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DER JUNGE DÜRER
DREI STUDIEN VON WERNER WEISBACH
LEIPZIG 1906 ! VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN
DER JUNGE DÜRER
DER JUNGE DURER
DREI STUDIEN VON WERNER WEISBACH
MIT 31 ABBILDUNGEN IN NETZ- UND STRICH-
ÄTZUNG UND EINER LICHTDRUCKTAFEL
LEIPZIG 1906 : VERLAG VON KARL W. HIERSEMANN
VORWORT.
|ie drei hier vereinigten Studien beabsichtigen nicht eine vollständige Jugend-
*-S geschichte Dürers zu geben. Sie behandeln im Zusammenhang Probleme, die
durch die Überschriften gekennzeichnet sind. Nicht alle in die Jugendzeit Dürers
fallenden Arbeiten werden einzeln aufgeführt, aber die für die Entwicklung maß-
gebenden kommen hier und dort zur Sprache. Die Bilder, die ich für eigenhändig
halte, finden alle Erwähnung. Der Ballast, mit dem das Dürer-Werk teilweise belastet
worden ist, blieb gänzlich unberücksichtigt. Manches entlegenere Stück, das entweder
neu für Dürer in Anspruch genommen ist, oder bisher in den Gang seiner Entwicklung
noch nicht genügend eingeordnet war, ist ausführlicher behandelt, ausführlicher, als
es in einer zusammenfassenden Lebensgeschichte Dürers angängig wäre. Der Charakter
der Studie gestattete ein freieres Sichgehenlassen und Abschweifen auf Verwandtes.
Als Endtermin für die Untersuchung wurde im allgemeinen die Zeit zwischen 1501 und
1503 angesehen. Eine feste Jahresgrenze läßt sich natürlich für die Jugendentwicklung
nicht aufstellen. Die Betrachtung schließt mit dem Zeitpunkt, wo infolge der Auf-
nahme der Proportionsstudien und infolge anderer bedeutsamer künstlerischer Momente
eine neue Epoche für die Dürersche Kunst anhebt. Die drei Abschnitte versuchen,
neben einer Herausarbeitung der für Dürers Jugend bedeutsamen Entwicklungsmomente,
diese Epoche in manchen Punkten zu dem allgemeinen geistigen und künstlerischen
Leben seiner Zeit in Beziehung zu setzen.
Das hier Behandelte knüpft an Forschungen an, die vor mehr als zehn Jahren von
mir begonnen und dann für einige Zeit zurückgestellt wurden. Manches, namentlich
die Nürnberger Buchillustration betreffend, stützt sich auf Beobachtungen und Auf-
zeichnungen, die schon mehrere Jahre zurückliegen und bei der Zerstreutheit des
Materials seitdem nicht mehr nachgeprüft werden konnten. Ein Teil des hier Veröffent-
lichten ist in die Probevorlesung bei meiner Habilitation im Jahre 1903 verarbeitet
gewesen. Der Inhalt der zweiten Studie wurde in der Sitzung der Berliner Kunst-
geschichtlichen Gesellschaft am 10. November 1905 vorgetragen. Ende Sommer 1905
lagen die drei Studien bereits fertig vor. Ihre Publikation war anfänglich in einer Zeit-
schrift gedacht, in der sie jedoch wegen des Umfanges, den sie angenommen hatten,
keine Aufnahme finden konnten.
Während der Drucklegung erschien Wölfflins Buch: Die Kunst Albrecht Dürers.
Es hätte mir noch manche wertvolle Anregung bieten können. Besonders hätte der
von Wölfflin beobachtete Zusammenhang des Körpermotivs auf dem Stich des Sebastian
VI
an der Säule (B. 56) mit einer Figur Cimas da Conegliano zu den Entlehnungen
Dürers aus der italienischen Kunst in der zweiten Studie eine interessante Ergänzung
geboten.
Für die Auswahl der Abbildungen ist hauptsächlich maßgebend gewesen, un-
publiziertes oder schwerer zugängliches Material zu bieten. Neben den von Dürer
selbst herrührenden, oder mit seinen Jugendarbeiten in irgend einem Zusammenhang
stehenden Werken, soll durch eine Anzahl von charakteristischen Beispielen das zu
gleicher Zeit auf dem Gebiet der Holzschnitt-Illustration in Nürnberg Geleistete ver-
anschaulicht werden.
Der Anhang, der ein kurzes Verzeichnis der von mir untersuchten illustrierten
Nürnberger Drucke enthält, soll lediglich als Handhabe dienen, um die in der ersten
Studie diesen Gegenstand betreffenden Erörterungen nachprüfen zu können, und eine
Grundlage für weitere Forschungen auf dem Gebiete liefern. Wo in bibliographischer
Hinsicht Differenzen zwischen dem Anhang und dem Text bestehen, ist der Anhang
maßgebend, da mir für das Verzeichnis neuere bibliographische Hilfsmittel zur Verfügung
standen. Weiteres ergibt die Einleitung des Anhangs.
Allen denen, die mich bei meiner Arbeit unterstützt haben, spreche ich meinen
aufrichtigen Dank aus, insbesondere den Vorständen der Bibliotheken und Sammlungen,
die meine Studien in den ihnen unterstellten Instituten förderten, sei es, daß sie mir
das Photographieren in ihren Räumen ermöglichten oder photographische Aufnahmen
verschafften; sei es, daß sie mir nach außerhalb Werke übersandten, die mir an anderer
Stelle eine Vergleichung gestatteten.
Berlin, im Februar 1906.
Werner Weisbach.
INHALTS- ÜBERSICHT.
Seite
I. Dürer und die deutsche Kunst des 15. Jahrhunderts 1
II. Der junge Dürer in seinen Beziehungen zum italienischen Quattrocento und zur Antike . . 29
III. Dürers Sturm- und Drangzeit 62
Anhang. Verzeichnis illustrierter Nürnberger Drucke 99
Verzeichnis der Abbildungen 105
Register 106
L
Dürer und die deutsche Kunst des 15. Jahrhunderts.
rei Faktoren haben besonders auf die Jugendentwicklung Albrecht Dürers ein-
gewirkt: die heimatliche Nürnberger Kunst, Schongauer und Italien.
Durch und durch gotisch war der Charakter der Stadt, in welcher er auf-
wuchs. Die Hauptkirchen, Sankt Sebald, Unser lieben Frauen und St. Lorenz, trugen
ein gotisches, zum großen Teil spätgotisches Gepräge. Was sich noch von romanischen
Bestandteilen erhalten hatte, trat ganz hinter den gotischen zurück. Eine gewisse
Nüchternheit haftet dieser fränkischen Gotik an. In bezug auf Phantasiereichtum,
Fülle und Geschmack des Details kann sie sich mit dem Westen nicht messen.
In der Plastik bekundet sich auf den Wegen, die sie im Laufe des 15. Jahr-
hunderts betrat, — nach dem Aufgeben des monumental -dekorativen mittelalterlichen
Stils und Übergehen zu einer realistischeren Anschauung in der ganzen Formgebung
ein plumpes, spießbürgerliches Wesen. Die männlichen Figuren sind vierschrötig, un-
frei in ihren Bewegungen, nicht selten brutal und grotesk in der Art sich zu
äußern. Bei den Frauen sucht man sich zuweilen durch eine affektierte Grazie zu
entschädigen. Der Faltenwurf ist voll Unruhe und Verworrenheit mit scharfen
Brüchen, harten Kanten, knitterigen Draperieen. Der Sinn für die Fläche scheint
verloren gegangen. Es besteht eine Vorliebe für krause, verschnörkelte Linien. Eine
dieser Kunst innewohnende Kraft ist unverkennbar. Und es gibt unter den
Skulpturen einzelne, die ihrer Qualität nach das allgemeine Niveau überragen. In
Adam Krafft und Veit Stoß findet die Richtung dann nach verschiedenen Seiten ihren
höchsten Ausdruck. Veit Stoß trat mit einer neuen Beweglichkeit und schwungvoll
sich gebärdenden Erregung auf. — Da Dürer, ehe er Maler wurde, zum Goldschmied
bestimmt, bei dem Vater den ersten Unterricht erhielt, so wird er sich in diese
plastische Formenwelt zunächst schon als Knabe wohl gründlich haben einleben
müssen.
Die Nürnberger Malerei hatte zu der Zeit seit der Epoche, wo sie als
eigentliche illusionistische Tafelmalerei sichtbarlich hervortritt eine etwa achtzig-
jährige Entwicklung hinter sich. Lange war es her, seit sie den trecentistischen
Idealismus, wie er durch die erste bedeutende künstlerische Persönlichkeit, den Meister
des Imhofschen Altars, vertreten wurde, verlassen hatte. Von der sanften, beschau-
lichen Art der Gestalten, dem melodischen Fluß der Gewandung rettete sich kaum etwas
l
2
in die spätere Zeit. Der Meister des Tucherschen Altars in der Frauenkirche erreicht
mit den letzten Elementen dieses Stils auf neuer realistischerer Grundlage eine einzig
dastehende Hoheit und Großheit. Er ist ein Farbenkünstler und weiß mit seinen so-
noren Farbenakkorden noch einmal den Ton des erhaben Feierlichen in dem Kirchen-
bilde zu treffen.
Dann greift ein spezifisch bürgerliches Element um sich. Niederländischer
Einfluß wird mächtig — etwa um 1450.
Auch Dürers Vater ist, wie der Sohn in seiner Familienchronik berichtet, schon
vor 1455 „in Niederland gewest bei den großen Künstlern".
Mit Sicherheit festzustellen ist das Einwirken niederländischer Kunst in der
Nürnberger Malerei seit dem Anfang der fünfziger Jahre. Das Datum 1453 trägt der
Altar, der zum Gedächtnis der Frau Kunigunde Löffelholz in den Chor von St. Sebald
gestiftet worden ist, und der unzweideutig eine Beeinflussung durch flandrische Mal-
weise verrät sowohl in dem Figürlichen wie in der Landschaft. Den Meister dieses
Altars vermag man auch in anderen Werken wiederzuerkennen.1) In der Art der Durch-
arbeitung seiner Bilder und in gewissen Typen schließt er sich eng an seine Vorbilder
an. Die ausführliche Wiedergabe der Landschaft im realistischen Sinne der Nieder-
länder hat er für die Nürnberger Kunst erobert. Ein Anklang an jene altnürnbergische
Zartheit in der Empfindung und Formgebung macht sich bei ihm noch hie und da
bemerkbar und zeigt ihn in Verbindung mit der heimatlichen Tradition.
Ganz im Banne flandrischer Kunst steht der Maler Johannes Pleydenwurff, der
1457 das Nürnberger Bürgerrecht erwirbt und ein Jahr nach Dürers Geburt, 1472, stirbt. Er
hat der Nürnberger Malerei die entscheidende Wendung für das Ende des Jahrhunderts
gegeben. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß er Anregungen durch Rogier van
der Weyden erfahren hat, so starke, daß sie wohl auf einer Reise nach den Nieder-
landen aufgenommen sein müssen. Den herben Ernst, den leidenschaftlichen
Ausdruck des großen Brabanters führt er in die Nürnbergische Malerei ein. Die
Landschaft nimmt in seinen Bildern wie auf den niederländischen einen weiten Platz
ein und wird mit großer Liebe für das Detail durchgearbeitet. Ist er auch in ihrem
Aufbau und der Art des Ausschnitts von seinem fremden Vorbild abhängig, so ahmt
er es doch nicht sklavisch nach, sondern senkt frei und selbständig den Blick in die
Natur und beginnt an einzelnen Stellen in intimer und reizvoller Weise wiederzugeben,
was er mit eigenen Augen erblickt hat. Die Landschaft auf der Kreuzigung in der
Münchener Pinakothek, seinem Hauptwerk, mit der fein beobachteten Vorstadtszenerie
im Mittelgrund und der Burg von Nürnberg auf der rechten Seite legt davon Zeugnis
ab. Die Kreuzigung, eine bewegte, dramatische Szene, hat ergreifende Momente und
bekundet, über alles Frühere hinausgehend, eine neue Ausdrucksfähigkeit in der Kenn-
zeichnung von Affekten. Diese Kunst nimmt es ernst mit der Wirklichkeit. Um ein
scharfes Erfassen des Charakteristischen und Individuellen ist es ihr zu tun. Unter
den Männern gibt es ausgesprochene Porträts. Auf Pleydenwurff kann auch ein
selbständiges Porträt zurückgeführt werden, das des Kanonikus Schönborn im Germa-
nischen Museum, als Tafelbild eins der frühsten deutschen Porträts. Sein Wirklich-
keitssinn, der sich dem Menschen in gleicher Weise wie der Landschaft zuwendet,
') Vgl. Thode, Die Malerschule von Nürnberg, S. 118ff. Weisbach i. d. Zeitschrift f. bild. Kunst.
N. F. IX, 1898, S. 234.
3
erstreckt sich ebenso auf alles Stoffliche als solches. Korrekt bis ins kleinste beob-
achtend setzt er sich mit dem Kostüm und allem Beiwerk auseinander und weiß das
stoffliche Material koloristisch innerhalb der Grenzen einer formalrealistischen Malerei
zur Wirkung zu bringen.
Neben den ihr eigenen Vorzügen weist seine Kunst aber auch die Mängel
auf, die der deutschen Malerei seiner Zeit im großen und ganzen und insbesondere
der fränkischen anhaften. Es fehlt an Kompositionssinn, worunter namentlich viel-
figurige Bilder zu leiden haben, bei denen es um eine wirksame Organisation und
Verteilung der Massen schlecht bestellt ist. Der neue Realismus verführt leicht zu
Übertreibungen sowohl im Ausdruck wie in den Formen. In dem Streben nach
Charakterisierung geht man nicht selten bis zur Karrikierung, besonders bei den Neben-
figuren und am schlimmsten bei den Schergen und Juden. Die vielfach und in hart-
kantigem Gefältel gebrochene Gewandung, die den melodischen Faltenfluß der früheren
Zeit ablöst und für die deutsche Spätgotik so bezeichnend ist, fällt allerlei Ausartungen
anheim. Die Konkurrenz mit den bemalten Holzschnitzereien, die in der Regel
den Mittelschrein einnehmen und die Malereien auf die Flügel beschränken, führt zu
plastischen Übertreibungen, einem Aufbauschen knitteriger Gewandmassen, einer Vor-
liebe für das Hochkämmige, Wulstige. Alles Spitze, Eckige, Knochige wird betont,
das Gewundene in die Länge gedehnt, und jede Rundung möglichst unterdrückt.
Der Zwang des spätgotischen Liniengefüges bringt allerhand Vertracktheiten und bizarre
Schwerfälligkeiten mit sich.
Zum äußersten wurde all das getrieben durch den Nachfolger Pleydenwurffs,
Michael Wolgemut, der nach dessen Tode sein Atelier weiterführte und seine Witwe
heiratete, bei dem der junge Dürer, wie er in seiner Familienchronik erzählt, die erste
Unterweisung in der Malerei erhielt. Hatte Pleydenwurff sich der spätgotischen Stilistik
mit einem hie und da hervortretenden Schönheitssinn anzupassen gewußt, so ist
Wolgemut dessen gänzlich bar. Die von Robert Vischer und Thode begründete Auf-
fassung seiner Kunst, die ihn als einen ziemlich banausischen Maler hinstellt, ist gewiß
zutreffend. Diesen Eindruck gewinnt man aus den ihm mit Hilfe glaubwürdiger Zeugnisse
sicher zuzuweisenden, zeitlich weit auseinander liegenden Werken, dem frühen Zwickauer
Altar und der Predelle des Schwabacher Altars, deren Stilcharakter der gleiche ist, denen
sich dann, mit ihnen übereinstimmend, Arbeiten wie der Hofer Altar von 1465 in der
Münchener Pinakothek, die Altäre in der Pfarrkirche von Crailsheim, in der Heil. Kreuz-
Kapelle zu Nürnberg und in der Kirche von Hersbruck, sowie manche anderen Tafel-
gemälde anschließen. Seine Malweise ist ersichtlich ganz aus der früheren Nürnberger
Kunst erwachsen. Von Schwaben ist ihm gewiß nichts Wesentliches zugefallen.1)
Voraussetzen dürfen wir aber seine Bekanntschaft mit der Kunst Martin Schongauers,
doch gewiß nur nach dessen Kupferstichen. Darauf läßt besonders sein Altarwerk
in der Hallerschen Kreuz-Kapelle schließen. Es handelt sich indessen nur um ge-
legentliche Entlehnungen von Motiven. Von einer wesentlichen Einwirkung Schon-
gauers, dessen empfindsamer, graziler Kunst er mit seinem klotzigen Wesen innerlich
Die Beziehungen seiner Kunst zu Schüchlins Tiefenbronner Altar v. J. 1469 sind nur so
zu erklären, daß Schüchlin fränkisch beeinflußt gewesen ist. Wie weit sich die Interessensphäre der
fränkischen Malerei nach Schwaben erstreckt hat, ist noch nicht ganz klargestellt. Zweifellos nürn-
bergisch ist in dem Städtchen Dinkelsbühl der Hochaltar der St. Georgskirche (Phot. Höfle), der zu
Kreuzigungen von Pleydenwurff und Wolgemut in engster Beziehung steht.
1*
4
ganz fremd gegenüberstehen mußte, kann keine Rede sein. Daß Schongauer in den
achtziger Jahren in Nürnberg auch sonst bekannt gewesen ist, beweist das große
Gemälde der Kreuztragung v.J. 1485 von einem unbekannten Meister an einem Pfeiler
in St. Sebald, das sich ganz an den Schongauerschen Stich der großen Kreuztragung
(B. 21) anlehnt.
Wolgemuts Kunst fördert die Entwicklung der Nürnberger Malerei über das
von Pleydenwurff Geleistete hinaus um keinen Schritt. Seine Typen sind grob, stumpf,
unlebendig, die Körper ungeschlacht in ihren Bewegungen. Die Handlungen entbehren
einer seinem Vorgänger zugänglichen Dramatik des Vortrags. Mit dem Komponieren
größerer Massen kommt er noch weniger zurecht. Die Landschaft, im großen und
ganzen nach dem System Pleydenwurffs angelegt, läßt dessen liebevolle Ausführung
vermissen; sie ist gleichsam versimpelt und ohne intimes Verständnis für den Orga-
nismus der Natur. Die Farbengebung wirkt meist hart, kalt, unharmonisch. In allen
seinen Arbeiten zeigt sich Wolgemut als derber, handwerksmäßiger Künstler. Seine
Phantasie ist eng begrenzt, und ihrer Art sich künstlerisch auszudrücken haftet etwas
Philiströses an.
Bei der Unpersönlichkeit seiner Kunst ist es nicht leicht, ja zum Teil unmöglich,
eigene Arbeiten seiner Hand von denen der Genossen und Schüler, die er in weit-
gehendem Maße bei seinen Werken beteiligte, zu sondern. Im allgemeinen ist auch
nicht viel daran gelegen, da es sich ja nicht um ein durch Genialität hervorragendes
Schuloberhaupt handelt. Der Qualitätsunterschied zwischen ihm und seinen Atelier-
genossen ist nicht besonders groß, wenn sich unter ihren Händen seine Art auch
noch mehr vergröbert.
Eine Ausnahme ist zu verzeichnen. Tritt man mit den Kriterien, die man für
Wolgemuts Kunst gewonnen hat, an den ihm auf Neudörffers Autorität hin zuge-
schriebenen Peringsdörfferschen Altar im Germanischen Museum heran, so gewinnt
man den Eindruck, daß dieser in seinen Hauptstücken auf einem höheren Niveau
steht als alles, was sonst von Wolgemut geleistet und diesem auch nur zuzutrauen
ist. Man sieht sich deshalb gezwungen mit Thode in der Hauptsache die Beteiligung
eines anderen Künstlers anzunehmen. Der Fall steht auch nicht vereinzelt da. Hat
doch Wolgemut an dem bei ihm bestellten Schwabacher Altar, wie der Augenschein
lehrt, gewiß nicht mehr als die Staffelbilder eigenhändig ausgeführt. Über den Perings-
dörfferschen Altar ist so viel geschrieben und fast von jedem Forscher eine andere
Ansicht aufgestellt worden, daß es nahezu vermessen erscheint, eine neue Meinung
vorzubringen. Aber bei der Bedeutung dieses in die Jugendzeit Dürers fallenden
Altars für die Nürnberger Malerei sei es gestattet, was sich mir nach jahrelangem
Umgang mit dem Werk und wiederholten Nachprüfungen ergeben hat, kurz zu
resümieren. Ich stimme mit Thode darin überein, in den Außenseiten und den meisten
Stücken der Innenseiten eine Wolgemut überragende künstlerische Persönlichkeit zu
sehen. Und zwar gehören dieser, wie ich glaube, außer den großen Heiligenfiguren
auf den Außenseiten von den Innenseiten alle Teile an bis auf das heute noch in dem
linken Seitenschiff der Lorenzkirche hängende Stück: der hl. Veit vor dem Götzenbild
(mit der Bezeichnung R. F. 1487) und Nr. 112 des Germanischen Museums: Martyrium
des heiligen Veit. Die letzteren beiden Bilder scheinen mir schwächer als die anderen,
wenn auch der Stil im großen und ganzen der gleiche ist. Es ist alles mehr verblaßt;
die Typen sind vergröbert und verbauert. Die ganze Art der Ausführung verrät
5
weniger Geschmack und angeborenen künstlerischen Sinn. Ein Oeselle des ersten
Hauptkünstlers hat wohl die Hand im Spiel gehabt und nach dessen Entwürfen ge-
arbeitet. Nichts haben mit jenem Hauptkünstler die Predellenstücke des Altars im
Germanischen Museum zu tun, die grob und ungeschlacht in der Art Wolgemuts
ausgeführt sind, mögen sie nun von ihm selbst, was- mir für die Halbfiguren der
Heiligen durchaus nicht ausgeschlossen erscheint, oder von einem ganz in seinem
Geiste arbeitenden Gehilfen herrühren.
Die auf den überlegenen Maler zurückgehenden Altarteile gehören zu dem
Besten, was in der Nürnberger Schule und in der deutschen Malerei überhaupt
vor Dürer geleistet worden ist. Jenes grimassenhaft Verzerrte, das sich in der Kunst
Wolgemuts allenthalben so unangenehm bemerkbar macht, tritt bei dem Perings-
dörfferschen Altar weit mehr zurück und kommt nur an untergeordneten Stellen hie
und da zum Vorschein. Im Gegenteil weiß der Schöpfer dieses Werkes seinen Typen,
Jünglingen wie Mädchen, eine holdselige Anmut zu verleihen, die in der Nürnberger
Malerei dieser Epoche eine Ausnahme bildet. Es ist nicht jene allgemeine, typische,
schemenhafte Anmut, wie sie den altnürnbergischen Gestalten eigen war, sondern
eine mehr individuelle, aus der Wirklichkeit geschöpfte. Aber diese Anmut gibt sich
nicht ganz natürlich und unbefangen. Es haftet etwas Preziöses an ihr; ein graziles
Wesen, das sich in gewissen Haltungen und Bewegungen, besonders in dem Spiel der
Hände bekundet, das sich aus der höfischen Gotik herübergerettet hat, dem wir auch
bei Schongauer oder dem Meister des Hausbuchs zuweilen begegnen. Man betrachte
daraufhin die Mädchen, die den hl. Veit verführen sollen; aber auch bei den Männern
tritt es hervor — ganz im Gegensatz zu Wolgemut. Etwas Zaries, Behutsames,
Zurückhaltendes liegt in den Gesten nicht jene klobige Geradezuheit fränkischer
Durchschnittsfiguren. Das Seelenleben ist feiner differenziert; die Menschen scheinen
Nerven zu haben — sie allein in der gleichzeitigen Nürnberger Kunst. Der hl. Bern-
hard, in dessen Arme sich der Crucifixus herabläßt, ist von einer wirklichen Ekstase
ergriffen; sein Blick bohrt sich voll Inbrunst in das Antlitz des Herrn. Woher
kommt diese Verinnerlichung und Sensibilität? — Auch in der Wiedergabe der Schau-
plätze hat der Meister seine Besonderheiten. Als Landschafter leistet er weit besseres
als Wolgemut. Wo gäbe es bei diesem ein Stück Natur wie die Seelandschaft auf
der Vision des hl. Bernhard mit dem im Wasser sich spiegelnden Haus und dem
kahlen Weidenbäumchen am anderen Ufer? Das ist wirklich geschaute und begriffene
Natur, allerdings nur stückweise beobachtet und zusammengeordnet, mit Traditionellem
und Schematischem vermischt. Vieles erinnert an die niederländische Landschafts-
darstellung. Auch wie er seine Interieurs gibt, das berührt niederländisch, z. B. auf
dem Lukasbilde das Gemach mit dem säulengeteilten Fenster und dem Blick auf die
Landschaft. Und sonst noch anderes auch im Figürlichen. Je mehr man sich vertieft,
desto mehr Niederländisches glaubt man wahrzunehmen.
Ist der Meister in Flandern gewesen? Man möchte es glauben. Mir hat sich
immer von neuem eine Verwandtschaft zwischen seiner Kunst und der Hans Mem-
lings aufgedrängt. Dem Sentiment nach stehen seine Gestalten denen des Brügger
Meisters nahe. Etwas gleichsam Gedämpftes im Ausdruck ist für beide bezeichnend.
Ein ähnliches Streben nach Anmut in den Gesichtern verbunden mit einer gewissen
jedoch nicht sehr tief gehenden Innerlichkeit; dasselbe etwas preziöse Gebaren. Die
Engel, die dem heil. Veit in der Verführungsszene folgen, muten Memlingisch an
6
1. Bruder Claus. 1488.
(vgl. die Engel auf Memlings Madonna in der Kais. Gemälde-Galerie in Wien und
in den Uffizien). Auch in den Landschaften wird man manchen Memlingschen Zug
finden. Und den heiligen
Christoph, der das Christus-
kind durch das Wasser trägt,
vergleiche man mit Mem-
lings gleicher Darstellung
im Brügger Museum.1) In
der Komposition, der künst-
lerischen Anordnung und
Gruppierung hat der Nürn-
berger nichts von Mem-
ling gelernt. Das ist eine
schwache Seite bei ihm wie
in der ganzen deutschen
Malerei. Ihrem Grundzuge
nach ist seine Kunst über-
haupt echt Nürnbergisch.
Thode läßt ihn wohl
mit Recht aus der Schule
Pleydenwurffs hervorgehen.-) Er will in ihm sogar seinen Sohn Wilhelm sehen, der,
wie wir wissen, in Wolgemuts Atelier und mit ihm zusammen tätig gewesen ist.
Er erhielt im Jahre 1491 den Auftrag, den
„schönen Brunnen" auf dem Nürnberger
Markt neu zu bemalen und hat, wie be-
kannt, mit seinem Stiefvater Wolgemut die
Holzschnitt-Illustrationen für die im Jahre
1493 erschienene Schedeische Weltchronik
geliefert. 1495 schon ist er gestorben. Von
der Schedeischen Chronik geht Thode bei
seiner Bestimmung der Persönlichkeit Wil-
helm Pleydenwurffs aus. In einer Gruppe
von Holzschnitten glaubt er die Hand des
Meisters des Peringsdörfferschen Altars
wiederzuerkennen. Hierin vermag ich ihm
nicht zu folgen, indem sich mir stilistische
Unterschiede innerhalb der Illustrationen, die
zu einer bestimmten Scheidung von zwei
Händen führen könnten, nicht ergeben.
') Abgebildet bei Friedländer, Meisterwerke
der Brügger Ausstellung. München, Brucktnann
1903. Taf. 33.
-) Gestalten wie der Mann, der den Beses-
senen hält, auf der Teufelaustreibung kommen un-
mittelbar von Pleydenwurff her.
2. Horologium devotionis. 1489.
7
Da der Holzschnitt neben der Malerei in Wolgemuts Atelier reiche Pflege
fand, da er für Dürers Jugend eine besondere Bedeutung hat, so sei es gestattet,
einen kurzen Blick auf die Entwicklung der Nürnberger Holzschnittillustration bis
Dürer zu werfen, um auch auf diesem Gebiete das Milieu, aus dem der junge Meister
hervorwächst, zu bestimmen.
Die frühsten mit Holzschnitten illustrierten Drucke erschienen in Nürnberg in
der Mitte der siebziger Jahre. Aus der Offizin von Johannes Sensenschmidt (er
druckte teils allein, teils in Verbindung mit Andreas Frisner) gingen zuerst mit zahl-
reicheren Illustrationen ver-
zierte Bücher hervor. In der
reich illustrierten Ausgabe
der „Heiligenleben" (1475)
schließen sich die Holz-
schnitte in dem Schema der
Anordnung und stilistisch an
die der Augsburger Zainer-
schen Ausgabe von 1471
an, rühren aber gewiß von
Nürnberger Illustratoren her.
Sie sind ihrem Charakter
nach fränkisch und hängen
auch in gewissen Einzel-
heiten, z. B. der Art der
Wiedergabe der Landschaft,
mit den späteren Nürnberger
Illustrationen zusammen.
Auf demselben Niveau
stehen die 10 Holzschnitte
des „Justinianus", der in
demselben Jahre die Sensen-
schmidt Frisnersche Presse
verließ. Die Art der Tech-
nik dieser frühen Erzeug-
nisse steht der der Augs-
burger, wie sie den „Heiligen-
leben" als Vorbilder dienten, nahe. Es sind rohe Konturholzschnitte mit wenigen hie
und da eingefügten kurzen Parallelschraffierungen, ungeschlacht in der Ausdrucks-
weise und ohne feineres künstlerisches Gefühl.
Daneben sind es dann die für weitere Kreise bestimmten Unterhaltungs- und
Volksbücher, in denen Einzelholzschnitte als Titelbilder vorkommen. Sie sind in
der handwerksmäßigen Weise der Brief- und Kartendrucker, für welche die Bilder-
herstellung mehr ein Gewerbe als eine Kunst bedeutete, angefertigt. Bezeichnend für
diese Illustrationsgattung sind die klotzigen Titelbilder, die den Schwänken und
Reimereien des Nürnberger Barbiers und Volksdichters Hans Folz vorangestellt sind,
der seine poetischen Ergüsse auch zum Teil selbst gedruckt hat.
Um eine Hebung des Illustrationswesens scheint sich dann bewußt der be-
8
deutendste Nürnberger Buchdrucker, Anton Koberger, der ein Pate des jungen Dürer
war, bemüht zu haben. Er wußte sich die Stöcke der reich illustrierten Kölner
Quentelschen Bibel zu verschaffen und druckte sie in seiner im Jahre 1483 er-
schienenen deutschen Bibelausgabe ab. Er hat dann später das Hauptmaleratelier,
das Michael Wolgemuts, für Illustrationszwecke in Anspruch genommen.
Der Stilcharakter der
Kölner Holzschnitte in Ko-
bergers Bibel hat auf die
Weiterentwicklungdes Nürn-
berger Holzschnitts keinen
Einfluß gehabt. Das zei-
gen die zahlreichen Illustra-
tionen der im Jahre 1488
bei Koberger erschienenen
„Heiligenleben". Sie sind
ihrer Stilistik nach echt
nürnbergisch, fortgeschrit-
tener als die frühsten rohen
Konturholzschnitte und kor-
respondieren in ihrer zeich-
nerischen Anlage mit dem
Durchschnittsmaß des von
der Wolgemutschen Rich-
tung auf dem Gebiete der
Malerei zu gleicher Zeit Ge-
leisteten.1) Man hat jeden-
falls anzunehmen, daß gegen
Ende des 15. Jahrhunderts
nach und nach die Her-
stellung von Buchillustra-
tionen zum Teil aus den
Händen der gewerbsmäßi-
gen Holzschnittverfertiger,
der Brief-, Karten- und
Heiligendrucker,'-) in die der
Maler überging. Die Ar-
beiten der Nürnberger Illu-
4. Oratio Cassandrae. stratoren dieser Periode, wie
sie uns in dem Passional
entgegentreten, stehen auf einem ziemlich niedrigen Niveau. Wenn auch die Zeich-
nung flotter und natürlicher ist als bei den groben Konturholzschnitten, so ist sie
') Daß diese Illustrationen „vom Meister des Ulmer Terenz gezeichnet sein könnten", wie
Kristeller (Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten S. 46) anführt, leuchtet mir nicht ein.
-) Über die urkundliche Bezeichnung von Bücherillustratoren vgl. Dodgson, Catalogue of early
German and Flemish woodcuts in the British Museum S. 8 ff. Weisbach, Die Baseler Buchillustration
des 15. Jahrhunderts S. 64.
g
doch selten wirklich geschickt, und es fehlt viel zu einer künstlerischen Erfassung
der Aufgabe. Die Figuren wirken zumeist unproportioniert und grob und stehen
ohne rechte Beziehung zu dem sie umgebenden Raum. Von seelischen Regungen
machen sich bei ihnen kaum Spuren bemerkbar. Landschaften und Interieurs werden
schematisch und ohne Verständnis für ihren Organismus gegeben. Die Art der
Zeichentechnik erweist sich im großen und ganzen der des Schongauerschen
Kupferstichs verwandt: Eine Kontur- und Binnenzeichnung mit den hakenartigen
Biegungen und punktartigen Verdickungen an den Ausläufen der die Faltenaugen
markierenden Striche, Schraffierungen, die nicht mehr nur aus den kurzen, auf-
gereihten Parallellinien bestehen, sondern sich
in etwas freierer Weise auch an die der Model-
lierung dienende Binnenzeichnung anlehnen.
Die vielen Illustrationen des Buches sind ver-
schiedenwertig und rühren wohl von mehreren
Zeichnern her.
Eine ganze Anzahl von Holzschnitten in
Drucken anderer Offizinen zeigt dieselben Stil-
merkmale. Für sie alle gilt die soeben versuchte
Charakterisierung. Als Beispiele seien folgende
Bücher, die mehrere Illustrationen enthalten, ge-
nannt:
1488 Bruder Claus. Marx Ayrer. Abb. 1.
1489 Berthold, Horologium devotionis. Creuß-
ner. Abb. 2.
1491 Rupe, Rosenkrantz. S. typ.
1491 Mirabilia Romae. S. typ.
Innerhalb dieses Stils gibt es verschie-
dene Qualitäten. Besser als die Holzschnitte in
den eben genannten Drucken sind z. B. die
Titelbilder in den Schriftchen: Von der Er-
ledigung der königl. Majestät 1488, s. typ.,
Abb. 3, und Epistola Isocratis ad Demonicum,
s. a. Creußner.
Zu dem Geschicktesten und Flottesten, was zu dieser Zeit auf dem Gebiete
der Nürnberger Illustration entstanden ist, gehört eine Anzahl von Holzschnitten, die
in kleineren Schriften bei verschiedenen Offizinen erschienen sind. Soweit die Drucke,
in denen sie vorkommen, datierbar sind, fallen sie in die Jahre 1489 bis 1491. Wenn
auch die Resultate des Schnittes bei der noch auf niedriger Stufe stehenden Technik
keine glänzenden sind, so machen sich doch in den Vorzeichnungen Eigenschaften be-
merkbar, die das Durchschnittsniveau überragen und den Anspruch erheben dürfen
künstlerisch ernst genommen zu werden. Vielleicht ist es sogar eine und dieselbe
Persönlichkeit, die hauptsächlich hier die Hand im Spiele hat. Aber wie soll man
das bei dem schlechten, nivellierenden Schnitt entscheiden. Jedenfalls haben die Ar-
beiten so viel Gemeinsames, und zwar dem Wolgemutschen Holzschnittstil gegenüber
und verschieden von ihm, daß es berechtigt erscheint sie zu einer Gruppe zusammen-
5. Folz, Judenwucher.
10
zustellen. Ich führe die einzelnen Holzschnitte mit den Drucken, in denen sie sich
befinden, kurz auf:
1489 Versehung leib sei er vnd gutt. Titelholzschnitt. Sterbeszene in der Art der
Ars moriendi. S. typ. (Zeninger).
1490 Repertorium Aristotelis.1) Titelholzschnitt. Schulmeisterszene. Wagner.
Um 1490 Oratio Cassandre venete.-) Titelholzschnitt. S. typ. (Wagner). Abb. 4.
Vor 1491 Folz: Rechnung Ruprecht Kolpergers von dem Gesuch der Juden. :;) Heftchen
mit Holzschnitt. S. typ. Hain 7209. Abb. 5.
1491 Einblatt mit ähnlichem größerem Holzschnitt. S. typ. Hain 7210.
S. a. Allerheilsamste Warnung vor der falschen Lieb dieser Welt. Der erste Holz-
schnitt: eine Gesellschaft beim Mahle, vorn in einem Sarg eine Leiche, und
der dritte: Krönung Mariä. S. typ. (Wagner). Abb. 6 u. 7.
S. a. Der Pfarrer von Kalenberg. Von den 34 Illustrationen alle bis auf fol. An,
Am v, Dvi, Ev(?), Hm v, die von geringerer Hand. Abb. 8 u. 9. Den
Zusammenhang mit den Illustrationen der „Allerheilsamsten Warnung" zeigt
besonders eine ähnliche Schmausszene auf fol. Fv(76).
Wir finden bei diesen Arbeiten eine unter den damaligen Nürnberger Illustra-
toren nicht gewöhnliche Fähigkeit mit ein paar Strichen zu charakterisieren. Der Kopf
des stehenden Mannes rechts auf dem Titelblatt der Oratio Cassandrae hat eine gewisse
Lebendigkeit; auf den Holzschnitten Wolgemuts dürfte man einen so sprechenden
Kopf vergebens suchen. Hie und da überrascht eine kecke Sicherheit und Leichtigkeit
der Zeichnung, die zu dem Gequälten, das den Wolgemutschen Schnitten vielfach an-
haftet, in wohltuendem Gegensatz steht. Das macht sich auch bei der Wiedergabe
des Schauplatzes bemerkbar. Spielt die Szene in einem Innenraum, so bemüht sich
der Künstler, mit einer gewissen flotten Strichführung nach seinem Gefühl durch
Zurückfliehenlassen der Linien und Anlage von Schraffierungen eine vertiefte Bühne
') Derselbe Holzschnitt in: Alexander Gallus, Doctrinale, s. typ. 1491, Hain 682; und Rudi-
menta grammaticae, Creußner 1491, nur daß bei diesen beiden Holzschnitten der untere Rand vor-
handen ist, der auf dem der Wagnerschen Ausgabe fehlt.
-) Diese Ausgabe ist jedenfalls zwischen 1488 und 1490 erschienen. Aus dem Text
ist ersichtlich, daß er Ende 1488 abgeschlossen ist. Der letzte Brief an Cassandra von Petrus
Abietiscola (Danhauser) ist datiert: decem (von Schedels Hand in seinem Exemplar Cod. lat. 467 der
Münchener Hof- und Staatsbibliothek in decimo verändert) kalendas decembris. Aus dem vorher-
gehenden Brief ist ersichtlich, daß es das Jahr 1488 sein muß. Der Druck kommt zweimal in
Münchener Sammelbänden Hartmann Schedels vor, die von diesem angelegt und augenscheinlich
chronologisch geordnet sind: I. Codex Inc. c. a. 424, der nur Drucke enthält und zwar 1) Brixener
Druck 1485, 2) s. a., 3) Mainz 1486, 4) Oratio hermolay barbari, Nürnberg (1490 verfaßt), 5) Oratio
Cassandre, 6) lateinisches Gedicht in Hexametern (defekt), an dessen Schluß Schedel mit eigener
Hand die Jahreszahl 1490 geschrieben hat, 7) s. a. II. Codex lat. 467. Sammelband von Handschriften
und Drucken. Die Drucke sind am Schluß angebunden. Sie beginnen mit 1) Oratio Cassandre,
2) Epistola de miseria Curatorum mit 1489 bezeichnetem Titelholzschnitt s. typ. (Nürnberg, Wagner),
3) Heidelberg 1489, 4) Allerheilsamste Warnung etc., Nürnberg, vgl. oben den Text.
i!) Die undatierte Ausgabe ist wahrscheinlich früher erschienen als die folgende des Jahres 1491
H. 7210. Ein Fehler, der sich in ihr findet, erste Kolumne, Zeile 26: XX anstatt XXX, ist in H. 7210
korrigiert. Beide Drucke haben dieselben Typen. H. 7210 ist am Anfang um 28 Verse vermehrt. Dafür
in H. 7209 am Anfang eine Zahlentabelle von 21 Zeilen, die in H. 7210 fehlt.
1 1
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herzustellen, wobei ihm perspektivische Kenntnisse natürlich ganz fehlen. Ein solches
Streben ist jedenfalls bemerkenswert und zum Teil auch von einem gewissen Erfolg
begleitet, wie bei dem kleinen Bilde zum „Wucher der Juden". Man liebt es, den
Räumen durch Anbringen von allerhand Hausinventar ein wirklichkeitstreues Ansehen
zu verleihen. Zu einer Belebung der Bühne, worauf es überall abgesehen ist, dient
dann ein Straßendurchblick von einem Interieur aus durch eine Türöffnung, wie auf
dem Titelbild der Oratio Cassandre, ganz ähnlich dem Ausblick, den Dürer auf seinem
Baseler Hieronymus-Holzschnitt angebracht hat. Der Höhe nach wird die Szene öfter
unmittelbar über den Köpfen der Figuren abgeschnitten, so daß dann ein wenig be-
friedigendes Verhältnis zwischen Höhen- und Tiefenausdehnung der Bühne entsteht.
Besonders gut wird ein volkstümlich-übermütiger Ton getroffen, für Groteskes
eine originellere Ausdrucksweise gefunden. In den Illustrationen zu dem Folzschen
Gedicht und zum Pfarrer von Kalenberg, einem Gegenstück zum Tyll Eulenspiegel,
8. 9. Pfarrer von Kalenberg.
bricht sich jene kecke, für drastische Komik geeignete Vortragsweise Bahn, wie sie
uns auch in den Baseler Holzschnitten zu Brants Narrenschiff entgegentritt,1) bezeichnend
genug für die Geschmacksrichtung der damaligen bürgerlichen Kunst. Stilistisch besteht
zwischen den Nürnberger und den Baseler Illustrationen ebensowenig oder ebensoviel
Übereinstimmung wie zwischen diesen und Dürer.
Das von Wolgemut für den Nürnberger Holzschnitt Geleistete kann nach alle-
dem mehr seiner Quantität als seiner Qualität nach einen Vorrang beanspruchen. Daß
die bisher betrachteten Illustrationen und die seinigen auf derselben lokalen Tradition
beruhen, dafür sprechen herüber und hinüber weisende Beziehungen. Als Beispiel
für den lokalen Nürnberger Holzschnitt am Anfang der neunziger Jahre ist hier eine
besonders gute Illustration aus dem 1491 bei den Augustinerbrüdern gedruckten Missale
reproduziert, die man nicht unmittelbar dem Atelier Wolgemuts zuzuweisen vermag,
die aber deutlich den Zusammenhang mit dem Stil der gleichzeitigen Nürnberger
Malerei erkennen läßt (Abb. 10).
') Daß man dazu in Nürnberg aber durchaus nicht allgemein imstande ist, zeigen die trotz
der vortrefflichen Vorlagen gänzlich rohen und handwerklichen Nachschnitte nach den Baseler Narrenschiff-
Illustrationen in der Ausgabe von Peter Wagner 1494.
13
Wolgemut hat durch die großen Aufgaben, die ihm zufielen, und eine enorme
Produktion wie in der Malerei so auch auf dem Gebiete der Illustration seinem Stil
Geltung zu verschaffen gewußt. Er war der Unternehmer, der über die Mittel ver-
fügte, bei umfangreichen Aufgaben prompt zu bedienen. Wie ja auch heute noch
bei großen Aufträgen vor dem künstlerisch Begabtesten der Geschäftige und Geschäft-
liche oft den Vorzug erhält.
Ihm und seinem Stiefsohn Wilhelm Pleydenwurff wurde, wie urkundlich
feststeht, der Illustrationszyklus für Hartmann Schedels im Jahre 1493 bei Koberger
erschienene Weltchronik in Auftrag gegeben. Infolge stilistischer Übereinstimmung
mit diesem werden Wolgemut mit gutem Grunde auch die Holzschnitte des Koberger-
schen Schatzbehalters vom Jahre 1491 zugeschrieben. Sein Holzschnittwerk ist dann
durch V. von Loga1) und Campbell Dodgson'2) noch erweitert worden. Die erste auf
seine Hand weisende Buchillustration wäre danach in das Jahr 1484 zu setzen, das Titelbild
in Kobergers „Reformation der Stadt Nürnberg".") Wenn der allgemeine Stilcharakter
dieser Arbeiten wohl auf die Wolgemutsche Werkstätte deutet, so wird man sie jedoch nicht
alle, wie das ja für die Schedeische Chronik auch urkundlich feststeht, als eigenhändige
Leistungen Wolgemuts anzusehen haben. Schon die Verschiedenwertigkeit des Schnitts
und die daraus resultierende Verschiedenartigkeit der Wirkung macht es bei der das
allgemeine Niveau nur wenig überragenden Leistungsfähigkeit Wolgemuts unmöglich
ein bestimmtes Oeuvre für ihn allein aufzustellen. Ebenso scheint es mir auch bis
jetzt nicht möglich, bestimmte andere Künstlerindividualitäten aus dem Gesamtbestande
der Werkstatt herauszuschälen. Thodes Versuch, den Meister des Peringsdörfferschen
Altars als den Verfertiger einer Anzahl von Holzschnitten der Schedeischen Chronik
hinzustellen und demnach die Persönlichkeit Wilhelm Pleydenwurffs aus den Illustra-
tionen der Chronik heraus zu konstruieren, vermag auf mich, wie schon erwähnt,
nicht überzeugend zu wirken.
Hinsichtlich des allgemeinen künstlerischen Charakters der Wolgemutschen
Holzschnittgruppe gilt das Gleiche wie das über seine Malerei Gesagte. Zu einem
hohen künstlerischen Niveau erheben sich auch die Holzschnitte nicht. Die Erfindung
ist nie wirklich interessant. Mit wie viel Entlehnungen von fremden Vorlagen bei den
Sujets der Schedeischen Chronik wir es zu tun haben, hat von Loga4) nachgewiesen. Vor
den anderen Nürnberger Illustrationen haben die Wolgemutschen wohl eine Erweiterung
und Bereicherung des Schauplatzes voraus, ohne daß dieser eine wirklich künstlerisch
befriedigende Wiedergabe fände. Es fehlt an einem organisch wirkenden Aufbau;
deshalb hat die Szenerie, mag es nun ein Interieur oder eine Landschaft sein, oft
etwas Verworrenes. Sie kommt auf Arbeiten der auf S. 10 geschilderten Gruppe
manchmal mit ein paar Strichen besser heraus als auf einem komplizierteren Wolgemut-
schen Holzschnitt. Die Technik wird dahin weiter ausgebildet, daß die Holz-
') Jahrbuch der k. preuß. Kunsts. XVI, 224.
-) Jb. der kunsthist. Samml. des allerh. Kaiserhauses 1902, XXIII, 45ff. Catalogue of early
German and Flemish woodcuts in the British Museum, London 1903, 240ff.
8) Zwei, wie mir scheint, gleichfalls aus seinem Atelier hervorgegangene Illustrationen, die
von jenen Forschern noch nicht genannt wurden, sind die in dem 1491 bei Georg Stuchs er-
schienenen Breviarium Magdeburgense (Hain 3856) und dem Missale Salisburgense desselben Verlags
vom Jahre 1492 (Hain 11420).
') A. a. O. S. 227.
10. Missale. 1491.
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schnitte nach Licht und Schatten reicher abgestuft, bildmäßiger gestaltet werden.
Sind bei den früheren Illustrationen Kontur, Binnenzeichnung und Schraffierungen
meist in einer Stärke gehalten, was auch in dem Schatzbehalter zum Teil noch
der Fall ist, so werden mit dem Fortschreiten dieses Stils die Stärken der Linien den
Erfordernissen der Modellierung entsprechend mehr differenziert. In den tiefsten
Schattenpartieen werden hier und da Kreuzschraffierungen angewandt, Gegensätze von
Hell und Dunkel stark herausgearbeitet. Eine tonigere Wirkung wird dadurch erzielt.
Es ist der neue Malerholzschnitt, der jetzt aufkommt. Aber bei dem Mangel an feinerem
künstlerischem Takt bringt Wolgemut eine einheitlich-bildmäßige Wirkung nicht zustande.
Das blieb seinem größeren Schüler vorbehalten.
In Wolgemuts Werkstatt, in die der junge Dürer eintrat, nachdem ihm der
Vater gestattet hatte, das Goldschmiedehandwerk aufzugeben, fand er also einen aus-
gebildeten Betrieb auf dem Gebiete der Malerei wie des Holzschnitts vor.
„Und da man zählt nach Christi Geburt 1486 am St. Endres Tag (das ist der
30. Nov.), versprach mich mein Vater in die Lehrjahr zu Michael Wohlgemuth, drei Jahr
lang ihm zu dienen", heißt es in Dürers Familienchronik. Er hat die drei Jahre in
der Nürnberger Werkstatt ausgehalten, obwohl es ihm dort nicht sonderlich behagt
zu haben scheint, da er, wie er sagt, von den Gesellen Wolgemuts viel zu leiden
hatte. „Und als ich im 1490 Jahr hinwegzog nach Ostern, darnach kam ich wieder,
als man zählt 1494 nach Pfingsten", schreibt er weiter in derselben Chronik. Im
April 1490 der Ostersonntag fiel in diesem Jahr auf den 11. April begab sich
Dürer auf die Wanderschaft.
Aus der Zeit vor der Wanderschaft sind einige bezeichnete und datierte
Arbeiten seiner Hand erhalten. Zunächst Zeichnungen. Die frühste datierte ist das
1484 mit dem Silberstift gezeichnete Selbstbildnis in der Albertina, in dreiviertel Profil
gestellt und sorgfältig abschattiert, eine saubere, anmutige Arbeit, die, wie die später von
Dürers Hand beigesetzte Schrift besagt, nach dem Spiegel gemacht wurde. Sie dient als
Zeugnis der Frühreife des Knaben.
Als nächste datierte Arbeit folgt die Madonna mit zwei musizierenden
Engeln im Berliner Kupferstich -Kabinett, eine Federzeichnung, welche die Signatur
und das Datum 1485 trägt. Dürer hat möglicherweise einen Kupferstich man
hat an den Meister E. S. gedacht als Vorbild benutzt.1) Dafür spricht die
Art der Modellierung. Es ist ein System von scharf ausgebildeten Konturlinien, in
das Kreuzschraffierungen eingetragen sind. Die Pflanzen im Vordergrunde sind zeich-
nerisch angelegt. Die Arbeit zeigt ein intensives Sichversenken in den Stoff und ist
wie das Selbstbildnis des vorhergehenden Jahres mit peinlicher Gewissenhaftigkeit
ausgeführt.
Flüchtig mit Kreide hingeworfen ist die ebenfalls vor dem Eintritt in die
Werkstatt Wolgemuts entstandene „Dame mit dem Falken" im British Museum, die
durch ihre zweifellos alte Inschrift beglaubigt ist: „Das ist och alt hat mir Albrecht
Dürer gemacht E er zum maier kam in des wolgemuts hus" usw. Diese Zeichnung
ist wohl auch nach einer Vorlage gefertigt, vielleicht eher nach einer plastischen als
J) Die Maria auf dem Thron und das Kind zeigen auch eine gewisse Verwandtschaft mit dem
Münchener Schrotblatt der Madonna zwischen Katharina und Barbara. Schmidt Nr. 93.
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nach einer graphischen. Eine bestimmte graphische Technik ahmt sie jedenfalls nicht
nach. Man kann aus der unbeholfenen Knabenarbeit nicht viel herauslesen, aber
Schongauerschen Geist, wie die Lippmannsche Notiz im Dürer-Werk vermuten läßt,
scheint sie mir nicht zu atmen. Die etwas grämlichen Züge reproduzieren vielmehr
den Frauentypus der älteren Nürnberger Schule, ebenso wie auch der Madonnenkopf
auf der Berliner Zeichnung von 1485.
Erst aus dem Jahre 148Q gibt es danach zwei Federzeichnungen: die Bremer
Kavalkade und die drei Landsknechte in Berlin; wieder Arbeiten, die einen Selbstzweck
hatten, nicht skizzenhafte Entwürfe, was aus der sauberen Durchführung und der
gleichzeitigen Monogrammierung und Datierung hervorgeht. Sie zeigen bereits gewisse
Eigenheiten, die sich als charakteristisch für die Jugendarbeiten Dürers hinstellen lassen.
Vor allem legt er Wert auf eine sorgfältige Modellierung. Er arbeitet mit verschiedenen
Helligkeits- und Dunkelheitsgraden und tönt das Bild vermittels verschieden starker
Schraffierungslagen ab. Die Bremer Kavalkade hat schon eine gewisse Qualität.
Es ist nicht nur das rein Gegenständliche, das ihn zu der Darstellung veranlaßt hat.
Das Wie in der Möglicheit künstlerischer Veranschaulichung wird für seine Phantasie
Problem. Und schon die Art des Darstellungsproblems zeugt für ein starkes künst-
lerisches Bewußtsein. Schwierige Verkürzungen scheinen geradezu gesucht bei der
Anlage der den Hohlweg betretenden Reitergruppe. Eine Gewandheit in der zeich-
nerischen Markierung aller Funktionswerte macht sich bemerkbar, wenn auch
das wenigste wirklich ganz gelungen ist. Wie der auf die Paßhöhe gelangte Reiter
seinen Arm in die Höhe schleudert, das hat etwas Schmetterndes. Die Landschaft
läßt nicht ohne weiteres auf unmittelbare Naturnachahmung schließen. Schematische,
konventionelle Formen finden sich zwar nicht, nur der Vordergrund ist hier wie auf
der Berliner Zeichnung in ziemlich schematischer Weise als welliges, übereinander-
geschichtetes Hügelland gebildet. Die Art des Aufbaus der Szenerie, die Formen
der Felskegel gemahnen an Hintergründe, wie sie auf Wolgemutschen Bildern zu
finden sind, besonders an die Landschaft der Anbetung des Kindes auf einem der
Flügel des Hallerschen Altars in der Heilig- Kreuz- Kapelle zu Nürnberg. Vielleicht
benutzte Dürer dergleichen als Vorbild. Er besaß jedenfalls schon die Leichtigkeit,
solch eine flüchtige Szenerie sozusagen aus dem Handgelenk zu schütteln.
Außer dem Bildnis des Vaters, von dem gleich zu sprechen sein wird,
ist aus Dürers Lehrzeit bis jetzt nichts weiter bekannt. An den großen Holzschnitt-
werken, die der Wolgemutschen Werkstatt für den Kobergerschen Verlag in Auftrag
gegeben wurden, dem Schatzbehalter und der Schedeischen Weltchronik, ist Dürer nicht
beteiligt. Sie waren in Arbeit, als er sich auf der Wanderschaft befand. Sollte er
aber nicht sonst vielleicht irgendwelche Holzschnittillustrationen geliefert haben?
Bei der Prüfung der im 15. Jahrhundert in Nürnberg gedruckten illustrierten
Bücher sind mir zwei Holzschnitte begegnet, die für die Jugendzeit Dürers in Frage
kommen. Der eine bildet das Titelblatt einer kleinen Schrift über das Würfelspiel: Wie
der würffei auff ist kutnen (Abb. 11). Das Schriftchen befindet sich in der Kgl. Bibliothek
zu Berlin und ist, soweit ich sehe, unbeschrieben. Gedruckt ist es laut Schlußschrift
von Marx Ayrer im Jahre 1480. Marx Ayrer war ein Wanderdrucker, der an den ver-
schiedensten Orten sein Gewerbe betrieb. Er druckte besonders kleine volkstümliche
Schriften, die gewöhnlich eine oder mehrere Illustrationen enthalten; meist ziemlich rohe
Machwerke. Anders der Holzschnitt des Würfelbuches. Er besteht aus zwei Teilen, die aber
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auf demselben Holzstock gezeichnet sind. Dargestellt ist die Einführung des Würfel-
spiels durch den Teufel und deren Folgen. An künstlerischer Qualität übertrifft der
Holzschnitt alles, was gleichzeitig in Nürnberg auf dem Gebiete geleistet worden ist.
Er zeigt Dramatik des Vortrags und zeichnerische Eigenschaften, wie sie in Nürnberg
nicht gang und gäbe waren. Der Illustrator hat sich seine Aufgabe
wählt komplizierte Stellungen, schwierige Verkürzungen
Mir scheint der Holz-
nicht leicht
und kommt
gemacht. Er
damit zurecht.
schnitt von 1 489 ganz gut das Niveau
zu repräsentieren, auf dem wir uns
nach der Bremer und Berliner Zeich-
nung Dürer um diese Zeit stehend
zu denken haben. Einige Vergleichs-
punkte seien noch angeführt. Der
gut verkürzte Reiter mit seinem in
die Hüfte gestemmten rechten Arm
erinnert an die Berittenen der Kaval-
kade. Der Teufel nimmt in Dürers
Phantasie als mehr komisches, kral-
lenfüßiges und gehörntes Ungeheuer
noch lange dieselbe Gestalt an wie
hier und spielt eine ähnliche Rolle,
so auf der bei Ephrussi abgebildeten
merkwürdigen Zeichnung in Reimes
und anderen. Die Figuren mit ihren
langen Gliedmaßen sind gleich pro-
portioniert wie die drei Landsknechte
auf der Berliner Zeichnung. Die
Auffassung der Landschaft, die auch
hier flott und mit sicherem Gefühl
für die Wirkung heruntergezeichnet
ist, entspricht dem Bremer Blatte.
Die dort auf der rechten Seite
stehende Felspartie mit dem selt-
samen, oben auswärts gebogenen
Felskegel findet sich ähnlich auf dem
Holzschnitt an der linken Seite des
unteren Teiles wieder.
Die zweite Illustration, die Hölle am jüngsten Tage darstellend, ist enthalten
in dem Buch: „Eine allerheilsarnste Warnung vor der falschen Lieb dieser Welt"
(Abb. 12). Gehören die beiden anderen Illustrationen dieser Schrift (Abb. 6 und 7)
schon zu dem Besten, was zu der Zeit in Nürnberg im Holzschnitt geleistet
wurde, so werden sie von der kleinen Höllenszene noch übertroffen, die, wenn auch
vom Formschneider ungeschickt verschnitten, sowohl durch die Anlage der Komposition
wie durch die Wucht der Darstellung ein individuelles Gepräge trägt. Wie die höllischen
Spukgestalten mit Keule, Knochen und Morgenstern auf die Verdammten einhauen, wie
das als Drache wiedergegebene Höllentier einen Mönch verschlingt, einen anderen
2
11. Wiirfelbuch. 1489.
18
Mann mit seinem Schweif umschlungen hat und in der Luft herumwirbelt, dann die
Verzweiflung der Verdammten, das Aufsprühen von Feuerblitzen aus den Bergen im
Hintergrunde, das alles ist mit solcher Energie und einem künstlerischen Verständnis
zur Erscheinung gebracht, daß man wohl berechtigt ist, in dem Zeichner einen genialen
jungen Menschen zu vermuten. Gleich mein erster Gedanke war: der junge Dürer.
Bestärkt wurde meine Ver-
mutung durch einen Ver-
gleich mit der Höllenszene
des jüngsten Gerichtes auf
der Zeichnung des Brit. Mus.
(L. 224 Abb. 13)1). Das
Höllenbild stellt sich in der
Phantasie des Künstlers hier
wie dort in gleicher Weise
dar. Ganz ähnlich hantieren
die Spukgestalten, ähnlich
ist die Verzweiflung der Ver-
dammten veranschaulicht.
Nur ist das alles auf der
Londoner Zeichnung der
späteren Entstehung ent-
sprechend mit größerer
zeichnerischer Meisterschaft
hingestellt; das Kleine, das
Zierliche der Frühzeit ist
überwunden. Ich verhehle
mir gewiß nicht, daß solche
Höllenbilder in
Zeit mehr oder
ähnlich aufgefaßt wurden ;
aber in den beiden Dar-
stellungen scheint mir doch
dieselbe individuelle Phan-
tasie sich auszusprechen.
Daß solche Phantasiebilder,
wenn sie einmal in der
Jugend eine feste Form an-
genommen haben, lange
haften bleiben, zeigt die Seeiengeschichte vieler großer Künstler, auch Goethes. Dürer
hat sich später an Gestalten, die in der Jugendzeit seine Phantasie erfüllten, gern
erinnert. Wir haben ja auch Beispiele dafür, wie manches, was er in früher Zeit ge-
zeichnet hatte, in späteren Jahren und bei anderer Gelegenheit von ihm wieder ver-
wandt wurde.
Wie hier das über eine Menschenmenge heranbrausende Verderben zum Aus-
damaliger
12. Allerheilsamste Warnun<>.
') Vgl. auch die Höllendarstellung auf der (sicherlich falsch datierten) Zeichnung L. 248.
19
druck gebracht ist, das ist spezifisch Dürerisch. Hat er, wie ich vermute, die Höllen-
darstellung um das Jahr 1489 gezeichnet, bei aller Befangenheit der Ausdrucksweise
wäre sie nicht unwürdig, als eine Vorahnung des apokalyptischen Ideenkreises zu
gelten. Man halte neben sie etwa die sich einer gewissen Berühmtheit erfreuende
Auferstehung der Toten in der Schedeischen Chronik und entscheide zwischen beiden
nach der Qualität. Die Wage dürfte sich zugunsten unseres kleinen Holzschnittes
13. Dürer. Weltgericht. Ausschnitt. British Museum.
neigen. Man bemerke bei diesem auch die geschickte Verwendung von Hell und
Dunkel, ein Operieren mit Tonwerten, wie es im damaligen Holzschnittstil durchaus
nicht allgemein üblich war. Dürers Jugendwerke zeugen alle für ein schon früh bei
ihm anhebendes Gefühl für Herausarbeitung und Modellierung der Form.
Stärker als irgend etwas deutet auf sein frühes Formverständnis das einzige
Gemälde, das aus der Zeit vor der Wanderschaft auf uns gekommen ist, das
1490 datierte Bildnis des Vaters in den Uffizien. Es läßt schon die ganze spätere
Kunst Dürers in ihren Keimen erkennen. Ein sprechender Ausdruck, feine Beobachtung
des Details, soweit es zur Formbestimmung notwendig ist, scharfäugige Fixierung eines
2*
20
frappanten Charakterbildes. In der Nürnberger Schule war, wie wir bei den Kirchen-
bildern bemerkten, vor Dürer schon Verständnis für eine scharf charakterisierende Bildnis-
kunst gewesen. Selbständige Porträts haben sich sehr wenige erhalten. Keins unter
ihnen weist eine solche Formbehandlung auf wie das frühe Dürersche. Sie haben
etwas Kleinliches, Zerrissenes in der Anlage, etwas Hartes in den Zügen und etwas
Übercharakteristisches, so daß sie öfter in Karrikaturen ausarten. Das Dürersche Bildnis
ist gewiß auch in einer mit dem Pinsel mehr distinguierend-zeichnenden als weich ver-
schmelzenden Manier durchgeführt, läßt aber deutlich das Streben, für die Entfernung ein
Gesamtbild zu formen, erkennen. In seiner Anlage entspricht es den Nürnberger Porträt-
Gepflogenheiten: Brustbild in dreiviertel Profil mit den Händen vor der Brust, die
etwas halten. Dürers Vater hält einen Rosenkranz, wie auch der im Jahre 1496 ge-
malte Perckmeister von Wolgemut im Germanischen Museum. Sonst halten die Figuren
auch eine Blume, einen Ring oder ein Buch. Diese Art der allgemeinen Anlage geht
auf niederländische Vorbilder zurück, durch die ja, wie wir sahen, überhaupt seit
den sechziger Jahren auf die Nürnbergische Kunst ein tiefgehender Einfluß aus-
geübt wurde.1)
Als Dürer im Jahre 1490 auf die Wanderschaft zog, war er also schon als ein
tüchtiger Maler und wahrscheinlich auch als Holzschnittzeichner ausgebildet, der wohl
wußte, worauf es bei der Kunst ankam. Die Grundlage seiner Schulung hat er der
Wolgemutschen Werkstatt zu verdanken. Das zeigt sein in Nürnbergischem Sinne
gemaltes Bildnis des Vaters, dem allerdings der Stempel eines das Nürnbergische Niveau
überragenden Genies aufgeprägt ist, das zeigen auch die frühen Zeichnungen, besonders
die Bremer Kavalkade.
Daß Dürer während seiner Lehrzeit zu der Schongauerschen Kunst in nähere
Berührung getreten sei, dafür läßt sich kein Anhaltspunkt finden. Dagegen müßte
man eine vielleicht nur flüchtige Einwirkung der Kunst des Meisters des Hausbuchs,
auf die von Robert Vischer und Thode hingewiesen wurde, wenn sie überhaupt statt-
gefunden hat, in diese frühe Zeit setzen. Die außergewöhnlichen Stiche des rätsel-
haften Meisters mögen schon damals in Dürers Hände gekommen sein, und er mag
aus dessen geistvollen Blättern für manches eine Anregung erhalten haben. Einige
Typen wie die Ausdrucksweise der Bremer Kavalkade lassen an die Art jenes
Stechers denken.
Wohin ist Dürer gewandert? —
Über die erste Periode seiner Wanderschaft bis zum Jahr 1492 wissen wir gar
nichts. Alle Vermutungen darüber sind nichts als Vermutungen geblieben. Das einzige
literarische Zeugnis für diese Epoche in Dürers Leben gibt der gewiß glaubwürdige
Christoph Scheurl in seiner gleichsam unter Dürers Augen im Jahre 1515 gedruckten
Lobrede auf Anton Kreß mit der deutlichen Angabe: - - tandem peragrata Ger-
mania cum anno nonagesimo secundo Colmariam venisset, a Caspare et Paulo auri-
') Nicht Dürer zuzuschreiben vermag ich die von Max J. Friedender Repertor. f. K. XIX 1896
S. 15 publizierte Zeichnung der Albertina, die nach F. den Vater des Künstlers darstellen soll. Schon
die Technik ist eine von den Dürerschen Jugendzeichnungen verschiedene. Diese Art der dicken glatten
weißen Grundierimg findet sich bei ihm nicht, ebensowenig die mit dem Silberstift fein schummernde
Schraffierung. Der zeichnerische Strich ist ziemlich leblos, die Faltengebung, besonders am rechten
Ärmel, schematisch.
21
fabris et Ludovico pictore, item etiam Basileae a Georgio aurifabro, Martini fratribus,
susceptus sit benigne atque humane tractatus. In dem ersten Abschnitt seiner Wanderschaft
wird er also wohl durch Deutschland von Ort zu Ort gezogen sein, ohne sich irgendwo
länger aufzuhalten. 1492 kam er nach Colmar zu den drei Brüdern Martin Schongauers,
der kurz vorher gestorben war, und ging dann nach Basel zu dem Goldschmied Georg
Schongauer, dem vierten Bruder. Daß Dürer in Basel gewesen ist, dafür besitzen wir
außer der Notiz bei Scheurl noch ein künstlerisches und urkundliches Zeugnis: den
im Baseler Museum bewahrten Holzstock des hl. Hieronymus, der von Dürer auf der
Rückseite ausführlich bezeichnet ist und von Nicolaus Keßler in seiner 1492 erschienenen
Ausgabe der Opera Hieronymi als Titelbild abgedruckt wurde. 1492 ist er also zweifellos
in Basel gewesen.
Den nächsten Anhaltspunkt für seine Reiseroute gibt eine Stelle des Imhof-
schen Inventars, aus der hervorzugehen scheint, daß er 1494 in Straßburg war. Sie
lautet: „Ein alter man In ein tefelein Ist zu Straspurg sein meister gewest — auf per-
gamen fl. 4". „Ein weibspild auch in ein tefelein olifarb so darzu gehoert gemalt zu
straspurg 1494 fl. 3." Wenn man gegen diese Stelle des Imhof sehen Inventars nicht
wie Thausing Bedenken hegt, wozu kein zwingender Grund vorliegt, so muß man
annehmen, daß Dürer sich auch in Straßburg eine Weile aufgehalten hat, denn er
hatte ja, wie es heißt, dort einen „Meister". Nach Pfingsten war er schon wieder
zurück in Nürnberg. Er müßte also wohl spätestens am Anfang des Jahres 1494 nach
Straßburg gekommen sein.
Thausings Vermutung, daß Dürer während der ersten Wanderschaft Italien
besucht habe, dürfte heute kaum noch Anhänger finden.
Es sollen nun die künstlerischen Zeugnisse geprüft werden, die aus der Zeit
seiner Wanderschaft erhalten sind. Zunächst das bedeutendste, sein Selbstbildnis von
1493, früher in der Sammlung Felix, das ich allerdings nur nach der Reproduktion
kenne. Es ist ein Brustbild in dreiviertel Profil mit Händen, wie das Porträt des
Vaters, nur daß bei diesem der Blick der Augen der Wendung des Kopfes folgt,
während bei dem Selbstbildnis, das nach dem Spiegel gemacht werden mußte, die
Augen aus dem Bilde herausschauen; die Hände halten einen Eryngiumzweig (Männer-
treu), woraus man eine Bestimmung etwa als Brautbild ableiten zu können meinte.
Auf Stellung und Arrangement ist sehr viel Sorgfalt verwendet. Alles sieht zurecht-
gelegt aus und ist mit peinlicher Gewissenhaftigkeit wiedergegeben. Der Ausdruck
des Kopfes ist ernst und sinnig. Das Ganze wirkt nach der Reproduktion sehr
eindrucksvoll und zeugt von künstlerischem Ernst. Aus diesem Bilde, wie das ge-
schehen ist, zu schließen, daß Dürer in der ersten Periode seiner Wanderschaft die
Niederlande besucht haben müsse, geht nicht an. Es reiht sich unmittelbar an das
Porträt des Vaters an, wirkt nicht niederländischer als dieses. Das, was daran nieder-
ländisch ist, ist nur auf die Schulung in Nürnberg zurückzuführen, wo die Porträt-
kunst ganz auf der niederländischen beruhte. Das jetzt auf Leinwand übertragene
Bild war ursprünglich auf Pergament gemalt, jedenfalls, damit es auf der Wanderschaft
leicht transportiert werden konnte.
Aus dem gleichen Jahre besitzen wir noch ein kleines Pergamentblättchen,
mit Wasserfarben 'gemalt, in der Albertina, das in einer Fensternische den Jesusknaben,
der mit beiden Händchen die Weltkugel hält, darstellt. Auch dies keine flüchtige
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Studienarbeit, sondern mit liebevollster Versenkung in jedes Detail mit der Feder ge-
zeichnet und mit dem Pinsel durchmodelliert. Es gewinnt seine Wichtigkeit als einer
der frühsten datierbaren Idealköpfe, die wir von Dürers Hand besitzen. Ein Anklang
an Schongauersche Jesusknabenköpfe macht sich jetzt bemerkbar.
Nachdem diese beiden auf Pergament gemalten Arbeiten aus der Zeit der
Wanderschaft erhalten sind, haben wir keinen Grund zu bezweifeln, daß die beiden
nach dem Imhof sehen Inventar von Dürer 14Q4 in Straßburg auf Pergament gemalten
Bildnisse existiert haben. Die vorhin zitierte Inventar-Notiz ist doch zu genau detail-
liert und Tatsachen entsprechend, als daß man sie ohne triftige Gründe beseitigen
könnte.
Von datierten beglaubigten Arbeiten der Wanderschaft ist außer den besprochenen
farbigen nur noch ein Holzschnitt bekannt: der Baseler Hieronymus, der, wie schon
erwähnt, Keßlers Ausgabe von 1492 vorgedruckt ist. Aus der schlecht geschnittenen
Illustration läßt sich natürlich nur wenig auf die ursprüngliche Vorzeichnung schließen.
Aber so viel kann man sehen, daß es eine sauber durchmodellierte, nach Licht und
Schatten abgestufte Vorlage war. Und sucht man sich genauer über die Art der
Zeichentechnik Rechenschaft zu geben, so findet man, daß es die des Schongauerschen
Kupferstichs ist, aber in der Anwendung für den Holzschnitt, wie es bei den Nürn-
berger Illustrationen Wolgemutscher Richtung üblich war.1)
Auf die Tatsache, daß dieser Holzschnitt für einen Baseler Druck geliefert
wurde, ist das bekannte Hypothesengebäude Daniel Burckhardts begründet worden.
Dürer muß danach in Basel eine fieberhafte Tätigkeit entfaltet haben. Außer dem
einen Holzschnitt für die Keßlerschen Hieronymus-Werke soll er noch eine Menge
von Illustrationen entworfen haben: für die Furtersche Offizin die Holzschnitte des
1493 erchienenen „Ritters von Turn", für die Bergmann von Olpesche den größten
Teil der Bilder in dem 1494 gedruckten Narrenschiff von Seb. Brant und kleinere
Holzschnitte in verschiedenen anderen Büchern, endlich eine stattliche Anzahl von
Zeichnungen zu den Komödien des Terenz auf Holzstöcken, die im Baseler Museum
bewahrt werden und jedenfalls auch für eine Buchausgabe bestimmt waren, aber niemals
oder wenigstens nur zum geringsten Teil geschnitten wurden. All diese über hundert
Werke sollten nach dem Verfasser den Charakter der Dürerschen Kunst tragen. Und
noch ein äußeres Moment sollte seinen Zuschreibungen zugute kommen. Eine seiner
Hauptthesen lautete: Im Jahre 1494 verließ Dürer Basel; nach diesem Zeitpunkt kommen
Werke von dem Meister jener Illustrationen, eben Dürer, in Baseler Drucken nicht
mehr vor. Diese These versuchte ich auf Grund von Studien über die Baseler Buch-
illustration -) schon früher zurückzuweisen, indem sich herausstellte, daß bis 1499
in jedem Jahre neue Illustrationen desselben Meisters in Baseler Drucken auftreten,
daß deshalb schon Dürer nicht der Zeichner sein könne; abgesehen davon, daß
mit seinem Jugendstil alle jene Arbeiten auch nicht übereinstimmten. Seitdem sind
wichtige Zeichnungen publiziert worden, die auf die Jugendepoche Dürers ein neues
Licht warfen.
Ehe ich mich ihnen zuwende, möchte ich folgende Erwägungen vorausschicken:
') Der Zusammenhang mit Nürnberg wird auch betont von Kristeller, Kupferstich und Holz-
schnitt in vier Jahrhunderten. Berlin 1905, S. 200.
'-') Der Meister der Bergmannschen Offizin und A. Dürers Beziehungen zur Baseler Buch-
illustration. Straßburg 1896.
23
Im Jahre 1492 kam Dürer nach Colmar zu den Brüdern Martin Schongauers, von
denen er, wie es heißt, freundlich aufgenommen wurde. Was wird er dort getrieben
haben? Darauf gibt es eigentlich nur eine Antwort. Natürlich wird er dort in der Schule
des berühmtesten Kupferstechers, der selbst allerdings verstorben war, dessen Atelier
aber von dem Bruder Ludwig in der alten Tradition weitergeführt wurde, das Kupfer-
stechen erlernt oder sich wenigstens darin vervollkommnet haben. Wolgemut, der
selbst nicht gestochen zu haben scheint, wird ihm das kaum haben beibringen können.
Auf die Spuren der Schongauerschen Schulung in Dürers Werken werde ich gleich
zu sprechen kommen. Hier sei nur noch einmal hervorgehoben, daß der Colmarer
Aufenthalt infolgedessen nicht zu kurz bemessen werden darf. Er mag sich bis gegen
Ende 1492 (spätestes Datum für den Hieronymus) ausgedehnt haben. Anfang 1494
müßte er, will man dem Imhofschen Inventar glauben, nach Straßburg gegangen sein,
wie sich vorhin gezeigt hat. Es käme danach für den Baseler Aufenthalt höchstens
die Zeit von Ende 1492 bis Ende 1493 in Betracht. Burckhardt, der Dürer in
Basel eine Menge von Werken fabrizieren läßt, sucht deshalb seinen dortigen
Aufenthalt möglichst zu verlängern. Er läßt ihn im Sommer 1492 nach Basel
kommen. Den Straßburger Aufenthalt streicht er, indem er eine nicht zu recht-
fertigende Umstellung mit den Notizen des Imhofschen Inventars vornimmt.1) Aber
da er einen Schongauerschen Einfluß auf Dürers Jugendstil nicht leugnen kann,
im Gegenteil die Annahme eines solchen für seinen stark Schongauerisch anmutenden
Terenz-Illustrator notwendig braucht, so wird der Goldschmied Georg Schongauer
heraufbeschworen, bei dem Dürer das Kupferstechen in Basel erlernt habe. Man ver-
gegenwärtige sich einmal Dürers angebliche Tätigkeit in Basel. Mit „Einläßlich-
keit" und einer auf gründlichen Studien beruhenden künstlerischen Ehrlichkeit malt
er auf Pergament fein ausgeführte Bilder wie das Selbstporträt und das Jesuskind,
daneben soll er mit geschickter und routinierter Hand Massen von Illustrationen für
den Holzschnitt im Auftrage der verschiedensten Offizinen zeichnen und endlich
daneben noch das Kupferstechen erlernen. Entspricht das allein schon dem Bilde,
das wir uns von Dürers Jugendtätigkeit zu machen berechtigt sind? Ich habe den
Eindruck, daß es sich um ein langsames Vorschreiten bei ihm handelte. Eine so
extensive Produktion mit vorwiegender Routine wie die des Baseler Illustrators hätte
in seinem Entwicklungsgang keinen Platz. Seine Jugendarbeiten haben eher etwas
Bedächtiges.
Über die Stildifferenzen zwischen dem von mir „Meister der Bergmannschen
Offizin" genannten Baseler und Dürer habe ich mich schon früher ausgesprochen-')
und zu zeigen gesucht, daß jener sich für seine Zeichenweise vornehmlich den
zeichnerischen Strich auf Schongauers früheren Kupferstichen zum Muster genommen
hat. Und diese Zeichenmanier steht, wie schon hervorgehoben wurde, dem Jugendstil
Dürers nicht sehr viel näher als etwa den Nürnberger Illustrationen der Oratio Cassandrae,
des Pfarrers von Kalenberg und des Folzschen Judenwuchers. Die Zeichnungen der
Wanderschaft erweisen Dürer auch unter Schongauerschem Einfluß stehend, und somit
sind naturgemäß gewisse Berührungspunkte mit den Baseler Illustrationen vorhanden.
Aber bei ihnen, die zum großen Teil sorgfältig durchgeführte Entwürfe enthalten,
') Jahrbch. der kgl. preuß. Kunstsion. XIV, S. 162.
-) A. a. O. S. 60 f.
24
ist mit Modellierungswerten durch ein fein ausgebildetes und je nach den Licht- und
Schattengraden abgestuftes Schraffierungssystem in ganz anderer Weise gerechnet als
bei den Baseler Arbeiten. Und das ist nur die Fortsetzung dessen, was sich schon
vor der Wanderschaft, wie wir an der Bremer Kavalkade sahen, in Nürnberg anbahnte.
Zieht man die ganze Summe der Jugendarbeiten in Betracht und hält sie den Baseler
Illustrationen entgegen, so lassen sie auf eine mehr in die Tiefe als in die Breite gehende
Geistesrichtung bei Dürer schließen.
In die Zeit der Wanderschaft gehört außer dem gemalten Selbstbildnis jeden-
falls auch das gezeichnete der Erlanger Sammlung. Der Kopf mit der rechten Hand
am Auge ist das Darstellungsproblem für die Studie, die mit genialer Sicherheit an-
gelegt ist. Die andere Seite der Zeichnung enthält eine Madonna auf der Rasenbank
mit Josef. Ich glaube, daß Dürer hier ein Original der Schongauerschen Schule vor-
gelegen hat. Der Typus der Maria erinnert stark an den Schongauerschen (z. B. auf B. 4,
oder B. 29), ebenso der Josefs (wozu B. 4 zu vergleichen). Auch das Schema der
Gewandmodellierung ist Schongauer entlehnt. Ferner hat sich Dürer bemüht, Schon-
gauers feingliedrige Hände nachzubilden, die auch ungeschickt genug ausgefallen sind,
was bei eigenen Entwürfen nie in dem Maße der Fall ist. Meiner Ansicht nach sind
beide Seiten der Zeichnung nicht vor 1492 entstanden. Wenn von Seidlitz, der sie
entdeckt hat, geltend macht, daß das Selbstbildnis seinem Aussehen nach den
Künstler nicht älter als 18 Jahre darstellen könne, und er sie infolgedessen vor
1489 ansetzt, so dürfte man dagegen wohl anführen, daß es sehr schwer ist,
aus einer so flüchtigen Skizze zu ersehen, ob jemand in dem Übergangsalter von 18,
19, 20 oder 21 Jahren dargestellt ist. Andere ließen sich auch dadurch nicht abhalten,
die Zeichnung später zu datieren. Der geistvolle, schon mehr ausgereifte Strich auf
dem Selbstbildnis stimmt wenig zu den Zeichnungen von 1484 — 1489, entspricht aber
einigen anderen Blättern, die ebenfalls in den Anfang der neunziger Jahre zu setzen sind.
Endlich besteht eine in die Augen springende Verwandtschaft zwischen der Madonna
und einem der frühesten Kupferstiche Dürers, der Madonna mit der Heuschrecke. Ich
möchte hier noch auf einen Punkt hinweisen, auf die Verschiedenartigkeit der Strich-
führung auf jeder der beiden Seiten des Erlanger Blattes, die frisch und sicher ist
bei dem frei erfundenen Selbstbildnis, kleinlicher und ängstlicher, wo er, wie ich
glaube, ein Schongauersches Original zugrunde gelegt hat.
Im Zusammenhang mit der Erlanger Zeichnung steht die vom Berliner Kupfer-
stich-Kabinett vor einigen Jahren aus der Sammlung Rodrigues erworbene, auch eine
Madonna auf der Rasenbank, hinter der Bank der seinen Kopf auf die rechte Hand
stützende schlafende Josef.1) Auch hier ist Dürer abhängig von der Schongauerschen
Formanschauung; aber er bewegt sich selbständiger und freier als bei der Erlanger
Madonna. Der Kopf Josefs ist gar nicht von Schongauer inspiriert. Das ernste, auch
im Schlaf ausdrucksvolle Gesicht hat einen ganz anderen Gehalt als der Erlanger Josef.
Vielleicht wurde von Dürer dafür eine Modellstudie benutzt, wofür auch die charak-
teristisch durchmodellierte Hand sprechen würde. Wie ihn das Problem einer Zu-
sammenstellung von Kopf und Hand damals beschäftigte, zeigte ja das Erlanger
Selbstbildnis. In die flott und leicht skizzierte Landschaft sind zum Teil Elemente,
*) Abgebildet in der Publ. der Berliner Handzeichnnngen, Berlin, Grote, Heft 2. Vgl. Gazette
des Beaux-Arts 1899, S. 220 ff.
25
26
die auf eigene Beobachtung schließen lassen, aufgenommen, und damit wird
ein im großen und ganzen der Natur nahekommender Eindruck erzielt. Es gibt
reizende Motive, wie die kleine Landungsstelle mit dem Kran im Hintergrunde rechts.
Anderes wie die Felskulisse links mit dem verkrüppelten Baum wirkt schematisch.
Bemerkenswert ist die, um eine Raumtiefe zu schaffen, verkürzt in das Bild hinein-
geführte Baumreihe. Der Vordergrund wird wie gewöhnlich unmittelbar hinter der
Bank durch eine Terrainwelle abgeschlossen. Das ist das übliche System, wie Dürer
bei den frühesten Landschaften verfährt. Er weiß geschickt Traditionelles und Ge-
schautes zu kombinieren. Eine Ansicht aus einem Guß kommt dabei natürlich nicht
zustande.
Die einzige von den in die Wanderschaft zu setzenden Zeichnungen, die ein
Datum trägt, ist die Studie einer nackten Frau in der Sammlung Bonnat, 1493 be-
zeichnet (L. 345), zwar nicht monogrammiert, aber allgemein als Dürer anerkannt.
In der Strichführung zeigt sie denselben Duktus wie das Erlanger Selbstbildnis. Zweifellos
eine Studie nach dem Leben, wie sich aus den Pantoffeln und dem um den Kopf ge-
schlungenen Tuch ergibt. Von dem Augenschein ausgehend, hat Dürer die Frau ganz
en face mit stelzig nebeneinander aufgepflanzten Beinen ohne weiteres naiv abgezeichnet.
In der Zeit der Wanderschaft oder gleich nachher sind ferner, wie ich glaube,
folgende stilistisch zusammenhängende Zeichnungen entstanden: 1. Die schreitende
Frau, die ihren Mantel aufhebt, Slg. Bonnat, L. 346, gewiß auch eine rasche Auf-
zeichnung nach dem Leben; 2. das, wie heute ziemlich allgemein angenommen wird,
falsch 1496 bezeichnete reitende Paar in Berlin, L. 3; 3. das schreitende Paar in der
Hamburger Kunsthalle;1) 4. Die Madonna mit Engeln unter einem Zelt, im Louvre,
L. 300, eine der bedeutendsten und durchgeführtesten der hier zusammengestellten
Zeichnungen; 5. Ritter zu Pferd, London, Brit. Mus., L. 209; 6. Enthauptung eines
nackten Jünglings, Brit. Mus. (Abb. 14).2)
Bei allen diesen Arbeiten macht sich der Schongauersche Einfluß mehr oder
weniger stark bemerkbar; sie tragen dabei ein durchaus Dürersches Gepräge. Eine
Brücke zwischen ihnen und den Baseler Illustrationen wird lediglich durch die
Schongauersche Kunst hergestellt. Gewiß wird Dürer in Basel aber auch nicht vor
der kecken, routinierten Ausdrucksweise des Meisters der Bergmannschen Offizin,
der ja einer der besten deutschen Illustratoren seiner Zeit war, die Augen gänzlich
verschlossen haben.
Wenn von Peartree darauf hingewiesen worden ist, daß Eigentümlichkeiten an den
Kostümen des Hamburger schreitenden Paares sich gerade auch auf Werken dieses Meisters
finden, so läßt sich gegen die Tatsache, daß Dürer Baseler Kostüme angewendet hat, und
diese Zeichnung etwa in Basel entstanden sei, ja gar nichts einwenden. Eine weiter-
gehende stilistische Verwandtschaft zwischen ihr und den Baseler Holzschnittwerken
als eine bei beiden evident sich ergebende Abhängigkeit von Schongauer vermag ich
nicht anzuerkennen. Einen zeichnerisch so geistvoll behandelten Kopf, wie den des
jungen Mannes der Hamburger Zeichnung, der gewiß mit Benutzung von Dürers
eigenen Zügen gegeben ist, dürfte man in den Baseler Werken vergebens suchen. Und
') Publiziert von Peartree im Jahrb. d. königl. preuß. Kunsts., 1904.
2) Durer-Society V, 4. Die von der Durer-Society, III, 3, 4 publizierten Madonnenstudien bei
Mr. Q. Mayer, die mit der Erlanger Zeichnung zusammengehen sollen, kann ich nicht für Dürer halten.
Sie sind auch schon von dem Herausgeber nur mit Vorbehalt abgebildet.
27
dieselbe schwungvolle, echt Dürersche Strichführung zeigt bei aller Unbeholfenheit die
hier abgebildete Londoner Enthauptung.
Gewiß machen gerade die Hamburger Zeichnung, ebenso wie das reitende Paar,
die schreitende Frau bei Bonnat und die Madonnen in Erlangen, in Berlin und im Louvre
deutlich, wie viel Dürer von Gepflogenheiten Schongauerscher Zeichenweise angenommen
hat, und namentlich wenn man dem das frühe Dokument der Bremer Zeichnung
entgegenstellt. Es zeigt sich, wie er auch zunächst eine Konturzeichnung anlegt und
für die Binnenzeichnung die bei Schongauer so beliebten langen Striche, die in Häkchen
oder Punkte auslaufen, verwendet. Dann werden mit dunklen Kreuzschraffierungen
oder locker aneinander gereihten Häkchen die Flächen durchmodelliert. Und man ver-
gleiche die Gewandbehandlung auf einer dieser Zeichnungen, etwa der schreitenden Frau
bei Bonnat, mit der des Basler Hieronymus-Holzschnitts von 1492, man wird finden,
die zeichnerische Behandlung ist im großen und ganzen dieselbe. Eins spricht für
das andere.
Schongauersche Nachwirkungen machen sich noch längere Zeit an Dürers
Werken bemerkbar. Wir wissen auch von Zeichnungen Schongauers, die er besessen
hat, und von denen eine, die er selbst handschriftlich bezeichnet haben soll, in das
British Museum gelangt ist.1) Deutlich zeigen seinen Einfluß die frühen Kupferstiche.
Unter ihnen ist es besonders die Madonna mit der Heuschrecke (B. 44), die ihrer Strich-
führung nach den Zeichnungen der Wanderschaft am nächsten steht und ganz von
Schongauer inspiriert erscheint.-) Auf ihre enge Verwandtschaft mit den Madonnen-
zeichnungen in Erlangen und Berlin ist ja schon öfter hingewiesen worden. Man
fühlt sich bei der (etwas verworrenen) Technik und Einzelheiten (z. B. dem Kopf
Josefs, vgl. Lehrs 31) auch unbestimmt an den Hausbuch-Meister erinnert.
Der Stich ist, wie ich glaube, der früheste, den wir von Dürer besitzen; denn
den ihm zugeschriebenen „Gewalttätigen" (B. 92), der eine primitive Technik aufweist,
vermag ich nicht als eine Arbeit seiner Hand anzuerkennen. Wahrscheinlich ist die
Madonna noch während oder unmittelbar nach der Wanderschaft geschaffen.
Überblickt man die Werke Dürers, die um die Zeit der Wanderschaft entstanden
sein müssen, so tritt einem diese Zeit als eine Periode unsicheren Suchens und Schwankens
entgegen. Es sind Äußerungen eines kindlichen, schmiegsamen Temperamentes, das
sich in der gotischen Formen weit einzuleben sucht, weit entfernt von jugendlichem
Ungestüm und genialischen Ausartungen. Ruhige Beschaulichkeit kennzeichnet diese
Epoche von Dürers Lebensweg. Bedeutend, charakteristisch, lebensvoll ist er da, wo
er sich unmittelbar an die Natur hält wie bei den Bildnissen. In dem lebendigen
Organismus entdeckte sein feines Künstlerauge einen Mikrokosmus, der eine lebendige,
temperamentvolle Wiedergabe erheischte; und die Hand gab sich nicht willenlos an
ein starres Formenschema spätgotisch-fränkischer Stilistik hin. Von dieser machte er
sich der Wirklichkeit gegenüber bis zu einem gewissen Grade los und schuf sich eine
eigene neue Ausdrucksweise, die er zum Teil von der unmittelbaren Anschauung
ableitete. In seihen Phantasieschöpfungen lehnte er sich an Schongauersche Formideale
an. Sie haben etwas Zierhaftes; und die schwellendere Modulation Schongauerscher
x) Vgl. Colvin, Jahrb. d. kgl. preuß. Kunsts., VI S. 69ff.
2) Auch der verstorbene feine Dürer-Kenner, S. R. Köhler: A chronological Catalogue of the
engravings . . . of A. Durer, New York 1897, S. XVI, schreibt von dieser Madonna: she Stands apart
as regards the design, in consequence, no doubt of the influence of Schongauer which is apparent in it.
28
Formensprache trug über die heimische fränkische Art, das Robuste, hastig Gebrochene,
Abrupte den Sieg davon.
Wer in der spätgotischen Stilistik aufwuchs, der fühlte sich an ein Formen-
wesen gebunden, das auf die ganze Art künstlerischer Betätigung eine zwingende
Gewalt ausübte. Wie wurde die Malerei davon in Fesseln geschlagen! So lange der
Künstler in diesem Formbewußtsein aufgeht und in ihm das A und O seiner Kunst-
übung sieht, wird er innerhalb der gesteckten Schranken Raum genug für seine Arbeit
finden. Tritt aber einmal ein neues, anders geartetes, mit dem alten nicht vereinbares
Formideal in den Bereich seiner Phantasie, findet Beachtung und Anklang und regt
wohl auch zum Nachschaffen an, so kann es Momente geben, wo es zu einer Kon-
kurrenz zwischen den beiden Stilprinzipien kommt, wo der alte Formenkram wie ein
Hemmnis empfunden wird, das den Weg zu neuen lockenden Fernen versperrt. In
solchen Fällen unterwirft sich entweder das Neue das Alte gänzlich, oder es bringt
nur frische Elemente zu, und es wird dann die Bindung zu einer neuen Einheit
versucht.
Auch für Dürer brach ein solcher Konflikt zwischen zwei sich widerstreitenden
Formanschauungen an. Daher das Widerspruchsvolle, in sich nicht ganz im Einklang
Stehende, das man manchen seiner Werke gegenüber empfindet. Einige muten wohl
an, als wollte ihr Schöpfer über sein eigenes so robustes Wesen hinausgreifen und
sähe sich gezwungen gegen Widerstände in seinem Inneren anzukämpfen; man
meint etwas wie ein Sichaufbäumen gegen unfaßbare Gewalten zu spüren. Die Qual
eines solchen Ringens scheint dieser und jener Arbeit aufgeprägt. Dürer blieb keine
heitere Seele.
Die neue Formwelt, zu der er schon früh in Beziehung trat, und mit der er
sich dann öfter auseinanderzusetzen hatte, war die italienische Kunst.
II.
Der junge Dürer in seinen Beziehungen zum italienischen Quattrocento
und zur Antike.
n Italien und in Deutschland ist die Entwicklung des geistigen und künstlerischen
Lebens im 15. Jahrhundert eine zu verschiedene gewesen, als daß sich leicht Be-
rührungs- und Anknüpfungspunkte hätten bieten können.
Die Beziehungen zwischen deutscher und italienischer Kunst sind sehr lockere
und kommen für die Entwicklung der deutschen Malerei nach der Mitte des Jahr-
hunderts überhaupt kaum in Frage. Nachdem sich diese von dem trecentistischen
Idealismus losgemacht hatte, lenkte sie in andere Bahnen als die italienische und
wandte sich, wenn sie Anregungen bedürftig war, der ihren eigenen Tendenzen ent-
gegenkommenden, stammverwandten niederländischen Kunst zu. Wie das auch mit der
Nürnbergischen Malerei, deren Geschichte in der vorigen Studie kurz skizziert wurde,
der Fall war.
Das Konstanzer Konzil, auf dem die Elite der italienischen und deutschen
Geistlichkeit und im Gefolge der italienischen, abgesehen von den humanistischen
Klerikern, ein Kreis erlesener weltlicher Humanisten vertreten war, hatte auf geistigem
Gebiet eine tiefer greifende Annäherung zwischen den beiden Ländern nicht zustande
gebracht. Die Italiener lernten allerdings das Land, auf das sie mit Hochmut herab-
zublicken gewohnt waren, aus eigener Anschauung besser kennen und wußten ihm
manche gute Seite abzugewinnen auch über die Erfolge hinaus, die ihnen bei Be-
friedigung ihrer Leidenschaft im Sammeln von Codices klassischer Autoren in den
zum Teil noch wenig durchstöberten deutschen Bibliotheken zuteil wurden. Aber es
blieb für sie doch immer Barbarenland.
Der italienische Humanismus, dessen Gelehrsamkeit sich dem Studium des
klassischen Altertums zuwandte, setzte vor allem die intellektuellen Kräfte des Menschen
in Tätigkeit. Neben einer scharfen Dialektik verlangte er von seinen Jüngern eine
formalistische Rhetorik, die an den besten klassischen Mustern, dem Ciceronianischen
Latein gebildet wurde. Die Kritik wurde eine seiner Hauptaufgaben, ja zum Teil wohl
ein gewisser Sport, und sie wagte sich zuweilen sogar an die literarischen Heroen
und Vorläufer des Humanismus, indem sie das von diesen Geschaffene mehr von
einer formal-klassizistischen Seite beurteilte und darüber gedankliche Vorzüge und
30
die rein künstlerischen Werte übersah. Aber das waren Strömungen, die auf der Ober-
fläche blieben.
Der Humanismus bestand nur für gewisse Kreise. Er war exklusiv. Mit dem
Volke hatte und suchte er keine Fühlung.
Das Volk sog seine geistige Nahrung aus anderen Quellen. In seinem Leben
spielte die Religion und alles, was damit zusammenhängt an Legenden, Wunder-
geschichten, Hymnen und Erbauungsbüchern eine ganz andere Rolle als in dem der
mehr oder weniger heidnisch gesinnten Humanisten. Die großen trecentistischen
Dichter, die Schöpfer und Pfleger des Volgare, hatten hier einen fruchtbaren Boden
und blieben volkstümlich. Seine Unterhaltung bestritt man zum großen Teil auch
noch mit den alten romantischen Sagen, den Ritter- und Minnegeschichten, die
nach wie vor die cantastorie, die Bänkelsänger, auf öffentlichen Plätzen vortrugen.
Dazu kamen neuere Novellen, Balladen und Romanzen von mehr oder weniger
romantischem Aufputz.
Auch das klassische Altertum lebte in der romantischen Vermummung, die
ihm das Mittelalter gegeben hatte, im Volke weiter.
Aber nicht aus den unteren Schichten des Volkes allein tönen uns diese
mittelalterlich-romantischen Nachklänge entgegen. Für die ganze Renaissancekultur ist
die Verschmelzung romantischer und humanistischer Elemente bezeichnend.1) In besonders
lebhaften Farben tritt uns das an einzelnen italienischen Fürstensitzen vor Augen. Wer
sich etwa in das Studium der Kultur des Estensischen Hofes in Ferrara vertieft, der
wird überrascht sein von der Fülle romantischer Züge und romantischer Neigungen.-)
Und das ist das Bemerkenswerte, daß sich in solchen Liebhaberereien und Gesinnungen
die höchst Stehenden und die niedrigsten Kreise stellenweise berührten. Es gibt ja
heute ebenfalls noch gewisse gleichsam elementare Erzeugnisse, die für Hoch und
Niedrig bei sonst gänzlich entgegengesetzten Interessensphären eine Basis für gemein-
same Anschauung, Genuß und Verständigung bieten, etwa Märchen oder Volkslied;
das, was abseits der Bildung liegt. Auch gewisse Hervorbringungen der bildenden
Künste.3)
Der Humanismus als wesentlich intellektuelle Kulturerscheinung darf gewiß
nicht für sich allein die Ehre in Anspruch nehmen, in Italien die Entstehung einer
künstlerischen Renaissance herbeigeführt zuhaben. Mag man bei dieser nun den
Ton auf die neue Versenkung in die Natur oder auf den Anschluß an die Antike
legen. Das Wesen der italienischen Renaissance, wenn man sie als Stilbegriff faßt,
liegt ja gewiß in der Verbindung der beiden Faktoren.
Die bildende Kunst schöpft ihre Kräfte aus anderen als geistigen Quellen.
Sie liegen auf einem anderen Gebiet als das Humanistische. Ihr Reich ist die An-
schauung, das Sichtbare.
Wo keine intensive bildmäßige Anschauung vorhanden ist, da kommt keine
künstlerische Blüte zustande. Ein Zeitalter wie das Goethes mit all seinen lebhaften
Kunstinteressen hat Deutschland keine starke bildende Kunst zu bringen vermocht.
') Vgl. Weisbach, Francesco Pesellino und die Romantik der Renaissance, Berlin, Bruno
Cassirer, 1902, Kap. 2.
') Vgl. besonders Giulio Bertoni, La Biblioteca Estense e la Coltura Fcrrarese, Turin 1903.
3) Diese allerdings heute in weit geringerem Maße.
31
Humanist und Künstler ist in Italien nur selten identisch, wie etwa in der
Person des Leon Battista Alberti. Und dessen künstlerische Betätigung ist augen-
scheinlich durch ein Überwiegen des Intellektes beeinträchtigt gewesen.
Wohl war den bahnbrechenden Künstlern der Frührenaissance zum Teil ein
auf wissenschaftliche Exaktheit hinzielender Forschungstrieb eigen, wodurch sich
ihnen eine wirklichkeitstreue, auf Gesetze begründete Darstellungsweise erschließen
sollte. Aber das Forschen, das in erster Linie ein praktisch-wissenschaftliches war,
blieb doch nur ein Mittel zum Zweck, und eins unter vielen Mitteln zur Erreichung
bestimmter rein künstlerischer Ziele.
Die Phantasie der Künstler, die im wesentlichen aus den Kreisen des niederen
Volkes, zum Teil der Handwerker, hervorgingen, war mit dem gesättigt, was im Volke
lebendig war.
Ihr Verhältnis zur Antike wurde mit dadurch bestimmt.
Als sie zuerst das Bedürfnis fühlten mit dem klassischen Altertum in Be-
rührung zu treten, da konnte ihnen die Gelehrsamkeit der Humanisten nur wenig
helfen. Das wurde von ihrer Seite zunächst praktisch angegriffen. Und es ist etwas
gänzlich anderes, ob man antike Gebäudeteile nachmißt und zeichnet, Gewölbe-
konstruktionen studiert und Ornamente kopiert oder mit Plinius auf vertrautem
Fuße steht. Die Künstler haben sich ihre Renaissance selbständig geschaffen, und
das wäre vielleicht anch ohne literarischen Humanismus gekommen; wie sich schon
in der sogenannten Protorenaissance des elften und zwölften Jahrhunderts allein aus
künstlerischen Bedürfnissen heraus ein engerer Anschluß an das klassische Altertum
auf dem Gebiete der Architektur und Plastik vollzogen hatte. Die bildende Kunst
des Quattrocento war von sich aus vorbereitet für eine Wiedererweckung des Alter-
tums. Was bedeutete es daneben, daß der Humanismus etwa die Rolle eines Weg-
weisers zur Antike für die Künste spielte. Das kommt dabei kaum in Betracht.
Ein Jahrhundert ungefähr hatte er schon gewirkt, bis ein Moment kam, wo die
Kunst das Altertum brauchte. Und das, was diese der Antike entnahm, bezog sich
zunächst nur auf Einzelheiten, die auf dem Gebiete des Ornamentalen und Archi-
tektonischen im weitesten Sinne eine Rolle spielten. Das Wesentliche für Malerei
und Plastik wurde jener in der christlichen Kunst noch nicht dagewesene Sinn für
Natur und Wirklichkeit, woraus alle neuen Kräfte geschöpft wurden. Das Figürliche
der Antike bildete anfangs in erster Linie nur den Maßstab für die Beurteilung der
Natürlichkeit; sie galt als Wertmesser. Aber sie wurde nicht unselbständig nach-
geahmt, ja in ihren künstlerischen Tendenzen noch nicht einmal ganz verstanden.
Deshalb wurde der Charakter der Kunst auch kein humanistisch-klassizistischer.
Und wie verhielt sich die Malerei dieser Epoche, wenn sie antike Stoffe zu
behandeln hatte, Episoden aus der Sage und der Geschichte jener Völker, deren
Kunst und Kultur ihr als leuchtende Sonne vorschwebte, Szenen, die viel verlangt
und begehrt wurden? Die Humanisten vermochten sie wohl dazu anzuregen, was sie
darstellen sollte, aber wie sie es machen sollte, das mußte ihr überlassen bleiben.
Da bemerken wir nun, daß zunächst die antiken Sagen oder Szenen aus der alten Ge-
schichte zum Teil ganz im höfisch -romantischen Sinne dargestellt werden.1) Sie
l) Dies und das Folgende bezieht sich vornehmlich auf die Malereien der Cassoni und Hand-
schriften, wo man die Entwicklung besonders deutlich verfolgen kann.
32
wurden wie abenteuerliche Begebenheiten aufgefaßt und etwa auf die gleiche Stufe gestellt
wie die Novellen, die Rittergeschichten und die alten bretonischen Sagen. Höfischen
Prunk und Pomp breitete man über solche sagenhaften Szenen aus und bediente sich
der neuen Errungenschaften der Kunst, um dem möglichst greifbare Wirklichkeit zu
verleihen. Auch wo die Darstellung scheinbar nur wie ein Vorgang aus dem Leben
der Zeit in moderner Kostümierung auftritt, spielt oft eine poetische Romantisierung
mit hinein. Von einer Wiedergabe in antikem Sinn oder nach antiken Mustern ist
anfangs nicht die Rede. Mit dem Fortschreiten des Quattrocento steigerte sich dann
das Eindringen antiker Elemente. Hatte man zuerst bei Wiedergabe von antiken Sagen
und Geschichten hauptsächlich für das Abenteuerliche, Märchenhafte der Vorgänge
Sinn gehabt ohne besondere Berücksichtigung von spezifisch antikem Beiwerk, so
suchte man nach der Mitte des Jahrhunderts solche Szenen „antikischer" auszugestalten.
Man bemühte sich ein ideales antikes Lokalkolorit zu schaffen — so wie man es
verstand. Antike Triumphbögen oder Tempel ahmte man, zum Teil allerdings in recht
phantastischer Weise, nach. Ruinen, die sich aus Trümmern von Triumphbögen, antiken
Kapitalen und Säulen zusammensetzten, waren als Szenerie beliebt. Die Ruinen-
sentimentalität, von der Jacob Burckhardt gesprochen hat, kommt auf. Im Figürlichen
lehnte man sich nur in seltenen Fällen an die Antike an, und dann, wie schon an-
gedeutet wurde, ohne eigentliches Durchdringen ihres künstlerischen Organismus.
Aber das Nackte wurde in die Herrschaft eingesetzt, die es im Altertum gehabt hatte.
Mit dem formalen Ideal der klassischen Kunst vermochte man im Quattrocento
auch den antiken Stoffen gegenüber ebensowenig wie sonst etwas anzufangen. Die
Künstler, und besonders die Maler hatten ja überhaupt noch keine klare Vorstellung
von der Antike. Sie erschien vielmehr als ein Ziel der Sehnsucht, verklärt in einer
schönen Ferne, von einem romantischen Schimmer umkleidet. Und was man nicht
klar sah, dem suchte man durch eine aus den verschiedensten Quellen schöpfende
Phantastik beizukommen. Dabei wirkte zum Teil eine gesteigerte subjektive Senti-
mentalität und elegische Stimmung mit, wie das bei Werken Botticellis oder dem
Berliner Panbilde Signorellis,1) hier und da auch bei Mantegna zum Ausdruck kommt.
Eine Romantisierung des Altertums tritt zutage.2) In welcher Weise sich das auch in
der Literatur bemerkbar macht, kann hier nicht berührt werden. Man nimmt allgemein
eine Richtung wahr, die man als klassische Romantik bezeichnen darf.
In Deutschland bringt das 15. Jahrhundert einen rapiden Verfall der gesamten
höfisch -romantischen Kultur. Nicht wie in Italien blühten Bestandteile dieser Kultur
lebenskräftig weiter und amalgamierten sich einer neuen Zeit. Der Geschmack ver-
änderte sich durch das Aufkommen und Hervortreten anderer Kreise zu sehr, als daß
man noch an der höfischen Literatur der mittelalterlichen Sagen, der Ritter- und
Minnedichtungen in den alten Einkleidungen Gefallen fand. Der Adel, das Rittertum
entfremdete sich der feineren Kultur und saß raub- und rauflustig auf seinen Burgen.
Die neue Kultur hatte die Städte als Zentrum und wurde eine ausgesprochen bürger-
liche. Es soll nicht etwa behauptet werden, daß alle Elemente mittelalterlich -roman-
') Vgl. darüber besonders Robert Vischers Signorelli. S. 131, 138, 241.
'-) Anton Springer, Dürer S. 107, bemerkte einmal [gewiß etwas einseitig): „Die Romantik der
italienischen Renaissance geht auf die Antike zurück." — Die Romantik der Renaissance besteht aus
antikisierenden und mittelalterlichen und modernen Elementen. Hier müssen diese kurzen Andeutungen
genügen. An anderer Stelle gedenke ich die Frage ausführlicher zu behandeln.
33
tischer Kultur plötzlich verschwunden wären. Ein Fortleben läßt sich in der Literatur
wie in der bildenden Kunst verfolgen, aber nur spärlich und bei weitem nicht in dem
Maße und Umfange wie in Italien, und mannigfachen durchgreifenden Modifikationen
ausgesetzt. In Niederdeutschland und in den Gegenden am Rhein bis zu seinem
Oberlauf erhalten sie sich intensiver als etwa in Franken.
Maßgebend für den Geschmack in Deutschland im 15. Jahrhundert ist das
bürgerlich-städtische Element. Es war dem Poetisch-Phantastischen abgeneigt und be-
kannte sich zu einem ziemlich platten Rationalismus. In der populären Literatur fanden
die groben, unflätigen Schwänke und Fastnachtspiele, Sprüche, Sinngedichte die
weiteste Verbreitung. Eine Handwerkerpoesie bildete sich heraus. Und wo etwa alte
höfisch -ritterliche Stoffe neu bearbeitet wurden, wie das in der Erzählungsliteratur
zumeist der Fall war, da wurden sie verroht und verkümmert, in eine niedrige bürger-
liche, ja spießbürgerliche Sphäre hinabgezogen.
Als neues Element kam in die deutsche Kultur des 15. Jahrhunderts der
Humanismus von Italien herüber. Er wurde eingesogen und importiert von Deutschen,
die in Italien ihre Studien absolvierten.
In Dürers Heimatstadt Nürnberg drang er erst verhältnismäßig spät ein; weit
später als etwa in Augsburg, wo schon in den fünfziger Jahren ein humanistischer
Kreis bestand, die Stadtverwaltung dem Humanismus zugänglich war, und ihr Bürger-
meister Sigismund Gossenbrot an der Spitze dieser Bestrebungen stand, und wo sich
auch der bischöfliche Hof dem Humanismus zuneigte. In Nürnberg, das, im Gegensatz
zu Augsburg mit seiner demokratisch -zünftischen Verfassung, eine patrizische Ver-
waltung der alten Geschlechter hatte, von der die Zünfte nahezu ausgeschlossen
waren, bestand ein heftiger Widerwille gegen die modernen humanistischen Be-
strebungen. Das ging so weit, daß ein Gesetz bestand, welches jeden, der den
Doktorhut erlangt hatte, vom Rat ausschloß. Der sächsische Humanist Schneevogel
(Niavis) konnte von Nürnberg als der Stadt der Krämer, die die Studien verachten,
sprechen.1) Wie wenig festen Fuß in den siebziger und achtziger Jahren der Huma-
nismus faßte, geht auch daraus hervor, daß innerhalb dieser Zeit aus den Nürnberger
Druckeroffizinen im ganzen nur zwei moderne humanistische Werke hervorgingen.-)
Erst am Ende der achtziger Jahre bildete sich allen Widerständen zum Trotz
ein eigentlicher humanistischer Kreis heraus, zu dem Männer wie Hans und Sixtus
Tucher, Sebald Schreyer, Hartmann Schedel gehörten. Der Klerus war im allgemeinen
in Nürnberg dem Humanismus abgeneigt. Aber der Lesemeister bei den Minoriten
und Prediger am Frauenkloster der hl. Klara, Stephan Fridolin aus dem Städtchen
Winnenden in Schwaben, hatte humanistische Anwandlungen. Er schenkte im
Jahre 1486 dem Nürnberger Rat — wohl durch Vermittlung Hans Tuchers — eine
Sammlung antiker Münzen, die er von einem Mainzer Geistlichen bekommen hatte,
und die dann in der Stadtbibliothek in einem Kasten aufgehängt wurde. Tucher ließ
diese Münzen durch den alten Dürer vergolden und versilbern, und damals mag der
junge Albrecht den ersten Eindruck vom klassischen Altertum empfangen haben.
Die eigentliche Weihe für den Humanismus erhielt die Stadt Nürnberg durch
ihre Beziehungen zu Conrad Celtes, der lange und gern in ihren Mauern weilte und
Max Herrmann, Die Rezeption des Humanismus in Nürnberg', S. 58.
-) Herrmann a. a. O. S. 47. Auch für das Folgende.
3
34
auch auf der Nürnberger Burg aus der Hand Kaiser Friedrichs III. den Dichterlorbeer
empfing, den ersten, der an einen Deutschen verliehen wurde. Nach der Rückkehr
Wilibald Pirckheimers aus Italien von der Universität im Jahre 1495, des engsten
Freundes Albrecht Dürers, hatte die Stadt dann einen Patrizier, der ein begeisterter
Humanist und bedeutender Mensch war und, da er wohlweislich auf die Erlangung
des Doktorhuts verzichtet hatte, die Interessen des Humanismus auch in der Verwaltung
als Ratsherr zu vertreten vermochte.
War durch den Humanismus Italien und das klassische Altertum auch in den
Gesichtskreis der Gelehrten gerückt, so hatte das auf die bildende Kunst zunächst
gar keinen rückwirkenden Einfluß. Ihre Beziehungen zu der modernen italienischen
Kunst waren geringfügig und beschränkten sich im ganzen darauf, daß sie italienische
Vorbilder, die aus irgend einem Grunde stoffliches Interesse hatten, mehr oder weniger
sklavisch kopierte und zwar in durchaus roher und handwerklicher Weise, ohne das
geringste Gefühl für den ganz anders gearteten südlichen Formenrhythmus.
Solcher Kopieen sind bis jetzt sehr wenige nachgewiesen worden, und es
werden wohl kaum viele existiert haben.1) Von der Art der deutschen Vergröbe-
rung in einem durchschnittlichen Fall gibt ein anschauliches Beispiel die Gegenüber-
stellung von Abbildungen des italienischen Stiches der Muse Clio aus dem bekannten
Tarockspiel und eines danach kopierten Wolgemutschen Holzschnittes im Jahrbuch
der kgl. preuß. Kunstsammlungen XVI, S. 237. Auch unter den Illustrationen Wol-
gemuts in der Schedeischen Chronik findet sich eine Kopie nach einem italienischen
Kunstwerk: das Bildnis Johannes VII. Palaeologus fol. CCLVI nach der Medaille Vittore
Pisanos. Es lag ganz außerhalb des Bereichs eines deutschen Meisters, eine italienische
Arbeit in ihrem Stil nur der Hauptsache nach zu treffen. Dergleichen wurde auch gar
nicht prätendiert. Es handelt sich nur um grobe stoffliche Interessen; und man war
es zufrieden, wenn diese einigermaßen befriedigt wurden.
Zu der Antike hatte die deutsche Kunst des 15. Jahrhunderts natürlich ebenso
wenig ein Verhältnis wie zu der neuen italienischen Kunst.
Im Mittelalter wurden antike Stoffe auch in Deutschland romantisiert; und die
Malerei, wenn sie sie illustrierte, gab ihnen ein ritterlich -höfisches Milieu. Das ist im
15. Jahrhundert nahezu vorbei. Zu den wenigen Beispielen, wo uns eine mytholo-
gische Szene in höfisch-romantischer Aufmachung begegnet, gehört das Parisurteil in
dem Stich des Meisters mit den Bandrollen (P. II, 24, 44) und des Meisters des hl.
Erasmus (P. II, 23, 43); und hier ist eine Anlehnung an ein italienisches Original sehr
wahrscheinlich gemacht.-) Mit welcher bäurischen Roheit ist dabei zu Werke ge-
gangen! Das künstlerische Niveau ist das denkbar niedrigste. Man kann kaum noch
von Kunst, nur von handwerklicher Routine der Bildfabrikation sprechen. Erstarrte
Schemen werden von dem Bilddrucker als Menschen hingestellt.
Von den Illustratoren werden im allgemeinen antike Stoffe, wenn sie ihnen
vorkamen, in dieselbe bürgerliche Sphäre gerückt wie alle anderen Vorgänge. Von
einem antiken Kostüm ist natürlich nirgends im entfernten die Rede. Alles wird mit
einer trockenen Nüchternheit vorgetragen, aus einer spießbürgerlichen Atmosphäre
heraus. Man glaubt sich überall in den Kreisen zu bewegen, denen diese Illustratoren,
Kupferstecher, Maler, Karten- und Heiligendrucker selbst angehören.
1) Vgl. Lehrs, Archivio stor. dell'Arte 1893, S. 102 ff.
2) Lehrs a. a. O. S. 104.
35
So werden die Komödien des Terenz oder die Fabeln des Aesop ganz ins
Kleinbürgerliche gerückt. Oder man sehe, wie der Augsburger Illustrator der Historie
von Troja des Guido de Columna mit seinem Stoff umspringt: Paris ein guter deutscher
Landbauer, Achilles ein besserer Städter in kurzem Rock und Schnabelschuhen.1) Was
ist alles aus den antiken Heroinen in Boccacios Liber de claris mulieribus gemacht
worden! Wie wird in des gelehrten Hartmann Schedel 1493 erschienener Weltchronik
noch eine Szene wie die Begegnung von Odysseus und Circe illustriert: Odysseus
als braver Alter mit Talar und Kappe wie ein Doktor in seinem Schiffe sitzend, Circe
als modisch gekleidete Dame am Lande paradierend.
Da ist nirgends ein Hauch von Phantasie zu verspüren. Keine romantische
Ausdeutung des Stoffes. Und eine humanistische Auffassung macht sich an keiner
Stelle bemerkbar.
Der Humanismus hat auf die Entstehung einer künstlerischen Renaissance
keinen Einfluß geübt. Er hat weder das Verhältnis der Kunst antiken Stoffen gegen-
über geändert, noch das formale Niveau im Sinne einer Renaissance zu heben ge-
sucht. Man wird das getrost behaupten dürfen, wenn man sieht, daß ein Hartmann
Schedel bei den unter seinen Augen hergestellten Illustrationen zu seiner Weltchronik
eine Darstellung wie die von Odysseus und Circe gutheißen konnte. Und ebenso
wenig lassen sich irgendwo anders in der Buchillustration oder auf anderen Gebieten
humanistisch-künstlerische Einflüsse nachweisen, weder da, wo Sebastian Brant, noch
da, wo Conrad Celtes die Hand im Spiele hatte. Man halte nicht die Erschließung
des literarisch-humanistischen Stoffgebietes entgegen. Das hat an sich, wie wir sahen,
für die bildende Kunst als solche in Deutschland ebensowenig zu bedeuten wie in
Italien. Wir hören ja wohl, daß sich der Nürnberger Humanist Sebald Schreyer seine
Zimmer mit Darstellungen von Amphion, Orpheus, Apollo, den sieben Weisen und
den neun Musen schmücken und Celtessche Verse darunter setzen ließ.-) Aber was
will das heißen! Wenn die Musen in echt Nürnbergischer Wolgemutscher Manier
künstlerisch versinnbildlicht waren, so hätte man sie gewiß ebenso gut für Nürn-
berger Dienstmägde ansehen können, falls man nicht durch Schrift oder Wort eines
Besseren belehrt wäre. Und der biedere Nürnberger Humanist hätte sich wohl
auch damit begnügt, zufrieden, seine geliebten Musen schwarz auf weiß zu sehen, in
welcher Gestalt auch immer. Eine andersgeartete künstlerische Kultur als die
ortsübliche darf man bei den Humanisten nicht voraussetzen, auch wenn sie in Italien
gewesen sein mögen. Ein bloßer Aufenthalt in Italien ist noch nicht imstande eine
solche hervorzurufen. Dazu bedarf es einer besonderen Veranlagung, einer formalen
Phantasie. Und daß irgend einer von ihnen eine neue Formanschauung aus dem
Süden mitgebracht und nach der Richtung daheim gewirkt habe, dafür haben wir keine
Beweise.
Die deutsche Kunst verdankt ihre Renaissance allein den Künstlern. Aus
formalen Bedürfnissen heraus ist sie erwachsen, ähnlich wie hundert Jahre früher in
Italien. Unter deutscher Renaissance aber ist hier die Stilperiode verstanden, bei der
zu der neuen realistischen Kunst des 15. Jahrhunderts eine Rezeption der italienischen
und damit indirekt der Kunst des Altertums hinzutritt. Durch die Verschmelzung
dieser beiden Elemente entsteht ein neuer Stil.
Abbild, bei Muther, Deutsche Blichillustration, Taf. 4 — 5.
*) B. Hartmann, Conrad Celtes in Nürnberg. Nürnberg 1889, S. 25.
3*
36
Einen entscheidenden Schritt für die Anbahnung neuer Beziehungen zwischen
der germanischen und romanischen Kunst und demnach für das Aufkommen der
Renaissance hat ein Künstler getan: Albrecht Dürer. Ob der Humanismus dabei
eine vermittelnde Rolle spielte, ist für das Künstlerische nebensächlich. Hartmann
Schedel mag dem jungen Dürer ebensogut seine italienischen Kunstblätter gezeigt
haben wie Michael Wolgemut oder einem anderen Landsmann. Aber der eine und
einzige reagierte darauf künstlerisch, für die anderen waren sie höchstens Kuriosa.
Wir besitzen aus dem Jahre 1494 eine Zeichnung von Dürer, die Kopie nach dem
italienischen Stich: „Der Tod des Orpheus" (Hamburg, L. 159), die ein italienisches
Original in einer Weise reproduziert, wie es vorher noch nie geschehen war. Dürer
hat die ziemlich minderwertige Vorlage bis auf die Landschaft und die Laute, die er
in eine Harfe verwandelt hat, stofflich ganz getreu kopiert, nur mit sehr bezeichnenden
Veränderungen in der Formgebung. In seiner Zeichnung tritt deutlich das Bestreben
hervor sich über jedes Motiv klar zu werden, die einzelnen Körperfunktionen der
Figuren künstlerisch besser zu fundieren als es bei dem italienischen Stich der Fall
ist. Das macht sich besonders bei dem Orpheus selbst bemerkbar, dessen schwäch-
liche Stellung einer realistischeren Wirkung zu Liebe umgebildet ist, indem er das
linke Bein stärker anzieht, so daß durch das Aufstemmen des Kniees der Körper mehr
Halt bekommt. Auch sonst hat er noch Einzelheiten, wie leicht zu sehen ist, umgearbeitet
und die Landschaft gänzlich neu gestaltet. Auf Reproduzierung einer italienischen
Landschaftsdarstellung hat er sich niemals eingelassen. Er scheint sich davon ganz
bewußt fern gehalten zu haben. Die Wiedergabe der weiblichen Gestalten, deren
Kostüm bis ins kleinste getreu nachgeahmt ist, läßt den Wunsch des Künstlers heraus-
fühlen den Schwung und die Leichtigkeit der Bewegungen zu treffen, das Schwebende
und Schwellende in der Haltung der Körper und dem Fluß der Gewänder, kurz den
Rhythmus der Formensprache sich zu eigen zu machen. Dabei hat er im einzelnen
alles in seine Zeichenweise umstilisiert, wie sich am besten an der Art der Falten-
drapierungen erkennen läßt.
Hier tritt ein Künstler seinem Vorbild souverän gegenüber. Gewiß hatte ihn
zunächst wohl das Stoffliche gelockt. Aber Hand in Hand damit geht wie bei jedem
echten Künstler das Formale. Auch in dieses sucht er sich hineinzuleben. Es entsteht
ein neues Kunstwerk, das das Gepräge seines Stils trägt.
Die Orpheus-Zeichnung ist nur ein Stück aus einer Reihe von Zeugnissen,
die für Beziehungen Dürers zu Italien und seiner Kunst vorhanden sind. Diese
Zeugnisse sind derart und weisen in eine Richtung, daß man dazu kam, eine Reise
nach dem Süden im Laufe der neunziger Jahre anzunehmen. Eine solche vor der
Reise nach Venedig in den Jahren 1505 bis 1507 ist bis in die letzte Zeit von einem
Teil der Dürerforscher stark behauptet, von einem anderen ebenso intensiv geleugnet
worden. Mir scheint die erste italienische Reise, bewiesen durch eine unlösliche
Kette von künstlerischen und literarischen Zeugnissen, zu einer Tatsache erhoben,
mit der zu rechnen ist.
Die literarischen Zeugnisse seien zunächst kurz in Erinnerung gerufen: Einmal
die bekannte Stelle in Scheurls libellus de laudibus Germaniae, wo dieser, als er die
venezianische Reise vom Anfang des 16. Jahrhunderts erwähnt, schreibt: cum nuper
in Italiam rediisset; eine Wendung, aus der eine Anspielung auf eine vorhergehende
37
Reise herausgelesen worden ist, was Ephrussi und Daniel Burckhardt1) nicht gerade
glücklich zurückzuweisen versucht haben. Dann der bis zum Überdruß kommentierte
Passus in Dürers venezianischem Brief an Pirckheimer vom 7. Februar 1506: „Und
das Ding, das mir vor eilf Johren so wol hat gefallen, das gefällt mir itz nüt mehr"
— gedeutet als etwas, was er vor elf Jahren in Italien gesehen hat. Diese Bemerkung
ist auch für Vermutungen über das viel umstrittene Verhältnis Dürers zu dem Venezianer
Jacopo de' Barbari ausgenutzt worden, worauf später noch zurückzukommen sein wird.
Als Beweisgründe, daß Dürer in den neunziger Jahren in Venedig gewesen
sei, sind dann zwei Zeichnungen hingestellt worden. Zu der reich kostümierten Frau,
die später in der Apokalypse als babylonische Dirne Verwendung fand, auf einem
1495 datierten Blatt der Albertina hat offenbar eine Venezianerin Modell . gestanden.
Und auf der undatierten, aber zweifellos in den neunziger Jahren entstandenen Zeichnung
zweier Frauen im Städelschen Institut, von denen die eine eine Nürnberger Bürgerin
darstellt, erinnert das Kostüm der anderen lebhaft an die damalige Tracht vornehmer
Venezianerinnen. 2) Die Tiroler Landschaftsstudien, von denen im folgenden Abschnitt
ausführlicher die Rede sein wird, können auch als Beweis für einen frühen Zug
über die Alpen dienen.
Bezieht man jenen Passus in dem Pirckheimer-Brief auf einen früher in Italien
empfangenen Eindruck, die einzige, wie mir scheint, ungesuchte Auslegung, und nimmt
man die Datumangabe dafür wörtlich, so würde man für eine erste italienische Reise
auf das Jahr 1495 kommen. Und will man die nach italienischen Vorlagen herge-
stellten, 1494 datierten Zeichnungen, den Orpheus und andere, auf die ich gleich zu
sprechen kommen werde, auch im Süden entstanden denken (was ja an sich durchaus
nicht notwendig ist), so hätte man sich vorzustellen, daß Dürer etwa im Herbst 1494
über die Alpen gezogen und im Laufe des Jahres 1495 zurückgekehrt wäre. Die
Thausingsche Annahme, daß die erste italienische Reise am Ende der Wanderschaft
vor der Verheiratung stattgefunden habe, ist von denen, die für diese Reise eintreten,
zugunsten des neuen Termins ziemlich allgemein aufgegeben worden.
Wenn diesem Zeitpunkt gegenüber geltend gemacht wird, Dürer könne nicht
sobald nach seiner Verheiratung, die am 7. Juli 1494 stattfand, seine junge Frau ver-
lassen haben, so ist eine solche Auffassung bei den damaligen Verhältnissen in
Deutschland wohl etwas zu sentimental. Die Eheschließung war nicht zum geringsten
ein Geschäft, für das ein günstiger Moment und die günstigsten Bedingungen
hauptsächlich maßgebend waren. Sie spielte, abgesehen von allem anderen, eine
wichtige Rolle für die Schaffung einer bürgerlichen und handwerklichen Existenz.
Besonders kam das auch bei der Bewerbung um den Meisterbrief in Frage. Wir
hören z. B., daß im Jahre 1478 in Nürnberg ein Goldschmied abgelehnt wurde,
„unbeweibt Meister zu werden". ') Aus Dürers eigenen Worten in der Familienchronik
tritt dieser geschäftliche Charakter der Eheschließung deutlich genug hervor, wenn
er schreibt: „Und als ich wieder anheims kommen was, handelt Hanns Frei mit
meinem Vater und gab mir seine Tochter mit Namen Jungfrau Agnes, und gab mir
zu ihr 200 fl.«
*) A. Dürers Aufenthalt in Basel S. 36.
a) Vgl. G. v. Terey, Dürers Aufenthalt in Venedig.
3) Hampe, Nürnberger Ratsverlässe S. 21.
38
Bedenken, die sich aus einer vor kurzem herangezogenen urkundlichen Notiz
gegen eine italienische Reise in den Jahren 1494 — 95 ergeben sollen, scheinen mir
gleichfalls hinfällig zu sein. Aus einer Zahlung, die unter dem Datum 1494 95
von seiten des Kurfürsten Friedrich des Weisen an einen „Albrecht maier von der
ussladung tzu malen" geleistet wird, schließt Robert Bruck,1) daß Dürer zu dieser Zeit
für den Kurfürsten tätig gewesen sein müsse, und wendet sich daraufhin gegen jede
Möglichkeit einer ersten italienischen Reise. Aber zunächst und vor allem wäre doch
der Nachweis zu erbringen, daß der genannte Albrecht wirklich Albrecht Dürer ist. -
Außer dem Orpheus fallen in das Jahr 1494 noch zwei andere Kopieen
italienischer Stiche: die Zeichnungen nach Mantegna. Sie illustrieren ebenso wie der
Orpheus, wie sich Dürers Art des Kopierens transalpiner Vorbilder wesentlich von
der seiner Zeitgenossen unterscheidet, wie ihn nicht nur wie sie ein rohes stoffliches
Interesse dazu bewog, dem es lediglich um den gröbsten inhaltlichen Kern zu tun
war. Er verfolgt damit künstlerische Ziele. Stoffliches und bildnerisches Interesse
gehen Hand in Hand.
Von den Stoffen üben eine besondere Anziehungskraft auf ihn die Mytho-
logieen, wie sie in der italienischen Malerei der zweiten Hälfte des Quattrocento stark
verbreitet waren, und zwar in der spezifischen, teilweise merkwürdigen Auffassung
dieser Zeit, von der schon die Rede war. Das Phantastische, Romantische im Kostüm
und in der ganzen Stimmung scheint ihn daran nicht wenig gelockt zu haben.
Daneben vermittelten ihm die italienischen Darstellungen ganz neue Offenbarungen
rein künstlerischer Natur. Und er benutzte sie für Studien auf dem Gebiete des
Figürlichen zur Bereicherung seiner Kenntnis des Nackten und der Gewanddrapierung.
Auch mit der Antike oder wenigstens dem, was man für antik hielt, trat er dadurch
in Beziehung. Solche Zeichnungskopieen dienten ihm dann später gleichsam als
Repertorium für Motive, die er hie und da übernahm, wenn er sich selbständig an
ähnliche Stoffe wagte.
Die beiden Stiche Mantegnas, die er kopierte, das Bacchanal mit dem Silen
und den Kampf der Seekentauren-), hat er nahezu Strich für Strich nachgezeichnet.
Aber es wirkt nicht wie eine sklavische Imitation. Jedes Motiv hat er verstanden, nach-
empfunden und in freier Weise nachgeschaffen. Der Eindruck der deutschen Zeichnungen
ist denn auch gänzlich verschieden von dem der italienischen Stiche. Man fühlt es
den Zeichnungen an, daß es ein großer, selbständiger Künstler ist, der hier kopiert hat.
Auch kleine Veränderungen und Zusätze hat er sich erlaubt. Auf dem Bacchanal hat
er zwischen den beiden Figuren zuäußerst rechts einen Rebstock hinzugefügt, der auf
dem Original fehlt; jedenfalls in dem Gefühl, daß er ihn brauchte, um für seine Kompo-
sition ein ihm zusagendes Gleichgewicht herzustellen. Ein horror vacui ist der da-
maligen deutschen Kunst eigentümlich. Das Pflanzliche erscheint unter Dürers Händen
umstilisiert. Das Rebengewinde des Bacchanals wirkt voller, üppiger und krauser in
seinem Durcheinander als bei Mantegna. Die Blätter sind wulstiger, gleichsam auf-
gebläht in jener für die Spätgotik bezeichnenden Stilisierung, in der Dürer so ganz und
gar befangen ist.
') Die Kunst unter Friedrich dem Weisen S. 145.
-) Von Richard Förster, Jahrb. der königl. preuß. Kunstsamnil., XXIII, S. 206, als Neid bei den
Ichthyophagen gedeutet.
39
Es ist bemerkenswert, daß er sich so wild bewegte, dramatische Szenen zum
Kopieren aussuchte, nachdem er noch eben im Banne Schongauers gestanden hatte.
Er hob sich dadurch gleichsam mit einem Ruck und gewaltsam aus dem engeren
Gesichtskreis der deutschen Kunst heraus. Die Furia, welche die Werke Mantegnas
durchweht, will er sich zu eigen machen.
Die antike Mythologie wurde ihm hier in einer ganz bestimmten Beleuchtung
nahegerückt. Mantegna gilt als besonders „antikisch" und ist sich gewiß auch selbst
so vorgekommen. Aber seine Berührung mit der antiken Kunst besteht fast nur in
Äußerlichkeiten. Er übernimmt von ihr ornamentale und architektonische Details,
Kostüme und dergleichen. Seinem Formempfinden nach ist er von der Antike weit
entfernt. Er hat sich auch niemals, wenn er antike allegorische, mythologische oder
zeremoniöse Stoffe wiedergab, unmittelbar an klassische Vorlagen angeschlossen.
Keine einzige Imitation antiker figuraler Darstellungen konnte bisher bei ihm nach-
gewiesen werden. Und auch die Annahme, daß der eine der beiden gestochenen
Tritonenkämpfe nach einem antiken Relief gezeichnet sei, hat sich als irrtümlich er-
wiesen.1) Mantegna schwebte wie den meisten Malern seiner Zeit das klassische
Altertum als schönes Traumbild vor; es hatte keine absolut greifbare Gestalt für ihn.
Aus seiner Hinterlassenschaft gewann er für seine Kunst jene Requisiten, die gewissen
Darstellungen ein antikes Lokalkolorit verleihen sollten. Er stand auch im Banne
einer klassischen Romantik. Für die formal-rhythmische Geschlossenheit des antiken
Kunstwerks hat er ebensowenig ein Organ wie die meisten seiner Zeitgenossen.
Nur hier und da klingt ein der Antike verwandter Rhythmus durch seine Gestalten.
Wie stark der Einfluß der Antike auf die beginnende Renaissance in bezug auf
die Formgebung des Figürlichen und besonders in bezug auf das Nackte überschätzt
worden ist, das hat Julius Lange mit seinem weiten Blick an verschiedenen Stellen
seines reichen nachgelassenen Werkes über die menschliche Gestalt energisch hervor-
gehoben.-) Nicht die Antike ist es, die von vornherein ausschließlich oder in erster
Linie die neue Formauffassung des menschlichen Körpers für die Renaissance bestimmt.
Wenn ihr auch eine erhebliche Mitwirkung bei dem schließlich zustande kommenden
Formideal nicht abzusprechen ist. Das Quattrocento hält sich zunächst und vor
allem an die Natur. Sein Verhältnis zu dem menschlichen Körper wird ein völlig
anderes als das des ganzen Mittelalters. Die Freude an dem Mechanismus des nackten
Leibes, der Wunsch diesen natürlich zu veranschaulichen und künstlerisch zu be-
wältigen, wird einer der Hauptzüge der neuen Zeit. Mit Hilfe des nackten Modells
sucht man zur Beherrschung der Aufgabe zu gelangen.
Dieses neue künstlerische Gefühl des Menschen für seinen Körper ist von
Künstlern erweckt worden und konnte nur von ihnen erweckt werden.
Nicht glücklich scheint es mir, wenn Julius Lange dafür das Wort „neuer Huma-
nismus" geprägt hat.') Einmal denkt man dabei, die Humanisten wären die eigentlichen
Chorführer auf diesem Gebiet gewesen. Dann bringt der Begriff des Humanistischen,
auf das künstlerische Gebiet übertragen, etwas außerhalb diesem Liegendes, Lehrhaftes
hinein etwas, was Lange durchaus nicht immer beabsichtigt — und ist deshalb wenig
') Kristeller, Mantegna, Berlin u. Leipzig 1902, S. 414, Abb. 144.
-) Die menschliche Gestalt in der Geschichte der Kunst von der zweiten Blütezeit der
griechischen Kunst bis zum 19. Jahrh. Herausg. v. P. Köbke. Straßburg 1903, S. 268, 275 u.a.
::) A. a. O. S. 268.
40
fruchtbar. Von künstlerischem Standpunkt ist das, was als humanistisch an einem
Werk bezeichnet werden könnte, als Wertmesser unerheblich. Man würde über-
haupt in Verlegenheit kommen, wo man den Begriff anwenden sollte; und es ließe
sich kein Fall denken, in dem man etwas künstlerisch Auszeichnendes damit verbände,
wie es von Lange gemeint ist. Man tut nicht gut, Humanistisches und Künstlerisches
terminologisch zu verquicken. Der Begriff „neuer Humanismus" in dem von Lange
gebrauchten Sinn, der sein Werk durchzieht, trägt zu einer Klärung in künstlerischen
Fragen nicht bei. Es war eine rein künstlerische Tat, als ein Donatello und ein
Masaccio anschaulich zum Bewußtsein brachten, was es mit dem neuen Körper-
gefühl auf sich hätte. Und wer möchte Masaccios Vertreibung aus dem Paradies
gegenüber das Wort „humanistisch" über die Lippen bringen. Der nackte mensch-
liche Körper wurde für die Kunst wiedergewonnen, als sie von sich aus eine neue
Liebe und ein neues Verständnis dafür gewonnen hatte. Und das geht auf einen Akt
künstlerischer Eingebung, nicht- humanistischer Doktrin zurück.
Indem Dürer mit der italienischen Renaissancekunst in Berührung trat, kam
ihm ihr neues und besonderes Verhältnis zu der menschlichen Gestalt zum Bewußtsein.
Und gerade das Nackte greift er begierig von der italienischen Kunst auf. Ihr vor
allem verdankt er, wie es Julius Lange1) ausgesprochen hat, „eine nicht geringe Lust
zur Darstellung der nackten Figur".
Wie er sich bei der Wiedergabe der beiden Mantegna -Stiche für das üppig-
strenge Auf und Ab menschlicher Glieder, das Quellen und Schwellen der Muskeln
begeisterte, so reizte ihn auch bei der A. D. bezeichneten und 1495 datierten Zeichnung
bei Mr. Bonnat (L. 345) das Problem einer Verbindung nackter Leiber in lebhafter Be-
wegung. Mit Recht hat man hier gleichfalls auf eine italienische Vorlage, und zwar
eine Arbeit des Antonio del Pollajuolo, geschlossen, dessen gewaltsamer Art der
Wiedergabe nackter Körper der Stil der Zeichnung nahe kommt. Seine Zeichnungen
und Stiche mit nackten Figuren waren als Vorbilder und Muster in den italienischen
Ateliers besonders beliebt und kamen weit herum. Auf Dürers Blatt sieht man zwei
Gruppen: je ein Mann, der eine Frau davonträgt, wohl aus einem Raub der Sabine-
rinnen, wie man vermutet hat. Auch hier eine starke Bewegung und Erregung in
den Gruppen, gewiß im Anschluß an das italienische Original. Die Köpfe der Männer,
besonders der im Profil gesehene, zeigen gleichfalls italienischen Typus. Von Natür-
lichkeit ist in den Gruppen keine Rede. Die rechte führt in ihrer Aktion eher ein
Akrobatenkunststück aus, als daß es sich um eine im Affekt vorgenommene Ent-
führung handelte. Die Muskulatur ist stark herausgearbeitet und übertrieben. Die
Zeichnung wird ihrer ganzen Anlage nach wohl auch kaum auf ein in sich ab-
geschlossenes italienisches Original, sondern eher auf ein anatomisches Studienblatt
zurückgehen, von der Art wie sie durch die italienischen Ateliers wanderten.
Mantegna und Pollajuolo waren als Kenner des nackten menschlichen Körpers
berühmt. Im Anschluß an solche maßgebenden italienischen Vorbilder suchte sich der
junge Dürer augenscheinlich mit dem Bau des nackten Körpers vertraut zu machen.
Er ergriff aber die Gelegenheit zum Studium und zur Nachbildung des süd-
lichen Nackten, wo sie sich ihm darbot, und war in seinen Mustern nicht immer
wählerisch.
A. a. O. S. 280.
41
Einmal sehen wir ihn Lorenzo di Credi heranziehen um für den nackten Kinder-
körper ein Beispiel zu gewinnen. Welch ein Kontrast zwischen seinen quappigen
Formen und dem struktiven Gerüst eines Mantegna und Pollajuolo! Aber es ist
italienisch und ein verstandenes, durchempfundenes Nacktes. Und das genügte
Dürers Begeisterung zu dieser Zeit. Er kopiert nach Credi das nackte Christus-
kind, wie es in der Zeichnung aus dem Jahre 1495 bei Baron Schickler in Paris
vorliegt (L. 384).
Die Reihe der bisher nachgewiesenen unmittelbaren Kopieen italienischer Originale
wird abgeschlossen durch die Serie der Tarockkarten auf den Zeichnungen des British
Museum (L. 210 — 218), die nach der Mitte der neunziger Jahre entstanden sein werden.
Ob Dürer unmittelbar nach den italienischen Stichen arbeitete, oder welche Folge des
italienischen Tarockspiels er benutzte, läßt sich nicht mehr feststellen. Er hat nur die
Motive im großen und ganzen beibehalten, im einzelnen manches verändert und alles in
seinem Sinn umstilisiert. Der eigentümliche Rhythmus der italienischen Kompositionen
ist ganz verloren gegangen. Daß er die Blätter nur für seine Studienzwecke zeichnete,
und in der Folge kein abgeschlossenes Ganzes vorliegt, geht daraus hervor, daß
die Darstellungen in verschiedener Größe gehalten und technisch verschieden mit
gröberer und feinerer Feder ausgeführt sind. Es sind flüchtige Skizzen für die
Studienmappe.
Mit diesen Kopieen nach italienischen Werken, die Dürer ja alle, vielleicht mit
Ausnahme des Credischen Christuskindes, auch hätte in Deutschland sehen können,
sind aber die Anknüpfungspunkte seiner Kunst an den Süden nicht erschöpft. Es
gibt genügend selbständige Arbeiten von ihm, die auf einen engeren Zusammenhang
mit Italien, auf ein ganz neues Verhältnis in der Anbahnung germanisch-romanischer
Beziehungen schließen lassen. Das hierfür hauptsächlich in Betracht Kommende soll
in dem Folgenden zusammengestellt werden.
Da ist es zunächst wieder das Nackte, das auf italienische Spuren weist.
Die Uffizien besitzen die Zeichnung eines weiblichen Akts von Dürer, die
zwar von Thausing nicht in seinen Katalog aufgenommen, von Ephrussi, Wickhoff,
Harck, Thode aber anerkannt ist, und an deren Echtheit zu zweifeln kein Grund vor-
liegt (Abb. 15). Es handelt sich um die Wiedergabe eines en face gestellten Akt-
modells, dessen Kniee eng aneinander gedrückt sind, indem das eine Bein als Stand-,
das andere als Spielbein behandelt ist. Ein Tuch ist so um den Körper geschlagen,
daß es die vordere Partie ganz frei läßt, und wird mit der linken Hand gehalten.
Auf der rechten Seite liegt es über Arm und Schulter, während die Hand einen
tellerartigen, gebuckelten Spiegel trägt. Eine künstliche, ja gekünstelte Pose ist ge-
wählt. Und das fällt besonders auf, wenn man die mit einfacher Naivität der
Natur oberflächlich nachgezeichnete Studie der nackten Frau aus dem Jahre 1493
(Bonnat) mit ihren steifen Beinen daneben betrachtet (Abb. 16). Die Ponderation des
Leibes ist bei dem Uffizien -Akt eine ganz andere geworden. Systematischer ist die
Modellierung durchgeführt und nach Licht und Schatten abgestuft. Zwischen beiden
Arbeiten muß eine Umwandlung in der Formanschauung vor sich gegangen sein.
Diese Art des Posierens eines Aktmodells ist in der deutschen Kunst der
damaligen Zeit durchaus ungewöhnlich, der italienischen etwas Geläufiges. Eine
nackte Frau, die sich in einem ähnlichen gebuckelten Spiegel beschaut, findet sich
15. Dürer. Frauenakt. Uffizien.
17. Dürer. Die vier Hexen.
18. J. de' Barbari. Sieg und Ruhm.
16. Dürer. Frauenakt. Slg. Bonnat.
44
unter Jacopo de' Barbaris Stichen (Kristeller 18) als Venus bezeichnet.1) In italienischer
Weise hat Dürer den Akt gestellt. Nur von Italien her kann er die Anregung em-
pfangen haben, so nach italienischer Schulgepflogenheit zu arbeiten.
Wann aber ist die Uffizien-Zeichnung entstanden? Ephrussi setzte sie 1506 07
zur Zeit der zweiten venezianischen Reise an. Dagegen ist Wickhoff '-') für eine Datierung
um 1494 eingetreten. Wie mich dünkt, mit vollem Recht. Nur muß man vielleicht
das Datum ein wenig hinausschieben. Jedenfalls aber entstand die Zeichnung unter
dem Eindruck der ersten italienischen Reise. Ihrer Technik und Strichführung nach
steht sie der Europa in der Albertina, den Tarocchi und anderen Arbeiten der neun-
ziger Jahre nahe. Wie viel sicherer und flotter ist dagegen ein Akt wie der Poyntersche
Apollo (L 179) gezeichnet. Auf der Uffizien-Zeichnung wird das Fleisch durch ziem-
lich schematische Schraffierungen mühsam herausgerundet. Und mit Ängstlichkeit ist
der Kontur umrissen. Das spricht alles für die Mitte der neunziger Jahre. Auch die
Behandlung des Gewandstreifens würde dazu stimmen.
Die im neuen Jahrhundert entstandenen Federzeichnungen von nackten Frauen,
wie die Proportionsstudie in London (L. 225) '•) oder die Wiener Venus auf dem
Delphin (L. 469) zeigen mit ihrem Gekräusel von Schraffierungen eine ganz andere
Durchführung.
Man darf also, glaube ich, den Florentiner Akt als Studienresultat der ersten
italienischen Reise ansehen. Kein Zusammenhang jedoch mit den Künstlern, die wir
bisher als Lehrmeister Dürers auf dem Gebiete des Nackten erkannten. Nichts Man-
tegneskes, nichts von Pollajuolo. Wohl aber denkt man an die Frauen Jacopo de'
Barbaris mit ihren schmalen, abfallenden Schultern, wenn man den Oberkörper in Be-
tracht zieht. Auch das Schmachtende in der Neigung des Kopfes und im Blick paßt
dazu.4) Und das Stehmotiv entspricht dem von Barbaris hl. Katharina (Kr. 10). Später,
bei den nach 1500 entstandenen Figuren der Apollo-, Adam- und Eva-Gruppe, hat
Dürer die übereinandergedrückten Kniee nicht mehr verwendet.
Die Uffizien-Zeichnung ist mit Dürers Stich der vier Hexen vom Jahre 1497
(Abb. 17) in Verbindung gebracht worden. Friedrich Harck5) hat sie als Vorstudie für
die zuäußerst rechts stehende Hexe angesehen, und Thode") ist ihm darin gefolgt.
In der Tat ist die Verwandtschaft zu auffallend, als daß eine Beziehung zwischen den
beiden Blättern geleugnet werden könnte. Die Stellung der Hexe reproduziert im
großen und ganzen das Motiv der nackten Frau der Zeichnung im Gegensinn, aller-
dings mit beträchtlichen Abweichungen. Das Tuch ist nicht hinter dem Körper aus-
gebreitet, sondern bedeckt mehr zusammengerafft die Schamteile. Der Oberkörper der
Hexe ist in der Hüfte gedreht und daher zum Teil verkürzt gezeichnet, die Schultern
') Eine nackte Frau, die in der gesenkten Linken einen Spiegel hält, die Rechte erhoben, den
Blick aufwärts gerichtet, auf dem Ben. Montagna zugeschriebenen Stich P. 49, Cat. Angiolini Nr. 2074.
-) Zeitschr. f. bild. K. 1886, XVII, 217.
:1) Man beobachte hier auch, wie anders alle Gliedmaßen, besonders die Schultern artikuliert
sind. Daß die Zeichnung später, als ihre Datierung 1500 besagt, entstanden sein muß, darin ist L. Justi
gewiß beizustimmen.
') Eine Alabasterstatiiette, eine nackte Frau darstellend, in einer, wenn ich nicht irre, Barbari
sehr verwandten Formbehandlung, sah ich in der Sammlung des Herrn von Benda in Wien.
r') Mitteil, des Inst. f. österr. Gesch.-Forschg. 1880, S. 600.
") Jahrb. d. königl. preuß. Kunstsammlgn. Hl, S. 114.
45
sind mehr herausgetrieben, die Kniee nicht so aneinandergedrückt; die Füße stehen
beide fest auf dem Boden. Die Durchmodellierung des Körpers ist verständnisvoller
und feiner. Kann der Uffizien-Akt gewiß nicht als eine unmittelbare Vorstudie der
Hexe betrachtet werden, so hat Dürer bei dieser doch auf das Motiv der Zeichnung
zurückgegriffen und es der neuen Aufgabe gemäß umgeformt. Ein Beispiel, wie Dürer
eine italienische Studienzeichnung benutzt hat. — In dem Gesichtsausdruck der rechten
Hexe meint man etwas wie ein Eingehen auf italienisches Sentimento zu verspüren.
Mir scheint auch Berthold Haendcke1) nicht auf falschem Wege gewesen zu sein,
als er für eine Beziehung zwischen der Hexe zuäußerst links und der Figur des Sieges auf
Barbaris Stich „Sieg und Ruhm" (Kr. 26. Abb. 18) eintrat. Der Stich gehört nach Kristellers
überzeugenden Argumenten zu den frühen Arbeiten Barbaris. Das Stellungsmotiv der
Hexe und der Figur des Sieges ist verwandt, allerdings nicht in dem Maße wie das
der rechten Hexe und der Uffizien-Zeichnung. Die Körperbildung der Viktoria mit den
abfallenden Schultern und vollen Formen hat auch mit der der Uffizien-Zeichnung
manches gemeinsam. Das Verhältnis ist vielleicht so zu denken, daß Dürer nach der
Viktoria Barbaris oder einer ähnlichen Arbeit — wohl auch um das Jahr 1495 — eine
Zeichnung anfertigte, die er dann mit Modifikationen für den Stich der Hexen
verwandte.
Auch die in der Mitte stehende, ganz vom Rücken gesehene Hexe zeigt eine
italienische Reminiszenz. Das edel geknotete, hinten offene, in Wellenlinien flatternde,
20. Barbari. Galathea.
Dresden, Gemälde-Galerie.
19. Dürer. Traum des Doktors.
*) Jahrb. d. königi. preuß. Kunstsammlgn. XIX, S. 162.
46
wie von einem leichten Wind bewegte Haar, durch einen Kranz mit hängenden
Bändern geschmückt, weist auf eine italienische Inspiration.
Es gibt hier also eine ganze Anzahl auf südliche Anregung zurückzuführen-
der Motive.
Auf dem Stich „der Traum des Doktors" (Abb. 19) zeigt der Frauenakt An-
klänge an die Zeichnung der Uffizien und die rechte Hexe. Offenbar besteht auch
irgend ein Zusammenhang mit Barbaris Gemälde der Galathea in der Dresdener Galerie
(Abb. 20). Die Stellung des Oberkörpers und das Motiv der das Tuch haltenden Hand
sind verwandt. Und hier kann Barbari nicht Dürer nachgeahmt haben, denn seine
Figur steht im Gegensinn zu der des Stiches.
Eine Schaustellung nackter Körper treffen wir noch auf anderen in den neunziger
Jahren entstandenen Arbeiten. Um dessentwillen ist der frühe Holzschnitt des Männer-
bades und die Zeichnung des Frauenbades vom Jahre 1496 geschaffen (L. 101). Die
Frauen sind, obwohl bei ganz realistischen Beschäftigungen des Waschens und Kämmens
dargestellt, doch nicht sehr natürlich wiedergegeben. Man hat nicht den Eindruck, daß
dasselbe stoffliche (gewöhnlich ja obscöne) Interesse vorwaltete wie meist bei den
altdeutschen Darstellungen von Badeszenen.1) Der Künstler wollte mit dem Nackten
prunken. Die einzelnen Figuren sind zurechtgestellt, posieren. Das Ganze ist kompo-
niert, vergegenwärtigt nicht unmittelbar einen empfangenen Wirklichkeitseindruck. Zu
dem feisten Ungetüm auf der rechten Seite wurde er vielleicht durch eine der Gestalten
aus dem bacchischen Kreise Mantegnas angeregt.
Stark italienisch mutet das Männerbad an. Hier ist der feiste Trinker rechts
auch eine dem bacchischen Kreise Mantegnas nahestehende Figur und erinnert an
den Silen auf dessen Bacchanal. Das Nackte geht offenbar auf Italienisches zurück.
Den Rücken des vorn sitzenden Mannes nennt Robert Vischer „heroisch modelliert".'-)
Das weiche, den Tönen der Musik sich hingebende Neigen des Kopfes bei dem jugend-
lichen Geigenspieler und dem bärtigen Flötenbläser, ihre Posen sowie die des Mannes
zur Linken und sein träumerischer, ins Weite gerichteter Blick, das alles ist voll
italienisierender Empfindung, voll sentimento. Eine romantisch-elegische Note klingt in
dem Blatte mit. Solch ein bloßes Sichgehaben nackter Gestalten ohne bestimmten
Konzentrationspunkt, bei gänzlicher Aktionslosigkeit, ist bei Dürer nur an- und nach-
empfunden. Dergleichen lag nicht eigentlich in seiner Natur. In Formgebung und
Ausdruck kommt einem hier so recht das Zwiespältige, Disparate der germanisch-
italienisierenden Art zum Bewußtsein.
Trat er durch das Studium des Nackten in der italienischen Kunst wenn auch
nur indirekt mit der Antike in Berührung, so geschah das in noch höherem Grade
bei den aus der klassischen Mythologie geschöpften Stoffen.
Die bekannte Europa-Zeichnung der Albertina ist von einer Reihe von
Forschern in die Zeit der ersten italienischen Reise gesetzt worden. Die Zeichnungs-
technik entspricht, wie schon bemerkt, der des Frauenaktes in den Uffizien; die Land-
schaft erinnert an die der Rodrigues-Madonna im Berliner Kupferstich-Kabinett und der
kürzlich von Colvin publizierten „Weltfreuden" in Oxford. Eine Datierung um 1495
wird wohl das Richtige treffen.
») Allerdings blickt ein älterer Mann durch einen geöffneten Fensterladen von hinten in die
Badestube.
2) Studien zur Kunstgeschichte S. 201.
47
Wickhoff1) hat zur Erklärung der seltsamen knieenden Stellung der Europa
auf dem Stier als Vorbild eine antike Darstellung der stieropfernden Nike aus dem
Mithraskult (möglicherweise ein zu einer Europa ergänztes Fragment) herangezogen.
Daß das Motiv der Antike entstammt, ist gewiß richtig. Aber ich glaube, das Vorbild
liegt dem Gestaltenkreise, in dem wir uns bewegen, näher. Es gibt im Louvre einen
Sarkophag-) mit Darstellungen von Tritonen und Nereiden, auf dessen Frontrelief
Nereiden in ganz ähnlicher Stellung auf dem Rücken von Tritonen knieen wie Dürers
Europa auf dem Stier. Ein derartiges Vorbild dürfte wohl maßgebend gewesen sein.
In allen ihren Einzelheiten hat die Europa-Zeichnung noch keine befriedigende
Deutung gefunden. Wenn auch die Eroten und Nereiden auf Delphinen, die bei Dürer das
Meer bevölkern, in den Beschreibungen der Entführung Europas bei Moschus und Lucian
vorkommen, wie Wickhoff darlegt, so ist der Satyr und das Satyrweib, das Europa
einen Kranz entgegenstreckt, noch nicht erklärt worden. Auf eine eigene Erfindung
Dürers wird man hierbei kaum schließen dürfen, auch ein unmittelbares Schöpfen aus
antiken Schriftstellern wird, wie schon Wickhoff bemerkt, nicht anzunehmen sein.
Vermutlich hat eine poetische Darstellung des Mythus in italienisch-humanistischer
Fassung als Grundlage gedient, wie eine solche Quelle kürzlich auch für den Stich
der Nemesis nachgewiesen werden konnte, wovon noch zu sprechen sein wird.
Die rechte, von der Europa inhaltlich unabhängige Seite des Blattes mit den drei
Löwenköpfen in der oberen, dem Apoll und dem einen Schädel haltenden Orientalen,
beide getrennt durch das sonderbare Gefäß mit der rätselhaften Inschrift und durch ein
Buch, in der unteren Reihe, ist gänzlich unklar. Daß die drei Löwenköpfe nach einem
der venezianischen Leoncini auf dem Markusplatz gezeichnet sein sollen, wie Thausing
und Wickhoff wollen, überzeugt nicht ganz. Wohl aber hat Wickhoff schlagend nach-
gewiesen, daß für den Apollo als Vorbild eine antike Eros-Statue anzunehmen ist: der
Eros mit dem Bogen des Herakles/5) Wenn Wickhoff jedoch, um die Umwandlung
des Eros in einen Apollo zu erklären, argumentiert, daß die Renaissancekunst Eros
nur als fröhliches Kind kennt, daß der erwachsene Eros ihr unbekannt ist, und daß
infolgedessen die Statue eines jünglinghaften Eros leicht als Apollo aufgefaßt werden
konnte, so trifft das nicht zu. Amor als Jüngling ist der Frührenaissance schon um
die Mitte des Quattrocento geläufig. In dieser Auffassung kommt er z. B. auf Dar-
stellungen des Trionfo d'Amore vor. Es sei nur auf Pesellinos Cassonetafel mit den
Triumphen Petrarcas bei Mrs. Gardner in Boston hingewiesen, wo die nackte Jünglings-
gestalt Amors jedenfalls auch auf ein antikes Vorbild zurückgeht.4) Daß Dürers
Figur einen Apoll und keinen Eros darstellt, ist zweifellos. In der Auffassung der
italienischen Renaissance ist Eros immer nackt, höchstens mit einem Schurz um
die Lenden bedeckt,"') geflügelt und trägt keinen Kranz im Haar. Die Dürersche
Gestalt entspricht ganz dem Typus des Apollo. Ich möchte aber nicht annehmen,
daß Dürer die antike Eros -Statue selbst vor Augen gehabt und dann in den
!) Mitteil, des Inst. f. österr. Gesch. Forschg. I, Heft 3, S. 420.
2) Galerie Denon 439, Sarcophage orne d'un Büste et de Tritons et de Nereides. Sacristie
de l'Eglise St. Sulpice. Musee des Monuments Francais.
3) Friederich-Wolters 1582.
4) Vgl. Weisbach, Fr. Pesellino S. 75.
5) Ein Beispiel kenne ich, wo er, sonst auch nackt, antike Sandalenstiefel trägt wie Dürers
Apollo: auf der florentinischen Cassonetafel des Kestner-Museums in Hannover.
»
48
Apollo umgedeutet hat, sondern es scheint mir wahrscheinlicher, daß er nach einer
quattrocentistischen italienischen Apollo-Darstellung, welcher die Eros-Statue zugrunde
lag, zeichnete, in der Weise wie ihm der Apollo von Belvedere, den er auf der späteren
Poynterschen Zeichnung nachbildete, jedenfalls auch durch eine italienische Vorlage
vermittelt wurde. Daß Dürer für den Apoll der Albertina-Zeichnung ein Vorbild der
italienischen Renaissance benutzte, dafür scheint mir die elegante Stellung der Figur,
das Gewand mit den kokett flatternden Bändern und Zipfeln, die preziöse Art, wie
21. Dürer. Herkules. Ausschnitt aus der Darmstädter Zeichnung.
die Hand den Pfeil hält, zu sprechen. Das sind quattrocentistische Eigentümlichkeiten,
die auf ein neueres italienisches Original weisen.1)
Venedig war der Platz, der gewiß wie wenige geeignet war, jemandem
Antikisches näher zu bringen. Stein- und Bronzeplastik kam dort gegen Ende des
Quattrocento in antikisierende Bahnen. Man braucht nur Namen wie Riccio oder
die Lombardi auszusprechen. Auch Jacopo de' Barbari huldigte der antikisierenden
Richtung.
') Der sentimentale Gesichtsausdruck ließe wieder an Barbari denken. Man vergleiche auch
die den Pfeil haltende Hand mit der den Delphin zügelnden Linken von Barbaris Galathea.
49
Verfolgen wir die Dürerschen Mythologieen weiter, so bietet uns der Kupferstich
„die Eifersucht" (B. 73) ein Beispiel dafür, wie der Künstler italienische Reminis-
zenzen für eigene neue Werke verwertet hat. Seitdem der Stich mit der im Tagebuch
der niederländischen Reise als Herkules bezeichneten Darstellung identifiziert worden ist,1)
nimmt man fast allgemein als Thema der Szene an, daß der Heros, durch seinen
phantastischen Kopfputz als Hahnrei gekennzeichnet^ die im Schöße des als Satyr
gebildeten Nessus ruhende Deinaira überrascht. Nach Thausing griffe Herkules das
Paar an und würde in sei-
nem Angriff von einer (un-
erklärten) Frau unterstützt.
Diese Deutung befriedigt
jedoch nicht. Der mit bei-
den Händen einen Baum-
stamm etwa in seiner Mitte
haltende Mann würde die
Waffe in der ungeschickte-
sten Weise anpacken, wollte
er in dieser Lage damit zum
Schlage ausholen. Wohl
aber trägt er seinen Stamm
recht, um das Paar gegen
den Schlag der einen Ast
schwingenden Frau zu
schützen, diesen aufzufan-
gen. Nach ihr blickt die
Frau im Schöße des Satyrn,
nach ihr schaut sich der
kleine entfliehende Knabe
um: sie ist die eigentliche
Angreiferin. Das ist auch
schon von anderen Erklärern
betont worden.
Der Stich setzt sich
bekanntlich aus Bestand-
teilen zusammen, die drei
verschiedenen Dürerschen
Studienzeichnungen ent-
nommen sind: die zuschla-
gende Frau, der Baumschlag
hinter ihr und der entfliehende Putto dem Orpheus, die nackte Frau dem Kampf
der Seekentauren nach Mantegna, der stehende Mann-) der Bonnatschen Zeichnung
22. A. del Pollajuolo. Herkules.
Ausschnitt aus dem Gemälde in New -Häven.
') Der „Ercules" bezeichnete Holzschnitt kann kaum, wie bei Lange-Fuhse S. 121 vorgeschlagen
wird, mit dem im Tagebuch erwähnten Blatt gemeint sein; denn es wird unter den Kupferstichen auf-
geführt, und Dürer pflegt in seinem Tagebuch Kupferstiche und Holzschnitte getrennt zu notieren.
'2) Sein Kopfputz ist ganz im Sinne der phantastischen quattrocentistischen Kopfbedeckungen,
wie sie z. B. zahlreich in der sogenannten Bilderchronik des Finiguerra vorkommen.
4
50
nach Pollajuolo. Ein solches Übernehmen fremder Bestandteile und Zusammen-
stücken aus ihnen ist für gewisse Arbeiten der Frühzeit Dürers bezeichnend, wo
er Probleme behandelt, die ihm nicht von Haus aus lagen, die ihn aber immer
von neuem reizten: Mythologisches und Nacktes. Da suchte er für einzelnes An-
lehnung bei den Italienern; für das Mythologische gewiß mit der Tendenz möglichst
„antikisch" aufzutreten und für das Nackte, weil er darin offenbar eine besondere Gabe
der Italiener bewunderte.
Neben dem Stich der „Eifersucht" gibt es noch zwei Arbeiten der Frühzeit
aus der Herkulessage: den Holzschnitt (B. 127), dessen Kampfszene im einzelnen nicht
zu erklären, dessen Stoffkreis aber durch die Inschrift „Ercules" angedeutet ist, und das
Gemälde des Kampfes mit den Stymphalischen Vögeln im Germanischen Museum
(1500), für welches das Darmstädter Museum die Vorzeichnung besitzt.
Auf dem Ercules-Holzschnitt sind, was die Formgebung der Hauptgruppe
betrifft, keine italienischen Anklänge zu bemerken. Das scheint auf Dürers eigener Er-
findung zu beruhen und ist aus der neuen germanisch-romantischen Phantasie heraus
geboren: ungelenk und klotzig, aber doch grandios in seiner jugendlichen Rauheit. In
Einzelheiten zeigen sich aber wieder Zusammenhänge mit Italienischem. Die nackte,
megärenhafte Frau mit ihren spitzen, hängenden Brüsten ist dasselbe Wesen, wie das
ein Täfelchen haltende Weib auf Mantegnas Kupferstich des (nicht in einer Dürerschen
Kopie erhaltenen) Tritonenkampfes (B. 17) und auf der Vorzeichnung für dieses Blatt
in Chatsworth.1) Die zweite, die Hände ringende Frau trägt eine antike Gewandung,
und der breitspurig auf dem Rücken liegende Krieger ist mit einem Panzer bekleidet,
der an die phantastischen italienischen Rüstungen erinnert.
Auch für den Herkules im Kampf mit den Stymphalischen Vögeln,
eine Gestalt, von der Ephrussi als d'un type tout allemand gesprochen hatte, kann man
jetzt ein italienisches Vorbild nachweisen: ein Gemälde in der Jarves-Collection
(New Häven), Herkules im Kampfe mit dem Kentauren Nessus von Antonio del Polla-
juolo') (Abb. 21, 22). Vergleicht man dieses mit der Darmstädter Zeichnung, so er-
geben sich als verwandte Züge: am Unterkörper der linke Fuß auf der ganzen Sohle
ruhend, der rechte auf den Zehen aufgestellt, die spitz herausgedrückten Kniee; am
Oberkörper der Verlauf des Konturs der linken Rumpfseite mit zweimaliger starker
Ausbuchtung, der kurze Bart, der geöffnete Mund, das lang flatternde Haar. Bei Dürer
hat der Heros einen Kranz auf dem Haupt, der bei Pollajuolo der Photographie nach
zu fehlen scheint, aber auch ein italienisches Motiv ist. Das alles soll nicht etwa
heißen, Dürer müsse jenes Gemälde selbst gekannt haben; aber eine ähnliche Polla-
juoleske Darstellung hat ihm jedenfalls vorgelegen, die er sich skizzierte, und aus
der dann der Darmstädter Herkules herauswuchs, dem Formeindruck nach von
der schwankenden Pollajuolo -Gestalt ganz verschieden, gewiß sachgemäßer und
wirkungsvoller.
') Kristeller, Mantegna S. 423. Schon Robert Vischer a. a. O. S. 201 hatte hier an Mantegna
gedacht, ohne ein bestimmtes Vorbild namhaft zu machen.
2) Vgl. A. von Beckerath im Repertor. f. K. XXVIII, 1905, 116. Der Güte des Herrn von
Beckerath verdanke ich auch die photographische Vorlage für die Abbildung. Rob. Vischer a. a. O.
S. 190, A. 1 hat, ohne das bestimmte Vorbild zu kennen, hier auch schon den Namen A. del Pollajuolo
ausgesprochen.
51
Aus den mythologischen Darstellungen hat man kürzlich versucht den Stich
auszuscheiden, der als „Meerwunder" von Dürer selbst in seinem niederländischen
Tagebuch bezeichnet wird. Er ist früher von Bartsch wohl auf Grund alter Tradition
als Raub der Amymone gedeutet worden. Demgegenüber hatte Dollmayr1) die
Vermutung aufgestellt, daß es sich um eine Darstellung der merovingischen Stammes-
sage handele; eine Erklärung, die mir im allgemeinen schon von Konrad Lange
genügend widerlegt zu sein scheint und deshalb hier übergangen werden kann.
Konrad Lange-) selbst verficht, indem er sich auf Dürers eigene Bezeichnung
„Meerwunder" stützt, die Deutung, daß es sich ganz allgemein um ein Meerwunder
handle „in einer für dasselbe charakteristischen Handlung", um die Entführung einer
Frau durch eines jener Seemonstra, wie sie in den Köpfen der damaligen Welt spukten.
Man dürfte also den Stich in Zukunft nicht mehr mit den mythologischen Darstellungen
zusammenstellen, „sondern mit dem Raub auf dem Einhorn, weiterhin mit dem sechs-
beinigen Schwein, den zusammengewachsenen Zwillingen, dem Nashorn, dem Walroß
usw., es wäre ein Beispiel nicht für Dürers klassische Bildung, sondern für sein
Interesse an allerlei merkwürdigen Naturerscheinungen, Mißgeburten und Prodigien".
Ich vermag mich der Darlegung Langes, so interessant und glänzend durch-
geführt sie im einzelnen ist, nicht anzuschließen. Der von ihm namhaft, gemachten
Kategorie von Sujets darf man, wie ich glaube, das Meerwunder nicht beizählen.
Ich muß bekennen, daß die Deutung des Stiches als Raub der Amymone doch einen
recht gewichtigen Stützpunkt findet in dem Brettstein des Wiener Hofmuseums von
Hans Kels mit der offenbar durch die Hauptgruppe Dürers inspirierten Darstellung,
die durch die Inschrift als Raub der Amymone beglaubigt ist"'). Der Amymone-Mythus
war zu wenig verbreitet, als daß man schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts für die
Dürersche Szene fälschlicherweise diese Deutung sollte aus der Luft gegriffen haben.
Was Lange gegen die Erklärung als Raub der Amymone anführt, scheint mir
nicht ganz stichhaltig. Setzt man eine Anlehnung an die Fassung des Mythus bei
Lucian voraus, so ist doch ein Hauptmotiv übereinstimmend: der Raub Amymones
durch einen Triton am Meeresufer. Daß wir in dem Fischmenschen aller Wahrschein-
lichkeit nach einen Triton zu erkennen haben, davon wird noch die Rede sein. K. Lange
vermißt Poseidon als Hauptperson der Geschichte. Aber auch bei Lucian ist der
Triton in dem Moment, wo er zuerst die Jungfrau entführt, allein mit ihr, während
sich Poseidon versteckt hat. Sie ruft ihn an: „Weshalb tust du mir Gewalt an
und zerrst mich in das Meer? ich Unglückliche werde ertrinken müssen". Dann
hebt Lange hervor, daß Amymone bei Lucian, als sie allein zum Wasserschöpfen
kommt, entführt wird, während hier noch badende Frauen an der Küste angebracht
sind und ein Alter zu Hilfe eilt. Das wäre aber der einzige Divergenzpunkt. Und
auch das Erscheinen des Alten ließe sich aus irgend einer neueren von Lucian aus-
gehenden Variante des Mythus, die dem Stich zugrunde liegen könnte, erklären. Denn
bei Lucian sagt Amymone zu dem .Triton: „Invocabo patrem". Es muß also dort
(allerdings in inkonsequenter Weise zu dem Vorhergehenden) angenommen sein, daß der
Vater in erreichbarer Nähe war. Und das ist vielleicht in einer anderen neueren
Version weiter ausgeführt gewesen.
l) Jahrb. der Kunstsamml. des Allerh. Kaiserh., Wien, 1899, 2 ff.
-) Zeitschrift f. bild. Kunst. 1902, 195 ff.
:J) In Langes Aufsatz abgebildet.
4*
52
Mag es sich nun aber auch um die bestimmte Darstellung des Raubes der
Amymone handeln oder nicht, jedenfalls scheint mir die Deutung des Stiches als eine
mythologische Szene dem, was Dürer hat ausdrücken wollen, näher zu kommen als
Langes Erklärung: Entführung einer beliebigen Frau durch irgend ein Monstrum. Daß
er selbst das Blatt als Meerwunder bezeichnet hat, würde an sich jener Deutung noch
nicht widersprechen; denn er hatte mit seinen Benennungen vor allem auf das große
Publikum und den Absatz Rücksicht zu nehmen. Im Geschäftsgang beim Feilbieten
der Drucke empfahl sich der allgemeinere, zugkräftige Titel „Meerwunder" gewiß vor
dem irgend einer unbekannteren mythologischen Szene mit schwer verständlichem und
schwer aussprechbarem Namen. Dann ist doch dieser Titel für eine Episode der
Amymone-Sage auch gar nicht so unpassend. Fährt nicht Amymone selbst bei Lucian
den Triton an: „plagiarius es!" Und was heißt das anders, als, um mit Lange zu
sprechen: „Du auf Menschenraub ausgehendes Monstrum!" - - oder Meerwunder.
Dürer hat den Vorgang behandelt und ausgestaltet, wie er es mit klassischen
Mythologieen zu tun pflegt. Und gewiß hat ihm eine der künstlerischen Darstellungen
der Entführung einer Frau durch eine Meergottheit, wie sie in der italienischen Renais-
sance ganz ähnlich so häufig vorkommen, vorgeschwebt.1)
Das Seewesen, in dem Lange ein beliebiges phantastisches Monstrum erkennen
will, entspricht durchaus der Vorstellung der italienischen Renaissance von den antiken
Tritonen. Es ist seinem Typus nach z. B. auch mit dem Triton Jacopo de' Barbaris
auf dem Stich „Triton und Nereide" (Kr. 23) verwandt. Ein Attribut, das Barbaris
Triton fehlt, die Horner auf dem Kopf, kommt, wie Lange gezeigt hat, in Poggios Be-
schreibung eines „Monstrums" in einer seiner Facetien mit der Überschrift: „Aliud de
monstro" vor. Daß aber der ganz von antiken Vorstellungen beherrschte Humanist
Poggio bei seinem Monstrum ein antikes Meermonstrum, einen Triton, im Sinne
hatte, kann, glaube ich, keinem Zweifel unterliegen. Dürers Meerwesen hat kein Horn,
aber ein Geweih. Geweihe tragen die Tritonen häufig auf antiken Sarkophagreliefs. Es
unterliegt demnach für mich keinem Zweifel, daß Dürer einen antikischen Triton hat
darstellen wollen und nicht eine Mißgeburt, ein Prodigium, das zu der Kategorie des
sechsbeinigen Schweines, des Walrosses etc. gehört. Seine Quelle ist auch hier jeden-
falls wieder der italienisch -quattrocentistische Literatur- und Kunstkreis.
Auch die Art der Ausstaffierung der nackten Frau scheint mir dafür zu sprechen,
daß es sich um eine mythologische Figur, nicht um irgendeine beliebige entführte
Frau handelt. Der reiche Kopfputz mit Diadem, Perlenschnüren und herabhängenden
Bändern zeichnet die Frau als etwas Besonderes aus und gleicht der Art, wie Dürer
mythologische Frauen auszustatten pflegt. Auch der am Ufer herbeieilende hände-
ringende Mann in orientalischer Tracht würde durchaus nicht dem widersprechen, daß
wir es mit einer mythologischen Begebenheit zu tun haben. Und wenn es sich um
den Vater der Amymone, den „König von Ägypten" handelt, so ist die orientalische
Tracht nur um so berechtigter. Es war der italienischen Frührenaissance, aus der
Dürer vornehmlich für seine Mythologieen schöpfte, durchaus geläufig, antike mytho-
logische Figuren in orientalischem Kostüm darzustellen. Als Beispiele seien kurz
') Dem Stiche Dürers steht besonders nahe das italienische Niello des Berliner Kupferstich-
Kabinetts: Aukt.-Kat. Ontekunst 51. 1899, N. 865. — Eine ähnliche Entführung angesichts der Küste
auf dem Stich Bartsch XIII S. 351, N. 1.
53
folgende genannt: Auf dem schon einmal erwähnten Cassonebild des Kestner-Museums
in Hannover sind die Trojaner zum Teil als Orientalen charakterisiert. Einen turban-
artigen Kopfputz trägt König Aietes auf einem Cassonebild mit Szenen aus dem Jason-
Mythus.1) Gleichfalls als Orientale kostümiert ist Orpheus auf einem Jacopo del Sellaio
zugeschriebenen Cassonebild mit Darstellungen aus der Orpheussage.'2) Dürers
Orientale kann und wird also eine mythologische Figur bedeuten. Unter den
übrigen kleinen Figuren am Ufer ist bekanntlich das dem Lande mit ausgebreiteten
Armen zustrebende Mädchen einer der Europa nachjammernden Frauen auf der Albertina-
Zeichnung ähnlich.
Daß die Vorzeichnung für den Stich wohl wieder aus verschiedenen vor-
handenen Elementen zusammengestückt worden ist, hat Lange damit wahrscheinlich
gemacht, daß er für den nackten Körper der Frau die liegende Viktoria auf Barbaris Stich
Kr. 27 als Vorbild hinstellte. Natürlich hätte Dürer sich nur ganz allgemein an das Liege-
motiv, wie es Barbaris Stich oder eine Zeichnung dazu bot, angeschlossen und
es in seiner Weise umgeformt. Bei seiner Unsicherheit in der Wiedergabe des Nackten
und seiner Geneigtheit, gerade auf diesem Gebiet italienische Vorlagen zu be-
nutzen, hat das durchaus nichts Befremdendes. Und Lange hat mit Recht darauf
hingewiesen, daß Barbari nicht nach Dürer kopiert haben könne, da das Motiv des
aufgestützten linken Armes bei ihm motiviert ist, während es bei Dürer keinen Stütz-
punkt gibt.
Daß aber die Zeichnung der nackten liegenden Frau vom Jahre 1501 in der
Albertina, die nach einem Proportionsschema konstruiert ist, eine Vorzeichnung für
Dürers Stich sei, darin vermag ich Lange nicht zu folgen. Mir scheint vielmehr
Ludwig Justi 5) eine ansprechende Erklärung gefunden zu haben: daß Dürer, nachdem
er den Stich ausgeführt und mit dem Konstruieren von Figuren begonnen hatte, nun
versuchte, die liegende Figur des Stiches nach seinem Schema zu konstruieren, und
das Problem jener Liegefigur auf Grund seines Proportionsschemas wieder aufnahm.
Die verschiedensten Deutungen hat bisher die Zeichnung mit der rätsel-
haften Inschrift „Pupila Augusta" in Windsor (L. 389) erfahren. Sie enthält gleichfalls
Motive, die dem italienischen Vorstellungs- und Bilderkreis entlehnt sind. Die Gruppe
der drei Frauen im Hintergrund auf dem Wasser, die, ein Segel über sich aus-
breitend, von einem Delphin getragen, der Küste zutreiben, schließt sich an irgendeine
italienische Darstellung dieses Vorgangs an, wie sie öfter auf Niellen und Kupfer-
stichen vorkommt.4) Nach Giehlow5) handelt es sich hier um die „Allegorie des Glückes,
welche von der Frau im Vordergrunde durch das Drehen eines Tellers weiter an-
gedeutet wird." Diese Erklärung befriedigt indessen wenig. Man wird sich kaum
dazu verstehen können, die Manipulation, welche die am Boden liegende, mit der
Flügelhaube bekleidete Frau vornimmt, so aufzufassen. Von dieser Figur wird man
auszugehen haben, wenn man in das Verständnis der Szene eindringen will. Eine
Flügelhaube tragen auf Darstellungen des italienischen Quattrocento im allgemeinen
mythologische oder allegorische weibliche Gestalten, auch wohl eine Heroine der
l) Abgebildet Weisbach, Pesellino S. 123.
-) Mackowsky, Jacopo del Sellaio, Jahrb. d. königl. preuß. Kunstslgn. XX, 1899, S. 278, Nr. 23.
3) Konstruierte Figuren etc. Leipzig 1902, S. 29.
4) Vgl. Dutuit, Manuel de l'amateur d'estampes I, 2 Nr. 419, 420 etc. Bartsch XIII S. 351.
5) Jahrb. der Kunstsamml. des allerhöchst. Kaiserh. 1899 XVI 95 A. 3.
54
altjüdischen Geschichte wie Judith.1) Die Kopfbedeckung ist häufig und beliebt in
Darstellungskreisen, die vom Quattrocento in jener phantastisch-romantischen Weise
ausstaffiert wurden. Als Quellen dafür liegen besonders die sogenannten Otto-prints
und andere Stiche, die dem Finiguerra zugeschriebene Bilderchronik des British Museum,
verschiedene Darstellungen auf Cassoni und in Handschriften vor. Einer Figur hat
man besonders gern die Flügelhaube aufs Haupt gesetzt: Venus, wenn man ihr
nicht das Recht ihrer nackten Schönheit, wie es ihr die Antike verliehen hatte, zuer-
kannte. Ja dieser Kopfputz kann gewissermaßen als Attribut der Venus angesehen
werden.-) Auf einem Urteil des Paris bei Mr. Charles Butler in London 3) trägt sie
allein ihn von den drei Göttinnen. (Andere Beispiele: das Sternbild der Venus in
der Kupferstichfolge der Planeten;4) das früher schon erwähnte Cassonebild des Kestner-
Museums in Hannover.) Daß die Flügelhaube bei Dürer sich an ein italienisches Vorbild
anschließt, kann keine Frage sein. Die Form der Haube mit den Flügeln und Voluten
ist spezifisch italienisch."') Und daß auf Dürers Blatt Venus gemeint ist, dafür sprechen
andere Attribute: die geflügelten Amoretten und das in einer Höhle verschwindende,
nur halb sichtbare Häschen.") In welcher Situation Venus erscheint, was die Frau
neben ihr für eine Rolle spielt, ist mir nicht klar. Aber daß die Göttin mit ihrem
Finger in eine Schüssel weist, wie man bisher immer angenommen hat, und daß sie
nicht, wie Giehlow will, einen Teller dreht, scheint mir ziemlich sicher. Gewiß hat
man es mit irgendeiner liebes-symbolischen oder -allegorischen Darstellung zu tun. Sollte
sich irgend eine hehre Verwaiste (pupilla augusta) bei Venus Rat erholen? Die
im Mittelgrunde mit angezogenen Knieen sitzende nackte Frau hat auch eine italienisch-
quattrocentistische Frisur und Kopfbedeckung. Man möchte meinen, ihr Profil ginge
auf eine Studienzeichnung nach einem italienischen Original zurück. Diese Figur steht
jedenfalls in Beziehung zu der, wie wir sahen, ein italienisches Vorbild reproduzierenden
Gruppe der drei Frauen auf dem Delphin, von denen die mittlere nackt, die beiden
anderen bekleidet sind. Hat man in der Frau mit der Flügelhaube Venus zu er-
kennen, so wird man sich zu fragen haben, ob nicht mit der nackten von den drei
Frauen auch die Liebesgöttin gemeint ist. Venus auf dem Delphin ist ja eine Dürer
geläufige Vorstellung, wie wir aus der Zeichnung der Albertina vom Jahre 1503 (L. 469,
hier allerdings in reitender Stellung) sehen. Selbst wenn seine italienische Vorlage eine
Darstellung der Fortuna bedeutete, so konnte er diese, falls ihm das Sujet nicht bekannt
und vertraut war, leicht als eine Venus auffassen und so umdeuten.7)
Auf dem Baccio Baldini zugeschriebenen Kupferstich B. 13; P. 80, V, 37; Kolloff in Meyers
Künstler-Lexikon II, 607, 162.
'-) Er wird dann auch auf erotischen Darstellungen in der Gefolgschaft der Venus getragen.
:') New Gallery, Exhibition of early Italian art 1893/94 Nr. 142.
') Die sieben Planeten von Friedr. Lippmann. Publ. der internat. Chalk. Gesellsch. 1895.
Taf. Av, Bv.
"') In der Bilderchronik des Brit. Mus. trägt z. B. Semiramis eine solche Haube mit Flügeln
und Voluten; Colvin, A Florentine Picture Chronicle, London 1898, Taf. 8. — Auch der Flügelhelm des
Kriegers auf Dürers Stich: das kleine Pferd (B. 96) geht auf ein Vorbild dieses italienischen Bilder-
kreises zurück.
") Man denke an die Häschen auf dem Triumph der Venus im Palazzo Schifanoja in Ferrara.
;) Gegen die Deutung als Fortuna spricht das Fehlen einer Kugel. Als Venus ist vielleicht
auch die ein Segel entfaltende weibliche Gestalt zu denken, die auf einer Muschel dem Zuge der Thetis
vorauffährt, auf einem Piero di Cosimo zugeschriebenen Cassonebild des Louvre (No. 2162), dessen
Gegenstück die Vermählung von Thetis und Peleus darstellt.
55
Zweifellos aber scheint nach alledem, daß die Zeichnung zu dem mythologisch-
erotischen Stoffgebiet gehört, das Dürers Phantasie eine Zeit lang intensiv beschäftigte.
Was die Entstehungszeit des Blattes betrifft, so ist man sich längst darüber
einig, daß es nicht das auf der Zeichnung später zugefügte Jahr 1516 sein kann. Sie
muß bedeutend früher fallen. Lippmann hat als Termin um 1500 vorgeschlagen und
trifft damit, wie ich glaube, das Richtige. Man kann die Arbeit nicht weit von dem
„Meerwunder" abrücken. Der Zeichentechnik nach steht sie auch noch in Zusammen-
hang mit den Arbeiten der neunziger Jahre (Europa, Tarocchi etc.), während sie sich in
die Reihe der nach 1503 entstandenen Zeichnungen nicht mehr einordnen läßt.
Auch für den Stich der Nemesis ist vor kurzem ein Anknüpfungspunkt an den
italienischen Kulturkreis gefunden worden. Diese als „großes Glück" bekannte Figur
ist, wie Giehlow l) gezeigt hat, von einer Beschreibung der Nemesis in Polizians „Silva
in Bucolicon Virgilii pronuntiata, cui titulus Manto" abhängig. Daß aber die Bildung
der nackten Figur hier mit dem italienischen Gestaltenkreise nichts zu tun hat, lehrt
schon ein erster Blick. Konstruiert und auf einem neuen intensiven Modellstudium be-
ruhend, ist sie in formaler Hinsicht den Gestalten der vorher betrachteten Mythologieen
gar nicht vergleichbar. Das Blatt ist auch schon ein Produkt der Reifezeit Dürers.
Treten wir mit den Anschauungen, die wir von Dürers Schaffensweise und seinem
Verhältnis zum Süden gewonnen haben, an den Stich „Apollo und Diana" heran,
dessen Beziehung zu Jacopo de' Barbaris gleichnamigem Stich (Kristeller 14) seit lange
erkannt und lebhaft diskutiert worden ist, so werden wir von vornherein geneigt sein,
wie bei den anderen mythologischen Darstellungen auch hier einen Anschluß Dürers
an die italienische Kunst für wahrscheinlich zu halten.') Anders als der Zusammenhang
von Ludwig Justi :!) erklärt worden ist. Justi leugnet nach seiner bekannten Theorie
jede künstlerische Abhängigkeit Dürers von Barbari. Er nimmt an, daß der Apollo
des Stichs — der allein mit der Komposition Barbaris eine gewisse, wenn auch sehr
entfernte Verwandtschaft zeigt von Dürer selbständig erfunden und aus seiner Nach-
zeichnung nach dem Apoll von Belvedere in der Sammlung Poynter (L. 179) heraus
entwickelt sei. Diese Zeichnung habe Dürer auch für die Apollo-Zeichnung im Brit.
Mus. (L. 233) benutzt.1) Barbari habe seinen Apoll nach einer vorauszusetzenden Zeich-
nung Dürers, einem Zwischengliede zwischen der Poynter-Zeichnung und dem Stich,
geschaffen. Für den Apoll der Brit. Mus.-Zeichnung (L. 233) darf gewiß zugegeben
werden, daß er auf Grund der Poynter-Zeichnung des Apoll von Belvedere hergestellt
ist. Es bleibt dann aber die auffallende Tatsache bestehen, daß auf dem Blatt des
Brit. Mus. und auf Barbaris Stich eine vom Rücken gesehene nackte Frau, Diana, dar-
gestellt ist, bei Dürer nur der Rumpf, während der Kopf fortgelassen oder wenigstens
nur ganz flüchtig angedeutet ist. Barbari hat den Vorgang so motiviert, daß Apoll
als Sonnengott, von einer Strahlenglorie umflossen, Bogen schießend über die Himmels-
kugel wandelt, hinter welcher die Mondgöttin Diana eben im Begriff ist zu verschwinden
und nur noch in halber Figur zu sehen ist. Dürer hat den Vorgang weit realistischer
l) Mitteilgn. zu d. Graphischen Künsten 1902, N. 2, S. 25.
'-) Ich behandle den nicht mehr in die uns beschäftigende Epoche fallenden Stich ausführlicher
wegen seiner Beziehungen zu früheren Zeichnungen.
:i) Repertor. f. K. XXI, 1898, S. 447.
') Uber die anderweitige Verwendung der Poynter-Zeichnung, die für unser« Zusammenhang
hier belanglos ist, vgl. Justi a. a. O. S. 450.
56
ausgedeutet: Apollo, der in der Linken die Sonnenscheibe trägt,1) steht auf der Erde
in einer leicht skizzierten Landschaft; Diana sitzt auf dem Boden und sucht sich mit
erhobenen Händen gegen die Sonnenstrahlen zu schützen. Es ergibt sich also das
merkwürdige Resultat, daß auf der Londoner Zeichnung Diana (vom Rücken gesehen)
im Motiv mit Barbaris Diana verwandt, während der Apoll ganz anders gebildet ist,
daß auf dem Stich Apoll dem Motiv nach (bogenschießend) wenigstens ganz äußerlich
Barbaris Apollo nahekommt, die Diana dagegen neu erfunden ist. Da wohl nicht
anzunehmen ist, jeder von beiden hätte selbständig von sich aus eine vom Rücken
gesehene nackte Diana erdacht, so muß man, will man an Justis Hypothese festhalten,
voraussetzen, die von ihm supponierte Zeichnung Dürers, die Barbari als Vorbild ge-
dient haben soll, müsse auch eine solche Diana wie auf der Londoner Zeichnung
enthalten haben, auf die wir uns berufen müssen, da wir von jener Justischen Zeichnung
nichts wissen. Dürer käme also die Erfindung der nackten, vom Rücken gesehenen
Diana zu. Das hat aber sehr wenig Wahrscheinlichkeit für sich. Denn bei Barbari
ist die Stellung der Diana motiviert. Sie ist vor Apollo ihre Bahn gewandelt und
sinkt nun hinter die Halbkugel hinab. Dabei war es ganz natürlich ihren Rücken zu
zeigen. Bei Dürer sitzt sie neben Apoll auf dem Erdboden. Einen inhaltlichen Grund
für die Rückenstellung gibt es nicht.-) Auf der sonst sehr sorgfältigen, für den Stich
fertig vorbereiteten Zeichnung fehlt der Kopf der Diana oder ist wenigstens nur ganz
vage angedeutet. Vermutlich ist die Sachlage die gewesen, daß Dürer mit diesem
Kopf aus irgend einem Grunde nicht zurechtkam, daß ihm das ganze Motiv nicht
mehr zusagte, und daß er deshalb die Vorzeichnung für den Stich verwarf. — Die von
Justi für die Priorität der Dürerschen Apollofigur geltend gemachten Gründe sind nicht
stichhaltig genug, um die Frage in seinem Sinne zu entscheiden.
Einfach, und mit dem, was wir über Dürers Jugendschaffen wissen, vereinbar
stellt sich der Vorgang folgendermaßen dar: Dürer wollte eine Szene „Apoll und
Diana" bilden. Für die allgemeine Situation lieferte ihm Barbaris Stich das Material.
Er behielt deshalb den nach rechts gewandten, stehenden Apoll und die vom
Rücken gesehene Halbfigur der Diana auf der Londoner Zeichnung bei; im übrigen
veränderte er die Figuren im einzelnen, und zwar den Apoll auf Grund der Studie
nach der Antike. Ein solches Vorgehen von seiten Dürers entspricht durchaus dem
Verfahren, wie wir es an einer Reihe von Beispielen festzustellen versuchten. Und
es ist wirklich nicht einzusehen, warum man sich gerade hier sträuben soll, das rein
Gegenständliche der Dürerschen Anordnung von einer Benutzung des Barbarischen
Stiches herzuleiten, wo wir doch Dürer bei seinen Mythologieen fast regelmäßig aus
italienischen Quellen schöpfen sehen. Nachdem die Londoner Zeichnung nicht
zur Ausführung gekommen war, machte sich Dürer später nochmals an den Vorwurf.
Der Kupferstich B. 68 kam zustande, auf dem nun Apollo wie auf Barbaris Stich
auch bogenschießend (im gleichen Sinn) dargestellt, Diana völlig abweichend von
der Barbaris neu erfunden wurde, so daß jetzt an eine direkte Beziehung zwischen
Dürers und Barbaris Stich gar nicht mehr zu denken ist.
') Dieses Motiv kommt auch auf der Poynterschen Zeichnung des Apoll von Belvedere vor
und zeugt dafür, daß Dürer jedenfalls eine Nachzeichnung der italienischen Renaissance nach der Antike
benutzt hat. Denn der die Sonne in der Hand haltende Gott ist ein quattrocentistisches Motiv. So tritt
er z. B. auf dem Triumph Apollos in den Fresken des Palazzo Schifanoja auf.
2) Auf dem Stich hat Dürer dann auch die Diana umgekehrt.
57
Bei anderen Dürerschen Stichen, die von Thausing in die Barbari-Frage hin-^
eingezogen worden sind, der Satyrfamilie B. 69 und der Türkenfamilie B. 85, sind die
Berührungspunkte mit den damit in Verbindung gebrachten Stichen Barbaris, Satyr-
familie Kr. 19 für B. 69, Spinnerin Kr. 16 und Mann mit der Wiege Kr. 17 für B. 85,
so lose, daß sie eigentlich gar nicht in Betracht kommen1).
Bei dieser Gelegenheit sei noch bemerkt, daß alle die Werke Barbaris, die wir
zu Arbeiten Dürers in Beziehung stehend erkannten, in seine frühere „italienische"
Periode zu setzen sind2). Gewiß ein nicht zu unterschätzendes Argument gegen die
Justische Annahme einer Beeinflussung Barbaris durch Dürer.
Aus unseren Betrachtungen gewinnen wir folgende Ergebnisse für Dürers
mythologische Darstellungen. Mit der Art, wie man an antike Stoffe bisher in seiner
Heimat heranzutreten gewohnt war, hat er völlig gebrochen. Seit 1494 pflegt er das
mythologische Genre unter Führung der Italiener. Durch die Antike ist er jedenfalls
nicht unmittelbar beeinflußt worden, sondern mit ihr nur durch Vermittlung der
Quattrocento-Kunst in Berührung getreten. Stofflich und formal hat er sich, wie wir
gesehen haben, an italienische Muster angeschlossen, je nach den Umständen in ver-
schiedenem Maße. Durch die klassische Romantik der Renaissance ist seine künstlerische
Vorstellungsweise angeregt worden.
Das hat schon Herman Grimm empfunden, indem er davon spricht, daß Dürer
unter dem Einfluß der italienischen Romantik stand3). Und Rob. Vischer bemerkte:
„Sehr empfänglich und doch auch wieder eigenmächtig verhält er sich zur antiken
Stoffwelt und jener romantisierenden Umbildung derselben durch die Literatur und
Kunst der italienischen Renaissance"4).
Auf dieser Grundlage hat er der deutschen Kunst eine ganz neue Art des
mythologischen Genres erschlossen. Die germanische Phantasie hat hier zuerst mit
den klassischen Gestalten ein romantisches Spiel in künstlerischen Formen getrieben;
ein Spiel, wie es zur Zeit unserer großen Dichtung unter gänzlich veränderten Be-
dingungen wieder aufgenommen wurde, etwa von Goethe in einigen Partieen des Faust.
Es erübrigt nun noch mit einem kurzen Wort zu berühren, in welcher Weise
Dürers Phantasie nach der formalen Seite auch bei anderen als mythologischen
Stoffen durch die italienische Kunst beeinflußt worden ist. Tiefgehend ist ein
solcher Einfluß bei einer so starken Persönlichkeit wie Dürer nicht gewesen. Es
handelt sich im Wesentlichen um ein vereinzeltes Übernehmen von italienischen Motiven,
für die er sich gerade interessiert und die er in seinen Studienmappen gesammelt
hatte, ohne daß seine Eigenart dadurch irgendwie beeinträchtigt wurde. An einem Vor-
wurf aus dem religiösen Stoffgebiet, bei dem vorwiegend formale Probleme eine Rolle
spielen, dem Madonnenbild, mag das rasch erläutert werden.
Für die Madonna des Dresdener Altars hat Ludwig Justi "') mit überzeugen-
den Gründen ein italienisches Vorbild der Bellinesken Richtung wahrscheinlich gemacht
und auch für Teile ihrer Umgebung die Zusammenhänge mit Gepflogenheiten der
R. S. Köhler a. a. O. S. 22: It is impossible to escape the conviction that this is an
exceedingly far-fetched hypothesis.
2) Apoll und Diana halte ich im Gegensatz zu Kristeller auch der früheren Gruppe der
Stiche für näherstehend.
3) Jahrb. der kgl. preuß. Kunstsammlgn. II, S. 189.
4) A. a. O. S. 194.
5) Dürers Dresdener Altar, Leipzig, E. A. Seemann 1904, S. 24.
58
paduanisch -venezianischen Kunst klargelegt. Beobachtungen, die ohne weiteres auf
Zustimmung rechnen dürfen. Die für die deutsche Kunst ungewöhnliche Madonnen-
komposition kann nur von Italien her inspiriert sein. Es ist bezeichnend für Dürers
Schaffensweise in den neunziger Jahren, wie er sich mit dem fremden Element abge-
funden und es in seiner Weise verwendet hat. Auch die gekreuzten Daumen der
Maria, an denen Wölfflin1) Anstoß nimmt,
erklären sich leicht durch Beibehalten
eines italienischen Motivs. So finden
sie sich z. B. an den gefalteten Händen
der Stifterin auf Barbaris Bild im Berliner
Museum. Für die Engelkinder des Mittel-
bildes sei noch auf die Verwandtschaft
in der Formgebung mit den Putten auf
Dürers Zeichnung nach der Tarokkarte
der Beredsamkeit verwiesen. Wie die
Muskeln und Gelenke artikuliert sind,
darin zeigt sich ein Eingehen auf padua-
anische Schulgewohnheiten.
Die Madonna auf dem Stich mit
der Meerkatze ist ihrer kompositio-
neilen Anlage nach jedenfalls auch auf
einen italienischen Eindruck zurückzu-
führen. Sie scheint auf einem formalen
Typus der Gruppe der Maria mit dem
Kinde zu beruhen, wie er in Verrocchios
Werkstatt entstanden und dann später in
Lionardos Atelier weitergebildet worden
ist. Die kontrapostische Haltung des
Kindes sowie die Körperformation bei
Dürer entspricht dem Bambino auf Lo-
renzo di Credis Altar der Madonna mit
Johannes dem Täufer und dem hl. Zeno
im Dom von Pistoja (Abb. 23, 24). Ver-
23. Dürer. Madonna mit der Meerkatze. wandt ist der Christusknabe auf Bol-
traffios Halbfigurenbild der Madonna in
der Sammlung Salting in London2). Und hier stützt wie auf Dürers Stich Maria sich
mit der einen Hand auf ein Buch - ein in dieser modellmäßigen Positur für die
deutsche Kunst ungewöhnliches Motiv. '') Der vornehme Halsausschnitt des Gewandes
der Dürerschen Maria berührt gleichfalls italienisch.4)
l) Dresdener Jahrbuch 1905, S. 21.
'-') Abgebildet: L'Arte Anno VII 1904, S. 499. Ähnlich auch die Haltung des Christuskindes auf
verschiedenen Altarbildern Marco d'Oggiono's. Abgeb. L'Arte VIII, 1905, Fase. VI, Frizzoni: La Pala
di Marco d'Oggiono nella Chiesa Parrocchiale di Besäte.
') Auch Bai baris Maria auf der Madonnenkompositiou Kr. 6 posiert mit der das Buch auf die
Bank stützenden Hand in ähnlicher Weise.
') Ihren Kopftypus will Harck von dem der nackten Frau der Uffizien-Zeichnung abgeleitet
wissen. Mitteilgn. des Inst. f. österr. Gesch. - Forschg. 1S80, S. 000.
j
59
Von demselben Vorbild sind auch die Madonna mit den vielen Tieren
(Zeichnung der Albertina, L 460) und der Entwurf dafür (Slg. Blasius, L. 134) abhängig.
Und zwar glaube ich, daß diese beiden Zeichnungen nach dem Stich entstanden sind.1)
Der Stich entwickelt sich viel unmittelbarer aus dem südlichen Original und schließt
sich enger an die italienische Formauffassung an. Bei den Zeichnungen ist die Anlage
freier; das fremde Vorbild klingt nur noch leise
in der Erinnerung nach. Wie er das Gewand
breitflächiger behandelt, die Kniee nicht so
heraustreibt, sowie die zeichnerische Technik,
alles spricht für eine spätere Entstehung und
weist schon auf die Madonnen der Londoner
Zeichnung (L. 229) und des Stiches B. 34, beide
von 1503. Während die Meerkatzen -Madonna
um 1499 entstanden sein wird, fallen die Zeich-
nungen gewiß nach 1500.
Nachdem versucht worden ist, die nach-
weisbaren Berührungen Dürers mit der Kunst
Italiens, welche die erste italienische Reise,
wie mir scheint, nahezu zur Gewißheit erheben,
zusammenzustellen, schließt sich daran die
zweite viel diskutierte Frage, ob Jacopo de'
Barbari, der nach Dürers eigenen Aufzeichnungen
eine gewisse Rolle für ihn spielte, ihm schon in
den neunziger Jahren begegnet sein wird. Daß
er durch Barbaris Kunst nicht etwa ausschließ-
lich oder auch nur hauptsächlich beeinflusst
wurde, ergibt sich ohne weiteres aus dem Vor-
hergehenden. Daß er aber in seiner Entwick-
lungszeit gar keine Anregungen von sehen Bar-
baris empfangen haben soll, was neuerdings
von L. Justi vertreten worden ist, widerspricht
den Eindrücken, die sich mir aufgedrängt haben.
Barbari besaß die Eigenschaften, die
Dürer an der italienischen Kunst besonders 24. Lorenzo de Credi. Altarbild. Pistoja, Dom.
schätzte und um die er sich bemühte. Er pflegte Ausschnitt,
das mythologische Genre und bildete nackte
menschliche Körper. Auf Beziehungen [zwischen Werken beider nach der Seite des
Stofflichen und Formalen ist für einzelne Fälle hingewiesen worden.
Aus den Äußerungen über Barbari aus Dürers eigener Feder in seinem schrift-
lichen Nachlaß geht Folgendes hervor: Barbari, „ein lieblicher Moler", wies ihm „Mann
und Weib, die er aus der Maß gemacht hätt", d. h. er zeigte ihm Aktzeichnungen, die
nach bestimmten Proportionen angelegt sein sollten. Dürer bemühte sich dem auf
den Grund zu kommen, „wie man solch Ding zu Wegen bringen möcht". Aber Bar-
bari verheimlichte es vor ihm, und das geschah zu einer Zeit, als Dürer jung war.
') Umgekehrt L. Justi, Monatshefte f. kunstwissenschaftl. Litt. Berlin 1905, S. 34.
60
Nachher forschte Dürer von sich aus weiter und nahm sich dazu den Vitruv, „der
schreibt ein wenig von der Gliedmaß eines Manns. Also aus den zwei obgenannten
hab ich dornoch aus eignem Furnehmen gesucht."
Klar und deutlich spricht Dürer hier und an einer anderen ähnlich lautenden
Stelle1) aus, daß er von Barbari die Anregung zu Aktstudien nach bestimmten Propor-
tionsgesetzen erhalten habe. Für Dürer hat L. Justi solche nach einem Proportions-
schema konstruierten Aktzeichnungen seit dem Jahre 1501 nachweisen können. Barbari
hat seine nackten Figuren nicht konstruiert. Damit verbietet sich die Annahme, Dürer
könnte sein Proportionsschema von diesen ohne weiteres hergeleitet haben. Justi hat
vielmehr erwiesen, daß er sich im Anschluß an Vitruv selbst ein Proportionsschema
geschaffen hat. Und das entspricht auch Dürers eigenen Äußerungen. Von Barbari
sei er nur dazu angeregt worden überhaupt zu konstruieren und dem seine Aufmerk-
samkeit zuzuwenden.
Können also Barbaris unkonstruierte Akte nicht als Vorlagen für seine Propor-
tionsstudien gedient und als etwas für ihn Neues die unmittelbare Veranlassung für
den Beginn seines Konstruierens gebildet haben, so brauchen ihm solche doch auch
nicht erst, eben bevor er selbst sein neugefundenes Proportionsschema anwendet, zu
Gesicht gekommen sein, wie Justi voraussetzt, der mit dem Auftreten Barbaris in Nürn-
berg am Anfang des neuen Jahrhunderts das Bekanntwerden Dürers mit dessen
Aktzeichnungen zusammenfallen läßt. Er kann sehr wohl Barbaris nackte Figuren
gekannt und sich mit ihnen beschäftigt haben, ehe er auf die Suche nach einem Pro-
portionsschema für den menschlichen Körper ausging. Nichts spräche dagegen, daß
er schon Mitte der neunziger Jahre in Venedig Akte Barbaris (etwa in der Art einer
Vorlage für die stehende Frau der Uffizien) oder Zeichnungen von ihm nach der
Antike kennen lernte und nachahmte.
Und warum sollte Barbari, der Beziehungen zu Deutschland und Nürnberg
unterhielt, nicht für den jungen Dürer in Italien eine Art Mentor gewesen sein? Aus
Mantegna und Pollajuolo allein ist doch die ganze klassische Romantik Dürers vor
1500 nicht zu erklären.
Entschließt man sich überhaupt dazu einen künstlerischen Einfluß Barbaris
auf Dürer zuzugestehen, so kann ein solcher der Hauptsache nach nur in den neun-
ziger Jahren stattgefunden haben. Denn nach 1500 tritt das Barbaresk-ltalienisierende
in seinem Schaffen nicht etwa plötzlich oder mit besonderer Stärke auf. Seine italie-
nisierenden Bestrebungen setzen sich nach dem Anfang des 16. Jahrhunderts einfach
fort ohne einen erkennbaren neuen künstlerischen Anstoß. Der von Thausing
für die Jahre 1501 — 1504 konstruierte „Wettstreit mit Barbari" ist unhaltbar.
Das neue Moment, das sich zu dieser Zeit geltend macht, ein exakt-wissen-
schaftliches Sichbemühen um ein Proportionsschema für den menschlichen Körper,
kann, wie wir sahen, nicht einfach auf ein Bekanntwerden mit Barbaris Kunst zurück-
geführt werden, nicht von Barbaris künstlerischen Resultaten, wie sie uns erhalten sind,
seinen Ausgang genommen haben.'2) Der Verkehr zwischen beiden seit Barbaris An-
l) Lange-Fuhse S. 342—343.
-') Wie man sich die Anregung Dürers durch Barbari zu Proportionsstudien vorzustellen hat,
ist überhaupt unklar. Vielleicht hat Barbari entweder ein Proportionsstudienheft eines anderen Künstlers
in seinem Besitz gehabt oder sich aber selbst ein solches nach fremdem Muster kopiert, ohne es für
seine eigenen Arbeiten zu verwerten.
61
Siedlung in Nürnberg hat also die italienischen Reminiszenzen Dürers höchstens wieder
aufgefrischt, von neuem in Fluß gebracht und nach der einen oder anderen Seite An-
regungen geboten.1)
Auf Grund solcher Erwägungen mag man dann die Stelle in dem Brief an
Pirckheimer von der zweiten italienischen Reise getrost auf Barbari beziehen. Pirck-
heimer war doch auch kein Seher und Gedankenleser und mußte sich unter dem
„Ding das mir vor eilf Joren so wol hat gefallen" irgend etwas vorstellen können.
Was — das kann nur der Zusammenhang in den gewiß recht salopp vorgebrachten
Äußerungen ergeben. Da plaudert nun Dürer von seinen Freundschaften und Feind-
schaften in Venedig, erzählt von Giovanni Bellini, er sei sehr alt und noch der best
im Gemäl. Darauf folgt die Stelle: „Und das Ding, das mir vor eilf Joren so wol hat
gefallen, das gefällt mir itz nüt mer. Und wenn ichs nit selbs säch, so hätt ichs keinem
Anderen gelaubt." Und dann fährt er fort: „Auch laß ich Euch wissen, daß viel
besser Moler hie sind weder daussen Meister Jacob ist." Auf das Vorhergehende
(Bellini) kann sich „das Ding" nicht beziehen, muß also wohl mit dem nachfolgenden
Barbari-Passus in irgend einem gedanklichen Zusammenhang stehen. Und das ergibt
einen Sinn, sobald man die Hauptanregung durch Barbari nicht, wie Thausing, in die
eben verflossenen Jahre 1501 — 1504 setzt, sondern in die Mitte der neunziger Jahre.
Es würde dann heißen: Was ich vor elf Jahren an Barbari (und den anderen Italienern)
hier bewundert habe, macht jetzt keinen Eindruck mehr auf mich. Das ist für mich
ein überwundener Standpunkt. Und das konnte Dürer in der Tat damals sagen.
Figuren, wie Barbari sie uns hinterlassen hat, hatte er auf Grund seiner eigenen
Proportionsstudien und eines nach dem Anfang des 16. Jahrhunderts anhebenden
eifrigen Modellstudiums weit überholt. Den Geschmack an den Mythologieen klassisch-
romantischen Genres hatte er verloren. Das bildete, nach dem Material von ihm er-
haltener Arbeiten zu schließen, während der zweiten venezianischen Reise für ihn
keinen Anziehungspunkt mehr. Er war damals für anderes gestimmt und scheint für
die antikisierende Phantastik keinen Sinn mehr gehabt zu haben. Etwas dergleichen
dürfen wir vielleicht auch aus der bekannten Stelle in dem Venezianischen Brief an
Pirckheimer vom 18. Aug. 1506 herauslesen: „Item der Historien halben sieh ich nix
Besunders, das die Walchen machen, das sunders lustig in Euer Studiren war. Es
ist umer das und das ein. Ihr wißt selber mehr weder sie molen." Er wird
sich damals wohl auch nicht sehr darum bemüht haben. Das klingt recht verdrossen.
Jedenfalls spielt das mythologische Genre in der Weise, wie er es im Anschluß
an die Italiener gepflegt hatte, keine Rolle mehr in der Zeit der Reife. Er sah später
selbst als bezeichnend für seine Jugend an, daß er ungeheuerliche und ungewöhnliche
Gestalten geliebt habe (se adolescentem in pingendo amasse monstrosas et inusitatas
figuras).'2) Das war eine Episode der Sturm- und Drangzeit.
1) Daß Dürer damals von Barbari die Perspektive gelernt haben soll, dafür gibt es gar
keine Beweise.
-) Als Ausspruch Dürers in einem Brief Melanchthons an Hardenberg. Thausing II, 285. Die
Antithese der Naturbetrachtung hier ebenso wie in dem Brief an Georg von Anhalt. Vgl. Schluß der
dritten Studie.
III.
Dürers Sturm- und Drangzeit.
us der Gesamtheit der Werke, die Dürer in den seiner Wanderschaft folgenden
Jahren geschaffen hat, gewinnt man den Eindruck: nichts Abgeschlossenes, in
sich Abgerundetes ist es gewesen, was er von der italienischen Kunst in sich
aufnahm; es waren nur Bruchstücke. Mit Bestimmtheit zu formulieren, was er der ersten
italienischen Reise zu verdanken hat, ist deshalb schwer, weil er zu einer Zeit nach dem
Süden ging, als er im Anfangsstadium seiner Entwicklung stand und noch keins
seiner großen Werke geschaffen hatte, so daß es keinen Maßstab dafür gibt, wie er
geworden wäre, hätte er Italien nicht gesehen. Sein innerstes Wesen hat er jedenfalls
nicht verändert, und die Bekanntschaft mit dem Süden hat nicht in dem Maße um-
gestaltend auf seine Phantasie und Formanschauung gewirkt wie bei den deutschen
und niederländischen Italienfahrern des 16. Jahrhunderts. Als Gotiker ist er aus-
gezogen, und noch von spätgotischem Stilgefühl beherrscht, kehrt er zurück.
Gewiß kam durch seine Verbindung mit Italien ein größerer Zug in seine Kunst.
Alles wächst an Dimension und Ausdruck. Und die neuen Eindrücke trugen gewiß
dazu bei, daß er aus der beschränkten Spießbürgerlichkeit, in der die heimische Nürn-
berger Malerei befangen war, herausgerissen wurde. Nach seiner Rückkehr ergeht er
sich gern in großen Formaten. Es entstehen die umfangreichen, machtvollen Holz-
schnitte der neunziger Jahre.
Technische Errungenschaften mag er gleichfalls mit heimgebracht haben, wie
das Malen mit Leimfarben auf Leinwand. Er hat diese Methode, die in der Padua-
nischen Schule gebräuchlich, in Deutschland aber damals noch nicht verbreitet war,
bei dem Mittelbild des Dresdener Altars und dem Bildnis Friedrichs des Weisen in
Berlin angewandt.
Der schönen Form und dem Linienschwung der italienischen Kunst gegen-
über hat er sich, wenn auch nicht ganz, so doch im Grunde ablehnend verhalten. In
welcher Weise er auch nach dieser Richtung Anregungen aufnahm und verwertete,
ist in der vorigen Studie an einigen Fällen erwiesen worden.
Der Meister, der ihn vor allen angezogen haben muß, war Mantegna. Eine
Berührung mit der auf das Erhaben-Ausdrucksvolle, Pathetisch-Großartige gerichteten
Seite seiner Kunst mochte bei Dürer etwas wecken, was schon längst in seiner eigenen
Natur schlummerte, dessen Verwirklichungsmöglichkeit und Verwertbarkeit er sich aber
63
noch nicht voll bewußt geworden war. Dort trat ihm eine Steigerung der mensch-
lichen Persönlichkeit entgegen, welche die deutsche Kunst nicht kannte. In der
Apokalypse zeigt sich, wie das Pathos Mantegnas auf ihn gewirkt hat. Etwas Ge-
waltiges, oft sogar Gewaltsames kommt nach der italienischen Reise in seine Kunst.
Wir sahen dann, in welchem Maße ihm das echt italienische Vergnügen an
dem Gliederbau nackter Körper durch Eindrücke des Südens aufging. Hier kreuzten
sich Einflüsse Mantegnas mit solchen Pollajuolos, Barbaris und wohl noch anderer
Meister, so daß für uns im ganzen nur eine allgemein-italienische Beeinflussung zu
bemerken ist. Den nackten Körper in italienischem Sinne nach seiner Anatomie, Musku-
latur und Ponderation von sich aus wirklich zu beherrschen, das hat Dürer damals
nicht gelernt. Er übernahm vom Süden eine leidenschaftliche, aber zum Teil recht
unglückliche Liebe zum Nackten in Verbindung mit mythologisch-novellistischen
Stoffen — , aber er wußte das Nackte noch nicht zu organisieren und greift deshalb
verschiedentlich auf seine italienischen Vorbilder zurück. Das Nackte bildete ein
Problem für ihn, das aufgestellt war und energisch hin und her erwogen wurde,
aber in den neunziger Jahren noch nicht einer endgültigen Lösung entgegengeführt
werden konnte.
Endlich läßt sich hie und da ein Eingehen auf italienisches Sentimento bei Dürer
beobachten. Jenes Elegische im Gefühlsausdruck, das gewissen italienischen Köpfen
eigen ist, kommt bei ihm zuweilen vor, bei mythologischen und genrehaften Darstellun-
gen. Es gibt weibliche Idealköpfe von ihm, die in der damaligen deutschen Kunst
ganz für sich dastehen, denen er etwas Sentimental-Heroisches ins Antlitz zu legen
sich bemüht hat. Sie können nicht unmittelbar germanischen Vorstellungskreisen ent-
sprungen sein. Der Ausdruck des Heroischen als eines besonderen Typus wird durch
ihn überhaupt erst der deutschen Kunst vermittelt.
Weit bedeutungsvoller aber als alles Italienisierende ist für seine Kunst, was
sich aus seiner eigenen Natur heraus entwickelt hat.
Eine Seite seiner Begabung ist augenscheinlich auf der Reise nach Italien so
recht zur Entfaltung gekommen und durch die Wanderung über die Alpen gefördert
worden: die Darstellung der Landschaft.
Wir haben keine selbständige Landschaftsstudie, die vor der ersten italienischen
Reise entstanden sein könnte. Die landschaftlichen Szenerieen auf Arbeiten der
Wanderschaft weisen Elemente auf, die dem Motivenschatz der früheren deutschen
Kunst entnommen sind, neben Objekten, die der Künstler selbst beobachtet und seiner
Beobachtung gemäß dann aus dem Gedächtnis reproduziert hat. Diese Landschaften
sind also komponierte Phantasiegebilde, die mit der Tendenz möglichst natürlich zu
erscheinen auftreten. Für jede Art von Stoffen werden solche echt deutsch anmutenden
Szenerieen verwandt. (Vgl. die ähnlich konstruierten Landschaften auf der Madonna-
Rodrigues in Berlin und der Europa-Zeichnung der Albertina.)
Auf dem Gebiete der Landschaft ist Dürer Einflüssen italienischer Meister gar
nicht zugänglich gewesen. Den phantastischen Elementen gegenüber, wie sie etwa
paduanische oder andere oberitalienische Landschaften enthalten, hat er sich durchweg
ablehnend verhalten. Im Landschaftichen waren es dann gerade die Italiener, die
seine Werke nach den verschiedensten Richtungen ausbeuteten. Bezeichnend für
seine Art ist es schon, wie er die Szenerie des von ihm kopierten italienischen
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Orpheus-Stiches (1494) umgearbeitet hat.1) Mit ein paar Strichen fügt er eins der ihm
so leicht von der Hand gehenden, ganz deutsch anmutenden Landschaftsbilder auf der
linken Seite ein.
Auf der Reise über die Alpen wurde er — zuerst für uns sichtbar — durch
landschaftliche Eindrücke so gefangen genommen, daß er Örtlichkeiten, wie sie ihm
von einem bestimmten Standpunkt aus erschienen, aufnahm, und daraus teils mit der
Feder angelegte Zeichnungen, teils sorgfältig ausgeführte Wasserfarbenmalereien schuf.
Dürer ist damit der Schöpfer der eigentlichen Vedute in der deutschen Kunst geworden.
Durch keine niederländische Anschauungsweise, wie wir sie bei dem Meister des
Peringsdörfferschen Altars noch antrafen, ist sein Blick der Natur gegenüber beein-
trächtigt. Er sieht nur mit eigenen Augen.
Es dürfte heute kaum noch Widerspruch finden, daß die Tiroler Land-
schaftsstudien in den neunziger Jahren entstanden sind: Innsbruck, Trient, Venediger
Klause usw. Aus ihnen hat Haendcke'2) auch bestimmte Argumente beizubringen ge-
sucht, die beweisen sollen, daß Dürer vor der venezianischen Reise i. J. 1505 schon
einmal den Brenner überschritten haben müsse. An zweifellos früher entstandenen
Arbeiten weist er Tiroler Reminiszenzen nach. Die Landschaft auf dem „großen Glück"
soll das Städtchen Klausen an der Brennerstraße darstellen, und das trifft gewiß zu.
Die schwalbenschwanzförmigen Zinnen an der Burg auf der Wasserfarbenmalerei des
Louvre (L. 301), die auf dem Stich des hl. Eustachius wiederkehrt,') könne Dürer nur
in Tirol oder Italien gesehen haben. Überzeugend ist die Beobachtung, daß ein Teil
der Ansicht von Trient (Bremen, L. 109) im Hintergrund der sicherlich um 1500 ent-
standenen allegorischen Zeichnung (Pupila Augusta) in Windsor (L. 389) vorkommt.4)
Die Landschaftsbilder aus Tirol und die mit ihnen im Zusammenhang zu
denkenden zeichnen sich durch Frische der Naturbeobachtung, durch einfache, schlichte
Anschaulichkeit und Sachlichkeit aus. Der Künstler tritt mit naivem Sinn an die
Objekte der Natur heran und bemüht sich sie getreu zu reproduzieren, so wie er sie
sieht. Seine Darstellungsweise sucht er aus dem Augenschein heraus zu entwickeln
unter möglichster Vermeidung von konventionellen, nur aus der Tradition geschöpften
Formen. Er legt sich einen künstlerisch wirksamen Naturausschnitt zurecht, und er
ist einer der ersten, der den Blick auf das Ganze solch eines Naturausschnitts zu
richten weiß, ohne am einzelnen hängen zu bleiben, wie die meisten seiner Vorgänger.
Mit seinem Auge umfaßt er mehr als diese und läßt sich auf jene alte, durchgehends
miniaturartig-detaillierende Wiedergabe nicht mehr ein. Seine Veduten gliedert er
schon nach Massen und verleiht seiner Bühne eine einheitliche Richtung nach der
Tiefe, wie auf der Ansicht von Trient (L. 109).
Koloristisch beschreitet er in den Wasserfarbenmalereien neue Bahnen.
1) Vgl. oben S. 36.
2) Die Chronologie der Landschaften A. Dürers. Straßburg, 180Q.
!i) Daß die Partie mit der Burg sich auf dem Eustachius in gleichem Sinne findet, ist noch
kein Grund die Pariser Zeichnung anzuzweifeln, wie L. Justi es tut. Repertorium f. K. XXVI, 1903, S. 457 A. 7.
Wie weiter unten gezeigt wird, hat Dürer auch ein Stück einer anderen Landschaftszeichnung in eine
graphische Arbeit im gleichen Sinne übernommen. Bedenklicher stimmen gegen die Pariser Zeichnung
allerdings die unteren Ausschnitte, auf die Justi hinweist.
4) Vgl. oben S. 55. Bekanntlich ist die Szenerie dann wieder für den Kupferstich des hl. An-
tonius 1519 (B. 58) benutzt worden.
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Er hat auch kleinere Ausschnitte von Naturszenerieen geschaffen, um sich der
Struktur einer bestimmten ihn interessierenden Örtlichkeit zu bemächtigen.
Im unmittelbaren Verkehr mit der Natur kennt er keine sentimentale Anwand-
lung. Er bezweckt objektive Abbilder, keine Stimmungsbilder.
Für die Hochgebirgsnatur hatte er eine besondere Vorliebe; und die übertrug
sich auf seine Schüler und Nachfolger. Höhenzüge mit schneebedeckten Gipfeln
werden seit 1500 in Oberdeutschland allgemein gern verwendet.
Die meisten Gemälde des jungen Dürer enthalten Gebirgsszenerieen, sowohl
Porträts (Selbstbildnis von 1498, Tucher-Porträts in Weimar und Cassel), wie andere
Bilder (Beweinung, München; Anbetung der Könige, Uffizien); auch eine ganze Anzahl
graphischer Blätter. Ein besonders großartig zusammengefaßter Hochgebirgsaus-
schnitt von intensiver Wirkung auf dem Madrider Selbstporträt. Solche Bergreihen
schließen den Hintergrund mit stark bewegten, energischen Linien ab, und das
liebte Dürer.
In welcher Weise er aus den Landschaftsstudien, die er sich gesammelt hat,
für seine Werke Motive schöpft, läßt sich an verschiedenen Beispielen verfolgen. Die
Verwertung von Tiroler Veduten wurde schon vorhin erwähnt.
Obwohl er der erste ist, der eine Landschaftsstudie als Ganzes um ihrer selbst
willen geschaffen hat, übernimmt er eine solche doch nicht in ihrer Totalität in das
Werk, in dem sie Verwendung finden soll, sondern er schneidet sich einzelne Stücke
heraus und versetzt Teile, wie es ihm gerade für sein Bild zweckdienlich erscheint.
Aus einzelnen Partieen der Vorlage oder verschiedener Vorlagen konstruiert er sich
ein neues Ganzes, je nach seinen formalen und dekorativen Absichten. Der Begriff
der Landschaftsstudie als eines Stimmungganzen, dessen Grundelement zu wahren
ist, wie ihn die moderne Kunst kennt, existiert für ihn nicht. Die Art seines Vor-
gehens wird deutlich bei einem Vergleich der Landschaft der Meerkatzen -Madonna
mit ihrer Vorlage, der Londoner Wasserfarbenzeichnung des Weiherhäuschens,
worauf schon von L. Justi für diesen Fall verwiesen worden ist.1) Die mit dem
Londoner Blatt vorgenommenen Verschiebungen und Veränderungen sind sehr merk-
würdig, z. B., wie er die langen Grasbüschel, die hier auf der rechten Seite am Wasser
stehen, im Stich aus der Rasenbank der Maria hervorwachsen läßt. Was er im
übrigen hinzugesetzt, was er fortgelassen und verändert hat, ist ja leicht weiterzuführen.
In einen anderen, für die Beziehung zwischen Entwurf und ausgeführtem
Werk interessanten Fall gewährt die Erlanger Zeichnung (L 431) Einblick: Eine Ge-
birgslandschaft mit zackigen Felsen und einem See. Offenbar ein Phantasieprodukt,
keine unmittelbare Naturstudie, als die Haendcke (S. 6) sie hinstellt. Die Mitte mit dem
eingesattelten Berg und den übereinander gereihten Höhenzügen findet sich im gleichen
Sinn als Mittelstück des Hintergrundes auf dem Holzschnitt der Heimsuchung im
Marieenleben wieder.'2) Aber die Wasserpartie ist fortgelassen, und stattdessen eine
Szenerie in der Art der Tiroler Felsenburgen vor jene Berge gesetzt. Auch hier
stehen wir vor jenem schon von L. Justi gekennzeichneten Prozeß des Zusammen-
stückens landschaftlicher Gründe aus verschiedenen heterogenen Bestandteilen. Das
x) Repertorium f. K. XXVI 1903, S. 467.
-) Auf dem Entwurf zu diesem Holzschnitt in der Albertina (L. 473) kommt diese Partie noch
nicht vor. Da ist eine Landschaft nur ganz flüchtig aus dem Kopf mit ein paar Strichen hingeworfen.
5
66
Umsetzen einer Vorlage im Gegensinn machte Dürer gewiß nicht die geringste
Schwierigkeit. Er, der gewiegte Graphiker, besaß darin offenbar eine solche Leichtig-
keit und Raschheit, von der sich der Laie kaum eine Vorstellung machen kann.
Die Erlanger Zeichnung wird nicht vor 1500 entstanden sein. Mit den frühsten
Landschaften, wie Haendcke will, ist sie gar nicht auf eine Stufe zu stellen. Dazu ist
sie viel zu frei und groß konzipiert. Sie bietet den Entwurf eines für bestimmte
Zwecke zugerichteten Hintergrundes und ist, wie schon erwähnt, gewiß nicht vor der
Natur geschaffen. Das geht aus der ganzen Art der Anlage hervor: vorn rechts der
große Baum als Repoussoir, links die Felspartie als Seitenkulisse (wie sie ähnlich z. B.
auf der Münchener Beweinung vorkommt, deren Landschaft mit den beiden soeben
behandelten überhaupt verwandt ist).1) Die Zeichnung bietet ein wichtiges Beispiel,
wie eine komponierte Landschaftsstudie von Dürer aussah, die unmittelbar für die Be-
nutzung zurecht gemacht war, ganz anders als die gewöhnlichen Naturstudien.
Der Akt des Umarbeitens einer Naturstudie in eine im Dürerschen Sinne bild-
fertige Landschaft kann sich nun aber nicht allemal auf ein bloßes Verschieben, An-
setzen oder Abschneiden von Bestandteilen nach formalen Gesichtspunkten beschränkt
haben. Während die Naturstudien, wie wir sahen, ganz objektiv, sachlich gehalten
sind, macht sich bei einigen der im Rahmen ausgeführter Werke auftretenden Land-
schaften hie und da ein mehr subjektives Element bemerkbar. Man meint zuweilen
etwas wie eine Beseelung der Natur durchzufühlen, als nehme sie Teil an Stimmungen,
die in den dargestellten Vorgängen zum Ausdruck kommen, als sei ihr eine Psyche
eingehaucht. Die Gegenstände der Natur subjektivieren sich für den Künstler, scheinen
zu empfinden, wie er empfindet. Dadurch verliert die Naturdarstellung das Starre,
Regungs- und Teilnahmlose, das sie vorher in der deutschen Kunst gehabt hat, und
in die Wiedergabe der Landschaft kommen neue Stimmungselemente. Natürlich handelt
es sich nur um leise, tastende Anfänge. Dürers Graphik vermag dergleichen kraft
eines besonderen Linienausdrucks. Neben ihrer dekorativen hat die Linie stellenweise
auch eine psychologische Funktion als Vermittlerin seelischer Emotionen. An ihr
hängt das innere Leben, das der Künstler einer Landschaftsdarstellung einflößt. — Die
Farbe spielt als Stimmungsfaktor in den Landschaften ausgeführter Gemälde kaum
eine Rolle.
Dürer bringt auch bei manchen Gelegenheiten mit Bewußtsein ein romantisches
Element in die Naturdarstellung. Die romantische Landschaft als Phantasielandschaft,
an die sich gewisse poetische Stimmungen knüpfen, ist von ihm auf realistischer Grund-
lage in eigenartiger Weise ausgebildet worden. Das Märchenhafte sucht er z. B. bei
der Geburt Christi oder der Anbetung der Könige durch eine Ruinenromantik zum
Ausdruck zu bringen, wobei er sich für den Schauplatz wohl an eine Tradition an-
schließt, aber über alles Traditionelle hinausgehend den Stimmungscharakter vertieft.
Verfallendes Gemäuer, knorriges Geäst, verwobenes Gestrüpp, hängendes Gras zwischen
bröckelndem Gestein, das hat er zu romantischen Szenerieen vereinigt. Und das alles
ist ganz aus deutschem Gemüt heraus erfunden und ausgestaltet, und ist ein kost-
bares Besitztum der germanischen Volksphantasie geworden. Auch in die Romantik
des Waldes hat er zuerst sich künstlerisch einzuleben gesucht. Und darin sind ihm
*) Ähnliches auch auf dem Hintergrund der Landschaft der Maria mit den vielen Tieren
in Wien.
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Schüler und Bewunderer wie Baidung, Altdorffer, gewisse Schweizer u. a. gefolgt. Sie
haben die assoziativen Elemente, auf denen die Hervorbringung einer romantischen
Stimmung bei ihm beruhte, erkannt, weitergebildet und sogar bis zu Extremen gesteigert.
Dem Holzschnitt sind die größten Offenbarungen der Jugendepoche Dürers
zu verdanken. Er hat ihm ganz neue Wirkungsmittel entlockt und solche aus den
Eigenschaften seiner Technik heraus entwickelt. Die Werke, für die er ihn verwandte,
haben in ihrem künstlerischen Charakter etwas so Zwingendes, daß man sie sich
in keiner anderen Technik ausgeführt denken könnte. Er hat dem Holzschnitt einen
Stil gegeben.
Sturm und Drang — die Worte stellen sich unwillkürlich ein, wenn man sich
Dürers Schaffensgang nach der Mitte der neunziger Jahre vorzustellen trachtet. Man
fühlt sich in eine Gärungsperiode versetzt. Ein Übermaß von Kraft, ein Drang
zum Mächtigen, Gewaltigen, der indessen nie ins Zügellose ausartet. Der Holz-
schnitt wird ein dem entsprechendes künstlerisches Ausdrucksmittel. Das kostbarste
Dokument für diese Stimmung ist die Apokalypse, ein Werk, das nicht nur den Höhe-
punkt der Frühzeit bezeichnet, sondern uns auch neben den reifsten Arbeiten vor
allem teuer ist.
Es ist darauf hingewiesen worden, daß Dürers Holzschnitte sich zum Teil
ihrem Grundschema nach und in ikonographischen Einzelheiten an die Illustrationen
der Offenbarung in der Kobergerschen Bibel anlehnen. *) Aber wenn auch diese ihm
von Jugend auf vertrauten Darstellungen einen festen Bestandteil seines inneren Schauens
bildeten, so daß er bei seinen Schöpfungen unwillkürlich von ihnen ausging, so zeigt
doch ein Vergleich mit ihnen erst recht, wie neuartig und selbständig seine künst-
lerische Auffassung und Anschauung ist. Man begnügte sich früher, die Schilderungen
der Offenbarung Johannis objektiv wie kuriose Begebenheiten darzustellen. Man
klammerte sich an das tatsächlich Gegebene und bemühte sich, die himmlischen Ge-
sichte schlecht und recht, wie man sie aus der Schrift herauslas, dem Volke verständ-
lich und deutlich zu machen. Eines höheren Aufschwungs war man nicht fähig.
Und was man auch etwa dabei empfand, vermochte man nicht bildlich auszudrücken.
Dürer als erster sucht den geistigen Gehalt der Offenbarung künstlerisch auszuschöpfen.
Er versetzt sich in die Seele des Evangelisten und erlebt subjektiv alle heiligen Schauer
vor der Nähe des Göttlichen, alle qualvollen Schauder vor dem himmlischen Strafgericht
und dem über die Menschheit hereinbrechenden Wehe mit. Diese seine subjektive
Erregung teilt er den Darstellungen mit. Es ist die mystisch -romantische Seele, die
den phantastischen Stoff durchdringt, ihre Eingebungen in neue Formen kleidet und
ihnen individuelles Leben verleiht.
Die kongeniale Auffassung, die Dürer für die von Posaunenschall durch-
dröhnten Schilderungen des Evangelisten mitbringt, befähigt ihn diese in die gran-
diosesten Bilder umzusetzen. Für die deutsche Kunst ist alles neu an dieser Art der
Vergegenwärtigung. Das Erscheinen von Dürers Apokalypse markiert den Schritt
vom Grotesken zum Dämonischen.
Gewiß mag Dürer Mantegnas pathetischem Stil manche Anregung zu ver-
danken haben, wie man des Näheren zu begründen versucht hat,1) und worauf oben
') Thode im Jahrb. der kgl. preuß. Kunstslgn. III, S. 115.
') G. v. Terey, Dürers venezianische Reise.
5'
68
schon hingewiesen wurde. Aber von Natur muß doch eine Disposition für das Ge-
waltige, Erhabene, Leidenschaftliche in seiner Seele Grund geruht haben, die zur Ent-
faltung kam, nachdem er der Schongauerschen Grazilität seinen Tribut gezollt hatte.
Die künstlerischen Mängel in Formgebung und Zeichnung, die der Jugendarbeit noch
anhaften, kommen bei der neuartigen und genialen Interpretation und Bildgestaltung
des Schriftinhalts kaum zum Bewußtsein.
Ist nun Dürer der einzige und erste, der einen solchen Umschwung für die
deutsche Kunst herbeiführt? Wie gewöhnlich am Anfang einer neuen Entwicklung liegt
gleichsam etwas in der Luft, dessen Niederschlag man an verschiedenen Stellen spürt.
Um eine für feinere seelische Emotionen empfängliche Kunst ins Leben zu
rufen, war zunächst nötig, daß die Hand der Künstler freier, Geist und Phantasie be-
weglicher wurden. Die volkstümliche Holzschnittillustration hat dazu in nicht geringem
Maße beigetragen. Die Volksbücher, die illustriert wurden, boten Gelegenheit ins
volle Leben zu greifen. Indem es darauf ankam, launige Einfälle, Bizarres, Komisches
in anregender, bewegter, allgemein verständlicher Weise zur Anschauung zu bringen
gelangte man zu einer frischeren, schärfer pointierenden Darstellungsweise, die mit
einer gewissen Verve die Ausgelassenheit der Gegenstände zu packen suchte. Und
eine treffsichere Strichführung, die man sich erarbeitete, um das Charakteristische in
seiner Momentanität wirkungsvoll zu akzentuieren, kam dann auch den Gegenständen
von seelisch tieferem Gehalt zugute. Auf dem Boden der volkstümlichen Holzschnitt-
illustration ist die Apokalypse erwachsen. Sie ist das erste Werk, wo bei einem er-
habenen, von hohen geistigen Werten getragenen Stoff die künstlerische Ausdrucks-
weise dem Inhalt in moderner Weise gerecht zu werden weiß.
Etwa zur Zeit der Apokalypse bemächtigte sich aber überhaupt der ober-
deutschen Malerei eine innere, zu gewaltsamen Gefühlsausbrüchen hinneigende Er-
regung, von welcher in Niederdeutschland in dem Maße nichts zu verspüren ist. Die
Werke Baidungs, Grünewalds, des jungen Cranach, deren Anfänge zum Teil noch in
Dunkel gehüllt sind, zeugen von einer solchen um die Wende des 15. und 16. Jahrhunderts
allgemeiner sich geltend machenden seelischen Aufregung. Und so spiegeln auch die
Schöpfungen der bildenden Kunst einen leidenschaftlichen Aufruhr wieder, wie er dem
Beginne der Reformation in der allgemeinen Stimmung voraufging. Nach dem bis
jetzt zu Gebote stehenden Material ist die Apokalypse aber das frühste Werk, in dem
diese Leidenschaftlichkeit künstlerischen Ausdruck gefunden hat.
Die Apokalypse geht, vom technischen Standpunkt angesehen, auf eine
Synthese des Schongauerschen Kupferstich- und des Wolgemutschen Holzschnitt-
stils zurück. Aber schließlich ist es doch das spezifisch Dürersche, die neue Ge-
staltungsgabe, was den Ausschlag gibt. Daß der Baseler Hieronymus von 1492 mit der
Nürnberger Holzschnitttechnik im Zusammenhang steht, ist schon in der ersten Studie
betont worden. Sind die beiden von mir für Dürer vorgeschlagenen frühen Holzschnitte
in Nürnberger Drucken tatsächlich von ihm, so wäre damit dargetan, daß er schon
vor der Wanderschaft für den Holzschnitt arbeitete und durch Nürnberger Muster
geschult wurde. Wolgemut ist, wie wir sahen, einer der ersten, der dem Holzschnitt
durch stärkere Licht- und Schattenkontraste eine tonigere Wirkung zu verleihen sucht.
Aber während der Holzschnitt bei ihm noch ganz flach wirkt, bildet Dürer ihn ins
Dreidimensional-Plastische weiter. Alle Formen wie auch das ganze Raumbild er-
halten eine stärkere Tiefenrichtung. Verschieden geformte und abgestufte Schraffierungs-
69
lagen — auch die Kreuzschraffierung wird ausgiebiger verwertet — schaffen eine
reiche Modellierung. Die hellsten Lichter auf den plastischen Hebungen bleiben aus-
gespart. Der Holzschnitt erhält eine Kraft der Ausdrucksfähigkeit, eine bildmäßige
Tonigkeit, was ihn für die größten Aufgaben befähigt. Wirft man von der Apokalypse
aus einen Blick zurück auf die Dürer zugeschriebenen Baseler Holzschnitte, so erscheint
der Abstand erheblich. Wessen Auge nicht darauf eingestellt ist, den von Dürer
verschiedenen Duktus in der Strichführung zu erkennen, den sollte doch das stutzig
machen, daß sich bei allen diesen Illustrationen keine Ansätze zu solchem tonreichen
Modellieren finden, wie es auch schon in den den Baseler Arbeiten etwa gleichzeitigen
Zeichnungen hervortritt. Es spielt bei ihm als Entwicklungsfaktor auf dem Gebiet
aller graphischen Künste eine Rolle, die Mittel von Schwarz und Weiß immer sicherer
auszunutzen, um für eine kubische Wirkung die Flächenschichten möglichst lückenlos
ineinander überzuleiten.
Rein technisch betrachtet bedeuten die Holzschnitte der Apokalypse nach
dieser Richtung ein Anfangsstadium. Um das Jahr 1504 (Marieenleben) ist ein weiterer
Fortschritt erreicht. Und um 1511/13 ist der Meister auf der Höhe.
Dürer ist sich von Anfang an darüber klar, daß eine Hauptwirkung der
Graphik auf einer künstlerischen Fleckenverteilung von Schwarz und Weiß beruht.
Der Grad der Feinfühligkeit bei der Fleckenverteilung mit Rücksicht auf den dekora-
tiven Gesamteindruck ist für den ästhetischen Wert bestimmend. Eine solche Fein-
fühligkeit ist Dürer in hohem Grade eigen, und sie zeigt sich auch schon in den frühen
Zeichnungen. Deshalb verliert seine Graphik sehr rasch jenes Wirre, Undekorative,
das vielfach Blättern seiner Vorgänger anhaftet und bei aller Kraft des Ausdrucks den
ästhetischen Genuß beeinträchtigt. Bei ihm greift eine ganz bestimmte Ökonomie
in bezug auf die Anlage von Flecken und Linien Platz.
Die Bedeutung der einzelnen Linie tritt für den Gesamteindruck im Laufe der
Entwicklung mehr gegen die der Tonfläche zurück, wenn auch gewiß bis zuletzt
Linienwerte in hervorragender Weise für die Wirkung maßgebend sind. Die Neuheit
der Dürerschen Linie mit ihrer Lebensfülle ist in der Frühzeit neben Leistungen anderer
Künstler vor allem frappierend. Seine Linie vereinigt zweierlei Funktionen: eine orna-
mental-dekorative und eine psychologisch-expressive. Als ornamentale Chiffre produ-
ziert die Linie für sich bestehende ästhetische Werte, auch unabhängig von dem
Inhalt, den sie einschließt. Jede Form fügt sich einem bestimmten dekorativen Ge-
schmack, wird nicht etwa ohne weiteres aus Naturvorbildern heraus entwickelt.
Bezeichnend ist es, wie in seiner Formgebung Altertümliches und Neuartiges
nebeneinander geht. Für die Darstellung der Wolken z. B. verwendet er bald die
mittelalterlichen flachen ornamentalen Bandwindungen, die allerdings unter seinen
Händen eine eigene Lebendigkeit erhalten, bald sucht er auf neue realistischere
Weise den Charakter luftiger, wirbelnder Massen herauszubringen.1) Illusionistische
und dekorative Tendenzen gehen Hand in Hand.
Daß der Dürerschen Linie aber auch eine Ausdrucksenergie innewohnt, die
als etwas ganz Individuelles dem Urgrund seiner Seele entspringt, läßt sich nicht
beweisen, nur fühlen.
') Die letztere Tendenz wird dann in späteren Werken noch bedeutend gesteigert.
70
Im Stil der Apokalypse sind bekanntlich noch eine Anzahl anderer Holz-
schnitte, die sich über die neunziger Jahre verteilen, gehalten.
Schon längst gilt allgemein als Tatsache, daß von den Blättern der im
Jahre 1511 erschienenen „Großen Holzschnitt-Passion" die meisten, im ganzen
sieben, ihrer Entstehung nach in das Ende des 15. Jahrhunderts, die Zeit der Apokalypse
fallen: Christus am Ölberg, Geißelung, Darstellung, Kreuztragung, Kreuzigung, Be-
weinung, Grablegung. Das ergibt sich auf den ersten Blick aus der stilistischen
Verschiedenheit zwischen ihnen und den 1510 datierten Blättern der Folge. Sie stehen
technisch ganz auf dem Niveau der Apokalypse- Holzschnitte. Die anderen Bestand-
teile zeigen der späteren Arbeitsweise entsprechend jene weit bewußtere Zusammen-
fassung der Licht- und Schattenpartieen zu größeren Massen, eine klarere Disposition
von Hell und Dunkel und wirken deshalb übersichtlicher, plastischer und — nament-
auf die Ferne hin — dekorativer. Sie haben die stärkste Bildmäßigkeit, die dem Holz-
schnitt zu erreichen möglich war.
Dieselbe leidenschaftliche Erregung in der Passion wie in der Apokalypse.
Jede Szene wird zu einer dramatischen Aktion, und als solche wuchtig zur
Darstellung gebracht. Für Massen und Einzelfiguren sind die Rollen abgemessen.
Wenn Dürer auch noch nicht imstande ist, die Massen völlig zu organisieren, so
wird doch durch die Anlage der Komposition der dramatische Moment so unmittel-
bar zum Bewußtsein gebracht, daß man auf den ersten Blick sozusagen Herr der
Situation ist. Ein großer Fortschritt der Unübersichtlichkeit früherer Passionsszenen
gegenüber. Bei allem Überschwang des Gefühlsausdrucks nichts Ungebärdiges und
Ungebändigtes. Alles wirkt mit volkstümlicher Anschaulichkeit im besten Sinne.
So gewinnt er einer der populärsten Aufgaben in Deutschland, an der sich
schon die vorhergehenden Generationen mit aller Energie versucht hatten, ganz neue
Seiten ab. Schongauersche Passionsszenen wirken phlegmatisch neben den seinigen,
Wolgemut ordinär. Er hat das Leben und Leiden Christi in jene ergreifenden, auf
das Gemüt wirkenden Bilder gefaßt, bei denen das allgemein Menschliche so tief zum
Ausdruck kommt wie vielleicht nur bei Rembrandtschen Passionsszenen. Dabei setzt er
sich keineswegs über jede Tradition hinweg. Wie die Haltung seines Christus in der
Kreuztragung auf Schongauer zurückgeht, ist bekannt. Aber was ist bei ihm daraus
geworden! Daß sich Raffael daran begeistern konnte! Die Szenen bekunden in manchen
Zügen auch noch den Zusammenhang mit den Passionsspielen.1) Das Groteske tritt
bei ihm seinen Vorgängern gegenüber in gemilderter Form auf. Es macht sich nicht
mehr so breit wie früher. Und er sucht immer nach psychologischen Motivierungen.
Derselbe neue Geist, der Luther dazu trieb sich an die Quellen der Offen-
barung zu wenden, rief Dürers selbständige und lebendige künstlerische Inter-
pretationen der heiligen Schrift hervor.
Und diese Holzschnitte stehen am Anfang einer glorreichen Reihe von
Passionsszenen und sind von ihm später noch übertroffen worden.
Mit den Blättern der beiden Folgen steht eine Anzahl anderer Holzschnitte
in Zusammenhang, die sich auf die neunziger Jahre bis zum Beginn des 16. Jahr-
hunderts verteilen, alle von großem Format und gleicher Stilistik, zum Teil von demselben
:) Vgl. darüber Tscheuschner: Die deutsche Passionsbühne u. d. deutsche Malerei im 15. und
16. Jahrh. Repertor. f. K. XXVIII, 1905.
25. Marter des heil. Sebastian.
Pass. 182.
72
26. Ulsenius.
Nürnberg 1496.
Feuer durchlodert wie Apokalypse und
große Passion: Das Männerbad,1)
Marter der hl. Katharina, Samson
im Kampf mit dem Löwen, „Er-
cules"'), Ritter und Landsknecht,
Madonna mit den drei Hasen,
Marter der Zehntausend.
Von einigen dieser Blätter gibt
es verschiedene Exemplare, mit und
ohne Monogramm. In beiden Zu-
ständen besitzt das Berliner Kupfer-
stich-Kabinett: Männerbad, Ercules,
Ritter und Landsknecht, Marter der
Zehntausend. Bei einem Vergleich
kann es nicht zweifelhaft sein, daß
die Schnitte ohne Monogramm die
schwächeren sind, sowohl hinsichtlich
der Zeichnung wie der Schneidetechnik.
Thausing hielt auch sie für eigen-
händig.5) Seiner Hypothese über die
Jugendgeschichte Dürers zu Liebe
nahm er sie als die erste Redaktion
der Darstellungen in Anspruch, die
der Künstler noch in der Werkstatt
Wolgemuts geschaffen hätte, der er
nach Thausing noch einige Jahre nach
seiner Rückkehr von der Wander-
schaft angehört haben soll, ehe er sich
selbständig machte und sein bekanntes
Monogramm annahm. Diese Erklärung
des Verhältnisses der verschiedenen
Zustände hält ebensowenig stand wie
Dürers angebliche Tätigkeit im Verein
mit Wolgemut. Es kann sich nur um
Nachschnitte nach den Dürerschen
monogrammierten Blättern handeln, die
schon bald nach Entstehung der letz-
teren in Umlauf gesetzt sein mögen,
da es einen wirksamen Schutz für
künstlerisches Eigentum damals noch
nicht gab.
') Vgl. oben S. 46.
-) Vgl. oben S. 50.
3) Vgl. Mitteilgn. des Inst. f. österr.
Gesch.-Forschg. III Heft I, Dürers frühe Holz-
schnitte ohne Monogramm.
73
Zu solchen Nachschnitten nach Dürerschen Originalen gehört vermutlich auch
das Martyrium des hl. Sebastian (P. 182. Abb. 25). Die Zeichnung geht, wie ich
bestimmt glaube, auf Dürer zurück,1) aber der Schnitt ist schlechter als bei den
großen Blättern der neunziger Jahre.
Dagegen kann ich den „Syphilitiker" vom Jahre 1496 überhaupt nicht als eine
Arbeit Dürers anerkennen.-) Von dem in zwei Exemplaren erhaltenen Einblattdruck
(beide zusammen auf der Wiener Hofbibliothek, Schreiber 1926) enthält der mit dem
Druckjahr 1496 versehene den früheren und besseren Abzug (Abb. 26). Für Dürer ist die
Darstellung zu unbedeutend, er hätte etwas anderes daraus zu machen gewußt. Die
markige Formgebung spricht nicht ohne weiteres für ihn. Ähnliches kommt auch in
der gleichzeitigen Nürnberger Buchillustration vor, wie das Titelbild in dem bei Hoch-
feder erschienenen „Büchlein der Zuflucht zu Maria in alten Oding" (um 1497).
Man hat gegen Ende des Jahrhunderts jedenfalls schon mit einer Nachahmung
Dürerscher Kunst zu rechnen. Wie sein Holzschnittstil der neunziger Jahre imitiert
worden ist, dafür bietet ein interessantes Beispiel der Kupferstich mit der Bekehrung
Pauli im Dresdener Kabinett (P. III, 157, 110. Abb. 27)3) Er zeigt Eigenheiten jener
großen Blätter vergröbert. Dürersche Bewegung ist nachempfunden. Auch bei der
Landschaft geht der Stecher von Dürer aus.
Wo Dürer selbst die Hand am Werke hat, da leuchtet sein Genius meist auch
durch alle äußeren Entstellungen hindurch. So glaube ich ihm einen Holzschnitt bei-
messen zu dürfen, der in die bisherigen Oeuvre-Verzeichnisse nicht aufgenommen, im
Berliner Kupferstich -Kabinett allerdings unter seinem Namen eingeordnet ist: Eine
Kreuzigung von großen Dimensionen (h. 0,57, br. 0,389. Abb. 28), umfangreicher als
die Folgen und Einzelblätter der neunziger Jahre. Ich kenne fünf Exemplare in vier
verschiedenen Zuständen, von denen zwei jedoch nur Stücke aus der Darstellung
enthalten.
1. Königl. Kupferstich-Kabinett, Berlin. Der früheste mir bekannte Zustand,
abgedruckt von intakter Holzplatte. Der Stock schlecht und roh geschnitten, der Abzug
in vielen Partieen verwischt, auf zwei horizontal geteilte, aneinander geklebte Papierhälften
gedruckt. Die Vorzeichnung scheint mir unbedingt auf Dürer zurückzugehen. In Einzel-
heiten verweise ich für den Kopf des Johannes auf den Johanneskopf der Grablegung in
der großen Passion (B. 13), für den des rechten Schächers auf den des Johannnes der
sieben Leuchter in der Apokalypse (B. 62). Der ganze Stilcharakter ist durchaus Dürerisch.
Den Alten mit dem Turban kann nur er erfunden haben. Die Gruppe des Johannes und
der neben ihm mit erhobenen Händen klagenden Frau hat etwas Mantegneskes in ihrem
Pathos. Kleidung und Stellung des Johannes scheinen unmittelbar auf ein italienisches
Vorbild zurückzugehen. Das Stellungmotiv ist verwandt mit dem des mittleren die
Winde aufhaltenden Engels in der Apokalypse (B. 66). Die Anlage der Landschaft
mit dem Kuppelbau4) im Hintergrunde entspricht ganz Dürers Gepflogenheiten, und
') So auch Dodgson im Katalog der Holzschnitte des Brit. Mus. S. 268.
-) Für ihn kürzlich wieder in Anspruch genommen durch Dörnhöffer, Kunstgeschichtl. Anzeigen,
Wien 1905, S. 50; Dodgson im Katalog der Holzschnitte des Brit. Mus. S. 268 „probably".
a) Vgl. J. G. A. Frenzel, Bekehrung des Paulus, ein bisher unbekanntes Kupferblatt etc.,
Leipzig 1854. Der Güte des Herrn Geheimrat Lehrs verdanke ich eine photographische Vorlage für
die Abbildung.
') Eine ähnliche Rundkuppel auf Christi Abschied im Marieenleben (B. 92).
27. Bekehrung Pauli. Kupferstich. Dresde
75
auch die Figuren im Mittelgrunde, die Reiter und würfelnden Kriegsknechte, tragen das
Gepräge seines Stils. Ganz ähnlich im Charakter sind die kleinen Figuren auf den
Holzschnitten der Kreuzigung (B. 59), der Marter der Zehntausend (B. 117), und der
Baseler Zeichnung für das Mittelbild des St. Veiter Altars. Nichts mit Dürer haben
aber die ganz ordinären kleinfigurigen Szenen im Hintergründe auf der oberen Hälfte
des Blattes zu tun, links vom Kreuz: Christus am Ölberg und Gefangennehmung,
rechts: Einzug nach Jerusalem, Judas am Baum hängend. Sie sind von einer stümper-
haften Hand offenbar nachträglich eingefügt worden und fallen aus dem Charakter
des Ganzen heraus. (In den späteren Abzügen sind sie entfernt.) Von diesen Zu-
taten abgesehen ist die Anlage des Blattes großartig und Dürers durchaus würdig.
Die Komposition ist klarer und übersichtlicher als bei den meisten Szenen der frühen
Serie der großen Passion, was leider bei dem ungeschickten Schnitt und den schlechten
Abdrücken nicht ganz zur Geltung kommt.
2. König!. Kupferstich-Kabinett, Berlin. Die untere Hälfte der Darstellung bis
unmittelbar über den Kopf der stehenden Frau, durch zugefügten oberen Rand zu
einem selbständigen Blatt gemacht. Sprünge namentlich am rechten und unteren
Rand, die auf dem ersten Berliner Zustand noch fehlen, aber besserer Abzug als dieser.
3. Königl. Kupferstich-Kabinett, Dresden. Oberes linkes Viertel des ursprüng-
lichen Blattes mit dem Schächer, dem halben Cruzifixus und den kleinen Szenen:
Christus am Ölberg und Gefangennehmung. Ein unterer Rand hinzugefügt. Der
linke Rand mehr ausgesprungen als auf dem ersten Berliner Zustand. Sonst aber
derselbe Zustand; klarerer Abdruck.
4. Königl. Kupferstich-Kabinett, Dresden. Das ganze Blatt, wieder zusammen-
gesetzt aus den drei Holzstöcken, auf vier zusammengeklebte Papierstücke abgezogen;
mit viel mehr und stärkeren Sprüngen als auf allen vorhergehenden Zuständen. Die
kleinen Szenen der oberen Hälfte alle entfernt (herausgeschnitten) und von den kleinen
Figuren im Mittelgrund der unteren Hälfte der den Wassereimer tragende Scherge
rechts vom Kreuz. Klarer Abdruck auf schlechtem modernem Papier. (Derselbe Zu-
stand in Wien, Hofbibliothek).
Die Entstehung der Vorzeichnung dürfte um" 1500 anzusetzen sein.
Für den Anfang des 16. Jahrhunderts gibt es Anhaltspunkte zur Datierung
von ein paar Holzschnitten, die als Illustrationen zu Schriften von Conrad Celtes ent-
standen sind. 1501 erschien zum erstenmal der Sebaldus-Holzschnitt von Dürer in
der zweiten Auflage von Celtes' Ode: De felicitate Norimbergae, dessen Genesis von
Campbell Dodgson völlig klargestellt worden ist.1) Eine ausdrucksvolle, mächtige
Figur von durchaus Dürerschem Gepräge. In technischer Beziehung macht sich den
Holzschnitten der neunziger Jahre gegenüber bemerkbar, daß die kleinen Arbeiten
(Häkchenkomplexe, Kreuzschraffierungen) mehr Raum einnehmen, die langgezogenen
Geraden als Flächenteilungslinien zurücktreten, so daß im ganzen mit weicheren Über-
gängen ins Runde modelliert wird; eine Technik, die jedenfalls von der umfangreichen
Beschäftigung mit dem Kupferstich her auf den Holzschnitt übertragen wurde.
Eng verwandt mit dem Sebaldus sind stilistisch zwei Illustrationen in Celtes'
Quatuor libri Amorum (1502). Die Philosophie trägt Dürers Monogramm; aber auch
*) Jahrb. d. Kunstslgn. d. allerh. Kaiserh. 1902, S. 45. In der ersten Auflage, die bei Bergmann
von Olpe in Basel erschien, ein Holzschnitt Wolgemuts.
28. Große Kreuzigung. Berlin. Kupferstich-Kabinett.
77
die Darstellung, wie Celtes dem Kaiser Maximilian sein Buch überreicht, darf ihm zweifel-
los zugeschrieben werden. Das Ornamentale ist ähnlich dem des Sebaldus- Blattes.
Die geschmackvollen Weinstockverflechtungen werden am Anfang des 16. Jahrhunderts
von Dürer für ornamentale Zwecke gern angewandt. Durch ihn wird überhaupt das
rein dekorative Element, das in der Nürnberger Buchillustration des 15. Jahrhunderts
anderen Druckorten gegenüber kaum eine Rolle spielt, wesentlich gefördert. (Vgl.
auch das köstliche Bücherzeichen für Pirckheimer B. App. 52.)
Man merkt es den Holzschnitten vom Anfang des neuen Jahrhunderts an, daß
die Formschneider Mühe hatten, sich in die veränderte Dürersche Zeichenweise einzu-
arbeiten. Der Schnitt der beiden Illustrationen in den Libri amorum ist teilweise
wenig befriedigend. An einigen Stellen allerdings hat der Holzschneider den feinen
Linien des Zeichners zu folgen gewußt, wie besonders bei dem Gesicht Maximilians;
aber an anderen, z. B. dem Mantel des Celtes, läßt er im Stich und weiß mit dem
Schneidemesser den eigentlich maßgebenden Strichen und Formbestandteilen der
Zeichnung nicht gerecht zu werden.
Man hat mit diesen Illustrationen auch die in Celtes' Ausgabe der Opera
Rosvithae (1501) in Verbindung gebracht und für Dürer in Anspruch genommen. Aber
schon darüber herrscht Uneinigkeit, ob nur die ersten beiden, gleichsam die Titel-
bilder, oder alle1) von Dürer herrühren. Zumeist ist nur von jenen als Arbeiten
Dürers die Rede. Besonders nachdem Giehlow auf der Rückseite einer Dürer-Zeich-
nung bei Bonnat in Paris (L. 348) eine flüchtige Skizze'2) als den ersten Entwurf für
den zweiten Holzschnitt der Rosvitha nachgewiesen hat, wagen sich kaum noch
Zweifel an der Eigenhändigkeit hervor. Und doch kann ich mich nicht dazu ver-
stehen diese zuzugeben. Schon wenn man die beiden Illustrationen chronologisch
in das Werk Dürers einordnen soll, kommt man in Verlegenheit. Zu dem Holzschnitt-
stil nach 1500 wollen sie ihrer Technik nach nicht passen.3) Andererseits stimmt
aber die ganze szenarische Anlage der Darstellungen mit dem zu dieser Zeit von
Dürer Geschaffenen überein. Für die Köpfe allerdings dürfte man bei Dürer keine
Belege finden. Und die ganze Art des Agierens der Figuren, das Halten und Greifen
der Hände ist undürerisch. Es fehlt der Ausdruck der Dürerschen Linie. Eine
solche Auffassung steht auch nicht ohne weiteres im Widerspruch mit der Tatsache,
daß zu der einen Illustration die Bonnatsche Vorzeichnung von Dürers Hand
existiert. Dürer konnte sehr gut eine so flüchtige und ganz im Rohen gehaltene
Vorlage wie jene Skizze geliefert haben, und diese wäre dann von einem Atelier-
genossen weiter bearbeitet worden. Es gibt ja auch andere Beispiele, daß Dürer für
ihm nahestehende Künstler Zeichenvorlagen lieferte.
Noch weniger als die beiden Titelbilder der Opera Rosvithae haben die Illu-
strationen in den Revelationes Sanctae Brigittae (Koberger 1500) mit Dürer zu tun,
dem sie von Passavant (III S 183, Nr. 194) zugeschrieben wurden.4) Der elfte Holz-
schnitt, die Kreuzigung, ist nicht von derselben Hand wie die auf die Legende der
J) So Jaro Springer, Sitz. Ber. der Kunstgeschichtl. Gesellschaft i. Berlin 13. Mai 1904.
2) Abgebildet Dürer-Society III 1900.
3) Dan. Burkhardt hat sich deshalb auch berechtigt geglaubt sie sieben Jahre zurückzudatieren.
Vgl. Dürers Aufenthalt in Basel, S. 28. — Mir erschienen sie immer wie Jugendarbeiten Hans Baidungs.
l) Sie sind auch noch von Kristeller (Kupferstich und Holzschnitt in vier Jahrhunderten
Berlin 1905 S. 205) als Arbeiten Dürers aufgenommen.
29. Kreuztragung. Holzschnitt. Albertina.
79
hl. Brigitta sich beziehenden Illustrationen. Diese sind in ihrem Darstellungsschema
abhängig von den Holzschnitten der Lübecker Rosvitha-Ausgabe (Gothan 1492), aber
frei umgestaltet. Dem Künstler, der sie gezeichnet hat, kann man, wie ich glaube,
noch eine Anzahl anderer Arbeiten zuweisen:
1. Eine Reihe von Passionsdarstellungen, zu der der Holzschnitt der Dornen-
krönung (Bartsch Dürer App. S. 174 No. 4) gehört. Drei im Format und Stil mit
diesem übereinstimmende Holzschnitte, die offenbar aus derselben Folge herrühren,
sind mir bis jetzt begegnet, alle in neueren Abdrücken: Geißelung, Albertina; Kreuz-
tragung, Albertina (Abb. 29); Kreuzigung,
Berlin Kupf. Kab. (Holzschnitte 16. Jahrh.
II, 427—10), Wien Hofbibl.
2. Eine Folge von Zeichnungen
aus der Legende des hl. Benedikt,1) die
in den Sammlungen von Berlin, Paris,-)
München (Abb. 30,3) Braunschweig (Bla-
sius),') Wien (Albertina), Darmstadt,"')
London zerstreut sind. Die Gegenüber-
stellung unserer Abbildungen der (ver-
kleinerten) Münchener Zeichnung und
der Kreuztragung ergibt wohl offenkun-
dig die Identität des Künstlers. Campbell
Dodgson (Kat. der Holzsche. des Brit.
Mus. S. 502) will in dem Zeichner der
Benedikt- Folge Wolf Traut erkennen,
was mich jedoch nicht zu überzeugen
vermag.
3. Von gleicher Hand, wie ich
glaube, der Titelholzschnitt mit der Kreuzi-
gung in dem Nürnberger Druck: Spiri-
tualium personarum feminei sexus facta
admiratione digna (1501).
Am Anfang des neuen Jahrhun-
derts, im Anschluß an die vorher be-
trachteten Illustrationen von Dürer setzen
die Arbeiten ein, die Thausing'') zusammengefaßt und als die „Stücke des schlechten
Holzwerks", von denen Dürer in seinem Tagebuch der niederländischen Reise spricht,
in Anspruch genommen hat: verschiedene Heilige und Heiligenpaare (B. 104, 107,
108, 110, 111, 112, 118, 121). Diese Holzschnitte sind teilweise gewiß rasch und
mit einer gewissen Flüchtigkeit ausgeführt und haben in ihrer Wirkung etwas
Schon von Thausing I, 277 dem Meister der Brigitta-Illustrationen zugeschrieben.
-) Phot. Giraudon.
3) Phot. Bruckmann.
4) Abgebildet bei Hausmann, Dürer.
5) Die beiden letzteren abgebildet in der Publikation der Albertina- Handzeichnungen von
Schönbrunner und Meder.
6) I S. 306.
30. Benedikt-Legende. Zeichnung. München.
80
Rauhes, aber das gibt ihnen einen eigenen Reiz. Eine gesammelte Kraft steckt in
dieser Rauheit, die etwas Imponierendes hat. Technisch bemerkenswert ist, daß das
kupferstichartige Modellieren mit den flächenhaft zusammenhängenden, schmiegsamer
ineinander geführten Schraffierungslagen an dieser Gruppe besonders hervortritt. Ein
bezeichnendes Beispiel ist die Entrückung der Magdalena (B. 121). Da sind die be-
leuchteten Erhebungen ausgespart und kompakten Schattenflächen entgegengesetzt;
eine neue Art für das Runden des Körperlichen wird in Anwendung gebracht. Und
die von der tonigeren Kupferstichmodellierung hergenommenen Mittel werden dann
systematisch weitergebildet.
Dem Holzschnitt ganz adaptiert und für neue großartige Wirkungen berufen
tritt uns diese Technik in der Folge des Marieenlebens entgegen, von der die meisten Blätter
in der Zeit um 1504 entstanden sein müssen. Als Anhaltspunkt für die Datierung
dient die 1504 bezeichnete Begegnung an der goldenen Pforte. Einzelne Blätter
mögen schon früher geschaffen und in ihren Entwürfen bald nach 1500 konzipiert
sein. Zu den frühesten Bestandteilen des Marieenlebens scheinen mir Szenen wie die
Heimsuchung (B. 84), Geburt (B. 85), Anbetung der Könige (B. 86), Flucht nach Ägypten
(B. 89) zu gehören.
Damit stehen wir für den Holzschnitt an der unserer Betrachtung gesteckten
Grenze.
Der Kupferstich ist eine Kunstform, in der Dürer sich in anderer Weise
ausspricht, als im Holzschnitt. Er ist die kostbarere, edlere Gattung gegenüber dem
volkstümlichen Holzschnitt. Die Technik gestattet und verlangt größere Feinheiten,
zartere Detailarbeit. Und Dürer legt hier auf vollendete, ins Kleinste gehende Durch-
bildung besonderes Gewicht. Die Stoffe, die für ein kultivierteres Publikum berechnet
waren, wurden zumeist dem Stich vorbehalten: die Mythologieen, das Nackte. Der
Stoffkreis ist außerdem noch mannigfaltig: Madonnen, Legendarisches, Allegorieen,
Genrehaftes, Monstra u. a. Passionsszenen kommen in der uns beschäftigenden Zeit
nicht vor und sind auch vor 1508, dem Beginn der Kupferstich-Passion, nicht ge-
stochen worden. Das volkstümlich Religiöse, wodurch auf größere Massen gewirkt
werden sollte, blieb dem Holzschnitt überlassen.
Dürer hat ein besonders feines Gefühl für den metallischen Charakter des
Kupferstichs gehabt und ihm mit fortschreitender Entwicklung immer mehr Rechnung
getragen. Das Blanke, Spiegelnde des Metalls macht sich auch in den Abzügen für
die ästhetische Wirkung geltend. Die Feinarbeit der Modellierung wird allmählich so ge-
steigert, daß die Rundungen in ihrer Konkavität gleichsam etwas Poliertes bekommen. Die
letzte Stufe der Vollendung erreicht er mit den berühmten Stichen der Jahre 1513 und
1514: Ritter, Tod und Teufel, Melancholie und Hieronymus im Gehäus. Vorher setzt
etwa um das Jahr 1503 eine neue, an die Jugendperiode sich anschließende Etappe
ein, für welche Arbeiten wie die säugende Madonna (B. 34) und das Todeswappen
(B. 101) aus dem Jahre 1503, Adam und Eva 1504 (B. 1), bezeichnend sind. Bis
dahin läßt sich von den frühen Arbeiten an eine fortgesetzte Verbesserung und Ver-
feinerung der Stichtechnik verfolgen.
Wie die Technik im Anfang aus der Schongauerschen hervorwächst, dafür
zeugt besonders die Madonna mit der Heuschrecke, die jedenfalls der früheste erhaltene
Stich ist.1) Was ihr fehlt, ist eine sachgemäße Modellierung ins Runde; die Stechweise
l) Vgl. oben S. 27.
81
nimmt noch ganz auf das Eckige, Gebrochene der Formgebung Rücksicht. Dem wird
schon mehr abgeholfen in den nächsten Blättern, dem Liebesantrag (B. 93) und den Lands-
knechten mit dem Türken (B. 88). Man vergleiche etwa die Kniepartie bei der Madonna
und der Frau des Liebesantrags. Wie anders - freilich auch noch unvollkommen -
rundet sich bei der letzteren das Gewand über den Knieen mit Berücksichtigung der
darunterliegenden Form. Dürer strebt danach, durch aneinander gereihte, langgezogene
und in sich geschweifte Linien das Runde herauszumodellieren. Diese Art behält er
lange bei, bis er nach und nach zu Beginn des zweiten Jahrzehnts des neuen Jahr-
hunderts bei voller technischer Reife zu jenem allem Schematischen entrückten System
gelangt, unter möglichster Aufgabe der zeichnerischen Strichwirkung durch fein gegen-
einander abgestimmte Tonmassen verschiedener Helligkeitsgrade den subtilsten Model-
lierungswerten gerecht zu werden.
Bewundernswert ist es, wie er in seiner ersten Epoche, zu der Zeit, als er den
Holzschnittstil ins Zeichnerisch-Machtvolle, Gewaltige steigert, den Kupferstich ins Feine,
zart und weich Modellierende ausbildet. Das Fortschreiten bis zu der Staffel um
1503 läßt sich allerdings nicht im einzelnen urkundlich festlegen, da die Stiche bis auf
einen nicht datiert sind. Aber es gibt stilistische Anhaltspunkte. Zieht man das
rein Technische in Betracht, so darf man sagen, daß die an Schongauer sich an-
schließende Manier bei ihm im 15. Jahrhundert herrschend bleibt und auf das neue Ziel
hin in persönlicher Weise weitergebildet wird.
Nach der Form des Monogramms und dem Stil gehören mit den frühen,
schon genannten Blättern zusammen1): der verlorene Sohn (B. 28), die Buße des
Chrysostomus (B. 63) und der hl. Hieronymus (B. 61). Wie viel reicher sind die Szenen
ausgestaltet als bei Schongauer! Traditionelles und Originales geht nebeneinander her.
Das den Figuren als Standfläche oder Hintergrund dienende sozusagen neutrale
Bodenterrain, das schon gelegentlich der Berliner Madonnenzeichnung erwähnt wurde,
bei Schongauer meist aus nebeneinander gestellten Häkchenreihen bestehend, wird
in Dürers Stich kompakter durch engverbundene, langgezogene Striche geformt.-)
Es steht außerhalb der übrigen Szenerie, ist mit ihr nicht organisch verwachsen; und
das noch weit über die Jugendepoche hinaus. Daneben aber ein neuer Reichtum in
der Belebung der Bühne. Ein Streben nach illusionistischen Wirkungen, wie sie die
Schwarz -Weiß- Kunst noch nicht kannte. Die Dorfidylle des verlorenen Sohnes, eine
Offenbarung heimatlicher, intimer Kunst, die romantische Felseinsamkeit des Hieronymus,
das erschließt dem Kupferstich weite, bisher unbebaute Gebiete. Figürliches und
Landschaft ist aber noch nicht zu einer Bildeinheit verschmolzen.
Die anderen allgemein als früh anerkannten Stiche, die sich anschließen,
gruppieren sich um das allein durch ein festes Datum gesicherte Blatt der vier Hexen
von 1497. Über dieses und seine Beziehungen zur italienischen Kunst ist in der vorigen
Studie ausführlich gesprochen worden. Sehen wir von dem technisch unvollkommeneren
') Die von R. H. Köhler in seinem zitierten Katalog versuchte chronologische Anordnung der
Stiche ist im ganzen vortrefflich. Hier können nur einige Beispiele für die Entwicklung heraus-
gegriffen werden.
'-) Beides zusammen in der Buße des Chrysostomus, wo auch die Formation der Felsen auf
Schongauer zurückgeht. — Aus der Art und Anlage dieses Terrains (besonders auf späteren Stichen)
hat L. Justi (Repertor. f. K. XXI S. 439) Schlüsse für eine Beeinflussung Barbaris durch Dürer gezogen,
die mir jedoch nicht zwingend erscheinen.
6
82
und deshalb wohl früheren „kleinen Glück" ab, so tritt uns hier die erste ausführliche
Behandlung des Nackten in Dürers Stecherwerk entgegen. Die Modellierung ist noch
unsicher, tastend, wie bei dem Frauenakt der Uffizien-Zeichnung. Unregelmäßige
Strichlagen, aus parallelen und gekreuzten Schraffierungen bestehend, in den Schatten-
partieen, zum Teil recht verworren kombiniert, wie auf dem Rücken der linken Hexe;
die im Lichte stehenden Hebungen als ausgesparte Flächen herausprallend. Dann ein
stufenweises Fortschreiten in bezug auf ein immer detaillierteres Eingehen auf die
Hebungen und Senkungen der Körperoberfläche: über den Traum des Doktors (B. 76)
und die Mythologieen (B. 71, 73) zu der Nemesis (B. 77) und dem 1504 datierten
Stich Adam und Eva (B. 1), mit dem ein gewisser Abschluß nach der Richtung
erreicht wird.1)
Erst Anfang des 16. Jahrhunderts überwand Dürer nach und nach, was ihm
von der Schongauerschen Kunstsprache anhing. Wie stark er in ihrem Banne stand,
läßt namentlich auch der Gewandstil auf den Kupferstichen der neunziger Jahre er-
kennen. Ganz Schongauerisch auf der Heuschrecken- Madonna. Bei den folgenden
sucht er den Faltenwurf klarer zu gestalten und plastischer zu modellieren. Die
Drapierung behält zunächst etwas Zerrissenes, ist in kleinere Partieen zerlegt; schmale,
beleuchtete Faltenkämme neben dunklen Faltentälern, wie bei dem Hieronymus (B. 61).
Entwickelter bei der Madonna mit der Meerkatze (B. 42). Sie ist sicherlich vor 1500
entstanden und gehört ihrem Stil nach mit den Stichen der neunziger Jahre eng zu-
sammen.') In bezug auf technische Vollendung bezeichnet sie einen gewissen Höhe-
punkt dieses Stils. Es ist aber noch viel Schongauerisches darin.1) Wie Dürer
hierauf von dieser Art der im Kleinen modellierenden Gewandbehandlung dazu über-
geht, breitere Stoffmassen, nach Licht und Schatten abgestuft, gegeneinander zu stellen,
die einzelnen Partieen toniger und weicher zu verbinden, dafür bildet die säugende
Maria vom Jahre 1503 (B. 34) ein Beispiel. Und auf dem gleichzeitig entstandenen
herrlichen Todeswappen (B. 101), an dem Gewand der Frau welche Kunst der Stoff-
imitation! Hier geht überhaupt alles infolge einer glücklichen Anlage der Modellierungs-
werte so ineinander, daß sich das Ganze, aus einiger Entfernung betrachtet, zu nahezu
völliger Bildeinheit abrundet. Man muß einmal dieses Blatt und die Meerkatzen-
Madonna in tadellosen Abdrücken nebeneinander legen, um sich des Abstandes der
letzteren mit ihren zerrissenen Flächen bewußt zu werden. Kurz vor 1503 setzt jener
konsequente Feinstil ein, für den das Todeswappen eines der frühsten hervorragen-
den Beispiele ist. Etwa zu gleicher Zeit steigert sich auch infolge einer sichereren
und wirksameren Fleckenverteilung die Harmonie des dekorativen Eindrucks.
Den Beginn von Dürers Feinstil aus seinen Beziehungen zu Barbari am An-
fang des neuen Jahrhunderts herzuleiten hat gar keine Berechtigung. Er entwickelt
sich konsequent aus seiner früheren Technik heraus. Ebensowenig wie in formaler
läßt sich auch in kupferstichtechnischer Hinsicht nach 1500 ein Umschwung wahr-
nehmen, der eine tiefgehende italienische Einwirkung voraussetzte. Andererseits aber
') Der stecherischen Qualität nach ist die Reihenfolge: Amymone, Traum des Doktors, Eifer-
sucht. — In welcher Weise die Proportionsstudien in die obige Reihe eingreifen, hat Ludwig Justi in
seiner Schrift ausgeführt.
-') In dem an kuriosen Datierungen reichen Dürer- Abbildungswerk der Deutschen Veiiags-
Anstalt 1904 (Val. Scherer) rangiert sie nach dem Jahre 1505.
') Über das Italienisierende vgl. oben S. 58.
83
scheinen mir auch die Gründe nicht stichhaltig, die Justi dafür geltend macht, daß
Barbari in seiner ganzen Stechkunst von Dürer abhängig sei. Er geht meiner Ansicht
nach von der falschen Voraussetzung aus, daß das ganze Stichwerk Barbaris, als
kompakte Masse, in demselben Zeitraum — nach seiner Ansiedelung in Deutschland —
entstanden sei. Kristeller hat sein Oeuvre schon in verschiedene technisch und des-
halb auch zeitlich zu trennende Gruppen zerlegt, und ich stimme mit seiner Einteilung
im großen und ganzen überein. Die technisch unentwickeltere und deshalb als früher
anzusehende Gruppe (z. B. Kr. 3, 5, 6, 25, 26, 27) trägt stilistisch einen ausgesprochen
venezianischen Charakter, und sie steht technisch gerade Dürers Feinstil erheblich
fern. Sie kann unmöglich unter dem Einfluß dieses Stils entstanden sein, und Barbari
deshalb auch unmöglich erst nach dem Zusammensein mit Dürer am Anfang des
16. Jahrhunderts von diesem das Stechen erlernt und alle uns erhaltenen Stiche an-
gefertigt haben.1) Ob auf die Ausbildung von Barbaris Feinstil, wie er in den Stichen
Kr. 8, 12, 21, 28, 29, zutage tritt, Dürer einen Einfluß gehabt hat, lasse ich dahin-
gestellt; es gehört auch nicht in den Rahmen dieser Untersuchung. Kristeller tritt
hier für eine Anlehnung Barbaris an Lucas von Leyden ein. Jedenfalls kann man
nicht umhin anzunehmen, daß das, was an der Technik der früheren Barbari -Stiche
deutsch berührt, auf dieselben Quellen zurückgeht, denen Dürers Technik entsprungen
ist: auf den deutschen Kupferstich vor Dürer.
Den graphischen Werken stehen die Gemälde der Jugendzeit an Zahl und
Bedeutung nach. Eine Reihe von Porträts, verschiedene Altarbilder, eine kleine Madonna
(1503, Wien) und ein mythologisches Bild, Herkules (1500, Nürnberg), sind erhalten.
Von den Porträts sind als authentisch anzusehen: Kurfürst Friedrich der
Weise (Berlin), Selbstbildnis (1498, Madrid), Hans und Felicitas Tucher (1499, Weimar),
Elsbeth Tucher (1499, Cassel), Oswald Krell (1499, München), der sogenannte Hans
Dürer (1500, München).
Auf Dürersche Originale gehen jedenfalls zurück: das Porträt des Vaters von 1497
und das der sogenannten Fürlegerin in modischer Tracht. Von dem ersteren gibt es
Exemplare in München, Frankfurt und London (National-Gallery); das Londoner Bild,
das ich nicht kenne, wird von manchen Seiten als Original ausgegeben. Von dem
Bildnis der sogen. Fürlegerin sind mir nur Reproduktionen bekannt nach den Exem-
plaren bei Sir Charles Robinson in London und bei dem Freiherrn Speck von Sternburg
in Lützschena; das letztere macht den Eindruck einer sorgfältigen Kopie nach Dürer.-)
Das Schema der Anordnung ist überall ungefähr das gleiche. Es sind Brustbilder
in dreiviertel Profil, mit Armen bei Friedrich dem Weisen, Selbstbildnis, Krell, Vater und
Fürlegerin, die anderen unter den Schultern abgeschnitten. Auf den Tucherbildnissen
ist über dem unteren Rand noch ein Stück von einer Hand sichtbar, die eine Blume
oder einen Ring hält. Die Art der Gesamtanlage der Figuren weicht also nicht sehr
von der der frühsten Bildnisse ab und hält sich an das, was in Nürnberg üblich war.
In Einzelheiten variiert Dürer. Kurfürst Friedrich, der Vater und Hans Dürer haben
') Gerade zu dieser Gruppe gehören aber, wie wir sahen, alle die Stiche, die inhaltlich und
formal zu gewissen Arbeiten Dürers in Beziehung stehen, und wo wir eine Abhängigkeit Dürers an-
nehmen zu müssen glaubten.
-') Abgebildet im Jahrgang 1904 der kunsthistor. Gesellschaft für photogr. Publikationen. -
Über die „Fürlegerin mit offenem Haar" vgl. unten S. 87. Im übrigen Weizsäcker im Katalog des
Städelschen Instituts.
. 6*
84
neutralen Grund. Der junge Albrecht steht neben einem Fenster mit Blick in die
Landschaft, so daß der hell beleuchtete Kopf sich von der dunklen Wand neben der
Fensteröffnung abhebt, ein Motiv, wie es auch auf niederländischen und floren-
tinischen Porträts vorkommt. Ähnlich ist die Szenerie auf dem Bilde der Fürlegerin in
Lützschena. Eine Landschaft im Hintergrund haben auch die drei Tucherporträts
und Krell auf der einen Seite, während auf der anderen der Vordergrund unmittelbar
hinter der Figur durch eine Tapete oder einen Vorhang abgeschlossen ist. In der
äußeren Anlage des Porträts ist Dürer hier nicht bahnbrechend. So bedingt auch
die Auffassung durch gewisse Schemata ist, so läßt er sich doch bei der Konzeption
jedesmal von neuen künstlerischen Gesichtspunkten leiten. Schon diese frühen
Bilder machen ihn zum ersten deutschen Porträtisten seiner Zeit. Das Porträt erlangt bei
ihm eine individuelle Bestimmtheit ähnlich wie in den Niederlanden, wirkt aber ganz
anders als dort. Es bekommt etwas Impulsives, fast könnte man manchmal sagen
Herausforderndes.
Dürers Auge ist eingestellt auf das Charakteristische der Form. Er nimmt
das Porträt als Formbild, nicht als Stimmungsbild. Die formale Charakteristik prävaliert
vor einer seelischen oder malerischen Stimmung. Das Charakteristische der Persön-
lichkeit erfaßt er mit seiner präzisen Linienführung. Aber damit ist es nicht getan;
er bringt auch etwas in das Bild hinein, das nicht bloß einer sachlichen Interpretation
des in der Wirklichkeit Geschauten dient. Es ist das Persönliche seines Stils, das
schnörkelhafte Eigenleben seiner Liniensprache, was bei ihm nicht immer an der
Natur ein genügendes Korrektiv erhält. Mit einem altniederländischen Porträt ver-
glichen haben die seinigen in dieser Zeit etwas Unruhiges, Zerrissenes. Die Konturlinien
sind sehr bewegt, springen stark vor und zurück. Ein energisches Auf- und Abfahren
bestimmt den Eindruck. Und dieses kühne Bewegungstempo greift auch auf den
Schauplatz über, die Landschaft, die Bergzüge im Hintergrund. Dem Frauenbildnis
wird eine solche Art der Behandlung am wenigsten gerecht. Dem spezifisch Weib-
lichen vermochte er damit nicht nahe zu kommen. Wie wenig in der Sache begründet
sind z. B. die aus seinem linearen Gefühl heraus entstandenen Ausbuchtungen an der
linken Gesichtslinie der Tucherin in Cassel.
Die Modellierung der Gesichter wird auf kräftig sprechende Einzelformen hin
angelegt. Die Augen, die Nase, der Mund mit den meist stark geschwungenen Lippen sind
selbständig ausgeprägte und zeichnerisch durchgebildete Formbestandteile. In ihrem
Zusammenwirken ist die Relativität der Teile nicht immer ganz berücksichtigt. Er
wird auch manchmal den Einzelformen darstellerisch noch nicht gerecht. Namentlich
die Augen bereiten ihm zuweilen Schwierigkeit. Man braucht nur an den glotzenden
Blick des Berliner Kurfürsten und der Felicitas Tucher in Weimar zu erinnern. Die
meisten Partieen fesseln aber durch die wunderbare Lebendigkeit der Zeichnung. Auch
den Händen, selbst wenn nur ein paar Finger sichtbar sind, ist ein eigener Aus-
druck verliehen.
Jene nicht unmittelbar der Naturnachahmung dienenden ganz persönlichen
Darstellungsmittel geben dem Bildnis auch seinen besonderen dekorativen Stil. Sie
entrücken es aus dem Schein zufälliger natürlicher Willkür in das Bereich bewußter
Kunst. Welche künstlerische Ökonomie der junge Dürer schon bei seinen frühen
Porträts walten ließ, zeigt ihr Aufbau im ganzen, der etwas Tektonisches hat. Das
Figürliche ist nach bestimmten Gesichtspunkten in die Bildfläche gestellt, mit allen
85
Teilen der Umgebung zeichnerisch in Beziehung gesetzt. Was aufgenommen, was
abgeschnitten, ist sorgfältig erwogen. Ein kühn ineinander greifendes Linienspiel er-
zeugt den Eindruck des Festgefügten, Stabilen. Man beobachte etwa das auf die
Wirkung durchgehender Vertikalen basierte Bildnis des Krell. Das Friedrichs des
Weisen, das noch nicht eine solche Geschlossenheit und Sicherheit im Aufbau zeigt,
gehört gewiß an den Anfang der Porträtreihe.1)
Die malerische Ausführung der Frühbilder ist verschiedenartig, niemals sche-
matisch. Sie erreicht bei den Gesichtern nicht jene lückenlose Verschmelzung aller
Teile zu einem harmonischen Ganzen, jene den leisesten Hebungen und Senkungen,
den zartesten Schwingungen der Oberfläche gerecht werdende Modellierung, wie bei
einem gleichsam von innen heraus belebten Bildnis von van Eyck und seinen Nach-
folgern. Das wird ein Problem für Dürer in seiner späteren Zeit. Jetzt formt er mehr
in großen Zügen, faßt breitere Flächenpartieen zusammen, höht die Lichter auf und
tönt die Dunkelheiten mit neutralen Schatten ab. Vielfach wird mit dem Pinsel ge-
zeichnet, besonders den Haaren eine minutiöse Feinheit verliehen.
Man darf im Vergleich mit der Graphik vielleicht von kupferstichartig- subtil
und holzschnittmäßig-breit ausgeführten Bildnissen sprechen. Zu den ersteren wäre
das Selbstporträt in Madrid zu rechnen mit seinen fein abgestuften, zarten Tonlagen,
die Perle unter den frühen Bildnissen. Zu den letzteren der Krell, packend durch die
elementare Energie des Ausdrucks, groß empfunden und breit durchgeführt, ein echtes
Produkt der Sturm- und Drangzeit.
Zu keinem der erhaltenen Bildnisse besitzen wir eine Vorzeichnung. Für den
Kupferstich oder Holzschnitt hat Dürer das Porträt in seiner Jugend nicht verwandt.
Dazu ist er erst verhältnismäßig spät übergegangen.
Ausgeführte Porträtzeichnungen als Selbstzweck sind vor 1503 nicht auf
uns gekommen. In diesem Jahr setzen die prachtvollen Kohlezeichnungen von Köpfen
ein: Frau (L. 5), leidender Mann (L. 230), Pirckheimer (L. 376), Jüngling (L. 426). Sie
bilden den Anfang der Reihe großartig aufgefaßter, mit mächtigen Kohle-Strichen auf
das Papier gesetzter Porträtköpfe, in Schwarz und Weiß abgetönt und zu bildartiger
Wirkung gebracht. Aus demselben Jahre in sorgfältiger Silberstiftzeichnung, mit Schraf-
fierungen schattiert, der Kopf eines jungen Mannes (L. 99).
Außerdem gibt es zwei Skizzenblätter nach Dürers Gattin aus früherer Zeit.
Eine rasch mit großer Verve hingeworfene Federzeichnung in der Albertina (L. 457),
und das mehr durchgeführte, weiß gehöhte Silberstiftblatt in Bremen (L. 113, von
Lippmann als Katharina Frey angesprochen).
Als Maler von Altarbildern verzichtet Dürer auf die Mitwirkung figürlicher
Holzplastik. Auch der Mittelschrein wird der Malerei vorbehalten. Was sich von
frühen Altargemälden erhalten hat, ist spärlich. Vieles, was unter seinem Namen
geht, ist nicht eigenhändig. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit lag damals in den
l) Das 1904 in Düsseldorf ausgestellte Bildnis eines Jünglings im Besitz des Großherzogs von
Hessen in Darmstadt, in dem Peltzer (Albrecht Dürer und Friedrich II. von der Pfalz, Straßburg 1905)
den Landgrafen Friedrich II. erkennen will, kann trotz mancher Übereinstimmung mit Dürers tech-
nischem Verfahren schon wegen des Mangels der für ihn so charakteristischen Linienbewegung nicht
als sein Werk gelten. Es hat etwas Fades in der Anlage, etwas Müdes im Blick. Und auch die Land-
schaft mit den Bergzügen im Hintergrund ist zu weichlich für Dürer. Das Ganze macht den Eindruck
einer Schulimitation.
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Porträts und der Graphik. Für die Ausführung von Altären hat er vielfach Schüler
hinzugezogen.
An erster Stelle unter den Kirchenbildern steht der Dresdener Altar. Er
stammt aus der Schloßkirche in Wittenberg, und man nimmt an, daß Friedrich der
Weise ihn bestellte. Da er kürzlich im Vordergrunde des Interesses gestanden und
von berufenen Seiten eine eingehende Würdigung erfahren hat,1) so verzichte ich auf
eine neuerliche weitläufige Analyse und berühre nur einige für unseren Zusammenhang
wesentlichen Punkte.
Mittelbild und Flügel sind nicht zu gleicher Zeit geschaffen, das darf man
heute wohl als Tatsache hinstellen. Die Mitte ist gewiß in den neunziger Jahren
entstanden. Die Flügel rühren aus späterer Zeit her. Und zwar möchte ich mit
Justi annehmen, daß sie nach der zweiten italienischen Reise, nicht, wie Wölfflin will,
vorher hinzugefügt worden sind. Was das Werk an späteren Zutaten und Über-
malungen aufzuweisen hat, ist jetzt aufgeklärt, und namentlich haben sich die Seiten-
mauern des Mittelbildes, die mit Dürers damaligen perspektivischen Kenntnissen nicht
in Einklang zu bringen sind, als Beigaben neuerer Zeit erwiesen.
Wie weit das Figürliche der Anbetung des Kindes auf dem Mittelbild von italie-
nischen Anregungen abhängig ist, wurde in der vorigen Studie schon berührt. Dürer war
sich offenbar bewußt, etwas für Deutschland Neuartiges zu schaffen, ein Devotionsbild,
wie man es in Italien kannte. Die der paduanisch-venezianischen Kunst entnommenen
Motive: die anbetende Maria in halber Figur, die Brüstung mit dem Kissen, auf dem
das Kind liegt, schöpfte er wohl aus dem Schatze seiner Reiseerinnerungen; ebenso wie
er italienische Eindrücke für graphische Arbeiten verwertete. Unter den Gemälden nimmt
das Dresdener Mittelbild eine ähnliche Stelle ein wie die Madonna mit der Meerkatze
unter den Kupferstichen. Es fällt heraus infolge seiner italienisierenden Tendenz, und das
hat für Dürers Jugendjahre nichts Befremdendes. Auch in der malerischen Technik sucht
er mit Italienischem zu rivalisieren.-) Wie unerhört neu und fremdartig das Werk
zu seiner Zeit wirken mußte, wird einem erst ganz klar, wenn man sich daneben das
übliche Altarbild Wolgemutscher Richtung vergegenwärtigt. Wie auch sonst, hat Dürer
sich nur im Figürlichen an italienische Vorbilder angelehnt. Die Umgebung hat er
selbständig hinzuerfunden. Das Ganze ist in eine bürgerlich-trauliche Sphäre gerückt.
Das Gemach mit dem Ausblick auf die Straße, die Zimmermannswerkstätte, in der
Joseph sein Handwerk treibt (soviel davon unberührt ist), das sind echt deutsche
Züge. Zu dem repräsentativen Charakter des Vordergrundes will das nicht stimmen.
Ein Italiener hätte diesen in eine strenge architektonische Umrahmung gefaßt. Er
hätte auch den Engelkindern, die ihre Herkunft von paduanischen Putten gewiß nicht
verleugnen, keine so degradierende Beschäftigung zugewiesen wie das Reinigen
des Zimmers.
Der Engelputto findet sich schon vereinzelt vor Dürer. Aber er spielt keine
so selbständige Rolle. Meist tritt er mit irgend einer dekorativen Bestimmung oder
in ornamentaler Umgebung auf. Schon die Madonna mit Engeln des Meisters E. S.
(P. 143) bringt zwei nackte geflügelte Putten, die, auf gotischen Postamenten auf den
Seitenwangen des Thrones stehend, den Baldachin zurückschlagen. Ein anderer Stich
') Vgl. L. Justi, Dürers Dresdener Altar, Leipzig 1904. Wölfflin, Dresdener Jahrbuch 1905.
-) Vgl. oben S. 62.
87
des Meisters (P. 154) zeigt sie die Marterwerkzeuge haltend. In Schongauers Kupfer-
stich-Passion sitzen bei der Handwaschung zwei auf der Thronlehne. Auf dem ersten
Blatt der Schedeischen Weltchronik treiben sie in dem Laubgewinde der Umrahmung
ihr Wesen. In einen Vorgang verflochten erscheinen sie auf einem Holzschnitte des
in Basel gedruckten „Ritter von Turn" (fol. 14v). Es ließen sich noch mehr einzelne
Beispiele anführen. Aber durch Dürer erhält das aus dem italienischen Putto erwachsene
Engelkind doch erst sozusagen sein Bürgerrecht in der germanischen Phantasie und
die bevorzugte Stellung in der christlichen Märchenwelt, die ihm seither geblieben
ist. Das Marieenleben und die damit verwandten Arbeiten haben die maßgebenden
Vorbilder aufgestellt. Auf dem Dresdener Altar haben die aus dem italienischen Putto
zu unmittelbar abgeleiteten Wesen bei aller Geschicklichkeit der Erfindung etwas
Plumpes und Täppisches.
Das Antlitz der Dresdener Maria ist nach dem Prinzip, das wir für die Be-
handlung der Porträtköpfe als maßgebend erkannten, durchgeführt: die einzelnen Form-
bestandteile mehr für sich gesehen und modelliert, nicht aus einem Gesamteindruck
heraus entwickelt. Daß die Linienbewegung ruhiger, stumpfer ist als sonst, hat darin
seinen Grund, daß Dürer hier besonders feierlich im italienischen Sinne wirken wollte.
Klar aber ist ohne weiteres, daß er nicht einen italienischen Kopf unmittelbar über-
nommen hat. Die Züge der Maria haben etwas Porträtartiges, in höherem Maße als
es sonst bei seinen Madonnen damals der Fall zu sein pflegt. In welcher Weise er
sie aus einem Porträt heraus entwickelt hat, läßt sich natürlich nicht mehr genau fest-
stellen. Offenbar besteht eine Verwandtschaft mit dem auf Leinwand gemalten, en face
gestellten Frauenkopf mit gesenkten Augen in der Pariser Nationalbibliothek, der auf
dasselbe Modell wie die sogenannten Fürlegerin-Bildnisse zurückgeführt worden ist.1)
Die stark gewölbten Augendeckel, der Mund mit der breiten Unterlippe, das Kinn sind
auf der Dresdener Madonna und dem Pariser Kopf ähnlich. Es ist nicht unwahrschein-
lich, daß dieser und eine Darstellung wie die „Fürlegerin mit offenem Haar" (Repliken
in Frankfurt, Budapest und Augsburg) in den Kreis vorbereitender Studien für die
Dresdener Maria gehören. Von der Frontansicht wäre Dürer dann dazu übergegangen,
die Gestalt etwas schräger zu stellen wie auf dem Frankfurter Bilde, und schließlich
zu der starken Verkürzung der Dresdener Maria vorgeschritten. Daß das Frankfurter
und nicht das Augsburger Exemplar dem Dürerschen Original näher steht, glaube
ich mit Bestimmtheit annehmen zu dürfen. Wenn Wölfflin2) eine Verwandtschaft
zwischen diesem Bildnis und dem Berliner Mädchenkopf (L. 96) konstatieren und in-
folgedessen jenes erst um 1506 datieren möchte, so scheint mir das nicht überzeugend.
Von der malerischen Behandlung des späteren Augsburger Bildes hat man ganz
abzusehen. Der Bewegungsrhythmus und die breitflächige malerische Anlage des
Frankfurter Exemplars entspricht aber wohl dem inschriftlichen Datum 1497. Und
etwa diese Zeit dürfte auch für das Mittelbild des Dresdener Altars in Frage kommen.
Was die ästhetische Bewertung betrifft, so hängt dabei natürlich viel von
persönlichem Geschmack ab. Als Krone der Jugendarbeiten Dürers wird man es
aber doch wohl nicht hinstellen dürfen. Über das Unausgeglichene, Zwiespältige im
Eindruck kommt man bei aller Bewunderung hoher Qualitäten nicht leicht hinweg.
]) Weizsäcker, Katalog des Städelsclien Kunstinstituts, S. 97.
-) Jahrb. d. Königl. preuß. Kunstsamml. XXV, 1904, S. 204.
88
Welch ein Unterschied zwischen der Dresdener Maria und dem kleinen Wiener
Brustbild der Madonna von 1503! Dort ein Streben nach einer gewissen ruhigen Ab-
geklärtheit, hier ein fast kokettes Sichgebärden. Ein pikantes Linienspiel, pikant
schon die Art des Ausschnitts. Wie ist die Empfindung gegenüber der säugen-
den Maria des Kupferstichs aus demselben Jahre (B. 34) veräußerlicht! Sollte
sich das Verzwickte in dem Antlitz des Gemäldes vielleicht durch Umbildung eines
Barbarischen Frauentypus erklären? Man vergleiche etwa einen Kopf wie den von
Barbaris Judith (Kr. 1). Dagegen ist die Feinarbeit der malerischen Ausführung gewiß
nicht auf eine Einwirkung des Italieners zurückzuführen, wie Thausing wollte, ebenso
wenig wie der etwa gleichzeitig auftretende Feinstil im Kupferstich. Es ist einfach
eine Weiterbildung jener malerischen Behandlung, wie sie z. B. schon das Selbstbildnis
von 1498 zeigt. Das Kupferstichartig-Subtile und das Holzschnittmäßig-Breite geht in
der Malerei auch im neuen Jahrhundert noch nebeneinander. Von der eigenartig
geschmackvollen, lichten Farbenwirkung des Wiener Bildes vermag keine Reproduktion
eine Vorstellung zu geben.1)
Großzügig angelegt ist die Münchener Beweinung, die Thausing nur
als Schulbild hinstellte, die aber gewiß eigenhändig ist. Falls Signierung und
Datierung echt sind, wäre sie im Jahre 1500 entstanden. Das Jahr entspricht wohl
dem mutmaßlichen Zeitpunkte der Entstehung. Koloristisch wirkt das Gemälde nicht
erfreulich. Es hat auch Restaurierungen über sich ergehen lassen müssen. Nur
wenige Partieen sind noch intakt. Den Vordergrund nahmen ursprünglich Stifterfiguren
ein, wie auf dem Paumgärtnerschen Altar, die überpinselt worden sind und noch auf
der linken Seite durchschimmern. Auf die Verwandtschaft des Schauplatzes mit der
Erlanger Landschaftszeichnung wurde oben schon hingewiesen. Es ist eine großartige
Bergszenerie mit wildbewegten Linienzügen, machtvoll zusammenwirkend mit der
Gestaltengruppe. Die Anlage des Figürlichen erinnert im Kompositionsprinzip an die
Grablegung der großen Passion (B. 13). Sie ist ähnlich pyramidisch; die Stelle, die
dort die Frau mit gefalteten Händen einnimmt, als Gruppenabschluß nach oben, ist
hier Johannes zugewiesen. Die Figurenmasse ist sehr gedrängt und flach geschichtet.
Wie auf den graphischen Blättern wird unmittelbar hinter ihr der Vordergrund sche-
matisch durch eine Terrainwelle (den Kreuzeshügel) abgeschnitten. Und nur von links
her wird ein schräger Durchblick nach dem Hintergrund hin gewährt. In der grünen
Passion ist die Figurenmasse schon ganz anders gelockert und organisiert. Die Typen
entsprechen durchaus der Zeit um 1500. Ergreifend in seinem verhaltenen Schmerz
ist Johannes; sein Kopf gehört zu den wenigen nahezu intakten. Die Züge sind
weicher als bei dem Johannes der großen Passion; es ist derselbe Typus wie auf
der Baseler Zeichnung zum Mittelstück des St. Veiter Altars, der dann auch in der
grünen Passion wiederkehrt. Ganz Dürerisch die ausdrucksvolle Schwingung der
Gesichtslinie. Und wer anders könnte die grandiose Gestalt des Alten mit dem Salb-
gefäß geschaffen haben !
Weit schwächer wirkt daneben die verwandte Holzschuhersche Beweinung
des Germanischen Museums. Bei der schlechten Erhaltung läßt sich Positives mit
') Das Brustbild des Salvator (früher Slg. Felix in Leipzig), das sich jetzt bei Fairfax
Murray in London befinden soll, vermag ich nicht zu beurteilen, da ich es nie gesehen habe. Es ist
gut reproduziert im ersten Jahrgang der Kunsthistor. Gesellschaft für photogr. Publikationen.
89
Sicherheit nicht sagen. Dürersche Motive sind benutzt. Nichts läßt auf eine eigen-
händige Ausführung schließen. Und das Monogramm dürfte falsch sein.1)
Der mit Dürers Monogramm bezeichnete undatierte Pau mgärtnersche Altar
der Münchener Pinakothek ist jedenfalls vor der Anbetung der Könige in den Uffizien
entstanden. Das Mittelbild der Geburt Christi hat infolge der vor einigen Jahren
vorgenommenen glücklichen Restauration seine Stifterbildnisse wieder erhalten. Die
Raumgestaltung ist hier noch weit weniger glücklich als auf dem Uffizien-Bilde. Bei
den Architekturkulissen rechts und links verschwinden die von vorn nach hinten ver-
laufenden Mauern nicht in den Seitenrändern des Bildes, sondern werden ein wenig
vor dem Bildrand durchgeschnitten, so daß noch ein schmales, glattes Stück Stirnwand
entsteht. Das ist ein primitiveres Stadium der Konstruktion, wie es auch die früheren
Bilder des italienischen Quattrocento zeigen. ') Auf der Anbetung der Könige gleitet
die Mauer in den Bildrand, ohne daß eine Vorderfläche sichtbar ist. Dadurch kommt
eine stärkere Raumillusion zustande.
Der Schauplatz des Münchener Bildes ist auf perspektivische Wirkung hin
angelegt. Am Anfang des 16. Jahrhunderts beginnt Dürer sich intensiv mit der
Perspektive zu beschäftigen. Aber die Konstruktion hat etwas Starres, Schulmäßiges,
erreicht keinen natürlichen Eindruck. Der Horizont ist sehr hoch genommen. Die
vordere Bühne steigt stark an und dient zum Teil als Fond für die Figuren. Diese
sind in die perspektivische Anlage nicht einbezogen. Dürer kann sie auch noch
nicht frei in den Raum stellen. Er braucht etwas Festes, von dem sie sich abheben.
Der Steinboden erfüllt hier dieselbe Funktion wie die Terrainwelle in offener Landschaft.
In der Mitte des Hintergrundes wird es frei und licht; der Blick schweift in ein
freundliches Hügelland. Die Art des Schauplatzes ist die schon im 15. Jahrhundert
bei dem gleichen Anlaß gebräuchliche. Aber das Malerische und Romantische wird
in der Ruinenszenerie stärker betont.
Der Vorgang ist von Dürer sonst glücklicher veranschaulicht worden, z. B.
in dem Marieenleben oder dem Stich B. 2. Aber die Gruppe mit dem Kinde und
den es wartenden Englein ist gemütvoll und anmutig (wenn auch manches daran
verdorben ist). Die Engel zeigen nicht mehr jene engen Beziehungen zu dem padua-
nischen Putto wie auf dem Dresdener Altar. Sie sind ganz im Dürerschen Sinne
die munteren Bürschchen geworden, in die er alle Reize und den Mutwillen deutscher
Kinder gelegt hat.
Die Flügelbilder mit den beiden Paumgärtnern als Georg und Eustachius
lassen nach der Entfernung der neueren Zutaten erkennen, wie Dürer die Einzelgestalt
zur Raumfüllung eines schmalen Hochbildes ausnutzte. Es geschieht ganz im Sinne
des 15. Jahrhunderts. Wie schwelgt er noch in der spätgotischen Bewegung! Das
trotzig Widerstrebende scheint durch einen imponierenden künstlerischen Willen ge-
meistert. Aber es bleibt ein Überschuß an Kraft, der sich nicht in Form zwingen läßt.
Das Eckige, Spitze, Grätige behauptet siegreich seinen Platz. Und wie flattern die
Fähnlein in unmöglichen Verschnörkelungen! Das ist eine ganz unrenaissancemäßige
Raumfüllung. Der dekorative Geschmack weist auf die germanisch-gotische Heraldik.
J) Aus dem 1500 datierten Herkules des Germanischen Museums läßt sich seiner schlechten
Erhaltung wegen für Dürers malerischen Stil nichts gewinnen. Über den Charakter der Zeichnung ist
schon im vorigen Kapitel gesprochen worden.
-) Vgl. Weisbach, Pesellino S. 40.
QO
In diesen schwerleibigen Rittern steckt noch das ganze Kraftgenie des Sturms und
Drangs.
Wie man die Wiederherstellung des Altars hat bemängeln können — nament-
lich von französischer Seite1) - ist nicht begreiflich. Wer das wirklich Dürersche an
Dürer liebt, kann darüber nur Befriedigung empfinden; — abgesehen davon, daß die
Restaurierung die Verkündigungs- Maria auf der Rückseite eines Flügels zu Tage
gefördert hat. Dem Freunde deutscher Kunst geben die an hervorragender Stelle
hängenden Flügel mit den beiden Paumgärtnern von dem, was der junge Dürer
bedeutet, eine Vorstellung mit einer Eindringlichkeit, wie nur wenige andere Werke.
Daneben können dann allerdings Stücke wie der St. Veiter und der Jabachsche
Altar nicht bestehen.
Von dem 1502 gemalten Altar in Ober St. Veit gelten schon lange nur die
Vorzeichnungen als Dürerisch, aber auch von diesen möchte ich nur den Baseler
Entwurf zu dem Mittelbild für den Meister selbst in Anspruch nehmen. Die Frank-
furter Zeichnungen zu den Flügeln scheinen mir nicht ohne weiteres als eigenhändig
anzusehen zu sein. Die Ausführung der Altargemälde hat man, wie ich glaube, mit
Recht dem jungen Schäuffelein zugewiesen.
Ebenso wenig darf man die malerische Ausführung der Flügel des
Jabachschen Altars Dürer zumuten. Die Münchener Heiligen werden ihm wohl
überhaupt kaum noch zugeschrieben. Die Typen, die Hände, das ganze Auftreten der
Gestalten, die Figuren der Stickereien am Mantel des Lazarus, alles hat keinen spezifisch
Dürerschen Charakter. Und für die rohen schwarzen Konturierungen, die sich auch
auf den anderen Flügeln finden, darf man ihn gewiß nicht verantwortlich machen.
Auf den Teilen in Köln (Musikanten) und Frankfurt (Hiob)-) entbehrt die
Landschaft jener für den jungen Dürer bezeichnenden Festigkeit in der Strichführung.
Alles ist für ihn zu weichlich und verwaschen. Den Bergzügen fehlt die markante
Bestimmtheit des bei Dürer immer interessanten Umrisses. Das Getüpfel an Baum-
und Strauchwerk ist der Art seiner Pinselführung nur nachgeahmt. Im Aufbau der
Szenerie verletzt der Mangel an konstruktivem Sinn, wie er auf keinem echten Werke
Dürers zu finden ist. Und auch das Figürliche läßt im einzelnen seine Energie und
Prägnanz in der Formgebung vermissen. Hände wie die der Kölner Musikanten sind
für Dürer geradezu unmöglich; ebenso die schlechte Innenzeichnung der herabhängenden
Hand des Frankfurter Hiob. Gegen Eigenhändigkeit sprechen auch die kleinlichen
Motive an dem Hiob als Schurz dienenden Tuche.
An den Paumgärtnerschen Altar reiht sich die Anbetung der Könige in der
Tribuna der Uffizien, die als Malerei seine Reifezeit einleitet und zu den größten
Schöpfungen seines Pinsels gehört.
Zeichnungen sind aus Dürers Jugend nicht so zahlreich erhalten wie aus
späteren Epochen. Namentlich datierte sind innerhalb der Zeit von 1496 bis 1502
sehr selten. Es giebt im ganzen nur sieben: 1496 Frauenbad (Bremen, L. 101), 1497
Laute spielender Engel (Berlin, L. 73), 1498 Ritter zu Pferd (Albertina, L. 461), 1500
Bürgerin (Albertina, L. 464), 1501 liegende nackte Frau (Albertina, L. 466), 1502 Mitte
zum St. Veiter Altar (Basel), Hase (Albertina, L. 468). Verschiedene undatierte, die bis
•) Aug. Marguillier in der Zeitschrift Les Arts 1903 No. 14 u. 21.
2) In Weizsäckers Katalog des Städelschen Kunstinstituts als Dürer.
91
auf wenige alle im Lippmannschen Dürer-Werk publiziert sind, gehören dann noch
in diesen Zeitraum.
Man kann Dürers Zeichnungen je nach ihrer Bestimmung etwa in drei Gruppen
einteilen: 1. solche, die als abgeschlossene Kunstwerke einen Selbstzweck hatten;
2. Kompositionen oder Entwürfe, die als Grundlage für auszuführende Werke dienen
sollten, mögen diese nun zustande gekommen sein oder nicht; 3. flüchtige Skizzen
oder Notizen, um gewisse Situationen oder momentane Eindrücke festzuhalten.
Beispiele für die erste Gruppe, d. h. in dem Sinne zu selbständigen bildmäßigen
Kunstwerken abgerundete und in sich vollendete Zeichnungen, wie sie in der späteren
Zeit auftreten, kommen in den neunziger Jahren noch nicht vor. Höchstens könnte
man dahin Blätter wie den aquarellierten Ritter der Albertina (L. 461) oder die fein in
Silberstift angelegten und weiß gehöhten Zeichnungen des Berliner lautespielenden
Engels (L. 73) und der Agnes Dürer in Bremen (L. 113) rechnen, die doch aber bei
aller Sorgfalt der Ausführung wohl eher als Studien gelten dürfen. Die Technik der
beiden letzten ist nicht häufig. Zum Silberstift hat der junge Dürer nur selten gegriffen.
Im Jahre 1503 setzen dann die einem Eigenzweck dienenden breiten Porträtzeichnungen
in Kohle ein, von denen im Zusammenhang mit dem gemalten Porträt schon die Rede
war. Und das Jahr 1502 liefert in dem berühmten Hasen der Albertina (L. 468) das
erste Beispiel jener Feinmalerei, mit der Dürer sich jetzt der äußeren Erscheinung von
Naturobjekten in malerisch-eingehender Weise zu bemächtigen sucht.
Das gewöhnliche Material für Entwürfe und Skizzen ist in der frühen Zeit
die Feder. Einen künstlerischen Selbstzweck erhält die Federzeichnung öfter durch eine
leichte Bemalung. Von Entwürfen, die zur Ausführung kamen und deren Ausführung
nachweisbar ist, haben sich erhalten: für den Holzschnitt einer (babylonisches Weib, Al-
bertina), zwei für den Kupferstich (verlorener Sohn, Brit. Mus., und Bauernpaar, Berlin,
Kupf. Kab.), zwei für Gemälde (Darmstädter Herkules, St. Veiter Altar, Basel1).
Die beiden für den Kupferstich hergestellten Vorlagen zeigen, wie Dürer sich
seine Motive in sorgfältiger Zeichnung zurechtlegte, ehe er sie auf die Platte übertrug.
Der verlorene Sohn ist aber aus der Londoner Zeichnung nicht ohne weiteres herüber-
genommen. Manches hat Dürer verändert, die Licht und Schattenverhältnisse modi-
fiziert-) — nicht immer zum Glück der Darstellung. Auf der Zeichnung wirkt z. B.
das einzelne Schwein rechts von der Figur entschieden günstiger als auf dem Stich,
wo es zwischen diese und den Heuhaufen gezwängt ist. Aber die Gesamtstimmung
ist in der Zeichnung schon ganz zur Geltung gebracht.
Die kürzlich von dem Berliner Kabinett erworbene, bisher unbekannte und
unbeschriebene Zeichnung (vgl. den Lichtdruck)1) enthält nebeneinander zwei Entwürfe:
rechts eine bis auf kleine Einzelheiten genau mit dem Stich des Bauernpaars (B. 83)
übereinstimmende Darstellung im Gegensinn, links eine Szene, die dem Sujet nach den
Marktbauern (B. 86) nahesteht, aber mit anderen Figuren. Die zeichnerische Strich-
') Die Frankfurter Entwürfe für die Flügel des St. Veiter Altars sind, wie schon bemerkt, für
mich nicht überzeugend. — Von den Landschaftsstudien war schon S. 65 die Rede. — Abgesehen ist
hier von den Skizzen für die außerhalb des von uns betrachteten Zeitraums vollendeten Werke.
'-) Bei der Jünglingsfigur ist z. B. auf dem Stich das Knie durch den Rockzipfel verdeckt
worden, die untere Partie des Stiches in Schatten gebracht etc.
3) Die Reproduktion ist im ganzen sehr getreu; nur ist im Original der Kontrast zwischen dem
Grunde und der Zeichnung etwas stärker.
92
führung ist in der Vorlage schon genau die der Technik des Kupferstichs entsprechende.
Und das Bauernpaar der Zeichnung ist wohl die endgültige Redaktion vor der Ausarbeitung
auf der Platte. Das Blatt hat vielleicht beim ersten Anblick etwas Befremdendes.1)
Man nimmt besonders an den Händen der Frau Anstoß. Aber diese Hände mit den
stark artikulierten Fingergliedern (wie beim Skelett) stehen keineswegs außerhalb allem
aus Dürers Jugendschaffen Bekannten. Ähnliches bemerken wir an der linken Hand
des Jünglings auf der frühen Londoner Zeichnung der Enthauptung (Abb. 14) und an
der den Kopf stützenden Hand des Josef auf der Madonna-Rodrigues in Berlin; auch
sonst noch. Bei der Ausführung im Stich wurde dergleichen natürlich gemildert. Das
spricht durchaus nicht gegen die Eigenhändigkeit des Blattes, auf dem doch alles für
Dürer zeugt. Die Köpfe sind in seiner Weise ganz zwingend charakterisiert. Und
das lebensprühende Galgengesicht der mittleren Volksfigur läßt nur an ihn denken. -
Die Entstehungszeit des Blattes ist um die Mitte der neunziger Jahre zu setzen.
Unter den Entwürfen, die nach und nach immer freier, sicherer, genialer werden,
ist einzig in seiner Art die vor kurzem von Sidney Colvin publizierte Oxforder Zeich-
nung-), von ihm „die Freuden der Welt" getauft (Abb. 31). Auf dem Blatt sind
allerlei galante, heitere und höfische Szenen aus der Zeit des Künstlers zu einem
Ganzen vereinigt. Im Vordergrund in der Mitte haben sich auf der Wiese um einen
runden Tisch verschiedene Herren und Damen zu trautem Beisammensein gelagert.
Ein Trommler und ein Pfeifer spielen auf. Im Zentrum des vordersten Planes
steht ein Weinkühler mit Krügen. Links davon hat sich ein Paar zurückgezogen,
das sich zärtliche Blicke zuwirft. Aber unmittelbar neben ihm und von ihm unbeachtet
spielt sich eine aufregende Szene ab. Zwei Frauen (den der Europa nachjammernden
Gespielinnen auf der Albertina-Zeichnung sehr ähnlich) zerren an einem Mann herum,
wogegen sich dieser heftig sträubt. Wollen sie ihm die Kleider vom Leibe reißen, oder
wollen sie ihn mit sich fortziehen — zu besserem Lebenswandel? Von rechts schreitet
mit einer gewissen Grandezza ein vornehmer Herr, gefolgt von zwei Schleppenträgern,
heran, der einen Arm um die ihm zur Seite gehende Frau, die einen Pokal zu tragen
scheint, schlingt. Die moralisierende Tendenz wird hier angedeutet durch das Gerippe,
das sich dieser Gruppe nähert. Im Mittelgrund rechts ein von Badenden und Zu-
schauern besuchtes Bad im Freien, zu dem der hinter dem Baum neben der Tisch-
gesellschaft stehende Narr einzuladen scheint; im Zentrum eine Fontäne, aus der ver-
schiedene Personen schöpfen und der andere zueilen; nach dem linken Rand zu folgen
noch andere kleine nicht ganz deutliche Figuren. Der dritte Plan wird in der Haupt-
sache durch ein Lanzenstechen gefüllt. Links davon wieder eine Anzahl kleinerer
Gestalten, darunter ein Mann, der in ein Pusterohr bläst, andere, die Netze aus
dem Wasser ziehen. Sonst noch verschiedene Tiere und Menschen über das Blatt
verstreut.
Die Landschaft baut sich ganz in der Art der frühen Dürerschen auf, wie sie
ähnlich auf der Europa-Zeichnung und der Rodrigues-Madonna vorkommen. Be-
merkenswert ist hier aber, daß der junge Meister es verstanden hat, sich ein einheit-
liches, flaches Terrain zu schaffen und dieses nach der Tiefe zu leiten.
') Die Monograinmierung rührt natürlich nicht von Dürer her.
-) Drawings of the University-Gall. Vol. II.
93
Die Zeichnung, die gewiß nach der Mitte der neunziger Jahre entstand, ist
deshalb so bedeutungsvoll, weil sie die unmittelbare Niederschrift einer eben der
Phantasie des Künstlers entsprungenen Idee gibt, und um so interessanter, weil es
eine vielfigurige Darstellung ist. Man sieht, wie schon früh auch ein bewegtes,
gestaltenreiches Bild sich von vornherein in der Phantasie zu einem künstlerischen
Ganzen formte und fertig vor dem inneren Schauen stand. Die Komposition, mit
Sicherheit und mit feinem Gefühl für Gruppierung hingeworfen, wirkt wie aus einem
Guß. Und in allen Einzelheiten welch außerordentliche Freiheit in der Beobachtung
und Kühnheit in der Wiedergabe! Wie sind einige der Figuren in ihren momentanen
Stellungen und Bewegungen gesehen, ganz impressionistisch erfaßt und keck auf das
Blatt gesetzt! Etwas Ähnliches dürfte die deutsche Kunst dieser Zeit sonst nicht auf-
zuweisen haben.
Dieses Blatt und andere (wie etwa der Reiter im Louvre, L. 304 *) geben Auf-
schluß darüber, wie seit der Mitte der neunziger Jahre neben der sorgsam durch-
geführten und sauber durchmodellierten Federzeichnung für die Zwecke der Skizze
eine den Gedanken des Künstlers unmittelbarer folgende, rasch hinfegende Zeichen-
manier hergeht. Ausgebildet tritt uns diese Technik mit ihrer kühn vereinfachenden,
die Formen gleichsam im Sturm nehmenden Strichführung erst von dem neuen Jahr-
hundert an entgegen, z. B. in gewissen Entwürfen für das Marieenleben und die
grüne Passion. Dahin gehört auch eine Landschaftsstudie wie die Erlanger Zeich-
nung.-) Und jene Gruppe von Skizzenblättern, die von Thausing nicht anerkannt,
von Justr) neuerdings mit guten Gründen verteidigt wurde, reiht sich ebenfalls hier
ein. Die Oxforder Zeichnung ist ein neuer Beweis dafür, wie der Stil dieser Blätter
sich in Arbeiten der neunziger Jahre vorbereitet.
Von flüchtigen Notizen und Modellskizzen, der dritten Kategorie, ist aus der
hier in Betracht kommenden Epoche wenig zu uns gelangt. Wir könnten etwa eine
Zeichnung wie das Bildnis von Dürers Gattin in der Albertina (L. 457) namhaft machen,
die in bezug auf ein treffsicheres Erfassen des Charakteristischen und Formbildenden
auf derselben Stufe steht wie die erwähnten Kompositionen.
Dürers Sturm- und Drangzeit geht in die Periode der Reife über, die damit
anhebt, daß er, nachdem das leidenschaftliche Feuer der Apokalypse-Epoche sich ge-
dämpft hatte, die ihn umgebende Außenwelt in allen ihren Einzelheiten ganz anders
als früher zu begreifen und sich zu eigen zu machen trachtet. Und das geschieht
in der Hauptsache von einem formalen Standpunkt. Vom Süden her drang die Kunde
zu ihm, daß es ein Gesetzmäßiges in der Natur gäbe, daß der Bau des menschlichen
Körpers auf Gesetzen beruhte, daß die Schönheit von Mann und Weib von den Pro-
portionen abhinge. Und nun sucht und findet er ein Proportionsschema, mit dem
er die Natur meistern zu können hofft. Das erste stolze Resultat solcher Bemühungen
ist der Kupferstich: Adam und Eva (1504).
J) Dagegen kann ich nicht für eine Zeichnung von ihm den sogenannten Beiisar im Berliner
Museum halten, publ. v. Lippmann, Jb. d. kgl. preuß. Kunstslgn., 1897, Heft II/III. Sie hat nicht die
Dürersche Qualität, und auch die Landschaft mit dem stümperhaften Baum im Vordergrund ist nicht in
seinem Sinn. Ebenso wenig von ihm die zwei Reiter im Münchener Kupferstich-Kabinett, die auch bei
Lippmann fehlen.
-) Vgl. oben S. 65.
3) Repertorium f. K. XXI, 444.
94
Daß es eine von spätgotischem Formempfinden gänzlich abweichende Har-
monie der Bewegung gäbe, wie sie in der südlichen Kunst zum Ausdruck kommt,
das war ihm schon Mitte der neunziger Jahre leise aufgedämmert. Aber er hatte
damals kein Organ, um sich diesen Rhythmus wirklich zu eigen zu machen. Wenn
er in Werken der folgenden Zeit italienische Stellungsmotive verwertet, so schließt er
sich mehr oder weniger eng an seine Vorbilder an und arbeitet sie seinem eigenen
Stilgefühl gemäß um. Am Anfang des neuen Jahrhunderts kommt er in dem Ver-
ständnis des antik-italienischen Formenrhythmus um einen Schritt weiter. Probleme
rein formaler Art, die davon ausgehen, stellen sich ein. Der Stich Adam und Eva mit
seinen vorbereitenden Zeichnungen bietet auch dafür das Hauptbeispiel (weit entfernt,
daß schon das letzte Wort nach dieser Richtung gesprochen ist).
Interessen, welche die Ergründung des naturgesetzlichen Normaltypus anstreben
und formal-klassische treten also Hand in Hand auf. Und zugleich bemüht er sich
um ein neues Erfassen und eine weitergehende wirklichkeitstreue Wiedergabe der
stofflichen Oberfläche der Objekte sowohl mit dem Zeichenstift wie mit dem Pinsel.
Zu derselben Zeit beginnt die Erkenntnis der Gesetzmäßigkeit in der Flächen-
projektion des Raumes: der Perspektive. Das Lehrbuch des Viator (Jean Pelerin)
hat hierbei zum Teil wenigstens die Handhabe geboten.
Wie wenig Dürer aber auf seinem eigensten Gebiet, dem rein künstlerischen,
den deutschen Humanisten zu verdanken hatte, darauf wurde in der vorigen Studie
wiederholt hingewiesen.
Dürers Wesen ist deshalb so schwer faßbar, weil Romantisches und Klassisches,
Impulsives und Doktrinäres bei ihm nebeneinander hergeht.
Seine romantische Phantasie ist mit romanischen und germanischen Elementen
durchsetzt. Er hat die klassische Romantik des italienischen Quattrocento mit germa-
nischer Romantik verschmolzen. Ebenso wie seine Formensprache klassische Bestand-
teile mit spätgotischen vermischt.
Mit ihm beginnt jener Zwiespalt zwischen Romantik und Klassik, der dann
in dem deutschen Kultur- und Geistesleben wiederholt in die Erscheinung tritt. Drei-
hundert Jahre später, als Deutschland wieder einen künstlerischen Genius hervorbringt,
der einem Zeitalter seine Prägung gibt, ein neues Ringen zwischen Romantik und
Klassik. Auf Goethes romantische Jugendepoche, den Sturm und Drang, folgt das
klassische Mannesalter. In seiner Reifezeit waren die Begriffe: klassisch und romantisch,
die Dürers Zeitalter noch nicht zum Bewußtsein gekommen, oder wenigstens noch
nicht formuliert waren, zu Schlagworten geworden, und er hat sich oft bemüht mit
ihrer eigentlichen Bedeutung, ihrem Wesen ins Reine zu kommen. Im zweiten Teil
des Faust sollte künstlerisch die große Verschmelzung von Klassischem und Roman-
tischem vor sich gehen.
Der Konflikt zwischen Ausdruck und formal reiner Prägung im Kunstwerk
zieht sich durch das Schaffen aller Zeiten. Steigerungen des Ausdrucks geschehen
auf Kosten der reinen Formharmonie. Das Romantische drängt auf Vertiefung des
Ausdrucks, das Klassische sucht den Formenrythmus herzustellen. Die Renaissance
ist ebenso wenig rein klassisch wie die Antike oder Goethe.
In Dürer ist der Widerstreit zwischen Ausdruck und Form besonders intensiv.
Seine Phantasie drängte auf ein Übermaß von Ausdruck. Ihre reichste und glücklichste
95
Betätigung fand sie in der Graphik. In der „Griffelkunst" hat sie ihre höchste Ge-
staltungskraft bewährt.
Seine Jugendepoche ist die Periode der Impulsivität. Die romantische Leiden-
schaft ist aufs höchste gespannt.
Er gelangt dann zu einer Naturbetrachtung, die die Anschauung auf eine feste
Norm zu begründen sucht. Der Natur will er ihre Gesetze abringen. Er glaubt sie
für die Kunst auf Formeln bringen und diese damit meistern zu können.
Nichts liegt ihm mehr am Herzen als sich zu der Einfachheit und Klarheit der
Natur durchzuringen. Aus der kraftgenialischen Epoche strebt er hinaus zu einem
überlegten Sichuntertanmachen der Wirklichkeit. Klassische Ideale tauchen vor seiner
Phantasie auf. Aber Widerstände in seiner Natur hindern ihn, das, was er für das
gelobte Land hält, ganz zu erreichen.
Die Zeit der Reife bleibt von Zwiespalt durchzogen. Form und Ausdruck,
Klassisches und Romantisches suchen sich gegenseitig zu durchdringen und ringen
um Ausgleich; dazu viel theoretisches Bemühen. Man ist vielleicht berechtigt, in dem
Konflikt solcher Widersprüche etwas Tragisches zu sehen.
Auf jene Jugendepoche, in der ihm das Wesen der Form als ein naturgesetz-
liches noch nicht aufgegangen war, scheint Dürer später mit einer gewissen Gering-
schätzigkeit zurückgeblickt zu haben. Darauf läßt sein bekannter Ausspruch schließen,
der in einem Briefe Melanchthons an Georg von Anhalt berichtet wird: „Ich erinnere
mich, schreibt Melanchthon, wie der an Geist und Tugend ausgezeichnete Mann,
der Maler Albrecht Dürer, sagte, er habe als Jüngling die bunten und vielgestaltigen
Bilder geliebt, und habe bei der Betrachtung seiner eigenen Werke die Mannigfaltig-
keit eines Bildes ganz besonders bewundert. Als älterer Mann habe er aber begonnen
die Natur zu beobachten und deren ursprüngliches Antlitz nachzubilden, und habe
erkannt, daß diese Einfachheit der Kunst höchste Zierde sei. Nun nicht mehr im Stande,
diese zu erreichen, habe er bei der Betrachtung seiner Bilder nicht mehr wie früher
Bewunderung empfunden, sondern seiner Schwachheit geseufzt."
ANHANG.
VERZEICHNIS ILLUSTRIERTER NÜRNBERGER DRUCKE.
Das folgende Verzeichnis macht weder auf bibliographische Genauigkeit noch
auf Vollständigkeit Anspruch. Ich habe lediglich die Ausgaben zusammengestellt, in
denen Holzschnitte vorkommen, die ich für meine Studien benutzt habe. Die genannten
Holzschnitte habe ich alle entweder im Original oder in Abbildungen gesehen. Die
Drucke sind geordnet nach dem Jahr ihres Erscheinens, am Schluß die undatierten
nach Druckern. Die datierten Ausgaben gehen bis zum Jahre 1498. Auf die Titelangabe
des Buches folgen von bibliographischen Quellen: H = Hain, Repertorium bibliogr.;
Pr. = Proctor, An Index to the early printed books in the British Museum; V. =
Vouillieme, Verzeichnis der Berliner Inkunabeln (Königl. BibL , Kupferstich -Kabinett,
Kunstgewerbe-Museum). Herr Dr. Vouillieme, der meine Arbeit in entgegenkommendster
Weise unterstützt hat, stellte mir die Korrekturbogen seines demnächst erscheinenden
Inkunabel-Kataloges zur Verfügung, dessen Nummern von mir zitiert werden. Danach
konnten in dem Verzeichnis dem Text gegenüber auch noch einige Veränderungen
in der Angabe der Drucker vorgenommen werden. In der folgenden Zeile des
Verzeichnisses bedeutet die Ziffer vor Hz. die Anzahl der Holzschnitte, die der Druck
enthält. Die Seitenangabe bezieht sich auf die Stelle in den Studien, wo der betreffende
Druck erwähnt ist. Ferner ist bemerkt, wo ein Holzschnitt in den Studien abgebildet
ist. Auch wo sonst eine der erwähnten Illustrationen reproduziert ist, wurde dies nach
Möglichkeit berücksichtigt. Abgesehen wurde natürlich davon, wenn es sich um so
bekannte Ausgaben wie die Schedeische Chronik oder den Schatzbehalter handelt.
Zu dem Druck des Pfarrers vom Kalenberg habe ich einen längeren Exkurs
gegeben, weil mir erst nach der Drucklegung der ersten Studie die Ausgabe von
Schorbach bekannt geworden ist.
1475.
1. Tuberinus, de Simone puero.
H. 15 654.
Creußner.
1 Hz.
2. Leben der Heiligen. H. 9969.
Zahlreiche Hze. S. 7.
3. Justinianus: Codex. H. 9599.
10 Hze. S. 7.
Pr. 2198. V. 1844
V. 1845.
Sensenschmid.
Sensenschmid
u. Frisner.
7*
100
1479.
4. Folz: Krieg des Dichters wider einen Juden. H. 7215.
Pr. 2217. Folz.
1 Hz. Abgebildet: Könnecke, Bilderatlas zur Gesch. der
deutsch. Lit. S. 101.
1480.
5. Folz: Von drei Studenten. H. 7216. Folz.
1 Hz.
6. Folz: Historie von des röm. Reichs Ursprung. H. 7217.
V. 1858. Folz.
1 Hz.
7. Folz: Von einem kargen Reichen. H. 7218. Folz.
1 Hz.
8. Folz: Wie Adam u. Eva gelebt haben. H. 7219. Folz.
1 Hz.
1481.
9. Bürde der Welt.
1 Hz.
H. 12013.
Zeninger.
10. Folz: Von der Pestilenz.
3 Hze.
1482.
H. 7220.
S. typ.
1483.
11. Bibel. H. 3137. Pr. 2028. V. 1691.
Zahlreiche Hze. S. 8, 67.
Koberger.
1484.
12. Reformation der Stadt Nürnberg. H. 13 716. V. 1703. Koberger.
1 Hz. Wolgemut zugeschrieb. S. 13.
13. Leben des heil. Rochus. H. 13928. S. typ.
1 Hz.
1487.
14. Wie man einem jeglichen deutschen Fürsten schreiben
soll. H. 4051. Ayrer.
1 Hz.
15. Heiligtum in Nürnberg. H. 8415.
1 Hz.
Vischer.
101
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
24.
25.
26.
27.
28.
29.
30.
31.
1488.
Bruder Claus. H. 5380. V. 1897.
7 Hze. Abb. 1. S. 9.
Von der Erledigung der königl. Majestät.
1 Hz. Abb. 3. S. 9.
H. 9981. V. 1732.
Zahlreiche Hze. S. 8.
V. 1898.
Heiligenleben
H. 16019.
S. 13.
H. 3856. Pr. 2268. V. 1907.
1489.
Wie der würffei auff ist kiimen. V. 1900.
1 Hz. Abb. 11. S. 16.
Berthold, Horologium devotionis. H. 8934.
24 Hze. Abb. 2. S. 9.
Versehung von Leib, Seele, Ehre und Gut.
Pr. 2244. V. 1873.
1 Hz. S. 10.
1491.
Missale. H. 11 262.
2 Hze. Abb. 10. S. 12.
Schatzbehalter. H. 14 507.
Zahlreiche Hze. Wolgemut.
Breviarium Magdeburgense.
1 Hz. S. 13, A. 3.'
Obsequiale Ratisponense. H. 11931. Pr. 2267.
1 Hz.; reprod. Burlington Magazine, Vol. IV, No. X, Jan.
1904, S. 245, als Wolgemut nach Campbell Dodgson.
Wie Rom gepauet wart (Mirabilia Romae). H. 11212.
V. 1882.
5 Hze. S. 9.
Der Rosenkranz unser lieben Frauen. H. 14039?
Dresden, Königl. Bibl. (defekt).
12 Hze.
Folz, Rechnung Rupr. Kolpergers von d. Wucher der
Juden. H. 7210.
1 Hz. S. 10.
Alexander Gallus, Doctrinale. H. 682.
1 Hz. Lehrer und 4 Schüler (mit Rand). S. 10, A. 1.
Vgl. No. 46 u. 57.
1492.
Missale Salisburgense. H. 11 420.
3 Hze. S. 13, A. 3.
Kunz Has: Ein new Gedicht der lobl. Stadt Nürnberg.
V. 1883.
1 Hz.
Ayrer.
Ayrer.
Koberger.
Ayrer.
Creußner.
Zeninger.
Fratres ord.
Augustini.
Koberger.
Stuchs.
Stuchs.
Wagner.
S. typ.
S. typ.
S. typ.
Stuchs.
Wagner.
102
1493.
32. Bernardin, Sermones. H. 2832. Pr. 2160. Creußner.
1 Hz. Reprod. Burlington-Magazine, Vol. IV, No. X,
S. 246. (Dodgson, Some rare woodcuts by M. Wolgemut.)
33. Zeitglöcklein. H. 16279. V. 1819. Creußner.
Dieselben Hze. wie in No. 20.
34. Hartmann Schedel, Weltchronik lat. und deutsch.
H. 14 508, 14 510. Koberger.
Zahlreiche Hze. von Wolgemut und Wilhelm Pleydenwurff.
S. 13, 87.
35. Kunz Has: Gedicht, Freunt du pist nicht sundersiech. S. typ.
Einblatt. Reprod.: Bouchot, Les deux cents incunables
de la Bibl. Nat. PI. 100, No. 183.
1494.
36. Sebastian Braut, Narrenschiff. H. 3737. Pr. 2250. V. 1884. Wagner.
Zahlreiche Hze. S. 12.
1495.
37. Bamberger Heiligtum. Dresden, Königl. Bibl. Meyr.
1 Hz.
1496.
38. Theod. Ulsenius: Vaticinium in epidemicam scabiem.
H. 16 089. V. 1886. Wagner.
1 Hz. Abb. 26. S. 73.
1497.
39. Breviarium Erfordense. H. 3836. Pr. 2297. Hochfeder.
1 Hz.
40. Dy schydung vnnser lieben frawen. H. 14537. Erlangen. Wagner.
1 Hz.
41. Die Fronika. H. 13 723. Erlangen. Wagner.
1 Hz.
1498.
42. Missale Salisburgense. H. 11421. Stuchs.
2 Hze.
43. Savonarola, Auslegung des Psalmen Miserere. H. 14426. Wagner.
1 Hz.
Ohne Jahr.
14. Rosenblüt: Spruch v. d. Ordnung u. Regierung in Nürn-
berg. H. 13984. V. 1901.
1 Hz.
Ayrer.
103
45. Engel, practick auff das Jar 1488. H. 6590.
1 Hz. Neudruck: Hellmann, Wetterprognosen u. Wetter-
berichte d. 15. u. lö.Jhs. Faksimiledrucke, Berlin, Asher 1899.
46. Rudimenta grammaticae. H. 14023. Pr. 2188 (1490).
1 Hz. Lehrer und 4 Schüler (mit Rand) = No. 29 u. 57.
S. 10.
Dort hätte diese Ausg. anstatt der Wagnerschen in die Rubrik
gestellt werden sollen, da der Hz. mit Rand jedenfalls der frühere ist.
47. Auslegung des Amts der heil. Messe. H.2143. Pr.2175.
V. 1822.
1 Hz.
48. Tuberinus, Passio Simonis. H. 15657.
1 Hz. wie in No. 1.
49. Isocrates: Praecepta. H. 9317. Pr. 2191. V. 1830.
1 Hz. S. 9.
50. Puerilia super Donatum. H. 13555.
1 Hz. wie in No. 32.
51. Folz: abenteurisch klopf an. V. 1859.
1 Hz.
52. Folz: Die freche und die stille. V. 1860.
1 Hz.
53. Hilduinus: Vita Dionysii Areopagitae. H. 6237.
Pr. 2305. V. 1927.
1 Hz.
54. Issickemer: Zuflucht zu Maria in alten Oding. H.9319.
Pr. 2296 (nach 15. Okt. 1497).
1 Hz. S. 73.
55. Bie man sol hauß halten. Wien. Hofbibl.
Einblatt.
56. Vegius, Philalethes. H. 15925. Pr. 2215.
1 Hz.
57. Beda: Repertor. Aristotelis. H. 1926 = 2733. Pr. 2246
(nach 26. Juli 1490). V. 1888.
1 Hz. Lehrer und 4 Schüler (ohne unteren Rand)
= No. 29 u. 46. S. 10.
58. Cassandra Fidelis, Oratio pro Bertucio Lamberto.
H. 4553. Pr. 2258.
1 Hz. Abb. 4. S. 10.
59. Allerheilsamste Warnung vor der falschen Liebe dieser
Welt. H. 16150. Pr. 2255. V. 1896.
3 Hze. Abb. 6, 7, 12. S. 10, 17.
60. Pfarrer vom Kalenberg. Hamburg. Stadtbibl.
36 Hze. Abb. 8, 9. S. 10.
Alle III. abgebildet bei Bobertag: Narrenbuch, Kürschners Nat-
I.itt., Bd. XI. Weitere bibliogr. Nachweise: Karl Schorbach, Die Ge-
Ayrer.
Creußner.
Creußner.
Creußner.
Creußner.
Creußner.
Folz.
Folz.
Hochfeder.
Hochfeder.
Meyr.
Regiomontanus.
Wagner.
Wagner.
Wagner.
Wagner.
104
61.
62.
schichte des Pfaffen vom Kalenberg. Seltene Drucke in Nachbildungen,
Halle 1905, wo die Heidelberger Knoblochtzersche Ausgabe von 1490
reproduziert ist. Die Holzschnitte dieses Drucks stimmen in der An-
lage der Szenen mit denen des Nürnberger überein, entweder im
gleichen oder im Gegensinn (9 Illustrationen), sind aber ganz rohe
Machwerke. Ich glaube, daß sie zum Teil wenigstens nach den
Nürnberger kopiert sind. Die Gründe, die Schorbach (S. 7) dagegen
geltend macht, scheinen mir nicht stichhaltig. Die den Abbildungen
bei Bobertag S. 76, 78, 81 , 83 entsprechenden Heidelberger Holz-
schnitte u. a. machen doch ohne weiteres den Eindruck vergröberter
Nachbildungen der Nürnberger, wobei man noch die ursprüngliche
kecke Zeichnung der Vorlage durch alle Entstellungen hindurchzu-
fühlen meint. Daß es noch eine andere ältere Kalenberger-Ausgabe
mit so außergewöhnlich guten Illustrationen wie in der Nürnberger
gegeben haben sollte, ist nach unserer Kenntnis der deutschen Buch-
illustration kaum anzunehmen. Zum Teil mögen aber auch die
Heidelberger und die Nürnberger Illustratoren ihre Darstellungstypen
aus ein und derselben älteren Quelle geschöpft haben. Dafür scheint
der nicht von dem guten Illustrator herrührende Hz. der Nürnb. Ausg.,
Bobertag S. 46, zu zeugen, welcher seinem Stil und seiner groben,
eckigen Formgebung nach dem Hz. der Heidelberger Ausgabe fol. b.,v,
der in der Nürnberger Ausgabe kein korrespondierendes Gegenstück
hat, entspricht. Sind die Heidelberger Holzschnitte zum Teil nach
den Nürnberger kopiert, so wäre damit die Entstehung der letzteren
vor 1490 gesichert. Diese ganze Illustrationsgruppe wird dann immer
mehr um 1490 zusammengedrängt.
Epistola de miseria curatorum. H. 6618. V. 1889.
1 Hz., datiert 1489. S. 10, A. 2.
Kannemann: Passio Christi. H. 9759. Pr. 2258. V. 1892.
1 Hz.
Heitz-Häbler, Kalender- Inkunabeln 66.
Heitz-Häbler 72.
Heitz-Häbler 73.
63. Kalender für 1491.
64. Kalender für 1492.
65. Kalender für 1492.
66. Folz: Von dem Pfarrer im Loch. V. 1875.
1 Hz.
67. Jörg v. Nürnberg: Nachricht von d. Türken. H. 9379.
' 1 Hz.
68. Folz: Vom Branntwein. H. 7207.
1 Hz.
69. Folz: Berechnung Rupr. Kolpergers von dem Wucher
der Juden. H. 7209.
1 Hz. Abb. 5. S. 10.
70. Die Niklashauser Fahrt. V. 1932.
1 Hz.
Wagner.
Wagner.
Wagner.
Wagner.
Wagner.
Zeninger.
Fratres ord.
S. Augustini.
S. typ.
S. typ.
H. H. ?
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN.
Seite
1. Bruder Claus. 1488 6
2. Horologium devotionis. 1489 6
3. Erledigung der königl. Majestät. 1488 . 7
4. Oratio Cassandrae 8
5. Folz, Judenwucher 9
6. 7. Warnung vor der falschen Liebe dieser Welt 11
8. 9. Pfarrer vom Kalenberg 12
10. Missale 1491 14
11. Dürer, Wie der Würffei auff ist kumen 17
12. „ Warnung vor der falschen Liebe dieser Welt 18
13. „ Jüngstes Gericht, Zeichnung, Brit. Mus. Ausschnitt 19
14. „ Enthauptungsszene, Zeichnung, Brit. Mus. (etwas verkleinert) 25
15. „ Frauenakt, Zeichnung, Uffizien 42
16. „ Frauenakt, Zeichnung, Bonnat (verkleinert) 43
17. „ Die vier Hexen 43
18. J. de' Barbari, Sieg und Ruhm 43
19. Dürer, Traum des Doktors 45
20. Barbari, Galathea, Dresden, Gemälde -Galerie 45
21. Herkules im Kampf mit den Stymphal. Vögeln. Zeichnung, Darmstadt. Ausschnitt ... 48
22. A. del Pollajuolo, Herkules, Ausschnitt aus einem Bild in New Häven 49
23. Dürer, Madonna mit der Meerkatze 58
24. Lorenzo di Credi, Madonna vom Altarbild in Pistoja 59
25. Dürer, Marter des Sebastian, Holzschnitt, Berlin Kupf. Kab. (verkleinert) 71
26. Ulsenius, Vaticinium. Holzschnitt, Berlin Kupf. Kab. (etwas verkleinert) 72
27. Bekehrung Pauli, Kupferstich, Dresden (verkleinert) 74
28. Dürer, Große Kreuzigung, Holzschnitt, Berlin Kupf. Kab. (verkleinert) 76
29. Kreuztragung, Holzschnitt, Albertina 78
30. Zeichnung aus Benedikt-Legende, München (verkleinert) 79
31. Dürer, Die Freuden der Welt. Zeichnung. Oxford (verkleinert) 93
Lichtdruck. Dürer, Zeichnung für Kupferstich, Berlin
REGISTER.
Alberti, L. B. 31.
Amor 47.
Amymone-Mythus 51.
Apollo 47, 56.
Baldini, Baccio 54.
Baidung 68, 77.
Barbari, Jacopo de' 37, 44, 45, 46, 48, 52, 53,
55—57, 58, 59—61, 63, 81, 82—83, 88.
Bellini, Giovanni 57, 61.
Benedikt-Zeichnungen 79.
Boltraffio 58.
Brant, Narrenschiff 12, 22.
Cassandra Fidelis 10.
Celtes, Conrad 33, 35, 75.
Cranach 68.
Credi, Lorenzo di 41, 58.
Danhauser, Peter (Abietiscola) 10.
Donatello 40.
Dürer, Albrecht, der ältere 1, 2, 33.
Dürer, Gemälde:
Bildnis des Vaters, 1490, Uffizien 19.
1497 83.
Selbstporträt 1493 21.
Herkules, Nürnberg 50, 89.
Dresdener Altar 57—58, 86—87.
Selbstporträt 1498, Madrid 65, 83, 85.
Beweinung, München 65, 66, 88.
Friedrich der Weise, Berlin 83, 84, 85.
Tucher, Hans u. Felicitas, Weimar, 1499 83, 84.
Elsbeth 1499, Cassel 83, 84.
Krell, 1499, München 83, 85.
Sogen. Hans Dürer, 1500, München 83.
Sogen. Fürlegerin 83, 87.
Frauenkopf Paris, Bibl. Nat. 87.
Madonna 1503, Wien 88.
Salvator, früher Slg. Felix 88.
Paumgärtner-Altar 89.
Zugeschrieben:
Altar in Ober St. Veit 90.
Jabach-Altar 90.
Beweinung, German. Mus. 88.
Jünglingsporträt, Darmstadt, Schloß 85.
Dürer, Kupferstiche:
Madonna mit der Heuschrecke 24, 27, 80, 82.
Vier Hexen 44, 81.
Traum des Doktors 46, 82.
Eifersucht 49, 82.
Meerwunder 51, 55, 82.
Das kleine Pferd 54.
Nemesis 55, 64, 82.
Apollo und Diana 55 f.
Satyrfamilie 57.
Türkenfamilie 57.
Madonna mit der Meerkatze 58, 65, 82, 86.
Säugende Madonna (B. 34) 59, 82, 88.
Eustachius 64.
Hl. Antonius 1519 (B. 58) 64.
Der verlorene Sohn 81.
Die Buße des Chrysostomus 81.
Der hl. Hieronymus (B. 61) 81, 82.
Das kleine Glück 82.
Todeswappen 1503 82.
Adam und Eva 1504 82, 93, 94.
Zugeschrieben:
Der Gewalttätige (B. 92) 27.
Dürer, Holzschnitte:
Hieronymus 1492 12, 21, 22, 27, 68.
Männerbad 46, 72.
Ercules 49, 50, 72.
Apokalypse 63, 67 ff.
Marieenleben 65, 69, 80, 87.
Große Passion 70.|
Marter der hl. Katharina 72.
Simson 72.
Ritter und Landsknecht 72.
107
Madonna mit den Hasen 72.
Marter der Zehntausend 72.
Marter des hl. Sebastian (P. 182) 73.
Große Kreuzigung 73 f.
Sebaldus 75.
Celtes, libri Aniorurn 75.
Bücherzeichen für Pirckheimer (B. App. 52) 77.
„Stücke des schlechten Holzwerks" 79.
Entrückung der Magdalena (B. 121) 80.
Zugeschrieben:
Baseler Illustrationen 22 f.
Syphilitiker 73.
Opera Rosvithae 77.
Revelationes S. Brigittae 77.
Dornenkrönung (B. App. 4) 79.
Dürer, Zeichnungen:
Selbstbildnis 1484, Albertina (L. 448) 15.
Madonna mit Engeln, Berlin 1485 (L. 1) 15.
Dame mit d. Falken, Brit. Mus. (L. 208) 15.
Kavalkade, Bremen (L. 100) 16, 17, 24.
Drei Landsknechte, Berlin (L. 2) 16, 17.
Allegor. Darstellung, Reimes 17.
Weltgericht, Brit. Mus. (L. 224) 18.
Weltgericht, Brit. Mus. (L. 248) 18.
Christusknabe 1493, Albertina (L. 450) 22.
Selbstbildnis, Erlangen (L. 429) 24.
Madonna, Erlangen (L. 430) 24, 27.
Madonna-Rodrigues, Berlin 24, 27, 46, 63.
Frauenakt, 1493 Bonnat (L. 345) 26, 41.
Schreitende Frau, Bonnat (L. 346) 26.
Reitendes Paar, Berlin (L. 3) 26.
Schreitendes Paar, Hamburg 26.
Madonna, Louvre (L. 300) 26.
Ritter, Brit. Mus. (L. 209) 26.
Enthauptung, Brit. Mus. 26, 27.
Tod des Orpheus, Hamburg (L. 159) 36, 49, 64.
Trachtenstudie, Albertina (L. 459) 37. 91.
Zwei Frauen, Frankfurt (L. 187) 37.
Bacchanal nach Mantegna (L. 454) 38.
Kampf der Seekentauren nach Mantegna (L. 455)
38, 49.
Nackte Figuren 1495, Bonnat (L. 345) 40, 49.
Christuskind nach Credi, Schickler (L. 384) 41.
Tarocchi, Brit. Mus. (L. 210—218) 41.
Frauenakt, Uffizien 41, 60.
Apollo, Poynter (L. 179) 44, 48, 55.
Frauenakt, Brit. Mus. (L. 225) 44.
Venus auf Delphin, Albertina (L. 469) 44, 54.
Frauenbad, Bremen (L. 101) 46.
Europa, Albertina (L. 456) 46, 53, 63.
Herkules, Darmstadt (L. 207) 50, 91.
Nackte liegende Frau, 1501, Albertina (L.466) 53.
„Pupila Augusta", Windsor (L. 389) 53, 64.
Apollo, Brit. Mus. (L. 233) 55.
Madonna mit d. vielen Tieren, Albertina (L. 460)
59, 66.
Madonna mit d. vielen Tieren, Entwurf, Blasius
(L. 134) 59.
Madonna, Brit. Mus. (L. 229) 59.
Tiroler Landschaften 64.
Weiherhäuschen, Brit. Mus. (L. 220) 65.
Landschaft, Erlangen (L. 431) 65, 93.
Rosvitha-Skizze 77.
Köpfe (L. 5, 99, 113, 230, 376, 426, 457) 85.
Mädchenkopf, Berlin (L. 96) 87.
Zeichnungen zum Altar in Ober St. Veit 90, 91.
Ritter 1498, Albertina (L. 461) 91.
Lautespiel. Engel, Berlin (L. 73) 91.
Hase 1502, Albertina (L. 468) 91.
Verlorener Sohn, Brit. Mus. (L. 222) 91.
Entwürfe für Bauernszenen, Berlin 91 — 92.
Die Freuden der Welt, Oxford 46, 92.
Reiter, Louvre (L. 304) 93.
Agnes Dürer, Albertina (L. 457) 85, 93.
Bremen (L. 113) 91.
Zugeschrieben:
Angebl. Bildnis des Vaters, Albertina 20.
Madonnen bei Mr. G. Mayer 27.
Sogen. Beiisar, Berlin 93.
Zwei Reiter, München 93.
Eyck van 85.
Ferrara 30.
Finiguerra 49, 54.
Folz, Hans 7.
Fortuna 54.
Frei, Hans 37.
Fridolin, Stephan, Lesemeister 33.
Friedrich der Weise, Kurfürst 38.
Goethe 57, 94.
Gossenbrot, Sigismund 33.
Grünewald 68.
Kels, Hans 51.
Koberger 8.
Krafft, Adam 1.
Lange, Julius 39.
Lionardo da Vinci 58.
Lombardi 48.
Lucian 47, 51.
Luther 70.
Mantegna 39, 40, 41, 46, 50, 60, 62, 63, 67.
Marco d'Oggiono 58.
Masaccio 40.
Meister mit den Bandrollen 34.
„ des hl. Erasmus 34.
108
Meister E. S. 86.
„ des Imhofschen Altars 1.
„ „ Tucherschen Altars 2.
„ „ Löffelholzschen Altars 2.
„ „ Peringsdörfferschen Altars 4, 5, 13.
„ Hausbuclis 5, 20, 27.
„ der Bergmannsclien Offizin 22, 20, f>9.
Melanchthon 61, 95.
Meinling 5.
Montagna, Bartolomeo 44.
Pesellino 47.
Piero di Cosimo 54.
Pirckheimer, Wilibald 34, 37, 61.
Pleydenwurff, Johannes 2, 3, 4.
Wilhelm 6, 13.
Poggio 52.
Polizian 55.
Pollajuolo, Antonio del 40, 41, 50, 60, 63.
Raffael 70.
Riccio 48.
Ritter von Turn 22, S7.
Rogier van der Weyden 2.
Schäuffelein 90.
Schede!, Hartmann 10, 33, 35, 36.
Scheurl, Christoph 20, 36.
Schifanoja, Palazzo 54, 56.
Schneevogel (Niavis) 33.
Schongauer, Caspar, Paul, Ludwig 21, 23.
Georg 21, 23.
Martin 1, 3, 4, 5, 9, 16, 20, 22, 23,
24, 26, 27, 39, 70, 81.
Schleyer, Sebald 33, 35.
Schüchlin 3.
Sellaio, Jacopo del 53.
Stoß, Veit 1.
Straßburg 21, 22, 23.
Terenz 22.
Traut, Wolf 79.
Tucher, Hans, Sixtus 33.
Venedig 48.
Venus 54.
Verrocchio 58.
Viator (Jean Pelerin) 94.
Vitruv 60.
Wolgemut 3, 4, 8, 10, 12, 13, 15, 16, 20, 22, 34,
68, 72, 75.
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