs  Ergebnis  Tiir   diMi  (Jottt^sdiciist  393 

(.'in^orissciu'ii  Mil.lljräuclic  ciiljulct.  (Irr  Tiiil.  der  einst  hclclircii  snlllc, 
heluMTsflit.  ()l)W(>lil  nicht  mehr  xcrstandcii,  den  (iottcsdionst.  J)ii' 
Leitung  dos  (iottesdienstes  lieii;!  in  der  Hand  von  nnj^esclmlton  Vor- 
botorn,  die  wähl-  und  geschnuu-kh)s  die  „Gesänge  "  wählen,  mit  denen 
sie  ihn  in  die  Länge  ziehen.  Kein  Wunder,  wenn  in  solcher  Zeit  über 
Mangel  an  Andacht  und  Aufmerksamkeit,  über  Unordnung  und  Störung 
geklagt  wird.  Der  Gottesdienst  bedurfte  einer  gründlichen  Krneuerung 
und  Belebung,  wenn  er  sich  weiter  erhalten  sollte.  Beides  hat  ihm 
die  Neuzeit  gebracht. 


I 


Kap.  III.     Die  Neuzeit. 

§  45.  Die  ersten  Reformen  im  Gottesdienste. 

Literatur:  Zunz  G.  V.^,  S.  463 ff'.;  Graetz,  Geschichte,  XI;  Philipson  D., 
The  Reform  Movement  iu  Judaism;  Philippsou  M.,  Neueste  Geschichte 
d.  jüd.  Volkes,  Bd.  I;  Bernfeld  S.,  '-x-r*::  r-r~ -p-a-i-rs-^-n  r-irr:  JE 
Art.  Prayer-Books  X,  174ff".;    Reform  Judaism  das,  347 ff. 

1.  Die  Neuzeit  beginnt  mit  Moses  Mendelssohn,  dem 
„Reformator  der  deutscheu  Israeliten";  von  seinem  Auftreten 
nehmen  jene  Bestrebungen  iliren  Ausgang,  von  denen  die  innere  Ge- 
schichte der  Juden  seit  mehr  als  einem  Jahrhundert  ausgefüllt  ist. 
Es  ist  hier  nicht  der  Ort,  die  Reformbewegung  nach  allen  Seiten 
ausführlich  zu  behandeln,  nur  die  Versuche  zur  Verbesserung  des 
Gottesdienstes  sollen  zur  Darstellung  gelangen. 

Die  Juden  erwachten  aus  einem  jahrhundertelangen  Traume, 
die  Sehnsucht  nach  der  messianischen  Erlösung  wich  zurück  vor  dem 
Wunsche,  es  sich  in  der  Welt  behaglich  einzurichten,  sie  versuchten 
wieder,  sich  unter  den  Menschen  zurechtzufinden,  sie  traten  aus 
ihrer  Abgeschiedenheit  heraus  und  wollten  sein,  ^^äe  andere  waren. 
Sie  nahmen  die  Menschenrechte  für  sich  in  Anspruch,  strebten  nach 
Erleichterung  ihrer  Stellung  im  Staate;  Verbesserung  ilu'er  bürger- 
lichen Lage,  Erlangung  der  vollen  Gleichberechtigung  wurden  die 
Losungsworte,  die  mehrere  Gesclilechter  hindurch  ihr  Denken  und 
Tim  beherrschten.  Mit  dem  Fortschreiten  ihres  ünterrichtswesens 
wuchs  ihr  Sinn  für  Zucht  und  Ordnung,  verfeinerte  sich  das  Verständnis 
für  Formenschönheit  und  Wohlklang.  Sie  befleißigten  sich  allgemeiner 
Bildung,  wurden  von  dem  Strome  der  herrschenden  Gedanken  mit 
fortgerissen,  das  kritische  Denken,  das  ganz  Eiu'opa  ergriff,  bemächtigte 
sich  auch  Dn-er  Religion.  Fromme  Übungen  bildeten  nicht  mehr  den 
einzigen  oder  vorwiegenden  Gegenstand  ilu'es  Interesses,  der  Dog- 
matismus, der  die  jüdische  Religion  das  ganze  Mittelalter  hindurch 
beherrscht  hatte,  wurde  überwunden,  neues,  frisches  Leben  regte 
sich  in  der  Behandlung  aller  Fragen. 


Die  Neuzeit  3P5 

Von  clor  gowaltiycii  W-räiulerung  im  Leboii  uml  Denken  der 
Juden  konnte  der  Gottesdienst  nicht  unberührt  bleiben.  Seine  Formen 
entsi)rachpn  nicht  mehr  den  Anforderungen  der  neuen  Zeit,  Auge 
und  Ohr  l'iililten  sich  in  gk'icher  Weise  abgestoßen,  Verstand  und  Ge- 
müt blieben  unbefriedigt  und  kalt.  Gar  viele  unter  den  Gebildeten 
vermochten  hinter  dem  wenig  ansprechenden  Äußeren  den  wert- 
vollen Kern  niciit  mehr  zu  erkennen  und  gingen  der  Synagoge  ver- 
loren, auch  wenn  sie  sich  nicht  von  ihrem  Bekenntnisse  lossagten. 
Ihnen  standen  in  überwältigender  Mehrheit  diejenigen  gegenüber, 
denen  jede  bewußte  Änderung  als  Abfall  vom  Judentum  erschien. 
Eine  geringe  Zahl  von  Einsichtigen  forderte  Verbesserungen,  die  das 
Wesen  des  Gottesdienstes  nicht  berührten,  wie  Vereinfachung  der 
Gebete  und  Abstellung  der  eingerissenen  Unsitten,  ästhetische  Formen, 
ein  des  Gotteshauses  würdiges  Verhalten.  Doch  ehe  es  dazu  kam, 
trat  eine  neue  Zeit  ein,  sie  brachte  neue  politische  Ideale,  bildete 
einen  neuen  Menschheitsbegriff;  man  fragte  sich,  ob  die  überlieferten 
Gebete  in  ihrem  Ausdruck  und  iluTn  Gedanken  damit  stets  über- 
einstimmten, imd  beantragte,  was  nicht  mehr  zeitgemäß  schien,  zu 
ändern.  Schließlich  fülu'te  das  wissenschaftliche  Denken  zu  einer 
kritischen  Prüfung  der  gesamten  Tradition,  es  wurde  eine  völlige 
Umgestaltung  der  gottesdienstlichen  Einrichtungen  gefordert. 

Die  Reformbewegung  hat  eine  starke  Erregung  hervorgerufen, 
der  Gegensatz  zwischen  den  Anhängern  der  Überlieferung  und  den 
Freunden  der  Neuerungen  schien  mehr  als  einmal  unversöhnlicli, 
er  führte  zu  heftigen  Käm])fen  und  Spaltungen  in  den  Gemeinden, 
Mcht  alle  Juden  wurden  in  gleicher  Weise  von  diesen  Bestrebungen 
ergriffen,  den  „portugiesischen"  Gemeinden  blieben  sie  nahezu  ganz  fern, 
bei  ihnen  hatte  die  Kabbala  alles  gesunde  Leben  erstickt,  sie  haben 
sich  nie  wieder  zu  kraftvoller  Geistestätigkeit  aufschwingen  können, 
ilu:  Gottesdienst  und  ihre  Gebetbücher  sind  von  den  durch  die  Mystik 
hervorgerufenen  Zusätzen  nicht  befreit  worden.  Auf  der  großen  Masse 
der  Juden  in  den  östlichen  Ländern  lastete  zu  schwerer  Druck  poli- 
tischer und  ökonomischer  Art,  als  daß  sie  an  der  neuen  vorwärts 
drängenden  Bewegung  hätten  teilnehmen  können.  Hunderttausende 
blieben  dem  Chassidismus  ergeben,  weite  Kreise  verfielen  vollständig 
dem  Indifferentismus.  Xur  im  westlichen  Europa,  wo  die  Juden  auf 
allen  Gebieten  einen  ungeahnten  Aufschwung  zu  verzeichnen  hatten, 
hat  die  gottesdienstliche  Frage  die  Gemüter  tief  bewegt.  Deutschland 


396  Geschichte  des  Gottesdienstes 

bildete  den  Mittelpunkt  der  Kämpfe;  von  da  verbreiteten  sich  die 
Reformbestrebungen  später  nach  England  und  nach  Amerika,  um 
scliließlich  wieder  auf  das  Land  ihres  Ursprungs  zurückzuwirken. 

2.  Obwohl  eine  neue  Generation  mit  besserer  Bildung  und  ver- 
edeltem Geschmack  herangewachsen  war,  bestand  der  Gottesdienst 
in  seiner  alten  Gestalt  fort,  das  Herkommen  mit  all  seinen  häßlichen 
Auswüchsen  herrschte  darin  unverändert.  Für  die  Dauer  war  das  ein 
unhaltbarer  Zustand,  es  mußte  etwas  geschehen,  um  den  veränderten 
Ansprüchen  entgegenzukommen.  Die  Jünger  Mendelssohns,  in  denen 
das  Verständnis  für  die  hebräische  Sprache  und  Poesie  geweckt  war, 
nahmen  zunächst  an  der  unschönen  und  wenig  korrekten  Art,  wie 
die  Gebete  zum  Vortrag  gelangten,  Anstoß;  ihr  an  der  Philosophie 
der  Aufklärung  geschultes  Denken  konnte  sich  bei  den  Ideen  der 
Mystik  nicht  beruhigen.  Ihr  erstes  Bestreben  richtete  sich  daher 
auf  die  Verbreitung  sorgfältig  hergestellter  Ausgaben  des  Gebetbuchs, 
auf  seine  Säuberung  von  den  Entstellungen,  die  es  unter  kabba- 
listischem Einflüsse  erlitten  hatte.  Von  den  Männern,  die  sich  darum 
besonders  verdient  gemacht  haben,  mag  es  genügen,  W  o  1  f  H  e  i  d  e  n  - 
heim  (1757  bis  1832)  zu  nennen,  den  man  mit  Recht  als  den  Mendels- 
sohn des  Gebetbuchs  bezeichnet  hat.  Ihm  gebührt  der  Ruhm,  eine 
neue  Epoche  in  der  Gebetbuch-Literatur  eingeleitet  zu  haben,  seine 
Ausgaben  von  Siddur  und  Machsor  zeichnen  sich  ebensosehr  durch 
ihre  Korrektheit  wie  durch  ihre  ansprechende  Form  aus,  die  bei- 
gegebene Übersetzung  stand  auf  der  Höhe  der  Zeit,  sein  Kommentar 
wurde  bahnbrechend  für  die  Erforschung  des  Piut.  Heidenheim 
ließ  die  durch  die  lurjanische  Mystik  eingeführten  Hinzufügungen  zu 
den  Gebeten  bis  auf  ganz  geringe  Reste  weg,  seine  Texte  in  Verbindung 
mit  der  Übersetzung  von  Michael  Sachs  sind  auch  für  die  von  der 
Reformbewegung  nicht  berührten  lü^eise  die  leitenden  Gebetbücher 
geworden.  Mit  der  Lossagung  von  allem  kabbalistischen  Beiwerk 
zu  den  Gebeten  war  ein  entscheidender  Schritt  getan,  hiermit  war  eine 
Trennung  von  den  in  der  vorangegangenen  Epoche  allgemein  geltenden 
Anschauungen  und  Überlieferungen  ohne  weiteres  gegeben.  Es  war 
eine  jener  stUlen  L^mwälzungen,  die,  ohne  viel  Aufsehen  zu  erregen, 
epochemachende  Bedeutung  haben.  Das  von  Seligmann  B  a  e  r  im 
x\nschluß  an  Heidenheims  Methode  bearbeitete  Gebetbuch  stellt, 
soweit  man  Korrektheit  in  der  Herstellung  des  Textes  und  der  Punk- 
tation beanspruchen  kann,  eine  gewisse  Vollendung  dar;  andererseits 


Nouo  Ausgaben   und  l  borsel/.unpon  des  Gebetbuchs  397 

bodcutot  ('S  oiiu'ii  Hiickscliiitt,  weil  es  wiederum  viel  von  den  alten, 
entstellenden  Hei<;aben  niitaulfi^enüninien  hat  und  darin  einem  im 
Verlaufe  des  l'J.  Jalirliuiiderls  eingetretenen  romantisehen  Hüek- 
sclihig/  liulditi;!. 

Aueh  V  1)  e  r  s  e  t  z  u  n  g  e  ii  zu  den  überlieferten  (jcbeten  wurden 
allnicählieli  mehr  und  mehr  verbreitet,  das  Verständnis  des  Gottes- 
dienstes wurde  denen,  die  des  Hebräischen  unkundig  waren,  er- 
schlossen. Unter  den  portugiesischen  und  italienischen  Juden  waren 
Übersetzungen  der  Gebete  seit  vielen  Jahrhunderten  gebräuchlich 
und  von  niemand  beanstandet.  Im  Gebiete  des  deutsch-polnischen 
Kitus  war  seit  langer  Zeit  eine  jüdisch-deutsche  Übersetzung  verbreitet, 
eine  Übertragung  in  die  L  a  n  d  e  s  s  p  r  a  che  jedoch  wurde  überall 
da,  wo  die  polnischen  Rabbiner  das  Übergewicht  hatten,  ver])önt. 
Als  Isaak  Pinto  in  London  eine  englische  Übersetzung  der  Gebete 
herausgeben  wollte,  stieß  er  auf  solchen  Widerstand,  daß  er  sein  Werk 
in  New-York  drucken  lassen  mußte.  Nicht  besser  erging  es  der  ersten 
Übertragung  in  die  deutsche  Sprache.  Im  Jahre  1786  veröffentlichte 
J)  a  V  i  d  F  r  i  e  d  1  ä  n  d  e  r  eine  Übersetzung  der  Gebete  und  der 
Sprüche  der  Väter  mit  erklärenden  Anmerkungen,  die  er  noch  in 
hebräischen  Lettern  erscheinen  ließ.  Wenn  ihn  auch  nicht,  wie  einst 
Mendelssohns  Bibelübersetzung,  der  Bannstrahl  traf,  so  wurde  das 
Werk  doch  durch  den  Prediger  Eleasar  Fleck  eles  in  Prag 
(»ffentlich  angegriffen,  Friedländer  sah  sich  genötigt,  es  durch  ein  be- 
sonderes „Sendschreiben  an  die  deutschen  Juden"  zu  verteidigen. 
Nichtsdestoweniger  gab  Isaak  E  u  c  h  e  1  schon  1788  eine  neue  Über- 
setzung in  deutsche  n  Lettern  heraus,  es  folgten  Übertragungen 
ins  Holländische,  Dänische,  Ungarische,  alhnählich  in  alle  Sprachen, 
die  von  den  Juden  gesprochen  wurden,  ohne  daß  es  notwendig  war, 
große  Kämpfe  für  die  Übersetzung  zu  führen.  Bis  auf  die  allerextremsten 
Kreise  der  Chassidim,  die  noch  heute  den  alten  Jargon  für  die  einzig 
berechtigte  und  erlaubte  Sprache  der  Juden  halten,  ist  niemand  mehr 
gegen  den  Gebrauch  der  Landessprache  für  die  Übertragung  der  Ge- 
bete aufgetreten. 

3.  Das  waren  wohl  Abweichungen  vom  Herkommen,  sie  ließen 
aber  den  Gottesdienst  als  solchen  unverändert,  die  ^'ielbcklagten  3Iiß- 
stände,  die  Länge  der  Gebete,  die  Belastung  mit  unverständlichen 
Piutim,  der  störende  Lärm,  der  besonders  die  Schriftvorlesung  be- 
gleitete, waren  damit  nicht  beseitigt.    In  die  festgefügte  Ordnung  der 


398  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Synagoge  wagte  niemand  einzugreifen,  ehe  nicht  durch  die  französische 
Kevolution  das  Selbstbestininiungsrecht  der  Völker  gegenüber  der  un- 
umschränkten Herrschaft  der  Autorität  zum  Siege  geführt  worden  war. 
In  A  ra  s  t  e  r  d  a  m  entstand  1795  ein  Verein  F  e  I  i  x  L  i  b  e  r  t  a  t  e; 
sein  Hauptzweck  war  die  Verfechtung  der  Emanzipation,   gleichzeitig 
aber  verlangten  seine  Mtglieder  Reformen  im  Gottesdienste, 
Abschaffung  der  Piutim  und  Änderung  solcher  Gebete,   die   einen 
politischen  oder  sozialen  Gegensatz  zwischen  Juden  und  ^S^ichtjuden 
zur  Voraussetzung  hatten.    Da  die  Vorsteher  und  Rabbiner  ihnen 
Widerstand   entgegensetzten,    gründeten   sie    eine    eigene   Gemeinde 
Adaß  Jeschurun ;  in  zahlreichen  Streitsclirif ten,  die  von  beiden  Seiten 
her  veröffentlicht  wurden,  kam  die  Frage  der  Berechtigung  der  ge- 
forderten Reformen  zur  Erörterung.    Als  dann  Xapoleon  das  große 
S  a  n  h  e  d  r  i  n  zusammenrief,  hofften  weite  Kreise,  daß  von  dieser 
Körperschaft    eine    umfassende    gottesdienstliche    Reform    ausgehen 
würde.   Es  blieb  jedoch  alles  beim  alten,  die  einzige  Einwirkung  auf 
den  Gottesdienst,   die  jene  Versammlung  hervorrief,   war   die   Be- 
stimmung der  Konsistorialordnung  vom  Jalire  1807,  nach  der  die 
Rabbiner   die  Verpflichtung  erhielten,   für  die  Ordnung  in  der  Syn- 
agoge zu  sorgen  und  allsabbatlich  beim  Gottesdienste  eine  Predigt 
in  der  Landessprache  zu  halten.  Das  war  für  alle  Länder  eine  Neuerung, 
denn  wenn   auch   außerhalb   Deutschlands   solche   Predigten  nichts 
Ungewöhnliches  waren,  so  wurden  sie  doch  nicht  regelmäßig  gehalten. 
In  Deutschland  waren  bis  dahin  rein  deutsche  Predigten  nur  ganz 
vereinzelt  und  bei  besonderen  Anlässen  geduldet  worden;  da  die  Re- 
gierung  sie   nunmehr   verordnete,    mußten   sie   widerspruchslos    zu- 
gelassen werden,  aber  es  fehlte  zunächst  an  geeigneten  Rednern,  die 
der  Sprache  genügend  mächtig  waren. 

Die  Forderungen  der  Konsistorialordnung  erhielten  ihre  Be- 
deutung, als  sie  auf  das  Königreich  Westfalen  übertragen  und  durch 
Israel  Jacobsohn  streng  durchgeführt  wurde.  Jacobsohn  war 
kein  Reformator  im  eigentlichen  Sinne,  theologische  Kenntnisse  und 
wissenschaftliche  Vertiefung  gingen  ilmi  ab,  hingegen  war  er  ein  Mann 
von  praktischem  Blick,  von  rasch  entschlossenem,  energischem  Handeln. 
Sein  Wunsch  war  es  vor  allem,  den  jüdischen  Institutionen  ein  zeit- 
gemäßes ansprechendes  Aussehen  zu  geben,  sie  in  würdiger,  auch 
Andersgläubigen  gefälliger  Gestalt  vorzuführen.  Er  legte  daher  den 
größten  Nachdruck  auf  die  Beseitigung  aller  äußeren  Mängel 


J 


Isr.iol   J;i(nl)S()lm  399 

dos  (lottosdionstcs,  auf  die  Vorscliöiu'iuiig  seiner  Formen.  Soweit  sein 
Kinlluß  reiciite,  iiielt  er  auf  Kinfüiirung  der  deutschen  Predigt  und 
geordneten  Gesanges.  In  den  Synagogen  des  Konsistorialbezirks 
wurden  aueli  die  Piuliin  ;il)uesciiafft  und  einige  Gebete,  die  Klagen 
über  Druclv  und  Verfolgung  enthielten  und  daher  mit  den  politischen 
Verhältnissen  nicht  in  Einklang  standen,  geändert.  Das  alles  wurde, 
wenn  auch  vielfach  mit  Widerstreben,  liingenommen.  Sehr  unliebsam 
wurde  es  bemerkt,  als  Jacobsohn  beim  Gottesdienste  in  der  Schule  des 
Konsistoriums  zu  Kassel  auch  deutsche  Gebete  und  Lieder 
einführte,  und  vollends  erregte  er  den  allgemeinen  Unwillen,  als  er 
in  der  von  ihm  erbauten  Synagoge  in  Seesen  sogar  eine  Orgel  spielen 
ließ.  In  der  Hauptsache  bestand  die  Liturgie  aus  den  alten  hebräischen 
Gebeten  in  unveränderter  Fassung,  der  deutsche  Teil  des  Gottesdienstes 
aber  erfuhr  sehr  viel  Anfechtung,  Berief  sich  Jacobsohn  darauf,  daß 
die  Kenntnis  des  Hebräischen  im  Abnehmen  begriffen  war,  dann  er- 
widerten die  Gegner,  daß  die  Verdrängung  des  Hebräischen  aus  dem 
Gottesdienste  eine  noch  größere  Vernachlässigung  der  Sprache  der 
Väter,  die  zugleich  die  Sprache  der  Heiligen  Schrift  und  das  einzige 
gemeinsame  Band  aller  Glaubensgenossen  wäre,  zur  Folge  haben 
müßte.  Bereits  damals,  in  den  allerersten  Anfängen  der  Bewegung, 
wurden  dieselben  Argumente  einander  gegenübergestellt,  mit  denen 
noch  heute  nach  hundert  Jahren  der  Kampf  geführt  wird.  —  In  ähn- 
licher Weise  wie  in  Seesen  wurde  in  Frankfurt  a.  M,  am  Philanthropin 
jeden  Sonntag,  später  auf  Veranlassung  von  Johlsohn,  der  auch  ein 
Gesangbuch  dafür  ausarbeitete,  am  Sabbat  eine  x\ndachtsstunde 
gehalten.  Die  Form  der  neuen  Gottesdienste  und  vor  allem  die  deut- 
schen Gesänge  waren  in  vielen  Stücken  christlichen  Vorbildern  nach- 
geahmt, was  selbstverständlich  starken  Anstoß  erregte,  aber  doch 
nacli  kurzer  Zeit  häufig  als  richtig  anerkannt  und  ohne  Widerspruch  an- 
genommen wurde.  Der  Gottesdienst  in  den  jüdischen  Lehranstalten 
hatte  die  Wirkung,  daß  er  die  Zöglinge  mit  Hilfe  der  Schuldisziplin 
an  Ordnung  und  würdevolle  Haltung  im  Gotteshause,  an  Predigt  und 
Chorgesang  gewöhnte.  Xoch  wichtiger  war,  daß  auch  die  Eltern  der 
Schüler  an  seinen  Einrichtungen  Gefallen  fanden  und  an  ilmi  teil- 
nahmen. Auf  diese  Weise  wurden  Predigt  und  Gesang,  Ruhe  und 
Andacht  in  weiten  Ki-eisen  ein  Herzensbedürfnis,  namentlich  die 
regelmäßige  deutsche  Predigt  fand  viel  Verbreitung  und  wurde  bald 
nicht  mehr  als  fremdartig  betrachtet. 


400  Israel  Jacobsohn,  Berlin 

Jacobsohn  versuchte  auch,  die  Konfirmation  der  Knaben 
und  Mädchen  zu  einer  regelmäßigen  Einrichtung  zu  machen;  eine 
solche  Verpflichtung  auf  ein  Glaubensbekenntnis  hatte  in  der  Ver- 
gangenheit keine  Wurzel,  sie  konnte  daher  auch  nicht  durchdringen. 
Ein  Bestandteil  des  Gottesdienstes  wurde  sie  nur  in  den  Reform- 
gemeinden, in  Berlin  und  in  Amerika.  Die  Konfirmation  gehörte 
zum  Reformprogramm  einiger  den  Juden  wohlgesinnter  Regierungen, 
sie  sollte  eine  Gewähr  dafür  bieten,  daß  der  jüdischen  Jugend  ein 
Religionsunterricht  in  der  Landessprache  erteilt  worden  war.  In 
Dänemark  wurde  sie  durch  Gesetz  verordnet;  in  den  wenigen  Ge- 
meinden dieses  Landes  regte  sich  damals  ein  ziemlich  freier  Geist,  neben 
der  dänischen  Predigt  fanden  auch  andere  Reformen  im  Sinne  Jacob- 
sohns eifrige  Anhänger.  In  allen  Ländern,  in  denen  die  Einbürgerung 
der  Juden  in  Sitte  und  Sprache  eine  neue  Erscheinung  war,  wiederholte 
sich  das  Streben,  der  Wandlung  auch  in  der  Einrichtung  des  Gottes- 
dienstes einen  mehr  oder  minder  deutlichen  Ausdruck  zu  geben. 

4.  Bedeutungsvoll  wurde,  daß  Jacobsolm  1815  seinen  Wohnsitz 
nach  Berlin  verlegte.  Hier  hatte  die  Gleichgültigkeit  der  Gebildeten 
gegen  die  überlieferten  Institutionen  des  Judentums  einen  erschrecken- 
den Umfang  angenommen,  hier  hatten  die  Jünger  Mendelssohns  den 
Lehrgehalt  der  jüdischen  Religion  im  Sinne  der  Aufklärung  umzu- 
gestalten versucht,  in  der  Gemeinde  aber  war  alles  unverändert  ge- 
blieben. L'nmittelbar  nach  Erlaß  des  Edilvts  vom  11.  März  1812  hatte 
David  Friedländer  ,,tjber  die  durch  die  neue  Organisation  der  Juden- 
schaften  in  den  preußischen  Staaten  notwendig  gewordene  Umbildung 
ihres  Gottesdienstes  in  den  Synagogen"  geschrieben  und  die  Unter- 
stützung der  Regierung  für  eine  durchdringende  Änderung  zu  er- 
langen gesucht.  Abgesehen  von  der  „Herstellung  einer  ansprechenden 
äußeren  Form"  forderte  er  die  „v  o  1 1  e,  u  n  v  e  r  k  ü  m  m  e  r  t  e  E  i  n  - 
führung  der  deutschen  Sprache  in  das  Gebet". 
Noch  einschneidender  war  es,  wenn  er  alle  Gebete  messianisclien 
Inhalts  beseitigt,  die  Zukunftshoffnungen  gestrichen  sehen  wollte, 
da  sie  durch  die  Gewährung  der  Emanzipation  gegenstandslos  ge- 
worden wären;  er  bekannte  sich  damit  zu  einem  der  verhängnisvollsten 
Irrtümer  der  jüdischen  Aufklärung,  die  den  Messiasgedanken  seines 
idealen  Inhalts  völlig  entkleidete  und  ihn  lediglich  auf  die  Erlangung 
irdischen  Glückes,  politischer  Gleichberechtigung  bezog.  Friedländers 
Schrift  erregte  begreifliches   Aufsehen,   außer   einer  Anzahl  Gegen- 


Heformversuclio  in  BtTÜii  401 

schril'lLMi  luitto  sie  jedocli  keine  weiteren  Folgen.  Als  sich  luiii  Jueob- 
sohn  in  Berlin  niodcdieü,  richtete  er  im  eigenen  Hanse  einen  Gottes- 
dienst für  die  Sabbate  und  Festtage  ein,  der  mit  Ürgelbegleitung, 
deutschen  Chorgesängen  und  renelniäßig  ?nit  einer  Predigt  ausgestattet 
war.  Die  Gebetordnung  war  im  groLk'ii  und  ganzen  die  hergebrachte, 
in  den  einleitenden  Gebeten  war  manches  gekürzt  oder  ins  Deutsche 
übertragen  worden;  die  wesentlicliste  Neuerung  war  die,  daß  die 
Telilla  nicht  wiederholt  wurde  und  das  Musafgebet  ganz  ausfiel.  Die 
hebräischen  Gebete  und  die  Toravorlesung  wurden  in  der  für  korrekter 
gehaltenen  portugiesischen  Aussprache  vorgetragen.  Jacobsohns 
Gottesdienst  fand  unter  den  zahlreichen  Gebildeten  der  Gemeinde 
sehr  viel  Anklang,  man  mußte  bald  einen  größeren  Saal  für  ihn  wählen, 
aber  die  neue  Einrichtung  hatte  keinen  langen  Bestand,  schon  im 
Dezember  1815  wurde  der  Gottesdienst  von  der  Regierung  verboten, 
weil  es  nach  der  alten  Judenordnung  von  1750  nicht  gestattet  war, 
außerhalb  der  Gemeindesynagoge  Gebetversammlungen  zu  halten. 
So  ruhte  die  Veranstaltung  eine  Zeitlang.  Da  aber  die  einflußreichsten 
Männer  der  Gemeinde  das  gr()ßte  Interesse  daran  hatten,  den  Gottes- 
dienst in  der  ihnen  zusagenden  Form  fortzusetzen,  benutzten  sie  den 
notwendig  gewordenen  Umbau  der  Synagoge  als  Anlaß,  um  den 
Gottesdienst  nach  der  von  Jacobsohn  eingeführten  Ordnung  wieder 
aufleben  zu  lassen.  Ein  Ctesangbuch  und  ein  eigenes  Gebetbuch  für 
die  Sabbate  und  Festtage  wnirden  für  diese  Zwecke  veröffentlicht. 
Auch  diesmal  bezogen  sich  die  Änderungen  mehr  auf  die  Form  als  auf 
den  Inhalt  des  Gottesdienstes,  sie  bestanden  im  wesentlichen  in  starker 
Verwendung  der  deutschen  Sprache  für  die  einleitenden  Benedikt ionen 
und  Psalmen  und  in  der  Benutzung  einiger  Lesarten  des  sepliara- 
dischen  Ritus;  auch  das  Musafgebet  wurde  wieder  eingeführt.  An 
den  Feiertragen  blieb  ebenfalls  der  größte  Teil  des  hebräischen  Gottes- 
dienstes in  der  alten  Weise  bestehen,  nur  die  Piutim  waren  stark  ein- 
geschränkt, am  Versöhnungstage  jedoch  wurden  auch  sie  in  nicht 
unbeträchtlicher  Zahl  verwendet.  Wenngleich  die  Abweichungen  von 
der  hergebrachten  Liturgie  nicht  bedeutend  waren,  wurden  doch  die 
deutsche  Predigt,  die  deutschen  Gebete  und  Gesänge,  sowie  die  Orgel- 
begleitung von  vielen  als  Gewissenszwang  empfunden,  sie  forderten 
durch  eine  Beschwerde  bei  der  Regierung  beschleunigte  Wiederher- 
stellung der  Gemeindesynagoge.  Die  Anhänger  der  Neuerungen 
wiederum  wollten  den  Bau  nicht  vollenden,  ehe  nicht  eine  Einigung 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  26 


402  Geschichte  des  Gottesdienstes 

über  die  Reformen  erzielt  war,  sie  wünschten  eine  Erweiterung  der 
Synagoge  und  die  Einrichtung  zweier  Gottesdienste  nebeneinander; 
dazu  kam  es  tatsächlieli,  als  die  Gegner  die  unvollendete  Synagoge 
für  einen  Gottesdienst  nach  dem  Herkommen  notdürftig  herrichten 
ließen.  Der  langwierige  Kampf  der  Parteien  und  die  Untersuchung 
der  Regierung  füllten  schließlich  zu  dem  bedauernswerten  Ergebnisse, 
daß  durch  Kabinettsorder  vom  9.  Dezember  1823  jede  Änderung 
im  jüdischen  Gottesdienste,  auch  die  Predigt  und  deutsche  Gesänge 
grundsätzlich  verboten  wurden.  Auch  in  anderen  preußischen 
Gemeinden,  wie  Breslau  und  Königsberg,  mußten  die  seit  längerer 
Zeit  dort  eingeführten  Predigten  eingestellt  werden.  Für  Jahrzehnte 
war  damit  im  Gebiet  des  Königreichs  Preußen  jeder  Fortschtitt  des* 
Gottesdienstes  unmöglich  gemacht. 

5.  Die  Notwendigkeit,  den  Gottesdienst  in  einer  dem  modernen 
Empfinden  mehr  zusagenden  Form  zu  ändern,  wurde  zur  selben 
Zeit  allenthalben  gefülilt.  Das  größte  Aufsehen  erregte  die  Grün- 
dung des  ,,X  e  u  e  n  israelitischen  T  e  m  p  e  1  v  e  r  e  i  n  s"  in 
Hamburg.  Im  Jahre  1817  vereinigte  sich  dort  eine  größere  Anzahl 
von  Glaubensgenossen  in  der  Absicht,  ,, einen  würdigen  und  geordneten 
Ritus  herzustellen,  nach  welchem  an  den  Sabbat-  und  Festtagen, 
so  wie  bei  anderen  feierlichen  Gelegenheiten,  in  einem  eigenen  zu  diesem 
Behuf e  eingerichteten  Tempel  der  Gottesdienst  gehalten  werden  soll. 
Bei  diesem  Gottesdienst  soll  namentlich  auch  eine  deutsche  Predigt 
und  Choralgesang  mit  Begleitung  der  Orgel  eingefülu:t  werden".  Hier 
hatte  sich  zum  ersten  Male  eine  Gemeinde  gebüdet,  die  sich  die 
Durchführung  eines  reformierten  Gottesdienstes  zur  Aufgabe  setzte, 
das  Gebetbuch,  das  zur  Eröffnung  des  Tempels  im  Herbst  1818  er- 
schien, wich  in  wesentlichen  Punkten  von  allen  bisher  bekannten 
gottesdienstlichen  Ordnungen  ab. 

Der  Gottesdienst  wurde  nur  an  Sabbaten  und  Feiertagen  gehalten, 
das  Gebetbuch  enthielt  daher  nur  die  Gebetordnung  für  diese  Tage, 
später  erschien  ein  Anhang  mit  den  Gebeten  für  Purim  und  den  9.  Ab. 
Die  äußeren  Kennzeichen  des  Gottesdienstes  am  Tempel  waren  Ge- 
sang durch  einen  gemischten  Chor,  Orgelspiel,  die  regelmäßige  deutsche 
Predigt  und  deutsche  Lieder,  für  welche  der  Prediger  K 1  e  y  ein 
eigenes  Gesangbuch  veröffentlichte.  Dem  Gebetbuche  wm'de  die 
Überlieferung  des  portugiesischen  Ritus  zugrunde  gelegt, 
auch  die  Aussprache  des  Hebräischen  geschah  nach  der  Weise  der 


l>('r   Hamburger  Tempel  403 

Portugiesen.  Für  die  Aiiswjilil  der  Gebete  war  die  Unterscheidung 
zwisclien  typischen  und  akzessorischen  Gebeten  maßgebend;  die 
typischen,  „d.  h.  solche,  die  allezeit  als  wesentliche  Bestandteile  des 
israelitischen  ( iottesdienstes  galten",  wurden  „gewissenhaft  beibehalten, 
und  nur  in  den  akzessorischen  Gebeten  bewegte  man  sich  mit  Freiheit". 
Durch  die  Benutzung  der  sepiiaradischen  Gebetordnung  waren  zahl- 
reiche Abweichungen  von  dem  bei  der  Mehrzahl  der  Juden  Hamburgs 
üblichen  Wortlaut  der  Gebete  bedingt,  innerhalb  des  benutzten  Gebet- 
buchs aber  war  der  Text  in  fast  unveränderter  F'orm  beibehalten; 
die  auffallendste  Neuerung  war,  daß  auch  viele  Stamragebete  nicht 
hebräisch,  sondern  in  deutscher  Übersetzung  aufgenommen  waren. 
Der  Gottesdienst  am  Eingange  des  Sabbats  ließ  die  den  älteren  Gebet- 
büchern unbekannten  einleitenden  Gebete  fort,  er  begann  mit  Ps.  92 
und  brachte  das  Abendgebet  in  der  überlieferten  Form;  allerdings 
waren  nur  das  Schma  und  die  auf  die  Tefilla  folgenden  Stücke 
iiebräisch,  alle  übrigen  deutsch.  Im  Morgengottesdienste  des  Sabbats 
waren  die  einleitenden  Benediktionen  und  Psalmen  (§  11,  12)  stark 
gekürzt  und  in  deutscher  Sprache  gegeben;  das  Schma  und  seini? 
Benediktionen  hatten  dieselbe  Form  wie  am  Abend,  die  Tefilla 
wurde  in  hebräischer  Sprache  mit  Einschaltung  der  Keduscha  sofort 
laut  vorgetragen.  Für  die  Vorlesung  der  Tora  war  der  dreijährige 
Zyklus  eingeführt,  die  Vorlesung  erfolgte  ohne  Kantilene  in  portu- 
giesischer Aussprache,  die  Haftara  fiel  aus.  Beim  Aus-  und  Einheben 
der  Tora,  sowie  vor  und  nach  der  Predigt  w'urden  deutsche  Lieder 
gesungen.  Das  Musafgebet  wurde  ebenfalls  sofort  laut  vorgetragen. 
An  den  Festtagen  war  der  Aufbau  der  Gebete  derselbe  wie  an  den 
Sabbaten.  Die  Piutim  fehlten  an  den  Wallfahrtsfesten,  das  entsprach 
der  portugiesische Q  Gebetordnung;  an  den  beiden  ernsten  Festen 
hingegen  waren  sie  in  sehr  gToßer  Zahl  beibehalten,  sie  entstammten 
sämtlich  der  Überlieferung  der  Portugiesen,  der  Gottesdienst  am 
Versölinungstage  dauerte  in  herkömmlicher  Weise  den  ganzen  Tag. 
Als  später  die  Gebetordnung  für  Piirim  erschien,  brachte  sie  die 
Neuerung,  daß  die  mittleren  Benediktionen  der  Tefilla  durch  das 
zusammenfassende  Gebet  i::">nri  ersetzt  waren. 

Die  Änderungen  im  Wortlaute  der  Gebete  waren  nicht  sehr  be- 
deutend, sie  betrafen  im  großen  und  ganzen  nur  Einzelheiten  des 
Stils.  Das  Ziel  der  Neuerung  war  in  der  Hauptsache  eine  Verkürzung 
und  Vereinfachung  des  Gottesdienstes,  er  sollte  ferner  mehr  als  bisher 

26* 


404  Geschichte  des  Gottesdienstes 

verständlich  werden  und  zu  Herzen  sprechen.  Von  grundsätzheher 
Bedeutung  waren  nur  zwei  Änderungen.  In  den  Miisafgebeten  war 
die  Bitte  um  Wiedererbauung  des  Tempels  und  Einrichtung  der 
Opfer  durch  eine  andere  ersetzt,  in  der  um  gnädige  Aufnahme  des 
Gebets  als  Ersatz  für  das  Opfer  gebetet  wurde.  Ferner  war  eine  Um- 
gestaltung der  Bitten  um  Herbeiführung  des  messianischen  Reiches 
vorgenommen  worden.  Der  Ausdruck  der  Zukunftshoffnung  wurde 
nicht  aus  den  Gebeten  beseitigt,  im  großen  und  ganzen  wurde  er  in 
der  überlieferten  Form  beibehalten.  Überall  da,  wo  von  der  geschicht- 
lichen Bedeutimg  des  jüdischen  Volkes  die  Rede  oder  wo  eine 
symbolische,  rein  religiöse  Auffassung  des  messianischen  Ideals  mög- 
lich war,  wurde  der  Wortlaut  unverändert  gelassen;  wo  hingegen  die 
nationale  Seite  der  Zukunftshoffnung  hervorgehoben  war,  wo  um  die 
gemeinsame  Rückkehr  nach  dem  Heiligen  Lande,  die  Vereinigung  aller 
Juden  im  Lande  der  Väter  gebetet  wurde,  erhielten  die  Sätze  einen 
allgemeineren  und  symbolischen  Inhalt. 

Sieht  man  von  der  Vermischung  deutscher  und  hebräischer 
Stücke  innerhalb  desselben  Gebetabschnitts  sowie  von  der  Verän- 
derung der  Schriftvorlesungen  ab,  so  kann  man  die  Abweichungen  des 
Gebetbuchs  vom  Herkommen  nur  als  sehr  gemäßigt  bezeichnen,  es 
war  keineswegs  revolutionär,  es  lag  den  Begründern  des  Tempels 
fern,  sich  von  der  jüdischen  Gesamtheit  zu  trennen;  ihr  Bestreben 
ging  dahin,  ,,dem  Kultus  in  dessen  ganzem  Umfange  Würde  und 
Whksamkeit  zu  verschaffen",  von  den  religiösen  Lehren  des  Juden- 
tums wollten  sie  sich  in  keiner  Beziehung  lossagen.  Das  Gebetbuch 
war  nicht  von  Theologen,  sondern  von  gebildeten  Laien  nach  dem 
Bedürfnisse  des  Augenblickes  verfaßt,  sie  betrachteten  es  nicht  als 
endgültiges,  abschließendes  und  unantastbares  Werk;  wie  es  im 
Zeichen  der  „Fortbildung"  entstanden  war,  sollte  es  von  Zeit  zu  Zeit 
einer  Prüfung  und  Verbesserung  unterzogen  werden  können.  Das 
Gebetbuch  war  kein  Meisterwerk,  es  hatte  sich  von  einer  prinzipiellen 
Stellungnahme  ängstlich  ferngehalten  und,  um  möglichst  \'iele  und 
verschiedenartige  Kreise  zu  befriedigen,  Kompromisse  aller  Art 
zugelassen.  Abraham  Geiger  hat  es  einer  unerbittlichen  Kritik 
unterzogen  und,  weil  es  ,,in  fast  allen  Punkten  eine  klare  und  ziel- 
bewußte Durchführung  eines  fortgesclu-ittenen  religiösen  Prinzips'- 
vermissen  ließ,  als  rückständig  verworfen.  Von  anderen  wiederum  ist 
es  getadelt  worden,  weil  es  ihnen  zu  radikal  geschienen,  auf  die  An- 


jDt'r  1  laiiilmr^'i-r 'rniipcl  405 

scliauungcii  clor  ClciiiciiKlc  /,ii  wi'iii;,^  l\iicksiclit  f^e-iiuimiien  und  mit 
rasc'licm  Schritte  von  drii  IiciiscIioikUmi  religiösen  Anschauungen  sich 
entfernt  hat.  InshesoncUMc  die  .\h\veichun<!;en  in  (h'ii  messianischen 
(Jeheten  wurden  viell'aeh  auch  von  solchen  Männern  ange<rrifi'en, 
die  dem  Fortschritte  huldigten  und  dem  (lottesdienste  des  Tempels 
als  (!aii/ein  ilie  Anerkennung"  nicht  versatjten.  Sie  heriihrlen  damit 
die  verwundbarste  Stelle  im  (lehetljuclie  des  Tempels.  Wohl  war, 
wie  wir  sahen,  die  Frage  der  Verbindlichkeit  des  Messiasglaubens 
in  seiner  bisherigen  Gestalt  in  Fluß  geraten,  was  aber  den  wirklichen 
Inhalt  der  messianischen  Idee  bildete  und  im  Gebet  zum  Ausdruck 
gelangen  konnte,  dieses  Problem  war  kaum  in  Angriff  genommen  und 
liatte  keineswegs  bereits  eine  abschließende  Lösung  gefunden,  so  daß 
daraufhin  eine  Änderung  berechtigt  gewesen  wäre.  Aussclüaggebend 
waren  dabei  auch  nicht  theologische  Frwägungen,  wie  sie  später 
zur  Revision  des  gesamten  Messiasbildes  geführt  haben,  sondern  über- 
triebene Besorgnisse  wegen  der  Erlangung  der  Emanzipation.  Die 
Gegner  der  Gleichberechtigung  der  Juden,  die  um  Gründe  niemals 
verlegen  waren,  benutzten  den  Hinweis  auf  die  Zukunftshoffnungen, 
auf  den  in  den  Gebeten  ausgesprochenen  Glauben  an  die  Errichtung 
eines  jüdischen  Reiches  im  Heiligen  Lande  als  willkommene  Waffe. 
Es  war  eine  Verkehrtheit  der  Reformer  damals  und  noch  lange  später, 
daß  sie  den  Messiasglauben  in  seiner  überlieferten  Form  diesem  Ein- 
wände zum  Opfer  zu  bringen  bereit  waren  und  das  alte  Judentum  ge- 
wissermaßen des  Mangels  an  Bodenständigkeit  und  Vaterlandsliebe 
bezichtigten.  Das  politische  Vorurteil  mußte  mit  politischen  Gründen 
bekämpft  werden;  wer  die  Frage  gerecht  und  ohne  Voreingenommen- 
heit prüfte,  konnte  aus  dem  Messiasglauben  keine  stichhaltigen  Gründe 
gegen  die  Gleichberechtigung  der  Juden  herleiten,  wofür  der  berühmte 
englische  Staatsmann  Macaulay  in  seiner  Verteidigungsschrift  für  die 
Juden  mit  unwiderleglichen  Gründen  den  Beweis  geführt  hat.  Die 
Begründer  des  Tempels  ließen  sich  nicht  nur  in  diesem  einen  Punkte 
von  Erwägungen  der  Zweckmäßigkeit  leiten,  ihr  ganzes  Tun  war 
durch  äußere  Rücksichten  bestimmt,  es  waren  Männer  des  prak- 
tischen Lebens,  die  an  den  Reformen  arbeiteten,  nicht  Gelehrte  oder 
Geistliche,  die  danach  strebten,  einen  neuen  Religionsbegriff  zu  ent- 
wickeln und  in  der  Ausgestaltung  einer  Gebetordnung  folgerichtig 
durchzuführen.  Nichtsdestoweniger  muß  ihrem  Streben  die  An- 
erkennung zuteil  werden,  daß  sie  zuerst  den  Mut  fanden,  einen  Ver- 


4.06  Geschichte  des  Gottesdienstes 

such  zur  Erneuerung  des  Gottesdienstes  zu  machen.  Selbst  die  Gegner 
des  Tempels  konnten  ihm  das  Zugeständnis  nicht  versagen,  daß  er 
„den  hoch  angesammelten  Wulst  der  Jahrhunderte  mit  einem  Schlage 
ohne  viel  Bedenken  aus  dem  Gotteshause  entfernt,  das  heüige  Spinn- 
gewebe, das  niemand  anzutasten  gewagt  hatte,  in  jugendlichem  Un- 
gestüm weggefegt  und  Sinn  für  geregeltes  Wesen,  für  anständige 
Haltung  beim  Gottesdienst  und  für  Geschmack  und  Einfachheit  ge- 
weckt hat". 

Hätten  die  Kabbiner,  wie  einsichtige  Anhänger  des  Alten  be- 
fürworteten, sich  der  neuen  Bewegung  bemächtigt,  hätten  sie  auf  die 
Reformer  einzuwirken  und  die  nach  ihrer  Meinung  begangenen  Irr- 
tümer abzustellen  versucht,  wer  weiß,  welche  Entwicklung  das  Juden- 
tum in  Deutschland  genommen  hätte.  Statt  dessen  aber  nahmen 
die  Rabbiner  dem  neuen  Unternehmen  gegenüber  von  vornherein  eine 
entschieden  feindliche  Stellung  ein.  Kaum  waren  die  ersten 
Bogen  des  neuen  Gebetbuches  erschienen,  als  das  Rabbinatskollegium 
in  Hamburg  durch  einen  Anschlag  in  der  Synagoge  die  Gemeinde- 
mitglieder vor  der  Benutzung  des  Buches  warnte.  Schon  einen  Tag 
später  erließ  der  Rabbiner  in  Altona  eine  ähnliche  Bekanntmachung. 
Man  braucht  nur  die  Schi'iftstücke  mit  ihrem  halb  hebräischen,  halb 
deutschen  Wortlaut  zu  lesen,  um  sofort  zu  begreifen,  daß  hier  zwei 
Weltanschauungen  aufeinanderstießen,  zwischen  denen  eine  Ver- 
ständigung unmöglich  war.  Der  Tempelverein  ließ  sich  durch  die 
Drohungen  nicht  einschüchtern,  er  veröffentlichte  sein  Gebetbuch 
weiter  und  wandte  es  in  seinem  Gottesdienste,  der  sich  von  vornherein 
eines  guten  Besuches  erfreute,  ständig  an.  Das  Rabbinatskollegium 
holte  bei  den  angesehensten  Rabbinern  Deutsclüands,  Österreich- 
Ungarns  und  Italiens  Gutachten  ein,  die  es  in  der  Sammlung  ^"01  nbx 
r'iinn  veröffentlichte.  Als  übereinstimmendes  Ergebnis  konnte 
es  schon  auf  dem  Titelblatte  verkünden,  ,,daß  es  verboten  ist,  die  in 
Israel  übliche  Gebetordnung  vom  ersten  bis  zum  letzten  Worte  zu 
ändern  und  erst  recht  etwas  davon  zu  streichen;  daß  es  verboten  ist. 
in  einer  anderen  als  der  hebräischen  Sprache  zu  beten,  und  daß  jedes 
Gebetbuch,  das  nicht  den  Vorschriften  oder  dem  Brauche  entsprechend 
gedruckt  ist,  ungültig,  daß  es  somit  unstatthaft  ist,  daraus  zu  beten; 
daß  es  endlich  verboten  ist,  am  Sabbat  oder  den  Festtagen  in  der 
Synagoge  auf  irgendeinem  Instrumente  zu  spielen,  selbst  wenn  es 
durch  einen  Nicht  Juden  geschieht".    Die  Ausführungen  der  Rabbiner 


Der  Hamburger  Tempel  407 

waren  selir  scharf,  sie  waren  gewöhnt,  zu  hel'elüen  und  unbedingten 
Clehorsain  zu  finden,  es  geschah  zum  erstenmal,  daß  sie  einem  größeren 
zusammengesciilüssenen  Kreise  begegneten,  der  sich  bewußt  vom 
Herkommen  und  von  den  ral)binischen  Anordnungen  entfernte.  Sie 
gingen  in  ihrer  Verketzerung  viel  zu  weit,  sie  setzten  allen  Ansprüchen 
nur  das  uneingeschränkte  Verbot  entgegen.  Die  Rabbiner  standen 
den  Neuerungen  völlig  verständnislos  und  ratlos  gegenüber,  obwohl 
einige  aus  eigener  Erfahrung  von  Bestrebungen  wußten,  die  sich  auf 
eine  Abkelir  vom  überlieferten  Judentum  bezogen.  Sie  kannten  die 
Welt  nicht,  sie  lebten  nur  in  ihren  Büchern,  sie  beherrschten  wohl  den 
Talmud  und  die  Dezisoren  bis  zu  ihren  letzten  Ausläufern  aufs  gründ- 
lichste, al)er  sie  waren  in  der  Dialektik  befangen  und  hafteten  durchaus 
atn  Buchstaben;  in  den  Geist  des  biblischen  und  rabbinischen  Juden- 
tums vermochten  sie  sich  nicht  mehr  zu  versetzen,  von  den  Einflüssen 
der  Geschichte  auf  die  Entwicklung  der  Bräuche  und  Religions- 
anschauungen hatten  sie  keine  Vorstellung.  Sie  stellten  sich  daher 
übereinstimmend  auf  den  Standpunkt,  daß  jegliche  Neuerung 
zu  verwerfen  war,  selbst  Dinge,  die  nirgends  verboten  worden 
waren,  für  die  sich  nur  mit  Mühe  und  Not  vermittels  scharfsinniger 
Ableitungen  und  anfechtbarer  Schlüsse  eine  Zurückweisung  finden 
ließ,  wollten  sie  nicht  gestatten.  Nach  ihrer  Überzeugung  beruhten 
nicht  allein  der  Wortlaut  der  Gebete,  sondern  auch  sämtliche  gottes- 
dienstlichen Einrichtungen  ohne  Unterschied  auf  alter  Überlieferung, 
durfte  auch  in  den  Bräuchen  nichts  geändert  werden,  da  auch  sie 
,. hochheilig"  waren  und  „schon  die  geringste  Abweichung  in  ihnen  die 
Wirkung  des  Gebets  in  Frage  stellte".  Man  merkt  es  den  Gutachten  an, 
daß  die  Verfasser  sich  von  jenen  Gesichtspunkten  leiten  lassen,  die  durch 
die  Kabbala  in  die  Halacha  eingeführt  worden  waren,  sie  fürchten, 
daß  die  besonderen  Bedeutungen  und  Wirkungen,  die  jeder  Zeremonie 
und  selbst  den  unscheinbarsten  Bräuchen  dort  zugeschrieben  sind,  in 
Frage  gestellt  werden.  Besonders  bezeichnend  für  ihre  Ratlosigkeit 
allen  neuen  Erscheinungen  gegenüber  ist  ihre  Stellung  zur  Orgelfrage. 
Im  talmudischen  Schrifttum  ist  von  ihr  nirgends  die  Rede,  aber  daß 
sie  nicht  statthaft  sein  könnte,  das  stand  noch  vor  der  Untersuchung 
fest.  Freilich  wußten  sie  nicht  recht,  ob  die  Musik  überhaupt 
oder  nur  das  Spielen  an  den  Sabbaten  verboten  werden  sollte,  und  da 
letzteres  bei  Hochzeitsfeiern  von  einwandfreien  Gesetzeslehrern 
gestattet  ist,  erwuchs  den  Gutachtern  die  schwierige  Aufgabe,  nachzu- 


408  Geschichte  des  Gottesdienstes 

weisen,  daß  die  Verschönerung  des  Gottesdienstes  keineswegs  als  so 
bedeutungsvolle  Pflicht  gelten  könnte  wie  die  eines  Familienfestes. 
Es  war  die  Dialektik,  die  sich  selbst  den  Todesstoß  versetzte.  —  Er- 
freulich ist  an  den  Gutachten  nur  eins,  die  einmütige  entschiedene 
Erklärung,  daß  der  Messiasglaube  und  die  Zukunftshoffnungen  den 
Juden  nicht  unfähig  machen,  die  Bürgerpflichten  zu  erfüllen,  daß 
die  Treue  gegen  den  Herrscher  und  das  Vaterland  zu  den  religiösen 
Vorschriften  des  Judentums  gehören. 

Die  Schärfe  in  der  abweisenden  Stellung  der  Rabbiner  war  aber 
auch  darum  unberechtigt,  weil  sie  selbst  nichts  getan  hatten,  um  den 
Verfall  des  religiösen  Lebens  zu  verhüten.  Es  war  nunmelu"  offen- 
kundig, daß  fast  eine  ganze  Generation  dem  Gottesdienst  entfremdet 
worden  war,  weil  sie  seinen  Inhalt  nicht  mehr  verstand,  von  seiner 
Form  sich  abgestoßen  fülüte.  Die  Rabbiner  hatten  der  Gleichgültig- 
keit sorglos  zugeschaut,  und  sie  ließen  sich  nun  nicht  einmal  auf  die 
Prüfung  der  Beweggründe  derer  ein,  welche  versuchten,  dem  Übel 
zu  steuern.  Eine  Verständigung  zwischen  den  beiden  gegenüberstehen- 
den Richtungen  war  vollständig  ausgeschlossen,  weil  die  Vertreter 
des  Herkommens  keinerlei  Xeigung  zeigten,  sich  mit  den  Zielen  und 
Wünschen  der  ]^euerer  vertraut  zu  machen.  Ihre  Argumente  und 
Anschauungen  wiederum  konnten  auf  die  Mitglieder  des  Tempels 
keineswegs  Einch'uck  machen.  laicht  nur,  daß  sie  einige  rabbinische 
Entscheidungen  in  Händen  hatten,  die  zugunsten  der  gleichartigen 
Bestrebungen  in  Berlin  abgegeben  waren  und  die  Neuerungen  durchaus 
billigten,  hat  auch  eines  ilrrer  tätigsten  ]\Iitglieder  eine  scharfe  satirische 
Widerlegung  der  Gegner  veröffentlicht  und  dem  Urteil  der  Gutachter 
die  widersprechenden  Äußerungen  der  rabbinischen  Quellen  gegenüber- 
gestellt. Aber  das  war  keineswegs  ausscWaggebend.  Wären  der 
Schulchan  Aruch  und  seine  berufensten  Ausleger  auch  sämtlich  gegen 
sie  gewesen,  so  hätte  die  Tempelgenicinde  sich  darum  von  ilu'en  Be- 
strebungen nicht  zurückhalten  lassen.  Die  Zeiten  hatten  sich  eben 
geändert,  das  Ansehen  des  Talmudismus  war  gestürzt,  es  wurde  nicht 
mehr  nach  den  formalen  Entscheidungen  und  dialektischen  Folge- 
rungen der  rabbinischen  Urkunden  Recht  gesprochen;  auch  Glaubens- 
sätze und  religiöse  Einrichtungen  mußten  sich  dem  Urteilsspruch  der 
Vernunft  unterwerfen,  sie  wurden  nicht  mehr  bloß  darum  hochgehalten, 
weil  sie  von  den  Vätern  überliefert  waren,  sondern  auch  auf  ilu'en 
inneren  Wert  und  ihre  Zweckmäßigkeit  geprüft.  Der  alte  Gottesdienst 


her  Ihiiiiliiirgpr  Tempel  409 

liatto  sich  iihcrlchi,  er  war  zu  einer  leeren  Form  j^ewurden,  das  Her- 
sagen von  imverstäiullielien  Gebeten,  der  abstoßende  Gesang?  der 
Vorbeter,  das  iännciKlt'  TreilxMi  in  den  Synagogen  waren  niclit  mehr 
zeitc;einäli.  sie  Urachten  keine  l-irbauung,  befriedigten  (his  An(hichts- 
l)e(lürlnis  nicht.  Das  waren  ungewoiinte,  hinge  nicht  gehörte  Forde- 
rungen, al)er  es  war  auch  ein  neues  Geschlecht  mit  völlig  veränderten 
Lebensbedingungen,  lüe  sie  erhob.  Als  Versündigung  gegen  den  Geist 
der  jüdischen  Religion  konnte  es  gewiß  nicht  gelten,  wenn  Maß- 
nahmen getroffen  wurden,  die  Gebetordnung  zu  vereinfachen,  Weihe 
und  Feierlichkeit  beim  Gottesdienste  wiederherzustellen.  In  einem 
der  Gutachten  gegen  den  Tempel  wird  der  ,, Abfall"  der  neuen  Ge- 
meinde als  Strafe  dafür  erklärt,  daß  der  Gottesdienst  in  Deutschland 
an  sehr  vielen  ^lißbräuchen  krankte,  daß  die  Besucher  ihn  durch 
Fnterhaltung.  mitunter  sogar  durch  Zank  und  Streit  störten.  Das 
war  allerdings  der  Kern  des  Übels,  eindrucksvoller  konnten  selbst  die 
Fürsprecher  der  Reform  ihr  Vorgehen  nicht  rechtfertigen;  die  Rab- 
biner aber  in  ihrer  rührenden  Weltfremdheit  sahen  nicht  ein,  daß  die 
Mißstände  durch  das  Festhalten  an  jenen  Bräuchen  bedingt  waren, 
an  denen  sie  ihrer  angeblichen  Heiligkeit  wegen  nicht  rühren  lassen 
wollten. 

Durch  ihren  Einspruch  begaben  sich  die  Rabbiner  völlig  jedes 
Einflusses  auf  den  gebildeten,  fortgeschrittenen  Teil  der  Judenheit, 
das  Bestehen  und  Gedeihen  des  Tempels  haben  sie  nicht  gehindert. 
Ob  die  Hamburger  sich  der  vollen  Tragweite  ihres  Vorgehens  be- 
wußt waren,  ob  sie  sich  als  Vertreter  eines  neuen  Prinzips  fühlten, 
läßt  sich  bezweifeln,  der  Tempel  rechtfertigte  in  keiner  Weise  die 
Hoffnungen  und  Besorgnisse,  die  man  an  seine  Entstehung  knüpfte. 
Die  revolutionäre  Gesinnung,  die  vielleicht  am  Anfange  in  ihm  herrschte, 
war  bald  verflogen,  die  Mitglieder  liebten  ilire  Behaglichkeit  und  Ruhe, 
sie  dachten  mehr  an  ilu-e  Geschäfte  als  an  eine  Umgestaltung  der  Re- 
ligion, sie  waren  mit  der  neuen  Einrichtung  zufrieden,  keineswegs 
aber  von  kampflustigem  Tatendrang  oder  opferfreudiger  Begeisterung 
erfüllt.  Auch  die  Prediger  des  Tempels  waren  nicht  ^Männer  von  über- 
ragender Bedeutung,  sie  gingen  in  den  Pflichten  für  die  Gemeinde 
auf  und  unter,  ilu'e  ganze  Tätigkeit  erschöpfte  sich  in  Predigt  und 
Unterricht,  zu  geistigen  Führern  der  Judenheit  fühlten  sie  sich  nicht 
berufen  und  besaßen  sie  auch  nicht  die  Fähigkeit,  ^'iederschmetternd 
war  der  Eindruck  ihrer  Persönlichkeiten,  den  Leopold  Zunz  in  das 


410  Geschichte  des  Gottesdienstes 

vernichtende  Urteil  zusammenfaßte,  daß  ,,an  einem  ausgestopften 
Rabbi  im  zoologischen  Museum  mehr  Judentum  zu  studieren  wäre, 
als  an  den  lebendigen  Tempelpred^ern".  Daß  vom  Tempel  die  Wieder- 
geburt des  Judentums  ausgehen  könnte,  erwartete  nach  wenigen  Jahren 
niemand  mehr,  man  konnte  in  ihm  nicht  mehr  sehen  als  den  Versuch, 
ein  Gebäude  äußerlich  herauszuputzen,  an  dessen  Tragfähigkeit  man 
nicht  recht  glaubte,  für  dessen  gründliche  Ausbesserung  man  Aufwand 
und  Mühe  nicht  mehr  für  lohnend  hielt.  ,,Die  Hamburger  täuschen 
sich  gewaltig,  wenn  sie  ihren  Reformationsideen  eine  universelle  Be- 
deutung beilegen,  aber  es  ist  eine  Täuschung,  die  man  ihnen  lassen 
kann.  Was  brauchen  sie  zu  wissen,  daß  sie  selbst  im  Übergange  sind?" 
So  schrieb  schon  1824  Moritz  Moser,  dem  nichts  ferner  lag  als  blinde 
Voreingenommenheit  gegen  die  fortschrittliche  Bewegung. 

Der  Tempel  mag  als  eine  nicht  uuAvichtige  Episode  gelten,  als 
„eine  neue  Epoche  in  der  jüdischen  Religionsgeschichte"  kann  der 
Historiker  sein  Entstehen  nicht  bezeichnen,  „Wir  haben  den  Gottes- 
dienst verbessern  wollen,  und  dies  ist  geschehen,  zum  Reformator 
fühle  ich  mich  nicht  berufen";  diese  Worte  des  tatkräftigsten  und 
geistvollsten  unter  den  Begründern  des  Tempels  zeigen  deutlich  die 
engen  Grenzen  des  Unternehmens,  dem  entsprachen  auch  die  Wir- 
kungen. Der  Tempel  hat  innerhalb  seines  kleinen  Kreises  zur  Be- 
kämpfung der  Gleichgültigkeit  beigetragen,  er  hat  die  Teilnehmer 
an  dem  neuen  Gottesdienste  im  Glauben  befestigt,  hat  auch  in  solchen, 
die  der  Synagoge  fast  entfremdet  waren,  die  religiöse  Begeisterung 
aufs  neue  geweckt  und  aufrechterhalten.  Darüber  hinaus  waren 
seine  Leistungen  und  Erfolge  gering.  Die  bedeutsamste  Tat  des 
Tempelvereins  war  1820  die  Einrichtung  eines  Filialgottesdienstes 
in  Leipzig,  wo  sich  während  der  Feiertage,  die  meist  mit  der  Oster- 
und  Herbstmesse  zusammenfielen,  zahlreiche  Kaufleute  aus  Ham- 
burg aufhielten;  Besucher  aus  allen  Ländern,  besonders  auch  aus 
Polen,  Rußland  und  Ungarn  lernten  hier  die  neue  Form  des  Gottes- 
dienstes kennen  und  vieles  daran  schätzen.  Sie  berichteten  in  der 
Heimat  von  dem,  was  sie  gesehen  hatten,  und  so  verbreitete  sich  an 
zahlreichen  Orten  Sinn  und  Verständnis  für  einen  ansprechenden 
Gottesdienst.  Predigt  und  Chorgesang,  Beseitigung  der  unverständ- 
lichsten Stücke  des  Gebetbuchs  und  der  Piutim,  vor  allem  aber  die 
Herstellung  von  Ruhe  und  Ordnung  in  den  Synagogen  wmden  in  vielen 
Gemeinden  als  dringendes  Bedürfnis  empfunden. 


Weitere   Reformen  411 

Jnf2;rüL)en  licMiiciiulen,  wie  in  Wien  und  Prag,  wurden  eigene  Tein|)el 
mit  Prodigtgottesdienst  gegründet,  in  Prag  erschien  bei  der  Kinweihung 
des  Tempels  1837,  trotz  Chor  und  Orgel,  das  gesamte  Rabbinat.  In 
Deutschland  erließen  die  Regierungen  einiger  kleinerer  Staaten 
Synagogenordnungen,  um  einen  würdigen  und  angemessenen  Gottes- 
dienst zu  erzielen,  und  ließen  sie  auch  gegen  den  Willen  der  Gemeinden 
streng  durcliführen.  Rücksichtslos  waren  die  Eingriffe  der  Juden- 
ordnung in  Sachsen-Weimar,  die  neben  der  Änderung  vieler  gottes- 
dienstlicher Bräuche  bestimmte,  daß  bis  auf  ganz  wenige  Ausnahmen 
sämtliche  Gebete  nur  in  deutscher  Sprache  vorgetragen  werden 
durften.  Der  Landrabbincr  Heß  war  von  einem  derart  fanatischen 
Hasse  gegen  das  überlieferte  Judentum  erfüllt,  daß  er  die  Regierung 
zu  ihrem  Vorgehen  ermutigte,  olnvohl  sie  gleichzeitig  die  rechtliche 
Stellung  der  Juden  verschlechterte,  aber  die  Gemeinden  stellten  den 
Reformen  so  entschiedenen  Widerstand  entgegen,  daß  sie  erst  nach 
15  Jahren  in  Kraft  gesetzt  werden  konnten.  Auch  in  Preußen  geriet 
das  Verbot  von  1823  (oben  S.  402)  allmählich  in  Vergessenheit,  die 
(iemeinden  konnten  die  deutsche  Predigt  als  regelmäßige  Institution 
einführen.  So  regte  sich  allenthalben  der  Wunsch  nach  Neuerungen, 
vor  allem  nach  Verkürzung  und  Verschönerung  des  Gottesdienstes 
und  nach  religiöser  Belehrung,  hier  und  da  wurde  auch  wegen  Ab- 
stellung eines  Mißbrauches  oder  Beseitigung  eines  Piut  gekämpft, 
im  ganzen  aber  herrschte  Ruhe  und  Erstarrung,  die  Offenbarungen 
eines  neuen  Geistes  waren  nirgends  wahrzunehmen;  trotz  aller  Er- 
neuerungsversuche geschah  nichts  Durchgreifendes,  um  den  Verfall 
aufzuhalten. 

§  45.  Die  Reformbewegung  auf  ihrem  Höhepunkte. 

Literatur:  Philipson.  Philippson,  Bernfeld,  JE  das.  Protokolle  und 
Aktenstücke  der  zweiten  Rabbinerversammlung. 

1.  Auf  die  Gründung  des  Hamburger  Tempels  folgten  trübe  Jahre 
für  die  deutschen  Juden.  Ihr  messianischer  Traum  wurde  jäh  unter- 
brochen, eine  gewaltige  Flut  von  Schmähschriften  und  die  Hep-Hep 
Bewegung  brachten  ihnen  in  Erinnerung,  daß  das  Mittelalter,  zu- 
mindest für  die  Juden,  noch  nicht  sein  Ende  erreicht  hatte.  Infolge 
der  zunehmenden  Reaktion  in  allen  deutschen  Staaten  rückte  die 
Aussicht  auf  Erlangung  der  Gleichberechtigung  in  weite  Ferne.  Das 
Ideal,  an  dessen  Verwirklichung  zwei  Generationen  ihre  ganze  Kraft 


412  Geschichte  des  Gottesdienstes 

gesetzt  hatten,  war  zerstört,  die  Hoffnung,  die  ihnen  Mut  und  Halt 
gegeben  hatte,  entschwunden,  die  Mehrzalil  der  gebildeten  Juden  verlor 
das  Vertrauen  in  die  Zukunft  ihrer  Religion,  viele  suchten  Anschluß 
bei  der  herrschenden  Kirche,  andere  lebten  in  stumpfer  Verzweiflung 
hin.  ohne  sich  um  die  Glaubensgenossen  zu  kümmern.  Die  religiösen 
Zustände  nahmen  eine  trostlose  Gestalt  an,  das  alte  Judentum  verfiel 
immer  mehr,  es  fehlte  ihm  an  Führern  und  an  Bekennern,  seine  Lelirer 
hatten  keinerlei  Verständnis  für  die  Sprache  und  die  Bestrebungen 
ihrer  Zeitgenossen,  seine  Anhänger  übten  die  überlieferten  Vorschriften 
mit  strengster  Gewissenhaftigkeit  aus,  aber  ohne  jede  innerliche  Anteil- 
nahme, daher  auch  ohne  den  Wunsch,  sie  den  Nachkommen  zu  ver- 
erben. Es  wuchs  ein  Geschlecht  heran,  das  ,,gott-  imd  sittenlos  in 
bloßem  Sinnenrausche  dahinlebte.  Kein  Religionsunterricht,  keine 
guten  Beispiele,  bloß  Verspottung  alles  Guten  und  vollkommene 
Ignoranz".  Tiefer  blickende  Geister  konnten  es  sich  nicht  verhehlen, 
daß  der  Mangel  an  Glaubensinnigkeit  und  der  verständnislose  Formen- 
dienst notwendig  zum  Abgmnd  führen  mußten,  wenn  nicht  rechtzeitig 
eine  vollständige  Umwandlung  des  Geistes  im  Judentum,  eine  gründ- 
liche Reform  einträte.  Ein  solcher  Mahnruf  waren  Samson  Raphael 
H  i  r  s  c  h  s  „Neunzehn  Briefe'',  die  vermöge  der  Wärme  der  Emp- 
findung und  der  Tiefe  der  Auffassung,  die  aus  ilmen  sprachen,  auf  die 
Zeitgenossen  einen  überwältigenden  Eindruck  machten.  Sie  ver- 
traten eine  neue  Anschauung  von  dem  Entwicklungsgange  und  den 
Aufgaben  der  jüdischen  Religion  und  entfernten  sich  gedanklich 
sehr  weit  von  der  herrschenden  Lelire.  Sobald  er  aber  auf  die  Ge- 
staltung des  Lebens  zu  sprechen  kam,  ging  Hirsch  mit  dem  Stabilitäts- 
prinzip wesentlich  über  den  Schulchan  Aruch  hinaus;  für  seine  Lehre 
„beginnt  und  schließt  das  Judentum  mit  dem  Schulchan  Aruch  und 
dem  Minliagbuche",  eine  Veränderung  des  religiösen  Lebens  konnte 
sie  demnach  nicht  herbeiführen.  Etwa  gleichzeitig  hatte  Abraham 
Geiger  den  Begriff  einer  jüdischen  Theologie  auf  der  Grundlage  der 
geschichtlichen  Kritik  entwickelt.  Auch  er  hatte  zur  Reform  auf- 
gerufen, nicht  zu  einzelnen  Veränderungen  und  zu  kleinen  Verbesse- 
rungen im  Gottesdienste,  sondern  ebenfalls  zu  einer  völligen  Um- 
gestaltung des  gesamten  religiösen  Denkens  und  Lebens.  Die  Reform 
bedeutete  ihm  ,,eine  umgeänderte,  neue  Gestalt,  ein  verjüngtes  Leben, 
vom  Geiste  getränkte,  dm'chdrungene  Formen.  Das  Schwere  wie  das 
Leichte,  das  Ganze  wie  das  Einzelne  soll  Sinr  und  Bedeutung  haben. 


Der  zwciti'    ll,iiiil)iiixi'r  'l'ciiipristi'cit  4  [  ;■} 

soll  (It'U  (ii'ist  i'ilii'hiMi.  (las  llciz  ciwäiiiKMi,  (huiiil  es  auf  dio  ganze 
Lebensäuliening  Kinfluli  habe".  AUiiiählicli  besserten  sich  die  Zeiten, 
die  Cieniütor  wurden  idealen  Forderungen  wieder  mehr  zugänglich. 
Mit  den  fortschreitenden  Erfolgen  des  Bürgertums  nach  \H'M)  gewann 
auch  die  Sache  der  Juden  mehr  Aussicht,  in  (iabriel  K  i  e  Li  e  r  er- 
stand den  .luden  ein  beherzter  vSachwalter  von  hohem  sittlichem 
l'atlios.  ihm  gebührt  das  Verdienst,  daß  das  Selbstbewußtsein  der 
deutschen  Juden  sich  wieder  hob,  daß  die  überzeugungstreue  wuchs. 
Jede  Reform  auf  religiösem  Gebiete,  die  bezweckte,  die  bürgerliche 
Kmanzi])ation  zu  erleichtern,  lehnte  Rießer  mit  Entschiedenheit  ab; 
der  Eindruck  seines  Beispiels  blieb  nicht  aus,  als  die  badische  und 
die  bayrische  Kegierung  als  V(ub(>dingung  für  die  Clewährung  bürger- 
licher Rechte  gewisse  Änderungen  im  religiösen  Leben  und  in  den 
gottesdienstlichen  Bräuchen  forderten,  wurde  ihr  Ansinnen  entschlossen 
zurückgewiesen. 

2.  Wenn  auch  die  Stimmung  sich  änderte  und  allenthalben  die 
Vorboten  einer  neuen  Zeit  sich  bemerkbar  machten,  so  nahm  die 
Bewegung  doch  vorerst  nirgends  feste  Gestalt  an,  bis  wiederum  durch 
den  Hamburger  Tempel  der  Friede  unterbrochen  wurde.  Diesmal 
jedoch  wurde  ein  Sturm  entfesselt,  der  weithin  wütete,  die  jüdische 
Gesamtheit  ergriff  und  den  Anlaß  zu  einer  grundsätzlichen  Reform 
des  Gottesdienstes  gab.  Die  Tempelgemeinde  sah  sich  infolge  des  An- 
wachsens ilirer  Mitgliederzahl  zu  einer  Erweiterung  ihres  Gottes- 
hauses genötigt  und  beschloß,  „dem  Geist  des  zeitgemäßen  Fortschritts 
entsprechend"  diese  Gelegenheit  zu  einer  Revision  ihres  Gebetbuchs 
zu  benutzen.  Zu  den  Herbstfeiertagen  1841  erschien  die  neue  Aus- 
gabe unter  dem  doppelten  Titel  „min::?  "no,  Gebetbuch  für  die 
öffentliche  und  häusliche  Andacht  der  Israeliten,  Gebetbuch  für  die 
öffentliche  und  häusliche  Andacht,  nach  dem  Gebrauch  des  neuen 
Israelitischen  Tempels  in  Hamburg".  Die  Re\äsion  bestand  haupt- 
sächlich darin,  daß  die  wenig  gehaltvollen  deutschen  Gebete  durch 
ergreifendere  und  wirksamere  ersetzt  wurden;  die  Piutim,  welche  sich 
als  viel  zu  zahlreich  und  daher  unanwendbar  erwiesen  hatten,  wurden 
weggelassen.  Die  Stammgebete  hingegen  wurden  erweitert  und  ver- 
vollständigt, manches,  was  früher  ausgefallen  war,  wurde  wieder- 
hergestellt. So  erschienen  vor  allem  die  Gebete  für  die  Wochentage 
wieder;  die  einleitenden  Benediktionen  waren  gekürzt  und  deutsch, 
die  Psalmen  nicht  wesentlich  gekürzt  und  hebräisch,  das  Schma  wie 


414  Geschichte  des  Gottesdienstes 

früher  (S.  403),  von  der  Tefilla  die  drei  ersten  und  drei  letzten  Stücke 
nebst  der  Keduscha  hebräisch,  die  übrigen  deutsch  wiedergegeben, 
zum  Abscliluß  folgten  das  Kaddisch  und  ein  deutsches  Lied.  Die 
Einschaltungen  und  Toravorlesungen  wurden  in  alter  Weise  beibehalten. 
Große  TSeuerungen  im  einzelnen  waren  nicht  vorgenommen  worden, 
es  sollte  ,,jede  Abweichung,  wo  es  irgend  angängig  war,  vermieden 
werden,  der  hebräische  Ausdruck  wurde  mit  besonderer  Schonung 
behandelt,  jedem,  wenn  auch  besseren  neuen  Ausdrucke  wurde  der 
ältere  geweihte  vorgezogen".  Bei  der  Tefilla  z.  B.  war  in  der  Über- 
tragung der  XIV.  und  XV.  Bitte  die  nationale  Hoffnung  entsprechend 
dem  Vorgehen  der  L  Auflage  vergeistigt,  in  die  Eulogie  der  XVII. 
war  die  Lesart  der  alten  Quellen  (oben  S.  31,  56)  eingesetzt.  Im  ganzen 
waren  die  Änderungen  gegenüber  der  früheren  Auflage  gering  und  im 
konservativen  Sinne  vorgenommen.  Xiemand  kam  auf  den  Gedanken, 
daß  das  Erscheinen  des  Gebetbuchs  irgendwelche  Erregung  ver- 
ursachen könnte,  es  wurde  auch  wälu'end  sämtlicher  Feiertage  un- 
beanstandet benutzt.  Kaum  aber  waren  die  Feste  vorüber,  da  erschien 
eine  lange  Bekanntmachung  (nr^-i^)  des  „Chacham"  B  e  r  n  a  y  s , 
die  an  die  Entscheidung  des  Rabbinats  vom  Jalu-e  1819  erinnerte  und 
es  für  verboten  erklärte,  das  vorgescliriebene  Gebet  aus  dem  neuen 
Gebetbuche  zu  verrichten.  In  der  schroffsten.  Form  wurde  von  dem 
neuen  Gebetbuche  gesprochen,  es  wurde  ihm  „willkürliche  Verstümm- 
lung, Auslassung,  Abweichung  tmd  frivole  Behandlung  unserer  religiös 
verheißenen  Zukunft,  mutwillige  Behandlung  des  Heiligen,  Zer- 
stückelung und  Zerstörung  fast  aller  Gebete"  zum  Vorwurf  gemacht. 
Eine  solche  Erklärung  war  von  Bernays  nicht  erwartet  worden.  Er 
war  kein  Rabbiner  alten  Schlages,  er  wußte  Bescheid  in  allen  Wissen- 
schaften, in  Philosophie  und  Kabbala,  er  hatte  Gedanken  über  den 
Entwicklungsgang  des  Judentums  ausgesprochen,  die  in  den  Ohren 
eines  alten  Rabbis,  wenn  er  fähig  war  sie  zu  verstehen,  wie  strafwürdige 
Ketzereien  klingen  mußten.  Bei  ihm  hätte  man  mein*  Besonnenheit 
und  Unbefangenheit  voraussetzen  dürfen,  tatsächlich  soll  er  auch 
erst  durch  das  Drängen  seiner  über  das  Wachstum  des  Tempels  ver- 
ärgerten Anhänger  sich  zu  jener  Erklärung  haben  verleiten  lassen, 
aber  er  überschritt  doch  mit  seinen  Vorwürfen  das  Maß  des  Erlaubten 
und,  was  weit  schwerer  ins  Gewicht  fällt,  die  Grenzen  der  Wahrheit. 
Es  war  daher  nur  begreiflich,  daß  sein  Verhalten  in  den  weitesten 
Kreisen  Tadel  fand.    Xicht  nur,  daß  die  Tempelgemeinde  mit  einer 


Der  zweilf   Hamburger  Tcmpelstreit  4]  5 

geharnischten  Erklärung  sieh  gegen  die  Einmischung  verwalirte,  aucli 
Theologen,  die  am  Gebetl)uchc  des  Tempels  viel  auszusetzen  hatten, 
erklärten  ilire  Entrüstung  über  die  von  Bernays  beliebte  Verketzerung 
einer  Gemeinde,  für  deren  religiöses  Eigenleben  er  bis  dahin  keinerlei 
Interesse  gezeigt  hatte.  Jnlolg«'  der  Unljesonnenheit  der  (Icgnur  des 
Tempels  wurde  das  Erscheinen  des  neuen  Gebetbuchs  der  Anlaß  zu 
einem  erneuten  Kampfe,  der  aber  bei  dem  Ausgangspunkte  nicht 
stehen  blieb,  sondern  zu  einer  folgenschweren  prinzipiellen  Entscheidung 
fülnte. 

3.  Die  Verhältnisse  lagen  nicht  mehr  so  wie  1819,  wo  die  ab- 
lehnenden Gutachten  der  Rabbiner  fast  ohne  Widerspruch  hingenommen 
wurden,  inzwischen  war  eine  neue  Generation  mit  anderen  Anschau- 
ungen und  Bestrebungen  herangewachsen.  Der  Fortschritt  wurde 
niclit  mehr  von  Männern  vertreten,  ,,die  der  Religion  nicht  gehörig 
kundig  waren  und  sich  in  seichtem  Geschwätz  der  Aufklärerei  ergingen''. 
Inzwischen  war  die  Wissenschaft  des  Judentums  ent- 
standen, der  Weg  zur  geschichtlichen  Erfassung  der  Religion  gefunden 
worden.  Z  u  n  z  '  „Gottesdienstliche  Vorträge"  hatten  in  klassischer 
Methode  mit  unwiderleglichen  Beweisen  die  Tatsache  der  Entwcklung 
der  religiösen  Institutionen  dai'getan,  es  hatte  sich  gezeigt,  daß  der 
jüdische  Gottesdienst  keineswegs  von  Anfang  an  dieselbe  fertige  Ge- 
stalt und  den  gleichen  Umfang  gehabt  hatte,  sondern  daß  die  Liturgie 
fortwährenden  Veränderungen  unterworfen  gewesen,  daß  sie  aus 
kleinen  Anfängen  hervorgegangen  und  durch  ständige  Bereicherungen 
zu  dem  geworden  war,  was  den  Zeitgenossen  von  E^vigkeit  her  un- 
verändert und  unveränderlich  erschien.  Zunz  hatte  auch  zu  den 
Zeitfragen  Stellung  genommen  und  das  Ergebnis  seiner  Untersu- 
chungen dahin  zusammengefaßt,  daß  ,, keiner  organisierten  jüdischen 
Behörde  und  keiner  Gemeinde  das  Recht  streitig  gemacht  werden 
könnte,  neue  Gebete  einzufüliren,  sowie  solche  Zutaten  zur  Gebet- 
ordnung meder  abzuschaffen,  welche  durch  Länge,  Unverständlichkeit 
und  anstößigen  Inhalt  der  Erbauung  mehr  hinderlich  als  förderlich 
geworden".  Als  der  wichtigste  Teil  der  Verbesserungen  erschien 
ihm  die  Notwendigkeit  „der  Wiederherstellung,  die  Rück- 
kelir  von  dem  Mißbrauche  zu  dem  Brauch,  welches  die  Rückkehr  von 
der  erstarrten  zu  der  lebenskräftigen  Form  ist".  Auf  Zunz'  For- 
schungen hatte  Geiger  die  jüdische  Theologie  aufgebaut;  für  ihn  war 
die  Umgestaltung  des  Gottesdienstes  nicht  mehr  Selbstzweck,  sondern 


4]^ß  Geschichte   des  Gottesdienstes 

ein  Zweig  des  großen  Reformprogramms,  das  die  Lebensfrage  des 
Judentums  bildete.  Jetzt  konnte  man  bei  äußerlichen  Änderungen 
nicht  mehr  stehen  bleiben,  die  gesamte  R  e  1  i  g  i  o  n  s  a  n  - 
s  c  h  a  u  u  n  g  wurde  auf  eine  neue  Grundlage  gestellt,  es  erhob  sich 
die  Frage,  wie  weit  die  in  den  Gebeten  vertretenen  religiösen  An- 
schauungen den  geläuterten  Vorstellungen  entsprachen.  Es  war  ferner 
eine  jüdische  Presse  entstanden,  in  der  die  Streitpunkte  eifrig  be- 
sprochen wurden,  es  bildete  sich  eine  öffentliche  Meinung,  die  für  und 
wider  die  vorgeschlagene  Reform  lebhaft  Stellung  nahm.  Vor  allem 
aber  gab  es,  was  für  den  Gebetbuchstreit  in  Hamburg  von  Wichtigkeit 
war.  bereits  eine  ganze  Anzahl  Rabbiner  mit  moderner  akade- 
mischer Bildung,  die  von  der  Notwendigkeit  gottesdienstlicher  Re- 
formen durchdrungen  waren  und  sie  in  bescheidenerem  oder  größerem 
Umfange  in  ihren  Gemeinden  durchgeführt  hatten.  Diesmal  ist  es 
daher  die  Tempelgemeinde,  welche  theologische  Gutachten  über  das 
angefochtene  Buch  einfordert?,  um  festzustellen,  ,,ob  es  wirklich  den 
israelitischen  Religionslehren  zuwider,  und  daher  der  Gebrauch  des- 
selben beim  Gottesdienste  nicht  zulässig  sei".  Die  Gutachten  sind 
weit  davon  entfernt,  dem  Gebetbuche  uneingeschränktes  Lob  zu  zollen, 
die  einen  nehmen  an  den  Abweichungen  vom  überlieferten  Texte  oder 
an  der  willkürlichen  Verschmelzung  verschiedener  Texte  Anstoß,  den 
anderen  gehen  die  Änderungen  nicht  weit  genug,  sie  vermissen  eine 
folgerichtige  Durchführung  des  Reformprinzips;  alle  aber  stimmen 
darin  überein,  Bernays  Haltung  mit  Entschiedenheit  zu  verurteilen, 
sie  klagen  ihn  nicht  nur  wegen  der  Mißachtung  der  Gewissensfreiheit 
an,  sondern  sprechen  einem  Rabbiner,  der  nichts  zur  Verbesserung  der 
Mißbräuche  des  bisherigen  Gottesdienstes  getan  hatte,  überhaupt  das 
Recht  ab,  in  der  Frage  als  Richter  aufzutreten. 

4.  Für  Hamburg  war  die  Angelegenheit  damit  erledigt,  sie  war 
aber  durch  den  Schriftenkampf  und  das  damit  verbundene  öffent- 
liche Aufsehen  eine  Frage  der  jüdischen  Gesamtheit  geworden  und 
mußte  einer  allgemeingültigen  Lösung  zugeführt  werden.  Von  mehreren 
Seiten  war  seit  längerer  Zeit  der  Zusammentritt  einer  Rabbiner- 
Versammlung  befürwortet  worden,  der  Tempelstreit  trug  mit 
dazu  bei,  ihre  Einberufung  zu  beschleunigen,  am  12.  Juni  1844  trat  die 
erste  in  B  r  a  u  n  s  c  h  w  e  i  g  zusammen.  Die  Rabbinerversamm- 
lungen waren  als  unparteiische  Vereinigungen  gedacht,  in  denen  alle 
Richtungen  sich  zu  gemeinsamer  Beratung  über  Mittel  und  Wege 


Die  erste  Rabbinerversammlung  417 

zur  AI)stollun<:  der  Schäden  im  zeitp^enössischcn  Jiulentinne  vereinigten, 
sie  sollten  der  Willkür  und  der  Zersplitterung  ein  l^nde  machen,  eine 
für  die  Gesamtheit  annehmbare  Auskunft  aus  den  tagtäglich  sich 
ergebenden  Schwierigkeiten  suchen.  Derjenige  Teil  der  Rabbiner 
aber,  der  alles  Heil  nur  im  Festhalten  am  Herkommen  erblickte,  hielt 
sich  geflissentlich  von  den  Versammlungen  fern  und  begab  sich  jedes 
Einflusses  auf  die  künftige  Gestaltung  der  Verhältnisse  der  großen 
Masse  der  deutschen  Juden,  es  war  seine  Schuld,  wenn  die  Vertreter 
einer  radikalen  Reform  das  Übergewicht  erlangten.  Es  entsprach 
ihrer  Bedeutung,  wenn  die  gottesdienstlichen  Probleme  bei  den  Be- 
ratungen über  die  [Neugestaltung  des  Judentums  in  die  erste  Reihe 
traten.  Von  den  Beschlüssen  der  ersten  Rabbinervcrsammlung  hatte 
nur  einer  Beziehung  zum  Gottesdienst,  es  wurde  die  Abschaffung 
des  Kol  Nidre  empfohlen;  es  war  eine  Verkehrtheit,  daß  es  im 
Zusammenhange  mit  der  Frage  des  Judeneides  geschah,  und  daß  auch 
hier  eine  religiöse  Tradtition  dem  politischen  Streben  zum  Opfer  fiel. 
Dem  Gottesdienste  selbst  wurde  zunächst  nur  eine  ausführliche  Be- 
sprechung gewidmet,  eine  Kommission  erhielt  den  Auftrag,  über  die 
folgenden  sechs  Punkte  zu  beraten: 

1.  ,,0b  und  wie  weit  die  hebräische  Sprache  bei  dem  Gottesdienste 
notwendig,  und  wenn  auch  nicht  notwendig,  doch  vorerst  noch 
ratsam  erscheine? 

2.  Inwieweit  das  Dogma  des  Messias  und  was  mit  demselben  im 
Zusammenhang  steht,  in  dem  Gebeten  berücksichtigt  werden 
müsse? 

3.  Ob  die  Wiederholung  der  18  Benediktionen  notwendig  sei  und 
die  Musafim  beibehalten  werden  müssen? 

4.  Auf  welche  Weise  n-^^rr^  ns'^-ip  und  'ST^p  't  (das  Vorlesen  aus 
der  Tora  und  das  Aufrufen  zur  Tora)  eingerichtet  werde? 

5.  Auf  welche  W'eise  "lEiC  ry^pn  (das  Posaune-Blasen)  und 
abib  ni:"^"^:  (Palmen-Halten)  einzurichten  sei? 

6.  Ob  die  Orgel  beim  jüdischen  Gottesdienste  rätlich  und  zu- 
lässig sei?" 

Es  war  keine  geringe  Aufgabe,  die  der  Kommission  zufiel,  die  Meinungs- 
verschiedenheiten in  der  Versammlung  hatten  bereits  ahnen  lassen, 
daß  hier  der  Keim  zu  schweren  Verwicklungen  lag. 

5.  Die  Beratung  über  den  Gottesdienst  füllte  den  größten  Teil 
der  Sitzungen  der  zweiten  Rabbinerversammlung  aus,  die  in  F  r  a  n  k  - 

El  bogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  '^' 


418  Geschichte  des  Gottesdienstes 

fürt  a.  M.  vom  15.  bis  28.  Juli  1845  tagte.  Die  Komission,  welche 
aus  fünf  Mitgliedern  bestand,  legte  einen  umfassenden  Bericht  vor, 
er  „verbreitete  sich  ausführlich  über  die  Grundsätze,  welche  etwa  bei 
einer  Reform  des  Rituales  in  Betracht  kommen  dürften,  und  gab  zu- 
gleich eine  sehr  genau  ins  einzelne  gehende  Übersicht  der  etwa  vor- 
zuschlagenden Liturgie  für  das  ganze  Jahr".  Schon  hier  begannen 
die  Schwierigkeiten,  ein  Mitglied  der  Kommission  hatte  sich  gegen  jede 
in  Vorsclilag  gebrachte  Abänderung  des  öffentlichen  Gottesdienstes 
erklärt,  die  anderen  waren  ebenfalls  nicht  in  allen  Punkten  einig  und 
verwahrten  sich  ausdrücklich  gegen  die  Verantwortung  für  den  vollen 
Inhalt  des  Berichtes.  Aus  der  IVIitte  der  Versammlung  wurde  ge- 
tadelt, daß  die  Kommission  selbständig  über  ihren  Auftrag  hinaus- 
gegangen war  und,  anstatt  sich  mit  der  Beratung  der  sechs  Fragen 
zu  begnügen,  ein  umfassendes  Reformprogramm  vorgelegt  hatte; 
es  wurde  ilu*  daher  aufgegeben,  den  Bericht  in  der  Weise  umzuändern, 
daß  er  lediglich  die  Entscheidung  jener  Fragen  enthielt.  Wenn  schon 
bei  der  Behandlung  der  rein  formalen  Außenseite  derartige  Zwistig- 
keiten  entstanden,  so  konnte  man  voraussehen,  wie  sehr  bei  der  sach- 
lichen Beratung  die  Meinungen  aufeinanderplatzen  würden.  Der 
Kommissionsbericht  ging  von  dem  Grundgedanken  aus,  daß  eine  Reform 
des  Gottesdienstes  im  bisherigen  Sinne  nicht  genügte,  sondern  daß 
„eine  neue  organische  Gestaltung  desselben  not  täte",  die  ,, Gebrechen 
des  Gottesdienstes"  werden  als  ,,die  wichtigsten  Ursachen  des  Mangels 
an  Teilnalune  am  religiösen  Leben"  hingestellt,  durch  ihre  Abstellung 
soUen  die  Synagogen  wieder  zu  iln-er  Würde  erhoben,  die  Gemüter 
ihnen  zugewendet  werden. 

Die  Debatte  gestaltete  sich  selir  heftig  und  unerquicklich,  die 
Meinungen  waren  noch  so  wenig  geklärt  wie  das  Jahr  vorher  in  Braun- 
schweig, die  kurze  Zwischenzeit  reichte  tatsächlich  nicht  hin,  imi  eine 
Frage  von  solchem  Umfange  und  solcher  Tragweite  nach  allen  Seiten 
durchzuarbeiten.  Für  die  Gestaltung  des  Gottesdienstes  mußte  die 
Gesamtauffassung  der  Grundfragen  der  Religion  maßgebend  sein, 
dazu  aber  war  die  jüdische  Theologie  eine  noch  zu  junge  Wissenschaft, 
um  für  so  zahh'eiche  mchtige  Probleme  fertige  Antworten  liefern  zu 
können.  Bei  allen  folgenden  Abstimmungen  machten  sich  die  Folgen 
des  Fehlens  eines  leitenden  Prinzips  unangenehm  fühlbar,  die  Mehr- 
heit der  Versammlung  aber  hielt  es  für  wichtiger,  Beschlüsse  zu  fassen, 
als  sich  bei  der  Entscheidung  von  Grundsätzen  aufzuhalten.    Die 


Die  Uiibbinerversammlung  in  FiMiikliirt  ;i.  M.  419 

erste  Frage  mußte  melirfach  geteilt  werden,  da  sieh  sonst  ein  Be- 
scliliilj  überhaupt  nicht  iierbeiführen  ließ.  Die  Kommission  hatte 
die  objektive  Not\ven(lijz;keit  des  (Jebets  in  hebräischer  Sprache  ver- 
neint, sie  aber  lediglicii  vom  Standpunkte  des  Talmuds  und  seiner 
Kodifikatoren  erwogen;  darin  fand  sie  keinen  Widerspruch.  Via  fragte 
sich  jedoch,  ob  nicht  aus  anderen  als  den  formal  gesetzlichen,  ob  nicht 
aus  religiösen  und  historischen  Gründen  eine  objektive  Notwendigkeit 
zur  BeibeiuUtuug  der  hebräischen  Sprache  für  die  wichtigsten  Ge- 
bete anerkannt  werden  mußte.  Hier  schieden  sich  die  Geister,  nur 
13  Stimmen  erklärten  sich  dafür,  drei  waren  unschlüssig,  die  Mehrheit 
von  15  Stimmen  stellte  sich  auf  den  Standpunkt,  daß  es  das  Ziel 
bleiben  müßte,  vollständig  in  der  Muttersprache  zu  beten, 
daß  es  aber  zurzeit  noch  ratsam  wäre,  auch  hebräische  Gebete 
beizubehalten.  Die  Abstimmung  brachte  den  ersten  Zwiespalt  in  die 
Versammlung,  F  r  a  n  k  e  1  sah  sich  veranlaßt,  sich  von  ihr  loszusagen 
und  in  der  Lösung  der  Reforrafrage  seine  eigenen  Wege  zu  gehen. 

Völlige  Uneinigkeit  ergab  sich,  sobald  man  zur  Beratung  der 
Einzelheiten  sciu-itt.  Es  lag  nicht  in  der  Absicht  der  Versammlung, 
eine  neue  Liturgie  zu  schaffen,  sondern  aus  der  überlieferten  beizu- 
behalten, was  möglich  w^ar;  über  das  Maß  des  Möglichen  aber  gingen 
die  Meinungen  sehr  auseinander.  Die  Kommission  legte  den  voll- 
ständigen Entwurf  eines  Gebetbuchs  vor,  jedoch  war  kaum  einer  der 
Versammelten  geneigt,  ihn  unverändert  zu  übernehmen.  Die  Kom- 
mission hatte  die  hebräischen  Gebete  auf  ein  sehr  geringes  Maß  be- 
schränkt, sie  schlug  vor,  nur  den  ersten  Abschnitt  des  Sclima,  die 
ersten  und  letzten  Benedilvtionen  der  Tefilla  hebräisch  zu  sprechen; 
das  wurde  als  ein  guter  Rat  hingenommen,  aber  fast  übereinstimmend 
als  zu  wenig  erklärt.  Die  Messiasfrage  barg  schwierige, 
bisher  ungeklärte  theologische  Probleme  in  sich,  Einigkeit  herrschte 
nur  über  den  einen  Punkt,  „daß  die  Bitten  um  unsre  Zurückführung  in 
das  Land  unsrer  Väter  und  Herstellung  eines  jüdischen  Staates  aus 
unsern  Gebeten  ausgeschieden  werden"  sollten.  Im  übrigen  waren  die 
Anschauungen  über  den  Ursprung  und  Inhalt  der  Messiasidee  sehr 
verschieden,  man  mußte  sich  daher  mit  der  allgemeinen  Entschließung 
begnügen,  daß  ,,die  Messiasidee  in  den  Gebeten  hohe  Berücksichtigung 
verdiente".  Einen  Fortschritt  über  die  Lehre  der  alten  Reformer 
bedeutete  es,  wenn  ausdrücklich  dagegen  Verwahrung  eingelegt  wurde, 
daß  der  Messiasglaube  in  seiner  alten  Fassung  gegen  die  Vaterlands- 


420  Geschichte  des  Gottesdienstes 

liebe  verstieße.  Für  den  Geist,  der  die  Versammlung  erfüllte,  ist  es 
bezeichnend,  daß  mehrere  Redner  das  messianische  Zeitalter  der 
allgemeinen  Menschenliebe  als  bereits  gekommen  und  begonnen  er- 
klärten: eine  glückliche  Zeit,  in  der  auf  einen  unmittelbar  bevorstehen- 
den Sieg  des  Rechtes,  der  Wahrheit  und  der  Menschlichkeit  mit  Sicher- 
heit gebaut  werden  konnte!  Ohne  Widerspruch  wurde  der  Vorsclilag 
angenommen,  die  Wiederholung  der  Tefilla  abzuschaffen, 
an  Wochentagen  sollte  nach  dem  Wunsche  der  Mehrheit  nur  der  Anfang 
und  das  Ende,  an  Sabbaten  und  Festen  alles  sofort  vom  Vorbeter  laut 
vorgetragen  werden.  Die  Kommission  hatte  in  ihrer  Mehrheit  das 
M  u  s  a  f  g  e  b  e  t  für  unstatthaft  erklärt,  die  Versammlung  war  zwar 
entschieden  gegen  die  Beibehaltimg  der  Bitte  um  Wiederherstellung 
der  Opfer,  aber  ebenso  ungeteilt  gegen  die  Beseitigung  des  ganzen 
Musafgebets ;  eine  Mehrheit  wünschte  sogar  die  Aufnahme  einer  Er- 
innerung an  das  einstige  Opfer,  selbst  die  Beibehaltung  der  Opferverse, 
,,wenn  der  Text  hebräisch  bleibt",  ein  mit  der  sonstigen  Stellung  zur 
hebräischen  Sprache  schwer  vereinbarer  Zusatz.  Die  Toravor- 
lesung sollte  in  hebräischer  Sprache  beibehalten,  jedoch  verkürzt 
und  derart  eingerichtet  werden,  daß  sie  keine  Störung  der  Ordnung 
veranlaßte.  Die  Kommission  hatte  Einführung  des  dreijährigen  Zyklus 
vorgeschlagen,  was  mit  großer  Melirheit  angenommen  wurde;  auch 
das  Torafest  sollte  nur  alle  drei  Jahre  gefeiert  werden.  Die  Vorlesung 
sollte  ohne  Kantilene  stattfinden,  der  vorgelesene  Abschnitt  nachher 
in  der  Muttersprache  wiedergegeben  werden ;  über  die  Art 
dieses  „modernen  Targums"  gingen  die  Meinungen  sehr  auseinander. 
Neben  der  Tora  sollten  nicht  nur  Propheten,  sondern  auch 
Hagiographen  zur  Verlesung  kommen,  jedoch  nur  in  deut- 
scher Sprache  und,  nach  dem  Wunsche  der  Mehrheit,  im  Vormittags- 
gottesdienst. Das  Buch  Esther  sollte  nur  einmal  verlesen  werden. 
Im  Gegensatz  zur  Kommission  wünschte  eine  große  Mehrheit  das 
Beibehalten  des  A  u  f  r  u  f  e  n  s  ,  jedoch  die  Abschaffung  des  Tora- 
abschnittes für  den  Maf tir.  Die  Frage  des  Schofar  und  des  Feststraußes 
wurde  vertagt.  Endlich  wurde  einstimmig  beschlossen,  daß  die  0  r  g  e  1 
in  der  Synagoge  nicht  nur  zulässig  ist.  sondern  auch  am  Sabbat  von 
einem  Israeliten  gespielt  werden  soll  und  kann.  Eine  Kommission 
wurde  mit  der  Bearbeitimg  eines  Gebetbuches  auf  Grund  der  gefaßten 
Beschlüsse  betraut,  die  Wahl  verriet  -wiederum  die  große  Uneinigkeit 
der  Versammlung,  die  sich  bei  den  Beratungen  der  Kommission  in 


Die  Besclilüsse  der  Rabbinorversarninlungen  421 

erschrockenclor  Weise  wiederholte;  zur  Ausführung  des  Auftrags  ist 
es  nie  gekoimuen,  weil  die  Kabbinerversaiundung  nur  noch  einmal 
zusammentrat,  in  Breslau  (13.  bis  24.  Juli  184())  stand  die  Sabbat- 
frage im  Vordergrunde,  der  Gottesdienst  wurde  hicrlxi  nur  insofern 
berührt,  als  ein  Vorsehlag  auftauchte,  Sonntagsgottesdienste  ein- 
zuführen, der  jedoeh  nieht  die  .Mehrheit  fand.  Es  wurde  dort  ferner 
beschlossen,  daß  die  zweiten  Feiertage  abgeschafft  werden  konnten, 
und  daß  das  Schofarblasen  am  Neujahrstage,  der  Feststrauß  am 
Hüttenfeste  auch  am  Sabbat  nicht  ausfallen  sollten. 

Die  Beschlüsse  der  Rabbinerversammlungen  hatten  ein  ähnliches 
Schicksal  wie  das  Gebetbuch  des  Tempels ;  sie  wollten  allen  Genüge  tun 
und  befriedigten  niemand.  Den  Positiven  hatten  sie  zu  wenig,  den 
Radikalen  zu  viel  von  der  alten  Liturgie  stehen  lassen;  diejenigen,  die 
mit  dem  herkömmlichen  Gottesdienste  vertraut  waren,  verwarfen  die 
Vorschläge,  weil  sie  ihnen  zu  weit,  die  anderen,  weil  sie  ihnen  nicht 
weit  genug  gingen.  Die  von  den  Wortführern  der  Rabbinerversamm- 
lungen vertretenen  Theorien  erweckten  in  den  Vertretern  der  radi- 
kalen Reform  die  Hoffnung  auf  eine  völlige  Lossagung  vom  rabbi- 
nischen  Judentume,  eine  Hoffnung,  der  die  Erfüllung  nicht  folgte, 
die  erwartete  Verständigung  zwischen  den  versammelten  Rabbinern 
und  den  Reformfreunden  blieb  aus.  Die  erste  Absage  an  die  Rabbiner- 
versammlung war  das  Verfahren  bei  der  Einrichtung  eines  Gottes- 
dienstes für  die  Herbstfeiertage  1845  durch  die  „Genossenschaft  für 
Reform  im  Judentume"  in  Berlin. 

6.  Die  Geschichte  der  Entstehung  jener  Genossenschaft,  die 
später  den  Namen  J  ü  d  i  s  c  h  e  R  e  f  o  r  m  g  e  m  e  i  n  d  e  angenommen 
hat,  ist  bekannt.  In  erster  Linie  war  es  die  Unzufriedenheit  mit  den 
Gemeindeverhältnissen  in  Berlin  und  der  Wunsch  nach  religiöser 
Erneuerung,  die  zu  ihrer  Gründung  führten.  ,,Die  religiösen  Zu- 
stände der  Berliner  Gemeinde  waren  in  vielen  Beziehungen  verrottet 
zu  nennen.  Während  die  halsstarrige,  streng  konservative  Partei  auch 
den  unschuldigsten  Neuerungen,  welche  man,  um  wenigstens  dem  ästhe- 
tischen Bedürfnisse  und  dem  gesunden  Menschenverstände  einen  kärg- 
lichen Zoll  zu  entrichten,  einzufüliren  versuchte,  den  hartnäckigsten 
Widerstand  entgegensetzte,  fanden  auf  der  andern  Seite,  alle  dem 
Geiste  und  Wesen  des  Judentums  treugebliebenen,  die  sich  nach  einer 
innerlichen  Regeneration  sehier  ewigen  Ideen  und  einer  Verschmelzung 
derselben    mit    dem    höheren    Religionsbewußtsein    der    Gegenwart 


422  Geschichte  des  Gottesdienstes 

sehnten,  in  der  Richtung  einer  durchaus  äußerlichen  Restauration 
der  Zeremonialinstitute,  sei  es  auch  in  einem  modernen  Gewände, 
keinerlei  tiefere  Befriedigung."    Die  Lage  der  Gemeinde  war  recht 
traurig,  Beobachter  aus  den  verschiedensten  religiösen  Lagern  klagen 
übereinstimmend  über  den  zunehmenden  Verfall  und  die  wachsende 
Entfremdung   weiter   Kreise.     Sachs   vermochte   infolge   seiner   un- 
erbittlichen konservativen  Strenge  auf  jene,  die  dem  religiösen  Leben  fern 
standen,  nicht  die  starke  Wirkung  auszuüben,  zu  der  sein  Prediger- 
talent und  seine  klassische  Persönlichkeit  ihn  befähigt  hätten.    Die 
imbefriedigte  Sehnsucht  nach  einer  ansprechenden  Form  der  religiösen 
Übung  suchte  Erfüllung  in  jener  radikalen  Lösung,  mit  welcher  die 
Genossenschaft  für  Reform  ins  Leben  trat.    Es  war  ein  tiefernstes 
religiöses  Streben,  das  die  Gründer  der  Genossenschaft  erfüllte.   „Wir 
wollen:  Glaube;  wir  wollen:  positive  Religion;  wir  wollen:  Judentum. 
Wir  halten  fest  an  dem  Geist  der  Heiligen  Sclu-ift,  die  wir  als  ein  Zeugnis 
göttlicher  Offenbarung  anerkennen,  von  welcher  der  Geist  unserer 
Väter  erleuchtet  wurde.   Wir  halten  fest  an  allem,  was  zu  einer  wahr- 
haften, im  Geiste  unserer  Religion  wm^zelnden  Gottesverehrung  gehört. 
Wir  halten  fest  an  der  Überzeugung,  daß  die  Gotteslehre  des  Juden- 
tums die  ewig  wahre  sei,  und  an  der  Verheißung,  daß  diese  Gottes- 
erkenntnis dereinst  zum  Eigentum  der  gesamten  Menschheit  werden 
wird".    Dieses  umfassende  Bekenntnis  verlor  ^iel  von  seinem  Werte 
durch  die  Grundsätze,  nach  denen  es  ausgelegt  wurde.    Deren 
erster  war  das  uneingeschränkte  Selbstbestimmungsrecht;  der  ange- 
strebte ,, Ausgleich  z^^ischen  Leben  und  Lehre"  wurde  auf  einer  selir 
unbilligen  Grundlage  vollzogen,  nur  das  Leben  mit  allen  seinen  Irr- 
tümern und  Verkehrtheiten  blieb  maßgebend,  die  religiösen  Formen 
mußten  den  Gewohnheiten  einer  dem  geschichtlichen  Judentum  ent- 
fremdeten Gemeinde  weichen.  Es  war  eine  Fortsetzung  dieses  IiTtums, 
wenn  die  Gemeinde  von  den  politischen  Verhältnissen  Deutschlands 
ihren  Ausgang  nahm,  sich  auf  die  deutschen  Glaubensgenossen  be- 
schränken wollte;  der  Gegensatz  von  religiöser  und  vaterländischer  Ge- 
sinnung hatte  keine  innere  Berechtigung,  eine  wirklich  religiöse  Re- 
form mußte  für  alle  Juden  anwendbar  sein.    Und  endlich  war  es  eine 
Verkennung  der  Wirklichkeit,  wenn  die  Gemeinde  die  Erfüllung  des 
messianischen  Berufes  des  Judentums  für  sich  allein  in  Anspruch 
nahm;   dieses  Streben  verfolgte  die  gesamte  Judenheit,  freilich  auf 
dem  Boden  des  geschichtlichen  Judentums,  nicht  auf  dem  des  freien 


Die   Berliner   Heformgemeinde  423 

Mt'iisclu'nluiiis ,  wie  die  Worlliiliicr  der  (loiiossciisclial't  verkün- 
det oii. 

Kurz  nach  Bogründunjn;  der  Genossenschaft  wurde  der  lieschluli 
gefaßt,  ,.ziir  Befriediiriiiigch's  in  derselben  sieli  kundgebenden  religiösen 
Bedürfnisses  einen  provisorischen  (.lottesdiensl  zunächst  für  die  bevor- 
stehenden großen  Feste  einzurichten."  Der  Gottesdienst  war  von  dem 
herköniinlichen  grundsätzlich  verschieden.  ^Jänner  und  Frauen  saßen 
in  demselben  Räume,  die  einen  auf  der  rechten,  die  anderen  auf  der 
linken  Seite.  Die  Männer  erschienen  ohne  Kopfbedeckung  und  durften 
keiiuMi  Tallis  tragen.  Der  Gottesdienst  wurde  vollständig  in 
deutsche  r  Spraclie  gehalten,  nur  ganz  wenige  Bibelstellen  wie  das 
Schnui,  die  Keduscha,  der  Priestersegen  wurden  hebräisch  und  deutsch 
vorgetragen,  die  Gebete  von  Chorgesang  und  Instrumentalmusik  be- 
gleitet. Jedes  Vorrecht  der  Ahroniden  fiel  nach  den  Grundsätzen  der 
Gemeinde  weg,  der  Priestersegen  wurde  vom  Prediger  gesprochen 
und  vom  Chor  wiederholt.  Es  war  ferner  beschlossen  worden,  am 
Neujahr  das  Schofarblasen  zu  unterlassen,  am  Versöhnungstage  den 
Gottesdienst  durch  eine  mehrstündige  Pause  zu  unterbrechen. 

Die  Gebete  mußten  für  diesen  in  seiner  Art  neuen  Gottesdienst 
eigens  bearbeitet  werden.  Es  wm-den  die  wesentlichsten  älteren  Ge- 
bete aufgenommen  und  neue  eingereiht,  ,,die  besonders  die  geschicht- 
lichen Erinnerungen  und  die  tieferen  Festgedanken  im  gehobenen  Tone 
der  älteren  Gebetstücke  vor  die  Seele  des  Betenden  führten".  Die 
vorherrschenden  Gedanken  der  Gebete  waren  diejenigen,  welche  im 
Programm  der  Gemeinde  an  erster  Stelle  standen,  nämlich  der  Ge- 
danke der  opfermutigen  Hingebung  und  des  Priestertums  Israels, 
sowie  die  IVIission,  die  es  unter  den  Völkern  zu  erfüllen  hatte.  Gerade 
am  Neu  Jahrstage,  an  dem  die  messianische  Idee  in  den  überlieferten 
Gebeten  im  Mttelpuukte  steht,  war  die  Durchführung  dieser  Ge- 
danken nicht  allzu  schwierig.  Da  ferner  festgesetzt  war,  daß  der 
Gottesdienst  nicht  von  aUzu  langer  Dauer  sein  sollte,  da  überdies  zu 
jedem  Gottesdienste  eine  Schrift  Vorlesung  in  hebräischer  und  deutscher 
Spraclie  und  eine  Predigt  gehörten,  mußten  die  Gebete  auf  ein  geringes 
Maß  verkürzt  werden.  Die  Gebete  für  den  N^eujahrsabend  liielten 
sich  ziemlich  in  dem  Umfange  der  alten  Gebetordnung.  Am  Vor- 
mittag wurde  nur  e  i  n  Gebet  gesprochen,  es  entsprach  dem  Schacharis ; 
um  die  beibehaltenen  hebräischen  Stellen,  Schma  und  Keduscha, 
gruppierten  sich  Gebete,  die  dem  herkömmlichen  Jozer  und  der  Te- 


424  Geschichte  des  Gottesdienstes 

filla  entlehnt  waren.  Da  Musaf  wegfiel,  wurde  ein  Teil  seines  Inhalts 
ebenfalls  übernommen;  dazu  kamen  lange  Auseinandersetzungen  und 
Keflexionen  im  Sinne  der  Grundgedanken  der  Gemeinde.  Die  Ge- 
bete wui'den  vom  Vorbeter  „in  streng  oratorischer  Form,  ohne  alle 
Melodie"  vorgetragen,  ab  und  zu  durch  ein  stilles  Gebet  der  Gemeinde 
oder  durch  Chorgesang  unterbrochen.  Der  Eindruck  der  Gottesdienste 
war  ein  tiefer;  600  Teilneluner  fanden  sich  zu  ihnen  ein  und  waren 
alle  von  Begeisterung  ob  der  seit  langem  fehlenden  Erbauung  erfüllt. 
Die  Wh'kung  für  die  Gemeinde  war  außerordentlich  günstig,  sie  zählte 
damals  in  Berlin  327  und  auswärts  426  Mitglieder,  eine  Ausbreitung, 
die  sie  nie  wieder  erreicht  hat. 

Die  bedeutsamste  Folge  aber  war,  daß  die  Mitglieder  eine  Wieder- 
holung des  Gottesdienstes  wünschten  und  vorschlugen,  ihn  zu  einer 
ständigen  Institution  auszugestalten.  Am  2.  April  1846  bezog 
die  Gemeinde  ein  eigenes  Gotteshaus,  nach  langen  Kämpfen  wurde 
beschlossen,  den  Gottesdienst  zweimal  wöchentlich,  am 
Sabbat  und  am  Sonntag,  zu  halten;  die  maßgebenden  Mtglieder  er- 
klärten sich  für  den  Sabbatgottesdienst  und  stimmten  entschieden 
gegen  eine  Verlegung  des  Sabbats  auf  den  Sonntag,  es  wurde  schließ- 
lich eine  Einigung  dahin  erzielt,  daß  der  Gottesdienst  an  beiden  Tagen 
als  durchaus  gleichberechtigt  bestehen,  daß  beide  nicht  als  fest- 
tägliche behandelt  werden  sollten.  Schon  1849  ging  der  Sabbatgottes- 
dienst wegen  mangelnder  Beteiligung  ein.  Der  Gedanke,  daß  der 
Sonntag  der  eigentliche  Ruhetag  der  Gemeinde  wäre,  gewann 
immer  mehr  an  Boden,  der  Gottesdienst  am  Sonntag  erhielt  einen 
ausgesprochenen  festtäglichen  Charakter.  Von  den  Festen  wurden 
außer  am  Xeujahr  immer  nur  die  ersten  Tage,  am  Pesach  auch  der 
siebente  und  am  Hüttenfest  der  achte  Tag  im  Gottesdienste  gefeiert, 
andere  Erinnerungstage  des  jüdischen  Jahres  wurden  nicht  beachtet; 
hingegen  wurde  die  Konfh-mation  als  ein  feierlicher,  gottesdienstlicher 
Akt  eingeführt.  Das  Gebetbuch  wurde  bei  dem  Fortschritt  des  Gottes- 
dienstes nach  Bedarf  hergestellt  und  meistens  mit  einer  gewissen  Eile 
bearbeitet.  Als  Holdheim  1847  als  Prediger  in  die  Gemeinde  eintrat 
und  ihren  Lehrinhalt  theologisch  bearbeitete,  erkannte  er  sofort  die 
Notwendigkeit,  das  Gebetbuch  einer  neuen  Bearbeitung  zu  unterziehen, 
aber  erst  1856  wurde  eine  gründliche  Revision  vorgenommen.  Selbst 
Holdlieim  hatte  auszusetzen,  daß  die  Gemeinde  anfangs  revolutionär 
und  zu  negierend  vorging.    Er  vermißte  die  Berücksichtigung  der 


Die  Berlinor  lieformgemeinde  425 

historisclieii  ÄluineiUe,  deren  Felilon  dem  Gottesdienste  einen  nur 
,.h;ill)jiidischen"  Cliarakter  gab,  er  erkannte  endlich,  dal.»  ,,in  den 
neu  eingeführten  Cieheteii  wenit^'er  f^a-oße  Geistesschöpfungen,  als 
moderne  Phrasen"  vorlagen.  Im  Interesse  des  historischen  Judentums, 
um  die  Berührungspunkte  mit  der  Geschichte  und  der  Gesamtheit  der 
(ienieinde  mehr  hervortreten  zu  lassen,  forderte  er  eine  Umarbeitung 
des  Gebetbuchs;  in  den  Gebeten  sollten  biblischer  Geist  und  biblische 
Form  herrschen,  sollten  auch  die  treibenden  Ideen  der  Reform  zu 
deutlichem  Ausdruck  gelangen.  Der  Gottesdienst  bestand  nach 
Holdheims  Umarbeitung  jedesmal  aus  drei  Teilen,  er  begann  mit 
einem  Choral,  es  folgten  die  eigentlichen  Gebete  und  zuletzt  nach 
der  Vorlesung  aus  der  Tora  und  der  Predigt  ein  SchluLJgesang.  Die 
( lebete  waren  in  verschiedenen  Fassungen  geboten,  neun  Zyklen  wurden 
ausgearbeitet,  die  einander  ablösen  sollten,  ,, wodurch  ein  indirektes 
Zugeständnis  gegeben  schien,  daß  die  Gebete  in  der  Landessprache  mit 
der  Zeit  ermüdend  wirken  müssen".  Der  Aufbau  der  Gebete  blieb  der 
in  den  Anlangen  der  Gemeinde  festgestellte,  auch  die  äußere  Form  uiul 
Anordnung  des  Gottesdienstes  blieb  unverändert.  Das  Gel)etl)uch 
ist  auch  später  vielfach  Verbesserungen  in  kleinerem  oder  geringerem 
Umfange  unterworfen  worden,  die  das  Wesen  des  Gottesdienstes 
nicht  berührten. 

Eine  grundsätzliche  Umgestaltung  erhielt  das  Gebetbuch  1885,  vor 
allem  aber  bei  der  Neubearbeitung,  die  gelegentlich  des  fünfzigjährigen 
Bestehens  der  Gemeinde  durch  M.  L  e  v  i  n  vorgenommen  wurde.  Die 
Choräle  fielen  vollständig  fort,  sie  wurden  durch  biblische  Psalmen 
ersetzt.  Auch  die  Gebete  wurden  einheitlich  gestaltet,  für  jeden 
Sonntag  derselbe  Text  festgesetzt.  Die  Gebetordnung  Avurde  grund- 
sätzlich an  das  a  1 1  e  G  e  b  e  t  b  u  c  h  wieder  angeschlossen ;  die  leiten- 
den Ideen  der  Gemeinde  behaupteten  ihre  alte  Stellung  weiter,  aber 
der  Aufbau  der  Gebete  folgte  der  traditionellen  Form,  die  alte  Fassung 
der  Benediktionen  ist  in  ihrer  Schlichtheit  wieder  aufgenommen.  Das 
auf  die  ersten  beiden  Sätze  verkürzte  Schma  ist  wie  seit  der  ältesten 
Zeit  wieder  von  seinen  Benediktionen  eingefaßt,  die  Tefilla  erscheint 
wieder  in  Gestalt  eines  Sieben-Gebets,  die  Keduschaverse  bringt  sie 
in  hebräischer  Sprache.  Auch  für  das  Ausheben  und  Einheben  der 
Tora  sind  an  Stelle  der  früheren  Choräle  Bibelstellen  gesetzt,  das  Gebet 
schließt  mit  einer  verkürzten  Fassung  von  Olenu  und  dem  hebräischen 
Priestersegen.    Auch  darin  ist  eine  grundsätzliche  Abweichung  von 


426  Geschichte  des  Gottesdienstes 

der  älteren  Auffassung  eingetreten,  daß  der  Gottesdienst  am  Sonntag 
nicht  mehr  als  festtäglicher  beti'achtet  wird.  IN'ach  denselben  Prin- 
zipien ist  auch  der  Gottesdienst  für  die  Festtage  bearbeitet,  jeder 
Festgottesdienst  erhielt  sein  besonderes  eigentümliches  Gepräge;  wenn 
man  etwa  die  Liturgie  für  den  Versöhnungstag  mit  der  früheren  Fassung 
vergleicht,  so  ■vNdrd  die  Annäherung  an  die  jüdische  Überlieferung 
ganz  besonders  deutlich. 

Die  große  Einwirkung  auf  die  Umgestaltung  des  deutschen 
Judentums,  welche  die  Begründer  der  Reformgemeinde  erhofft  und  die 
Gegner  gefürchtet  hatten,  ist  nicht  eingetreten.  Die  Ausdehnung  der 
Gemeinde  ist  eine  sehr  bescheidene  geblieben,  außerhalb  Berlins 
kam  es  nirgend  in  Deutschland  zur  Einrichtung  eines  ähnlichen 
Gottesdienstes,  die  auswärtigen  l^Iitglieder  fielen  allmählich  wieder 
ab.  Sogar  in  Berlin  hat  die  Anziehungskraft  der  Gemeinde  nicht 
zugenommen,  der  Kreis  ihrer  Mitglieder  hielt  sich  seit  1854  immer 
in  denselben  Grenzen,  die  anfängliche  große  Begeisterung  wich  all- 
mählich zunehmender  Lauheit  und  Gleichgültigkeit.  Die  große 
Mehrzahl  der  deutschen  Judenheit  hat  der  Reformgemeinde  keine 
Gefolgschaft  geleistet,  ihre  radikalen  Änderungen  der  bestehenden 
gottesdienstlichen  Einrichtungen  bedeuteten  einen  gewaltsamen  Bruch 
mit  der  Tradition,  der  geschichtliche  Zusammenhang  war  hier  voll- 
ständig aufgegeben,  die  wenigen  Gedanken,  welche  von  den  Begründern 
der  Gemeinde  aus  dem  alten  Judentum  mit  übernommen  wurden, 
konnten  nicht  hinreichen,  die  gewaltige  Kluft  auszufüllen,  welche 
sie  von  den  Vorfahren  trennte.  Die  Gründer  der  Gemeinde  ließen 
sich  auch  allzuselir  von  rein  verstandesmäßigen  Erwägungen  leiten 
und  vernachlässigten  die  Forderungen  des  Gemüts,  für  die  Dauer 
vermochten  sie  daher  mit  ihren  Einrichtungen  keine  Erfolge  zu  er- 
zielen. 

7.  Der  Radikalismus,  mit  dem  die  Reformgemeinde  Ou'e  gottes- 
dienstlichen Einrichtungen  ausbildete,  war,  da  er  für  eine  eigens 
hierzu  begründete  Gemeinschaft  dienen  sollte,  leicht  durchzuführen. 
Weit  schwieriger  gestalteten  sich  die  Verhältnisse  in  den  alten  Ge- 
meinden, in  denen  nach  den  Beschlüssen  der  Rabbinerversammlung 
mit  der  Einrichtung  der  neuen  Liturgie  vorgegangen  werden  sollte. 
Die  Gemeinden  waren  nicht  einheitlich  und  in  ihrer  Melu'heit  den 
Reformen  durchaus  nicht  geneigt.  Von  einer  Begeisterung  für  das 
allzu  stürmische  Vorgehen  der  Frankfurter  Beschlüsse  konnte  nirgends 


Gegnerschaft  gegen  Reformen  427 

die  Rode  sein.  Im  (!('i!,('iitci!.  die  Hochachtung  vor  dem  Minhag  be- 
stand in  aller  Kraft  fort,  um  jede  AI»Nveichiiiig  vom  Herkommen  der 
Gemeinde  muüle  ein  het'tii^er  Karnj)!"  gel'idirt  werden;  sogar  wegen  so 
geringfügiger  Dinge,  wie  das  Aufrufen  zur  Tora  mit  Namensnennung, 
oder  wegen  der  i^eseitigung  des  ersten  'jp^'S  2ip^,  des  Gebets  für  die 
alten,  seit  Jalirhunderlen  nicht  mehr  bestehenden  babylonischen 
Behörden,  entspannen  sich  tiefgehende  Streitigkeiten.  Selbst  in  Polen, 
das  in  Deutschland  allgemein  als  ein  Land  der  Finsternis  versclirieen 
war,  einigte  man  sich  viel  k>ichter  auf  die  Abstellung  gewisser  Unsitten 
oder  die  Auslassung  der  l'iutim;  der  Unterschied  war  eben  der,  daß 
man  es  dort  meist  mit  talmudisch  gelehrten  Männern  zu  tun  hatte, 
die  mit  dem  Entwicklungsgang  des  Gebetbuchs  mehr  oder  minder 
vertraut  und  nicht  der  vollständigen  Verknöchcrung  und  Buchstaben- 
anbetung verfallen  waren,  die  in  den  deutschen  Gemeinden  vielfach 
herrschte.  Der  schwerste  Mißstand,  der  sich  damals  und  seitdem 
wiederholt,  namentlich  in  großen  Gemeinden,  fühlbar  gemaclit  hat, 
war  der,  daß  Männer,  die  für  ihre  Person  sich  von  der  Beobachtung 
der  herkömmlichen  jüdischen  Satzungen  vollständig  losgesagt  hatten, 
gegen  die  Änderung  des  unwesentlichsten  Brauches  in  der  Synagoge 
so  entschieden  Stellung  nalmien,  als  wäre  dadurch  der  Bestand  des 
Judentums  gefährdet.  Von  einer  Durchführung  der  Beschlüsse  der 
Rabbinerversammlung  war  daher  nirgends  die  Rede,  selbst  wo  die 
Regierung  hinter  den  Reformern  stand  und  die  Einführung  von  Syn- 
agogenordnungen begünstigte,  durfte  man  es  nicht  wagen,  so  weit- 
gehende Reformen  in  Vorschlag  zu  bringen.  In  den  meisten  deutschen 
Gemeinden  kam  es  daher  nur  zu  einer  Verkürzung  des  Gottesdienstes 
durch  Abschaffung  einiger  besonders  unverständlicher  Stücke  des 
Gebetbuchs,  durch  teilweise  oder  vollständige  Beseitigung  der  Piutim, 
die  man  an  den  beiden  ernsten  Festen  beibehielt;  ferner  wurde  für  die 
Herstellung  der  äußeren  Ordnung  in  der  Synagoge,  für  würdevolle 
Haltung,  für  Mäßigung  und  Ruhe  gesorgt,  in  den  meisten  Gemeinden 
wurde  Chorgesang  eingeführt.  Neben  die  deutschen  Predigten  traten 
ferner  einige  deutsche  Gebete  für  die  Behörden  und  für  besondere 
Gelegenheiten  sowie  für  das  Ausheben  und  Einheben  der  Tora.  Bis 
zu  diesem  Grade  wurden  die  Reformen  selbst  in  Gemeinden  mit  ortho- 
doxer Leitung  angenommen. 

8.  Das    Schibbolet  der  Parteien    wurde  die    Orgel  oder  andere 
Instrumentahnusik,   um  ihre  Anerkennung  ist  in  der  ersten  Zeit  der 


428  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Keformen  der  Kampf  am  allerheftigsten  entbrannt.  In  fast  allen 
größeren  Gemeinden  wurde  nach  und  nach  ein  Gottesdienst  mit 
Musikbegleitung  eingerichtet,  die  Folge  davon  war  fast  durchweg, 
daß  ein  Teil  der  Gemeinde  einen  besonderen  Gottesdienst  nach  her- 
kömmlicher Art  abhielt.  Mit  der  Benutzung  der  Orgel  war  durchaus 
nicht  eine  Änderung  der  Gebete  unabweisbar  verbunden,  in  den 
meisten  Fällen  wurden  zuerst  nur  einige  deutsche  Lieder  neben  ihr 
eingeführt.  Die  Reform  des  Gebetbuchs  kam  erst  ganz  all- 
nicählich.  1854  veröffentlichte  Abraham  Geiger  das  erste  refor- 
mierte Gebetbuch,  das  zum  wirklichen  Gebrauch  einer  Gemeinde 
bestimmt  w^ar.  Das  Gebetbuch  entsprach  keineswegs  den  Grundsätzen 
der  Rabbinerversammlung,  der  gesamte  Gottesdienst  blieb  in  he- 
bräischer Sprache,  die  Gebete  waren  wohl  ein  wenig  verkürzt, 
die  Piutim  waren  weggelassen,  aber  das  Gebetbuch  als  Ganzes  war 
das  herkömmliche.  Änderungen  hatten  nur  diejenigen  Stellen  er- 
fahren, welche  sich  mit  Geigers  allgemeinen  Anschauungen  nicht  ver- 
trugen; so  waren  gehässige  Ausdrücke  gegen  Andersgläubige  gestrichen, 
die  Bitten  um  Wiederherstellung  der  Opfer  und  des  jüdischen  Staates 
beseitigt  und  durch  solche  rein  geistigen  Inhalts  ersetzt,  auch  die  Er- 
wähnung der  Auserwählung  war  in  ilirem  Ausdrucke  abgeschwächt. 
Wirklich  neu  war  im  Gebetbuch  der  deutsche  Text,  denn  er 
brachte  nicht  eine  wortgetreue  Wiedergabe  des  Hebräischen,  sondern 
eine  vollständig  freie  Umarbeitung  in  einer  klassischen,  modernen 
Form;  freilich  war  der  deutsche  Text  für  die  Privatandacht  und  nicht 
für  den  Gottesdienst  der  Gemeinde  bestimmt.  Die  Schriftvorlesung 
war  nach  dem  dreijährigen  Zyklus,  die  Haftara  nur  deutsch  und  in 
neuer  Auswahl  der  Texte  vorgesehen.  Am  Eingang  der  Sabbate  und 
Feste,  vor  und  nach  der  Predigt  sowie  an  den  oben  bezeichneten 
Stellen  sind  Gebete  oder  Gesänge  in  deutscher  Sprache  beigegeben. 
Geiger  selbst  hatte  m'sprünglich  viel  weitergehende  Wünsche  für  die 
Reform  des  Gebetbuchs,  sah  sich  aber  bei  der  Bearbeitung  zu  einer 
Anpassung  an  die  Anschauungen  und  an  die  Bedürfnisse  seiner  Ge- 
meinde genötigt.  In  späteren  Jahren  hat  er  für  seine  neuen  Wirkungs- 
kreise in  Frankfurt  und  in  Berlin  eine  erneute  Bearbeitung  des  Gebet- 
buches vorgenommen,  die  in  je  einer  Fassung  für  West  und  Ostdeutsch- 
land erschien.  Darin  ist  das  deutsche  Element  stärker  berücksichtigt 
und  auch  die  Verkürzung  an  manchen  Stellen  strenger  durchgeführt, 
einige  Stücke  sind  nach  fortgeschrittenen  theologischen  Anschauungen 


Der  weitere  \'erlauf  der  Reformbewegung  429 

mehr  uiui^earboitot.  Im  ^'aiizen  aber  l)ewalirt  aiicli  dieses  (jel)etbiicli, 
(las  in  vielen  Gemeinden  eingeführt  wurde,  (Umi  herkömmlichen 
Charakter. 

Das  Breslaiier  GebetlMuh  (ieigeis  wurde  durch  M.  Joel  später 
noch  mehr  dem  Herkommen  angepaßt,  manclie  Änderungen,  z.  B. 
diejenigen  bei  der  Auserwähhing,  den  Opfergebeten  wurden  nicht  in 
demsell)en  Umfange  wie  bei  deiger  beibeiialten.  Was  al)er  vor  allem 
den  eigentümlichen  Charakter  dieser  l'marbeitung  bestimmte,  war 
die  Anordnung,  daß  der  traditionelle  Wortlaut  neben  dem  geänderten 
in  kleinen  Typen  zum  Abdruck  kam,  so  daß  der  Vorbeter  zwar  den 
reformierten  Text  vortrug,  es  jedem  einzelnen  aber  unbenommen  war, 
das  gewohnte  Gebet  zu  sprechen.  In  Joels  Gestaltung  hat  sich  das 
Gebetbuch  dann  in  zalil reichen  großen  und  kleinen  Gemeinden  ver- 
breitet, es  entsprach  am  meisten  dem  Standpunkte  der  positiven 
historischen  Reform .  der  durch  Frankeis  Schule  in  Deutschland 
vorherrschend  wurde.  Geigers  und  Joels  Gebetbücher  blieben  der 
Typus,  nach  dem  die  deutschen  Reformgebetbücher  eingerichtet 
wurden;  in  Einzelheiten  des  Ausdrucks  und  in  den  eingeschalteten 
deutschen  Cxebeten  herrschte  die  größte  Mannigfaltigkeit. 

9.  Die  Begeisterung  für  die  Reformen  nahm  sehr  rasch  ab,  die 
lebendige  Bewegung  trat  zurück,  man  gab  sich  mit  dem,  was  bereits 
errungen  war,  zufrieden.  Auch  als  die  Rabbinerversammlung  in 
Kassel  1868,  die  Leipziger  Synode  1869  neue  Vorschläge  zur  Reform 
des  Gottesdienstes  machten,  rief  das  keinen  tieferen  Eindruck  mehr 
hervor.  Die  Beschlüsse  der  Synode  waren  außerordentlich  gemäßigt 
und  verrieten  einen  weit  positiveren  Geist  als  die  der  Rabbinerver- 
sammlung von  1845.  Die  Synode  sprach  sich  für  Beibehaltung  der 
Toravorlesung  in  hebräischer  Sprache  aus,  sie  wünschte  die  wöchent- 
lichen Abschnitte  zwar  verkürzt,  aber  die  Innehaltung  des  einjährigen 
Zyklus  und  überließ  es  den  Gemeinden,  auf  welchem  Wege  sie  die 
beiden  Forderungen  in  Einklang  bringen  wollten.  Die  Haftara  sollte 
in  der  Landessprache  vorgelesen  und  nicht  lediglich  aus  den  Propheten, 
sondern  auch  aus  den  Hagiographcn  ausgewählt  werden.  In  der  Um- 
gestaltung der  Gebete  schloß  sie  sich  an  die  bereits  von  Geiger  be- 
folgten Grundsätze  an.  Sie  sprach  sich  endlich  gegen  die  Wiederholung 
der  Tefilla  aus.  Der  Festgottesdienst  sollte  im  großen  und  ganzen  der 
herkömmliche  bleiben,  an  Sabbaten  und  Festtagen  sollten  die  Piutim 
ausfallen,  am  Neujahrs-  und  Versöhnungstage   jedoch   sollten  einige 


430  Geschichte  des  Gottesdienstes 

besonders  inhaltreiche  beibehalten  werden  und  mit  ausdrucksvollen 
deutschen  Gebeten  abwechseln.  Über  das  Maß  der  von  der  Allgemein- 
heit anerkannten  Reformen  ging  erst  das  Gebetbuch  hinaus,  welches 
H.  V  0  g  e  1  s  t  e  i  n  im  Auftrage  der  westfälischen  Gemeinden  1894 
veröffentlichte.  Das  deutsche  Element  trat  sehr  stark  hervor,  der 
hebräische  Teil  wurde  entsprechend  verkürzt,  die  Gebettexte  wurden 
in  einigen  Punkten,  wie  in  der  Auserwählung  und  dem  Messianismus, 
noch  mehr  als  früher  geändert.  Eine  wichtige  Neuerung  dieses  Ge- 
betbuches war  die  gleichzeitige  Einführung  einer  Schulausgabe,  mit 
welcher  die  Jugend  von  Anfang  an  auf  den  Gottesdienst  der  Gemeinde 
vorbereitet  werden  sollte.  Hier  war  zum  erstenmal  in  der  Reform- 
bewegung für  einen  größeren  Kreis  von  Gemeinden  ein  gleichmäßiges 
Gebetbuch  hergestellt  worden.  Einen  ähnlichen  Versuch,  für  ein 
ganzes,  wenn  auch  kleines,  Land  ein  gleichmäßiges,  modernen  x\n- 
sprüchen  entsprechendes  Gebetbuch  einzuführen,  unternahm  1905 
der  Großherzogliche  Oberrat  der  Israeliten  in  Baden ;  die  Annahme  des 
von  ihm  mit  großer  Sorgfalt  unter  Vermeidung  vieler  Fehler  der 
früheren  Gebetbücher  bearbeiteten  Werkes  scheiterte  jedoch  an  dem 
heftigen  Widerstände  der  orthodoxen  Partei,  die  jeder  Änderung  ihr 
altes  Non  possumus  entgegensetzte  und  die  Abweichungen  vom 
üblichen  Texte  zum  Teil  mit  denselben  Argumenten  bekämpfte,  die 
1819  gegen  das  erste  Gebetbuch  des  Hamburger  Tempels  vorgebracht 
worden  waren. 

§  47.  Die  Reformbewegung  außerhalb  Deutschlands. 

Literatur:  Philipson,  das.;  JE  das. 

1.  In  fast  allen  fortgeschrittenen  Ländern  gestalteten  sich  die 
Lebensbedingungen  der  Juden  im  19.  Jahrhundert  ähnlich  wie  in 
Deutschland,  infolgedessen  entstanden  allenthalben  dieselben  Be- 
wegungen, dieselben  Kämpfe.  Mit  der  Überwindung  des  geistigen  und 
sozialen  Ghettos,  mit  der  Verbesserung  der  Bildung  und  Erweiterung 
des  Gesichtskreises  machte  sich  unter  den  Juden  die  Unzufriedenheit 
mit  dem  herkömmlichen  Gottesdienst  geltend;  die  wenig  würdige 
äußere  Form  wurde  als  störend  empfunden,  der  imverständliche  In- 
halt bot  Anlaß  zur  Klage.  Die  unter  den  günstigeren  äußeren  Ver- 
hältnissen aufgewachsenen  Geschlechter  fühlten  sich  dem  Gottes- 
dienste entfremdet,  es  war  die  Frage,  ob  sie  in  völlige  Gleichgültigkeit 


Die    Hi'foniihewL'guii^    aiiLlcrhalb    Deutschlands  431 

verfalltMi  oder  diiicli  Ahstcllmig  der  Mißstände,  diiicli  Jlerstolluiig 
einer  angemessenen  Im)i  in  des  Gottesdienstes  wiedergewonnen  werden 
sollten.  Die  Kcfornien  im  (lotlesdienste  wurden  Lebensfragen 
für  den  Fortbcstand  der  (Jlaubonsgemeinscliaft.  In  allen  Kultur- 
ländern hat  die  äußere  Gestalt  des  (iottesdienstes  mehr  oder  minder 
eingreifende  Verbesserungen  erfahren,  überall  wurde  Chorgesang 
eini;eführt,  in  Frankreieh  und  Italien  aueh  Orgelbegleitung,  während 
die  Liturgie  unverändert  blieb.  In  manchen  Ländern,  wie  z.  B.  in 
rngarn,  wurde  als  Gegenleistung  für  die  Gleichberechtigung  der 
Jiulen  die  volle  Einbürgerung  gefordert ;  dazu  gehörte  die  ]*redigt  in 
der  Landessprache  an  Stelle  des  verbreiteten  jüdisch-deutschen  Jargons, 
die  gegen  starken  Widerstand  von  selten  der  Orthodoxen  durch- 
gesetzt wurde.  Unter  dem  Eindruck  der  Revolution  von  1848  bildete 
sich  in  Budapest  eine  Gemeinde  nach  dem  Muster  der  Berliner  Reform- 
gemeinde, sie  fristete  aber  nur  ein  kurzes  Dasein,  für  so  plötzliche 
Sprünge  war  das  Land  nicht  reif.  Um  die  bedeutungslosesten  Kleinig- 
keiten im  Bau  der  Synagogen  und  in  den  Bräuchen  des  Gottesdienstes 
mußten  in  Ungarn  erbitterte,  mitunter  blutige  Kämpfe  ausgefochten 
werden,  es  war  daher  schon  viel,  wenn  in  zahlreichen  Gemeinden  eine 
Verkürzung  des  Gottesdienstes,  Abschaffung  der  Piutim  und  die  regel- 
mäßige Predigt  in  ungarischer  Sprache  durchgesetzt  wurden, 

2.  Unter  direktem  Einfluß  des  Hamburger  Tempels  entwickelte 
sich  die  Reformbewegung  in  England  und  in  Amerika.  In  L  o  n  d  o  n 
ging  das  Verlangen  nach  Reformen  von  den  Portugiesen  aus,  in  ihrer 
Gemeinde  herrschten  strenge  Bestimmungen,  die  j\Iitglieder  waren 
durch  die  Satzungen  nicht  nur  in  ihrem  religiösen,  sondern  auch  in 
ihrem  privaten  Leben  völlig  gebunden.  Der  Gottesdienst  ließ  an 
äußerer  Schönheit,  Würde  und  Andacht  viel  zu  wünschen  übrig,  es 
wurde  daher  schon  1828  unter  den  Mitteln  zur  Hebung  des  Gottes- 
dienstes vorgesclilagen,  ihn  soviel  wie  irgend  möglich  abzukürzen  und 
Predigten  in  englischer  Sprache  (bis  dahin  wurde  alles,  was  nicht 
hebräisch  war,  in  portugiesischer  Sprache  vorgebracht)  einzuführen, 
die  an  jedem  Sabbatnachmittag  über  einen  biblischen  Text  gehalten 
werden  sollten.  Die  Predigten  wurden  eine  Zeitlang  gehalten,  dann 
aber  wieder  eingestellt.  Da  wurde  Ende  1836  eine  Änderung  des  Gottes- 
dienstes nach  dem  Muster  des  Tempels  in  Hamburg  gefordert,  die 
Gemeinde  aber  lehnte  dies  aus  Furcht  vor  Sektenbildung  ab.  Auch 
unter  den  Aschkenasim  machten  sich  die  ersten  Spuren  von  Unzu- 


432  Geschichte  des  Gottesdienstes 

friedenheit  bemerkbar,  namentlich  die  mit  der  Toravorlesung  ver- 
bundenen Unsitten  erregten  Anstoß.  Es  kam  hinzu,  daß  die  wohl- 
habende jüdische  Bevölkerung  die  bisherigen  Wohnsitze  im  Zentrum  der 
Stadt  aufgegeben  hatte,  daß  sie  nach  einem  ihren  Häusern  näher  ge- 
legenen Gottesdienste  strebte;  die  portugiesische  Gemeinde  aber  ging 
auf  den  ihr  gemachten  Vorschlag,  im  Westen  Londons  eine  Synagoge 
mit  verändertem  Gottesdienst  zu  begründen,  nicht  ein.  Die  Folge 
davon  war,  daß  sich  1840  eine  neue  Gemeinde  bildete,  die  den  alten 
Gegensatz  zwischen  Sepharadim  und  Aschkenasim  aufhob  und  eine 
Synagoge  der  englischen  Juden  einrichtete.  Ihr  Programm 
forderte  einen  Gottesdienst  in  hebräischer  Sprache  und  in  Überein- 
stimmung mit  den  Grundsätzen  der  jüdischen  Religion,  der  jedoch 
reformiert  und  derart  eingerichtet  sein  sollte,  daß  er  das  Andachts- 
gefühl erwecken  konnte,  in  dem  ferner  regelmäßige  Predigten  in  eng- 
lischer Sprache  gehalten  werden  sollten.  Zu  den  sofort  eingeführten 
Reformen  gehörte  die  Abschaffung  der  zweiten  Feiertage.  Ein  eigenes 
Gebetbuch  wurde  herausgegeben,  dessen  Änderungen  hauptsächlich 
in  Kürzungen  und  in  Beseitigung  der  am  meisten  beanstandeten  Stücke 
der  Gebetordnung  bestanden.  Im  Musafgebet  wurde  die  Tefilla  wesent- 
lich verkürzt.  Die  auffallendsten  Abweichungen  waren  die  Wieder- 
gabe des  Kaddisch  in  hebräischer  Sprache  und  die  Beseitigung 
der  Gebete  um  Wiederherstellung  der  Opfer;  die  Bitten  um  Rückkehr 
nach  Zion  und  um  das  Erscheinen  des  Messias  hingegen  wurden  bei- 
behalten.   1859  wurde  Orgelbegleitung  eingeführt. 

Die  Begründung  der  neuen  Gemeinde  entfesselte  bei  den  aner- 
kannten religiösen  Behörden  die  wildesten  Leidenschaften,  die  portu- 
giesische Gemeinde  schloß  die  Mitglieder  geradezu  aus  ihrer  Mitte 
aus,  verweigerte  ihnen  die  Beerdigung  auf  ihrem  Friedhofe;  die  Ehe- 
schließungen der  neuen  Synagoge  erhielten  nicht  die  vom  englischen 
Gesetze  vorgeschriebene  Anerkennung,  Ehen  mit  Mitgliedern  der 
Gemeinde  wurde  die  religiöse  Weihe  verweigert.  Alle  Willenskund- 
gebungen der  Gemeinde  halfen  nichts,  ilire  Beteuerungen,  nur  der 
Sache  der  Religion,  der  Verbreitung  und  Vertiefung  der  Frömmig- 
keit dienen  zu  wollen,  wurden  nicht  beachtet.  Dadurch,  daß  die  Ge- 
meinde ihre  Reformen  mit  einer  Lossagung  vom  Talmud  verteidigte, 
verschlimmerte  sie  die  Lage,  das  Rabbinat  warnte  alle  Gemeinden 
Englands  vor  den  Neuerern,  erhielt  allerdings  daraufhin  von  den 
wichtigsten   Gemeinden   des   Landes   wenig   höfliche   Erwiderungen. 


|)it'   HeformijL'Wt'giing  in   Aiiu'rika  433 

Allen  AnlV(lituiii!;(Mi  zum  Trotz  blieb  die  flonioindo  bostohon,  1856 
wurde  sie  durch  eine  l'arlanientsaUte  anerkannt.  Sie  hat  ihre  Grund- 
sätze und  ihren  (idttesdienst  unverändert  beibehalten,  eine  weitere 
Reform  nicht  voriiciutnimen.  Ihre  He<;rün(lnnif  id)te  segensreiche 
Wirkungen  auch  auf  die  anderen  Gemeinden  des  Landes  aus,  in  der 
offiziellen  Synagogenordnung  wurde  die  Würde  des  Gottesdienstes 
anbefohlen,  einer  regehnäßigen  englischen  Predigt  das  W^ort  geredet, 
vielfach  wurde  Chorgesang  eingerichtet.  Im  ganzen  aber  blieb  die 
englische  Judenlieit  bei  dem  hergebrachten  Gottesdienste.  Keform- 
gemeinden  haben  sich  neben  der  in  Loiulon  nur  noch  in  Manchester 
und  Bradford  gebildet,  auch  sie  haben  ihren  Oppositionscharakter 
längst  aufgegeben.  Eine  weitergehende  Reform  wurde  erst  in  jüngster 
Zeit  in  London  eingeführt;  um  sie  zu  verstehen,  müssen  wir  zunächst 
die  Verhältnisse  in  Amerika  betrachten. 

3.  In  den  Vereinigten  Staaten  war  die  Zahl  der  Juden  vor  hundert 
Jahren  noch  außerordentlich  gering,  die  Organisationen  der  (iemeinden, 
mit  Ausnahme  der  portugiesischen,  waren  selir  schwach.  Der  Mann, 
dem  die  amerikanischen  Gemeinden  ihren  Zusammenschluß  und  ihren 
englischen  Charakter  verdanken,  war  Isaak  L  e  e  s  e  r  in  Philadelphia, 
Durch  ihn  wurde  1830  die  englische  Predigt  als  wesentlicher 
Bestandteil  des  Gottesdienstes  eingeführt,  er  hat  das  Gebetbuch  und 
die  Bibel  ins  Englische  übersetzt  und  damit  dem  Verständnisse  des 
Gottesdienstes  wertvolle  Dienste  geleistet.  Er  stand  auf  dem  Boden 
des  Hergebrachten  und  lebte  der  festen  Überzeugung,  daß  die  Re- 
formbewegung nur  von  kurzer  Dauer  und  vorübergehend  sein  würde. 
Als  Leeser  seine  Laufbahn  begann,  war  schon  ein  sein-  ernster  Vorstoß 
von  Reformern  radikalster  Richtung  unternommen  worden.  In 
Charleston,  S.  C,  der  damals  zahlreichsten  Gemeinde  der  Vereinigten 
Staaten,  wurde  bereits  1824  eine  Umgestaltung  des  Gottesdienstes 
angebahnt.  Auch  diesmal  war  die  Anregung  von  Deutscliland  ge- 
kommen, die  Reform  wurde  im  Xamen  der  Aufklärung  gefordert. 
Zur  Hebung  der  Andacht  und  des  Verständnisses  der  Gebete  sollte 
der  Vorbeter  die  wichtigsten  Teile  der  Liturgie  in  englischer  Sprache 
wiederholen,  wenn  es  anginge,  sollten  die  Gebete  derart  verkürzt 
werden,  daß  sie  alle  hebräisch  und  englisch  gesprochen  werden  könnten; 
endlich  sollte  die  Schriftvorlesung  dadurch  fruchtbar  gemacht  werden, 
daß  allwöchentlich  eine  belehrende  Predigt  an  sie  angeknüpft  würde. 
Die  Forderungen  wurden  abgelehnt,  worauf  eine  kleine  Schar  von  zwölf 


El  bogen.  Dar  jüd.  Gottesdienst. 


28 


434  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Mann  kurz  entschlossen,   sich  zu  einer  jüdischen  Reformgemeinde 
(The  Reformed  Society  of  Israelites)  vereinigte.    Aus  dem  beschei- 
denen Reformprogramm,  das  nur  die  Berücksichtigung  der  Mutter- 
sprache beim  Gottesdienste  gefordert  hatte,  wurde  eine  vollständige 
Gegnerschaft  gegen  das  rabbinische  Judentum.    Die  Gemeinde  stellte 
sofort  in  Anknüpfung  an  die  Grundlehren  Maimunis  ihr  Glaubens- 
bekenntnis auf,  ersetzte  aber  einige  der  wichtigsten  durch  ihre  eigenen 
Grundsätze;  sie  erkannte  nur  den  Dekalog  als  geoffenbart  an,  leugnete 
die  leibliche  Auferstehung  und  belüelt  niu-  den  Glauben  an  die  Un- 
sterbhclikeit  der  Seele  bei,  sie  strich  auch  den  Glauben  an  den  Messias 
und  forderte  dafür  die  Liebe  zu  Gott,  dem  einzigen  Erlöser,  sowie  Werke 
des  Wohltuns,    Diesen  Grundsätzen  entsprechend  richtete  sie  ihren 
Gottesdienst  ein;  eine  so  radikale  Umgestaltung  war  damals  noch 
nügends  vorgenommen  worden.    Am  Eingang  des  Sabbats  las  man 
Psalm  92  und  93  englisch,   dann  das  Schma  hebräisch  und  englisch, 
die  Tefilla  englisch    und  stark  verkürzt,  nur  den  Scliluß  "i"j::  i~bi5 
hebräisch  und  englisch,  endlich  tS':'j  englisch,  dann  ^^1lrde  ein  Kapitel 
aus  den  Propheten  gelesen,  ein  Lied  gesungen,  vom  Vorbeter  ein 
selbst  verfaßtes  Gebet  und  der  Priestersegen  gesprochen.    Am  Sabbat- 
morgen wurde  wieder  mit  einem  englischen  Lied  und  Gebet  begonnen, 
dann  folgten  Psalm  33,  -I2ffi:  "in^s?  und  mrip  nrx  englisch,  ri2TZJ  und 
Tefilla  wie  am  Abend,  ausgewählte  Verse  aus  den  Psalmen  hebräisch 
und  engliscli,  ein  Gebet  für  das  Vaterland,  Vorlesung  aus  der  Tora, 
Predigt,  ein  englisches  Lied,  ein  Gebet  und  der  Priestersegen.    An 
den  Feiertagen  wurden  besondere  Gebete  mit  Beziehung  auf  die  fest- 
liche Gelegenheit  eingelegt.  Der  Gottesdienst  fand  mit  Musikbegleitung 
statt,   die  Gemeinde  erschien  ohne   Kopfbedeckung.    Die  Gemeinde 
bestand  nicht  lange,  denn  sie  hatte  keine  geistlichen  Führer;  sie  bietet 
für  die  Geschichte  das  allergi-ößte  Interesse,  weil  sie  in  so  früher  Zeit 
bereits  alle  Elemente  der  späteren  amerikanischen  Reform  aufweist, 
sie  zeigt  auch  bereits  deutlich  den  Einfluß  der  äußeren  Einrichtung 
des    protestantischen  Gottesdienstes.    Etwa  zehn   Jahre  nach   dem 
Aufhören  der  ersten  Reformgemeinde  wurden  in  der  alten  Gemeinde 
in  Charleston  Reformen  nach  Art  des  Hamburger  Tempels  emgef ührt ; 
dieselben  Kämpfe  wie  in  Europa  spielten  sich  auch  dort  ab,  mitunter 
nahmen  sie  sogar  noch  heftigere  Formen  an. 

4.  Die  starke   jüdische  Einwanderung  aus  Deutschland,  die  um 
1840  einsetzte,    hatte  die  Bildung  zahlreicher  neuer  Gemeinden  zur 


I 


Die   RL'furinbt'Wcf^uiijj:    in   Aiin-rika  435 

Folgo,  in  (U'iicii  voll  vornlierein  ein  reformierter  Gottesdienst,  zumeist 
unttT  'Ziiji;iiin(U'k'f,aini(  des  Ilambiirnjer  (lebetbiiclis,  eingerichtet 
wurde.  Die  Vereinigten  Staaten  kannten  keinen  (r  e  ni  e  i  n  d  e  - 
zwang,  von  selten  des  Staatsgesetzes  stand  und  steht  heute  noch 
keinerlei  Hindernis  im  Wege,  immer  neue  religiöse  Vereinigungen  zu 
begründen.  Junge  Gemeinden  ohne  Vergangenheit,  ohne  Bindung  an 
irgendeine  Tradition,  deren  Mitgliedschaft  freiwillig  ist  und  daher 
aus  Gleichgesinnten  besteht,  können  ohne  große  Schwierigkeiten  die 
religiösen  Institutionen  na^h  den  eigenen  Wünschen  ausbauen.  Die 
amerikanischen  Gemeinden  haben  daher  mit  Leichtigkeit  die  Reformen 
im  Gottesdienste  durchgeführt,  ihn  vielfach  sogar  in  solchem  Maße 
geändert,  daß  der  jüdische  Charakter  des  Gottesdienstes  kaum  noch 
zu  erkennen  ist.  Bis  1840  ist  überall  der  Gottesdienst  in  der  herkömm- 
lichen Art  gehalten  worden,  doch  bildeten  sich  innerhalb  der  bestehenden 
Gemeinden  Reforravereine,  die,  wenn  sie  sich  stark  genug  fühlten, 
neue  Gemeinden  mit  mehr  oder  minder  abweichenden  Formen  des 
Gottesdienstes  begründeten.  Die  Mitglieder  und  ihre  geistigen  Führer 
waren  zumeist  aus  Deutschland  gekommen,  es  wurden  daher  deutsche 
Predigten  und  deutsche  Gebete  eingeführt.  Die  Änderungen  in  den 
hebräischen  Gebeten  hielten  sich  in  engen  Grenzen,  betrafen  meist 
nur  die  Bitten  um  Wiederherstellung  der  Opfer  und  die  Rückkehr  nach 
Zion,  früh  begann  aber  auch  schon  der  Widerspruch  gegen  die  Lehre 
der  Auferstehung.  Eine  in  jüdischen  Kreisen  bis  dahin  nirgends  ge- 
kannte Neuerung  war  es,  als  Jsaac  M.  Wise  in  Albany,  X.  Y.,  die  pro- 
testantische Sitte  der  Familienbänke  und  damit  das  Zusammensitzen 
beider  Geschlechter  einführte. 

Mit  Wises  Eingreifen  beginnt  die  radikale  amerikanische 
Keformbewegung,  die  dann  durch  David  Einhorn  und  Samuel 
Hirsch,  beide  Teilnehmer  der  Rabbinerversammlungen  in  Deutsch- 
land, ihre  theologische  und  philosophische  Begründung  erhielt.  Die 
Grundgedanken  dieser  Reform  sind  nur  aus  dem  hohen  Selbstgefühl 
heraus  zu  begreifen,  welches  der  ungeahnte  Aufschwung  der  Ver- 
einigten Staaten  allen  ihren  Bewohnern  einflößte;  besonders  die  dem 
Druck  und  der  Armut  in  Deutschland  entflohenen  Einwanderer  wurden, 
durch  die  freien  Gesetze  und  den  zunehmenden  Wolüstand  der  Xeuen 
Welt  geblendet.  Daher  konnte  Wise  erklären,  daß  das  ameri- 
kanische Judentum  eine  neue  Epoche  der  jüdischen  Ge- 
schichte einleitete,  und  fordern,  daß  die  religiösen  Formen  den  An- 

28* 


436  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Sprüchen  des  amerikanischen  Lebens  und  Denkens  Rechnung  trügen. 
Die  Anpassung  der  Religion  an  die  Gegenwart  und  an  die  Um- 
gebung wurde  das  leitende  Prinzip  der  Reform,  die  Forderungen  der 
Zeit  wurden  für  das  höchste  Gesetz  auch  in  der  Religion  erklärt.  Es 
ist  klar,  daß  diesen  Anschauungen  gemäß  dem  Gottesdienste  die 
jeweilig  modernste  und  ansprechendste  Form  gegeben  wurde,  aber 
es  ist  offenbar,  daß  hier  Grundsätze  von  sehr  zweifelhaftem  Werte 
in  die  Religion  eingeführt  werden.  Eine  Bewegung,  die  den  ewigen 
Kern  des  Religiösen  zum  reinsten  Ausdruck  zu  bringen  strebt,  begibt 
sich  in  vöUige  Abhängigkeit  von  rein  weltlichen  Erwägungen,  sucht 
ihre  Orientierung  an  praktischen  Zielen  von  wechselndem  und  sein* 
bedenklichem  Gehalt.  Die  amerikanischen  Reformer  haben  das  schon 
in  Deutschland  \ielfach  vertretene  Prinzip,  daß  die  dem  Bewußtsein 
der  Gemeinde  fremd  gewordenen  Formen  ihre  Berechtigung  verlieren, 
auf  die  Spitze  getrieben,  ohne  zu  prüfen,  ob  darin  nicht  sehr  hohe 
Werte  enthalten  sein  konnten,  für  deren  Erhaltung  und  Wiederbelebung 
zu  kämpfen  verlohnte.  Einhorn  brachte  eine  bedeutsame  Vertiefung 
in  die  Reformbewegung,  wenn  er  Israels  m  e  s  s  i  a  n  i  s  c  h  e  n  B  e  r  u  f 
an  der  ganzen  Menschheit  in  den  Mittelpunkt  des  religiösen  Denkens 
stellte  und  von  da  aus  das  gesamte  religiöse  Leben  gestalten  wollte, 
freUich  konnte  auch  er  das  Amerikanisieren  als  zentrale  Idee  nicht 
genügend  zm'ückdrängen. 

Nach  diesen  kurz  angegebenen  leitenden  Prinzipien  ist  die  Reform 
des  Gottesdienstes  in  Amerika  erfolgt,  sie  ist  in  den  Synagogen,  die  sie 
annahmen,  nicht  gleichmäßig  durchgeführt,  es  finden  sich  selbst  in 
den  in  der  Union  o  f  American  C  o  n  g  r  e  g  a  t  i  o  n  s  zu- 
sammengeschlossenen Gemeinden  die  verschiedensten  Stufen  der 
Reform.  In  der  äußeren  Form  ist  allen  Gotteshäusern  gemeinsam  die 
Verwendung  von  Musikbegleitung  und  gemischtem  Chor,  die  Be- 
seitigung der  Frauengallerie ;  nicht  allgemein  ist  die  Barhäuptigkeit, 
der  Vortrag  der  Gebete  durch  den  Rabbiner  an  Stelle  des  Vorbeters. 
Viele  Gemeinden  halten  ilu-en  Gottesdienst  am  Freitag  Abend.  Sonn- 
abend und  am  Sonntag,  ganz  wenige  nur  am  Sonntag;  die  zweiten 
Feiertage  sind  durchweg  aufgehoben.  Auch  die  Liturgie  ist  nicht 
überall  dieselbe;  in  einigen  Gemeinden  sind  die  Gebete  vollständig 
neu  bearbeitet  und  enthalten  kaum  mein-  als  eine  schwache  Erinnerung 
an  die  alte  jüdische  Gebetordnimg.  Die  verbreiteten  Gebetbücher 
knüpfen  an  die  überlieferte  Liturgie  an,  wenn  sie  sie  auch  sehr  frei 


Die  Reformbewegurij,'  in  Aiii«rik.i  437 

gestalten.  Wisc  voröflViUlichle  ISf)?  ein  (ichcthiicli  tiiitcr  dcMi  Titel 
„M  i  II  h  a  fj;  A  m  e  r  i  k  a''  (l^mc^  -»in  r^bsn  sp^'ncs  jn:72j,  das 
in  den  (lenieindcn  des  Westens  nnd  Südens  slarkt!  Verbreitung  fand. 
Das  (iebethueli  war  vollständig^  in  hebräiselier  Sprache,  in  den  ein- 
leitenden und  abschließenden  Abteilunt^eii  ein  \veni<(  gekürzt,  sonst 
aber  durchaus  nach  dem  Herkoninien  auli^ebaut;  nur  an  denjenigen 
Stellen,  die  den  Glauben  an  die  Auferstehung  oder  an  den  Messias  und 
die  mit  seinem  Erscheinen  verbundenen  Umwälzungen  erwähnen, 
sind  radikale  Veräiulerungen  vorgenommen.  Sehr  interessant  ist, 
daß  sämtliche  Überschritten  und  Verweisungen  des  Buches  in  hebräi- 
scher Sprache,  sogar  nnpunktiert,  gegeben  sind;  so  gute  Kenntnisse 
des  Hebräischen  durfte  man  auch  in  Amerika  damals  noch  voraus- 
setzen. Einhorn  veröffentlichte  1858  sein  „T'Tir  rb",  Gebetbuch  für 
israelitische  Keformgemeinden"',  das  in  der  Anordnung  des  Gottes- 
dienstes nnd  in  der  Hervorhebung  der  für  die  Reformbewegung  maß- 
gebenden religiösen  Gedanken  dem  Beispiele  Holdheims  folgt.  „Wäh- 
rend er,  soweit  wie  möglich,  an  die  von  Zunz  erwiesene  Liturgie  der 
alten  Zeit  sich  anlehnte,  ließ  er  in  jedem  Gottesdienste  den  frohgemuten 
Dank  für  Gottes  Großtaten  in  Israels  Geschichte  erklingen.  Besonders 
die  Liturgie  des  Versölinungstages  kündet  in  unübertrefflicher  Kunst 
die  erhabene  Wahrheit  von  Israels  Weltmission  als  Priestervolk  und 
verdeutlicht  mit  einer  Begeisterung,  welche  aus  dem  innerlichsten 
jüdischen  Gefühl  hervorgeht,  die  alte  und  die  neuzeitliche  Vorstellung 
von  Sünde,  Reue  und  göttlicher  Vergebung.  Das  Ganze  ist  das  Werk 
eines  Meisters,  dessen  Größe  sich  in  allen  Einzelteilen  erkennen  läßt." 
Das  Gebetbuch  war  hebräisch  und  deutsch  abgefaßt  und  daher  nur 
für  deutsch  sprechende  Gemeinden  zu  verwerten,  erst  1896  ist  es  in 
einer  englischen  Ausgabe  erschienen.  Inzwischen  aber  war  1894:  das 
Gebetbuch  der  amerikanischen  R  a  b  b  i  n  e  r  k  o  n  f  e  r  e  n  z  ein- 
geführt worden,  „"::s<"',r^  r'^tr  ^'ü.  The  Union  Prayer-Book  for  Jewish 
Worship",  das  seitdem  in  etwa  250  Gemeinden  der  Vereinigten  Staaten 
angenommen  worden  ist.  Die  Herausgeber  bezeichnen  es  als  ihr 
Ziel,  die  ergreifenden  Erinnerungen  an  die  Vergangenheit  mit  den 
dringenden  Forderungen  der  Gegenwart  zu  verbinden  und  die  Feier, 
lichkeit  des  Gottesdienstes  dadurch  zu  steigern,  daß  die  beiden  wesent- 
lichsten Elemente,  die  elirwürdigen  Formeln  der  alten  Zeit  sowie  mo- 
derne Gebete  und  Betrachtungen  in  der  Landessprache  vereinigt 
werden.    In  seinem  nichthebräischen  Teile,   in  den  theologischen  An- 


438  Geschichte  des  Gottesdienstes 

schaiumgen,  sowie  den  dadurch  bedingten  Änderungen  des  hebräischen 
Textes  befolgt  das  Gebetbuch  Einhorns  Vorbild;  der  hebräische  Teil 
ist  reichhaltiger  als  der  seiner  Vorgänger.  Das  Gebetbuch  zerfällt 
in  zwei  Teile;  der  erste  enthält  die  Gebete  für  die  Sabbate,  Wallfahrts- 
feste, Wochentage  und  häusliche  Andacht  sowie  die  Schriftvorlesungen, 
der  zweite  die  Gebete  für  die  beiden  ernsten  Feste ;  sämtliche  hebräi- 
schen Gebete  sind  von  einer  englischen  Übersetzung  begleitet.  Der 
Aufbau  der  Gebete  ist  folgender.  Der  Abendgottesdienst  beginnt  mit 
einem  hebräischen  Psalm  und  mit  einer  englischen  Auswahl  von 
Bibelstellen,  die  Vorbeter  und  Gemeinde  abwechselnd  vortragen,  es 
folgt  das  hebräische  Abendgebet  in  seinem  traditionellen  Aufbau  in 
verkürzter  Fassung,  vom  "1212  ist  nm-  der  erste  Abschnitt  und  ein 
Satz  aus  dem  dritten  (Xum.  15  40)  beibehalten,  i:niDTrn  fehlt ;  die 
Tefilla  besteht  an  Sabbaten  und  Festen  aus  den  ersten  beiden  Bene- 
diktionen und  einem  Stücke  aus  der  mittleren  in  hebräischer  Sprache 
sowie  einer  abschließenden  englischen  Bitte,  an  Wochentagen  ist  sie 
ganz  englisch;  es  folgen  wiederum  eine  englische  Auswahl  von  Bibel- 
stellen, ein  englisches  Gebet  des  Vorbeters,  ein  gemeinsames  Lied, 
eine  englische  Wiedergabe  von  Olenu,  eine  Ansprache  an  die  Trauernden 
und  das  Kaddisch  der  Trauernden  nach  der  im  Tempel  zu  Hamburg 
üblichen  Formel,  endlich  Gesang  von  n:"'~"::s?3  'j'^i«.  Den  Gebeten 
für  die  Trauernden  ist  Aiel  Aufmerksamkeit  gewidmet,  eine  besondere 
Liturgie  für  den  wälirend  der  Trauerwoche  im  Trauerhause  gehaltenen 
Gottesdienst  festgesetzt.  Am  Morgen  der  Sabbate  und  Feste  ist  die 
auffälligste  Abweichung  vom  Herkommen  das  Ausfallen  des  Musaf- 
gebets.  Der  Aufbau  ist  dem  des  Abendgebets  ähnlich,  ein  einleitender 
hebräischer  Gesang  von  Bibelstellen,  einige  englische  Gebete  aus  dem 
alten  Siddur,  das  Schma  mit  seinen  Benediktionen  in  verkürzter  Form, 
die  Tefilla  mit  der  Keduscha  und  der  mittleren  Benediktion  hebräisch, 
eine  englische  Auswahl  von  Bibelstellen  nebst  dem  Gebet  des  Vor- 
beters, die  letzten  Benediktionen  der  Tefilla  englisch.  An  den  Festen 
whd  auch  ^'ij'^  und  der  Priestersegen,  soAne  eine  Auswalü  aus  den 
Hallelpsalmen  (Ps.  113,  117,  118)  hebräisch  vorgetragen.  Ausheben 
und  Einheben  der  Tora  sind  von  hebräischen  Gesängen  begleitet,  die 
Vorlesung  aus  der  Tora  ist  kurz  und  wü'd  englisch  übertragen,  die 
Haftaras  werden  nur  englisch  vorgetragen,  aus  Propheten  und  Hagio- 
gi'aphen  gewählt;  gerade  in  diesem  Teile  des  Gottesdienstes  gehen  die 
Bräuche  der  Gemeinde  im  einzelnen  sehr  auseinander.  Auf  die  Schrift- 


1 

Ä 


Die  liffonnbewegung  in  Amerika  439 

vorlesunfi:  folfrt  die  Prodis  mit  ciiilcilcrKlcni  und  ahsclilicücndcm  Lied, 
der  Scliliiü  ist  wie  am  Ahcnd,  nnr  daü  am  l'jidc  der  Kahhincr  den 
Priest (Mso^^Mi  s|)riclit.  Die  Saljhatc  haben  aneli  einen  Xaclimitlfigs- 
gotlesdienst  mit  eiideitendeni  liehräiseliein  (!esaii{(  und  Psalm  140, 
Schriftvorlesung,  englischer  Tefilla  mit  hebräischer  Kediischa,  Predigt, 
Schriftversen,  eii«:lischer  Vorlesung  aus  den  Sprüchen  der  Väter  und 
einem  Segen.  Von  besonderen  (Jelegenlieilen  sind  berücksichtigt: 
die  Ankündigung  des  Neumonds,  der  Neumondstag,  Chamikka,  der 
9.  Ab,  das  Gebet  um  Regen  am  Schmini  Azeres.  Da  von  den  Festen 
immer  nur  die  ersten  Tage  beobachtet  werden,  fehlt  das  Fest  der  Tora- 
freude ganz.  Das  Union  Prayer-ßook  hält  zwar  konsequent  seine 
theologische  Richtung  ein,  hat  sicli  aber  im  übrigen  in  der  Auswahl 
der  Gebete  und  in  der  Berücksichtigung  der  Gelegenheiten  sehr  nach 
den  Fordernngen  der  Gemeinden  gerichtet  und  dieser  Anpassung  die 
Theorien  radikaler  Theologen  geopfert. 

Es  konnte  nicht  ausbleiben,  daß  die  amerikanische  Reform  auf 
Europa  zurückwirkte,  nach  ihrem  Reisj)iel  ist  neuerdings  der  Gottes- 
dienst der  Jewish  Religious  Union  in  London  und  der  Reformgemeinde 
in  Paris  eingerichtet  worden.  In  Deutschland  ließ  sich  bereits  im 
westfälischen  Gebetbuch  Einhorns  Einfluß  wahrnehmen;  das  jüngst 
von  C.  Seligmann  bearbeitete  ,, Israelitische  Gebetbuch  für  die  neue 
Synagoge  in  Frankfurt  a.  M."  folgt  im  Aufbau  dem  amerikanischen 
Vorbilde,  wenn  es  aucli  die  beibehaltenen  hebräischen  Gebete  fast 
unverändert  wiedergibt  und  im  Gegensatz  zu  Amerika  das  liebräische 
Element  an  AVochentagen  mehr  berücksichtigt  als  am  Sabbat  und 
den  Festen.  Das  sind  Neuerungen  aus  allerjüngster  Zeit,  über  die  der 
Geschichte  vorerst  ein  abschließendes  Urteil  nicht  zusteht. 

5.  Wh'  haben  die  Reformbewegung  bis  in  die  unmittelbare  Gegen- 
wart verfolgt,  ilire  Forderungen  und  Erscheinungsformen  in  den  ver- 
schiedenen Ländern  kennen  gelernt,  es  obliegt  uns  nun,  aus  dieser 
Mannigfaltigkeit  das  Gemeinsame  zu  ermitteln  und  in  zusammen- 
fassendem Urteil  geschichtlich  zu  werten.  Die  Ausgangspunkte  der 
Reformbewegung  sind  allenthalben  die  gleichen,  mit  der  Veränderung 
der  sozialen  Lage  und  der  Hebung  der  allgemeinen  Bildung  der  Juden 
stellt  sich  die  l^nzufriedenheit  mit  dem  herkömmlichen  Gottesdienste 
ein.  Gegenstand  der  Klage  sind  zunächst  die  in  die  Augen  fallenden 
äußeren  Mängel,  die  unruhige,  bisweilen  würdelose  Haltung  der  Ge- 
meinde,   der  wenig  weilievolle,  nicht  selten  abstoßende  Vortrag  der 


^^Q  Geschichte  des  Gottesdienstes 

Gebete.  "Waren  diese  Mißstände  erst  einmal  gerügt  und  als  solche 
erkannt,  so  genügte  das,  um  ilu-e  allmähliche  Abstellung  herbeizu- 
führen, es  war  nur  eine  Frage  der  fortschreitenden  Erziehung,  wann 
sie  gänzlich  verschwinden  sollten.  Ruhe  und  Ordnung,  Würde  und 
Andacht  beim  Gottesdienste  sind  für  den  Kulturmenschen  so  selbst- 
verständliche Forderungen,  sie  kommen  gleichzeitig  so  sehr  den  Vor- 
schriften des  traditionellen  Judentums  entgegen,  daß  ihre  Berech- 
tigung bis  in  die  konservativsten  Kreise  anerkannt,  daß  überall  an 
ilu-er  Durclifülu'ung  gearbeitet  whd.  Die  Veredlung  des  kantoralen 
Vortrags  und  die  Einführung  harmonischen  Chorgesangs  sind  ebenfalls 
von  allen  Richtungen  gefördert  und  zur  Verschönerung  des  Gottes- 
dienstes in  Anwendung  gebracht  worden.  Umstritten  ist  die  Zu- 
lassung der  Orgelbegleitung.  In  einigen  Ländern,  wie  in  Italien  und 
Frankreich,  ist  sie  auch  bei  strengster  Innehaltung  der  Überlieferung 
anstandslos  eingeführt,  in  anderen,  wie  in  England,  geradezu  als  eine 
Kriegserklärung  gegen  die  Gemeinde  betrachtet  worden;  in  Deutsch- 
land bildet  sie  die  Grenzlinie  der  Parteien,  sie  hat  bei  den  Gemeinden 
iimner  mein:  Anklang  gefunden,  und  der  noch  vorhandene  Widerstand 
richtet  sich  nicht  melu*  so  selir  gegen  das  Instrument  an  sich,  wie  gegen 
das  Spielen  an  Sabbaten  und  Festtagen. 

Beanstandet  wurde  auch  allgemein  die  L  ä  n  g  e  des  Gottesdienstes, 
die  zum  Teil  mit  den  erwähnten  äußeren  Mängeln  zusammenliing, 
zum  größeren  Ted  aber  daher  rührte,  daß  im  Verlaufe  der  Jahrhunderte 
die  Gebete  weit  über  das  ursprüngliche  Maß  hinaus  angewachsen  und 
überdies  mit  zahlreichen  Piutim  belastet  worden  waren.  Es  war  un- 
möglich, den  Sinn  der  Piutün  zu  erfassen,  auch  manche  Stücke  unter 
den  Stammgebeten  blieben  dem  Laien  unzugänglich.  Je  mehr  aber 
die  Kenntnis  der  hebräischen  Sprache  zurückging,  desto  schwieriger 
wm-de  das  Verständnis  selbst  der  einfachen  Gebete  und  der  Schrift- 
vorlesungen;  besonders  das  weibliche  Geschlecht,  das  mehr  als  früher 
am  öffentlichen  Gottesdienste  sich  zu  beteiligen  wünschte,  blieb  hmter 
den  Anforderungen  an  die  hebräischen  Spraclikenntnisse  stark  zurück. 
Die  natürliche  Folge  war  der  AVunsch  nach  Küi'zung  des  Gottes- 
dienstes, nach  Beseitigung  der  unverständlichen  Gebete  und  Piutim, 
nach  Einfülmmg  von  Gebeten  und  belehrenden  Vorträgen  in  der 
Landessprache.  Über  einen  großen  Teil  dieser  Forderungen  wurde 
ebenfalls  weitgehende  Übereinstimmung  erzielt.  Die  Predigt  in  der 
Landessprache  ist  in  den  Kultmiändern  von  sämtlichen  Richtungen 


I 


Das  Ergebnis  der  Keformbewegung  441 

als  eine  woliltätinv  iiiul  scf^iMisrcicIic  l'üiiiiclitiiii^  uncrkaiiiil  uiid  ciii- 
m'füliit  ^v(>^ll•ll;  wonii  sie  .iiicli  ikkIi  iiiclit  ausnahmslos  jede  Schrift- 
vorlesunti,-  an  Sal)l)altMi  und  lu-steu  he^Mcilel,  so  findet  sie  doch  rep^el- 
uiäl.)iiJ:  uiul  iu  kurzen  Zwisclionräunien  statt.  Audi  der  Beseitigung 
der  Piutini  und  (k'r  unverständlichsten  Stücke  der  Gebetordnung 
haben  sich  schließlieh  nur  jene  wenigen  Unversöhnlichen  widersetzt, 
die  in  keinem  Punkte  eine  Abweichung  von  Minhagbuchc  dulden. 
Selbst  über  Kürzungen  an  den  Staninigebeten  ließe  sich  bis  zu  einem 
bescheidenen  Grade  ein  allgemeines  Einverständnis  erzielen.  J']benso 
wie  die  Predigt  haben  Gebete  in  der  Landessprache  Eingang  in  die 
Synagoge,  für  die  Liturgie  im  engeren  Sinne  (S.  205)  sogar  die  J^illigung 
sämtlicher  Richtungen  gefunden.  Was  über  die  genannten  Änderungen 
der  herkömmlichen  Gebetordnung  hinausgeht,  ist  nur  von  Synagogen 
mit  bewußt  fortschrittlicher  Tendenz  angenommen  worden;  dazugehört 
die  Verkürzung  der  Toravorlesung,  die  Verkürzung  der  einleitenden  und 
des  abschließenden  Abschnitts  des  Morgengebets,  die  Unterbrechung  der 
hebräischen  Gebete  durch  solche  in  der  Landessprache.  Auch  diese  \n- 
derungen  haben  bei  einem  großen  Bruchteil  der  Gemeinden  Anklang  ge- 
funden. Erst  auf  einer  weiteren  Stufe  der  Reform  beginnen  dann  wesent- 
liche Eingriffe  in  die  Hauptstücke  des  Gebets  bis  zu  jenen  radikalen  Um- 
gestaltungen, die  von  der  überlieferten  Art  des  Gottesdienstes  wenig  und 
von  der  hebifiischen  Sprache  so  gut  wie  nichts  übrig  gelassen  haben. 
Die  Reform  im  eigentlichen  Sinne  besteht  nicht  in  der  Kürzung 
der  Gebete  und  der  Zurückdrängung  der  hebräischen  Sprache,  sondern 
in  jenen  Veränderungen  des  Textes,  die  aus  dogmatischen  Rücksichten, 
aus  der  Bestreitung  oder  verschiedenen  Auslegung  religiöser  Lehren 
hervorgegangen  sind.  In  der  Hauptsache  handelt  es  sich  um  die 
Lehre  von  der  leiblichen  Auferstehung  und  um  den  Glauben  an  den 
persönlichen  Messias,  mit  dessen  Erscheinen  nach  der  in  den  Gebeten 
vertretenen  Anschauung  die  AViederherstellung  des  Tempels  und  des 
Opferdienstes,  die  Sammlung  der  Zerstreuten  Israels  und  ihre  Zurück- 
führung  nach  Zion  verknüpft  ist.  Im  Gegensatz  zu  den  vorerwähnten 
Forderungen,  denen  fast  alle  Scliichten  Verständnis  entgegenbrachten, 
sind  die  dogmatischen  Bedenken  hauptsächlich  von  theologisch  ge- 
bildeten Männern  vertreten  worden;  großer  Popularität  haben  sie  sich 
nicht  erfreut,  über  das  Maß  der  bereits  im  Hamburger  Tempel  durch- 
geführten Änderungen  liinaus  haben  sie  in  weiteren  Kreisen  niemals 
besonderes  Interesse  gefunden. 


442  Geschichte  des  Gottesdienstes 

In  diesem  Zwiespalt  zwischen  den  Bestrebungen  der  Theologen 
und  dem  Verständnis  der  Gemeinden  liegt  ein  nichtiger  Grund  dafür, 
daß  die  Erfolge  der  Keformbewegung  zu  dem  Aufwand  an  Mühe  und 
Kraft,  zu  den  Erschütterungen  des  Gemeindelebens  in  keinem  rechten 
Verhältnis  stehen.  Die  Führer  der  Eeformbewegung  haben  in  ihrer 
idealistischen  Begeisterung  den  Blick  für  die  realen  Verhältnisse  ver- 
loren, sie  haben  den  allgemeinen  Fortschritt  ihrer  Zeit,  nicht  minder  aber 
den  Aufschwung  der  religiösen  Bildung  unter  den  Juden  gewaltig 
überschätzt.  Ebensowenig  wie  der  Völkerfrüliling  des  Jahres  1848 
die  erhoffte  Zeit  vollendeten  Menschentums  eingeleitet  hat,  ebenso- 
wenig haben  die  in  den  Rabbinerversammlungen  vertretenen  An- 
schauungen eine  tiefgehende  Erleuchtung  unter  den  Glaubensgenossen 
bewirkt.  Die  dünne  Oberschicht  der  Gebildeten,  die  sich  jene  Theorien 
zu  eigen  machte,  war  durch  die  allgemeinen  Kulturinteressen  ausge- 
füllt, sie  verliielt  sich  der  religiösen  Bewegung  gegenüber  ziemlich 
gleichgültig  und  bot  eine  Stütze  von  geringer  Tragkraft.  Die  breiten 
Massen  hingegen,  deren  Leben  in  den  Anschauungen  und  Formen  der 
Vergangenheit  verankert  war,  gingen  leer  aus ;  die  theologische  Reform 
vermochte  nicht  sie  fortzureißen,  ihre  dogmatischen  Entscheidungen 
besaßen  nicht  die  Kraft,  Begeisterung  zu  erwecken.  Die  Zeitverhält- 
nisse waren  überdies  sein*  ungünstig,  sie  stellten  den  Menschen  auf 
die  Jagd  nach  Erwerb  und  Genuß  ein,  entfernten  ihn  weit  von  der 
Verfolgung  des  messianischen  Ideals.  Es  zeugt  von  Mut  und  Tatkraft, 
daß  die  Reformer,  ohne  sich  in  langen  theoretischen  Erwägungen  zu 
ergehen,  rasch  Zugriffen  und  im  Vertrauen  auf  iln*  Beispiel  und  ilu"e 
Lehre  das  Leben  umzugestalten  versuchten,  aber  die  Xachteile  des 
überstürzten  Vorgehens  blieben  nicht  aus.  Es  wiu'de  mit  kühl  ab- 
wägendem Verstände  reformiert,  dem  nüchternen  Rationalismus  %'iel 
von  der  Poesie  und  dem  stimmungsvollen  Gehalt  des  Gottesdienstes 
geopfert.  Die  wissenschaftliche  Begründung  der  neuen  Auffassungen 
hatte  erst  km'ze  Zeit  vorher  begonnen,  die  Theologie  legte  sich  in  der 
Eile  auf  Anschauungen  fest,  die  der  Forschung  keineswegs  für  alle 
Zeiten  standliielten  und  in  den  Gemeinden  auf  entschiedenen  Wider- 
stand stießen.  Die  Geschichte  hat  über  alle  radikalen  Umwälzungen 
ihr  Verdikt  gefällt,  um-  eine  an  die  Vergangenheit  anknüpfende,  stetige 
Entwicklung  als  berechtigt  eiiviesen. 

Die  Fehler,  welche  am  Anfange  der  Bewegung  gemacht  wurden, 
haben  dauernd  ihre  Entwicklung  geschädigt,  wenn  auch  die  x\nzeichen 


Das  Krgi'l)uis  der  I{ff(»riiilii'\vcKUiiK'  443 

sich  nu'liii'ii,  dal.)  die  Laue  sich  leimst ii;cr  |r,'stallcl.  Ks  hh'iht,  ih-r 
Arbeit  genug  zu  (im;  mii  i\vv  Änderung  und  Zusammenstreichung 
(U'rCicholc  ist  \vonii!;(Mii'icht,  wcmi  nicht  ziiu:h'ich  Hc<j;cistening  und  Ver- 
ständnis l'ür  den  Cluttesdienst  geweckt  wird.  Daran  aber  hat  es  bisher  am 
meisten  gefehlt,  von  ihren  hervorstechendsten  Ziehen  ist  die  Rcform- 
bewegung  am  weitesten  entfernt  geblieben.  Es  ist  ihr  nicht  gelungen, 
die  angestrebte  Freiheit  in  die  gottesdienstlichen  Formen  zu  bringen, 
dazu  mangelte  es  ihren  Anhängern  an  Verständnis,  an  liebevoller  Ver- 
tiefung. Auch  der  Gefahr  der  Veräußerlichung  ist  der  reformierte  Gottes- 
dienst nicht  entgangen,  sein  Programm  ist  eine  nicht  minder  starke  Bin- 
dung geworden,  wie  die  der  alten  Gebetordnungen.  Endlich  hat  die  Be- 
fürchtung, die  vor  hundert  Jahren  an  den  Anfängen  der  Bewegung  aus- 
gesprochen wurde,  sich  in  erschreckender  Weise  erfüllt;  die  Ver- 
trautheit mit  dem  Gottesdienste  hat  trotz  seiner  Vereinfachung  nicht 
zugenommen,  die  Gleichgültigkeit  gegen  seine  Einrichtungen  ist  ge- 
wachsen, sie  ist  gerade  dort  mit  am  größten,  wo  den  Forderungen 
nach  zeitgemäßen  Umgestaltungen  am  meisten  Rechnung  getragen 
wurde.  Darin  aber  liegt  die  mchtigste  Aufgabe  für  die  Zukunft,  die 
alte  Begeisterung  für  den  Gottesdienst,  die  Innigkeit  der  Gebetstimmung 
wieder  zu  erwecken.  Der  Gottesdienst  muß  \Aieder  werden,  was  er  den 
Vätern  gewesen:  der  Mittelpunkt  des  religiösen  Lebens,  eine  Stätte 
religiöser  Sammlung  und  Weihe. 


D.  III.  Abschnitt: 
Organisation  des  jüdischen  Gottesdienstes. 


Kap.  I.   Die  Gottesdienstlichen  Gebäude. 

§  48.  Namen,  Alter,  Verbreitung  und  Lage  der  Bethäuser. 

Literatur:  Low  Leopold,  Der  synagogale  Ritus  in  MS  XXXIIh  1884, 
S.  97  ff.  =  Ges.  Sehr.  IV,  Iff. ;  Synagogale  Altertümer,  Plan  und  Kol- 
lektaneen  das.  V,  21 — 36.  93;  Hoffmaan  D.,  Die  Synagogen  in  Altertum 
in  Isr.  Mon.  1899,  S.  5ff.;  Schürer,  Geschichte  IL  497  flf.,  HI,  71  If.; 
Bacher,  Art.  Syuagogue  in  Hastings,  Dlct.  of  the  Bible  IV,  633  ff.;  in 
JE  XI,  618  ft'. 

1.  Der  Gottesdienst  war  nicht  an  bestimmte  Örlliclikeiten  imd 
Gebäude  gebunden,  es  konnte  ein  jeder  wie  Daniel  in  seinem  Zimmer 
(sn^b7  611)  für  sich  allein  (i^n^n  ,"C-Z"  l^lb  -m)  beten,  die  Vor- 
lesungen und  Belelirungen  hingegen  forderten  eine  Öffentliclikeit, 
eine  Gemeinde.  Es  ist  einleuchtend,  daß  die  Gemeinde  sich  stets  an 
demselben  Platze  versammelte,  daß  ein  Raum  für  die  gottesdienst- 
lichen Zwecke  hergerichtet  wurde.  Der  älteste  Name,  der  dafür  üblich 
war,  knüpft  an  das  biblische  2"n  r"iD  (Jer.  398)  an,  worunter  in  vor- 
exüischer  Zeit  ein  öffentliches  Gebäude  verstanden  wurde.  Der  Xame 
erhielt  sich  im  Volksmunde  recht  lange,  noch  gegen  Ende  des  2.  Jahr- 
hunderts imsrer  Zeitrechnimg  war  s^'ö"  ri2  ein  populärer  Ausdruck; 
der  Gebrauch  des  Wortes  war  allerdings  damals  bei  den  Gelehrten  ver- 
pönt und  galt  als  Todsünde  (b.  Schabb.  f.  32  a).  Eine  andere  biblische  Be- 
zeichnung ist  rctiP.  nil  (Jes.  56  7),  der  zweite  Tempel  soll  ein  B  e  t  - 
haus  für  alle  Völker  werden.  Nach  allgemeiner  Annahme  bezieht 
sich  auch  ■::s^  ^-ir^^'a  (Ps.  748),  vielleicht  auch  n-'i2  r^n  (Hi  3023), 
auf  die  im  Lande  verbreiteten  Stätten  für  gottesdienstliche  Versamm- 
lungen ;  sicher  ist,  daß  Aquila  das  Wort  so  aufgefaßt  und  durch  awaytoyäg 


Diu   Namen  der  Bethäuser  445 

wicderiicirchcn  li;i1.  I)iosor  irriccliische  Ausdruck  ist  schließlich  der 
ffehräuchliclistc  und  vcrbreitctste  gowordon.  in  LXX  entspricht  er 
dem  hiblischeu  "-;:".  dem  Worte  für  Gemeinde .  In  den  Targumim 
wird  das  Xomen  mr  durch  srx::,  die  Verben  '':'^n'pn  und  res«  durch 
r:r  wiedertregeben ,  davon  heißt  das  Versamiulungshaus  der  Ge- 
meinde Krr:z  ^2,  prägnant  auch  i<rr:;.  J)a  der  Stamm  auch  in 
der  hebräischen  Form  c:2  vorkommt  (Esth.  416),  wird  im  iiach- 
l)il)lischen  Wortschatz  auch  rc:3  im  Sinne  von  Versammlung  ge- 
braucht: das  für  sottesdienstliche  Versammlungen  dienende  Ge- 
bäude heißt  daher  rc:Dn  r^n,  plur.  PT'CID  ^rn.  Derselbe  Wechsel 
im  Sprachgel)rauc)i  liegt  bei  airayMy^  vor.  Es  bezeichnet  ursprüng- 
lich wie  src:D  die  Gemeinde,  wird  dalier  auch  zur  Benennung  von 
Vereinen  gebraucht,  heißt  aber  schließlich  ebenfalls  Versammlungs- 
stätte der  Gemeinde,  gottesdienstliches  Gebäude.  Das  Wort  ist  als 
Fremdwort  durch  Vermittlung  des  Lateinischen  ins  Italienische, 
Französische,  Deutsche,  Englische  übergegangen,  im  Spanischen  liegt 
es  in  der  Bildung  Esnoga  vor. 

Unter  den  hellenistischen  Juden  finden  wir  am  häufigsten  die 
n;Er  r'^a  (LXX  or/.og  vr^g  tioogev/J^.^)  entsprechende  Bezeichnung 
TCQOöevyJ],  7tQO^ev/.ii\oiov ,  wovon  Juvenal  sogar  ein  lateinisches 
Proseucha  bildet.  Der  Unterschied  im  Sprachgebrauch  zwischen  Pa- 
lästina und  der  griechischen  Diaspora  wird  besonders  klar,  wenn  Philo 
von  den  Essäern  hervorhebt,  daß  sie  ihre  heiligen  Stätten  OLvayojyai 
benennen.  Ganz  vereinzelt  findet  sich  oaßßaTslov,  was  auf  die 
Zusammenkünfte  an  jedem  Sabbat  hinweist  und  im  syrischen  rr^l 
^■'-irp-  i«r2r.  plur.  '--rp-  ^nr  r^n  seine  Parallele  hat.  Heiden  be- 
dienten sich  zur  Bezeichnung  der  jüdischen  Bethäuser  auch  des  Aus- 
drucks la  uQcc,  den  sie  für  ihre  Tempel  anzuwenden  pflegten.  Bei 
den  arabisch  sprechenden  Juden  lebte  rc:2n  ri'2  in  czrbs  fort, 
dem  Sinne  entsprach  auch  ~"12:\,  das  sich  als  aljama  in  Urkunden 
aus  der  Provence  findet;  Makrizi  gebraucht  jedoch  auch  das  dem 
"rsr  r''2  entsprechende  Salawat.  In  Sizilien  war  im  Mittelalter 
die  Bezeichnung  Meskita  verbreitet,  die  dem  arabisclien  ""»scr  = 
Moschee  entsprach;  auch  die  Falaschas  nennen  ihre  Bethäuser  ^lesgid, 
wahrscheinlich  ist  das  eine  alte  Bezeichnung,  die  auf  das  in  neu  ent- 
deckten Texten  vorkommende  r"nrrn  r'^a  zurückgeht.  Die  Türken 
nennen  die  Bethäuser  Havras,  Avas  aus  dem  hebräischen  Wort  für 
Verein  (man)  genommen  ist. 


446  Organisation  des  Gottesdienstes 

In  romanischen  und  slavischen  Ländern  sowie  in  Ungarn  wurde 
die  Bezeichnung  des  Bethauses  an  das  lateinische  templum  ange- 
lehnt, daneben  aber  kommen  auch  andere  Benennungen  wie  Synagoge 
oder  das  Äquivalent  von  Bethaus  vor.  In  Rom  bezeichneten  die  Juden 
Du-e  Gemeinschaft  wie  die  anderen  Nationalitäten  als  Schola,  die  älteste 
Nachricht  darüber  liegt  aus  dem  Jahre  IUI  vor.  Daher  kam  es,  daß 
ihre  Versammlungsstätten  in  Italien  schola,  in  Deutschland  Schule, 
Schul  hießen;  Luther  übersetzt  Givaywyri  im  N.T.  meist  durch 
Schule,  und  in  der  jüdisch-deutschen  Mundart  heißt  das  Gotteshaus 
bis  heute  Schul.  Vor  einem  Jahrhundert  wurde  für  moderne  Bet- 
häuser der  Name  Tempel  beliebt,  in  Österreich  hat  sich  diese  Be- 
zeichnung vielfach  eingebürgert,  in  Deutschland  wird  der  Name  Syn- 
agoge vorgezogen. 

2.  Wann  zuerst  ständige  Bethäuser  errichtet  worden  sind,  wissen 
w  nicht;  die  Anschauungen  darüber  hängen  zum  Teil  mit  der  Auf- 
fassung der  erwähnten  Namen  zusammen.  Wenn  man,  wie  die  alte 
jüdische  Tradition,  bereits  in  2:7n  rrin  ein  Bethaus  erblickt,  müßte 
die  Einrichtung  vorexilisch  sein.  Da  wir  aber  in  vorexilischer 
Zeit  sonst  nirgends  von  einem  regelmäßigen  Gottesdienste  der  Ge- 
meinde und  damit  zusammenhängenden  Gebäuden  erfahren,  da  auch 
in  dem  Namen  an  sich  keinerlei  Hinweis  auf  die  Verwendung  als 
Bethaus  liegt,  ist  die  Annahme  nicht  aufrecht  zu  erhalten.  Hingegen 
ist  es  sehr  wahrscheinlich,  daß  für  die  gottesdienstlichen  Versamm- 
lungen im  Exil  (ob.  S.  235)  besondere  Stätten  geschaffen  wurden. 
Wo  ein  Prophet  wohnte  wie  Ezechiel,  bildete  sein  Haus  den  natür- 
lichen Mittelpunkt  (vgl.  z.  B.  Ez.  8 1),  an  anderen  Orten  hingegen 
mußten  Versammlungsstätten  gesucht  werden.  In  talmudischer  Zeit 
fülu'te  man  das  Alter  einiger  babylonischer  Synagogen,  ^vie  der  in 
Schefitib  (nTiBlT!)  bei  Nehardea  und  in  Huzel,  direkt  auf  die  Zeit  der 
Exulanten  zurück.  ]\Iit  der  Verbreitung  des  gemeinsamen  Gottesdienstes 
in  Palästina,  besonders  nach  dem  Auftreten  Esras,  nahmen  dann  die 
Synagogen  im  Lande  zu,  und  in  der  Zeit  der  syrischen  Bedrängnis, 
aus  der  Ps.  74  stammt,  werden  bereits  ,,alle  Versammlungsstätten 
Gottes"  durch  Feuer  zerstört. 

Die  ältesten  datierten  Nachrichten  über  das  Vorhandensein 
von  jüdischen  Bethäusern  stammen  aus  Ägypten.  Eine  Inschrift 
aus  Schedia  bei  Alexandrien  berichtet  von  der  Widmung  der  Pros- 
euche der  Juden  für  den  König  Ptolemäus  III  Euergetes  (247 — 221) 


\ 


Ursprung  diT  Bcili;kusor  447 

iiiul  die  Köniijin  liorciiiko.  Auch  auf  einer  anderen  liisclirift  und  einem 
l'ajiynis,  die  ni)cli  ans  dem  ;i  .Jalirliuiideil  slamnuMi,  wird  der  jiidischon 
Proscnclien  in  Ägypten  gedacht,  so  dal.)  ihr  Vorliandensein  um  die 
Glitte  des  3.  Jahrlinnderts  nicht  zu  bezweifeln  ist.  JJetraclilet  man 
(his  Bethaus  in  Scheilia  als  eine  Filiale  der  großen  Proseuche  in  Alex- 
andrien,  dann  müßte  diese  noch  eine  ganze  Weile  älter  und  kurz  nach 
der  Einwanderung  der  Juden  in  die  aufblüliende  neue  Stadt  errichtet 
worden  sein.  Es  ist  beliauptet  worden,  daß  die  Institution  der  Syn- 
agoge in  den  hellenistischen  Ländern  entstanden  und  erst 
von  dort  in  Palästina  eingeführt  worden  ist.  Das  widerspricht  jedoch 
allen  sonst  bekannten  Tatsachen;  die  vollständige  Abhängigkeit  der 
alexandrinischen  Juden  in  religiösen  Fragen  vom  Mutterlande  weist 
darauf  hin,  daß  die  Entwicklung  umgekehrt  w\ar,  daß  die  in  Palästina 
längst  verbreiteten  Synagogen  nach  Ägypten  übertragen  wurden. 
Wir  sehen  aus  den  genannten  Zeugnissen,  in  wie  früher  Zeit  das  ge- 
schaii.  Die  Ausbreitung  <ler  Synagogen  erfolgte  mit  erstaunlicher 
Schnelligkeit,  überall  woliin  .luden  wanderten,  ahmten  sie  die  neue 
Einrichtung  nach.  Strabos  Wort,  daß  es  keinen  Platz  in  der  olv.oiutvi] 
gibt,  der  nicht  das  Geschlecht  der  Juden  aufgenommen  hat  und  von 
ihm  eingenommen  wird  (um  85),  dürfen  wir  auch  auf  die  Synagogen 
anwenden.  Wo  eine  einigermaßen  beträchtliche  Zahl  von  Juden  wohnte, 
schritt  sie  zur  Gründung  einer  religiösen  Gemeinde  und  eines  Bet- 
hauses. Daher  finden  wir  noch  vor  dem  Untergange  des  jüdischen 
Staates  nicht  nur  in  Palästina,  sondern  auch  in  der  Diaspora  aller 
Orten  Bethäuser,  zumal  aus  der  griechisch-römischen  Welt  besitzen 
wir  zahlreiche  Nachrichten  über  die  Existenz  von  Synagogen.  Jo- 
sephus  spricht  von  den  Synagogen  in  Dora,  Tiberias,  Cäsarea,  Antio- 
chien,  die  Evangelien  von  denen  in  Nazareth  und  Kaj)ernaum,  die 
Apostelofeschichte  von  denen  in  Jerusalem,  Damaskus,  Salamis  auf 
Cypern.  Antiochien  in  Pisidien,  Ikonium.  Philij>pi  in]\lakedonien,  Thes- 
saloniche,  Beröa,  Athen,  Korinth.  Ephesus.  In  den  verschiedensten 
Orten  und  Gegenden  Agyjjtens  bezeugen  Papyri  und  Inschriften  das 
\'orliandensein  der  Synagogen,  in  Rom  werden  sie  durch  die  Grab- 
schriften der  Katakomben  belegt;  überall  vom  persischen  Meere  bis 
zu  den  Säulen  des  Herkules,  wo  Juden  wohnten,  treffen  wir  Sj)uren 
jener  neuartigen  Mittelpunkte  für  ihr  religiöses  Leben.  Für  Philo 
und  Josephus  galten  sie  als  uralte  Listitutionen  aus  mosaischer  Zeit 
und  aucli  die  rabbinische  Tradition  in  den  Targumim  versetzt  sie  in 


448  Organisation   des   Gottesdienstes 

die  Anfänge  des  israelitischen  Volkes  zurück.  Das  Christentum  konnte 
seine  Propaganda  überall  an  die  Synagogen  anknüpfen,  sie  waren  nicht 
nur  ,,fontes  persecutionum",  wie  Tertullian  sie  nennt,  sondern  auch, 
wie  Harnack  schreibt,  ,,die  wichtigsten  Voraussetzungen  für  die  Ent- 
stehung und  das  Wachstum  christlicher  Gemeinden  im  Reiche".  Die 
Errichtung  von  Synagogen  hat  in  nachchristlicher  Zeit  nicht  still- 
gestanden. Solange  das  Staats-  oder  Kh-chengesetz  es  nicht  verbot, 
sind  sie  überall,  wohin  Juden  kamen,  entstanden,  und  selbst,  wo  sie 
nicht  gestattet  waren,  wurden  contra  legem  im  geheimen  Stätten  für 
das  Gebet  begründet.  So  ist  es  bis  auf  den  heutigen  Tag  geblieben, 
die  Synagoge  ist  die  ständige  Begleiterscheinung  der  jüdischen  Ge- 
meinden auf  dem  ganzen  Erdenrunde. 

3.  In  Palästina  gehörten  die  Synagogen  zum  Stadtbilde,  sie  wurden 
mitten  in  der  Stadt  erbaut,  da  wo  es  am  geeignetsten  schien.  In  der 
Diaspora  scheint  das  nicht  der  Fall  gewesen  zu  sein,  Paulus  findet 
in  Philippi  die  Synagoge  außerhalb  der  Stadt  an  dem  Flusse  (l'i(rj 
rijg  Tvi/.iqg  rcaqa  Tcorauov  ov  tvoui-ouer  ^cgogeiyr^v  eivai  Akt.  1613). 
War  es  Zufall  oder  Absicht,  daß  die  Synagoge  hier  am  Wasser 
lag?  Josephus  berichtet  auch  von  einem  Volksbeschluß  der  Bürger 
von  Halikarnaß,  wahrscheinlich  aus  Cäsars  Zeit,  durch  welchen  den 
Juden  gestattet  wurde,  nach  der  Väter  Sitte  am  Meere  Synagogen 
zu  bauen  {^cgoaevyag  Ttoie7a&ai  Ttgog  zjj  d^ahäoor^  v.aza  rö  Ttarqiov 
a'O-og  Ant.  XW  1023).  Auch  die  auf  einem  Papyrus  aus  dem  ägyp- 
tischen Tebtynis  vom  Ende  des  zweiten  vorchristlichen  Jahrhunderts 
erwähnte  TtQogevyj]  tojv  'lovdaiiov  lag  am  Wasser.  Die  rabbi- 
nischen  Quellen  erwähnen  nur,  daß  der  Ort,  an  dem  sich  Gott  den 
Propheten  außerhalb  Palästinas  geoffenbart  hat,  stets  am  Wasser 
gelegen  war.  Von  einer  Vorsclu-ift,  Synagogen  am  Wasser  anzulegen, 
wissen  sie  nichts,  in  Palästina  waren  die  Bethäuser  auch  nicht  am 
Wasser,  und  dem  Bedürfnisse  des  Händewaschens  vor  den  Gebeten 
genügten  sicher  ein  Brunnen  oder  ein  Wasserbecken,  \Aq  es  noch  heute 
jede  Synagoge  und  jede  Moschee  enthält,  besser  als  die  Xähe  des 
Flusses  oder  des  Meeres.  Es  ist  sehr  unwalu'scheinüch.  daß  selbst  in  der 
Diaspora  die  Synagogen  überall  am  Wasser  lagen.  Was  die  Bet- 
häuser in  Rom  anlangt,  so  ist  es  kaum  von  einem  einzigen  wahrschein- 
lich, daß  ein  Fluß  in  der  Xähe  war.  Auch  von  der  großen  Basilika  in 
Alexandrien  's\'ird  es  nicht  bericlitet  und,  daß  die  zahbeichen  in  der 
Stadt  Alexanch'ien  zerstreuten  Synagogen  sämtlich  am  Wasser  gelegen 


I 


Lage  der  Bethäuser  449 

liabcn  Süllen,  ist  kaum  anzunehmen.  Es  dürfte  selbst  in  der  Diaspora 
keine  einheitliche  Norm  darüber  bestanden  haben.  In  den  jüdischen 
Quellen  ist  nicht  vor  dem  14.  Jahrhundert  die  Kede  davon,  erst 
Jakob  b.  Ascher  hebt  hervor,  daß  es  r  a  t  s  a  m  ist,  am  Wasser  zu  beten, 
und  im  letzten  Jahrhundert  rühmt  Chajim  Palaggi  in  Smyrna  (1788 
bis  18t)0)  als  besonderen  Vorzug  der  Synagogen  in  Konstantinopel, 
daß  sie  am  Wasser  liegen,  fügt  jedoch  zur  Entschuldigung  sofort  hinzu, 
daß  die  Empfehlung,  am  Wasser  zu  beten,  sich  nur  auf  die  Privat- 
andacht bezieht.  Nirgends  ist  auch,  soviel  wir  wissen,  ein  Gewissens- 
konflikt dadurch  entstanden,  daß  die  Synagogen  nicht  unmittelbar 
neben  einem  Wasser  lagen. 

Die  andere  Ortsangabe  für  die  Synagoge  in  Philippi,  daß  sie  sich 
vor  dem  Tore  befand,  dürfte  nicht  auf  Zufall  beruhen,  in  der  Regel 
werden  in  der  Diaspora  die  Synagogen  außerhalb  der  Stadt  gelegen 
haben.  Innerhalb  der  Städte,  wo  Götzentempel  waren,  vermied  man  es 
zu  beten;  nur  da,  wo  eigene  Judenviertel  bestanden,  wie  in  Alexandrien, 
blieb  man  in  denselben.  Völlig  gleichmäßig  wird  das  Yerfalu-en  jedoch 
kaum  gewesen  sein,  Ausnahmen  kamen  immer  vor;  in  Korinth  z.  B. 
kann  die  Synagoge  schwerlich  außerhalb  der  Stadt  gestanden  haben, 
wenn  das  Haus  des  Titius  Justus,  in  dem  Paulus  abstieg,  sich  un- 
mittelbar neben  ilu:  befand  (Akt.  187).  In  Rom,  wahrscheinlich  auch 
in  anderen  Städten,  war  es  durch  Gesetz  verboten,  fremde  Kultstätten 
innerhalb  des  Pomeriums  anzulegen.  —  Auch  in  Babylonien  lag 
höchstwalu'scheinlich  eine  ähnliche  Schwierigkeit  vor.  Es  ist  anzu- 
nehmen, daß  die  persischen  Feueranbeter  die  jüdischen  Gotteshäuser 
nicht  innerhalb  der  Stadt  diüden  wollten  (xmrrD  ^n  ^nrc  sp  b. 
Joma  10  a),  und  daß  sie  infolgedessen  weit  weg  erbaut  werden  mußten. 
Im  Talmud  gilt  eine  der  Stadt  nahe  Synagoge  (srDi^c  Ä?nr:D  ^n 
b.  Kidd.  73  b)  als  Ausnahme,  die  Entfernung  war  das  Gewöhnliche, 
So  spricht  auch  der  Midrasch  davon,  daß  man  zur  Synagoge  weit 
hinauszieht,  sich  den  Weg  einteilt  und  stückweise  zurücklegt  (S'J::":  ü2 
:2n"nb  Tauch.  I,  S.  61b).  Bei  Regenwetter  und  brennendem  Sonnen- 
schein flüchtet  man  sich  bisweilen  in  die  Synagogen  (obwohl  das  als 
verboten  gilt),  weil  kein  anderer  Schutz  in  der  Nähe  zu  finden  ist 
(b.  Meg.  28b).  Sehr  häufig  werden  Maßregeln  genannt,  die  in  der 
Befürchtung,  die  Andächtigen  allein  oder  in  geringer  Anzahl  in  den 
Bethäusern  zurückzulassen,  iliren  Ursprung  haben.  Im  Mittelalter 
begegnet  uns  von  Rasclii  an  bei  allen  Lehrern  der  deutsch-französischen 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  ^9 


450  Organisation  des  Gottesdienstes 

Schule  die  Anschauung,  daß  die  Synagogen  in  Babylonien  außerhalb 
der  Städte  auf  den  Feldern  lagen ;  sie  muß  auf  direkte  Tradition  zurück- 
gehen, denn  aus  eigener  Erfahrung  kannte  man  Feldsynagogen  nicht, 
und  die  Annahme  tritt  mit  zu  großer  Bestimmtheit  auf,  als  daß  sie  aus 
bloßer  Kombination  hervorgegangen  sein  könnte.  Sicherlich  aber  hat 
es  auch  in  Babylonien  an  Ausnahmen  nicht  gefehlt,  es  muß  auch 
Synagogen  innerhalb  der  Städte  gegeben  haben. 

4.  Die  Synagogen  der  Diaspora  standen  unter  staatlichem  Schutze. 
In  Ägypten  waren  sie  dem  Könige  gewidmet  und  als  unverletzlich  er- 
klärt; Inschriften  dieses  Inhalts  aus  älterer  Zeit  werden,  wenn  sie 
schadhaft  geworden  sind,  durch  die  Behörden  später  erneuert.  In  der 
Synagoge  zu  Schefitib  bei  Nehardea  soll  sogar  das  Bildnis  (5?'J"n:s) 
des  Königs  aufgestellt  gewesen  sein,  wahrscheinlich  handelt  es  sich 
dabei  ebenfalls  um  eine  Widmung,  und  nur  darum  galt  das  Gotteshaus 
nicht  als  entweiht.  Auch  die  Synagoge  von  Kasiun  im  nördlichen 
Galiläa  ist  nach  einer  dort  gefundenen  Inschrift  „zum  Wohle  des 
Kaisers  Septimius  Severus  und  seiner  Söhne  Caracalla  und  Geta"  er- 
richtet (um  197).  Eine  andere  Art  der  Ehrung  war  auch  die  Benennung 
des  Gotteshauses  nach  dem  Kaiser  {acvaycoyrj  "AvyovGTTqaiMv,  xmCSD 
0"i"iiiD5<1).  Die  chinesischen  Juden  von  Kai-Fung-Fu  hatten  in  der 
Mitte  des  Betraums  einen  Tisch,  auf  dem  in  goldenen  Lettern  der 
Name  des  Kaisers  nebst  einem  Gebet  für  *sein  langes  Leben  ein- 
gezeichnet war. 

Da  den  Juden  freie  Ausübung  ihres  Kultus  gewährt  war,  standen 
die  Synagogen  unter  dem  Schutze  des  Gesetzes.  Wer  sie  zerstörte  oder 
gewaltsam  entweihte,  verfiel  strenger  Strafe,  meist  erfolgte  auch  die 
Verurteilung  zum  Schadenersatz.  Vom  patristischen  Zeitalter  an 
fehlte  es  nicht  an  christlichen  Geistlichen,  die  ein  frommes  Werk  darin 
erblickten,  Synagogen  zu  zerstören  oder  in  Kirchen  umzuwandeln. 
Die  letzten  weströmischen  Kaiser  mußten  wiederholt  wegen  solcher 
Ausschreitungen  Strafen  verhängen.  Auch  Papst  Gregor  der  Große 
erklärte  die  gesetzwidrige  Vernichtung  oder  Besitzergreifung  einer 
Synagoge  für  strafwürdig ;  wenn  er  auch  der  Meinung  war,  einen  einmal 
als  Kh-che  geweihten  Raum  nicht  wieder  herausgeben  zu  dürfen,  so 
trat  er  doch  dafür  ein,  daß  die  Juden  eine  volle  Entschädigung  erhielten. 
Die  erste  gewaltsame  Umwandlung  einer  Synagoge  in  eine  Kirche 
erfolgte  in  Byzanz,  im  byzantinischen  Reiche  wurde  diese  Ungerechtig- 
keit zum  staatlichen  Grundsatz  erhoben,   bei  der  Erorberung  des 


Zaiil  der  Bt'Uulu.s.T  451 

A'aii(l;il('iinMcIi('s  n.T)  ii,al)  Kaiser  Jiislinian  don  HctVIil,  aus  den  zalil- 
n>'uli('ii  Syiiai!;()i^(Mi  KiicIuMi  zu  iiiachon.  Das  l^cispicl  laiid  im  .Miltcl- 
allcr.  besonders  in  romanischen  Ländern,  Xachahmunf^;  in  Spanien 
steluMi  noch  heute  zaldreiche  Kirchen,  die  einst  Synaj^of^en  waren, 
darunter  die  beiden  nionumentak'n  Bauten  von  El  Transito  und 
S.  Maria  la  Bianca  in  Toledo,  die  wegen  ihres  hohen  architektonischen 
Wertes  neuerdings  anf  Staatskosten  restauriert  und  zum  National- 
eigentuni  erklärt  wurden.  Tn  Deutschland  verfuhr  man  meist  so,  daß 
bei  \'erniclitun«;"  der  jüdischen  (lemeinden  die  Synaj^ogen  zerstört  und 
auf  ihrem  Platz  eine  Kirche  j^ehaiit  wurde.  Das  letzte  Beispiel  einer 
derartigen  Verwendung  von  Synagogen  auf  deutschem  Boden  fand 
in  Wien  statt,  wo  Leopold  L  am  18.  August  107Ü  die  Synagoge  „als 
eine  ^lördergrube,  zum  Hause  Gottes  hat  aufrichten  lassen",  wie  eine 
Inschrift  geschmackvoll  berichtet.  Nicht  selten  geschah  es,  daß  in 
Zeiten  der  Gefahr  die  Gemeinden  sich  in  ihrem  Gotteshause  ver- 
sammelten, Feuer  daran  legten  und  mit  ihm  zusammen  in  den  Flammen 
den  Tod  fanden. 

5.  Die  Zahl  der  Synagogen  war  in  manchen  Städten  beträchtlich; 
da  es  meistens  kleine  Gebäude  waren,  erwies  sich  bei  einer  größeren 
jüdischen  Bevölkerung  eine  stattliche  Anzahl  als  notwendig.  Auch 
andere  Gründe  führten  dahin,  man  hatte  z.  B.  besondere  Synagogen 
für  den  Sommer  und  für  den  Winter  (b.  B.  B.  3a).  xVus  Jerusalem  wird 
übertreibend  berichtet,  daß  zur  Zeit  der  Zerstörung  des  Tempels  394 
oder  gar  480  Synagogen  dort  waren,  eine  ähnliche  unwahrscheinliche 
Ziffer  wird  von  Better  angegeben,  aber  immerhin  werden  auch  in  zu- 
verlässigen Berichten  hohe  Zahlen  überliefert.  So  whd  von  13  Syna- 
gogen erzäldt,  die  um  300  in  Tiberias  vorhanden  waren,  Philo  erwähnt 
das  Vorhandensein  einer  großen  Anzahl  Proseuchen  in  Alexandrien, 
und  in  Rom  sind  uns  jetzt  durch  die  Gräberinschriften  bereits  11  Ge- 
meinden aus  der  Kaiserzeit  bekannt.  Unter  heidnischer  Herrschaft 
war  die  Freiheit,  Gemeinden  und  Synagogen  zu  gründen,  unbeschränkt. 
Die  christlichen  Kaiser  von  Theodosius  IT.  (408  bis  450)  an  haben  nicht 
mehr  gestattet,  neue  Synagogen  zu  erbauen,  und  nur  noch  die  Freiheit 
gelassen,  die  alten  auszubessern.  Die  kirchliche  Gesetzgebung  be- 
stimmte dann,  daß  die  Juden  einer  Stadt  nie  mehr  als  eine  Synagoge 
besitzen  durften.  Sie  traf  sich  darin  mit  der  mohammedanischen, 
denn  auch  nach  Omars  Bestimmungen  war  es  verboten,  mehr  als  eine 
Synagoge  in  einer  Stadt  zu  erbauen,  in  Wirkliclikeit  aber  wurden  sehr 

29* 


452  Organisation  des  Gottesdienstes 

\iele  Ausnahmen  geduldet.  Die  staatliche  Gesetzgebung  hat  überall, 
wo  Judenordnungen  unter  dem  Einflüsse  kirchlichen  Geistes  entstanden^ 
an  der  BesclKänkung  festgehalten,  erst  als  mit  der  Neuzeit  die  Ge- 
wissensfreiheit zum  Grundsatz  erhoben  wurde,  konnte  die  alte  Praxis 
wieder  hergestellt  werden. 

6.  Die  Synagogen  galten  als  Heiligtümer  im  Kleinen  {ZiVa  TU'ip'a), 
sie  hatten  heiligen  Charakter,  d.  h.  man  durfte  sie  für  andere  Zwecke 
als  die  des  Gottesdienstes  oder  der  Belehrung  nicht  verwenden.  Man 
durfte  sie  nicht  einmal  betreten,  wenn  man  nicht  beten  wollte,  sie 
nicht  als  Durchgang  benutzen  u.  dgl.  Diese  Bestimmungen  wurden, 
jedoch  nicht  mit  voller  Strenge  durchgeführt,  oder  die  Synagoge 
muß,  abgesehen  von  dem  Kaume,  der  zum  Gebet  diente,  Nebenräume 
enthalten  haben,  deren  anderweitige  Verwendung  gestattet  war. 
Denn  die  Synagogen  waren  nach  allem,  was  wir  wissen,  Gemeinde- 
häuser im  weitesten  Sinne  des  Wortes.  Außer  den  Gebetsversamm- 
lungen wurden  in  ihnen  z.  B.  Leichenfeiern  für  hervorragende  Männer 
und  Frauen  gehalten.  Der  Talmud  nennt  eine  i?m"i)a"l  Sirffi'D  d.  h. 
Kevolutionssynagoge  in  Cäsarea;  übereinstimmend  damit  berichtet 
Josephus,  daß  während  des  jüdischen  Krieges  dort  politische  Zu- 
sammenkünfte stattgefunden  haben.  In  Pantikapäum,  dem  heutigen 
Kertsch  auf  der  Krim,  findet  die  Freilassung  eines  Sklaven  im  Jahre  81 
in  der  Synagoge  (in:l  Ttß  Ttqoaevyrig)  statt.  Ferner  wu'd  im  Tal- 
mud häufig  berichtet,  daß  Rechtsakte  und  richterliche  Funktionen  im 
Synagogengebäude  vollzogen  werden,  wahrscheinlich  nicht  im  Bet- 
raume,  sondern  in  dafür  bestimmten  besonderen  Zimmern  (vgl.  S.  468  f.), 
aber  als  Mittelpunkt  des  sozialen  Lebens  eignete  sich  die  Synagoge 
sehr  gut  für  Ankündigungen  aller  Art.  Josua  b.  Le^d  (3.  Jahrh.)  bean- 
spruchte für  die  Gelehrten  das  Recht  der  Benutzung  des  Synagogen- 
gebäudes und  danach  wurde  in  Palästina  vielfach  gehandelt  (j.  Meg.  III, 
4  f.  74  a).  Auch  Wohnräume  für  den  Küster  waren  liäufig  mit  der 
Synagoge  verbunden.  In  Babylonien  dienten  die  Nebenräume  als 
Herberge  für  durchreisende  Fremde.  Die  wichtigste  Verwendung 
fanden  die  Synagogengebäude  für  Schulzwecke,  von  der  ältesten  Zeit 
an  war  es  üblich,  an  die  Synagoge  Räume  für  den  Unterricht  anzu- 
schließen. Schule  und  Synagoge  wurden  auf  diese  Weise  untrennbare 
Begriffe. 

Im  Mittelalter  wurde  die  Synagoge  für  den  Juden  nicht  bloß  der 
Ort  des  Gebetes,  sondern  geradezu  die  Stätte  des  gesamten  Gemeinde- 


Verwendung  der  Bolhäuser  453 

Ichoiis.  Die  SyiiagutiL'ii  mul  ihre  Neboiiiüiiiiie  dieiitou  dalier  iiiclil  nur 
dvy  (lemeindeverwaltung,  sie  wurden  wie  in  alter  Zeit  auch  für  Mit- 
teilungen und  Aul'ii;el)üte  aller  Art  verwendet,  die  Heffierungsbeliörden 
forderten  vielfach,  daü  Ankündigungen  an  dieser  Stätte  erfolgten,  welche 
die  (iewähr  für  die  weiteste  Offentliehkeit  bot.  Auch  die  Eide  mußten 
von  den  Juden  in  der  Synagoge  geleistet  werden.  Eine  eigenartige 
rechtliche  Funktion  wurde  den  Synagogen  zugewiesen;  wer  glaubte, 
ein  Unrecht  erfahren  zu  haben,  ohne  daß  ihm  von  selten  der  Behörden 
eine  hinreichende  Sühne  zuteil  geworden  war,  hatte  die  Befugnis,  den 
Gottesdienst  in  der  Synagoge  zu  nnterbrechen  und  dessen  Fortsetzung 
solange  zu  verhindern,  bis  ihm  Gerechtigkeit  wiederfahren  wäre; 
selbstredend  wurde  dieses  Mittel  häufig  mißbräuchlich  angewendet  und 
es  mußten  strenge  Maßregeln  dagegen  getroffen  werden.  Die  Schule 
fand  im  ^littclalter  wie  in  alter  Zeit  sein-  häufig  im  Gebäude  der  Syn- 
agoge Unterkunft.  Im  großen  undganzen  ist  es  bis  in  die  Gegenwart 
so  geblieben,  daß  neben  den  Beträumen  in  zahlreichen  Fällen  auch  die 
Schule  und  die  Verwaltung  der  Gemeinde  im  Gebäude  der  Synagoge 
untergebracht  wird. 

§  49.  Bauart  der  Bethäuser. 

Literatur:  Low,  llofl'iiiaiiu,  Bacher  das.;  Krauß.  Die  galiläischen 
Syaagogeuruiueu. 

1.  Es  war  nicht  erforderlich,  für  die  Zwecke  des  Gottesdienstes 
ganze  Häuser  bereit  zu  stellen,  es  genügte  ein  Raum,  in  dem  die  Ge- 
meinde ungestört  ihre  Andacht  zu  verrichten  in  der  Lage  war;  nament- 
lich in  der  Diaspora  wh'd  in  den  meisten  Fällen  zuerst  ein  Privat- 
h  a  u  s  für  die  gottesdienstlichen  Versammlungen  verwendet  worden 
sein,  ehe  es  zur  Gründung  und  zum  Bau  einer  Synagoge  kam.  In 
der  Gestaltung  des  Baues  war  die  Gemeinde  vollständig  frei.  Die 
Misclma  enthält  keine  einzige  Bestimmung  über  die  Erforder- 
nisse der  gottesdienstlichen  Gebäude,  die  Tosefta  nicht  mehr  als  zwei, 
die  eine  bezieht  sich  auf  den  Platz,  die  andere  auf  die  Orientierung 
des  Gebäudes.  Für  die  Anlage  gilt  die  Vorsclu-ift,  daß  die  Synagoge 
am  höchsten  Punkte  des  Ortes  ("iiy  btü  n^ir^n)  erbaut  werden  soll. 
Die  Orientierung  soll  derart  sein,  daß  der  Eingang  an  der  Ostseite 
liegt,  die  Gemeinde  sich  nach  Vv'esten  zu  wendet  (Tos.  Meg.  IV  22, 
23  S.  22715  ff.). 

Die   Bibel  berichtet  von   Daniel,   daß   im  Obergemache  seines 


454  Organisation  des  Gottesdienstes 

Hauses,  in  dem  er  betete,  die  Fenster  nach  Jerusalem  hin  gerichtet 
waren  (6 11).  Daran  anknüpfend  schreibt  eine  Baraita  für  die  P  r  i  v  a  t  - 
a  n  d  a  c  h  t  vor,  sich  in  der  Diaspora  nach  dem  heiligen  Lande,  in 
Palästina  nach  Jerusalem,  innerhalb  der  Stadt  nach  dem  Tempel, 
auf  dem  Tempelberge  nach  der  Richtung  des  AUerheiligsten  hin  zu- 
wenden, derart,  daß  das  ganze  jüdische  Volk  sich  beim  Gebete  nach 
ein  und  demselben  Punkte  richtet  (b.  Ber.  30a).  Auch  die  Mischna 
setzt  diese  Bestimmung  voraus  (Ber.  IV  4),  wohlgemerkt  aber  nur 
für  die  Andacht  des  einzelnen;  wie  sie  sich  die  Einrichtung  der  Bet- 
häuser denkt,  sagt  sie  nirgends. 

2.  Bei  dem  Mangel  an  Quellenmaterial  über  die  Beschaffenheit 
der  Bethäuser  und  ihre  Bauart  ist  es  von  hoher  Wichtigkeit,  die  vor- 
handenen Reste  von  Synagogengebäuden  aus  alter  Zeit  zu  betrachten. 
Da  kommen  vor  allem  die  elf  Synagogenruinen  in  Galiläa  in  Be- 
tracht, deren  inmier  mehr  dem  Verfalle  ausgesetzte  Trümmer  vor 
nahezu  einem  Jalu'zehnt  durch  eine  Expedition  der  Deutschen  Orient- 
gesellschaft einer  eingehenden  Untersuchung  unterzogen  wurden. 
Über  das  Resultat  liegt  vorerst  nur  eine  vorläufige  Mitteilung  vor, 
die  jedoch  für  unsere  Zwecke  genügt.  Die  Synagogen  liegen  in  un- 
mittelbarer ISähe  des  Tiberias  Sees  um  die  Städte  Meron,  Tiberias  und 
Kapernaum  herum.  Das  hauptsächlichste  Ergebnis  der  Forschung 
ist  die  Festlegung  ilu'es  Bauplans  und  die  Feststellung,  daß  der  Grund- 
riß sämtlicher  Ruinen  gleich  ist:  ein  breites  Mittelschiff  mit  einem 
Säulenumgang  auf  di'ei  Seiten,  der  eine  Empore  trug. 

Von  der  größten  Synagoge,  der  von  Teil  Hum,  dem  alten  Kaper- 
naum, heißt  es  in  dem  Bericht:  „Von  den  Umfassungsmauern  des 
18  zu  24  m  großen  Baues  ist  wenig  erhalten,  aber  doch  genügend,  um 
die  Gliederung  aller  Außenwände  dm'ch  Pilaster,  die  Durchbrechung 
der  Südmauer  durch  ein  Hauptportal  und  zwei  Xebenportale  und  der 
Ostmauer  durch  eine  Seitentür  zu  erweisen.  Die  Seitentür  führte  auf 
einen  mit  gi'oßen  Platten  ausgelegten  Hof,  dessen  Abscliluß  nach  Osten 
und  Korden  hin  nicht  mehr  festgestellt  werden  konnte.  Xach  Süden 
hin  ist  ihm  und  der  Synagogenfront  eine  3,30  m  breite  und  fast  2  m 
hohe  Terrasse  vorgelagert,  zu  der  von  Westen  eine  Treppe  mit  4, 
von  Osten  her  eine  Treppe  mit  14  Stufen  emporfülute.  Die  sclmiale 
Brüstung  der  unüberdeckten  Terrasse  ist  nur  aus  den  Standspuren  zu 
ersclüießen.  Das  Terrain  fiel  von  Westen  nach  Osten  ab,  der  östliche 
Teil  der  Terrasse  und  der  Osthof  erhoben  sich  auf  wolügefügtem 


Die  [galilaischen  Synagogenruiiicn  455 

Qiijult'rhaii  his  zu  H  m  über  Auücuuiveaii.  Vor  boidcn  Treppen  bej^innt 
eine  IMhisferiini!;  mit  Hasaltsleineii,  die  von  der  ()sttre|)pe  aus  offenbar 
zu  dcni  See  hiiiabliilirle,  der  heule  ea.  80  in  weit  \(m  der  Synagoge 
lieiil. 

Ini  Innern  wurde  ein  an  drei  Seilen  uinlaufender  Säulenunigang 
auf  erhölitem  Stylobat  festgestellt.  Die  Säulenstühlc  mit  den  ange- 
arbeiteten Basen  stehen  zum  großen  Teil  noch  in  situ.  Ursprünglich 
standen  auf  der  Ost-  uiul  Westseite  je  (">,  auf  der  Nordseite  2  quadra- 
tische Stühle  für  Vollsäulen,  an  den  Ecken,  die  die  A'ordkolonnade 
mit  der  Ost-  und  Westkolonnade  bildete,  besondere  Eckstühle  für 
Pfeiler  mit  angearbeiteten  Hall)säulen.  Der  Fußboden  des  3\/.,  m 
breiten  Umgangs  liegt  in  gleicher  Höhe  mit  dem  des  8  m  breiten 
Mittelschiffs.  Beide  waren  mit  großen  Kalksteinplatten  belegt.  An 
den  Längswänden  zogen  sich  zwei  Bankreiiien  hin,  deren  obere  an  den 
Querwänden  und  zu  beiden  Seiten  der  Osttür  mit  einem  Polster  en- 
digte. In  der  Südwestecke  ist  das  Polster  erhalten  und  zeigt  an  der 
Vorderseite  einen  Kopf. 

Für  den  Aufbau  des  Innern  wurden  monolithe  Säulenschäfte  aus 
Kalkstein  von  3,74  m  Länge,  korinthische  Kapitelle  und  Epistylien 
mit  angearbeitetem  Fries  von  fast  3  m  Länge  gefunden,  die  einer 
unteren  Säulenstellung  angehörten.  Schäfte  von  etwas  kleinerem 
Durchmesser,  dazu  gehörige  Kapitelle  ausWulst  und  Kehle  und  passende 
Epistylien  stammen  von  einer  oberen  Säulenstellung.  Balkenlöcher 
auf  der  Rückseite  der  Epistyhen  zeigen,  daß  der  Umgang  zweige- 
schossig war.  Das  Mittelschiff  war  also  von  3  Seiten 
von  ei  n  e  r  Empore  u  m  zöge  n. 

Von  den  Wänden  der  Emporen  stammen  walu-scheinlich  die 
Stücke  einer  vortrefflich  gearbeiteten  Wandarchitektnr,  die  sich  aus 
Halbsäulen  mit  attischer  Basis  und  korinthischem  Kapitel,  einem 
reich  ornamentierten  Fries,  der  über  den  Halbsäulen  in  Kröpfen  vor- 
sprang, und  emem  Geison  mit  Sima  zusammensetzte.  Die  zahlreich 
und  zum  Teil  sehr  gut  erhaltenen  Friesstücke  zeigen  in  Kreisfeldern, 
die  von  Akanthuswerk  umrahmt  sind,  den  verschiedenartigsten 
Schmuck:  Blätter,  mannigfache  Blüten,  Rosetten,  Steine,  Penta- 
gramme und  Hexagramme,  zwei  Traubensorten  und  Granatäpfel.  Die 
in  der  2sähe  der  Xordwand  gefundenen  Friesstücke  enthalten  Tier- 
vorderteile von  Löwen  oder  Lämmern,  die  aus  Akanthusblättern 
hervorspringen,  aber  leider  alle  absichtlich  abgesclilagen  sind.  Auf  der 


456  Organisation  des  Gottesdienstes 

mit  Akanthus  und  Palmetten  verzierten  Sima  ist  eine  figürliche  Dar- 
stellung erhalten  geblieben :  2  x\dler,  die  eine  Girlande  in  den  Schnäbeln 
halten,  und  ein  Seepferd. 

Zahheiche  Steine  einer  kleineren  Architektur  scheinen  von  einer 
ädikulaartigen  Dekoration  der  inneren  Südwand  zu  stammen.  Es 
gehören  dazu  Teile  eines  Giebels,  2  bis  3  Konchen,  die  innerhalb  des 
Giebels  angeordnet  waren,  und  über  die  ein  Tierfries  im  Bogen  hinweg- 
ging, sowie  gedrehte  Säulchen  mit  korinthischen  Kapitellen.  Vielleicht 
rühren  von  dort  auch  Reste  einer  farbigen  Stuckdekoration  her,  die 
unmittelbar  vor  der  Front  gefunden  wurden. 

Die  figürlichen  Darstellungen  der  drei  Türstürze  sind  nur  nach 
den  Umi-issen  zu  vermuten ;  ein  Adler  und  Ghlanden  tragende  Eroten 
über  dem  Mttelportal,  \'ier-  und  zweibeinige  Tiere  zwischen  Palm- 
bäumen über  den  Seitenportalen.  In  der  ]yiitte  des  westlichen  Sturzes 
war  eine  Vase,  in  der  Mitte  des  östhchen  ein  wohl  von  einem  Adler  ge- 
haltener Kranz.  Zu  dem  Hauptportal  gehören  zwei  Türkonsolen,  die 
an  der  Frontseite  mit  einem  Palmbaum  dekoriert  sind.  Zu  dem  weiteren 
Aufbau  gehört  ein  Fenster,  das  nach  innen  und  außen  von  einem 
Giebel  mit  Konche  üljerdeckt  war  und  durch  Gitterstäbe  geschlossen 
wm'de.  Den  oberen  x\bschluß  der  Front  bildete  offenbar  ein  großer 
Giebel,  dessen  horizontales,  reich  geschmücktes  Gebälk  nach  Art  der 
syrisch-römischen  Architektur  dm-cli  einen  Bogen  unterbrochen  wurde. 
Die  aus  Akanthusblättern  springenden  Tiere  des  dazu  gehörigen 
Frieses  sind  sämtlich  abgeschlagen." 

Sein-  bedeutsam  wegen  ihrer  guten  Erhaltung  und  als  Zeichen 
für  die  Bauart  in  der  Diaspora  ist  die  Synagogenruine  in  H  a  m  m  a  m  - 
L  i  f ,  dem  alten  X  a  r  o  ,  in  Xordafrika  in  der  ]Xähe  von  Karthago 
am  Fuße  des  Djebel-bu-Kuruein.  Aus  den  Ruinen  läßt  sich  noch  heute 
der  Grundriß  und  die  Anordnung  des  umfangreichen  Gebäudes  erkennen. 
Ein  französischer  Gelehrter  bescln-eibt  es  wie  folgt:  „Der  Bau  büdete 
ein  fast  regelmäßiges  Viereck  von  ungefälu*  20  m  Seitenlänge.  Offen- 
bar waren  ein  Xebeneingang  in  der  Mtte  der  Südostseite  am  äußersten 
Ende  eines  langen  Ganges  und  eine  Ausgaugstür  an  der  TSordwestseite 
vorhanden,  aber  die  Hauptfassade,  vor  der  sich  ein  Hof  befand,  stand 
im  Südwesten.  Die  Fassade  wm-de  von  zwei  Saiden  geschmückt,  auf 
denen,  wie  sich  erkennen  läßt,  ein  Giebel  ruhte.  Die  monumentale  Tür 
führte  zu  einer  Säulenhalle,  die  rechts  ein  massives  Mauerwerk  entliielt, 
links  zwei  kleine  Zimmer.   Durch  die  Säulenhalle  o:elano:te  man  in  ein 


l>i<'  Synagoge  im  alten  Naro  457 

gloit'li  hreitos.  aber  \v('ni<r('r  tiofcs  recht  eck  ifjt's  Vostihül.  Links  von 
der  Vürluille  führte  eine  kleine  Tür  in  ein  Ziininer,  gej^enüber  vom 
Hanpteingang  verband  eine  große  Tür  den  Vorraum  mit  dem  Betraum 
(sanctuaire).  Auf  dn-  Schwelle  befand  sich  eine  Inschrift  mit  dem 
Xninen  der  Stifter  des  Mosaiks.  Der  eigentliche  Betraum  war  ein 
längliches  Rechteck  von  10  zu  Gm  Seitenlänge.  Er  zeigte  im  Westen 
eine  runde  Nische,  die  an  den  Mhrab  der  Moscheen  erinnert.  Der 
Fuüboden  war  ganz  mit  Mosaik  bedeckt,  dessen  Breitseite  in  drei 
Felder  von  verschiedener  Ausdehnung  geteilt  war.  Nahe  am  Eingang 
und  im  Hintergrunde  waren  Vögel,  Vierfüßler.  Blumen,  Früchte,  von 
Laubwerk  umgeben,  dargestellt.  Das  Mittelstück  des  ^losaiks  über- 
traf an  Größe  die  beiden  anderen  zusammen,  es  war  wiederum  in  drei 
Teile  geteilt,  die  in  entgegengesetzter  Art,  d.  h.  der  Länge  nach  ange- 
ordnet waren.  Oben  sah  mau  eine  Landschaft  am  Wasser,  Fische  und 
Wasservögel,  unten  eine  reine  Landschaft.  Palmen  beschatteten  eine 
Schale,  und  an  den  Henkeln  standen  zwei  Pfauen  einander  zugekehrt. 
In  dem  mittleren  Teile  befand  sich  innerhalb  einer  Umrahmung  von 
Schwalbenschwänzen  zwischen  zwei  siebenarmigen  Leuchtern  und 
anderen  Kultusgegenständen  eine  Widmungsinschrift,  die  den  An- 
dächtigen Kunde  davon  gab,  daß  der  Mosaikboden  des  Heiligtums 
auf  Kosten  einer  Dame  mit  Namen  Juiiana  hergestellt  worden  war. 

Im  Nordwesten  des  Betraumes,  aber  ohne  Verbindnug  mit  ihm, 
hinter  der  Nische  breitete  sich  ein  großes  rechteckiges  Zimmer  aus,  das 
nach  außen  gerichtet  war.  In  der  Südostecke  des  Betraumes  öffnete 
sich  ein  langer  Gang,  der  in  mehrere  Säle  führte,  zwei  links,  drei  rechts. 
In  der  Ostwand,  gegenüber  der  Nische,  waren  drei  Türen  durchge- 
brochen, die  nach  ebensoviel  Zimmern  führten.  Das  erste  Zhnmer 
diente  als  Aufbewahrungsort  für  die  Kultusgegenstände  und  die 
heiligen  Bücher;  das  zeigte  eine  Inschrift  an,  die  in  den  Mosaikboden 
eingelassen  war. 

Die  Synagoge  enthielt  also,  abgesehen  von  den  Anbauten,  etwa 
15  Zimmer,  die  um  das  Hauptportal,  einen  Quergang  uiul  den  Bet- 
raum gruppiert  waren.  Die  Bestimmung  der  meisten  Räume  ist  un- 
bekannt. Viele  waren  mit  Mosaiken  geschmückt.  Außer  den  erwähnten 
Bildern  haben  sich  Reste  mit  folgenden  Darstellungen  gefunden: 
siebenarmige  Leuchter,  verschiedene  Tiere,  Löwen,  Hyänen,  Hähne, 
Rebhühner,  Perlhühner,  Enten,  Fische,  Bäume  und  Fruchtkörbe, 
außerdem  die  Büste  eines  jungen  Mannes  mit  langen  Haaren,  der  auf 


^gg  Organisation  des  Gottesdienstes 

der  Schulter  einen  gebogenen  Stock  hält,  die  Büste  einer  Frau  mit 
einem  Helm,  die  einen  Speer  trägt  usw.  Durch  die  Motive  imd  den 
Charakter  der  Dekorationen  erinnert  die  Synagoge  von  Naro  an  die 
afrilianischen  VUlen  aus  der  Kaiserzeit,  sie  scheint  aus  dem  dritten 
oder  vierten  JaMiundert  unserer  Zeitrechnung  zu  stammen." 

3.  Nehmen  wir  hinzu,  was  uns  aus  literarischen  Quellen  oder 
Inschriften  über  Synagogen  des  Altertums  bekannt  ist.  Da  haben 
wir  zunächst  der  Schilderung  zu  gedenken,  die  der  Talmud  von  der 
großen  Proseuche  in  Alexandrien  {(.leyioxri  /.cd  ^reoioifjuarorri  Philo) 
entwkft:  „Wer  nicht  die  Doppelstoa  von  Alexandrien  gesehen  hat, 
hat  nie  die  Herrliclikeit  Israels  geschaut.  Wie  eine  große  Basilika  war 
sie  gebaut,  eine  Säulenreihe  innerhalb  einer  anderen,  mitimter  waren 
doppelt  so  viel  Menschen  darin,  wie  die  Schar  der  aus  Ägypten  ge- 
zogenen. Den  71  Ältesten  im  Sanhedrin  entsprechend  befanden  sich 
in  ihr  71  Katheder  von  Gold  mit  Edelsteinen  und  Perlen  ausgelegt, 
jedes  einzelne  stellte  einen  Wert  von  25  Miriaden  dar,  eine  Tribüne 
von  Holz  war  in  der  Mitte  usw."  (Tos.  Sukk.  IV  6,  S.  198  20  ff.). 

Philo  führt  Klage  darüber,  daß  bei  der  Zerstörung  der  Proseuchen 
in  Ägypten  zur  Zeit  des  Flaccus  auch  die  zu  Ehren  der  Kaiser  auf- 
gestellten Schilde,  goldenen  Kränze  und  Stelen  mit  Insclu'iften  mit- 
vernichtet worden  sind,  und  daß  man  es  den  Juden  unmöglich  mache, 
ihre  Dankbarkeit  gegen  Wohltäter  zu  bezeigen,  wenn  sie  nicht  die 
heiligen  7iEoißoloi  besitzen,  in  denen  die  Dankzeichen  aufgestellt  werden 
könnten.  Mit  derselben  Bezeichnung  jiEQißoloi  werden  auch  die  Vor- 
höfe der  Synagoge  in  Phokäa  an  der  ionischen  Küste  erwähnt,  wo  die 
Stifterin  der  Synagoge  und  des  TteQißolog  mit  einem  goldenen  Ki-anze 
und  der  Ttooedgia  geehrt  wird.  Der  palästinische  Talmud  erwähnt  eine 
miiS,  das  ist  ebenfalls  ein  größerer  Hofraum  dicht  am  Synagogen- 
gebäude. In  Mantiaea  endlich  Avurde  ein  TtQovaog  für  die  Synagoge 
gestiftet. 

4.  Aus  den  herangezogenen  Beschreibungen  der  alten  Ruinen 
können  wn  mancherlei  für  die  spätere  Entwicklung  der  Synagogen- 
gebäude lernen.  Bei  den  meisten  der  erwähnten  Bauten  muß  es  auf 
fallen,  wie  hoch  sie  angelegt  sind.  Das  erinnert  an  die  behandelte 
Vorschrift  der  Tosefta  (ob.  S.  453).  Nicht  überall  hatte  man  die  Mög- 
lichkeit auf  einer  Terrasse  zu  bauen,  in  einem  solchen  Falle  forderte 
dann  Rab,  der  darin  sehr  streng  dachte,  in  Babylonien  zumindest, 
daß  die  Dächer  der  Privathäuser  die  Svnaoogen  nicht  überragen  dürften, 


Hohe  der  Bcthauser  459 

iMul   H.  Asclii  häufe  tatsäclilicli   für  den  Sifz  der   llocIiscIiiiK',  Mala 
j\lac-list'ja,  eint'  Syiiaj;()<;(',  die  sich  ühcr  aHc  (Ichiuidc  (h-r  Stadt  erhöh 
(h.  Sehal)l).  IIa).   Das  war  später  nicht  mehr  (hiich/.id'nhreii,  schon  (h-r 
Miihasdi  berichtet,  daü  einst  in  a  l  t  e  r  Z  o  i  t  die  Syna^'o<,aMi  liohe 
(iehäude  waren.    Wo  die  Kirche  S^'gen  jede  tjberliebun^  der  Juden 
eiferte,  gestattete  sie  keine  inoiiunientalen  Synagogen,  insbesondere 
fülirte  sie  darüber  Klage,  wenn  die  jüdischen  Gotteshäuser  sich  vor 
benachbarten    Kirclien   anszeiclmeten,   was  selbst  im   hohen   ]\Iittel- 
alter  noch  hier  und  da  vorkam.    Die  staatliche  Ciesetzgebung  ließ  sich 
durch  die  kirchlichen  Anschauungen  beeinflussen  und  stellte  ebenfalls 
der  Krbauung  von  monumentalen  Synagogen  allerlei  Dindernisse  ent- 
gegen.   ^Nichtsdestoweniger  blieb  die  alte  Vorschrift  über  die  Höhe 
der  Gebäude  zu  Recht  bestehen,  und  im  hohen  Mittelalter  begannen 
die  Talmudisten  über  ihre  Nichtbefolgung  nachdenklich  zu  werden. 
Die  einen  forderten  geradezu,  daß  die  jüdischen   Besitzer  der  um- 
liegenden  Häuser  ihre  Gruiulstücke  abtragen  müßten,  die  anderen 
fanden  eine  Entschuldigung  darin,  daß  im  nördlichen  Europa  die 
Dächer  nicht  wie  im  Orient  flach  sind,  daß  man  demnach  auf  unseren 
schrägen  Dächern  nicht  hantieren  und  in  die  Synagoge  blicken  und 
damit  den  Gottesdienst  stören  kann.   Es  werden  aber  auch  Beispiele 
erwähnt,  wo  berühmte  Lelirer  eine  teilweise  Erhöhung  der  Synagogen 
forderten,  zum  mindesten  sollte  der  Boden  unter  dem  Dache  der 
umliegenden  Häuser  nicht  höher  liegen  als  der  Giebel  der  Synagoge. 
Eine  strenge  Durchführung  der  talmudischen  Vorschrift  war  in  nicht- 
jüdischer Umgebung  unmöglich,  in  christlichen  und  mohammedanisciien 
Ländern  wird  ganz   offen   zugegeben,    daß   mit   Rücksicht   auf   die 
herrschende  Bevölkerung  von  einer  Befolgung  des  Gesetzes  Abstand 
genommen  werden  müßte.    In  Polen  wurde  es,  spätestens  um  1650, 
üblich,  am  Dache  der  Synagoge  eine  die  Wohnhäuser  überragende 
Stange  anzubringen,  die  Sitte  ging  nach  Deutschland  über  und  hat 
sich,  allerdings  in  künstlerischer  Ausführung,  bis  zum  heutigen  Tage 
vielfach  erhalten,  wenn  auch  die  gottesdienstlichen  Gebäude  der  Gegen- 
wart vermöge  ihrer  monmnentalen  Anlage  eine  solche  Erhöhung  nicht 
nötig  hätten. 

5.  Die  Orientierung  des  Bauplatzes  war  selir  verschieden,  die 
erwähnte  Vorschrift  der  Tosefta,  die  Eingangstür  im  Osten  anzulegen 
und  das  Gebäude  nach  Westen  zu  richten,  finden  wir  nur  bei  der  Ruine 
in  Irbid  befolgt.   Im  Talmud  wird  von  der  Orientierung  der  Synagogen 


460  Organisation  des  Gottesdienstes 

nirgends  gesprochen,  für  die  Richtung  beim  Privatgebet  werden  ge- 
legentlich die  verschiedensten  Seiten  empfohlen,  am  häufigsten  die 
"Wendung  nach  Osten;  das  Christentum  hat  früh  diese  Sitte  ange- 
nommen, sie  wird  bis  zum  heutigen  Tage  beim  Bau  der  Kirchen  be- 
obachtet. Trotzdem  keine  bindenden  Vorsclu'iften  darüber  erwähnt 
werden,  muß  sich  sehr  früh  die  Sitte  herausgebildet  haben,  die  Rich- 
tung nach  dem  Heiligen  Lande  zu  wählen  und  auch  die  Bethäuser 
danach  zu  bauen.  Darauf  wies  das  Beispiel  Daniels  hin,  auch  die 
Angaben  im  Gebete  Salomos  bei  der  Tempeleinweihung  (I.  Kön.  8  44. 48) 
wm-den  so  ausgelegt.  Hieronymus  bezeugt  als  jüdische  Sitte,  sich 
beim  Gebet  dem  Tempel  zuzuwenden.  Auch  Apion  erwähnt,  daß  die 
Synagogen  nach  Osten  zu  liegen,  die  Ruine  von  Hammam-Lif  hat  ihre 
Hauptfassade  im  Südwesten,  so  daß  die  Beter  mit  dem  Gesicht  nach 
iSordosten  saßen,  also  ebenfalls  in  der  Richtung  nach  Jerusalem. 
Endlich  ist  zu  beachten,  daß  die  Samaritaner  ebenfalls  in  der  Rich- 
tung nach  dem  Berge  Garisim  beten  und  darin.  Wie  in  den  meisten 
religiösen  Sitten,  die  jüdischen  Einrichtungen  befolgen.  Trotz  aller 
dieser  Zeugnisse  ist  nicht  zu  bezweifeln,  daß  die  Praxis  nicht  einheit- 
lich war.  Die  galiläischen  Ruinen  sind  mit  einer  Ausnahme  von  Süden 
nach  ]^orden  orientiert,  also  von  Jersulem  abgekehrt.  Daß  hier  ein 
Baumotiv  aus  alter  Zeit  fortwirkte  oder  daß  die  Gemeinde  zur  Tür 
zugewendet  saß,  ist  schwer  anzunehmen,  vielmehr  ist  es  bei  einigen 
Gebäuden  ganz  offenkundig,  daß  die  Anlage  mit  Rücksicht  auf  die 
Fermwkung  des  Gebäudes  gewählt  ist.  In  Teil  Hum  und  in  Kerazeh 
beherrscht  die  reich  ausgeschmückte  Fassade  den  See  und  bietet  den 
Vorbeifahrenden  den  herrlichsten  Anblick,  ebenso  genießt  man  von  der 
Terrasse  aus  oder  durch  die  geöffneten  Türen  prachtvolle  Aussichten. 
Die  Ruine  von  Xebratein  liegt  ,,auf  einem  Ausläufer  der  Safeder  Berge 
auf  einem  ausgesucht  schönen  Platze  mit  der  Aussicht  auf  den  Hidesee, 
die  Jordanebene  nördlich  davon  und  den  ganzen  Gebirgszug  des  stolzen 
Hermon".  In  Meiron  ist  die  Plattform  für  den  Bau  der  Synagoge  aus 
einer  kleinen,  steilen  Felskuppe  ausgehauen,  von  der  sich  ebenfalls  eine 
schöne  Aussicht  auf  den  See  bietet. 

Die  Sitte  entschied  für  die  Richtung  des  Gesichtes  nach  Jeru- 
salem. Daneben  aber  blieb  die  Vorschrift  in  Geltung,  daß  der  Eingang 
der  Synagoge  im  Osten  liegen  sollte.  Maimonides  hat  sie  nach  dem 
Vorgange  Alfasis  kodifiziert,  er  macht  aber  nicht  die  Richtung  der 
Beter  davon  abhängig,  schreibt  ilmen  vielmelu-  vor,  sich  nach  der 


Anlage  der  Bethäuser  461 

Lade  hinziiwciulon  (vpjl.  S.  471),  wi'lcho  je  nach  der  ojoocjraphischcn 
\ai^q  (los  Ortes  ihicMi  Platz  crhalton  sollto.  In  l'^rankrcich  und  Deutsch- 
land jedoch  sah  man  von  der  liest iiimuitii!,-  iihci-  die  Türen  gänzlich  ab, 
hielt  sich  nur  an  die  Weiulunii"  nach  Palästina  und  baute  die  Synagogen 
so.  dal.)  sie  nach  Osten  zu  lagen  und  den  Eingang  an  der  Westwand 
hatten.  Im  Schulchan  Arucii  ist  aus  einer  Kombination  beider  An- 
schauungen die  Bestimmung  entstanden,  daß  die  Eingangstür  gegen- 
über der  durch  den  Platz  der  Lade  angegebenen  Richtung  sich  be- 
finden muß.  Die  in  Europa  allgemein  befolgte  Wendung  nach  Osten 
war  geographisch  nicht  ganz  genau,  Mordechai  Jaffe  forderte  darum 
eine  südöstliche  Riclitung.  aber  obwolil  sein  Hinweis  später  erneuert 
wurde,  blieb  es  bei  der  Orientierung  nach  Osten.  Die  Baustellen  der 
Synagogen  wurden  sehr  sorgfältig,  vielfach  sogar  recht  unvorteilhaft 
abgesteckt,  um  die  östliche  Richtung  zu  erhalten.  Die  Gemeinden 
waren  darin  weit  weniger  nachgiebig  als  selbst  die  strengsten  Rabbiner, 
die  infolge  ihres  Einblicks  in  die  Quellen  ein  Abweichen  vom  Her- 
kommen nicht  für  unmöglich  hielten. 

6.  Die  Zahl  der  Türen,  die  in  die  Synagoge  führten,  whd  sehr 
verschieden  gewesen  sein.  In  den  galiläischen  Ruinen  finden  wh 
regehnäßig  eine  Haupttür  in  der  Mitte  und  zwei  Seitentüren,  aucli 
der  Midrasch  erwähnt  eine  mittlere  Tür;  es  ist  daher  nicht  ganz  aus- 
geschlossen, daß  das  eine  ständige  Einrichtung  war  und  vielleicht  eine 
symbolische  Bedeutung  hatte.  Neben  den  Türen  an  der  Eingangswand 
zeigen  die  Ruinen  und  kennt  auch  der  Talmud  Seitentüren  (snrE 
i?:"'"'ns5  b.  Sota  30  b),  die  wahrscheinlich  in  die  Xebenräume  führten. 

In  Jrbid  soll  der  Fußboden  bedeutend  tiefer  gelegen  haben  als  die 
Schwelle  der  Eingangstür.  Falls  das  nicht  besondere  Ursachen  liatte, 
sähen  wu*  hier  zum  ersten  Male  die  Vorschrift  des  Talmuds  befolgt, 
daß  man  beim  Beten  an  einer  niech'igen  Stelle  stehen  soll,  um  aus 
der  Tiefe  Gott  anzurufen  (vgl.  Ps.  130 1).  Xach  dem  einfachen  Sinn 
jener  Stelle  (b.  Ber.  10b)  kann  kein  Zweifel  darüber  bestehen,  daß  die 
Vorschrift  sich  nur  auf  die  Andacht  des  einzelnen  im  Privathause  be- 
zieht; in  talmudischer  Zeit  wurde  ilu*  in  Babylonien  schon  Rechnung 
getragen,  der  Vorbeter  stand  dort  tiefer  als  die  Gemeinde.  Im  Mittel- 
alter aber  baute  man  die  Gotteshäuser  so,  daß  man  auf  einer  oder 
melu-eren  Stufen  zu  ihnen  hinuntersteigen  mußte,  und  erst  in  neuerer 
Zeit  wird  meist  von  dieser  Tradition  abgewichen. 

7.  Der  Fußboden  der  galiläischen  Synagogenruinen  ist  fast  durch- 


462  Organisation  des  Gottesdienstes 

weg  mit  einfachen  Steinplatten  belegt,  nur  in  Umm-el-Amed 
war  er  mit  einem  schlichten  Mosaik  aus  Kalksteinwürfeln  bedeckt; 
in  Hammam-Lif  und  am  Pontus  hat  man  reichen  und  kunstvollen 
Mosaikschmuck  gefunden.  Hier  scheint  die  Diaspora  sich  dem  grie- 
chischen Geschmack  angeschlossen  zu  haben,  während  man  in  Pa- 
lästina im  allgemeinen  die  strengere  Anschauung  befolgte  und  Mosaik 
verpönte,  obwohl  im  Tempel  zu  Jerusalem  eine  kunstvolle  Pflasterung 
verwendet  war.  In  Babylonien  machte  die  Scheu  selbst  vor  den  Stein- 
platten (a^:ni«  bir  nsirn  b.  Meg.  22b)  nicht  Halt;  es  galt  als  verboten, 
sich  auf  ihnen  niederzuwerfen  (rr^irimrin),  da  es  dennoch  geschah, 
wurde  unser  Niederwerfen  für  nicht  ganz  vorschriftsmäßig  ausgeführt 
erklärt.  Schließlich  ging  die  Bedenklichkeit  so  weit,  daß  man  nicht 
einmal  mehr  auf  einem  Holzfußboden  niederfallen  wollte;  in  Deutsch- 
land, wo  die  Sitte  herrschte,  sich  am  Versöhnungstage  während  der 
Aboda  niederzuwerfen,  breitete  man  Matten,  in  ärmeren  Gegenden 
auch  Stroh,  auf  dem  Fußboden  aus,  um  jeden  Anschein  zu  vermeiden, 
als  fiele  man  auf  den  bloßen  Fußboden. 

8.  Der  innere  Raum  hatte  in  der  Regel  die  rechteckige  Form  der 
römischen  Basilika,  die  Proseuche  in  Alexandiien  nennt  der 
Talmud  'ipb"'Dn,  die  galiläischen  Ruinen  ebenso  wie  Hammam-Lif 
haben  sämtlich  für  den  Betraum  die  Form  des.  länglichen  Rechtecks. 
In  den  galiläischen  Ruinen  laufen  an  zwei  Längsseiten  Säulen  ent- 
lang, meistens  auch  an  der  dritten,  so  daß  ein  vollständiger  Umgang 
vorhanden  und  der  Raum  in  ein  breites  jVIittelschiff  und  zwei  schmälere 
Seitenschiffe  geteilt  ist.  Die  Einteilung  in  drei  Schiffe  ist  in  den  meisten 
Synagogen  beibehalten  worden,  selbst  in  Kai-Fung-Fu  war  sie  vor- 
handen. In  Galiläa  sind  meistens  Spuren  einer  doppelten  Säulen- 
stellung erhalten,  walirscheinlich  war  der  Umgang  von  einer  Empore 
umgeben.  Die  Anlage  und  der  Stil  der  antiken  Synagogen  verraten 
den  Einfluß  römischer  Monumentalbauten;  die  Ausführung  und 
Gliederung  der  Fassade,  die  Anordnung  der  Portale,  die  Stellung  und 
Verarbeitung  der  Säulen,  die  Bildung  und  Ausschmückung  der  Giebel 
entsprechen  dem  allgemeinen  Brauche  der  Kaiserzeit.  In  gewissen 
Einzelheiten  wie  z.  B.  der  besonderen  Gestaltung  des  ionischen  Kapitels 
ist  spezifisch  jüdischer  Einfluß  zu  erkennen.  Diese  Verbindung  von 
Fremdem  und  Eigenem  darf  als  Grundgesetz  des  Synagogenbaues 
zu  allen  Zeiten  angesehen  werden.  Das  Streben  ging  im  allgemeinen 
daliin,  die  Synagogen  so  schön  und  würdevoll,  wie  die  Mittel  der  Ge- 


Baustil  (I.T  Hcthauser  463 

nu'iiule  es  <j;t'sl;ülo(('ii,  zu  cniclilcii;  dal.)  .sie  Hiclit  allzu  präclitii:;  wurdcii, 
dafür  soi-f^fo  eine  foiudliclR'  (Icsi'lz^^'hunp^.  Vüv  die  Bauart  war  zu 
allen  Zeiten  der  iu  der  l'm^ehung  herrsclionde  Geschmack  und  Stil 
nial')trel)en(L  iu  b]iuzellieiteii  wurde  zuü:uiisten  der  Tradifiou  und  der 
eigeuliiiulieheu  (iestailuug  der  Synaj^ogeu  davon  abgewichen.  Ein 
cliarakteristisches  Beispiel  bietet  die  Synagoge  in  Worms;  ihr  ältester 
Bestandteil  (1034  vollendet)  ist  ebenso  wie  die  um  1100  erbaute  Syna- 
goge von  Speyer  in  romanischen  Stil  gelialten,  der  Anbau  in  Worms 
vom  Jalire  1213  zeigt  bereits  den  Einfluß  der  frühen  Gotik.  Die  noch 
erhaltenen  s|)anischen  Synagogen  sind  in  maurischem  Stil  gebaut, 
allerdings  mit  starken  Abweichungen,  die  auf  eine  sehr  glückliche 
Entwicklung  der  Kunst  unter  den  Juden  Sj)aniens  schliel.icn  lassen. 
Im  Orient  erinnern  die  Synagogen  vielfach  an  die  Kubbali  der  Mo- 
hammedaner, an  die  auf  den  Gräbern  erbauten  Ka])ellen,  die  den 
Pilgern  als  Andachtsstätten  dienen.  So  ist  es  zu  allen  Zeiten  gewesen, 
nuin  baute  die  Synagogen  in  dem  in  dem  betreffenden  Lande  gerade 
herrschenden  Stile  und  bot  alle  erreichbaren  Mittel  auf,  um  eine  mög- 
lichst künstlerische  Vollendung  zu  erhalten.  Besonders  bezeichnend 
sind  hierfür  die  erst  neuerdings  beachteten  Holzsynagogen  in  Polen 
und  Rußland,  die  ebenfalls  eine  bald  mehr,  bald  weniger  auffällige 
Übereinstimmung  mit  dem  allgemeinen  Baustil  der  dortigen  Kirchen 
zeigen.  Sie  sind  überdies  ein  treffender  Beweis  dafür,  daß  selbst  dort, 
wo  von  der  Umgebung  ein  künstlerischer  Einfluß  nicht  ausging,  auf 
eine  geschmackvolle  und  sorgfältige  xAusführung  der  gottesdienst- 
liclien  Gebäude  Wert  gelegt  wurde. 

In  der  Neuzeit  bildeten  sich  zahlreiche  neue  Gemeinden  in  großen 
Städten,  die  opferwillig  reiche  Mittel  für  Synagogenbauten  bereit- 
stellten, die  beschränkenden  Gesetze  fielen  in  den  meisten  Ländern 
weg,  die  Architekten  konnten  sich  ungehindert  von  ihrer  künstle- 
rischen Eingebung  leiten  lassen.  So  sind  in  allen  Erdteilen  prachtvolle 
Synagogen  entstanden,  die  vielfach  ihrer  Umgebung  zur  Zierde  ge- 
reichen. Ein  eigentümlicher  Synagogenbaustil  hat  sich  jedoch  bisher 
nicht  entwickelt,  je  nach  dem  Vorherrschen  der  einen  oder  anderen 
Richtung  wurde  die  maurische,  byzantinische,  gotische,  romanische, 
klassische  Bauart  oder  eine  Verbindung  von  mehreren  Stilen  ver- 
wendet. Eine  neue  Erscheinung  an  den  modernen  Synagogengebäuden 
ist  ihre  Verzierung  mit  einer  oder  mehreren  Kuppeln,  die  zuweilen  zur 
Erhöhung  des  Gebäudes  dienen  (oben  S.  458  f.).  Wie  weit  sie  architek- 


464  Organisation  des  Gottesdienstes 

tonisch  zum  Innern  der  Synagoge  passen,  das  müssen  die  Fachmänner 
entscheiden,  für  den  Gottesdienst  haben  sie  sich  zumeist  als  sehr  störend 
erwiesen,  da  die  Akustilc  durch  sie  wesentlich  beeinträchtigt  wurde. 

9.  Xach  talmudischer  Vorschrift  soll  man  nur  in  einem  Hause 
beten,  in  dem  sich  Fenster  befinden  (b.  Ber.  31a).  was  bei  den 
antiken  und  orientalischen  Häusern  durchaus  nicht  selbstverständlich 
war.  Man  sollte  meinen,  daß  die  Bestimmung  auch  für  Synagogen 
gilt,  tatsächlich  ist  sie  zumeist  auch  so  ausgelegt  worden;  in  den 
Kuinen  sind  mehrfach  die  Ansätze  für  Fenster  erhalten.  Im  Sohar 
werden  12  Fenster  für  das  Bethaus  gefordert  und  im  Schulchan  Aruch 
ist  dieselbe  Zahl  empfohlen,  was  in  den  letzten  Jahrhunderten  beim 
Bau  auch  \'ielfach  beachtet  wurde.  Aber  es  gab  in  alter  Zeit  Synagogen, 
die  überhaupt  keine  Fenster  besaßen,  dafür  aber  dachlos  waren,  so 
daß  unter  freiem  Himmel  gebetet  wurde.  R.  Ami  und  R.  Assi  in  Ti- 
berias  (300)  beteten  gern  an  ilirer  Lehrstätte,  die  nicht  überdacht 
war  (i"i'C"  "»m  b.  Ber.  8  a),  Epiphanius  berichtet  auch  von  den 
Samaritanern,  daß  sie  nach  dem  Beispiel  der  Juden  unter  freiem 
Himmel  auf  sonnenbescliienenen  Orten  ihre  Gebete  verrichteten. 
Die  dachlosen  Synagogen  lassen  sich  im  Orient  in  allen  Jahrhunderten 
nachweisen.  Maimonides  entschied,  daß  Fenster  für  die  Synagoge 
durchaus  nicht  notwendig  wären,  da  die  talmudische  Vorschrift  sich 
nur  auf  die  Privatandacht  bezöge  und  die  Erhöhung  der  Andacht  be- 
zweckte. Im  17.  Jahrhundert  erzählt  Pietro  della  Valle,  daß  in  Aleppo 
der  Gottesdienst  in  der  Regel  in  dem  von  Säulenhallen  umgebenen 
Hofe  der  Synagoge  stattfinde,  daß  nur  bei  regnerischer  oder  kalter 
Witterung  ein  Saal  benutzt  werde.  Auch  Ch.  J.  D.  Asulai  (gest.  1807) 
kannte  noch  in  Jerusalem  Synagogen  ohne  Dach,  die  auch  von  den 
strengsten  Rabbinern  gebilligt  wurden. 

10.  Die  galiläischen  Synagogen  zeichnen  sich  durch  reiche  und 
reichhaltige  Ornamente  an  den  Säulen,  den  Friesen,  den  Tür- 
stürzen und  Giebeln  aus.  Darunter  befinden  sich  charakteristische 
jüdische  Ornamente,  wie  der  siebenarmige  Leuchter,  Weinlaub  und 
Trauben,  Granatäpfel,  Pabnblätter  und  Zweige,  Becher  und  Ölgefäße, 
Pentagi-amme  und  Hexagramme.  Überraschend  wirken  die  \ielen 
bildlichen  Darstellungen  von  Tieren  und  sogar  vereinzelten  mensch- 
lichen Köpfen,  die  sich  in  allen  Ruinen,  auch  in  den  galiläischen,  finden. 
Es  ist  bezeiclmend  genug,  daß  die  Figuren  fast  ausnahmslos  ver- 
stümmelt  sind.    Ob  der  Vandalismus  auf  jüdische  oder  mohamme- 


Ornamenti'  in  den   liilliausiiii  465 

(laiiiselie  Fanatiker  ziiiik'kjLi;i'lit,  läßt  sich  iiiclit  i'utsclit'idcii,  niun  niiilj 
ihn,  wie  die  Verhältnisse  liegen,  auch  Juden  zutrauen,  nach  der 
herrschend  gewordenen  Meinung  verstoßen  die  Ornamente  gegen  die 
jüdische  Keligionsanschauung.  Tatsächlich  hat  die  Lehre  in  solcher 
Strenge  niemals  bestanden,  die  Synagogen  sind  zu  keiner  Zeit  ohne 
figürliche  Darstellung  geblieben,  ,,die  Fabel  von  dem  Hasse  der 
Synagoge  gegen  alle  Kunst  bis  in  das  Mittelalter  und  die  Neuzeit 
hinein  müßte  endlich  vor  den  Tatsachen  des  Lebens  und  den  Zeug- 
nissen der  Literatur  verschwinden".  Mit  der  Furcht  vor  der  götzen- 
dienerischen Anbetung  der  dargestellten  Gegenstände  hatte  unter  den 
Juden  auch  die  Scheu  vor  ihrer  künstlerischen  Nachbildung  aufgehört. 
Nur  nuMischliclie  Figuren,  die  Cherubim  und  die  Vereinigung  der 
Tiergestalten,  die  Ezechiel  am  göttlichen  Thronwagen  geschaut  hatte, 
waren  verboten,  alle  anderen  Ornamente,  Pflanzen  wie  Tiergestalten, 
genullt  so  gut  wie  plastisch  dargestellt,  hätten  ungestört  angebracht 
werden  können.  So  hatte  Epliraim  b.  Joseph  (12.  Jahrh.)  die  Be- 
malung der  Synagogen  mit  Tiergestalten,  wie  Vögeln  und  Rossen, 
gestattet.  Die  Fenster  der  Synagoge  in  Köln  waren  damals  mit  Glas- 
malereien von  Löwen  und  Schlangen,  die  von  Meißen  mit  Bäumen 
und  Vögeln  geschmückt.  Namentlich  Löwen  sind  in  verschiedensten 
Formen  in  ]\Ialerei,  Stickerei  und  plastischer  Darstellung  jederzeit  als 
Dekorationen  in  der  Synagoge  vertreten  gewesen.  Der  freieren  Praxis 
stand  eine  Äußerung  Maimunis  entgegen,  der  zwar  nicht  die  bildliche 
Ausschmückung  der  Synagogen  verbot,  aber  für  sich  persönlich  den 
Brauch  befolgte,  die  Augen  zu  schließen,  so  oft  er  an  einer  mit  Bildern 
verzierten  Wand  betete,  weil  er  fürchtete,  dadurch  abgelenkt  zu  werden. 
Das  machte  ängstliche  Gemüter  immer  meder  bedenklich,  so  daß 
einzelne  Rabbiner  selbst  die  Ausmalung  der  Wände  mit  Blättern, 
Blumen  und  Bäumen  verboten.  Die  Beispiele  solcher  Ausschmückung 
waren  jedoch  zu  zahlreich  und  zu  bekannt,  und  selbst  wo  neue  Orna- 
mente für  unerlaubt  erklärt  wurden,  blieben  die  alten  geduldet.  Sie 
erhielten  sich  auch  in  solchen  Gegenden  und  Jalu-hunderten,  die  man 
im  allgemeinen  als  finstere  und  kulturfeindliche  zu  betrachten  pflegt. 
Chr.  Wagenseil  kennt  als  weitverbreiteten  Synagogenschmuck  in 
Deutscliland  Blumen,  Palmzweige,  Bilder  des  Tempels  von  Jerusalem, 
hebräische  Gebete  und  Bibelverse  und  Verzierungen  ähnlicher  Art. 
Noch  weit  bezeichnender  sind  die  Nachrichten  aus  einigen  der  er- 
wähnten Holzsynagogen  Polens;  in  der  einen  finden  sich  zwar  keine 

Elbogen,   Der  jüd.  Gottesdienst.  »jO 


466  Organisation  des  Gottesdienstes 

Malereien,  dafür  aber  am  heiligen  Schrein  und  an  der  Balustrade  der 
Frauengalerie  sogar  Tierköpfe  in  Bas-Relief,  in  einer  anderen  sind  die 
Wände  durch  Gebete  und  Bibelverse  geschmückt,  die  aber  sämtlich 
von  Malereien  eingerahmt  sind,  unter  denen  allerlei  Vögel  und  Tiere 
nicht  fehlen.  Unter  dem  Einfluß  der  kunstfeindlichen  Talmudisten 
waren  in  den  letzten  Jahrhunderten  die  Verzierungen  der  Synagogen 
selir  einförmig  geworden,  die  Ausschmückung  mit  Bibelversen  und 
Gebeten,  mit  Erinnerungstafeln  für  Woliltäter  oder  nichtssagenden 
Schablonen  war  allgemein  üblich.  Die  Verfeinerung  des  Geschmacks 
in  der  Neuzeit  und  die  reichere  architektonische  Ausgestaltung  der 
Synagogen  haben  wieder  mehr  Abwechslung  in  die  Ornamentierung 
gebracht,  bezüglich  der  geeigneten  Gegenstände  aber  befinden  sich 
die  Künstler  meist  in  großer  Verlegenheit.  Das  Muster  einer  künst- 
lerischen und  in  ihren  Motiven  völlig  im  Geiste  der  jüdischen  Religion 
gehaltenen  Ausschmückung  der  Synagogenwände  und  Fenster  bietet 
die  neue  Synagoge  in  Szegedin  in  Ungarn. 

11.  Eine  eigentümliche  Gestaltung  gewinnt  der  innere  Ausbau 
der  Synagogen  heute  durch  die  Anlage  der  Abteilung  für  die  F  r  a  u  e  n 
die  sich  zumeist  auf  einer  Galerie  befindet.  Das  ist  nicht  immer  so 
gewesen,  alte  Synagogengebäude  haben  den  Raum  für  die  Frauen  hinter 
dem  der  Männer  auf  demselben  Geschoß.  Es  erhebt  sich  die  Frage, 
wie  es  mit  der  Absonderung  der  Gesclüechter  beim  Gottesdienste 
überhaupt  steht.  In  der  Einrichtung  des  Frauenvorhofs  im  jerusa- 
lemischen  Tempel  (Ditt:  rnT^)  kann  sie  iliren  Ursprung  nicht  haben, 
denn  jener  Vorhof  diente  nur  als  Grenze  für  den  Raum,  den  Frauen 
betreten  durften;  er  gehörte  aber  nicht  ausschließlich  den  Frauen, 
auch  Männer  konnten  sich  in  ihm  aufhalten,  mußten  ihn  sogar  als 
Durchgang  benutzen,  wenn  sie  an  den  Opferaltar  zu  gelangen  wünschten. 
jMur  bei  einer  Gelegenheit  wurde  die  Trennung  der  Geschlechter  streng 
durchgefülu't,  beim  Feste  des  Wasserschöpfens  (nnxirn  r.^^  rn^ffi) 
mußten  die  Zuschauerinnen  auf  besonderen  Tribünen  (S"i:2nTa 
=  i'iiuovQo)  Platz  nehmen,  aber  nicht,  um  sie  von  den  Männern  fern 
zu  halten,  sondern  um  sie  vor  Ausschreitungen  zu  schützen,  die  bei 
der  überschäumenden  Festfreude  nicht  ausgeschlossen  waren.  Am 
Gottesdienste  der  Synagoge  haben  Frauen  von  Anfang  an  als  voll- 
berechtigte Mitglieder  teilgenommen.  In  ältester  Zeit  fand  man  nichts 
dabei,  wenn  eine  Frau  aus  der  Tora  vorlas,  erst  später  Aviirde  es  mit 
Rücksicht  auf  die  Gemeinde  für  unstatthaft  erklärt.    Daß  Frauen 


FrauciigaliMicii  4(37 

tli(>  !?ottos(lionsl  Hellen  Vers;mimlimnjen  besuclileii,  berichten  die 
Quellen  wiedeiluilt,  hingegen  erwähnen  sie  nirgends,  (hiß  das  weibliciie 
Geschlecht  sich  in  einem  besonderen  Räume  aufhalten  mußte.  Aus 
alter  Zeit  wird  nur  von  den  Therapeuten  überliefert,  daß  ihre 
Andachtsräume  mit  einer  doppelten  Mauer  versehen  waren,  deren 
iniuMe  sich  3  bis  4  Ellen  über  den  Boden  erhob,  um  eine  Scheidewand 
zwischen  Männern  und  Frauen  herzurichten.  Die  Mischna  weiß  davon 
nichts,  sie  kennt  lediglich  eine  .\bgrenzung  für  einen  am  Aussatze 
Erkrankten;  sobald  ein  solcher  die  Synagoge  besucht,  wird  für  ihn  eine 
Umfriedung  hergerichtet,  er  muß  als  erster  eintreten  und  darf  erst 
zuletzt  den  Raum  verlassen  (Xeg.  XIII  13),  eine  Maßregel,  die  sich 
aus  hygienischen  Rücksichten  sehr  wohl  begreifen  läßt.  Von  einer 
ständigen  Absonderung  der  Frauen  hingegen  weiß  die  ]\Iischna  nichts. 
Auch  der  Talmud  kennt  eine  Frauengalerie  nicht,  er  berichtet,  daß 
Abbaje  irdene  Krüge,  Raba  getrocknete  Schilfstäbe  zur  Abgrenzung 
zwischen  den  Sitzplätzen  der  Frauen  und  der  Männer  aufstellen  ließ, 
um  einen  Verkehr  zu  verhindern  (b.  Kidd.  81a).  Daraus  ergibt  sich, 
daß  selbst  in  den  gewiß  nach  den  strengsten  Grundsätzen  eingerichteten 
Synagogen  Babyloniens,  wie  in  den  alten  christlichen  Kirchen,  ge- 
trennte Sitzreilien  für  Männer  und  Frauen  vorhanden  waren,  daß  sie 
aber  ganz  dicht  nebeneinander  lagen.  So  wird  es  auch  überall  gewesen 
sein.  Wenn  wir  daher  in  den  Synagogenruinen  sowohl  in  Galiläa  wie 
in  Hammam-Lif  besondere  Emporen  mit  Sitzreihen  finden,  so  mag  es 
nicht  unberechtigt  sein,  in  ihnen  die  Plätze  für  die  Frauen  zu  vermuten, 
eine  absolute  Sicherheit  aber,  daß  in  jenen  antiken  Synagogen  Frauen- 
galerien vorhanden  waren,  gibt  es  nicht. 

Im  Orient  werden  die  Frauen  im  allgemeinen  nicht  allzu  häufig 
dem  öffentlichen  Gottesdienste  beigewohnt  haben,  Maimonides  bringt 
daher  in  dem  Abschnitte  über  den  Synagogenbau  überhaupt  keine 
Bestimmungen  über  den  Platz  der  Frauen.  Das  war  im  Abendlande 
anders;  hier  besuchten  die  Frauen  die  Gotteshäuser,  zumal  wenn  eine 
Predigt  stattfand,  erschienen  sie  in  stattlicher  Zahl.  Angesehene 
Lehrer  wie  Raschi  sprachen  sich  gegen  jede  Zurücksetzung  und 
Kränkung  der  Frauen  aus.  Elieser  b.  Joel  ha  Levi  aus  Bonn  (um  1200) 
berichtet,  daß  an  Sabbaten  vor  der  Predigt  zwischen  den  Sitzen  der 
Männer  und  der  Frauen  Vorhänge  ausgebreitet  wurden,  was  darauf 
schließen  last,  daß  die  Plätze  in  demselben  Räume  lagen.  Allmählich 
ging   man,   walirscheinlich   aus   Platzmangel,    dazu    über,   getrennte 

30* 


468  Organisation  des  Gottesdienstes 

Käume  für  die  Frauen  an  die  Synagoge  anzubauen  (":;©  nc:3~  riü 
Siir:).  In  Worms  z.  B.  stammt  die  Männersynagoge  aus  dem  Jahre  1034, 
die  der  Frauen  wurde  erst  1213  errichtet.  Auch  in  der  Altneuschul  in 
Prag  bildet  die  Frauensynagoge  einen  Anbau,  und  so  ließen  sich  die 
Beispiele  aus  den  wenigen  erhaltenen  alten  Synagogen  vermehren. 
Die  Zimmer  für  die  Frauen  lagen  dicht  neben  der  SjTiagoge  oder  ein 
wenig  erhöht  und  waren  durch  Balustraden  oder  Fenster  mit  dem 
Männerraum  verbunden.  Aus  der  Erhöhung  wurde  im  Laufe  der  Zeit 
ein  ganzes  Stockwerk,  ebenso  wurde  die  Abgrenzung  mit  dem  Fort- 
schreiten des  ]\Iittelalters  immer  strenger,  dichte  Gitter  oder  mit 
Vorhängen  versehene  Glasscheiben  versperrten  den  Anblick  der 
betenden  Frauen,  und  die  vöUige  Abschließung  galt  als  ein  strenges 
religiöses  Gebot.  In  den  meisten  Fällen  beeinträchtigten  die  Galerien 
auch  den  architektonischen  Einch'uck  der  Synagogen,  es  gibt  aber 
auch  Beispiele,  wie  in  der  portugiesischen  Synagoge  in  Venedig,  wo 
die  Anlage  der  Frauengalerie  der  Arcliitektur  des  Gebäudes  erst  den 
künstlerischen  Abschluß  verleilit. 

In  der  I^euzeit  trat  bezüglich  der  Einrichtung  der  Frauengalerie 
eine  gründliche  Wandlung  ein.  In  den  modernen  Synagogen  wurden 
die  Gitter  vollständig  beseitigt,  was  vielfacli  zu  leidenschaftlichen 
Kämpfen  gefülu't  hat,  da  man  mi  Laufe  der  Zeit  glaubte,  selbst  für 
die  Höhe  und  die  Dichtigkeit  der  Vergitterung  religiöse  Gründe  und 
beachtenswerte  Gewälu-smänner  finden  zu  können.  Selbst  da,  wo 
man  dem  Herkommen  soweit  als  möglich  Rechnung  zu  tragen  wünschte, 
wurde  die  Absclüießung  der  Frauengalerie  außerordentlich  gemüdert, 
die  Gitter  sind  künstlerische  Verzierungen  geworden.  In  der  Berliner 
Reformgemeinde  wiu'de  von  x\nfang  an  die  Frauengalerie  beseitigt, 
dem  weiblichen  Geschlecht  vraide  eine  Abteilung  im  unteren  und 
einzigen  Geschosse  des  Gotteshauses  eingeräumt.  In  Europa  fand 
dieses  Beispiel  nur  ganz  vereinzelt  Nachahmung,  in  Amerika  liingegen 
wurde  die  neue  Einrichtung  sein*  beifällig  aufgenoimnen,  die  Synagogen 
mit  Frauengalerien  sind  in  der  Neuen  Welt  in  der  ]\Iinderzahl.  Wise 
führte  dann  nach  dem  Vorbilde  der  christlichen  Kirchen  die  Familien- 
bänke ein  (oben  S.  000),  in  vielen  amerikanischen  Reformgemeinden 
sitzen  seitdem  Männer  und  Frauen  untereinander.  Selbstredend  hat 
die  Einteilung  und  Arcliitektur  der  Synagogen  durch  diese  Neuerungen 
große  Veränderungen  erfahren. 

12.  Außer  dem   Betraum  enthalten  sämthche  Synagogenruinen 


Nebenräumc  der  Bethäuser  469 

im'hicre  Xebenräimie,  in  Ilammcam-Lif  ist  ihre  Zahl  so  boträcliilich, 
(laß    (las    Gebäude    den    vielseitigsten    Bedürfnissen    der    (ienieinde 
geniiii^en  konnte,  daß  es  offenbar  aucji  zu  V'ersaininlun<(en,  für  Ver- 
wallungs-  und  für  Unterriciilszwecke  benutzt  wurde;  ein  Kaum  diente 
für  die  Aufbewahrung  von  Kultusgegenständen.    An  den  galiläischen 
Synagogen  finden  wir  ausgedehnte  Terrassen  mit  Sitzgelegenheiten 
und  herrlichen  Aussichten,  die  der  (lemeindc  zur  Erholung  dienten. 
Um  die  Synagogen  herum  zog  sich  häufig  ein  von  Säulen  eingeschlossener 
Wandelgang,  die  auch  im  rabbinischen  Schrift  tum  erwähnte  Doppel- 
stoa  (oben  S.  458),  in  den  Hallen  wurden  wie  in  der  römischen  Exedra 
(SilCDS)  Sitzgelegenheiten   angebracht,   die  Gemeinde    brachte  dort 
ilire  Mußestunden  zu.    Mitunter  trifft  man  nur  wenige  Säulen  am 
Eingange,  die  eine  Vorhalle  (coöran^,  Atrium)  bildeten,  einen  Raum, 
der  sich  bis  auf  den  heutigen  Tag  in  den  Synagogen  findet,  der  im 
Mittelalter  in  Deutschland  den  Namen  Polisch  erhielt.    In  den  Hallen 
waren  vielfach  Ehrenzeichen  und  Erinnerungstafeln  an  die  Landes- 
fürsten und  die  Wohltäter  der  Gemeinde  angebracht.    Wie  heute  noch, 
befand  sich  ferner  schon  in  alter  Zeit  im  Vorräume  der  Synagoge  oder 
in  dem  durch  Säulen  eingeschlossenen  Hofe  ein  Waschbecken,  an  dem 
die  Gläubigen  vor  dem  Gebet  Waschungen  vornahmen  (nDTi:\);  inter- 
essant ist  eine  auf  einem  Papyrus  vom  Jahre  113  gefundene  Rechnung 
über  den  starken   Wasserverbrauch  der  Synagoge  der  Thebäer  in 
Oberägypten.    Aus  den  ältesten  christlichen  Basiliken,  in  denen  die 
Bauart  und  Einrichtung  der  Synagogen  ziemlich  genau  befolgt  ist, 
läßt  sich   über  die  Anlage  der  jüdischen   Bethäuser  des  Altertums 
mancherlei  lernen;  die  meisten  Bestandteile  der  alten  Gebäude  haben 
sich,  soweit  das  beim  Wechsel  der  Baustile  möglich  war,   bis  in  die 
Gegenwart  erhalten. 

§  50.  Innere  Einrichtung  der  Bethäuser. 

Literatur:  Low,  Hoffmaun,  Bacher  das. 

1.  Die  innere  Einrichtung  der  Synagogen  war  ursprünglich 
sehr  einfach,  nur  ein  einziger  Gegenstand  gehörte  zu  ihr,  der  Sclirein 
mit  den  Heiligen  Schriften.  Er  heißt,  wie  Xoahs  Arche,  "nTi 
(Taan.  II 1,  Meg.  III 1),  vollständiger  a^iso  '■:td  ^3^-'.  (Tos.  Jad.  II 12, 
683  8),  aram.  s^m^^n  (j.  Ber.  V  4,  9  c),  griech.  yußcotog  (LXX 
Gen.  6 14).  Die  Teba  war  aus  Holz  verfertigt;  wenn  sie  zerfiel,  machte 
man  aus  den  nicht  schadhaften  Überresten  eine  neue  (b.  Meg.  26  b). 


470  Organisation  des  Gottesdienstes 

Sie  war  beweglich,  zu  den  Gebetversammlungen  an  den  Fasttagen 
wurde  sie  auf  den  Marktplatz  getragen  (Taan.  11 1).  In  den  Bet- 
häusern  stand  sie  walirsclieinlich  nur  w^ährend  des  Gottesdienstes 
an  ihrem  Platze,  sonst  hinter  einem  Vorhange  in  einem  der  Neben- 
räume. Ein  ,, Sanktuarium"  hat  es  in  den  ältesten  Synagogen  nicht 
gegeben,  die  Eichtung  war  durch  den  Platz  bestimmt,  an  den  der 
Sclirein  gesetzt  wurde.  Vor  ihm  stand  der  Vorbeter  (§  53),  auf  ihm 
lagen  die  biblischen  Rollen,  aus  denen  vorgelesen  wurde.  Der  Name 
"DT  bedeutete  später  nur  noch  den  Ort,  an  dem  der  Vorbeter  stand, 
aber  auch  zur  Bezeichnung  des  Schreins  wurde  er  recht  lange  ver- 
wendet, vor  allem  in  Babylonien;  wir  finden  ihn  daher  in  Amr., 
von  dort  ist  er  auch  in  V.  übernommen. 

In  der  Tosefta  (Meg.  IV  21,  22712)  heißt  der  Aufbewahrungsort 
der  Heiligen  Schriften  np,  Sanktuarium.  Es  mag  sein,  daß  damit 
bereits  auf  jene  Nische  in  der  Mauer  hingewiesen  ist,  die  in  den  Kirchen 
als  Apsis,  in  den  Moscheen  als  Mihrab  bekannt  ist  und  sich  in  den 
Ruinen  von  Kerazeh  und  Hammam-Lif  wiederfindet.  Vielleicht 
aber  ist  TCIp  nur  eine  Abkürzung  für  inpn  "iTix,  ^ie  wir  den 
Schrein  noch  heute  nennen,  "jlii?  heißt  in  der  Bibel  die  Lade  der 
Stiftshütte,  im  Volksmunde  hieß  daher  auch  die  Lade  der  Synagoge 
s<:ii5;  am  Ende  des  2.  Jahrhunderts  wurde  jedoch  diese  Bezeichnung 
als  Todsünde  erklärt  (b.  Schabb.  32  a.  oben  S.  444),  was  nicht 
hinderte,  daß  der  palästinische  Talmud  die  Lade  stets  i?:TiS  (ohne 
Zusatz)  nennt.  Der  Ausdruck  '"iix  erhielt  sich  später,  zum  Teü 
neben  ni'^r,  bei  italienischen,  französischen  und  deutschen  Juden, 
während  bei  spanischen  und  orientalischen  das  im  salomonischen 
Tempel  zur  Bezeichnung  des  Heiligtums  dienende  Wort  bD^n  üblich 
war. 

In  den  ältesten  romanischen  Synagogen  Deutschlands  war  die 
Lade  noch  in  Form  einer  in  die  Mauer  eingebauten  Nische  ange- 
bracht; da  die  Torarollen  unter  der  Feuchtigkeit  der  Mauer  litten, 
führte  man  hölzerne  Laden  ein  und  gewöhnte  sich  daran  so 
sehr,  daß  schon  um  1200  von  den  eingemauerten  Laden  überhaupt 
nichts  mehr  bekannt  war.  Späterhin  verfertigte  man  die  Lade  auch 
aus  Marmor.  Die  ,, heilige  Lade"  stand  an  der  Jerusalem  zugekeluten 
Wand  und  bestimmte  die  Richtung  der  Synagoge  (oben  S.  460). 
In  einigen  Synagogen  des  Orients  jedoch,  z.  B.  in  Konstantinopel, 
war  die  Lade  im  Süden  oder  Norden  aufgestellt,  infolgedessen  wurde 


Die  heilige  Lade  471 

auch  beim  Clebet  nicht  die  Richtung  nach  Osten  eingehalten,  bis 
die  aus  Sj)anien  eingewanderten  Rabbiner  sich  entschlossen,  das 
Pult  des  Vorbeters  nacli  Osten  hinzuschieben,  so  daß  die  (lemeindc 
beim  Gebet  nicht  mehr  der  Lade  zugewandt  war.  Im  allgemeinen 
aber  blieb  die  Lade  im  Osten  stehen,  erst  in  der  Neuzeit  sind  einige 
ganz  seltene  Abweichungen  hiervon  zu  verzeichnen. 

Die  Lade  war  nach  den  Angaben  des  Talmuds  mit  einem  Bal- 
dachin (nb^D  j.  Meg.  III 1,  73d)  oder  einem  Vorhange  (scns 
b.  Meg.  26b)  bedeckt,  letzterer  wurde  auch  abgenommen  und  als 
Unterlage  für  die  Schriftrolle  benutzt,  wenn  sie  auf  das  Vorlesepult 
Ci-^nnb  j.  das.  =  mmb  b.  32a)  gelegt  wurde.  Die  Lade  stand  erhöht, 
man  stieg  auf  einigen  Stufen  zu  ihr  hinauf,  es  blieb  dem  Sohar 
vorbehalten,  sogar  die  Zahl  der  Stufen  zu  bestimmen.  Auf  die 
architektonische  Ausführung  der  Lade  wurde  von  früher  Zeit  an  die 
allergrößte  Sorgfalt  verwendet.  Auf  einigen  antiken  Glasgefäßen 
und  in  den  römischen  Katakomben  sieht  man  einen  mit  einem 
Aufsatze  verzierten  Schrank,  der  im  Innern  —  die  Türen  stehen  auf 
den  Abbildungen  offen  —  durch  eingesetzte  Bretter  in  mehrere 
Fächer  geteilt  ist,  in  denen  die  Buchrollen  liegen.  Es  kam  vor,  daß 
nur  ein  Teil  der  Fächer  für  Bibelexemplare  Verwendung  fand,  während 
in  den  übrigen  Raum  andere  Dinge  gelegt  wurden.  Schon  im  Alter- 
tum sieht  man  die  Lade  mit  figürlichem  Schmucke  ausgestattet,  sie 
wird  von  Tauben,  die  den  Ölzweig  halten,  oder  von  Löwen  flankiert, 
die  Verzierung  durch  Löwen  ist  recht  lange  üblich  geblieben.  Die 
Lade  bildete  auch  später  die  höchste  Zierde  der  inneren  Einrichtung 
der  Synagoge.  Selbst  in  schlichten  Bauten  findet  man  Laden  von 
hervorragender  künstlerischer  Ausführung;  in  berühmten  Gebäuden, 
wie  in  der  portugiesischen  Synagoge  in  Amsterdam  oder  der  von 
Florenz,  sind  Meisterwerke  der  Bau-  oder  Schnitzkunst  geschaffen 
worden  (vgl.  die  Abbildungen  J.  E.  II,  S.  110  f.).  Für  die  Verzierung 
der  Heiligen  I^ade  haben  sich  im  Laufe  der  Zeit  einige  typische 
Eigentümlichkeiten  herausgebildet.  An  ihrem  Oberbau  sind  in  der 
Regel  die  beiden  Gesetzestafeln  angebracht,  was  allerdings  vor 
dem  17.  Jahrh.  nicht  nachzuweisen  ist;  sie  selbst  ist  mit  einem  Vor- 
hange geschmückt  (rzns),  der  sich  in  deutschen  Gemeinden  über, 
in  portugiesischen  hinter  den  Türen  befindet.  Die  Vorhänge  sind 
in  kunstvoller  Weise  gewicht  und  gestickt,  vielfach  ebenfalls  mit 
figürlichen     Darstellungen,     besonders     mit     Löwen,     geschmückt. 


4.72  Organisation  des  Gottesdienstes 

deren    Zulässigkeit   Anlaß    zu   religionsgesetzlichen    Bedenken   und 
Erörterungen  geliefert  hat. 

2.  In  der  Lade  befinden  sich  die  heiligen  Schriften;  in  alter 
Zeit  waren  es  Tora-  und  Prophetenrollen,  später  nur  Torarollen. 
Die  Tora  mußte  vollständig  sein;  in  der  ältesten  Zeit  gestattete 
man,  auch  aus  defekten  Exemplaren  vorzulesen,  später  aber  wurde 
das  verboten,  um  auf  diese  Weise  auf  die  Gemeinden  einen  Zwang 
zur  raschen  Erneuerung  gewaltsam  vernichteter  oder  schadhaft  ge- 
wordener Exemplare  auszuüben.  Die  Schriftrollen  waren  in  alter  Zeit 
in  Tücher  (mnsn'a)  eingehüllt  und  in  ein  Futteral  (pT)  gesteckt, 
die  Tücher  waren  bisweilen  farbig  und  durch  kleine  Glocken  verziert. 
Am  Feste  der  Torafreude,  pflegte  man  die  Torarolle  prunkvoll  zu 
kleiden  und  wie  eine  Braut  zu  schmücken.  In  Babylonien  setzte 
man  ihr  Kronen  aus  Gold,  Silber  oder  Myrtenblättern  auf,  in  Spanien 
und  Südfrankreich  wurde  sie  mit  eleganten  Schleiern  und  Frauen- 
schmuck geputzt.  Daraus  hat  sich  allmälilich  die  Bekleidung  der 
Tora  mit  denjenigen  Zierstücken  ("Clp  "^JD)  entwickelt,  die  wir  mit 
geringen  Abweichungen  seit  dem  Mittelalter  überall  antreffen.  Die 
beiden  Enden  der  Torarolle  sind  an  Holzsäulen  (2i^n  f ")  befestigt, 
auf  denen  sie  zusammengerollt  wii'd,  die  Rolle  wird  mit  einer  Binde  oder 
einem  Wimpel  (ns'a)  umwickelt,  darüber  wird  ein  Mäntelchen  {7'>"'a) 
gelegt.  Auf  dem  Mantel  hängt  an  Ketten  nach  Ai't  des  BrustschUdes 
des  Hohenpriesters  eine  Platte  (c::),  die  zumeist  mit  figürlichem 
Schmuck  und  den  Gesetzestafeln  verziert  ist,  sowie  eine  Hand  mit 
langgestrecktem  Zeigefinger  ("i"^),  mit  dem  die  vorzulesende  Stelle 
angezeigt  ^vird.  Oben  auf  den  Holzsäulen  prangt  eine  Ivi'one  (~nw7, 
^.rs)  oder  ein  Paar  Granatäpfel,  die  in  der  Bibel  ebenfalls  als 
Verzierung  der  hohenpriesterlichen  Kleidung  genannt  sind  (ai:ir"i, 
auch  ainiBn).  Nicht  immer  wird  der  Tora  der  ganze  Schmuck  angelegt, 
er  wh'd  je  nach  der  Festlichkeit  des  Tages  abgestuft;  die  meisten  Ge- 
meinden besitzen  die  Ausstattungsgegenstände  auch  in  einfachem  und 
kostbarem  Material  zur  Unterscheidung  zwischen  Wochentagen,  Sab- 
baten und  Festen.  Die  Art  der  Ausführung  hing  von  den  verfügbai'en 
Mtteln  und  dem  Schönheitsinn  ab.  Am  guten  Willen,  die  besten 
Kunsthandwerker  für  die  Arbeiten  heranzuziehen,  hat  es  niemals  ge- 
fehlt ;  seitdem  die  Aufmerksamkeit  wieder  auf  die  Kultusgegenstände 
aus  älterer  Zeit  gelenkt  wurde,  sind  ganz  hervorragende  Leistungen 
des  Kunstgewerbes  für  synagogale  Zwecke  bekannt  geworden. 


'I'iiliiiiic  und   S  urlcst'pult  473 

3.  Die  aiitiki'  Basilika  lmrIoIü  in  einem  erliüiiteii  l'lalzc,  aiil' 
dem  die  Richter  saßen.  Auch  in  den  antiken  Synagogen  finden  wir 
das  wieder,  an  die  Lade  sciiließt  sich  eine  Phittfonii  aiu  die  den 
Namen  ms'^n  (ßi]ua)  fülirt.  In  der  Mischna  bedeutet  r^•ü^^2  das 
eriuihte  Pult,  das  z.  B.  für  den  König  errichtet  wurde,  wenn  er  am 
Ausgange  des  Erlaßjahres  vor  versammeltem  Volke  aus  dem  Deutc- 
ronomiuni  vorlas  (Sota  Vll  7);  die  griechische  Benennung  ents|)rach 
dem  hebräischen  7~^'!2,  von  dem  aus  Ksra  das  Buch  der  Tora  las 
(Xeh.  8  4).  In  der  ungewöhnlich  umfangreichen  Basilika  in  Alexan- 
drien  befand  sich  in  der  Mitte  eine  solche  Tribüne,  von  der  aus 
der  Synagogendiener  der  Gemeinde  Zeichen  gab.  Das  wurde  der 
Anlaß,  in  vielen  Synagogen  in  der  Mitte  eine  Tribüne  zu  bauen, 
von  dort  aus  die  Schrift  zu  verlesen  und  zu  predigen,  Maimonides 
erklärte  es  sogar  für  ein  religiöses  Gebot,  eine  solche  Tribüne  in  der 
Glitte  der  Synagoge  zu  errichten. 

Andere  benannten  die  Stelle,  von  der  aus  vorgelesen  wurde, 
mit  dem  biblischen  "x"i3^,  wieder  andere  gebrauchten  dafür  das 
aus  dem  Tempel  bekannte  Wort  IDTi,  in  jeder  Gegend  wählte  man 
eine  andere  Benennung,  die  sich  aus  der  Bibel  oder  dem  Talmud 
belegen  ließ.  In  China  hieß  die  Tribüne  Mosesstuhl,  wofür  S"npp 
ncc"  im  Midrasch  eine  Analogie  bietet.  Als  deutsche  Übersetzung 
wählt  Jakob  Weil  (um  1400)  den  kirchlichen  Ausdruck  Altar  (^S'l:^"). 
Die  verbreitetste  Bezeichnung  aber,  die  sich  schon  in  Raschis  Talmud- 
kommentar findet,  ist  A 1  m  e  m  o  r  (Almemar),  eine  Verstümmelung 
des  arabischen  Alminbar,  womit  man  die  Kanzel  in  den  Moscheen 
benennt.  Auf  der  Tribüne  mußte  sich  ein  Tisch  oder  Pult  zum  Vor- 
lesen befinden,  wofür  am  einfachsten  '^n^W  oder  SDD,  vielfach 
aber  ebenfalls  ~nT  gebraucht  wird.  Das  letzte  Wort  kam  in  so 
verschiedenartigen  Bedeutungen  vor,  daß  es  für  die  Gelehrten  schwer 
war,  sie  auseinander  zu  halten,  die  Ausdrücke  wechselten,  weil  auch 
die  Anordnung  des  Synagogenbaues  wechselte.  Im  Laufe  der  Zeit 
finden  wir  folgende  Arten  von  Aufstellung  der  Tribüne.  Entweder 
Tribüne  und  Vorbeterpult  werden  getrennt,  das  Pult  befindet  sich 
an  der  Treppe,  die  zur  Lade  führt,  die  Tribüne  unmittelbar  neben 
der  Lade  oder  in  der  Glitte  des  Gebäudes.  Oder  beide  sind  vereint; 
sei  es,  daß  beide  unmittelbar  an  die  Lade  anschließen  oder  daß 
die  Tribüne  mit  dem  Vorbeterpult  und  dem  Vorlesetisch  in  der  Mitte 
des  Raumes  steht.  Namentlich  wenn  die  Synagoge  groß  war  oder 


474  Organisation  des  Gottesdienstes 

aus  mehreren  aneinandergefügten  Räumen  bestand,  war  ihre  Auf- 
stellung in  der  Mitte  sehr  geeignet,  da  dann  der  Vorbeter  nach 
allen  Seiten  gehört  werden  konnte.  Josef  Karo  kannte  aus  eigener 
Erfahrung  zahlreiche  Synagogen,  in  denen  die  Tribüne  nicht  in  der 
Mitte,  sondern  am  Rande  stand,  er  hielt  das  in  kleineren  Räumen 
auch  für  ganz  zweckmäßig,  er  vermied  es  infolgedessen  in  den  Schul- 
chan Aruch  Vorschriften  darüber  aufzunehmen.  Sein  Glossator 
Moses  Isseries  jedoch  fügte  die  erwähnte  Vorschrift  Maimunis  wört- 
lich hinzu,  infolgedessen  wurde  es  in  Deutschland  und  Polen  überall 
als  religiöse  Pflicht  betrachtet,  in  der  Mitte  der  Synagoge  ein  Alme- 
mor  zu  errichten  und  von  dort  aus  die  Tora  vorzulesen  oder  einzelne 
Gebete  zu  sprechen. 

Für  das  Auge  waren  und  sind  die  Almemor  Zierstücke  der 
Synagoge,  sie  wurden  meist  mit  sehr  viel  Kunstfertigkeit,  vielfach 
aus  kostbarem  Material  hergestellt;  schon  aus  dem  Altertum  wkd 
von  der  Verwendung  von  Marmor  für  diesen  Zweck  berichtet.  Ferner 
boten  die  feierlichen  Prozessionen  von  der  Lade  zum  Almemor  und 
zurück  ein  glänzendes  Bild.  Andererseits  aber  waren  mit  der  Auf- 
stellung des  Almemor  auch  viele  Unzuträglichkeiten  verbunden. 
Die  Tribüne  beanspruchte  sehr  viel  Raum  und  versperrte  allen, 
die  hinter  ihr  ihren  Platz  hatten,  die  Möglichkeit,  zu  sehen  und  zu 
hören.  Um  beide  Mißstände  zu  beseitigen,  wurde  neuerdings  in  den 
meisten  modernen  Synagogen  kein  Almemor  in  der  Mitte  errichtet. 
Dadurch  konnte  die  Zahl  der  Sitzplätze  bedeutend  vermehrt  werden, 
es  konnten  ferner  alle  Synagogenbesucher  freien  Ausblick  nach  dem 
Vorbeterpult  und  der  heiligen  Lade  erhalten.  Die  neue  Einrichtung 
stieß  auf  sehr  viel  Widerspruch  und  mußte  in  zahh-eichen  rabbi- 
nischen  Gutachten  gerechtfertigt  werden,  infolge  ihrer  Nützlichkeit 
aber  hat  sie  sich  fast  überall  durchgesetzt;  in  Amerika,  in  Deutsch- 
land und  in  Österreich-Ungarn  sind  Synagogen  mit  einem  Almemor 
in  der  Mitte  nur  noch  in  ganz  seltenen  Fällen  erbaut  worden,  viel- 
mehr wird  die  Tribüne  unmittelbar  vor  den  Stufen  zur  Heiligen  Lade 
angebracht.  Auf  ihr  stehen  das  Vorbeterpult  (auch  "Tar  genannt) 
und  der  Vorlesetisch,  das  erste  der  Lade,  der  letztere  der  Gemeinde 
zugekehrt;  in  ganz  seltenen  Ausnahmefällen  sind  beide  vereinigt. 
Ferner  gehören  zur  Ausstattung  der  Tribüne  seit  alter  Zeit  ein 
Stuhl  (i?C2)  oder  eine  Bank,  auf  denen  derjenige  sitzt,  der  die  Tora 
während  des  ZuroUens  und  bis  zur  Zeit  des  Einhebens  hält.   In  älterer 


Sil/.f   1111(1  Sil/.ordiuiii^^  475 

Zeit  wurde  von  (lt>r  Tribüne  lierah  gej)re(li;^t,  in  (Ion  griechischen 
Synagogen  bediente  man  sieh  einer  eigenen  Kanzel  (aiißo)v);  neuer- 
dings ist  die  Kanz(>l  uninittelhar  vor  dov  ]au\v  (»(h'r  in  vcM'einzelten 
FäMen  an  einem  IMeih-r  der  Seiten  wände  angebracht. 

4.  Sitzgek^genheiten  (sboBD  =  Subsellium)  gab  es  in  (h'ii  alten 
Synagogen  nur  in  selir  geringer  Zahl,  die  Gemeinde  saß  waiirschein- 
lich  zumeist  auf  dem  Fußboden  auf  ausgebreiteten  Matten  (■^D''2 
b.  11  Hatr.  8a).  Die  wenigen  Sitzl)äid<e  sind  an  einigen  galiläischen 
Ruinen  in  die  Mauer  eingelassen  und  noch  sichtbar.  Es  gab  Ehren- 
plätze in  der  Synagoge  (/rooaW«),  die  unter  anderem  an  Wohltäter 
der  Ciemeinde,  aucii  an  weibliche,  verlieiuMi  wurden;  vielleicht 
dienten  die  Plätze  mit  den  in  den  Ruinen  noch  sichtbaren  Kissen 
für  diesen  Zweck.  Auch  den  Gelehrten  wurden  Ehrcrplätze  bewilligt. 
In  der  Tosefta  wird  die  Sitzordnung  in  der  Synagoge  wie  folgt  be- 
schrieben: die  Presbyter  (2"':pT)  sitzen  mit  dem  Gesichte  zur  Ge- 
meinde und  dem  Rücken  zur  f^ade,  das  Vorbeterpult  steht  ebenso, 
desgleiclien  die  Priester,  wenn  sie  den  Segen  sprechen;  die  ganze 
Gemeinde  hingegen  und  der  Synagogendiener  wenden  das  Gesicht 
der  Lade  zu  (Meg.  IV  21,  22710).  Den  Gelehrten  wurden  ilire  Ehren- 
plätze nicht  immer  gegönnt,  in  den  Evangelien  wird  es  ihnen  zum 
Vorwurf  gemacht,  daß  sie  sich  zur  nQOTOAaO^eäoia  drängen  (Mk.  12  3!t 
u,  Par.),  was  nicht  hinderte,  daß  auch  in  den  Kirchen  der  Bischof  seine 
Kathedra  und  die  Geistlichen  ihre  Bänke  auf  der  Tribüne  am  Altar 
hatten.  Derselbe  Name  Ä«"nrp  wird  auch  im  Talmud  für  bevorzugte 
Sitze  verwendet,  in  der  großen  Proseuche  in  Alexancbicn  sollen  71 
solche  Sitze  aus  Gold  vorhanden  gewesen  sein,  auch  im  Mittelalter 
nannte  man  in  Deutschland  die  Ehrenstühle  der  Synagoge  5<"n"''jp. 

Die  Sitzordnung  in  der  Proseuche  in  Alexandrien  ist  auch  darin 
interessant,  daß  dort  die  Plätze  der  einzelnen  Berufsarten  zusammen- 
lagen, jedes  Gewerk  hatte  eine  selbständige  Abteilung  inne,  ,,die 
Goldarbeiter  besonders,  die  Silberarbeiter  für  sich,  die  Schmiede, 
die  Weber  und  die  Tarsienarbeiter  für  sich".  Späterhin  wurden 
solche  Unterscheidungen  und  Bevorzugungen  für  ungehörig  erklärt. 
In  den  europäischen  Synagogen  wurden  ferner  für  alle  Besucher 
Sitzplätze  eingeführt,  man  saß  auf  Sesseln  oder  Bänken,  während 
in  den  mohammedanischen  Ländern  das  Sitzen  auf  der  Erde  auf 
den  ausgebreiteten  Matten  noch  sehr  lange  verbreitet  blieb,  was  im 
Orient  noch  heute  zu  sehen  ist.  wie  überhaupt  in  den  älteren  portu- 


476  Organisation  des  Gottesdienstes 

giesischen  Synagogen  die  Zahl  der  Sitzbänke  gering  ist.  Die  Plätze 
an  der  Ostwand  (niTia)  rechts  und  links  von  der  Lade  blieben  noch 
immer  sehr  begehrt.  Die  Gemeinden  mußten  mit  der  Zeit  dazu 
übergehen,  zur  Deckung  ihrer  Ausgaben  Plätze  zu  verkaufen  und 
zu  vermieten,  es  wurde  aber  darauf  gehalten,  daß  die  als  bevorzugt 
betrachteten  Sitze  auch  wirklicli  den  Würdigsten  vorbehalten  l)lie- 
ben;  regelmäßig  erhielt  der  Rabbiner  einen  Platz  in  der  Nähe  der  Lade 
eingeräumt.  Als  die  Gebetbücher  leichter  zu  beschaffen  waren  und 
sich  häufiger  in  den  Händen  der  Beter  befanden,  mußten  besondere 
Pulte  für  sie  angeschafft  werden  (Ständer  ni^-^),  die  sich  vielfach 
bis  in  die  Neuzeit  erhalten  haben.  Da  sie  beweglich  waren,  erwiesen 
sie  sich  als  ein  selir  störendes  Element  im  Gottesdienste,  sie  nahmen 
überdies  infolge  ihrer  Größe  übermäßigen  Platz  ein,  in  den  modernen 
Synagogen  konnte  dem  einzelnen  soviel  Raum  nicht  mehr  gewährt 
werden,  infolgedessen  sind  sie  beseitigt  worden.  Selbst  in  ganz 
orthodoxen  Gemeinden  werden  Jetzt  feste  Bänke  mit  unbeweglichen 
Lesepulten  errichtet.  Ganz  ohne  Widerspruch  ließ  sich  auch  diese 
Abw^eichung  vom  Herkommen  nicht  immer  durchführen. 

5.  Endlich  ist  noch  der  Beleuchtung  der  Synagogen  zu  ge- 
denken. Der  Talmud  kennt  bereits  Lampen  und  Leuchter  (12, 
rm;^)  und  weiß,  daß  an  einem  so  bedeutsamen  Tage  wie  Jom  Kippur 
mehr  Lichter  angesteckt  werden  als  sonst.  Die  Synagogen  wurden 
an  den  Festen  auch  bei  Tage  beleuchtet,  damit  sie  einen  feierlicheren 
Eindruck  machten.  Man  brannte  im  Altertume  Öl.  Das  wurde 
auch  im  Mittelalter  fortgesetzt;  da  aber  das  Brennöl  im  Abendlande 
wenig  brauchbar  war  imd  viel  Qualm  erzeugte,  ging  man  zur  Be- 
leuchtung mit  Talg-  und  Wachskerzen  (ST2)  über,  ängstliche  Ge- 
müter hielten  es  jedoch  für  richtig,  auch  ihnen  ein  wenig  von  dem 
in  den  alten  Quellen  vorgeschriebenen  Öl  beizusetzen.  In  der  Neuzeit 
wurden  die  technischen  Fortschritte  der  Beleuchtung  widerspruchslos 
für  die  Synagogen  nutzbar  gemacht.  Dem  Herkommen  entsprechend 
brennen  noch  heute  2  Kerzen  vor  dem  Vorbeterpult.  Vor  der  Lade 
befindet  sich  die  ewige  Lampe  (""'ür  i:),  in  der  auch  heute  noch 
Öl  gebrannt  wird,  eine  Erinnerung  an  das  nie  verlöschende  Licht  im 
Heiligtume ;  literarisch  ist  die  ewige  Lampe  vor  dem  1 7.  Jahrhundert 
nicht  nachzuweisen.  Die  Kosten  der  Synagogenbeleuchtung  wnirden 
früher  häufig  durch  freiwillige  Gaben  aufgebracht,  der  Spender 
wurde  im  Gebet  gedacht. 


Kap.  II.     Die  Gottesdienstliche  Gemeinde. 
§  51.  Gemeinde  und  Synagoge. 

Literatur:  Low,  B(l,  V.,  Bacher,  Schürer  das.;  Weinberg,  Die  Orgaui- 
satiou  der  jüdischen  Ortsgenicindcu  in  dor  tainmdischcn  Zeit  in  MS  XLI, 
1897,  S.  588  ft\ 

1.  Das  Vorhandensein  einer  Synagoge  wird  in  Palästina  zur  Zeit 
der  Misclina  als  selbstverständlich  vorausgesetzt;  einem  Gelehrten 
wird  empfohlen,  an  einem  Platze  ohne  Synagoge  überhaupt  nicht 
zu  wohnen  (b.  Sanh.  17b).  Es  gab  Synagogen  selbst  in  kleinen 
Flecken  ("!23),  in  denen  nur  an  den  Markttagen  (nc^rDn  i)a"^)  die  für 
den  Gottesdienst  notwendige  Zahl  von  Männern  zusammentraf, 
natürlicii  erst  recht  an  größeren  Plätzen  (nbn;^  i^J'),  in  denen  regel- 
mäßig auf  10  berufsfreie  Leute  gerechnet  werden  durfte,  und  in  den 
Hauptstädten  (T^s),  wo  sogar  Fremde  aus  der  Umgegend  sich  am 
Gottesdienste  beteiligten.  Zum  Bau  einer  Synagoge  und  zum  Ankauf 
der  biblischen  Schriften  können  die  Bewohner  einer  Stadt  durch  eine 
ihnen  auferlegte  Besteuerung  gezwungen  werden;  so  lautet  das 
Gesetz  der  Religionsquellen,  das  mit  den  durch  das  Staatsgesetz 
gebotenen  Modifikationen  bis  in  die  Gegenwart  zu  Recht  besteht. 
Gar  zu  häufig  brauchten  die  Gemeinden  das  Zwangsverfahren  nicht 
zur  Anwendung  zu  bringen,  die  Mitglieder  haben  sich  die  notwendigen 
Opfer  gern  auferlegt.  In  der  Diaspora  war  die  Möglichkeit,  zwangs- 
weise das  Umlageverfahren  anzuwenden,  nur  in  den  seltensten  Fällen 
gegeben;  abgesehen  von  Babylonien,  wo  die  Gemeinden  eine  straffe 
Organisation  besaßen,  war  man  dort  stets  auf  freiwillige  Beiträge 
angewiesen.    Es  hat  auch,  wie  \nv  sehen,  niemals  daran  gefehlt, 

2,  Es  kam  vor,  daß  ein  Privatmann  (T^ni)  die  Synagoge  errichtete 
und  der  Gesamtheit  zur  Verfügung  stellte,  oder  daß  er  einen  als  "Wohn- 
haus gedachten  Bau  für  gottesdienstliche  Zwecke  widmete  (C^pn). 
Selbst  Heiden  haben  solche  Schenkungen  gemacht.  Wie  das  Evan- 
gelium erzählt,  daß  ein  römischer  Centurio  den  Juden  von  Kapernaum 


478  Organisation  des  Gottesdienstes 

die  Synagoge  erbaut  hat  (Luk.  7  5),  so  berichtet  auch  der  Talmud 
wiederholt  von  Heiden,  die  den  Synagogenbau  gefördert  haben,  eine 
griechische  Inschrift  gibt  davon  Kunde,  daß  in  Akmonia  in  Plirygien 
sogar  eine  Priesterin  des  Kaiserkultus,  Julia  Severa,  die  Synagoge 
gestiftet  hatte.  So  ist  es  unter  veränderten  äußeren  Verhältnissen 
zu  allen  Zeiten  geblieben;  es  ist  immer  wieder  vorgekommen,  daß 
einzelne  Glaubensgenossen  iliier  Gemeinde  ein  Synagogengebäude 
geschenkt  haben,  es  hat  auch  niemals  an  vereinzelten  Beispielen  ge- 
fehlt, daß  von  nichtjüdischer  Seite  vollständige  Gebäude  oder  größere 
Beiliilfen  für  gottesdienstliche  Zwecke  zur  Verfügung  gestellt  wiu-den. 
]S^icht  immer  wurde  das  ganze  Gebäude  hergegeben,  dann  kamen 
wenigstens  einzelne  Teile  durch  Spenden  {tlyai  =  nn~:)  zusammen, 
oder  es  wurde  gesammelt  und  auch  das  bereits  vorhandene  Vermögen 
der  Gemeinden  mitbenutzt.  Xamentlich  für  größere  Orte  gingen 
viele  Beiträge  von  auswärts  ein,  von  solchen  Glaubensgenossen,  die 
häufiger  die  Stadt  zu  besuchen  und  dem  Gottesdienste  beizuwohnen 
Gelegenheit  hatten.  Wenn  die  Synagogen  baufällig  waren  oder  ver- 
größert werden  mußten,  wurden  die  Mittel  auf  dieselbe  Weise  auf- 
gebracht. Sie  flössen  bisweilen  so  reichlicli,  daß  sogar  Gelder  über- 
schüssig waren  und  eine  andere  zweckentsprechende  Verwendung 
finden  mußten.  Die  Xamen  der  Spender  wurden  dm'ch  Inschriften 
an  den  Wänden  des  Synagogengebäudes  oder  an  den  von  ihnen  ge- 
stifteten Teilen  des  Baues  verewigt.  In  Kefr  Berein  berichtet  eine 
Inschrift,  daß  der  Le^'ite  Josef  den  Türsturz  hatte  anfertigen  lassen, 
in  Hammam-Lif  hat  Asterius,  der  Sohn  des  Rustikus  zusammen  mit 
Margerita,  der  Tochter  des  Riddeus  einen  Teil  der  Vorhalle  mit  Mosaik 
geschmückt,  im  Innern  wiederum  hat  eine  junge  Dame  namens  Jidiana 
„für  ihr  Seelenheil"  die  Synagoge  mit  Mosaik  auslegen  lassen.  Solche 
^sachrichten  lassen  sich  aus  allen  Jahrliunderten  in  großer  Zalil  zu- 
sammenstellen, die  von  außerordentlicher  Opferwilligkeit  und  Frei- 
gebigkeit zeugen.  Xicht  anders  war  es  mit  den  einzelnen  Stücken 
der  inneren  Einrichtung.  x\lle  Gegenstände,  die  im  Innern  der  Synagoge 
standen,  vom  einfachsten  Stuhl  bis  zur  ToraroUe  und  ilu-en  Aus- 
schmückungsstücken, konnten  gestiftet  werden  und  wurden  gespendet. 
Auch  an  diesen  Widmungen  haben  sich  Nicht  Juden  ebenso  wolü  be- 
teiligt wie  Juden.  Die  Namen  der  Spender  werden  seit  dem  Altert lun 
auf  den  Gegenständen  ilirer  Widmung  zum  ehrenden  Andenken  verewigt . 
In  vielen  Gemeinden  ist  es  Sitte,  daß  an  den  Gedenktagen  einzelner 


W'idituiiigrii  fiir  (las  Clotteshaus  479 

Kaiiiilii'ii  die  diircli  ihii'ii  ()])l'('rsimi  der  Syiiaguge  f^esclieidvtcn  (j('',^'ii- 
stände  zur  Verwendung  konimen.  Im  westlichen  Dcutscliland  besteht 
die  Einriclitung,  daß  die  Knaben,  wenn  sie  das  erstemal  in  die  Synagoge 
getragen  werden,  einen  Wimpel  für  die  Torarolle  mitbringen,  auf  dem 
ihr  Xame  und  ihr  (leburtsdalum  aufge/AMchnet  ist,  so  daß  die  Ge- 
meinden in  ihrer  Wimi)elsammlung  geradezu  ein  Dujjlikat  desGeburten- 
regislers  besitzen.  Kür  die  Wohltäler  der  Synagoge  wurde  voiu  frühen 
Mittelalter  an  am  Sabbat  ein  Gebet  gesprochen  (oben  S.  203). 

3.  Von  der  Art  der  Aufbringung  der  Mittel  für  den  Bau  der 
Synagoge  und  für  ihre  innere  Einrichtung  hängt  das  Verfügungsrecht 
darüber  ab.  Im  allgenuMuen  darf  das  Synagogengebäude  für  andere 
als  gottesdienstliche  Zwecke  nicht  verwendet  werden,  nur  das  Lehr- 
haus steht  noch  höher  als  das  Bethaus.  Die  Einrichtungsgegenstände 
wiederum  haben  einen  höheren  Grad  der  Weihe  als  das  Gebäude, 
am  höchsten  steht  die  Tora.  Nach  den  alten  Bestimnumgen  soll  man 
ein  Bethaus  überhaupt  niclit  veräußern  oder  zum  mindesten  aus- 
bedingen, daß  es  nur  für  würdige  Zwecke  verwendet  wird.  Diese  Be- 
stimmung ließ  sich  aber  nicht  für  alle  Zeiten  in  vollem  Umfange 
aufrechterhalten.  Wo  Private  oder  kleine  Vereinigungen  aus  eigenen 
Mitteln  ein  Bethaus  errichtet  hatten,  gewährte  man  ihnen  auch  ein 
völlig  freies  Verfügungsrecht.  Die  Gemeinden  konnten  nicht  ebenso 
unbeschränkt  verfahren,  im  allgemeinen  mußte  die  Gemeindever- 
tretung sich  der  Zustimmung  der  Gemeindeversammlung  versichern  ; 
in  größeren  Orten,  wo  für  den  Bau  der  Synagogen  auch  Gelder  von 
auswärts  bewilligt  worden  waren,  war  ein  Verkauf  überhaupt  nicht 
zulässig.  Widmungen  durften  nur  im  Sinne  der  Stifter  verwendet 
werden,  erst  wenn  ihre  Xamen  auf  den  Gegenständen  nicht  mehr 
zu  erkennen  oder  vollständig  aus  dem  Gedächtnis  geschwunden  waren, 
fanden  ihre  Spenden  auch  andere  Bestimmung,  freilich  immer  zu  äiin- 
lichen  Zwecken.  Im  Mittelalter  kam  es  vor,  daß  einzelne  Spender 
sich  und  ihren  Erben  für  alle  Zeiten  das  Recht  vorbehielten,  die  not- 
wendigen Reparaturen  an  der  Synagoge  stets  aus  eigenen  Mitteln  zu 
bestreiten;  es  konnte  vorkommen,  daß  die  Erben  dann  einmal  dieses 
Recht  an  andere  abtreten  wollten,  aber  die  Gemeinden  ließen  es  sich 
nicht  gefallen,  wenn  die  neuen  Besitzer  des  Rechtes  ihnen  nicht  gleich 
würdig  erschienen.  Überhaupt  war  man  in  bezug  auf  die  Verwertung 
der  Synagogengebäude  oder  ihres  Materials  außerordentlich  streng. 
Man  duldete  nicht  einmal,  das  Material  einer  alten  Svnagoge  für  einen 


480  Organisation  des  Gottesdienstes 

Neubau  zu  verwenden;  erst  wenn  das  neue  Gebäude  vollständig 
fertig  und  benutzbar  dastand,  durfte  an  eine  Verwertung  des  alten 
Betliauses  gedacht  «w^erden. 

4.  Wie  in  den  größeren  Orten  die  Synagoge  ilire  Benutzer  nicht 
ausschließlich  aus  dem  Stadtbereich  hatte,  sondern  ihre  Wirksamkeit 
darüber  hinaus  erstreckte,    so    geschah  es  auch  andererseits    meist, 
daß  nicht  alle  Bewohner  eines  größeren  Platzes  zu  ein  und  derselben 
Synagoge  gehörten,  sondern  daß  mehrere  Gemeinden  und  Bet- 
häuser in  ihnen  vorhanden  waren.   Das  war  in  Palästina  nicht  minder 
wie  in  der  Diaspora  so  eingerichtet.  Die  Unterscheidung  der  Gemeinden 
erfolgte  sehr  häufig  nach  Landsmannschaften.   .,Da  stunden 
etliche  auf  von  der  Schule,  die  da  heißet  der  Libertiner,  und  der  Kyrener 
und  der  Alexanderer  und  derer,  die  aus  Cilicien  und  Asien  waren." 
Was  hier  die  Apostelgeschichte  (G  9)  berichtet,  wird  auch  durch  andere 
Quellen  aus  dem  Altertum  bestätigt.    Der  Talmud  erzählt  von  einer 
Synagoge  der  AlexancMner  in  Jerusalem,  der  Babylouier  in  Sepphoris, 
der  römischen   Juden  in  Mechusa.    Die   Inschriften  berichten  von 
einer  Synagoge  der  Hebräer  in  Eom,  denen  die  Vernaclesier  gegen- 
überstehen, so  daß  eine  Scheidung  zwischen  denjenigen  anzunehmen  ist, 
die  die  Muttersprache  beibehalten  hatten  und  denen,  die  das  Idiom 
der  Umgebung  bevorzugten.    In  einer  Metropolis  Ägyptens  haben  die 
Thebäer  ihre  Synagoge,  und  in  Tarsos  die  Kappadozier.    Diese  Sitte, 
daß   Leute   derselben   Herkunft    sich   zum  Gottesdienst   zusanmien- 
schließen,  wurde  auch  später  beibehalten,  freilich  waren  dann  nicht 
nur  Gründe  der  Landmannschaft,  sondern  auch  des  damit  verbundenen 
Ritus  maßgebend.   So  finden  ^\il•,  um  nur  einige  ganz  wenige  Beispiele 
herauszugreifen,  im  Mittelalter  in  Kaho  die  Synagogen  der  Palästinenser 
("^^lai?©  bfit)  und  der  Babylonier  (l^^pi^n:;  bs),  in  Rom  die  Synagoge 
der  Sizilianer,  der  Kastilier  und  der  Katalonier,  in  Saloniki  die  Syna- 
goge der  Ai-agonier,  derer  von  Barcelona  u.  v.  a.    Oder  es  bildeten 
sich  Synagogen  dadurch,  daß  in  gi'oßen  Handelsstädten  die  Leute 
aus  derselben  Stadt,  die  sich  zu  geschäftlichen  Zwecken  dort  aufhielten, 
zum  Gebet  zusammenkamen;  so  entstanden  in  Breslau  z.  B.  die  Syna- 
gogen der  Glogauer,  der  Lissaer,  der  Krotoschiner,  der  Lemberger, 
der  Landsjuden  u.  a. 

Ein  anderer  Grund  für  die  Gliederung  der  Gemeinden  war  die 
Zugehörigkeit  zu  einem  bestmimten  Berufe.  In  Alexandrien 
hatten,  wie  wir  sahen,  die  einzelnen  Gewerke  ihre  abgegrenzten  Plätze 


\;iiiirii    (Irr  <  ii.lli'sli;iiisiT  4^1 

in  (liT  Synai;uiij(',  auch  die  Lihciliiicr  in  .Icriisalciii  hczcicliiicii  Leute 
eiiios  bcslimiiitcii  Slaiulcs,  in  Tarscis  finden  wir  die  Synai^of^e  der 
Lcinwandliändicr  und  in  Kmn  die  der  Kalkhicnncr.  Die  Tcilnnj;  der 
(iomcindcn  nach  IJciiil'cn  hat  sich  auch  späterhin  xieli'ach  erhalten. 
Sie  hatte  eine  hervorrai^cnde  soziale  Hedeutuiii:.  \'(ni  Alexaiulrien 
heißt  es;,  dal.),  wenn  ein  Krenuler  hinkam,  er  im  (lotteshauso  mit  Leich- 
tif^keit  Zufiang  zu  seinen  Zunitgenossen  und  auf  diese  Weise  Arbeits- 
ii,elegenheit  fand.  Eine  soziale  Funktion  vertrat  die  Synagoge  auch 
dort,  wo  die  Gemeinde  aus  Angehörigen  aller  Beru^sklassen  zusammen- 
gesetzt war.  Der  Fremde,  besonders  der  Arme,  konnte  stets  darauf 
rechnen,  nach  dem  (Jottesdienste  Helfer  zu  finden,  die  sich  seiner 
annahmen,  ihm  Herberge  und  Speise  und.  wenn  es  irgend  anging,  auch 
eine  Beschäftigung  verschafften. 

Man  unterschied  die  Synagogen  auch  nach  äußerlichen  Merk- 
malen, z.  B.  nach  den  E  m  b  1  e  m  e  n  ,  die  an  ihnen  angebracht  waren. 
In  Sepphoris  gab  es  eine  Synagoge  des  Weinstocks  (s:si:n  s<nr;3), 
in  Rom  eine  solche  des  Ölbaumes  (hhtla^).  vielleicht  diente  auch  der 
siebenarmige  Leuchter  oberhalb  des  Portals  in  Xebratain  eiiuM"  solchen 
Unterscheidung. 

Manche  Gemeinden  hatten  ihren  Namen  von  berühmten 
Männern  oder  hervorragenden  Förderern.  In  Rom  finden  wir  die 
Synagoge  der  Augustesier,  die  entweder  nach  dem  Kaiser  Octaviau  oder 
nach  dem  jeweiligen  Augustus  sich  bezeichnete,  oder  aber  hauptsäch- 
lich aus  Sklaven  und  Freigelassenen  Octavians  sich  zusammensetzte. 
Eine  andere  Synagoge  war  nach  Alexander  Severus  benannt;  in  ihr 
soll  sich  eine  Torarolle  befunden  haben,  die  von  Titus  nach  Rom 
gebracht  und  vom  Kaiser  den  Juden  zum  Geschenk  gemacht  worden 
war.  Auch  nach  jüdischen  Fürsten  nannte  man  die  Synagogen,  eine 
römische  Gemeinde  heißt  nach  Herodes,  eine  andere  höchstwahrschein- 
lich nach  dem  König  Agrip])a. 

In  den  mohammedanischen  Ländern  erhielt  sich  die  Sitte,  die 
Synagogen  nach  biblischen  Personen  zu  benennen,  zumeist 
wiu-den  dann  Beziehungen  zwischen  jenen  Männern  und  den  be- 
treffenden Orten  zugrunde  gelegt.  So  gab  es  Mosessynagogen  in  Fostat 
und  Damwah  in  Ägypten,  in  Aleppo  u.  a.  Besonders  zahlreich  sind  die 
Eliasynagogen;  wir  finden  sie  in  Jaujar  und  Fostat,  in  Damaskus  und 
Byblus.  in  Laodicea  und  Hama,  vielleicht  auch  schon  um  600  in 
Sizilien.    In  Palästina  und  Babylonien  leitete  man  die  Bezeichnungen 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  31 


482  Organisation  des  Gottesdienstes 

der  Synagogen  aiicli  von  Tannaim  und  Amoraim  ab,  besonders  er- 
freute sich  der  Xanie  Simon  b.  Jocliais  großer  Beliebtheit;  in  den 
meisten  Fällen  befinden  sich  jene  Synagogen  neben  den  angenommenen 
Grabstätten  der  Lehrer  und  erinnern  an  die  Kubbah,  weiche  die 
Mohammedaner  über  heiligen  Gräbern  zu  errichten  pflegen.  Auch 
diese  Sitte,  Bethäuser  nach  berühmten  Männern  der  Vorzeit  zu  be- 
nennen, hat  sich  niemals  ganz  verloren,  wenn  sie  auch  im  Laufe  der 
Zeit  selten  geworden  ist.  In  gewissem  Sinne  erinnert  daran  die  schöne 
Sitte  der  Gemeinden  in  Nordamerika,  sich  einen  Beinamen  beizulegen, 
der  an  eine  biblische  Bezeichnung  anklingt. 

Im  Gegensatz  dazu  sind  die  in  Europa  gewählten  Xamen  nüchtern. 
Wo  mehrere  Synagogen  vorhanden  sind,  werden  sie  nach  ihrer  Lage 
unterschieden  oder  allenfalls  als  alte  und  neue  Synagoge  (auch  im 
Mittelalter  schon  ]Tr"'  PDZDn  r^n)  bezeichnet.  Auch  diese  Sitte  kann 
sich  auf  alte  Vorbilder  berufen,  in  Rom  z.  B.  finden  wir  die  Gemeinde 
der  Campesier,  die  am  Campus  Martins,  und  der  Suburesier,  die  in 
der  Nähe  der  Subura  ihr  Bethaus  hatte. 


§  52.  Die  Beamten  der  Gemeinde. 

Literatur:  Low,  Schürer.  Bacher,  Weinberg-.,  das.;  JE  Art.  Archi- 
synagogue  11,  86,  Hazzau  VI,  284  ff 

1.  Die  Verwaltung  der  Gemeinde  war  nicht  überall  und  zu  allen 
Zeiten  gleich.  Wenn  sie  auch  nach  Mögliclikeit  den  Zuständen  der 
ältesten  Epoche  angepaßt  worden  ist,  so  sind  doch  gewisse  .\bwei- 
chungen  unvermeidlich.  Die  UnterscMede  prägen  sich  nicht  nur  in 
der  Sache,  sondern  c  uch  in  der  Bezeichnung  der  Funktionen  aus. 
In  den  Quellen  ist  das  Bewußtsein  der  Verschiebung  nicht  immer 
deutlich  vorhanden,  daher  werden  die  Xaclirichten  der  älteren  Zeit 
häufig  schief  aufgefaßt ;  es  kommt  sogar  vor,  daß  die  Texte  unrichtig 
wiedergegeben  werden,  weil  man  inz^^ischen  mit  den  Worten  einen 
anderen  Sinn  verband. 

Die  Gemeinde  (noiD"  i:n)  ist,  wie  wir  gesehen  haben,  mit  der 
Kommune  (ii^n  i:n)  nicht  identisch.  Die  Verwaltung  der  religiösen 
Gemeinde  liegt  daher  nicht  in  den  Händen  der  Leiter  der  Stadt  ("^D^ns 
"i"'7n);  da  wo  die  Ortsbehörden  die  Leitung  haben,  wird  ein  besonderer 
Ausschuß  mit  den  Angelegenheiten  der  Synagoge  und  des  Gottes- 


Xorstclicr   der    (IdUrslKUiscr  483 

tliciistcs  betraut.  So  war  os  \ViMiiü:stt'ns  in  Palästina  iiiul  in  dciijonigen 
Orten  Babyloniens,  deren  iMiiwoliner  in  überwicj^cnder  Zahl  jUdiscli 
waren.  In  der  Diaspora  lai^;  die  äußere  \'erwaltnng  der  Gemeindein  der 
Hand  der  Arehonten.  an  deren  S|)itze  der  (lerusiarch  stand.  Uns 
soll  hier  nur  der  (iottesdienst  hesehiUligen.  für  dessen  Leitung  nach 
den  ältesten  Quellen  niclit  mehr  als  zwei  Beamte  in  Betracht  kommen, 
iWr  \'()rsteher  und  der  Diener  der  Syiuigoge. 

2.  Der  Vorstehe  r  der  Syn.i^oge  heiüt  in  Palästina  TDJ^l 
rc:2n,  in  der  griechisch-römischen  Diaspora  aQXKfvmyioyog,  ÜQyojv 
xijc:  avvayioy7]g,  Archisynagogos  (Arcosinagogus).  Er  hat  den  Gottes- 
dienst zu  leiten  und  darin  die  Funktionen  zu  verteilen.  Aus  der  Reihe 
dei'  Besucher  des  Gottesdienstes,  ganz  gleich,  ob  sie  Mitglieder  der  Ge- 
meinde sind  oder  nicht,  fordert  er  einen  auf,  die  Gebete  vorzutragen. 
Wenn  aus  der  Schrift  gelesen  werden  soll,  wird  ihm  die  Tora  gereicht, 
er  wählt  diejenigen  aus,  die  zum  Vorlesen  hintreten,  er  beehrt  nachher 
einen  mit  der  Aufforderung  zu  predigen.  Er  sorgt  auch  für  die  äußere 
Ordnung  in  der  Synagoge;  wer  etwas  Unrechtes  tut,  wird  von  ihm 
zurechtgewiesen  (vgl.  Luk.  13 14).  Die  Sorge  für  das  Sypagogengebäude 
mag  nicht  an  allen  Orten  zu  seinen  Aufgaben  gehören,  aber  es  ent- 
spricht doch  seinem  Amte,  daß  er  es  in  Stand  hält  und  erforderlichen- 
falls die  Kosten  für  seine  Ausbesserung,  Vergrößerung  oder  gar  für 
einen  Neubau  aufbringt.  Das  Amt  ist  sehr  geschätzt,  vielleicht  das 
höchste,  das  die  Gemeinde  zu  vergeben  hatte.  Die  ptioSD  "»tCitn  stehen 
im  Range  zwar  nach  den  Gelehrten  (a'i'aDn  ^Tiiabr)  und  den  Primaten 
(min  ^b^iÄ),  aber  vor  den  Armenvorstehern  {^'P''^  "^^«33  b.  Pes.  49a). 
Auch  bei  der  Toravorlesung  haben  sie  einen  bevorzugten  Platz,  die 
Etikette  verlangt  es  jedoch,  daß  der  Vorsteher  nur  dann  liest,  wenn 
von  den  Genieindemitgliedern  die  Aufforderung  dazu  an  ihn  ergeht 
(Tos.  Meg.  IV  21,  227 10).  Bei  Leichenfeiern  wurde  eine  Zeitlang  zu 
Ehren  des  norsn  lUi?"!  ein  Becher  geleert  und  ein  Segen  gesprochen. 
Das  Amt  war  nicht  leicht,  es  nahm  viel  Zeit  in  Anspruch,  die  kaiser- 
liche Gesetzgebung  bestimmte  daher,  daß  die  Archisynagogen  von 
allen  persönlichen  Dienstleistungen  gegen  den  Staat  und  die  Kommunen 
befreit  sein  sollten.  Ob  immer  nur  ein  Archisynagogos  fungierte  oder 
mehrere  nebeneinander,  ist  aus  den  Quellen  nicht  ersichtlich.  Manch 
einer  bekleidete  gleichzeitig  noch  andere  Ämter,  wie  das  des  Archon, 
es  seheint  auch,  daß,  wer  einmal  ein  solches  Amt  bekleidet  hatte,  den 
Titel  für  alle  Zeiten  behielt.   Das  Amt  wurde  durch  Wahlen  vergeben, 

31* 


484  Organisation  de?  Gottesdienstes 

der  Inhaber  konnte  wieder  gewählt  werden,  sogar  auf  Lebenszeit 
{dia  i:iiof)  ernannt  werden.  Es  kam  auch  vor,  daß  der  Sohn  dem  Vater 
im  Amte  folgte.  Trotz  aller  demokratischen  Gesinnung  liebte  man  es 
im  allgemeinen,  die  Ämter  von  den  Vätern  auf  die  Söhne  zu  vererben, 
es  scheint,  daß  ^^elfach  auch  unser  Amt  auf  dem  Wege  der  Erbschaft 
übertragen  wurde;  sicher  ist,  daß  der  Titel  auch  unmündigen  Kindern 
zuerteilt  Avü-d,  daß  sie  als  zukünftige  Archisynagogoi  {ao/iaivdycoyog 
vr^TiioQ)  bezeichnet  wurden. 

Auf  diese  Weise  wurde  der  Name  Archisyuagogos  mit  der  Zeit 
ein  Elrrentitel,  mit  dem  ein  Amt  nicht  verbunden  war.  Auch  Frauen 
füliren  ihn  daher,  so  nennt  eine  Säule  in  Myndos  die  Archisynagogin 
Theopemptes,  ein  Grabmal  in  Smyrna  ist  von  der  Jüdin  Rufina  er- 
richtet, die  denselben  Titel  trägt.  Andererseits  wd  das  Wort  auch  als 
Spottnamen  verwendet,  der  Kaiser  Alexander  Severus  ymA  ein  Syrus 
Archisynagogos  genannt,  wahrscheinlich,  weil  er  den  jüdischen  Ge- 
meinden seine  Gunst  schenkte,  vielleicht  gar  ihre  Synagoge  bereicherte 
(oben  S.  481). 

In  welchem  Verhältnis  die  TTQEaßi'Tcooi,  die  boiEusebius  als  Leiter 
der  judenchristlichen  Gemeinden  und  im  Codex  Theodosianus  neben 
den  Ai'chisynagogi  genannt  werden,  zu  ihnen  stehen,  ist  nicht  recht 
Idar;  rtQEQßvitQOi  ist  die  Übertragung  von  a"^:pT,  welche  nach  dem 
Talmud  Elu-ensitze  im  Gotteshaus  einnahmen.  Ebensowenig  sind  wir 
über  die  Bedeutung  ähnlicher  Titel  wie  yr^offrarTjc  und  enioraT^g 
unterrichtet. 

IVIit  besonderen  Leistungen  zum  Wohle  der  Gemeinde  sind  die 
Titel  7taTi]Q  OiraycjyriQ  imd  ^ir^rr^Q  avvaycoyrig,  die  auch  lateinisch 
als  Mater  syn.  und  sogar  Pateressa  vorkommen,  verknüpft.  Ein  Amt 
war  damit  nicht  verbunden,  sie  waren  Ehrentitel  für  wohlverdiente 
Personen,  die  nach  Ait  unseres  Elirenbürgerrechtes  ausgezeichnet 
werden  sollten.  Aus  einigen  Beispielen  läßt  sich  vermuten,  daß  der 
Titel  an  besonders  würdige  und  betagte  ]\litglieder  verliehen  wurde. 
Interessant  ist  es,  daß  ein  und  dieselbe  Person  die  Auszeichnung  von 
melu'eren  Synagogen  erhalten  konnte;  welch  hohe  Ehre  darin  erblickt 
wurde,  beweist  am  besten  eine  römische  Grabinschrift,  in  welcher 
der  Gatte  der  Verstorbenen  als  Bruder  eines  Vaters  der  Synagoge  be- 
zeichnet wü'd. 

So  reich  wie  aus  der  Diaspora  ist  das  aus  talmudischen  Quellen 
fließende  Material  nicht.    Der  Name  ro:2"  ffis?^  kommt  in  nachtan- 


\  iti'stclicr.    Dinier  der  ('ictniMiidi'  485 

Haitischer  Zeit  nicht  iiu'hr  vor,  es  ist  auch  traulich,  ob  die  'rrciiiunif^  der 
Ämter  in  (h'rsellxMi  Weise  l'ortdauerte,  dal.)  der  Leiter  der  Synai^oge 
nicht  (Ut  \'er\valtun<^  der  Cleineiiide  angehörte.  In  der  Toselta  be- 
reits treten  die  ^T"  ■»c:"'E  als  diejeniicen  aid'.  die  das  \'errüt(iin<^s- 
reclit  über  die  Synagoge  besitzen  (Meg.  Uli,  224 11  j,  woliir  Kaba 
T^yn  "^nTJ  nyyas  setzt  (b.  Meg.  2Ga).  Die  späteren  Zeiten  haben  die 
neuen  Namen  festgeiialten.  Die  Verhältnisse  machten  es  oft  eif'ordei- 
lich,  daß  die  X'orsteher  nicht  nur  die  Syntigogen,  sondern  sämtliche 
Angelegenheiten  der  Judenschaft  leiteten;  der  Ausschuß  der  (lenieindi; 
wurde  als  die  '':n'pr{  "»nTü  oder  die  n^CüS  ,a'^5in:i3  bezeichnet,  er  bestand 
auch  später  noch  meist  aus  sieben  Mitgliedern,  häufig  aber  auch  aus 
mehr,  z.  B.  aus  zwölf,  von  tlenen  jedes  einen  Monat  im  Jahre  zu  fun- 
gieren liatte  (ininn  d:iS).  Für  besondere  Zwecke  wurden  eigene 
Konnnissionen  gewählt;  wo  ein  kleinerer  Kreis  mit  der  I>eitung  der 
Synagoge  betraut  wurde,  hießen  seine  Mitglieder  rc;:n  r^n  ^xn3. 
Das  Amt  blieb  stets  unbesoldet,  es  wurde  durch  Wahlen  seitens  der 
Gemeindemitglieder  vergeben  und  war  einem  jeden  zugänglich.  Die 
AValüen  fanden,  wie  in  der  ältesten  Zeit,  in  der  Regel  im  Herbst  statt. 
Neuerdings  wurde  die  Verwaltung  der  Gemeinden  und  die  Verteilung 
der  Ämter  überall  durch  behördlich  anerkannte  Statuten  geregelt. 
Die  Ehrentitel  der  alten  Zeit  kommen  später  nicht  mehr  vor,  die  einzige 
Auszeichnung,  die  verdienten  Gemeindemitgliedcrn  zuteil  wurde, 
w^ar  ilu-e  Walü  in  die  Verwaltung  oder  in  ganz  seltenen  Fällen  ihre 
Befreiung  von  der  Steuerlast. 

3.  Dem  Leiter  des  Gottesdienstes  steht  der  Diener  zur  Seite. 
Er  heißt  hebr.  rc:3n  "[Tn,  aramäisch  5<:Tn,  griech.  i7n]oiTr^q.  Wir 
finden  ihn  in  denselben  Quellen  wie  den  noSDn  TDfiin,  selbst  auf  den 
Grabsclu'iften  wird  verzeichnet,  daß  der  Verstorbene  dieses  Amt  ])e- 
kleidet  hat.  Das  Amt  muß  demnach  ebenfalls  als  eine  Auszeichnung  ge- 
golten und  höher  bew^ertet  worden  sein,  als  bei  uns  durch  die  Bezeich- 
nung Diener  zum  Ausdruck  kommt.  Auch  dem  rc:2n  irn  wurde 
die  Elu-e  zuteil,  daß  bei  dem  Mahle  nach  der  Beerdigung  in  alter  Zeit 
ein  Segen  für  ihn  gesprochen  wurde.  Der  wichtigste  Unterschied  wh-d 
der  gewesen  sein,  daß  das  Amt  aller  Wahrscheinliclikeit  nach  besoldet 
war.  Der  rorrn  "itn  hat  beim  Gottesdienst  die  Anordnungen  des 
Vorstehers  auszufüliren,  durch  ihn  ergehen  die  Aufforderungen  an 
diejenigen  Gemeindemitglieder,  die  zum  Vorbeten,  Vorlesen  oder 
Predigen  eingeladen  werden.    Er  hat  die  biblischen  Rollen  aus  dem 


486  Organisation  des  Gottesdienstes 

Schrein  zu  bringen  und  sie  wieder  dorthin  zu  tragen,  er  hat  auch  die 
zu  lesende  Stelle  in  ihnen  aufzuschlagen.  In  der  Synagoge  nimmt 
er  einen  besonderen  Platz  ein  (oben  S.  475).  der  minier  besetzt  sein 
muß;  wenn  er  z.  B.  aus  der  Tora  liest,  muß  ein  anderer  ihn  an  seinem 
Platze  vertreten.  In  der  großen  Proseuche  in  Alexandrien  stand  er 
während  des  Gottesdienstes  auf  der  Tribüne  in  der  Mitte  mit  einer 
Fahne  in  der  Hand,  mit  der  er  der  Gemeinde  das  Zeichen  gab,  so  oft 
sie  mit  Amen  einzufallen  hatte  (Tos.  Sukk.  IV  6,  198  23).  In  einem 
Texte  dieses  Berichts  ist  der  Beamte  n:"iü^  genannt  (j.  das.  V 1,  55b). 

Die  Funktionen  des  TDIDn  "n  waren  vielseitig.  Er  hatte  das 
Synagogengebäude  zu  überwachen  und  in  Ordnung  zu  halten,  es 
wm'de  ihm  daher  eine  Wohnung  darin  zugewiesen.  Auch  als  Wächter 
der  Stadt  whd  er  genannt,  als  städtischer  Beamter  hat  er  die  Ein- 
wohnerschaft nach  Jerusalem  zu  begleiten,  wenn  sie  die  Erstlinge 
dorthin  bringt.  Endlich  hat  er  als  Diener  des  Gerichtshofs  u.  a.  auch 
die  Geißelstrafe  zu  vollziehen.  Das  Verwalten,  iVufsichtführen  lag 
in  der  Grundbedeutung  des  Worts,  Epiphanius  ist  in  gewissem  Sinne 
im  Rechte,  wenn  er  die  aCavhai  mit  den  Diakonen  vergleicht,  sie 
hatten  tatsächlich  die  Tätigkeit  eines  Verwalters.  Daß  immer  ein  und 
derselbe  Beamte  alle  genannten  Leistungen  ausführen  konnte,  ist 
kaum  anzunehmen,  wahrscheinlich  ist  in  den  meisten  Fällen  das  Wort 
rc^DH  nur  fälsclilich  zu  "jTn  hinzugefügt  oder  aber  der  Gemeinde- 
diener mußte  tatsächlich  für  alle  diejenigen  Behörden  Dienste  ver- 
richten, die  im  Gemeindehause  tagten. 

Nicht  ganz  in  den  Rahmen  der  zuletzt  genannten  Funktionen 
passen  die  Nachrichten,  die  den  PD^Dn  "n  als  Kinderlehrer  nennen, 
der  den  ersten  Leseunterricht  zu  leiten  und  die  sabbatlichen  Lektionen 
einzuüben  hatte;  als  solcher  heißt  er  auch  "iBD.  Xakkai,  einer  der 
Begründer  der  masoretischen  Studien,  wkd  in  einer  Tradition  als 
Synagogendiener,  der  die  Kerzen  in  Ordnung  zu  bringen  hat.  in  einer 
anderen  als  "iSC  bezeichnet.  Der  Ausdruck  für  Diener  lautet  an  dieser 
Stelle  allerdings  ffilsTr,  denn  spätere  Quellen  kannten  und  unterschieden 
das  nicht  melir  genau.  Daher  wird  in  einem  ^iel  zitierten  Bericht 
(j.  Jeb.  XII  E.,  13a)  erzälilt,  daß  die  Gemeinde  in  Simonias  von  Juda  I 
einen  Mann  empfohlen  zu  haben  wünschte  "i'^'^zr'a  "SC  'ini  "ji'^T  iC^m 
piDils  bD  ■":;  nnri.  Man  könnte  es  zur  Not  erklären,  daß  eine  kleine 
Gemeinde  einen  solchen  Tausendkünstler  brauchte,  der  die  hetero- 
gensten Funktionen  ausübte,  riclitig  aber  ist  wohl,  was  in  der  Parallel- 


Diener    der    (leiiieiiMli'  487 

Stelle  ((i(Mi.  r.  Sl)  von  ilim  ^n'fordcrt  wiril  ni^.r^  ":^^^{  N'pr  xn^C 
lll'^'l  ns  "ill  i:riS;  danach  hraiiclitc  er  also  nur  zu  leinen  uiul  zu 
richten  (l->-':r73  lEO  "j"^^-:). 

Der  Zusammenhang  zwischen  "itn  und  IBC  führt  uns  zu  einer 
anderen  Kr\väc;ung.  Auf  einer  K(Mhe  riuiiiscluT  Inschriften  finden  wir 
den  Titel  ;'(>«//// (aei'c,  mehrfach  in  \'erhin(hini(  mit  (leiiieinden.  so 
dali  sie  als  Gemeindebeamte  angesehen  werden  (nüssen.  l']s  ist  nicht 
ausgeschlossen,  daß  -orn/z^rf/f/'c  die  Übersetzung  von  "EC  ist  und  einer 
der  Funktionen  des  ITn  entspricht. 

In  nachtalmudischer  Zeit  wurde  der  Diener  T'CT  genannt,  seine 
Funktionen  in  der  Synagoge  und  beim  Gottesdienste  blieben  im 
großen  und  ganzen  dieselben,  auch  Nebenämter  waren  fast  stets  mit 
seiner  Stellung  verbunden,  die  dim  das  Auskommen  ermöglichen 
sollten.  Dem  Amte  fehlte  auch  späterhin  nicht  ein  gewisses  Ansehen, 
nicht  gar  zu  selten  waren  es  gelehrte  Männer,  die  es  bekleideten.  Was 
dem  Synagogendiener  eine  eigenartige  Stellung  gab.  war  seine  große 
Vertrautheit  mit  den  Gemeindemitgliedern,  mit  denen  er  bei  freudigen 
und  traurigen  Gelegenheiten  in  Berührung  kam. 

In  größeren  Gemeinden  war  ein  zweiter  Diener  angestellt,  der 
Schulklopfer  (Schidklöpper),  der  die  Aufgabe  hatte,  mit  einem  Hammer 
an  die  Tür  der  Synagoge  oder  gar  an  die  Tür  jedes  Gemeindemitglieds 
zu  klopfen  und  zum  Gottesdienste  zu  rufen.  Da  seine  Leistung  der 
des  Glöckners  der  Ku-che  entspricht,  wird  er  in  Urkunden  Campanator, 
Glockenere  genannt.  Das  Amt  ist  alt,  schon  aus  dem  Jahre  200  wird 
ein  i^T^p'Q  genannt  (j.  Bez.  V  2,  63a).  In  einigen  Gemeinden  wurde 
der  Schlägel  als  so  wichtiges  Instrument  angesehen,  daß  man  sogar 
gestattete,  ihn  in  der  Heiligen  Lade  zu  verwahren  (j.  Meg.  III 1,  73  d). 
Der  Schulklopfer  war  im  Mittelalter  selbst  in  christlichen  Kreisen  der 
bekannteste  ^Mann  der  jüdischen  Gemeinde.  Seine  Leistung  galt  als 
so  wichtig,  daß  sogar  die  Zahl  der  Schläge,  die  er  in  den  verschiedenen 
Gegenden  bei  seiner  Runde  an  den  Türen  machte,  überliefert  wurde. 
Die  Gerichtsbehörden  benutzten  ihn  häufig  als  Büttel  zur  Erledigung 
polizeilicher  Aufträge. 

4.  Außer  dem  Vorsteher  und  dem  Diener  kannte  die  Synagoge 
des  Altertums  keinen  Beamten.  Der  Vortrag  der  Gebete,  die  Ver- 
lesung und  Erläuteruno;  der  Schrift  erfolgten  durch  Gemeindemit- 
glieder, der  Vorsteher  bestimmte,  wem  die  Ehre  zuteil  werden  sollte, 
vorzubeten,  Tora  und  Propheten  zu  lesen  oder  zu  übertragen  und  zu 


488  Organisation  des  Gottesdienstes 

predigen.  Jedem  Besucher  des  Gottesdienstes  waren  sämtliche  Funk- 
tionen zugänglich,  nur  die  persönliche  Würdigkeit  war  für  die  Zulassung 
maßgebend,  ein  Vorrecht  durch  Geburt  oder  fachmännische  Ausbildung 
gab  es  nicht.  Wenn  in  den  ältesten  Quellen  bereits  der  Vorbeter  als 
Beauftragter  der  Gemeinde  ("iliis  rr^bTT)  erscheint,  so  ist  damit  nicht 
ein  ständiges  Amt  bezeichnet,  sundern  nur  die  Tätigkeit,  der  er  im 
Augenblick  obliegt.  Im  Prinzip  besteht  die  alte  demokratische  Ver- 
fassung in  der  Synagoge  bis  zum  heutigen  Tage  fort.  Auch  heute  noch 
kann  man  in  zahlreichen  Synagogen  Privatleute  vorbeten  und  aus 
der  Schrift  vorlesen  hören;  einen  Gegensatz  zwischen  Laien  und 
Fachmännern  oder  gar  Priestern  kennt  das  Judentum  nicht,  wenn 
auch  die  Verhältnisse  vielfach  dazu  gezwungen  haben,  vom  Her- 
kommen abzuweichen  und  die  Leitung  des  Gottesdienstes  in  die 
Hände  von  Berufsbeamten  zu  legen.  Es  war  für  die  Dauer  nicht 
durchführbar,  sich  auf  freiwillige  Leistungen  zu  verlassen,  es  fehlte 
häufig  an  befähigten  Kräften,  während  Ungeeignete  sich  zu  den 
Funktionen  di'ängten.  Das. erste  Amt,  das  geschaffen  werden  mußte, 
war  das  des  Übersetzers  der  Schriftvorlesung,  dem  'J'aüi'nri  wird  am 
frühesten  gestattet,  sich  seine  Tätigkeit  bezahlen  zu  lassen;  zwar  wird 
warnend  eingeschärft,  daß  auf  einem  solchen  Verdienst  kein  Segen 
ruht,  aber  die  Mahnung  weist  doch  darauf  hin,  daß  die  Besoldung 
schon  häufig  erfolgt.  Wahrscheinlich  mußte  der  lin,  der  ohnehin  als 
Lehrer  fungierte,  die  Übertragung  der  Schriftvorlesung  übernehmen. 
Ebenso  machte  es  Schwierigkeiten,  stets  die  nötige  Anzahl  Gemeinde- 
mitglieder zu  finden,  die  aus  der  Schrift  vorzulesen  verstand;  es  kam 
allmählich  dahin,  daß  das  Vorlesen  der  Tora  einem  angestellten  Be- 
amten (i^mp)  übertragen  wurde  (vgl.  S.  171).  Ausnahmen  kommen, 
wie  bemerkt,  noch  heute  vor,  und  die  Haftara  wird  immer  noch  in  der 
überwiegenden  Mehrzahl  der  Gemeinden  von  Privaten,  häufig  sogar 
von  Knaben,  vorgelesen. 

5.  Das  wichtigste  Amt,  welches  die  Synagoge  ausbildete,  war  das 
des  V  0  r  b  e  t  e  r  s.  Wir  sind  nicht  darüber  unterrichtet,  wann  zum 
ersten  Male  die  Anstellung  von  Vorbetern  erfolgte.  Xach  den  Quellen 
zu  schließen,  müßte  es  schon  im  amoräischen  Zeitalter  geschehen  sein. 
Im  palästinischen  Talmud  erscheint  der  Vorbeter  mehrmals  unter 
dem  Namen  im,  den  das  Amt  später  führte,  aber  es  läßt  sich  be- 
weisen, daß  die  Texte  auf  Grund  des  jüngeren  Sprachgebrauchs  ge- 
ändert worden  sind.    Auch  im  Tr.  Sofrim  finden  wir  den  Vorbeter  als 


\  iil'lictcr,     \  nrsjillgiT  439 

■jTn  bezok'linot,  os  ist  indessen  nicht  aiisf^esciilossen,  daLi  die  be- 
frcrienden  Stellen  erst  nachliäiflieli  dort  einfjeseiiohen  sind.  Aber 
urii  die  Entsteliimgszeit  von  Solriin  niai,^  viellacli  schon  die  Sitte 
verbreitet  gewesen  sein,  einen  Vorbeter  von  Bern!'  anzustellen.  Die 
Liturgie  war  im  Laufe  der  Zeit  an  l'nil'ang  gewachsen,  sie  zu  be- 
herrschen erforderte  gute  Kenntnisse;  die  Vertraut iieit  mit  der  he- 
bräischen Sprache  hingegen  hatte  in  weiten  Kreisen  abgenommen. 
b]s  herrschte  ferner  allgemein  der  Wunsch,  die  (lebete  von  einer 
angenehmen  Stimme  vorgetragen  zu  hören.  „Ehre  (iott  mit  deinem 
\('rmögen'",  das  bedeutet,  wenn  du  eine  angenehme  Stimme  hast  uml 
in  der  Synagoge  sitzest,  so  erhebe  dicii  und  erteile  (Iott  die  Kiire;  in 
dieser  Auslegung  ist  noch  eine  freiwillige  Leistung  des  Vorbeters 
vorausgesetzt,  aber  die  Forderung  eines  stimmlich  angenehmen  Vor- 
trags mußte  notgedrungen  dahin  führen,  daß  ein  befähigter  Vertreter 
für  das  Amt  gesucht  und  dauernd  ver[)fliciitet  wurde.  Ausschlag- 
gebend dürfte  dann  die  Einführung  des  Piut  gewesen  sein.  Der  "irn 
war  der  Sänger,  der  Dichter,  der  die  Hizana  verfaßte  und  vorsang, 
der  in  dieser  Eigenscliaft  anfangs  n  e  b  e  n  dem  ^12::  nibr  auftrat  und 
iiin  bald  verdrängte.  Der  "iin  übernahm  neben  dem  Tiut  auch  die 
Stammgebete.  Die  Bedeutung  des  Vorbeters  wuchs  mit  der  Aus- 
bildung des  öffentlichen  Gottesdienstes,  je  mehr  die  Liturgie  zunahm, 
desto  unfassender  wurde  seine  Wirksamkeit,  desto  einflußreicher 
sein  Amt.  Der  Vorbeter  war  in  den  meisten  Fällen  der  einzige  in 
der  Gemeinde,  der  über  ein  Gebetbuch  mit  den  zahlreichen  poetischen 
Einschaltungen  verfügte,  die  Gemeinde  hing  an  seinen  Lippen  und  war 
ihm  auf  Gnade  und  Ungnade  ausgeliefert.  Der  Vorbeter  war  im  ]\Iit- 
telalter  so  unentbehrlich,  daß  auch  die  Frauen  in  ihrer  Abteilung  eine 
eigene  Vorbeterin  (a"'t::b  rbbsr'ari)  hatten.  Das  Jocii  wurde  gern  ge- 
tragen, die  Sangeskunst  der  Vorbeter  erfreute  sich  allgemeiner  Be- 
liebtheit, ihre  Stellung  war  selir  mächtig;  selbst  berühmte  Gelehrte 
konnten  gegenüber  ihrem  vielfach  eigenmächtigen  Verfahren  nichts 
ausrichten,  die  Vorbeter  wurden  bestimmend  für  die  Gestaltung  des 
Gottesdienstes.  Das  Vorbeten  trat  überhaupt  mit  der  Zeit  hinter  dem 
Gesänge  vollständig  zurück,  der  "im  \mrde  immer  mehr  der  Vor- 
sänger oder,  wde  man  in  romanischen  Ländern  sagte,  der  Kantor, 
er  mußte  eine  gute  Stimme  besitzen  und  schön  singen,  schließlich 
durfte  er  sogar  sich  beim  Gesang  begleiten  lassen.  Die  Gemeinden 
scheuten  keine  Kosten,    um  einen  stimmbegabten  Vorbeter  anstellen 


490  Organisation  des  Gottesdienstes 

zu  können ;  tüchtige  Sänger  zogen  umher  und  durften  gegen  Bezahlung 
an  einem  Sabbat  oder  einem  Feste  in  der  Synagoge  auftreten. 

An  den  Vorbeter  wurden  von  Anfang  an  ge\N-isse  Ansprüche  ge- 
stellt. Er  mußte  eine  deutliche  Aussprache  haben;  wer  S  und  V  .~ 
und  n  nicht  hörbar  unterscheiden  konnte,  wurde  selbst  in  der  Zeit  der 
elirenamtlichen  Vorbeter  nicht  zugelassen  (b.  Meg.  24b).  Selbst- 
redend wurde  die  Kenntnis  der  Gebete,  der  Heiligen  Schrift  und  der 
gottesdienstlichen  Bräuche  vorausgesetzt.  Es  wairde  ferner,  obwolil 
nach  der  Mischna  schon  ein  Kna})e  von  13  Jahren  für  das  Amt  geeignet 
ist,  ein  reiferes  Alter  gefordert  (b.  Chul.  24a).  Vor  allem  aber  mußte 
der  Vorbeter  sich  durch  sittliche  Unbescholtenheit  und  tiefe  Reli- 
giosität auszeichnen ;  der  Vertreter  der  Gemeinde  im  Gebet  mußte  von 
anerkannter  Würdigkeit,  wenn  irgend  möglich,  sogar  allgemeiner 
Beliebtheit  sein.  Zumindest  durfte  er  keine  Feinde  in  der  Gemeinde 
haben,  ein  einziger  Gegner  genügte,  um  gegen  seine  Beschäftigung 
Einspruch  zu  erheben;  da  diese  weitgehende  Freiheit  gar  zu  häufig 
mißbraucht  wurde  und  zu  Streitigkeiten  Anlaß  gab,  wurde  schließlicii 
der  Majorität  der  Gemeindemitglieder  die  Entscheidung  zugewiesen. 
An  den  Vorl^eter  bei  öffentlichen  Fasten  werden  im  Talmud  außer- 
gewöhnlich hohe  Anforderungen  gestellt  (Taan.  II  2),  daher  ^^^lrden 
auch  beim  Synagogengottesdienst  an  den  beiden  ernsten  Festen  und 
den  ihnen  zur  Vorbereitung  dienenden  Tagen  nur  Auserwählte  als 
Vorbeter  zugelassen,  Männer  von  tadelloser  Führung,  von  unbe- 
strittenem Ansehen  mit  der  Fähigkeit  eines  ausdrucksvollen,  zu 
Herzen  gehenden  Vortrags;  selbst  die  Freunde  des  Gesanges  ent- 
schlossen sich,  an  diesen  Tagen  auf  die  Entfaltung  einer  schönen  Stimme 
zu  verzichten  und  den  Wiü'digeren  den  Vorzug  zu  geben. 

Es  hat  zahlreiche  Vorbeter  gegeben,  die  den  hohen  Anforderungen 
ihres  Amtes  in  jeder  Beziehung  entsprachen,  die  sich  der  Bewun- 
derung der  Mitwelt  und  der  x\nerkennung  der  Nachwelt  erfreuten. 
Häufig  zeichneten  sich  die  Inhaber  des  Amtes  durch  mehr  als  ge- 
wöhnliche Gelehrsamkeit  aus  und  nahmen  eine  führende  Stellung  in 
ihrer  Zeit  ein;  man  brauclit  nur  an  Meir  b.  Isaak  in  Worms  (S.  334) 
und  an  Jakob  Möllin  (S.  371)  zu  erinnern.  Aber  es  fehlte  auch  nicht 
an  Ausnahmen,  offenbar  waren  sie  sogar  in  der  Mehrzahl.  Von  dem 
Augenblicke  an,  wo  die  Gemeinden  das  Hauptgewicht  auf  den  Ge- 
sang legten,  waren  sie  geneigt,  über  alle  Mängel  hinwegzusehen,  wenn 
der  Inhaber  des  Amtes  sie  durch  eine  schöne  Stimme  entschädigte. 


l   ii/.iil;iiigli<lik(il    dir'    \  orbotcr  491 

Nur  zu  häuliij;  t];ab  es  Streit  und  Alfter  wcfijcu  der  Voihctcr,  denn 
ilirc  l<'üliruii^-  inncrlialh  und  auüorliall)  der  Synaf^of^c  liclj  nicht  selten 
viel  zu  wiinsclieii  iihiit^;  in  Spanien  halle  ihr  Amt  schon  um  l.'iOO 
sein  ^^anzes  Ansehen  verloren.  Auch  ihre  Hernislätitjkeil  hel'riedii^te 
nicht  immer,  sie  nahmen  sich  die  Freiheit,  (lehete  willkürlich  zu  ver- 
ändern, sie  t ruften  die  Gebete  flüchtig  und  ohne  Andacht  vor,  sie  führten 
fremde  Melodien  ein.  Vor  allem  aber  wurde  ihre  Kitelkeit  getadelt; 
,,das  Lied  der  Toren"  (Koh.  7."))  nannte  man  ihre  endlosen  (iesängo, 
mit  denen  sie  das  (lebet  hinzogen,  man  sagte  ihnen  nach,  daß  sie  beim 
Gesänge  mehr  auf  den  Heilall  der  ZulKirer  als  auf  die  Ehre  Gottes 
bedacht  waren.  Die  .\ngriffe  gegen  ihre  sprichwcirtlich  gewordene 
Torheit  und  gegen  ihre  rngezogenheiten  nu>hrten  sich  von  Geschlecht 
zu  Geschlecht.  Wenn  man  sie  auch  anklagte  und  ihrer  spottete,  so 
ließ  man  sie  doch  gewähren,  weil  der  Gesang  als  ein  notwendiger  Be- 
standteil des  Gottesdienstes  galt.  Auch  in  den  Herzen  jener  unglück- 
lichen, von  allen  Seiten  getpiälten,  von  allen  Freuden  ausgeschlossenen 
Juden  lebte  das  Sehnen  nach  der  edlen  Welt  der  Kunst.  Die  Synagoge 
war  der  einzige  Ort,  an  dem  sie  sich  frei  fühlen,  der  Gesang  des  Vor- 
beters die  einzige  und  oft  recht  zweifelhafte  Kunst,  deren  sie  sich 
freuen  durften. 

Als  nach  der  h>findung  des  Buchdrucks  mehr  Gebetbücher  in  die 
Hände  des  Publikums  gelangten,  nahm  die  Abhängigkeit  der  Gemeinde 
vom  Vorbeter  ab.  Die  Gemeinde  konnte  nunmehr  selbständig  beten 
und  die  Bedeutung  des  "jin  trat  zurück.  Von  derselben  Zeit  an 
aber  nahm  die  Unbildung  und  Verwilderung  unter  den  Vorbetern  zu, 
sie  verwalteten  ihr  Amt  mit  wenig  Würde  und  wachsender  Anmaßung. 
An  Ausnahmen  hat  es  nie  gefehlt,  unter  den  Portugiesen  hielten  sich 
die  Ausschreitungen  der  Vorbeter  in  gewissen  Grenzen;  aber  im  Ge- 
biete des  deutsch-polnischen  Ritus  wurde  der  "n  inmier  mehr  der 
Schrecken  aller  ernsten  Synagogenbesucher.  Der  Tiefstand  des  Gottes- 
dienstes an  der  Schwelle  der  Neuzeit  w-ar  nicht  zum  wenigsten  durch 
die  Unsitten  der  Vorbeter  verschuldet.  Es  bedurfte  langer,  müh- 
seliger Arbeit  begeisterter  Berufsgenossen,  es  bedurfte  des  Auf- 
tretens einiger  genialer  Künstler,  um  unter  den  veränderten  Verhält- 
nissen der  Neuzeit  dem  Vorbeter  wieder  eine  würdige  Stellung  im 
Gottesdienste  zu  erringen. 

6.  Erst  seit  dem  letzten  Jahrhundert  tritt  auch  der  Rabbiner 
als  Beamter  der  Synagoge  in  die  Erscheinung.    Bis  tief  in  das  Mittel- 


492  Organisation   des  Gottesdienstes 

alter  hinein  sind  die  Rabbiner  überliaupt  nicht  von  den  Gemeinden 
angestellt  gewesen,  sie  waren  freiwillige  Volkslehrei',  anerkannte, 
wegen  ilirer  Gelehrsamkeit  verehrte  Privatleute,  die  ein  Lehrhaus 
hielten,  der  Gemeinde  ilir  Wissen  zur  Verfügung  stellten,  Männer,  denen 
die  Gemeinden  ilu-  Vertrauen  schenkten  und  sich  freiwillig  unter- 
ordneten. Aber  selbst  nach  1350,  nachdem  sie  besoldete  Beamte  der 
Gemeinde  geworden  waren,  erschienen  die  Rabbiner  selten  beim 
öffentlichen  Gottesdienste,  sie  hielten  vielmehr  Privatandacht  und  zogen 
es  vor,  mit  ihren  Jüngern  im  Lehrhause  zu  beten.  In  der  Synagoge 
störte  sie  der  endlose  Gesang,  demgegenüber  sie  ohnmächtig  waren, 
sie  kamen  daher  in  das  Gemeindebethaus  nur  an  den  hohen  Feier- 
tagen, oder  wenn  sie  predigten,  was  selten  geschali.  Darin  brachte 
die  Neuzeit  eine  durchgreifende  Änderung.  Die  Predigt  trat  wieder 
in  ihre  Rechte,  sie  wurde  wie  im  Altertum  ein  wichtiger  Bestandteil 
des  Gottesdienstes.  Aber  während  bei  den  schlichten  Schriftauslegungen 
der  alten  Zeit  jedermann  das  Wort  nehmen  und  zur  Gemeinde  sprechen 
konnte  —  was  in  einigen  Ländern,  wie  England  und  Italien,  bis  in  die 
Gegenwart  hinein  beibehalten  wurde  —  blieb  die  Predigt  unserer 
Tage  das  Vorrecht  der  berufsmäßigen  Kreise.  Die  wachsende  Be- 
deutung der  Predigt  im  letzten  Jahrhundert  hat  den  Rabbinern  eine 
wichtige  Funktion  beim  Gottesdienst  eingetragen.  Im  westlichen 
Europa  und  in  Amerika  haben  sie  regelmäßig  belehrende  Vorträge  zu 
halten;  auch  die  Gebete  in  der  Landessprache  werden  von  Dinen  ge- 
sprochen. In  den  Reformgemeinden  geht  die  Tendenz  dahin,  immer 
größere  Stücke  der  Liturgie  dem  Rabbiner  zu  übertragen;  in  der 
Berliner  Reformgemeinde  und  in  vielen  reformierten  Gemeinden 
Amerikas  ist  das  Amt  des  Vorbeters  ganz  beseitigt,  die  gesamte  Liturgie 
wird  vom  Rabbiner  vorgetragen,  der  gesangliche  Teil  vom  Chor  aus- 
geführt. Die  Heraushebung  des  Rabbiners  aus  der  Gemeinde  nach 
Art  eines  „Geistlichen"  ist  eine  sehr  bedenkliche  Seite  der  fortsclu-ei- 
tenden  Reform. 


Kap.  III.    Der  Gottesdienstliche  Vortrag. 
§  53.  Vorbeter  und  Gemeinde. 

Literatur:  Low,  Schürcr  das. 

1.  Der  Gottesdienst  ist  seiner  Bestimmung  nach  G  o  in  o  i  n  d  e  - 
g  0  1 1  e  s  d  i  e  n  s  t ,  er  ist  ohne  Gemeinde  nicht  denkbar,  die  ein- 
zelnen Gebete  und  Vorlesungen,  aus  denen  er  sich  zusammensetzt, 
dürfen  nur  vor  einer  bestimmten  Öffentlichkeit  vorgetragen  werden. 
Die  Gemeinde  als  (")ffentlichkeit.  Gesamtheit  heißt  "Ti32  (von  "122 
Gen.  4135  vereinigen);  das  Wort  bezeichnet  die  Gesamtheit  im  Gegen- 
satz zum  einzelnen  (T^ni),  in  der  Gemeinde  beten  heißt  "n^sn  37  bbsrn 
oder  niDsn  :;:;2rn.  Zuröffentliclikeit  gehören  zehn  erwachsene  männ- 
liche Personen  (l'^^'ö).  Der  Talmud  leitet  die  Zahl  vom  biblischen  m7 
her,  und  in  der  Tat  finden  wir  in  der  Heiligen  Schrift  häufig  die  Ver- 
einigung von  zehn  Personen  als  das  Mindestmaß  von  Öffentlichkeit, 
l'm  so  auffälliger  ist  es,  daß  nach  einer  ))alästinischen  überliefenmg 
in  Sofrmi  bereits  sieben  Mann  für  den  öffentlichen  Gottesdienst  ge- 
nügen sollen.  Die  Mischna  nennt  eine  große  Stadt  eine  solche,  in  der 
sich  stets  zehn  Mann  gescliäftsfrei  halten  können,  um  den  Gottes- 
dienst zu  besuchen  (2i:b"J3  rnC"  Meg.  1 6).  Das  sind  nicht  etwa 
Angestellte  der  Gemeinde,  sondern  freiwillige  Besucher  des  Gottes- 
dienstes, auf  deren  Anwesenheit  man  stets  rechnen  kann  (a"'^ii2l 
rc:Dn  r.inb  ■rDSb'Ca  j.  Meg.  das.  70b).  Es  ergibt  sich  daraus,  daß 
der  Besuch  des  Gottesdienstes  an  Wochentagen  im  allgemeinen  kein 
sehr  guter  war,  daß  nur  an  Sabbaten  und  Festen,  wo  man  berufsfrei 
war,  alle  den  Gottesdienst  aufsuchten;  daher  kam  es  auch,  daß  in 
manchen  Gegenden  die  Synagoge  als  Sabbathaus  bezeichnet  wurde 
(oben  S.  445).  Wenn  es  schon  im  alten  Palästina  mit  solchen  Schwierig- 
keiten verknüpft  war,  den  Gottesdienst  täglich  zu  halten,  so  läßt  sich 
ermessen,  daß  es  in  der  Diaspora  häufig  noch  weniger  möglich  war.  die 
nötige  Anzahl  von  Synagogenbesuchern  zusammenzusehen,  besonders 
im  Mittelalter,  wo  die  Gemeinden  klein  waren  und  der  Beruf  die 
Leute  vom  Hause  weit  weg  führte.     Um  den  Gottesdienst  dennoch 


494  Organisation  des  Gottesdienstes 

nicht  allzu  häufig  ausfallen  lassen  zu  müssen,  wurde  es  damals  üblich, 
von  Gemeinde  wegen  Leute  zu  bezahlen  und  fest  anzustellen,  damit 
sie  dem  Gebet  beiwohnten.  Wo  es  ganz  unmöglich  war,  das  Jalir 
über  die  notwendige  x\nzahl  zusammenzubringen,  erstrebte  man  es 
wenigstens  für  die  Feiertage,  zumal  für  die  beiden  ernsten  Feste. 
Die  Gemeinden  boten  alles  auf,  um  an  den  ausgezeichneten  Tagen  den 
Gottesdienst  halten  zu  können.  Es  erregte  gi'oße  Erbitterung,  wenn 
aus  so  kleinen  Gemeinden  einzelne  für  die  P'eiertage  nach  größeren 
Orten  reisten  und  dadurch  die  Einrichtung  des  Gottesdienstes  er- 
schwerten. Trotzdem  die  Gemeindebüdung  in  der  Neuzeit  sich  stark 
verändert  hat,  ist  die  Maßregel  der  Anstellung  von  berufsmäßigen 
Besuchern  des  Gottesdienstes  auch  heute  noch  nicht  überall  über- 
flüssig geworden.  In  neuester  Zeit  aber  hat  man  sich  hie  und  da  über 
die  traditionelle  Zahl  liinwegzusetzen  und  auch  bei  weniger  als  zehn 
Teilnehmern  den  Gottesdienst  zu  halten  begonnen. 

2.  Der  Fülu-er  der  Gemeinde  im  Gebet  ist  der  "113"^  ni^TT.  Er 
ist  ihr  Sprecher,  nicht  ihr  Vertreter,  aus  ihrer  Mitte  als  Wortführer, 
nicht  als  Fürbitter  ausgewählt.  In  diesem  Sinne  wird  die  Wirksamkeit 
des  Vorbeters  in  alter  Zeit  aufgefaßt,  „die  Augen  der  Gemeinde  hängen 
an  ihm,  und  seine  Augen  sind  auf  Gott  gerichtet",  wie  es  im  Midrasch 
und  in  einem  alten  Gebete  heißt.  Erst  als  das  Gebet  unter  dem  Ge- 
sichtspunkt der  Pflicht  betrachtet  wurde,  entstand  der  Satz,  daß  der 
Vorbetcr  die  Gemeinde  vertrete  (R.  ha  Seh.,  Ende  i«"'2n2  nin::  w'^XO 
"irmn  i-i  ail-i"  rs),  aber  niemals  wurde  er  als  priesterlicher  jVlittler 
gedacht.  Das  ganze  Mittelalter  hing  an  der  Vorstellung,  daß  der  Vor- 
beter der  Vertreter  der  Gemeinde  sei;  das  hatte  sein*  günstige  Folgen, 
denn  die  Anforderungen  an  den  Vorbeter  wurden  aus  diesem  Grunde 
sehr  hoch  gespannt,  es  ist  aber  klar,  daß  auch  viel  religiöse  Unklarheit 
damit  vei'bunden  war.  Die  Neuzeit  ist  mit  Recht  zur  alten  Auffassung 
zurückgekehrt. 

War  der  1133:  n^'^ir  der  Sprecher  der  Gemeinde,  so  blieb  diese 
nicht  bloß  stummer  Zuhörer,  sie  beteiligte  sich  am  Gebet  dadurch, 
daß  sie  an  bestimmten  Stellen  mit  Responsen  einfiel  (~'y).  Die  Re- 
sponsionen  waren  ein  Vermächtnis  des  Tempels,  beim  Gesänge  der 
Psalmen  waren  Eiüogien  üblich.  Die  einfachste  Form  ist  in  "^Tin 
1T2X1  ""CS  ablj"::  '-  Ps.  8943  erhalten;  in  erweiterter  Form  hieß  dies 
2b:r-  1^  bÄ^-ir-^  ■'-biJ  'i  llin,  schließlich  aber,  um  den  Glauben  an 
die  jenseitige  Welt  zu  betonen  (Ber.  IX  p]nde)  ::5«"iir^  i~^5?  '"  "jinn 


|{('S|)(msit)nfii    der  CiciiiciiKle  490 

rr'^rn  -r"  zrTn  ]-q  ((ulcr  'n  in  a'^irms),  wie  l's.  41  1 1.  loii.'ji». 
1.  Chr.  l().'{ti  7.11  lesen  ist.  Die  allen  Doxolof^ieii  sind  siinitlicli  in  das 
( Sehet hueli  üheif^effanj^eii,  aber  nicht  als  Kes])(insionen.  Üeini  (le- 
Mieiiulegottesdiensle  wurden  sie  in  alter  Zeit  f^elegentlieh  öirentlieher 
Kasten  verwendet,  das  «eschali  jedoeli  aussehlielilieli  im  i^ereieho  des 
Tempels  zu  Jerusalem  r"»nn  nnm  nni^n  '\7X02  ^^m  p  "i^am:  n^n  «b 
(Taan.  II  11).  Als  Kesponsion  der  Gemeinden  in  den  Synai^ntfjcn  wurden 
diejenigen  Worte  id)lieh,  welche  das  Volk  auch  im  Tempel  auf  den 
Levitengesang  erwiderte,  l^i«  und  n^'^bbn  (l*s.  105,  Chr.  das.).  Das 
"i^S  ist  die  wichtigste  und  am  häul'igsten  verwendete  Kesponsion  ge- 
blieben; sie  wird  gesprochen,  sobald  der  Vorbeter  ßenediktionen  vor- 
trägt oder  der  Vorleser  sie  spricht  oder  die  Ahroniden  ihren  Segen 
erteilen.  In  Alexandrieu  stand  der  Synagogendiener  auf  der  Tribüne 
in  der  Mitte  und  schwang  die  Fahne,  um  dem  Volke  das  Zeichen  zum 
Einfallen  mit  dem  AnuMi  zu  geben.  Für  so  bedeutsam  galt  die  Ke- 
sponsion, daß  selbst  dort  darauf  AVert  gelegt  wurde,  wo,  wie  in  der 
ausgedehnten  Proseuche  in  Alexandrieu,  die  Besucher  die  voran- 
gegangenen Benediktionen  nicht  hatten  hören  können.  Das  Amen 
hatte  dieselbe  Bedeutung  wie  in  der  Bibel,  es  drückte  eine  Anerkennung 
des  Gehörten  und  eine  Bekräftigung  des  Vorgelesenen  aus,  am  meisten 
entspricht  das  Amen   nach  den  Benediktionen  den  Worten  Jeremias 

Im  Tempel  zu  Jerusalem  war  die  Kesponsion  "i^i^  nicht  zugelassen, 
statt  dessen  wurde  auf  die  Eulogien  mit  "r"^  ab^rb  ^r'sb'C  "^SD  ac  T"ii3 
erwidert.  Dieselbe  Rcs])onsion  finden  wir  beim  Kultus  des  Hohen- 
priesters am  Versöhnungstage;  jedesmal,  wenn  er  den  Gottesnamen 
ausgesprochen  hatte,  erwiderte  die  Gemeinde  mit  "iPiD^'a  Tias  ZW  ^m 
l"i  abi:7b.  Im  Gebete  finden  wir  genau  dieselbe  Kesponsion  nur 
an  einer  Stelle,  sie  unterbricht  die  beiden  ersten  Verse  des  7^TD. 
sie  ist  wahrscheinlich  die  älteste  Kesponsion  der  gesamten  Liturgie. 
Dem  Sinne  nach  entspriclit  ihr  Tac  llim  Sin  linn.  das  nach  der 
Erwähnung  des  Gottesnamens  durch  den  Vorbeter  von  der  Gemeinde 
gesprochen  wird  ;  es  ist  eine  Zusammenstellung  der  beiden 
Eulogien  Sin  "Jinn  und  lüTT  Tina,  die  wir  in  ittSir  V^2  (oben  S.  83) 
finden. 

Auch  die  andere  in  den  Psalmen  erw^ähnte  Kesponsion  rpi^^n  ist 
in  die  Liturgie  übergegangen,  sie  wurde  bei  der  Kezitation  des  Hallel 
verwendet. 


496  Organisation   des  Gottesdienstes 

3.  Die  Alt  des  Respondierens  und  der  Beteiligung  der  Gemeinde 
war  in  der  ältesten  Zeit  bei  den  verschiedenen  Teilen  des  Gebets 
nicht  gleichmäßig.  Am  einfachsten  war  der  Vortrag  der  Tefilla,  die  der 
Vorbeter  allein  sprach,  während  die  Gemeinde  zuhörte  und  Vers  für 
Vers  mit  1^S5  beantwortete.  Als  später  eingeführt  wurde,  daß  die 
leise  Tefilla  der  lauten  vorangehen  mußte,  änderte  das  die  Vortrags- 
weise nicht,  der  Vorbeter  sprach  seinen  Text  genau  so  wie  in  der 
älteren  Zeit  und  die  Gemeinde  hatte  in  derselben  Weise  zu  erwidern. 
Neue  Responsionen  brachte  die  Keduscha  für  die  Gemeinde,  da  sie  die 
Bibelverse  mit  dem  Vorbeter  im  Chore  sprach.  Beim  Priestersegen  fiel 
die  Gemeinde  ebenfalls  hinter  jedem  Satze  mit  "j^X  ein. 

Nicht  ganz  so,  aber  infolge  des  sich  gleichbleibenden  Refrains 
ähnlich  war  die  Rezitation  des  Hallel.  Der  Vorbeter  begann  mit  rr^lbrn, 
die  Gemeinde  wiederholte  es,  und  nach  jedem  Halbvers  fiel  sie  von 
neuem  mit  Halleluja  ein,  im  ganzen,  wie  die  alten  Quellen  berichten, 
123  mal  (j.  Schabb.  XVI  1, 15c).  Die  Vortragsweise  des  Hallel  (i^j":^ 
5«"::'^":^"-;  b.  Sukka  38  b)  wurde  im  Laufe  der  Zeit  häufig  geändert.  In 
manchen  Gegenden  war  es  üblich,  die  Verse  am  Ende,  von  Ps.  11821 
an,  zu  wiederholen,  in  anderen  wiederum  sprach  man  sie  nur  einmal. 
In  Babylonien  wurde  um  350  das  Halleluja  nur  noch  zweimal  am 
Anfange  von  der  Gemeinde  gesprochen,  sonst  das  ganze  Stück  Ps.  113 
bis  117  in  einem  Zuge,  dann  wurde  wieder'  inn  (1181)  und  '"  5?!:i? 
(118  28)  wiederholt,  schließlich  Si:iri  "^1^.2  antiphonisch  gesprochen, 
im  Laufe  der  Zeit  verschwindet  jede  Spur  von  dieser  alten  Rezitation ; 
aus  dem  Mittelalter  hören  wir  schon,  daß,  Avie  heute,  hinter  den  drei 
Versen  mit  "ii^i«"'  (118  2  ff.)  jedesmal  "111"  wiederholt  wh'd.  Ein  wenig 
erinnert  die  in  Westdeutschland  verbreitete  Art,  Psalmen  versweise 
abwechselnd  zwischen  Vorbeter  und  Gemeinde  vortragen  zu  lassen, 
an  das  Verfahren  der  alten  Zeit.  Die  Wiederholung  der  Verse  118  21  ff. 
wurde  allgemein  angenommen. 

Für  das  Schma  und  seine  Benediktionen  war  der  antipho- 
nische Vortrag  üblich.  Der  Vorbeter  leitete  das  Gebet  ein,  die 
Gemeinde  wiederholte  den  von  üim  vorgetragenen  Halbvers  und  fülu'te 
den  Satz  zu  Ende.  So  wurde  den  ganzen  Abschnitt  durch  verfaliren. 
Hatte  der  Vorbeter  'rs5"nr!"i  ~t:r  gesprochen  und  von  der  Gemeinde  den 
ganzen  Satz  bis  zu  Ende  gehört,  so  flocht  er  leise  die  erwähnte  Re- 
sponsion  'IDi  ~il^D  air  ""nn  ein.  Vom  Halbieren  der  Sätze  erhielt  die 
Vortragsweise  den  Namen  yav  27  DiB,  d  a  s  S  c  h  m  a   teile  n.  Nicht 


\  frscilicdiiir    \;imcii    liir    di-u    \  cuIhIii-  4<J7 

iilx'nill  war  dicsclhc  Vorfrausart  üblich,  die  l-ciilc  von  .Jcriclio  z.  H. 
waiidtcMi  ein  WMfalircii  an.  das  man  ycr  rs  TT.  das  Scliina 
z  u  s  a  nnn  (' n  t' a  I  t  (' II  nannlr,  d.  li.  dmi  ini<r  der  \'(»rl)('t('r  den 
i!,anzon  Absclinitt  ohne  rntorhrci-hnni^  vor.  und  die  (icnicindc  hürlc  zu 
oder  sprach  die  Worte  mit  ihm;  die  rnterbrechnni;:  durdi  '"S"  2Tr  T'.na 
fiel  dort  fort.  Der  zuerst  nur  vereinzelt  vorf^ekommene  Krauch,  das 
Schnia  forthiufend  vorzutraücn.  wurde  si)ät(>r  allsenu'in.  freilich  tiiit 
Heihehaltunii"  der  H(>s|)onsion  '"Z"  :c  T'""2,  die  jedoch  immer  noch 
leise  gesprochen  werden  mußte.  In  (icrm.  wurde  es  id)lich,  die  drei 
biblischen  Abschnitte  leise  zu  sprechen,  da  bei  der  Gemeinde  die  Ver- 
trautheit mit  ihnen  vorausgesetzt  wurde,  so  daß  sie  dvi^  Vorbeters 
nicht  bedurfte. 

4.  Entsprechend  der  verschiedenen  Art  der  Abschnitte  des  Ge- 
l)ets  werden  für  die  Vortragenden  verschiedene  Xamen  angewendet. 
Wer  aus  der  Hibel  vorlas,  hieß  (niirn)  S'"ip.  wer  durch  den  Pro- 
phetenabschnitt  die  Vorlesung  beschloß,  iC^srn  "'••^"JEic.  Wer  das  Hallel 
vortrug  und  den  Ahroniden  den  Segen  vors])rach,  hieß  S5ip'a;  weil  man 
das  Vortragen  von  Bibelstellen  stets  mit  S?lp  bezeichnete,  wurde  das 
Wort  auch  in  der  Liturgie  verwendet,  obwohl  die  Gebete  niemals 
gelesen,  sondern  immer  nur  auswendig  vorgetragen  wurden  (ns  b:r  Xlp). 
Der  Vorbeter  für  das  Schma  hieß  y^V  77  oi"S,  selbst  als  die  Vortrags- 
weise, die  zu  dem  Xamen  Aidaß  gegeben  hatte,  längst  verlassen  war. 
Kndlich  hieß  derjenige,  der  die  Tefilla  übernahm,  n^Tri  ^if:  "ni".  weil 
er  vor  den  Schrein  mit  den  Torarollen  hintrat:  der  Name  erhielt  sich 
auch  noch,  als  der  Vorbeter  schon  lange  vor  der  Tefilla  dort  seinen  Platz 
einnehmen  mußte.  Wo  sein  Platz  tiefer  lag  als  der  Fußboden  der 
Synagoge,  gebrauchte  man  dafür  niT-  "^rs;!:  "iiT^  ,r"'n:"i  s^TiH.  Weil  er 
seinen  Platz  verändern  und  vortreten  mußte,  hieß  er  auch  SS'^p. 
Der  Vorbeter  für  die  Tefilla  wurde  der  Vorbeter  schlechthin,  weil  er 
der  einzige  war,  der  an  einem  sichtbaren  Platze  auftrat  und  der  Ge- 
meinde ein  Gebet  zu  Gehör  brachte,  bei  dem  sie  fast  gar  nicht  mit- 
wu'kte.  Andere  Vorbeter  gab  es  nicht,  weil  das  Gebet  in  der  ältesten 
Zeit  nur  aus  den  genannten  drei  Teilen  bestand.  Für  jeden  Abschnitt 
wurde  ein  anderer  Vorbeter  gewählt,  an  Tagen,  an  denen  zwei  Tefillas 
zu  sprechen  waren,  fungierten  zwei  Vortragende,  das  Hallel  sprach 
dann  der  erste,  Schofar  z.  B.  wurde  vom  zweiten  geblasen. 

Der  Gottesdienst  begann  damit,  daß  der  Vorsteher  der  Synagoge 
an  oinen  der  Anwesenden  die  Aufforderung  ergehen  ließ  mr  rr  Z"Z: 

Elbogen.  Der  jüd.  Gottesdienst  "^ 


498  Organisation  des  Gottesdienstes 

war  dieser  Akt  vollzogen,  dann  ließ  er  einem  anderen  sagen  "'isb  ili" 
ni"irn  oder  mpl  i^i.  Es  galt  als  Anstandsregel,  eine  derartige  Einla- 
dung zunächst  bescheiden  abzulehnen  und  eine  zweite  oder  gar  dritte 
Aufforderung  abzuwarten,  während  es  andererseits  als  ungehörig  ange- 
gesehen wurde,  sich  allzu  lange  zu  sträuben  und  die  Gemeinde  in  Ver- 
legenheit zu  lassen.  Es  konnte  aber  auch  geschehen,  daß  der  Erwählte 
die  ihm  zugedachte  Würde  ablehnen  mußte,  weil  ihm  die  Fähigkeit 
abging,  das  Gebet  auswendig  vorzutragen.  Am  schwersten  war  der 
Vortrag  der  Tefilla;  sie  war  verhältnismäßig  lang,  die  Reihenfolge 
ihrer  verschiedenartigen  Sätze  war  fest  bestimmt,  und  es  fehlte  dem 
Vortragenden  der  Anhaltspunkt,  der  durch  das  Einfallen  der  Gemeinde 
bei  anderen  Gebeten  gegeben  war.  Daher  wurde  dem  Vorbeter  auch 
Zeit  gelassen,  sich  die  Tefilla  zunächst  zurecht  zu  legen  ("i"'"Dn  ,'jpr 
inbsn).  An  den  hohen  Feiertagen,  die  selten  wiederkehren  und  eine 
ungewöhnlich  lange  Tefilla  haben,  schreiben  es  noch  die  Handschriften 
aus  dem  Mittelalter  vor,  daß  der  Vorbeter  sich  zunächst  seinen  Text 
zurechtlegen  soll,  eine  Maßregel,  die  nach  der  Einführung  der  Gebet- 
bücher völlig  überflüssig  war.  Sehr  leicht  konnte  es  geschehen,  daß 
der  Vorbeter  den  Faden  verlor  (r:^"in  CiTii:),  häufig  trug  er  auch  falsche 
Texte  vor;  nach  den  ältesten  Bestimmungen  sollte  er  in  einem  solchen 
Falle  seinen  Platz  einem  anderen  einräumen,  .später  wurde  man  nach- 
sichtiger und  ließ  ihm  lange  Zeit,  sich  auf  das  Richtige  zu  besinnen.  Nur 
bei  bestimmten  Sätzen,  die  einen  Prüfstein  für  die  religiöse  Gesinnung  ab- 
gaben, hielt  man  unnachsichtig  darauf,  daß  der  Vorbeter  den  richtigen 
Text  sprach  oder  abtrat.  An  gewöhnlichen  Tagen  stand  der  Vorbetcr 
allein,  an  Fasttagen  standen  ihm  zwei  Gemeindemitglicder  zur  Seite, 
eines  zur  rechten  und  eines  zur  linken.  Jüngere  Schriften  haben  auf 
Grund  irriger  Texte  diese  Bestimmung  auf  alle  Tage  des  Jahres  be- 
zogen. Bis  auf  den  heutigen  Tag  ist  es  unter  den  italienischen  und 
portugiesischen  Juden  Sitte,  daß  am  Versölmungstage  den  ganzen 
Tag  über  zwei  Mitglieder  der  Gemeinde  dem  Vorbeter  an  die  Seite 
gestellt  werden.  Im  Mittelalter  war  das  auch  in  Deutschland  üblich 
und  wurde  sogar  auch  am  Neujahrsfeste  durchgeführt. 

5.  Über  die  Haltung  der  Gemeinde  beim  Gebet  berichtet  Agathar- 
chides  von  Knidos,  daß  die  Juden  mit  ausgestreckten  Händen  {ey.TEia- 
•/.oTsg  zag  yßQag)  beim  Gebet  sitzen.  In  der  biblischen  Zeit  muß 
das  allgemein  üblich  gewesen  sein;  daß  ein  solcher  Brauch  aber  aucli 
in  den  Synagogen  herrschte,  läßt  sich  nirgends  belegen.    Höchstens 


Haltung'  (liT  ('.cmriiide  499 

hfl  den  KkstatikiMii  der  spälcrcii  Zeit  l'iiulcri  wir  nchcn  vielen  anderen 
körperüclien  Hewef^ungen  aiicli  das  Ausbreiten  der  Hände.  Im  all- 
gemeinen war  eine  gesetzte  llaltnng  der  (Jemeinde  vorgeschrieben, 
l^eim  Selima  sali  sie,  und  der  Vorheter  blieb  in  ihrer  Mitte;  noch  im 
Mittelalter,  wo  der  Vorbeter  bereits  einen  besonderen  IMatz  hatte, 
kam  es  vor.  dal.l  er  hei  diesem  Ahselinitt  sitzen  blieb.  Bei  der  Tefilla 
erhoben  sieh  Vorbeter  und  (iemeinde,  bei  einigen  Stellen  verneigten 
sie  sieh  (nnr),  aber  (Übertreibungen  waren  auch  da  nicht  gern  gesehen. 
Endlich  warf  sich  beim  stillen  (iebet,  das  auf  den  öffentlichen  Gottes- 
dienst folgte,  die  Gemeinde  auf  die  Erde.  Neue  Bewegungen  führten 
die  Mystiker  ein.  Von  ihnen  rührt  die  Sitte  her,  bei  der  Keduscha  zu 
hü|)len,  die  in  Europa  zuerst  in  Frankreich  beobachtet  wurde.  Auf 
denselben  Ursprung  dürfte  es  zurückgehen,  wenn  man  in  Frankreich 
und  Deutschland  dabei  in  die  Höhe  blickte,  während  man  in  Spanien 
die  Allgen  abwärts  richtete.  Bei  den  Frommen  in  Fraid<reich  wurde 
auch  zuerst  die  Sitte  beobachtet,  w'ährend  der  Tefilla  den  ganzen  Körper 
zu  schütteln  (112::7  ns?  y:^:  ,y7i:nn),  was  wahrscheinlich  ebenfalls 
von  den  Mystikern  stammt  und  sogar  angeblich  im  Midrascli  emp- 
fohlen wird.  Das  Schaukeln  w'ar  ursprünglich  nur  beim  Studium  üb- 
lich, Jehuda  ha  Levi  w-ollte  es  damit  erklären,  daß,  da  die  Bücher  selten 
waren,  viele  gleichzeitig  ein  Buch  benutzten  und  sich  der  Reihe  nach 
dazu  herabbeugen  mußten.  Für  das  (iebet  trifft  fraglos  jene  andere 
Erklärung  mehr  zu,  daß  durch  die  Bewegung  das  Blut  in  Wallung  ge- 
bracht w'erden  sollte,  eine  echte  Forderung  der  Mystiker.  Die  Ka- 
suisten liaben  viel  darüber  gestritten,  ob  man  beim  Gebet  schaukeln 
sollte  und  bei  welchen  Stellen,  schließlich  gaben  wieder  die  Ekstatiker 
den  Ausschlag  für  das  Schütteln.  Wer  zu  einer  Funktion  aus  den 
Reihen  der  Beter  hervorzutreten  hatte,  mußte  gut  gekleidet  sein. 
Das  war  man  der  Würde  der  Gemeinde  schuldig;  nicht  nur  mangel- 
hafte Beschaffenheit  des  Anzugs,  sondern  auch  gewisse  Arten  von 
Gewändern  waren  verpönt  und  machten  denjenigen,  der  sie  trug,  für 
den  Vortrag  unmöglich  (Meg.  IV  8,  Tos.  das.  IV  30,  2283).  Der  Vor- 
beter pilegtc  sich  in  seinen  Mantel  einzuhüllen  (rr^biTD  "ir'^b'jn  r"L:7rin 
mn::).  Daran  anknüj)fend ,  nahmen  gelehrte  Männer  die  Gewohnheit 
an,  wenn  sie  das  Gotteshaus  aufsuchten  oder  überhaupt  sich  zum 
Gebet  hinstellten,  eine  besondere  Kleidung  anzulegen;  vorzugsweise 
war  in  Babylonien  ein  Gürtel  beliebt,  der  dem  hängenden  Obergewand 
der  damaligen  Zeit  Halt  gab.    Insbesondere  pflegten  sie  jene  Art  von 

32* 


5QQ  Organisation  des  Gottesdienstes 

Mantel  anzuziehen,  die  im  Talmud  ""'bi:  heißt.  Infolgedessen  ent- 
stand der  allgemeine  Brauch,  beim  Morgengebet  ein  dem  nibl2  ent- 
sprechendes Gewand  anzulegen,  das  der  Vorbeter  stets  trägt.  Auch 
im  übrigen  wurde  auf  die  Innehaltung  der  alten  Sitte  sehr  geachtet, 
man  hatte  besondere  Kleider  für  die  Synagoge;  das  war  im  Mittelalter, 
wo  im  allgemeinen  auf  die  Kleidung  nicht  viel  Sorgfalt  verwendet 
wurde,  außerordentlich  segensreicli.  Yielfacli  freilich  wurden  die 
Nachrichten  alter  Quellen  und  die  Sitten  beliebter  Lehrer  skla\äsch 
und  pedantisch  nachgeahmt,  auch  wo  die  von  ihnen  getragenen  Kleider 
längst  nicht  melir  der  herrschenden  Sitte  entsprachen.  Ein  solcher 
Überrest  alter  Kleidung  ist  der  weiße  Kittel,  der  noch  lieute  in  Deutsch- 
land vielfach  am  Versöhnungstage  getragen  wird,  der  im  Westen 
Deutschlands  sogar  noch  den  mittelhoclideutschen  Xamcn  Sargenes 
führt.  Man  kann  die  neuerdings  eingeführte  Amtstracht  für  Rabbiner 
und  Vorbeter  mit  der  alten  Sitte  der  besonderen  Kleidung  in  Ver- 
bindung bringen. 

Die  K  0  p  f  b  e  d  e  c  k  u  n  g  beim  Gebet  war  durch  das  Anlegen  des 
ribt:  bedingt,  der  mit  einer  KopfhüUe  verbunden  war.  Sie  galt  einer- 
seits als  Ausdruck  untertäniger  Verehrung  der  göttlichen  Majestät, 
andererseits  wurde  es  als  Vorzug  des  freien  Mannes  betrachtet,  daß  er 
bedeckten  Hauptes  bleiben  durfte.  Es  ist  ein  Privileg  Israels,  daß  es  die 
Offenbarung  des  Königs  aller  Könige  gemütlich  sitzend  und  bedeckten 
Hauptes  vernehmen  kann,  während  die  Diener  der  irdischen  Macht 
alle  Proklamationen  barhäuptig  unter  Schrecken  und  Zittern  anhören. 
Besonders  in  Babylon ien  wurde  auf  Kopfbedeckung  Wert  gelegt, 
sie  entprach  der  allgemeinen  Sitte,  sie  war  aber  nirgends  als  religiöser 
Brauch  vorgeschrieben.  So  konnte  es  geschehen,  daß  in  Palästina 
in  nachtalmudischer  Zeit  Stücke  des  Gebets  oder  der  Priestersegen 
mit  unbedecktem  Haupt  vorgetragen  wurden,  was  allerdings  nicht 
allgemeinen  Beifall  fand,  denn  im  allgemeinen  galt  es  als  unzulässig, 
den  Gottesnamen  unbedeckten  Hauptes  auszusprechen.  Auch  in  Europa 
scheint  die  Kopfbedeckung  zuerst  im  mohammedanischen  Spanien 
streng  durchgeführt  worden  zu  sein.  Am  Anfang  des  13.  Jahr- 
hunderts hören  wir,  daß  in  Frankreich  die  Segenssprüche  bei 
der  Mahlzeit  ohne  Kopfbedeckung  vorgetragen  wurden,  und  daß  es 
sogar  üblich  war,  am  Torafeste  Knaben  ohne  Kopfbedeckung  zur  Tora 
zu  rufen.  Das  fand  schon  damals  nicht  allgemeine  Billigung,  späterliin 
wurde  der  Braucli  der  Kopfbedeckung   zum  Gesetze  erhoben.    Von 


\ Orlx'lfr  iiml  < 'ii>mi"iii(i(,'  501 

Harliäii|)fii!,ktMt  in  clci-  Syiia^ogt'  war  iiiclil  wieder  die  Kede,  bis  Alirod 
("lioriii  (I7()()  l)is  1844)  sie  182G  empfahl  und  die  Kerliiier  Kel'orni- 
goiiieiiide  sie  in  ihrem  Gottesdienst  vorsehrieh.  In  lüiropa  hat  diese 
Kinrielitung  des  Heformgottesdienstes  nirj^ends  Naehahinunü:  ge- 
funden, „das  Beten  mit  entblößtem  Haupte  stem|)elte  ihn  besonders 
7M  einem  fremdartigen,  und  stieß  auch  innerlieh  Gleichgesinnte  ab;"  in 
Amerika  hingegen  ist  in  vielen  Reformgemeinden  die  Koi)fbedecknng 
abgeschafft,    in    einigen    dem    Gutdünken    der    Beter  überlassen. 

Die  Besprechung  über  das  Verhalten  beim  Gottesdienst  hat  mehr- 
fach über  die  alte  Zeit  hinausgeiiriffen,  weil  die  im  Talmud  erwähnten 
Bräuche  niemals  ihre  Bedeutung  verloren  haben;  die  späteren  Au- 
toren haben  ihnen  Beachtung  geschenkt  und  sie  kodifiziert,  so  wurde 
ihnen  auch  unter  veränderten  Verhältnissen,  soweit  es  irgend  möglich 
war,  Rechnung  getragen. 

6.  Eine  völlige  Umgestaltung  erhielt  der  Gottesdienst  durch 
die  Ausbildung  des  Vorbeteramtes,  er  wuchs  an  Ausdehnung,  und  das 
gesamte  Vortragswesen  wurde  stark  verschoben.  In  der  ältesten  Zeit 
war  der  Vorbeter  erst  bei  der  lauten  Tefilla  vor  die  Lade  getreten, 
später  begann  er  schon  mit  dem  T^ip  vor  iDin,  wo  Maimonides  z.  B. 
ihn  noch  auftreten  läßt;  inzwischen  aber  hatte  er  sieli  in  manchen 
Ländern  schon  der  vorangehenden  Psalmen  bemächtigt  und  zuletzt 
wurden  sogar  die  einleitenden  Benediktionen  nicht  nur  in  der  Synagoge 
gesprochen,  sondern  gleichfalls  laut  vorgetragen.  Dazu  kam  endlich, 
daß  die  Liturgie  nicht  mehr  mit  der  Tefilla  scliloß,  sondern  daß  auch 
die  a-'rznr  zum  öffentlichen  Gebet  hinzutraten  und  sich  immer  mehr 
ausdehnten.  Der  Vorbeter  leitete  das  gesamte  Gebet,  trug  es  von  Anfang 
bis  zu  Ende  laut  vor.  Wo  die  Gemeinde  das  Gebet  beherrschte,  sprach 
sie  es  still  mit,  allmählich  betete  die  Gemeinde  neben  dem  Vorbeter. 
In  Frankreich  und  Deutschland  waren  die  Kundigen  (a-'i«"'pn)  zahl- 
reicher als  im  Orient  und  in  Spanien,  auch  die  gedruckten  Gebet- 
bücher fanden  hier  früher  Verbreitung.  Daher  rührt  es,  daß  hierzulande 
der  Vorbeter  abgesehen  von  der  Tefilla,  die  er  von  Anfang  bis  zu 
Ende  vorträgt,  nur  am  Ende  der  Abschnitte  seine  Stimme  erhebt, 
während  er  außerhalb  des  deutschen  Ritus  die  gesamte  Liturgie  laut 
spricht,  wobei  die  Gemeinde  ihn  begleitet. 

Trotzdem  die  Gemeinde  sich  daran  gewöhnt  hat,  mit  dem  Vor- 
beter mitzubeten,  blieben  ihr  die  alten  Responsionen  vorgeschrieben ;  es 
kamen  sogar  neue  hinzu  und  es  wurde  ilmen  viel  Ge^^icht  beigelegt.  Be- 


502  Organisation  des  Gottesdienstes 

sonders  die  Bedeutung  der  Responsionen  beim  Kaddisch  und  der 
Keduscha  ist  unter  dem  Einfluß  der  Mystiker  sehr  übertrieben  worden. 
Bei  den  Piutim  war  die  Gemeinde  nicht  nur  das  ganze  Mittelalter  hin- 
durch, sondern  auch  später  noch  auf  den  Vorbeter  angewiesen,  er  trug 
den  Text  vor,  und  die  Gemeinde  konnte  nur,  wo  es  anging,  mit  einem 
Refrain  einfallen;  daher  erfreute  sich  der  Pismon,  der  fast  stets  einen 
Refrain  hatte,  großer  Beliebtheit.  Das  Zuhören  lag  der  Gemeinde  nicht, 
sie  wollte  entweder  mit  dem  Vorbeter  mitbeten,  oder  sie  suchte  sich  in 
anderer  Weise  die  Zeit  zu  vertreiben.  Beides  wirkte  außerordentlich 
störend  und  machte  in  der  Neuzeit  eine  durchgreifende  Änderung  des 
gesamten  Vortragswesens  notwendig. 

§  54.  Der  gottesdienstliche  Gesang. 

Literatur:  Zunz,  Syn.  Poesie.  S.  114fF.,  Berliner.  Die  Entstelumg- des 
Vorbeterdieustes  in  Isr.  Monatsschr.,  1899,  S.  4ff.:  Ackermann,  Der  syna- 
gogale  Gesang-;  Friedmann  A.,  Der  synagogale  Gesang;  JE  Art.  Cantil- 
lation  m,  537  tf.;  Music,  Synagogal  IX,  119tf. 

1.  An  die  Stelle  des  schlichten  und  einfachen  Vortrags  der  Gebete 
ist  im  Laufe  der  Zeit  kunstvoller,  abwechslungsreicher  Gesang  getreten. 
Wie  es  zu  diesem  Umschwung  gekommen  ist  und  woher  die  im  Gottes- 
dienste verwendeten  Melodien  stammen,  sind  viel  umstrittene  und 
kaum  mehr  aufzuklärende  Fragen.  Es  liegt  nahe,  an  einen  Zusammen- 
hang mit  dem  Gesang  der  Le\itenchöre  im  Tempel  zu  Jerusalem  zu 
denken,  aber  w^k  wissen  nichts  davon,  ob  die  Gesänge  der  Leviten  aus 
Rezitativen  oder  aus  Melodien  bestanden  und  wieviel  davon  über- 
liefert wurde.  Sicher  ist,  daß  niemals  schriftlich  aufgezeichnete  Me- 
lodien vorhanden  waren,  ferner,  daß  nach  der  Zerstörung  des  Heilig- 
tums die  meisten  Gelegenheiten  für  den  herkömmlichen  Gesang  fort- 
fielen. Es  wäre  nun  möglich,  daß  für  diejenigen  Teile  des  Gottesdienstes, 
die  mit  dem  l'empeldienst  in  Zusammenhang  stehen,  wie  den  Psalmen- 
vortrag, den  Priestersegen,  die  Prozessionen  am  Hüttenfeste,  sich 
einige  Melodien  durch  Tradition  erhalten  hätten.  Bei  dem  lebhaften  m 
Interesse,  das  allen  Angelegenheiten  des  Tempelkiütus  entgegen- 
gebracht wm'de,  ist  das  sogar  sehr  wahrscheinlich,  ein  sicherer  Nach- 
weis läßt  sich  jedoch  nicht  dafür  erbringen.  Aus  dem  Talmud  ergibt 
sich  sogar  mit  ziemlicher  Gewißheit,  daß  bei  der  gedrückten  Stimmung, 
die  nach  dem  Untergange  des  eigenen  Staatswesens  die  Gemüter  be- 
herrschte, die  Freude  am  Gesänge  verloren  gegangen  war  und  daß  im 


Der  SynagdKcnfjt'SüliK  503 

jillgcniciiH'ii  jcck'  Art  von  Musik  als  verholen  «f.ill.  Siclieie  Naelirieliteii 
über  die  IM'leue  des  (.iesaiifres  in  alter  Zeit  besitzen  wir  nur  ans  den 
Kreisen  der  ziendich  abseits  vom  otliziellen  .Indenlnm  stellenden 
'riierapenten.  die  ihre  Hymnen  in  l<nnst<;ereelitem.  mehrstimmi'^em 
Chorgesansj;  vortrnijen.  Daü  in  der  liellenislisclien  Diaspora  (Icr  ('Ikk- 
fijesanfi'  all<>"emein  id)li(li  war,  ist  kaum  anzunehmen,  (hi  sonst  ir«(end- 
eine  Xaehricht  (hirüber  auf  uns  jj;ek()nnnen  wäre. 

2.  Clanz  (»hne  Gesansf  ist  die  Synafijoge  niemals  gewesen,  er  war 
sieherlich  auch  mit  dem  einfachsten  Vortrag  verbunden,  wie  ja  er- 
fahrungsgemäß der  ungesciiulte  Vortrag  stets  singend  endet.  Wenn 
nun  gar  der  Vorbeter  in  gehobener  Stimmung  und  mit  innerer  Be- 
wegung die  Gebete  sprach,  wird  seine  Stimme  öfter  einen  i'eierlichen 
Ton  angeschlagen  haben.  Die  Korderung  einer  angenehmen  Stimme 
wird  zuerst  beim  Fastengottesdienst  an  den  Vorbeter  gestellt,  der 
in  gedrückter  Stimmung  uiul  vom  Leid  der  Gesamtheit  tief  ergriffen 
sein  mußte.  Die  Erkenntnis,  daß  ein  wohlklingeiuler  Vortrag  die 
Weihe  des  Gottesdienstes  erhöhte,  hatte  zur  h'olge,  daß  auch  beim 
täglichen  Gebete  Wert  darauf  gelegt  und  die  Verwendung  von  stimm- 
begabten Vorbetern  warm  em])fohlen  wurde.  Wie  beim  Gebet  war 
auch  beim  Verlesen  der  Heiligen  Schrift  durch  die  Absicht,  sinngemäß 
uiul  eiiulrucksvoil  den  Text  wiederzugeijcn,  der  Anlaß  zu  nnxluliereiulem 
Vortrag,  zur  kantillierendeu  Rezitation  gegeben.  Von  Melodien  sind 
wir  da  überall  noch  weit  entfernt,  aber  ein  rezitierender  Gesang  war 
früh  eingeführt. 

3.  Die  Forderung  eines  m  e  1  o  d  i  s  c  h  e  n  Vortrags  tritt  zuerst 
in  Verbindung  mit  dem  Lesen  der  religiösen  Literatur  auf.  s::n  ^-^'^n 

2-^3"ii:  5«:.  ^Wer  die  Schrift  liest  ohne  Melodie  und  die  Traditionsliteratur 
studiert  ohne  Gesang,  auf  den.  so  meint  R.  Jochanan,  ist  der  Schrift- 
vers anwendbar,  ich  gab  ihnen  Gesetze,  die  nicht  schön  waren  (b. 
Meg.  32a).  Dementsprechend  wurden  Bibel  und  Traditionsliteratur 
mit  Akzentzeich.en  versehen  und  regelrecht  gesungen.  Die  Akzente, 
die  noch  heute  allen  Bibelausgaben  beigegeben  sind,  wurden  lange  als 
alte  Bestandteile  des  biblischen  Textes  angesehen,  die  Zeichen  selbst 
aber  sind  nicht  älter  als  etwa  das  6.  oder  7.  Jahrhundert,  und  das 
bei  uns  übliche  System  hat  sich  erst  allmählich  entwickelt.  Das  hindert 
jedoch  nicht,  daß  die  angewendete  Singweise  (hts^'J:  ,113:)  älter  ist. 
Die  Akzente  haben  mehr  hermeneutische  als  musikalische  Bedeutung, 


504  Organisation  des  Gottesdienstes 

aber  die  liergebraclite  Kantillation  konnte  mit  den  Alvzenten,  mit 
denen  sie  die  Satzeinteilung  und  den  Rliythmus  gemeinsam  hatte, 
sehr  wohl  verbunden  werden.  So  erhielt  jeder  Akzent  die  Bedeutung 
einer  Note  oder  vielmehr  meistens  einer  musikalischen  Phrase.  Nicht 
alle  Bücher  der  Bibel  wurden  in  derselben  Weise  vorgetragen.  Die 
Kantillation  für  die  Tora  ist  anders  als  die  für  die  Propheten,  von  beiden 
unterscheidet  sich  die  Vortragsweise  der  Klagelieder  und  die  des 
Buches  Esther;  selbst  innerhalb  der  Tora  wird  bei  einzelnen  Stellen 
und  an  besonderen  Tagen  eine  verschiedene  Kantillation  angewendet. 
Aus  alledem  ergibt  sich,  daß  ein  und  derselbe  Akzent  nicht  immer 
gleiche  musikalische  Bedeutung  hat.  Es  bildeten  sich  ferner  ver- 
schiedene Modulationen  des  Vortrags  in  den  einzelnen  Ländern  heraus. 
Man  unterscheidet  bisher  die  deutsch-polnische  von  der  sepharadischen 
und  der  orientalischen  Kantillation,  aber  die  Reihe  der  vorhandenen 
Vortragsweisen  ist  damit  keineswegs  erschöpft.  Man  nannte  die  Kan- 
tillation im  Mittelalter  ,,Tropp",  wie  auch  in  der  Kirche  der  Gesang 
mit  reich  bewegter  Melodisierung  Tropus  genannt  wurde;  beim  Unter- 
richt der  Kinder  war  eine  eigene  Singweise  üblich,  die  man  Stubentropp 
nannte,  Jakob  Möllin  trug  die  Schriftabschnitte  am  Neujahr  und 
Versöhnungstage  in  diesem  noch  heute  üblichen  Tropp  vor.  Wie  weit 
die  verschiedenen  Modulationen  der  Kantillation  bei  der  Schrift- 
vorlesung von  der  Musik  der  Umgebung  beeinflußt  sind,  ob  sich  ein 
gemeinsamer  Grundzug  in  der  Phrasierung  erkennen  läßt,  ist  bisher 
nicht  zu  ergründen;  das  uns  vorliegende  Material  ist  vorerst  zu  wenig 
umfangreich,  um  ein  sicheres  Urteil  zu  ermöglichen. 

4.  Die  Gebete  wurden  ebenfalls  lange  Zeit  in  der  überlieferten 
kantillierenden  Weise  vorgetragen,  die  Bewertung  einer  angenehmen 
wohlklingenden  Stimme  nimmt  immer  mehr  zu,  je  näher  wir  dem 
Abschluß  der  talmudischen  Epoche  kommen.  Im  Tr.  Sofrim  wird  beim 
Ausheben  der  Tora  wohlklingendes  Singen  (ni2i":)  vorgeschrieben. 
Das  Prophetentargum  übersetzt  den  biblisclien  Ausdruck  für  Gesang 
p:  mit  "J"'^ö,  und  der  Name  "jTn,  der  schließlich  für  den  Vorsänger 
gebräuchlich  wurde,  ist  von  rnrrn  Hizana  abgeleitet  worden.  Damit 
ist  der  Schlüssel  zur  Erklärung  der  Einführung  des  melodischen  Ge- 
sanges für  die  Gebete  gegeben.  Die  Piutdichter  waren  es,  die  den 
Gottesdienst  nicht  nur  mit  ihren  Dichtungen,  sondern  auch  mit  der 
neuen  Vortragsweise  bereicherten,  llu-e  Schöpfungen  waren  Lieder  im 
wahren  Sinne  des  Wortes,  sie  wurden  von  den  Verfassern  selbst  gc- 


Der  SyiiagOKt'nK't'sung  505 

siinntMi.  Die  Aiirciiiiii^  da/u  kam  iliiicn  aller  Waliiscliciiiliclikcil  iiacii 
voll  der  (triciitalisL'luMi  Kiiclic.  .J'lhciiso  wie  die  \'orbroitung  syrischer, 
«;ru'cliiselu'r  und  ialiMnisclicr  Kirclicruiicliluiit^M'n  imicrliall)  (\vn  Judon- 
tunis  den  l'jlVr  erweckte,  durch  poeti.sche  (iebele  dem  (iottesdieiist 
llUiiiz  /u  geben,  ebenso  wirkte  gewiß  auch  der  Khang  der  Kirchen- 
lieder mit  seinen  feierlichen  Weisen  anregend  aul"  den  synagogalen 
Clesang".  Auf  die  Verbreitung  und  Anerkennung  des  (lesanges  hat 
sicher  aucii  das  Streben  der  Mvstiker  aus  den  ersten  gaonäischen  Jahr- 
hunderten l'ordernd  eingewirkt;  die  Mystilcer  haben  zu  allen  Zeilen 
ucrn  Hynnien  gesungen.  ..die  Xacheiferung  Israels,  es  dem  harmo- 
nischen Gesänge  der  himmlischen  Scharen  gleichzutun,  ist  ein  Lieb- 
lingsthema der  Hechalot,  die  selbst  den  göttlichen  Thron  singen 
lassen."  Ebenso  emi)fiehlt  später  Juda  der  Fromme,  beim  Gebet  ge- 
lallige und  wohlklingende  ]\lelodicn  (T^rm  piria':  D-^yzV!  '^ly^)  zu  ge- 
brauchen, die  zur  Sanmilung  und  Hebung  der  Andacht  beitragen, 
Melodien,  die  das  Herz  zum  Weinen  bringen  und  freudig  aufjauchzen 
lassen. 

Der  Einwükung  auf  das  Gemütsleben  hat  der  synagogale  Gesang 
seine  Anerkennung  zu  verdanken.  Weil  er  die  Beter  erhob  und  fortriß, 
in  ihnen  andächtige  Stimmung,  Schmerz  und  Freude  erregte  und 
vertiefte,  setzte  man  sich  über  das  Herkommen  und  über  die  dem  Ge- 
sang feindliche  Überlieferung  hinweg.  Die  angesehensten  Gesetzes- 
lehrer erklärten  den  Gesang  für  gottesdienstliche  Zwecke,  zur  Ver- 
herrlichung Gottes  für  erlaubt,  später  sogar  für  geboten.  Selbst  Mai- 
nionides,  der  unerbittliche  Gegner  jeder  Art  von  Musik,  koimte  sich  der 
allgemeinen  Stimmung  nicht  widersetzen  und  mußte  die  Töne,  die 
zum  Lobe  Gottes  erklingen,  gestatten.  Es  wurde  häufig  über  die  Miß- 
bräuche und  über  die  Übertreibungen  der  Sänger  Klage  geführt,  aber 
der  Gesang  an  sich  nicht  nur  geduldet,  sondern  „weil  er  das  Herz  rührt", 
allgemein  empfohlen.  „Piut  und  Pismon  wurden  nicht  bloß  abgelesen, 
sondern  rezitiert,  teilweise  gesungen.  Es  gab  einen  Gesangsvortrag 
für  Jozer,  Ofan,  Meora  usw.,  die  Keroba,  die  aramäischen  Illustrationen 
u.  V.  a.,  ferner  für  Aboda,  Selicha  und  Kina".  Die  Melodien,  nach 
denen  die  einzelnen  Stücke  zu  singen  waren,  wurden  in  den  Hand- 
schriften am  Anfang  angegeben,  in  den  gedruckten  Gebetbüchern  sind 
einzelne  immer  noch  genannt.  Das  ging  so  weit,  daß  bisweilen  die 
Rezitation  eines  Piut  gänzlich  unterlassen  wiu-de,  weU  man  die  Me- 
lodie  dazu  vergessen   hatte.     Die   für   die   Piutim   vorgeschriebenen 


50  t)  Organisation  des  Gottesdienstes 

Melodien  entstammen  den  verschiedensten  Quellen,  es  lassen  sich 
darunter  die  Weisen  von  Volks-  und  Minneliedern  aus  allen  Ländern 
wiederfinden,  es  ist  auch  nicht  zu  bezweifeln,  daß  die  Vertonung  von 
Kii'chenliedern  hie  imd  da  übernommen  wurde.  Die  Kunst  kennt 
eben  keine  Grenzen,  sie  läßt  sich  nicht  auf  bestimmte  Kreise  beschrän- 
ken. Die  Vorbeter  nahmen  unbedenklich  ihre  Melodien,  wo  sie  sie  fanden, 
man  hört  schon  früh  den  Tadel,  daß  zu  viele  fremde  Gesänge  in  die 
Synagoge  eingeführt  würden,  aber  selbst  mit  dieser  Klage  stehen  die 
Juden  nicht  allein,  die  kirchlichen  Schriftsteller  erheben  denselben 
\'orwurf,  daß  zu  viel  weltliche  Musilc  mit  der  christlichen  Liturgie  ver- 
mischt werde.  Es  gab  Mustermelodien,  die  bekannten  und  verbreiteten 
hebräischen  oder  fremden  Lieder  wurden  als  Melodien  für  viele  andere 
angewendet.  Die  Tatsache,  daß  sehr  viel  Piutgesang  aus  nichtjüdischen 
Kreisen  entlehnt  wurde,  ist  einwandsfrei  erwiesen,  es  erhebt  sich  die 
Frage,  wie  viele  von  den  Synagogengesängen  auf  jüdischer  Tradition 
beruhen.  Denn  auch  das  ist  nicht  zu  übersehen,  daß  viele  Melodien 
eine  gewisse  Eigenart  aufweisen,  die  sonst  nirgends  wieder  zu  finden 
ist  und  auf  alter  Überlieferung  beruhen  muß. 

5.  Auch  vor  den  Stammgebeten  machte  die  Freude  am  Gesang 
nicht  halt,  man  übertrug  bestimmte  Piutweisen  auf  einzelne  Gebet- 
stücke, benutzte  die  Melodien  der  Schriftvorlesung  oder  komponierte 
eigene  Gesänge.  Fast  für  jedes  Gebetstück  bildete  sich  eine  eigene 
Melodie  und  ein  eigenes  Rezitativ  für  Sabbate  und  Feste  heraus.  Be- 
sonders die  ehüeitenden  Psalmen  wurden  sehr  gern  und  recht  lange 
gesungen.  In  Eegensburg  brauchte  man  an  Sabbaten  für  das  eine  Stück 
"i'aK'ü  "TTin  eine  volle  Stunde,  ebensoviel  verwendete  Isserlein  in  Wiener 
Neustadt  während  der  Zeit  vom  1.  Elul  bis  nach  dem  Versöhnungs- 
tage darauf.  Auch  im  Orient  beanspruchte  der  Vortrag  der  Psalmen 
um  1200  eine  gute  Stunde.  Von  dem  reichen  Programm  eines  Vor- 
beters und  seinen  Wh'kungen  gibt  Immanuel  Romi  um  1300  ein  an- 
schauliches Bild,  wenn  er  einen  Vorbeter  seine  Stimme  wie  folgt  rühmen 
läßt:  Wenn  ich  die  große  Keduscha,  einen  Jozer  oder  die  Keroba 
spreche,  dann  werden  auch  die  Härtesten  mit  fortgerissen;  wenn  ich 
am  Versöhnungstage  bete,  die  Megilla  am  Purim  lese.  TlüD  ^^  ^n  den 
Wallfahrtsfesten  oder  einen  Psalm  vortrage,  dann  zittern  die  Ge- 
waltigen ob  meiner  Stimme,  und  w^enn  ich  die  Klagelieder  zum  Gehör 
bringe,  dann  bleibt  kein  Auge  tränenleer". 

Die  Melodien  für  die  Stammgebete  prägten  sich  den  Gemeinden 


I 


Aiisdcliiniiij,'  des  (li-sangcs,    Chorgesanp  507 

ein  und  iialimcn,  nUwidil  sie  nicht  aut'<i('Z('ic*lin<'t  waren,  IVstc  (ifstalt 
an,  so  dal.)  man  von  den  licrköminlichen  Sangwoiscn  iiiclit  im-hr  abwich. 
In  Dcnlschland  nnteiscliicd  man  schon  im  14.  und  lö.  .lahrhundtTl  die 
Gesängo  am  Rhein  von  denen  in  Kegenshnrg  und  r)sterreieh.  Jakob 
MöUin  empfiehlt,  die  an  einem  Orte  id)liehen  Melodien  sorgfältig  zu 
hüten  und  nicht  mit  fremden  zu  vertauschen,  die  späteren  llalacliisten 
nahmen  sein  Wort  sehr  streng.  Seiiu'  .Jünger  verzeichneter  genau, 
in  welcher  Art  er  die  einzeliUMi  (lehetstücke  an  den  M'ischiederu'n 
Festen  vorgetragen  hatte,  und  da  man  sich  viellach  daiuich  richtete, 
konnte  er  als  ilur  Schöpfer  des  in  Deutschland  und  Polen  üblichen 
Synagogengesanges  gepriesen  werden.  Auch  die  J'ortugiesen  schenkten 
dem  Gesang  der  Gebete  große  Heaclitung,  sie  unterschieden  18  Grund- 
melodien,  von  denen  jede  in  vier  Modulationen  gesungen  werden 
konnte.  In  Deutschland  hätte  man  sich  datnit  nicht  begnügt.  Aus 
Worms  z.  B.  werden  im  17.  Jahrhundert  Melodien  erwähnt  zu  "rr  vor 
ittSTC  Tnn,  zu  i^5?r  iT^n  an  Sabbaten  und  an  Feiertagen,  zu  den 
darauffolgenden  Psalmen  an  Sabbaten,  für  den  I.  und  8.  Tag  Pesach, 
für  den  23.  Ijar,  als  Tag  der  Verfolgung  109(5.  für  den  Monat  Ab  usw. 
usw.  In  Polen  war  man  womöglich  noch  sangeslustiger,  die  Vorbeter 
durften  Hut  Phantasie  ungezügelt  walten  lassen  und  einen  Gesang 
produzieren,  den  nuni  ,, einen  in  Musik  gesetzten  PilpuP"  genannt  hat. 
Wie  der  Pilpul  wurde  auch  der  Synagogengesang  nach  dem  Westen 
verpflanzt  zum  Schaden  der  Gemeinden  und  des  Gottesdienstes;  denn 
der  ,, Gesang"  jener  weder  in  der  Musik  noch  in  der  hebräischen  Sprache 
gebildeten  Vorbeter  wurde  die  Hauptsache,  das  (Jebet  aber  wurde  in 
den  Hintergrund  gedrängt,  sein  Text  erbarmungslos  verstümmelt. 

6.  Der  synagogale  Gesang  war  im  allgemeinen  Sologesang,  die  Ge- 
meinde begleitete  zwar  häufig  den  Vorbeter,  aber  nicht  im  geschulten 
Chor,  sondern  mit  wilden  und  willkürlichen  Unterbrechungen,  die  den 
Vortrag  störten.  Auch  die  Responsionen  wurden  ohne  Ordnung  und 
Gleichklang  geboten.  Ganz  selten,  bei  feierlichen  Gelegenheiten,  z.  B. 
bei  der  Installation  des  Exilarchen,  wurde  in  Bagdad  zum  Sabbat- 
gottesdienst ein  Chor  (Di"nnn)  herangezogen.  Das  kam  auch  im  Mittel- 
alter in  verehizelten  Fällen  vor,  in  Italien  z.  B.  unterstützten  einige 
Sänger  den  \'orbeter  an  hohen  Feiertagen.  Eine  seltsame  Verirrung 
war  die  Einfülirung  von  Chorknaben  (Sinmc^)  in  Polen,  die  im  Osten 
vielleicht  noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  bekannt  ist,  die  auch  in  Deutsch- 
land vielfach  Jahrhunderte  lans:   den  schädhchsten  Einfluß   auf  den 


508  Organisation  des  Gottesdienstes 

Gottesdienst  ausübte.  Zu  beiden  Seiten  des  Vorbeters  stellte  sich  je 
ein  Sänger  auf,  der  mit  hoher  oder  tiefer  Stimme  —  man  nannte  sie 
darum  Singer  und  Baß  —  die  Gesänge  des  Vorbeters  begleitete,  indem 
er  harmonische  Intervalle  ansehlug,  oft  auch  kleinere  selbständige 
Passagen  ausfülu'te.  Diese  Art  des  Gesanges  konnte  man  bis  in  die 
IVIitte  des  vorigen  Jahrhunderts  allgemein  in  den  Synagogen  hören, 
(sie  war  z.  B.  in  Berlin  noch  1840  tiblich),  sie  steigerte  die  Unordnung 
und  Geschmacklosigkeit  aufs  höchste. 

Der  mehrstimmige  kunstgerechte  Gesang  ist  in  jüdischen  Kreisen 
zuerst  in  Italien  gepflegt  worden.  Salomo  de  R  o  s  s  i  druckte  1620  in 
seinem  nr"::!!'"::  "'iTCX  a'^n^rn,  der  ersten  Veröffentlichung  von  Noten 
für  hebräische  Gesänge,  30  Stücke  aus  dem  Gebetbuch  mit  Melodien 
für-  melirere  Stimmen.  Man  siebt  daraus,  daß  sein  Bemühen  haupt- 
sächlich auf  die  Einführung  eines  geregelten  Chorgesanges  gerichtet 
war.  Welcher  Erfolg  diesen  Bestrebungen  beschieden  war,  ist  nicht 
mehr  festzustellen,  so  verwildert  wie  in  den  Synagogen  des  Xordens 
war  der  Gesang  in  den  Gemeinden  Italiens  niemals. 

7.  In  Deutschland  trat  die  Umwälzung  ein,  als  in  der  Zeit  nach 
Mendelssohn  der  Geschmack  der  Juden  sich  verfeinerte  und  von  dem 
hergebrachten  polnischen  Gesänge  abgestoßen  fühlte.  Damals  wurde 
die  Notwendigkeit  erkannt,  dem  Vortragswesen  der  Synagoge  seine 
Ordnung  und  Würde  wiederzugeben.  Unter  den  Mitteln  zur  Veredlung 
des  Gesanges  kamen  in  erster  Beihe  die  Einführung  von  Gemeinde- 
liedern und  Orgelbegleitung  zur  Anwendung.  Unter  allen  Neuerungen, 
die  an  den  Namen  Israel  Jacobsohns  anknüpfen,  hat  keine  so  ent- 
schiedene Gegnerschaft  hervorgerufen  wie  die  Einfüluung  der  Orgel. 
Sie  wm'de  als  ein  tötlicher  Angriff  gegen  das  überlieferte  Judentum, 
als  eine  Zerstörung  des  Wesens  des  jüdischen  Gottesdienstes  aufge- 
faßt, und  obw^ohl  der  Kampf  nunmehr  nahezu  ein  Jahrhundert  dauert, 
hat  er  an  Schärfe  nicht  verloren.  So  erhielt  die  Orgel  eine  Bedeutung, 
die  ilir  nicht  zukommt;  aus  einer  Maßnahme,  die  nur  vom  Standpunkte 
der  Ästhetik  und  der  Zweckmäßigkeit  zu  beurteilen  ist,  wurde  sie  eine 
Frage  des  Parteiprogramms,  ein  Streitobjekt  der  sich  bekämpfenden 
religiösen  Richtungen.  Jacobsohns  Absicht  ging  dahin,  den  Gesang 
des  Vorbeters  durch  Lieder  der  Gemeinde  zu  ersetzen,  dem  vielstimmigen 
(lesang  durch  die  Orgelbegleitung  Halt  und  Stütze  zu  geben,  ihn  reiner 
und  rhythmischer  zu  gestalten.  Dabei  kam  der  überlieferte  Synagogen- 
gesang vollständig  in  Wegfall,  die  neuen  Gemeindelieder  hatten  weder 


Ililiiiii^:   di's  (losiiiigi's   im    \l\.  .1  .iliilimuli  rl  jjQg 

mit  (Ich  licspunsioiKMi  noch  mit  (Ion  Melodien  der  Tradition  cinon 
Ziisammcniian«:-,  die  nnhostrittcnc  Hcrciclicrimu;  diiicli  das  ncuo 
Klcmcnt  d(>s  (i(Mn('iiid('i!;(>saiiij:s  hafte  eine  \'craniiiiiiir  an  .Melodien  zur 
Kol<!,"e. 

Die  wirkliche  Ke<;eneration  des  Synaj^o^cnj^esantis  verdaid^cn  wir 
Salomon  S  u  1  ze  r  (ISÜ4 — 1890),  in  dessen  Person  sich  alle  dalür  er- 
fordorlicluMi  (laben  liannonisch  vereinigten,  mnsikalisches  Genie,  eine 
|)hänomonale  Stimme  nnd  tiefste  Vertranthoit  mit  den  traditionellen 
Gesängen.  Das  Schicksal  stellte  ihn  an  einen  tjünstigen  Platz,  beschied 
ihm  eine  Wirksamkeit  in  dem  Wien  Hcethovens  nnd  Schnberts.  So 
wurde  Sulzer  der  Pfadfinder  des  modernen  Synagofi;enji:esan<>;s,  sein 
..Schir  Zion"  das  grundle<!jende  Werk,  aus  dem  alle  Nachfolger  An- 
regung empfangen  haben.  Die  Bedeutnng  Sulzers  besteht  darin,  daß 
er  als  erster  eine  kritisclie  Auslese  unter  den  herkömmlichen  Gesängen 
getroffen,  die  unbrauchbaren  entfernt  und  die  fehlenden  durch  eigene 
Kompositionen  ergänzt  hat.  Er  hat  ferner  die  alten  jüdischen  Ge- 
sänge in  Notenschrift  wiedergegeben,  sie  nach  den  Gesetzen  der  Musik- 
wissenschaft sinngemäß  umgeformt,  so  daß  sie  m(Modi()s  und  rhythmisch 
zugleich  wurden.  Endlich  hat  er  die  Institution  des  Synagogenchors 
zu  ungewöhnlicher  Blüte  gebracht,  indem  er  Gesänge  schuf,  die  nicht 
nur  kunstgerecht,  sondern  auch  von  altjüdischem  Geiste  und  echt 
religiöser  Weihe  durchdrungen  waren.  Sulzers  Gesänge  erklangen  in  den 
Synagogen  aller  Erdteile  und  gaben  seinen  Berufsgenossen  den  Impuls 
zu  gleichem  Streben.  In  seinem  Geiste  arbeitete  Moritz  Deutsch 
in  Breslau  (1818 — 1892),  der  sich  besonders  die  sacli-  und  fachgemäße 
Ausbildung  von  Vorbetern  angelegen  sein  ließ  und  ihnen  in  seiner 
„Vorbeterschule''  eine  vollständige  Sammlung  der  „alten  Synagogen- 
Intonationen'"  bot.  Für  den  Gemeindegesang  sorgten  die  „Braun- 
schweiger Gesänge'"  von  H.  G  o  1  d  b  c  r  g  ,  indem  sie  die  Gebet- 
stücke mit  einem  wenig  komplizierten,  ein-  oder  höchstens  zweistim- 
migen musikalischen  Satz  boten  und  dadurch  auch  solchen  Gemeinden, 
die  einen  Chor  nicht  einrichten  konnten  oder  wollten,  den  gemein- 
samen Gesang  ermöglichten.  Ein  ebenbürtiger  Nachfolger  Sulzers 
wurde  Louis  L  e  w  a  n  d  o  w  s  k  i  (1823—1894),  der  als  Chordirigent 
in  Berlin  (seit  1840)  für  die  Ausbildung  des  dior-  und  Gemeindegesangs 
bahnbrechend  gewii'kt  hat.  In  seinem  nbcr'  n:^  :ip  hat  er  zunächst 
den  Rezitativen  für  den  Vorbeter  besondere  Sorgfalt  zugewendet, 
die  er  aufs  genaueste  in  musikalischer  Form  wiedergibt,  ohne  sie  ihres 


510  Organisation  des  Gottesdienstes 

pigenartigen  jüdischen  Charakters  zu  entkleiden,  daneben  aber  für 
den  Gebrauch  kleinerer  Gemeinden  zweistimmige  Gesänge  geboten, 
„welche  sich  durch  leicht  fließende  Melodik  und  Harmonik  aus- 
zeichnen." Seine  volle  Größe  als  Musiker  offenbarte  er  in  den  vier- 
stimmigen Chören  für  Sabbate  und  Feste,  welche  sein  Werk  mm 
nTan  enthält.  Hier  hat  er  eine  große  Anzahl  Melodien  geschaffen,  die 
sich  durch  vollendete  Schönheit  auszeichnen  und  die  von  einem  tief 
religiösen  Geist  durchweht  sind.  Der  gesamte  Gottesdienst  wurde 
von  ihm  für  die  Berliner  Gemeinde  für  Vorbeter,  Chor  und  Orgel 
bearbeitet,  seine  Kompositionen  wurden  weithin  verbreitet  und  im 
besten  Sinne  populär.  Die  Gesänge  Lewandowskis  brachten  der 
Glaubensgemeinde  die  Gedankenschätze  der  Vorfahren  nahe,  sie 
wurden  zum  getreuesten  Dolmetscher  für  die  prophetischen  Offen- 
barungen, von  denen  unser  Gottesdienst  durchzogen  ist. 

In  ähnlicher  Weise  haben  zahlreiche  andere  Meister  durch  Be- 
arbeitung alter  und  durch  Komposition  neuer  Melodien  sich  um  die 
Hebung  des  Gottesdienstes  bemüht.  Auch  die  Melodien  der  Portu- 
giesen haben  in  Federigo  C  o  n  s  o  1  o  einen  ebenso  begeisterten  wie 
kunstverständigen  Interpreten  gefunden.  So  wird  seit  Jahrzehnten 
mit  Eifer  an  der  Veredlung  des  Synagogengesangs  gearbeitet,  auf 
die  musikalische  Durchbildung  der  Vorbeter  und  die  Einrichtung 
eines  geregelten  Chors  der  höchste  Wert  gelegt.  Die  Erfahrung  hat 
gelehrt,  daß  die  stimmungsvollen  alten  Klänge  aus  der  Väter  Zeit 
tief  eingewurzelt  und  ein  unentbehrlicher  Bestandteil  des  Gottes- 
dienstes sind.  Andererseits  führt  die  fortschrittliche  Tendenz  dahin, 
durcli  reichere  Ausgestaltung  der  Instrumentalbegleitung  und  durch 
die  Vereinfachung  der  Liturgie  den  Gesang  im  Gottesdienste  zurück- 
zudrängen. Wie  sich  die  Entwicklung  auch  gestalten  mag,  die  Musik 
ist  in  der  Synagoge  nicht  um  ihrer  selbst  willen,  sondern  als  Mittel 
zur  Erreichung  der  Ziele  des  Gottesdienstes  zu  pflegen.  Die  Aufgabe 
des  Gottesdienstes  ist  und  bleibt  die  Sammlung  der  Gemeinde  zu 
gemeinsamer  Andacht,  zur  Erhebung  zum  Vater  im  Himmel  und 
zur  Belehrung  aus  dem  ewig  sprudelnden  Quell  seiner  Offenbarung. 


Anmerkungen. 


A.  Einleitung. 

Zu  §  2  8.  2  1".  Nähere  Ausführung  nel)sl  (i<ii  /.ugehörigen  Belegen 
gibt  Abschn.  II,  S.  232  ff.  —  Eine  Würdigung  der  religionsgeschicht- 
liehen  Bedeutung  des  jüdischen  Gottesdienstes  bei  W.  Bousset,  Die  Re- 
ligion des  Judentums  im  neutestamentlichen  Zeitalter-,  S.  201  f.  —  Das 
Zitat  bei  Zunz  O.  V.,  S.  384.  —  S.  3  -jT«3  vgl.  weiter  S.  207.  —  Zu  §  3. 
Zu  den  Definitionen  vgl.  JE  Art.  Benedictions  III,  8  ff.,  Liturgy  VIII, 
132  ff.  —  Die  Stellen  mit  UiTovQyfTv  in  der  griech.  Bibel  s.  in  Hatch 
und  Redpath  LXX  —  Coneordance  S.  872  f.  rr-jTrJs  im  Midrasch  bei 
Jos.  Perles,  Beiträge  zur  hehr.  u.  aram.  Spraclikunde  S.  68  f.  Achelis, 
Prakt.  Theol.  l'-\  S.  185  f.  kann  sich  den  Zusammenhang  der  verschie- 
denen Bedeutungen  von  ,, Liturgie"  nicht  erklären,  weil  ihm  mar  mit 
dem  gleichen  Bedeutungswandel  als  Mittelglied  fehlt.  Das  neutestament- 
liche  Material  bedarf  unter  diesem  Gesichtspunkt  einer  erneuten  Prüfung. 
Auch  Rietschel,  Liturgik  I,  S.  27  f.  läßt  sich  durch  seine  Unkenntnis 
nicht  hindern,  über  das  hebr.  mar  und  die  Bedeutung  des  jüd.  Kultus 
wegwerfend  zu  urteilen;  das  hebr.  mar  bedingt  ebensowenig  ,, falsches 
gesetzliches  Wesen"  wie  das  deutsche  Wort  Gottesdienst.  —  Zum 
Text  des  Sifre  vgl.  Friedmann  a.  a.  O.  u.  Hoff  mann,  Midr.  Tann.  S.  35; 
vgl.  ferner  j.  Ber.  IV.  Anf.  (7a)  u.  Midr.  Seh.  T.  zu  Ps.  66  (157b).  — 
10  biblische  Worte  für  Gebet  führt  Sifre  Dt.  §  26  (70b)  an;  vgl.  auch 
die  von  Friedmann  das.  zitierte  Literatur.  —  '^-a  ist  bei  Gesenius, 
Wörterb.,  XV.  Aufl.,  S.  146  vom  assyr.  Karabu  =  segnen  abgeleitet.  — 
Über  die  Erfordernisse  der  Beracha  s.  b.  Ber.  40a;  manches  Lehrreiche 
bietet  Jawitz  S.  4  ff.,  w^eniger  brauchbar  sind  die  Ausführungen  M.  Libers 
in  La  recitation  du  Schema  etc.  S.  16  f.  Der  Satz  p-os  ns-;:  =—• 2"J<  TX 
(j.  das.)  bedeutet,  daß  eine  Bibelstelle  als  ,, Beracha"  nicht  verwendet 
werden  kann,  es  sei  denn,  daß  sie,  wie  Ps.  120  in  der  Fastenliturgie, 
einen  Abschluß  erhält.  —  Die  Etymologie  von  rötn  bei  Goldziher,  Ab- 
hdlgn.  z.  arab.  Philol.  I,  36;  Gesenius  a.  a.  O.  S.  638  leitet  es  mit  Well- 
hausen vom  arab.  ss  =  schneiden  ab.  Daß  nssjn  sich  nur  auf  das  Acht- 
zehngebet bezieht,  ist  Studien  S.  36  nachgewiesen.  —  S.  6.  Zur  Be- 
deutung von  --0  vgl.  Riv.  Isr.  V.  98 — 102.  Nachweise  über  den  Ge- 
brauch von— ;aim  Sinne  von  Gebetbuch  Ri   llte.  33g;  — tttc  tias.  19  f,  vgl. 


512  Anmerkungen. 

auch  S.  33  (wo  auch  kleinere  Sammlungen  von  Gebeten  erwähnt  sind). 
Außerhalb  des  deutschen  Ritus  werden  — iö  und  "rm-c  nicht  immer 
in  der  im  Text  behandelten  Weise  gebraucht.  —  S.  7.  Das  Zitat  aus  Tos. 
Schabb.  XIV,  4  (1283o),  vgl.  Studien  S.  1;  das  andere  Zitat  Ri  S.  18.  — 
S.  8.  Ginzberg,  Geonica,  New  York  1909,  II,  114  ff.,  vgl.  das.  109  ff. 
Zum  folgenden  s.  JE  Art.  Prayer  Books  X,  171  ff.  Von  Amr.  besitzen 
wir  einen  vollständigen  Text  in  der  während  des  Druckes  erschienenen 
Ausgabe  Frumkins  (weiter  S.  13),  Die  Abhandlung  von  Marx  ist  auch 
separat  erschienen  und  danach  zitiert.  Zahlreiche  Mitteilungen  aus 
Saadja  bei  Bondi,  Der  Siddur  des  R.  Saadja  Gaon,  Frankfurt  1904,  und 
bei  Frumkin  im  Kommentar.  Über  Machsor  Vitry  vgl.  S.  D.  Luzzatto 
in  V'Tc;  r'"5X  S.  184  und  viele  folgende  Briefe.  Es  wurde  veröffentlicht 
durch  S.  Hurwitz  nach  Cod.  Br.  Mus.  Add.  27  200  .  201 ;  Auszüge  aus  dem 
besseren  Cod.  in  Oxford  (Bodl.  1100)  bei  Frumkin.  Raschis  Siddur, 
von  Buber  vorbereitet,  wurde  nach  dessen  Tode  von  J.  Freimann  heraus- 
gegeben. Kleinere  Sammlungen  Ri  S.  33.  —  Über  ;n:^  weiter  S.  355  ff. 
Die  einzelnen  Riten  sind  in  ihren  Eigentümlichkeiten  Ri  S.  38  ff.  cha- 
rakterisiert, s.  auch  Luzzatto  xs^a  S.  15  ff.  Über  die  Genisa  s.  Schechter, 
Studies  II,  S.  1 — 30.  Die  Handschriften  von  Gebetbüchern,  insbesondere 
solche  der  Festgebete  zählen  nach  Tausenden;  besonders  die  Bibliotheken 
von  Hamburg,  London,  (British  Museum  und  Jews'  College),  München, 
New  York  (Jewish  Theological  Seminary),  Oxford,  Paris,  Parma,  Rom 
sind  reich  daran.  Der  weitaus  größte  Teil  der  Genisa-Fragmente  liegt 
in  Cambridge;  aber  auch  Oxford,  Br.  Museum,  Petersburg,  E.  N.  Adler 
in  London,  die  Kgl.  Akademie  in  Budapest  besitzen  große  Mengen  von 
Handschriften,  die  dorther  stammen.  Vor  etwa  Jahresfrist  sind  in  Kairo 
neue  reiche  Schätze  gehoben  worden,  vgl.  die  Mitteilung  in  REJ,  LX^^  24. 
—  Die  Bibliographie  der  Gebetbücher,  zumal  der  älteren  Drucke,  liegt 
noch  sehr  im  Argen;  im  allgemeinen  ist  zu  vergleichen  Steinschneider, 
C.  B.  pp.  303—484,  Zedner,  Catalogue,  S.  446  ff.,  van  Straalen,  S.  143  ff., 
Benjacob,  s.  v.  -m-c  S.  314  ff.,  s.  v.  nibsr  S.  661  ff.,  JE  Art.  Prayer- 
Books  X,  172  ff.  Die  älteste  Ausgabe  des  T'iwX  '"c  bei  Zedner,  458, 
■r^s  C.  B.  Nr.  2064.  Über  c"ex  Ri  S.  59  f. ;  Luzzatto  ü'z^  S.  16,  das  Ge- 
betbuch wurde  nie  gedruckt.  In  It.  ed.  Livorno  ist  nur  die  Einleitung 
von  Luzzatto;  die  ed.  princeps  s.  C.  B.  Nr.  2061.  —  Der  Titel  von  Rom. 
lautet  auch  X'^STn  'c  (Benjacob  S.  664).  Ein  Unikum  der  Ausg.  Kon- 
stantinopel 1510  u.  d.  T.  ri:cn  r"3sr  'o  (bei  Berliner,  Aus  meiner  Biblio- 
thek, Nr.  1)  ist  im  Besitz  der  Stadtbibl.  in  Frankfurt  a.  M.  Die  bekannt 
gewordene  I.  Ausg.  Venedig  1524  (nicht,  wie  Berl.  das.  schreibt,  1574  75), 
die  andere  1573/76  nach  Zedner  483.  Von  letzterer  konnte  ich  durch 
die  Güte  meines  Freundes  Felix  Perles  in  Königsberg  ein  ziemlich  voll- 
ständiges Exemplar  benutzen.  —  Seph.  erschien  zuerst  u.  d.  T.  r'^rrn 
r^ssn  r.':nr;  eine  unbekannte  Ausg.  von  1517  in  C.  B.  S.  305. 
Nr.  2066,  die  erste  bekannte  1524  das.,  Nr.  2067.  —  Über  den  südara- 
bischen Siddur  vgl.  Bacher  in  JQR,  XIV.   1902,  S.  581  ff.    Gesamtaus- 


Aiiiuri'kiiii^M'ii.  f)(iJ 

^aluii  Villi  I'i'dV.  ^'ilit  (  s  iii(  lil,  ilii'  C.i  I  i  Ic  liii'  j(  de  (|(  r  dn  j  S  tadle  sind  in 

rin/.cincn    'reden    elS(llienen,    s.    die    llil'l|iie|;i|dien. 

§  4.  hie  S.  11  !;ell;uinlen  Wilke  sind  nnteti  S.  :{fi2,  ."{(ÜMT.  Iie- 
s|W(Mlien.  7,11  M;iimiini  v^l.  lillic^'i  n,  Itci'  l{ihis  im  .Miscline  'l'(.t:i  (in 
Mosts  b.  Miiinion,  Lcip/.it,^  IUI»«,  Bd.  1.  8.  315)  ff.),  wo  <'inl.'itend  iiurli 
auf  die  HcsiliafftMilicit  der  Texte  liiii{ie\vi(  stn  ist.  ^-'n:*:  ist  zitiert  nach 
rd.  Heiliii  1805,  ::p  ■'■52C  iiadi  ed.  Bultei,  W'iina  IHH(\.  ^iTi  vrrrH  I 
iiarli  Florenz  17öO,  c^-- j  nach  Warschau  1882,  Ahudrahaiii  nacli 
Wat'stliau  1870,  die  von  der  ersten  Au.«gal)o  Lissabon  1489  nur  ganz 
wenig  ahweiclit.  —  Zur  Literatur,  S.  13,  ist  zu  henierken,  daß  von  Fruni- 
kin  inzwischen  aucli  Bd.  11  er.schienen  ist.  l'r.  gild  aul.{er  dem  (auch  von 
Marx  benutzten)  Texte  der  Oxforder  Hands(lirif(  von  Amram  \arianteu 
(k'r  anileren  Handschriften  Amrams,  Mitteilungen  über  Saadja  und 
niohrere  handsclir.  (iebetbücher,  daneben  aber  den  vollen  Text  des 
Siddur  na(  ii  ptdiiischem  Ritus  und  i  inen  umfassenden  Kommentar 
literarischen  und  rtdigiösen  Inlialls  Abgesehen  davon,  dai.i  der  Kom- 
mentar alles  andere  als  wissenschaftlicli  genannt  werden  muß,  entsteht 
durch  die  l  berfiille  des  Gebotenen  eine  gewaltige  \erwirrung,  in  der 
man  sicii  nur  unlei'  Schwierigkeiten  zurechtfindet.  Aus  Fr.s  Buch  geht 
wieder  einmal  klar  hervor,  wie  notwendig  eine  wissencehaftlic  he  Ausgabe 
von  Amram  wäre. 

B.  I.  Abschnitt. 

Kap.     I. 

{}  t).  Die  Disposition  des  täglichen  Morgengebets  Itei  M.  Sachs, 
Hei.  Poesie,  1.  Aufl.,  S.  168.  Die  im  Text  erwähnten  Benennungen 
finden  sich  an  folgenden  Stellen  "si"!  3r  nssr  Midr.  Seh.  T.  zu  Ps.  17  (65b), 
~r;rn  rrisn  das.  zu  Ps.  72  (103b),  T^-^r  und  T^rsx  sowie  '-nc"i  xmb^ 
vgl.  Studien  S.  78,  81,  -sr  rrba  z.  B.  JQR  X  654,  die  griech.  Angaben 
bei  Jos.  Ant  VIII,  83,  u.  Epiphanius,  llaeres.  XXIX,  9.  —  S.  15.  Meir 
von  Rothenburg  in  Resp.  -j'-cr  217,  Beiliner  Randb.  I,  S.  10.  Die 
kabbalistische    Auffassung    z.    B.    bei    Lewysohn    Ci'jn:^  — p*c    S.    24  f. 

§  7.  1.  r-'w  rx"'~p  meist  in  Talmud,  Midrasch  iind  halachischen 
Schriften  (Ber.  II,  1  x---ci.  -::"  r:rr  in  Handsclir.  und  gedruckten 
Gebetbüchern  aus  ileni  Orient,  r— N"2n  'l  findet  sich  u.  a.  bei  Abudr. 
Die  Benediktion  zum  r"cr  JQR.  X,  657.  vgl.  dazu  Ginzberg,  Geonica  I, 
136  ff. ;  dagegen  Abudr.  47a.  —  =-n- x-n-  Manh.  §  26. 

2.  S.  17.  Streit  um  »=-,=  j.  das.  11c:  b.  50a  (Studien.  S.  19|.  --zr- 
bei  Tur  I,  57  und  Abudr.  vgl.  dazu  Litg.,  S.  13.  In  Amr.  4a  ist  hier 
T'n'b  lr-2  eingefügt,  das  ist  jedoch  später  Zusatz  vgl.  Mx.  S.  4,  Fr.  I,  185. 
Responsion  für  15-Q  Sifre  Dt.  306  (132b),  Studien  S.   19. 

3.  Analyse  des  Jozer  bei  Rapaport,  Zunz,  Jawitz  a.  a.  0.,  Studien 
S.  20  ff.  Zu  "jin-^n  Manh.  §  30,  wo  'n'a  i2'':;2  gegen  'n-z  '.'n'rj  verteidigt  wird ; 
s.  auch  Riv.  Isr.  IV,  194  ff.  u.  b.  Ber.  50a.  —  Saadja  Amr.  4b  f.  Fr.  I.  193f., 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  33 


514  Anmerkungen. 

Bondi  13,  Studien  S.  21.  Bei  Saadja  fehlt  von  lai  n-o  bis  law  iiix  Bondi  17, 
bei  ihm  findet  sich  neben  ^Tna  hu  ein  anderes  Alphabet,  Bondi  das., 
Studien  S.  22  u.  Anm.  1  auch  über  die  Reimkette.    Die  Schlußbuchstaben 

O  o 

im  Alphabet  sind  nur  noch  durch  Tias  Qiiatj'o  ni'cn  vertreten,  Saad. 
liest  'irnp bx?  11S01  T^^n  (Fr.  1,  194),  unser  Text  ist  offenbar  nicht  ohne 
Absicht  geändert.  Man  wollte  in  lias  ü"i"3DTa  auch  ein  Akrostichon 
hn.'D'^-a  erkennen,  Baer.  S.  77.  Zu  D-^ninx  dbis  vgl.  für  Saadja  Litg.  S.  13, 
Bondi  das.,  Studien  S.  24.  Kaffa  in  der  Krim  bei  Baer  S.  78;  Ri  82  ist 
die  Zugehörigkeit  des  Ritus  zu  Rom.  erwiesen,  die  Piutim  des  Machsor 
Kaffa  s.  bei  Markon,  xss  snsia  -rnn^  mix  bs  "^-oh-q  in  Dn-i::xb  'p-isr, 
F  e  s  t  s  c  h  r.  für  A.  H  a  r  k  a  v  y  ,  S.  449  ff.  Auch  in  Persien  war 
das  erweiterte  Alphabet  bekannt  vgl.  JQR,  X,  608.  —  Über  die  ntai-na  in-fli 
weiter  S.  379  ff.  Der  Text  in  Amr.  4a  ist  dort  nicht  ursprünglich  (Mx.  18, 
hebr.  Teil  S.  4),  er  stammt  aus  den  niBsin  vgl.  Bloch  S.  20.  Der  alte 
Bericht  bei  Ginzberg,  Geonica  II,  48,  Studien  S.  22  f.  Über  M'p  "la-. 
Ri  181,  Baer  78,  Fr.  I,  188.  Über  den  Schluß  des  Jozer  Baer  S.  79,  Studien 
S.  23.  Die  Entwicklung  in  den  Reformgebetbüchern  veranschaulicht 
folgende  Zusammenstellung:  öiniix  fehlte  im  Hamburger  Tempel  (weiter 
S.  412,  '"112 '^"larin  und  die  Keduscha  bei  Vogelstein  (S.  430),  die  ganz 
kurze  Fassung  bei  Einhorn  (8.  434)  und  dem  Union  Prayer-Book  (S.  435) 
sowie  im  badischen  Gebetbuch  (S.  430). 

4.  Zum  Text  von  nai  ranit  G.  V.  382,  REJ,  L,  145  ff.,  Studien  S.  26ff. 
Erweiterungen  des  Textes,  die  in  Frankreich  üblich  waren,  verwarf 
Jehuda  d.  Fromme,  vgl.  .1.  Perles  in  G  r  a  e  t  z  -  J  u  1)  e  1  s  c  h  r  i  f  t  , 
1887,  S.   17. 

5.  Zu  "(OX  vgl.  Fr.  I,  196;  Ginzberg,  Geonica  I,  138  führt  ',iax  auf 
die  oben  zu  S.  16  erwähnte  Benediktion  zurück,  was  sehr  gekünstelt  ist. 
Zur  Zählung  der  Worte  vgl.  Manh.  §  33,  34,  Tur  1,  61  u.  Komm.,  Baer 
S.  81.  Über  I5"i  nbrb  inirs^  nitiD  Diu  712  s.  Blau  in  REJ,  XXXI,  189 
u.  Studien  S.  10. 

6.  Über  die  Komposition  von  n^sr  n?3X  Studien  S.  28  ff.  Aus  Saadjas 
Text  bei  Bondi  S.  13,  Raschi  vgl.  Pardes  55a;  Pal.  in  JQR,  X.  656, 
Germ,  für  Piut  bei  Baer  S.  216.  —  Die  Art  der  Ausarbeitung  von  n"iw 
iminx  ersieht  man  z.  B.  aus  dem  Faksimile  Studien  S.  32;  das.  31 
über  den  Schluß  der  Geulla;  Polemik  Judas  des  Frommen  gegen 
andere  Zusätze  bei  Perles  a.  a.  O.  In  Worms  wurde  i:5X"a  erst  durch 
Meir  b.   Isaak  (S.  334)  eingeführt,  s.   Epstein  in  »i-fin  IV,  91  f. 

7.  Vgl.  Studien  S.  13  ff.  Privatgebete  (S.  25  u.)  das.  40  ff.,  weiter 
S.   73  ff. 

8.  Ausführliche  Begründung  Studien  S.  7  ff.  Gegen  meine  Auf- 
fassung schrieben  Blau  REJ  LY,  201  ü.,  LIX,  198ff. ;  Bacher  das. 
LVII,  100  ff.,  meine  Verteidigung  das.  LVl,  222ff. ;  eine  vermittelnde 
Anschauung  vertritt  Liber  das.  LVII,  161  ff.,  LVIII,  1  ff.  (auch  separat 
erschienen  u.  d.  T.  La  Recitation  du  Schema  et  des  Benedictions),  dem 
Brody  in  MS  LIV,  491  ff.   zustimmt.     Trotz  des  heftigen  Widerspruchs 


AiiiiirrkMiiK''".  515 

srlii'  iili  iiiicli  ^(t'iiöligt,  an  niciiici'  Auffassung,'  fesl/.uhaltt'H.  Es  ist  lu- 
nüclist  II  i  0  h  l  zu  bowt'isiM»,  daß  D"iB  an  ir^'endiMncr  Stelle  im  T  a  1  - 
jn  u  d  „Benediivtionen  sprccin^n"  oder  ,,die  Benediktion  über  das  Brot 
spreelien"  bedeutet,  vieiuielir  bedeutet  O"«  stets  das  Brot  brechen, 
noi-x  das  aliKeteilte  Stuck  Brol.  Dasselbe  gilt  von  raa.  Die  Stelle 
b.  Cliull.  7b  nba  nrsu;  noino  »  rsD  xb  macht  keine  Ausnalime  von  der 
Kegel.  Bacher  beruft  sich  freilich  auf  Kaschis  Erklärung  '^naia  riTi  nh; 
wie  wenig  zwingend  diese  ist,  ergibt  sich  aus  dem  Komm,  des  U.  Gerschom 
z.  St.  n:n5  n'r,  xs  "'iibr.  Demnacli  liegt  weder  in  dem  VVorte  raa  noch  in 
no—s  ein  Hinweis  auf  die  Benediktion.  Daß  ein  frommer  Jude  das 
Brot  nicht  bricht  und  nicht  ißt,  ohne  vorher  eine  Benediktion  zu  sprechen, 
ist  eine  andere  Sache  und  hat  mit  der  Bedeutung  des  Wortes  in  alter  Zeit 
nichts  zu  tun.  Raschi  freilich  und  alle  späteren  Bearbeiter  des  Talmuds 
liaben  das  nicht  mehr  auseinandergehalten,  und  auf  derartigen  nicht 
ganz  präzisen  Auffassungen  der  Späteren  beruhen  zum  größten  Teil  die 
Einwendungen  meiner  Gegner.  Wie  der  Terminus  soiy  »  D"iB  in  Sofrim, 
von  den  Geonim  oder  Raschi  u.  A.  aufgefaßt  wurde,  darüber  könnten 
wir  uns  rasch  einigen,  da  die  Quellen  es  durchaus  klar  und  in  nicht 
mißverständlicher  Weise  mitteilen,  es  handelte  sich  jedoch  darum, 
von  allen  wie  immer  gearteten  jüngeren  Interpretationen  ab- 
zusehen und  den  ursprünglichen  Sinn  der  ältesten 
Quellen  zu  ermitteln.  Aus  ihnen  ergibt  sich  mir  auch  heute  noch 
kein  anderes  Resultat  als  das  Studien  S.  7  ff.  begründete.  Die  Ver- 
bindung von  D'"E  mit  hy  vermag  ich  auch  heute  noch  nicht  zu  belegen, 
daß  aber  daran  allein,  wie  Bacher  meint,  die  Erklärung  scheitert,  er- 
scheint mir  nicht  einleuchtend.  Es  ist  nun  einmal  ein  eigenartiger  Aus- 
druck, der  n  u  r  in  Verbindung  mit  stoü  vorkommt,  man  sagt  z.  B.  in 
der  viel  angeführten  Baraita  siaiü  bs  onisn,  aber  mson  bs»  '^na'an.  Wir 
sind  alle  darüber  einig,  daß  der  Terminus  yoia  bs  c^s  sich  auf  die  bibli- 
schen Stücke  nebst  den  Benediktionen  bezieht  und  daß  das  Schma 
versweise  antiphonisch  rezitiert  wurde;  die  Differenz  ist  die,  daß  meine 
Gegner  den  Ausdruck  o^B  durchaus  von  den  Benediktionen  herleiten 
wollen,  während  ich  ihn  aus  der  Bedeutung  ,, halbieren"  ableite.  Liber 
geht  viel  zu  weit,  wenn  er  die  antiphonische  Rezitationsweise  mit  dem 
heutigen  Text  des  Gebetbuchs  in  Verbindung  bringen  und  wenn  er  in 
sämtlichen  in  Meg.  IV,  5  genannten  Funktionen  das  gleiche  Schema, 
womöglich  bei  allen  Benediktionen  die  gleiche  Disposition  erkennen  will. 
§  8.  1.  Vgl.  Studien  S.  36,  na-nn  'b  ^ar  das.  33  ff.  mi's?  Sof.  XVI 
Ende. 

2.  Die  berühmte  Ausnahme  von  der  Wiederholung  der  Tefilla, 
welche  Maimuni  angeordnet  hat,  s.  in  Resp.  David  ibn  Simra,  Vened.  1749, 
Nr.  5  u.  94,  vgl.  dazu  A.  Geiger,  Wissensch.  Zeitschr.  II,  247  ff.  u.  Melo 
Chofnaim  S.  70  ff. 

3.  Die  Disposition  der  Tef.  b.  Ber.  34a  im  Namen  von  R.  Chanina 
(III.   Jhdt.),   j.   das.   11,4  (4d)   R.  Acha  i.   N.   Josua  b.  Levis  (gleichz.l. 

33* 


516  Anmerkungen. 

4.  Über  den  Ursprung  der  Tef.  s.  b.  Ber.  26b,  j.  IV  1  (7a  f.).  —  Zur 
Erklärung  von  "^blpen  vgl.  das  auf  einer  in  Jaffa  gefundenen  Inschrift 
vorkommende  ).iv6nw).og  PEF,  QS,    1900,    118  u.  122.    Schürer,   111*23. 

5.  Über  Entstehung  des  Achtzehngebets  habe  ich  meine  Aufstel- 
lungen aus  Gesch.  d.  Achtzehngebets  mit  starken  Modifikationen  wieder- 
gegeben. Vor  allem  sind  die  verschiedenen  Gruppen  von  Benediktionen, 
aus  denen  das  Gebet  besteht,  klarer  herausgearbeitet,  auch  ist  überall 
auf  die  bekannte  älteste  Textgestalt  Bezug  genommen.  Es  ist  der  Haupt- 
fehler in  den  Ausführungen  von  Lob  und  Isr.  Levi,  daß  sie  ihre  Hypo- 
thesen auf  den  heutigen  Text  aufbauen.  Levis  Auffassung  von  dem  Zu- 
sammenhange zwischen  den  Psalmen  Salomos  und  dem  Achtzehngebet 
vermag  ich  mich  auch  heute  noch  nicht  anzuschließen.  Außer  der  ge- 
meinsamen Zahl  achtzehn  und  der  Abhängigkeit  beider  von  biblischen 
Ausdrücken  vermag  ich  trotz  wiederholter  eingehender  Prüfung  keinerlei 
Beziehungen  zu  entdecken.  Die  scharfen  Angriffe  der  Psalmen  Sal. 
gegen  die  Priesterpartei  haben  mit  XII  nichts  zu  tun,  und  daß  Qis^Tan 'a 
ursprünglich  gegen  die  Sadduzäer  gerichtet  war,  ist  unhaltbar;  vgl.  weiter 
S.  36  ff.,  besonders  S.  38.  Eine  andere  Frage  ist  die  über  das  Verhältnis 
der  Tefilla  zu  dem  Psalm  am  Ende  des  hebr.  Sirach,  aus  dem  mehrfach 
Parallelen  angeführt  sind.  Hier  ist  eine  starke  Beeinflussung  nicht  von 
der  Hand  zu  weisen,  man  sieht  aus  Sirach,  daß  in  jener  Zeit  ähnliche 
Gedankengänge  in  verschiedenen  Formen  Bearbeitung  fanden.  Ähn- 
liche Beziehungen  hatte  auch  Loeb  schon  zwischen  einzelnen  Psalmen, 
Deuterojesaias  usw.  und  der  Tef.  gefunden,  nur  sind  seine  Ausführungen 
zu  einseitig  und  darum  mehrfach  unannehmbar. 

5.  S.  29  u.  den  pal.  Text  von  II  s.  S.  44;  nach  Hoffmann  richtet 
sich  die  Hervorhebung  von  üTiTsn  n^'^nri  gegen  die  Samaritaner,  es  ist 
jedoch  sehr  fraglich,  ob  es  zur  Zeit  ihres  Abfalls  schon  eine  Tefilla  gab.  — 
Das  Zitat  S.  30  aus  G.  V.  381.  Die  Heraushebung  der  nationalen  Bitten 
besonders  scharf  bei  Loeb  S.  21  ff. 

6.  Früh.  Mittelalter  (S.  31)  z.  B.  Raschi  zu  b.  Ber.  11  b.  Die  Stelle 
Tam.  V  1  ist  von  mir  ausführlich  behandelt  in  Studies  in  Jewish  Lite- 
rature  in  honor  of  K.  Kohler,  Berhn  1913,  S.  78  ff.  Daß  e-^si-ir  n=-r  nicht 
Priestersegen  bedeutet,  das.  S.  80  und  Achtzehng.  S.  16,  Anm.  3.  — 
Eine  Bitte  für  Jerusalem  auch  bei  Sirach  36i7  ff. 

7.  Die  Ansicht,  daß  die  Tef.  ursprünglich  nur  aus  sechs  Benedik- 
tionen bestand,  G.  V.  380  und  von  dort  vielfach  übernommen. 

8.  Der  Zusammenhang  der  nationalen  Bitten  mit  Ez.  2034  ff.  bei 
Loeb  S.  38,  vgl.  auch  weiter  S.  35.  Bitte  um  n"'35  yap  auch  bei  Sir. 
36i3,  51i2  f.  Die  Didache  bringt  lOs  ein  Gebet,  daß  die  ,, geheiligte  Kirche 
von  den  4  Winden  in  Gottes  Reich"  geführt  werde;  dort  handelt  es  sich 
um  das  Tischgebet,  das  ja  auch  heute  noch  eine  nationale  Bitte  enthält.  — 
S.  34  ob.  gegen  Levi  REJ  XXXII,  171.  Einen  Zusammenhang  zwischen 
XI  und  cnx""i  nimmt  auch  Hoffmann  51  f.,  55  f.  an.  'li^zr^  in  b.  Ber.  29a, 
j.  das.   IV  3  (8a),   die  Zusammenfassung  b.  Meg.   17b;  vgl.  Loeb  S.  38. 


Aiiiiii'i'kiiii^'i-ii.  517 

i».  Nilhcrcs  zu  n  X  -  A(  lilzehng.  S.  22  f.,  (Iaf,'<'jjfii  Isr.  Lc'-vi  in 
RE I  \l.\  \l.  li)<>.  Zu  hcachlon  ist  jodorh,  daU  in  Taan.  II  zmiiichst 
nwST  als  crsfc  Kinsclialluii^  aufj,'t'/.ahll  ist,  daü  ilmi-ii  alxT  erst  dio 
/.wi'ito  Eulofjic  t'iitspriclil,  wahrend  es  lu'ißt  "^i"«-;  5X'""i"'  bsrsa  (b. 
Taan.    Klbi. 

10.  Zu  i:":-:n  's  gibt  os  eine  iiinfangroichf  Literatur,  dh'  man  bei 
.Sfhuier  II'  r)4;5f.;  Strack,  Einleitung?  i.  d.  Talmud''.  163  f.;  Strack, 
Jesus,  die  Häretiker  und  (iliristen  nach  d.  alt.  jüd.  (Quellen  §  21a — d, 
§  20  verzeichnet  findet.  Hinzugokomnien  ist  Berliner  Uandb.  I,  50  ff. 
Zur  Bedeutung  von  '(■'■c  vgl.  auch  Bergmann,  Jüd.  Apologetik,  S.  7  f. 
Die  Stellen  der  Kirchenväter  bei  Schüror  das.  544,  Anm.  161.  — Sämtliche 
Darstelhingen  der  christlichen  Liturgie  beginnen  mit  der  Messe,  über 
<iie  Anfänge  der  Gebetorilnung  herrscht  großes  Dunkel;  auch  Duchesne, 
Drigines  du  Culte  Chretien  ',  47  ff.  nimmt  an,  daß  zunächst  der  Gottes- 
dienst nach  jüdischer  Art  fortgesetzt  wurde.  Selbst  Rietschel,  der  mit 
den  jüdischen  Einrichtungen  sehr  wenig  vertraut  ist,  kann  nicht  umhin 
<las  zuzugestehen  I,  232  ff.  — •  S.  37.  Benediktionen  von  bt"3  weiter 
S.  253.  Zu  Minim  als  \erleumder  vgl.  Joel  Blicke  I,  32  ff.,  II,  49  ff.  — 
Judenchristen  als  N'orbeler  müssen  nach  Meg.  I\'.  Ende  vorausgesetzt 
werden.  —  S.  38  Irrtümer  beim  Vorbeten  Ber.  V,  3  u.  j.  das.  (9c),  die 
Ausnahme  bei  ppn  bxi^c  das.;  statt  "j3  Diiasn  1"01I5  X3  ist  nach  Ginz- 
berg,  '-r~':3  I  22  und  j.  Ber.,  ed.  Luncz  55a  '-p  zu  lesen,  vgl.  Strack, 
Jesus  usw.  S.  66*.  —  a-:i-2  y:i  sbia  Text  nach  j.  Ber.  IV,  3,  j.  Taan.  II  (65c) ; 
in  j.  Ber.  II,  4  lesen  unsere  Texte  nnru;~,  Cod.  Vatic.  jedoch  (bei  Luncz  19b, 
Ginzberg  das.  348a)  liest  ebenfalls  ü-rans  vgl.  Strack  das.  65*.  Die 
Lesart  c-ai"s  versucht  Fei.  Perles  in  OLZ  1913,  S.  73  f.  zu  verteidigen, 
meiner  Ansicht  nach  mit  unzureichenden  Gründen. 

11.  Analogien  für  die  Zahl  18  j.  Ber.  IV,  3  (8a  f.),  j.  Taan.  II,  2 
(65c),  b.  Ber.  29a,  Num.  r.  cap.  2,  Seh.  T.  zu  Ps.  29  (231)  und  die  dort 
gegebenen  Parallelstellen,   vgl.  Baer  S.  87. 

12.  Zu  den  Belegen  Achtzehng.  S.  24  ff.  .sei  noch  der  Hinweis  auf 
Pal.,  weiter  S.  53,  hinzugefügt.  Sehr  bezeichnend  ist  die  Anordnung 
Sam.  b.  Chofnis,  daß  derjenige,  der  die  Eulogie  'ar."!  n:in  iin  'x  spricht, 
riTQa  nx  weglassen  kann  (Harkavy,  Stud.  u.  Mitteilg.  111,  34,  Note  89, 
vgl.  JQR  XX,  807).  Demnach  war  noch  im  XL  Jhdt.  in  Sura  bekannt, 
daß  ri-Q'2  nx  erst  durch  Beseitigung  der  ursprünglichen  Eulogie  von  XIV 
in  die  Tef.  gekommen  war. 

§  9.  1.  Abweichungen  Luzzatto  X2-  5  f.,  weiter  S.  266  ff.  — 
Abudr.  am  Ende  der  Erklärung  der  Tef.  59a.  —  Zählung  der  Worte 
Tur  I  113,  J.  Perles  a.  a.  O.,  weiter  S.  384.  Auch  Baer  gibt  noch  regel- 
mäßig die  Zahl  der  Worte  an.  —  Derenbourg  REJ  XIV,  26  ff.  —  Pal. 
Rezension  JQR  X,  656;  Dalman,  Die  Worte  Jesu  299  ff.  vgl.  auch 
REJ  hin,  237  f.  —  Saadjas  Text  bei  Landshuth  s.  v.,  Bondi  S.  13  f.. 
Fr.   L  242. 


518  Anmerkungen. 

2.  Varianten  u.  biblische  Parallelen  sind  zahlreich  in  Achtzehng. 
S.  49  ff.  (MS  1902,  515  ff.)  mitgeteilt,  darauf  ist  im  folgenden  meist 
verwiesen. 

3.  Mehrere  Bibelverse  vor  der  Tef.  auch  in  Pers.  JQR  X,  609. — I 
•pxi  B-i^lü  nsp  auch  REJ  LIII,  237.  Nach  Tos.  Ber.  49a  s.  v.  "jT^a 
muß  angenommen  werden,  daß  I  mit  Qi-^pi  "^n  ?x  schloß.  Zu  "sist  vgl. 
Achtzehng.  45,  50.  —  S.  43  ob.  muß  es  statt  Amr.  51b  heißen  Amr.  das. 
Fr.  II,  292.  —  S.  45  {MS  das.  437).  Manh.  n"-i  §  2  (41b)  nennt  es  art:^ 
ns'^s;  tatsächlich  wird  es  in  Frankreich  für  verbindlich  erklärt  Tos. 
Ber.  12b  s.  v.  xnsbni,  dort  versuchte  man  auch  den  bereits  bestehenden 
Brauch  zu  rechtfertigen,  wie  die  eingehende  Auseinandersetzung  in 
V.  S.  362  ff.  ( =  Seh.  L.  13a  u.)  zeigt.  Hai  bei  Itt.  252,  Maim.  n?En 'n  II,  9. 

II.  "T^nan  bxn  vermutet  Loeb  als  Eulogie  REJ  XIX,  19;  Varianten 
Achtzehng.  50  (517),  JQR  X,  658,  Studien  46.  Zu  den  in  fast  allen  Texten 
wiederkehrenden  Sätzen  gehört  auch  y^r'n?  i".  Der  angenommenen 
kurzen  Fassung  widerspricht  offenbar  Sifre  Dt.  343  (142b),  jedoch 
scheint  dort  der  Text  nicht  in  Ordnung  zu  sein,  vgl.  Midr.  Taan.  S.  209.  — 
iun  T^^i^a  in  Pal.,  hingegen  fehlt  es  in  beiden  Mscr.  von  Amr.  s.  Marx  5 
u.  Fr.  I,  237.  Zum  pal.  Brauch  s.  Rapaport,  Erech  Miliin  228a.  Saadja 
kennt  und  gestattet  solche  Zusätze  wie  5-j-  ot  rrn-c  ^o-c  oder  t;u:;3,  die 
offenbar  ans  Ende  von  II  gesetzt  wurden,  Bondi  14.  • —  Deutschland 
(S.  45)  s.  bei  Isseries  zu  Seh.  Ar.  I,  114  3.  Zu  Manh.  vgl.  auch  Tos.  Taan.  3a 
s.  V.  bau;  Sommer  und  Winter  Tos.  das.  3b  s.  v.  niia-'S,  Ri  40.  — "iisn":"  ax 
hat  auch  Amr.  44b,  Fr.  II,  292,  vgl.  jedoch  Mx.  27  zu  Amr.  46a,  wo 
oiisn-n  SN  zitiert  ist. 

III.  Achtzehng.  52  f.  (518)  vgl.  auch  Bloch  in  MS  XXXVII,  305  ff. 

IV.  Zur  Bedeutung  Kohler  das.  447.  'irn  nrx  findet  sich  bereits 
Hai.  Ged.  ed.  Hild.  32,  vgl.  auch  REJ  LIII,  227.  Zum  Text  von  j.  Ber. 
vgl.  Ginzberg  '^i^".^  19,  Ratner  128,  zu  rs"::!-!  rinx  (S.  47)  s.  Jawitz, 
S.  45.  Auch  bei  Amr.  Fr.  II,  108  findet  sich  erst  y^n  rrx.  dann  rstsn  nrx, 
vgl.  die  dort  angef.  Literatur. 

VI.  "bü  auch  bei  Amr.  in  beiden  Mscr.,  Mx.  5;  'Tt::  5N  "^c,  in  Germ, 
gewöhnlich  abgekürzt  und  vollständig  erhalten  in  Rom.  It.,  findet  sich 
am  Ende  fast  aller  Tefillas  für  s""'^.  2=r"  rsi  auch  bei  Amr.  nach  Mx.  16, 
Saad.  bei  Bondi  39,  vgl.  Responsen  nr::,  n^cn  Nr.  160. 

VII.  Trotzdem  der  Anfang  biblisch  ist,  wurde  schon  im  Mittelalter 
X5  eingeschoben,  vgl.  V.  S.  66,  Kusari  III,  19,  Tur,  Abudr.,  Seph.  und  It. 
In  Amr.  ist  kein  Text  von  ijsr,  der  Saadjas  bei  Fr.  I,  243. 

VIII.  (S.  49).  Zu  Amr.  vgl.  Mx.  5  Fr.  1,242;  -—"x:-^  b=3  best 
auch  Oz.   T. 

IX.  Die  Bitte  um  Regen  erw^ähnt  Gen.  rab.  VI.  5  (ed.  Theodor 
S.  45)  HT'-^-c'i  ■pbsTQ  ra^iij'i  Nniusib  nbr  'pa.  —  Text  von  Amr.  in  korrekter 
Form  bei  Fr.   I,  245,  vgl.   Mx.   5. 

X.  Amr.  vgl.  Mx.  5,  Fr.  I,  246,  der  Text  lautet  ebenso /?£J  LIII,  237. 
XL    Alfasi  z.  St.  vgl.  auch  Manh.  n"~,  §  2,  Tur  I,  118  und  It.     Die 


AiiiiH'i'kiiiij^'i'ii.  519 

Analogie  von  \L"npn  bxn,  das  in  'pn  ~3";n  gc;Ui(ii'il  wird,  iii.k  iit  es  walir- 
scheinlich,  daß  dem  ::BC'3n '^b'sn  dci- Text  'isn  bxn  /,ii^,'niiidc  liegt.  Ms. 
Münclipii  liest,  b.  Bei'.  iL'h  licr^n  rxn*  irii^f^  bxn  -"ix  tü"^  r*  nsr  nin  ■'X^ 
vgl.  '-E"0  ■'""T"'  '•  •'^^■ 

XII.  Zum  Text  von  n-:-;n 'z  vgl.  Baer  93  ff.,  der  viel«-  alte  Texte 
heriicksielitigt,  Berliner,  Strack  (cd»,  zu  S.  36).  Amr.  bei  Mx.  ö,  Fr.  I,  246, 
253.  Iteueldin  vgl.  L.  Geiger,  Joh.  Reuchlin  S.  229,  Anm.  3;  der  An- 
fang 'Tiic^bi  mit  spiller  sehr  erweitertem  Text  auch  in  Pers.  JQR  X,  610. 

—  ■pnT  rrdb-Q  in  'Tn"«  ::2C  ed.  Wiener,  IX,  S.  29,  LXIV.  S.  95  f.  wo  auch 
eine  apologetische  Erkliirung  dafür  gegeben  ist.  r:*:"w""5";V  neben  n'^r'3 
•/..   B.   in    It.   Yem.   ü/..   T. 

XIII.  Tos.  Ber.  ed.  Zucki'rm.  liest  c-^ip  h-::^  r:^—  3cV3"2,  in  den 
anderen  Ausg.  heißt  es  wie  in  j.  Ber.  II,  4  u.  Parall.  o-^spt  3il"i  0*^-0  bo  hh-D 
cpnab  n::2"32.  — •  Rasehi  zu  !>.  Ned.  49b  s.  v.  'r'^'na.  — ■  Amr.  Cod. 
C).  Mx.  6,  Fr.  I,  253.  —  Für  die  Fassung  u;^-:  xb  nbrrb-  auch  Berliner  63, 
Zu.sätze  in  Pers.  JQR  X,  610. 

XIV.  Saad.  bei  Fr.  1,242,  vgl.  auch  REJ  Llll.  237.  Zu  cn- 
Amr.  Mx.  27,  Saad.  Fr.  II,  263.  —  Mittelalter  (S.  54)  vgl.  Fschkol  II,  17, 
Tur  I,  557.  —  Zur  Eulogie   "iTS  ore^a   vgl.  Büchler  in  JQR  X.\,    799  ff. 

—  ■  It.  ebenso  in  Rom.  vgl.  weiter  S.   129,  230. 

XV.  Amr.  Fr.  I,  253,  der  "^rr":;"?  "'S  liest;  hingegen  fehlt  es  in  Cod.  S. 
bei  Mx.  6.    Der  Ausdruck  '^nrp  ^r.riC'b  ist  biblisch  Ps.  25  5  u.  Gen.  49  im. 

X\I.  Bei  Amr.,  Mx.,  Fr.  das.  nx  -ps-^^i  C"^^m2  sspi  'x  "t  -flrp  r-;a 
•'"xa  DST-a  nnx  ir:":nr'  "rr-bsn  S'snc  bx  '^3  ■insen. 

XVII.  Achtzehngeb.  60  ff.  rrc  crsEPiil  auch  bei  Amr.  Mx.  6. 
rirmni  fehlt  noch  REJ  Llll,  237.  —  Maim.  Resp.  ed.  Lichtenberg 
Nr.  98,  I,  20a,  Geiger  A.,  MeloChofnaim  64  ff.  Saadja  Oeuvres  IX,  156, 
Toledo  in  Manh.  §  59,    Karo   zu  Tur  I,  120,    Paltui  bei  Manh.  n"-  §  5. 

XVIII.  Achtzehng.  62  f.,  ip  -inix  w^^t-o  aus  I.  Chr.  29i3.  — 
Luzzatto  in  V'nc  r,":x  465.  —  S.  58  zu  Sof.  XX  8  vgl.  Müller,  286, 
Note  27,  28.  —  Abudr.  54c.  —   cas  vgl.  Itt.  252,  Tos.  Meg.  4a  s.  v.  pDB, 

—  ansi  bei  Amr.  44b,  Fr.  II,  249  ohne  ti^T-j;  'rn".  •'■■zi  bei  Amr.  das.  vor 
tba  bsi  —  zu  '2-.T  "T,-o  Berliner,  Randb.  30. 

XIX.  Zu  n-2"^:n -ir-a  in  Pal.  vgl.  Stud.  46,  Werlheimer  in  -j-x 
fi-^'r""!":  I  90.  —  n'iö'STi"  zuerst  Pardes44c,  Meir.  Rothenburg  in  Maimuniot 
zum  Gebettext.  Zu  Mincha  hat  es  auch  Amr.  18a  nach  Mx.  11  u.  Fr.  I,  188. 
In  Yem.  hörte  es  Ibn  Sappir  I,  57a,  in  der  Ed.  jedoch  steht  c-Vj  n-r. 
Eulogie  n-5an  nc"r  in  Germ,  zunächst  an  n''-  seit  ed.  Thiengen  1560, 
bald  darauf  aus  kabbalistischen  Gründen  auch  für  die  Bußtage  ein- 
geführt, Berliner  I,  34. 

6.  In  Germ.  "ed.  Prag  u.  Trino  fehlt  -;-;r  T'^':  n»r  noch,  vgl. 
Baer  104.  —  Ursprung  von  'x  ".db-z  in  Manh.  §  62  aus  unbekannter 
Hagada,  Amr.  hat  es  9a,  Fr.  I,  264  f.  Weitere  Zusätze  Baer  105.  — 
Piutartige  Verkürzung  Achtzehng.  47,   Erweiterung  Studien  47/8. 

§  9a.     1.    Trishagion  in  der  christl.  Liturgie  von  Clemens  Romanns 


520  Anmerkungen. 

an  Achelis  I,  390,  Rietschel  I,  243,  259,  294,  312.  —  n-i-^^s  io  isinp 
Sof.  XVI  (nicht  XVII)  12  Ende.  Baer  79  nennt  im  Gegensatz  dazu  die 
Keduscha  des  Jozer  n"'^c*''!  ticip;  der  Ausdruck  ist  nach  Analogie 
von  Sof.  X,  8  gebildet,  kommt  aber  in  den  alten  Quellen  nirgends  vor; 
Manh.   §  27  spricht  von  ^i^s-Q  IN  :;cT^^  ncip. 

2.  Nach  dem  Vorgange  Rapaports,  Kalir  Note  20,  S.  119  wird  die 
Keduscha  vielfach  auf  essäischen  Einfluß  zurückgeführt,  aber  Josephus 
berichtet  nur  von  Gebeten  der  Essäer  vor  Sonnenaufgang,  ohne  der  Ked. 
Erwähnung  zu  tun.  —  ^^2*2"  bezieht  sich  nach  Ginzberg  Geon.  I,  129 
unbedingt  auf  den  Vorbeter  des  Jozer;  da  das  nicht  zu  beweisen  ist, 
kann  es  mit  solcher  Entschiedenheit  nicht  behauptet  werden.  —  Statt 
tT2;'np?  lesen  alte  Texte  in  b.  Ber.  21b  "üllp?;  das  muß  nicht  durchaus 
eine  andere  Bedeutung  haben,  vgl.  Ginzberg  das.  —  i-ax  'n  (S.  62) 
vgl.  Hymann  '-axi  ü''N3n  nna-n  1,89;  zum  Text  Ratner  131.  —  Dafür 
daß  die  Jozer- Keduscha  älter  sein  muß,  tritt  neben  Ginzberg  besonders 
Kohler  a.  a.  O.  ein,  die  von  ihm  angeführten  Belege  sind  jedoch  nicht 
genügend  beweiskräftig.  —  Zu  ^i'v::  n:  Studien  33  ff.  —  Zu  Chili.  59 
vgl.  auch  Jellinek  r----  r,-=  V,  162,  Tos.  Sanh.  37b  s.  v.  r:=-:.  Sof. 
XX,  7  zitiert  das  in  einer  Baraita  x"''^n  '~  "'Sn.  —  Um  800  vgl.  das  Frag- 
ment bei  Ginzberg,  Geon.  II,  50  ff. ;  das.  I,  130  wird  aus  den  hier  erwähnten 
Tatsachen  jedoch  die  entgegengesetzte  Folgerung  gezogen.  Nach 
Sof.  XX,  7  wird  die  Ked.  an  jedem  Tage  mit  einem  Musaf  u.  am  Cha- 
nukka  gesprochen. 

3.  So  auch  Müller,  Sofrim  S.  228.  —  S.  63.  Nach  Bloch  a.  a.  O. 
310  ist  die  Keduscha  in  der  Tef.  die  Heiljgung'durch  Israel,  während 
die  Mystiker  (weiter  S.  380)  darauf  ausgingen,  die  Verherrlichung  seitens 
der  Merkaba-Engel  zum  Ausdruck  zu  bringen  und  darum  die  dramatisch 
belebte  Keduscha  einführten.  — vo'C  in  Keduscha  vgl.  Amr.  IIa,  Fr.  I,  278, 
auch  Erech  Mill.  S.  37b;  deutlicher  ist  die  Nachricht  in  Geon.  II,  50  f., 
Pardes  56b,  wo  ausdrücklich  C'TX  r'zhi  als  Urheber  des  Verbots  ge- 
nannt ist.  Gerade  diese  Stelle  spricht  gegen  Ginzbergs  Auffassung,  weil 
nur  von  einem  gegen  Palästina  gerichteten  Verbot  und  einem  Ersatz 
der  Schma  durch  die  Amida-Keduscha  die  Rede  ist. 

4.  Zu  den  Texten  vgl.  Litg.  13  ff.,  Saad.  Keduscha  bei  Bondi  17.  — 
In  '^r'^?"2:i  bei  Maim.  ist  vielleicht  eine  Spur  desselben  Geistes,  der 
sich  in  der  Einführung  von  ^pni  ausdrückt.  —  Tils  hatte  auch  It.,  wie  sich 
aus  Seh.  L.  13  ergibt.  Auch  Oz.  T.  hat  *r,=.  —  Vp::  tx  Amr.  10b. 
V.  S.  156.  —  Ofannim  im  Talm.  s.  ob.  S.  62.  —  c^'s  ohne  jede  Ein- 
leitung wird  auch  in  gaon.  Responsen  zitiert  z.  B.  Amr.  10b,  IIa.  Fr.  I, 
278.  —  Zu  ""i-ix  (S.  66)  vgl.  Pard.  42a,  danach  ließ  Eljakim  aus  Speyer  es 
,,als  Lied  der  Engel"  zuerst  am  Wochenfeste  vortragen,  das  Buch  der 
Frommen,  ed.  Berl.  §  501,  kennt  den  Brauch  bereits  an  allen  Wallfahrts- 
festen. Meschullam  b.  Kai.  (weiter  S.  327)  ist  Verf.  der  Keroba  für 
2"r  in  Germ.,  in  der  das  Wort  "r'^x  eine  große  Rolle  spielt;  besonders 
ist  das  letzte  Stück  der  Bearbeitung  der  Keduscha  zu  beachten,  dessen 


Aiimcrkiiii^ri'ii.  521 

KefriUis    ■:-:— ix   '-     iiihI     -■^Jw   ~"'~x  it;    l.nitiii.  I)ii'    Alif.is.siiiij^s/cil 

<lei'  Zus.U/.i'  zu  iliii  Ki'diischavorstMl  wiirdi'  mit  l{ii(ksiilil  (l.iriiuf  an- 
^'('sctzt,  <l;il.'.  "r"ip3  hiTcits  in  S»if.  X\l,  12  rrwiihnt  ist.  —  \'«tn  (ii-iilschcii 
Bcarhcituii},'!'!!  ist  dif  Ix'kaiinlcslc  die  von  Altr.  (ifi^^cr  mit  der  Koiii- 
|)itsilioii  voll  I  .i'waiidowski.  rjnc  cii^disclic  fiudcl  si<li  im  I  iiinii  I'i'ayiT- 
Buok. 

.").  Al>gi'scii('n  von  (Irii  licrcits  idicii  S.  IS  Tiir  die  j^M'id^iTi'  .lii^'ciid 
der  .l(»/.('i-KL'dus(lia  aii^n'grhciu'ii  «'«ründi'U  ist  der  Eifer  zu  l)i'a(lilcii, 
mit  dem  die  .MysliktM-  danach  strchti'ii,  aui-h  dem  t'iiizclncii  dazu  zu 
vcr-liclfcn,  dal!  er  die  Keduscha  oder  wenigstens  den  Ersatz  dafür,  niaiTir 
iTi'ö.  sprt'fiu'u  koiiiito.  Selbst  im  .liv/.er  mußte  die  Kedusciia  heim 
Trivatgebet  überspruii^'eu  werden;  da  die  Halacliisten  immi-r  wieder 
auf  den  Punkt  zurückkommen,  scheinen  die  Mystiker  immer  neue 
\'orstöl3e  unternommen  zu  liaben,  bis  sie  schließlich  Sieger  bliel)en. 
Die  Quellen  über  diesen  Kampf  sind  von  Büchler  in  REJ  LIII,  220  ff. 
zusammengestellt  (vgl.  Stud.  20  f.).  Bei  Saad.  nun  ist  vom  ganzen  Jozer 
für  den  einzelnen  so  gut  wie  nichts  übriggeblieben;  eine  so  radikale 
\  erkürzung  hätte  er  nicht  vorgenommen,  wenn  er  sich  nicht  auf  eine 
alte  \  orlage  hätte  stützen  können.  Die  N'orlage  aber  bot  der  alle  p  a  1. 
Jozer,  der  im  Laufe  dei'  Zeil  zum  Jozei-  für  das  Einzelgebet  degradiert 
wurde. 

§  9b.  Das  Bruchstiick  einer  Ahliaiidlung  von  L.  Low  in  dessen 
des.  Sehr.   V  34  ff. 

1.  Zum  N'erständnis  der  Ausdrüek(^  cVxn  r'^vz  und  -p-T  in  der 
Mischna  s.  Büchler,  d.  Priester  u.  d.  Kultus  usw.  S.  126  und  die  dort 
Anm.  1  angeführten  Stellen.  — "irins  nsr  wird  im  Talm.  auch  Tannaiten 
in  den  Mund  gelegt,  die  Ausdrucksweise  gehört  jedoch  erst  der  amor. 
Zeit  an.  —  fi'X-r:  im  Sifre  und  in  b.  Sota  z.  St.,  bei  den  jüngeren  Hala- 
cliisten vielfach  rx"r:,  w^e  fälschlich  auch  einige  Taimudausgaben 
haben. 

2.  Die  religionsgeschichtliche  Bedeutung  der  Übertragung  des 
Priestersegens  in  die  Synagogen  ist  besonders  scharf  von  Isr.  Levi  REJ 
XXX,  142  hervorgehoben.  Sifre  suta  a.  a.  O.  leitet  das  aus  Ex.  2024 
ab.  —  Die  körperlichen  Gebrechen  (S.  69)  sind  nur  solche  am  Gesicht, 
an  Händen  und  Füßen,  weil  das  Volk  darauf  liin/.ulilicken  pflegt.  Tos. 
Sota  VIII,  8  (307 5),  vgl.  b.  Meg.  24b,  j.  75b  u.  ( . 

3.  Die  Verpflichtung  der  Ahroniden  betont  R.  Juda  b.  Pa.si  (um  300) 
im  Namen  R.  Eleasars,  vgl.  auch  b.  Sota  38b  u.  Or  Sar.  II,  165.  In  der 
christlichen  Kirche  ist  der  Priestersegen  erst  durch  die  Reformation 
Bestandteil  des  Gottesdienstes  geworden,  vorher  ist  er  nur  vereinzelt 
nachzuweisen,  Achelis,  S.  365  (wo  die  Worte  ,,mit  dem  jeder  Synagogen- 
gottesdienst geschlossen  wurde"  der  Verbesserung  bedürfen),  Riet- 
schel,  326,  402  u.  ö.  —  Über  die  Finger  der  Priesterhände,  vgl.  J.  Low 
im  Gedenkbuch  für  D.  Kaufmann  S.  68,  Berliner  41.  Auf  Grabsteinen 
sind  die  ausgebreiteten  Hände  Zeichen  der  ahronidischen  Abstammung.  — 


522  Anmerkungen. 

Die  Vorstellung  von  der  magischen  Wirkung  des  Segens  wurde  durch 
die  Mystiker  sehr  verstärkt.  Daß  die  Priester  dem  t'lp  den  Rücken 
kehren  und  sich  mit  dem  Gesicht  zur  Gemeinde  wenden,  schreibt  auch 
Tos.  Meg.  III,  24  (227i3)  vor;  das  entsprach  der  babylonischen 
Sitte,  in  Palästina  standen  sie  mit  dem  Gesicht  zur  heiligen  Lade 
Chili.  Nr.  36,  S.  34.  —  Zu  Sifre  §  39  vgl.  S.  suta  S.  49  u.  b.  Sota  39b.  — 
Das  Aufrufen  geschah  in  ältester  Zeit  durch  den  "n  d.  i.  den  Diener 
(weiter  S.  485  ff.);  so  faßte  noch  Jak.  Tarn  die  Quellen  auf  Tos.  Ber.  34a  s.  v. 
nsri  xb.  Wenn  später  der  Vorbeter  die  Funktion  ausführen  mußte, 
so  liegt  hier  vielleicht  eine  von  jenen  vielen  \'erwechslungen  auf  Grund 
des  späteren  Sprachgebrauchs  vor,  durch  die  "fln^  n^Vw  an  Stelle  von 
•jTn  trat,  vgl.  Or  Sar.  a.  a.  O.  und  Kohut,  Aruch  s.  v.  'in.  —  Die 
Bibelverse  (S.  70)  finden  sich  zuerst  in  Raschis  c^a  mx'^cs  'n  (Cod. 
Vatic.  Nr.  318),  vgl.  V.  S.  101,  Berliner,  Randb.  I,  40;  da  aber  sämtliche 
Riten  die  Verse  angenommen  haben,  muß  ihre  Einführung  in  recht 
früher  Zeit  erfolgt  sein.  Gegen  die  Unterbrechung  des  Segens  durch  die 
\'erse  vgl.  z.  B.  Abudr.  33a,  Bet  Josef  zu  Tur  I,  128.  —  Gebet  bei  Träumen 
vgl.  R.  Nissim  b.  Jak.  zu  b.  Ber.  55b.  Das  Gebet  ist  schon  in  Amr.  Hb, 
Fr.  I,  287  übernommen,  aber  die  Verordnung,  es  stets  beim  Priestor- 
segen zu  sprechen,  rührt  erst  von  Meir  Rothenburg  her  (Hag.  Maim.  zu 
nbsn  'n  XIV,  7).  Selbst  Jesaia  Horwitz  (390)  erklärte  sich  dagegen, 
Berliner,  Randb.  41.  —  Die  Fassung  des  ■ps'*!  'Jr^  am  Schlüsse  stammt  aus 
Nathan  Hannovers  'i'^a  ''"rc  (Berliner,  das.).  Zur  Erklärung  des  selt- 
samen Dnp3X  usw.  s.  Heller  in  REJ  LV,  60  ff.,  Krauß  das.  LVI,  251  ff. 
—  Gesang  beim  Segen  schon  O.  Ch.  109b.  Resp.  MaHaRIL,  Nr.  148.  — 
Täglichen  Priestersegen  hat  auch  Saad.  Bondi  17,  Yemen  (ibn  Sappir  I. 
57a),  Jerusalem  (Ri  84).  Unterlassung  des  Priestersegens  L.  Low  a.  a.  O. 
vgl.  O.  Ch.  u.  MaHaRIL  z.  St.  Komment,  zu  Tur  I,  128  Ende. —  Amster- 
dam JE  I,  538  ff.  —  Palästina  Chili.  Nr.  29  S.  28,  Manh.  §  64.  —  Am 
9.  Ab  im  Morgengebet  fällt  der  Segen  aus,  bei  Amr.  Fr.  II,  268  ist  er 
noch  üblich.  —  Jak.  Tam.  (S.  72)  s.  oben.  —  Meir  Rothenburg  Resp.  ed. 
Prag,  Nr.  648,  Mord.  Meg.  §  817,  Bet  Josef  z.  St.  —  Statt  David  Kimchi 
(im  Text)  lies  Josef  Kimchi,  Abudr.  32d.  —  Gründe  gegen  den  Priester- 
segen s.  Geiger.  Jüd.  Zeitschr.  XI,  284,  Philipson,  Reform  Movement, 
S.   347,   351. 

§  10.  Zur  Terminologie  vgl.  Maim.  nssn  'n  V  13,  14.  —  Daß 
unter  n-r-^rnn  das  Privatgebet  zu  verstehen  ist,  wurde  Studien  40  ff. 
eingehend  begründet.  Im  Arabischen  wird  der  Ausdruck  bs:n  dafür 
verwendet,  was  Juda  ibn  Tibbon  mit  bsir",  aber  auch  mit  nsEns  3"i:rrr 
oder  mir"^.  'sn  übersetzt  hat,  vgl.  Bacher,  Einl.  zu  Abulwalids  n'^o"u;n  'o, 
X,  Note  4.  —  Yemen  bei  Sappir,  I,  57a,  Saad.  bei  Bondi  15.  — ni"i^ix  '"Jt 
s<"3  bei  den  Halachisten  der  letzten  Jahrhunderte,  daher  auch  in  den  Ka- 
lendern. —  Aus  der  gaon.  Literatur  z.  B.  ■'•cm  r2N"  "''SX  b?  3*S5  in 
H.  Ged.,  ed.  Hild.,  22.   Natronai  bei  Amr.  9a,  Fr.  I,  264.  —  Seh.  Ar.  I,  131. 

4.    Amr.    12a,    vgl.    dazu   Mx.    6  f..    Fr.  I,  299.    —   Techinnastücke 


AiiiiH'rkiiiigni.  523 

bei  Zunz,  Lilg.  lö  f.,  Saad.  l)i'i  Fr.  I,  2!»S,  Hniidi  IT).  Maiiii.  in  n";5En 'o 
vgl.  Moses  b.  Maimon  I,  330.  —  Zu  S.  76  ob.  \  .  S.  70,  Fr.  I,  298,  wo 
auch  andtii'  .AbwcicIiuu^tMi  niitgi'li'ill  werden.  Sehr  inlcressant  ist 
Abulwaiids  MitteilunK,  daU  .sein  Lehrer  Isaak  b.  Saul  des  Abends  Ps.  143 
als  Teehinna  zu  sprechen  pflegte,  bis  ihm  die  Bedeutung  von  TT'DS  \'s.  9. 
unklar  wurde;  darauf  hin  las  er  den  Psalm  nicht  mehr,  n''CJ"'izjn 'D  s.v. 
nc:.  ed.  Bacher  S.  226  u.  Einl.  a.  a.  ().  Daß  mehrere  Fassungen  zu- 
lässig sind,  weiß  noch  Abudr.  Ps.  6  in  Germ,  ist  erst  seit  IHO  Jahren 
eingefüiirt,  Berliner  Handb.  24.  —  l'";ni  Oin-i  usw.  auch  bei  Saad.,  vgl. 
Fr.  1,  297  f.,  Tin  Tsx'^'i  stammt  aus  'ra  "i"rr  Berliner,  das.,  Baer  116, 
Fr.  das.  —  R.  Aktba,  weiter  S.  147.  -  bx-ö-^  n^ic  Ki  131,  Litg.  18,  Fr.  I,  300. 

—  Sündenbekenntnis  erst  seit  den  letzten  Jahrhunderten,  wahrscheinlich 
unter  lurjanischem  Einfluß  (weiter  S.  387  ff.)  eingeführt. 

6.  Zum  Text  von  Meg.  Taan.  vgl.  ed.  Neubauer  S.  22.  —  Di- 
dache  s.  G.  Klein,  D.  älteste  christl.  Katechismus  usw.  S.  212;  Regen- 
fasten Taan.  I,  4  ff.  Sonstige  Fasten  Tos.  Taan.  II,  4  (217»)  'm '3  dp 
"1122  rT"3T2  ^■c'n  T^ni,  auch  das  Estherfasten  findet  Montag  und  Donners- 
tag statt,  s.  Sof.  XVII,  4,  weiter  S.  131  —  no-'jrn  ■'•s''  Meg.  I,  1.  — 
S.  Olam  vgl.  Marx,  Seder  Olam,  deutsch.  Teil,  S.  20,  Manh.  §  70. 

7.  Amr.  19b  (Fr.  I,  393),  It.  auch  bei  Fr.  I,  301.  —  Zu 
ninn  xim  vgl.  Baer  112,  Litg.  16,  Groß,  Gallia  Judaica  74  f.,  Ber- 
liner, 70  ff.  Wenn  Zunz  sich  auf  V.  bezieht,  so  denkt  er  an  Ms.  Bodl., 
wo  sich  die  Erzählung  tatsächlich  findet  vgl.  Fr.  I,  293  (gegen  Berliner). 
Daß  cin-i  X"ni  bei  Amr.  ein  Zusatz  ist,  lehrt  Mx.  11.  —  Varianten  zum 
Text  von  Dtn-;  xini  bei  Baer  das.  u.  Fr.  I,  294.  Der  Text  verdiente  eine 
besondere  Untersuchung.  —  mrp3  bei  Amr.  23,  Fr.  395,  sxnu;''  -^ron  "^ 
Ri  123  f.  wird  im  XI.  Jhdt.  bereits  benutzt,  s.  Litg.  17.  —  Andere  Poesien 
bei  Amr.  vgl.  Mx.  11.  —  Akrost.  pnn  V.  S.  71.  —  'sx  V«  "'X  Litg-  das., 
Berliner,  S.   29.    Amr.   kennt  sie  noch  nicht. 

8.  Vgl.  Seh.  Ar.  I,  1314  ff.,  jedoch  ist  die  dortige  Zahl  überschritten 
worden,  eine  Aufzählung  aller  Tage  bei  Baer  112.  Der  Einfluß  privater 
Feste  bei  Berliner,  Aus  dem  inneren  Leben  d.  Juden  im  Mittelalter, 
S.   114. 

9.  Natronai  s.  Resp.  Lyck  Nr.  90,  wo  2  Rcsponsen  ineinander 
geraten  sind,  Amr.  14b,  Itt.  253,  V.  S.  26.  Ginzberg,  Geonica  II.  299 
faßt  fälschlich  it"nm  mriip  als  eine  Art  Haftara-Benediktion  auf  und 
übersieht,  daß  voraufgegangenes  Studium  vorausgesetzt  wird.  Auch 
diese  Keduscha  wollte  man  im  Einzelgebet  verbieten.  Amr.  Fr.  I,  330, 
Bondi  15.    Saad.  (Bondi  17  f.)  u.  Maim.  haben  einen  abweichenden  Text. 

—  Babylon.  Ritus  s.  Amr.  u.  Resp.  Lyck  das. 

10.  Amr.  14a,  Fr.  317,  327.  V.  S.  74,  O.  Ch.  21b  §  4  ff.  über  die 
in  Toledo  üblichen  Psalmen  Manh.  §  77.  Saadja  bringt  an  dieser  Stelle 
seine  2  berühmten  Gebete  (weiter  S.  324).  —  'nbxs  'px  fängt  logisch 
richtiger  mit  -rnbxr  ^^2  an,  die  Umstellung  erfolgte,  damit  das  Akrost. 
•,i:i<  entstände,  vgl.  JQR  XIII,  160.  —  Noch  mehr  Zusätze  bei  Baer  154  ff. 


524  Anmerkungen. 

11.  "rsr  finde  ich  zuerst  Tur  I,  133;  nach  Berliner,  S.  49  hatte  es 
schon  Rokeach  für  den  Morgengottesdienst.  —  Zu  den  Anklagen  gegen 
•r»  s.  JE  I,  336  ff.,  Berliner  das.  Zu  Preußen  vgl.  die  Literatur  bei 
Scheinhaus  a.  a.  O.,  L.  Geiger,  Gesch.  d.  Juden  in  Berlin  11.  27  f.,  .1. 
Freund,  Emanzipation  d.  Juden  in  Preußen  I,  13  Anm.   15. 

12.  Gegen  ^^rrn  "*r  und  die  häufige  Wiederholung  des  Kaddisch 
erklärt  sich  auch  Elia  Wilna  bei  Fr.  I,  114.  Unechte  Verse  gegen  Ende 
des  TCSr^^r-c  weist  Simonsen  in  MS  XXXVII,  463  ff.  nach. 

§  11.  1.  Amr.  bei  Fr.  I,  138  beginnt  hier  den  öffentlichen  Gottes- 
dienst -.^XTü  "]i^n  nn'Ei  T!ö'JzT\ '—  ■''2""  s-n-'^"r-  bsss^-b  nc:-!!  n"2s  '-ci  '^•o'.'zvoz'. 

2.  Zum  Text  von  b.  Schabb  118b  vgl.  Aptowitzer  in  -jn  -px^  nsran 
I,  84  ff.,  die  Beziehung  auf  Ps.  145  ff.  schon  bei  Moses  Gaon  in  Aruch 
s.  V.  bsn  u.  Alf.  z.  St. 

3.  Ps.  30  vielleicht  durch  Lurja  veranlaßt,  Berliner,  S.  22;  Elia 
Wilna  gegen  die  Aufnahme  Fr.  I,  114.  —  Daß  "-cx-^-  "^na  aus  2  ganz 
verschiedenen  Teilen  besteht,  betont  auch  Bloch  in  MS  XXXVII  262. 
Der  erste  Teil  fehlt  in  vielen  Genisa-Fragmenten  und  bei  Saad.  (Bondi  16, 
Fr.  I,  154,  Saad.  hat  ihn  nur  für  Sabbat).  Nach  der  Übersicht  bei  Mx.  3 
u.,  Fr.  I,  167  müßte  er  auch  bei  Amr.  fehlen,  trotzdem  beginnt  2b,  Fr.  138 
mit  'r;5<ir  ynz;  wahrscheinlich  ist  das  ein  späterer  Zusatz.  Zur  Vor- 
tragsweise vgl.  Rapaport,  Kalir  S.  117  auf  Grund  des  Berichts  von 
Nathan  ha  Babli  (um  960)  bei  Neubauer,  Mediaevel  Jcav.  Chronicles  II,  83. 
Der  Sinn  des  ersten  Teils  bei  Margulies  a.  a.  O.,  T.  d.  B.  El.,  ed.  Fried- 
mann, S.  179.  —  Zur  Eulogie  ninSffirc  bbnc  "^3-2  vgl.  Amr.  das.,  Saad. 
bei  Bondi  16.  —  Moses  Gaon  a.  a.  O.,  Müller  J..  r>TS,-z  S.  76,  Zunz 
Litg.   S.   12. 

4.  Bei  Amr.  (Fr.  167)  u.  Saad.  fehlt  iTin  noch,  Verse  hinter  'tb  Vsn"! 
zuerst  in  V.  S.  61  f.  vgl.  mehr  über  diese  Zusätze  bei  Jawitz  63  f.,  Ri  59; 
im  verbreiteten  Text  von  Amr.  finden  sich  die  Verse  im  der  Sabbat- 
liturgie S.  27a,  sie  fehlen  jedoch  in  den  Hss.,  s.  weiter  zu  S.  112/3.  Gegen 
jede  Einschaltung  schreibt  sehr  entschieden  Itt.  249.  ^  Zum  Text  von 
j.  Ber.  V  1  Ratner,  S.  120.  —  Ps.  100  weder  bei  Amr.  noch  Saad.  Über 
die  Tage,  an  denen  er  gesprochen  wird,  Manh.  §  21,  Tur  I,  50.  Vgl.  Ber- 
liner, S.  22  auch  über  den  hier  häufig  eingeschalteten  Ps.  20.  —  Mit 
1312 'n  (S.  85)  beginnen  in  Amr.  die  Semirot,  es  geht  '-cxc  'ITS  voran; 
Manh.  §  19  kennt  es  nur  für  Sabbate,  in  Seph.  steht  es  am  Beginn  der 
Sem.  für  alle  Tage. 

5.  Mehr  Verse  mit  '^"rx  zuerst  in  \'.,  vgl.  Ri  59,  sie  stehen  auch 
in  den  Mss.  von  Amr.  Mx.  3,  Fr.   I,  167. 

6.  Die  Verse  übt>b  't  yra  usw.  zuerst  Rokeach  §  320,  Tn  "^-rzT  bis 
V.  13  schon  Amr.  (Fr.  168,  Mx.  3),  aber  nicht  mehr;  das  folgende  war 
ursprünglich  nur  am  Sabbat  üblich  und  zwar  zuerst  in  den  romanischen 
Ländern;  nach  Deutschland  wurde  es  durch  Moses  b.  Kalonymos  aus  It. 
eingeführt,  V.  S.  226,  für  Frankreich  Ri  14.  Zum  Ganzen  vgl.  Ginzberg, 
Geon.  I,  127.    Im  Tempel  in  Jerusalem  wurde  Ex.  15  am  Sabbat  nachm. 


Aiiiiicrkiiii^'cii.  i)-i) 

als  r.-;ilm  <;cMiM<4.'n,  \<.  ll.  lia  Seil.  ;{|;i:  '!i"  l"  Inriialiiiii'  in  di'  I-ilKi^i«' 
wunli'  sflir  Ix'kampfl.  sn  von  Nalroiiai  und  Itl.  '24U.  II  in  I  fr  r-'r: 
rinden   wir  das  Lied   noch   in    l'tTs.,  s.   JQR  \,  <»<>s. 

7.  hie  HiliifiinfJ:  «Icr  Syiuifiyma  in  nsrc"  riiliil  Hin.  li  a.  a.  ( ).  202 
.Mil"  tiii'  .MyslikiM*  xuriick,  liocli  linden  sich  älinlichc  Wciiiluiif^cn  hcroils 
Mi'ch.  28lt  und  29a,  cd.  llnlfin.  45,  47.  Saad.  Text  ist  kürzer,  liingegen 
ist  der  Schluü  weiter  ausj^Mliilul,  Hdndi  Ki.  Die  Eulogie  bei  Amr.  Fr.  178; 
(tl)W(ihl  Anir.  sehr  lieft ii:,^  dagegen  spiii  hl,  liat  Saad.  die  Euh  gie  mit 
r'XTnn  ^"^  Fr.   Iö4. 

8.  Vorbeter  lü  (i,  .Maini..  nbsn 'n  l.\,  1.  In  Pers.  werden  erst 
hier  r'^S'^a  angelegt  JQR  X,  (508.  In  Anir.  (Fr.  178,  Mx.  3)  heißt  es 
viir  n^nc"^  als  Anleitung  Qnin-,  rQ'^nn  res  ni'scn  i^isi,  weil  hier  erst  der 
Vorbeter  auftritt,  iler  bis  dahin  gesessen  hat;  er  beginnt  fieilich  nach 
dem  S.   82  erwähnten   Irrtum   mil  n^n-^. 

§  12.  1.  Bei  Saad.  Maim.  stehen  die  -ncn '3-i2  unter  den  nia-Q 
•"'nzn  (,,Berachot  über  körperliche  Genüsse"  Bondi  20)  weil  sie  zu 
Hause  gesprochen  werden,  Saad.  Text  bei  Bondi  a.  a.  O.  Maim.  nisn  'n 
VII. 

2.  ■"::  r\"  und  "rx"  hat  amh  scIkiii  Aiiir.  unter  den  speziellen 
Benediktionen  s.  Fr.  1,  38,  er  kennt  auch  Ps.  59  als  Vers  beim  Ver- 
lassen des  Gotteshauses,  schon  in  \.  finden  sich  mehr  Verse.  Gegen 
■2::  nn  schrieb  Sal.  Lurja.  sonst  aber  war  es  allgemein  angenommen 
und  gebilligt;  s.   Berliner  I,  11. 

3.  Zu  'hiv^  vgl.  Luzzatto  X--  20,  Berliner  13.  —  Zur  Fixierung 
und  literarischen  Verarbeitung  der  Dogmen  im  Judentum  vgl.  Schechter, 
Studics  I,  200  ff.  —  Immanuel,  Machberct  IV  vgl.  Chajes  in  R  i  v.  I  s  r. 
VII,  96,  ZFHB  XI,  159.  —  Ed.  Krakau  nach  Berliner  12. 

4.  Seph.  hat  einen  Einschub  '^i^-zi  ■'33  ^-r  -p2  u.sw.  Fr.  I,  41.  Über 
den  Inhalt  von  =2-r  7-1X  s.  den  schönen  Aufsatz  in  I.  Abrahams,  Festival 
Studies,  S.   174  ff.  —  Gabirol  als  Verfasser  S.  P.  216. 

5.  Daß  die  -n'cn  m^na  ursprünglich  nur  als  Gelegenheitsgebete 
gedacht  waren,  beweisen  am  deutlichsten  die  von  ihnen  losgetrennten 
Benediktionen  für  r-s^a  und  -fSEn,  die  heute  noch  nur  beim  Anlegen 
dieser  Gegenstände  gesprochen  werden.  Nachdem  die  "Titrn  '2  in  das 
tägliche  Gebet  aufgenommen  waren,  fand  man  die  Begründung,  daß 
darin  eine  Anerkennung  der  Schöpferkraft  Gottes  lag,  vgl.  z.  B.  Esch- 
kol  I,  7  (ed.  Albeck.  S.  10).  —  D'^T^  ns^'JJ  »  am  Anfang  nach  Fr.  47 
auch  bei  Amr.  und  in  V.  S.  56,  im  Talmud  ist  die  Reihenfolge  n-:r3  ^nbx 
und  dann  'Ti  rb-j:  =r.  Die  Reihenfolge  der  kurzen  Bened.  ist  nicht  nur 
bei  Amr.,  sondern  auch  später  vielfach  vcn  der  des  Talmuds  abweichend, 
vgl.  Jawitz  5  f..  Berliner  13  ff.,  Fr.  I,  53.  —  Zum  Text  von  j.  Ber.  IX 
(S.  90  ob.)  s.  Ratner  198.  -na  schon  bei  Amr.  zurückgewiesen,  Mx.  2, 
Fr.  85;  aus  "5  ist  aus  Rücksicht  auf  die  Zensur  '-zz  geworden,  Baer  40  f. 
Das  -r^s-r  -:rrr  für  Frauen  ist  jünger  als  V.,  erscheint  zuerst  in 
Tur  I,  46   und    Aluidr.    Ue.    Statt   -:xcr   hat  -rr^r  Saad.  a.  a.  O.    und 


526  Anmerkungen. 

Maini.  n5En  VII,  6  vgl.  auch  '•^'^■^•i  'sn  z.  St.  y^ar,  c-  "^jn-s^r  xbia  bei 
Schechter  im  Kaufmann-Gedenkbuch,  hebr.  T.,  8.  53;  vgl.  auch  Pers. 
in  JQR  X,  607.  Der  Sinn  der  3  Benediktionen  bei  Kaufmann  in  MS 
XXXVII,  S.   14  ff. 

6.  Statt  'n  "^^r:-!-  porb  liest  Amr.  '-r-  ^'-'•<  -v  Fi.  1,  70.  Daß  mit 
dieser  Gruppe  große  Umwandlungen  vorgenommen  worden  sind,  beweist 
am  besten  die  verschiedene  Reihenfolge  in  den  Texten.  Amr.  2a  (Fr.  72  ff.) 
hat  sie  hinter  der  in  5.  und  vor  der  in  7.  behandelten,  vgl.  dazu  Ginzberg, 
Geonica  I,  126.  Tur  1,  46,  Ende  berichtet,  daß  der  Verf.  die  rrninn  ns-ia 
hinter  rr^cn  "^nsst  versetzt  habe,  darauf  I2'n2  und  die  kurzen  Bened. 
folgen  ließ;  Moses  Isseries  bemerkt  z.  St.,  daß  in  Deutschland  die  jetzt 
in  den  Gebetbüchern  stehende  Reihenfolge  üblich  ist.  Alle  alten  Gebet- 
bücher jedoch  haben,  wie  Elia  Wilna  mit  Recht  bemerkt,  die  ganze 
Gruppe,  d.  h.  die  Tora-Benediktionen  einschließlich  des  doppelten 
Studienstoffes  am  Ende  hinter  Gruppe  7;  so  ist  auch  heute  noch  die 
Reihenfolge  in  Frankfurt  a.  Main.  Vgl.  dazu  Berliner  16  und  Fr.  I,  98 
im  Kommentar.  —  Talmudische  Bestimmung  b.  Kidd.  30a.  - —  Zu  den 
Erweiterungen  (S.  91  ob.)  s.  Tur  I,  1;  nach  Berliner,  28  wäre  rrap  'S3  und 
niüpn  niKE  1589  gelegentlich  der  Pest  eingeführt  worden,  ein  Beweis, 
wie  seltsame  Ursachen  auf  die  Gestaltung  der  Liturgie  eingewirkt  haben. 
—  Zu  Pea  I,  1  gibt  es  eine  Menge  Varianten,  vgl.  die  Tabelle  bei  Ber- 
liner 18.  —  Zu  dem  ganzen  paläst.  Komplex  vgl.  Moses  b.  Maimon  I,  328. 

7.  Amr.  schließt  bereits  vor  übisb  die  "inrn  'l  ab  und  betrachtet 
dies  als  Überleitung  zu  -^NC  'li"",  ähnlich  wie  It.  (S.  92).  In  den  Ge- 
betbüchern wird  EST-  vielfach  mit  kleineren  Typen  gedruckt,  weil  es 
als  nicht  zum  Texte  gehörig  betrachtet  wird;  aus  gleichem  Grunde 
fehlt  es  in  Amr.  Ms.  O.  bei  Fr.  94  (es  steht  aber  das.  101).  Auch  Abudr.  18d 
leitet  es  mit  "i?aii  'pamsü  moipa  Ta"n  ein,  er  selbst  aber  ist  dagegen. 
Tur  I,  46  nennt  als  Quelle  dafür  ''rbu;'!"'.'^ ;  so  wurde  diese  Angabe  im 
Mittelalter  oft  fälschlich  gemacht,  vgl.  Aptowitzer  in  MS  LV,  419  ff. — 
Zum  Ursprung  von  :nx  xrr  rrrb  vgl.  Rapaport  a.  a.  O.  —  Zu  'rrn  "i'^n 
weiter  zu  §  16.  —  Eine  ähnliche  Ausdrucksweise  wie  'yy^y::-z  ':n:xc  "r-iOX 
vgl.  Seh.  T.  zu  Ps.  56  (27a).  —  Zum  Text  von  j.  Ber.  s.  Ratner  199.  — 
Zu  -s-ac  nx-^-p  u.  a.  Itt.  249.  —  Zu  It.  (S.  92)  Seh.  L.  §  6,  Manh.  §  13.  — 
Für  die  Stellung  der  -ncn niann  im  Gebet  ist  folgende  Stelle  bezeichnend; 
bei  Amr.   heißt  es  zur  Einleitung  (Fr.  50)   '-  'x  '^r  r-r^i '7'.3'2i "iTnn binnw 

§  12a.  2.  Die  Stellen  der  Quellenschriften  sind  sämtlich  bei  Pool, 
S.  8  ff.  angeführt,  vgl.  Jawitz  82.  Zu  b.  Ber.  3a  wird  vorausgesetzt,  daß 
Kaddisch  in  der  Synagoge  und  im  Lehrhause  zu  hören  ist.  —  Kadd. 
als  Abschluß  des  agadischen  Vortrags  zuerst  bei  Zunz  G.  V.  385e  als 
Erklärung  Rapaports,  der  jedoch  irrtümlich  xr^sn:  auf  Trostreden  für 
die  Trauernden  bezieht,  während  es  sich  um  die  allgemeine  Zukunfts- 
hoffnung ( =  "j^a  nrn;)  handelt.  Ein  ähnliches  Gebet  wie  Kadd.  ist, 
wie  Pool  mit  Recht  hervorhebt,  irn  ht  vor  der  Toravorlesung,  vgl.  weiter 


AiiiiicrUiiii^'rii.  527 

S.  199.  —  Kadd.  und  \  nUv  l  iisri'  In-i  Klriii,  1>.  alt.  clin.stl.  Katc.lii.s- 
mus  256  ff.  =  ZfM\V\'ll.  liHXl,  ;54  ff.  Kohlers  Ankniipfmip  an  dir 
Kr/.;lliliiiif!:  II.  -Mk.  12,  IIS  ff.  i.sl  ddcli  sehr  gewapl.  — snris  32  "i":  xsrb 
(S.  94  oh.)  bringt  Koldcr  mit  Nch.  95  nsnm  n:-2  32  3y  ccif:- 
/.usainiiKMi.  —  Dialokt  vgl.  Dalinan,  Aramüi.scho  (Iraiiuiiatik^,  S.  26. 
;}.  t"fl>i'rall  wo  Toile  des  Ochcls  abgeschlossen  werden  sollten,  wie 
7..  H.  iia(  li  den  rrm^i  (§  11),  wurde  Kadd.  dazu  verwendet.  —  Zu 
Sof.  XL\,  12  .s.  Müller,  S.  279.  Nach  P.  d.  R.  E.  XVII  besuchen  die 
Trauernden  die  Synagoge.  Zur  .\rt  der  Begrüßung  bezw.  Entlassung 
vgl.  H.  .Vkibas  cibcb  C2-«n23  123  am  Schlüsse  seines  Dankes  für  die 
Teilnahme  am  Tode  der  Söhne  in  b.  Moed  Kat.  21b,  Seinachot  VIII.  — 
'nnxb  T^nrn  x^ibra  Sof.  das. 

4.  T.  d.  B.  El.  XX  ed.  Friedmann,  S.  120.  Die  Akibalegende  s.  in 
T.  d.  B.  El.  suta  XVII,  ed.  Friedm.,  S.  23  und  die  Noten,  Pool  102.  — 
Ein  ganzes  Jahr  sagen  die  Trauernden  noch  nach  Kolbo  §  114  Kaddisch, 
das  wurde  auf  Grund  des  Sohar  wegen  \i:"nn  ^""^  cisn-^sn  c^ü"'.  ::eü"; 
Eduj.  II,  10  auf  11  Monate  verkürzt,  vgl.  Isseries  zu  Seh.  Ar.  II,  3764 
und  Lewysohn  D^:n:^  ifpia  S.  136.  —  Or  Sarua  II,  11.  —  Jahrzeit 
s.  JE  \"11,  63  f.  —  \on  besonderem  Einfluß  auf  das  Kadd.  der  Trauernden 
war  die  lurjanische  Bewegung,   Lewysohn,  S.   138. 

5.  Pool  S.  10".  —  T^n'^b  c^np  häufig  bei  Amr.,  fehlt  aber  stets  in  den 
Hss.  vgl.  Mx.  u.   Fr.  zu  den  betr.   Stellen. 

6.  Text  Amr.  bei  Fr.  I,  I7ö.  —  Die  vielen  Synonyma  bei  ']-:n"'  usw. 
füiirt  Bloch  a.  a.  O.,  264  ebenfalls  auf  die  Mystiker  zurück.  Am  Schlüsse 
dieses  Satzes  gehört  x"n '^■'-aNirnip"!  n^iir  naturgemäß  zusammen,  Seph. 
beantwortet  es  mit  der  Responsion  '{Cü;  in  Deutschland  aber  ist  seit 
XIII.  Jahrh.  xin  '^^"a  als  Responsion  zu  xiriipn  aufgefaßt  und  davon 
getrennt  worden,  vgl.  Or  Sar.  II,  10a.  —  X'^pins  3Si  PX-ia-^  3S  im  Gebet- 
buch des  Tempels  in  Hamburg  und  in  Frankfurt  a.  M.  In  die  hebr. 
Sprache  wurde  Kadd.  in  der  Reformgemeinde  in  London  (S.  432)  über- 
tragen. 

7.  Nathan  ha  Babli  das.  S.  84,  vgl.  Schechter  im  Kaufmann-Ge- 
denkbuch 54.  Maimonides,  Resp.  ed.  Lichtenberg  III,  9a,  vgl.  auch 
MS  XLI,  215  ff.  Nachmanides  bei  Juchasin,  ed.  Filipowski,  219  Ende.  — 
Die  Zusätze  Litg.  19.  Bei  Beerdigungen  wurde  auch  ein  Zusatz  S<2"n  ''b2nr 
verwendet,  den  Hai  Gaon  selbst  am  Festtag  gestattete,  s.  Warnheim 
Q'^'aan  nsinp  S.  109. 

B.  §  13.  1.  Zur  Bedeutung  von  nnj^a  vgl.  Gesenius  s.  v.,  Le- 
vy  III,  153.  S.  auch  Tos.  Pes.  107a  s.  v.  yco  u.  d.  Note  von  R.  Jes. 
Berlin  z.  St.  mit  dem  Hinweis  auf  das  bei  Abudr.  gebrachte  Zitat  aus 
dem  Targum  Onk.,  wo  arn  nnb  Gen.  38  durch  X^sr  ra^h  wiedergegeben 
ist;  danach  müßte  nnro  als  das  gegen  Abend  verrichtete  Gebet  an- 
gesehen werden,  wie  Herzfeld  a.  a.  O.  annimmt.  Wenn  Epiphanius 
Haer.  XXIX,  9  ein  Gebet  ,ufor]i  h^^'Q^i  und  eins  'ifw  tP;»'  ianinav 
ansetzt,    so    scheint    er    unter    dem    ersten    nb-x  nn:':    zu     verstehen. 


528  Anmerkungen. 

Oder  soll  er  noch  etwas  von  dem  zu  Mittag  verrichteten  Musafgebet  der 
Maamadot  (weiter  S.  237  f.)  gewußt  haben?  —  Die  Mitte  zwischen 
9V2  Std.,  der  Zeit  von  ny^p  nnso,  und  d.  Einbruch  der  Nacht  heißt 
nns^ari  5?s  „Teilung  der  Mincha"  Tos.  Ber.  III,  1  (023);  diese  Zeit, 
10^/4  Uhr,  wurde  die  eigentliche  Gebetszeit,  noch  heute  wird  vielfach 
diese  Zeit  genau  innegehalten,  an  ihr  Mincha  und  Maarib  (§  14)  zu- 
sammen gebetet.  Die  frühe  Vereinigung  beider  Gebete  (S.  99)  ergibt 
sich  schon  aus  Resp.  Lyck  Nr.  51,  vgl.  ferner  V.  S.  7,  Eschkol  I,  56. 
Tos.  Ber.  2a  s.  v.  -ri^ü^n-Q,  Ri  8. 

2.  Ps.  145  bei  Amr.  MS.  O.  (Mx.  11,  Fr.  I,  375),  Jona  Gerundi  in 
naiüjn  n^5X,  vgl.  Abudr.  z.  St.  —  V.  S.  76  f. 

3.  Geonim  vgl.  Achtzehng.  S.  47. 

§  14.  1.  Über  zu  frühes  Abendgebet  klagt  schon  Resp.  Lyck  Nr.  78, 
vgl.  Ascheri  zu  Ber.  I,  1.  In  Palästina  wurde  in  solchen  Fällen  das 
Schma  beim  Einbruch  der  Nacht  noch  einmal  gebetet  j.  Ber.  I,  1  (2a). 

2.  Die  Begründung  für  ein";  X'^fi'  Pard.  55  a,  Manh.  §  83.  —  ^^ 
S.  77  f.  —  Ps.  134  vgl.  Baer  S.  163.  —  Bei  Saad.  nur  is-^i  -cc  n'X=2  'n 
Fr.  I,  381. 

4.  Studien  S.  26,  ob.  zu  S.  20.  —  Text  bei  Fr.  das. 

5.  Zu  i:a5<''l  vgl.  Stud.  16  f.  —  Rab  b.  Ber.  12b  (weiter  S.  263). 
In  nr^xi  n"CN  lesen  alle  Texte  außer  Germ,  (jedoch  auch  V.  78) 
"^iih-o  "rsx'sn;  den  Satz  rrb'n;  riirtr-  hat  nur  Germ,  (schon  V.).  vgl. 
Baer  166.  —  Die  Stelle  bei  Amr.  19a,  Ms.  O.,  bei  Fr.  I,  382,  jedoch  hat 
das  übliche  nis  "^r  Jer.  31ii.    Saad.  bei  Fr.  das. 

6.  Zu  ■r-'^rcr?  u.  besonders  zur  Eulogie  s.  Büchler  a.  a.  O. ;  der  von 
B.  hergestellte  kurze  Text  entspricht  etwa  dem  in  REJ;  auch  Pers.  hat 
im  Sabbatgebet  eine  so  kurze  Fassung,  vgl.  JQR  X,  605.  —  Zum  Text 
von  j.  Ber.  (S.  102  ob.)  vgl.  Ms.  Rom  bei  Ginzberg,  "^Ti^i:;  350  u.  Jesaia 
di  Trani  in  y^-ü-on  77b  zu  b.  Taan.  13a.  —  Genisatexte  s.  JQR  X,  656, 
REJ  a.  a.  O.  Büchler  a.  a.  O.  will  aus  Gant.  r.  IV,  4  §  6  beweisen,  daß 
die  alte  Eulogie  nur  tsis^'i'^  nra  lautete,  erwähnt  jedoch  selbst  die 
Stelle  Lev.  r.  IX  Ende,  aus  der  er  das  Gegenteil  folgert.  Amr.  43a, 
Manh.  23b  §  3  sind  für  palästinische  Bräuche  nicht  beweiskräftig. 

7.  R.  Gamliel  vgl.  Graetz  1\\  S.  35;  Weiß  ^^c— ;■  — i  ^"i  II.  93. 

8.  Babylonischer  Ursprung  Pard.  55b,  Itt.  173.  —  Die  weite 
Entfernung  der  Synagogen  bei  5"":D,  Gebote  19,  Seh.  L.  41.  —  Religions- 
verfolgung nach  n-riTC-^n  brs  bei  Abudr.  39a.  u.  —  Zeitersparnis  RSBA 
bei  O.  Gh.  43a  §  3.  Ähnhche  Einrichtungen  sind  Verkürzung  der  Tora- 
vorlesung für  Wochentage  (S.  156),  Abschaffung  des  täglichen  Priester- 
segens (S.  71).  —  Palästina  Manh.  §  84,  vgl.  auch  Seh.  L.  ob.  —  Saboräer- 
zeit  nach  Amr.  19a  "S"«  "ir^',  was  Itt.  173  richtig  mit  dem  Zusatz 
riS-.in  nns"!  zitiert  ist.  Zur  Bedeutung  vgl.  Halevy  S'^r-rx^n  ni"r-; 
III,  183  ff.  Über  die  Verse  s.  Mos.  b.  Maimon  I,  S.  323.  Daß  es  18  sein 
sollen,  schreibt  schon  Pard.  55b  vor.  —  --b'-rr^  (S.  104)  mit  der  Eulogie 
von  Rom.  bringt  auch  Amr.  bei  Fr.  I,  384.  u.  zw.   neben  TIT  1K"".  — 


AiiiiKikiiii^M'ii.  029 

S:>in.  l».  Mi'ii'.  I)ci  .M;inli.  5f  84.  -  Maiiii.  ln-i  Aliudr.  ;}!tl).  ist  walirsclioinlitli 
mir  aus  dem  Stillsilivvcigen  von  Tcf.  \  II,  18  ptschlossfii.  —  Pcrs. JQR  \. 
<>(){).  —  Saad.  v^jl.  Mos.  h.  Maimoii  S.  :}2i)  Aiiiii  :J.  Hoiidi  S.  15;  das.st'lbe 
liir  FreitaKabfiul  Bondi  S.  27,  Fr.  II,  7.  —  Maiin.  im  Text  (Ut  (jol)ot(\  — 
l>io  Kulojrii'  /.ilicrl  auch  Nalronai  bei  Ginzbcrg,  Geonica  II,  117  ^5T2n 
— !•-•;  2S  3r  T'cr  "11222,  wa.s  wahrscheinlich  vom  Abschreiber  ver- 
iuirzl  i.st.  ('.i-rcn  T-in  spricht  sich  RSBA  bei  ().  Ch.  aus.  —  Nachlgebete 
liiidfU  wir  7.U(>rsl  veronlnel  b.  Ber.  4b  c-;x  x-pr  E"rx  "nb  p  r^'n-  ~."x 
T'^-z  3r  nr""pb  n-s*;  rcrrr:  r-22:  als  \'ers  wir«!  dort  flx-nfalls  J's.  31« 
angeführt  —  Messianische  Bitte  s  Judaica,  Feslschr.  zu  Herm.  Cohens 
siebzigst.  (ieburtst.,  S.  677.  —  ihn  Gajjat  bei  Abudr.  das.,  auch  Tr""i  (?) 
bei  ().  Ch.  das.  43b,  §  4  Ende.  — 

9.  -pinn  bei  den  Geonim  Amr.  19a  (8ar  Schalom),  Fr.  I,  386 
;222r  •:-2- r,-2  das.,  Saad.  bei  Bondi  15.  —  V.  S.  79,  Manh.  §84.  — 
hie  Psalmen  s.   Koibo  §28.  die  licutigiMi  in  (Icrm.  Berliner,  S.  26. 

Kap.    II. 

A.  §  15.  1.  Die  Feiern  der  rel.  Genossenschaften  zuerst  i)ci 
A.  Geiger,  Urschrift,  124  f.  Einzelheiten  in  Lewy  Festschr.  S.  180  ff. 

2.  r2U5  nb2p  findet  sich  zuerst  in  den  r2Tr  nipn.  dann  im  Siddur, 
vgl.  dazu  Ri  149,  Berliner  I,  43  ff.,  Schechter,  Studies  II,  275  ff.  —  inn  n2b 
Ri  153,  Litg.  Nachtrag  59  f..  vgl.  auch  JE  Art.  Lekah  Dodi  VII,  675, 
wo  auch  die  Melodie;  Herder  u.  d.  T.  Lied  zur  Bewillkommnung  des 
großen  Ruhetags  der  goldenen  Zeit  (Adrastea  1802).  Sämtliche  Werke 
26,  422;  Heine  in  den  ,, Letzten  Gedichten"  u.  d.  T.  Übersetzung  eines 
hebi-.  Sabbatlicdes;  daß  er  es  Jehuda  ha  Levi  zuschreibt  (in  Prinzessin 
Sabbath)  ist  ein  Zeichen  dafür,  wie  hoch  er  das  Lied  .schätzte.  —  Maim. 
Resp.,  ed.  Licht.  Nr.  113  (I,  21c)  wird  befragt,  ob  die  ,,seit  undenklichen 
Zeiten"  herrschende  Sitte,  Ps.  92  und  dann  "b^"^  zu  rezitieren,  zu  Recht 
besteht.  Bei  Berliner  I,  45  ist  auch  der  dagegen  erhobene  Widerspruch 
erwähnt.  — 

3.  Amr.  25a  =  Itt.  172,  fehlt  jedoch  in  Ms.  O.  vgl.  Mx.  12.  Fr.  II.  7, 
Pers.  hat  statt  tin-r  X'ni  Ps.  25  g.  Spanien  s.  Manh.  r2'w'  §  2,  Al)udr.  23a, 
dagegen  O.  Ch.  I,  61b;  zu  Worms  vgl.  V.  S.  81,  142,  wo  Sin-  X-ni  fehlt. 
Die  Texte  von  Saad.  bei  Fr.  das.,  Bondi  27;  die  Einschaltung  zu  'r  r2nx 
beginnt  s-C'-^r  r2nx  "r-cb,  zu  ':2'"2'wn  ist  die  S.  101  erwähnte  kurze 
Fassung  wie  in  Pers.  verwendet.  —  '"zrc  wird  nach  Sar  Schalom  bei 
Amr.  25a  (vgl.  Mx.  das.,  Fr.  II,  9)  in  allen  Synagogen  außer  in  n2"'il'"', 
d.  h.  der  Hochschule  von  Sura,  u.  im  Exilarchenhause  gebetet,  irrsn 
bei  Amr.  das.  Manh.  §  3  erw^ähnt  als  spanischen  Brauch,  daß  "113110 
gesagt  wird.  Vgl.  das.  §4  für  Frankr.  u.  Prov.  Nach  Itt.  172  müßte  bei 
Amr.  auch  ^^^ibr  r20  'rb?  c— s"  zitiert  sein.  Meir  s"c  in  Worms  legte  be- 
sonderen Nachdruck  darauf,  daß  die  Eulogie  '—r*  "r:  br  bri  'r  lautete. 
V.  S.  142.  —  —er*  wurde  nach  Amr.  auch  in  Pumbedita  i  ingefügt, 
Pers.  hat  außerdem  noch  Ex.   I630.  —  Jeh.  b.  Barsilai   Itt.   173.  andre 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  34 


530  Anmerkungen. 

Abudr.  23a,  vgl.  Manh.  §3.    Frankr.  Manh.  das.,  \'.  S.  142,  It.  in  Seh. 
L.  §  65,  Tanja  §  13.    Zum  Text  s.  auch  Seh,  Ar.  I,  267  u.  die  Komment. 

4.  Vielleicht  wurde  mit  o:3p  nur  die  Bitte  ''.^■c'z  irr'np  bezeichnet. 
—  Die  Eulogie  lautete  inPal.  nrrn  =■•'  nxi  '^ai  uinp^  vgl.  j.  Ber.  VIII,1 
(lld,Ratnerl81),  Chili.  §32;  auffäUig  ist,  daß  Sof.  XIII  Ende  für  Miürnrip^ 
eintritt,  vgl.  dazu  Müller,  185.  —  '^i2T1"  i^ms  hat  sich  auch  in  Frank- 
furt a.  M.  erhalten,  zum  Text  s.  O.  Ch.  61c  §  7  u.  8.  —  'fs  n:n  bei 
Amr.  29b  f.,  Manh.  §  5  zitiert  aus  Amr.  für  Maarib.  -m;-2  mn^tü  1:2  ni;)-!', 
was  in  keinem  Ms.  steht.  —  '^rcns"::"  bei  Saad.  Bondi  28.  ncip  nrx 
Mx.,  Fr.  das.,  Natronai  l)ei  Itt.  174  empfiehlt  nur  ^n-nxicn,  scheint  von 
ra'ip  nrx  nicht.s  zu  wissen.  —  Amr.  Ms.  beginnt  22  ist  falsch,  Ms.  O. 
(Mx.,  Fr.  das.)  beginnt  mit  ^-i2''i  wie  Abudr.  23b;  dasselbe  meint  auch 
Ascheri  zu  Schabb.  XYI,  5,  Tur  I,  268.  —  Pers.  JQR  X,  606.  —  Ganz 
•msa"'  Abudr.  das.,  nur  "ir-^rcm  Manh.  §5;  der  Schluß  lautet  Kolbo 
ni-s-c  n5<"'2i?i  rp-cx-;::  nu.-r'ss  -157.  —  V.  S.  82,  im  Gebettext  S.  143 
findet  sich  keine  Spur  mehr  davon.  —  bn;-"  na"'  (S.  111)  Amr.  25b 
(vgl.  Mx.  das.,  Fr.  II,  19);  Saad.  scheint  es  nicht  gehabt  zu  haben,  der 
Text  in  Amr.  ist  offenbar  schlecht  überliefert  vgl.  Itt.  174.  Zu- 
rückweisung s.   Ginzberg,   Geonica  II,   51,  Manh.   §  8. 

5.  Das  doppelte  ■ss'^l  hat  die  Dezisoren  in  große  \'erlegenheit 
gebracht.  Das  im  Talm.  gemeinte  ist  natürlich  das  zweite,  nur  hier 
kennt  es  Amr.  —  rrc  'pra  'x  (Amr.  i<nciip)  ii5-a  ist  b.  Schabb.  24b 
erwähnt,  Stud.  35  behandelt.  Sehr  interessant  ist,  daß  bei  Wertheimer, 
c^r-T-::  -::\n  I,  89  f.  als  Anfang  an-sx  ',;•::,  zum  Schluß  rrz^zr.  v"-  und 
r-^xn  2X  zitiert  werden. 

6.  Zu  Kiddusch  vgl.  ob.  S.  108,  JE  VII,  483  f.  u.  Berliner  I,  73  ff. 
Zur  Verwendung  des  Kidd.  in  der  Didache  Klein  a.  a.  O.  216,  Riet- 
schel  I,  248.  Text  des  Kiddusch  (für  das  Haus  bestimmt)  Amr.  26a, 
Fr.  II,  28.  —  'b'ra  n'in  Amr.  das.,  vgl.  Itt.  177,  dahinter  die  Stücke  wie 
S.  80  bei  Fr.  II,  26.  —  V.  S.  145  f.  —  Wie  in  Seph.  wünscht  es  auch 
Berliner  64.  —  rnr  "z'-pr  Ri  152  f.,   Berliner  45  f. 

§  16.  1.  Opferverse  Amr.  27a,  Fr.  II,  38.  Für  den  Sabbat  schreibt 
Amr.  ausdrücklich  vor,  daß  der  Vorbeter  mit  c-ssrn  ","2-1  (ob.  S.  91) 
beginnt.  Saadjas  Opposition  bei  Abudr.  44b.  —  Die  Vermehrung  der 
Psalmen  kam  daher,  daß  lange  vor  Beginn  des  Gottesdienstes  Leute 
zur  Synagoge  kamen  und  Ps.  sangen,  erst  beliebige,  dann  bestimmte 
vgl.  Resp.  Lyck  Nr.  87,  Itt.  248.  Die  Bräuche  waren  jedoch  verschieden, 
danach  wurde  der  Text  in  Amr.  geändert,  vgl.  27a  mit  Mx.  13  u.  Fr.  II. 
38,  47.  Auch  Ps.  92  bei  Itt.  249  scheint  einer  anderen  Quelle  zu  ent- 
stammen, vgl.  Nathan  ha  Babli  S.  83.  Seph.  hat  Ps.  122,  der  nach  Manh. 
§  22  im  Bethause  Josephs  ibn  Nagdilas  in  Granada  (ermordert  1066 1 
üblich  war.  Zu  den  in  Germ,  üblichen  Ps.  s.  Berliner  22  ff. ;  daß  Ps.  33 
außer  der  Reihenfolge  erst  hinter  Ps.  136  folgt,  erklärt  Berl.  daraus, 
daß  in  der  Pesach-Hagada  Ps.  33i — 3  hinter  Ps.  136  gesprochen  wurden, 
worauf  schon  Tos.  Pes.    118a  s.  v.   "iin"C    hingewiesen  ist,    wie  auch    die 


.\iiiiirrkiiiif,'i'ri.  531 

Drucker  dif  Nnsc  (•iiiziiiinkt'ii  iiflcgtcn.  Auffulli-iui  ist.  daU  die  lli-ilicii- 
folgo  schon  \  .  S.  (12  so  ist.  -  Kx.  Iß  wollte  Natronai  nicht  einmal  am 
Sahbat  gosf litten,  Itl.  249.  —  Zu  n^ü3  vgl.  Jawitz  S.  07  ff.,  der  jed(»ch 
in  der  Annahme  von  J'arallelen  zu  weil  geht.  JE  IX.  'Mli  f.  In  It.  folgt 
nou;:  erst  hinler  n^nu;''.  so  daß  von  einer  Zusarnniengidiorigkeit  heidcr 
nicht  gesproclien  werden  kann.  —  Petrus  als  \ Crf.  Li  lg.  ö,  Studien  74, 
Uaschi  in  \  .  S.  282.  Graelz  hat  infolge  der  Legende  die  Existenz  eines 
Taitans  Simon  h.  Kaipha  angenommen,  (ie!=:ch.  \' •,  164.  — ■  pns'' Ahudr. 
45b  u.  —  HftufuuK  VMii  Synonymen  findet  sich  allerdings  iUinlich  schon 
l'es.  X,  5.  Der  Text  liei  Amr.  27l>  ist  weil  kürzer  als  I'r.  II.  47.  demnach 
i.<l  vieles  späterer  Zusatz. 

2.  Zu  'r--  h;il  Anw.  271».  l''r.  III,  48  eine  von  di-n  Wochentagen 
abweithenile  Uesponsion  -;-2C  nan'i"',  wieder  eine  andere  Itt.  250,  der 
streng  dagegen  ist.  —  "ttc  "px  schon  Amr.  Fr.  II,  48.  Zu  den  3  Einlagen 
s.  Studien  24  f.  Rom.  liat  neben  "(inx  hn  auch  ^^2  sx.  —  Saad.  bei 
Bondi  29,  Barsilai  Itt.  250  f.,  weiter  S.  302.  —  Toledo  O.  Ch.  65a,  §3, 
Tur  I,  281,  nach  Abudr.  48b  müfilen  die  Orte  mit  rau5  "lOX  bxb  die 
Ausnahme  gewesen  sein.  — 

3.  nr"2  iT^r"!  schon  Amr.   28a.   Kr.  48.   — 

§  17.  1.  -Musaf  als  Zusalzgebet  z.  B.  b.  Meg.  22a,  wo  das  verlängerte 
Gebet  am  Fasttag  nbsn  zp'-2  heißt.  —  Zu  ~rv  ~2n  s.  Urschr.  122,  L.  Low, 
Ges.  Sehr.  IV,  252;  die  traditionelle  Erklärung,  daß  I3n  Überhaupt  be- 
deutet. l),'i  Weinberg  MS  XLl,  653  f.  ist  falsch.  —  Zeit  des  Musafg. 
Ber.  IV,  1  u.  b.  Ber.  28a,  vgl.  Mittwoch  a.  a.  O.  30  f. 

2.  Der  Berichterstatter  in  R.  ha  Seh.  31a  a*.  '-an  uz-  'z'z::  z-  gehört 
erst  dem  111.  Jhdt.  an,  jedoch  die  Nachricht  ist  all.  —  Zur  Entsli  hung  des 
Textes  der  Mu.saf  — Tef.  vgl.  Rosenthal  a.  a.O.  u.  MS  LV,  428.  —  ",i2n  ^m 
allein  genügt  nach  Raschis  Entscheidung  völlig,  Pard.  55d.  —  Varianten 
zu  rnc  r^n  bei  Saad.  Fr.  88.  Zu  tx  usw.  Manh.  §42,  O.  Gh.  65c  §  1; 
die  Worte  fehlen  schon  Seh.  L.  §  82,  Tanja  §  17,  aber  auch  bei  Amr.  29b  u. 
Fr.  II,  70. —  Genisa  vgl.  z.  B.  Bodl.  2716  p.  36b.  —  Reform  vgl.  weiter 
404,  420. 

3.  Manh.    §  44. 

§  18.  1.  b.  R.  ha  Seh.  31a  von  Jose  b.  Chalaphta  tradiert,  der 
durch  seinen  Vater  über  den  Tempelkultus  gut  unterrichtet  war.  — 
Vorträge  vgl.  Tanch.  hn^  bei  Seh.  L.  §  96,  Jalk.  Ex.  §  408  aus  Midr. 
•T^aax.  Raschi  zu  b.  Meg.  21a  s.  v.  'ps'^D'iiQ  "pxi,  G.  V.  359.  Der  Zu- 
sammenhang zwischen  diesen  Vorträgen  und  vsfxp  rinx"!  ist  Itt.  289  noch 
deutlieh  zu  erkennen;  vgl.  auch  Geonica  II,  299.  —  Prophetenvorlesung 
weiter  S.  182.  —  Port.  Synagoge  in  London  nach  Mifleilung  von  Dr. 
Isr.  Abrahams  in  Cambridge.  —  It.  vgl.  Seh.  L.  §  126.  —  Amr.  Ms.  O. 
bei  Mx.  14,  Fr.  100.  —  Begründungen  z.  B.  Manh.  §  60,  Seh.  L.  §  126 
1S-1  nr  Jes.  498,  I.   Kön.  1836  ff. 

2.    Zum  Text  von    rin    vgl.   Mx.  das.   Fr.   101.    —  Alte  Ritualien, 

34* 


532  Anmerkungen. 

z.  B.  Bodl.  2716  p.  36b.  —  Die  selt.samen  Erklärungen  und  Lesartert 
zu  diesem  Stücke  bei  Baer  262  f.,  Lewysohn  "^-np-a  55  f. 

3.  Amr.  s.  G  e  o  n  i  c  a  I,  139.  Saad.  Bondi  30,  verschiedene  Be- 
gründungen bei  Baer  265,  Fr.  11.  104.  —  V.  S.  113.  — 

§   19.     1.    Zur  Habdala    vgl.  JE  VI,   118    u.    Lewy-Festschr.   185  fL 

—  Verbot  jeglichen  Genusses  b.  Pes.  105a.  —  Zu  a-^-rtD  Riv.  Isr.  V, 
^8  ff.  —  Der  Satz  von  Amr.  (121  ob.)  bei  Mx.  15.  Fr.  II,  117;  der  Text 
ist  bei  beiden  nicht  ganz  richtig,  das  ^:-ri55<  muß  am  Schluß  der  Zeile 
hinter  ^ro.  stehen. 

2.  Text  von  Saad.  jetzt  bei  Fr.  II,  107,  danach  könnten  die  An- 
gaben noch  erweitert  werden;  auch  unmittelbar  A'or  der  Tef.  liest  man 
dort  einen  besonderen  Abschluß  hi'z  h'^^'cd  ^p-z  5N  "xs:  ^z  Fr.  das.  u.  Bondi 
30.  —  Text  der  Habdala  das. — Maßgebende  Autoritäten  vgl.  die  Kom- 
ment,  zu  Seh.  Ar.   I,   294. 

3.  Zu  Ps.  90  17  vgl.  den  Midr.  zu  Ex.  39  43.  —  V.  S.  114.—  Zu 
^?  'jn'i'i  s.  Baer  305  ff. 

4.  In  V.  S.  116  fehlt  offenbar  ein  Stück,  der  Text  hat  viel  Ähnlich- 
keit mit  It..  nur  sind  die  Bitten  reichhaltiger,  später  wurden  sie  gekürzt. 

§  20.  1.  Über  den  festlichen  Charakter  des  Neumondstages  im 
Altertum  ?.  JEXvi.  New  Moon  IX,  243  ff.  Zu  Sof.  XIX,  9  s.  Müller,  270  ff. 

—  Zentralbehörden  ergibt  sich  klar  aus  dem  Streit  zwischen  Saadja  u. 
Ben  Meir  vgl.  zuletzt  Eppenstein  in  MS  1910,  316  ff.,  452  ff.  —  Älteste 
Erwähnung  des  IIW  "^5  in  d'^x'-^  'o  §  103  u.  O.  Ch.  65b  ob.  Die  "jis^  ^rf 
von  Seph.  finden  sich  in  Amr.  33a  als  Gebet  am  Xeumondstage  nach  der 
Toravorlesung;  richtiger  Text  bei  Mx.   15. 

2.  Vgl.   Ri   150  ff.,  Abeles  a.  a.   O. 

3.  r-^x-cn  'ps^i  Tos.  Ber.  III  10  (76),  b.  das.  29b,  j.  IV,  3  (8a),  b. 
Schabb.  24a.  s<:3'ii  nbr'^  in  Sof.  XIX,  7  lautet  der  Anfang  is-inb«  't  xsfit 
nb:'%  vgl.  Müller,  269  Note  26.  —  Text  von  Pal.  MS  LV,  439. 

4.  Nach  Saad.  (Bondi  34)  besteht  sisn  darin,  daß  von  Ps.  116 
nur  vs.  12 — 14  u.  19  gesprochen  werden.  —  Rab  b.  Taan.  28b.  —  X"^";»,. 
die  Unterscheidung  von  ^^;b  dürfte,  obwohl  sie  schon  bei  Saad.  vor- 
kommen soll  (Bondi  34),  kaum  sehr  alt  sein.  —  Amr.  33a.  Fr.  II,  130, 

5.  Seit  den  Tagen  Hilleis  vgl.  Tos.  Ber.  III  a.  a.  O.,  weiter  S.  248.  — 
Zu  Pal.  s.  j.  Ber.  IX,  2  (13d),  Ginzberg,  -^-ri-i'r  253a  u.  Ratner  203;  Pes. 
rabb.,  ed.  Friedm.  la  Anm.  'n,  die  übliche  Eulogie  b.  Ber.  44a,  49a  schon 
im  Namen  Jehuda  ha  Nassis.  Zum  Text  von  3'^-rin  "^'i'X";  Berliner  I,  67.  — 
Für  Sabbat  einige  nur  dort  zu  findende  Einschaltungen  bei  V.  S.   197. 

6.  n"->  5C  -^-c  b.  Sukka  54b,   Sof.  XVIII.  1  vgl.  Müller.  250,  Note  3. 
§  21.     1.    Fasten  in   alter  Zeit  s.   Levi   in   REJ  X\.\l\.  161  ff.   (so 

ist  statt  der  Angabe  im  Text  zu  lesen),  JE  Art.  Fasting  V,  347.  Groen- 
man  A.  W.,  Het  Vasten  bij  Israel,  Leiden  1906.  —  Liturgie  um  lOOO 
weiter  zu   3.    Die  Zahl  der  Fasttage  Ri  124  ff. 

2.  Ankündigung  Amr.  bei  Mx.   17. 

3.  Die    Liturgie,  in    nachtalmudischer    Zeit    Eschkol    II.  6.    Warn- 


.\iitiii'ikiiii;(<'ii.  533 

Iiciiii  c^^sn  ra"p  lüT,  licsp.  n'<":>  nTcn  Nr.  liil,  I't'iles,  licilraKf  04. 
—  Zum  Priostersegen  an   Fasttagen  s.  oh.  S.   71. 

4,  Sof.  XVIII,  4  ff.  (Müller,  S.  250  ff.),  Amr.  44a.  Fr.  II,  268  f.  — 
Zu  S.  129  Text  von  j.  Taan.  II  vf,'l.  Clinzborg,  -nmo  174.  —  ,\mr. 
Ms.  S.  hei  .Mx.  27.  —  In  It.  kommt  für  die  Eulogie  sowohl  (|ji>  kurze 
Fassung  o'^bo"!^  nr^  wie  hei  Maim.  als  au(  h  die  ausführlichf-re  vor, 
vgl.  ().  Ch.  —  Spanien,  so  Isaak  Alhargeloni  hei  Tur  I,  557;  zu  P'rankr. 
Manli.  TTm  §26,  dagegen  V.  S.  229.  —  Klagelieder  Sof.  X\III,  4  die 
anderen  Änderungen  das.  8  u.  XIX,  1.  — ■  "iisnn  Eselik.  II,  17,  Manh. 
§28,  O.  Ch.  95d  §  16,  vgl.  Seh.  Ar.  I,  552  End.,  559  4.  —  Schilfmeerl. 
V.  S.  226;  Manh.  das.  führt  das  auf  Pal.  zurück,  und  der  Einfluü  pa- 
lästinischer Bräuche  auf  Italien  ist  auch  sonst  erwiesen  (S.  9  u.  365).  — 
Ps.  100  usw.  vgl.  It.  u.  O.  Ch.  das.  §  19.  —  bapnn  erst  hei  Ls.serl.  zu  Seh. 
Ar.  I,  5594.  —  Job  vgl.  Rom.,  Kinot  zu  hause  O.  Ch.  96a  §  20. 

§  22.  A.  1.  Ausführliche  Literatur  über  Chanukka  JE  a.  a.  O.  — 
Zur  Stelle  der  Einschaltung  von  r-nx-cn  'fr:^  vgl.  Tos.  Ber.  III,  10.  — ■ 
Der  Text  der  Einschaltung  muß  nach  den  Varianten  bei  Müller,  IXLwie 
folgt  hergestellt  werden:  ncr  p  ...  m'::^  ^"cx  '-[•^jns  nriirm  nxsE  •'0521 
nstj"?  -^'Z^h  TV^*:'.  .  .  .  13^.  Zum  Streit  über  die  Zulässigkeit  des  Das  vgl. 
Tos.  Meg.  3a  s.  v.  'nina,  Manh.  naia  §  25.  —  Acha  vgl.  Müller  z.  St.  — 
Statt  iioQoa.  lies  tL(f(ioaivrjs.  Auch  das  'nTTi  on''3\anb  entspricht  I  Mk. 
14  9  vgl.  G.  V.  6  Anm.  bb.  u.  zum  Text  Riv.  Isr.  IV,  102. 

2.  'nn  rx  -=:•=  Sof.  XX,  9. 

3.  Zum  Text  der  Bened.  vgl.  D'^^BID  "^pinpi  zu  Schabb.  23a,  Tos. 
Sukka  46a  s.  v.  n-a'wn.  —  nia  ns^a  von  Mordechai,  nach  Litg.  486  b. 
Isaak;  das.  580  wird  es  vor  1250  angesetzt.  Zum  Text  von  rn"ttn  u.  rria 
Baer  440. 

B.  1.  Zu  Purim  vgl.  die  Literatur  JE  a  a.  O.  —  die  Estherfasten 
auch  Sof.  XVII,  4  ob.  S.  79. 

2.  "psnn  Amr.  37b,  Fr.  II,  184;  dagegen  Manh.  §23,  Tos.  Meg.  5b 
s.  v.  D'^-noxa. 

3.  Die  ganze  Art,  wie  der  Traktat  Meg.  eingeleitet  wird  (ns<ip3  nbyz), 
wo  nsw  schon  als  die  allgemein  bekannte  Bezeichnung  für  Esther  an- 
gewendet ist,  die  kasuistische  Unterscheidung  zwischen  befestigten  und 
offenen  Städten  und  die  technischen  Ausdrücke  dafür  weisen  auf  ein 
hohes  Alter  der  Einrichtung  hin;  über  die  Vorlesung  selbst  weiter  S.  184. 
— ^Die  Benediktionen  als  neu  zuerst  z.  Z.  R.  Aschis  (um  400)  vorgetragen; 
ob  die  dritte,  '{QI,  auch  am  Morgen  wiederholt  werden  sollte,  s.  V.  218, 
Maim.  roi,'^  'n  I,  3.  Die  Bened.  isn-in  'x  a^n  Meg.  das.  aus  derselben^Zeit, 
yan  "n-«  unabhängig  davon  von  Raba  das.  7b  zitiert;  beides  zusammen 
bei  Amr.  36b,  vgl.  Mx.  18  f.  Fr.  II,  179.  Erweiterung  mit  x-'sn  -iirx  zuerst 
im  Namen  Raschis  bei  Seh.  L.  §  200;  V.  S.  214  heißt  das  Stück  taPB 
n^rrsrt  nc:2  ■'rrx  TD^^,  Zunz  versetzt  es  in  die  Zeit  der  ältesten  Er- 
weiterungen Litg.  15.  —  Gemeinsame  Rezitation  einiger  Verse  bei  Amr. 
Mx.  18,  Fr.  II.  179,  wo  auch  auf  V.  S.  210,  Hag.  Maim.  zu  nss^  'n  ver- 


534  Anmerkungen. 

wiesen  ist.    Anfänge  von  Unterbrechung  schon  j.   Meg.   I,  5,  lärmende 
Störungen  Seh.  L.  §  200,  Abrahams  a.  a.  O. 

C.  §  23.  1.  In  Amr.  Ms.  bei  Mx.  23  iit\s*Xi  yc  ^"Z"^  n-c^  s'c;  'sr,  "icr  — 
Die  Ausnahme  am  Musaf  n"-i  weiter  S.  141  ff.  —  Die  Namen  der  Feste 
sind  nur  angeführt,  soweit  sie  in  den  liturgischen  Quellen  vorkommen.  — 
Zwei  Feiertage  z.  B.  b.  Meg.  31a,  Beza  6a,  j.  Er.  III  Ende.  —  Sabbat  — 
tef.  ob.  S.  110.  —  Gleichlautende  Tef.  Sof.  XIX,  3.  —  Kontroverse  Tos. 
Ber.  III,  13  (Tisff.).  Die  Einzelheiten  der  Tef.  für  die  Festtage  sind 
MS  LV,  436  ff.,  586  ff.  eingehend  erörtert,  alle  Quellenbelege  zu  2—4 
sind  dort  zu  finden. 

5.  In  mnD  tinx  verdient  nicht  nur  der  Stil,  sondern  auch  der  die 
Offenbarung  als  Zweck  der  Auserwählung  angebende  Inhalt  —  vgl.  die 
Anknüpfung  an  Lev.  185  —  den  Vorzug  vor  irriT;::  nrx.  —  Amr.  37b.  — 
Is.  ihn  Gajjat  nn^u:  "^"r'w  II,  7.  —  Gottesreich  in  Pal.  vgl.  Judaica, 
S.  670.  —  Zum  Text  von  -ix-^irm  s.  Ratner  203. 

6.  '-jin  i;s^  Amr.  42a,  V.  S.  300.  —  Zu  den  Opferversen  berief 
man  sich  auf  Rabs  Wort  i-omh  'r,s  "^minsi  'nxu:  "iiiis  (b.  R.  ha  Seh.  35a), 
das  sich  allerdings  auf  die  Verse  für  das  Musaf  des  Neujahrs  (S.  142) 
bezieht,  vgl.  die  Komm.  das.  Nach  dem  Gaon  Sar  Schalom  wurden 
die  Verse  nicht  rezitiert,  nach  Natronai  u.  Saad.  ja;  Amr.  stellt  es  frei, 
s.  Mx.  27,  Fr.  II,  259;  'nrc  ^""-c:  II,  26,  Geonica  II,  112—119,  r-p'CE  'rsn 
S.  31.    Raschi  s.  V.  S.  438  f. 

7.  Die  Baraita  auch  b.  Beza  17a;  Raschi  z.  St.  zitiert  nn-;-:-  c"  rx, 
hingegen  V.  S.  299  ebenfalls  n':-sn. 

8.  Zum  Text  von  ^rr-Tr,-?  s.  c— ro  '-^-  I,  181. 

9.  'iran  in  Span.,  ursprünglich  nur  in  Sevilla  u.  Toledo,  vgl.  Abudr. 
40a.  ■ —  Die  Verse  sind  bei  Amr.  37b  noch  nicht  vorhanden,  auch  ihre 
Verschiedenheit  weist  auf  spätere  Einführung  hin.  —  \'.  S.  142.  — 
Zu  dem  erweiterten  Kiddusch  für  Pesach,  den  Itt.  sogar  ""N-p  ^"T  nennt 
(S.  288),  vgl.  Bondi  32;  die  von  Saadja  gestattete  Erweiterung  hat 
Yem.  heute  noch.  Vgl.  dazu  JQR  XW,  591  ff.  —  Zu  den  Psalmen  ist 
Sof.  XVIII,  2  -iiai-)  "^1^2  X"-  r.DS  b-o  'stcxnn  D"-s^r  xsx  usw.  zu  be- 
achten und  danach  Sof.  XVII,  11  zu  erklären,  womit  Müllers  Bemerkung 
S.  252  hinfällig  wird.  —  Die  Psalmen  bei  Amr.  41b,  vgl.  dazu  Mx.  25, 
Fr.  II,  226.  —  Hallel  (S.  137)  Tos.  Sukka  III.  2  (19523).  —  Megillot  vgl. 
Manh.  snri  'n  §  57  f.  —  Psalm  im  Tempel  b.  Sukka  55a. 

10.  Zu  den  Abweichungen  für  die  Mittelfeiertage  vgl.  MS  LV,  441 
TTrm\a  "i^crir  II,  7. 

11.  a)  Die  in  den  Gebeten  üblichen  Bezeichnungen  der  Feste, 
finden  sich  schon  bei  Amr.  In  Pal.  und  Sof.  ist  das  'r~n'|i2'r  usw. 
ebenso  wie  das  '^s^  riX"':^''?  "•"  unbekannt,  hingegen  ist  der  Zweck  der 
Feste  genannt  in  den  Worten  u:ip  "'K'^piasT  ila  wb  nniscb.  Saad.  bei 
Fr.  II,  199.  —  Ps.  135/36  als  Hallel,  Ps.  107  wegen  vs.  2.  —  Keine 
c"'?:s<  ns^2  V.  S.  280  nach  n^-irtj  nwi;  des  R.  Nissim,  Manh.  §  52.  — 
Seder   in    Synagoge    n'''''2Ni ,    wo    als    Quelle    nniurrs  TiXS'U   angegeben 


AiiiiM'ikuiii;cn.  535 

ist.   ^       llallfl    in    l'dlni    v^d.  da/.u  ."^rli.   Ar.  I,   4S7.     Iji-h'   ii.    di.'  K.miiiii. 

—  Ilallcl  iiacli  <l('ii  tTsli'ii  2  'l'.i^'cn  ;  weder  aus  Ariir.  iKicIi  ans  \'.  t-r^iltl. 
sich  Miil  Klarlicil.  (di  an  iiiiicn  ndcli  Ilallcl  ^(  sa^'l  wurde,  in  s|ifUcrcn 
(.Quellen  wird  es  iilierall  mit  r'rn  V(irans',M'selzl.  -  M.  Lciiia  \.  S.  :}(»4.  — 
Tangel.et    w^  iler  S.    JI4  I. 

h)    l's.    (uS    in    der    ila^ada    anf   di,-    Offenl.arun^'   ^^.-d.iilel.  l!ut 

\.   S.   ;N4. 

c)  l's.  7«)  we;,M'ii  vs.  :5.  Im  'ralniiid  isl  V(in  den  l's.  iniiner  mir  der 
Anfanfj  genannt,  wo  sie  ciKielen.  isl  nicht  klai-.  l  in/.üfje  Sukka  I\',  5. 
r)i  n  Nanieii  nr"  n:r"i"*n  kennt  \'.  noch  nicht,  hingegen  hereils  .Manli. 
51"rx 'n  §38.  - —  hie  älteste  Beschreilaing  des  Festes  in  einem  Zusatz,  zu 
Midr.  Seh.  T.  /.u  Ps.  172  (128  f.),  ilie  zugehörigen  (lesjuige  weiter  S.  219  ff. 

-  \'.  S.  444,  Manli.  das.  —  Versöhnungstag  \{\  !)4  f.,  S.  D.  Luzzatto 
nr^pn  5:- r,-:-  S.  5  f..  IVrliner,  nan<ll..  II,  2")  ff.  —  MIncha  Hai.  Ced. 
Ö.  173.  —  .\.  Jahrii.  s.  Buih  d.  Frommen,  ed.  Berlin,  §630,  Ilarkavy, 
Studien  u.   .Mitt(ilg.   \  ,  215,   Epstein  in  MSXIAII.   1903,  342  f. 

d)  b;- "^r-ca  usw.  b.  Iv.  ha  Seh.  41)  u.  ö.  —  Zu  Sof.  \I\.  2  vgl. 
Müller  S.  2(>2  f.  —  Die  Verse  u.  die  Eidogie  MS  L\  ,  438  ff.  —  Kohelet 
V.  S.  446.  —  niin  s-r^c  Taan.  1,  1,  Ankündigung  Alnidr.  SIb.  —  oira 
weiter  S.  214  f.  —  n-.-in  rn-^r  iieißl  im  Kommentar  des  Sal.  b.  ha  Jatom 
(XII.  Jhdt.),  ed.  Chajes,  S.  llö  n:-i-n  rxr,  den  bekannten  N'amen  führt 
es  zuerst  liei   ihn   <''aiiat    118,    Pard.   45b. 

§  24.  A.  1.  Zum  Ursprung  des  Neujahisfesles  vgl.  JE  IX.  •2i'>4, 
Benzinger,  Hebr.  Archäologie^  S.  400,  Krauß,  Talm.  Archäologie  II.  417. 
720,  D.  Iloffmann,  Das  Buch  Leviticus  242  ff.  B.  Jacob,  der  Pentateuch 
365  ff.,  Eerdmans,  Alttestam.  Studien  IV,  68  und  die  dort  verzeichnete 
Literatur.  —  Zweitägig:.'  Dauer  R.  ha  Seh.  IV,  4.  —  Pal.  MS  LV,  434. 

2.  Zweimaliges  Schofarblasen  b.  R.  ha  Seh.  16a;  die  Begründung 
R.  Abbahus  pcn  rx  ^^"rs  ■'"  ist  für  den  Panbabylonismus  ein  wichtiges 
wissenschaftliches  Argument  geworden  vgl.  Eerdmans  in  T  h  e  o  1. 
T  i  j  d  s  c  h  r  i  f  t  ,   XXXMII,   1904,  20. 

3.  Idee  des  Gottesreiches  vgl.  Judaica  S.  672  ff.  —  Xördl..  südl. 
Palästina  vgl.,  R.  ha  Seh.  IV,  5  u.  Tos.  IV.  5  (2122i).  ferner  j.  das. 
IV,  6  (59c)  •'•r:  p  ',:nr  '-i2  b'^bsii  nz'^v  '-r  ■;-:  nTrs'^:  usw.  —  c""n  nw'Tp 
und  n':""i27  zu  vereinigen  empfiehlt  Simon  b.  Ganiliel  j.  das.  b.  32a.  — 
O.  Ch.  99a  §  1  ist  die  auch  von  Landshut h  angenommene  Ansicht  ver- 
treten, daß  die  3  Stücke  mit  pni  eine  kurze  Zusammenfassung  der 
r"-3"c  niSTST  riiirij-c  bilden.  Das  ist  jedoch  nicht  richtig,  der  Inhalt  der 
''.•"Z"!  ist  schwer,  der  der  's'^ü  gar  nicht  darin  wiederzufinden;  wohl 
aber  stimmt  das  ganze  Stück  mit  den  r*""'?-;  überein,  in  ^■^•zr'  ist 
die  Zusammengehörigkeit  wieder  ganz  deutlich.  Der  Gedankengang 
von  ^^trs  "r  '-l'  findet  sich  bereits  Sir.  362  ff.,  worauf  F.  Perles  in 
OLZ  1902,  S.  493  hingewiesen  hat.  —  Zu  "s-n  T^n^x  vgl.  Riv.  Isr.  IV,  189, 
MS  LV,  595. 

4.  Die   für    'C"'^    verwendbaren   \'erse   Tos.    R.    ha   Seh.    IV,  6 — 8 


Ö36  Anmerkungen. 

{21224  ff.),  b.  32  b,  j.  IV,  7. —  Je  3  Verse,  wie  Pal.  auch  an  anderen  Festen 
hat,  vgl.  ob.  zu  S.  134  u.  —  Für  ':i-:t  haben  die  anderen  Riten  noch 
Ex.  65  (Seph.)  Ps.  lOSs  (It.  Rom.)  —  Pal.  MS  LV,  595  f.  Tannaiten 
der  Restaurationszeit  R.  Jose  u.  R.  Jehuda  R.  ha  Seh.  das. 

5.  'rbr  wurde  von  Josua  hergeleitet,  was  noch  Fr.  I,  39  verteidigt. 
Ygl.  mehr  hierüber  bei  Bloch,  M.  n-:prn  n".-n  ^"r  I,  42,  JE  I,  336. 
Zum  Text  vom  ^r?r  s.  oben  S.  80  f.  —  Rabs  Tätigkeit  für  den  Gottes- 
dienst s.  S.  267  f.  — ■  ^'ST2  ob.  134  f.  —  Zur  Kritik  von  -51t  rrrftt  u.rrb;:  nnx 
die  zit.  Kohler-Festschrift  S.  75.  Zu  beachten  ist.  daß  mit  nnrr  ""^^ 
ein  Satz  vom  Anfang  wörtlich  aufgenommen  ist,  wie  es  am  Ende 
der  Gebetstücke  zu  geschehen  pflegt  (s.  ob.  S.  5  u.  19),  daß  ferner  der 
angeführte  Vers  Lev.  2645  sich  auf  alle  Patriarchen,  nicht  lediglich 
auf  Abraham  bezieht.  N-'^"  nsri  ob.  S.  57.  —  rrcr:  cur";  ohne  Erwähnung 
der  Opfer  bei  Amr.  (Fr.  II,  306),  Saad.  (das.  290),  V.  S.  ä72,  älteren 
Drucken  bei  Baer  404.  —  Eulogie  tiiri-n  raia  bei  Saad.  (Fr.  das.),  It.  in 
Seh.  L.  p.   137a. 

6.  Vgl.  b.  R.  ha  Seh.  Ende,  ibn  Gajjat  I,  28  f.,  V.  S.  352  ff.,  Sidd. 
Raschi  S.  78,  Ascheri  zu  n"n  IV,  14  g.  E.,  Seh.  L.  §  290,  S.  136a  f. 

7.  Der  Text  von  Er.  III,  Ende  ist  nach  ed.  Lowe,  S.  41a  zitiert. 
In  den  anderen  Texten  fehlt  das  zweite  ainn,  Rabbinovicz  z.St.  verzeichnet 
keine  Variante.  —  Babjd.  Amoräer  Rabba  vor  R.  Huna  b.  das.  40a.  — 
Pal.  Ascheri  das.  IV,  14  zitiert  aus  Talm.  jer.  ■'-f^nx?  'nri-zbrh  "ipfi  r-: 
annnnsirb  ■•^^■■cr,  die  Stelle  kommt  jedoch  nirgends  vor.  —  Eulogie 
von  Pal.  MS  LV,  437  f.  Text  von  Sof.  nach  V.  S.  360  (MS.  das.  430.)  — 
Deutschland  u.  Frkr.  V.  S.  357  ff.,  Sidd.  Raschi  76;  Italien  Ar.  s.  v.  atn  I, 
Seh.  L.  §  290.  Jak.  Tam,  Resp.  ed.  Rosenthal,  Xr.43— 46.  Tos.  Erub.  40a 
s.  V.  "p-CT,  Beza  16a  s.  v.  "nT-x,  R.  ha  Seh.  8b  s.  v.  n"innr,  35a  s.  v.    x^"^^. 

8.  Über  i-x-^'i-n-  s.  V.  S.  360  f.  u.  die  Noten  sowie  MS  XLVII,  1903, 
S.  344  f.  —  Zum  Weglassen  von  'nr-  V.  S.  361  §  322  Ende.  —  Gerichts- 
tag schon  b.   R.  ha  Seh.  32b. 

9.  Vgl.  §  8  S.  43,  45  f.  Pal.  MS  LV,  441,  595:  lan^T  usw.  oben 
S.  43.  45,  58  f.  —  S.  147.  Amr.  44b  (Fr.  II,  293).  —  V.  S.  384.  —  Hai 
bei  ibn  Gajjat  I,  45. 

10.  Saad.  bei  Bondi  36  (Fr.  II,  288),  vgl.  Amr.  45;«,  Manh.  n"-  §  5. 

11.  Ps.  47  wird  in  Germ,  noch  heute  vor  dem  Schofarblasen  ge- 
sprochen; Ps.  81  wegen  des  Anfangs,  Ps.  29  wegen  des  wiederholten 
Vp.  —  Der  verschiedene  Umfang  von  'rsn  ":"2X  Ri  118.  —  Die  Mär- 
tyrer sind  in  keiner  alten  Ausg.  von  Germ,  erwähnt,  wahrscheinlich  erst 
nach  1648  aufgenommen  worden,  vgl.  auch  Baer  S.  111.  —  Nicht  in 
Seph.  Manh.  §  7.  —  i:s"cxn  wert  über  die  verschiedenen  Fassungen 
s.  Ri  141  f.  —  Fasten  ibn  Gajjat  43  f.  Manh.  §  1.  —  Manh.  §  3  "pVssr- 
rr^-=s  —  Selichot  Amr.  II,  22  ff.,  Manh.  §  25,  O.  Gh.  §  1.  — 

12.  Einschaltungen  ob.  §  8,  S.  43  ff.,  50,  57  f.  —  Selichot  Amr.  47b, 
1.  Elul  Manh.  §  25,  Hai  bei  Abudr.  70c,  vgl.  Ri  122.  Da  nicht  mehr  des 
Nachts  gebetet  wird,   wurden   sogar  einige   Stellen  geändert   Berliner, 


Aiiiin'i'Uiiiic^'cii.  537 

l;aiidl).    11,  1*4.  S(  lioiaibhisrii    1    Khil   in    l'iaiikr.    Maiili.    §   24.     über 

Ps.  27  in  (u«nn.  Borliiicr  I,  2(). 

B.  1.  CIkt  dir  ICntw  i(  kliiii^'  dir  Liliir|,'ic  des  XcrsölmiiiiRslagcs  s. 
Stud.  49  ff.   r)4  ff. 

2.  TT  da.s.  öf).  di.'  Formel  Sifra  «Od,  .h.iiia  III,  H  j.  das.  (40d), 
1).  3üli,  v^d.  dazu  Müller  J.,  Hesp.  ().  u.  VV.  Nr.  144.  N::nn  nx  ::'i'nB3  ']''"!3- 
Tos.  \',  14.  —  Ainoräer:  Kalt,  Samuel,  l.evi,  H.  .!<)(  Iiaiian,  H.  Jeliuda  u. 
H.  ilamnuna.  '-;-'3E3  N2n  zuerst  in  H.  ().  154,  158  u.  Amr.  47a  (Fr.  II,  339), 
Baer4I4r.  über  die  Abfassuiipszeit  weiter  S.  274. — Zu  "ano  vgl.  Dan.  9ii, 
lli  33-.'7,  Neil.  933.  — ■  j.  Joma  äliidieli  Lev.  r.  III,  3.  — x::n  hv  bei  Amr.  48a, 
bei  Fr.  341  sehr  vermelirt,  offenitar  (duie  Stütze  durch  die  Handschriften. 
Nach  Or.  Sar.  II,  ij  2S1  liat  in  Amr.  auch  schon  das  alphab.  xan  ^5 
gestanden,  jedoch  wurde  nicht  bei  jedem  Gebet  derselbe  Text  verwendet. 
Wahrscheinlich  hatte  er  denselben  Text,  den  wir  bei  V.  S.  391  finden; 
zum  Text  von  Germ.  s.  Baer  417  ff.  —  033  3?i  schon  bei  V.  das.,  in  den 
Gebetbüchern  sind  Text  und  Anwendung  sehr  schwankend,  was  auf 
uroßt-  Jugend  hinweist,  vgl.  Baer  418.  — -  x::it  rTi  u.  xn")  Siddur 
IJasciii  96.  —  Eulogie  vgl.  b.  Joma  87  b  "»nTQ  nnim  usw.  Saad.  bei 
Alnidr.  77b;  Saad.  Text  bei  Fr.  331.  —  Unterschied  zwischen  Vorbeter 
und  Gemeinde  b.  das. 

3.  '^nns  "n  pai  schon  bei  Amr.,  ni)wohl  es  zu  den  r~"5'2  gehört, 
die  nur  am  n"-i  üblich  sind,  ob.  S.  141  f.  Ein  seltsames  pal.  Fragment, 
das  die  ganzen  nrrs^  und  das  Sündenbekenntnis  enthält,  MSLV,  595ff.  — 
Pal.  MS  L\',  443.  —  Amr.  47a,  nur  D'^-nesn  ni-^  bei  Mx.  34,  Fr.  II,  344 
so  auch  Saad.  das.  328;  auch  die  Eulogie  ist  bei  Fr.  das.  etwas  kürzer.  — • 
irx-'cm  muß  in  alter  Zeit  einmal  üblich  gewesen  sein  (vielleicht  nur 
in  Pal.?),  findet  sich  aber  jetzt  in  keinem  Gebetbuche,  vgl.  die  Erörterung 
V.  S.  360  f.,  Manh.  "-33  üia  §  57,  was  n"n  §  2  widerspricht.  —  Zu  yh-o 
vgl.  Amr.  47a  (Fr.  344),  ibn  Gajj.  I,  61,  Manh.  §  57  auch  über  X^-n  nbs^; 
nach  Mx.  35  haben  die  Hss.  von  Amr.  zu  Musaf  den  Zusatz  c-c-x  'jr 
^13^.  —  Zu  hrarr  ns"  vgl.  ob.  S.   111. 

4.  Ps.  103  u.  130  wegen  |ihrer  Zuversicht  auf  die  Sündenvergebung. — 
Die  Zusatzpsalmen  bei  Mx.  34,  Fr.  346  f.,  auch  in  It.  u.  Seph. 

5.  Neda  weiter  S.  237.  —  Alte  Auffassung  schon  j.  Joma  \III,  8 
(45c);  die  Änderungen  schon  bei  Amr.  —  In  H.  G.  158  schließt  T^  -p'i  nnx 
unmittelbar  an  rn^^  nrx  an.  Auch  Saad.  (Fr.  356)  hat  nicht  -p'a  nnx.  Eine 
Besprechung  des  Inhalts  Kohler-Festschr.,  S.  75.  —  "noT  nrnnp  schon 
Amr.  48b;  nach  Abudr.  78a  jedoch  vor  Mincha. 

6.  Selichot  weiter  S.  222  ff.,  Aboda  S.  216  f.,  277. 

7.  Die  sehr  umfangreiche  Literatur  zu  i-n:  p:  in  JEWl,  539  ff 
Protestantische  Real-Enzyklop.  X,  649  ff.  —  Der  erste  Gaon,  der  Kol 
Nidre  erwähnt,  ist  Natronai  bei  Amr.  47a  Fr.  II,  342,  ibn  Gajj.  I,  60; 
die  Gegnerschaft  das.,  zur  Herstellung  der  Texte  ist  O.  Gh.  105d  ff. 
heranzuziehen.  —  Jak.  Tam.  schlägt  die  Änderung  im  Namen  seines 
Vaters  vor  in  seinem  -r-n  'c  §  144.   —   Die  Melodien  y£  VII,  542  ff.   — 


538  Anmerkungen. 

'TCZ  2-  in  Geigers  Breslauer  Gebetbuch  1854,  Ps.  130  im  Berliner 
Gebetbuch  u.  Union  Prayer-Book.  —  Zu  rh^-o  bi:  nn-^a^a  in  O.  Ch.  106b, 
vgl.   dazu   Ri   96. 

Ka  p.  III. 

§  25.  1.  Die  Toravorlesung  in  der  Gegenwart  G.  V.  3  ff..  JEWl, 
648.  —  ü'-'-v  'Z"X  in  Rom.  —  Die  Zahl  der  Vorlesenden  Meg.  I\',  1 — 3.  — 
Das  Zitat  aus  Heines  Jehuda  b.  Halevy.  —  Segen  weiter  S.  171.  —  Aus- 
heben usw.  S.   173,   198  ff. 

2.  Moses  s.  Meg.  111  Ende  -n-r  'r'^*;  (Lev.  2343)'-  'X'^*:  rx  n">r^  -r-~ 
•:z--  nrx-  irx  ==  r~T'  Sifra  z.  SL  (103b)  onb  '-^-x  nii"::  n^n-r  -,-zz-z 
:-2  -^-'n  r-ar::  r'^ar'n  nc£=  ncs  r-rbn  rx-ir^s.  Sifre  Dt.  §  127  zu  16i  (lOOlj) 
IS  -pu;"iTn  (seil,  '-iriis)  '"rrs  '-rri'  rrn-j  ■p^.-'n:  nn  nc^  ^.isx,  b.  Meg.  32  a  -"n 
r;DES  ncs  nrbn  e"'  br  ":-:rr  •■■r — ;■  """rx-r  '-'■::  '-::••>  rnb  -ipn  n-r-s  usw.,  j. 
:Meg.  IV,  1  (75a)  n-rrj  =-;-z-  n-rrrr  n-rz  -,—■ ip  -n-u;  sx-ur-^  rx  -rprn  nr-2 
nr-;  -:t"  ':-  S'-o  ba  ibinm  c^cin  -rx'im.  —  Esra  das.  ss-c-b  'ppnn  n-.rr 
nn:^3  '-':;::i  -r^-cnsi  '^tc'z  n"nra  'p"ftp  ini^r,  vgl.  b.  B.  K.  82a.  —  Propheten 
s.  Mechilta  zu  Ex.  1522  (45a)   nTra  'i'T.p  'm^xä  üispTrr  c'^x'^nin  ünb  irprrr 

3.  Esra  vgl.  JE  V,  321  u.  die  dort  angef.  Literatur.  —  Samaritaner 
vgl.  A.  Geiger  in  ZDMG  XX,  540  ff.  =  Nachgel.  Schriften  111,293, 
Büchler  425.  —  Mischna  Meg.  111,7,  8  heißt  es  . . .  ni-isi^sn  niTü'nBrj  'piip  nos:: 
snn  ni^ii  bs  '-xct  .  .  .  sn  bü  ■pu:X"!ri  -i::  ürn,  erst  Tos.  Meg.  IVs  setzt  hinzu 
nosn  r'^T^"' bs -iNüi.  —  Joma  VIIi  — rr:  "^x"  ttc  "inx  snpi  d.  h.  Lev.  16i 
u.  2327.  —  Neujahr  nur  Meg.  III,  7.  —  Die  4  Sabbate  JE  IX,  523  f.. 
Büchlers  Ansetzung  von  C'^bpir  gegen  die  Sadduzäer,  ",':t  gegen  die 
Hellenisten  S.  426  ff.  ist  nicht  genügend  bewiesen.  —  "r'ip  inp-o  als 
heilige  Vorlesung  bei  Friedmann  S.  100,  wo  auch  x-pia  x^ 
Jes.  Ii3  so  erklärt  wird.  —  Zu  Montag  u.  Donnerstag  s.  ob.  S.  76  f. 
u.  Tos.  Taan.  II,  4.  —  Für  Chanukka  usw.  wird  nicht  einmal  eine 
Anlehnung  an  die  Tradition  versucht.  Die  Tos.  erwähnt  diese  Tage 
nicht,  weil  zu  den  Bestimmungen  der  Mischna  nichts  hinzuzufügen  war; 
daraus  ist  nicht  mit  Büchler  S.  455  zu  folgern,  daß  sie  die  Vorlesungen 
nicht  kannte.  —  S.  159  "^sb-i-a  '"x  Meg.  IV,  5,  b.  24a,  Friedmann  S.  101  f.: 
andere  Bestimmungen  weiter  S.  175.  Prophetenkanon  vgl.  JE  III,  146 
um  300,  fast  ein  Jahrhundert  später  nach  Cornill,  Einleitung.  VI.  Aufl.. 
S.  282.  —  Entstehung  der  LXX  um  250  vgl.  Schürer  III,  426.  —  Zu 
livuyivojaxovTicg  vgl.  JQR  XIX,  288.  —  Philo  bei  Eusebius  Präp. 
ev.  VIII,  7.  —  Josephus,  Ap.  II,  17.  —  Evang.  z.  B.  Luk.  4i6. 

4.  Neujahr  Lev.  2323  —  25,  ti^t  Deut.  25it — 19.  Wenige  Verse,  eine 
Baraita  (b.  Meg.  21b)  lautet  nossn  r'^rn  c^p'Ds  '"2  •^r.r.'z  ■■'n;  später 
wurde  das  auf  die  Vorlesungen  an  den  Wochentagen  bezogen, 
aber  an  der  Quelle  ist  keinerlei  Einschränkung  angegeben.  Wie  sehr 
häufig  bei  solchen  Verboten  muß  auch  hier  angenommen  werden,  daß 
in  alter  Zeit  einmal  weniger  als  10  ^'erse  gelesen  wurden,  vgl.  j.  Meg.  IV.  2 


AiiiiiiiUiiiigi'ii.  o39 

(75a),  Taaii.  1  \  .  :{  (()Hl.|.  I'rifdiiiaiiii  S.  lOü. — 21  7  ^  :<  Xerst- li.  .Mi^.  2:}a. 
—  Das  Zitat  (160  ••!•.)  aus  j.  Mc^r.  I\,  5  (75b).  —  R.  Meirs.  Tos.  Mo^.  IV,  10, 
I).  311);  v^l.  Sof.  X.  4,  wo  mir  ikkIi  dii-  Ansicht  H.  Jchinlas  iiiilf^'clt'iil  ist. 
Die  Borccliiumtf  hei  Ffit>diuaiiii  100.  'I'os.  .Mc^'.  I\',  IK  r"C2  •r~""C^  TX 
n~i"rn  r'C::  .~SDn.  —  t  bilden  3  jjUiri^cn  Zyklus  im  .Midrasrh  vgl.  bi'soiidiTS 
Tlu'udur  a.  a.  O.  —  Massoia  (\.  \.  '.\^.  Krifduuiiin  202  ff.  —  Das  Ver- 
zeichnis der  Sedariiu  in  der  II.  Üalibin.  Uibel,  Venedij?  1523,  'XSTn  r~2nia 
bei  Ihn  Sappir  II,  22S»  ff.  u.  .luurn.  Asialique  1870,  .\r.  (i,  Kinfer, 
B^s'-rrn'  ri—rn  r— o'a  S.  :Ji»,  Büchler  431.  —  Midrasch  155  n:p  Esth. 
rab.  Anf^.  —  Die  Babylonier  erwähnen  nirgends  ausdrücklich  den  ein- 
jährigen Zyklus,  aber  nach  dem  Oange  der  Diskussion  in  b.  Meg.  29b 
muß  er  vorausgesetzt  werden.  —  54  Paraschen  G.  V.  4,  Friedmann  261.  — 
Benjamin  r"rD"2,  ed.  Asher,  98,  Maim.  nisn 'n  XllI,  1.  .\braham  M. 
bei  Büchler  8.  421. — Sambari  in  Med.  Jevv.  Chroii.  1.  Ils.  Kabbiner- 
vers.  vgl.  Protokolle  und  .Vktenstücke  S.  127;  eine  Einteilung  dazu  schlug 
unter  Berücksichtigung  der  Massora  Herzfeld  das.  320  f.  vor.  Auf  die 
Tabelle  im  Gebetbuch  des  Tempels  verweist  Salomon  das.  65,  eine  andere 
gab  A.  Geiger  in  seinem  1854  veröffentlichten  Gebetbuche.  —  Geiger 
beantragte  in  P'kft.,  den  einjähr.  Zyklus  beizubehalten,  aber  am  Sabb 
nachmittag  anzufangen  und  fortlaufend  zu  lesen  (Protok.  S.  125),  das 
wurde  fast  einmütig  abgelehnt;  nach  seinem  ?^)rtgang  wurde  das  in 
Breslau  eingeführt,  aber  mit  der  im  Text  angegebenen  Änderung,  daß 
mit  der  neuen  Parascha  am  Sabbatmorgen  angefangen  wird;  der  andre 
Modus  u.  a.  in  Berlin,  stets  die  ersten  Verse  der  Sidia  in  München.  — 
In  Amerika  sind,  wie  Dr.  Rosenau  in  Baltimore  mir  freundlich  mitteilt, 
die  Bräuche  sehr  verschieden,  die  im  Inion  Prayer-Book  mitgeteilt  • 
Auswahl  wird  keineswegs  überall  verwendet.  —  3V2  jähr.  Zykl.  G.  V.  3  f 
Chili.  Nr.  48,  S.  42.  Agada  j.  Schabb.  XVI.  1  (15c)  vgl.  Friedmann  170  ff. 
die  richtige  Erklärung.  —  Chanina  Lev.  r.  III,  «5.  Esth.  r.  111.  0  steht 
dafür  xnx  '-"  ni-s  xr:n  '1.  Chanina  I).  Acha  lebte  erst  im  1\  .  .lahrh. 
(Bacher,  Agada  d.  pal.  Amr.  III,  680^,  Proömien  84).  Der  in  Frage 
kommende  Vers  kann  nur  Lev.  3io  .sein,  da  mit  3»  eine  Perikope  nicht 
beginnen  dürfte. 

5.  Xuni.  28i  ff.  kann  nach  b.  Meg.  2!)ii  mit  c-rp-r  zusammenfallen, 
demnach  muß  es  im  Frühjahr  gelesen  werden;  da  es  zum  dritten  Jahres- 
zyklus gehört,  der  nach  Zunz  mit  Xum.  10,  nach  Büchler  mit  Num.  622  be- 
ginnt, läßt  eine  solche  Möglichkeit  sich  nur  dann  vorstellen,  wenn  der 
Zyklus  im  Herbst  begonnen  hat.  Damit  ist  Büchlns  Theorie  eine  der 
wesentlichsten  Stützen  entzogen,  denn  ihr  Ausgangspunkt  ist  der  Beginn 
des  Zyklus  am  1  Nisan  (a.  a.  O.  432  ff.).  Die  Verteilung  der  Sedarim  auf 
die  einzelnen  Sabbate  und  Feste  wird  von  B.  mit  der  traditionellen  Chrono- 
logie in  Übereinstimmung  gebracht,  deren  Angaben  nicht  willkürlich, 
sondern  daraus  entnommen  seien,  daß  die  betr.  Erzählungen  an  den  ent- 
sprechenden Daten  vorgelesen  wurden.  Dann  ergibt  sich  jedoch  die 
Schwierigkeit,    daß  die  Ableitungen  jedesmal   nur  in   demjenigen   Jahre 


540  Anmerkungen. 

des  Zyklus  gemacht  sein  können,  in  dem  die  Partie  vorgelesen  wurde, 
d.  h.  die  Chronologie  der  Sintflut  im  ersten,  die  des  Auszugs  aus  Ägypten 
im  zweiten,  des  Todes  Mosis  im  dritten  Jahre.  Es  wäre  jedoch  seltsam, 
wenn  das  ohne  Widerspruch  hingenommen  worden  wäre,  zumal  nicht 
immer  die  Meinung  ein  und  derselben  Autorität  befolgt  wurde,  bei  der 
Sintflut  z.  B.  richtete  man  sich  nach  R.  Elieser,  beim  Tode  Mosis  nicht. 
Die  vier  ausgezeichneten  Sabbate  sollen  eingerichtet  worden  sein,  um 
die  Lücke  zwischen  dem  7.  Adar,  an  dem  Deut.  34,  und  dem  1.  Nisan 
an  dem  Gen.  1  vorgelesen  wurde,  auszufüllen.  Diese  Lücke  entstand 
aber  nur  jedes  dritte  Jahr,  und  die  vier  Sabbate  wurden  jährlich  ge- 
feiert! Ebenso  wäre  es  mit  den  Festen  gegangen,  an  denen  ja  in  den 
drei  Jahren  jedesmal  ein  anderer  Abschnitt  an  der  Reihe  gewesen  wäre! 
Nach  den  Quellen  ist  die  Vorlesung  an  den  Festen  und  vier  Sabbaten 
älter  als  der  feste  Zyklus.  Daß  die  alten  Festabschnitte  der  Mischna 
durch  diejenigen  Perikopen  verdrängt  wurden,  die  bei  ihrer  Wiederkehr 
an  der  Reihe  waren,  ist  nicht  bewiesen;  nach  Büchler  selbst  wäre  es  nur 
für  Pesach  und  Schowuaus,  keineswegs  für  die  drei  Herbstfeste  durch- 
geführt. Wenn  es  konsequent  nach  dem  alten  Midrasch  ginge,  müßte 
Gen.  3022  am  Neujahr,  Ex.  402  und  Lev.  922  am  1.  Nisan  gelesen  werden. 
Sehr  willkürlich  sind  auch  die  angenommenen  Jahresformen,  und  die 
Länge  der  Perikopen  wird  je  nach  Bedarf  ganz  verschieden  angesetzt. 
Es  muß  dankbar  anerkannt  werden,  daß  Büchler  sich  durch  den  ener- 
gischen Hinweis  auf  den  dreijährigen  Zyklus  und  den  Nachweis  seines 
langen  Bestehens  ein  hohes  Verdienst  erworben  hat,  die  Einzelheiten 
seiner  Ausführungen  aber,  so  scharfsinnig  und  bestechend  sie  auch  sein 
mögen,  halten  näherer  Prüfung  nicht  stand.  —  Paraschen  G.  V.  4,  Ver- 
schiedenheit der  Einteilung  vgl.  Loeb  in  REJ  VI,  250  ff.,  Derenbourg 
das.  VII,  146  ff.  —  Die  Regeln  Jehudais  H.  Ged.  S.  617  ff.,  ^x^  'rt  132  f., 
Amr.  bei  Mx.  20  ff..  Fr.  II,  187,  ':r:5x-i  h-c  "min  ed.  Gh.  M.  Horo- 
vitz  I,  38  ff.,  V.  S.  203  ff.,  221  ff.,  und  an  den  dort  erwähnten  Quellen; 
aus  der  häufigen  Übernahme  mit  und  ohne  Angabe  des  Urhebers  ersieht 
man  ihre  allgemeine  Anerkennung.  —  '"^pcs-  brb  Meg.  III,  6.  Die 
eingeklammerten  Worte  geben  keinen  Sinn ;  r"*-  nicht,  weil  von  den 
Festen  bisher  keine  Rede  war  und  kein  Anlaß  vorliegt,  e  i  n  Fest  heraus- 
zuheben (Die  Schwierigkeit  schon  bei  Tos.  das.  29a  s.  v.  psb,  jedoch  ist 
die  Lösung  ra\L"n  nTn?  ?n«;  i"i-ir<  nr^::  •'^iiisn  3"s  nicht  annehmbar) ; 
ni'i^sa  nicht,  weil  sie  das  ganze  Jahr  hindurch  täglich  stattfanden 
und  demnach  an  keinem  Wochentage  die  richtige  Perikope  gelesen  werden 
konnte.  Der  Talmud  läßt  b.  30b  in  der  Diskussion  diese  Worte  unbe- 
rücksichtigt. Obwohl  sie  in  allen  Manuskripten  stehen,  müssen  sie  als 
Zusatz  gestrichen  werden,  sie  sind  durch  Assoziation  (7^3  mm^  vgl. 
dazu  Margulies  in  R  i  v.  I  s  r.  I,  4  ff.,  II,  3  ff.)  aus  Taan.  IV,  1  hierher- 
gelangt. —  Rab  b.  Meg;  29a,  wahrscheinlich  hat  er  das  aus  Meg.  Taan.  I 
kombiniert;  sonst  ist  nirgends  eine  Spur  davon  zu  finden,  daß  Num.  28 
zu  =i^pa   gelesen  wurde.   —  Jehudai   vgl.  z.  B.  V.  S.  203  ff.   —   Auf  die 


\llllli||<|l|l)r|.||.  541 

.'iinoräisclic  Aiisiclil  (S.  164  t)l».)  weist  srlidii  d\r  .MriiiuiiK  U.  .liiiiicjas 
-rn  X"n  r'.-:;Bn -nob  (30b)  hin;  Suf.  W  II.  3,  8  ist  os  Ijoroils  so  verordnet, 
vpl.  Müller  (las.  234.  -  Neninoiid  ii.  C.han.  Mef^.  III,  8.  —  Sabbat- 
nachm.  Uomife  mir  am  \  eisoliniinffslaj^e  ausfallen,  vjjl.  ob.  Tos.  zu 
b.    Moff.    21»a.  W  (.tlienla^e    Sof.    WII.S.  Fasllaj<e    Mep.     das. 

Tos.  I\',  «J.  Sul'.  \\  11,  7  l;U.U  'Vsp  ':-r  nur  an  den  Kegenfaslen  und  dem 
9  Ab  lesen,  sonst  Ex.  32u  ff.  (Jeitnini  s.  Sar  Schalom  bei  Amr.  Mx.  16, 
Fr.  II,  155  ff.  (wo  jedoch  ein  andrer  Text  vorliegt),  Natronai  in  II.  ().  623, 
Resp.  (^h.  C.en.  Nr.  4.  Auffallend  ist  die  von  HN  zu  Taan.  I  mitgeteilte 
Ansieht  des  Gaons  Paltuj,  daß  an  den  Fasten  nach  den  Festen  (S.  127) 
am  Morgen  die  laufende  Perikope,  erst  zu  Minclia  hw^  gelesen  wird.  — 
Lev.  26i4  Sof.  XVII  7,  Midr.  Threni.  r.  Proöm.  27.  —  Minchavorlesung 
erst  bei  Amr.  Mx.  Fr.  das.  —  XIII.  Jhdt.  Or  Sar.  II,  161a.  —  Zu  kurz 
(S.  165),  da  5x3  Verse  notwendig  waren;  zweite  Feiertage,  in  b.  Meg.  31 
stets  •'^r  i-n  Xi-XT  Nll'^xm.  —  Für  Pesach  Tos.  Meg.  IV,  5,  Abbaje 
b.  31b.  —  Gaon.  Zeit  z.  B.  Amr.  Mx.  25,  Fr.  II,  227.—  nbwi  nach  S. 
Olam  Cap.  \'.  —  Sabbat  der  Festwoche  von  Huna  im  Namen  Rabs 
b.  Meg.  31b.  —  Wochenfest  Tos.,  j.  Meg.  das.  —  Neujahr  das.,  b.  das. 
Midrasch  b.  R.  ha  Seh.  IIa.  —  Hüttenfest  Meg.  111,8,  Tos.  a.  a.  O., 
b.  j.  das.  —  Für  die  Zwischentage  bestimmt  Tos.  IV,  8  das  Opfer  je 
eines  Tages,  also  Num.  29i7 — i»,  20 — 22  usw.,  jedoch  schon  b.  Sukka  55a 
sind  für  das  Musafgebel  die  Verse  von  je  2  Tagen  vorgeschrieben.  — 
Jehudai  H.  G.  619.  Amr.  51a,  Fr.  II,  380,  Raschi  in  V.  S.  442,  Manh. 
sn  §  47;  \'.  u.  ^lanh.  das.  aucli  über  '- ':rc'n.  —  Schlußfest.  Der 
richtige  Sinn  von  a-pn  ms"a.  ist,  wie  N.  Brüll,  Jahrbücher  II,  120  be- 
merkt, durch  Hai  Gaon  bei  ihn  Gajjat  I,  117  gegeben;  danach  sind  die 
drei  Worte  M  n  e  m  0  n  i  c  a  für  3  verschiedene  Perikopen,  die  in  ver- 
schiedenen Gegenden  an  dem  Tage  üblich  waren,  nis^a  =  Dt.  30 11 
a'^pn  =  Lev.  263  ff.,  -•==  =  Dt.  15i9  ff.  Tatsächlich  fehlen  in  mehreren 
Talmudtexten  die  Worte  -115;:!-!^=.  Raschis  Neuerung  (Pard.  45b, 
V.  S.  445  f.)  w'ollte  dem  jetzigen  Texte  Genüge  tun.  Amr.  kennt  an  allen 
Wallfahrtsf.  nur  ":-n  «  (51b).  —  Schlußfest  nur  Dt.  33,  34  noch  bei 
.Vmr.  52a.  —  Jehuda  al  Barz.  Komm,  zu  Jezira  166,  Saad.  das.,  nach 
Büchler  a.  a.  O.  463  hätte  sich  auch  Saadja  dagegen  erklärt.  —  b.  Ber.  8b 
^^•Sbi  x^""i  "^31":!:  xrir  xs-^n  sr,i"c~S5  "nr^ib^rxb  "SO  vgl.  Halberstamm 
in  rn-J-i-n 'O  152.  —  XII.  Jahrh.  vgl.  Pard.  45b,  vgl.  JE  XI.  364  f. 
—  Mincha  am  Sabb.  Meg.  IV,  1,  am  ^"T  b.  31a.  —  Nicht  klare  An- 
deutung (S.  168)  b.  Schabb.  24a  u"r2  nn:^2  x"'33  -px  rri:  X3"2bxc 
Da  nie  Propheten  ohne  Tora  gelesen  werden,  müßte  eine  solche  Vor- 
lesung angenommen  werden;  tatsächlich  vermißt  eine  solche  Or 
Sar.  II,  20b  u.  Nach  Sof.  XI,  5  wird  die  Perikope  des  Sabbats  vor 
dem  Feste  gelesen,  das  kann  sich  natürlich  auch  auf  einen  Festtag  be- 
ziehen, der  auf  Sabbat  fällt.  —  Fasttage  s.  ob.  S.  164.  —  Von  den  Z  u  - 
s  a  t  z  perikopen  wissen  die  Baraitas  noch  nichts,  wohl  aber  setzt  die 
amoräische    Diskussion    ihre    Einführung    voraus,    vgl.    das    Verfahren, 


542  Anmerkungen. 

das  j.  Meg.  III,  6  (74b),  Taan.  IV,  1  (67c)  u.  b.  Meg.  29b  empfohlen 
wird.  —  Bedenken  gegen  das  Rollen  der  Tora  j.  Meg.  IV,  5  (75b),  Jo- 
ma  VII.  1  (44b),  Sof.  XI,  3.  Im  pal.  Talmud  wird  a.  a.  O.  erwähnt,  daß 
eine  Tora  nach  der  anderen  gebracht  wird,  im  babyl.,  daß  am  1.  Adar 
u.  1  Teb.  am  Sabbat  3  Rollen  verwendet  werden  (Meg.  29b);  von  Je- 
hudai  an  aber  finden  wir  es  überall  so  H.  G.  618,  621,  vgl.  auch  Tos. 
Meg.  30b  s.  V.  ixiai.  —  Daß  keine  Tora  vorhanden  vgl.  z.  B.  Eschkol  II, 
52,  O.  Ch.  I.  23b,  §  5,  dagegen  V.  S.  89  f. 

6.  Erläuternder  Vortrag  s.  §  28,  29.  —  Zahl  der  vorlesenden  Ge- 
meindemitglieder Meg.  IV,  1 — 3.  —  Mindestmaß  Meg.  IV,  5,  10  Verse 
b.  21b.  —  Purimperikope  j.  Meg.  IV,  2  (75a),  j.  Taan.  IV,  3  (68b),  Tos. 
Meg.  21b  s.  V.  -pnms  -px.  — -rTsn  b.  R.  ha  Seh.  31a  Y'"'  "'^,  vgl.  j.  Meg.  111,8 
(74b);  die  Tradition  darüber  Sof.  XII.  7.  Amr.  Fr.  II,  191,  Mx.  22,  Raschi 
u.  Tos.  in  R.  ha  Seh.  a.  a.  O.  —  Schluß  eines  Absatzes  Tos.  Meg.  IV,  17 
(226i9j,  b.  22a;  die  Ausdrücke  pDiS  u.  sb'l  b.  das.,  Taan.  27b,  "^n':n 
u.  ^Tin  j.  Meg.  IV,  2  (75a);  j.  Taan.  IV,  3  (68b).  —  Xeumondst.  (S.  179) 
zuerst  vor  Raba  erörtert  b.  Meg.  21b.  —  Unheilvoller  Inhalt  'ni'r  y^'.'S 
::tj  -=-::  snini  sia  ^si2  nn-s  j.  Meg.  III,  8  (74b).  —  Die  Tradition 
über  die  Abteilung  zeigt  sehr  viele  ^'erschiedenheiten,  vgl.  dazu  Finfer 
a.   a.   O.   S.   37. 

7.  Exilarch  im  X.  Jahrb.,  vgl.  Nathan  ha  Babli  84,  sonstige  Lite- 
ratur bei  Ratner  zu  Joma  S.  75,  Ri  54.  —  Frauen  Tos.  Meg.  IV,  11 
(2264),  b.  23a.  Minderjähr.  Meg.  IV,  7,  Tos.,  b.  das.,  Sklaven  j.  IV,  3 
(75a).  —  Barmizwa  s.  Low  L.,  Die  Lebensalter  S.  210  ff.  JEU,  509  f., 
die  Einrichtung  reicht  ins  XIV.  Jhdt.  zurück.  - —  nn"s  Meg.  IV,  7, 
Stud.  S.  11,  Anm.  1.  —  Leiter  d.  Gottesdienstes  Tos.  Meg.  IV,  21  (227io); 
Diener  das.,  statt  p  t  n  ?a  -?:■:?  nnxi  liest  Amr.  unp^,  Itt.  272  jedoch 
■(•rn^,  was  richtig  sein  dürfte.  —  Sof.  XI,  4,  Art  des  Aufrufens  Amr. 
Fr.  l,  396.  Schon  Or  Sar.  II,  19a  bemerkt,  daß  das  Aufrufen  dem  Tal- 
mud unbekannt  ist.  Wie  es  später  geschah,  vgl.  Meir  Rothenb.  Resp. 
Prag  Nr.  108,  Lewysohn  'a•:^r>z■Q  "^^'p^s  S.  57.  —  Lasen  selbst,  nur 
das  ist  mit  der  talm.  Redeweise  "i'^^'p  od.  r'"p3  'T^irw  frr  u.  ä.  gemeint.  — 
Kundige  vgl.  Tos.  Meg.  IV,  12,  j.  IV,  3.  —  r-irs  Tos.  das.  Philo.  De 
Septen.  VI  (M.  II,  282,  CW  V,  101)  u.  bei  Eusebius,  Praep.  ev.  VIII,  7.  — 
Philo  (S.  171),  Legatio  ad  Cai.  §  31  (M  IL  577);  nirgends  ist  der  Miß- 
brauch, den  christliche  Gelehrte  mit  dem  Ausdruck  Gesetz  als  Über- 
setzung von  Tora  treiben  (vgl.  z.  B.  Schürer  II,  493)  so  deutlich  wie  an 
dieser  Stelle.  Über  diesen  Mißbrauch  vgl.  jetzt  auch  T.  R.  Herford, 
Pharisaism  S.  56,  deutsche  Übersetzung  von  R.  Pcrles  S.  49.  —  Kan- 
tilene  b.  Meg.  32a,  weiter  S.  503  f.  —  Babylonien  Chili.  Nr.  47,  S.  41, 
Amr.  29a,  Fr.  II,  67  vgl.  auch  Resp.  S.  T.  Nr.  59.  —  Balkanländer, 
Italien  Or  Sar.  II,  20a,  vgl.  IIa;  Deutschland  das.  19b,  Spanien  vgl. 
Itt.  264;  Frankr.  Pard.  8b,  V.  S.  98,  Eschk.  II,  68.  —  Amr.  24a,  Ms.  O. 
Mx.  12  ob.,  Fr.  I,  397  u.  —  Knaben  Low  das.  211  f.  —  Neuerer  Vorschlag 
von  Graetz  in  MS  1869,  398  ^^  Vorträge  im  jüd.  theol.  Verein,  46.  Hier  sei 


AllllIrlUllIl^iMl.  Ö43 

aikli  (iic  Sillf  t-rwaliiil,  daU  die  (iciiirimlc  l>i.s\vcilcii  vom  \  urltotcr  f^f- 
Icseiie  N'crse  wiederholt  odor  vorher  sprirhl  ,  nach  Saad.  sind  es  10  Verse, 
lilx'i'  die  man  sich  jcdin  li  spilfcr  iiiclit  it«  lit  klar  war,  \a\.  lOscJik.  II,  (jn. 
l;i'S|..    Hark.    208. 

'rn  r:-::  j.  Hi  r.  \  II,  2.  Zu  .Mc^'.  1\,  1  \^\.  h.  211)  nr-En  x:n  n.sw. 
iSi)  hall  (S  IKK  h  Kai)  das.  22a,  dort  jedoch  ist  bereits  auch  die  jetzige 
Sitte  erwiihiit.  Die  Stücke,  welche  schon  früher  mit  Benediktioricii 
fjcsprocluMi  werden  mußten,  j.  Meg.  III,  8  (74b).  —  Über  die  Erwiderung 
-;"«-'2  Sind.  19  f..  Saaii.  in  Ivschkol  II.  r»H,  Oeuvres  IX,  KiO  ob.  —  Zu 
Sof.    .\11I.  H  vti;!.   Müller  180,   Note  41.    ()r  Sar.  II,  21a  ob.  -n:  rnx 

crinnerl  an  die  Boned.  für  Propheten,  der  übliche  Text  Amr.  24a.  Fr.  1. 
397. 

9.  Philo  s.  ob.  Nr.  7.  —  Verzicht  (S.  173)  verboten  b.  Oit.  59b.  — 
Levit  'b"'2nn  m^sro  das..  vgl.  die  Kommentare  z.  St.  —  Hab  b.  Meg.  22  a, 
lluna  Git.  das.  —  Exilarchen  usw.  s.  Nathan  ha  Babli  84.  —  Frankreich 
Or  Sar.  II,  19a,  der  sich  dagegen  erklärt;  wahrscheiidich  geschah  es, 
damit  der  Rabb.  als  letzter  die  Tora  zurollte,  vgl.  dazu  b.  Meg.  g.  E.  — 
lU'form.  Gemeinden  vgl.  weiter  S.  423.  —  Verpflichtet,  das  nannte  man 
=-^rn  vgl.  dazu  Low  L.,  Ges.  Sehr.  V,  28.  —  'fX^n  Low,  Lebensalter  187. 
—  Geldzahlungen.  auch\'ersteigerungen,  vgl.  dazu  Low,  Ges.  Sehr.  V,  29 
unt.  Die  Versteigerungen  fanden  keineswegs  überall  statt  und  haben 
mit  der  jüdischen  Religion  nichts  zu  tun;  sie  verraten  demnach  nicht  den 
kapitalistischen  Geist  der  jüd.  Religion,  wie  W.  Sombart,  Die  Juden  u. 
das  Wirt.schaftsleben  S.  248  f.,  i)ehauptet.  In  Kairo  war  das  Recht  auf 
tlen  Kauf  der  Synagogen-Funktionen  z.  T.  erblich  Ri  56.  Or  Sar.  I,  21b. 
§  1 15  wird  von  einem  Streit  w^^gen  des  Aushebens  und  Einhebens  berichtet, 
die  manche  nur  dem  Vorbeter  vorbehalten  wollten.  Das.  wird  berichtet, 
daß  manche  sogar  dafür  bezahlten,  den  Mantel  beim  Zurollen  reichen  zu 
können.  —  Schäden  s.  Lewysohn,  Mekore  39  f. 

10.  Rolle  vgl.  Blau,  L.  Althebr.  Buchwesen  38  ff.  —  das.  65  über 
unvollständige  Exemplare,  "püiain  verboten  j.  Meg.  III,  1  (74a), 
unentschieden  b.  Git.  60a,  aber  Rabba  und  R.  Josef  sind  dagegen.  — 
Mittelalter,  Not  s.  ob.  zu  S.  168.  —  Ausheben  Joma  VII,  1,  Sota  VII,  1, 
nsTi  weiter  S.  469  f.  —  XII.  Jahrh.  Or  Sar.  s.  ob.  —  Hagbaha  in 
Riessers  Zeit.schr.  Der  Jude  1832.  Nr.  14,  eine  hebr.  Übersetzung  S.  D. 
Luzzattos    ist    in   V'tü  "'^^^u;  S.    232   veröffentlicht,  vgl.  MS  1900.    .546  f. 

§  26.  1.  «•'Srs  "::s^  Meg.  IV,  3.  Mittelalterl.  Erklärung  dazu 
z.  B.  Manh.  rri'  §  35.  —  Rapaport,  Erech  Miliin  s.  v.  xr— jsx  S.  167. 
Bacher,  Exeget.  Terminologie  II,  14,  mehr  Belege  für  xrr^brx  Büch- 
ler, S.  7.  allerdings  mit  unrichtiger  Erklärung. 

2.  Elia  Levita  Tischbi  s.  v.  ^:;S3,  ältere  Aut.  z.  B.  Abudr.  47a,  -,-;■!-;•: 
^■^232  Meg.  IV.  5,  vgl.  Tos.  das.  IV,  18,  19;  überall  ist  gestattet,  die 
12  kleinen  Propheten  (-c?  n^iir  br  X"n3)  außer  dem  Zusammenhange 
zu  lesen.  —  Ein  Prophetenbuch  z.  B.  Kleine  Proph.  s.  ob.  oder  Je- 
saias  Luk.  4io.  vgl.  auch  weiter  7-    Daß  ursprünglich  nur  Haftaras  au.«- 


544  Anmerkungen. 

Ezechiel  gelesen  wurden,  wie  Büchler  S.  7  ff.  al.s  .sicher  voraussetzt,  läßt 
sich  nicht  beweisen;  soweit  unsre  Quellen  reichen,  finden  wir  Haftaras 
aus  allen  Prophetenbüchern.  —  Das  Alter  der  Prophetenvorlesung 
(S.  176)  muß  aus  den  im  Text  angeführten  Erwägungen  höher  angesetzt 
werden,  als  bei  Büchler  S.  2  ff.  geschieht.  Eine  Neueinrichtung  von 
solcher  Tragweite  im  ersten  Jahrhundert  müßte  irgendwo  in  den  Quellen 
erwähnt  werden. 

3.  Von  den  Amoräern  werden  nur  wenig  Haftaras  festgesetzt; 
R.  Huna  tut  es  im  Namen  Rabs  u.  Abbaje  berichtet  über  einen  Brauch 
seiner  Zeit  (b.  Meg.  a.  a.  O.).  Von  den  Mincha  Haftaras  kennt  der  Talm. 
nur  die  des  Jom  Kippur;  über  die  anderen  vgl.  weiter  Nr.  10.  —  Nach 
Büchlers  Auffassung,  S.  11,  war  Luk.  4i6die  betr.  Stelle  aufgeschlagen, 
der  Maftir  konnte  sie  nicht  frei  wählen.  —  Sabbathaftaras  (S.  117)  nennt 
der  Talmud  nur  für  solche  Tage,  an  denen  auch  eine  andere  Festlichkeit 
ist,  wie  z.  B.  für  den  1  Ab.  Auch  die  Haftaras  für  die  Feste  haben  vielfach 
gewechselt,  wie  sich  aus  den  Regeln  Jehudais  und  aus  V.  ergibt. 

4.  Auslegung  vgl.  z.  B.  b.  R.  ha  Seh.  IIa  insn  . . .  !T:ps:  riicrt  cx-2, 
die  Beziehung  von  Hab.  3  auf  die  Offenbarung.  —  Eine  Liste  der  Haftaras 
für  die  Sedarim  von  Gen.  5  bis  Lev.  4  nach  dem  dreijährigen  Zyklus 
ist  zuerst  durch  Büchler  in  JQR  VI,  39 — 42  veröffentlicht  (vgl.  das. 
46  f.,  49),  eine  andere  für  die  Sedarim  von  Num.  22  bis  Deut.  1  durch 
E.  N.  Adler  das.  VIII,  528  ff.  besprochen  worden.  Listen  für  den  ein- 
jährigen Zyklus  finden  sich  bei  Maim.  nipsn  'o  Ende  sowie  JE  VI,  136f. 
und  in  jeder  besseren  Textausgabe  des  Pentateuchs  oder  der  ganzen  Bibel. 
Es  ist  ein  Verdienst  von  Büchler,  die  Listen  aufgefunden,  zugänglich 
gemacht  und  auf  die  für  die  Einführung  gerade  jener  Haftaras  maß- 
gebenden Gründe  hin  untersucht  zu  haben.  Was  aber  in  seinen  Aus- 
führungen darüber  hinausgeht,  insbesondere  sein  Versuch  zur  Ermittlung 
der  Haftaras  für  die  Feste  und  die  ausgezeichneten  Sabbate  kann  ebenso- 
wenig angenommen  werden  wie  seine  Hypothese  über  die  Toravorlesung, 
die  damit  im  engsten  Zusammenhange  steht.  Daß  erst  sehr  spät 
feste  Haftaras  eingeführt  und  die  üblichen  oft  nicht  gelesen  wurden, 
lehrt  die  gleich  folgende  Äußerung  Hais.  Aus  letzterem  Grunde  muß 
auch  der  geistreiche  Versuch  L.  Venetianers  (Ursprung  u.  Bedeutung 
der  Proph.  Lektionen  ZDMG  LXIII,  103  ff.)  zurückgewiesen  werden, 
dem  sich  das  weitere  Bedenken  entgegenstellt,  daß  auch  das  katholische 
.Meßritual  in  der  heutigen  Form  erst  sehr  spät  nachzuweisen  ist.  Zur 
Verschiedenheit  der  Haftaras  vgl.  auch  L.  Low,  Ges.  Sehr.  IV,  247.  V.  29. 

5.  Worms  s.  Pard.  61d.  —  Das  Zitat  von  Hai  bei  Itt.  279.  —  Lite- 
ratur zum  Haftarazyklus  von  17  Tamm.  an  bei  Zunz,  G.  V.  199  ff.,  Büch- 
ler 69  ff.  Der  Zyklus  muß  babyloni.?chen  Ursprungs  sein,  weil  die  unter 
palästinischem  Einflüsse  stehenden  Haftaralisten  ihn  keineswegs  be- 
rücksichtigen. Büchler  folgert  S.  64  aus  der  bloßen  Tatsache,  daß  der 
babyl.  Talmud  keine  Trosthaftara  erwähnt,  daß  solche  dort  unbekannt 
waren,  daß  Rab  die  Straf  haftaras  Jes.  Ii4  u.  21  aus  Palästina  mitgebracht 


All  iiu'rkiinjj:«'!!.  545 

lialii'.  1  )ciii  ;irLCiiiiiiiiliiiii  >■  ^ilciitii»  sieht  liier  die  liesdiidcre  Scliwierij^- 
keil  t'iil^e^'eii,  (lall  der  pal.  'ralmiid  iiherliaiipl  keine  ilaftaras  nc>nnt. 
Auch  (lif  alliiiahliciie  lOiilslehiiii^'  des  i^Mii/.eii  Zyklus,  wie  B.  sie  sich 
denkt,  ist  sehr  wenig  wahrsclu'iniich;  unsere  Kenntnisse  davon  sind  so 
i^'ering,  daß  si(>  nicht  einmal  für  Xerinutuuf^en  ausreichen.  Die  Zeit  der 
Hildung  dieses  llat'lai  a/yklus  tnul.!  iimneriiiii  snwejt  hinaufreichen, 
daß  die  Kariler  ihn  ohne  Bedenken  annehmen  konnteM:  Zunz  sel/.l  die 
l'esikla   bereits  um   700  an.     ('..   \'.    207- 

().  Die  \'erszald  für  liaflaras  ist  in  di'r  Mischna  niciit  bestimmt, 
die  Toseftastelle  Meg.  1\  .  IS.— 21.  \  erse  b.  .Meg.  23a,  j.  IV,  2  (75a).  Aus- 
nahmen das.  Auffallend  ist,  daß  Sof.  XI\',  1  von  22  Ver.sen  spricht. 
l>ie  llaflaralisten  (s.  dl).)  geben  stets  Anfang'  und  l']n<le  an.  fii^'en  hiiiifi^' 
hinzu  i:;rs  'pp'DS.  d.   li.   nur  2  Verse. 

7.  xr~::EX  "SC  b.  (lil.  (iOa.  vgl.  Blau,  Althebr.  Buchwesen  S.  65  f. 
(legenteil.  Stimmen  z.  B.  Paltuj  bei  Eschkol  II,  51  f.  —  Hai  (S.  179) 
bei  ibn  Gajj.  I,  105,  Itt.  271.  —  Mohamm.  Länder  vgl.  Seh.  L.  15b.  — 
Berühmtes  Exemplar  vgl.  Pard.  62a.  —  Haß  dii^  Haftam  aus  einer  Holle 
gelesen  wurde,  habe  ich  nur  einmal  in  Frankfurt  a.  .M.  gesehen.  Nach 
Finfer  a.  a.  O.  III.  84  f.  werden  sie  im  westliehen  Itußiand  liberall  ver- 
wendet. 

8.  .Alaftir  liest  aus  der  Tora  b.  .Meg.  2:}a  rr'r  "riz  "".fz.  —  Da  er  ein 
bereits  gelesenes  Stuck  noch  einmal  las,  konnte  die  Frage  entstehen, 
ob  er  mitgezählt  wird  (das.).  —  In  Seph.  und  It.  wird  auch  zur  Maftir- 
perikope  zunächst  ein  andrer  aufgerufen  und  dann  erst  der  Maftir  noch 
einmal.  —  Minderjährige  vgl.  Resp.  Lyck  Xr.  94  =  S.  T.  Nr.  60.  — 
Besondere  Abschnitte  z.  B.  Jes.  1,  Ez.  I,  I.  Sam.  1.  —  Barmizwa  vgl. 
Low,  Lebensalter.  212. 

9.  Älteste  Erwälinung  der  Benedikt ionen  b.  Pes.  117b,  Schabb.  24a. 
—  Amr.  29b  vgl.  jedoch  M\.  14,  Fr.  II.  69  f.  —  V.  S.  158.  —  Den  Schluß 
der  III.  Bened.  ^TT'Tp  ca2  "'S  bis  nin  '^^  zitiert  schon  S.  T.  zu  Ps.  I825 
(77b).  —  Die  Änderung  der  Formel  rrcn  rip^a  ist  gegen  b.  Schabb.  24a. 

-  S.  182  '.:■}  -rm  liest  auch  V.  S.  304.  —  Pesach  vgl.  Or  Sar.  II,  128b, 
MHRIL20a.  —  Natronai  bei  Amr.  43b.  —  Vgl.  S.  394  ob.  —  Zu  den 
Benediktionen  vgl.  auch  R  i  v.   I  s  r.   IV,  128  ff.,  REJ  LVII.   179. 

10.  Babyl.  Hochschulen  vgl.  Resp.  Ch.  G.  Nr.  95,  Geonica  II,  322. 
Nr.  XXVI;  Itt.  250,  289;  vgl.  Raschi  u.  Maor  zu  Schabb.  a.  a.  O.  — 
Andere  z.  B.  J.  Tam  in  Tos.  das.  s.  v.  xb'sssr.  Jeh.  b.  Barsilai  meint, 
daß  '^s:n  eni  statt  2*::  trn  zu  lesen  ist.  —  Bei  Amr.  kommen  die 
Mincha-Haft.  noch  nicht  vor,  die  betr.  Stelle  in  MS.  O.  bei  Mx.  17, 
Fr.  II,  156  ist  sicher  ein  späterer  Zusatz,  widerspricht  auch  dem,  was 
Mx.  das.  zu  Zeile  11,  Fr.  157  mitteilen  53=  ■p-.'^::£?3  "(-x  snba  !-tn:?32.  — 
Ibn  Gajj.  i,  23;  X"*-!  zuerst  Sof.  XVII,  7  erwähnt,  aber  der  Text  ist 
dort  sehr  unsicher  vgl.  Müller  S.  243,  Note  26.  und  es  ist  nicht  klar, 
ob  die  Haft,  am  Morgen  oder  Nachmittag  gemeint  ist.  —  Zu  rö's  ^■'listj 
vgl.  b.  Meg.  23a,  j.  IV,  3  (75a),  Sof.  XI,  4,  H.  G.  622.    Alfassi  entscheidet 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  35 


546  Anmerkungen. 

nb""  xr^bn";  entgegengesetzt  Itt.  272,  der  sogar  vermutet,  Alf.  hätte 
es  zurückgenommen.  Auch  Pard.  8b  läßt  auf  rtbis  schließen,  derselben 
Meinung  ist  J.  Tarn  in  seiner  sehr  heftigen  Polemik  gegen  Meschul- 
lam  b.  Nathan  Resp.,  ed.  Rosenthal,  Nr.  45c,  S.  81  ff.  Or  Sar.  II,  157b. 

11.  Frankfurter  Rabbinervers.  S.  137.  —  Seltsam  ist,  daß  die 
Berliner  Reformgemeinde  die  Vorlesung  aus  den  Propheten  völlig  ab- 
geschafft hat.  Wie  ich  authentisch  erfahre,  soll  sie  demnächst  wieder 
eingeführt  werden. 

§  27.  1.  Hagiographen- Kanon  s.  JE  111,  147,  wo  dessen  Abschluß 
in  die  Zeit  Joh.  Hyrkans  gesetzt  ist;  die  kritische  Schule  setzt  ihn  um 
200  Jahre  später,  das.  149.  —  Zu  Meg.  II,  4  vgl.  Tos.  Meg.  I  Ende.  — 
Bereits  Saadja  erwähnt  die  Sitte,  einzelne  Verse  von  der  Gemeinde  mit- 
sprechen zu  lassen,  Amr.  Mx.  18,  Fr.  II,  178;  Seh.  L.  §200  gibt  zur 
Begründung  an,  daß  man  den  Kindern  damit  eine  Freude  machen  will. 

2.  Alte  Bibelexemplare  vgl.  JE  III,  144.  —  Massora  s.  Müller,  201, 
Note  70.  —  Benediktion  Sof.  XIV,  4.  —  Klagelieder  s.  ob.  S.  129.  — 
Kohelet  z.   B.   Manh.  sn  §  57. 

3.  Verbot  an  Sabbaten  b.  Schabb.  115a,  j.  XVI,  1  (15b).  —  Noch 
Natronai  bei  Itt.  289  erwähnt  die  Sitte  dieser  Hagiographen-Vorlesung, 
und  fast  scheint  es,  als  ob  Itt.  sie  auch  noch  aus  seiner  Zeit  kennt.  — 
Rapaport  Er.  Mill.  S.  171  f.  —  'rx'^!::  nnss  G.  V.  268,  eine  neue  Ausgalie 
hat  S.  Buber  1903  veranstaltet. 

§  28.  1.  Zur  Bedeutung  von  m'in  vgl.  die  Liter,  bei  Gesenius 
Handwörterbuch,  XV.  Aufl.,  S.  882;  das  Wort  ist  Denominat.  vom  assyr. 
targumänu,  Dolmetscher.  — Zu  den  and.  Übersetzungen  vgl.  L.  Blau, 
Zur  Einleitung  in  die  Heilige  Schrift,  84,  91.  —  Zidkia  Seh.  L.  §  78  (29a), 
über  Giuda  vgl.  M.  Steinsehneider,  Giuda  Romano  im  Buonarroti  1870, 
JE  X,  444. 

2.  Zur  Form  ya^n  usw.  vgl.  Bacher,  Exeg.  Termin.  I,  206.  — 
Zu  Meg.  IV,  7  vgl.  auch  Tos.  Meg.  IV,  21.  —  j.  Meg.  IV,  1  (74d)  wird 
getadelt  iinnn  ci^n  nibi  k-tto  c^x]?  x:m,  weil  der  Platz  des  Dieners  nie 
leer  sein  sollte,  s.  ob.  zu  S.  170.  —  Gaon  von  Sura  bei  Nathan  ha  Babli 
S.   84. 

3.  Freie  Übersetzung,  sie  duifte  nicht  aus  einem  Buche  vorgetragen 
werden  j.  Meg.  das.,  b.  32a.  —  Nicht  wörtlich,  vgl.  Tos.  Meg.  Ende, 
tr'^-o  tr?  "i'ni-!  cpoi^ani  "^xis  ni  i^rt.  in'-,is5  pics  tt^niart  .-.rix  rrTirri  '-; 
vgl.  dazu  Fried  mann,  Onkelos  u.  Akylas,  4  f.  —  Zur  Methode  der  LXX 
vgl.  Z.  Frankel,  Vorstudien  zur  Septuag.,  163  ff.,  Einfluß  der  pal.  Exe- 
gese, 1  ff.,  A.  Geiger,  Nachgel.  Sehr.  IV,  73  ff.  —  Zu  Jonathan  Geiger 
das.  106,  A.  Berliner,  Targum  Onkelos  II,  105.  —  Willkür  das.  100, 
Friedmann,  Onkelos  u.  Aquilas  S.  60  f.  —  Zu  Onkelos  Abfassungszeit  vgl. 
F.  Rosenthal  in  Bet  Talmud  II,  Friedmann  das.  Aquila  Geiger  das.  83.  — 
Zu  Jonathan  Ginsburger  M.,  Pseudo-Jonathan  XVII  ff. 

4.  Das  Zitat  aus  Raschi  zu  Meg.  21b  ob.  —  Die  Abweichungen 
in    der  Übersetzung  zuerst  von  S.    D.   Luzzatto  in  ":,  ^rt'.x  festgestellt, 


Aimiri'kuiiKi.ii.  547 

v^l.  (loigiT,  Irsrliiill,  l(i  IT.,  fur  StpluaK-  l-'nnik'-l  a.  a.  ().,  fiir  l'-scliittu 
J.  Perles,  Melotomata  Peschillhoniana  u.  neuordinKS  Cli.  H<llrr,  Unter- 
suchungen iil)i'r  (lio  Pcschittri.  —  t"ll)or  ,, V<'rl»otrMU'  Tai^uinini"  s.  Oins- 
l.ui>i:.'r  in  MS  \L1\  .  S.  1  If.  ■  Saadja  v'kI.  I<"sp.  Hark.  \r.  20H,  S.  30». 
").  Über  Juslinian.s  .Novelle  s.  (Jraetz,  Gesch.  Bd.  V*,  Note  7,  S.  410  ff- 
Wie  Sof.  auch  Anw.  2«a  (Kr.  II.  49),  jedoch  nach  dem  Morgengebet 
\  .1  !•  derVorlesung  vgl.  aiK  h  llt.245.  —  Natronai  bei  Arnr.  29a  (Fr.II,  68) 
II.  ilt.  266  n:.-n3  -pD-^-a  -ix  -px  '-•c'^x-  '■os-rn'a  -pxa  ^bx  ii'xr.  ^x:"*— j;  i'^  '-ax  -|3i 
■,-xs~^  -px  ■,''"2;in"c  '.'z'jirrc  'ivrbi  ".'.'zt'c  -(rrb^  xbx  ■::-n  mj^n 
•rü'n  in\  —  .Inda  ihn  Korci.scli  ,  Risale  ,  ed.  Bargis,  S.  1,  JE 
\  II,  345.  —  Schluß  der  gauii.  Zeit.«^.  Hai  in  Resp.  Hark.  Nr.  208,  Itt.  249, 
das  folgende  Itt.  267  f.  —  Deutschland  vgl.  Ginsburger  in  MS  XXXIX, 
97  ff.  Die  Zahl  der  poet.  Introduktionen  in  V.  ist  sehr  belriUhtlich. 
n-"npx  von  Meir  aus  Worms,  weiter  S.  334.  —  Unverstündliihkeit 
Orch.  Ch.  25a  §  40.  —  Bearbeitung<Mi  in  der  Landessprache  (S.  192) 
das.  77d  §  7.  arabische  in  N.  Afrika  Hi  52.  —  Fraiikfiirlcr  Rabb.  S.  128, 
31!»  f. 

ü.  1000,  so  Hai  bei  Itt.  278.  In  Mainz  kannte  man  um  1050  kein 
Targum  zur  Ilaftara  Pard.  62a.  —  Ezechiels  Vision  vgl.  auch  Ghagiga  II,  1. 

—  Jonathan  vgl.  Z.  Frankel,  Zum  Targum  der  Propheten  13  ff.,  Geiger 
a.  a.  Ü.  109.  —  Feiertags-Haftaras  vgl.  V.  S.  15  f.  ois-in  i'sis  "cnrr  a"r2i 
";-:n"^  xi  35-ma"  2D"x  nT'T:ji  -i'^:33-2rt  -i'ax'^  "irixi  o'^pioa ';  Ti::s^n  n^ix  mijsn  ba. 

—  C'bl.  Haft.  Jes.  IO32 — 126.  —  Introduktionen  V.  a.  a.  O.  —  nsrs  2"^a"' 
von  Jakob  Tam,  weiter  S.  335.  —  Trotzdem  das  Portugiesische  nicht 
mehr  ihre  Landessprache  ist,  haben  die  Sepharadim  in  ihrer  überaus 
kons.^rvativen  Gesinnung  die  Abschaffung  jener  Übertragung  da,  wo  sie 
erfolgte,  sehr  übel  vermerkt.  —  Frankfurter  Rabbinerversammlung  a. 
a.  O.    S.   137. 

7.  Mischna  vgl.  iMeg.  I,  8  n"':^'^  !xbx  bnab  i-nnn  X3  d-^^ed:  qx  und 
II.  1  XS"^  xb  7':jb  bü  ni;-r,  rrx-p.  In  Saragossa  wurde  seit  1350  Esther 
spanisch  gelesen  G.   \'.  413. 

§  29.  1.  Zu  II.  Chr.  17,  9  vgl.  Vogelstein  in  MS  IL,  427  ff.  Philo, 
\  ita  Mos.  III,  27  (M.  II,  168).  —  n^ab  bei  Bacher,  Exeg.  Termin.  I,  103  f., 
-;-;n  das.  30  ff.,  am  das.  25  ff.,  II,  41.  r],«;  '«• 

2.  Schriftauslegungen  zur  Haftara  kennt  der  Midrasch  nur  für  den 
S.  178  erwähnten  Zyklus,  so  daß  man  annehmen  muß,  daß  sonst  nur 
über  den  Toraabschnitt  gepredigt  wurde;  anderseits  macht  die  von 
Bacher  in  seinem  neuesten  Buch  über  die  Proömien  S.  9  ff.  als  Eigen- 
tümlichkeit der  ältesten  Schriftauslegung  erwiesene  Methode.  Verse  aus 
Tora,  Propheten  und  Hagiographen  aneinanderzureihen,  es  wahrschein- 
lich, daß  auch  die  Haftara  Berücksichtigung  fand.  —  Philo  ob.  zu  S.  170 
u.  über  seine  Homilien  Schürer  III,  649.  — nisa-t  b.  Pes.  70b.  —  -pw  bei 
Bacher,  Exeg.  Termin.  I,  141,  II,  150.  —  Der  i-öyoi  naQax^atoig^ 
zu  dem  Paulus  und  seine  Begleiter  in  Antiochien  aufgefordert  werden, 
Akt.   13i5.   ist  nicht  eine  Ermahnungsrede;  denn  es  wäre  seltsam,  daß 

35* 


548  Anmerkungen. 

die  Gemeinde  sich  von  unbekannten  Fremden  ermahnen  lassen  sollte. 
Hingegen  ist  naQÜ-Arjaic:  die  Übersetzung  des  hebräischen  ans  (Hatch 
&  Redpath,  Concordance  p.  1061),  es  war  eine  Trostrede  mit  mes- 
sianischem  Ausblick,  die  der  Gemeinde  geboten  werden  sollte.  —  lülT 
c^2"ii  G.  V.,  354,  Bacher  a.  a.  O.  I,  25  ff.  —  Predigt  in  der  Landessprache 
G.  V.  370.  Es  mag  genügen,  auf  Agobards  Klage  (ut  dicant.  melius  eis 
praedicare  Judaeos  quam  presbyteros  nostros,  De  Insolentia  Jud.  V)  zu 
verweisen ;  selbstredend  konnten  die  Prediger  bei  NichtJuden  nur  durch 
Vorträge  in  der  Landessprache  Beifall  finden.  Aber  auch  die  Juden 
im  fränkischen  Reiche  haben  nicht  soviel  Hebräisch  verstanden,  um 
einer  Predigt  folgen  zu  können. 

3.    4.     G.  V.  344  ff.  350  f.,  Rapaport  Erech  Miliin,  S.   171  ff. 

§  30.  1.  Fromme  =  Qibö'nin;:;  nr"  i'^p.  In  Sof.  ist  nicht  klar, 
wer  anfängt,  warum  der  ^'^::e^  hier  auftritt,  wohin  er  geht.  Was  be- 
deutet ferner  der  Satz  "ninrt  nx  rr^r^J-c  s"nxi  ?  Elia  Wilna  hat  ihn 
gestrichen.  Es  scheint,  daß  hier  mehrere  Quellen  zusammengeflossen 
sind.  —  s>D53  'inil  O.  Gh.  I,  65a  §  6,  Kolbo  §  37  nach  Machkim,  S.  15, 
allgemeine  Verbreitung  erst  seit  ed.  Prag  1541  vgl.  Berliner,  Randb.  I, 
28,  II,  31.  —  ^1122  'i"^}«  vgl.  Or  Sar.  11.  19a  y''^  p-^nn^  .  .  .  '{s:'2  y^xi  'syra-o^ 
. . .  n-iniT^n  nx  . . .  "^r'^bn  (x"s  ix)  n^rirs  i"'-nx  ■,■':•?  ^"ssni  ^tqs  'px  . . .  ^721x1 
trr  5i-!5n  cn?  'px  ois^-i  ''521  h^n  by  . . .  imai-i  . . .  isn;  . . .  irnsx  nnx  . .  .  'iir''  573^5 
ibns  "-^'^x  xbx.  It.  vgl.  Seh.  L.  §  77  (28b).  In  Germ,  ist  das  in  Seph.  (vgl. 
Manh.  n:^^  §  24,  Tur  I,  281)  an  Sabbaten  übliche  nsib  nx'-.n  nnx,  Dt.  435, 
nur  am  Torafeste  üblich.  —  Die  Verse  bei  Amr.  Fr.  I,  396  f.  haben  noch 
viel  Ähnlichkeit  mit  denen  in  Sof.  Zur  Entwicklung  der  hier  im  einzelnen 
sehr  abweichenden  Bräuche  vgl.  V.  S.  71  f.,  Pard.  47b.,  O.  Ch.  I,  22b  §  7, 
65a  §  6,  Abudr.  35d,  46d,  Tur  u.  Seh.  Ar.  1,  134,  281  Ende.  —  Umzug, 
die  mittelalterlichen  Quellen  melden  nur,  daß  die  Gemeinde  Ver.se  leise 
spricht.  —  bsn  br,  im  Text  ein  wenig  erweitert  (Baer  224),  wird  nur 
in  W.  Deutschland  geprochen,  an  den  Festen  besonders  feierlich,  vgl. 
schon  V.  S.  157.  —  Beim  Hinlegen  der  Tora  vor  dem  ,, Aufrufen"  in 
Germ,  ü'^nn-n  2X,  worüber  Berliner  I,  65,  II,  32  vgl.  Or  Sar.  I,  §  106 
(39a).  —  Hagbaha  nach  der  Vorlesung  nur  in  Germ,  nach  einer  .Äußerung 
von  Mos.  Isseries  zu  Tur  I,  147.  —  tixiv  y^^'2  aus  Sohar  zu  inp'^i,  über 
seine  Aufnahme  vgl.  Baer  122,  Berliner  I,  29.  Über  die  folgenden 
Stücke  Baer  223,  Berliner  46  f.,  60.  - —  Die  Umzüge  am  Torafest  er- 
wähnt keine   mittelalterliche   Quelle,   vgl.   dazu  JE  XI,  365. 

2.  Chili.  Nr.  49  wird  übereinstimmend  von  der  Ehrung  der  Tora 
beim  Einhehcn  berichtet;  wenn  Sof.  nichts  davon  erwähnt,  ist  das  durch 
die  schlechte  Gestalt  des  Textes  verschuldet.  —  .\mr.  24a  u.  Fr.  I,  398.  — 
Über  die  Psalmen  Baer  125,  Berliner  I,  25,  Ps.  24?  nach  b.  Schabb.  30a; 
der  Brauch  von  Seph.  bei  Itt.  280,  O.  Ch.  65b,  Abudr.  47c. 

3.  '^^iiy  in  zuerst  Or.  Sar.  II,  21b,  vgl.  Ri  8  f.  —  -!i  rmn  schon 
Pard.  45b,  49d,  O.  Ch.  I,  26b  u.  kennt  das  als  Brauch  des  nördl.  Frankr. 
und   meint,   daß  es  in  Spanien   nur  am   Torafeste  üblich  ist,   während 


Aiinirrkuii^'rii.  549 

Maiili.  :n  §  .")()  lolülcros  gciadi'  aus  Fraiikr.  bcriclitcl.  -  Ührr  n32i:;n 
JE  \  I,  L*.'J8  f.  Über  die  Aiisschreitungon  Lowysohri  a.  a.  ().  —  Die  pniü"i 
l)t'i  liislallalioiifii  Xatliaii  iia  Ralili  ,S4,  fiir  nriUiligainc  Hi  lä,  am  Tora- 
fcsto   Hi   87. 

4.  Dil'  vtMsihiedt'iiartigsttMi  Mit  tciliiii},'<'ii  uikI  (ichclc  gfslalli-l  an 
dieser  Sie  Ho    Maiih.    nsü    §  40. 

a)  •ps-i'^m  Aiiir.  24a,  Fr.  I,  398;  \'.  S.  171»  liat  sie  für  Sal.hat 
Minelia.  Ainr.  331),  Kr.  II,  130  hat  dasselbe  aiieh  für  Neuriiuiid.  .Mxidr. 
48d  kennt  den  Brauch,  am   Sabbatnachmittag  Ps.   92  vorzutragen. 

li)  Segen  für  die  Anwesenden  auch  in  Amr.  a.  a.  O.  für  Neumond 
<'ingefügt.  Andre  derartige  Formeln  bei  Fr.  II,  76  f.,  Ui  9,  Berliner  I,  66. 
Jehuda  Albarz.  Itt.  279.  —  pne  np''  u.  ähnl.  Formeln  Ri  82,  Litg.  19, 
Berliner  I,  65  f.  J£  V,  293b.  —  Gebete  für  den  römischen  Kaiser  er- 
wähnt bereits  Philo,  Flacc.  §  7.  Alle  Handschriften  und  Drucke  enthalten 
das  Gebet  für  das  Staatsoberhaupt,  die  Ilalachistcn  leiten  es  aus  Jer.  29? 
ab.  —  Wie  Märtyrerlisten  entstanden  ii.  vorgelesen  wurden,  s.  bei  Sal- 
feld,  das  Martyrologium  des  Nürnberger  Memorbuchs,  S.  IX  ff.,  über 
die  spätere  Sitte  der  Spenden  Tanja  §  16,  Seh.  L.  §  81  (30b)  zu  d-^iamn  2X 
vgl.  MallaRIL  21a.  —  Das  Gebet  xjnrx  "(-i«'»^  C).  Ch.  I,  65b  §  9.  — 
Verkündigung  der  Fasttage  Amr.  bei  Mx.   17,  Fr.  II,  175,  V.  S.   173. 

c)  Über  das  Seelengedächtnis  Low  L.  Ges.  Sehr.  V,  29,  JEW,  283, 
Jüd.  Literaturblatt  XXVII,  1904,  Nr.  21  f.  Nur  am  Versöhnungstage 
V.  §  312,  S.  345  u.  §  353,  S.  392  unter  Berufung  auf  eine  angebliche  Stelle 
im  Midrasch. 

d)  Ri  86  ff.  —  ni2X  5352 --rx  schon  Amr.  52a,  Fr.  II,  385,  fehlt 
jedoch  bei  Mx.  37;  Saads.  Widerspruch  das.  —  Die  Hymnen  usw.  erwähnt 
ibn  Gajj.   1,  117.  —  niyr:  n-p-JS3  G.  V.  154,  Ri  87  f. 

Kap.   IV. 

§  31.  1.  Der  Ausdruck  Stammgebete  zuerst  bei  Zunz,  Ri  5.  — 
rrS'Z'sz  usw.  vgl.  Levy,  Neuhebr.  Wort.  III,  85.  —  Zu  tTiu;-i  vgl.  was 
weiter  §  43  S.  355  ff.  u.  Ri  3  ff.  über  den  Minhag  gesagt  ist. 

2.  TJ-^-^s  u.  die  Derivate  G.  V.  393,  S.  P.  60.  Steinschneider,  Jüd. 
Literatur  in  Ersch  &  Gruber  II,  27,  S.  421,  §  18.  —  iT^a  das.,  Perles 
das.  63  ff.  Zur  Bedeutung  beider  S.  Krauß,  Lehnwörter  II,  443,  262.  — 
Akrost.   Dichtung  bedeutet  ii^'^u  in  Warnheims  "can  naiap,  S.   107.   — 

3.  piiSTH  S.  P.  60.  Zu  fiSXTn  vgl.  zuletzt  Eppenstein  in  MS  LH, 
1908,  467  ff. 

4.  -p^TS  Brody  u.  Albrecht,  S.  17;  die  Ableitung  S.  P.  88,  367  f., 
Perles  a.  a.  O.  67.  —  Augustin  S.  P.  88.  —  YinTS  als  Refrainpoesie  bei 
Jos.  ibn  Migasch,  Resp.  Nr.  204,  s.  Dukes,  Zur  Kenntnis,  S.  140.  — 
Piut,  Selicha  S.  P.   Kap.  III,  S.  59. 

§  32.     2.    a)  Steinschneider  das.  S.  422. 

b)  S.   P.  79.    Steinschneider  §  19  Anm.  19,  Brody  Albr.  S.  19. 

c)  s.  M.  Hartmann.  Die  hebräische  Verskunst  usw.  S.  84. 


550  Anmerkungen. 

d)  S.  P.  80;  Steinschneider  das.  425  leitet  es  von  y.vylo^^  i.  Pei'les 
Byzant.  Zeitschr.   II,  573  von  y.vy.hov  ab. 

e)  So  Perles  in  MS  1886,   231  f. 

3.  S.  P.  61,  Brody  Albr.  S.  35  Nr.  30;  TO-ipn  z.  B.  Amr.  II,  23a, 
Brody,  Diwan  des  Abü-1-Hasän  Jehuda  ha-Levi  III,  S.  209  ff.  —  p-bo 
u.  'XTö  Brody  Albr.  S.  114.  —  "xr^  Amr.  II,  la,  3b. 

4.  I.  A.  a)— c)  S.  P.  61  ff.,  Brody  Albr.  S.  23.  —  cc/?  lü?»  'n 
Studien  31.  —  ni^ai'^  Steinschneider  S.  426  1).  —  xro::':  S.  P.  64  f. 
S.  D.  Luzzatto,  Divan  des  Jehuda  ha-Lewi,  1864,  S.  37a,  Brody  Albr. 
S.  9,  Brody,  Diwan  III,  S.  5.  Das  Verhältnis  der  Poesien  a — c  zueinander 
ist  noch  nicht  ganz  klar,  die  Echtheit  der  Schlußstrophe  des  rnccs  mit 
dem  Ausgang  IB'^a  ib^l  vielfach  angezweifelt;  vgl.  Luzzatto  a.  a.  O., 
Brody  Albr.  S.   102,  Nr.  92. 

B.  (S.  212)  S.  P.  69  f.  —  Orient  vgl.  z.  B.  Neubauer  u.  Cowley, 
Catalogue  of  the  Hebr.  Manuscripts  in  the  Bodleian  Libr.  II,  26313, 
271218,  27147  u.  V.  a. 

II.  A.  Keroba  S.  P.  65  ff.  Berliner,  Randb.  II,  66,  Stud.  47.  Das 
Zitat  aus  dem  Midrasch  schließt  die  neuerdings  von  Ed.  Birnbaum, 
Liturgische  Übungen  II  gegebene  Ableitung  von  Koriphaios  aus.  Das 
Wort  kommt  auch  in  der  syrischen  Liturgie  vor,  Sachs  Rel.  Poesie 
S.  178.  —  Kerobas  für  Wochentage  S.  P.  73.  Studien  a.  a.  O.  —  xnr^s 
S.  P.  69.  —  Die  einzelnen  Teile  der  Keroba  S.  P.  65  ff.,  Brody-Albr. 
S.  113  f.  —  aiPiii,  die  Bibelverse  sind  in  Handschr.  und  alten  Aus- 
gaben des  T551ÜX  '"0  sowie  in  It.  u.  Rom.  noch  immer  zu  lesen.  —  Zu  e) 
macht  Berliner  a.  a.  O.  darauf  aufmerksam,  daß  der  Anfang  i«  bx  schon 
an  den  Schluß  des  vorhergehenden  Stückes,  Ps.  224,  gesetzt  wurde; 
auch  zu  f)  vgl.  Berliner  das.  —  Über  bü  u.  cc5  vgl.  S.  P.  69.  andere 
Kompositionen  Neubauer  u.  Cowley  Nr.  2710i  rr^ans  '"."5  nas. 

B.  (S.  216)  a)  Über  die  Einleitungen  vgl.  Sachs,  S.  247,  Anm., 
Berliner  II,  62  ff.  In  Amr.  und  danach  in  Seph.  bildet  nsTilx  einen 
Teil  der  Tefilla. 

b)  Jose  b.  Joses  Poesien  zu  U5"Ta,  neben  Kalirs  die  einzigen 
ihrer  Art,  halte  ich  jetzt  nicht  mehr  für  Einschaltungen;  ihr  Autor  dachte 
sie  sich  wahrscheinlich  als  Ersatz  für  die  üblichen  Einleitungen  ('i:'^?» 
usw.  ob.  S.  143),  daher  werden  auch  gegen  Ende  Bibelverse  eingeschaltet, 
die  nur  in  neueren  Ausgaben  von  Germ,  weggeblieben  sind.  In  Pa- 
lästina waren  derartige  poetische  Gebete  außerordentlich  beliebt. 

c)  Über  Aboda  s.  Ri  101,  Studien  49  ff.,  über  die  spanischen  'o 
STT13S»  S.    S.    P.    80. 

d)  vgl.  JE  II,  368  ff.,  Aufzählung  von  Dichtern  bei  Jellinek,  c-;-j:-p 
'"iin,  Neubauer   in  JQR  VI,  698  ff.    —    MI'^mTX  in    übertragenem  Sinne 

z.  B.  in  Rom.  —  Über  den  Namen  bl-iin  n^r  vgl.  Ri  10,  JQR,  V  434  f. 
Die  Bezeichnung,  die  zuerst  (nach  christlichem  Vorbild)  nur  für  den 
Sabbat  vor  Pesach  gebraucht  wurde,  hat  man  dann  auf  alle  Sabbate 
vor   den    Festen  übertragen;    so  schreibt    Sal.  b.  ha  Jatom    im  Kom- 


Anint'rkiinnfn.  ool 

iiuMil.  zu  .M(M'(|  I\.  n:'c"  nz''::n  •rs—  r-::;"  rrc  "rcir  ':"-:r  r::'r  d-'l.  (Üniji's, 
s.  lö),  vkI.  i;  i  V.  1  s  r.  \  II,  [-.:{. 

o)  irr  ""rx  als  inysliscli«'  !''(iniii>l  crkliirt  inj  i\!iiii.  ilcr  nllfslc  rlirisll. 
K;ili  (liisimis,  S.  4S.  x;r'i""n  m*^  l/'V.  r.  'Mj:.  —  Kiilcmli-rhcsliiimuing 
1«.  SiikUa  iUli,  j.  .i;is.  I\,  I  (Ö4I.).  ^E  1 1 1,  r>03l>.  ^  linzüK«'  mit  Fcst- 
strauü  (kIci'  Woidc  vkI.  \.  S.  443,  Or  Sar.  II,  §  IJlf»  Mi!».i).  VUtv  die 
l  in/.iijj^c  und  die  poolisclu-n  Hostliaiias  vgl.  S.  P.  73  ff.,  V't:;  nnsx, 
S.  lült);  die  guollon  Aiiir.  öll»,  H.  (".imI.  173.  ihn  (;;ijj.  I.  114  ff.  In  dein 
dnrtigcii  /ilal  aus  Saad.  sind  dif  Worli-  "fED" -"  rbEr  ""Vsep -i  nffenbar 
vi-rsid/.i,  v^l.  Kdliul  in  MS,  X.X.WII,  .")()()  ff.  wo  Saatijas  lloschanot 
al)K't>drn<kt  sind.  —  l  nizüKc  ol).  S.  13i>,  v'i^d.  auch  JE,  \  I,  1()1  f..  47»!  ff. 
Sei».  L.  §  3()t)  (16()a)  kennt  die  rnizüf^c  n  u  r  atn  sieltcnlen  Taj^c 

III.     S.    I".    70.   (Imllicr  das  Zitat    am    Ende;  n-i":  rr-^IJS  das.   73. 
§  33.     1.     S.    P.    70  ff.,   Bfrliiicr   11,21.  —   Die    13  Eigenstliafl<-n   s. 
■/..    H.    Nnni.    Uis,   Joel  2i3,   Nah.    la.   Ps.    103$,    14.5ö.  —   Dio   Einleitung 
•irrnn  bx  stets  bei  Amr.  —  scr  'p'o  sx  übersetzt  S.  P.  152,  vgl.  Litg.  17. 

2.  Die  Fastenliturgie  in  Taan.  II  verwendet  mehrere  Psalmen.  — 
Dan.  9,  Esr.  9.  —  ^-2"  "poB  Amr.  bei  Mx.  28,  S.  P.  77,  .\nm.  a,  b.  —  Die 
Stichworte  der  \'ersgruppen  Hi  120  f.  —  Die  kurzen  Introduktionen 
Amr.   35a  verglichen   mit  \".  S.   233.    • 

3.  2  solche  Litaneien  S.  P.  153,  über  den  frühen  Irsprung  der 
meisten  Litg.  18.  Den  Einfluß  di(^ser  Litaneien  auf  die  christliche  Liturgie 
hat  Michel,  Gebet  u.  Bild  im  frnhchrisll.  Zeit,  S.  44  ff.  nachgewiesen.  — 
Die  Selichas  für  p"="  sind  denen  in  It.  srlir  ähnlich,  daher  ihr  altertüm- 
licher Charakter. 

4.  S.   P.   82  ff.,    152  ff. 

5.  Ri  120  ff.  —  Gabirols  --S-:;  in  (ierm.  fiir  r!"-r  u..:"-^: — r.-.  -- 
z'^Xin^  •^^ü's  S.  P.  77,  Anm.  e.  —  r'rPSD  "'TS'xi  usw.  häufig  in  II.  — 
Die  verschiedene  Gestalt  der  Selichas  Ri  117  ff.  —  Hefte  n-'D—:::*p 
Ki  33,  Anm.  e. 

6.  Die  alte  Selichaordnung  für  Regenfasten  wurde  in  Babylonien 
noch  um  das  Jahr  1000  ausgeführt,  vgl.  Resp.  Gh.  Gen.  Xr.  160,  Perles, 
Beiträge  63  ff.  —  Für  die  histor.  Fasttage  hat  It.  noch  heule  Kalirs 
Kerobot,  für  den  9.  Ab  auch  Germ.  u.  Rom.  —  Die  Entwicklung  zur 
Selicha  Ri  125,  dort  auch  ein  Verzeichnis  der  in  nachbil)lischer  Zeit 
entstandenen  Fasttage;  eine  Ergänzung  hierzu  gab  Simonsen  in  MS 
IIXL,   1894,  524  ff.  vgl.  JE  V,  347  f.  u.  Ri   125  ff. 

7.  Amr.  47b;  Manh.  'srn  ms  §  59  zitiert  naui  nn-'boi  "^.s-  -i  r-r  '-zy- 
nsT  n-iiTm  rpTim.  —  Span.  Maamad  bei  Brody  Albr.  S.  116.  —  S.  P.  bO. 
—  Charisi,  Tachkemoni  III,  145,  bei  Brody  Albr.  S.  175.  —  das. 
III,  135. 

8.  Entstehung  u.  Zahl  der  Selichatage  Ri  122  f.,  Amr.  47b  -;— r: 
rs^apai  n:nn  "■"2"n  rirrso  mosi  nn-cTs  n-^r-Err:  tr-h  nrrn  rx-  7:-".  ^'o^  -na-r^ 
statt  -it!5ia  in  den  Bußtagen  sprechen  die  H.  Ged.  Vgl.  Dukes,  Zur 
Kenntnis  7,  Ker.  Chem.  VII,  33,  Sachs,  Rel.  Poesie  177.  —  Die  Gebete 


552  Anmerkungen. 

dieser  Vigilien  Ri  132  ff.,  Amr.  bei  Mx.  28  ff..  Fr.  IL  308  ff.  —  Tripolis 
vgl.  Sachs  a.  a.  O.  264  ff.,  Brody  Albr.  Xr.  13,  S.  16.  —  Über  die  poe- 
tischen Selichas  u.  die  Art  ihrer  Einschaltung  vgl.  auch  Berliner  II,  22  ff., 
75  ff. 

A.  Die  Namen  sämtlich  in  Amr.  II,  vgl.  Steinschneider,  §  19  Anm.  12 
*iT35  heißen  bei  den  Bußtagen  die  ersten  Selichas,  die  unmittelbar  auf 
npnsr!  'n  y>  folgen,  am  r""i  hingegen  sind  die  letzten  so  genannt,  die 
der  Rezitation  der  Verse  m;:;  /Tü"r  tu  yra  /D'^rtbNn  x-,!-!  'i  vorausgehen, 
vgl.  Amr.   II,  39  ff.,  48.  52  f. 

B.  a)  S.  P.  88,  94,  134  f.  ~  b)  das.  98,  Brody  Albr.  S.  51,  Nr.  48.  — 
c)  d)  S.  P.  90  f.  —  e)  das.  167,  vgl.  jedoch  Hamagid  IX,  136.  —  f)  S. 
P.  95,  die  Elegien  über  die  ,,10  Märtyrer"  das.  139  ff.    JE  VIII,  355  ff. 

C.  a  — e)  S.  P.   135,  b)  auch  89.    f)  Amr.   II,  23a  ff.,  28a  ff. 

9.  Die  Namen  Steinschneider  S.  426,  Brody  Albr.  S.  156.  —  Amr. 
ob.  S.  129,  vgl.  Fr.  II,  264.  —  Kalir  S.  P.  71  f.,  über  Art  u.  Verteilung 
der  Kinot  Ri  88  ff.  —  Talmudverbrennung  weiter  S.  338.  —  Die  Zionide 
weiter  350.  —  Beide  Kinot  oder  wenigstens  die  letztere  auch  in  den 
Reform- Gebetbüchern. 

C.  IL  Abschnitt. 

K  a  p.     1. 

§  34.  2.  Die  religionsgeschichtliche  Bedeutung  des  Gottesdienstes 
hebt  W.  Bousset,  Religion  des  Judentums,  II.  Aufl.  S.  202  her- 
vor, vgl.  auch  210,  Ende.  Über  die  Bedeutung  der  Synagoge  vgl. 
auch  Herford,  Pharisaism  78  ff.  (64  ff.).  —  Heiligtum  im  Kleinen  Ez.  llie. 
so  wird  b.  Meg.  29a  eine  der  ältesten  Synagogen  genannt,  in  der  späteren 
jüdischen  Literatur  wird  der  Ausdruck  häufig  zur  Bezeichnung  der 
Synagogen  verwendet.  —  Die  allmähliche  Verdrängung  des  Kultus  bei 
Bousset  das.  124  fL 

3.  Über  die  Fasten  vgl.  die  S.  532  zitierte  Schrift  Groenmans, 
JE\\  347,  VIII,  133,  Mischna  Taan.  II,  die  Stellen  in  den  Apokryphen 
bei   Bonsset  207. 

4.  Literatur  bei  Schürer  II,  500;  Bousset  197  f.  vermißt  klare 
Beweise  für  diese  These,  solche  vermag  er  jedoch  auch  für  die  von  ihm 
angenommene  Meinung  Friedländers  (Synagoge  u.  Kirche,  S.  53  ff.), 
daß  die  Synagoge  ein  Produkt  der  griechischen  Diaspora  sei,  ebensowenig 
vorzubringen.  Zu  den  Argumenten  im  Texte  sind  noch  die  von  Bacher 
in  Hastings  Dict.  of  the  Bible  IV,  636  betonten  Fasttage,  die  Sech.  7ö. 
Jes.  583  ff.  erwähnt  werden,  hinzuzufügen.  —  Die  Stellung  des  Bekennt- 
nisses in  den  ältesten  Gottesdiensten  ist  Studien  14  hervorgehoben. 
Nach  Blau  JE  VIII,  133  wäre  das  Schma  aus  Opposition  gegen  den 
Dualismus  eingeführt  worden;  sein  Ursprung  läge  dann  im  Tempel  zu 
Jerusalem,  aber  ausschlaggebend  wäre  ebenfalls  sein  Charakter  als 
Bekenntnis. 


Aiitncrkiiiij,'!'!!.  553 

ö.  t  l)t'r  Tarn.  \  ,  1  u.  das  Morf^MMigflx-l  dt-r  Pricslfr  vn].  Kohlor- 
Ft'stschrift  77  ff.  Dal,!  die  Priester  im  Tempel  aramäisch  sprarlieii,  lial 
Büthlef,    l'iiesicr   u.     Kiilliis,    (Kl  If.    Ix-wieseii. 

(i.  hie  'reiliiaiime  der  Laien  am  Opfer  fol^'t  ans  Tain.  \'II,3, 
Sir.  .")(),  1  1  If.  —  Li'vilent^esaiig  in  d.  (ihnmik  Vf?!.  Biichler  in  Zeitsclir. 
f.  d.  altest.  Wissenschaft  \1.\,  1899,  123,  \Xl  '.iXi,  KoheHe,  Die  Tempel- 
sftnji^er  im  A.  T.  bes.  S.  100,  199.  —  Zu  den  Refrains  v^l-  auch  Jor.  33,  11, 
Köberle  110,  Büchler  334,  vgl.  auch  Schürer  II,  350  f.,  355;  Bou.sset  127, 
418.  —  Über  Maamadot  vgl.  Herzfehl  III,  188,  204,  Müller,  Sofrim  236, 
Anm.  14,  Büchler,  Priesler  ii.  Kultus,  92  ff.  Schürer  11,  338,  Anm.  6.  Der 
richtige  Sachverhalt  muß  aus  Taan.  \\',  1  ff.  durch  Zuhilfenahme  von 
Tos.  das.  IV,  3,  2191»  und  j.  IV,  2  (67d)  ermittelt  werden.  Danach  hicLJ 
jeder  der  24  Bezirke  "yo^y^,  die  Abordnung  der  Laien,  die  in  Jerusalem 
dem  Opfer  beiwohnte,  173513,  ihr  Führer  "TSSTsn  laxi  Tarn.  V,  6;  schon  in  der 
Mischna  jedoch  werden  die  Bezeichnungen  aucli  irrtümlich  verwendet, 
vgl.  z.  B.  Bikk.  III,  2.  Die  24  ni-.iSüTS  verteilten  ihren  Dienst  auf  48 
Wochen  im  Jahre,  in  den  beiden  Festwochen  konnten  alle  Priester 
ohne  Unterschied  fungieren,  wie  auch  immer  Laien  als  Wallfahrer 
anwesend  waren,  vgl.  b.  Sukk.  55b.  Die  Berichte  der  Quellen  erwecken 
den  Eindruck,  daß  die  Einrichtung  alt  ist;  wann  sie  ,,in  der  späteren 
Zeit  des  Judentums"  (Bousset  127)  geschaffen  worden  sein  .soll,  ist  nicht 
einzusehen.  —  Zu  Hause  gebliebene  usw.  Taan.  IV  statt  II,  wie  im  Text 
steht.  —  Ein  Versuch,  die  Aierzahl  der  Gebete  zu  erklären,  bei  Herz- 
feld III,  188  ff.  Nach  Blau  in  ^EVIII,  132  wäre  das  Mittagsgebet  im 
Anschluß  an  die  Privatopfer  entstanden.  Die  Herleitung  von  den  Opfern 
auch  im  Talmud.  a":pn  CTirin  "1553  nissn  (b.  Ber.  26b  u.  Tos.  das. 
III,  1,  2)  od.  1-1735  •,in"T3n'3  (j.  das.  I\',  1,  7b);  jedoch  ist  dort  für  das 
Musafgebet  überhaupt  keine  und  für  das  Abendgebet  eine  unzureichende 
Begründung  gegeben.  Daß  das  Musafgebet  mittags  stattfand,  ergibt 
sich  aus  Tos.  Meg.  I\",  1,  w'o  statt  des  Wortes  qoiTsa  in  der  Mischna 
msna  steht.  —  Bekenntnisstücke  in  der  Liturgie  des  Maamad  folgt  aus 
nT3ST3  ■'CSX  CS  X"pn  j.  Ber.  I,  8  (3c),  b.  Joma  20a.  —  Auf  die  Gleich- 
artigkeit der  Gebete  in  Esra  u.  Dan.  hat  Pool,  Kaddish  S.  2  f.  hin- 
gewiesen. 

7.  Wie  man  sich  die  n-sinsi-!  nD52  vorstellt  (vgl.  die  Literatur 
bei  Schürer  II,  418  f.),  ist  in  unserem  Zusammenhange  gleichgültig; 
leitende  religiöse  Behörden  muß  es  auch  in  den  Jahrhunderten  zwischen 
Esra  und  den  Makkabäern  gegeben  haben  und  gerade  in  jene  Zeit,  über 
die  keine  Quelle  ausführlich  berichtet,  fällt  ein  wichtiger  Umschwung 
in  den  religiösen  Anschauungen  und  Einrichtungen  des  jüdischen  Volkes, 
vgl.  auch  Herford,  Pharisaism,  S.  20,  Übers.  S.  17  f.  Der  im  Text  mit- 
geteilte Satz  geht  auf  R.  Jochanan  in  der  ersten  Amoräergeneration 
zurück,  macht  aber  doch  den  Eindruck  einer  alten  Tradition;  daß  R. 
Jochanan  solche  häufig  vorträgt,  s.  bei  Bacher,  Agada  d.  pal.  Amor. 
I,   207. 


554  Anmerkungen. 

8.  Die  Bedeutung  privater  Andacht  für  die  Ausbildung  des  Gottes- 
dienstes auch  JE  YIII,  134f.  —  Die  Beschränkung  des  Musafgebets 
auf  die  Sabbate  usw.  hängt  wahrscheinlich  mit  der  Bezeichnung  der 
Zusatzopfer  als  D"'S0"ii2  zusammen;  wann  diese  erfolgte,  ist  unbekannt, 
in  der  Bibel  findet  sie  sich  noch  nicht.  —  Die  Vorlesungen  während  der 
Maamadwoche  Tos.  Taan.  I\',  3,  die  Einrichtung  der  Vorlesung  am 
Montag  und  Donnerstag  wird  auf  Esra  zurückgeführt,  vgl.  ob.  S.  156. 
Vgl.  Tos.  Taan.  II,  4(2173).  Gebetordnung  vgl.  Ewald,  Geschichte,  Alter- 
tümer^  S.   19,  Sachs,  Rel.  Poesie  164  ff. 

9.  An  beiden  Stellen,  Ps.  119i2  u.  I.  Chron.  29io  (nicht  12)  fehlt 
noch  die  für  die  Beracha  charakteristische  Anrede  ijinsx;  diese  Art  der 
Anrede  Gottes  im  Gebet  fehlt  bei  Bousset  431  f.,  obwohl  sie  wichtiger 
ist  als  alles  Material,  das  dort  aus  den  Apokryphen  und  Pseudepigraphen 
zusammengetragen  ist.  —  ns-a  am  Schluß  der  Bittgebete  ob.  S.  5.  — 
Bekenntnis  vgl.  die  zu  S.  24  angeführte  Literatur,  ob.  S.  51.  —  Tefilla 
jünger,  vgl.  Stud.  39  f.,  J£  VIII,  133.  .—  Stilles  Gebet,  ob.  S.  25.  —  Te- 
filla S.  30  ff.  Berufung  auf  die  Väter  Bousset  414  ff.  —  ri=-=  'srj  ob. 
S.  5.  — ■  Der  religiöse  Gehalt  der  Gebete  bei  Bousset  419  ff.  —  Bekenntnis 
ob.  S.  109,  114,  136;  Tefilla  S.  31  f.  —  Die  häuslichen  Feiern  ob.  S.  107, 
120  u.  Elbogen,  Eingang  u.  Ausgang  des  Sabbats,  VII  ff.  —  Versöhnungs- 
tag Studien  54. 

10.  Agatharchides  bei  Josephus,  Ap.  I,  22  (Niese  V,  37,  Th.  Reinach, 
Textes  d'auteurs  grecs  et  romains  usw.  43). 

11.  riPisa  ob.  S.  22,  die  nationalen  Bitten  S.  32  ff.  Vgl.  auch 
,,die  messianische  Idee  in  den  alten  jüd.  Gebeten"  in  d.  Cohen-Festschrift, 
Judaica,  S.   669  ff. 

§  35.  1.  Alte  Elemente  in  der  Mischna  hat  besonders  S.  Funk, 
die  Entstehung  des  Talmuds,  §  6  ff .  nachzuweisen  versucht.  —  Paral- 
lele Quellen  das.  §  36,  S.  95  f.,  vielfach  sind  sie  in  den  beiden  Tal- 
muden  enthalten.  —  Beginn  uns.  Zeitrechnung,  bezeichnet  durch  die 
Schulen  Hillels  und  Schammais  (Strack,  Einleitung  i.  d.  Talmud,  S.  84)- 
weiter  S.  248.  —  Philo  bei  Eusebius,  Präp.  ev.  VIII,  7.  —  Josephus.  Ant. 
IV,  8i3.  —  Talmud  z.  B.  b.  Ber.  2a,  j.  I,  5  (3b).  Tos.  III,  1,  Maim.  r^bsn  I.  1 ; 
JE  VIII,  134  ob.,  Stud.  39.  —  Alle  Richtungen;  unter  den  Kontro- 
versen zwischen  Pharisäern  u.  Sadduzäern  od.  Essäern  findet  sich  keine 
über  den  Gottesdienst.    Überall,  wo  Juden  wohnen,  s.  weiter  S.  250,  4. 

2.  Gebetzeiten  vgl.  c"p  nsw  j.  Moed  K.  III,  5  (83a),  S2p  nrT::  c;r3 
S?3T25  nxi"ipb  Tos.  Ber.  III,  1.  Vgl.  Luk.  lio  to  n).r]»oc  tov  ).uov  t]v  TiQogev- 
/ofjitvov  TJj  WQK  Tov  d^vutafittTog^  was  sich  auf  die  Beteiligung  des  Volkes 
beim  Opferdienste  bezieht  (n'^sirn  ',-3  hiu  nnap  Joma  III,  5)  und  Akt.  3i 
inl  TTiv  6)QHv  Ttjg  nQosiv/rjg  rrjv  ivvcurjv,  was  etwa  dieselbe  Zeit  bedeuten 
wird,  s.  auch  Akt.  lOso  u.  Schürer  II,  350,  Anm.  40.  —  Beten  auf  der 
Straße  Ber.  II,  12,  auf  der  Reise  das.  IV,  4  ff.  —  Bedeutung  des  regel- 
mäßigen Gebets  für  d.  rel.  Leben  Bousset  202,  206,  Herford  a.  a.  O. 
—  Onias  JE  IX,  404  f.  —  Chanina  das.  VI,  205.  —  Die  alten  Fromm^^n 


Aiimi'ikmiK""n.  555 

\vi>i(fr  S.  'Mi).  —  EssiUT,  vgl.  ilic  Lilci-.  l»t'i  Srlmivf  II.  (l,")]  11.,  iilur  iliivn 
Kiiifluü  auf  das  CJeht-t  bes.  JE  \  ,  22r)  ff. 

:i.  AiislcKUii^,'  des  Schiiia  Sifn-  IH.  §  34  ff.  (741»  ff.),  Nuiii.  §  115 
(34a  f.).  {{fiihc  Literatur  ila/.u  \n>i  ScIiiMcr  ödd  ff.  vgl.  auch  Slud.  lö  f.  — 
Ben.  1— \.  H.  ha  Seh.  I\.  Äff.,  Taan.  II.  lö,  1\,  1-3.  Meg.  II— IV.  — 
Gottesdienst  allgemein  Ix-kaiuit  vgl.  Maiiiiuiii  /.u  Meu.  I\',  1  g.  E.  In  der 
.Miselma  werden  goltesdienstliehe  Einrichtungen  und  Gebete  nur  ge- 
1  0  g  e  ft  t  1  i  c  h  hesproclieii,  in  H.  ha  Seh.  IV,  ßz.  B.  nur,  weil  es  kontrovers 
war,   an   welclien   Stellen   Scluifar  geblasen  werden  snllte. 

4.  Hier  sind  nur  solche  Gebete  angeführt,  von  deiu'n  bereits  die 
Schulen  Ilillels  u.  Sehainniais  sprechen.  Schnia  Ber.  I.  4,  kein  -;i2X"^  II,  2 
(Vgl.  1,5);  zu  den  Bened.  b.  Ber.  IIb,  j.  18  (3c.  d),  ob.  S.  16  ff.  100. 
•iS-^rcnob.  S.  101.  —  Wortlaut  ob.  S.  100.  —  nbEPi  Ber.  I\',  1.  :{.  Ilali»- 
leste  Tos.  Ber.  III,  10  (74)  u.  Parall.  —  Fasttage  Taan.  11,  I  ff.  -  Sab- 
bat u.  Feste  Tos.  Ber.  III,  12  f.  —  Musaf  Ber.  IV,  1  —  tt  -:n.  so  noch 
Mar  Samuel  b.  Ber.  30a  f.,  j.  IV,  6  (8c).  —  Tos.  Sukka,  der  Text  ist  nach 
,i.  \',  2  (55b)  richtig  zu  stellen.  —  über  den  l  mfang  des  Hallet  in  der 
ältesten  Zeit  vgl.  Büchler  in  Zt.schr.  f.  d.  alttest.  Wiss.  XX,  123  ff.  — 
piOS  ob.  8.5.  —  onin  das.,  vgl.  Ber.  1,4.  —  Vorbeter,  R.  ha  Seh.  Ende.  — 
Besonderer  Vorb.  das.  IV,  7.  —  Richtung  Ber.  IV,  5,  6,  weiter  S.  454.  — 
Abend  ob.  S.  100.  —  Versöhnungstag  ob.  S.  149,  157  f. 

5.  Meg.  I\',  1—5  ob.  S.  156  f.  —  Der  Reihe  nach  S.  159.  —  Ge- 
ineindemitgl.  S.  169,  Diaspora  170.  — Übertragung  S.  186  ff.,  Auslegung 
194  f.    Gegenstand  der  Erörterung  G.  V.  364  ff.,  Sachs,  Rel.  Poesie  150  ff. 

6.  Philo  zusammengestellt  bei  Schürer  II,  528  Anni.  98.  —  Thera- 
peuten JE  XU,  138  f.  —  Gri.'ch.  in  Palästina  j.  Sota  VII,  1  (21b).  Vgl. 
auch  die  Erklärung  von  Vernaclesier  bei  Xic.  Müller,  Die  jüd.  Kata- 
kombe am  ]\Ionteverde,  S.   Ulf. 

§  36.  1.  Zurückführung  der  Gebete  auf  die  Opfer  b.  Ber.  26b, 
j.  l\  .  1  (7b);  die  Entscheidung  in  b.  lautet  zuletzt  Qi:pn  max  mssn 
r":-"]rx  ":r"  ?Tr-:cx'.  Jochanan  b.  S.  AdRN  l\,  vgl.  auch  die  Erörterung 
bei  Schürer  I,  6.")2  ff.  —  Gebetzeiten  den  Opfern  angepaßt  Tos.  Ber.  III,  1, 
b.  u.  j.  Ber.  IV  Anf.  —  Hoffnung  auf  Wiederherstellung  b.  R.  ha  Seh.  30a. 
Bitte  um  Annahme  der  Opfer  Tef.  Nr.  XVII,  ob.  S.  55.  —  Jerusalem  XIV, 
S.  53.  —  Messias  S.  33  f.  Psalmen  S.  82.  —  Priestersegen  S.  69  f.  — 
Schofar  R.  ha  Seh.  IV,  1,  Palme  das.  2.    Sukka  III,  12  ff. 

2.  Meg.  Ende.  Schürer  II,  339  Anm.  8  sieht  darin  priesterliche 
Kleidung,  davon  kann  nach  der  Begründung  im  Talm.  keine  Rede  sein; 
vielmehr  handelt  es  sich  um  essenische  Sitten,  die  im  jungen  Christen- 
tum vielfach  fortdauerten,  vgl.  JE  V,  231  f.,  VII,  68.  —  Zunehmende 
Vergötterung  Jesu  bei  E.  v.  d.  Goltz,  Das  Gebet  in  d.  alt.  Christenheit 
S.  72  f..  127.  —  Propaganda  weiter  S.  448.  —  In  b.  Ber.  28b  bedeutet 
vielleicht  pn  wirklich  den  Text  fesbsetzen,  was  dann  in  diesem  Aus- 
nahmefalle geschehen  wäre,  im  Gegensatz  zu  Ti-icrt,  Reihenfolge  fest- 
setzen.   Dem   widerspricht  jedoch  i:pn  in  dem  Zitat   ob.  S.  240.  —  Sa- 


556  Anmerkungen. 

maritaner  vgl.  Lewy  Isr.,  Abba  Saul  S.  33.  —  Das  II.  griech.  Zitat  Ap. 
Const.  VI,  II,  andere  christl.  Gebete  bei  Goltz  332  ff.  —  Soweit  bekannt, 
steht  in  keiner  Handschrift  '■^■o,  dennoch  möchte  ich  obige  ErkiJirung 
nicht  aufgeben,  da  sie  sachlich  gut  begründet  ist.  —  Gnostiker  JE  V,  685  f. 
u.  die  zit.  Liter.  —  Dualisten  {rr.^-c  "n'j  b.  Ber.  33b)  das.  684.  —  stduj  Siau; 
Ber.  V  3,  Meg.  IV,  9  u.  Talm.  z.  St.  —  »isia?  Ber.  II,  3,  Mag.  11,1, 
Levy  III,  202.  —  Eigenschaften  Ber.  V,  3,  Meg.  IV,  9.  —  Später  b. 
Ber.  33b,  j.  Meg.  IV.,  9  (7oc);  zu  tt'^a'::  -"="-"  '^■'gl-  auch  Simonsentm  Ge- 
denkbuch für  D.   Kaufmann,  S.   115  f. 

3.  Abendgebet  Ber.  I,  9  !-n"T5  p  "7r?x  ""s.  —  Zum  Namen  '{xS'O'ci 
i?'"Sm  vgl.  die  Bezeichnung  i-i^vonoilog  auf  einer  in  Jaffa  gefundenen 
Grabschrift  (Pal.  Explor.  Fund,  Quat.  Stat.  1900,  118)  Schürer  III,  23; 
zur  Sache  ob.  S.  39,  41.  —  Babylonien  S.  39.  —  'ss-^r.  S.  60.  —  Er- 
örterung über  die  leise  Tefilla  R.  ha  Seh.  Ende.  Schon  zwei  Generationen 
später  nannte  man  einen  andren  Grund;  b.  Sota  32b  heißt  es,  daß  die- 
jenigen, welche  ein  Sündenbekenntnis  einzuflechten  wünschen,  nicht 
beschämt  werden  sollen,  vgl.  Raschi  z.  St.  —  Abweichungen  ob.  zu 
S.  28,  §  82,  Neuzeit  S.  401  ff.  —  Nicht  zu  ermitteln  ist,  wie  weit  damals 
die  Keduscha  ausgebildet  war  und  wie  sie  im  Gottesdienste  verwendet 
wurde.  Im  I.  Klemensbrief  findet  sie  sich  346;  es  ist  interessant,  daß 
in  diesem  um  100  entstandenen  Schreiben  ebenfalls  auf  feste  kirchliche 
Ordnung  Nachdruck  gelegt  wird.  —  Abendgebet  S.  102.  —  Diktion  der 
Tef.  §  9,  S.  42  ff.  —  Geläufig  Ber.  IV,  3,  V  Ende.  —  Schlechter  Syna- 
gogenbesuch ist  in  der  amoräischen  Zeit  ausdrücklich  bezeugt  b.  Gitt.  59b. 

—  Kurze  Gebete  vgl.  Mech.  zu  Ex.  1525  (45b).  —  Bericht  über  R.  Akibas 
Verhalten  Tos.  Ber.  III,  5  (65).  —  a'^5":nn  S.  242. 

4.  Differenzierung  z.  B.  Ber.  V,  2,  Tos.  Ber.  III,  10  f.  (74  ff.). 
Taan.  I,  1,  j.  Ber.  IV,  1  (7c),  IV,  3  (8a),  V,  2  (9a),  b.  29a,  Schabb.  24a  u. 
Par. ;  an  all  diesen  Diskussionen  sind  Tannaiten  der  in  Frage  stehenden 
Zeit  beteiligt.  —  R.  Akiba  R.  ha  Seh.  IV,  5,  Tos.  Jom  ha  Kipp.  IV.  12 
(18919),  s.  Studien  55. 

5.  Zyklus  vgl.  ob.  S.  160;  danach  war  selbst  zur  Zeit  R.  Meirs  der 
Zyklus  noch  nicht  festgelegt.  —  Zahl  der  Personen  b.  Meg.  23a.  — 
Schriftauslegung  S.   195,  Vorträge  der  Gelehrten  G.  V.  352. 

6.  Folgen  des  Bar  Kochba  Krieges  Graetz,  IV  *,  152  ff. ;  JE  II,  508  f. 

—  Mischna  u.  Baraita  enthalten  zahlreiche  Kontroversen  der  Zeit- 
genossen R.  Meirs  über  die  Gebete.  —  Lokale  Bräuche  z.  B.  j.  R.  ha 
Seh.  IV,  6  (59c),  ob.  zu  S.  141.  —  Neujahrsgebete  ob.  zu  S.  142. 

7.  Alte  Gebete  erweitert  z.  B.  sis"^"!  mcx  ob.  S.  22,  Psalm.  S.  82.  Viel- 
leicht wurde  damals  auch  das  Kaddisch  ausgebildet.  —  Kasuistik,  fast 
das  ganze  Material  bei  Schürer  II,  569  ff.  gehört  dieser  Zeit  an  und  darf 
für  die  von  ihm  behandelte  Periode  nicht  verwertet  werden.  —  Gebet- 
zeiten Ber.  I,  1,  Tos.  u.  Talm.  dazu.  —  Störungen  Ber.  II,  1,  III,  5,  Tos. 
Ber.  II,  6  ff.,  III,  20.  —  nsia  Ber.  II,  1  u.  Talm.  z.  St.  —  Hagada  s. 
Bacher,  Agada  d.  Tann.  II,  22,  161,   199  u.  ö.  —  Irrtümer  Ber.  V,  5, 


Aiiiiicrkim^'rii.  557 

Tos.    II,    5  (;}-i),    I).    21.1,    20a  u.   o.    vkI.   aiirli    Sl..|,l.-I  in   MS   l,\l.  I".tl2, 

ösi  fr. 

§  37.  2.  liaclicr  in  llaslinj?s,  Dictittnary  «if  tlir-  BiMi-  I\',  642 
fiilirt  die  Mahnung.  '"  ''•'''  J^ynajjogc  zu  beton,  schon  auf  Klicscr  1).  Jakob 
zurück,  allein  die  Lesart  in  Pes.  d.  H.  K.  IHKa  ist  niehl  j^anz  sicher. 
Wann  .\bba  Benjamin  (b.  Ber.  fia)  f,'elebl  hat.  lal.U,  sich  niihl  feststellen, 
in  jedem  Falle  muß  die  nrinj^lichkeit,  mit  der  die  Amoräer  das  Beten 
in  der  Synagoge  empfehlen,  auffallen.  Die  Stelle  Seh.  T.  zu  P.S.  5o  (27a) 
ist  wahrscheinlich  jünger  als  die  erwähnten  Talmudstellen.  Über  Syna- 
gogenbesuch in  späterer  Zeit  s.  weiter  zu  S.  493  f.  —  R.  Jizchak  s. 
Bacher,  Ag.  d.  Pal.  Amor.  II,  205  ff.  Zur  Sache  vgl.  auch  j.  Ber.  V,  1  (8d  f.). 

3.  über  Rab  u.  Samuels  Verdienste  um  den  Gottesdienst  vgl. 
G.  V.  386  und  die  von  F.  Rosenthal  zu  Graetz,  Geschichte  IV^  hinzu- 
gefügte Note  39.  —  ns-i  n^nx  ob.  S.  20.  —  njusxi  n^ax  S.  101.  —  iirart 
S.  60.  —  Messias  S.  40.  —  Bibelverse  h.  Schabl).  119b  (nicht  114,  wie  im 
Text  steht).  —  Mar  Samuel  b.  Ber.  30a.  —  Hab  ob.  S.  116;  sein  Zusatz 
war  in  Pal.  die  einzige  Veränderung  vgl.  S.  i;u.  —  WTim  S.  136.  — 
Sündenbekenntnis  S.  150.  —  Neujahr  S.  143.  —  H.  Jochanan  G.  V.  386, 
391;  Bacher,  Ag.  d.  Pal.  Amor.  I,  241  ff.  —  R.  Papas  Satz  insi^ns  yht^ 
•nsirs  (b.  Sota  40a),  'i-p-^'-ns  "nr—c:  "^lon  (b.  Ber.  IIb  nach  Ms.  München, 
r)9b,   60b,   Meg.   21b). 

4.  Die  gottes(li(Mistliche  Ordnung  war  durch  die  Mischna  bestimmt 
und  galt  darum  als  unveränderlich.  —  Wortlaut  noch  im  Flusse  vgl. 
Luzzatto  NS-i  3  f.  Gebete  zum  Schma  ob.  S.  17  ff.,  100  f.  —  Tefilla  vgl. 
z.  B.  b.  Ber.  34a,  j.  IV,  3  (8a),  V,  3  (9c),  b.  Pes.  117b.  —  Einschaltungen 
b.  Ber.  33b,  j.  IV,  3  (8a),  V,  2  (9b).  —  Festtage  b.  Pes.  117b,  Neujahr 
b.  R.  ha  Seh.  32a  f.,  \'ersöhnungstag  b.  Joma  87b.  —  Schriftvorlesung 
z.  B.  b.  Meg.  21b  f.,  29b  ff.,  j.  Meg.  III,  6  (74b).  —  Vorbeter  gelobt  od. 
getadelt  b.  Ber.  33b,  b.  Pes.  117b,  b.  Joma  36b,  56b,  87b  u.  ö.,  j.  Ber.  I,  8 
(3d),  Schebu.   I,  5  (33b). 

5.  qi3n  vgl.  das  Literaturverz.    —   nbiJü   Studien  31  f.,  ob.   S.  23  f. 

—  D'^Jlcx-n  PS  ob.  23,  JQR  X.  656.  —  c-ftB  ob.  S.  105,  109.  —  Tefilla  S.  40, 
53.  _  -j-x  Clip  S.  45  f.  —  n-rsr  S.  55  f.  —  'u:n  nianr  S.  59.  —  Ke- 
duscha  S.62.  —  Priestersegen  S.  71.  —  ?::n  T^'a  S.  44.  —  Musaf  S.  116. 

—  Tef.  für  d.  Feste  133  f.  —  Toravorlesung  S.  160.  —  Festtage  S.  165  f. 

—  Maflirperik.  S.  169.  —  Selbstlesen  170  f.  —  Benediktion  171  f.  — 
Haftarabened.  S.  180  ff.  —  Abweichungen  in  Babylonien  selbst  Nehardea 
b.  Schabb.  116b,  Pumbedita  b.  Pes.  117b;  vgl.  b.  Meg.  22a.  Aus  späterer 
Zeit  in   Resp.   Is.  b.  Scheschet  §  412. 

6.  Privatgebete  b.  Ber.  16b  f.,  j.  IV.  2  (7d).  —  Der  Satz  x-n  rr-n 
b.   Ber.   62a. 

7.  Halach.  Erörterungen  z.  B.  über  die  Ersatzgebete  vgl.  jetzt 
MS  LVI,  700  ff.,  714.  —  Vorbeter  b.  Ber.  33b,  Meg.  25a;  Raba  das. 
X2''X  "^"0  x'^T2"j  ■'Ss:  xr'"2n.  Vgl.  dazu  auch  Bacher,  Agada  d.  babyl.  Amor. 
12868,  49. 


558  Anmerkungen. 

8.  Messiasbild,  die  Texte  ob.  S.  53,  55  f. ;  zur  Sache  vgl.  Judaica 
S.  675.  —  Dämonen  "j-^pit^  z.  B.  b.  Ber.  3a  f.,  60a  f.,  Träume  das.  55b, 
vgl.  BiTiri-n  60  b,  Zauberei  d'^siüS,  vgl.  D.  Joel,  Der  Aberglaube  im 
Judentum  1,66 — 105;  Blau,  Das  altjüd.  Zauberwesen,  Budapest  1898; 
JEYIU,  255  f.,   XI,  597  f. 

§  38.  1.  Aufhören  der  Lehrhäuser  in  Pal.  Graetz  IV*,  311  ff., 
Babylonien  das.  370  ff.  V*,  2  ff.  —  Saboräer  JE  X,  610  ff. 

2.  Bibelstellen  G.  V.  388;  dort  werden  diese  Erweiterungen  der 
gaonäischen  Zeit  zugewiesen,  sie  müssen  jedoch  schon  früher  vorhanden 
gewesen  sein.  —  ni'^'i^'f  S.  81  ff.  —  Verse  mit  "^ba,  demnach  kann  die 
Hinzufügung  von  Ex  15i9,  die  viele  Gebetbücher  haben,  nicht  alt  sein.  — 
Techinna  S.  76  -i^sb  N21  S.   79.  —  nbiss  "r  ^ini:  102  ff.  —  -i"ca  irr-  S.  85. 

—  l^?3ül  S.  109,  and.  Verse  136,  147,  152.  —  Pal.  S.  133  f. 

3.  Tef.  der  Sabbate  S.  110,  115  f.,  118,  Feste  133  ff. —  JozerS.  114, 
Studien  24.  —  Eingang  des  Sabb.  S.  109,  Ausgang  121.  —  Keduscha  61  ff. 

4.  'cn  nir^2  S.  89  ff.  —  Benediktionen  für  Ps.  S.  83,  86.  —  Kad- 
disch  S.  97  f.  —  ^^in^  S.  17,  bar!  bs  S.  199.  —  Gebete  nach  d.  Schrift- 
vorlesung 203  ff. 

5.  Über  Alphabete  in  d.  i)ii)l.  Poesie  s.  E.  König,  Stilistik,  Rhetorik 
usw.  S.  357.  —  "s-f^^a  usw.  ol).  S.  150.  —  yn'z  5X  S.  18  u.  die  Anm.  — 
repn  S.  116.  —  Morgengeb.  d.  Sabb.  S.  114  u.  REJ  LIII,  241.  Vgl. 
hierzu  u.  zu  Nr.  6  auch  Litg.   12. 

6.  ^i^:'5  -pN  das.  —  nni-!N  nni;-2  S.  118  f.  —  cn-,  S.  17  f.  —  y.-tti  ssii 
S.    114.  —  Ü^EX  ^-x  3X  S.   78. 

7.  Selicha  S.  222  f.  —  Litaneien  das.,    Litg.  17  f.  Techinna  ob.  S.  78. 

8.  Luzzatto  X273  6,  rt-iirti  nn  npin^  11.  ff.  ^-  rair;^  ""w';x  in  Seph. 
für  Montag  u.  Donnerstag,  in  Germ,  für  Selichot,  ^^-as  crn  bx  in  Germ. 
nach  d.  Aboda.  —  Syrische  Kirche  Sachs,  Rel.  Poesie  177  f. 

9.  Aboda  Stud.  56  ff.,  die  älteste  mit  dem  Anfang  n'^-a"'  n?r«r 
zuerst  veröfentlicht  das.  102  ff.  —  nssis  nnx  das.  77,  über  die  Ein- 
leitung 59  ff.,  d.  Gebet  d.  Hoheprstrs.  66  ff. 

10.  Asharot  ob.  S.  217  f. 

11.  Hoschanot    219  f.     —    !^>^1X    usw.    zu    S.   216.    —    Sätze    mit 
•z'z'.  sehr  zahlreich  in  allen  Riten. 

12.  Litg.    23  f.    —  Überarbeitet   z.  B.   r^-.-za  -ca.   Litg.   228,  Sachs 
176^.  —  Asharot  heißen  in  Handschr.   xr-n^ai  -r^— ;  ni'-TX  Sachs  177^. 

K  a  p.  II. 

§  39.     1.    Über  Gebetbücher  weiter  S.  353  ff. ;  die  Mystik  377  ff. 

2.  Alphabet    vgl.    Kant.  r.    I,  7,   Koh.   v.   I,  13  Tsy -iS  xrj'^is  "j'^in 

3.  Itt.  S.  252.  —  Deuterose  Graetz  V«,  412,  Schürer  II,  385.  — 
Die  Hauptquelle  für  Itt.  war  Samuel  ha  Nagid  {JE  XI,  24  f.),  der  seiner- 
seits Sam.  b.  Chofnis  Schriften  stark  benutzte  (Harkavy-Festschr.  168  f.). 

—  Über  Samuel  b  Jehuda  s.  Schreiner  in  MS  XLII,  1898,  123  ff.,  der 


Aiiriicikuii^'cii.  559 

zitiorto  Passus  nach  Sclircim-is  (' hci-sclzuiif^  das.  S.  220.  —  4.'iU--r)Sl(  vj^l. 
Brüll,  Jalirl)ii(lu'r  II,  lö  ff.  -  Sclicrira  l«'i  Ncuhaiicr,  Med.  Jt'w.  Cliro- 
iiirlos  I,  33  f.  Thor  die  gh'ich/.eitij^cii  N'i'rfolgiingi'ii  im  liy/.aiiliii.  Hciclic 
\v:\.  ob.  S.  03  f.   --  V\wv  Kalkasrhandi  s.  Gotthoil  in  JQR  MX,  500,  527. 

And(Mvs  Dokument  das.  XVIII,  S.  13.  —  Poesien  .lannais  vpl.  llar- 
kavys  Mitteilungen  aus  Kirkissanis  SektonR(>.schichte  in  der  hehr.  Ül)er- 
setzun^  von  Graetz  Ill,r)03ff.;  Ilarkavy,  Saadja  S.  KIT;  Davidson  in 
JQR.  New.  Ser.,  I,  107;  liiicherlisten  in  REJ  \\\\\,  litOff.,  XL,  äO, 
IQR  W.  77  f. 

4.     Das   Zilal    aus    Sachs.    Kcl.    l'oisie,     180.  Heim    usw.    in    der 

aral».  Poesie  vgl.  Brockelmann,  Gesch.  d.  arab.  LileiMtur  j.  137.  Metrum 
s  llarlmann,  Die  hebräische  N'erskunst,  S.  41.  —  Vor  7ö(»  d.  i.  die  L(d)ens- 
zeit  Kalirs,  weiter  8,   31(5. 

5.    \ordringen  des  Piut  Hi  6  f.,  S.  P.  61.  —  Keroba  usw.  ob.  S.  210  ff. 

—  Mincha  ist  nur  am  Jörn  Kippur  mitPiutim  versehen.  — Selicha  S.  224. 

—  Piutim  zu  den  Perikopen  s.  Neubauer  &  Cowley  Catalogue  usw.  II, 
2706ir>,  27106.  9,  27124  u.  ö.  Geschicke  des  einzelnen  ob.  S.  221.  — 
Freiheit  im  Piut  Sachs  179.  —  Zunz,  Vorrede  zur  Litg.,  S  V;  im  Text 
sind  hinter  120  Reschut  die  Worte  ,,120  Tochachas"  versehentlich  weg- 
gelassen. —  Über  die  Piutim  aus  der  Genisa  s.  Neubauer  &  Cowley  a.  a.  O. 
im  Index  S.  469  ff.;  die  Zahl  der  Handschriften  in  Cambridge  ist  jedoch 
unvergleichlich  größer.  Außerdem  sind  in  den  letzten  Jahrzehnten  ganz 
junge  Sammlungen  aus  Yemen  u.  Persien  bekannt  geworden,  vgl.  Bacher 
in  /?£7  LVIII— LX,  LXII,  74  ff.,  Die  hebr.  arab.  Poesie  d.  Juden  Ye- 
mens  1910  u.  JQR  N.  S.  II,  373  ff.  Persisch  in  ^E  VII,  320,  Zf  HB 
XIV   16  ff.  vgl.  auch  REJ   XLIII,  101  ff.   LXII,  85  ff. 

7.  Inhalt  des  Piut  Sachs  a.  a.  O.,  S.  P.  126  ff.  —  Inhalt  der  Selicha 
S.  P.  85  ff.  —  Stil  das.  127.  —  Erweiterung  des  Weltbildes  Sach.s,   204  f. 

—  10  Märtyrer  (S.  290)  S.  P.  139  ff.,  Opferungs  Isaaks  das.  136  ff.  — 
Keduscha  Sachs,  253i.  —  Blütezeit  z.  B.  Mose  ibn  Esra  in  der  Aboda, 
Stud.  59;  das.  auch  über  die  Nachahmung  bewunderter  Vorbilder  in  der 
arab.  Poesie.    Vgl.  auch  Brockelmann  a.  a.  O.    I,  6. 

9.  Akrostichis  S.  P.  104  ff.  —  Alphab.  Zeilen,  wobei  Partikeln  u.  ä. 
nicht  beachtet  werden;  daher  können  sie  mit  D"i:22,  mit  xb  15  u.a.  ein- 
geleitet werden.  —  Talmud  b.  Schabb.  104a.  —  Bibelverse  S.  P.  95  ff.. 
110  f.  —  Kalirs  Keroba  rtD'^x  "ii2T  beschrieben  Litg.  46  f.  ■ —  Namens- 
akrosticha S.  P.  106  ff.,  Segensformeln  das.  108  f.  u.  Beilage  4,  S.  369 
bis  372.  —  Jehuda  ha  Levi  Amr.  II,  44a,  Brody,  Diwan  111,286.  — 
Fremde  Namen  S.  P.  109  f.  —  Simon  u.  Salomo  weiter  328,  Jechiel 
S.  P.   108. 

10.  Die  Reime  in  der  Bibel  (G.  V.  392b)  sind  unbeabsichtigt,  vgl. 
König  a.  a.  O.  356  f.;  selbst  bei  den  Versen  im  Talmud  (Brody  in  den 
Anm.  zu  Frances  c^ns'O'  pnr)  S.  33)  ist  es  sehr  zweifelhaft,  wie  weit  Ab- 
sicht vorliegt.  Alle  jüd.  Autoren  des  Mittelalters  stimmen  darin  überein, 
daß  der  Reim  vor  Kalir  resp.  Jannai  in  der  hebr.  Poesie  nicht  bekannt 


560  Anmerkungen. 

war,  vgl.  Hartmann  a.  a.  O.  u.  Brody,  Studien  zu  den  Dichtungen  Je- 
huda  ha  Levis  S.  10.  —  Art  des  Reims  im  Piut  S.  P.  86  ff.  —  Reimworte 
entsprechend  dem  Inhalt  das.  96  f. —  Bibelverse  als  Refrain  das.  95.  — 
Mostedschab  ob.  S.  228,  ähnlich  in  den  Rehitim  S.  P.  99.  —  Efodi  in 
•iSX  niüSa  Kap.  VIII,  S.  43.  —  Saadja  weiter  S.  325. 

11.  Über  Metren  in  der  Bibel  vgl.  die  Literatur  bei  König  303  ff. 
u.  Steuernagel,  Lehrbuch  d.  Einleitung  usw.  §  30,  108  ff.  —  Dichter 
vgl.  Hartmann  a.  a.  O.,  das.  47  über  quantitierenden  Rhythmus.  — ■ 
Vorwurf  gegen  Dunasch  in  den  cinsTa  ""iia^n  niniirn  S.  7,  21  ff.  —  Je- 
huda  ha  Levi,  Kusari  II,  70,  78,  82.  —  Charisi  Tachkemoni  XVIII,  vgl. 
auch  Buch  d.  Frommen  §  469  f.  —  Bewertung  der  Silbenquantitäten 
vgl.  Brody,  Studien  S.  17  ff.  — ■  Aufzählung  der  Metren  bei  Rosin,  Reime 
u.  Gedichte  Abraham  ibn  Esras  S.  6  ff.  u.  bei  Brody  a.  a.  O.  26  ff.  — 
Hartmann  S.  83.  —  Gesang  S.  P.  114  ff. 

12.  Das  Zitat  S.  P.  126.  —  Eigentümlichkeiten  das.  117  f.  — 
Aram.  Wörter  das.  Beil.  5,  S.  372 — 374;  latein.  u.  griech.  bei  Krauß, 
Lehnwörter  I,  S.  XXVI,  ff.  —  Übermaß  S.  P.  118.  —  Ungewöhnliche 
Plurale  das.  Beil.  6  u.  7,  S.  374—377.  —  Nomen  S.  P.  119.  —  Verbum 
120  ff.  Infinitive,  Beil.  8,  S.  377  f.  Zweibuchstabige  Formationen  S.  378 
bis  380.  s"3b  vor  dem  Verbum  finitum  S.  380 — 382.  Peitanische  Wörter 
S.  382  f.  Nominalformen  S.  383—409.  Neue  Verbalformen  S.  410—421. 
Partikeln  als  Verba  S.  421—423.  Dunkelheiten  S.  123  ff.,  wozu  die 
Beilagen  15 — 17  gehören:  Nachweis  über  verschiedene,  vorzugsweise  von 
den  älteren  Synagogal-Dichtern  gebrauchte,  oder  ihnen  eigentümliche 
Ausdrücke  S.  423 — 437.  Die  . .  die  Beziehungen  zu  den  Israel  beherrschen- 
den Reichen  und  Kirchen  betreffenden  Ausdrücke  S.  437 — 455.  Der 
alte  Bund  und  die  alte  Hülfe  455 — 458.  Ergänzungen  gibt  Zunz  Ri  234  ff., 
Litg.  627  ff.  u.  Nachtrag  66  ff.  Zur  Sprache  der  Piutim  vgl.  auch  Luz- 
zatto  XM  10  ff. 

13.  Abraham  ibn  Esra  zu  Koh.  5i,  S.  P.  117.  —  Heidenheim  im 
Kommentar  zu  "^sbia  rtSiDJX  im  Musaf  des  I.  Neujahrstages.  —  Das 
Zitat  (S.  299)  aus  S.  P.  117,  das  zweite  das.  123.  —  Saadja  weiter  322  ff.  — 
Klassiker,  aus  neuester  Zeit  seien  nur  Victor  Hugo  u.  Gabriele  d'Annunzio 
genannt.  —  Zitat  (S.  300)  aus  Jud.  169.  —  Spanische  Dichter  G.  V.  433  f. 

14.  Urteile  über  den  Piut  bei  A.  A.  Wolff  rraxi  wbc  rr/rfS, 
Stimmen  d.  ältesten,  glaubwürdigsten  Rabbiner  über  die  Piutim.  Leipzig 
1857  u.  Ri  163  ff.,  wo  auch  Verteidiger  des  Piut  angeführt,  die  Wider- 
stände allerdings  unterschätzt  sind.  —  Unterschied  zwischen  Babylonien 
u.  Palästina  Ker.  Chem.  VI,  247.  —  Allmähliche  Zulassung  des  Piut 
vgl.  Eppenstein  a.  a.  O.  S.  596.  —  Jehudai  bei  Ginzberg,  Geonica  IL  51. 
—  Koben  Zedek  s.  Seh.  L.  §  28.  —  Natronai  s.  Resp.  Gh.  Gen.  50,  Seh. 
L.  §  28  (13a)  vgl.  dazu  MS.  LIV,  355.  —  Hai  bei  Itt.  252,  vgl.  auch 
Chananel  in  Seh.  L.  a.  a.  O.  12b.  —  Jehuda  b.  Barsilai  Itt.  252.  —  Jung. 
Zeitgenosse  s.  V.  S.  370.  —  Gerschom  Seh.  L.  a.  a.  O.,  V.  S.  362  ff.  — 
Tarn  das.  —  Abr.  ibn  Esra  s.  oben.  —  Maim.  More  I,  59  vgl.  auch  Resp., 


AiiMifikun^c  II.  561 

ed.  Li(,ht<'nl)('rg  I,  Xr.  TJT  ii.  Lcwy-Fostschr.  hehr.  S.  4i».  —  Oliarisi 
Tadikciiioiii   XXIV,  l)t'i   Bnidy  Allir.  S.   187.  Äliiil.   Ndrwürfc  \V(»lff 

S.    14  lt.,    Ki    16().    —   Jos.   Karo  zu  Tur  I,  G8,    lli».  Klia  Wiliia  in 

r~  rtwr'2  Jj  127.  —   KimdiLTf  wcilrr  S.  427. 

§  40.  1.  Zu  doli  splirliclii'ii  Quellou  j^clKtnii  die  Lislv  alter  8e- 
licha-Dichtor  Litg.,  Boil.  1,  S.  625  f.,  die  AufziUiluug  bei  Harkavy  u. 
Saadyana  a.  a.  ().,  Chari.si,  Tarlik.  III  (Brody  All>r.  170  ff.). 

;{.  Anonymer  IMut  Lif^'.  23  ff.  -  Jo.se  da.*^.  26  ff.  Land.shuMi  So  ff., 
Harkavy  106  ff. ;  bei  L.  u.  H.  .'Jind  auch  alle  Irrtünifr  der  Früheren  ver- 
zeiehnot.  —  Mittelalter  Bacher  in  JQR  \\\,:42.  —  Über  die  Kür- 
zungen (Jerni.  ob.  zu  S.  216.  —  Aboda  s.  Sludicn  7S  IT.  ii.  IIS.  nrx 
r::i2    iu    Rosenberg    •j'S'p    II,   111  ff.  rtinr  -rx    Litg.    64<)  f.,    zu 

Petrus  als  Urheber  Stud.  74-.  —  --:ts  in  y:~  II,  1  ff.,  wo  fälschlich 
■'^nx:  steht.  —  -SDX  Stud.  Sl  u.  118,  rm  Litg.  28.  —  k'cx  Hi  142, 
Landshuth  87;  Übertragung  S.  P.  163.  —  (""bersetzungen  von  nVsnx 
bei  Sachs,  Festgebete  der  Israeliten  IL 

4.  Saadja  bei  Harkavy  das.,  Eppenstein  a.  a.  O.  ö9ö.  —  Pinchas 
als  Dichter  vgl.  Neubauer  u.  Cowley,  Gatalogue  II,  27313,  28472i;  27148 
(•pin  onrs  ?). 

5.  Über  Jannai  vgl.  Litg.  2S  f.,  Laiidslnil  1(»2  ff.,  Luzzallu  xr-  S.  — 
Ob  '03  ri"".  TX  ihm  angehört,  wird  von  Davidson  JQR,  N.  S.,  I,  107  Anni. 
in  Zweifel  gezogen.  —  Poetik  JQR  XIV,  742.  —  Anan  bei  Harkavy, 
S.  107  f.  vgl.  MS  1902,  377.  —  Gerschom  in  Seh.  L.  §  28.  —  Bücher- 
listen oben  zu  §  393.  —  ''i'^x  in  den  alten  Ausg.  von  Germ.  Landshuth  103. 
—  Aufzählung  bei  Davidson  a.  a.  O.  —  Aus  der  Genisa  sind  2  Poesien 
Jannais  durch  Wertheinier  in  seinen  cbü""'  "^t:;  18  b  f.  gedruckt.  — 
Sage  bei  Landshut  103.  Ich  erinnere  mich,  vor  Jahren  eine  ähnliche 
Erzählung  über  einen  italienischen  Dichter  gelesen  zu  haben,  kann  sie 
aber  jetzt  nicht  wiederfinden.  Wie  Dr.  Aldo  Sorani  in  Florenz  mir 
mitteilt,  findet  sich  ein  Analogon  im  .Morgante  Maggiore  von  Pulci 
(XV.   Jahrb.). 

6.  Über  Kalir  vgl.  Rapaports  Biographie  in  Bikk.  ha  Itt.  XI,  95  ff., 
Litg.  29  ff.,  Landshuth  27  ff.,  Luzzatto  x:-:  9  ff.  —  Das  Zitat  von  Frankl  in 
Zunz-Jubelschr.  S.  160.  —  x-i"3p  Aruch.  s.  v.  -h^  III.  —  Sitte,  Zunz, 
Zur  Geschichte  168  f.  —  Cagliari  Rapaport,  Note  17.  —  Jakob  bei  Schul- 
lam  in  Juchasin,  ed.  Krakau,  34  b,  48  b,  dagegen  Landshuth  29.  — 
Metaphern  u.  Symbole  nimmt  Rapaport,  Note  12,  an;  daß  er  darin  sehr 
übertreibt,  ist  ihm  oft  entgegnet  worden.  —  Keler  in  Melanges  Renier  433, 
Berliner,  Gesch.  d.  Juden  in  Rom,  IIa  15  f.  —  Cyrill  J.  Perles  in  By- 
z  a  n  t.  Z  e  i  t  s  c  h  r.  II,  582.  —  Unteritalien  s.  ob.  —  Portus  bei  Ber- 
liner a.  a.  O.  —  Deutschland  Ker.  Chem.  VI  7,  and.  Länder  das.  8.  — 
Babylonien  Luzzatto  x::"3  9.  —  Palästina  zuerst  S.  Cassel  in  Frankeis 
Zeitschr.  f.  d.  rel.  Inter.  1846.  224  f.  —  Nur  e  i  n  Feiertag  Tos.  Chag.  13a 
s.  V.  35-ft,  Rapaports  Einwendungen  dagegen  (Note  1)  sind  nicht  stich- 
haltig, da  die  Verwendung  der  Piutim  durch  die  Gemeinden  für  ihren 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  36 


562  Anmerkungen. 

ursprünglichen  Zweck  gar  nichts  beweist.  Doppelte  Poesien  besitzen 
wir  von  Kalir  zum  9.  Ab,  eine  in  Germ.,  eine  in  It.,  für  Purim  vgl.  Frankl 
a.  a.  O.  162.  —  Quellen  Litg.  33.  —  Pal.  Textgestalt  schon  Rapaport, 
Note  28,  33.  vgl.  Achtzehngebet  S.  26.  —  Palästina,  so  zuletzt  auch 
Zunz  s.  Litg.  33.  —  Kallirrhoe  (S.  31 4i  schon  Cassel  u.  F.  Perles  in  OLZ  X, 
1907,  543.  —  Tiberias  Eppenstein  a.  a.  O.  594.  —  Kalir  als  Tannait  s. 
Landshuth  27,  als  erster  sprach  sich  Jos.  Steinhardt  in  rpi^  ii-tsr 
dagegen  aus.  —  Poesien  für  9  Ab  Tisi  n'K^  scn  i'sxx  und  rtpnsn  'n  ^5 
bei  Rapaport,  Note  3,  die  richtige  Erklärung  bei  Luzzatto  a.  a.  O.  10.  — 
Die  Poesien  Kalirs  verzeichnen  Landshuth  31  ff.,  Litg.  43  ff.  —  Genisa 
z.  B.  bei  Neubauer  u.  Cowley.  Catalogue,  Index  S.  444;  dort  2708i  auch 
unbekannte  Poesien  zu  Pesach.  —  Kerobot  Litg.  32.  —  Willkür  das  60.  — 
4  Sabbate  43  ff.  —  9.  Ab  46  ff.  —  Kalir  als  Muster  Litg.  31.  34  Anm.  — 
Hagada  das.  29  f.  —  Messianische  usw.  Schriften  das.  603  ff.  —  Sprache 
das.  35  ff.  —  \'erbreitung  der  Poesien  Kalirs  Litg.  33.  Übersetzungen 
zahlreich  in  Sachs,  Festgebete  d.  Israeliten,  vgl.  auch  S.  P.  67,  75,  130.  — 
Zitate  Litg.   61  ff. 

§  41.  1.  Vgl.  Litg.  64.  —  Über  die  Zeit  nach  1050  das.  126,  dorther 
das  Zitat. 

2.  Anonyme  Dichtungen  das.  64 — 93.  219 — 232.  —  Über  Saadja 
s.  Litg.  93  ff.,  Landshuth  286  ff.,  Steinschneider  C.  B.  p.  2203  ff.  — 
^■^nbx  "1  rx  in  Rosenberg  v2-p  II,  30  ff.,  wo  es  fälschlich  mitten  unter 
die  Asharot  bsx  n'^ribx  (26  ff.)  gestellt  ist,  und  Oeuvres  IX,  58  ff.  — 
Aboda  Studien  82  f.,  gedruckt  in  -jr^ip  IL  10  ff. ;  die  zweite  ta'ip^a  tr^  d'^ü^x 
Studien  83  f.  u.  122  ff.  —  Hoschana-Zyklus  s.  MS  XXXVII,  1893,  506  ff. 
Selichot  Litg.  97:  vgl.  Schechter,  Saadyana,  Nr.  XVIII,  w^o  XVII— XXIV 
auch  andre  unbekannte  Piutim  Saadjas  abgedruckt  sind.  Eine  Tochecha 
veröffenll.  Brody  in  JQR,  N.  S.,  III,  83  ff.  Vgl.  Neubauer  u.  Cowley, 
Catal.  II,  S.  494  f.  —  Über  Agron  s.  Harkavy  a.  a.  O.  S.  28,  Eppen- 
stein in  MS  LIV,   193. 

3.  Salomo  ha  Babli  Litg.  100  ff.,  \'ogelstein  u.  Rieger,  Gesch.  d. 
Juden  in  Rom  I,  181  ff.  —  Selichas  das.  Litg.  232  ff.,  Übersetzungen 
S.  P.  167  ff.,  Vogelstein  u.  Rieger  183.  —  r-^r-ibc  Litg.  233,  s.  jedoch 
oben  228  B.e).  —  Aboda  Studien  87  f. 

4.  Über  die  Kalonymiden  vgl.  die  Literatur  bei  Aronius,  Regesten 
Nr.  136,  S.  58,  JE  VII.  424  f.  Stammbäume  Litg.  107  u.  JE  das.  — 
Mose  b.  Kai.  Litg.  104  ff.,  Landshut  257  f.  —  Kalonymus  aus  Lukka 
Litg.  108.  —  Meschullam  b.  Kai.  Litg.  108  ff.,  Landshuth  265  ff.  — 
Mainz  REJ  XXIV,  149  ff.,  Salfeld,  Martyrologium  434.  —  Aboda 
Stud.  Soff.,  126  ff.  Übersetzungen  S.  P.  130  f.  u.  Sachs.  Festgebete  der 
Israeliten,  Bd.   IV. 

5.  Simon  b.  Isaak  Litg.  111  ff.  —  Verfolgung  1012  s.  Aronius. 
Regesten,  Nr.  145,  S.  62,  Salfeld  a.  a.  O.  288.  —  Kürzungen  Ri  140.  — 
Selicha  Litg.  235  ff.,  Übersetzungen  S.  P.  174  ff.  u.  Sachs,  Festgebete  der 
Israeliten   in  fast  allen  Bänden. 


Aiiiiifikuiigni.  563 

().       GcM'ScIlom   LilK-    -•{<"<  f-.  l    IxTScliillll^l-ll  S,   I'.    171    ff.  \  iTfnl>^MillK''ll 

s.  (ilicii,  iihiT  die  Zwaiit^slaiifi-  seines  Sohnes  s.  (Itaelz  \'*,  .'J87,  (lallia  303. 
JEW  (139.  ~  Hcnjaniin  Lil^.  120  ff.,  239  ff.  Ziinz  nennt  ihn  S.  P.  170 
den  fi  iielil  liar,<len  Selichailiclitef  seines  Jahili.  n.  ..vielleicht  aller  ro- 
maniscli-^'i'i'rnaniseher  Diclüer  überhanpt" ;  dort  anch  einige;  ülx^r- 
setzunf^en  seiner  S(>liehas.  —  Joseph  I).  Salonio  Lit^'.  123.  —  Zahlal 
das.   ff..  S.    I'.    \:V2. 

7.  \ü\.  oU.  zu  1.  Elia  b.  .Menaclieni  LitK^  120  ff.,  Landsliuth  13  ff.  — 
n":x  in  Hosenl)erff  yyfp  II,  55  ff.  —  Selichas  Litg.  243.  —  Josef  Bon- 
fils  Luz/.atto  in  -ns-xn  iT^a  I,  48  ff.,  Lan<lsliuth  96  ff..  Litg.  129  ff.,  Groß, 
Gallia  Judaica  S.  308.  Die  angeführten  Stinke  alle  in  Genn.,  Kom- 
mentare zu  r"n"^r! -nbx  in  Or  Sar.  11,  r)7r  ff.  Seliehas  Litg.  243,  S. 
P.    180. 

8.  Litg.  139,  244  ff.,  Landsluilli  17  f.;  Übersetzungen  S.  P.  206  ff. ; 
Parallelen  in  den  Selichas  Litg.   61(i. 

9.  .Meirs.  Litg.  145  ff.,  248  ff.;  über  den  Namen  da.s.  610.  Landsliuth 
162.  Übersetzungen  S.  P.  188  ff.  —  Haschi  (vgl.  die  Literatur  JE  X,  328) 
Litg.  252  ff.,  S.  P.  181.  Zum  Siddur  usw.  vgl.  die  Einleitung  von  Buber 
u.  Freimann  zu  ihrer  Ausgabe  des  Siddur  Raschis,  1911.  —  Jakob  Tarn 
Litg.  265  ff.,   Landshuth   106  ff. 

10.  Elegien  über  die  Verfolgungen  geleg(>nllieh  des  ersten  Kreuz 
Zugs  verzeichnen  Graetz,  Gesch.  VP,  357  (sehr  ungenau),  Salfeld,  Mar- 
tyrologium  101  ff. ;  einige  deutsche  Auszüge  S.  P.  95  ff.  —  Menarhem 
Litg.  158,  250,  Landshuth  189  ff.  Salfeld  103,  vgl.  Epstein  MS  XLI, 
300  ff.  —  David  Litg.  254,  Landshuth  59.  Gesandtschaft  beim  Kaiser 
s.  Aronius,  Regesten  Nr.  170,  S.  71  ff.  —  Kalonymus  Litg.  104  ff.,  255.  — 
Elieser    Lüg.    259  ff..    Landshutli    20  fr.,    JE  V,  118  f.,    vgl.    S.    P.    246. 

11.  Joel  s.  Litg.  269,  Landshuth  81  f..  Salfeld  113,  vgl.  S.  P.  252.  — 
Ephraim  b.  Jakob  Litg.  288  ff.,  619,  Landshuth  47,  J£  V,  190  f.,  vgl. 
S.  P.  262.  —  Ephraim  b.  Isaak  Litg.  274  ff.,  Land.shuth  48,  vgl.  S.  P. 
254  ff.  —  Menachom  Litg.  294  ff.,  S.  P.  263.  —  Meir  b.  Baruch  Litg. 
357  ff..  623,  Landshuth  160  f.,  vgl.  S.  P.  312  f.,  JE  VIII,  437  ff. 

12.  Über  jüngere  Dichtungen  s.  oben  zu  §  395. 

§  42.  1.  Allgemeine  Charakteristik  bei  Sachs,  Karpeles  a.  a.  O. 
D.  Kaufmann  in  der  Vorrede  zu  S.  Heller,  Die  echten  hebr.  Melodien, 
II.  .\ufl.,  1893.  —  Das  Zitat  aus  Charisi  III.  —  Um  die  Wiederentdeckung 
der  Poesie  der  span.  Juden  haben  sich  besonders  Dukes,  Kämpf,  Letteris 
Edelmann  und  vor  allem  S.  D.  Luzzatto,  um  die  Erläuterung  der  Ge- 
dichte neben  ihnen  M.  u.  S.  Sachs,  A.  Geiger  u.  neuerdings  H.  Brody 
verdient  gemacht.  \on  den  zahlreichen  Werken,  welche  Übersetzungen 
der  Dichtungen  enthalten,  seien  hier  genannt:  Karpeles,  Zionsharfe, 
1889,  A.  Sulzbach,  Die  religiöse  u.  weltl.  Poesie  der  Juden,  (auch  Winter 
u.  Wünsche,  Die  jüd.  Literatur,  III)  u.  Heller  (s.  ob.). 

2.  Ibn  Abitur  s.  Sachs,  Rel.  Poesie  248—255,  Litg.  178—186, 
Landshuth  92—94.   —  Maamad  Charisi  III,  140  (Brody  Albr.  S.  175).  — 

36* 


564  Anmerkungen. 

Aboda:  Studien   88  f.  —   Keduscha  bei  Sachs  253.  —  Hoschanas  vgl. 
Litg.  179  ff.  —  Proben:  Sachs  40  ff.,  S.  P.  220  f.,  Brody  Albr.  9  ff. 

3.  Über  Ihn  Gajjat  s.  Sachs  255—269,  Litg.  194—200,  Landshulh 
ni_116,  Luzzatto  ffij-uJ'^'^s- ni3  38  ff.,  Steinschneider  C.  B.  1110  ff.  — 
Seine  Halachot  weiter  362.  —  Aboda:  Studien  90  f.  —  Einteilung  der 
Poesien:  Litg.  195,  Zitat  das.  • —  Tripolis  im  Gebetbuch  r,'::"  TiS':; 
Venedig  1648  u.  1711.  —  Proben  bei  Sachs  46—62,  S.  P.  225,  Brody 
Albr.   16  ff. 

4.  Über  Bachja  vgl.  Sachs  273  ff.,  Litg.  201,  Landshuth  49—51; 
die  nriSin  übersetzt  bei  Sachs  63  ff.,  beide  Poesien  hebräisch  zuletzt 
gedruckt  in  A.  S.  E.  Yahudas  Ausgabe  des  Al-hi  daja  ilä  farä  'id  al- 
qulüb,  Ende;  vgl.  auch  Brody  Albr.  61  f.  —  Isaak:Litg.  201,  Landshuth 
126  f.,   Geiger,   Jüd.   Dichter  S.   9—12. 

5.  Gabirol  s.  Sachs  217—248,  Litg.  187—194,  Luzzatto  a.  a.  O. 
69  ff.,  Steinschneider  C.  B.  2313  ff.,  Geiger  Salomo  Gabirol  1867,  s. 
Sachs  n^nr,!-;;  Proben  bei  M.  Sachs  1—40,  S.  P.  222  ff.,  Brody  Albr.  39  ff. 
—  Zitat  S.  344  aus  Sachs  223,  die  Königskrone  das.  1  ff.  u.  223  ff.  — 
Verse  (S.  346)  in  Heines  Jehuda  ben  Halevy.  Mose  ibn  Esra  bei  Stein- 
schneider a.  a.  O.,  Charisi  III, beide  nach  Übersetzung  von  Geiger  a.  a.  O. 
S.  109  f.  —  Unbekannte  Abodas  Stud.  89  f.,  136  ff. 

6.  Höhepunkt  der  Poesie  s.  Sachs  272,  Litg.  202.  —  Mose  ibn  Esras 
Lebenszeit  bei  Luzzatto  nbin"  24,  das  Zitat  aus.  Sachs  282  f. ;  vgl. 
sonst  Steinschneider  C.  B.  1801  ff.  —  Selichadichter  =  nsorrod.  ",n;3 
S.  P.  228.  —  Aufzählung  der  Dichtungen  bei  Landshuth  243 — 255. 
berichtigt  Litg.  202  f.,  614,  Luzzatto  mb  54  ff.  .—  Proben:  Sachs  69—83, 
S.  P.  228  ff.,  Brody  Albr.  76  ff.,  Studien  92  f.  —  Über  seine  Poetik  s. 
Steinschneider,  Arabische  Literatur  §  101,  Schreiner  in  REJ  XXI,  98  ff., 
XXII,  68  ff. 

7.  Die  sehr  reiche  Literatur  über  Jehuda  ha  Levi  s.  bei  Brody, 
Studien,  S.  5  Anm.,  JE  VII,  351.  Viel  neues  Material  für  eine  Biographie 
des  Dichters  ist  im  Diwan  u.  in  Brodys  Erläuterungen  zu  den  Poesien 
enthalten.  —  Die  Verse  aus  Heines  Jeh.  ben  Halevy.  ■ —  Zu  S.  349  vgl. 
Sachs  303  ff.,  Karpeles  420  ff.,  426.  —  Die  Zionide  Karpeles  426.  Deutsche 
Übersetzungen  des  Liedes  haben  bereits  Mos.  Mendelssohn  und  Herder 
angefertigt,  s.  Karpeles,  Diwan  d.  Jeh.  Halevi  II.  Aufl.,  S.  172  ff.  —  Auf- 
zählung der  religiösen  Poesien  Litg.  203 — 207,  Landshut  69 — 77,  am 
reichhaltigsten,  allerdings  ungeordnet,  in  Luzzattos  Vorrede  zu  seinem 
Diwan.  —  Proben  bei  Sachs  83—106;  S.  P.  231  ff.;  A.  Geiger,  Divan  dos 
Castiliers  Abu'l  Hasan  usw.,  S.  56  ff.  (=  X.  S.  III  138  ff.);  Karpeles. 
Diwan  (s.  ob.);  Brody  Albr.  100  ff. 

8.  Über  Abraham  ibn  Esras  Leben  s.  zuletzt  Rosin  in  MS  XLII. 
18  ff.;  über  seine  rel.  Poesien  Sachs  310—320,  Litg.  207—14,  Landshuth 
5 — 9.  Eine  Sammlung  der  Dichtungen  bei  Egers,  Diwan  des  Abr.  ibn 
Esra;  dort  186  f.  ein  Verzeichnis  der  im  Diwan  nicht  enthaltenen  reli- 
giösen Lieder.  —  Proben  S.  P.  238  ff.;  Sachs  109—118;  Rosin,  Reinir 


Aiimci'Uiiii^^cii.  oOo 

11.    (HMiichtr   des    Alu-.    il)i)    lOsrii,    IM.    II,    Cnllcsil.    roesic.    Brody   .Mhr. 
Uf)  ff. 

§  4:?.  1.  l  ntorricht  s.  Clüdeinaims  Artikel  Educalioii  in  JE\\ 
43  ff.  —  Apo.slolat  vgl.  Vogelstein  in  MS  IL,  427  ff.  —  Brieflicher  Ver- 
kehr s.  J.  Miiller,  Briefe  u.  Responsen  in  der  vorgeonäischcn  jüd.  Lite- 
ratur 188Ü.  —  Ha<,'adal)ü(her  O.  \'.  lS2d.  —  Gebete  in  der  talimid. 
Zeit  ob.   25G  ff. 

2.  Sofrim  ist  sehr  eingehend  bearbeitet  von  J.  Müller,  Leipzig  1878; 
in  der  Einl.  ist  über  Ursprung  u.  Charakter  der  Schrift  das  Erforderlichen 
nachzulesen.  — ■  Über  Toravorlesung  u.  Gebete  spricht  Sof.  von  X  (resp. 
1X9)  ab,  jedoch  wird  XII,  8b— XIII,  8  wieder  auf  das  Thema  des  Tora- 
Schreibens  zurückgekommen;  hagadische  Ab.schweifungen  auch  sonst.  — 
W'ochentagsgebete  in  X,  7;  daß  XVII,  II  sich  auf  festliche  Tage  bezieht, 
wurde  ob.  S.  85  u.  113  nachgewiesen.  —  Jehudai  ob.  S.  163. 

3.  Minhag  Ri  2  ff.,  ob.  S.  206.  —  isrisü  nip-o  z.  B.  Pes.  IV,  Meg.  II 
u.  ö.  —  nrön  ■!::20  sns'S  Sof.  XIV,  18.  —  Wie  der  Minhag  sich  bildete 
und  beeinflußt  wurde  Ri  3  1.,  Zitat  aus  Ri  4.  —  Anfragen  bei  Geonim 
Ri  5,  16,  184  ff.  Das  Material  ist  seit  Zunz  bedeutend  größer  geworden, 
vieles  ist  aus  den  nach  Materien  geordneten  Zusammenstellungen  in 
J.  Müllers,  Einleitung  in  d.  Responsen  d.  Geonim  zu  entnehmen,  aber 
auch  dazu  lassen  sich  aus  den  Veröffentlichungen  der  letzten  20  Jahre 
zahlreiche  Ergänzungen  beibringen. 

4.  Zur  Entwicklung  der  Gebetbuchliteratur  s.  Ginzberg,  Geonica  I, 
119  ff.  —  Natronais  Gebetordnung  das.  II,  119  ff.;  seine  Responsen  bei 
-Müller,  Einleitung  S.  104  ff.  —  Daß  damals  Gebetbücher  schon  ver- 
breitet waren,  hebt  Ginzberg  mit  Recht  hervor,  wenn  auch  der  von  ihm 
erbrachte  indirekte  Beweis  nicht  stichhaltig  ist,  da  die  Anfrage,  ob  ein 
Blinder  als  Vorbeter  fungieren  darf,  an  Meg.  IV,  6  anknüpft.  Vergleicht 
man  jedoch  Natr.  Bescheid  mit  dem  Satze  Jehudais  bei  Müller,  Hand- 
schriftl.  Jehudai  Gaon  zugewiesene  Lehrsätze,  S.  10,  Nr.  IX,  so  sieht 
man,  daß  Jehudais  Gegnerschaft  gegen  Gebetbücher  bereits  völlig  über 
wunden  ist.  —  Daß  auch  Kohen  Zedek  einen  Siddur  verfaßt  hat,  wie 
Ri  18c  angenommen  ist,  hat  sich  nicht  als  haltbar  erwiesen,  vgl.  Müller, 
Handschriftliche  usw.  S.  17,  X;  Geonica  I,  123.  —  Zu  Amram  s.  ob. 
S.  7u.  d.  Anmerk.  — Die  vorliegende  Form  dieses  Siddur  ist  durch  Ginz- 
berg I,  126—154,  einer  sehr  eingehenden  Untersuchung  unterzogen 
worden.  Daß  der  Text  der  Gebete  vielfachen  Änderungen  unterworfen 
wurde,  ist  dort  S.  124  ebenfalls  anerkannt,  aber  im  Gegensatz  zu  G. 
bezweifele  ich,  ob  von  Anfang  an  der  Wortlaut  der  Gebete  vollständig 
angegeben  war;  denn  'r-nsi  nibsn  -no  muß  durchaus  nicht  Wortlaut 
der  Gebete  heißen,  der  Ausdruck  kann  sich  ebensogut  auf  die  Anordnung, 
die  Reihenfolge  der  Gebete  u.  auf  die  Eulogien  beziehen  wie  bei  Natronai. 
—  Unter  den  Quellen  Amr.s  steht  der  Brauch  der  beiden  Hochschulen 
und  des  Exilarchenhauses  (-»i^rc  irs-.  n^^,  das  ich  gegen  Ginzberg  I, 
42  f.  so  auffasse)  in  erster  Reihe;  von  literarischen  Quellen  benutzt  er 


566  Anmerkungen. 

besonders  die  Responsen  Xatronais.  —  Neben  den  verbreiteten  Titeln  im 
Text  kommt  auch  c-irs  '-;l  C^riTnia  Or.  Sar.  I,  26b  vor.  —  Die  Be- 
nutzung Amr.  wird  bei  einer  Vergleichung  mit  Itt.  u.  V.  besonders  klar.  — 
Daß  die  Piutim  im  II.  T.  der  Ed.  Warschau  nicht  zu  Amr.  gehören, 
bedarf  keines  weiteren  Wortes.  Die  Selichas  für  die  10  Bußtage  sind 
jetzt  durch  Mx.  28,  Fr.  II,  308  ff.  bekannt.  —  Über  Saadjas  Siddur  s. 
Steinschneider  C.  B.  2203  ff . ;  Neubauer  in  Ben  Chananja  1863,  S.  552. 
1864,  S.  199,  234;  Bondi,  D.  Siddur  des  R.  Saadja  Gaon,  1904  u.  ZFHB, 
IX,  104.  —  Abfassung  in  Babylonien  u.  Beeinflussung  von  Ägypten 
Geonica  I,  166  f.  u.  Mose  b.  Maimon  I,  327.  —  Gelehrte  z.  B.  Hai  Ge- 
onica  I,  175.  —  Andre  Ri  19.  Man  darf  jedoch  nicht  überall,  wo  in 
Quellen  aus  dem  Mittelalter  ein  ",-!D  zitiert  ist,  ein  Gebetbuch  ver- 
muten. So  z.  B.  bedeutet  rtTssu;  '^  -" iO  in  der  Bücherliste  bei  E.  N. 
Adler  in  JQR  XIV,  57  nicht  den  Siddur  Raschis  od.  ähnl.,  sondern  die 
Aboda  Gabirols;  der  dort  mitgeteilte  erste  Vers  bildet  den  An- 
fang der  von  mir  Studien  S.  143  ff.  veröffentlichten  langen  Aboda. 
Ebenso  nannte  man  Jos.  Tob  Elems  halach.  Gedicht  (ob.  S.  333)  häufig 
^lö,  vgl.  z.  B.  Tos.  Pes.  115a  s.  v.  -.ifTi.  —  Ibn  Gajjats  Halachot,  zuerst 
in  Geigers  Wiss.  Zeitschr.  V,  396  ff.  durch  Dernburg  besprochen,  sind 
durch  S.  Bamberger  1861  u.  d.  T.  nrnsu  "^'a^u  veröffentlicht;  s.  auch  ob. 
342.  —  Jeh.  al  Barzeloni  vgl.  JEVll,  340  f.  u.  Albeck  i-!"T!-!i  "^pTp-rna 
in  Lewy-Festschr.  hebr.  104  ff.  —  Eschkol  in  Gallia  414,  JE  I,  110  f.  — 
Mischne  Tora  in  Mose  b.  Maimon  I,  319 — 331.  —  Raschi  vgl.  ob.  335, 
zu  V.  auch  Ri  20.    Das  C'^::":'^sr!  ':;:'p  ed.  von  Brody  1894. 

5.  Minhag  im  neuen  Sinn  von  Ritus  Ri  38.  —  Verschiedenheiten 
das.  7  f.  —  Balkan  das.  79  f.,  Italien  76  f.,  Deutschland  59  ff.  —  Spa- 
nien 39  ff.  —  Dichtungen  zersplittert  (S.  365)  das.  106  ff.,  131,  139  ff.  — 
Kinot  89  f.  —  Hoschanot  91.  —  Versöhnungstag  95,  97  ff.  —  t^T\  rtsnsi 
Litg.  107,  110,  Berliner  IL  13  ff.,  63.  DieAmnonsage  bei  Landshuth  45  f. 
u.  in  älteren  Ausg.  des  deutsch-poln.  Machsor  zu  ri""-,.  Seiner  Verbreitung 
und  seiner  Sprache  nach  muß  das  Stück  in  die  ersten  Anfänge  des  Piut 
hinaufreichen.  Vgl.  JE.  I,  525  f.  —  Spanien  Ri  88  f.,  92  ff.,  104  ff.  — 
Provence  das.  45.  —  Selichas  131  ff.  —  Spanien  das.  732.  —  Die  Unter- 
abteilungen der  Riten  Ri  39  ff.  —  Daß  viele  Riten  nebeneinander  be- 
stehen dürfen,  hebt  z.  B.  Hai  Gaon  in  c-ri  n'irn  §  119  Ende  hervor 
(nims:  cssu  rrhtr\  "^sn:^  n^a).  —  Literatur  der  Minhagim  Ri  21  ff.  — 
Dazu  ist  ferner  zu  vergleichen  das  sehr  interessante  Werk  r"2X  "-z  von 
Menachem  Meiri  (1249 — 1306),  das  zwar  nicht  ausschließlich  gottes- 
dienstliche Bräuche  behandelt,  aber  viele  wichtige  allgemeine  Bemer- 
kungen über  Minhagim  bietet.  Meiris  Standpunkt  ist  der,  daß  jeder 
sich  bestreben  soll,  die  Überlieferung  seiner  Heimat  treu  zu  bewahren, 
daß  aber  niemand  seine  Bräuche  andern  aufdrängen  soll  (S.  6),  insbe- 
sondere in  Fragen  des  Gottesdienstes  und  der  Gebettexte  (S.  101).  — 
Über  die  Wormser  Minhagbücher  vgl.  Epstein  im  Kaufmann  Gedenk- 
buch S.  288  fL  —  Meir  v.  Worms  ob.  334.  —  Abr.  b.  Nathan   vgl.   D. 


I 


Aiimi'rkiiii^,'i'ii.  5G7 

Casscl   in    Zun/,   .1  iilxlsclir.    122  ff.,    (l.illi.i    2s:5,    ./fl,    llt;r.  Mrir  oli. 

;J38.    —    Zidkia    \ Oifclslciii    u.    l{it'Kci'  I,  IJS2  ff.  Ahion    Iim    Cnhcii    ii. 

Kolbo  H\  :n,    (iallia  2«)0,  420.    JE  1,  12.    Kdlx»  das.  \  II,  ä:;«  f.  \\>\i- 

(Irahain  H\  30,  /£  I,  139.  —  c"^r-j -no  (Iallia  240.  Ti'xl  in  .1  iil)>  Isdir. 
fiir   iM.    Blorli,    190r>,    Berichtig,    in    Zfll  H  I  X.  143  ff.  KianUlicil    d.T 

Minli.  OüdiMiiann.  l-^rziiluingswesen  d.  .Indm  in  I'ranUr.  n.  I  )i'ut.s(hl.  II, 
13  ff.  —  Jakob.  Mölln  JE  \  III,  052,  da.s  Zitat  au.s  d.  Kinl.-ilung  zu  V'-^-nr:. 
—  Die  über.schfttziing  der  Minhaf^fiin  tritt  besonders  kraß  im  Stnil  lun 
d(  n  Ifanibiir^'er  Tempel  (weiter  S.  402  ff.)  ziita{,'e,  die  (lulachlen  in 
tr^^sn  •'isn  rtbx  berufen  sich  fortwährend  auf  die  l  nverilnderlichkeil  der 
Miniiagini.  v<il.  la.  3,  23.  Eine  große  {{olle  spielt  dabei  der  von  .Mir. 
Llumbinner  in  cn-^x  -^-s  zu  8ch.  Ar.  I,  (iH,  angeführte  Salz  aus  j. 
Er.  III,  E.  M-^msx  anj-^is  -icn  bx  nbsrn  -iio  ms  •inb'cc  ■^"srx.  Bekanntlich 
ist.  das  Zitat  falsch,  (>s  muß  lauten,  misna  "'"■iD  nrb  "inVrc  E"rx.  es  be- 
zieht sich  auf  die  Einfiilirung  des  festen  Kalenders  und  hat  mit  den 
Ciebeten  niciils  zu  tun.  Ahr.  Cumliiiini'r'  lniiifl  sich  siinerscils  auf  Is. 
Lurja. 

7.  Viele  Beispiele  für  Zerstörungen  von  Poesien  Hi  13!»  ff.  — 
Worms  s.  Berliner,  Über  den  Einfluß  d.  ersten  hebr.  Buchdrucks,  S.  22. 
■:=5':  T2X  Hi  119  f.  —  Selichas  das.  142.  —  Zusätze  144. 

8.  Synagogen  in  Konstant,  u.  Saloniki  Ri  146,  noch  größere  Zahlen 
bei  Graetz  IX^  27  f..  32.  —  Einfluß  des  Buchdrucks  Ui  145  f.  u.  Ber- 
liner a.  a.  O.,  vgl.  aucli  Randb.  1,  8  ff.  —  .\nklagen  gegen  Gebetbücher 
Ri  147,  die  Zitate  aus  148  f.  Zensurproben  222  ff.  vgl.  auch  Berliner, 
Zensur  u.  Konfiskalion  hebr.  Schriften.  —  Mängel  dei'  Drucke  Ri  174  f.; 
Berliner.    Abhandlung   über   den   Siddur   des   Schablai    ha-Sofer,    1909. 

§  44.  1.  Andacht  s.  JE  IV,  549  f.,  dort  auch  die  Definition  nach 
Maimonides;  vgl.  auch  F.  Perles  Schrift  über  Bou.sset,  Religion  des 
Judentums,  S.   101  ff. 

3.  Essäer  u.  Therapeuten  ob.  24().  250.  —  '-n  r"Tcn  Ber.  \.  I, 
b.  32b,  "(TtTT:  das.  26a. 

4.  Vgl.  Bloch  MS  XXXVII.  18  ff.  Zitat  das.  S.  22.  —  Keduscha- 
hymnen  das.  73.  —  '^sx""  r"nsn  das.  258.  —  Gebete  der  n22"ns  ^"t-^r^  262  ff. 

5.  Ahron  b.  Sam.,  Lilg.  105  als  Erdichtung  usw.  bezeichnet,  ist 
jetzt  durch  die  Chronik  d.  .\chimaaz  von  Oria  (bei  Neubauer,  Med. 
Jew.  Chron.  II,  112)  näher  bekannt;  vgl.  Kaufmann  in  MS  XL,  1896, 
465  ff.  —  Stammbaum  der  Mystiker  s.  REJ  XXIII,  230  ff.  MS  IL,  1905, 
692  ff.,  wo  auch  die  ganze  zugehörige  Literatur  verzeichnet  ist.  — 
Über  Samuel  d.  Frommen  Epstein  in  ■,'-;n  1\'.  8i  ff.,  über  Jehuda  Litg. 
218  ff.,  Landshuth  77  f.,  Güdemann,  Erziehungswesen  usw.  I.  153  ff.  — 
Eine  zusammenhängende  Gruppe  von  Sätzen  über  Andacht  u.  Gebete 
in  D^n^Dn  'O  §§  393 — 588.  —  Über  den  Einheitsgesang  s.  Berliners 
gleichnamige  Schrift.  —  Zählen  der  Buchstaben  Tur  I,  llßg.  E.,  vgl. 
dazu  Perles  in  Graelz-Jubelschr.  S.  17  f.  —  Über  Eleasar  b.  Jehuda  s. 
Litg.  317  ff.,  Landshuth  24  ff.,  Güdemann  das.  173,  JE  V,  100  ff. 


568  Anmerkungen. 

6.  Kabbala  s.  JEUl,  456  ff.  Sohar  das.  699  ff.  Aus  dem  Sohar 
stammt  das  Gebet  !T2'a  '^i-c  beim  Ausheben  der  Tora  ob.  S.  200. 

7.  Zum  Ganzen  s.  Schechter,  Studies  II,  202  ff.,  Bloch  MS  IL, 
129  ff.  Die  Kabbala  auf  ihrem  Höhepunkt  usw.  (auch  separat).  — 
Safed  bei  Schechter  209  ff.  —  Lurja  das.  254  ff.  —  Orden  in  Safed 
das.  242.  —  Lurja  über  das  Gebet  S.  271.  —  Neue  Gottesdienste  242  ff., 
Mahlzeiten  249;  Isr.  Xagara  als  Hymnensänger  251,  vgl.  auch  Bacher 
REJ  LVIII— LX,  LXII,  74ff.  u.  Davidson  das.  85  ff. —Vital  s.  Schechter 
266  ff.,  Landshuth  64;  das.  122  über  Lurjas  Piutim.  —  Lurjanisches 
im  Gebetbuch  Ri  149  ff.,  die  Zitate  das.  150.  In  Germ,  ist  die  Beein- 
flussung durch  die  Kabbala  seit  Ed.  Thiengen  1560  nachzuweisen,  vgl. 
dazu  Berliner  Randb.  I,  30  ff.  —  Men.  As.  da  Fano  JE  V,  341  f.  —  Die 
große  Zahl  der  Cii3ipn  ist  aus  den  Anführungen  bei  Steinschneider 
C.  B.  455 — 477,  Zedner,  447  ff.  u.  van  Straalen,  Index  519  f.  ersichtlich, 
obwohl  diese  Aufzählungen  nicht  lückenlos  sind.  —  Nathan  Spira  JE 
XI,  523,  Nr.  24.  —  Jes.  Horwitz  das.  VI,  465  f.,  Landshuth  133  f.  — 
Nathan  Hannover  JE  VI,  220.  —  Zusätze  Ri   152  f.,   Berliner  a.   a.   O. 

8.  Schechter,  Studies  I,  1  ff.,  JE  VI,  152  ff.,  Horodezky  S.  A. 
mT^onn  ni-iirb,  Warschau  1912.  Über  Isr.  Baal  Sehern  Schechter 
S.  7  ff.,  Horodezky,  das.  17  f.  —  Seine  Theorie  des  Gebets  Schechter  29  fL 
—  Eigenes  Gebetbuch  das.  46.  —  Zitat  aus  Sal.  Maimons  Lebensge- 
schichte,  1792,  I,  222. 

9.  In  den  genannten  Gutachten  ni-^n  '-.z-  rhu  ist  überall  der 
Einfluß  der  lurjanischen  Mystik  wahrzunehmen.  Änderungen  oder 
Verdeutschungen  der  Gebete  werden  für  unstatthaft  erklärt,  weil  dadurch 
die  ursprüngliche  Absicht  u.  die  Einwirkung  auf  die  höhere  Welt  ver- 
eitelt wird. 

Kap.   III. 

§  45.  1.  Als  Beispiel  für  die  Beurteilung  des  Gottesdienstes  durch 
die  Gebildeten  (S.  395)  kann  die  Auffassung  Bendavids  und  Dav.  Fried- 
länders  gelten,  vgl.  auch  Bernfeld  13. 

2.  Über  Isaak  Satanows  Gebetbuch  s.  Ri  169  f.,  175,  231  ff.  — 
Über  Heidenheim  Ri  175,  Berliner  Randb.  I,  9,  38  ff. ;  über  sein  Leben 
MS  XLIV,  127  ff.,  XLV,  422  ff.,  JE  VI,  319.  —  Über  Sachs  s.  Eschel- 
bacher  in  MS  LH,  385  ff.,  JE  X,  613.  —  Baer  JE  II,  433  f.  —  Über- 
setzungen aus  älterer  Zeit  Ri  154  f.,  die  Liste  kann  leicht  vermehrt 
werden.  —  Pinto  in  London  u.  die  and.  ersten  Übersetzungen  G.  V. 
467,  Ri  170;  Philipson,  Reform  Mov.   14  f.,  JEX,  172. 

3.  Amsterdam  Graetz,  XP,  211  f.,  Philippson  I,  65,  JEl,  542. 
Die  Streitschriften  verzeichnet  de  Silva  Rosa  in  ZfHB  XV,  1911,  107  ff. 

—  Franz.  Konsistorialordnung  s.  Lemoine,  Napoleon  I  et  les  Juifs, 
S.  281.  — Über  Jacobsohn  s.  Jost,  Kulturgesch.  14  ff.,  Philippson  I,  29  ff., 
Graetz  XI 2,  278  ff.,  373  ff.  (bekanntlich  sehr  ungerecht),  Bernfeld  59  ff. 

—  Über  die  Reformen  im  Kgr.  Westphalen  und  ihre  Aufnahme  s.  Auer- 


Amiicrkmi^'fii.  5G9 

Lach,  (Ji'scli.  il.  Jmlfii  in  Hall..'isla(ll,  21«  ff.  s.  auch  ().  V.  475.  —  Pliil- 
anlliropin  ;-.  liaerwald  ii.  Aillcr,  Cicsch.  dos  Philaiilhrupii),  8.  5U  ff.  — 
Konfirrualioii  ('..  \.  472,  JE  1\,  211»  f.  Alsoine  fremdarligo  Einrichtung 
wird  sie  u.  a.  von  I..  i.ow,  Li-itciisaitiT  218  ff.  412  bezeichnet.  —  Däne- 
mark JE  l\\  .")24. 

4.  Über  David  Fritilhliider  s.  .).  H.  Ritlers  gh'ichnaiii.  Schrift, 
JE\\!)\4!.  ■ —  Die  Strcit.sciiriften  bei  L.  Geiger,  (lescli.  d.  Juden  in 
Berlin,  11.  210  ff..  Friedl.  Anschauungen  bei  .lost  a.  a.  ().  12  ff.,  Philipp- 
son  1,  ö2.  —  Über  den  Jacobsohn.sciien  Gottesdienst  s.  Jost  (a.  a.  O.) 
u.  Zunz  (G.  V.  475  f.),  die  beide  an  ihm  teilgenommen  haben,  Zunz  eine 
Zeillang  als  Pre<liger.  —  Über  die  Gebetbücher  u.  die  Einzelheiten  des 
Streites  s.  Geiger  a.  a.  O.  II,  219  ff.  u.  die  Berichtigungen  bei  Bern- 
feld G3  ff.,  241  ff.  —  Preußen,  G.  V.  476. 

5.  über  den  Hamburger  Tempel  s.  Jost  20  ff..  Theologische  Gut- 
achten über  das  Gebetbuch  nach  d.  Gebrauch  d.  Neuen  Isr.  Tcmpel- 
vereins  in  H.,  S.  4  ff.,  Graetz  XI-,  76  ff.,  Philippson  I,  162;  über  das 
Gebelbuch  Bernfeld  247  ff.  —  Kritik  durch  Geiger  in  .seinem  Der  Ham- 
burger Tempelstreit  1842,  S.  37  ff . ;  andre,  z.  B.  Mannheimer  in  den 
Theol.  Gutachten,  S.  96,  Stein  das.  113  f.,  Frankel  im  Orient  1842, 
Xr.  7 — 9.  —  Macaulay,  On  the  disabilities  of  the  Jews,  ed.  Abrahams 
u.  Levy,  S.  31  ff.  —  Gegner  (S.  406)  z.  B.  Graetz  XI,  378  f.  —  Anhänger 
des  Alten  wie  J.  L.  Riesser,  Sendschreiben  an  meine  Glaubensgenossen.  — 
Die  Stellung  der  Rabbiner  in  rT^^in  i-i2l  nix,  Altona  1819,  u.  Löwen- 
stamm d-^Tin^Tis,  Amsterdam  1823,  vgl.  dazu  Jost  22  ff.,  Graetz  379  ff., 
ob.  zu  §  436  u.  449.  —  Über  die  Orgelfrage  vgl.  'i2n  i-i2T  nss,  S.  4  f.,  15, 
19  ff.,  30  ff.;  Löwenstamin  S.  17  f.  —  Die  Gutachten  im  p"is  reis  waren, 
wie  Jost  24  f.  u.  Bernfeld  76  ff.  richtig  bemerken,  v  o  r  dem  Hamburger 
Streit  zur  Verteidigung  des  Berliner  Gottesdienstes  gesammelt. 
Über  Liebermanns  Charakter  s.  Graetz  XI,  381  u.  Berliner  in  J  ü  d. 
Presse,  1891,  S.  547. 

Die  Satire  von  M.  J.  Bresselau  u.  d.  T.  rr~i  np:  n^p:  2-n  ist  wieder 
abgedruckt  bei  Bernfeld  254  ff.  Sonstige  Streitschriften  bei  Jost  a.  a.  O., 
G.  V.  493  ff.  in  den  Anmerkungen.  —  Mißbräuche  im  Gottesd.  rügt 
Eleasar  Schemen  Rokeach  aus  Triesch  in  '2rt  •'"is"!  nbx  S.  95.  —  Still- 
stand im  Tempel  A.  Geiger  a.  a.  O.,  S.  63  ff.  —  Zunz  u.  Moser  bei  Strodt- 
mann,  Heinr.  Heines  Leben  I,  283.  Bekannt  sind  Heines  wiederholte 
spöttelnde  Bemerkungen  über  den  Tempel  und  seine  Prediger.  —  Die 
Äußerung  S.  410  stammt  von  Bresselau,  s.  Theol.  Gutachten,  S.  25.  — 
Leipzig  u.  and.  Gemeinden  G.  V.  477  f.,  Jost  27,  66  ff.  —  Sachsen-Weimar 
Ijei  Philipson  52,  105;  nach  Jost  226  protestierte  Heß  gegen  die  An- 
wendung jedes  Zwangs. 

§  45.  1.  Über  die  Zeit  von  1820  bis  1830  s.  Philippson  I  83  ff.  — 
Der  innere  Verfall  bei  Geiger,  Zeitschr.  f.  wiss.  Theol.  L  1  ff.  u.  in  Hirschs 
Neunzehn  Briefen,  Nr.  1.  —  Über  Hirsch  s.  Jubiläums-Nummer  des 
Israelit,  1908,  JE  VI,  417,  über  Geiger  vgl.  Abraham  Geiger,  Leben 


570  Anmerkungen. 

u.  Lebenswerk,  herausg.  von  Ludw.  Geiger,  Berlin  1910.  —  Rießer  s. 
Philippson  I.  240  ff.,  S.  Stern,  Gesch.  des  Judentums  von  Mendelssohn 
bis  auf  die  Gegenwart,  S.  198  ff. 

2.  Über  den  II.  Hamb.  Tempel-Streit  vgl.  Theologische  Gutachten 
usw.,  Jost  193  ff.,  Philipson  109  ff.  —  Über  Bernays  s.  Graetz  XI,  387, 
JE  111,  90;  daß  er  von  Gemeindemitgliedern  in  den  Kampf  gedrängt 
wurde,  bei  Bernfeld   137,  Anm. 

3.  Zitat  aus  Geiger,  W  i  s  s.  Z  e  i  t  s  c  h  r.  1,  11 ;  die  folg.  Zitate 
aus  G.  V.  492  f.  —  Die  Presse  wurde  besonders  durch  Ludw.  Philippson 
zu  Bedeutung  gebracht,  der  seit  1837  die  Allgemeine  Zeitung  des  Juden- 
tums herausgab.  Außerdem  kommen  in  Deutschland  damals  der  Orient 
und  der  Israelit  des  neunzehnten  Jahrhunderts,  auf  orthodoxer  Seite 
der  treue  Zionswächter  in  Betracht.  —  Von  Rabbinern  mit  akad.  Bil- 
dung nennt  G.  V.  475,  482  eine  Anzahl  Namen. 

4.  Rabbinerversammlungen  s.  Jost  48,  86  f.,  143,  Geiger  Leben 
u.  Lebenswerk  S.  45  ff. ;  die  Versammlung  in  Braunschweig  verdankt 
ihre  Einberufung  der  Initiative  Ludwig  Philippsons,  s.  A  1 1  g.  Z  e  i  t  g. 
d.  J  u  d.  1843  u.  44.  —  Gegnerschaft  der  konservat.  Rabbiner  in  A  1 1  g. 
Z  e  i  t.  d.  J  u  d.  das.  u.  Rapaport,  Sendschreiben  eines  Rabbinen  1845.  — 
Über  Braunschweig  s.  Protokolle  der  ersten  Rabbiner- Versammlung, 
deren  Richtigkeit  stark  angegriffen  wurde,  s.  Jost  237  ff.,  Philipson 
220  ff.  —  Kol  Nidre  in  Protokolle  S.  41.  —  Kommission  für  Liturgie 
das.  99  ff.,  45  ff. 

5.  Frankfurt  s.  Protokolle  und  Aktenstücke  der  zweiten  Rabbiner- 
versammlung, Jost  249  ff.,  Philipson  233 — 259.  —  Kommissionsbericht, 
Protokolle,  S.  285  ff.,  Debatte  über  das  Formale  das.  14  f.  Der  Bericht 
gab  wesentlich  das  Programm  des  Kirchenrats  Maier  aus  Stuttgart 
(J£  VIII,  264)  wieder  s.  Protok.  289  ff.  —  Prinzip,  besonders  von 
Frankel  gefordert,  Protok.  19  f.,  vgl.  Jost  251  f.  —  Abstimmung  über 
hebr.  Sprache  Protok.  30,  54,  59  f.;  über  Frankeis  Austritt  s.  MS  XLV, 
234,  Philipson  268  ff.  —  Entwurf  eines  Gebetbuchs  Protok.  314  ff.,  Ab- 
stimmung darüber  72.  —  Messiasfrage  106.  —  Wiederholung  d.  Tef.  107. 
—  Musaf  123  f.  —  Toravorlesung  319  ff.,  Beschlüsse  127,  133.  —  Pro- 
pheten u.  Hagiogr.  135  ff.  —  Aufrufen  145.  —  Orgel  151.  —  Breslau  s. 
Protokolle  der  dritt.  Versammlung  deutsch.  Rabbiner;  Sonntagsgottes- 
dienst das.  249  ff. ;  zweite  Feiertage  208  ff . ;  Schofar  usw.  am  Sabbat 
245  ff.  —  Kritik  der  Rabbinervers,  durch  die  Teilnehmer  s.  z.  B.  Hold- 
heim, Gesch.  d.  Entsteh,  u.  Entwick.  d.  jüd.  Reformgem.  in  Berlin, 
S.  139  f.  u.  Jost  250;  Geiger,  Die  dritte  Versammlung  deutscher  Rab- 
biner.    Über    Kritik   von    orthodoxer   Seite    s.    Philipson    225  ff.,    271°. 

6.  Über  die  Reformgemeinde  s.  Holdheim  u.  Stern  a.  a.  O.,  M. 
Levin,  Die  Reform  d.  Judentums,  1895,  Philipson  317  ff.  Gemeinde 
Berlin  s.  Honigmanns  Aufzeichnungen  im  Jahrb.  f.  j.  Gesch.  u.  Lit.  VII, 
177  und  A.  H.  Heymann  (Konservativ),  Lebenserinnerungen,  S.  242  ff.  — 
Zitat  (S.  422)  aus  dem  Aufruf  ,,An  unsere  deutschen  Glaubensbrüder", 


Amnrrknn^'on.  ö71 

bei  Holtlhrim  49  ff.  -  (lollcs.liciist  das.  123  ff.,  Slorn  290  ff.  -  Hcgel- 
niäliiKt'i-  Ciullosdiriist  llnldliciiii  14(5  ff.  —  (-harakler  dcssclhcn  153.  — 
Nur  Sonnlaj!:s  181.  —  Gebolbucli  1«>3  ff..  Hobihriiiis  .Xiittagc  IJJö  ff., 
die  Grundsütze  seinos  Ocbotltiuhs  2U4  ff.  —  Kritik  der  Zyklen  bei  Lc- 
viii,  8.  !)G;  dort  aiuii  die  (irundsiUzc,  nach  denen  die  l  inarbeiluriK  cr- 
fol^'le.  Anch  t,M'>,Mn\varti^'  \sl  eine  iiene  Bearbeitung'  iles  (lelx-tbu«  hs  in 
\  uriiereitnnt,'. 

7.  Streitigkeiten  in  den  ('■cineindeii  .s.  Heyniann  a.  a.  n.  27H. 
l'olen  s.  H.  Chajes  nx'"':nn  "^r-T  !)i  .  -  l  nter.'ilütznng  der  Regierung  z. 
B.  Stuttgart;  Maiers  Gebetbucii  f(ir(J.  ,,liausl.  ii.  öffeiitl.  Oottcsverehrnng" 
erschien  1848.  In  den  meisten  ("lemeinden  entstanden  um  die  Mitte  des 
Jahiliunderts  Synagogen-Ordnungen  ;  es  wäre  sehr  wichtig,  sie  zu  sammeln 
und  zu  vergleichen,  einige  rtennt  Low  W  24. 

8.  Orgel  G.  V.  4!)1 ;  viel  Literatur  l)ei  IMiilip.son  258,  JE  IX,  433.  — 
Geigers  ITST^S  Dl"!  "ii  n3En  ":nc  (Leben  usw.  S.  14(5  ff.)  erschien  erst  1854, 
weil  die  Gemeindeverhältnisse  in  Breslau  erst  Ende  1853  eine  ge.setz- 
liche  Regelung  erfuhren,  s.  Brann,  D.  schles.  Judenheit  vor  u.  n.  d.  Edik 
von  1912,  S.  31.  Andre  Gebetbücher,  wie  das  Philippsons,  sind  für 
die  private  Andacht  bestimmt.  —  Geigers  zweites  Gebetbuch 
s.  Jüd.  Zeitschr.  VII,  241  ff.  —  Jocl  1872,  vgl.  dazu  die  Polemik  in  Jüd. 
Zeitschr.  VII,  1  ff.  u.  240  sowie  Joels,  Zum  Schutz  gegen  ,, Trutz". 

9.  Vgl.  Verhandlungen  der  I.  Israel.  Synode  zu  Leipzig,  S.  185 
Anm.  —  H  Vogelstein,  nssn  "ito  Israel.  Gebetbuch,  2  Bde.,  1895  f.,  s. 
dazu  die  dagegen  u  dafür  veröffentlichten  Gutachtensammlungen.  — 
Über  das  badische  Gebetbuch  s.  die  Denkschrift  des  Oberrats  der  Is- 
raeliten, D.  Hoffmanns  Sendschreiben  u.  M.  Steckelmachers  Wider- 
legung des  Sendschreibens.  In  allen  Gebetbuch- Kämpfen,  bis  in  die 
neueste  Zeit,  spielt  der  Satz  ris'iaa  D^Mn  'SZ'^m:  rs::'2ia  recisn  ba  eine  große 
Rolle;  der  Satz  bezieht  sich  jedoch  nicht  auf  die  Gebete,  sondern 
auf  die  Benediktionen  vor  Genüssen  (-p;!-:-!!  n'3^2),  wie  schon  S.  Serillio 
im    Komment,    zu  j.    Ber.  VI2,    Mainz    1878;   S.   72a,   richtig    bemerkt. 

§  47.  L  Über  Ungarn  s.  Jost  70 — 77,  Low,  Ges.  Sehr.  IV,  331  ff., 
JE  VI,  50L  Neuerdings  ist  man  viellfach  über  die  im  Text  genannten 
Reformen  hinausgegangen. 

2.  Vgl.  G.  V.  486.,  Philipson  122  ff.,  537  If..  J£\lll.  U53.  333, 
Gaster  The  ancient  synagogue  of  the  spanish  and  portug.  Jews,  S.  176  f. 

3.  Leeser  s.  JE  VII,  663.  —  Charleston  G.  V.  486,  Philipson  461  ff. 

4.  Philipson  468  ff.  —  Über  Wise  s.  JE  XII.  541  f..  Sam.  Hirsch 
das.  VI,  417,  über  Einhorn  s.  Kohler,  in  Year  Book  of  the  Central  Con- 
ference of  Amer.  Rabbis,  XIX,  215  ff.  —  Wises  Reformideen  Philipson 
477  ff.  _  über  Einh.  Gebetbuch  Kohler  das.  252  ff.,  das  Zitat  aus  S.  254. 
—  Über  das  Union  Prayer-Book  Philipson  493  ff.  —  Über  die  Jewish 
Religious  Union  (S.  439)  vgl.  C.  G.  Montefiores  Predigtsammlung  ,,Truth 
in  religion",  1906.  Das  Gebetbuch,  1903,  hat  den  Titel  ,,A  Selection  of 
prayers,  psalms  and  other  passages  and  hymns  for  use  at  the  Services  of 


572  Anmerkungen. 

the  Jew.  Rel.  Un.",  die  Stücke  werden  an  den  am  Saljbatnachmittag  und 
den  Feiertagen  stattfindenden  Gottesdiensten  frei  gewählt,  außerdem 
findet  Schriftvorlesung  und  Predigt  statt.  —  Seligmann,  Israel.  Gebet- 
buch, 2  Teile,  1910  und  Denkschrift  dazu  1912. 

D.  in.  Abschnitt. 

K  a  p.    I. 

§  48.  1.  D5)n  U^'z  bei  Low,  Ges.  Sehr.,  IV,  8  f.  Zum  Text  von 
Schab.  32  a  s.  Rabbinovitz  VII,  64.  —  owayojyrj  \g].  LXX-Concor- 
dance  1309  f.  Über  D33  u.  die  Derivate  s.  Levy,  Neuhebr.  Wörterb. 
s.  v.  und  Bacher  in  Dict.  of  the  Bible  a.  a.  O.  — ■  Esnoga  erklärten  die 
Kabbalisten  als  hebr.  rais  üx  vgl.  Luzzatto,  nisi,  S.  115.  —  noogtv/ri 
s.  die  Stellen  bei  Schürer  II,  517.  Juvenal,  Sat.  III,  296.  —  oaßßareTov 
Jos.  Ant.  XVI,  62,  das  Syrische  bei  Payne-Smith,  Thesaurus,  col.  497. 
Die  arab.  Namen  Low  V,  22.  Zu  niinmyn  rr^S  s.  Schechter,  Documents 
of  jew.  Seetaries,  IS.  11  u.  die  sehr  seltsame  Erklärung  bei  Leszynsky, 
die  Sadduzäer  S.  154,  gegen  die  sich  Ginzbergin  MS  LVI,  447  mit  Recht 
wendet.  —  Havras  REJ  XXXI,  53.  Schola  s.  Berliner,  Juden  in  Rom, 
IIa  S.    8  gegen   Güdemann,   Erziehungswesen   III,  94. 

2.  Tradition,  Midrasch  in  Dav.  Kimchis  Komm.  z.  Ez.  ■ —  a^nisiü 
b.  Meg.  29a,  Scherira,  ed.  Neub.,  26;  die  Schreibung  in  einem  Worte  be 
Benjamin  v.  Tudela,  S.  69.  —  Schedia  REJ  XLV,  161  ff..  Schürer  III 
41 — ^43.  —  Hellenist.  Länder  s.  ob.  zu  S.  235.  —  Strabo  bei  Jos.  Ant 
XIV,  72.  —  Verbreitung  der  Synagogen  s.  Bacher  a.  a.  O.  637,  Schürer 
III,  1  ff.  — ■  Targum  bei  Bacher  a.  a.  O.,  Hoffmann  S.  5  f.  —  Harnack 
Mission  u.  Ausbreitung  d.  Christentums,  S.   1. 

3.  Über  Synagogen  am  Wasser  s.  Low  IV,  24  ff.  u.  die  Liter,  bei 
Schürer  II,  519^^  Halikarnaß  s.  auch  Schürer  III,  110,  Tebtynis  das.  45 
—  Rabb.  Quellen  bei  Bacher  638.  —  In  Alexandr.  wurde  nach  Philo 
Flacc.  §  14  ,,in  Zeiten  der  Not"  am  Wasser  gebetet;  so  wie  in  Palästina 
die  Fastengottesd.  auf  dem  Marktplatz  (nin"i)  stattfanden.  —  Jak.  b 
Ascher  u.  Palaggi  bei  Low  IV,  26.  Im  Aristeasbriefe  §  305,  auf  den 
vielfach  verwiesen  wird,  steht  nur,  daß  die  Übersetzer  morgens  erst 
baden  u.  dann  beten,  nichts  darüber,  ob  sie  gemeinsam  beten  und  an 
welcher  Stelle.  —  Rom  s.  Marquardt,  Rom.  Staatsverwaltung  III,  35. 
Babylonien  s.  Epsteins  Ausführungen  in  Markons  np-nrn  i:ni"son  48, 
denen  gegenüber  auf  die  Bestimmtheit  hingewiesen  werden  muß,  mit  der 
die  Tradition  auftritt.  Die  von  Low  IV,  15,  Hoffmann  23  als  Beleg 
angeführte  Stelle  Gen.  r.  708,  wo  niü3  1X3  auf  die  Synagoge  bezogen 
wird,  ist  nicht  beweiskräftig,  da  der  Nachdruck  auf  1X3,  nicht  auf  niuja 
liegt.  Ausnahmen  kamen  jedoch  vor,  z.  B.  Mechusa  b.  Meg.  26b,  wo  die 
Synagoge  innerhalb  der  Stadt  liegt. 

4.  Ägypten  s.  ob.  — ■  Nehardea  b.  Ab.  Sar.  43b ;  da  dort  "'ibl  ixinüi  21 
genannt  sind,  muß  es  sich  um  die  Zeit  vor  den  Verfolgungen  durch  die 


Aiiiiicikuii^'cii.  673 

Mn^'i.  r  liaiidclii   (^'i'j^'-cii    I  InlTiiuiiiii   2'.l\.  Is.isimi   s.    I{i'ii,iii,    .Mi>^-i(j|i   de 

IMu'iiicie,  774.  -  Kai-l'iin^;-Ku  s.  JE\\,'ii\i.  -  Scluitz  di-s  üe- 
sclzos  s.  Cod.  Thfod.  W  IS,  9.  12.  20,  21,  25-27-,  Schürcr  III,  UÜ.  — 
Patri.slisches  ZoitalliM-  s.  Bacher  in  JE  XI,  023,  draetz,  Gesch.  IV*, 
354  ff.  —  Justinian  Schüivr  III,  53,  REJ  XLIV  27.  —  Toledo  s.  JE  XII, 
180.  —  Wien  hei  1).  Kaufmann,  die  letzte  Vei'treil)unf,'  d.  Juden  aus 
Wien,   155  ff. 

5.  Jerusalem  halle  394  Syn.  nach  I).  Ket.  105a,  480  nach  j.  iMej,'.  111,1 
(73(1),  wofür  j.  Kri.  Mll,  1  (35c)  460  steht.  —  Tiberias  b.  Ber.  8a.  — 
Philo  Leg.  ad.  (lai.  :2(),  l\um  s.  Müller,  die  jüd.  Katakombe  usw.  S.  107.  — 
Theodosius  am  20.  X.  415,  Cod.  Theod.  XVI,  822.  —  Kirche  s.  Scherer, 
Rechtsverhältnisse  der  Juden  S.  45.    Omar  JE  IX,  396  f. 

6.  Heiliger  Charakter  der  Syn.  Meg.  III,  1 — 3  u.  Talm.  z.  St.  — 
Leichenfeiern  b.  Meg.  28b.  —  Cäsarea  j.  Nas.  VII,  2  (56a).  —  Panti- 
kapäum  Lit.  bei  Schürer  III,  23,  Deißmann.  Licht  vom  Osten,  233.  — 
Zu  den  nichlgottesd.  \'errichlungen  in  den  Syn.  vgl.  auch  Bacher  642  f.  — 
Gegen  Störung  des  Gottesd.  ist  eine  der  \  erordnungen  K.  Gerschoms 
gerichtet  vgl.  Rosenthal  in  Ilildesheimer  Jubelschr.,  S.  49  ff.  über 
die  Syn.  im  Mittelalter  s.  Abrahams,  Jewish  Life  in  the  Middle  Ages,  S.  7  ff, 

§  49.  1.  Zur  Orientierung  vgl.  Low  IV,  37;  L.  vergleicht  die 
Richtung  der  Synag.  mit  der  des  Wüstenzelts  Num.  338.  —  Zum  Text 
von  b.  Ber.  30a  vgl.  Sifre  Dt.  §  29,  Midr.  Tann.  S.  19. 

2.  Über  die  Synagogenruinen  in  Galiläa  vgl.  die  Mitteilungen  der 
Deutschen  Orient-Gesellschaft,  bes.  Nr.  29,  Krauß  a.  a.  O.,  Master- 
man,  Studies  in  Galilee  I  S.  109  ff.  Das  Zitat  über  Tell-IIum  aus  Mit- 
teilungen Xr.  29,  S.  14  ff.  —  Hammam-Lif;  das  \erdienst,  die  Ruinen 
als  jüdisch  erkannt  zu  haben,  gebührt  D.  Kaufmann,  vgl.  REJ  XIII,  46ff., 
wo  auch  eine  Abbildung  des  Mosaiks  gege!)en  ist.  Die  Beschreibung 
nach  Monceaux  in  REJ  XLIV,  11  ff. 

3.  Zum  Text  von  Tos.  Sukk.  vgl.  j.  das.  V,  1  (55a),  b.  51b.  —  Philo 
Flacc.  §  7.  —  Phokäa  REJ  XU,  236  ff..  Schürer  III,  14.  —  n-rs  j. 
Meg.  III,  4  (74a).  —  Manlinea  REJ  XXXIV,  148,  Schürer  II,  521. 

4.  Midr.  Tanch.  »n'pna  4  (III,  55b),  ich  halte  die  Stelle  für  eine 
Glosse.  —  Kirche  z.  B.  in  Sens,  Abrahams  S.  27.  —  Mittelalter  Low  IV, 
27  ff. 

5.  Irbid  Mitteilungen  Nr.  29,  S.  13.  —  Empfohlene  Richtungen  bei 
Low  39  ff.  —  Christentum  s.  Rietschel,  Liturgik  1,88,  124.  —  Heil. 
Land,  nach  Bacher  a.  a.  O.  639  gilt  die  Vorschrift,  die  Türen  im  Osten 
anzulegen  nur  für  Babyl.,  weil  Pal.  westlich  davon  lag,  was  kaum  richtig 
ist.  —  Galiläa,  Baumotiv  s.  Krauß,  S.  5.  —  Aussicht  auf  den  See,  von 
Masterman  S.  111,  119  betont.  —  Nebratein  s.  Mitteilungen,  S.  25.  — 
Meiron  das.  23.  —  Maim.  r'zzT,  'n  XI,  2;  für  Frankreich  u.  Deutschland 
vgl.  Tos.  Ber.  6a  s.  v.  -"nx,  Hag.  Maim.  a.  a.  O.,  Tur  I,  150.  —  Seh. 
Ar.  I,  50,  5,  Mord.  Jaffe  'C'dis  942  vgl.  dazu  Mos.  Sofer  Resp.  L  §  27; 
Low  IV,   50  ff. 


574  Anmerkungen. 

6.  Drei  Türen  findet  man  in  ed-Dikki  (Mitteilungen,  S.  6),  in  Tell- 
Hum  (das.  14),  in  Meiron  (das.  23),  in  Kefr  birim  (das.  27),  vgl.  auch 
Krauß,  S.  20.  —  Midrasch  Lev.  r.  XXIJ,  4  x^S'^a^a  "is^n.  Seitentüren  sind 
in  Umm  el-Kanätir,  Teil  Hum,  Nebratein  vorhanden,  Mitteil.  S.  7,  14, 
26.  —  Fußboden  in  Irbid  das.  13.  Zur  Sache  vgl.  Low  IV,  33,  Studien  34. 
—  Synagogen,  zu  denen  eine  oder  mehrere  Stufen  hinunterführen,  gibt 
es  noch  in  großer  Zahl,  so  z.  B.  die  ..Alte  Synagoge"  in  Berlin;  besonders 
auffällig  ist  es  bei  der  Altneuschul  in  Prag. 

7.  Schlechter  Plattenfußboden  in  ed-Dikki  u.  Kanätir  (Mitteil. 
S.  6  f.),  Kalksteinplatten  in  Teil  Hum  (das.  15),  Mosaik  aus  Kalkstein 
in  Umm  el-Amed  (das.  11).  —  Hammam-Lif  ob.  S.  457.  —  Pontus  bei 
Levy,  Jahrb.  II,  298.  —  Nicht  vorschriftsmäßig  s.  Tos.  Meg.  22b  s.  v. 
rr''S'2  '^xi.  —  Matten  Seh.  Ar.  I,  131$,  vgl.  Lewysohn  wi.rc'Q  i^ipa 
§  56,  S.  84.  Zur  Sache  vgl.  auch  Krauß  S.  16,  dessen  Bemerkung 
über  Teil  Hum  jedoch  nicht  haltbar  ist,  da  sie  vom  heutigen  Zustand 
der  Ruine  ausgeht.  Der  Fußboden  der  Synagoge  in  Cochin  ist  mit 
Porzellanplatten  belegt,  vgl.    Kohut,  Semitic  Studies  416. 

8.  ipb^ö^  ob.  S.  458.  —  Hammam-Lif  457.  —  Galiläa  454.  —  Kai- 
Fung-Fu  JE  IV,  36.  Doppelte  Säulenstellung  in  ed-Dikki,  Kanätir 
(Mitteilungen  S.  6  f.),  Meiron  u.  Nebratein  (S.  23,  26),  dreischiffig  Kefr 
birim  u.  El  Djisch  (S.  30  f.),  mit  Umgang  Umm  el-Amed  (das.  11),  Irbid 
u.  Teil  Hum  (13  ff.).  —  Rom.  Einfluß  s.  Mitteilungen  Nr.  29,  S.  33.  — 
Jon.  Kapitel  das.  S.  11,  Masterman  S.  116.  —  Über  den  Baustil  der 
Synagogen  im  Mittelalter  s.  JE  XI,  626,  in  der  Neuzeit  das.  631  ff., 
beides  ausführlich  besprochen  und  durch  zahlreiche  Abbildungen  er- 
läutert von  Frauberger  in  den  Mitteilungen  d.  Gesellsch.  z.  Erforsch, 
jüd.  Kunstdenkmäler  1  u.  II.  —  Worms  s.  Epstein  in  MS  XL,  556  f.  — 
Speyer  das.  XLI,  29  ff.  —  Spanien  bei  Frauberger  a.  a.  O.  II,  42.  — 
Kubbah  JE  XI,  625  f.  —  Holzsynagogen  in  Polen  vgl.  die  Literatur  in 
JE  XI,  262,  Kaufmann,  Zur  Geschichte  der  Kunst  in  der  Synagoge  in 
Ges.  Sehr.  I,  97  ff.,  Frauberger  a.  a.  O.  II,  15  ff. 

9.  Über  Fenster  vgl.  Low  34  ff.,  84,  Krauß,  S.  20.  —  Sohar  blfp-'l 
Seh.  Ar.  I,  904.  —  Epiphanius,  Haer.  80i.  —  Maim.  Resp.  I,  139.  — 
Pietro  della  Valle  bei  Low  34,  über  die  Synagogen  in  Aleppo  E.  N.  Adler 
im   Kaufmann-Gedenkbuch  129  f.  —  Asulai  bei  Low  IV,  35. 

10.  Ornamente  ob.  455,  vgl.  ferner  Mitteilungen  S.  6  ff.,  11,  26, 
Masterman  121.  —  Zum  folgenden  vgl.  D.  Kaufmann,  Zur  Gesch.  d. 
Kunst  in  d.  Synagoge  in  Ges.  Sehr.  I,  87  ff.  —  Szegedin  vgl.  A  Szegedi 
Uj  Zsinagöga,  1903,  mit  vielen  Abbildungen. 

11.  Frauenabteilung  s.  Low,  IV,  55  ff.,  Hoffmann  31,  Krauß,  15.  — ■ 
Zum  Feste  des  Wasserschöpfens  vgl.  Büchler  in  JQR  X,  678.  —  Tora- 
vorlesung ob.  170.  —  Frauen  beim  Gottesdienst  z.  B.  b.  Ber.  17a,  Sota  22b, 
Ab.  Sar.  38b.  —  Therapeuten  s.  Schürer  III,  688  JE  XII,  138  f.  —  b.  Kidd. 
81a  sieht  diese  Maßregeln  für  die  Feiertage  vor,  wo  der  Andrang  groß  war. 
—  Kirche  bei   Achelis,  Prakt.  Theologie  I,  198.  —  In  Galiläa  sind  zwei- 


Alllllrlkllll^'cll.  575 

p'schossi«,'  (lii-  Hiiiii.'ii  in  l  iiiiii  i'I-AiiiimI  ii.  Itliid  i  Mit  teil.,  S.  II),  Teil  II  ihm 
(das.  15)  iM(>ir(Hi  ii.  Ncluiilciii  (20  f.).  -  [{.isciii  ln-i  Isscrlciii  'poE  §  l."}2.  — 
KI.  I).  Joe!  Iia  Li-vi  hei  Mitni.  Scliahh.  §  .'Hl.  VVorins  .s.  ol..  zu  \r.  S.  — 
Pia;;  JE  \,  lös.  —  Brii.stwclir  .s.  Lr»vv  I\',  72  ff.  —  NCiiiMÜf,'  im  Hau  von 
Loughcna  Ix'i  Fraulicrj^t-r  11,37.  —  KiUupfc  in  der  Neuzeit  Itei  I-nw  a. 
a.  O.  —  Reforni^n'iuoinde  ob.  S.  423.  —  Anieiik.i   l'inlipson  468  ff. 

12.  Haninuun-Lif  8.407.  —  Oalilaa  .Masteiiiian  112,  120  f.  - 
W  and<lt,';inj,'e  usw.  s.  das.  Mal(>rial  bei  Srhürer  II,  r)21,  .\nni.  ()7,  Krauü  12. 

—  X-nD2X  f^fSnu  isl  dir  l'liersolzung  des  hehr.  n='i"3.  —  i'nlisch 
Low  \',  21.  -  Ein-enzeiclien  s.  Philo  Leg.  ad.  Cai.  §  20,  s.  auch  Schürer  111, 
92.  —  r!:-!-5  s.  die  Erklärung  von  Flei-scher  bei  Levy,  Wort.  I,  438.  — 
Heehnung  über  Wasserverbrauch  bei  Schiirer  111,48.  —  ChrisUiche 
Basilika  bei  Hietschel  1.  81  ff.  Die  Frage,  ,, woher  die  (Ihristen  den  Typus 
(irr  Basilika  enlnoninien  haben"  (das.  S.  85)  löst  sich  daniit  auf  einfache 
Weise. 

§  50.  1.  Zu  --T  vgl.  auch  Schürer  H,  525.  —  Teba  erst  zum 
Oottesd.  hingestellt,  daher  Tos.  Meg.  I\'.  21  nn'^rn  nx  "pn'^J'acsi;  hinler 
dem  Vorhange  -^  xn:— 2  "^"nx  j.  Joina  \11,  1  (441)),  vgl.  auch  llam- 
mam-Lif  ob.  8.  457.  —  Sanktuarium  vermißt,  s.  Mitteilungen  S.  6  u.  11, 
-Mastermann  S.  114  will  eines  in  Kerazeh  erkennen.  —  Ort,  wo  Vorbeter 
stand;  so  schon  b.  Sota  39b  ('m  rx  ::"csnb).  —  \a"ip  erklärt  Bacher, 
Dictionary  IV,  639  als  verkürzt  aus  cnp^an  rr^s.  was  ich  für  unmöglich 
lialte.  —  Apsis  Rietschel  I,  83.  —  Daß  man  das  Wort  •,'i'^x  nicht  ge- 
])rauclien  wollte,  hing  wahrscheinlich  damit  zusammen,  daß  ""x  Sarg 
hieß  vgl.  Bacher  das.  —  Zu  den  Xamen  ist  der  in  Sizilien  vorkommende 
n'^ria::  hinzuzufügen,  was  nach  Krauß,  Lehnwörter  II,  30  aus  x'^ois"::x  = 
timisia  entstanden  ist.  —  Hölzerne  Laden  als  Neuerung  Or  Sar.  II,  79d.  — 
Über  den  Standort  der  Lade  s.  Low  IV,  54  ff. ;  Della  Torre,  Scritti 
sparsi  I,  162  f.  —  nb-'S  s.  Levy,  Wort.  II,  318;  ob  }-ib''3  mit  XD'^^  b.  Meg.  26b 
identisch  ist,  läßt  sich  nicht  mit  Sicherheit  sagen,  Ra.schi  u.  Tos.  z.  St. 
sind  über  die  Erklärung  nicht  einig.  Antike  Glasgefäße  s.  JQR  XIV.  737ff. 
Schürer  das.  524,  Müller,  die  jüd.  Katakombe,  S.  78  f.,  JE  II,  107  ff.  — 
Über  den  Dekalog  an  der  Lade  s.  Abrahams  in  Kohler  Festschr.  S.  51  ff. 

—  Vorhang  Low  V,  25.     Vgl.  auch  Frauberger  a.  a.  O.  IIl/lV,   S.  13 f. 

2.  Tora  vollständig,  ob.  168;  Ergänzung  defekter  Ex.  j.  Aleg.  Uli, 
(74a).  —  n-ns-jTS  Meg.  IIL  1,  Kel.  IX,  3  u.  ö.  Tos.  Jad.  II  12  (6839),  s. 
Bacher  das.;  das  ist  nicht  identisch  mit  xalvfifia  IL  Cor.  3i4,  wie  Deiß- 
mann,  Paulus  S.  64  will;  pn  Bacher  das.  Krauß  Archäol.  11,265.  — 
Färb.  Tücher  Kel.  XXVIII.  4,  Glocken  (-pST)  Tos.  Kel.  BI  13  (579::i),  b. 
Schab.  58b.  —  Torafreude  Manh.  l-i=-D  §  59,  vgl.  auch  Resp.  Seh.  T.  §  314, 
il>n  Gajj.  2313  g.  E.  —  ctp  "^M  Low  V,  25  mit  reichen  Literaturangaben 
und  Frauberger  a.  a.  O.   III/IV,  19  ff.  mit  vielen  Abbildungen. 

3.  ms^'z  s.  Bacher  Low.  das.  —  Alexandrien  ob.  458.  —  Maimon. 
nbsn  XI,  3  3n:-2  z.  B.  V.  S.  71,  •m  z.  B.  It.  bei  der  Beschreibung  der 
Toravorlesung.  —  Mosesstuhl  REJ  XXXV,  10,  JE  IV,  36;  in  Or  Sar.  II, 


576  Anmerkungen. 

79d,  §  386  bedeutet  x^'Ti::!p  einen  großen  Stuhl  wie  XD2.  —  Jak.  Weil 
bei  Berliner,  Aus  d.  inneren  Leben,  II.  Aufl.,  116.  —  Almemor  das., 
JE  I,  430  X05  z.  B.  in  It.,  hingegen  nn'^n  Manh.  rao  §  24.  —  Über  die 
verschiedenen  Bedeutungen  von  rQin  s.  Tur  I,  150  u.  die  Komment,  z. 
St.  —  Tribüne  u.  Vorbeterpult  getrennt,  wie  früher  allgemein  in  Deutsch- 
land, vereint,  wie  in  portugiesischen  Gemeinden.  —  Jos.  Karo  vgl.  zu 
Tur  I,  150,  Isseries  zu  Seh.  Ar.  I,  löOe.  —  Marmor  z.  B.  in  Syracus  Corp. 
Inscr.  Graec.  9895,  Levy  im  Jahrbuch  f.  Gesch.  der  Juden  II,  186,  S.  273, 
vgl.  Side  das.  272  u.  Schürer  III,  22.  —  Kämpfe  um  die  Aufstellung 
des  Almemor  s.  Low  IV,  93  ff.,  JE  I,  431. 

4.  XPDSDJ.  Meg.  III,  1  (73d).  —  13^2,  b.  B.  Batr.  8b  (nicht  a,  wie 
im  Text),  erklärt  R.  Gerschom  z.  St.  als  Matten,  die  an  den  Wänden  der 
Synag.  ausgebreitet  sind.  —  Sitzbänke  in  gal.  Ruinen  in  ed-Dikki  (Mitteil. 
S.  6);  Wandbänke  früher  in  Umm  el-Amed  (das.  13);  2  Bankreihen  in 
Teil  Hum,  die  in  Polster  endigen  (das.  15).  —  nQo^ÖQiu  z.  B.  in  Phokäa 
REJ  XII,  236  ff..  Schürer  III,  14.  —  Sitze  in  der  Kirche  Rietschel  I,  84. 
—  X^inp  auch  p  1  u  r.  nix^'inp  Tos.  Sukk.  IV,  6  u.  Par.  Das  Wort  wird 
von  Bacher  IV,  639  auch  für  das  unverständliche  x^iu^  j.  Meg.  III,  1 
(73d)  eingesetzt,  das  bisher  als  =  lectica  (?)  aufgefaßt  wurde;  Ascheri 
zu  Meg.  IV  u.  Or  Sar.  a.  a.  O.  lesen  5<*i^::ba.  Bacher  stützt  sich  auf  die 
Analogie  von  x'TTinpm  bosori  j.  Schabb.  6a.  Nach  Low  V,  26  =  Krauß, 
Lehnwort.  II,  545a  ist  es  =  xXivrr]n.  —  Deutschland  Or  Sar.  II,  IIb 
§  48;  vgl.  Low  V,  25  f.  Alexandrien  Tos.  Sukka  IV,  6.  —  Keine  Unter- 
schiede, s.  Müller,  Resp.  O.  u.  W.  §  106  u.  t"ü  zu  Seh.  Ar.  I,  150,  Ende; 
Plätze  verkaufen  s.  Low  V,  33.    Pulte  das.  26. 

5.  Beleuchtung  s.  Krauß,  Talm.  ArchaeoL  I,  69,  408,  Low  V,  26; 
Berliner,  A.  d.  inneren  Leben,  116  u.  Zur  Beleuchtung  in  der  Synagoge 
in  Jüd.  Presse  (Monatsschr.)  1895,  S.  5.  —  x'-'^s  bei  Meir.  v.  Rothenburg 
Resp.,  ed.  Budap.,  153c.  —  Ewige  Lampe  s.  Frauberger  a.  a.  O.  III,  37, 
and.   Beleuchtungskörper  das.   II,  39. 


Kap.    II. 

§  51.  1.  Zu  ^^2  u.  ^s:  vgl.  Krauß  in  -^nrn  III,  17.  —  Zehn  be- 
rufsfreie Männer  Meg.  I,  3  u.  die  Erklärung  dazu  j.  I,  6  (70b),  vgl. 
auch  Schürer  II,  516^*.  —  Zwang  Tos.  B.  Mez.  XI,  23  (3962o), 
Maim.  nbsn  XI,  1,  Seh.  Ar.  I,  150i. 

2.  Privatmann,  Wohnhaus  j.  Meg.  III,  1  (73d),  vgl.  Ned.  IX,  2.  — 
Heiden  Tos.  Meg.  III,  5,  j.  das.  III,  2  (74a),  b.  Ar.  16b.  —  Akmonia  s. 
Schürer  III,  20  f.  —  Spenden  z.  B.  Lampen,  Balken  Tos.  Meg.  III,  3,  5. 
—  Sammlungen  z.  B.  Ägina  bei  Levy  a.  a.  O.,  ebenso  Smyrna  Levy  das.  — 
Eine  Stiftung  intQ  tv/^g  REJ  VII,  161f.  —  Überschüsse  =  tri-frrxi 
Meg.  III,  1.  —  Inschriften  s.  Tos.  Meg.  III,  3,  j.  III,  2  (74a).  —  Kefr. 
Berein  s.  Krauß,  Synagogenruinen,  S.  7-  — •  Hammam-Lif  ob.  457.  — 
Wimpel,  der  Brauch  ist  nicht  überall  gleich;  vielfach  wird  gewartet,  bis 


AiiMHiUilli^'rii.  577 

die  Kiiulii'  s(||),s|  l;mlcii  l<<iiiiifii ;  .\liliil(liiii;,'cii  hei  I''iMiilMTj,'»'r  ;i.  ;i.  (). 
III,  21.    SliltuiiKiii  im  Altnliiiii  Tus.  Mcy.   111,2. 

:{.  \  iTwciuiiiiiK  s.  .\l('g.  111,  1.  —  Nicht  vci;iiil.i.rii  .M.-^'.  111,  2,  3.  — 
VerfiigunK-^ni  hl  Tos.  Mop.  111,(5,  j.  III.  I  (T.'Jill.  lt.  26a.  —  Gelder 
von  auswärts  li.  das.  -  WidmunKcii  s.  ol».  ■ —  Mit tclaltcr  Or  Sar.  bei 
Ascheri  Mc^.  I\,  1,  v-,'1.  Low  \,  22.  —  Matorial  s.  j.  .Mo^-  Hl,  1  (7.'M), 
1).   2f)b,  281. 

4.  Aloxaiuii'.  in  .lcni.^;ili'iii.  Tos.  Mv^.  III,  (i,  li.  20a  sli'iil  ="c—J 
dafür;  nach  Krauü,  Archiiol.  11,  (52")  iKMlnilcl,  das  dasselbe,  da  dir  Alc- 
xandrinor  sich  viel  mit.  der  Ilrrstclhiii^'  ..larsischcr  flcwiinder"  bcfaUlcn. 
■ —  Scpphoris  j.  Joma  VII,  1.  Römer  in  iMocInisa  b.  Mcg.  2(5b,  wenn  nicht 
'^X'2i'^"  dafür  zu  lesen  uiul  als  Juden  aus  dem  Süden  Palästinas  (  =-  nim) 
zu  erklären  ist.  —  Hebräer  usw.  in  Rom  bei  .Müller,  die  jüd.  Ivalakombe 
109.  —  Thebäer  s.  Schürer  III,  48,  50.  —  Tarsos  das.  22.  —  Kairo  bei 
Benjamin  v.  Tudela  S.  98.  Rom  s.  Berliner,  Gesch.  d.  Juden  in  Rom  II.  — 
Saloniki  s.  üb.  zu  §  438.  —  Breslau  s.  Brann  in  Graetz-Jubelschr.  S.  223. 
Berufe  in  Alexandrien  ob.  S.  475.  —  Libertiner  u.  Kalkbrenner  bei 
Müller  a.  a.  O.  108,  Schürer  84.  —  Leinwandhändler  s.  Schürer  III,  23, 
s.  ob.  zu  S.  254  §  363.  —  Soziale  Funktion  der  Synagoge  s.  Berliner, 
A.  d.  inn.  Leben  114  f.  x:b"'51  xncia  j.  Xas.  VII,  1  (56a)  ^A«/'«  Schürer 
III,  84.  —  Nebratein  s.  Masterman  121,  Mitteilungen  Nr.  29,  S.  25.  — 
Augustesier  s.  Müller  107.  —  Severus  s.  Epstein  in  MS  1885,  S.  338  f., 
in  Chwolson-Festschr.  S.  49.  —  Herodes,  so  nach  Müllers  richtiger  Lesung 
das.  108,  Agrippa  das.  —  Mohamm.  Länder  s.  JE  XI,  625  f.  —  yc-  r'Tra 
z.  B.  in  Worms,  schon  xpnr  xncrs  Lev.  r.  22,  4.  —  Rom,  Schürer  III,  83. 

§  52.  1.  -."^sn  •'0:^s  Tos.  Meg.  III,  1,  wahrscheinlich  identisch  mit 
den  -i-ssr;  br  ccr-s  ^"z'.^z-o  (b.  Git.  60a)  u.  den  "nr,  i::i::  't  (b.  Meg.  26a), 
jedoch  unterschieden  von  den  r'"'D;3  "^cxn  (Git.  das.)  —  Archonten  s. 
Schürer  III,  84  ff.,  li,  511  f. 

2.  Vgl.  dazu  Schürer,  JE  a.  a.  O.  Die  ver.schiedenen  Formen  des 
Namens  bei  Schürer  III,  88,  Anm.  46  u.  Müller  115;  es  verdient  Beachtung, 
daß  beide  Inschriften  am  Monteverde  ungenaue  Schreibung  haben 
aQ/iarvywyog  u.  ((Q/inrrrtyMyTji.  —  Gebete  vortragen  Lev.  r. 
XXIII,  4.  —  Tora  Joma  VII,  1,  Sota  VII,  7.  —  Predigt  Akt.  13i5.  — 
Gebäude  vgl.  den  Archisynagogos  Theodoros  in  Agina  bei  Levy  im 
Jahrb.  usw.  II,  272.  —  Höchstes  Amt,  so  Vogelstein  u.  Rieger  I,  43.  — 
Die  Baraita  b.  Pes.  49a  verdient  offenbar  den  \'orzug  vor  der  amoräischen 
Aufstellung  b.  Git.  60a  mit  ihren  kasuistischen  Unterscheidungen,  die 
unter  dem  Einflüsse  der  Baraita  in  b.  Her.  13b  entstanden  sind;  letztere 
bezieht  sich  jedoch  auf  das  Lehrhaus  und  darf  nicht,  wie  bei  Berliner, 
Gesch.  d.  Jud.  in  Rom  I,  68,  auf  die  Synagoge  übertragen  werden.  — 

—  Leichenfeiern  j.  Ber.  III,  1  (6b).  —  Gesetzgebung  Cod.  Theod.  XVI,  84. 

—  Mehrere  Archis.  Mk.  5:2,  Akt.  13i5,  auch  in  der  Inschrift  von  Ak- 
monia  Schürer  III,  20.  —  Mehrere  Ämter  zugleich  s.  Schürer  87*^  — 
Wahls.  Chrysostomus  bei  Schürer  III,  86;  nach  der  Inschrift  von  Berenike 

Elbogen,  Der  jüd.  Gottesdienst.  37 


578  Anmerkungen. 

in  der  Cyrenaika  (Schürer  79  f.)  hätte  die  Wahl  um  die  Zeit  des  Hütten- 
festes stattgefunden.  Die  Sitte,  die  Gemeindevorsteher  kurz  nach  dem 
Hüttenfeste  zu  wählen,  läßt  sich  bis  in  die  neueste  Zeit  nachweisen.  — 
Lebenszeit  s.  die  Beisp.  bei  Schürer  III,  86*^^  Müller  Anh.  10.  —  Kinder  s. 
Ascoli,  Iscrizioni  inedite  o  malnote  usw.  p.  49.  —  Frauen,  Schürer  II,  512, 
Myndos  REJ  XLII,  1  ff.,  Smyrna  das.  VII,  161  ff.  —  Severus  bei  Lam- 
pridius,  Vita  Severi  28.  —  Presbyter  s.  Schürer  III,  89  f.,  der  den  Titel 
für  jünger  hält;  demgegenüber  ist  zu  beachten,  daß  D'^spt  schon  sehr 
früh  vorkommt  u.  daß  die  Gleichstellung  von  nQtaßvrfQoi  u.  ^Q/i- 
(fSQtjxiTät  =  5<|-"i''S  iC^i  in  Justinians  Nov.  146  die  Identität  beider  noch 
immer  erkennen  läßt.  —  nQoaruTrjg  auch  auf  der  neu  gefundenen  Inschrift 
aus  Xenephyros  in  Unt.  Ägypten  REJ  LXV,  137.  —  Pater  u.  mater 
Syn.  bei  Vogelstein  u.  Rieger  a.  a.  O.  43,  Schürer  III,  88*8.  —  Bruder  s. 
N'ogelstein  u.  Rieger  44.  —  Spätere  Titel  bei  Abrahams,  Jew.  Life  53, 
Güdemann,  Erziehungswesen  in  Deutschland  II,  92,  Epstein  im  Kaufmann- 
Gedenkbuch  308.  —  Befreiung  von  Steuern  wurde  z.  B.  Moses  Mendels- 
sohn gewährt,  s.  MS  1882,  28;  das.  30  f.  auch  über  die  Gemeindeämter. 

3.  Vgl.  Schürer  II,  515;  dunkel  ist  die  Bedeutung  von  vaxÖQos  das.  — 
Grabschrift  s.  Schürer  III,  88*'.  —  Mahl  u.  Funktionen  s.  ob.  zu  2. 
Bacher,  Dict.  IV,  640  folgert  aus  der  Bar.  b.  Meg.  25b,  daß  der  '35t-!  ^-n 
aus  der  Tora  vorzulesen  pflegte;  nach  dem  richtigen  Text  Tos.  Meg. 
g.  E.  lag  (jedoch  Chanina  selbst.  —  Funktionen  des  ',tn  in  Lewy  Fest- 
schrift 176  f.,  Bacher  a.  a.  O. ;  zur  Bedeutung  des  Wortes  s.  auch  Low,  V, 
31,6.  —  Zu  Nakkai  s.  Bacher  in  Berliners  Magazin  XVII,  169,  XVIII,  50. 
—  yQKjbif4((Tfvi^-  in  Grabschr.  bei  Vogelstein  u.  Rieger  I.  Anh.  1,  Nr.  176, 
Müller,  S.  116.  yQ.  vrinio^-^  das.  115,  ist  noch  nicht  recht  klar.  "20  u. 
'itn  sind  noch  nicht  identisch  in  der  Baraita  b.  Sota  49a  u.  —  -i^oc 
s.  Abrahams,  Jew.  Life,  55  ff.,  zur  Stellung  s.  auch  das  Ansehen  Juspas 
in  Worms  bei  Epstein  a.  a.  O.  303  ff.  —  Schulklopfer  s.  Low  V,  33, 
Abrahams,  S.  9,  Berliner,   Inn.  Leben  114.  —  xiripo  bei  Hoff  mann  S.  31. 

4.  -(na-iin  b.   Pes.   50b. 

5.  Talmudstellen,  in  denen  "itpi  den  Vorbeter  bezeichnet,  s.  bei 
Kohut  Ar.  s.  v.,  Low  V,  31  f.  —  Stimme  Pes.  r.  127a  zu  Pr.  39.  Be- 
rühmte Gelehrte  z.  B.  Saadja  Ri  7f.  —  Anforderungen  an  den  Vorbeter 
JE  VI,  284  ff.  Berliner,  Entstehung  des  Vorbeterdienstes  in  Isr.  Lehrer 
u.  Kantor  (Beil.  zu  Jüd.  Presse)  1899,  S.  4  f.  —  Kenntnis  der  Gebete 
s.  b.  Taan.  16a.  —  Zum  Alter  vgl.  Resp.  Lyck  Nr.  84  =  Seh.  T.  90,  Or 
Sar.  II,  116.  —  Schlechtes  Verhalten  Seh.  T.  No.  50,  51.  Meiri  m^x  -,;•: 
S.  27  f.  u.  ö.  —  TadQl  der  Vorbeter  Berliner  30  f.,  34,  JE  VI,  286.  Ge- 
bete ändern  vgl.  Saadja  a.  a.  O.,  M.  Minz  bei  Güdemann  a.  a.  O.  II,  96, 
häufig  im  Buch  der  Frommen.  —  Verfall  des  Gottesdienstes  s.  G.  V.  494  f. 

6.  Rabbiner  besoldet  s.   Güdemann  a.   a.   O.   II,  95  ff. 

Kap.    III. 
§  53.     1.  ^132,    die    richtige    Bedeutung   bei  Schürer    II,    505ii.   — 
Minjan  JE  VIII,  603.  —  Sofrim  X,  8,  vgl.  dazu  Tos.  Meg.  23b  s.  v.  ')\S", 


Aiiiiii'ikiiii^Tii.  579 

Asoheri  z.  St.  Miillir,  Sdfiim  S.  löl.  —  Synagogonbcsuch  ob.  S.  256, 
260;  Mittelalter  s.  K.  Ghananol  in  Tos.  Git.  59b,  zufriedener  äußert 
sirh  Mein  Kotlu'ub.  Hesp.,  (m1.  Budape.st,  Nr.  107,  Ili  2i,  Low  V,  27.  — 
llnlu>  Feiertapo  Ha^.  Maiiii.  zu  nbon 'n  XI,  1. 

2.  Zitat  aus  n'i''E"'E  zv  rrn  im  M\».saf  für  Neujahr  in  (lerrn.  .  —  Zu  *^-2 
'•21  ao  s.   Blau  in  REJ  WXI,  189,  Sind.  8  ff. 

.'{.  Zu  den  Hosponsionen  vgl.  Leitner,  D.  gottesdienstl.  Vortrag,  1906, 
zu  llallel  Büchlers  erwähnte  Aldi,  in  Z  e  i  t  .s  c  h  r.  A  1  t.  W  i  s  s.  XX  — 
\  ertrag  des  Schma  Stud.  3  ff.,  ob.  S.  26  u.  die  Anmerkungen  dazu. 
In  Seph.,  wo  der  Vorbeter  noch  heute  da.s  ganze  Gei)et  laut  vorträgt, 
entsteht    eine   Pause   hinter  r"aa,    denn  n"j  "[i-a  wird   leise  gesprochen. 

4.  x-^p  u.  n^-j2^  Meir.  IlI,  l\\  -  x^po.  R.  haSch.  IV,  8  — 
ns  bs  X'*p  Taan.  11,3.  —  o-iB  s.  ob.  3.  —  'nn  ■'SB^  nat?  Studien  33  ff., 
ol>.  27.  —  X2i-p  ob.  212.  —  Zwei  Vorbeter  R.  ha  Seh.  IV,  8.  —  Die  Auf- 
forderungen Lev.  r.  XXIII.  4,  j.  Ber.  IV,  4  (8b)  s.  Studien  38,  dort  auch 
Quellen  über  Ablehnung.  —  -^non  Tos.  R.  ha  Seh.  Ende.  —  '"in  qi-ia 
z.  B.  Ber.  V,  b.  34a  ff.  —  Prüfstein  ob.  37  f.,  252  f.  —  Fasttage  Mech.  54b, 
vgl.  dazu  Stud.  38  f. 

5.  Agatharchides  ob.  244,  vgl.  dazu  Neh.  8o  nmi  ssian.  —  Beim 
Schma  pflegte  die  Gemeinde  in  Pal.  in  amor.  Zeit  zu  stehen,  vgl.  j.  Ber.  1,6, 
Chili.  §  1.  —  Übertreibungen  verpönt  j.  Ber.  I,  8  (:?d),  b.  Meg.  22b.  — 
Schütteln  Jeh.  ha  Levi  Kusari  II,  79  f.,  vgl.  Pard.  58b,  Berliner,  Einfluß 
d.  Buchdrucks  S.  23,  Abrahams,  Jewish  Life  278  ff.  JE  s.  v.  Sway» 
ing  XI,  607.  —  Kleidung  s.  Studien  11,  Berliner,  Vorbeterdienst  S.  5.  — 
rrh'ji  Krauß  in  Bloch-Jubelschrift  hbr.  S.  83  ff.,  Talm.  Archäol.  I,  168.  — 
Bestimmte  Kleider  bei  Berliner,  Inneres  Leben  69  f.  —  Kopfbedeckung 
Studien  11,  Anm.  2.  —  Palästina  s.  Sof.  XIV,  15.  —  Frankr.  bei  Or 
Sar.  II,  §  43.  Chorin  s.  Low,  Ges.  Sehr.  II,  251  ff.,  über  Barhäuptigkeit 
S.  311.  —  Reformgemeinde  ob.  423,  Zitat  aus  Graetz  XI,  520.  —  Amerika 
JE  II,  532,  vgl.  auch  Abrahams  a.  a.  O.  278  ff.,  JE  das.  531  ff. 

6.  Vorbeter  Ri  6.  —  Deutschland  vgl.  Raschi  zu  Sukka  38b  s.  v. 
ion:"a^;  aus  späterer  Zeit  sagt  Abr.  Gumbinner  zu  Seh.  Ar.  I,  53,  Nr.  2, 
daß  alle  des  Gebets  kundig  sind,  daß  der  Vorbeter  nur  wegen  der  Piutim 
da  ist.  —  Störungen  durch  die  Gemeinde  G.  V.  494. 

§  54.  Unter  den  wenigen  Notizen  zu  unserem  Gegenstand  bei 
Low  V,  27  findet  sich  die  Bemerkung  ,, Undankbares  Thema".  Die  ganze 
Literatur  darüber  besteht,  so  weit  ich  sehen  kann,  im  wesentlichen  aus 
Bearbeitungen  der  bei  Zunz  S.  P.  114  ff.  gebotenen  Notizen.  Die  Schriften 
über  Synagogengesang  aus  neuerer  Zeit  sind  mit  mehr  Temperament 
und  guter  Gesinnung  als  mit  wissenschaftlicher  Sorgfalt  verfaßt;  die 
Aufsätze  von  Birnbaum,  die  auf  gediegener  Kenntnis  von  Einzelheiten 
aus  der  Gesch.  des  Synagogengesanges  beruhen,  sind  sehr  schwer  zu- 
gänglich und  sollten  einmal  gesammelt  werden. 

1.  S.  Ackermann  S.  6  ff.  —  Therapeuten  JE  XII,  139. 

2.  Fastengottesdienst  Taan.   16a  r-r  'h-p'.. 

37* 


580  Anmerkungen. 

3.  Akzente  s.  JE  I,  189.  Hermeneut.  Bedeutung,  verschiedene 
Modulationen  Ackermann  16  f.,  Friedmann  S.  7  ff.  —  Stubentropp, 
Berliner,  Inn.  Leben  53. 

4.  ITO-^'S':  in  Sof.  XIV,  9  —  p  u.  "(tn  ob.  207  f.  —  Gesang  beim 
Piut  ob.  283;  das  Zitat  aus  Ackermann  28,  Mystiker  S.  P.  114,  Jehuda  im 
Buch  d.  Frommen  §  11.  —  Anerkennung  des  Gesanges  durch  Halachisten 
S.  P.  das.,  Ackermann  27.  —  Zitat  aus  S.  P.  114.  —  Melodien  das.  115, 
Güdemann  a.  a.  O.  II,  96.  —  Kirchliche  Schrifsteller  bei  Rietschel  I,  469. 

5.  Stammgebete  s.  auch  Berliner,  Inneres  Leben,  52.  —  Immanuel 
Kap.  28.  Grundmelodien  Berliner  das.,  Vorbeterdienst  13.  —  Gesänge 
in  Worms  s.  Kaufmann-Gedenkbuch  309  f.  —  Polen  s.  Low,  Lebensalter 
314,   G.  V.  449. 

6.  Installation  bei  Neubauer,  Chronicles  II,  81  —  Italien  bei 
Immanuel  Kap.  15.  —  Chorknaben  in  Polen  Ackermann  41  f.  —  Berlin 
bei  Heymann,  Lebenserinnerungen  S.  242.  —  Rossi  s.  Ackermann  45, 
JE  X,   486. 

7.  Orgel  s.  ob.  zu  §  468.  Die  heutige  Stellung  der  Gegner  wird  schon 
durch  den  Titel  von  Berliners  Schrift  ,,Zur  Lehr  u.  Wehr,  über  u.  gegen 
die  kirchliche  Orgel  im  jüd.  Gottesdient"  gekennzeichnet.  —  Über  die 
Vorbeter  der  Neuzeit  s.  Ackermann  49  ff..  Friedmann  im  Jahrb.  f.  jüd. 
Gesch.  u.  Liter.  1913,  191  ff.;  über  Sulzer  außerdem  JE  XI,  586,  über 
Lewandowski  das.  VIII,  66,  Consolo  das.  IV,  234. 


Sach-  und  Personen-Register. 


Ab  (l.M-  lu'unt.'  r)3.   127.  128—130. 
I.itiirgio   128  f. 
Einsclialtunj^oii  i.  d.  Trf.  53.  129. 

230. 
Toravorlesung  löG.   104. 
Prophetenvorlosung     156.      176. 

183.  193. 
Vorlesung  d.  Klagoliodor  185.194. 
Kinot  129  f.  229—231.  365  1'. 
Kerobot  129  f.  213.  22!)  L  365  L 
In  Reformgebetbüchern  130.  439. 
Abba  Areka  s.   Rab. 
Abbaje   165.    185.   264  f. 
Abendgebet : 
Name   99. 
Einführung    als    Gemoindegebet 

100.  256.  262. 
Das  Schma  u.  seine  Bened.  100  ff. 
D.  vierte  Bened.  zum  Schma  101. 

109.   247. 
D.  Tef.  im  Abendgebet  102.  255  f. 
Ersatz  für  d.  T.^f.  102—105.  111. 

137. 
Tachanunim  nacli  d.  Ab.  105. 
Fassung  am   Eingang  d.   Sabb. 
109—112. 

—  am  Ausg.  d.  Sabb.  121. 

—  a.  d.  Wallfahrtsfesten  136  bis 
139. 

—  am  Versöhnungstag  152. 
Piutim  zum  Ab.  212. 

Aberglaube  70.  95.   122.  270.  386. 

391  f. 
Aboda-Benediktion  29.  31.  56  f.  99. 

128. 
Aboda-Dichtung  153.  216  f.  277  ff. 
Ursprung  217. 


Fassung  217.  277  f. 
Bearb.iitungen  277.  307  f.  323  ff. 
326  ff.  341.  343.  352. 
Abraham  b.  Isaak  362. 

—  ha  Levi  Beruchim  386. 

—  b.  Meir  Ibn  Esra  298.  300.  303. 

324.  351  f. 

—  b.  Nathan  ha  Jarchi  11.  369. 
Abudraham  David  11.  370. 
Achtzehngebet. 

Name  14.  27.  39.  41, 
Entstehungszeit  28—30. 
Redaktion   27.   36.    39.   41.   254. 
Bedeutung  5.  14.  248. 
Bestandteile: 

Aus   der   Tempelliturgie   30  f. 

Hymnische  Einleitung  31,  248. 

Bittgebete  allgemeinen  Inhalts 
32^. 

—  nationalen  Inhalts  32—35. 

—  Gelegenheitsgebete  35 — 39. 
Dankgeijete  31.  248. 

Disposition  28.  31.  43.  46.  55. 
Einführung    eines    19.    Stückes 

39.  41. 
Textgestalt  41—59. 

Beeinflussung  durch  die  Bibel 
42  ff. 
Zusammenziehung  d.  Achtz.  60, 

255. 
Die  einzelnen  Benediktionen: 
I.  31.  43.  146.  148.  213. 
II.  29.    31  f.    44.    146.    148. 
213—215. 
III.  31.  45  f.  61  f.   146.   148. 

213  f. 
IV.  32.  46  f. 


582 


Sach-  und  Personen-Register 


V.  32.  47. 

VI.   32.  36.  47  f.  127. 
VII.  30.  35.  48. 
VIII.  32.  48  f. 
IX.  29  f.   32.  49. 
X.   29.   33.  35.   50. 
XI.  33—35.  38.  50.  148. 
XII.  36— 39.  40.  51  f.  213.  252. 
375. 

XIII.  35.  38  f.  52.  267. 

XIV.  29.   31  f.   35.  39  f.  52  ff. 

128  ff.   213.   230.   267. 
270. 
XV.  39—41.  54. 
XVI.  30.  32.  40.  54  f.  127.  137. 
XVII.   29—31.    55  ff.    99.    125. 

128.   270. 
XVIII.   31.  57 ff.  130f.  146—148. 
XIX.   31.    59.    215.    146—148. 
267. 
Zusätze  am  Anfang  u.  am  Ende 

43.   59  f. 
S.  auch  Tefilla. 
Agatharchidcs    von     Knidos    244. 

498  f. 
Agrippesier,  Synagoge  der  481. 
Ahron  ha  Cohen  11.  370  f. 

—  b.  Samuel  381. 

Ahroniden  beim  Priestersegen  67  ff. 
72.  423. 

—  Vorrecht  b.  d.  Toravorl.  172.423. 
Akiba  R.  141.  147.  149.  257.  276. 
Akrosticha  78.  86.  285.  309. 

Alphabetische  207.  291. 

aus  Bibelversen   291. 

Namensakrost.    292  f. 
Akzente  in  der  Bibel  504. 
Alenu  80  f.   143.  375. 
Alexander  Severus,  Synagoge  481. 
Alexandrien,  Proseuche  in  447.  458. 

475.  481.  495. 
Alfasi  50.  460. 
Almemor  473  f. 

Alphabetische  Wortfolge  17  f.  114. 
150.  274  f. 


Alphabetische  Dichtungen  209. 21 2. 

215.  223.  290  ff. 
Altar  473. 
Amen  493. 

vor  dem  Schma  21. 
in  der  Tefilla  28.  37.  59. 
im   Kaddisch  94—96. 
Amerika  9. 

Reformbewegung    in     396.     431 

bis  436. 
Namen  der  Synagogen  in  482. 
Amora-Sprecher   197. 
Amoräer,    Gottesdienst    in    amor. 
Zeit  260  ff. 

—  Tendenz  der  269  f. 
Amram  Gaon  8.  10.  359  f.  513. 
Amsterdam,  Reformbewegg.  in  398. 

—  Sabbatianer  in  71. 
Amtstracht  beim  Gottesdienst  500. 
Anan  285.   309. 

Andacht  377  f. 

im  lurianischen  Sinne  387  f.  391. 

Vgl.  Privatandacht. 
Antiphonischer  Vortrag  496. 
Apokalyptik  33.  244. 
Apsis  470. 
Araber,  ihr  Einfluß  auf  den  Piut 

285  f.   339. 
Aramäische  Sprache  22.  79.  93  ff. 

187  ff.   200.   221.   279. 
Archi-synagogos  483  f. 
Archonten  483. 
Arcosynagogos  483. 
Asharot  217  f.  278. 

am  Schabuot  217.  278. 

an  den  großen  Sabbaten  218  f. 

Bearbeitungen   321  f.,   329.   332. 
343. 

Introduktionen  zu  ihnen  218. 
Asti,  Ritus  von  9. 
Asulai  Ch.  J.  D.  464. 
Atrium  469. 

Auferstehung  29 f.  32.  44.  434  f.  437. 
Aufrufen  zur  Tora  170.  199.  427. 
Augustesier,  Synagoge  der  481. 


Siicli-  und  l'ci'Sdiirii-Ki'^^'isti'r 


583 


Aiishchcii  (l,r  'l'otM   1 .')().   174. 

Bott'iliti;iiii<,'  (1.  (li'iiii'iiKh'   174. 

GebcU'  boini  A.  d.  T.  lUH  ff. 

S.  auch  Schriftvorlosunir. 
Ausstrecken  der  Hände  244.  498  f. 

ßabylonien,  Enlwiekhitip:  d.  Gottes- 
dienstes in  2üO  ff. 
LlntiTscliieilo     ^'ci^mmi     Palnstina 

2<i(i  ff. 
Kaniijf  gei,'on  den  Piiil  301. 
Verbreitung  des  Piut  in  B.  282  ff. 
301. 
ßachja  ihn  Pakuda  343. 
Baeh weide  21  it.  252. 
Baden,   Gebetbuch  für  430. 
Baer,  Seligman  396. 
Balkanlilnder  10.  364. 
Bar  Küchba-Aufstand,  Folgen  des 

258  ff. 
Barhäuptigkeit     b.     Gottesdienste 

423.  434.  436.  501. 
Barniizwa-Knabon  171.  180. 
Basiliken  aU  Synagogen  462. 
—  christliche  469.  575. 
Behörden,  Segen  f.  d.  jüdischen  203. 
472. 
Segen  f.  d.  Staatsb.  203.  427. 
Bitte  f.  d.  Ältesten   52. 
Bekenntnis  15  f.  24  f.  91.  199.  235  f. 

238.  283. 
Benediktionen,  Formulierung 5. 241. 
im  Schma  (s.  Schmal   16  ff.   100 

bis  103. 
im  Achtzehngebet  27  (s.   Acht- 
zehn?.) 
in  d.  Semirot  82.  86. 
zum  Hallel  125. 
zum  Buche  Esther  132. 
zur  Toravorlesun.'.T  171  f. 
zur  Haftara   180—182. 
Piutim  zu  den  210—212. 
— ,   Die  ersten  87—92. 
Ursprung  87. 
Zusammensetzung  92. 


in  Kefurnigubflbuciitrn  403.  413, 
— ,   Die  hundert  7.  358  f. 
Benjamin  ben  .\braham  .\na  v  91. 

—  i)en  Serach   330. 

—  von   'l'udela    160. 

Berlin,    Die  ersten    Ivi'formi'U   i.   d. 

Gemeinde  400  f.  421. 
Jüdische     Pefornig'-mcii.di'     421 

bi.s  426. 
Geigers  Gebetbuch  für  B.  428. 
Ge-sang  in  d.  Synagogen  508  f. 
Bernays  Jsaak  414.  416. 
Beschneidung  221. 
Berufsbeanite  d.  Syn.igoge  488. 
Beten,    hebr.    Bezeichnungen    für 

4—6. 
Biblische  Stücke  im  Gebel   5.   16. 

21  f.  24.  236.  242.  249. 
in  den  erstt-n  Benediktiuncn  90  f. 
in  den  Semirot  82.  85  f.  129.  272. 
in  der  Keduscha  61. 
im   Priestersefjen  72. 
in   den   Tachanunim  76. 
in  den  Opfervorscliriften  90.  99. 

117.  126.  134.  138  f.  145. 
in  den  Sabbatgebeten  109  ff.  114f. 

118  f.   121  f. 
in  den  Gelteten  der  Wallfahrtsf. 

134.    136  ff. 
in  der  Neujahrstefilla  142  ff.  147. 

264. 
am  Versöhnungstag  152. 
an  Fasttagen  128  f. 
beim  Aus-  u.  Einheben  der  Tora 

198  f.   201. 
in  Piutim  213  f.  273. 
in  Selichot  221. 
als  Gebet  5.  249. 
als  Akrostichon  291. 
als  Refrain  294. 

in  Reformgebetbüchern  425.  438. 
Vgl.  auch  Psalmen. 
Vgl.  auch  Schriftvorlesung. 
Bittgebete  5  f.  27.  248. 
stehend  vorgetragen  27. 


584 


Sach-  und  Personen-Register 


Selichot  als  223.   229. 

im  Piut  324. 
Bradford,  Reformen  in  433. 
Brauch  (s.  Minliag). 
Braunschweig,   Rabbinerversamm- 
lung 417. 
Braunschweiger  Gesänge  509. 
Bräutigam  der  Tora  167. 
Breslau,  Rabbinerversammluno   in 

421. 
—  Reformversuche   in   402.   42ö  f 
Brunnenlied   117. 

Buchdruck,  Einfluß  auf  die  Gebet- 
ordnung 3.  375  f. 
Budapest,  Reformen  in  431. 
Bußgebete   76  f. 

Selichot  als  B.  221  ff. 
Bußps-almen   152. 
Bußtage,  Die  zehn  148. 

Einschaltungen  in  die  Tefilla  43. 
45.   57  f.   148.   301  f. 

Zusätze  zur  Tefilla  148. 

Selichot  an  226  ff. 

Calabrese,  Chajim  Vital  389. 
Campanator  487. 
Campesier,  Synagoge  d.  482. 
Chajoth,  Die  heiligen  63. 
Chanina  ben  Dosa  246. 
Chanukka,  Entstehung   130  ff. 
Einschaltungen  in  die  Tefilla  58. 

130. 
Hallel  und  Psalm  30.  130. 
Die  Lichter  u.  ihre  Bened.   130. 
Schriftvorlesung  an  Ch.  156.  168. 

176. 
Kerobot,  Einführung  von  302. 
in  amerik.  Reformgemeinden  439. 
Charisi,  Jehuda  b.  Salomo. 
Gegen  das  Metrum  295. 
Über  den  Piut  303  f.  ^ 

Über  die  Dichter  in  Spanien  339. 
341.    346  f.    351. 
Charleston,  S.  C,  Reformen  433. 
Chassidismus  391  f.  395. 


China,  Synagogen  in  450.  462.  473. 
Chisana  207  f.   283  f. 
Chisdai  ibn  Schaprut  341. 
Chorgesang  in  älterer  Zeit  507  f. 

im    neunzehnten    Jahrh.    399  ff. 
509  f. 

der  Engel  63. 
Consolo  Federigo  510. 

Dänemark  400. 

Dankgebet  4  f.  31.  248. 

David  b.  Meschullam  337. 

—  ibn  Simra  386. 

Deboralied  193. 

Dekalog   24.    191.    218.    236.    238. 

242.  322. 
Denkzeichen  237. 
Deutsch,  Moritz  509. 
Deutschland,    Ritus   von   9.    364  f. 

Stellung    zur     Reformbewegung 
395  ff. 

Ausschreitungen  d.  Vorbeter  491. 
Diener  (s.  Synagogendiener). 
Doppelstoa  469. 

Doxologien  der  Psalmen  im  Gebet- 
buch 5.  85.  495. 
Duchenen  68. 
Dunasch  295. 

Efodi  294. 

Ehrenplätze  in  den  Synagogen  475. 
Eigenschaften,    die    dreizehn    128. 
200.   227. 
in  den  Selichot  128.  222.   276. 
Einheben  der  Tora  156. 
Einheitsbekenntnis  21.  63. 
Einhorn  David  435. 
Eisenmenger  81. 

Ekstase,  Prinzip  der  Chassidim  392. 
Eleasar   Rokeach   aus   Worms   95. 

384. 
Eleasar  ha  Kalir  s.   Kalir. 
Elegien  s.    Kinot,   Selichot. 
Eljakim  von  Speyer  59. 
Elia  Wilna  305. 


Sacli-  uiiil  l't'rsuiicii-lii'Kislcr 


585 


Elia   b.   .Mi'iiuclii'm   '.i'S'l. 

—  b.  Schemaja  333. 
Elias-Synaj,'opfn  481. 
Elicscr  1)011    Nallian    !!».   :{:{(i. 
En^t'laiirufiiiii,'('ii    hei    den    l^;il)ba- 

li.sU'n   380  f.   389. 
Engolchöiv    18  r.   ()2  r.   noö. 

in    Ii('l"(>rin<;('l>i'tl)ii(lit'i'ii  0(5. 

im   rillt   2iK». 
England   1). 

Reformen  in  431  IT. 

Laienppediger  in  492. 
Epiphanias,  Kirchenvater  30.  404. 
Ephraim   b.   Isaak  337. 

—  b.  Jacob  337. 

—  b.  Joseph  405. 

Erlösung,  Bitte  um  23.  30.  35.  49. 

135  f.   141.  244  vgl.   Geulla. 
Eschatologische   Anschauungen   u. 
Bitten  19.  21.  23.  29.  34.  38. 
53.91.93.95.  117.  123.  133. 
(s.  Mcssianismus) 
Eschkol  302. 

Esra,  Einführung  d.  Toravorlesung 
150  ff. 
Einführung   d.    Schriftauslegung 

194  f. 
Einfluß  auf  d.  Gottesdienst  239f. 
Esra   Ibn  s.   Abraham,   Mose. 
Essäer  240.  379. 

Esther,  Vorlesung  des  Buches  131f. 
184  ff.  420. 
Übertragung  i.  d.  Landessprache 
193. 
Esther-Faston  131. 
Euchel,  Isaak  397. 
Eulogien  5.  241.  490. 
des  Schma   17  ff. 
der   Tefilla   27  ff.    29.   39  f.    254. 

359. 
im  Kaddisch  93. 
m  den  Bened.   d.   Haftara   181. 
Europa,    Namen    der    Synagogen 

482. 
Exedra  409. 


Fano,    .MenacliiMii    As;uja    389. 
Fasttage  35.  126-130. 

Namen    12(5. 

Arten   d.    F.    7(5.    120  ff.   225  f. 

Neujahr  als  F.    148. 

Versöhnungslag   153. 

d.   kli'ine   Ver^ölin.    124. 

Liturgie  an  54.  71.  75.  127  f.  27(5 f. 

Mincha  an   99. 

Neila  an    152. 

Toravorlcsung  an  128.  155  !.  164. 
108. 

Prophetenvorlesung      128.      155. 
170.  182  f. 

Kerobot  128.   213.   225.   302. 

Selichot   127  f.   221  ff.   270  f. 

s.   Ab   d.   neunte. 
Fasttagsgebete    als    Vorbild    f.    d. 

Gottesdienst  35.  235.  238  f. 
Feststrauß  138.  219  f.  252.  417. 
Festtage  85.   132  —  154. 

die    Wallfahrtsfeste     132  —  140. 
(s.   d.) 

die     ernsten     Feste     132.     140. 
154  (s.   d.). 

die  Tefilla  an   133.  248. 

Toravorlesung  an   155  ff.  165  ff. 

Propheten  Vorlesung  an  155.  HOf. 
182.   191. 

Gebete  beim  Ausheben  d.   Tora 
199  f. 

Gebete  nach  der  Toravorlesting 
204  f. 

Piutim     im     Morgengebet     210 

bis  215. 
—  im  Abendgebet  212. 

in     amerikanischen     Reformge- 
meinden 438  f. 

Guter  Synagogenbesuch  a.  Fest- 
tagen 493. 
— ,  die  zweiten  132.  105.  421.  424. 

432.  430. 
Figürliche  Darstellungen  s.  Orna- 
mente. 


586 


Sach-  und  Personen-Register 


Finale  210.  213  f. 

Fleckeles,  Eleasar  397. 

Fossano,  Ritus  von  9. 

Frankel,  Z.  419.  429. 

Frankfurt   a.   M.,    Gebetbuch   428. 
439. 

Frankreich,   Ritus  von  9.   365. 
Reformen  in  398.  431.  440. 

Frauen,   Beteiligung  an  der  Tora- 
vorlesung 170. 
Ihre  Plätze  i.  d.  Synagoge  423. 
435  f.  466—468. 

Friedländer,   David  397.  400. 

Frühgebetpoesien  343. 

Futteral  für  die   Tora   472. 

P^inktionen  in  der  Synagoge  483. 

Gabirol  Salomo  ibn  87  f.  224.  226. 

344—346.  390. 
Galiläische  Synagogenruinen  454ff. 
Gamliel  II,  Redaktion  der  Tefilla 

27.  30.   39.  254  f. 
Einführung  d.  stillen  Tefilla  28. 

255. 
Einschaltung    d.     Minäei-Bene- 

diktion  36  ff.  252  f. 
Gebet,  Arten  des  5  f.  238. 
Bezeichnungen  für  5  f. 
Formulierung  des  5.  241  f.  249. 
Aufbau  der  Gebete  zur  Liturgie 

67.  240  ff. 
Stammgebete  u.  Piut  2  f.  9.  206. 

286.   301.  371  f. 
Die  älteste  Liturgie  240 — 244. 
Die  G.  i.   d.   Mischna  245—258. 
Ihre    Ausgestaltung    durch    die 

Amoräer  262—269. 
Erweiterung     d.     Stammgebete 

272—275. 
Sammlung  d.  Überlieferung  271. 

354.    358  ff.    364  ff.    371  ff. 
Reform  d.  Wortlautes  d.  398  bis 

404.     413.  428  f. 
—    d.    Aufbaues    d.    400.    423. 

433  f.  437—439. 


Geheimnisse  d.  G.  b.  Mystikern 
327.   381—384.   390. 
Gebetbücher,    in    alter  Zeit    nicht 
vcrh.   7.  353  f. 
Zeit  ihrer  Einführung  354. 
Verschiedenheit     d.     Sammlung 

354.   358  ff. 
Sammlungen    a.     d.     Mittelalter 

361—363.   371. 
Mängel  der  Überlieferung  373  f. 
D.  ersten  Drucke  u.  ihre  Mängel 

9  f.   11.   375  f. 
D.  ersten  verbesserten  Ausgaben 

396  f. 
D.    ersten    modernen   Über- 
setzungen 397. 
D.  ersten  reform.  399—404.  413f. 
Entwurf    d.     II.     Rabbinervers. 

417—421. 
Reformgebetbücher  in  Deutsch- 
land 428—430.  439. 
—  in  England  432.   439. 
G.  d.  Reformgemeinde  in  Berlin 

423—426. 
G.  d.  Reformgemeinden  in  Ame- 
rika 437. 
Gebetmantel  423.  499. 
Gebetordnung  4.  6  f. 

Gebetordnungen  aus  dem  Mittel- 
alter 354.  358  f.  363.  367—374. 
Befestigung  der  372.   377.    392. 
Reform   der  400  ff.   423.   437. 
s.   Gebet. 
Gebettext,  Beweglichkeit  des  41  f. 
56.    243.    249.    254.    265.    392. 
Gebetvortrag  durch  Ehrenbeamte 

487  (s.    auch  Vorbeter). 
Gebote     und     Verbote,     die     613. 

216  L   (s.   Asharot). 
Geiger,    Abraham,    Reformbestre- 
bungen 404.  412.  415  f.  428  f. 
Gelehrte,  Segen  für  die  203. 
Gemeinde,    für    Gottesdienst    not- 
wendig 1.  493  f. 
respondiert   beim   Gebet  494. 


S;itli-  1111(1  l'ci'Sdiii'ii-üc^ristpr 


587 


bt'ti'l   uiil    il.    \  üiIjcUt  öUl. 

Gemeindoboainte  482 — 492. 

C.omoindcvcrwalluiij,'  482. 
GeIntMIlcl('^^'l)t't    20.     2S.     'M.    242. 

25.')  f.   2G1.   392. 
tieinoindegesang  399.  509. 
Gemeindegottosdieiist,  Charaktor  d. 
1.   235.   240  f.  247.  251.  2G0  f. 

Ursprung  des  235 — 238. 

Zeiten   des   238.    247  ff.    25(5. 

Inhalt  dos  239—243. 

Ausgestaltung  243.  248  f. 

s.   auch   C.chi't. 

Spraclie    236.    279.    400.    403  ff. 

419.  423.  428.  430.  433.  437  ff. 

441. 

•  ierschoni    hon    Johuthi    303.    330. 

(lesang     beim     Gottesdienst     502 

bis  510. 

für  Gebete  504.  506  f. 

für  Piutim   504  f. 

verschiodono  MohKÜon  505 — 507. 

vgl.  Chorgesang. 
Oeulla  im  Schma  23  f.  101. 

Piutim  zur  211. 
Goulla  i.  d.  Tofilla  35.  48. 
Giuda   Romano   187. 
Glaubensartikel  d.  dreizehn  88. 
Glockonoro  487. 
Gnoslikor  36.   57.   253  f. 
Goldberg,  H.  509. 
Gottesdienst,  Besuch  des  493. 

Vorlauf  des  497  f. 

Wirkung    auf    d.    Leben    246. 
Gottosreich,  Bitte  um  seine  Herbei- 
führung   93.     103—105.     135. 
142  ff.   248. 
Granatäpfel  (Toraschmuck)  472. 
Gregor  d.  Große  450. 
Gürtel   beim   Gebet   499. 
Gürtelreime  209. 

Haarbleicher,   M.    174. 
Habdala  46. 


l  r.sprung    ii.     iiidiiiliiii^,'     I2IM'- 

240.   243. 
Inhalt    46  f. 
liaflara,  Bi-dfuluiigd.  W'.irtrs  174  f. 
-i{()ll.-n     178  f.     (.s.     Prophelon- 
vorlesung). 
Ilagadah,     Einfluü    auf    d.     i'iut- 
dichlor    281.    288.    317.    341  f. 
(s.    .Midra.sch). 
II  agiographen- Vorlesung  184  —  18(5. 
Einführung   der    185  f. 
H.  als  Ilaftaras   186. 
II.    am    Sabbafnacliinittag    IIS. 

182. 
Benediktion  d.   185  f. 
H.    in    Reformsynagogen    185  f. 
420.   438. 
Hai  Gaon  44.  58.    178  f.    192.  302. 
Halbfeste  (s.  Chanukka,  .Mitlolfeier- 

tage,   Neumond,    Purim). 
Ilallel  249.  269. 
am  Neumond   125. 
am  Chanukka   130. 
an  Festtagen   136  —  138. 
an  Mittelfeiertagen   137. 
am  Pesachabend  137. 
Vortragsweise  496. 
Name  des  Vortragenden  497. 
in  amerik.   Reformgebetbüchorn 
438. 
Hallelujah  495  f. 
Haltung  beim   Gebet  498. 
Hamburg,    Gründung    d.    Tompol- 
gomoinde  402  ff. 
Kampf  um  das  Gebetbuch  406ff. 
D.  zweite  Tempelstreit  413 — 416. 
Hammam-Lif,  Synagoge  in  456  ff. 

460.  462.  470.  478. 
Hand  als  Toraschmuck  472. 
Hannover,  Nathan  200.  390. 
Hebrew  Union  Prayer-Book    186. 

437. 
Hechalot  380  f.  505. 
Heiden,    Spenden    für    Synagogen 
478. 


588 


Sach-  und  Personen-Register 


Heidenheim,   Wolf   11.   298.   396. 
Hellenistische  Länder,  Gottesdienst 

250. 
Herodes,  Synagoge  des  481. 
Heß,   Landrabbiner  in  S. -Weimar 

411. 
Hieronymus  36.  460. 
Hiob  186. 

Hirsch,  Samuel  435. 
Hirsch,   Sams.   Raphael  412. 
Hochzeitswoche,  Piut  für  221. 
Hohelied   186. 
Hohepriester,     Gebete    des    (siehe 

Tempel). 
Holdheim  Sam.  424  f. 
Holzsäulen  an  der  Tora  472. 
Horwitz,  Jesaja  390. 
Hoschanot,  Nameu.  Ursprung219  f. 

Poesien     der     138  f.     219—220. 
278.   316.   341.   323.    366. 

-Zyklus  323. 

-Tag  138  f.   166.  219  f. 

Bewertung    bei    den    Mystikern 
383.   388. 
Hüpfen  bei  der   Keduscha  499. 
Hüttenfest  (s.  Sukkaus). 
Hymnische   Gebete   in   der   Tefilla 
31. 

im  Piut  208. 
Hypopsalma  208. 

Immanuel  Romi  88.  506. 
Inquisition  376. 
Interpretationsregeln   d.  R.  Ismael 

90. 
Introduktionen,   poetische,  Namen 
u.  Zweck  209  f. 
zur  Schriftvorlesung  191. 
zum     Targum     193.     221.     286. 

334  f. 
beim  Aufrufen  zur  Tora  202. 
im  Morgengebet  211. 
im  Abendgebet  212. 
in  der  Tefilla  213. 
zur  Aboda  217. 


zu  den  Asharot  218. 

zu  fremden  Poesien  329. 
Irbid,    Ruinen  von   459  f.   461. 
Isaak     ihn   Gajjat    183.    272.    341 
bis  343.  362. 

ha    Lewi    145.   362. 

Or    Sorua    95. 

b.  Reuben  343. 
Isaaks,  Opferung 

im  Gebet  78.   144. 

im  Piut  290. 

in  Selichot  229.  335. 
Israel  Baal  Schem  391. 
Italien,   Gebetordnung  9.   365   . 

Reformen  431. 

Laienprediger  492. 
Ittim,  Sefer  ha  362. 

Jahne  28.  255. 

Jacob  ben  Ascher  11.  449. 

ben  Moses  Möllin  95.   371.  504. 
507. 

Tam  72.   145.  335. 
Jacobsohn,  Israel  398—401.  508. 
Jahrzeit  95.f. 
Jannai  308—310. 
Jechiel  ben  Joseph  293. 
Jehuda    b.    Barsilai    al    Barceloni 
111.  114.  191.  282.  302.  362. 

—  der  Fromme  81.  382—384.  505. 

—  b.    Samuel   ha    Levi    212,    214. 

231.   292.   295.   348—351. 
Jehudai  Gaon  163.   166.   168.   301. 
Jericho  26. 
Jerusalem,    Synagoge    der    Liber- 

tiner  481. 
Bitte    um    Wiederaufbau    29  f. 

32.  35.  40.  52.  180  f.  252.  270. 
Jesaja  di  Trani  40. 
Jezira,  das  Buch  331. 
Jochanan,   R.   264. 
Joel  ben  Isaak  337. 
Joel,  M.  429. 
Johlsohn  399. 
Jose  ben  Jose  306—308. 


SmiIi-  uihI  I'i'r.sinicii-Iti'j^'isli'i- 


589 


.Iusci)li    Iviinclii    7-.    't'2'2. 

Saiiil'aii    ICil, 

ii)ii    Al.iliir  L>L>c,.    :!4l  f. 

ha    l.cwi    aus    Im  Ir    IJci'ciii    47S. 

1).   Saloino   ',VM. 

1).    S;unut>I    HDiil'ils    :V.\-2  f. 
Josophus     Flaviiis     2't.     \'>SK     170. 

447  ff. 
Josua  Paitan  308. 
Jozer,  l'r.'^priiii};  und  C.hai'aUtrp  17. 
248. 

im  täglichen  Morgoiiffobet  17 — 20. 

im  täglichen  Abendgebet   100. 

im  Sabbatgebet   114.   273. 

an  Festtagen   130.   273. 

Piutim  im  210—212. 

-Poesien    308.    316  f.    320.    325. 
328.     330  f.     333  f.     336.     345. 
366  f. 
Judenohristen  (s.   Minäer). 
Justinian   190.  282.  451. 
Justinus  Martyr  36. 

Kabbala  11.  15.  64.   108.  124.  139. 

200  (s.  Mystik). 
Kaddisch  92—98. 

Zeit  der  Entstehung  93.  94. 

ursprüngliche  Bestimmung  93  f. 

liturgische  Verwendung  92.   94. 
95. 

Analyse  93  f. 

eschatologische    Bitten    93 — 95. 
97. 

Sprache  des  94.  432. 

b.  Tode  eines  Gelehrten  94. 

in  der  Trauerzeit  94  ff. 

Arten  des  96. 

Ersatzgebet  für  96. 

Varianten  des  97  f. 

Erweiterungen  97  f. 

Bedeutung    bei    den    Mystikern 
96.  381. 

am  9.  Ab  129. 

Ansprache  vor  438. 
Kaddisch,  Halb-  96. 


iiarh   Smiirtil   86.   ".14. 

na«  h  Tachanun  79.  94. 

nacii   (I.   Toravurl.    179. 
Kaddisrli,  .lalom  (der  Traurnidi-n). 
81.   92.  94.   96. 

Ursprung  95. 

im    Trauerhause    u.    an    Todes- 
tagen 95. 
Kai  Fung  Fu  450.  462. 
Kairo,  Zyklus  d.  Tctravcjrl.  in  160; 
Kalir  Kleasar  40.   291.   298  f.   310 
bis  320. 

Name  310  f. 

Zeit  314—316. 

Heimat  312—314. 

Poesien  215.   316.  365. 

Kinot  230  f.  365. 

Hoschanot  220.  366. 
Kaiirische  Poesien  317.   319  f. 
Kalonymiden,   Familie   326  f. 
Kalonymos  b.   Jehuda  336. 
—  aus  Lukka  327. 
Kantilation  der  Toravorlesung  504. 
Kantor  389  (s.  Vorbeter). 
Kapernaum  454.  477. 
Karäer  177  f.   358  f. 
Karo,   Joseph  56.   305.   374.   386. 
Kasiun,  Synagoge  in  450. 
Keduscha  als  Benediktion  31.  45  f. 

146.    148.   213  f. 
Kedu.<^cha  als  Huldigung  der  Engel, 
ihre  Zahl  67. 

Ursprung  45.  65.  61  f. 

ihre  Bedeutung  bei  d.  Mystikern 
18  f.  66  f.  379  ff. 

im  Jozer  18  f.   61.  66. 

in  der  Tefilla  61—65. 

in  Palästina  und  in  Babylonien 
267. 

am  9.  Ab   129. 

Piutim  zur  Keduscha  341.  214ff. 

-Hymnen  der  Mystiker  380. 

-Responsionen  396. 
Keduscha  de  Sidra,  Ursprung  und 
Alter  67.   79. 


590 


Sach-  und  Pprsonen-Register 


Xamen  79. 

Targumverse  der  61.   63.   79. 

am  Sabbat  zu  Mincha   118. 

zu  Sabbatausgang  121. 

am  9.   Ab  129. 

an  Purim  132. 
Kefr   Berein,   Synagoge   478. 
Kerazeh,   Synagoge  460.   470. 
Keroba  212—215. 

Name  212  f. 

Bestandteile  213—215. 

Bearbeitungen  40.  309.  316.  320. 
326—328.  332  f.  341. 

Verwendung  54.  28  f.  213.  225. 
302.   365  f. 
Kiddusch,   ursprünglich  bei  Mahl- 
zeiten  107.   243. 

s.  Stellung  im  Gottesd.   111  f. 

am  Pesachabend   137. 

am  Neujahr  147. 
Kinderlehrer  188.  486. 
Kinot,    Name    und    Charakter    8. 
54.   129  f.  229  ff. 

Entstehung  230. 

Inhalt  230  f. 

Arten  231.   365  f. 

Bearbeitungen   317.   335  ff.   350. 
365  f. 
Kirkisani  285. 
Kittel  500  (s.  Sargenes). 
Klagelieder  (s.    Kinot). 
Klagelieder,   Vorlesung  der   185  ff. 
Klausner,  Abraham  371. 
Kley,  Prediger  402. 
Kohelet,  Vorlesung  von  185  ff. 
Kohen  Zedek,   Gaon  301 
Kol  Nidre  153—154.  417. 
Konfirmation  400.  420. 
Königsberg,   Reformversuche   402. 
Königtum  Gottes,  Erwähnung  d.  5. 
Konsistorialordnung  v.  Jahre  1807 

398. 
Konstantinopel,  Synagogen  449, 
Kordovero  Moses  124.  386. 
Koreisch,  .Jehuda  ihn  191. 


Korfu   10. 

Kopfbedeckung  beim  Gottesdienst 

500  f.  (s.  Barhäuptigkeit). 
Kreuzzüge,  Einfluß  203.  231.  336  f. 
Krone  als  Toraschmuck  472. 
Kunst  i.  d.  Synagoge  465  (s.  Bau- 

stilC;  Ornamente). 
Kunstformen  der  Gebete  274.  278f. 
im  Piut  290  ff.   318.   322  f.  327. 

346. 
Kutäer,   Benediktion  eines  253. 

Lade,  die  heilige  461.  470—472. 
Lampe,  die  ewige  476. 
Landessprache  3. 

Übersetzung   der   Gebete   in   die 

397. 
Gebete  beim  Aus-  und  Einheben 

in  die  200  f. 
Gebete     nach     der     Schriftvor- 
lesung i.  d.  205.  427.  441. 
Gebete     und     Gesänge     in     der 
399—403.     411.     413  f.     419  f. 
423  ff.    428.    430.    434  ff.    441. 
SchriftvorJesung  i.   d.    170.    183. 

186.  250.   429. 
Übertragung  der  Vorlesung  i.  d. 

187.  190—194.   250.  420.   423. 
429.   547. 

Predigt  i.   d.    196  f.   398  ff.   427. 
431.  433  f.   441.   548. 
Landesvater,    Segen   für   den   203. 
Leeser,  Isaak  433. 
Lehrvorträge,    tägliche    79. 

am  Sabbatnachmittag   117  ff. 
120  f. 
Leinwandhändler,  Synagoge  d.  L. 

in  Tarsos  481. 
Leipzig,  Reformversuche  in  410. 
Leuchter  als  Embleme  481. 
Levin,  M.  425. 
Levita,   Elia   175. 

Leviten,  Vorrecht  bei  Toravorl.172. 
Lewandowskv,  Louis  509  f. 


Saili-  und  l'fi'siiiirii-lic^i.sli'r 


5H1 


l.ihi'rliiu'i',    SyiiiiLTdi,'!'     in     .Icrusa- 

K'in  4()1. 
I.ippinaiin    aus    Mulliauscn    KO. 
Litaneien    ir)2ff.    174  f.    223.    27(). 

278. 
Liturgie,    ErklAruntr  d.    WOrtos  4. 

im  Spracliurt'luauiii    20").   44L 
London,    Uefornifn   in   431  ff.   439. 
Lurja,    Isaak,    als    .Mystiker   387  f. 
sein  Einfluß  IL   IÜ8.   124.  38i)  f. 
392.  407. 

.\Liunuuiot  08.   237—239. 
Maamadpoesien  226.  341.  343  f.  367. 
Maarib  (s.   Al)('uds;ohot). 
Maaribini  212.  332.   334.   3G7. 
.Macaulay.  T.  B.  40ö. 
Maciisor   6 — 8. 

Saloniki  51. 

Vitry  8.   363. 

Kommentare  zum  335.  337. 
.Maftir   168.    175. 

Maimonides,  Moses,  Gebetordnung 
11.  362. 

über  den  Torazyklus   161. 

über  Piut  303. 

über  Gesang  505. 

über  Synagogenbau  460.  464. 
-Manchester,  Reformen  in  433. 
ALmhig  369. 
Mantel  beim  Gebet  500. 

—  für  die  Tora  472. 
Märtyrer,  Die  zehn  228.  290.  337. 

Gedächtnis  der  203.  231.   336  f. 
Mater  synagogae  484. 
Megillot  an  Festtagen  137  ff.  184  ff. 

(s.  auch  Hagiographen). 
Meir  b.  Baruch  aus  Rothenburg  15. 
59.  (72.)  338—369. 

—  ha  Cohen  369. 

—  b.   Isaak  334. 
Meiron,  Synagoge  in  461. 
Melodien  für  Gebete  503 — 505. 

beim    Vortrag   der    Piutim    283. 
295  f. 


Im-I  d.  S.  hriflvnrl.    \r,(i.   171.   '»04. 
in  {{i'fonugi'iiirindi'M  403.  420. 
Mt-rniMii   203. 
.Memorbücher  203. 
Menachem  b.   Jacob  328. 

—  b.   Josepli   370. 

—  b.    Machir  335. 
MendeLssohn,   M(»s«'s  394. 
Mendol.s.sohnianer  3.  396.  400. 
.M-rkaba  bei  d.  Mystikern  18  f.  ()2fl'. 

210.  379—381. 
Meschuliaiu      b.      Kaloiiyriios     66. 

327  f. 
Messianismus  387.  400.  404  f.  419 

422.  434.  436. 
Messianische   Gedanken    u.    Bitten 
im  Gebet: 
im  Schma   19  ff. 
in  der  Tefilla  28  ff.  50.  54. 
in  den  Tachanunim  79.  83  f. 
in   d.   ersten    Benediktionen   92. 
im  Kaddisch  93.  95.  97. 
im  Sabbatgebet  116.  118. 
im  Musaf  d.  Festtage  134  f. 
l)pi     d.     Neumondverkündigung 

124. 
in  d.  Haftarabenediktionen    180. 
in  der  Keduscha  65  f. 
ihre    Fassung    in    Reformgebet- 
büchern 50.  54.  56.  400  ff.  417. 
419  ff.   422  f.   430.   434.   437  f. 
441. 
Mesusa  25.   247. 
Metrum  im  Piut  285.  291.  294  ff. 

309.   346. 
Meturgeman  178.  187  ff.  197  f. 
Midrascli   195. 

s.  Einfluß   auf  d.  Piut   275.  279. 
28L  288,  317  f.  341  f. 
Mihrab  470. 

Minäer,  Bedeutung  des  Wortes  36. 
Benediktion  eines  37. 
Einführung  einer  Bened.  zu  ihrer 
Fernhaltung   v.    d.    Synagoge 
37  f.   252  ff. 


592 


Sach-  und  Personen-Register 


Minchagebet  98—99. 

Name  98. 

Ursprung  98.  238. 

Bestandteile  99. 

am  Sabbat  117—120  (s.  d.). 

an  Festtagen  98.   168.   164. 

Toravorlesung  156.  167. 

Prophetenvorlesung  176.   181  ff. 

Vernachlässigung  262. 
Minhag-Amerika,    Gebetbuch    437 
Minhag-Brauch  355.  357. 

Ausbildung  u.  Elemente  des  356f. 

Verbreitung  357. 

-Ritus  363. 
Minhagim,  Aufzeichnung  der  368. 

Vereinigung  der  374. 

Überschätzung  u.  Krankheit  der 
372.   412.  427. 
Mischne-Tora    11.    362. 
Mittelfeiertage,  Gebete  an  d.  137. 

Toravorlesung  155  f.   165. 
Moncalvo,  Ritus  von  9. 
Montag  u.  Donnerstag,  Tachanunim 
77. 

Schriftvorlesung  77.   155  f.    157. 
160. 

Gebete  nach  der  Toravorlesung 
202  f. 

als  Fasttage  76.  127.  225. 
Morgengebet,  Name    14. 

Ursprung  238. 

am  Alltag  14  ff. 

am  Sabbat  112—115. 

an  Festtagen  136. 

Vorbeter  beim  14  f.  87.  92. 
Mosaik  in  der  Synagoge  457.  462. 
Moser,  Moritz   410. 
Moses  Kordovero  124.   386. 
Mose  Al-Scheich  386. 

—  ibn  Esra    346—348. 

—  b.  Machir  108. 

—  b.  Maimon  (s.  Maimonides). 
Mosesstuhl  473. 
Moses-Synagogen  481. 
Aloseslied   116.    129 


Musafgebet,  Name  115. 
Ursprung   238.    248. 
am  Sabbat  115 — 117  (s.  Sabbat), 
am  Neumond  125 — 126  f. 
an  Wallfahrtsfesten   133  f. 
am  Mittelfest  137. 
am  Neujahr  141  ff. 
in    Reformgemeinden    117.    401. 

403  f.  420.  424.  432.  438. 
Musafopfer     bei     der     Schriftvor- 
lesung 165  f.   168. 
Musikbegleitung  beim   Gebet   399. 

401  f.  411.  427  f.  432.  436. 
Kampf  um   die   406^408.   410. 

417.  420.  427  f.  431  f.  440.  508. 
Mystik,  Einfluß  der  281.  378—393. 
ältere  379. 

der   Chassidismus   391. 
in  Deutschland  382—384. 
in  gaonäischer  Zeit  379 — 381. 
lurianische   386—390. 
die  spanische  Kabbala  384  ff. 
Mystiker,  Bewegungen  d.  M.  beim 

Gebet   385.   392.   499. 
Gesang  der  200.  380.  383.  388  f. 

391.  505.  V 

Bevorzugung    d.     Responsionen 

95  f.  502. 
Bevorzugte  Gebete  der  M.: 

Kedu.scha   15.    18  ff,   63  f.    66. 

Einleitung  d.  Sabbat  108. Ulf. 
388. 

Kaddisch-Responsionen  95  f. 

Priestersegen  69. 

Hoschanot  139. 

die  dreizehn  Eigenschaften  200. 

der  kleine  Versöhnungstag  124. 

d.   9.  Ab  388. 

Nachtgebet,    Einführung    d.    238. 

240.  247.  262. 
Nagara  Israel  389. 
Naro,  Synagoge  in  456  f. 
Natronai  b.  Hilai  7.  191.  302.  358  f. 
Nebratein,  Synagoge  in  460.  481. 


Sacli-  iiiiil  l'i'rsuiicii-Kt'^fislcr 


593 


Ni'hardi-a    ISO. 

Neheinia,    EiiifliiU   iuif  d.    Ciottes- 

diensl   2:U)  f. 
Neila-Gi'lK't,   am   \ frsdliimiigstage 
152  f.  240. 

an  ]''asllagtMi   102. 

an  d.  Maamadot  152.  2.'J7  f. 
Neujahrsfest  140  —  145). 

Name   140. 

Zahl  der  Feiertage  132.   140. 

Charakter  d.  Gebete  141. 

3   besondere   Bened.    f.    d.    Tef. 
141—144.   248.   2ü4. 

Erweiterung  der  III.  Bened.  141f. 
147. 

Sonstige  Veränderungen  i.  d.  Tef. 
146  f.  301. 

Berücksichtigung   d.   Neumonds 
144  —  146. 

Auffassung  d.  N.  als  Bußtag  146 
bis  148. 

Selichot  am  148.  227. 

Piutim  i.  d.  Tef.  216. 

Tora  Vorlesung  158  f.   164  f. 

Prophetenvorlesung  176  ff. 

Schofarbhisen  140  f.  204. 

Selichatage  vor  d.  227  f. 
Neumondstage  122 — 126. 

Verkündigung  der  123  f.  204.  439 

Neumondsweihe   124. 

Fasttage  vor  dem  124  f.  388. 

Veränderungen  d.   Liturgie   125. 

Hallel  u.  and.  Psalmen  125  f. 

Musafgebet  125  f. 

Toravorlesung  155.  158.  164.  168. 

Prophetenvorlesung  176.   181. 

Österreich,  Gesänge  in  507. 
Offenbarung,  Dank  für  die  O. 

in  der  Tempelliturgie  236. 

im  Morgengebet  20  f.  25. 

im  Abendgebet  100. 
Omer-Tage  bei  den  Mystikern  388. 
Onias  der  Kreiszieher  246. 
Opfer,   Erwähnung  in   der  Tefilla 

Elbogen,   Der  jild.  Gottesdienst. 


29  f.    55—57.     116.     12(1.     135. 

138.    145. 
Gebet  um  Wiedi-rhi-rshlluiig  der 

29  f.   55—57.  116.    126.    134  ff. 

252.  263. 
dcsMii  Aiidriung  in  lleformgem. 

404.  420.  428.  432.  435. 
Opferung  isaaks  /s.  Isaak). 
Orgel  (s.  Musikbegleitung). 
Orient  10.  363  ff. 

Orientierung   d.    Synagogi-n    459  f. 
Ornamente  in  der  Synagoge  455  ff. 

464  ff. 
auf  Slickereien  471  f. 
Osten,  Hiciitung  d.  Synagogen  nach 

460  f. 

Paitanim  207.  305—353. 
Palaggi  Chaim  449. 
Palästina,  Entwiiklung  d.  Gottesd. 
260.  264  f. 

Unterschiede  von  Babyl.  266  ff. 

Heimat  des  Piut  285. 
Paltui  Gaon  57. 

Papa   H.,  für  den  Gottesd.   264  f. 
Papyrus  Nash  24. 
Parasche  155.  160  ff. 

Benennung  d.  Wochen  nach  161. 
Pater  synagogae   484. 
Paris,  Heformen  in  439. 
Perikope  (Parasche)   155. 

ausgewählte   158. 

Umfang  der  159. 

Zusatzp.  157.  164.  168. 

Maftirp.   168  f.   179  (s.   Toravor- 
lesung). 
Perser,  Verfolgungen  durch  d.  282. 
Persien,  Piutim   in   338. 
Pesach   137—138. 

Liturgie  137  f. 

Kerobot  u.  Gebete  um  Tau  138. 
214  f. 

Toravorlesung  165.   191. 

Prophetenvorlesung  182.  191. 
Peschitto,  Übersetzung  der  189. 
38 


594 


Sach-  und  Personen-Res'ister 


Petrus  308. 

Pflichtgebete  (s.   Stammgebete). 
Pharisäer,  Einfluß  auf  den  Gottes- 
dienst 246. 
Philadelphia,  Reformen  in  433. 
Philanthropin  in  Frankfurt  a.M. 399. 
Philippi,  Synagoge  in  449. 
Philo    149.    159.    171  f.    195  f.    250. 

447.  451.  485. 
Pinchas,  Paitan  308. 
Pinto  Isaaiv  397. 
Pismon  207  f.  224.  228. 
Piut,  Name  3.  207.  283  f. 

Entstehung  u.  Verbreitung  281ff. 

285.  301. 
Charakter  208  ff.  286  f. 
Arten  des  209—212. 
Stoff  des  288  f. 
Kunstform   des   281.    285  f.    290 

bis  295. 
Sprache   des  296  ff.    318  f.    331. 

339.  342.  347.  351. 
Epochen  des  306. 
Zahl   der   Piut-Dichtungen    288. 
Gegner  des  301  ff. 
Überlieferung  des  373. 
Kommentare  zum  335.  337. 
\'ortrag  (Gesangbegleitung)  283. 

5—6. 
Stellung   der   Reform    zum   305. 
397  f.  403.  427.  429.  431.  440. 
Platte  als  Toraschmuck  472. 
Poesie,    synagogale    206—208    (s. 

auch  Piut.  Selichot,  Kinot). 
Polen  9.  427. 
■  Synagogenbaustil  in  463.  465. 
Mängel  der  Vorbeter  in  495.  507. 
Polisch  469. 

Portugiesische   Gemeinden,   ihre 
Verbreitung  nach  d.  Vertreib. 
10.   374. 
ihre  Vorbeter  491. 
ihre  Stellung  zur  Reform  305.431. 
—  Aussprache     in     den     Reform- 
gemeinden 401. 


Prag,  Reformen  in  411. 

Prediger,   älteste   Bezeichnung  für 

195.  197. 
Haltung  und  Platz  des  197  f. 
als  Ehrenbeamte  197.  487. 
als  Berufsbeamte  492. 
Rabbiner  als  197.  398.  492. 
Predigt,    älteste    Bezeichnung    für 

194  f. 
Arten  der  196. 
Gebrauch  der  Landessprache196. 

398  ff.    410  f.    427.    431.    433. 

440  f.  548. 
Preußen,  Reformen  in  400  ff.  411. 
Priesterliturgie  (s.  Tempel). 
Priestersegen  31.  56.  68—72.  236. 

238.  249.  252.  267. 
Bezeichnungen  für  68. 
im  Tempel  zu  Jerus.  67.  236. 
in  der  Synagoge  68  ff.  252. 
zu  welchen  Zeiten  71.   117.  128. 
Haltung  beim  68. 
Gebete  vor  u.  nach  dem  69  f.  71. 
Gebete    d.    Gemeinde    während 

des  7-0. 
Rezitation  d.   P.   durch  d.   Vor- 
beter 69  ff. 
Unterschiede  zwischen  Palästina 

u.  Babylonien  267. 
Stellung  d.  Reformgemeinden  72. 

423.  425.  434.  438. 
in  de.i  ersten  Benediktionen  91. 
nicht  ins  Aramäische  übertragen 

189. 
als  Benediktion  d.   Tef.   31.   59. 

72.   236. 
Privatandacht  25.  242.  246.  255  f. 

261. 
die  Tachanunim  73  ff.  242.  256. 

265. 
die  Tef.  im  Abendgebet  102.  261. 
Nachtgebet  262. 
Prophetenvorlesung  118.  174  — 184. 
Einführungszeit  u.  Ursache  175 f. 

178. 


I 
I 


Sai  li-  1111(1  I't'isoii.'ii-Rogister 


595 


Namr    174  I'. 

kein  fcsliT  Zyklus  175  —  178. 
Wahl     diM-     AbschnilU'      170  f. 
\  »M'botene  Abschnitte  177. 
X'erzeichnisse      dor      Al).schnitte 

177  f. 
N'oin  17.  Tainimis  Ins  /,.  Iliilfcn- 

ffstf   178. 
l.ängo  der   178. 
BmviM'tiini,'   d(M'   17!»  I'. 
Wrr  da/.u   hffuKt   ist    17<)  f.    183. 
BenediktioiuMi  zur  180  —  182.268. 
Targuin  diM'   192  f. 
Introduktionon  zum  Tar<,Miin  der 

193.   334  f. 
i  l)ertraguiis    in    die    Landesspr. 

192  f.  403.  420.  428.  438. 
AnschlulJ  d.  Schriflauslegung  an 

195. 
an  Fasttagen   128. 
an  Festtagen  155.   17(>.   182. 
Proselyton,  Bitte  für  die  38.  52. 
P.salmen    14  f.    81.    186.    237.    249. 
425.  438.  495. 
Morgenpsalmen     an     Festtagen 

136  ff.   147. 
Bußpsalmen   152.   222. 
—  in  biblischer  Reihenfolge: 
Ps.     92—93.  95—99  .  .  .  108. 
,,     113  —  118    .  .  .    125. 
„     121  —  124   .  .  .    113. 
„     120—134    .  .  .    119  f. 
„     145—150    .  .  .    So. 
in   nicht   biblischer   Reihenfolge 
108.   113.   152. 
Psalmen,  einzelne 


Ps. 


6 
12 
17 
18 
19 
20 
22 
24 
25 


139. 
139. 
152. 
137. 
113. 
79. 
131. 
201  f. 
152. 


27  . 

..  149, 

29  . 

..  los. 

138.  147.  201  f. 

30  . 

..  130. 

.33  . 

..  113. 

152.  434. 

34  . 

..  113. 

42  . 

.  .  138. 

43  . 

.  .  138. 

47  . 

..  147. 

51  . 

..  152. 

65  . 

..  152. 

67  . 

..  121. 

152.  388. 

08  . 

.  .  138. 

70  . 

..  138. 

81  . 

..  138. 

147. 

83  . 

..  137. 

84  . 

..   99. 

90  . 

..  113. 

91  . 

..  113. 

121. 

92  . 

.  .  108. 

113.  137  f.  434 

93  . 

.  .  108, 

113.  126.  434. 

95  . 

.  .  108. 

113. 

96  . 

..  108. 

126. 

97 

.  .  108. 

136. 

98 

.  .  108. 

99 

.  .  108. 

100 

..   84. 

109.  112  f. 

103 

..  152. 

104 

..  119 

•.  126.  152. 

106 

..  137. 

107 

..  137. 

111 

..  120. 

139.  203. 

113 

.  .  434. 

113- 

-118  ... 

125. 

114 

..  137. 

117 

..  438. 

118 

.  .  438. 

119 

..  119  f. 

120- 

-134  . . 

119  f. 

121- 

-124  ... 

113. 

122 

.  ..  119. 

138. 

130 

.  ..  152. 

135 

.  ..  137. 

136 

.  ..  112. 

137. 

137 

.  ..  126. 

143 

.  .  .  523. 

38^ 


596 


Sach-  und  Personen-Register 


Ps.  144  ...    121. 
„  145    ...      79.  80.  85.  92.  172. 

227.   439. 
,,  145—149   ...    85. 
„  148  ...    201. 
„  150  ...      85.    137. 
Pumpedita  20.  302. 
Purim,  Entstehung  130. 
Liturgie  130. 
Vorlesung     des     Estherb.      132. 

184ff. 
Toravorlesung  156. 

Rab,  Wirken  f.  d.  Gottesdienst  263f. 

Rabba,  Wirk.  f.  d.  Gottesd.  264  f. 

Rabbiner,  Ehrungen  für  den  4.  171. 

Funktionen    als    Prediger     197. 

398.  496  f. 
bei  d.  Liturgie  200  ff.  427. 
—  beim  Vorl.  d.  Haftara  179.183 
bei    Gebeten   in    Reformg.    421. 
436.  496. 
Rabbinerkonferenz,  amerikanische 

437. 
Rabbinerversammlung    in    Braun- 
schweig 416. 
in  Breslau  421. 
in  Cassel  429. 

in   Frankfurt  a.   M.   419  ff.   427. 
über  Torazyklus  161. 
über  Ahroniden  72. 
über  Prophetenvorlesung  183. 
über  Übertr.  d.  Toravorl.  192. 
Rapaport,  S.  L.  11  f. 
Raschi,  Gebetordnung  8.  363. 
als  Selichadichter  335. 
als  Piutkommentator   335. 
Reformbewegung : 

Anlaß   zur   Entstehung  der  394 

bis  396. 
Die  ersten  Reformen  i.   Gtsdst. 

394  ff. 
Predigt  u.  Gebete  i.  d.  Landes- 
sprache 398  f.  430—434. 
Reformversuche    in    Beilin    400 
bis  402. 


Reformgemeinde   in    Berlin    421 
bis  425. 

—  in   Hamburg  402—411.   413. 

—  in  England  431  ff. 

—  in  Amerika  433  ff. 
Gegnerschaft    gegen    die    406  ff. 

426  f.    431  f.   434. 
Stellung    d.    Rabbinervers.    416 

bis  421. 
Kampf  um  d.  hebr.  Sprache 419ff. 
Stellung   z.    Messiasglauben    zur 
Erwähnung  d.    Opfer   4.   400. 
404  f.  408.  418. 
Ergebnis  der  439—443. 
Reformgebetbücher : 

Veränderungen  d.  Tefilla  50.  31. 

56.   82.   414. 
nationale  Gebete  u.  Messianismus 

50.  54.  414.  420.  428.  437. 
Wiederholung  d.   Tef.  403.   417. 

420. 
Musafg.  in    117.   401.   403.    417. 

420.  424.  432.  438. 
Sündenbekenntnis  in  151. 
Toravorlesung  in  161.   172.  403- 

417.  420. 
Gebete  n.  d.  Schriftvorlesung205.      ^ 

(s.  Landessprache.^ 
Piutim  in  305. 
Kol  Nidre   154.   417. 
Refrain  im  Piut  208  f.  212.  219  f. 

228.   291. 
Regen,    Gebet   um  44.    139.   214  f. 

439. 
Regensburg,  Gesänge  in  507. 
Reim  17.  19.  87.  281.  285.  291.  293. 
309. 
Gürtelreime  209. 
Bibelreime  309. 
Religionsverfolgungen  33.  64.  257. 

282—284. 
Responsen   24.    26.    72.    83.    94  ff. 

246.  250.  494  ff.  502. 
Rezitation  des  Schma  22.  26.  496  f. 
Rhein,  Gesänsre  am  507. 


Sacli-  iiiul  PtTsoiicii-Kcgislcr 


597 


Rhythmus  im   l'iiit   27').  278.  25)1. 

294  ff. 
Hiesscr,   (liil»ri"l   413. 
Hingwörter  293. 

Kitus    der    Gelx'tüht'ilicforunj^.    3. 
8—10.   363  ff. 
in  Palä.stiiia  9.  2')U.  2(>()  ff.  3()4  f. 
in  BahyhHiion  9.  200.  2'>«)  ff.  3ü4 

bis  366. 
in    den    Balkanländorn,    Italien, 
Frankreich,     Deutschland     9. 
364—360. 
in  Spanien   10.  364—367. 
in  der  Provence  10.  367. 
in   Yemen  10.  71.  74.  362. 
Mischung  d.  Riten  364. 
Abgrenzung  d.  Riten  367. 
Wiedervereinigung   der    R.    374. 
Rossi,  Salomo  de  508. 
Rußland,  Baustil  d.  Synagog.  463. 
Ruth   185  f. 

Saadja  b.  Joseph 

als  Paitan  321—324. 

sein   Gebetbuch   8  f.    301  f.    364. 

seine  Poetik  294.  324  f. 
Sabbatgottesdienst, 

Gebot  zur  Weihe  des  Tages  107. 
243. 

Einführungd.  Abendgebe tesl07f. 

—  d.  Musafgebetes  115— 117.248. 
Modifikation  d.  Gebete  z.  Schma 

109.  114.  121.  275. 

—  d.  Tefillas  110  f.  114  f.  HO  f. 
118  f. 

Zusätze  z.  Abendgebet  108.  111  f. 
Kiddusch  i.  q.  Synagoge  Ulf. 
Vermehrung     der     Semirot     im 

Morgengebet   112 — 114. 
Schriftvorlesung: 

Tor.'^vorlesung  155  ff. 

Prophetenvorlesung  nOff.lSl 

Gebete  dazu  199.  204. 
Lehrvorträge   zu    Mincha    117  f. 

186. 


L('luV(.rlri»ge  z.  .Mx-ndgebet    121  ff. 

llal.d.ila  46.   121  f.   243. 

in  {{''formgebetbüchern  108.  117. 
403.  438. 

Sabbate,  ausgezeichnete  156,159. 
163.   317. 

—  die  ,,grofien"  219. 
Sabbathaus  445.  492. 
Sabnräer  271. 
Sachs,   Michael  396.  422. 
Sachsen-Weimar,  Reformen  in  411. 
Safed,  Kabbalisten  von  386  ff. 
Salman  aus  St.  Goar  361. 
Salomo  b.  Isaak  (s.  Raschi). 

—  b.  Jehuda  Hababli  225  f. 

—  b.  Jehuda  ibn  Gabirol  335.  341. 

344—346. 

—  al   Kabez   Halewi   108.   386. 

—  Lurja  81.  386  ff. 
Samaritaner, 

Auslegung    d.     Fest  Vorschriften 

155  f. 
Orientierung  d.  Synagog.  460. 
Bedachung  d.  Synagog.  464. 
Samuel  der  Fromme  382—384. 

—  der  Jungen-  37.  252. 

—  Hanagid   191.  341. 

—  Mar  S.  Wirken  für  den  Gottes- 

dienst 262. 

—  b.  Jehuda  ibn  Abun  283  f. 

—  b.    Moir   104.    114. 
Sanhedrin  von  1807.    398. 
Sanktuarium  470. 
Sargenes  500. 

Schalonn  aus  Wiener  Neustadt  371. 
Schaufäden  25.   247. 
Schedia,  Synagoge  in  446  f. 
Schefitib,  Synagoge  in  446.  450. 
Schemarja  ben  Simcha  370. 
Schemini  Azeret  139  (s.  Sukkaus). 
Schemuel  ha  Katan  37.  252. 
Schenkungen  (s.  Widmungen). 
Schilfmeerlied  23.  113. 117. 129.136. 
Schimeon   ha  Pakoli   28.   41.   254 
Schläcrel  487. 


598 


Sach-  und  Personen-Register 


Schma  14  f.  16—26.  100—103.  247. 
Namen  16. 
Bestandteile  16—25.   101  f.  242. 

247. 
Vortragsweise   d.   Seh.    22.    25  f. 

496  f.   514. 
in  d.  ersten  Bened.  91. 
in  d.   Keduscha  63  f. 
beim  Ausheben  d.  T.  199. 
Fassung  d.  Bened.   in  Reformg. 

20  f.  403  f.  413  f.  423.  434.  438. 
Piutim   z.    d.    Bened.    210  f.    (s. 

Jozer). 
Schofarblasen   140.  420  f. 

Zeit  des  Seh.  am  Neiij.  140  f.  204. 
Liturgie  zum  204.  216. 
im  Elul  149. 
Schowuaus  (Wocheniest),  Liturgie 

138. 
Asharot  217  f.  278. 
Toravorlesung,  Introduktion  zur 

191. 
Übertragung  der  Hattara  193. 
Ruth  185  ff. 
Schriftauslegung  194 — 197. 
die  alte  194  f.   250. 
als  Predigt  196  f. 
in  Form  d.  Piut  282  ff.  288. 
Schriftvorlesung     154—205.     235. 

238  f.    241.     249  f.     257.    268. 

420.  438. 
Toravorlesung  s.  d. 
Prophetenvorlesung,  s.   d. 
Hagiographenvorlesung,  s.   d. 
Gebete  zur  198—205.  425.  428. 

438. 
Übertragung  der  186 — 194. 

im  Altertum  187  ff.  250. 

im  Mittelalter  191—194. 

in  der  Neuzeit  192  f.  420.  423. 
429.  438. 
Poetische  Introd.  z.  Übertr.  191. 

193.   333. 
Schulehan  Aruch  372.  412. 
Schulklopfer  487. 


Schütteln   beim  Gebet   499. 
Seelenfeier  204. 

Seelenheil,  Gebet  für  das  202.  204. 
Seesen,  Reformen  in  399. 
Segen    für    den    Landesvater    und 
die  Behörden  203.  427. 
für  jüdische  Behörden   and  Ge- 
lehrte 203.   427. 
für  die  Anwesenden  und  Wohl- 
täter 203.  479. 
für  Verwandte  204. 
Segen  bei  d.  Tora\oil.  202  ff. 
Selichot    8.    127  f.    153.    158.    221 
bis  229. 
Name  u.   Ursprung  221  ff.   226. 

276. 
Charakter  und  Inhalt  208.  221  f. 
224. 

Die  alte  Selicha  222—225. 
die    poetische    Selicha    224  f. 
286. 
in  der  Tefilla  225  f. 
Selichottage   (Fastlage)    127    f. 
historische    Gedenktage    225. 
.  262.- 

vor  Neujahr  148.  227. 
die  Bußtage  148.  227. 
der  Versöhnungsta;?  153.  226. 
366. 
Bearbeitung  der  S.  324  f.  329  ff. 

335.   348  ff. 
Zensur  der  376. 
Verschiedenheit  d.   S. -Samm- 
lungen 368. 
Seligmann,   C.  439. 
Semirot,  Name  13.  82. 
Entstehung  82.   272  ff. 
Kern  d.   82. 

Erweiterung  d.  82—86.  272. 
Benediktionen  zu  d.  82 — 84.  86. 
Stellung  i.  d.  Lit.   13.  87. 
am  Sabbat   112  f.  403. 
an  d.  Festtagen  136. 
in  Reformgebetb.  403.  413. 
Septuaginta,  Übersetzung  24.  188ff. 


Sacli-  iiiitl  IN'iSDUi'ii-FJt'KisliT 


599- 


Sidtliii'  6  f. 

—  -   Anna  Ml   .'5r>!l. 

—  liasclii  S.  :{:{■). 

-   Saadjas   ST.    361  f.   3H4. 
Siiiuha  Ikmi  Saimicl  aus  \ilry  303. 
SiiiKin   I..   Isaak  293.  328—330. 

—  1).  Jothai,  Syiia^'ot,^'  482. 
Simson   I).   Zadok  3G'J. 
Sitze  in  dor  Synapoirc  47.'>  f. 
Sofrim  (Inhalt  des  Traktats)  354  f. 
Sohar  385  f. 

Sonntag,     Cottosdionsl     am     399. 

421.   424.   430. 
Spanien,  Ritus  von  It).  367. 
Spanische   Kabbala  384  ff. 
Spanische  Paitanim  339  ff. 
Spenden  währ.  o.  Toravorl.  201  f. 

für  Syiiaf^ogon  477  ff 
Speyer,  Synagoge  in  4(53. 
Spira  Nathan  390. 
Sprüche  der  Väter  119.  43!>. 
Stammgebete  3.   11.   200.   390. 

Geschichte  232  ff. 

Heimat  279. 

Ausschmückuni!'   271  ff.   275. 

Variierung  273  ff. 

.\bschluß  280. 

und  Piut  207.   283. 

in  der  Landessprache  403  ff.  (s. 
Landessprache). 

Änderungen  durcli  die  Reform  31 . 
56.  403  f.  413.  423    434.  436  ff. 
439. 
Ständer  für  Gebetbücher  470. 
Stehen  beim  Gebet  499. 
Strophen  im  Piut  281.  285.  291  ff. 
Stubentropp   504. 
Suburesier,  Gemeinde  in  Rom  482. 
Sukkaus  (Hüttenfest): 

Liturgie  am   138  f. 

Toravorlesung  am  157  f.   105  f. 

FeststrauB  am   138  f.  219  f. 

Der    Hoschanatag    138  f.    219  f. 

Das  Schlußfc-st   139  f.   214.    185. 


Das    TdrafriMidcnfrsI     IJi».    KKif. 
439. 

s.    W'allfahrtsfcsl.'. 
Sul/.er,  Sah)mi»n   509. 
Sündenbekennliiis    149  f.    277. 

Name   151. 

Ursprung   149  —  150.   243.   204. 

d.  Priesters  im  Tempel   149. 

am  Versohnungstag   149.   277. 

im  täglichen  (lebet  75. 

an  Fasttagen   127. 

Bestandteile  des   150  f. 

Selichol   als  221  ff.   229. 

in  den   Kinot  230  f. 
Synagoge,  Bezeichnungen  für444ff. 

Entstehung   d.    223.    235.    240  f. 
440  ff. 

Die  ältesten   440  ff.   453  ff. 

Lage  d.  448—450. 

außerhalb  der  Stadt  107.  449. 

am  Wasser(?)  448  f. 

an  Grabstätten  482. 

Staatl.  Schutz  d.  450  f. 

Gewaltsame    Umwand!,    in    Kir- 
chen 450  f. 

Verwendung  der  452  f. 

S.   u.    Kommune  477. 

Bauart  der  453 — 409. 

Anlage    und    Orientierung    453. 
459  ff. 

Höhe  u.   Bedachung  459  f.   404. 

Türen  u.  Fenster  401.  404. 

Fußboden  (Mosaik)  401. 

Xebenräume  458.  409 

Baustil  462  ff. 

Ornamente  455.  401.   404  ff. 

Innere  Einrichtung  459 — 470. 

Frauengalerie  423.   430.   400  bis 
408. 

Herstellung   u.    \erfügungsrecht 
477—479.  482. 

Benennung  d.  S.  und  Gemeinden 
480—482. 
Synagogengesang  (s.  Gesang)  503ff. 

-diener  485  ff. 


600 


Sach-  und  Personen-Register 


Synagogenordnungeii  411.  427.  571. 

-Verwaltung  4S2  ff.  492. 
Synode  in  Leipzig  428. 
Szegedin,  Synagoge  466. 

Tachanunim     14  f.     73—81.     242. 
256.   265.   272  f.   357.    371. 
Name  73  f. 
ein    Privat^ebet     14.     73  f.     75. 

242.  256.  262. 
Anlehnung  an  biblische   ^Muster 

75  f. 
Sündenbekenntnis  i.  d.   76  f. 
Keduscha  de  Sidro   78. 
Anhänge   an   die   79 — 81. 
am   Montag   u.    Donnerstag   76. 
an  festlichen  Tagen  78.  125.  129. 

131.   137. 
im  Minchagebet  99.   125. 
im  Abendgebet  105  f. 
Tallis  423.  499  f. 

Tam,  R.  Jacob  154.  303.  314.  335. 
Tammus  17.,   der  127.   388. 
Targumim  187—189. 
Methode  188. 

Aufhören  dTargumvortrgs.  190ff. 
Tarsos,  Synagoge  481. 
Tau,  Gebet  um  44.   138.  214  f. 
Teba  =  Schrein  469  f. 

=  Platz  des  Vorbeters  470  f.  473. 
Tebet,  der  10.    127. 
Tefilla,  Name  5.  14  f.  27.  240.  242. 
248. 
als  Gemeindegebet  28.  31.  242  f. 
als  Gebet  des  einzelnen  28.  255. 
Alter  28  ff.  242. 
für  d.  Morgengebet  14.  27.  240. 

428. 
für  d.  Minchagebet  99.   243. 
für  d.   Musafgebet   118.   248. 
nicht  im  Abendgebet   102.   247. 

255. 
Aufbau  242. 

an    Wochentagen    (s.    28  ff.). 
248. 


an  Sabbaten   110.   248. 

an  Wallfahrtsfesten   133.  248. 

am  Neujahrsfeste   141  ff.  248. 

am  Versöhnungstag   151  f. 
Differenzierung  256. 

am  Neumond  57.   125. 

an  Fasttagen  54.   127.  248. 

am  9.  Ab  53.   129. 

an  Chanukka  u.  Purim  IS*^»  f. 

an   Mittelfeiertagen   137.   248. 
Der  Wortlaut  in  den  4  Sabbat- 
gebeten  110  f.    114  f.    116  f. 
der  Wortlaut  an  d.  Festen  118  f. 

137.   139.    141  ff.   151  f. 
Vortrag  der  (laut)  28.  254  f. 

leise  mit  Wiederholung  28.  45. 
89.   255. 

keine  Wiederholun/  im  Abend- 
gebet 102  f. 

Ersatz  für  Wiederholung  am 
Sabbat  Eingang  108.  111  f.       « 

Wiederholung  in  Reformgem.       M 
401.  403.  417.  420.  429.  438. 
Redaktion  30  f.   254  f.  ^ 

Diktion  der  242.  256. 
Wortlaut ,    verschieden    in    Pa- 
lästina   und    Babylonien    42. 

267. 
Änderungen  inReformgenieinden 

49  f.   52.   54.   403  ff.   414.  425. 

434.   438. 
Poetische      Einschaltungen      in 

die  T. 

Kerobot  212  ff. 

Selichot  225. 

Kinot  129.   230. 

s.  Achtzehngebet,  Musaf. 
Teil  Hum,  Synagoge  in  454.   460. 
Tempel  in  Jerusalem: 

Reste  aus  d.  Liturgie  d.  25.  29  ff. 

55.    67.    73  f.    82.     139.    217. 

219.  236.  239.  252.  358. 
Bitte  um  Wiederherstellung  29  ff. 

55.    116.    124.    134.    252.    404. 

414.  428.   438. 


SiK'li-  1111(1  l'frsoiii'ii-Kci'isli'r 


601 


Ti'in|)i'l-\  ri'i'iii   in   llaiiiliiirg  4ü:J  ff. 

4i:{  rr. 

Thoodusiiis  1 1.      iöl. 
Threni  (s.    Klagelieder). 
Tisch   für  \'()rl>oti'r  473. 
Tischri  der  :{.    127  f. 
Tora,    Verherrlicliung    der    T.    am 
Torafeste    Ui8.    174.   205. 
Bekleidung  der  472. 
Torafreude   (s.   Sukkaii.s). 
Tora  rolle  471. 

\orsehriften  über  d.   168.   174. 
Zahl  der  168.  174.  268. 
Aus-,    Ein-    u.    Hochheben    156. 
174.    198  ff.  474. 
Torasehrein   174.  469  f. 
Tora  Vorlesung: 

Ursprung  u.   Anfänge   155.    158. 

235.   243. 
Tage    der    regelmäßigen     155  f. 

159.   249. 
Einführung  eines  Zyklus  157  ff. 

167.  257. 
einjähriger    Zyklus     155.     160  f. 

177.   268. 
dreijähriger    Zyklus    160  f.    177. 

268.  403.   420.  428  f. 
dreieinhalbjähriger  Zyklus  161  f. 
Vorlesung  ohne  Zyklus  161.  425. 

438. 
Beginn    des    Zyklus    162.    166  f. 

539  f. 
Perikopen  der  155  f.  159.  160  ff. 
168  f.  195. 

Zusatzperikope  157.  164.  168. 
Maftirperikope  168  f.  179.  183. 
268.  240. 

Die  P.  der  Feste  156  ff.  162  ff. 
165  ff. 
Vorlesung  in  der  Landessprache 

171.  250. 
Verfahren    bei    der    156.     169  f. 

355.  417. 
Melodie  der  156.   171.  403.  420. 
504. 


Aiifnilrii     zur     170  !'.     199.     417. 

420.   427. 
Reihenfolge     der     Aufgtrufcnen 

172  r. 

Benediktiduen    zur    171  f.    268. 

s.  Schriftvdrli'sung. 
Tribüne  473. 

Trishagion  61.   63.   67.   519  f. 
Trupp    15().   504. 

Übersetzer    (Meturgemau)     187  ff. 

488. 
Umm  el   Amed,  Synagoge  462. 
Umzüge   199  f.  474. 
am  Tora  fest»'  200. 
am   Hüttenfeste  219. 
Ungarn,  Reformen  in  431. 
Union  of  American  Congegrations 

436. 
Union,   The   —  Prayer  Book  437. 
439. 

Verneigen  beim  Gebet  499. 
Versammlung,    die    Große    6.    28. 

30.  240  ff. 
Versöhnungstag  26.  149  —  154.  249. 
257.  388. 
Die  Tefilla   151  f. 
Priestersegen  68.   71. 
Psalmen    und    andere     Zusätze 

88  f.   152. 
\eila-Gebet   152  f.   238. 
Toravorlesung  158  f.   165  ff. 
Prophetenvoripsung  176.   182. 
Sündenbekenntnis    149  — 151. 

226. 
Aboda   153.   216  f.   277. 
Selichot  150.   226. 
Maamad  226.   241.   343  f. 
Kol  Nidre   153  f. 
Verschied.  Entwicklung  d.  Piu- 
tim  366  f. 
Verstorbene,  Gebet  für  202.  204. 
Vitry,  Machsor  8.  363. 
Vogelstein,   H.   430. 


602 


Sach-  und  Personen-Resrister 


Vorbeter: 

Namen    für    25.    27.    87.    212  f. 
488.   493  f. 

Art  des  Amtes  487  f. 

Funktionen  der  171.   492. 

Anforderungen  an  d.   490  ff. 

Mängel  d.  491.   507. 

D.  V.  i.   d.  Neuzeit  492.  508  ff. 

Platz  d.   25.  473  f. 
Vorhang  zur  heiligen   Lade   471. 
Vorlesen    der   Schrift,    ein    Ehren- 
amt 487. 

bezahltes  Amt  488. 

mit  Melodie  503. 
Vorsänger  489. 

Wallfahrtsfeste  132  —  140.  244.  247. 
Name  132. 

Zahl  der  Feiertage  132. 
die  Tefilla  133—136. 
Halle]   137. 
Megillot  137. 
Tora  Vorlesung  165. 
Prophetenvorlesung   176  ff.    181. 
die  Mittelfeiertage  137. 
s.    Pesach,  Schowuaus,  Sukkaus. 


Widmungen    für    Synagogen    477 

bis  479. 
Wimpel  für  Tora  472.  479. 
Wise,   Isaak  M.  435. 
Worms,  Synagoge  in  463.  468. 

Gesänge  507. 
Würdigkeit  der  Vorbeter  490. 

Yemen,  Ritus  von  10.  71.  74.  338. 
362. 

Zahlal  ben  Netanel  331. 
Zeigefinger  für  Tora  472. 
Zensur    der    Gebetbücher    51.    80. 

375  f. 
Zidkia,    ben    Abraham    Rofe     11. 

187.   369  f. 
Zion,    Bitte   für   29.    31  f.    35.    40. 

53  f.  56.   180  f.  231.  252.   270. 

232.   400.   404.   428.   435.   441. 
Zunz,  Leopold  11.  196.  298  f.  409  L 
Zurollen  der  Tora   173  f.  474. 
Zwischensabbate   163. 
Zyklus    der  .  Toravorlesung    155  f. 
s.  Toravorlesung. 


Sacli-  und  Pcrsoii.-ii-licKisl.'i- 


603 


(oniiTut   486 

liftiiMi'  475 

(i,(cyiyrmixnv  159.   170.  190. 

an/iairäyioyo^-  483 f.  577. 

ün/foy  Trii  auraywyfig  483. 

ßt,ucc  473. 

■  iHdllllCTH  s    487. 

(^^(^«(Txfiv  194. 
öoüuoi  209. 

tyxan'uc    130. 
fyxcaviauöi   130. 
^'^Y(yo«  469.   575. 
iiäarna  466. 
/;itör«rr)!;  484. 
ii'Xoyict  5. 
f  J';f«/'  5.  27.  478. 

ifo«  445. 

y.ißfoiog  469. 

AftTOi'oj'trr  4.   51 1. 

XfiTOVoytic   4. 

Aoyoi,-  nftouy.).r\c>tiiH   196. 


ui)it^(j  firrayioyi';  484. 

vrjar*/'«   126. 
VoriiijViK    122. 

o?xos  r^s  nr>ooa'/5?  445. 

7iaTi]o  avy(cy(oyri<;  484. 
nio(ßoi.og  458. 

TIQfOßvTfQOt    484. 

TioofJpi'K  458.  475. 
nnuvaog  458.  469. 
71  noafrxTi'jQiov  445. 
7iQotJtv/Jt  445.  448.  452. 
nQoajäjtig  484.  578. 
TiQWToxnO^töiji'u  475. 

GußßttTtiov  445. 
avvttywyii  194.  444  ff    450. 

vnr)otTrjg  485. 

r/(i)r«    131. 

j/'«Auüs  208. 

w(y^  207. 


604 


Sach-  und  Personen-Register 


335 inn^3  DTJ  TX 

309 aiD3  m-l  TS 

218 m55l2  tDTT  Ti5 

217.  219.  558 mnTN 

218 niirsn  nnnTj? 

308 nnin:  n^DTS 

334 a^'abiy  ni3tJ  nnDTi? 

65.  199  ...  .  i2^nbi5  (i^in)  -ins? 

333 Dn^n  ^Tni< 

124 b55-nr^  i:^ni? 

291 D"ni? 

184 nbsn  n^inn  nns^ 

165 n^)3  ^ins 

327 ib^blD  TT -IS  q'i-JS 

343 nsin  Dip^a  nT-^s 

326 'i'imsmi  n)a''S 

80.  106.  112.  117.  438  .  IS^nbSD  ^^^ 

199.  506 ^1^3  «j^X 

275 ^DI^D  'i^S 

547 niirn  ao^s 

291 p'S55 

184 i-;^ri^  IT-IS 

336 bsnir^b  nro  ^s 

469 Sn^ODS 

114-  275 i^-isj  ":j5{ 

^33 nimnn  "»nbs  bs 

78.  227.  275f.    .    .    .    Qi^i^  "^li^  bs 

18.  114.  274f.  .  n27-  b-i5  nnn  bs 
222.  276  .  .  (Finnin)  i3b  nmn  bs 
121  .  .  binb  lö'ip  ^^n  b^-in^n  bs 
203 Di^m  sbü  bs 

222.  276 :2Tr!T'  ^bia  bs 

21 i^s:  iba  bs 

214 i{3  3J5 

277 n;)2y  ffi:7n  bs 

291 a"n  bs 

406 n^nnn  ■»im  nbs 

136 't  1-1371)3  nbs 


315 ms^  rtjn  i^nss 

215 l"x 

203 n^^mn  as 

330 nmt3  T^ns^  i5"ins 

341  ...  .  ^bbinia  "ii^Tmi  nsins 

31.  43.  213 mns 

338 inian  id  "^rnns 

76.    147  f.    152.    223.    i5Db^    imS 
276.  374. 

147  ..  .   ^^lani  IDT  'Dbi3  i:^ns 

150 n:st3n  i2n:s  bns 

335 "nirs  bis 

351 n^siü  ^i^n  annns 

186 niTTsni  m;is 

333 TüBTcn  ins 

88  f.  112.  390     ....      Dbl7  ins 

66.  520 m"i"is  n^ns 

141.  146    .....  HDibian  ins 

43.  324 nnsn  ^nsin  ^ns 

326 n^ibn  nns 

121.  212.    .  .  .    bsTCi  1^7  nns 

50 -jöTciai  npni:  nns 

2iof.  352 nnns 

16.  20.  100.  263  ..  .   nnn  nnns 

HO "j^ffi  ^nns 

20.  100.  109 abi37  nnns 

330 T1T3?  nnns 

307 "inbs  nbbns 

331 nn  ns:s  ^2  'jms 

216.  278     bsb  nb-^ms 

336 ins»  b:7  ib  ^is 

333 T^n^ip  T^n^ns 

309 D^niann  ^n-js  i:is 

19 imn  ms 

334 p:n  an  ms 

325 anirs^  ytc^  ms 

210.  308 abi7  ms 

65 '■:^^'y  tjy^  '':^p^  ts 


S;i(li-  uikI  l'cisoiK'ii-Iif^Msli'r 


()05 


23()  .  .  .  . 

308  .  .  .  . 

120  .  .  .  . 

307  .  .  .  . 

174  ...  . 

9  ... 
62.  65.  210 

336  .  .  .  . 

191.  334.  . 

333  .  .  .  , 

156  ...  , 

333  ...  . 

132  .  .  . 


.   .   .    sr^-JEi? 

="BS 

■  T^bn  r.Tanps? 
.  .  "TTsirn  i^nps« 


470 S3165  ,«2inS  ,111« 

174.  470 lül-pn  ITIS« 

370 a'i-'n  nnis? 

216 irrst:  niri55 

328 nnTBS 

175 Ä^rTsbirs« 

76  f.  150.  274 irisrs« 

227 ni"QTrs« 

204 ri2s«  b:3n  nri? 

172 r.2  "inn  iirs? 

180 a-^s^nrn  nnn  ncs 

172 nmrn  inn  ncs 

89 Disn  rs?  ^'2^  nrs« 

109 vT^a  n:2  nrs 

172  .  .  .  rraii  rmr  i:b  ir:  nirs? 

79  f.  85.  153.  227.  272.   .    .    .    ^nws? 

205 bsic^  aD-i-nui« 

321 i?nir  T^biü  '-  rs? 

337  ..  .  nrnrn  rs^i  r.-^^^r^  rs 

336 npj->  bip  '^^-pn  na 

39—41.  54.  181  ..  .  nn  n^a::  ni5 

i62f i^nb  "^rmp  rs« 

291 ir"nrs 

118 nns  nri« 

125.  134 rnnn  nrs 

133  f.  264 i:nnn  nrs 

44.  215 mn3  nrs 

153 Tri:s  rb-inn  nrs? 

47.  121 "i^n  r'-:~>^r^  nrs 

83f.  91    .  .  .   a^nbx  '"  s^n  nrs? 

324 ^12":  '-;  55'^n  -rs« 

218.  329 n:n:n  nns 

143.  216 nDiT  nr.s 


4(1.  531".  129 -r-,  ^r.:s 

591'.  434 TCb  ^11  "^nbx 

89.  434 mSTD!  '^ri'^iü 

60.  151    .  .  "»msi:  acTD  ly  -inb« 

215 23-nbs 

341  ...  .  ipns^  T3  bx  =^nbs 
336  ....  "i'anb  "^731  bx  2"^nbs 
322 nr  DT»  bs:«  z^^nbi« 

336  ...  .  IDJIQTC  irüSn  3"^nbs 
336 112p  S-ilT  D-^nbS 

323 mp)2  n-i  2^nbs 

223 a-i"ccnc  Tnbs 

113.  211 irs  ibs 

310 n-^bpn  -irrb« 

209.  220  ....    ("j^ri-in^  s-j-'iEbs 

338  ..    . 

338   ..    . 

165   ..    . 

164  .    . 

330   .    . 


•  •  .  •  "ipn  rn^i  cEi<  2S 

•  .  •  •   i:n:i<  a^Ecr  2s 
nibr  7ÜZ  2S 

•  •  •  •  "ib  i^Tacr  i?b  ai« 

.  .   airi3s«i2  ■'rn  a-'iirs« 

327  f HD  y^^Ü 

21.28.37.59.96.494-496   .    .   "i^ai? 

308 ir^rs«  a:rs 

46.  254 (niDnn)  r'-^7'2'Ci< 

327 iicj  r::^« 

197 i^niii« 

336 i:r  ur  -^r^Tcs« 

101.  109.  263 -:^s<i  rrs 

121 n-n25?  n:T2i5-  ncs 

16.  22  f.  25.  74.  236.  263.  2^::^1  nSS 
267.  381. 

332 -^DH  nsr."^  rrs 

220 srs« 

135 ir-bs«  s«:i< 

330 '■^^■-[JT^  bs?n  '-;  sis« 

200.  219 .  .  .  .  s<:  nj-icin  '-  s«:s< 

307 niirb  -c-:s« 

66.  215 as-^nbs  '"  ^:s« 


219 


322 r^DIS  CS«  -^Dri« 

124 bs^r-  "c:s 

81 ri'-'^rT  z-r:s 

277 nnx  r.:"2S  ^r:i< 

28.  240   ....  nb-:*n  rc:2  ^te:s? 
237 n^7T3  "»c:« 


606 


Sach-  und  Personen-Register 


444f ri7tr  r^s 

286 rctrr>  V~z3 

165 SSCDn 

212.  334 nlDl 

165 snDn 

184 s^nn  nbibn 

Ulf ^^p^b-a  nian 


163 

165 

274 

39f.  53f.  181.  230 

482 

482 

462 

59. 
99 


146  f. 


.  .    i?nn-n2n 

rc:Dn  i:n 

-ii-n  "«rn 

ipricn 

2i^n  ^Ecn 

'nr.sb  -^n^i  fi«T2b"n 


75 i^ni  «yn 

99 snrn 

75 a^)ami  nbsr  cps 

74.  229.  324.  343 nrpn 

167 -TCS^nl 

5.  249 ^nn 

79.  121  .  .  ::s?-i.ni"  ir-:s  t^^^ 
109.  117 .  .  nm;^  ir:  ^rs  "jT^n 
494  ...   .    bs^ir^  ^r.:x  '-  T^2 

17.   172 Tll)2n  'l  T^2 

102—105.  109.  272    abi^b  't  "Tinn 

5.  241 '-;  r.rs  -['in 

125 s'irin  t""nr  fin 

83.  495 i5'r.  T.^n 

14.  82—84.  92.  1 13.  506f.  n'cSC  Tinl 
22.    26.    93.    'd:^    -nnD    =Tr    ^111 
495.  497. 

22 ^-r-  mn 

200.  390 n^TD  Tiin 

4     ^ni 

29  f.  32.  35 -rb:r  -j^i 

4f.  241.  243.  249 n.-nin 

111.  137.  263  .  't  p7)2  rns?  HDnn 
68.  72 rrrr^  nans 

17.  86.    94f.    129.    172.    211.     -313 

274.  500. 
5.  240.  242 f.  254f.  301     .    .   r^3^3 
87-92.   112.  136.274  nnirn  T'D^n 

164 r-'bzp'  r'2"in 

6     ni^Em  nsnn 


32.  46.  121 -jrnn 

46f.  121 i:r;rn 

150.  153 .  .  .  abij  1T1  rill 

126 nn^i 

216.  277  .  tJsn^  2:17  r::iD 
307  .  .  -jon  n-a  zbnr  r::iD 
332  ...  .  n"^  TTabrn  -j^nia 

i43f.  216 r^bri: 

153 in  in; 

45f TCI^p 

110.  434 rm-p 

333 nbD  ]i:nbr 

308.  332 n:-r 

121 rbin- 


nns? 


498  .  . 
322  .  . 
108  .  . 
266  .  . 
23.  211. 
127  .  . 


267 


•  ■  • bnn 
.  .  n"nn 


165.  191 iTSibTcn  'iTinn 

507 =^mnn 

97  f -jiD^Tai^m  (-Z'^^nn 


97 
493 


445.  449 s<rr:2  ^n 


-;^mn 

nr^n 

•  •   •  '^DT'Q  i^in 

•  •  •  311-17-  T>n 
n:in 

•  :i2S7  "iisb  i:ia 

•  •  •   i-TQ"  im 
336.  dnnn)  imin 


444 

473 

58 

58 

238 

46 

444 

464 

310  f.    325—27. 
344.  347.  351. 

154 n77'a  br  r.nirin 

170.  445.  449.  468.  482.  rcZZr.  r^2 

492. 
444.  446      Z7-  Pia 

445 rnnrcn  r^n 

444 nj^r  rin 

444 s)2"  rii 

445 11-Tii-;  iir  r-2 

445 ii-nr.i-  i«rnu  r^n 


Sach-  1111(1  l'cr.suiK'ii-Kf^ji.slcr 


607 


24.  211 i:3bi2  'n 

25.  73.  242.  250 =^nm 

220 rirp2  inm 

220 nnc  ■»im 

68.  473 piT 

203 r^b  1^1^3-1 

125.   159.   1G4.   169 rbT 

177 T^-^'^   i^T 

46 nyi 

308 irnbs  -D^.i 

209 TTI^m 

195—197 tnn 

183 ITDm 

195—197 "iin-n 

380 nrTGSJni  r^ns^n 

321 ns'abD  bs«  ^b"^5«n 

169 :rTi?n 

44 mn;;n  bsn 

50.  519 "jETrnn  b5«n 


151 


n:o-  :i5n 


46.   141.   146.  148.  519.  Z^-,pr]  bs^n 

46.  120 T<-:-2n 

240.  243 nbinn 

21.  210   ....  'tc-i  112-n  imnr. 

53 ]v:z2  "imnn 

172 m^.r^  nn^nn 

194 (mirb)  "i-inn 

32.  34.  48.  50.  60.  255.  263.  i;:inn 
265.  403. 

195 r[::iT^ 

174.  199 nnn."in 

369 r.T^:ii3i'^i2  rir^yri 

195 -sn:^n 

188 nuii-in 

27.  497 n-^nn  «inn 

31.  57 (n-'-'mn)  ns-in 

237 m-j  13  '-;■-  n-nn 

82.  84.  113.    -i^cn  -isnp  '-ib  mn 

129.  272. 

29 TTiy  n:inb  mn 

29    .  .  .   'itt:^  ^m:  y^p^b  inn 

177 a-ibr^ii  ps^  --;-n 

174.  198 n5<3:-n 

273 r.i<-^n 

138.  2l9f s«:rc'- 


rn  rs^  ru.-  r-z'2 

'dh  st^  br  r-D^3 

.  .  .  HDinn  ^:Dnn 

-i^n  TDnn 


141   ..    . 

149 

72 

54 

If) 

36—40.  51.  252.    .   .  s^r-cn  rz^2 
83.   113.  125.  249.  274    -^rn  rD*3 

49 2i:rn  PD-n 

20.  25.  101.  I7lf.  23(5  n^-rn  TD-^n 

48 s-'b-n  rD^2 

46 --cDn  TD-a 

30  f.  59.  67-72.  23C)      z^ZHD  "3^3 

50 ztz^c  rs^n 

52 aipi-;::  rD"^3 

109 nT3i  ^7->2W2 

14 irnrn 

165.  191 nbrn 

445 r''ic:D  T3 

22ff.  48.  101.211.244  267.  352  nb"S53 
16.  22.  211  f.  267     .    .     bi^^Tr"^  bS3 

485 rD:3r.  r-^n  -^sna 

483 r^-p--2  'K33 

31.  44.  213 , 2j 

44 D-^-Q^y  nmaa 

483 m-tn  ibna 

199 lb-I3 

35.  48 bi«nt:^  bs?^3 

181 -:bs-5 

469 rr.i^y 

466 STJTin 

229 r^lT3 

133 ri^y 

173 nb-'bj 

43.  89 .  .  .  .   a^nTJ  a-'-icn  bri^ 

445 r-isj 

361  .  .   nnsonbsi  rs5ib::bs  ri^s 

210.  228 ^.^j 


52 


?n::n  -»na 


38.  52 a^ia 

138.  214f.  293 zrs 


78  .  .  . 
335  ..  . 
22  .  .  . 
211  f.  272 


ibr-'  '- 


608 


Sach-  und  Personen-Register 


174 nTJSn 

163 npDön 

101  f.  109.  212  .  mbü  nDD  Trisn 

476 "o^-ipn 

157 '-r\pr\ 

123 m^y  bD  bipn 

200 mspn 

132 i;snn  r.x  :iin 

52 aip^nsrn  ^ip  n^ann 

47 nmirnn  nrnn 

33—35.  38.  50  .  .   ir'i-jsTri  nn'^'irn 

32-47.  201 irn^irn 

508  ...  .  n^biüb  nrx  a^niirn 
97.  202f nnDirn 

101.  109.  136.  247.  438.  529.  Isn^DCn 

31.  53     'jn^::^  -joTTn 

175 sjnnrn  a^btn 

73 mnmun 

73.  462 n-iinmrn 

128.  48 32yn  bijT 

94 -JTaX  ITGS?! 

76.  272 :7-i:  tib  i:n:55i 

99 ^non  iin  "^zs^i 

129 in-iin  ri5T  ^:i?i 

118 "^rbsn  i:s«-i 

29.  55 "^SnC^  ^ri5T 

150 pnns  ripxi 

79.  117.  121  f.  214  .  .  irnp  nrs?i 

163 "(rnrxi 

79.  118.  153.  272   bxi5  "r::"":  5?m 

66    .  .  .  '■ai<5  v,D  i»-ip  i^n-im 

214.  381 pm 

278  ...  .   n»^p  nbrn  Y-  '^m 

278 y:)2  ^D^br:  "iDn 

141 ny^T^  )3m 

141 mnD  ir  lom 

141 Tin£  "jr  -LSI 

201 n'üi?''  nn;m 

168  ...  .  lyinün  »in:  mrr'm 
126.  145.  164  .  DD^inn  iri^nm 
165 nmr  ns«  nps  'ni 

25.  74.  76.  149.  151.  229.  308     i^-n 

151 siii  s?i:iT  'im 

65.  67.  210 '  a^:£ism 

20 aibirb  n:i5inm 


139.  166.  535  ..  .    nm  x:y»in 

138.  21 9  f mirinn 

125  ...  .    TT^in  TTsii  :»  i^rrn 

204 n^aü:  msrn 

156.  163 .  .  .  .  Cn  niöis)  Tö^nn 

37 (i^niTnia)  Tirnn 

47.  121 i:V:7  bnn 

58 nnin:  f:  m-jn 

58 ^•nn:  mi:n 

216.  278 mifiiS  32?  nin 

216 abir  mn  aT^n 

148 i:s)25?n  ai^n 

470 Vj,^ 

380 nrnn  rV:D^n 

114.  136.  275.  302    .    .     "^mn  :;n 

174.  201     nc:2n 

219 r,T-i:- 

206.  355 riDbn 

265.  269.    in^innb  iniinr:  ^D:n 

557. 

113 bbn 

82 (ai-i  bsn)  ::n 

125 ins^n  ::n 

130 riii-nm  bbn 

82.  85.  496 nilbbn 

114 pKb  iii^'cn 

59    ....   '-i«i  i^r  Ti?  Ti:;rn 

104.  109 mnsn  r-icn 

56.  270   .  .  i^isb  insiDir  niinrn 

104 miDn  i^tin 

211 nn^n  Y-^n 

50.  148.  264  .    .    .       -JSTT^n  Y^^n 
46.  146.  264.  267.  519.  mpH  Y:;^^ 

147 aV^cn  mm-  Y-^" 

100.  109.  121.  212  z-^^^y  n^nrrn 

47 nbc:  nnirn 

56 ir:^DC  niran 

110.  118 i:':;  n:- 

131 rbn  r"^:ri 

89 HD  rr"»:  "r"!:n 

172  ..  .   a'i'Qirn  ])2  n-rin  -irnrn 

203 nyiirn  ^m:n 

28.  41 i-i-icn 

48 nns  ryn  nrrn 

122 irrr  n-^sn 

175.  497 s?in;n  ""lasn 


Saili-  iuhI  l'iTs<>iirii-l{<'iristt'r 


(iO'.l 


i3().  264 i;r"^Tin 

•'■^t' irr^nrTnm 

246.  37'J rP'^ri 

•41 Y-^t'^ 

40 n:-2  -ri 

40 nsnn:  rj  in 

40 n-j72T  :"j  in 

71  2-irri 

133-137.145.151.182.264.  i::  ^m 
36 an-iT 

326 ns«bb  nrr  "^rbbiT 

210  ..  : r.biT 

156.   159.  163     .    .     Ct  nCHD)  IIDT 

78.  330  ...  .   sn-iniJ  n-inn  nsr 
58 Tirn^  -IDT 

142.   1441'.  216.  229.  293   .    .     -jtidt 

1 40.  145    nmn  -jinDT 

57.  141—144.  147.  216.  229.   nzinDT 
264.  293.  307. 

43.  45.  146f.  30 If ^DT 

14.   81—87.    92.    136.   272.     nn^'OT 

134.  137 i:min  ]72t 

138 i:n"nn  'nia  112- 

i38f isrnrir  '12J 

39.  52.  475.  484 2^:pT 

249 in-  inn 

445 nnnn 

107 nmnn 

208 n^inn 

132 5{:,n,  in 

i37f riü^n  :\n 

138 niDcn  3n 

138 nrisrn  .nn 

132 5Jr:i:'jr-  5?:n 

132 is*ii^-jE-  i^jn 

134 inrr"::  z'^i'cr,  r:\",n 

116.  254 ein 

i22f rnn 

126 12^*7  cnn 

226 aTin  rnin 

137 -;n^ri  b'n 

174.  543 l-^rTZ'n 

308  . n^r.:rrn  n-n 

207  f  .285. 309. 485. 491. 504  j^rrn,  ]7n 

Elbogen,   Der  jüd.  Gottesdienst. 


77  f.  273 2-n-  x-m 

16.  100.  109.  152     .        2in-i  sim 

210 i-imiT'»  n^nm 

i'> yat:  as  n^m 

i^^5 nrn  arn  nim 

51    a-^riam 

162 nnr-en  "jr  PT^im 

125.  133f.  146.  151  ..   .     -rx-^rm 

166  f.  535 HDian  psn 

174.  199     n-nrn  rxn 

16.  24.   101 n^sj^T 

"76 in  -"CS-^I 

169 pb^r  xa^T 

110 2^-rs'  7^2^-1 

86 -i^-;  Tinil 

136  .. nr^  -nTiT 

199.  390 -c:2  "^nr 

121 D7i:  ^-i1^ 

89 1121  in-iT 

164 ririz  bn-^i 

110 a^nbs  :d^i 

110  f.  273 =^"2-rn  ibD-'i 

166   . nc^  '-yi"! 

97 nip-^E  n'a-.rii 

333 ^-py,   -in^j«  -;-)-it 

122 Y:  im 

57 3^-^nn  bDi 

53 -n-i  X0D1 

58.  146  f.   .  .    3131:2  a^'^nb  snsi 

115 irr:  xbi 

40.  53.  213.  270  .  .  "i^i^  aibr'-^-^bi 
36.  51.  213.  375  ..  .    a^rrbrn 

50 ai-irT^bl 

51    "j-nT  r'z:T2i 

138 arr^Dcr  arn:i2i 

134 f.  263 -rs-jn  i:£iaT 

116.  134  .  .  '2in  nx  T^iEb  nr72i 

366 rpr  -:r3i 

165 azb  ar'^EDT 

57 abD  bn 

109  ...  .  'labc  TDD  nrb;?  tttst 

34 "jtncD  "rpisi 

267 1-cr  rs  -^n 

109 i:rs?s  -i'DCT 

109.   115.  273 ^ITSri 

47 bnan 

b9 


610 


Sach-  und  Personen-Register 


80 i:i3y  i3^nbs  '"i  -»m 

85.  113.  136.  273  ...   .  "nnD  "^n^ 
70.  89.  116.  124.  202f.    .    -jisn  nn^ 

59 'jisnb  i^n'i 

201 ibbni 

113.  125 fibbn-i 

104 ns  bD  "iibbni 

146 'inn  Dr 

139.  220 ÄiSyiTin  riV 

140 'inDTn  "av 

149.  151.  163     ....  a^iBDn  ÜV 

116.  135 mDTan  qv 

1 16.  136 rairn  ar 

146 ma  or 

133  f.  137. 145.  Tunp  snpi3  nro  ar 
132  .  -  .    nvb^  bw  ^;ir  nro  ai^ 

124 "jp  -nsD  ai-i 

151 iiyn  nb^n^  ai^ 

137.  151 T!3-Ip  a?-ip^  ai^ 

i38f.  220 nmr  aT^ 

151 mc^n  ^12  ar 

137 nisy  ^r"^mr  ai^ 

140 nyiin  ai^ 

138 5?nSn7T  STüT' 

341 pn2^  nn  qoTi 

332  ..  .  aby  ma  bs^Tair  'n  roii 

60 n"-!  -1^:7^  n"^ 

123 imi5-in^ 

21 atjn  mn^ 

387.  391 ai-nn^ 

476 "i^n^ 

77.  477 nO^IDH  i'^'i 

227 mn^bo  ^'Q'i 

148 nmirn  ^'a^ 

132  ...  .   a^i7Tm  a^ma  a^'a"» 

134  ...  .    nriiü^b  aima  a-^a^ 
132 a-^Ä^m:  z^iq'-^ 

63.  66.  214 Y'^^ 

285.  309 i^r  ,^S5:^ 

8.  360 laias^n  niDi 

57.  125.  133—135.   137.   i^niT  nb^^ 
144.  147.  152. 

342 n«i;i  pns^ 

342 y^wiia  p  pn2i 

198 ns?^^^ 


485  f nODDH  "Tn 

207.  282  f.  504 mSTH 

512 iJ^itn 

169.  201 nrn 

28 mrn 

197 asn 

78.  228 i^iünn 

223  ...  .  'by  ann  "i^Dsb  i:s«i:n 

543 a'^m-'n 

266 a^:\n3ü  qibn 

130.  163 nD:n 

46 ryir\  y.^n 

46 ny"'-i  i;;n 

47 nbob  niTan  "jiin 

47 nbcb  nmai  )-\:n 

52 a-i-i^Dn 

246.  379  ...  .  a^siiciiin  a^n^cn 

333 ncö  nno  bon 

387.  389 müzn 

96 iri^p  ^sn 

293 nnn 

282 nmn 

169 ^nn 

171 ann 

5.  249 amn,  ainn 

291  ...  .' n-a^rn 

153 i:^rn 


173 


rn 


167 niTTiJnn  irn 

167 nmn  -nn 


485  ...    . 

243 

207 

207 

138.  21 4  f.  268.  293 

499  f 

472 

296 

498 


-  .  .  rir-j 
.  .  .  .  ca 

.  .  .  .  ara 
r:?nn  ?-na 


337 n'a  ii^Dn^ 

87  f.  112.  117.  390.  438  ..    .    b"l3^ 
472 1^ 

94.  96 S?a-1  SittbTT  S«rTi 

93.  381 xm  nii2Tr  sn-^ 

349  ..  .    biSTöffi  in  ^'[■:T^  rmn^ 


Siitli-  Mild  I'rrs(tii('ii-I{i'j,'isl('r 


61t 


481 s:£)ian  «rc:D 

452 s?n^"Qn  snr:3 

473f SDD 

223 r-»:rD 

477 nDD 

210.  213.  373 311D 

477 -7^3 

20.  497 ycT  Pi?  f^O 

47.  121 i^rrnnnr  =r2 

223 r-^rrr  srD 

13Ü piimr  CCS 

153 r.^ro 

64 -IPD 

472 nPD 

345 riDb^  irD 

223 -icnn  sb 

16.  247 n^ini«: 

114 mir  Tcs  bsb 

19 'TTin  bsb 

130.  532  f bbnn  ns  1)2^:: 

45f mi  mb 

131  ...  .    nD:n  bc  ns  p^bnnb 

65 a^nbi^b  3Db  n^nb 

471 -jimib 

471 mmb 

296 inb 

511 n^r^^-jb 

227 n-TJCTTS«  '»b'^b 

223.  227 r^pn::n  't  Tb 

315  .  .  .  .    nns«n  npnrn  '-  7b 

108.  388 ^-in  r\y: 

194 Tab 

39 a'^TCITCrbl  2T^b 

323 IJTDb 

529 a'^cii::?  rsni?  -jy^ab 

308 i:^nbsi  T:7^b 

254 r"i£'ab 

116.  268 rii2  ncab 

91  f a-is?  s^rr»  abi>b 

187.  193 T7b 

170.  188.  193 r^jyr: 

65 1-itts^  Tinn  ar-a^b 

65    .  .  a'^niaiKi  a"^nnr)2  arrrb 

90 mm  ^nn-n  pc-b 

16.  247 ni;cb 


22.  244 a^-lSTS  r»"<2'' 

193.  335 2:rE  S-^S-» 

14.  16.  210r ^ST» 

14.  16.  10(1.  114.  210.  27ri.    -«•'55  nsTi 

17.  20.  210    ...    r.^^^.m-cn  -^t» 

1(1.  210  f r-'.ICTi 

22 1:^^"^  ins  "iij:-!-» 

203.  427 '^p^t  aip-» 

103-105.   109    ....    ir;^^  lij-i-t 
27.  4',t7    ....      nSTH  "^lEb  TTi 

18.  379.  381    ...    .    nnD^r  ^TITi 

130 a'^bcn*' 

115 mrr  mac"» 

110. 115.  117.  119.  ^riDbrn  imcc-i 

12(5.   13(5. 

109 .^  .    a^iiacn  ■^n'cr"» 

14.  82.  85  f.    115.   274.   381     n2rr^ 

17.  274  ........  .    ^-nr^ 

97.  99.  381    ...    nnnr^i  T'^nri 

173 nnD 

220 rmriD 

383 -jTan  ns  rrc^ns 

336  ..  .  ^-^tD  TIS"!  BIX  rmnD 
72 an:nD 

259.  378      n:i3 

387.  389.  391 rirD 

253 ^nD 

285.  307 n^-JD 

166 Y"  nDri  "»D 

223 T^m  bj  "^D 

164 2i:n  T^bir  id 

471 sb-'D 

123.  219 1-n  73 

165  f -iiDnn  b3 

I53f in-i:  b^ 

211 irr::"  bD 

154 iJCE  bs 

370 inbD 

18.  275 Bini"S  abD 

222 s:r^r^n  id 

135 i:3^nn  p 

201  . .  .no-»:D 

445 rc:D 

445.  449 Src:3 

450 c— ^-ci«-;  fitrr:3 

39* 


612 


Sach-  und  Personen-Register 


125.  145 a-itr-n  trin'a 

6.  309     ^.vn-a 

7     nbsn  biE  -nTn-a 

7     smTn^ 

44 aTisn  ninia 

152 r.-^rr.i:;b  binis 

151 nbiDi  bnTQ 

151 n:i7  bm)2 

151.  182 -irn  rb^nia 

210-212 "^in^ 

5.  243    ....    (nD-in  br)  rnrjia 

206 iri7T:r.  br)  jnuTa 

5     "[TIS  rn-jr 

5     nsp  7n"Ji2 

472 nns-L^r 

294 luia 

52 '^■naD  bs5  ^12 

336 aii2  ici«"i  "r"'  "»12 

45.   146 T1T2D  "'■Q 

101.  210—213   ....     rc')2D  ^-a 
327  .......   .    fxn^i  i?b  "»^ 

201-204 "^-imr  •>)2 

127.  223.  276 n:rr  ^■a 

123 nrjir  ^^ 

228 niniia 

35.  253 I^Ü 

36 mru 

36-39.  51.  252 3i;i'a 

38  f.  51 ai-5T  r-'iD'a 

123  f Tü-in-  ■;^7"^-":i2 

22 r,-|-nD3  r3T2 

42.  273.  278 f-^ 

329.  373 linni«  i7-Q 

50    .  .  .  -osc^i  n-p^i  nns«  Y-^ 

104 -irb  ^n  bs  Y'^ 

125  ...  .   mnmrnn  bbna  nb)3 

43 nT17  Y5^ 

151 ynsn  bs  br  Tb^ 

329.  373 irb^  ibia 

267 b5?mü">  112  f:^ 

134 iiam  Y'^ 

147. 152  .  .  .     abiyn  bs  b:'  ib^a 

5.  22.  142.  216.  229.  293   .     risb^ 

36 11-17  niDb^ 

80.  141—144.    147.    216.      m^lDb^Q 
229.  266.  293.  307. 


331 
125 


•     3p7^  11S5 


7-358 nD-Q  nsr 

107.  110 irnnfi?^ 

334 -nias  n^bic  i-^s^r 

2iof mxia 

39.  52 Dip-'"i::b  n-jnr 

49 a^sirn  ^m^ 

124 ir-inn  ■jisrns 

473 :n3^ 

195 mnDn  -1^5)2 

132.  184 (^ro5«)  nb:;T2 

390 mpii2:7  r.b:r 

120 niarjü 

43.  152 (rona)  p^ 

213.  215 (-JT1S)  p^ 

43.  111 nai?  pia 

43.  530 ani.ni?  1:572 

i80f nn  p^ 

296 nn^n:  1-11112 

200.  222 ...  .  nn»:?  irbit  ni)2 

159  .  .  .    (mina  '^  i^s)  i^sbir 

195 TmT2 

153 ts-iin  n^  i:«  n^ 

87 lai:  nr 

223 ^ii^sb  lies?:  n72 

251 u"n^n  nsai  rnn)2 

371 b"iirn2 

264 a-^ii^ 

57.  519 Y^  i:n:i«  a^iTa 

59 pam  ainitt 

254 a'i";ii2  a''iiT2 

115.  133.  157.  164.  237  f.   .    .    rcTS 
137 -ly^-Q 

444 "-sj  inyiia 

i38f.  145 nnrffi  ^lyiü 

132 a^nyra 

134.  146    ....  nn72Cb  ai"iyTa 

120 rac  i^sTö 

44  f.  138.  268    ....  b"jn  i^mu 

209 n»iTa 

84.  201 mirb  ni'aTT2 

121 •  .  nann  bw  ^2772 

87 1^712 

163 ni.anr 


Sacli-  tiMil  I'i'isuniMi-Register 


613 


212 nni7^ 

99 ^"»"1773 

K>o 2"^ni7  2'''^y'ü 

2i2f mnin^ia  ,a^2^"i7ia 

333 HD^^Ta 

373 i^-^nbi«  mr7^ 

373 TTirs  nrya 

i«9 b5r  nr^'Q 

189 pnsj-i  mrrr 

472 ncr 

175.    183.  497     ...   i^n^;:!  Ti-JB)^ 

23 a^pii^i  a^V:ir  -^cr 

207 rrjiiD'Q,  "l:"'"'ET3 

163 'i'ip^DStt 

173 nnsTa 

166 -nom  Qipn  ms^ 

22 ncy  m2T2 

203 i<:n:s  "i^s^bsia 

74 iiib^x  "^biSTa 

39.  54.  181     .     n^TlE^  pp  n^'OSÜ 
163 712)3 

50 bi?-iffii  ■'m:  fnp^ 

210.  229 rnaipü 

126.  133.  181    ...  rnrn  np^ 

136.  138  f.     DiSÜTm  bSlTTi  inpl2 
145.  151.  181. 

126.  i33D^Trnn  ^csm bs^nci  np^ 

452 'cy)2  Tl-p-a 

356 lynzv  mp^ 

487.  497 i?ip^ 

133.  138  f.  145.   158  .    .  cnp  i<np^ 
487 Snpl2 

47 mbob  nm^ 

177  ..  .  .  . n^Dn^ 

230 niniia 

347 npr^  ^nnn  mr^ 

326  ...  .    DTa-^zi^p  ^nni  mr^ 

507 D-iTmna 

308 ain^-ipn  a^nmiria 

49.  i38f.  2i4f mnn  n-iTT^a 

35.  51 a^n^nna 

165 s^mn  -ir^ 

165 1321)2 

227 mn-ibob  ■ji^s-'DC): 

327 f.  .  .  .  oiia'i2ibp  "^nnin  abiDa 

45.  213f Tt:in2 


42 iSDbia 

59 irnbs«  -^rabTi 

65 ■JE"'  «in  TCIpTS'Q 

66 l3Db)3  TT3ip7273 

8.  2fi().  363 yrr.-Q 

75.  356 yr>:i2 

9     irs-'b'j^s«  5n:)2 

9     T:Drs  ^n:)2 

9.  KX).  266    bintci  yii<  -^rn  :n:ti 

10.  266 :;:i3  ->:2  3n:)2 

9     -i)2i"i  5n:'n 

9     aiT7"ibn  :in:r! 

10 n-iEc  3n:)2 

437 i«pi-i7rr  3n:)2 

9     "jibiD  an:73 

10  .    .    .     l-jin  y-is)  «12131-1  3n:)3 

496 «bibm  s:n:T2 

370ff ai:n:72 

485 a^^inria 

11.  369 (abi7)  rn:73 

163 nsyn  i:)3 

119.  275.  .  .  nmDi  nnn«  rm;)2 

132 n":Ta 

98f.  133.  237f nn:)2 

98 nbn:;  nn:)3 

98 nrjp  nn:'a 

336 -i-iDTQ  in^n  an:)3 

101.  105.  109.  129.  181    1112  an:T3 
183.  493      -^^Z-C 

476 ni:i3 

116 f'BS3)3 

445 ^13013 

135 nrnr  bffin  ai^oTs 

213 ail2Dn  11D12 

37.  51 aincir 

228 ni:«rD)3 

131 inyiTCi  ms  n^ia 

472 b^ya 

213 n)3"innn  "iiria 

57f.    125.    130.    213    ynSTSH  ]^y^ 

5     nn^rsn  ■■»r'a 

60.  255   ...    .  mü7  n:T3TE  ';i7)3 
237.  553      n737B 

226 f.  341 (nn^bo)  -i^ya 

163.  237.  553 m)37)3 

160 Ca  i2a)  «3-1713 


614 


Sach-  und  Personen-Register 


211  f. 
352 


336 


nn2- 


498 


•    •    •    •     [Kai  mc 


6f 

6.  28.  41.  254 

Fiel  "nc 

6.   155.   157.  160.   254.   Nomen  1-50 
332. 

31 niD-Q  -IID 

79 3vn  110 

332 ns-i^rn  mc 

74    •  ■ -i-nn  -no 

371 TT^inU  mo 

74.  149    .    .    .    .  a^l^SDn  DTi  n-iD 

222 nn-ibc  i'iD 

153.  21 6f.  277  ...   .  m^nj  "nc 
413  (Gebetbuch)      .    .   nm^  "no 

79 nuj^np  -nc 

8-360 a-rar  n  i"io 

127 n^::7r  n-ic 

6     nbsr  n-D 

5.  359  ..  .    niDnm  nbsr  nc 

437 bi^Tiri  ribzir  -no 

11.  362.  512  n:Trn  ro  mbsr  -no 

6     i?n"io 

277 ^)2v:  sino 

155.   160 i^mc 

184 .ij-no 

222 nnibO  iTIO 

i20f a.nno 

160.  186 a^mo 

381 nbern  mio 

32.  35  f.  47.  225.  227    .    .     ^;V  n":;0 

47 (hd-is)  nn^bo 

222.  224  f nn^bo 

151 ■ii:7n  rn"i"::o 

8.  127.   148.   153.  224.  227     mn-^O 

178 .■    .   iüZ-^iy  pn^o 

210.  213  f pV-o 

5     n^irnb  li^ao 

214 niir^^  pTiso 

475  .    ..   ..   ............     i^-^cfio 

486f.    . -50 

174.  201     ......  (nn^n)  ido 

52 D-ilBIO 


181 -irs  n'sr'a 

236f.  553 -nTcr^a 

229 mii2£ffi^,  riEria 

295 :pca 

67 aTir'a 

135 riTjj  bffii  b^nn2 

74 ni::nrT3 

48 a^nioi«  n^ria 

201 -[T  r:ri3 

140 y-^-pr^ 

187 f.  197  .  ...  i^sninü,  lüs-iria 


•  •  sin  nrs«  irs«: 

x"^: 

nn;rn  rrnrn  x^^: 


181 

175 

182   ....    . 

180 

296.  503—505 yy. 

478  .. nn-: 

27.  497  ...  .  Cnn  ii^nr^)  r^n: 

53.  129.  181 an: 

196 nrn: 

196.  526.  548     ....     -jins  rm: 

178 {':-[  nrnc)  s?r)2n: 

94f (irinp)  sr^n: 

74    .......    -;::n  b^  n^^-j: 

417 nbib  r:^-j: 

209.  213 mrn  rb^-u:: 

68—102.  152.  237  f.    aiirrc  rr-^-: 
171.  503  ff me^y: 

296 27: 

499 (7yi:nn)  r:^: 

129 nisrr  n-r: 

64 ^cnp:!  T-^^^y- 

73—76 aiiSi«  rb'>tz 

163 D^ns: 

36.  51 2-<"!2: 

64 cnp: 

64 ^c-i-p: 

189  .  .  .  .  aiiaannü  «bi  rsnp: 

476 -f-iian  n: 

68 11-11  ns5  sü: 

68 1123  55Tr: 

164 Cc:  ms)  a-'S^r; 

68    .  .  .     a->BD  (ns^c:^  ris^r: 
ii3f in  bD  rrc: 


Sacli-  und    l'cr.soiifii-Kt'Kisler 


615 


4(34  .  .  . 
1.S8.  192  . 
S.  3(K)  . 
494  .  .  . 
208  ..  . 
323   .    .    . 


31137 

n:7 

n:j 


157.   159.   178.   19(5 -jiSy 

4« 1237 

223 -i^i^s«  i::7 

2U9 S-JT1-1-J07 

472 a«inn  yy 

srisr  ,ri:27 


132 


'43 r^1^py 

229 (ursl  r\ipy 

iti5 i'cns)  rnp7 

88 ys  a^ip7 

i38f «rnn7  ,n3n7 

99.  133.  240 n^nny 

1(37 minr 

«     117 

6     "i^bia  117 

156 n7nis  a^Di7 

480 (')^ipS517bN)  ■i^^pi7 

223 p)2::  mr7 

59.  147  f.  267    ...  mbcH  mr:7 

215 zi-öir  nTm7 

166 ^Tr7r  nr7 

492 ai:bi:3  nir7 

148 nmirn  ■^'a^  niir7 

118.  261 112:1  ry 

122 '^  n^ns 

208 DTB 

208.  218.  220.  224.  228  ..    .  -ji^rs 

170 nniD 

80.  99.  106.  117   .  .  n-jpn  ai-LiS 

205.  221 mria  n^-js 

209 s-J-^n^s 

3.  207.  220.  282.  302  a^iaT^S  ,'^'\'^t> 

207.  309.  504 -j^nß 

207 Srj^^B  ,'-J^^2 

311 onrs 

69 3^:2  i:^:d  a^re 

132 xnoE  ,nDE 

165 X"^mi2n  bcE 

164 Y:  :CE 


354  f (rODTS)  a^iEic 

150 i^nsaia  "1310 

197 TT^H  :s<7 

4      nn37 

29.  31.  55  f.  267  .  .  (HDin)  nnn7 
153.  21 6  f.  277  ..  .  (nc)  nnn7 
if sbrnr  ni^n" 

27.  ()2 137 

27.  37.  497  f.    .    n:i^rr\  ^3Db  127 

27 5<nn'^r  ^^^p  in7 

154 a"':-'in7 

493 m7 

387 "iiprn  3bi7 

554 7)3TE  PSf^ip  r:i7 

23 irrns«  in7 

23.  210 i:^rni<  niT7 

466 a-^c;  niT7 

499 (r-L:7rn)  ra7 

472 nia7 

477 nbiia  117 

547 iian-^  S5-1  57 

199 bsn  57 

58.  i30f a^c:n  b7 

31 nnn7n  b" 

35.  38.  52 a^p^T.:n  br 

210.  267 a^:Tirsin  b7 

150f.  153.  274 i«an  b7 

151 a-'s^an  b7 

53 a-ibci^-»  b7 

.    sjip^is  b7T  bsir^  b7 


97    .  . 

97 1331  ^71  :snr"i  oy 

143.  216     ....    ib  mp3  p  b7 

132 nb3a  s^pa  b7 

89 a"'T'  rb-'a:  b7 

292.  336      mb7 

68 IDllb  nb7 

183 r3ab  nb7 

473 is«ab7 

80f.  99.  106.  112.  117.  nacb  12^b7 
143.  375.  434. 

437 -i^icr  nb7 

170 nnra  nipb  1137 

237 l^na  b7  1127 

237 (1737B  =)  11137 

474f 1^127 


616 


Sach-  und  Personen-Register 


5.  27 iimbi; 

98 nnrian  i^nbs 

14 n^nniT";  i<mbi 

127 iiri^yjrn  xm::: 

57 niinn  bxo  pns 

108 nsü  nbsp 

554  ... ynp 

50 niibä  ymp 

470.  522 icip 

165 i?BDDn  inp 

165- niDi  '-3  n"-  TTTp 

45.  62.  267 nrs?  mp 

210.  214 (Refrän)  -^^-^p 

123  .......  .    ir^inn  in-ip 

107 an^n  n-p 

61 n-i^'a:?  :t"  lunp 

45.  61.  129.  278 T^m'ip 

61.  79.  94.  121.  129.  ia•^^ül  HITllp 

132. 
45.  240.  243 mimp 

57.  107. 110. 141. 143  f.  an^n  rin-ip 

146f.  151. 
31.  45.  61.  141.  146  .  airn  nv^^i^ 

214 mrbffi^  mriip 

110.  133.  135 L   ^nm^ran  irt'-p 

79f.  86.  92—98.  99.  106.  129.  ir^lp 
211.500.- 

96 

96 

96 

96 

96 

96 

96 

81.  96  ...    . 

96 

163 

509 


"■er!  ^^"p 


2ir^  r^ip 

abir  c^-p 

is'pm  irip 

•  •  •  •  nbam  n:^  bip 

310-312 -in"-ip 

8.  129.  229 n;ip 

311 iimbp 

310.  311 nn'^p 

317 ^n-'bp 

169  .  .    Cpi  "j-ip^DB^  "iii«)  r-y:p 

314 ^V::p 


169 pcD 

186   .. i-i-iD  pCD 

5.  249 p.cD 

14.  81—87.  136     .    .   nn^T-I  ^ICD 
222 nn^bc  ipIDS 

224 s-'^am  ''pics 

222 ni]:i  ip^cc 

224  (323)     .    .    .     {p^Ci?1£)  a^plCS 

65 nnn^^n . .  a^'ars 

57.  142.  144  ..  .    (msnps)  nps 

163 inosi  m^ps 

156.  163    ....   ('s  ncns)  ms 

163 an-nc 

471 TD-IB 

49 (riDns)  nosns 

482.  485 B-icrnB 

68 Ti-ji  c^£ 

26.  496  f.  515     ...    ynlS  77  CnS 
471 SC^-^B 

178 s«n:-"is 

101  f.  109.  267  .    .   aibü  TDC  ICnD 
154.   156.  169 mr-'Ä 

156 -^nnii  r-i^-o^s 

165 m-""ii2~  nriD 

73 a-ibä-n  D^n^  -jitts 

36 ai'TE^S 

171 nr£ 

218.  222 -^^-D 

5 7nna  nnr'c 


126.  493 
119  .  . 
119.  125 
163  .  . 
151  .  . 
149  .  . 
163  .  . 
22.  267 


ma-^ 

'C'n  pnx 

■  -  •  ■     p"j;  "rp~2 

12 

Tir^n  ai2 

i?a-^  s«ai2 

ir^"!  •',')2r2 

•    ibi^iai  biiinj"»  ms 

23 n^aip  bsntt'i  nis 

22    i:ryTCi  ti::  imr 

230 nrnn::,  i^ns 

230.  350  ...   .    ibsüP:  i«bn  ^vi 

475 iE"i2 

476  .. S",^-^ 

5.  27.  74 ^bs 

14 ^21^  mbs 


S;i<li-  iiml  l*crsniicii-|\<"jji.sft'r 


H17 


22 n  ■G'^ 

472 2'^:iia"i 

32.  48 i:s«Dn 

48 ns^Ei 

48 '-iTTi  iiair  "ib^n  ä^eti 

48 a-'bin  «Ein 

30f.  55f.  71.  99.   128.     ins^n»    HS^ 

iiof.  117.  119.  136  ■::rn":T2n  n-j:n 
111.  152 bn:m  nsn 

222 Cl  ^piDE)  -»ISl 

462 HESn 

205 nci 

191.   202.  209.   211     r^^nTTi-mti 
bis  213.  216f. 

201 aii:?»  ^^w 

30.  £6   in":  nx^in  ^nn:  irisc 

49 nbsr 

338 r.si-ir  ^bsr 

480 "j-i^rsc 

220.  282 nsmm  nnr 

221 r^nnc 

11.  369 -jpb  V-2r 

178 srrn:-  --nr 

485 -n;7n  ^itl:  r.~mr 

165 mymr  nrnir 

213 5«r7nr 

52 a^n-'iī  nmr 

52 a^JTDI  nn^TT 

219.  551       V^-j^P,  P^Tjj 

197 "»Ta  bc  rsiD 

135 nmsTai:  nrmr 

256 ■^^^^ü 

131  f ^r-^nrnr 

183 niTC 

165 aiHD  1«  niTÜ 

499 nnr 

87 -jcpns  ^nr 

14.   133.  213.  237f r^^UT 

30.  59.   128.  215  .    .    .    .  af^c  a-'tt 
117.    125.    137  f.    199.     a^n-^C  pi» 
207.  295. 

81.  117.  383 -nn^n  n^ü 

81.  117.  383 n^nsn  ^^c 

130 rinn  rD:n  nir 

121 ai73E  bC  ^iTT 

Elbogen.  Der  jüd.  Gottesdienst. 


110.  530 Dibp 

43.  III    ....    "jT-is-i  a^Tsir  n:p 

2'^'^' -^?? 

363 ai-JI^EH  CTJrp 

170.    175.   188.  497    .    .   n^m  «"^p 

488 nmra  i<nnp 

123.  498 n-<p 

212.  497 s3-,-p 

212 nn-np 

213 r^^^p 

129.  212f.  309 nmip 

165 snn  r':n-p 

170.  417 a^s^T^p,  aiii^p 

417 rrnrn  rs-'"^p 

14.    16-26.    KH).    247   y^^c    rii-^-^p 

262  ..  .    n'j:i2r\  by  yaT  rsiip 
22 S1D  a*»  rr^ip 

312—314 -Ige  r^ip 

473.  475 i^nnrp 

473 nt:72T  Äimrp 

165 -i^K  nri«  rii«-' 

29.  35 r.x-2  ns- 

122.   125.   144  f.     ...    BT-inn  CSn 

483—485 rc:Dn  rsn 

132.  140.  I45f.    .  .  .    nrirn  cs^ 

123 n-'T:-'  ein  TTsi-i 

163 aimn  ts«^ 

483 nic:D  iri«-i 

91 ai^bi^n  bs  "jinn 

70.  200.  229  ..  .   abiy  bü  i2inn 
282 xnn-i 

273.  528  ..    .      TMÜ^m  -^r^l  "iini 

74 ni-l-JD  b7  72". 

265 b^j^"! 

139 b:»-! 

209.  214 J-,r!^^n 

209.  214.  310    .  .    ai-ji.-n  ,-jinn 

76 irs-jn  iism  oini 

53.  59.  129.  181 ann 

275 irb:7  ani 

220 aiiann 

6.  32 ai3i:nni  a^^m 

223 ib  TIN  x:'am 

223 -js'jn  s:i2n-i 

170 smbü  tti->-! 

39* 


618 


Sach-  und  Personen-Register 


228 H"»!« 

390 Diiairn  ny© 

200.  390 11^2  inrir 

131  f a^o;  nrjc 

282 "ii2Trn  ryw 

224 Y^i^r\  bD  "J£» 

446 D">r'^fi'C 

142.  216.  229 nsntj 

141—144.    216.    229./ 293.     nnB^TT 

307. 
295  ...    .    (D^blplC  D^Tir)  bpTD 

156.  163 ...  .  Cb  mriö)  aibpTC 

4     m» 

16.  101.  247  ri^nn«b-n^5Bb  D^r© 

150 ^5rb£r  i^:£:  5«nr 

220.  323  ...  .    nsnn  ^r::  n:nr 

199 nsin  nbrin 

103 r^n:  n:nr 

57 n-nr 

510 n-'cn  mir 

229.  343 nnDir 

212 man  nsDir 

165 j^Tin 

269 i^nn  nmn 

29.  33.  44 D^r^n  n^nn 

73.  242 n:nr 

227.  229 (i2i^s)  n:nr 

228 nnirTi72  n:nn 

14.    73—81.    99.    D^:i;nr  ,]i:nr 

105f.  125.  129—131.  137.  220.  242. 
256.  265.  500. 

73.  223 n:nn 

174.  469  f.  473.  497 nn-^H 

469 i^r^lT 

472 pnn 

10 bs:3n 

178 «nisynsn  s^rbr 

277 mynx;  i:n^r 

512 msnn  n:Tan 

14.  213 T'ar 

230 mn^tsn 

80.  117 in^bfci  ^m  «:n 

163 n^ir^n 

131 nrcx  n^ijr 

126 D'i'acs  r,^:yr. 


~7  pTL" 

•  •  •  •  inn  CN^^  br 

a^bj-i  bc 

mir  biE 

r^!-r  bc 

'iDi  nirs  ■»rxirj  i«bc 

n  ~1E 

X131S  nbc 

nibir 


82  .  . 

211  .  . 

125  .  . 

182  .  . 

135  .  . 

127  .  . 

90  .  . 

390  .  . 

165  .  . 

285  .  . 

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Druck  von  Hallberg  &  Büchting  (Inh.  Alfred  Klepzig),  Leipzig. 


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BM  Slbogen,   Isinar 

660  Der  judische  Gottesdienst  in 

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