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Full text of "Deutsch-amerikanische Geschichtsblätter 27-28.1927-28"

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University of Michigan - BUHR 


d Deutſch-Amerikaniſche Gefhichts blatter 


German-American Historical Review 
(Published with the co-operation of the Germanistic Society of America) 


Jahrbuch 


ber 


Deulſch⸗Amerikaniſchen Hiſtoriſchen 
Geſellſchaft von Illinois 


Herausgegeben von 
Julius Goebel 


Jahrgang 1927—1928 


(VOL. XXVII. -XXVIII.) 


Im Auftrage der 
Deutſch⸗Amerikaniſchen Hiſtoriſchen Geſellſchaft von Illinois 


German- American Historical Society of Illinois 
MALLERS BUILDING, CHICAGO, ILL. 


1928 


A. BRUDERHAUSEN 
ONE FRENCH TERRACE 
YONKERS, N. Y. 


Digitized by Google 


— 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichts blätter 


German-American Historical Review 
(Published with the co-operation of the Germanistic Society of America) 


Jahrbuch 


der 


Jeutſch⸗Amerikaniſchen Hiſtoriſchen 
Geeſellſchaft von Illinois 


Herausgegeben von 


Julius Goebel 


Jahrgang 1927 —1928 


(VOL. XXVII.—XXVIII.) 


Im Auftrage ber 
Deutſch⸗Amerikaniſchen Hiſtoriſchen Geſellſchaft von Illinois 


German-American Historical Society of Illinois 


MALLERS BUILDING, CHICAGO, ILL. 


THE UNIVERSITY OF CHICAGO PRESS 
CHICAGO, ILLINOIS 


1928 


— = 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichts blätter 


German-American Historical Review 
(Published with the co-operation of the Germanistic Society of America) 


Jahrbuch 


der 


Beutlh- Amerikanischen Hiſtoriſchen 
Geſellſchaft von Illinois 


Herausgegeben von 


Julius Goebel 


Jahrgang 1927—1928 


(VOL. XXVII. XXVIII.) 


Im Auftrage der 
Deutſch⸗Amerikaniſchen Hiſtoriſchen Geſellſchaft von Illinois 


German-American Historical Society of Illinois 
MALLERS BUILDING, CHICAGO, ILL. 


THE UNIVERSITY OF CHICAGO PRESS 
CHICAGO, ILLINOIS 


1928 


Seite 
VOLWOLL see 3 eisen 5 
Tagebuch des hessischen Offiziers Heinrich von Bardeleben........ 7 
Aus meinem Leben während der Gefangenschaft unter den Con- 
föderierten in Texas wees Von Otto Rein 120 
Friedrich List in Amerikaaů .. ꝗ . Von William Notz 165 
A Letter from a German Jew to the President of the American 
Continental Congress By Edwin H. Zeydel 185 
Ein ungedruckter Brief von Friedrich Gerstácker..Von A. E. Lussky 195 
Zur Geschichte des Deutschtums von New Haven, Conn........... 
promppugque quai ' ů ꝶ ! d LUE Von Chas. F. Bollmann 211 
Some Practical Influences of German Thought upon the United 
(( TT By Andrew D. White 237 
Franz Daniel Pastoriuss suu. Von Emil Doernenburg 249 


Jahresbericht us une De 260 


Jahrbuch 


Beulfh-Amerikanifhen Hiſtoriſchen 
Geſellſchaft von Illinois 


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Sy 2-205, 22 


Horworl 


Die Beiträge zum vorliegenden Bande des Jahrbuches erſtrecken jid 
über verſchiedene Perioden der deutſch-amerikaniſchen Geſchichte. Während 
das aufſchlußreiche, leider nicht vollſtändige Tagebuch des heſſiſchen Offi⸗ 
ziers Heinrich von Bardeleben uns einen wichtigen Einblick in den Anfang 
des Revolutionskrieges gibt, erleben wir in Otto Reins getreuer Schil⸗ 
derung feines unfreiwilligen Aufenthaltes in einem conföderierten Ge- 
fangenenlager ein Stück des ausgehenden Bürgerkrieges. 

Der Vortrag über Friedrich Liſt von Profeſſor W. Notz iſt die erſte 
umfaſſende Studie über die Wirkſamkeit des großen, lange nicht genug 
gewürdigten Nationalökonomen auf amerikaniſchem Boden, deſſen Ge— 
danken die amerikaniſche Wirtſchaft bis auf heute beeinfluſſen. 


Von beſonderem Intereſſe iſt das dem Philoſophen Moſes Mendelsſohn 
zugeſchriebene und hier zum erſtenmale ganz wiedergedruckte Schreiben 
eines deutſchen Juden an den Präſidenten des amerikaniſchen Kongreſſes, 
worin dieſer erſucht wird, den ſchwer bedrückten Glaubensgenoſſen des 
Verfaſſers in den noch unbebauten Länderſtrecken Amerikas eine Unter⸗ 
kunft zu gewähren. 


In ähnlicher Weiſe regt der Brief Friedrich Gerſtäckers den Plan 
einer vom ſächſiſchen Staat zu finanzierenden Maſſenüberſiedlung nach 
Amerika an, um dem namenloſen Elend ber Weberbevölkerung im Erz- 
gebirge abzuhelfen. 

Der Aufſatz über die Geſchichte des Deutſchtums in New Haven, Conn., 
iſt nicht nur von lokalem Intereſſe, ſondern wirft auch auf den Charakter 
der deutſchen Zuwanderung ſeit der Mitte des 19. Jahrhunderts wichtiges 
Licht. Das Jahrbuch ſteht gerade ſolchen Forſchungen über einzelne 
deutſche Anſiedlungen jederzeit offen. 

Auch an dieſer Stelle ſei auf die hohe geſchichtliche Bedeutung der 
Feſtrede aufmerkſam gemacht, die der bekannte Hiſtoriker und Staats⸗ 
mann Andrew D. White vor nun 44 Jahren beim hundertjährigen 
Stiftungsfeſt der „Deutſchen Geſellſchaft“ von New Pork hielt, und die 
uns gerade heute wieder von höchſtem Werte iſt. Es iſt bezeichnend 
für die Charaktergröße des ausgezeichneten Mannes, daß der Maſſenwahn 
des Deutſchenhaſſes während des Weltkrieges ihn unberührt ließ und 
feine überzeugung von der geſchichtlichenn Miſſion des deutſchen Ge- 
dankens nicht zu erſchüttern vermochte. 


Ein gedankenreiches Gedicht zum Preiſe von Franz Daniel Paſtorius, 
dem Patriarchen der deutſchen Einwanderung, das den bekannten deutſch⸗ 
amerikaniſchen Dichter Emil Doernenberg zum Verfaſſer hat, beſchließt 
den Band. | 

J. G. 


Tagebuch des Heſſiſchen Offiziers Heinrich von Bardeleben. 
(29. Februar 1776 bis 22. Juni 1777.) | 


Vorbemerkung des Herausgebers. 


Das nachſtehende Tagebuch Heinrichs von Bardeleben, Leutnant im 
heſſiſchen Regiment von Donop, iſt ein wortgetreuer Abdruck des in der 
New Yorker Staatsbibliothek zu Albany befindlichen Originals. Wie das 
in ſchöner deutſcher Handſchrift geſchriebene Manuſcript in den Beſitz dieſer 
Bibliothek gelangte, war nicht zu ermitteln. 


Obwohl der Verfaſſer unſeres Tagebuchs in der Handſchrift nicht ge⸗ 
nannt wird, ſo iſt es dem Herausgeber doch möglich geweſen ſeinen Namen 
feſtzuſtellen. Laut ſeiner Aufzeichnung vom 23. Mai 1776 ward nämlich 
auf dem Transportſchiffe von einer der mitfahrenden Soldatenfrauen ein 
Kind geboren, das am folgenden Tage die Taufe empfing, wobei der 
Oberſt⸗Leutnant von Heymell, der Schiffskapitän Hamilton und der 
Verfaſſer des Tagebuchs Gevatter ſtanden. Nun berichtet der Feldpre⸗ 
diger Köſter vom Regiment von Donop, der die Taufe vollzog, in ſeinem 
Amtsprotokoll („Jahrbuch der deutſch⸗amerikaniſchen Hiftor. Geſellſchaft“, 
Jahrgang 1920 — 21, Seite 281), daß außer Heymell und Hamilton 
„Herr Leutnant von Bardeleben“ Gevatter war. In ihm haben wir alſo 
den Verfaſſer unſeres Tagebuchs zu ſehen. 


Dank den gütigen Mitteilungen von Herrn Profeſſor H. Haupt in 
Gießen und von Herrn Oberſtleutnant a. D. von Bardeleben in Berlin, 
konnte ich über die Perſon Heinrich von Bardelebens Folgendes feſtſtellen. 
Er war am 12. Auguſt 1752 auf dem väterlichen Gute Kattenbruch, Kreis 
Grafſchaft Schaumburg, Heſſen⸗Caſſel als elftes von 15 Kindern ge⸗ 
boren, machte als Leutnant im Regiment von Donop den Nordamerika⸗ 
niſchen Befreiungskrieg mit bis zum Ende und kehrte mit ſeinem Regi⸗ 
ment im Oktober 1783 in ſeine Heimat zurück. Im ſelben Jahre war 
er zum Premier-Leutnant befördert worden, und im Jahre 1789 erhielt 
er das Hauptmannspatent. Im Jahre 1802 ward er als Kommandeur 
des Grenadier-Bataillons in das Regiment Prinz Karl verſetzt und diente 
als ſolcher bis zur Auflöſung der heſſiſchen Armee 1806. Weſtfäliſche 
Dienſte nahm er nicht, wohl aus patriotiſcher Oppoſition gegen Napoleon, 
der Heſſen⸗Kaſſel im Frieden von Tilſit dem neuerrichteten Königreich 
Weſtfalen einverleibt hatte. Dagegen hatte er an den Feldzügen 1793—95 


BEN, DS 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


in den Niederlanden und in Weſtfalen teilgenommen und bei der Ber- 
teidigung von Neuport (Oktober 1793) ſich rühmlich ausgezeichnet. 


Bei der Neuaufſtellung des heſſiſchen Heeres im Jahre 1813 erſcheint 
Heinrich als Oberſtleutnant im Regiment „Landgraf Karl“, doch war er 
„invalide“ d. h. wohl zu alt um die Befreiungskriege mitzumachen. 


Nach Abfindung ſeiner Brüder übernahm er das Gut Kattenbruch, 
wo er, 83 Jahre alt, am 26. März 1835 ſtarb. 


Verſchiedene Stellen in unſerem Tagebuch, in denen ſich Heinrich von 
Bardeleben ſelbſt aͤls ganz jungen Mann bezeichnet, beweiſen, daß er eine 
vorzügliche Bildung genoſſen hatte, des Lateiniſchen und Franzöſiſchen 
mächtig war und, wie ſein Verkehr mit den Offizieren der engliſchen 
Armee andeutet, auch die engliſche Sprache gut beherrſchte. Von robuſter 
Geſundheit und natürlichem Frohſinn, dabei beſcheiden, taktvoll und lie⸗ 
benswürdig, können wir verſtehen wie er ſich bald das Vertrauen ſeiner 
Vorgeſetzten, ſowie die Liebe der ihm untergebenen Soldaten gewann. 


Von ihm ſelbſt erfahren wir über ſeine Familienverhältniſſe, daß 
einer ſeiner Brüder, Franz Ferdinand von Bardeleben, als Leutnant im 
Regiment von Ditfurth diente, daß er während ſeines Aufenthaltes in 
Amerika feine Mutter und feinen Vater verlor, und daß er mehrere Ge- 
ſchwiſter in der Heimat zurückgelaſſen hatte. Herrn Oberſt-Leutnant von 
Bardeleben in Berlin verdankt der Herausgeber die intereſſante Tatſache, 
daß Franz Ferdinand, der Bruder Heinrichs, im Jahre 1781 feinen Ab⸗ 
ſchied vom Regimente nahm, eine Farmerstochter in South Carolina 
heiratete und ſich dort niederließ. Nachkommen von ihm leben heute 
noch in Alabama unter dem Namen De Bardeleben. 


Das Tagebuch, das leider nur bis zum 22. Juni 1777 reicht und 
dann auf irgend welche Weiſe in amerikaniſche Hände fiel, iſt in fließen⸗ 
der Sprache mit vieler Anſchaulichkeit und Sachlichkeit geſchrieben. All⸗ 
gemeine Bemerkungen und Reflexionen des Verfaſſers finden ſich nur 
hier und da. Wie alle Offiziere der deutſchen Hilfstruppen ſah auch von 
Bardeleben in den Amerikanern nur die Rebellen, und er verfehlte nicht 
ihren boshaften und hinterliſtigen Charakter, wie er ſich zu. B. bei dem 
Verſuche, New York in Brand zu ſtecken, äußerte, zu rügen. Dagegen 
verhehlt er ſich auch nicht, daß die deutſchen Hilfstruppen eigentlich als 
„verkaufte Menſchen“ in dieſen Kampf gezogen find. Auch hält er mit 
ſeiner Kritik nicht zurück, als er in der Schlacht bei Flatbuſh Zeuge roher 
Behandlung der amerikaniſchen Gefangenen wird. Die Stellen, in denen 
er feinem ſtillen Proteſt Ausdruck giebt, find in einer beſonderen Geheim- 
ſchrift verfaßt, die zu entziffern dem Herausgeber mit Hilfe der päpſt⸗ 
lichen Chiffrenſchrift des 15. Jahrhunderts gelungen iſt. Wie der junge 
Offizier zu der Geheimſchrift kam, läßt ſich nicht ausmachen. Klar iſt, 


TE DENN 


'Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


daß er ſie verwandte um den Sinn gewiſſer Stellen zu verhüllen, falls das 
Tagebuch in unrechte Hände fallen ſollte. 


Mit geſpanntem Intereſſe verfolgen wir die täglichen Aufzeichnungen 
des Verfaſſers vom Ausmarſch ſeines Regimentes aus Homberg in Heſſen 
am 19. Februar 1776 bis zum 22. Juni 1777, wo, wie ſchon bemerkt, 
das Tagebuch plötzlich abbricht. So werden wir Augenzeugen, nicht nur 
des Marſches nach Bremen und der Einſchiffung nach England, ſondern 
auch der täglichen Vorgänge auf der langen Seereiſe von nahezu 15 
Wochen, der Schiffseinrichtung, der Verpflegung, der Seekrankheit und 
des Wetters. Die Schilderung des fünftägigen, furchtbaren Sturmes 
auf dem Ocean, die uns der Verfaſſer unterm 30. Mai giebt, iſt beſon⸗ 
ders auſchaulich und eindrucksvoll. 


Endlich, am 15. Auguſt, landeten die heſſiſchen Truppen in Staten 
Island, wo ſie das Lager bezogen. Aber ihr Aufenthalt hier war nur 
kurz, denn ſchon am 21. Auguſt wurden Grenadiere und Jäger, bei denen 
von Bardeleben ſtand, auf Flachbooten nach Long Island übergeſetzt und 
ſogleich nach Flatbuſh geſandt. Hier fand dann am 27. Auguſt das als 
Schlacht bei Flatbuſh oder Schlacht von Long Island bekannte Treffen 
ſtatt, dem unſer Tagebuchſchreiber als Mitkämpfer beiwohnte, und das 
für die Amerikaner mit völliger Niederlage endete. Es iſt von Intereſſe, 
aus von Bardelebens Bericht zu erfahren, daß der engliſche Oberbefehls— 
haber Howe den General von Heiſter über ſeinen Plan, die Amerikaner 
zu umgehen, in Unwiſſenheit gelaſſen hatte. Mit Recht bemerkt von 
Bardeleben, daß die ganze amerikaniſche Kriegsmacht auf Long Island 
den Engländern in die Hände gefallen wäre, falls man die Fliehenden 
in ihrer Verwirrung verfolgt und bie Verſchanzungen bei Brooklyn ange- 
griffen hätte. Statt deſſen ließ Howe Halt machen und ſo die Früchte 
des Sieges feinen Händen entgleiten. „Die Veranſtaltungen der eng- 
liſchen Herren Generäle ſcheinen in dieſem Kriege mit einer wohlbedachten 
Gleichgültigkeit gemacht zu werden,“ ſagt von Bardeleben in ſeinem Be⸗ 
richt vom nächſten Tage und ſpricht damit wohl die allgemeine Anſicht 
der deutſchen Offiziere aus. 


Seine Mißbilligung der rohen Ausſchreitungen gewiſſer Kameraden 
gegen amerikaniſche Gefangene ift ſchon oben erwähnt worden, und es 
iſt wohl kein Zweifel, daß dieſe Ausſchreitungen, deren die Engländer 
ſich übrigens noch ſchlimmer ſchuldig machten, der Anlaß wurde zu den 
mancherlei Schauergeſchichten von heſſiſcher Grauſamkeit, die amerita- 
niſche Hiſtoriker, ähnlich wie die Propagandamärchen des Weltkriegs, 
ſtets gerne wiederholt haben. Um fo willkommener ift daher von Barde- 
lebens Bericht über die menſchenfreundliche Behandlung, die der heſſiſche 
General von Heiſter den Gefangenen zuteil werden ließ. „Er ließ alle 
die von den Heſſen gemachten Gefangenen zu ſich führen und ließ ſelbige 
ſodann hinter unſerm Regiment unter einem Kommando ſich lagern, wo 


eur cis 


Deutſch-⸗-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


dann viele Bleſſierte verbunden und andere zur ſicheren Aufbewahrung 
von hier fortgeſchickt wurden.“ Auch beſprach ſich von Heiſter mit ver⸗ 
ſchiedenen Rebellen-Offizieren und gab ihnen in humorvoller Weiſe Wein 
um des Königs von England Geſundheit zu trinken. 


Da die Verluſte der amerikaniſchen Armee in dieſer Schlacht noch 
immer Gegenſtand der Vermutung und Diskuſſion ſind, ſo lohnt es ſich 
von Bardelebens Angaben mit denen von General Howe und von 
Waſhington zu vergleichen. 


Nach Howes Bericht war die Zahl der gemachten Gefangenen 1006 
Gemeine und 91 Offiziere. Genau dieſelbe Zahl finden wir in von 
Bardelebens Aufzeichnung vom 27. Auguſt. In betreff der Toten und 
Verwundeten gehen die Angaben jedoch auseinander. Howe ſchätzt ſie 
auf 2200, von Bardeleben dagegen auf 1200. Die genaue Zahl ihrer 
Toten und Verwundeten mußte natürlich den Amerikanern am beſten be⸗ 
kannt ſein. Wenn daher Waſhington in ſeinem Bericht an den Kongreß 
vier Tage nach der Schlacht von 700 — 1000 Toten und Gefangenen 
als ſeinem Geſamtverluſt ſpricht, dann war er entweder ſelbſt ſchlecht 
berichtet, oder er wollte die ganze Größe ſeiner Niederlage aus politiſchen 
Gründen nicht bekannt wiſſen. Für die letztere Annahme ſpricht die 
Tatſache, daß er feine erſte, offenbar unrichtige Angabe ſpäter nie torri- 
giert hat. Freilich hatte Waſhington in den Tagen und Wochen nach 
ſeiner erſten Niederlage mit ungeheuren Schwierigkeiten zu kämpfen, die 
ſeine ganze Aufmerkſamkeit, ſeinen Mut und ſeine Ausdauer auf die 
ſtärkſte Probe ſtellten. 


An der Hand unſeres Tagebuchs verfolgen wir Waſhingtons Rückzug 
von Long Island nach New Pork, die Eroberung dieſer Stadt durch die 
Engländer und Heſſen und die Kämpfe um die ſogenannten Harlem 
Heights. An den Kämpfen in der Gegend von White Plains nahm von 
Bardeleben nicht teil, dagegen werden wir mit ihm Zeugen der blutigen 
Eroberung von Fort Waſhington, wobei die Heſſen ſich beſonders aus⸗ 
zeichneten und ſpäter der Einnahme von Fort Lee. 


Am 5. Dezember bezog die Brigade, zu der von Bardeleben gehörte, 
die Winterquartiere in New Pork, wo fie infolge der unbegreiflichen 
Saumſeligkeit Howes bis Ende Mai 1777 müßig liegen blieb. Was 
unſer Tagebuch über den überfall der Heſſen zu Trenton und den Tod 
des Oberſten Rall berichtet, beruht auf Hörenſagen und iſt daher nur 
teilweiſe richtig. Vielleicht wollte der Verfaſſer ſpäterhin noch Cingel- 
heiten des wichtigen Ereigniſſes nachtragen, denn nach dem Bericht darüber 
ſind im Tagebuch 6 Seiten freigelaſſen. 


Mit der Schilderung der verſchiedenen Vorbereitungen zum Feldzug 
von 1777 ſchließt unſer Tagebuch und bricht am 22. Juni dieſes Jahres 


10 — 


DeutfHh@-Ameriftanifhde Geſchichtsblätter 


plötzlich ab. Es ift febr zu bedauern, daß wir über bie Creigniffe der 
folgenden Jahre und das Ende des Krieges keine Aufzeichnungen von 
Bardelebens beſitzen. Die Vermutung des Herausgebers, daß der Ver⸗ 
faſſer ſein Tagebuch vielleicht doch weitergeführt und bei ſeiner Rückkehr 
in die Heimat mitgenommen habe, hat ſich leider nicht beſtätigt. Auf eine 
diesbezügliche Anfrage bei Herrn Oberſtleutnant von Bardeleben in Ber⸗ 
lin erwiederte dieſer Folgendes: 


„Daß Aufzeichnungen des Heinrich von Bardeleben aus dem Kriege 
1776—83 in Deutſchland nicht erhalten find, glaube ich mit Beſtimmtheit 
angeben zu können. An alle Mitglieder unſeres Geſchlechts habe ich 
ſchon vor 30 Jahren die Bitte gerichtet, mir mitzuteilen, ob ſie ſchriftliche 
Aufzeichnungen, Feldzugsbriefe und dergl. in ihrem Beſitze hätten. Dieſe 
Anfrage blieb bezüglich Heinrichs, auch bei ſeinen Enkeln ohne Erfolg. 


Aber wenn Heinrich überhaupt Aufzeichnungen beſeſſen hätte, ſo 
wären ſie ſicher dem heſſiſchen Generalſtabe, der ſich Ende des 18. Jahr⸗ 
hunderts — alſo zu einer Zeit als Heinrich noch im Dienſt war — eifrig 
um ſolche Quellen bemüht hat, bekannt geworden, und er hätte ſich eine 
Abſchrift geſichert. In feinen Akten im Archiv des Großen General- 
ſtabs in Berlin, die ich noch durcharbeiten konnte, ehe ſie vor einigen 
Jahren zum größten Teil an das Staatsarchiv Marburg abgegeben wur⸗ 
den, fand ich aber keine Spur davon. Vielleicht hat Heinrich durch den 
Verluſt ſeines Tagebuchs die Luſt zu weiteren Aufzeichnungen verloren. 
Auch kann man ja bei Quellenſtudien immer wieder bie pſychologiſch zu 
erklärende Erſcheinung beobachten, daß Umfang und Wert der nicht dienſt⸗ 
lich vorgeſchriebenen Berichte um ſo mehr abnehmen, je länger der Krieg 
dauert.“ 


Zum Schluß wird es die Leſer des Jahrbuchs gewiß intereſſieren zu 
hören, wie ſich Herr Oberſtleutnant von Bardeleben als militäriſcher Fach⸗ 
mann über den hiſtoriſchen Wert unſeres Tagebuchs ausgeſprochen hat. 
In ſeinem Briefe an den Herausgeber ſagt er darüber: 


„Wenn auch für mich naturgemäß das familiengeſchichtliche Intereſſe 
vorwiegt, ſo glaube ich doch, ſoweit ich ohne Kenntnis des Wortlauts 
urteilen kann, daß es auch als kriegsgeſchichtliche Quelle weſentlichen 
Nutzen bringen wird, denn nach meiner Kenntnis ſcheint es das einzige 
Tagebuch eines Frontoffiziers zu ſein, wenigſtens ſcheint bisher 
kein anderes bekannt geworden zu ſein. Die Kapitains Bauermeiſter und 
von Münchhauſen, deren Berichte in erſter Linie als Quellen in Betracht 
kommen, waren Adjutanten bei höheren Stäben (Münchhauſen bei dem 
engliſchen General Howe), und deshalb bieten ihre Berichte mehr ſtrate⸗ 
giſche Linien als Einblick in die Durchführung des Gefechts, in die Kampf⸗ 
weiſe der Kompagnie. Von den wichtigen Berichten Münchhauſens habe 


zc dI s 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ich außerdem die vom 5. Februar bis 22. Mai 1877 bisher noch nicht 
gefunden. 


Jedenfalls kann ich Sie zu Ihrem ſchönen Funde nur beglückwünſchen. 
Ich halte die Veröffentlichung für ſehr erwünſcht, wenn auch das Intereſſe 
für ältere Kriege durch den Weltkrieg ſehr zurückgedrängt iſt.“ 

J. G. 


1. Abmarſch der Truppen nach Bremen. 


29. Febr. 1776. Marſchierte das Regiment von Donop; 
und zwar um 10 Uhr mittags war die Stunde wo wir Homberg 
verließen. Faſt alle Einwohner der Stadt gaben uns das zärt⸗ 
lichſte Lebewohl. Alles ſchien in dieſen Augenblicken mehr wie 
jemals gerührt zu ſein. Die lebhafteſten Empfindungen des 
Schmerzes verbreiteten ſich überall, und die wehmütigſten Blicke 
folgten uns. Troſtloſe Mütter, jammernde Gattinnen und wei⸗ 
nende Kinder gingen in Menge dem Regiment nach und gaben 
allen dieſen traurigen Szenen den empfindlichſten Nachdruck. Ich 
ſelbſt konnte bei dieſen Auftritten nicht jo ganz gleichgiltig blei- 
ben, und um ſo weniger, da ich hierdurch vielleicht mehr als jene 
zu verſchiedenen Betrachtungen und Anmerkungen geleitet werden 
konnte. Indeß verſchloß ich meinen ſprachloſen Kummer auf 
das möglichſte in meine Bruſt, und ließ nicht merken was für 
ein Gemiſch von Vergnügen und Schmerz ich in meinem Gemüte 
fühlte. Wer überdies aus der Kenntnis meines Herzens noch 
mehr herzuleiten weiß, und ſodann will, dem ſei es gar gern er- 
laubt. Wir bekamen unſere Nacht-Quartiere in den Dörfern 
Dörnhagen, Wollrode, Allhauſen und Cörle. In allen dieſen 
Dörfern herrſchte die Armut in dem höchſten Grad, und verdienen 
alſo nicht die geringſte Anmerkung. 


1. Mär z. Nach Niederkauffungen und Heiligenroda. Dieſe 
Quartiere waren noch weit elender als jene, und leider mußten 
wir am 2. dieſes hierſelbſt Raſt halten. 


3. März marſchierten wir ins Chur-Hannoveriſche nach 
Uſchlag und Benteroda, Amt Münden. Hier hatten wir vor⸗ 
treffliche Quartiere. Ein jeder Bauer war äußerſt bemüht ge- 
weſen, alles nach der Bequemlichkeit und Verpflegung ſeiner Ein- 


— 12 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


quartierung ſo einzurichten, daß an Eſſen und Trinken, als Bier, 
Brandwein und Kaffee gar nichts mangelte, ſondern in dem 
größeſten überfluß, und zwar mit dem den Menſchen freundlichſten 
Herzen alles den Soldaten verhandreicht wurde; überhaupt ſah man 
in ihrem ganzen Betragen das wahre Mitleid für verkaufte Men⸗ 
ſchen. Mein Quartier hatte ich in Benterode und bei einem Bauern, 
deſſen ganzes Hausweſen ziemlich bejahrt ſchien; gleichwohl aber 
ließen ſie es an nichts fehlen, und ihre Sorgſamkeit und beſcheidener 
Anſtand machte mich ſehr aufmerkſam. Kaffee und Eſſen ſehr 
ſchmackhaft, nach dem beſten Plan eines vornehmen Bürgers ein⸗ 
gerichtet, fand ich bei meinem Eintritt ins Haus fertig vor. Für 
alles dies verlangten dieſe guten Leute nichts und weigerten ſich 
ſehr etwas anzunehmen, indeß ließ ich ihnen 1 Reichsthaler zurück. 
Die übrigen Bauern nahmen auch nicht weniger den Soldaten das 
geringſte ab, ſondern ein jeder hatte ſeinen Gäſten mit der Bitte 
Vorlieb zu nehmen, noch überdies Brod und Schinken auf den 
Weg mitgegeben. 


4. Mär z paſſierten wir bie Weſer zu Münden, marſchierten 
durch die Stadt nach Mengershauſen und Volkrode, Amts M it n- 
den. Dieſe Quartiere waren nicht weniger ſo gut, als die vori— 
gen. Kaum kamen wir hier an, ſtanden die Bauern haufenweiſe 
und empfingen ihre Soldaten. 


5. Mär z paſſierten wir die Leine zu Göttingen, marſchierten 
durch die Stadt nach Edesheim, Hollenſtadt und Stöckheim; wieder⸗ 
um recht ſehr gute Quartiere, und hielten hier auf den 6. dieſes 
einen Raſttag. Soldaten und Bauern hielten dieſen Tag für 
außerordentlich glücklich, alles war bezecht und nichts ſtörte ſie 
in ihrem Vergnügen. 


7. März marſchierten wir ins Braunſchweigiſche nach Dilig- 
ſen und Kayer. Dieſe Quartiere waren zwar nicht ſo vollkommen 
gut als jene im Hannoveriſchen; gleichwohl fehlte nichts an den 
nötigen Lebensmitteln und ebenfalls unentgeldlich. Jedoch wurde 
einem jeden Greben oder Vorſteher des Dorfes über gewiſſe 
Mund⸗Portionen Quittung gegeben, die, mie ich vermute, den 
Bauern vom König vergütet werden. 


= e Oe 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


8. März. Nach Gesdorf, Amt Calenberg. Hier lag 
das ganze Regiment, und die Quartiere waren ungemein gut. 
Ich logierte bei einem Schmied dieſes Dorfes, einem Mann, dem 
Anſchein nach zwar von geringer Geburt, aber ſehr edlen Herzen. 
Sein Haus hatte er ungemein gereinigt und feine ganze Wert- 
ſtatt bei Seite gebracht. Er empfing mich mit einem Anſtand, 
der einem Mann von dieſer Art beſonders kleidet, und verſicherte, 
da er mich in die Stube führte, daß er mit Verlangen vor dem 
Dorfe auf das Regiment gewartet habe, um ſeinen Herrn Offizier 
ſogleich empfangen zu können. Vielleicht, ſagte er darauf, ſind 
Sie mehr hungrig als durſtig, und dürfte ihnen der Kaffee eben 
nicht angenehm ſein. Seine liebe Hausfrau, vom gleichen Cha— 
rakter, trat hiernächſt in die Stube, begrüßte mich, und deckte den 
Tiſch. Das Eſſen war vorzüglich gut und beſtand in einer kräfti— 
gen Kalbfleiſch⸗Suppe, durchgeſchlagenen Erbſen mit Schinken und 
Würſten, Kalbs⸗Braten, Butter und Käſe, auch Wein und Bier. 
Gemeinſchaftlich ſaßen wir an dem Tiſch und aßen und tranken 
mit nicht geringem Appetit. Dieſe guten Anſtaltungen freuten 
mich um ſo mehr, da wir heute einen ſo langwierigen als be— 
ſchwerlichen Weg gehabt hatten. Bei unſerm Abmarſch fragte ich 
ihn wie viel ich ſchuldig wäre; allein ſeine Antwort überzeugte 
mich, daß ſeine faſt verſchwenderiſche Gaſtfreundſchaft wohl das 
Anſehen, aber nicht die Abſicht eines etwaigen Eigennutzes ge- 
weſen ſei. Ich legte ihm indeß ſo viel auf den Tiſch, daß alles 
vollkommen bezahlt wurde. 


9. Mär z. Nach Lutte und Colenfeldt, Amt Blumenau. 
Auf dem Wege nach dieſen Dörfern um ungefähr 9 Uhr morgens 
nahmen der Kapitän und Lieutenant von Donop und ich Urlaub 
bis des anderen Tages, wo aber das Regiment nicht marſchierte, 
und ritten ab. Kapitän und Lieutenant von Donop nach Obern— 
kirchen und ich nach Cattenbrug, welches ich abends 7 Uhr er- 
reichte, und meinen Bruder ziemlich geſund aber etwas unzufrieden 
oder unruhig antraf. Doch aber kann es ſein, daß ich vielleicht 
irriger Meinung geweſen, wenigſtens ſchwöre ich nicht dafür, denn 
mein Vergnügen ſowohl als derer Herren Munterkeit verleiteten 
uns zu einigen Ausſchweifungen. Unſer ängſtliches Bemühen um 
Kurier-Pferde ſetzte uns daneben in einen dermaligen Schweiß, 


— 14 — 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


daß wir, ſolchen zu vertreiben, uns Mühe gaben, er faſt zur 
Schwärmerei ausbrach, Kurz ich bekam bald Pferde und hatte 
mich zu dieſer Beſorgung nicht ungern brauchen laſſen. Meine 
ganze Beredſamkeit mußte ich aber anwenden, ehe ich ſolche los 
trieb. Der Poſtmeiſter in Rotenberg war verreiſt, die Poſtpferde 
verſchickt und nur ſein eigenes zu Hauſe. Die Frau Poſtmeiſterin 
verſicherte mich, daß es unmöglich ſei Pferde zu bekommen, da 
alle Einwohner der Stadt ebenfalls die ihrigen am Acker gehen 
hätten. Wie nun dachte ich? In dieſer Verlegenheit kam endlich 
der Bruder des oder der Poſtmeiſterin. Dieſer fragte mich um 
die Urſache meines Hierſeins und ſetzte hinzu, vielleicht dringender 
Urſachen wegen. Seine vermeinende Notwendigkeit tat gute Wir⸗ 
kung, und ich brachte es durch meine Vorſtellungen und Bitten 
dahin, daß er mir ſeines Bruders Pferd und den Poſtillon, der 
eben von Obernkirchen, um Briefe abzuholen, angekommen war, 
geben mußte. Freude und alles ſtellte ſich wieder bei mir ein 
und ließ ich mirs nun recht angelegen ſein, den Poſtillon auf 
meine Seite zu bringen, ihm ein warmes Gefühl zu geben und 
verſtändlich zu machen, daß außerordentliche Gefälligkeiten außer⸗ 
ordentliche Belohnungen verdienten. Mein Poſtillon ſchwur mir 
gegenſeitig zu, daß es nur bloße Liebe und nicht Schuldigkeit ſei, 
mit mir zu reiten, und die lange Erfahrung ſeines Dienſtes hätte 
ihn auch mit dergleichen Paſſagieren wie ich umzugehen gelernt, 
und ich muß auch ſagen, daß ich in ſeinem Betragen die ſtärkſte 
Beglaubigung ſeiner Verſicherung fand. Er ritt wie ein toller 
Kerl, ſcheute keinen Graben und nichts. In Catrinhagen, das 
wir alle beide nicht wußten ob es ſo hieß (denn der Poſtillon mußte 
ſo wenig als ich die Wege), verlangte er zu trinken, wir hielten 
alſo vor dem Wirtshauſe an und tranken, weil es ſtark duftete 
und kalt war, etwas mehr wie wir vielleicht vertragen konnten. 
Ich hielt zwar nicht dafür, daß mich ein Gläschen Spiritus ver— 
wirrt machen würde, allein es war doch nicht anders. Der ans- 
geſtandene Schweiß und dieſer kleine Zuſatz machten einen zweiten 
Auftritt, in welchen ich ſodann zu Cattenbruch ankam. Ich ver— 
barg zwar mein taumelndes Weſen, allein gleichwohl hätte ich 
geglaubt, daß es nicht ſo ganz unbemerkt bleiben würde. Das 
liebreiche Betragen meines beſten Bruders verführte mich mit ihm 


cs b ra) 


Deutfh-Amerifanifde Geſchichtsblätter 


noch mehr zu trinken, und in der Tat war ich hierauf recht wohl 
bezecht. Ich ſchützte aber eine große Müdigkeit vor und eilte zum 
Schlafen. 


10. März. In dieſer vergangenen Nacht war meiner Ruhe 
alles zu wieder geweſen, nur flüchtige Augenblicke erquickten mich, 
und gewiſſe Vorurteile machten mich bei meinem Erwachen etwas 
ſchamhaft. Indeß mein Bruder ſowohl als meine älteſte Schwe⸗ 
iter, welche eben da war, gedachten von meiner geſtrigen Lebhaftig- 
keit nichts und ich ſchwieg nicht weniger gern. Da wir den Kaffee 
getrunken, ritt ich in Begleitung meines Bruders morgens 8 Uhr 
nach Obernkirchen, wo der Kapitän und Lieut. v. Donop allererſt 
ſpät in der Nacht angekommen und in dem Frl. v. Donop Hauſe 
logiert waren. Mein Bruder und ich ſtiegen ebenfalls da ab, 
machten hier dem Frl. v. Gilch unſere Aufwartung, gingen 
ſodann mit dem Fräulein in die Stadt, und ſahen das Regiment 
von Losberg durch ſelbige marſchieren. Den Mittag aß die ganze 
Geſellſchaft bei Herrn Amtmann von Cöln und nach Endigung 
der Mahlzeit empfahlen wir Herren Offiziere uns und nahmen 
3 Uhr nachmittags unſeren Rückweg. Mein Poſtillon, deſſen 
ganze Zufriedenheit ich hatte und der zu Cattenbruch blos aus Ge— 
fälligkeit übernachtete, führte mich wieder weg. Die übrigen 
Herren mußte ich noch vor der Stadt verlaſſen, weil ihre von 
Totenberg mitgebrachten Pferde nicht zu folgen imſtande waren, 
denn mein Poſtillon ritt wieder wie ein braver Kerl und gut für 
mich, daß er mir ſo geneigt. Die ſchlimmſten Wege und gefähr— 
lichſten Gewäſſer hatte ich zu paſſieren und die nur blos durch 
Kühnheit bald und glücklich zurückgelegt werden konnten. Abends 
10 Uhr kam ich in Lutte an, wo Herr Oberſtlieutenant Heymell 
mit ſeiner eigenen und der v. Kutzleben Company im Quartier lag. 


11. März. Nach Hampen, Rohrſen und Gadesbünden, 
Amt Wöllpe. Hier weiß ich eben nichts anzumerken, als daß 
wir heute einen recht ſchlimmen Weg hatten, aber dagegen recht 
ſehr viel Eſſen und Trinken. 


12. Mär z paſſierten wir die Weſer zu Hoya, marſchierten 
durch die Stadt nach Hoyershagen, Duddenhauſen und Dedendorff. 
Da wir Eistrup paſſieren mußten, beurlaubte ich mich ein wenig 


aas IL 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


und beſuchte auf einige Augenblicke meinen Bruder. Ich fand 
ihn mit ſeiner Frau und Schwiegereltern geſund vor. Nach Ver⸗ 
lauf einer Stunde folgte ich dem Regiment wieder und traf Herrn 
Oberſtlieutenant Heymell noch auf dem Wege an, der mit deſſen 
Kompagnie in Dedendorff Quartiere nehmen mußte. Ein in 
preußiſchen Dienſten geſtandener Kapitän Herr von Köhler logierte 
Herrn Oberſtlieutenant, und zwar aus freiem Triebe und be- 
ſonders in Rückſicht der hier ſo elenden Häuſer. Herr Oberſt⸗ 
lieutenant war ſo gütig und bat ſich aus, daß auch ich bei ihm 
logieren dürfe. Ungeachtet ſein Haus wenig Gelaß hatte, und 
überdies nicht der reicheſte zu ſein ſchien, willigte er gleich darein 
und ich nahm es auch nicht ungern an. Indes war in dieſem 
Hauſe nichts mehr als beim Bruder Bauer, oder vieler jener 
feinen adeligen Konſorten anzutreffen, wenigſtens konnte der gute 
Mann vielleicht mehr Verdienſte als Vermögen haben. Von 
dieſem kann ich weiter nichts beſtimmtes ſagen, weil ich heute mit 
der Beſtellung derer Wagen und Ordonanzpferde beſchäftigt ſein 
mußte und des andern Tags morgens 8 Uhr nach Eistrup ritt, 
das nur 1 Stunde von Dedendorff lag, ich alſo ſein ganzes Haus⸗ 
weſen nur jo von außen und ungefähr beurteile. Einige Grena- 
dier⸗Kompagnien, unter andern des Kapitäns v. Weitershauſens, 
hatten in Eistrup ihre Quartiere und zugleich mit uns an dieſem 
Tage Raſt. Ich beſuchte ihn und dann Freyenhagen, freuten uns 
ſehr, daß ein günſtiges Schickſal uns ſeit dem ganzen Marſch 
mal wieder zuſammen kommen ließ. 


14. März. Nach Kirchweihe und Sudweihe. In letzterem 
hatte Herr Oberſtlieutenant ſein Quartier, und zwar bei einem 
adeligen Verwalter. Dieſer war nicht ſchuldig Einquartierung zu 
nehmen, allein aus Beſcheidenheit und Mangel guter Quartiere 
ſetzte er ſeine Gerechtſame bei Seite. Er führte alſo ſeinen Gaſt, 
ungeachtet er ein beſonderes Wohnhaus hatte, in ſeines Prinzipals 
Wohnhaus, das gewiß an Pracht fürſtlichen Gebäuden gleich ge- 
ſetzt werden konnte. Der ganze Hof war mit einem großen 
Waſſergraben umgeben und mit ſchöner angeſtrichener Zugbrücke 
verſehen. Herr Oberſtlieutenant waren wiederum ſo gnädig und 
nahm mich bei ſich, wo ich denn auch mit ihm auf das beſte logiert 
und bewirtet wurde. Mein Zimmer, geziert mit den beſten Ta⸗ 


a AT 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


peten und Möbeln, ſetzte mich in eine Lage, die mir einen gewiſſen 
Grad von Größe einflößte und mir faſt eingab: Ich müßte ein 
größeres Geſchöpf ſein, wofür man mich würklich zu halten hatte. 
Kurz, ich aß, trank und ſchlief wie ein Fürſt. Der Name dieſes 
Adeligen iſt mir vergeſſen. 


15. März paſſierten wir die Weſer durch Bremen nach 
Maſſell, Burgdam und Vorburgdam. In dieſer ganzen Gegend 
hatte die Weſer vielen Schaden getan; ſie war an vielen Orten 
ausgetreten und beſonders eine Stunde vor Bremen bei dem 
Dorfe Brinkum und das wir zu paſſieren hatten, waren die Dämme 
dergeſtalt ausgeriſſen, daß das Waſſer über einen gepflaſterten 
Steinweg von 34 Stunden lang jo hoch fid) ergoß, daß das Regi- 
ment teils auf Nachen und Wagen hinüber gebracht werden muß⸗ 
te. Unſer Marſch war heute ſehr ſtark, um 9 Uhr abends er— 
reichten wir allererſt unſere Quartiere. Das viele Eſſen und 
Trinken machte aber wieder Mut. 


16. März. Nach Blumendahl, Ronnebeck, Beckedorff und 
Vegeſack. Dieſer letztere Ort verdient vor allen Anmerkungen. 
Vegeſack iſt ein Flecken, hat einen ziemlich räumlichen Hafen, 
worinnen fait 20—30 Kaufmanns ⸗Schiffe liegen können, und ge- 
hört den Bremern. Die Einwohner dieſes Städtchens ſind dem 
Anſchein nach in guten Umſtänden. Herr Oberſtlieutenant Hey- 
mell's Kompagnie, folglich auch ich, waren ſo glücklich in dieſem 
Ort einquartiert zu werden. Ich logierte bei einem Apotheker, 
namens Tillemann, einem Mann, aus deſſen Verhalten eine un— 
gezwungene und nur von der Seele erzeugte Aufrichtigkeit hervor— 
leuchtete und der mit einer ſorgfältigen Achtſamkeit alles auf⸗ 
ſuchte, was meinen Aufenthalt nur angenehm machen konnte. 
Seine Hausfrau, welche nicht weniger meinetwegen geſchäftig und 
ſorgſam war, wandte ebenfalls alles zu meiner Bequemlichkeit 
und Pflege an. Das Eſſen war ungemein gut und erinnere mich 
nicht, je beſſer gegeſſen zu haben. Die Höflichkeit dieſer Leute 
erſtreckte ſich gar ſo weit, daß ſie, weil es noch etwas kalt war, 
mein Bett hatten erwärmen laſſen. Mein Einzug in dieſes Lager, 
das mit den ſchönſten Betten gar ſchrecklich erhöht und mit ſehr 
feinen Tüchern belegt, geſchah mit dem größten Pomp; ich unter— 


— 18 — 


, 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ließ nicht einige Vergleiche zwiſchen jenen Adeligen und dieſen zu 
machen und fand des andern Morgens in Anbetracht deſſen mehr 
Unterſchied, daß meine Gewohnheit ſich mit dergleichen außer⸗ 
ordentlichen Werken der Verpflegung nicht ſo beſonders ver⸗ 
tragen konnte. Ich ſchlief wenig und blos weil das Bett zu gut 
und mir zu ungewöhnlich ſchien. Die gemeinen Soldaten genoſſen 
nach ihrer Art eben ſo viel. Sie vermeinten das größte Glück in 
ihrem ganzen Leben allererſt hier geſchmeckt zu haben, und was 
konnten ſie auch anders glauben, ſtatt Brandwein und Bier wurde 
ihnen Wein gereicht. Dieſes Wohlleben dauerte bis 17. März, 
wo wir glücklicherweiſe einen Raſttag halten mußten. Die über⸗ 
triebene Artigkeit des Apothekers ſetzte mich indeß in eine gewiſſe 
Verlegenheit und vielen Beſorgniſſen. Ich ſollte nichts bezahlen 
und aus Furcht, ihn als einen Mann von Anſehen zu beleidigen, 
getraute ich ihm nichts anfzudringen. Ich ſuchte aber ein Gleich— 
gewicht zu treffen, kaufte, da er mit allen Waren verſehen, meine 
ganze Proviſion auf die Schiffahrt, auch brachte ich viele unſerer 
Herren Offiziere dahin, daß ſie ihre notwendigen Sachen bei 
dieſem Mann einkauften, und meine Abſicht erreichte ich mit dem 
beſten Erfolg. Mit großer Freude erzählte er mir bei unſerm 
Abmarſch, daß er während dieſer zweier Tage mehr Abgang ge— 
habt, als er in einem ganzen Jahre hatte. Ich nahm hierbei 
nochmals Gelegenheit ihm etwas anzubieten, allein es war ſeine 
großmütige Antwort: belohnen Sie mich und meine Schuldigkeit 
mit einem geneigten Andenken. 


18. Mär z. Nach Hagen, Caſſebruch und Driffthethe, Amt 
Hagen. Das angenehme muß immer durch das Unangenehme 
gewürzt werden und dadurch erſt den eigentlichen Wert bekommen. 
Eben dies erfuhr ich hier mit lebhafter überzeugung. Elend und 
Kummer, Dürftigkeit und Verachtung wohnten in allen Häuſern. 
In Driffthethe hatte ich mein Quartier, ein alter Greis war mein 
Wirt, und deſſen einzige Stube ſchien zu allem bequem eingerichtet 
zu ſein. Schweine, Gänſe, Hühner, Katzen und Hunde waren 
ſeine Geſellſchafter und ſchliefen alleſamt in dieſer Stube; noch 
mehr, die Nachtzeit wurde ſolche zu einer Rauchkammer gebraucht, 
und vielleicht aus Gewohnheit oder Nothwendigkeit mußte eben 
bei meinem Aufenthalt der Rauch ſeine Wirkung tun, um entweder 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


mir oder ſich ſelbſt auf den morgigen Tag etwas geräuchertes ver⸗ 
ſchaffen zu wollen. Fenſter und Tür öffnete ich zwar und wandte 
alle Mühe an, ihn zu vertreiben, allein alles vergebens. In der 
Stube war eine Art Schlafkämmerchen, das man, wie mich deucht, 
Alkoven zu nennen pflegt, aber ein Loch, davon mein Wirt und 
ich nur Gebrauch zu machen wußten. Das Neſt war voller Dampf 
und Ausdünſtungen und ungeachtet alles deſſen mußte ich darin 
ſchlafen. Flöhe in Menge empfingen mich, da ich ins Bett ſtieg, 
und avanzierten dergeſtalt auf mich zu, daß alle meine Verteidi⸗ 
digungsſtücke nicht hinreichten, ſie zu verjagen. Ganze Herden 
ſchlug ich total darnieder und gleichwohl wollte ihre Zahl kein 
Ende nehmen. Dennoch ſchlief ich gar vortrefflich und bezahlte 
recht gern mein Nachtlager. 


1 9. Mär z. Nach Stodell, Neffe und Lockſtadt. Dieſes waren 
unſere Kantonierungs⸗Quartiere und ceſſierte nun auch von 
dieſer Zeit an die bon den Chur⸗Hanoveriſchen Untertanen ſonſtige 
gereichte Verpflegung. Ein jeder Soldat mußte alles was er 
verzehrte baar bezahlen und in einem ziemlich hohen Preiſe. Die 
hieſigen Bauern waren durch eine ſeit vielen Jahren hier herr— 
ſchende Viehſeuche in ſo elende Umſtände geraten, daß ſie ſelbſt 
ihr Notdürftiges kaum hatten. Verſchiedene Landleute hatten in 
einem Jahre mehr als 20 Stück Hornvieh daran verloren und 
dieſes machte auch, daß die Lebensmittel, beſonders Fleiſch, ſehr 
mangelte. Ein jedes Mittagseſſen bezahlten die Herren Offiziere 
mit 8 Reichsthaler und doch hielt es vielen ſchwer ſolches dafür 
mal haben zu können. Des Herrn Oberſtlieutenant Heymell und 
v. Kutzleben Kompagnien lagen in 2 „hier wohnte ein 
Kaufmann namens Cammann, der uns den Tiſch gab, und eben- 
falls für 8 Reichsthaler, indes recht ſehr gutes Eſſen. Ich bezahlte 
ſeit unſerm ganzen Hierſein weder für Eſſen noch Trinken etwas. 
Herr Oberſtlieutenant Heymell war ſo gnädig und gab mir alles 
mögliche frei, ſogar Wein und Kaffee, auch überdies genoß ich 
ſehr viele Guttaten und muß ich geſtehen, daß ich nicht Wert genug 
beſitze, alles deſſen zu verdienen, was ſeine Großmut mir zufließen 
läßt. Das freundſchaftliche Betragen dieſes Mannes machte auch 
unſeren ganzen Aufenthalt höchſt angenehm und verſtrich uns 
wie Augenblicke. Am 30. März marſchierten wir zur Muſterung 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


unweit Bremer Lehe auf einem großen Raſenplatz und mußten 
daſelbſt den Eid der Treue für die Krone Englands ablegen. Sr. 
Exzellenz Herr General-Lt. von Heiſter und der Engliſche Ge- 
ſandte Herr Oberſt von Faucit waren zugegen. Nach Endigung 
deſſen rückten wir wieder in unſere Quartiere und fiel weiter 
nichts neues vor. 


Namen der Herren Generäle, die die Campagne nach Nord— 
Amerika machen und zur 1. Diviſion gehören: 


Chef des Corps 1. Diviſion, Kommandeur General-Lieutenant 
Heiſter. 


Brigade⸗ Kommandeure. 


. General-Major Stirn. 
. General-Jtajor S H mith. 
. General-Major v. Mirbach. 
. Oberft v. Los berg. 
5. Oberſt v. Donop, Kommandeur der ſämtlichen Gre- 
nadiere und Jäger. 


i CO DD — 


1. Diviſion. 
Regiments⸗ Kommandeure. 


. Grenadier Batl. v. Linſing, Oberjt-Lt. v. Linſing. 
. Grenadier Batl., Oberſt Block. 
. Grenadier v. Minigerode, Oberft-Lt. v. Minigerode. 
Leib⸗Regiment, Oberſt v. Losberg. 
Regiment Erbprinz, Oberſt v. Hachenberg. 
Regiment Prinz Carl, Oberſt Schreiber. 
Regiment v. Ditfurth, Oberſt v. Boſen. 
Regiment v. Donop, Oberſt v. Goſen. 

Regiment v. Losberg, Oberſt v. Hering. 

9. Regiment v. Knyphauſen, Oberſt v. Bork. 
10. Regiment v. Trümbach, Oberſt v. Biſchauſen. 
11. Zwei Kompagnien Jäger, Oberſt v. Dono p. 
12. Zwei Kompagnien Artillerie, Oberſt-Lt. Eitell. 


Das Grenadier-Bat. v. Linſing beſteht aus den Kompagnien 
Grenadier Bat. v. Minnigerode. 


ud uns 


Cont om OR DD m 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Das 2. und 3. Garde Leib-Regiment und v. Mirbach, Grena- 
dier⸗Komp. Erbprinz, v. Ditfurth. 

Grenadier Bat. Block, v. Los berg. 

Grenadier Komp. Prinz Carl, v. Knyphauſen. 

Regiment v. Wutgenau. 

Regiment v. Donop, v. Trümbach. 


Namen der Herren Offiziere von Regiment v. Donop, die 
1776 die Campagne nach Nord-Amerika machen: 


Oberſt und Kommandeur v. Gofen. 
Oberſt⸗Lieutenant Heymell. 

Major Hinte. 

. Grenadier-Rapitan v. Weitershauſen. 
Kapitän v. Kutzleben. 

Kapitän v. Gall. 

Kapitän Giſſot. 

Kapitän Venator. 

Kapitän v. Don op. 

Premier⸗Lieutenant Geisler, Grenadier. 
. Premier-Lieutenant Murhard. 

Second Lieutenant Hausmann. 

. Second Lieutenant Reiß, Grenadier. 

. Second Lieutenant v. Nagell, Sr. 

. Second Lieutenant v. Nagell, Ir. 
Second Lieutenant v. Bardeleben. 

. Second Lieutenant v. Lepell. 

. Second Lieutenant v. Don. o p. 

. Second Lieutenant Freyenhagen, Sr., Grenadier. 
Fähnrich v. Los berg. 

Fähnrich v. Trott. 

Fähnrich Freyenhagen, Ir. 

Fähnrich v. Knobelauch. 

Fähnrich v. Stadell, am 22. Juni 1776 auf der See 


an Krankheit geſtorben. 


25. 
26. 
27. 
28. 


Regiments⸗Quartiermeiſter Zinn. 

Regiments⸗Feldſcheer Stiegelitz. 
Auditeur Heymell. 

Feld⸗Prediger Cöſter. 


— 22 — 


Deutſch-⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


29. Wagen⸗Meiſter Schultz. 

Grenadier Kompagnie ijt ſtar e PU• 122 Mann 
Musketier Kompagnie 121 Mann 
Auf dem Schiffe Hope, kommandiert vom Kapitän Pikock: 

1. Herr Major Hinte. 
Kapitän Venator. 
Lieutenant Murhard. 
Lieutenant v. Lepell. 
Fähnrich v. Los berg. 
. Regiment3-Quartiermeifter Zinn. 
Wagen⸗Meiſter Schultz. 
Die Kampagnie des Herrn Majors und ein Teil von Kutz⸗ 
leben. 
Auf dem Schiffe Embres, kommandiert vom Kapitän Walles: 
1. Kapitän v. Gall. 
2. Lieutenant Haus mann. 
3. Fähnrich Freyenhagen. 


“1 o> Ct o © bo 


4. Lieutenant b. Anderſon vom Regiment Grb-Tiring. 

5. Fähnrich Ungemitter vom Regiment Erb⸗Prinz. 
Qeib-Rompagnie 2 onu ka tr 121 Mann 
Regiment Crb-Pring ʒ w-; 35 Mann 
Regiment b. Losberg........... e 18 Mann 

SUMING !f,.,.,. $5585 cheers 174 Mann 


9. April 1776 embargnierte unfer Regiment zur Wefer 
beim Dorfe Geſtendorff unweit Bremer Lehe, und zwar auf nad- 
ſtehenden Schiffen: 

Auf dem Schiffe Esk, kommandiert vom Kapitän Redley: 

1. Herr Oberſt v. Goſen. 

Kapitän b. Don op. 

Lieutenant v. Nagell, Sr. 
Lieutenant v. Nagell, Ir. 
Lieutenant v. Donop. 

Lieutenant Keyſer von der Artillerie. 
Fähnrich v. Stadell. | 
Regiments⸗Feldſcheer Stieglitz. 


— 23 — 


OO A e 


Deutſch-⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Die Kompagnie des Herrn Oberſt v. Sofen......... 121 Mann 
Von Kapitän b. Kutzleben Eu E 43 Mann 
Von der Artilerie... e 12 Mann 

coniu AMT CE 176 Mann 


Auf dem Schiffe Jenny, kommandiert von Kapitän Hamilton: 


jun 


Herr Oberſtlieutenant Heymell. 

Kapitän Giſſot. 

Herr Lieutenant v. Bardeleben. 

Fähnrich v. Trott. 

Fähnrich v. Knobelauch. 

Auditeur Heymell. 

Feld⸗Prediger Cöſter. 

Die Kompagnie des Herrn Oberſtlieutenant Heymell . . 121 Mann 
Von Kapitän v. Kutzleben O GE( l'lUVVUt i. 34 Mann 
Vom Regiment v. Losberg m n . m ꝙ 20 Mann 
Von der Artillerie. —·yꝑç ʒaçꝙw— [(ſDDUOU eu —x VV PꝛkfPn 14 Mann 


“I E coro 


Summa ...... | "TEES edu 189 Mann 


2. Einſchiffung und Abfahrt nach England. 


So waren wir denn mittags 11 Uhr auf unſeren Schiffen. 
Was für Verwunderungen, was für Erſtaunen, und beſondere 
Ideen entſtanden in mir, da ich das Schiff betrat. Ich, der ich 
mir nie eine recht deutliche Vorſtellung von ſo großen Schiffen 
machen konnte, noch weniger ſolche zuvor geſehen, empfand etwas, 
das ich auseinander zu wickeln nicht im Stande war. Eine ſtille 
Bewunderung, ein unbegränztes Erſtaunen überzogen mein ganzes 
Weſen und nur dunkle Bilder ſtellten ſich mir vor. Kurz, meine 
Ideen waren zu ſchwärmeriſch, und zu unvollkommen, und ver— 
geblich würde ich bemüht ſein alle meine Begriffe in einen ge— 
willen Wörter⸗-Zuſammenhang zu bringen. Genug alio hiervon. 
Eine ganz kurze Anmerkung von unſerer Kajütte ſoll indes noch 
folgen. Dieſe Kajütte ijt nicht ungeheuer groß, ungefähr vier 
Schritte lang, und ebenſo breit; hat vier kleine Fenſter und iſt 
ſonſt mit ebenmäßigen Zierraten und Bequemlichkeiten verſehen; 


— 94 — 


Deut{[h@-Amerifanijhe Geſchichtsblätter 


jo befinden fid) z. B. bier Bettgeſtelle darinnen, die ungemein 
glücklich nach den Regeln der Notdurft berfertigt und an den 
Seiten feſt genagelt ſind; ferner ein viereckiger Tiſch, der zum 
Teil die ganze Kajütte einnimmt; vier hölzerne Stühle, ein Ofen, 
ein großer Medizin-Kaſten, welcher an einem Bettgeſtell feſt ge— 
bunden und nötigenfalls zu einem Sopha dienen muß; einige 
Mantel⸗Säcke, die nicht weniger bei Gelegenheit uns Dienſte 
leiſten. Dies wären alfo die zu unſerer Bequemlichkeit beftimm- 
ten und wohl ausgeſuchten Möbel. Nun folgen die äußeren und 
einem Zimmer dieſer Art ſehr nötigen Zierraten, als fünf ſchreck— 
lich große Schinken, die an den Fenſtern in einer Reihe hängen 
und angenehm duften, nächſt dieſen liegen 20 Schießgewehre, über 
den Schinken eine Trommel und endlich die Perücke des Paſtors 
hängen mit noch unendlich anderen Koſtbarkeiten nach ihrem Rang 
vor jenen und machen den Kontraſt vollſtändig. Dies mag hin— 
reichend und wichtig genug ſein, mehrere Stoß zu dieſer Be— 
ſchreibung zu finden. 


Nachſtehendes wird täglich ausgegeben, und einem jeden zu 
2 Thaler 4 Heller angerechnet als 16 M. empfangen. 


Montag: ½ pf. Butter, 14 pf. Käſe, 2 pf. Hafermehl und 
4 Maß Bier und 4 pf. Brod. 


Dienstag: 4 pf. Brod, 4 Maß Bier, 2 pf. fein Weizen— 
Mehl zu Pudding und Roſinen dabei, ½ pf. Rindfleiſch. 


Mittwoch: 4 pf. Brod, 4 Maß Bier, ½ pf. Butter, 1% 
pf. Käſe, 2 pf. Hafermehl und 2 pf. Erbſen. 


Donnerstag: Brod, Bier, 2 pf. Schweinefleiſch und 
4 pf. Erbien. | 


Freitag: Brod, Bier, Butter, Käſe, Hafermehl und Erbſen. 


Sonnabend: Brod, Bier, Pudding mit Roſinen und 2 
pf. Rindfleiſch. | 


Sonntag: Bier, Brod, Schweinefleisch und Erbſen. 


Alles dies kochen zwei Soldaten und wird ſodann ein Teil 
morgens ½9 Uhr und das übrige mittags 11 Uhr den Leuten 


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Deutſch-⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ausgegeben. Den Abend müſſen ſie aber vorlieb nehmen, denn 
nur einmal dürfen ſie des Tages kochen. Wir nehmen ebenfalls 
dieje Schiffskoſt, haben aber daneben unſere eigene Schiffs-Pro⸗ 
viſion und wechſeln alſo dieſe ab. 


Vom 10. bis zum 16. April blieben alle Schiffe auf der Weſer 
bei Bremer Lee ruhig vor Anker liegen und fiel während dieſer 
Zeit nichts Merkwürdiges vor. Am 11. dieſes ſchrieb ich nach 
Caſſel an L. v. G. und fügte daneben ein andres Briefchen bei. An 
eben dieſem Tage bekamen wir Beſuch von ſieben Perſonen. Dieſe 
waren Kapitän Venator, Lieutenant Nagell, Sr., und Freyenhagen, 
Fähnrich von Losberg und zwei Schiffs-Kapitäne mit uns, alio 
15 an der Zahl, eine ziemliche Geſellſchaft, und gleichwohl war 
alles in der Kajütte, mußten aber verſchiedene aufeinander ſitzen 
und ganz geduldig erwarten was ihnen an Eſſen und Trinken 
gereicht wurde. Auf das übrige Comique iſt leicht zu ſchließen. 
Wir ließen es uns indeß recht gut ſchmecken und tranken eine Ge— 
ſundheit über die andere. — — 


Am 16. April wurden, weil günſtiger Wind wehte, alle Cha- 
louppen aufgezogen, die Ancker abends gelichtet und die Segel 
aufgemacht, um den folgenden Tag noch Portsmouth abfahren 
zu können. Sr. Exzellenz Herr General-Lieutenant von Heiſter 
ſtieg dieſerhalb heute Nachmittag auf das Schiff und faſt von 
den meiſten Schiffen wurden unter ſeiner Leitung mit Kanonen 
gefeuert. 


17. April 1776 ſegelten alle Schiffe morgens 8 Uhr mit 
ſehr gutem Wind und ungemein ſchönem Wetter von Bremer Lee 
ab. Vortrefflicher Anblick von ſo vielen Schiffen, deren ungefähr 
40 an der Zahl waren. Um 1512 Uhr mittags ſah man ſchon 
wenig Land mehr und um 3 Uhr nachmitags kamen wir mit dem 
beſten Wind aus der Weſer in die Nordſee, wo nunmehr gar kein 
Land mehr zu ſehen war. Von Bremer Lee bis in die See ſind 
ſieben deutſche Meilen, wir liefen dieſe aber in Zeit von ſieben 
Stunden. Von dieſem Nachmittag 3 bis 6 Uhr abends mar fait | 
auf allen Schiffen bei der ſo heiteren Witterung unter beſtändigem 
Kanonieren Muſik. Wie prächtig und gefallend dieſe Auftritte 
waren iſt nicht zu beſchreiben, es ſind nur Gegenſtände, die man 


— 26 — 


N 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ſehen muß, wenn man ſie begreifen will. Es war indeß ein 
Schauplatz, deſſen Anblick die lebhafteſte Empfindung der Ver⸗ 
wunderung und des Vergnügens einem jeden auch wider Willen 
einflößte. Um ½9 Uhr abends jab man das heilige Land, aber 
ſehr entfernt, kaum daß ein daſelbſt leuchtendes Licht zu be⸗ 
merken war. 


18. April. Dieſe verwichene Nacht war alſo die erſte zur 
See; für mich indeß ebenſo ruhig geweſen, als auf der Weſer und 
ſonſt auf dem feſten Lande immermehr. Von geſtern Nachmittag 
3 Uhr bis heute Morgen 6 Uhr hatten wir 21 deutſche Meilen 
zurückgelegt. Der Himmel war wieder ungemein heiter und ganz 
windſtill. Um ½9 Uhr morgens ſah man in einer blauen Ent⸗ 
fernung ungefähr 12 engliſche Meilen von uns die Küſten von 
Oſt⸗Friesland. Das Meer war auch um dieſe Zeit mit lauter 
Oſtfrießländiſchen Fiſcher⸗Nachen bedeckt. Um 1412 Uhr mittags 
bekamen wir Gegenwind. Das Wetter war bis abends 6 Uhr 
recht gut und ziemlich windſtill, nächſtdem regnete es ein wenig, 
doch aber ohne ſtürmiſch zu ſein. Der größte Teil Leute mußten 
ſich ſchon ſchrecklich würgen und erbrechen, ich blieb aber ohne 
übelkeit. | 


$19. April. Ungeachtet in diefer vergangenen Nacht unfer 
Schiff hat ziemlich Bewegungen gemacht, hatte ich doch gut ge⸗ 
ſchlafen und nichts davon gemerkt. Sehr ſchönes Wetter und 
Windſtille, aber kein günſtiger Wind. Die Soldaten waren faſt 
noch alle ſeekrank und mußten ſich würgen, was ſie nur immer 
konnten. Noch fehlte mir gottlob nicht das geringſte. 


2 0. April. Vortrefflich hatte ich diefe verfloſſene Nacht 
geſchlafen. Das Wetter war wieder ſehr angenehm, der Wind 
ganz ruhig aber nicht günſtig. Die Schiffe liefen deshalb ſehr 
wenig und konnten nur lavieren. Um 9 Uhr morgens wurde das 
Meer fos ruhig, daß man keine Welle fid) bewegen jab und wie 
Spiegelglas anzuſehen war (dieſe ſo außerordentliche Meerſtille 
nennen die Schiffer Calm). Um 6 Uhr abends ſah man eine 
ganz unzählbare Menge Fiſche, faſt Heringen gleich; dieſe lagen 
haufenweiſe auf der Oberfläche des Meeres und trieben ihr Spiel. 
Um 7 Uhr abends bekamen wir guten Wind, allein derſelbe war 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


noch immer ſo matt, daß die Schiffe ſehr ſehr wenig laufen 
konnten und faſt merkte man bei dieſer Stille gar keine Bewegun— 
gen des Schiffes. Die Seekrankheit herrſchte noch ſo fort. 


2 1. April. Noch immer geſund und den herrlichſten Schlaf! 
Das ſchöne helle und ſtille Wetter hielt noch mit günſtigem, aber 
ſehr mattem Winde an. Um 3 Uhr nachmittags wehte der Wind 
etwas ſtärker. Abends 9 Uhr bekamen wir Gegenwind, das Wetter 
blieb aber dabei ungemein gut und ſchön. 


22. April. Recht friſch und geſund. Das Wetter noch 
höchſt angenehm. Das Meer ganz ruhig. Der Wind aber contrair 
und matt, kaum daß die Schiffe fort rückten. Ich ging heute auf 
die Jagd und ſchoß zwei Gänſe und vier Enten, ſonſt nichts Neues. 


23. April. Dieſer Tag war nicht weniger jo angenehm 
geweſen als die vorigen. Das Meer ganz ruhig, der Wind con— 
trair und ſehr matt, daß wir in Zeit von 12 Stunden kaum 1 
Meile gelaufen hatten. Um 5 Uhr abends wehte der Wind etwas 
ſtärker und auch vorteilhaft. Die Leute wurden etwas beſſer. 


2 4. April. In dieſer verwichenen Nacht ſoll unfer Schiff, 
wie mir dieſen Morgen von anderen Herren erzählt wurde, ajent- 
lich gewiegelt haben, allein mein Schlaf war nicht empfindlich 
genug geweſen, um dieſe Bewegungen wahrnehmen zu können. 
Ich hatte alſo gewiß gut geſchlafen. Von geſtern Nachmittag 
4 Uhr bis dieſen Morgen 8 Uhr hatte unſer Schiff 93 engliſche 
Meilen gelaufen und war der Wind dieſen ganzen Tag ſo gut, 
daß wir ſtundenweiſe bald 6, bald 7 engliſche Meilen liefen. Um 
9 Uhr morgens ſah man entfernt die Küſten von England. Dieſe 
zeigten ſich wie weißliche Wolken. Um 12 Uhr mittags kamen 
wir aus der Nordſee in den Kanal der Stadt Tower, das Caſtel 
ſo als die Stadt ſelbſt mit weißlichen Felſen umgeben zu ſein 
ſchien und das man ziemlich deutlich erkennen konnte. 

25. April. Der ganze Tag heiter, die See ruhig, der 
Wind contrair und ſehr ſchwach. Um 3 Uhr nachmittags ſah man 


in der Entfernung von ungefähr 3—4 Stunden die Inſel Wicht 
und abends 6 Uhr die Schiffe in Spithead. Wir hätten zwar noch 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


heute in den Hafen einlaufen können, allein gegen 157 Uhr erhob 
ſich ein ſehr ſtarker Wind und uns dermalen zuwider, daß wir 
unweit der gedachten Inſel Wicht abends 10 Uhr in dem Kanal 
ankern mußten. f j 


26. April. Der jtarfe Wind hatte fid) in der Nacht gelegt. 
Um 5 Uhr morgens wurden die Anker aufgezogen und fegelten 
wir nun nach dem Hafen zu. Um 7 Uhr waren wir Portsmouth 
ſchon ziemlich nahe, allein wegen wirdigen Wind ging die Ein- 
fahrt ſo langſam, daß wir allererſt mittags 10 Uhr auf der Rehde 
von Spithead ankamen und gottlob glücklich und geſund. Unſer 
Schiffs⸗Kapitän, der 18 Jahre zur See gefahren, verſicherte uns, 
da er ſich nie eine ſo ſtille, ruhige und angenehme Witterung auf 
der See zu entſinnen wußte. Es heißt auch in der Tat viel Glück, 
ohne den geringſten Sturm und bei der allerbeſten Witterung, 
einen Teil der fürchterlichen See überſchwommen zu haben. 


2 7. April. Lagen alle Schiffe auf der Rehde bei Ports- 
mouth vor Anker. Sämtliche Schiffe bekamen friſche Proviſion 
und friſches Waſſer. Auch lagen hierſelbſt noch viele andere 
Schiffe, die mit engliſchen Truppen beſetzt und mit uns nach 
Amerika abfahren ſollten. Die Lage unſeres Schiffes war höchſt 
angenehm, wir lagen zwiſchen Portsmouth und der Inſel Wicht, 
deren beider Anblick uns die prächtigſten Gegenſtände lieferte. 
Alles grünte, das Wetter ſchön und dabei alles geſund. 


28. April. Noch alles ruhig vor Anker und recht gutes 
Wetter, ſonſt nichts Neues. 


2 9. April. Alles ruhig vor Anker. Kaltes und unfreund- 
liches Wetter, doch ohne Regen. Heute wurden von den Schiffen, 
die zu viele Leute hatten, ein Teil derſelben abgenommen und auf 
andere Transportſchiffe verlegt. Von unſerem Regiment wur- 
den 4 Offiziere und 138 Gemeine auf das Schiff Surprice ge- 
bracht. Vom Shiff Esk: Lieut. v. Nagell und vom Kapitän v. 
Kutzlebens Kompagnie 34 Mann. Vom Schiff Jenny: Fähn⸗ 
rich v. Knoblauch, 20 Mann von Kapitän v. Kutzleben und 20 
Mann vom Regiment v. Losberg. Vom Schiff Ho pe: Kapitän 
Venator und 34 Mann von Kapitän v. Kutzleben. Vom Schiff 


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Embres: Von der 2. Komp. des Regiments und Regiments v. 
Losberg 30 Mann. 


Es beſteht alſo die Beſatzung des Schiffes Surprice aus: 


1. Kapitän Venator. 

2. Lieutenant v. Nagell, Sr. 

3. Lieutenant v. Nagell, Ir. 

4. Fähnrich v. Knobelauch. 

5. Unteroffiziere und Gemeine 138 Mann. 


3 0. April. Sehr rauhes und kaltes Wetter, etwas Regen. 
Noch alle Schiffe vor Anker, weiter nichts Neues. 


1. Mai 1776. Ziemlich Wetter — noch alles vor Anker. 
Selen Morgen 9 Uhr fuhr ich mit unſerem Schiffs-Kapitän nach 
Portsmouth. Dieſe Stadt iſt von ebenmäßiger Größe, mit 
Mauern umgeben und an der Seeſeite mit Kanonen ſehr ſtark 
beſetzt; auch hat die Stadt eine angenehme Lage und die ganze 
Gegend ſcheint fruchtbar zu ſein. Die Straßen ſind ziemlich breit 
und gut gepflaſtert, insbeſondere iſt eine derſelben vorzüglich 
lang und geht dieſe von einem Ende der Stadt bis zur anderen. 
Eine Hälfte der Stadt hat niedrige aber ganz niedliche Häuſer. Die 
andere Hälfte, welche durch ein Waſſer abgeſondert und zu der 
man über eine ſteinerne Brücke zu einem Tor eingeht, iſt ſchöner 
und die Häuſer weit größer. Die Reinlichkeit, worauf ungemein 
gehalten wird, macht die geringſten Häuſer anſehnlich und prahle— 
riſch. Der Hafen iſt groß und eine daneben angebaute Werfte iſt 
ſo wohl für neu zu bauende als für auszubeſſernde Schiffe aller 
Arten höchſt bequem. Dieſe Werfte ijt gleichſam ein ausge- 
mauerter tiefer Graben, der vermittelſt einer Schläuße mit Waſſer 
angefüllt und wieder abgelaſſen werden kann und folglich die 
Schiffe ein und auslaufen können. Zwei von den Franzoſen 
eroberten Kriegsſchiffe, jede von 90 Kanonen, und Centaur 
und Terrible hießen, wurden ebenfalls gebeſſert. Der Umfang 
eines Kriegsſchiffes iſt erſtaunend und nicht ohne Schaudern kann 
man in die Tiefe derſelben ſehen. Die Kajütten darin ſind groß 
unter anderen eine, worin faſt 20 Menſchen vollkommen Raum 
haben (vier Kajütten in jedem Schiffe). 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


überhaupt liegt Portmouth denen Schiffen ſehr bequem und 
vorteilhaft. Die Vorrats⸗Häuſer ſind mit allem was zum Schiffs⸗ 
Weſen gehoret, reichlich verſehen. 


Alles war hier ſchrecklich teuer. Z. B. Kaffee 1 Pfund 16, 20 
Pf. Wein 7 Boutelle 15, 24 Pf. und ſo fort. In der Stadt Gosport, 
die von Portsmouth aus jenſeits des Hafens liegt, bin ich nicht 
geweſen, ſondern habe ſelbe nur von einer Seite ſehen können; 
ſie ſcheint aber eben ſo groß als jene zu ſein. Abends 5 Uhr war 
ich wieder auf dem Schiffe. | 


2 Mai. Unfreundlich und kaltes Wetter. Noch bor Anker, 
nichts Neues. 


3. Ma i. Um 10 Uhr morgens ſegelten alle Schiffe von 
Spithead ab und nach St. Hillen, um ſodann mit dem erſten guten 
Winde auslaufen zu können. Um 12 Uhr mittags wurden die 
Anker geworfen und wir lagen kaum 14 Stunde von der Inſel 
Wicht, ſo gern ich dieſe Inſel betreten hätte, ſo war es gleichwohl 
der ſtarken Wellen wegen nicht möglich. Das Wetter war kalt und 
ſtürmiſch. | | 


4. Mai. Stürmiſches Wetter und kalt. Auf St. Hillen alles 
vor Anker — quelque chose! Von Herrn Oberſt⸗Lt. Heymell's 
Bedienten kam heute nachmittags einer auf unſer Schiff, um 
Herrn Oberſten zu melden, daß eins ſeiner Pferde von einem 
anderen geſchlagen ſei. Dieſer Bediente bat die Matroſen, welche 
ihn hierher gefahren, ſie möchten bis zu ſeiner Abfertigung die 
Chaluppe feſt binden; ſie taten dieſes und hielten ſich während 
dieſer Zeit in der Kajütte von unſeren Matroſen auf. Bald darauf 
ſchlugen die Wellen ſo heftig an den Nachen, daß deſſen Seil abriß 
und auf einmal ſo weit fortgetrieben wurde, daß ſolches zu retten 
faſt unwahrſcheinlich ſchien. Indeß ein Matroſe von einem anderen 
Schiffe ſieht die Chalouppe und kurz entſchloſſen ſpringt er ins 
Waſſer hinein, folgt ihr, holte ſie ein und brachte ſie wieder auf 
unſer Schiff, nachdem er beinahe über 14 Stunde mit den unge⸗ 
heuren Wellen zu kämpfen gehabt. Fürchterlich ſchien es, wie 
dieſer Menſch von den Wellen herum geworfen wurde.; oft ſah 
man ihn binnen 2—3 Minuten nicht. Und ungeachtet ſeiner 


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Mühe weigerte er ſich von Herrn Oberſtlt. Geld anzunehmen und 
ſchlug es auch gänzlich aus. 


5. Mai. Auf St. Hillen vor Anker. Das Sturmwetter hielt 
noch ſofort an und war heftiger. Die Wellen ſchlugen faſt bis 
auf unſer Schiff und türmten Hügel, die gleichſam von Schnee 
bedeckt zu ſein ſchienen, dabei ſchneite es, regnete und zu gewiſſen 
Zeiten etwas Sonnenſchein. Kurz es war heute ein echter April⸗ 
Tag. Das Schiff machte ziemliche Manöver und brachten uns 
dieſe zu einer gewiſſen Stille, mit deren Urſache wir vorher noch 
nicht recht bekannt waren. Unſere Aufmerkſamkeit ging weiter, 
gegen Abend kam des Schiffs⸗Kapitän kleiner Bois in die Kajütte, 
und befeſtigte alle Stühle, alle Kaſten, überhaupt alles was nur 
fallen konnte. — Holla! dachten wir, was ſoll denn das ſein? 
Wir merkten es aber bald und wir ſelbſt wünſchten hiernächſt, 
daß auch für uns eine Maſchine zum feſtſtehen da wäre; denn in 
der Tat, wir waren nicht Herr von unſeren Beinen. Hin und her 
baumelten wir, aber dennoch befremdeten uns dieſe Veranſtaltun⸗ 
gen und konnten nicht recht begreifen, warum alles ſo ſchrecklich 
mit Seilen angebunden ſein mußte. 


3. Von England nach Amerika. 


6. Mai. In der verwichenen Nacht hatte ſich das ſtürmiſche 
Wetter gelegt und war ziemlich gut, hatten auch guten Wind; 
brachen um deswillen von St. Hillen auf und ſegelten mit dem 
beſten Nord⸗Oſt Wind abends 6 Uhr, unter Bedeckung dreier 
Kriegsſchiffe, zwei Fregatten, ein Bombadier Galiot und ein 
Feuerſchiff. Zu Portsmouth waren noch verſchiedene Transport- 
Schiffe mit engliſchen Truppen zu uns geſtoßen, unſer Flotte be⸗ 
ſtand alfo aus ſieben Königlichen Schiffen und 80 Transport- 
Schiffen, und zwar unter Kommando des Kommandeurs Sir 
Hathon, welcher auf dem Kriegsſchiff Preſton ſich befand. 


7. Mai. In der vergangenen Nacht war wieder ein ſtarker 
Wind eingefallen, die Bewegung des Schiffes war folglich groß 
geweſen; gleichwohl hatte ich vortrefflich geſchlafen. Um 7 Uhr 
morgens wurde der Wind noch heftiger und uns dermalen zuwider, 
daß wir nach St. Hillen laufen ſollten, doch erwartete man den 


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folgenden Tag. Bei dieſem ſtarken Winde mußten alle Schiffe 
mit größter Vorſicht lavieren, damit ſie nicht in dem Kanal irgend⸗ 
wo ſtranden möchten. Dieſe beſondere Bewegung des Schiffes 
verurſachte faſt bei allen Leuten fo große Übelkeiten, daß fie ohne 
Würgen und alles was dazu gehört, nicht bleiben durften. Abends 
6 Uhr wurden die Wellen noch weit ſtärker. Niemand konnte 
auch weder ſtehen noch ſitzen. Wir legten uns deshalb teils ins 
Bett, teils auf die bloße Erde, aber doch waren wir nicht ſicher — 
bald rollen Tiſch und Stühle, obgleich ſie feſt gebunden, zuſammen, 
und wir, es fehlte wenig, mitten darunter. Unſer Mittagseſſen 
genoſſen wir heute in vieler Unruhe — der eine nahm ſeinen 
Teller ins Bett, der andere ſetzte ſich neben dasſelbe und wieder ein 
anderer ſaß mitten in der Kajütte und hatte ſeine Arme um den 
Tiſch gewunden, und auf dieſe Art hielten wir unſere Mahlzeit. 
Ich ſaß auf der Erde neben meinem Bett, hielt mich daran, aß 
meinen Teil aus einem hölzernen Gefäß und ließ mirs unver- 
gleichlich ſchmecken. Hier nun begriffen wir, wie nötig es ſei, 
fernerhin alles ſo feſt wie möglich anzubinden. 


8. Mär z. Der heftige Wind hatte ſich die Nacht gelegt und 
wehte ſehr vorteilhaft, auch ſonſt war das Wetter ziemlich gut. 
Die Leute erholten ſich deshalb wieder. Dieſen Vormittag liefen 
wir ſehr geſchwind — acht engliſche Meilen in einer Stunde, und 
fuhren längs an den engliſchen Küſten herunter. Um 4 Uhr 
nachmittags kamen wir in einer eben nicht gar weiten Entfernung 
bei Plymouth vorüber, man konnte mit Ferngläſern die Kirch— 
türme von der Stadt ſehen. Um den Abend tobten die Wellen 
abwechſelnd und zu gewiſſen Augenblicken ebenſo wie am vorigen 
Tage. Die Leute würgten ſich auch alsbald wieder. 


9. Mai. Das Wetter ſchön — der Wind wieder ruhig und 
noch vorteilhafter. Um 11 Uhr vormittags kamen wir aus dem 
Kanal und gottlob ganz glücklich. So lange wir noch in dem 
Kanal waren, mußten unſere Schiffsleute nicht wenig bedächtlich 
fahren, denn bei deren Küſte ſind gefährliche Sandbänke und 
können dieſe Gegenden nicht gut befahren werden. Den ganzen 
Tag liefen wir bald 4—5 engliſche Meilen in der Stunde. 


10. Mai. Ungemein gutes Wetter. Wind und Meer ruhig, 
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das Meer ſo glatt wie Spiegelglas. Die Leute wurden etwas 
beſſer. Wir liefen langſam, kaum 2 engliſche Meilen in einer 
Stunde. 


11. Mai. Noch jo fort ſchön und angenehmes Wetter, der 
Wind ſtille und das Meer ſo glatt als am geſtrigen Tage. Heute 
den ganzen Tag hatten wir nur einige engliſche Meilen zurück⸗ 
gelegt. 


12. Mai. Die nämliche ſchöne Witterung. Nichts ange⸗ 
nehmeres, nichts prächtigeres kann man ſich denken, als ein ſo 
unvergleichlich herrliches Wetter zur See. 


13. Mai. Immer noch ſehr gutes Wetter, doch aber etwas 
mehr Wind. Unſere Fahrt war indeß noch gering. Um 7 Uhr 
abends bekamen wir günſtigen Wind und liefen nun ſtundenweiſe 
3—4 engliſche Meilen. 


14. Mai. Zwar gut Wetter, aber kalte Luft. Der Wind 
jo vorteilhaft, daß wir jede Stunde 5—6 engliſche Meilen liefen. 


15. Ma i. Ziemlich Wetter, rauhe Luft, der Wind nod) 
ſehr gut und liefen noch geſchwinder als geſtern — in einer Stunde 
6—7 engliſche Meilen. 


16. Mai. Ebenmäßig gutes Wetter, noch kalt, der Wind 
nach Wunſch und alle Stunden 6—7 engliſche Meilen. Unge⸗ 
achtet der Wind eben nicht ſtark wehte, war das Meer doch ſo 
unruhig, daß unſer Schiff bald vorwärts, bald ſeitwärts ſich 
warf und weswegen wir auch heute wie trunkene Leute in der 
Kajütte herum taumeln und aus einer Ecke in die andere fallen 
mußten. Unſeren Kaffekeſſel banden wir dieſen Morgen an ein 
Seilchen und hingen ihn an einem Nagel, wo ein jeder ſich ſodann 
unterſtellte und ſeine Taſſe mit zitternden Händen und Füßen 
voll füllte. Mit unſerem Mittagseſſen ging es nicht beſſer. Um 
den ganzen Tiſch hatten wir uns gelagert, und zwar auf den 
Dielen der Kajütte ſaßen wir. Die Bedienten hielten mit Hilfe 
des Tiſches die hölzernen Schüſſeln und unter deren Beiſtand 
half ſich ein jeder ſo gut er konnte. Es ſchmeckte uns bei aller 
dieſer Unbequemlichkeit vortrefflich, wenigſtens ich für meinen Teil 
habe immer ſo viel eſſen und trinken können wie jemals, und die 


£s E 


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Drohungen ſich auf der See ja nicht ſatt zu eſſen, ſind für mich 
unbedeutende Warnungen geweſen; meinen Appetit im Eſſen und 
Trinken habe ich zu jeder Zeit befriedigt und zu mittags und 
abends mit ziemlichen Portionen. ' | 


17. Mai. In der verfloſſenen Nacht hatten wir allefamt 
höchſt unruhig geſchlafen. Die Wellen hatten dergeſtalt an das 
Schiff geſchlagen und durch deſſen ſchnellen Lauf ſo ſtarke Be⸗ 
wegungen gemacht, daß um Mitternacht alle Stühle, Bücher, 
Mantelſäcke und ſogar auch Kapitän Giſſot, es fehlte nicht viel, 
mit denen Sachen in die Kajütte rollten. Ich ſelbſt hätte beinahe 
gleiches Schickſal gehabt, wenn ich nicht durch den erſten Tumult 
dafür geſchützt worden wäre. Ich hielt mich alſo ſo feſt wie 
möglich und hörte hiernächſt die verſchiedenen Auftritte, die ſich 
zutrugen. Auf einmal erwachten aber nun die übrigen Herren. 
Nun rief bald der eine, bald der andere; nun, was gibts denn? 
Das Geheimnis eröffnete ſich bald. Eine heftige Bewegung des 
Schiffes folgte der anderen und plötzlich kam ein ſolcher Stoß, 
daß Kapitän Giſſot ſchon über die Hälfte aus dem Bette ſtürzte 
und zugleich in dieſem Augenblicke alles mit ihm ſich in Alarm 
ſetzte. Ich lag ganz ſtill, ſagte nichts und ſtellte mich als ſchlief ich, 
dachte aber bei mir ſelbſt — Himmel! kein Sturm und doch eine 
ſo ſchreckliche Bewegung; ein heimlicher Schauder überfiel mich, 
denn nie hatte ich von einem ſolchen Wanken gehört, noch weniger 
ſelbſt empfunden; und nichts gewiſſeres glaubte ich, als den Um⸗ 
ſturz des Schiffes. In dieſer Erwartung blieb ich, bis der Tag 
anbrach, da es ruhig wurde. Wir ſtiegen alſo gottlob geſund 
wieder auf und erzählten uns unſere allerſeitigen Kümmerniſſen. 
Das heutige Wetter ziemlich, rauhe Luft, noch günſtiger Wind. 


1 8. Mai. Die verwichene Nacht war etwas ruhiger geweſen; 
zwar hatte unſer Schiff keine kleine Bewegungen gemacht, doch 
aber nicht ſo heftig, als die am 16. und 17. Die Luft noch rauh, 
der Wind vortrefflich und liefen eben ſo geſchwind wie die vorigen 
Tage. | 


Ein kleiner Junge bon unſeren Schiffsleuten, ungefähr 11 
Jahre alt, fiel dieſen Morgen 6 Uhr vom unterſten Teil des 
Maſtbaumes ins Meer. Der Schiffs⸗Kapitän ließ aber ſogleich 


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die Chalouppe herunter, ſetzte ihm nach und fand ihn, nachdem 
er 20 Minuten herumgeſchwommen wieder. Er lebte noch und 
hatte noch alle Zeichen des Lebens. 


19. Mai. Die Nacht ganz ruhig, wir hatten gut geſchlafen, 
gutes Wetter, der Wind noch ſehr günſtig. Der kleine Junge war 
heute ſchon wieder auf dem Verdeck und faſt ganz hergeſtellt. 


2 0. Mai. Wind, Wetter und Fahrt den Vormittag gut, 12 
Uhr mittags wurde es ſo windſtill, daß wir kaum in einer Stunde 
eine engliſche Meile liefen und hielt dieſes den Tag über ſo fort 
an. Der Wind contrair. 


21. Mai. Die Nacht höchſt unruhig, das Hin- und Ser. 
wandern unſeres Schiffes war ſo heftig geweſen, daß wir dieſen 
Morgen bei unſerem Erwachen Bücher, Schinken, Stühle und der— 
gleichen mehr in der Kajütte zerſtreut fanden. Dieſe ſtarke Be— 
wegung rührte nicht vom Winde her, denn dieſer hatte die ver— 
gangene Nacht wenig geweht und war auch dieſen Morgen faſt 
Calm; ſondern die innere Unruhe des Meeres verurſacht allein 
dieſes. Um 12 Uhr mittags wurde der ganze Horizont ſo trübe 
und ein ſtarker Nordwind erhob ſich dermalen ſo plötzlich, daß 
wir den ſtärkſten Sturm zu haben glaubten. Die Wellen türmten 
ſich zu gewiſſen Zeiten ſo hoch, daß ſolche bis auf unſer Schiff mit 
der größten Wut ſchlugen. Der Wind war dabei fürchterlich und 
hielt dieſes Wetter den ganzen Tag an. Unſere Schiffsleute 
hielten es für keinen Sturm, für uns war er aber der äußerſte, 
denn wir konnten heute Mittag weniger ruhig als jemals eſſen 
und trinken. Unſere Mahlzeit war ſehr gering, nur ein Pudding, 
aber auch den wußten wir auf keine Weiſe mit Ruhe zu genießen. 
Da er auf den Tiſch geſetzt wurde, fiel er aus der hölzernen 
Schüſſel, rollte auf dem Tiſch herum und wäre beinahe auch auf 
die Erde gefallen; allein da wir uns alle, nach unſerer Gewohn— 
heit, vorher vorteilhaft gelagert hatten, ſo waren wir geſchützt 
genug, ihn wieder aufzufangen. Ganz rein kam nun dieſer 
Pudding zwar auf den Tiſch, allein lauter kleine Stückchen waren 
es. Dies konnte auch nicht anders kommen, denn einer griff ihn, 
da er auf die Erde fallen wollte, mit der Gabel, der andere mit 
zwei oder drei Meſſern, der dritte mit Löffeln, und der vierte gar 


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mit allen zehn Fingern, mit Hitze an. Indeß freuten wir uns 
herzlich, daß wir ihn ſo weit gerettet; die Stückchen ſchmeckten uns 
eben ſo gut und keines blieb davon übrig. 


2 2. Mai. Wiederum febr unruhig geſchlafen. Das unge- 
ſtüme Wetter hatte die vergangene ganze Nacht ohne aufhören 
angehalten und auch ſo fort an dieſem Tage. Das Meer tobte 
ſchrecklich und das Getöſe war grauſam und ſchreckhaft. Ungeheure 
Wellen ſchlugen auf das Schiff und mit einer ſolchen Wut, daß 
man durch das beſtändige Krachen der Maſten faſt den Untergang 
nahe kommen müſſen glaubte. Um 11 Uhr mittags wurde der 
Sturm noch heftiger, faſt niemand konnte mehr auf dem Verdeck 
bleiben; alles Eſſen flog vom Feuer und dieſerhalben lag dieſes 
auf einmal zerſtreut umher, es waren Erbſen und Schweinefleiſch. 
Wir hatten alſo dieſen Mittag nichts, nahmen aber indeß Käſe 
und Brod, legten uns damit in unſere Betten und aßen auch dies 
wenige mit Vergnügen. Ein kleines Fäßchen mit Bier hatten wir 
am Ofen feſtgebunden und dieſer wohltätige Trank ſättigte uns 
gar vortrefflich. Gegen Abend legte ſich der Wind, aber ſehr 
wenig. | (7 


2 3. Mai. Die vorige Nacht etwas ruhiger, das ſtarke Toben 
fing aber dieſen Morgen wieder an und noch heftiger als die 
vorherigen Tage. Den ganzen Vormittag war es ſehr dunkel, 
Wind und Wellen heulten durcheinander und drohten uns einen 
höchſt traurigen Tag. In Käſe und Brod beſtand abermals unſer 
Diner. Um 2 Uhr nachmittags legte ſich das ſtürmiſche Wetter 
und wurde ziemlich heiter. Wie wohl dünkte uns dieſe ſo an— 
genehme Veränderung, und wie eifrig ſchritt man zum Kochen. 
Ein jeder holte an dieſem Abend das nach, was ſeit einigen Tagen 
ſeinem Magen verſagt werden mußte. In dieſer vergangenen 
Nacht war eine von unſeren Soldaten-Weibern ins Kindbett ge— 
kommen und mit einem ſtarken Sohne glücklich entbunden. Das 
Kind war geſund, die Mutter aber ſehr elend. 


2 4. Mai. Die Nacht ziemlich ruhig, den ganzen Tag ſehr 
gutes und angenehmes Wetter und faſt Calm. Der Wind nicht 
günſtig, wir liefen ſehr wenig. Nachmittags 3 Uhr wurde das 
Kind getauft, der Herr Oberſtlieutenant Heymell, unfer Shifts- 


dos m Lr 


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Kapitän und Herr Ego waren Gevattern. Der Herr Oberſt⸗ 
lieutenant hob es zur Taufe und wurde benannt Carl, Herrn 
Oberſtlieutenants Name; Hamilton, des Schiffs-Kapitäns, und 
Heinrich, mein Name. Die Mutter war heute ſchon wieder ziem- 
lich beſſer. 


30. Mai. So iſt denn dies ſeit fünf Tagen der erſte, wo 
ich eine Feder zu führen und ſonſt etwas wieder zu denken im 
Stande bin. Ein Sturm, ein wirklicher Sturm, der um 12 Uhr 
mittags den 25. dieſes einfiel, erlaubte mir nicht während dieſer 
ganzen Zeit das geringſte zu verrichten. Außerordentlich ſchreck— 
lich waren dieſe Tage vom 25. bis 29.. Die ſtärkſten Seeſtürme 
mit abwechſelnden Graden hatten wir unter dieſer Zeit auszuſtehen, 
und waren jene ſchon zu verſchiedenen Malen geweſenen Stürme 
mit dieſen gar nicht zu vergleichen. Die Weſtwinde wehten der⸗ 
malen, daß wir ſtündlich Gefahr liefen, unſere Maſte, ja ſelbſt 
unſer Schiff zu verlieren. Zu ſchwach iſt meine Feder, zu arm 
iſt die Sprache, als alle Gefahren nach der Empfindung be- 
ſchreiben zu können. Hier hießen die Wellen keine Hügel mehr, 
ſondern ungeheure, ja unabſehbare Berge ſchienen ſie. Welle auf 
Welle türmte ſich und wüteten gegen einander in dem fürchterlich— 
ſten Getöſe. Oftermalen bedeckten die Wellen unſer Schiff der— 
geſtalt, daß das Waſſer faſt zwei bis drei Schuh hoch auf dem 
Verdeck ſtand. Niemand durfte es wagen darauf zu gehen, ohne 
nicht in Gefahr zu ſein, von denen Wellen erſchlagen zu werden. 
Selbſt unſere Schiffsleute hatten Mühe zu ſtehen. Sie mußten, 
wenn ſie das Ruder führten, ſich mit Seilen an den Maſt binden. 
Am 28., und zwar von 5—6 Uhr abends, war unſere Gefahr am 
größten. Von allen Seiten umgaben uns die Wellen. Unſer 
Schiff ſchien in dem tiefſten Abgrunde zu liegen. Das Waſſer 
ſchoß zu Fenſtern und vom Verdeck in unſere Kajüte ſtromweiſe 
herein. Herr Oberſtlieutenant, der eben ein wenig aufgeſtanden 
war, um ſein Bett machen zu laſſen und vor der Tür ſeiner Kajütte 
ſtand, während er ſich feſt hielt, wurde in dieſer Stunde von einer 
Welle, die mit aller Macht über dieſen Platz ſchlug, ſo bedeckt, daß 
er beſtürzt und ganz durchaus naß, in unſere Kajütte kam. Eben 
dieſe nämliche Welle traf auch mich. Der Hunger hatte mich aus 
dem Bett getrieben, war alſo mit großer Mühe aus ſelbiger ge— 


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krochen und ſaß auf der Erde vor dem Schranke, mir ein Stückchen 
Käſe und Brod zu holen. Kaum hatte ich aber den Schrank ge⸗ 
öffnet, ſchlug das Waſſer zur Windofenröhre hinein und mir gerade 
auf die Beine. In dieſem Augenblick trat Herr Oberſtlieutenant 
und bald darauf der Schiffs⸗Kapitän mit nicht weniger Verzagt⸗ 
heit und Unruhe in die Kajütte. Alles war in dieſem Augenblick 
äußerſt beſtürzt, traurig ſahen wir uns einander an und erwarte⸗ 
ten ſchon ängſtlich den Augenblick, der uns zum Opfer der wilden 
Fluten zu machen drohte. Kein Schlaf kam uns dieſe ganze Zeit 
über die Augen und ruhten wir gleich ein wenig, war es doch nur 
ein ängſtlicher Schlaf, der uns mehr ſchwächte als erquickte. Zu 
verwundern ijt bei allem dieſen, daß der Kind-Betterin mit ihrem 
Kinde, ohne Angſt, Furcht und unter der beſten Geſundheit dieſe 
grauſamen Tage verſtrichen. Ewig danke ich indeß dem Höchſten 
für unſere Errettung und den glücklichen Übergang aller Fährlich— 
keiten, die uns bevorſtanden. Dieſen ganzen Tag ſehr angenehmes 
Wetter. Was für ſüße Erquickung für uns, die wir in fünf 
Tagen kaum des Tages Licht erblickt hatten. Schüchtern kroch 
alles hervor, ſchüchtern ſah ſich alles um, ob der grauſame Schau— 
platz der Natur von Furcht und Kummer auch wirklich vorüber 
ſei. Ein jeder atmete denn mit gierigen Zügen die ſanftere Luft 
und ein jeder war ſorgfältig bemüht, ſeine faſt gänzlich erſchöpften 
Lebensgeiſter ein wenig wieder zu beleben. Der Kommandeur 
auf Preſton gab dieſen Morgen gleich ein Signal, daß alle Schiff3- 
kapitäne zu ihm kommen ſollten, um zu erfahren, ob keine Unglücks⸗ 
fälle vorgefallen wären. Die Flotte war aber ſo ſtark zerſtreut, 
daß er nur von wenigen dieſe Nachricht haben konnte. Indeß 
kamen doch nach und nach die Schiffe wieder zuſammen und faſt 
alle ganz glücklich; einige hatten Maſte verloren. 


3 1. Mai. Dieſe verwichene Nacht war nun feit ſechs Tagen 
die erſte, wo wir rechte Ruhe genoſſen. Ungemein gutes und 
heiteres Wetter, aber kein guter Wind. Dieſe Witterung war 
uns auch höchſt nötig, denn noch hatten wir uns nicht erholt und 
wir Herren aus der Kajütte konnten es heute am wenigſten. Recht 
ruhig und mit großen Appetit gedachten wir dieſen Mittag zu 
. effen, allein nichts vermochten wir zu genießen. Das ganze Eſſen 
hatte den widrigſten Geruch von dem Waſſer, worinnen es gekocht 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


worden, angenommen. Mit bloßem Käſe und Brod mußten wir 
alſo Vorlieb nehmen. Dieſer Vorfall iſt nichts ſeltenes, denn das 
Waſſer überhaupt iſt elend und faſt ſtinkend und dabei ſo rar, daß 
niemand zum Waſchen des Geſichts oder der Hände etwas nehmen 
darf, ſondern des Seewaſſers, ungeachtet ſolches nicht die geringſte 
Unreinigkeit abnimmt, ſich nur zu bedienen hat. Kaffee und 
Tee wird bei mittelmäßigem Geruch mit Appetit getrunken. 


1. Juni 1776. Die vergangene Nacht ganz ruhig, ſehr 
gut geſchlafen. Morgens früh trübe und neblig, faſt calm und 
kein guter Wind. Um 9 Uhr morgens wieder überaus hell und 
das Wetter vortrefflich. Um 6 Uhr abends ſtieg ein ſtarker 
Nebel auf und hielt ſo fort an. Der Wind wehte etwas ſtark. 
Man erfuhr dieſen Morgen, daß das Schiff Mallaga, auf welchem 
Kapitän Waldenberger mit einer Kompagnie vom Leibregiment 
ſich befand, bei dem letzten Sturm von der Flotte abgekommen ſei 
und noch nicht erfahren könne, wo er wäre. 


2. Jun i. Die Nacht ruhig, gut geſchlafen, ganz geſund, 
ſehr ſchönes Wetter, aber ſchrecklich heiß, kein Wind, ſondern calm. 
Wir liefen alſo wenig. Wir erhielten heute von unſerem Schiffs— 
Kapitän 45 Bouteillen Bort-Bier, teilten aber dieſe nicht unter 
uns, man übergab ſie nur alleſamt, und ein jeder hatte die Frei⸗ 
heit nach Belieben viel oder wenig zu trinken, je nachdem eines 
jeden Geldbeutel es geſtattete. 

3. Juni. Die Nacht ſehr ruhig, recht gut geſchlafen, den 
ganzen Tag eine heftige Hitze, kein Wind und calm. Wir liefen 
faſt gar nicht. 


4. Juni. Der heutige Tag nicht jo gut als die zwei vorigen; 
zwar heiter, aber kalte Luft, das Meer etwas unruhig, doch war 
die Bewegung des Schiffes nicht gar groß, wir konnten ruhig 
eſſen und trinken. Gegenwind. Vormittags 10 Uhr fuhr Herr 
Generallieutenant Heiſter zum Kommandeur auf Preſton, den 
Geburtstag des Königs von England mitfeiern zu helfen, weshalb 
dann auch um die Mitagszeit von den Kriegs- und verſchiedenen 
Transport⸗Schiffen ſtark gefeuert wurde. 


5. Juni. Das Meer ruhig, der Wind nicht ſtark und con— 
trair, faſt den ganzen Tag regnete es, ſonſt nichts neues. 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


6. Jun i. Den Vormittag trübe und nebelig, kalte Luft und 
noch contrair Wind; den Mittag klares und heiteres Wetter. Wir 
liefen aber wenig, kaum zwei engliſche Meilen in einer Stunde. 
Ein franzöſiſches Schiff, das nach Amerika zu fahren willens war, 
wurde heute angehalten und mußte bei der Flotte bleiben. Nach⸗ 
mittags beſuchten uns Kapitän Benator und Lieutenant v. Nagell, 
Sr., um Zucker und ſonſtige Lebensmittel von unſerem Schiffs⸗ 
Kapitän einzukaufen, denn ſie hatten ſchon ſeit langer Zeit nichts 
als ihre Schiffs-Proviſion gehabt. 


7. Juni. Das Wetter den ganzen Tag trübe und mit ab- 
wechſelnden Sonnenſchein und Regen; kein guter Wind, wir liefen 
wenig. | 


8. Jun i. Das Wetter ziemlich klar, falte Luft; der Wind 
noch immer contrair; ſonſt ruhig, wir liefen wenig. 


9. Juni. Vortreffliches Wetter, ſehr heiß, kein Wind und 
calm. 


10. Juni. Ziemlich gutes Wetter, der Wind etwas beſſer 
und ſtärker, liefen ebenmäßig. 


1 1. Juni. Stürmiſches Wetter, das Meer ſehr unruhig und 
regnete bis abends, der Wind contrair. Unſer Mittagseſſen 
wurde in vieler Unruhe genoſſen. Wir hatten Glöſe, gemacht 
von Mehl, zerſtoßenem Schiffs-Zwieback, ein bischen Rinderfett 
und Waſſer eingerührt; ſchmeckten gut. Eine große hölzerne 
Schüſſel war gut gehäuft, und weil wir vor der Bewegung des 
Schiffes keine Teller nehmen durften, aßen wir alle aus dieſer 
einzigen Schüſſel, die von einigen feſtgehalten wurde. 


12. Juni. Das nämliche Wetter wie geſtern, wir konnten 
folglich wieder nicht ruhig eſſen, waren indeß geſund und fehlte 
uns gottlob nichts. Käſe, Brod, Bier, alles uns vortrefflich. 


13. Juni. Das ſtürmiſche Wetter hatte jid) zum Teil ge- 
legt und war wieder ziemlich gut, der Wind etwas beſſer. Nach— 
mittags 4 Uhr ſahen wir eine Menge großer Fiſche von ungefähr 
12 Fuß lang, deren Namen aber niemand anzugeben wußte. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


14. Juni. Nach Ausſage der Herren ſoll in dieſer ver— 
gangenen Nacht unſer Schiff viele und ſtarke Bewegungen gemacht 
haben. Ich aber für mein Teil wußte bei meinem Erwachen 
nichts davon. Den Tag über gutes Wetter und calm, gleichwohl 
aber tanzte unſer Schiff nicht wenig. Eine ſolche Bewegung iſt 
öftermalen, wenngleich das Meer auf der Oberfläche ruhig iſt, 
die innere Unruhe aber desſelben verurſacht die Bewegungen. 
Wir erfuhren heute die üble Nachricht, daß der Graf von der 
Lippe, Kapitän, und Lieutenant Kleinſchmitt, beide vom Leib— 
Regiment, am 6. dieſes auf dem Schiffe duelliert hätten, der Graf 
ſo ſtark verwundet, daß er alsbald nach zwei Tagen an ſeiner 
Wunde geſtorben ſei. Lieutenant Kleinſchmitt wäre auf das 
Schiff des Oberſt v. Wormb als Arreſtant gebracht. | 


15. Juni. Die Nacht ganz ruhig, das Wetter veränderlich, 
bald Regen, bald Sonnenſchein, bald viel, bald wenig Wind und 
ſehr kalt. Mittags etwas beſtändiger und beſſer, der Wind mehr 
vorteilhafter; wir liefen ſtundenweiſe drei bis vier Meilen. Gegen 
Abend ließ ſich ein Fiſch von ungeheurer Größe ſehen, und nach 
des Schiffs⸗Kapitäns Meinung wohl 800 Pfund an Gewicht. 


16. Juni. Das Wetter ziemlich hell, aber fo kalt wie im 
Oktober. Wir liefen wie geſtern. Unſer Mittagseſſen genoſſen 
wir in vieler Ruhe. Wir hatten eine gute Suppe von einem fetten 
Huhn, deren zwölf Herr Oberſtlieutenant auf Schiff gebracht 
hatte, ferner Scheinefleiſch, Pudding und Käſe, ſchmeckte gut. 


17. Juni. Ungemein ſchönes Wetter, ſehr heiß, ganz wind— 
ſtill und calm. Nachmittags hatten wir Beſuch. Herr Major 
Hinte, Kapitän Steding vom Regiment v. Losberg, Herr Stabs— 
Prediger Heller und zwei Schiffs-Kapitäne. Angenehmer Tag. 
Wir vergnügten uns beim Punſch, tranken etwas viel und eine 
ganz unſchuldige Lebhaftigkeit herrſchte in uns, um 7 Ulbr abends 
ging die Geſellſchaft wieder ab. 


18. Juni. Unvergleichliches Wetter. Wir liefen ſtunden— 
weiſe drei engliſche Meilen. Heute war eich eben nicht gar wohl, 
vielleicht der geſtrige Tag. Indeß konnte ich doch noch recht viel 
eſſen — wir hatten Glöſe. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


19. Juni. Gutes Wetter, ſehr heiß, der Wind ziemlich, 
und liefen drei Meilen eine jede Stunde. Ich befand mich heute 
wieder vortrefflich. j 


20. Sunt. Vormittags ziemlich hell und gutes Wetter. 
Nachmittags iſt nebelig, daß man faſt kein Schiff ſehen konnte. 
Wir liefen noch ebenſo geſchwind wie geſtern. 


2 1. Jun i. Der feit geſtern Nachmittag eingefallene Nebel 
hielt heute den ganzen Tag an und war derſelbe ſo dick, daß man 
kein Schiff zu ſehen vermochte. Unſer Schiffs-Kapitän mar diejer- 
wegen höchſt verlegen und um jo mehr, da er den Kanonen-Schuß, 
welchen der Kommandeur, zur Nachricht und ſicheren Fahrt, jede 
Stunde tun ließ, nicht mehr hörte, glaubte alſo ſehr entfernt von 
der Flotte zu fein. Wie ſegelten indeß immer fort und hatten 
das Glück, abends 5 Uhr, wo es etwas hell zu werden anfing, in 
der Gegend von des Kommandeurs Schiff zu ſein und um 7 
Uhr abends ſah man auch einige andere Schiffe. Spät am Abend 
fing es heftig an zu regnen und der Nebel fiel plötzlich wieder ein. 
Abends 9 Uhr tranken wir einen herrlichen Punſch. 


2 2. Juni. Der feit zwei Tagen anhaltende Nebel legte fid) 
allererſt dieſen Abend 5 Uhr völlig, das Wetter wurde nach einem 
von vergangener Nacht bis heute vormittags 10 Uhr fortbauern- 
den Regen ziemlich klar, aber ſo kalt, daß man einen warmen 
Ofen nicht ungern geſehen hätte. Unſere Flotte war nach dem 
Nebel ſehr gering, ſie hatte ſich ganz zerſtreut und nur hin und 
wieder ſah man ein Schiff. Der Kommandeur ließ oft feuern, 
damit die noch gar weit entfernten hören möchten, in was für einer 
Gegend ſie wären. Unſer Schiff war eines mit von den erſten 
beim Kommando, die übrigen ſuchten aber nicht weniger eiligſt 
heran zu fahren. Heute lozte unfer Schiffs-Rapitän und fand 
mit 70 Faden Grund. Wir merkten alſo, daß wir uns auf der 
ſogenannten Sable-Banf befanden. Es ließen ſich auch allerhand 
Arten Fiſche und Vögel in großer Menge ſehen. Wir ſahen 
Fiſche, deren Größe uns aufmerkſam machte. Die Schiffsleute 
nannten fie Fin-Fiſche und ſchätzten ſolche auf 7—800 Pfund, 
aber nicht eßbar. | 


set AS ca 


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23. Jun i. Den ganzen Tag febr nebelig und kalt, am 
Abend wurde ſolcher ſo ſtark, daß kein Schiff von den andern zu 
ſehen war. Unſer Schiffs⸗Kapitän warf Angeln und fing drei 
Fiſche, jeder ungefähr von 15—18 Pfund. Man nannte dieſe 
Kabbeljaus oder Labretaus. Wir aßen dieſen Abend einen davon 
mit einer Sauce von Waſſer, Butter und ein wenig Mehl da— 
zwiſchen, ſchmeckten recht gut. 


2 4. Juni. Der Nebel hielt den ganzen Tag an und ebenſo 
ſtark als geſtern; keine Schiffe konnte man ſehen, nut entfernt war 
das Geläute einiger Schiffe zu hören. Der Nebel fiel zwar ſtark 
herunter, allein gleichwohl nahm derſelbe kein Ende. Das Meer 
war indeß ruhig und faſt calm. Wir machten heute wiederum 
einen Verſuch, Fiſche zu fangen, konnten aber keinen Grund 
finden. Mittags, da wir eben am Tiſche ſaßen, kam jemand mit 
lauter Stimme in unſere Kajütte und rief, was für Fiſche! Eſſen 
und alles verließen wir und liefen ſchnell aufs Verdeck. Eine 
unzählbare Menge Fiſche hatten unſer ganzes Schiff umgeben und 
ſo weit man nur ſehen konnte, erblickte man deren heerenweiſe 
wieder einander ziehen. Wie ſie hießen, konnten wir nicht er— 
fahren, ſie waren aber groß und faſt drei Ellen lang. Überhaupt 
iſt die Mannigfaltigkeit von Seetieren nicht genug zu bewundern. 

Die allerkleinſte Gattung zeigt die Größe des Schöpfers. 


25. Juni. Vortrefflich heiter und klares Wetter, ganz 
windſtill und calm. Wir waren nicht mehr auf der Sable-Bank. 


2 6. Jun i. Saft den ganzen Tag gutes Wetter, der Himmel 
ſehr heiter, kein Wind und faſt calm. Abends 5 Uhr fiel wieder 
ein Nebel ein, doch war derſelbe nicht ſtark und anhaltend. Abends 
ſpät wieder klares Wetter. Unſer Schiffs-Kapitän verkaufte uns 
heute 48 Bout. Port-Bier zu 8 Pfennig die Bout. 


27. Juni. Ziemlich Wetter, zwar etwas windig, doch eben 
nicht unruhig. . Wind, Meer und ſonſt alles war, bis auf uns in 
der Kajütte, ruhig — auch kein Wunder. Wir hofften den Mittag 
gut und bei rechter Zeit zu eſſen, allein unſere Erwartung betrog 
uns. 12 Uhr war vorbei und noch kein Eſſen, wußten auch nicht, 
daß gar keines kommen würde. Endlich, da uns die Zeit zu lange 
dünkte, gingen wir hin und befehligten die Herren der Küche, uns 


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das Eſſen zu bringen. Aber was für Nachrichten hier? Nur 
ein Stückchen Schweinefleiſch war im Seewaſſer abgekocht, das 
übrige vergeſſen. Was nun? Der eine gab dieſen Rat, der andere 
jenen, der dritte ſeufzte und die übrigen ſchimpften. Kurz, man 
beſchloß Buchweizen⸗Grütze zu Feuer zu bringen. Dieſe wurde 
alſo gekocht, und zwar etwas viel dick und äußerſt geſchwind. Buch⸗ 
weizen-Grüße und Schweinefleiſch war dann unſer Mittagseſſen. 
Dieſer Streich wird uns nicht ſelten geſpielt und ſind insbeſonders 
ſeit einiger Zeit unſere Diner mit Schwierigkeiten verknüpft ge— 
weſen. Unſer Koch, der Capt. d'armes Wehrmann vom Herrn 
Oberſtlieutenant, war krank geweſen und konnte ſeinem Amt nicht 
recht vorſtehen. Man gab alfo unſere Schiffskoſt bald dem Schiffs 
Koch, bald meinem Kerle und bald wieder dem Cap. d'armes oder 
an deſſen Frau. Hierdurch entſtanden nun oft viele Irrtümer. 
Und ich, zwar als Gehieter des Kochweſens, vergaß nicht weniger 
öftermalen mich zu befragen, ob, was und wer kochen könnte, aber 
hierunter mußten wir heute leiden. Man erfuhr, daß verſchiedene 
Schiffe, unter welchen des Herrn Oberſt Blocks, bei dem letzten 
Nebel die Flotte verloren hätten. 


2 8. Jun i. Dieſen Morgen 4 Uhr ſtieg Herr Pfarrer Cöſter 
und ich auf, gingen aufs Verdeck und ſahen die Pracht der eben 
aufgehenden Sonne. Den ganzen Tag vortreffliches Wetter, 
warm, windſtill und calm. Abends 5 Uhr wehte ein günſtiger 
Wind und wir liefen ſtundenweiſe 5 engliſche Meilen. Dieſen 
Mittag waren wir Gäſte von unſerem Schiffs-Kapitän. Wir 
hatten eine Paſtete vom friſchen Schweinefleiſch, das er von einem 
ſeiner Freunde geſtern zum Geſchenk bekommen und ſelbiges ſelbſt 
zubereitete, als nämlich: Er machte einen Teig (das Mehl mit 
Waſſer und Brandwein eingerührt), brachte ſolchen in die Form 
eines Kuchens. Der Teig wurde ſodann zu großen Scheiben ge— 
ſchnitten und ein Teil davon unten in die Kaſtrole gelegt, hierauf 
das Schweinefleiſch und etwas Rindfleiſch, beides in kleine Stück— 
chen zerlegt; wieder etwas von dem Teig und ſo fort. Hiernächſt 
eine Sauce, die von Mehl, Butter und Waſſer und viel Gewürz 
zuſammen gekocht und alsdann zuſammen gegeſſen; ſchmeckte gut. 
Der heutige Tag wurde faſt unter beſtändigem Eſſen und Trinken 
zugebracht. Während wir den Kaffee tranken, ging der Schiffs— 


TN T 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Kapitän aufs Verdeck und weil eben einer von ſeinen Freunden 
nahe bei uns vorbei ſegelte, rief er dieſem durch ein Sprachrohr 
zu, daß er friſches Schweinefleiſch habe, und wenn ihn hungerte, 
möchte er kommen. Dieſer kam unverzüglich, trank noch Kaffee 
mit uns und hiernächſt wurde Punſch gemacht, das friſche Fleiſch 
am Feuer gebraten und alles aß wieder mit gutem Appetit der⸗ 
malen, daß man faſt übel davon wurde. 


29. Juni. Ziemlich gutes Wetter, der Wind aber nicht 
mehr recht günſtig; indeß liefen wir 3 Meilen. Abends ſpät 
wurde das Meer etwas unruhig und ein ſchwacher Nebel fiel ein. 
Die Bewegungen des Schiffes fingen auch ungemein an und ver— 
mnteten wir nun eine unruhige Nacht. 


Sonntag, 30. Juni. Ungeachtet das geſtrige ſtürmiſche 
Wetter die vergangene Nacht ſo fort angehalten und das Schiff 
ſtarke Bewegungen gemacht hatte, war gleichwohl die Nacht für 
mich ganz ruhig geweſen. Die übrigen Herren verſicherten aber, 
daß ſie eine geringe Ruhe nur genießen konnten. Wind und Meer 
noch etwas unruhig, indeß konnten wir nachmittags ungeſtört 
unſeren Gottesdienſt halten. Am Abend liefen wir ſchneller und 
bald 5—6—7 Meilen in jeder Stunde. 


Montag, 1. Juli 1776. In dieſer vergangenen Nacht 
hatte unſer Schiff ſo viel und große Bewegungen gemacht, daß 
wir alle davon erwacht waren. Dieſes Hin- und Herwiegeln 
rührte aber nur blos daher, weil wir um Mitternacht einen recht 
guten Oſtwind bekommen hatten und unſer Schiff zu weit von 
der Flotte war, ſo mußten wir einige Segel einziehen und faſt 
auf einem Fleck halten, bis die übrigen uns gleichkamen. Wind 
und Wetter ſehr gut, wir liefen alle Stunde ſechs Meilen. 


Dienstag, 2. Juli. Die vergangene Nacht ganz ruhig. 
Von dieſem Morgen bis nachmittags 3 Uhr das beſte Wetter, hier— 
nächſt fiel ein ſtarker Nebel ein und kein Schiff war vor ſelbigem 
zu ſehen. Der Wind noch vorteilhaft, weil aber derſelbe matt, 
liefen wir nicht gar viel, 2 Meilen ſtundenweiſe. 


Mittwoch, 3. Juli. Der Wind noch gut, der Nebel hielt 
ſo fort den ganzen Tag an und kein Schiff war zu ſehen. Wir fuhren 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


indeß ſo glücklich, daß wir immer in einer nicht ſo gar weiten 
Entfernung vom Kommando waren und faſt jede Stunde den 
Kanonenſchuß hören konnten. Abends 6 Uhr war aller Nebel 
vorüber und ganz hell, abends 10 Uhr aber der vorige Nebel. 
Nachmittags 4 Uhr nahm die Flotte eine andere Richtung, man 
glaubte den Küſten von Halifax zu nahe zu kommen und gingen 
alſo tiefer in See. 


Donnerstag, 4. Juli. Wind und Meer ziemlich ruhig 
und faſt calm, aber viel Nebel unter abwechſelndem Sonnenſchein 
und dauerte dieſe Witterung den ganzen Tag. Der Nebel fiel zwar 
häufig herunter, allein derſelbe nahm kein Ende. 


Freitag, 5. Jul i. Wind und Meer ziemlich, der Nebel 
bis nachmitags 3 Uhr und wurde hiernächſt das Wetter ganz heiter, 
hielt auch an. Wir liefen ziemlich, allein ſtatt vorwärts waren 
wir einige 30 Meilen an gekommen. Abends 9 Uhr 
blitzte es. 


Sonnabend, 6. Juli. Vormittags regnete es, der Nebel 
ganz gering, das Meer unruhig, der Wind ziemlich und liefen gut. 
Um Mittag das beſte Wetter, überall klare und heitere Luft. 
Was für Freude heute? Nachmittags ſollten wir Land ſehen. Alles 
war voller Erwartung, ein jeder ſah ſich ſehnſuchtsvoll darnach um 
und glaubten in einem jedweden entfernt aufſteigenden und ſich 
zuſammen ziehenden Nebel Land zu erblicken. Unſere Einbildungs⸗ 
kraft wurde um ſo viel ſtärker, da faſt von allen Schiffen, und ſelbſt 
von unſerem, die Matroſen auf den Maſten ſaßen und ebenfalls 
Land zu finden hofften; allein vergebens! Abend war es ſchon 
und noch kein Land! Der Nebel hatte uns alſo alle betrogen und 
plötzlich war alle Freude verloren. Nun aber morgen, ſagten die 
Soldaten, werden wir doch gewiß Land ſehen. Ich wünſchte dies 
mit ihnen, nicht aber in Rückſicht meiner allein, ſondern noch mehr 
in Anbetracht der Soldaten, die vor Krätze und Ausſchlag ſich bei- 
nahe nicht mehr recht zu bewegen wußten. 


Sonntag, 7. Juli. Die geſtrige Vermutung war nicht 
falſch. Wir ſahen Land. Ich war der erſte, der es erblickte. Früh 
vor Tagesanbruch kam einer von unſeren Matroſen in die Kajütte, 
weckte mich und flüſterte mir dieſe Nachricht zu. Ich eilte ſogleich 


— (; BEE 


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aufs Verdeck, ſah mich um, konnte aber noch nichts wahrnehmen. 
Indeß nicht lange hernach entdeckte ich, obgleich nicht viel und 
deutlich, etwas vom Lande. Nach dem Aufgang der Sonne 154 
Uhr zeigte ſich ſolches ſchon merklicher und nun gab ich allen Nach— 
richt davon. Alles lief ſodann zuſammen und aufs Verdeck. Wir 
näherten uns immer mehr dem Lande. Es waren die Küſten 
von Amerika, welche bei dem erſten Anblick wie Wolken das Mn- 
ſehen hatten und gleichſam wie eine weitläufig vor uns ausge— 
dehnte Ebene ſchienen. Um 12 Uhr mittags konnten wir dieſe 
Küſten ſehr unterſcheiden und erkennen, auch den Turm ſehen, 
welcher von Halifax 18 engliſche Meilen entfernt. Dieſer Turm 
iſt ſehr hoch und auf einem Felſen gebaut. Es dient derſelbe den 
Schiffen zur Nachricht, damit ſolche der Küſte, welche rechts und 
links mit Felſen beſetzt, nicht zu nahe kommen und um die Ein— 
fahrt in den Hafen von Halifax zu begünſtigen. Wir ſegelten 
rechts, welches der Weg nach Halifax mar, ſahen hier einige Kriegs- 
ſchiffe halten, und welche unſer erwarteten. Wir hielten es nun 
für gewiß ans Land geſetzt zu werden und alle Zurüſtungen von 
Seiten der Soldaten mußten gemacht werden. Der Oberftlieute- 
nant dachte, die Rebbels würden uns gleich töten, er glaubte, daß 
ſchon heute une grande Schlacht geliefert würde. Allein, ungefähr 
4—5 Meilen von Halifax gab der Admiral ein Signal, daß alle 
Schiffs⸗Kapitäne zu ihm kommen ſollten; hier wurde ihnen De- 
kannt gemacht, daß unſer Beſtimmungsort nicht Halifax, ſondern 
Rhode Island ſei, noch 500 Meilen weiter. Die Schiffe, deren 
18 an der Zahl, welche vor acht Tagen im Nebel von der Flotte 
abgekommen, hatten ſich zwei Tage in dem Hafen zu Halifax auf— 
gehalten und vereinigten ſich wieder mit uns, ausgenommen Sur— 
price befand fid) nicht dabei, wußte auch niemand von dieſem. 
Malaga hatte ein kleines amerikaniſches Schiff gefangen ge— 
nommen und ſtieß ebenfalls hier zu uns. Nun wollten wir nach 
beſagter Inſel abſegeln, allein auch dies wurde abgeändert. Nach— 
mittags 3 Uhr kam eine Fregatte, brachte dem Admiral Order 
und plötzlich wurden alle Schiffs-Kapitäne wieder befehligt an 
Board des Admirals zu kommen. Es betraf eine abermalige 
Abänderung unſerer Fahrt und New Pork ſollte nun der Ort 
unſerer Beſtimmung ſein. Alle unſere Freude verwandelte ſich 


Il AS = 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


alſo bald in Leid und traurig ſegelten wir ab. Den ganzen Tag 
ſchönes Wetter und calm 


Montag, 8. Juli. Kein guter Wind, wir liefen wenig, 
zu öfteren Zeiten neblig, ſonſt nichts Neues. 


Dienstag, 9. Juli. Den ganzen Tag vortreffliches 
Wetter, wenig Wind und faſt calm. Das Feuerſchiff Strumbela 
ſtieß nachmittags auf ein Transportſchiff, daß dieſe zwei Schiffe 
über eine halbe Stunde aneinander hingen und ein großer Auf— 
ruhr entſtand dadurch. Strumbela hatte die Backsſprüt verloren, 
ſonſt weiter keinen Schaden. 


Mittwoch, 10. Juli. Dunkles Wetter. Nachmittags 
5 Uhr wurde Wind und Meer ſehr unruhig. Der Kajütten⸗Junge 
kam alsbald zu uns und kündigte uns an, alles wohl feſt zu 
machen. Wir ſollten alſo dem Anſchein nach wieder Sturm haben; 
indeß ging das tobende Wetter vorüber, und 8 Uhr abends wurde 
alles ganz ruhig und faſt calm. Wir liefen wenig. 


Donnerstag, 11. Juli. Das Wetter ſehr trübe, un⸗ 
gemein nebelig. 4 Uhr nachmittags wurde es ganz klar, allein 
kaum eine Stunde hernach umzog ein ſtarker Nebel das ganze 
Meer und kein Schiff war zu ſehen. Der Wind ruhig und calm. 
Abends 9 Uhr hatten wir einen Auftritt der Natur, den wir auf 
der See noch nicht gehabt. Ein heftiges und fürchterliches Donner— 
wetter fiel ein. Das Krachen der Donner war mit ſo ſchrecklichen 
Blitzen begleitet, daß Feuer, Waſſer und Schiffe nur ein einziger 
Gegenſtand zu ſein ſchienen. Der Regenguß wie ein Platz⸗Regen. 
Dieſes Wetter dauerte unaufhörlich und in den ſtärkſten Graden 
bis nachts 1 Uhr; ein Schiff hatte einen Maſt verloren. Unſere 
Schiffsleute verſicherten uns, daß ſie ſich nicht erinnerten, je ein 
ſolches Wetter erlebt zu haben. Heute fing man an, mäßiger mit 
dem Bier umzugehen; ſtatt wir ſonſt täglich 20 Bout. tranken, 
hatten wir deren 9 Bout. Wir ſchränkten uns um deswillen 
ein wenig ein, um dieſen wohltätigen Trank noch länger beibe— 
halten zu können. Die Soldaten hatten ſchon ſeit drei Wochen 
dieſen entbehren und blos Waſſer mit Rum vermiſcht trinken 
miijfen. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Freitag, 12. Juli. Wind und Meer höchſt unruhig, 
ſonſt helles Wetter und keine Wolke am Himmel. 


Sonnabend, 13. Juli. Wind und Meer hatten ſich 
in der vergangenen Nacht gelegt und war der ganze Tag ziem⸗ 
lich hell und ruhig. 


Sonntag, 14. Juli. Alles ganz ſtill und ruhig, aber 
überall dunkel und nebelig. Nachmittags regnete es, doch nicht 
lange. Um 4 Uhr nachmittags etwas hell und calm. Um 6 Uhr 
abends fiel ein ſtarker Nebel wieder ein und hielt an. Sehr heiß, 
es donnerte und blitzte, doch ſehr entfernt und wenig. Abends 
ſpät regnete es ſehr. 6 Uhr abends entſtand ein großer Aufruhr 
auf unſerem Schiffe. Ein Transportſchiff kam dem unſerigen 
ſehr nahe, daß von beiden Seiten alle möglichen Anſtaltungen 
gemacht wurden, um wenigſtens nicht ſo gar hart aneinander zu 
ſtoßen. Unverhofft aber nahmen beide Schiffe eine ſo glückliche 
Wendung, daß keines das andere berührte. Es fehlte indeß ſehr 
wenig, ſo hätte unſere Kajütte großen Schaden gelitten, denn 
gerade hinter derſelben war jenes Schiff und deſſen Bad-Sprit 
reichte ſchon beinahe bis dicht in die Fenſter. Dieſes wieder ein- 
ander Stoßen der Schiffe iſt beim Calm und Nebel nichts Seltenes, 
faſt täglich hängen deren zuſammen. Des Herrn Major Hinters 
Schiff hatte unter andern hierdurch vielen Schaden gelitten, auch 
an dem Untergang desſelben wenig gefehlt. Es geſchah dieſes 
in Portsmouth, da wir hierſelbſt vor Anker lagen, wo ein Feuer— 
ſchiff vom Anker losgeriſſen war und mit aller Macht auf jenes 
ſtieß und ſolcher Geſtalt, daß alle Seile vom Vorderteil des 
Schiffes verriſſen und das Schiff ſelbſt hin und wieder große 
Löcher bekommen hatte. 


Montag, 15. Juli. Der Wind nicht ſtark, die See aber 
hoch und die Bewegung des Schiffes etwas groß. Wir liefen wenig. 


Dienstag, 16. Juli. Das Wetter vortrefflich. Wind 
und Meer ruhig und faſt calm. Herr Pfarrer Cöſter, unſer 
Schiffs⸗Kapitän und ich fuhren dieſen Morgen 10 Uhr auf das 
Schiff Hope zu Herrn Major. Wir trafen alles wohl und ber- 
gnügt an. Nach dem Eſſen wurde ein Kind getauft; ein von Herrn 


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Deutfh-Amerifanifde Geſchichtsblätter 


Majors Soldaten-Weibern war mit einem Sohn niedergefommen. 
Hiernächſt tranken wir den Kaffee und ſodann Punſch und abends 
6 Uhr gingen wir wieder ab. 


Mittwoch, 17. Juli. Den ganzen Tag ungemein 
ſchönes Wetter, der Wind ſchlecht und liefen wenig. 


Donnerstag, 18. Juli. Unvergleichliches Wetter, kein 
Wind, calm und ſehr heiß. Nachmittags fing unſer Schiff⸗Kapitän 
an einer ſtarken Angel, woran wenigſtens 14 Pfund Schweine⸗ 
fleiſch befeſtigt, einen Fiſch von ungefähr 50 Pfund. Die Eng- 
länder nennen ihn Tzerck (Shark) und er ſchmeckte ziemlich. 


Freitag, 19. Juli. Wind und Meer tobten ganz ſchreck— 
lich und fehlte nicht viel an einem kompleten Sturm. Die Waſſer⸗ 
wogen türmten ſich wieder ſo ſehr, daß es gleichſam ſchien als 
fuhr das Schiff zwiſchen die erhabenſten Klippen deren Einſturz 
ſtündlich zu befüchten. Unſer Mittagseſſen wurde, wie im Sturm 
gewöhnlich, mit allen Schwierigkeiten genoſſen. Abends 8 Uhr 
legte ſich der Sturm. Um dieſe Zeit hatten wir ein prächtigen 
Schauplatz vor uns, allenthalben ſah man die Natur wirken. Auf 
einer Seite erblickte man einen ſchönen klaren Himmel mit deſſen 
Geſtirnen und des Mondes erſtes Viertel, auf der andern Seite 
zeigte ſich ein maleriſch bewölkter Horizont, der durch außerordent— 
lich ſtarke Blitze erleuchtet wurde, und endlich die zuvor ſich tür— 
menden Wellen ſich nach und nach beſänftigen. 


Sonnabend, 20. Juli. Sehr gutes und warmes Wetter. 
Wind und Meer ganz ruhig, liefen wenig. 


Sonntag, 21. Juli. Gang ungemein gutes Wetter, 
aber auch ganz unerträglich heiß. Der Wind vortrefflich, wir 
liefen 4—5 Meilen jede Stunde. Der heutige Abend war aus- 
nehmend angenehm und bis 11 Uhr blieben wir auf dem Verdeck. 


Dienstag, 23. Juli. Schönes Wetter, ſehr heiß, der 
Wind zwar gut aber matt. Abends 9 Uhr ließen ſich amerikaniſche 
Kapers ſehen. Der Admiral ließ allen Schiffen davon Nachricht 
geben und mit dem Bedeuten ſich ſo viel möglichſt zuſammen zu 
halten. Die Fregatten mußten alsbald umher kreuzen und weit 
vorlaufen. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Mittwoch, 24. Juli. In der verwichenen Nacht ein 
ſtarkes Gewitter; es nahm ſeinen Anfang von zwei und dauerte 
bis morgens 154 Uhr. Nach dem Gewitter regnete es ſehr heftig 
und bis 9 Uhr morgens. Die Gewitter zogen faſt den ganzen 
Tag um Horizont, es war ſo heiß, daß man kaum auf dem Verdeck 
ſein konnte. Der Schiffs-Kapitän fing dieſen Morgen einen 
Delphin von 5—6 Centner. Dieſer hatte ſehr viele Junge bei fid), 
verſchiedene davon waren von einer merkwürdigen Gattung. 
Z. B. ein fliegender Fiſch, der wie ein ordinärer die Geſtalt hatte, 
aber mit Flügeln verſehen, welche einem Sonnen-Fächer ähnlich 
und an jeder Seite längſt des Kopfes dicht anlagen; andere waren 
klein und ganz ſchmahl, deren Mäuler wie Schnepfen-Schnäbel aus- 
ſahen. Wiederum eine Art Fiſche ſahen wir geſtern Abend, einer 
von dieſen kam auf das Schiff geflogen und einem Soldaten 
gerade auf den Kopf. 


Donnerstag, 25. Juli. Eine außerordentliche Hitze, 
wir liefen wenig. Abends blitzte es. 


Freitag, 26. Juli. Früh morgens donnerte und regnete 
es. Um 9 Uhr morgens wieder gutes Wetter, den ganzen Tag 
ſchrecklich heiß. Wir liefen jede Stunde 2—21% Meilen. 


Sonnabend, 27. Juli. Den ganzen Tag gutes Wetter. 
Die Hitze unerträglich, kein Wind und calm. Unſer Schiffs— 
Kapitän ging mittags auf ein anderes Schiff, bet deffen Mb- 
weſenheit ſich der Steuermann und verſchiedene Matroſen ſehr 
bezecht. Einer von dieſen Matroſen war ſo voll, daß er ſich einige 
Male ins Meer ſtürzte, indeß immer mit Hilfe eines Strickes 
wieder heraufgezogen wurde. 


Sonntag, 28. Juli. Schrecklich heiß, der Wind ziemlich 
gut, durften aber nicht laufen bis abends 7 Uhr. Dieſes Schickſal, 
bei dem vorteilhaften Winde nicht laufen zu dürfen, haben wir 
ſchon ſeit einigen Wochen gehabt. Die Urſache hiervon iſt un- 
erforſchlich. Bald vermutet man, alles ſei ſchon von den Rebellen 
beſetzt und alle Eingänge zu den Seehäfen verſperrt; bald glaubte 
man für gewiß, daß der Kommandeur unſerer Flotte ein gewiſſes 
Verſtändnis mit dem Feind hätte und um deswillen unſere Fahrt 


— 52 — 


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verzögerte. Alles iſt deswegen aufgebracht und argwöhniſch — 
videbimus. Nachmittags 2 Uhr fuhr ich mit dem Schiffs⸗Kapitän 
auf das Schiff Unanimity, auf welchem der Streit zwiſchen dem 
Grafen von der Lippe und dem Lieutenant Kleinſchmith geweſen 
war. Auf dieſem Schiffe befanden ſich Lieut. Bode, Lieut. Ernſt 
und Fähnrich Germer, ſämtlich vom Leib-Regiment. Dieſe Herren 
erzählten mir, daß die Urſache des Streites nur des Grafens 
Hund geweſen ſei; der Lieutenant Kleinſchmith hätte, da er auf 
dem Verdeck umher gegangen, dieſen aus Verſehen getreten, daß 
er davon zu heulen angefangen. Der Graf, der dieſes in der 
Kajütte gehört, wäre alsbald aufs Verdeck gelaufen und hätte 
ſich befragt, was mit ſeinem Hunde vorgegangen und wer ſolchen 
ſo ſchändlich behandelt hätte. Der Lieutenant Kleinſchmith habe 
dem Grafen mit aller Beſcheidenheit erzählt, daß er unverſehens 
den Hund geſtoßen und ihm weiter nichts geſchehen ſei. Allein 
der Graf wäre ſogleich in die Kajütte gelaufen, heimlich ſeine 
Piſtolen geholt und dem Kleinſchmith ſo ſehr zugeſetzt, daß dieſer 
nicht anders hätte können, als ſich zu ſchießen. Die Herren in der Ka⸗ 
jütte hätten aber von allem dieſen nichts eher erfahren, als bis der 
Graf herunter gekommen und zu ſie geſagt, er ſei verwundet. Er 
habe noch 27 Stunden gelebt und vor ſeinem Abſterben denen ſämt— 
lichen Herren ſchriftlich zurückgelaſſen, daß niemand etwas zur 
Laſt kommen könne und insbeſondere bezeuge er, daß die übrigen 
in der Kajütte nichts von dieſer Affäre zuvor gewußt. Die Be- 
kehrung des Grafen hat man für ſehr aufrichtig und ernſtlich ge— 
halten. Und weil er bis zur letzten Stunde ſeines Abſterbens 
noch vernünftig geweſen, iſt er über den ganzen Vorfall durch 
Herrn Ober-Auditeur Motz vernommen worden. 


Monta d, 29. Juli. Gutes Wetter und nicht jo gar heiß, 
der Wind ziemlich, wir liefen gut. Abends blitzte es ſtark. 


Dienstag, 30. Juli. Von dieſem Morgen 3 bis abends 
6 Uhr Wind und Meer ſchrecklich unruhig und ebenſo heftig, als 
am 19. Juli; es regnete dabei beſtändig und ſehr ſtark, auch blitzte 
und donnerte es zu Zeiten. Um 8 Uhr abends alles ruhig und 
auf einmal faſt calm. Unſer Mitagseſſen genoſſen wir in aller 
Eile, es beſtand in einem ohne die geringſte Butter oder ſonſtigen 


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Fett eingerührten und gekochten Pudding, ſchmeckte aber gut, kein 
Stück blieb davon übrig und wäre er nur etwas größer geweſen. 


Mittwoch, 31. Juli. Die vergangene Nacht ſehr un⸗ 
ruhig, das heutige Wetter ziemlich gut. Wir liefen zwar etwas, 
allein ſtatt vorwärts rückwärts. Wir waren auf dem Strom des 
Golfs von Florida. Heute mußten wir mit dem Waſſer trinken 
den Anfang machen, unſer Bier war von der beſtändigen Hitze 
ganz ſauer geworden, auch hatte unſere ſelbſt gemachte Proviſion 
zugleich ein Ende, mußten alſo von heute an ein mehr einge— 
ſchränktes Leben anfangen und nolens volens mit der ordinären 

Schiffskoſt und halb ſtinkendem Waſſer Vorlieb nehmen. 


Donnerstag, 1. Auguſt. Das Wetter vortrefflich, aber 
kein Wind und calm. Nachmittags 2 Uhr kamen auf unſer Schiff 
Kapitän und Lieutenant v. Donop, Herrn Oberſtlt. Heymells Herr 
Sohn mit dem Fähnrich b. Geyſe, beide vom Regiment von Knip- 
hauſen, und vier fremde Schiffs-Kapitäne. Einer von dieſen 
Schiffs⸗Kapitänen kam uns ſehr willkommen, dieſer verkaufte uns 
48 Boutellen Port-Bier, die Boutelle zu 1 Groſchen, auch 12 Pfund 
Zucker, das Pfund zu 14 Heller. Nun lebten wir wieder herrlich, 
kein Waſſer hatten wir nicht mehr nötig zu trinken. 


Freitag, 2. Auguſt. Dieſen Vormittag gutes Wetter. 
Nachmittags 4 Uhr wurde die See ſehr hoch und höchſt unruhig, 
das nämliche Wetter als am 30. Juli und dauerte dieſes unter 
dem ſtärkſten Regenguß bis abends 7 Uhr. Hiernächſt Wind und 
Wetter ziemlich. Abends ſpät ſchrecklich heiß und ein heftiges 
Blitzen. Wir liefen indeß gut. | 

Sonnabend, 3. Auguft. Gutes Wetter, febr heiß, kein 
Wind und calm. Abends der Wind etwas ſtärker und ebenmäßig 
vorteilhaft. Unſer Schiffs-Kapitän fing heute einen Shark von 
11 deutſche Schuhe lang und ungefähr 200 Pfund an Gewicht, 
war aber nicht eßbar; er wurde alfo zerlegt und über Bord ge- 
worfen. Die Gattung dieſer Fiſche iſt verſchieden und nur eine 
Art davon zu eſſen. Das Fleiſch der anderen iſt zu hart. 


Sonntag, 4. Auguft. Sehr gutes Wetter und nicht zu 
warm, wir liefen ziemlich. Nachmittags kamen zwei Schiffs- 
Kapitäne zu dem unſrigen. 


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Montag, 5. Aug uſt. Das Wetter wie am geftrigen Tage, 
der Wind gut und liefen ziemlich. Zwei Schiffs-Kapitäne kamen 
auf unſer Schiff. ' 


Dienstag, 6. Auguft. Das geltrige Wetter. Vor- 
mittags liefen wir ziemlich, nachmittags aber wenig Wind und 
calm. Eine Fregatte gab dieſen Nachmittag durch einen Kanonen⸗ 
ſchuß und einer auf dem mittelſten Maſt hängenden Wimbel ein 
Zeichen, daß ſie Land wahrnähme. Man konnte zwar von unſerm 
Schiff nichts erblicken, gleichwohl aber war alles durch dieſe Nach⸗ 
richt ausgelaſſen vergnügt. Vier Schiffs-Kapitäne, welche den 
unſrigen heute beſuchten, hielten nach der Karte die Gewißheit 
dieſer Nachricht nicht weniger für wahrſcheinlich und ungeachtet 
von uns niemand etwas ſehen konnte, mußte nun eine jede Wolke 
in unſeren Augen ein Strich Land ſein. Wir hatten dieſen Abend 
verſchiedene Auftritte. Die Schiffs-Kapitäne hatten ſich den Punſch 
ſo wohl ſchmecken laſſen, daß ſie vor lauter Vergnügen in der 
Kajütte umher taumelten und uns dadurch in unſerer Ruhe ſehr 
ſtörten. Abends 11 Uhr gingen zwar zwei von dieſen ab, allein 
die übrigen zechten noch bis in die Nacht ſo fort. Wir hatten uns 
gelegt, indeß nicht lange hernach mußten wir wieder aufſteigen. 
Ein allgemeiner Aufruhr entſtand plötzlich. Unſer Steuermann 
und Zimmermann hatten ebenfalls über Durſt getrunken, waren 
uneins geworden und pockſten ſich dermalen, daß das Blut an 
ihren Hemden herunterlief. Wir ſuchten ſie zu beſänftigen und 
waren ſo glücklich alle die vernunftloſen Geſchöpfe zur Ruhe zu 
bringen. Die zwei Schiffs⸗Kapitäne übernachteten auf unſerem 
Schiff. Dieſer Tag iſt einer der unruhigſten auf unſerer ganzen 
Reiſe geweſen. 


Mittwoch, 7. Au.guſt. Warmes Wetter, vormittags 
calm, nachmittags etwas Wind, liefen ziemlich, ſahen aber kein 
Land. 


Donnerstag, 8. Auguſt. Das geſtrige Wetter, den 
ganzen Tag calm, abends blitzte es ſtark, noch kein Land. 


Freitag, 9. Auguſt. Das nämliche Wetter, den ganzen 
Tag calm. Am Abend ſtieg ein ſtarker Nebel auf. 


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Sonnabend, 10. Aug u ſt. Wind und Wetter ungemein 
vorteilhaft. Wir hofften dieſerhalb morgen ganz gewiß Land 
zu ſehen. | 


4. Ankunft im Hafen von New Pork. 


Sonntag, 11. Aug uſt. Vorteilhaftes Wetter. Um 5 
Uhr ſahen wir endlich die Küſten von Pork Island. Dieſe find 
weit prächtiger als jene von England. Hier beſtehen die See-Küſten 
aus lauter Wäldern und dort in England aus nackten weißen 
Felſen. In unſerer Flotte herrſchte die lebhafteſte Freude. Glück 
auch für uns, daß wir unſeren Beſtimmungsort erreicht hatten, 
denn faſt alle Lebensmittel mangelten ſchon, die noch wenig vor— 
rätige Proviſion war verdorben, das Waſſer ganz ſtinkend und 
auch febr wenig. Der größte Teil Menſchen ſkorbutiſch und ſonſt 
kränklich. Ich für mein Teil bin gottlob noch immer geſund und 
von allen Zufällen befreit geweſen. 


Montag, 12. Auguſt. Dieſen Morgen 7 Uhr waren 
wir dem Lande ſchon ziemlich nahe. Um 9 Uhr morgens zog ſich 
eine Flotte von 24 Seglern an die unſrige. Es war Herr General 
v. Mirbach mit deſſen eigenem Regiment, dem v. Rall, und einer 
Kompagnie vom Regiment v. Kniphauſen und die ſämtlich aus 
Mangel an Schiffe im Bremer-Lee zurückgeblieben. Um 11 Uhr 
mittags kamen wir unweit Sandyhook, wo die meiſten Schiffe 
Anker warfen. Unſer Schiff fuhr weiter den Hudſon-Fluß Hin- 
auf. Der Eingang zu dieſem Hafen iſt ſehr angenehm. Wir 
fuhren durch ein mit Berge und Tannenbäumen beſetztes Ufer 
bei der Einfahrt nach New Pork, wo wir 5 Uhr abends anferten 
und nun faſt um und um mit Land eingeſchloſſen waren; gegen 
Mittag ſahen wir nur noch ein kleines Stück von der offenen 
See — fürtrefflicher Anblick! 


Dienstag, 13. Auguſt. Mittags 11 Uhr gab der 
Admiral ein Zeichen, daß die Schiffe ſich dem Lande von Staten 
Island ſo viel als möglich nähern möchten. Um 1 Uhr wurde 
wieder geankert. Von hier aus konnten wir die Engländer ſehen, 
welche auf dieſem Staten Island im Lager ſtanden; auch erfuhren 
wir hier, daß von den Rebellen alles beſetzt und nur allein dieſe 


s bes 


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kleine Inſel frei ſei. Das Schiff Surprice, mit Kapitän Venator, 
und welches wir für verloren hielten, lag ſchon ſeit acht Tage 
hierſelbſt vor Anker. Gutes Wetter, ſchrecklich heiß. 


Mittwoch, 14. Auguſt. Unſere Grenadier-Jäger 
und einige engliſche Regimenter wurden mittags 11 Uhr debar⸗ 
quiert. Wir bekamen ebenfalls Order uns auf morgen zum 
debarquieren fertig zu halten. Nachmittags beſuchten uns Kapitän 
Venator und Lieutenant v. Nagell, Sr. Dieſe erzählten, daß ſie 
vor dem Nebel die Flotte nicht wieder finden konnten und ihr 
Schiffs⸗Kapitän auch nicht ungern ſelbiges verlaſſen hätte. Ber- 
ſchiedene Einwohner von Long-Island kamen geflüchtet, um ſich 
in den Schutz der Engländer zu begeben. 


Donnerstag, 15. Auguſt. Morgens 9 Uhr wurden 
wir debarquiert. Die ganze Armee von ungefähr 25,000 Mann 
ſtand alfo nun auf Staten Island. Unſere Lagerplätze waren 
vortrefflich. Der Geruch der Cedern, Saſſafraß und anderem 
wohlriechenden Holz machten ſie höchſt angenehm. Mit den friſchen 
Lebensmitteln ging es kümmerlich, zwar wurde zur Anſchaffung 
derer alle Veranſtaltungen gemacht, indeß weil teils die Eng— 
länder und vor dieſen die Rebellen ſchon alles aufgezehrt, mußten 
wir vorderhand noch bloße Schiffskoſt genießen. Gemüſe war 
faſt gar nicht mehr zu ſehen; hin und wieder traf man noch Kar— 
toffeln an, dieſe und ſodann Waizen, indianiſches oder türkiſches 
Korn ſcheinen die gemeinſten Früchte zu ſein. In den Wäldern 
findet man Limones oder wilde Zitronen, Wallnüſſe, Steinnüſſe, 
Kaſtanien und dergl. mehr ſehr häufig, ferner eine Menge giftiger 
Kräuter. Gutes Wetter. 


Freitag, 16. Auguſt. So war die vergangene Nacht 
die allererſte in einem Lager. Ich hatte vortrefflich geſchlafen, 
allein bei meinem Erwachen dünkte michs ganz beſonders, daß ich 
auf feſten Boden und noch mehr, da allenthalben und auf einmal 
ſich alles ſo kriegeriſch meinen Augen zeigte. Ich ſah mich um, 
ging umher, tat dieſes viel und oft und gleichwohl konnte ich 
immer nicht recht mit mir einig merden und recht mir vorſtellen, 
daß ich in Amerika wäre. Sehr heiß — ich badete mich. 


iu B Ls. 


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Sonnabend, 17. Auguſt. Nichts neues! Ich ging auf 
die Jagd, traf aber nichts an, als einige Pekaſienen, wovon ich 
eine ſchoß. Der größte Teil unſerer Herren Offiziere mußten 
die Schleifen von ihren Monturen abſchneiden. Man hielt dafür, 
die ſogenannten Reifelmänner von den Rebellen hätten ihr größtes 
Augenmerk auf Offiziere und damit dieſe von den Gemeinen ſich 
nicht unterſcheiden möchten, wurden ſtatt goldener oder ſilberner 
Schleifen, wollene getragen und war nunmehr bei vielen Regi— 
mentern in Monturen alles gleich. Bei unſerem Regiment ging 
keine Veränderung vor. Schrecklich heiß. 


Sonntag, 18. Auguſt. Dieſe vergangene Nacht regnete 
es und auch ſo fort bis mittags 12 Uhr; ich hatte, ungeachtet, daß 
der Regen durch mein Zelt geſchlagen, gut geſchlafen. Morgens 
5 Uhr war eine heftige Kanonade zwiſchen einigen Fregatten und 
den Rebellen auf den Batterien von der Stadt York. Dieſe 
Schiffe hatten einen Poſten auf dem Nord-River gehabt, um die 
Stadt bemerken zu können, mußten ſich aber heute an die Flotte 
ziehen, wo ſie denn im Vorbeifahren des an der Spitze der Stadt 
gelegenen Forts ein ſtarkes Feuer auf ſich zogen; ein Schiff verlor 
den mittelſten Maſt. Das Feuer währte wechſelweiſe bis 9 Uhr 
morgens. 


Montag, 19. Auguſt. Morgens 7 Uhr mußten die nahe 
an uns ſtehenden Regimenter Prinz Carl, Leib-Regiment, Trum- 
bach und Dittfurth ihr Lager verändern und einen Poſten von den 
Engländern beſetzen, die zum Einſchiffen beordert wurden. Recht 
gutes Wetter. 


Dienstag, 20. Auguſt. Unſere Grenadiere und eng— 
liſche leichte Infanterie hatten Order ſich marſchfertig zu halten. 
Warmes Wetter. 


Mittwoch, 21. Auguſt. Von geſtern Abend 7 bis 
nachts 1 Uhr hatten wir das ſchrecklichſte Gewitter und erinnert 
ſich niemand ein ſolches je gehört zu haben. Blitze, Donnerſchläge, 
Stürme und Regengüſſe, alles im höchſten Grade. Mein Zelt, 
von einem beſtändigen Feuer umgeben, ſchien zugleich mit dem 
Erdboden bei jedem Donnerkrachen zu erſchüttern. Um 10 Uhr 


ES E 


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morgens wurden Brigadier Engel, und unſere Grenadiere und 
Jäger auf einige Transport⸗Schiffe embargiert und legten jid) in 
einer gewiſſen Entfernung von Long Island vor Anker. Sehr heiß. 


5. Landung auf Long Island. Schlacht bei Flatbuſh. 


Donnerstag, 22. Auguſt. Morgens 6 Uhr wurden 
die embargierten Brigaden, einige hundert Mann leichte Kavallerie, 
nebſt der engliſchen Infanterie und Grenadieren und Schotten auf 
Flachbooten auf Long Island geſetzt. Die Kriegsſchiffe hatten ſich 
längſt und fo nahe als möglich an das Ufer gelegt, um bei etwai- 
gem Widerſtand jene unterſtützen zu können. Allein ungeachtet 
die Rebellen über 5000 Mann ſtark waren und nötigenfalls von 
New Pork ſtündlich verſtärkt werden konnten, ſo ließen ſie unſere 
Truppen ruhig landen und taten nicht den geringſten Widerſtand. 
Unſer Corps marſchiert ſo gleich vorwärts, nahm alsbald Beſitz 
vom flachen Felde und einem daſelbſt ganz nahe liegenden Städt⸗ 
chen Flatbuſch, ohne vom Feinde verhindert zu werden. Sie 
bivaquierten die Nacht. In einer geringen Entfernung von ihrer 
Front hatten ſich die Rebellen auf Anhöhen und in Wälder poſtiert. 
Sehr heiß, in badete mich. 


Freitag, 23. Auguſt hatte ich die Feldwache. Die 
Truppen bekamen nunmehr friſches Fleiſch, auch wurde einge- 
machtes Sauerkraut und Porter-Bier geliefert. Sehr heißes 
Wetter. 


Sonnabend, 24. Auguſt mußten die Brigaden Stirn 
und v. Mirbach das Lager verändern, ſich ausdehnen und ein 
Regiment den Platz von zwei beſetzen. Gutes Wetter. 


Sonntag, 25. Auguft wurden die zwei oben gedachten 
Brigaden, nämlich die Regimenter Erb-Prinz, v. Donop, v. Mir- 
bach, v. Kniphauſen, v. Losberg und v. Rall nach Long Island 
übergeſetzt.“ Wir vereinigten uns mit jenen, und kampierten 
in den Gegenden von Flatbuſch; die Grenadiere ſtanden rechts 
vor uns. Dieſer ihre Piquets wurden beſtändig alarmiert. Zwei 


* Der Oberſt b. Losberg blieb mit den Regimentern von Ditfurth, 
Prinz Karl Leib⸗Regiment und v. Trumbach und 500 Engländern unter 
Oberleutnant Dahlrumpel auf Staaten Island zurück. 


cB nc 


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Deſerteure von den Rebellen brachten die Nachricht, daß ſie von 
Mork aus eine Verſtärkung von 3000 Mann bekommen hätten und 
willens wären uns im Lager anzugreifen. Alle Poſten wurden 
hierauf verdoppelt und die Grenadiere hatten die Order, die ganze 
Nacht ſich in Monturen zu halten. Sehr heiß. 


Montag, 26. Auguft veränderten die zwei Brigaden 
Stirn und v. Mirbach das Lager und marſchierten eine Meile 
tiefer ins Land.“ Auf dieſem Marſch fand man allenthalben 
Zeichen der feindlichen Wut, die ſie während ihrer Flucht bei un— 
ſerer erſten Landung auf dieſer Inſel zurückgelaſſen hatten. Ab— 
gebrannte Häuſer, das auf den Feldern ſtehende Korn zum Teil 
in Aſche, die Wege mit totem Vieh beſät, hin und wieder ſahen 
noch alte Betagte mit wehmütigen Blicken auf ihre Wohnungen 
zurück, welche die Flammen verzehrt hatten, und die vormals wie 
Paradieſe in blühender Fülle geſtanden zu haben ſchienen. Unſer 
Regiment ſtand unter lauter Apfel- und Birnen-Bäumen im Lager, 
unſere Zelter waren überall von den Bäumen beſchattet und be— 
deckt. Und hier ſah man nun nicht weniger das Bild der Zer— 
ſtörung. aft auf allen Plätzen lagen Cominoden, Stühle, Spie- 
gel und vergoldete Rahmen, Porzellan, alles in Menge, und auf 
das beſte und künſtlichſte verarbeitet. Traurig war es anzuſehen, 
wie dieſes alles und noch mehrere Sachen verwüſtet und zerſtreut 
umher lagen. Abends 7 Uhr marſchierten die Schotten und Eng— 
länder und ſetzten ſich weit über unſeren rechten Flügel, um den 
Feind ſuchen in den Rücken zu fallen. Recht gutes Wetter. 


Dienstag, 27. Auguft. Früh vor Tagesanbruch hörte 
man nach unſerem rechten Flügel zu ein heftiges Feuer. Man 
erfuhr alsbald, daß die am geſtrigen Abend marſchierten Eng: 
länder und Schotten dem Feind in die Flanken gefallen und ihn 


— — ——— ——— 


* Weil ber Feind ben bor unjerer Front liegenden Wald mit ſtarken 
Commandos belegt hatte, und von daher hin und wieder einzelne Poſten 
abſchickte, welche unſere Vorpoſten beunruhigen ſollten, und auch wirklich 
beſtändig taten, ſo wurde, um jenes zu verhüten Herr Oberſt v. Heringen 
mit dem Picket der Stirnſchen und Mirbachſchen Brigade, welche 250 
Mann ausmachten, commandiert eine von uns links am Waſſer liegende 
Mühle zu beſetzen. 


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— ——— — —— M — — 


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attackierten. Der kommandierende General en Chef“ hatte Herrn 
Lieutenant v. Heiſter von dieſer Abſicht nichts wiſſen laſſen. Um 
7 Uhr morgens brachen wir alſo ebenfalls auf, unſere Grenadiere 
ſchloſſen ſich rechts an die Engländer und machten die Mitte aus. 
Die übrigen heſſiſchen Regimenter beſetzten alle Anhöhen und 
Täler der äußeren Seite der Wälder. Kaum nach dieſer ge— 
nommenen Poſtierung hatten ſich die Engländer der feindlichen 
Flanken ſchon bemächtigt und die Rebellen nahmen ihre Retraite 
gerade nach den Anhöhen und der Mitte, wo unſere Grenadiere 
Poſto zu nehmen willens waren; allein auch hier wurde der Feind 
genötigt ſich weiter zurück zu ziehen, ohne zum Chargieren kommen 
zu können. Und da man nun wegen des Landes und der ſchreck— 
lichen Gebirge nicht im ganzen, ſondern nur truppweiſe zu agieren 
im Stande war, ſo wurden ſogleich von allen Regimentern ſtarke 
Kommandos, doch ſo viel möglichſt in Linienformation dem Feind 
zum Angriff entgegen geſtellt und fing nun allererſt das Gefecht 
recht an. Der Feind, der ſich auf allen Seiten und faſt rings 
um ſich her mit Feuer umgeben ſah und ſo plötzlich, geriet in die 
äußerſte Beſtürzung, trennte ſich voneinander und fiel bald darauf, 
bald dieſem, bald jenem Kommando in die Hände, ohne große 
Gegenwehr zu tun. Man ſchickte mich mit Freiwilligen in einen 
vor uns gelegenen Wald, um darinnen etwas aufzuſuchen, was 
nicht zu finden war. Ich ſah nichts, einer von meinen Leuten 
fand ein mit Silber beſchlagenes Meſſer. Andere Kommandos 
bon unſerem Regiment brachten aber viele Gefangene ein. Ber- 
ſchiedene Große legten bei dieſer Gelegenheit ihre heldenmütige 
Denkensart ab. Man ſchlug dieſe Gefangene, die knieend um Bei- 
ſtand und Pardon fleheten. Dieſes Scharmützieren dauerte faſt 


* General Howe hatte geſtern den Engländern folgende Order ge- 
geben: Die Armee bricht dieſen Abend, den 26. Auguſt, ihre Zelte ab. — 
Die Avantgarde der Colonne, Gen.-Lt. Clinton mit drei Battaillonen 
leichte Infanterie; vier Battaillone Grenadiere, 33. und 71. Regiment. 
Der Gen.⸗Lieutnant Cornwallis hat die General-Majore Percy, Lesly 
und Erskine unter feiner Auſicht und führt 6-6pfündige, 4⸗3pfündige 
Kanonen nebſt 2 Haubitzen. Die Brigade-Garde an deren Spitze der 
Gen.⸗Lt. Percy iſt, 2⸗6pfündige Kanonen und 2 Haubitzen führt, macht die 
Avant⸗Garde. Die 2. Brigade hat 2-6pfiindige Kanonen. Die 3. Bri⸗ 
qabe hat 8-12pfünbige, das 49. Regiment 4⸗12pfündige, welch letztere 
bie Arriere Garde macht. Die 4. und 6. Brigade, welche 6-6pfündige, 
1 o und 2 Haubitzen bei ſich haben, erhielten beſondere Marſch⸗ 
order. 


— 61 — * 


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4—5 Stunden. Die Rebellen hatten nach aller Vermutung 1200 
Tote und Verwundete, an Gefangenen 1097, worunter 3 Generäle, 
3 Oberſte, 4 Oberſtlieutenants, 3 Majore „18 Kapitäne, 43 Qieu- 
tenants, 11 Fähnrichs, 1 Adjutant, 1 Feld⸗Scheer und 7 Voluntär, 
26 Stück Kanonen, faſt alle 24—32-pfündige. Der Verluſt der 
Engländer war an Toten: 1 Oberſtlieutenant, 3 Kapitäne, 1 Qieu- 
tenant, 3 Sergeanten und 53 Gemeine; an Verwundeten 1 
Oberſtlieutenant, 3 Kapitäne, 8 Lieutenants, 11 Sergeanten, 
3 Tambours und 230 Gemeine. Vermißte, 1 Lieutenant, 1 Ser⸗ 
geant und 20 Gemeine. Der Verluſt der Heſſen, 2 Gemeine tot 
und 25 Gemeine bleſſiert. Der überreſt von den Rebellen flüchtete 
teils in die Redouttes, welche ſie nahe bei Brockland⸗Ferry, gerade 
New Pork gegenüber, hatten, und teils blieben fie auch verſteckt 
in den Wäldern liegen. Man hätte den Feind in dieſer Ver⸗ 
wirrung, worin er aufs äußerſte gebracht worden, noch dieſen 
Tag verfolgen und ihn in ſeiner Verſchanzung mit dem beſten 
Erfolg angreifen können und ihre ganze Macht von 10,000 Mann, 
womit ſie dieſes Island beſetzt hatten, wäre unſer geweſen, wenn 
der kommandierende General en Chef nicht Halt machen laſſen. 
Die ſämtlichen Regimenter mußten auf ihren Poſten, unter Ge— 
wehr, die Nacht über verbleiben, denn die Wälder waren immer 
noch nicht recht rein. Die Kleidung der Feinde iſt ſchlecht; einige 
tragen ſchwarze, weiße oder violette leinene kleine Kittel mit 
Franzen beſetzt und auf ſpaniſche Art, ferner führen ſie bei ſich 
ein leinernes Beutelchen, darin fie ihr Lebensmittel haben, da- 
neben ein großes Pulverhorn. Andere hingegen haben nichts 
weiter bei ſich, als ein elendes Bauernhabit und ihr Gewehr. Die 
meiſten ihrer Offiziere ſind nicht beſſer gekleidet und hatten vor 
einiger Zeit noch gemeine Handlungen getrieben. Herr General- 
Lieutenant v. Heiſter, welcher während der Affäre bei unſerem 
Regiment ſich aufhielt, ließ alle die von den Heſſen gemachten 
Gefangenen zu ſich führen und ließ ſelbige ſodann hinter unſerem 
Regiment unter einem Kommando ſich lagern, wo denn viele 
Bleſſierte verbunden und andere nach und nach zur ſicheren Auf— 
bewahrung von hier weggeſchickt wurden. Sr. Exzellenz beſprach 
ſich mit verſchiedenen Rebellenoffizieren und gab ihnen Wein, des 
Königs von England Geſundheit zu trinken. Einer von dieſen 


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Offizieren aber, der ein wohlbeſtellter Schulmeiſter war, weigerte 
ſich zwar nicht das Glas anzunehmen, allein nicht auf die Ge⸗ 
ſundheit des Königs wollte ers trinken. Man ſetzte ihm zu und 
drohte ihn gleich tot ſchießen zu laſſen, wenn er ſich hier noch als 
ein Rebell zeigen wollte. Indeß alle Drohungen halfen nichts. 
Er antwortete in aller Gelaſſenheit: Er ſei ein Schulmeiſter und 
ſeit ſeines Amtes habe er es für Pflicht gehalten und desfalls alle 
Mühe angewandt ſeine Schüler dahin hauptſächlich zu unterrichten, 
daß ſie ſich nie für den König von England erklären möchten. 
Sein Leben würde er aufopfern und alles gern vorziehen, ehe und 
bevor er dieſe Geſinnung änderte. 


Mittwoch, 28. Aug uſt. Morgens 6 Uhr rückten die 
Brigaden v. Mirbach und Stirn wieder in ihr altes Lager. Unſere 
Grenadiere und ſämtliche Engländer blieben vorwärts halten, um 
daſelbſt ſogleich das Lager aufzuſchlagen. Mittags 1 Uhr folgten 
wir ebenfalls und lagerten uns bei jenen auf den Anhöhen über 
Bethford. Unſere Lager waren gerade gegenüber dem Feind und 
nur ein kleiner Arm der See ſchied uns. Von nachmittags 2 Uhr 
bis abends 7 Uhr, da wir eben ins Lager rückten, regnete es un⸗ 
aufhörlich und ſehr ſtark. Unſere Zelte waren ſo naß, daß ſie 
kaum von der Schwere vom Waſſer aufzurichten waren. Und 
ſo durchnäßt wurde ich gleich mit 30 Mann kommandiert, in der 
eigentlichen Abſicht unſer Regiment decken zu helfen. Ahnliches 
ſagte man mir wenigſtens. Allein die Anſtaltungen der engliſchen 
Herrn Generäle ſcheinen in dieſem Kriege mit einer wohlbedächt⸗ 
lichen Gleichgültigkeit gemacht zu werden. Zwei engliſche Sol⸗ 
daten kamen mit der Order zu unſerem Herrn Oberſt, daß das 
Piquet ſich eilen und mit ſie gehen möchte, um ein engliſches Kom⸗ 
mando, das ſchon lange im Feuer läge, zu unterſtützen. Ich 
marſchierte aljo mit meinen Leuten dahin, wo man mid) ber- 
langte; ſtatt aber das Regiment zu decken, wurde ich faſt eine 
gute Stunde davon weggeführt. Ich erreichte indeß meinen an⸗ 
gewieſenen Poſten und meldete mich alsbald nach meiner Order 
bei einem engliſchen Major, unter deſſen Kommando noch ver- 
ſchiedene Piquets ſtanden. Dieſer Major ſetzte mich nun zwar 
ganz richtig an einem von ſeinen Piquets und auch mit der be⸗ 
ſtimmten Bedeutung, ungeſäumt meine Poſten auszuſetzen; allein 


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ganz unbekannt, wo ich mich befand, ganz unbewußt, wo die 
Rebellen ſtanden und was ich links und hinterm Rücken hatte, 
bat ich zuvorderſt um dieſe Nachrichten. Herr Major gab mir 
aber die Antwort, die Poſten könnte ich nach Gutdünken ausſetzen. 
Dicht und ungefähr 200 Schritte hätten die Rebellen ihre Poſten, 
was neben mir links und hinterm Rücken wäre, wüßte er nicht zu 
ſagen. Ich ſuchte alſo nun vors erſte mich und meine Leute ſicher 
zu ſtellen, ſetzte vorwärts, links und hinter mir Poſten und machte 
hiernächſt Patrouillen. Hier fand ich denn, daß zwar mein 
Rücken ſicher war, allein ſehr weit links ſtand nichts von uns und 
hätten die Rebellen nur ein bischen Mut und Entſchloſſenheit ge— 
habt, hätten alle unſere Piquets können aufgehoben werden. Weil 
ich nun nicht Leute genug hatte, dieſen Paß zu beſetzen, detaſchierte 
ich einen Unteroffizier mit einigen Leuten dahin und ließ daneben 
beſtändig Patrouillen machen. 


Donnerstag, 29. Auguſt. Die Nacht war ganz ruhig 
kein Rebell ließ ſich blicken. Zwar feuerten verſchiedene meiner 
Leute, allein zu dunkel, was eigentlich erkennen zu können. Früh 
vor Tagesanbruch wurde mein Kommando mit ſechs Jägern ver— 
ſtärkt und links kam ein Offizier mit 20 Mann. Sobald der 

Tag anbrach, waren die Rebellen ſchon in größter Bewegung und 
fingen an ſich ſtark zu verſchanzen, wagten ſich auch viele nahe 
vor uns zu ſchleichen; nachdem aber die Jäger auf ſie feuerten 
und verſchiedene bleſſierten, ſtellten ſie ihre Kühnheit ein und ſuch— 
ten ſich gleich darauf zu rächen. Kaum hatten ſie die Hälfte einer 
Redoutte, führten ſie Kononen auf und kanonierten uns. Ihre 
Richtung war vortrefflich. Sobald ſich nur zwei bis drei Men— 
ſchen ſehen ließen, war ſchon eine Kugel auf dem Wege und öfter- 
malen bis vor die Schildwachen ſchlugen ſolche ein. Um 7 Uhr 
morgens beſänftigten ſie ſich wieder und alles war ruhig. Abends 
7 Uhr wurde ich abgelöſt, und zwar durch den Kapitän Venator 
mit zwei Offizieren und 100 Mann, die dann nun meinen Poſten 
vollkommen gut beſetzten. Beim Rückmarſch ins Lager verfehlte 
ich den Weg und mußte lange irre gehen, ehe ich unſer Lager fand, 
und ich befürchtete faſt, weil man keine Hand vor Augen ſehen 
konnte, in der Rebellen Hände zu fallen. Ich marſchierte nach 
einem leuchtenden Feuer zum andern, bis ich denn endlich ins 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


heſſiſche Lager kam, wo ich zurecht gewieſen wurde. Man hatte 
den ganzen Tag über noch Rebellen eingebracht, die am 27. im 
Walde ſich verkrochen, um einzeln durch zu ſchleichen und nach 
ihren Truppen zu kommen. 


6. Flucht der Amerikaner. 


Freitag, 30. Auguſt. Morgens ſahen wir keinen Feind 
mehr, alle ihre Werke hatten ſie verlaſſen und in der vergangenen 
Nacht die Flucht genommen. Herr Oberſtlieutenant v. Schiek, 
welcher ſämtliche Piquets und Kommandos kommandierte, meldete 
ihre Flucht mit Anbruch des Tages. Dieſer rückte ſogleich vor, 
detaſchierte einen Kapitän mit 70 Grenadieren nach den vom Feind 
verlaſſenen Linien und dieſer ließ ſodann eine ihrer größten 
Schanzen mit 24 Mann wieder beſetzen. Der auf den linken 
Flügel kommandierte General Grand mußte nebſt der Brigade 
des Herrn Oberſt v. Donop jenen unverzüglich folgen und die 
Regimenter v. Losberg und v. Donop nachmittags 3 Uhr bie Ber- 
ſchanzungen gegen New Pork nebſt denen hierſelbſt am Ufer 
liegenden Häuſern okkupieren. Die Feinde waren teils bei Brod- 
land⸗Ferry nach Pork übergegangen, teils hatten fie ſich nach 
Rhede-God,* eine kleine Nebeninſel, gezogen. Die von ben Re- 
bellen angelegte ſogenannte Brocklands-Linie war von der Art, 
daß entſchloſſene Truppen einen weit ſtärkeren Feind als wir 
waren, abhalten konnten; ihre Flügels mit Stern-Schanzen ber- 
ſehen, die Linien ſelbſt mit dergleichen gebrochen, ihr rechter 
Flügel über das durch einen Moraſt und Wald, der nicht weniger 
kleine Werke und Verhaue hatte, gedeckt, ſodann in der auf dieſem 
Flügel liegenden Nebeninſel Rhedehock eine große Batterie ange— 
legt, den Kanal von New Pork ſo wohl, als jenen Wald zu reinigen, 
ihr linker Flügel durch ein ſtarkes Verhau geſichert. Die Front 
. des ganzen Retrenchements mit doppelten Paliſaden, Wolfs— 
Gruben und Verhauen umgeben, und hinter ihren Verſchanzungen 
auf allen Anhöhen teils Werke angefangen, teils vollendet. Unter 
dieſen iſt eine Schnecken⸗Schanze, welche Kaſematten für 300 
Mann mit Lebensmitteln verſehen, und die ſogenannte Sterlings- 


* Red- Hoof. 
— 605 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Schanze, welche aus einem Fünfeck beſteht, beide New Pork gegen- 
über gelegen, am merkwürdigſten. In einer jedweden Schanze 
trafen wir Proviſion und Munition in großer Menge an. Kanonen 
ſehr viele, aber faſt alle vernagelt. Unſer Regiment beſetzte drei 
am Waſſer liegende Schanzen. In derjenigen worin ich mich 
befand, waren 250 Mann, nebſt unſeren drei Stabs⸗Offizieren. 
Um 5 Uhr gegen Abend kam die engliſche Artillerie mit vier 
24⸗Pfünder hinzu, ein Kommando von 200 Mann von den Re- 
bellen, welche gerade vor uns auf einer kleinen Inſel, Gouverneurs 
Islands genannt, ſtanden und ſich eben von da auf Flachbooten 
nach York überſetzen ließen, zu beſchießen. Kaum aber hatte man 
einigemale auf ſie gefeuert, ging Order ein, damit einzuhalten. 
Indeß wurde es nicht gleich unterlaſſen. Noch zwei Boote mit 
ungefähr 20 Mann beſetzt ſchoſſen die Engländer zu Grunde. 


Sonnabend, 31. Auguft. Abends 6 Uhr löſte uns das 
Regiment v. Kniphauſen ab. Wir rückten wieder ins Lager. 
Gouverneurs Island wurde ebenfalls dieſen Abend mit einem Rapi- 
tän, zwei Offizieren und 100 Mann beſetzt. Dieſe wurde mit 
Chaloupen dahin übergeſetzt. übrigens war alles ruhig. Gutes 
Wetter. | 


Sonntag, 1. September, veränderte die ganze Armee 
ihr Lager und poſtierte fid) längſt der Waſſerſeite, Yorf gegenüber, 
jenſeits Brookland. Die Engländer links und die Heſſen die 
Mitte. Gutes Wetter. 


Montag, 2. September. Auf der Gouverneurs Inſel 
hatte man vier 18-Pfünder und ſechs 32-Pfünder vorgefunden. 
Ich ging nachmittags ſpazieren. Die hieſige Gegend ijt gar für- 
trefflich und mannigfaltig. Die ganze Inſel ſcheint ein Elyſium zu 
ſein. Auf allen Feldern findet man das ſchönſte Obſt, insbeſondere 
find Kirſchen- und Apfel⸗Bäume die häufigſten. Die hieſigen 
Dörfer und Landhäuſer geben dem Auge angenehme Veränderun⸗ 
gen und von einem Ort zum andern, von einem Landhauſe zum 
andern ſind die Wege ſehr gut und alle mit Apfelbäumen bepflanzt. 
Die Häuſer zum Teil von bloßem Holz erbaut und die Einrichtung 
derſelben iſt vorzüglich. Gemächlichkeit, Schönheit und Reinlich— 
keit vornehmlich, alles äußerſt wohlgefallend. Überhaupt ſcheint 


— 66 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


hier der Geſchmack nach dem Italieniſchen in Betracht der äußeren 
Zierde ihrer Häuſer ſehr glücklich nachgeahmt zu ſein. Gutes 
Wetter. 


Diens t ag,3. September. Nichts neues, gutes Wetter. 


Mittwoch, 4, 5, 6, 7, 8, 9. September. Alles 
ganz ruhig, ſchönes Wetter. 


Dienstag, 10. September. Der Feind machte am 
jenſeitigen Ufer täglich mehr Werke. Es wurden daher auch von 
unſerer Seite große Anſtaltungen dazu gemacht, nicht aber in der 
Abſicht, Gebrauch davon zu machen, ſondern nur blos um des- 
willen, weil der Feind vermutete, wir würden nahe der Stadt 
landen, wurden an drei bis vier Orten Batterien gerade den 
ihrigen gegenüber angelegt. Abends 5 Uhr wurde ich dieſerhalb 
mit 120 Mann kommandiert, um aus verſchiedenen Rebellen⸗ 
Schanzen Diehlen, Balken und alles was brauchbar, losbrechen 
zu laſſen. Um 10 Uhr war man hiermit fertig. Hiernächſt wurde 
alles dieſes auf Wagen geladen und fortgefahren. Kurz vor 
Tagesanbruch kamen wir allererſt ans Ufer neben Brookland— 
Ferry, wo unſere Batterien aufgerichtet wurden, an. Die ganze 
Nacht regnete es und dabei ſehr dunkel. i 


Mittwoch, 11. September. Morgens 6 Uhr wurde 
ich abgelöſt. Man hatte, um von dem Feind nicht verhindert zu 
werden, das hohe Ufer mit dicken Aſten beſetzen laſſen und konnten 
die Arbeiter, ohne viel geſehen zu werden, ruhig arbeiten. Abends 
waren faſt alle Batterien fertig und wurden nun ſogleich mit 
Kanonen verſehen. In den zwei Batterien bei der Remſens 
Mühle unweit Ferry kamen vier 12⸗Pfünder und vier Haubitzen; 
in gleicher bei Hel⸗Gad“ eine Batterie mit zwei 24⸗Pfünder, vier 
12⸗Pfünder und zwei Haubitzen. Dieſe Masque machte die Re- 
bellen ſehr aufmerkſam und fingen auch ſogleich, nachdem ſie 
unſere Werke entdeckten, zu feuern an. Gutes Wetter. 

Donnerstag, 12. September. Merkte man den 
Feind ſich ſehr in ſeinen Werken verſtärken und ſchien gar nicht 
argwöhniſch zu ſein, ſondern machte alle Vorkehrungen, die Lan— 


* Hellgate. 
— 67 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


dung uns ſchwierig zu machen. Das beiderſeitige Feuern der 
Batterien dauerte fort. Oft machte der Feind auch Verſuche, bei 
der Nacht mit Chalouppen ans Ufer zu fahren; weil aber dasſelbe 
durch Piquets geſichert, konnten ſie nie ihren Zweck erreichen. 
Gleichwohl entſtand öftermalen hierdurch ein ſtarkes Gewehr— 
Feuer. Abends 6 Uhr kam ich nach Ferry auf Kommando, daſelbſt 
das Waſſer zu beſetzen. Gutes Wetter. 


Freitag, 13. September. Abends 6 Uhr wurde ich 
durch den Lieutenant abgelöſt. Es fiel während meinem Kom— 
mando eben nichts vor. In der Nacht arretierte einer meiner 
Poſten verſchiedene verdächtige Leute, die nach aller Vermutung 
den Rebellen vieles zuzuführen willens geweſen waren. Das 
Feuern der Batterien hielt an, gegen Abend ſehr heftig. Fünf 
Fregatten gingen New Pork vorbei. Die Feinde feuerten zwar 
von ihren Batterien aus Nork unaufhörlich auf dieſe Schiffe, 
allein ſie paſſierten glücklich; zumal da von unſerer Seite auf 
die feindlichen Werke wieder ſehr ſtark gefeuert wurde. Mittags 
erhielt die Armee Order, ſich auf dem erſten Wink zum Aufbruch 
fertig zu halten und auf zwei Tage Proviſion mit zu nehmen. 
Abends fam aber Contre Order ruhig im Lager zu bleiben. Gutes 
Wetter. 


Sonnabend, 14. September. Die geſtrige Order, 
uns marſchfertig zu halten, wurde wiederholt. Abends 8 Uhr 
wurde es aber beſtimmt, morgen vor Tagesanbruch aufzubrechen. 
Gutes Wetter. 


7. Eroberung von New Pork. Schlacht bei Harlem Heights. 


Sonntag, 15. September. Morgens 3 Uhr rückten 
wir aus unſerem Lager und marſchierten längſt dem Oſt-Fluß 
hinauf nach dem Ort, wo die Truppen embarquiert werden ſollten. 
Die Bagage blieb zurück. Um 9 Uhr morgens kamen wir hier— 
ſelbſt an und fanden die bei nächtlicher Zeit durch Kriegsſchiffe 
hierher geführten Chaloupen ſogleich vor.“ Um 10 Uhr vor- 
mittags wurde zuvorderſt die engliſche leichte Infanterie, Schotten, 


* Herr Gen.⸗Leutnant v. Heiſter mit 6 engliſchen Regimentern und 
der Brigade v. Mirbach blieben auf Long Island liegen. 


— 68 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


unſere Grenadiere und Jäger und ein Teil Engländer mit weniger 
Artillerie embarquiert. Jede Chalouppe hatte ungefähr 60—70 
Mann. Fünf Kriegsſchiffe, welche mitten auf dem Oſt-River 
hielten, den übergang zu ſichern, nahmen ſodann alle dieſe Boote 
zwiſchen ſich und kreuzten mit ſelbigen einige Augenblicke auf 
dem Waſſer herum. Die Rebellen, welche nur einige Batterien 
und Aufwürfe in ihren Linien an jenem Ufer hatten, ſchienen 
durch die verſchiedenen Manöver der Schiffe noch immer dieſen 
Debargmentsort für ungewiß zu halten. Indeß bald zogen ſich 
die Fregatten zuſammen, legten ſich en ligne ſo nahe als möglich 
an jenes Ufer und machten ein ſchreckhaftes Feuer auf ihre Bat⸗ 
terien und Aufwürfe. Unter dieſer Kanonade dann der Feind 
ſeine Linien verließ und ſich in die Wälder zurückzog. Unſere 
Transporte landeten alſo glücklich, ohne im geringſten verhindert 
zu werden. Sie formierten ſich hiernächſt gleich, Engländer rechts, 
Grenadiere links, und marſchierten ſolchergeſtalt auf den Feind 
los, den ſie alsbald einige hundert Schritte vor ſich im Wald 
poftiert fanden. Sie attackierten ihn; eine Kompagnie vom Gre- 
nadier⸗Bataillon Block, die den linken Flügel aus machte, ſtieß 
auf ein Regiment Rebellen von ungefähr 500 Mann, die ſich zu 
ergeben merken ließen, aber auf die Annäherung des Bataillons 
die Flucht nahmen und mit auf die Schultern gelegten Gewehren 
rückwärts auf dieſe Kompagnie eine General-Decharge gaben, 
wobei ſelbige 2 Tote und 13 Schwerbleſſierte verloren. Ein 
Oberſt, zwei Kapitäne, ein Brigade-Major, fünf Lieutenant und 
47 Gemeine wurden von dieſen 500 Rebellen noch gefangen ge⸗ 
macht. Um 4 Uhr nachmittags folgte der übrige Teil Engländer 
und die Brigade des Herrn General Stirn über den Fluß. Die 
Brigade v. Mirbach blieb auf Long Island zurück, und folgten 
jenen nach, ohne aber vom Feinde etwas wahrzunehmen. Nach 
einem Marſch von 3—4 engliſchen Meilen wurde Halt gemacht 
und zu einem guten Zwieback Anſtalten gemacht. Die Garniſon 
zu New Pork verließ ſogleich auf die Nachricht unſerer Landung 
die Stadt, marſchierte längſt der Seite des Nord-Rivers hinauf 
und ſetzte ſich in die daran gelegenen Forts. 


Montag, 16. September. Unſer Zwieback in dieſer 
vergangenen Nacht hatte nichts angenehmes. Die ganze Nacht 


— 69 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


jo ſchrecklich kalt, daß ungeachtet unſerer vielen und großen an- 
gelegten Feuer kein Schutz vor der Kälte zu finden war. Wir 
lagen in lauter Geſträuchen und der Platz ſchien mehr Felſen als 
Erde zu ſein. Die in dieſer Gegend hin und wieder gelegenen 
Landhäuſer litten etwas viel, ihre ganze Viehzucht wurde ge⸗ 
nommen, auch ſonſtige brauchbare Sachen nicht liegen gelaſſen. 
Und nie ſind vielleicht ſo viel Gänſe, Hühner, Enten, Schafe, 
Rinder und Schweine geſchlachtet worden als ſeit geſtern Abend 
bis heute in der Nacht. Dieſen Morgen ſehr frühe rückte ein 
ſtarker feindlicher Trupp vor die Vorpoſten der Engländer und 
leichten Infanterie derſelben. Dieſe ſowohl als unſere Grenadiere 
ſtanden vor uns. Drei Regimenter Engländer gingen ihnen ſo— 
gleich entgegen und trieben ſie auch nach ihren Verſchanzungen 
wieder zurück. Allein da der Feind ihre Schwäche entdeckte, ſo 
rückte er von neuem mit einem Corps von 2—3000 Mann vor 
und griff dieſe drei Regimenter an. Die engliſche Reſerve, das 
Grenadier-Bat. b. Linſing und die Jäger mit zwei Feldſtücken 
eilten indeß gleich zu Hilfe, während die Grenadier-Bataillons v. 
Minnigerode und Block, jener Rücken zu decken, auf der Straße 
nach Nork die vorliegenden Defilees beſetzten und ſchlugen darauf 
den Feind mit großem Verluſt in ſeine Verſchanzungen völlig 
zurück. Die Schotten und leichte Infanterie verloren bei dieſer 
Affäre 70 Tote und 150 Verwundete. Unſere Jäger hatten einen 
Offizier, Lieutenant Heinrichs, und ſieben Mann verwundet. 
Gutes Wetter. 


Dienstag, 17. September. Dieſe Nacht hatten ſo— 
wohl unſere Brigade als die übrigen der Armee bivakieren müſſen 
und war wieder ſehr kalt geweſen. Morgens 8 Uhr marſchierten 
ſämtliche Engländer und Grenadiere ungefähr eine Stunde von 
ihrem Poſten zurück und ſchlugen ſodann bei Blumendahl das 
Lager auf.“ Nachmittags 2 Uhr folgte unſere Brigade. Wir 
marſchierten 3—4 engliſche Meilen vorwärts und weil uns ein 
Lagerplatz anzuweiſen vielleicht vergeſſen worden, ſo mußten wir 
auf einer mit ſtarken Bäumen beſetzten Landſtraße liegen bleiben. 


* General Robertſon wurde zum Kommandanten von New York er- 
nannt und mußte heute mit dem 54. und einem Teil des 5. Regiments 
daſelbſt zur Beſetzung einrücken. 


zc = 


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Ich empfand vorzüglich die Kälte der Nächte. Wegen ber fchred- 
lichen Tageshitze hatte ich nur eine leichte Mondierung angezogen. 
Gutes Wetter. 


Mittwoch, 18. September. Morgens 8 Uhr rückten 
wir nicht weit von dem Ort, wo wir die vergangene Nacht gelegen 
hatten, ins Lager. Unſere Zelte waren kurz vorher angekommen. 
Wir ſtanden nicht weit hinter den Engländern und Grenadieren 
und auf einer kleinen Anhöhe dicht am Ufer des Nord-Rivers. 
Der Feind hatte ſich nunmehr teils diesſeits und teils jenſeits 
der Königs⸗Brücke in feine Feſtungswerke geſetzt. Ich wurde, fo 
bald wir ins Lager rückten, mit einigen Wagen nach Proviant 
geſchickt und kam nachmittags 2 Uhr wieder retour. Sehr heiß. 


Donnerstag, 19. September. Nichts neues, alles 
ruhig. Gutes Wetter. 


Freitag, 20. September. Kam ich auf die Feld⸗ 
wache. Nichts neues. Gutes Wetter. 


Sonnabend, 21. September. In der vergangenen 
Nacht hatten die Rebellen in Nork an verſchiedenen Orten Feuer 
angelegt. Um Mitternacht brachen die Flammen aller Orten 
des nördlichen Teiles aus. Ein ſtarker Wind hatte ihre Abſicht 
befördern helfen. über 500 Häuſer, unter denen ſich die beſten 
der Stadt, die engliſche und lutheriſche Kirche befanden, wurden 
ein Opfer der Flammen. Diejenigen Einwohner, ſo dieſes Un— 
glück traf, konnten faſt gar nichts retten und von dem Brande im 
tiefen mitternächtlichen Schlaf überraſcht, waren ſie nur froh, ihr 
Leben retten zu können. Die engliſche Garde-Brigade, welche 
gleich vor der Stadt im Lager ſtand, eilte mit denen noch hinzu 
kommenden Matroſen herbei und hinderten endlich morgens 9 
Uhr, daß die Stadt nicht gänzlich eingeäſchert wurde. Alles war 
in Unruhe und die Garniſon hatte Mühe die Ruhe wieder her- 
zuſtellen. Man machte verſchiedene Gefangene, die mit Feuer fan⸗ 
genden Sachen umher liefen, noch mehr Feuer anzulegen. Die 
boshafte Geſinnung dieſer Nation iſt unbeſchreiblich. Einer der 
an ſeinem Vorhaben geſtört und flüchten mußte, rief während 
ſeiner Flucht zurück, obgleich er ſeine Abſicht nicht erreichen könne, 


Ec] ees 


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würde er gleichwohl noch nach der Hand Gelegenheit finden, die 
Stadt in Feuer zu ſetzen. Ein anderer, der ſein eigenes Haus 
anſtecken wollte, aber von ſeiner Frau, die ihn umfaßte, und mit 
Tränen bat, es zu unterlaſſen, war ſo grauſam, daß er, wie ihn 
ſeine Frau nicht fahren laſſen wollte, ihr mit einem Meſſer faſt 
die ganze Hand abſchnitt. Die Soldaten, die eben zu dieſem Auf— 
tritt kamen, ergriffen dieſen Böſewicht und hingen ihn ohne weitere 
Umſtände an ſein eigenes Haus. Verſchiedene andere verdächtige 
Perſonen wurden auch hin und wieder in die Flammen geworfen. 
Die Stadt iſt an ſich offen, nur nach der im Hudſon Bay liegenden 
Inſel Gouverneur Island zu, iſt ein ſtarkes Fort, das aber ſchon 
bei Erbauung der Stadt angelegt wurde. Die Rebellen hatten 
alle Eingänge nach den Straßen mit Aufwürfen verſehen und bis 
eine Stunde bor der Stadt waren dergleichen Aufwürfe. itber- 
haupt ijt dieſes Island überall ſtark befeſtigt und faſt kein Plätz⸗ 
chen zu finden, das nicht zur Verteidigung angelegt wäre. übrigens 
hatte dieſe Inſel nicht die angenehme Lage von Long Island. 


Sonntag, 22. September marſchierte unſere Brigade 
morgens 8 Uhr nahe vor Nork an ben Nord-River. Die Zelte 
blieben zurück. Wir trafen hier einige engliſche Regimenter an, 
die mit uns embarquiert werden ſollten, um auf Pauls-Hock“ eine 
Landung zu machen. Es kam aber Contre Order und wir mar— 
ſchierten 11 Uhr mittags wieder ins Lager. Warmes Wetter. 

Montag, 23. September ritt ich nach New Pork. Das 
Feuer loderte hin und wieder noch an der Seite vom Nord-River. 
Die wenigſten Häuſer waren bewohnt und faſt nichts zu haben. 
Der Geldmangel herrſchte überall und nur bloßes Papiergeld 
war im Gebrauch, das aber nunmehr gar keinen Wert mehr hat, 
uusgenommen das unterm königlichen Siegel galt jo viel als 
ſilberne und goldene Münzen. Gutes Wetter. 


Dienstag, 24. September. Unter Bedeckung eines 
Kriegsſchiffes rückte ein Regiment Engländer auf Pauls-Hod. 
Dieſe Halbinſel mußte um deswillen beſetzt werden, damit der 
Feind die Stadt nicht beſchießen konnte. Die Rebellen hatten bis 
den heutigen Tag ſelbige noch ein und feuerten öftermalen nach 


* Paulus ober Powle's Hook. 
NE DIES 


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der Stadt, allein auf Annäherung des Kriegsſchiffes flüchteten 
ſie. Gutes Wetter. Vormittags 10 Uhr wurde unſere Brigade 
gemuſtert. 


Mittwoch, 25. September wurde ebenfalls die Gre— 
nadier-Brigade durch einen engliſchen Kommiſſär gemuſtert. Die 
Diſſentrie herrſcht ungemein im Heſſiſchen Corps und liegen ſehr 
viele höchſt gefährlich daran krank. Bei unſerem Regiment bin 
id) faft noch der einzige, der von dieſer Krankheit frei ijt. Gutes 
Wetter. 


Donnerstag, 26. September. Herr General-Lieu⸗ 
tenant Lord Howe fing an Provinzial-Regimenter zu errichten. 
General de Lancy übernahm einſtweilen dibſe Werbung und ſagte 
Hempſtead auf Long Island zum Sammelplatz an. Ungeachtet 
dieſe Inſel unter der Macht der Königlichen Waffen iſt, ſo 
ſind noch immer ungemein viele heimliche Verräter auf der— 
ſelben und die nur blos auf eine vorteilhafte Gelegenheit hoff— 
ten, ihre rebelliſche Geſinnung an den Tag zu legen. Ein bei 
jenem Corps ſtehender Offizier iſt unter andern ein Beweis davon, 
dieſer wurde auf dem Wege von Petforth* nach Flatbuſch von 
einem Einwohner heimlich erſchoſſen. Heute wurde Oberſt Hering 
vom Regiment v. Losberg beerdigt. Er ſtarb an der Diſſentrie, 
woran wir ſchon viele verloren haben und noch eine große Anzahl 
daran gefährlich krank liegen. Gutes Wetter. 


Freitag, 27. September kam ich auf bie Wald-Wache. 
Die Poſten ſtanden längs am Ufer des Nord-Rivers. Gutes 
Wetter. 


Sonnabend, 28. September. Nichts neues. Gutes 
Wetter. f 


Sonntag, 29. September. Nichts neues; gutes 
Wetter. Zwei Fregatten gingen den Nord-River hinauf und 
legten ſich an zwei verſchiedenen Orten, das Lager decken zu helfen. 


Montag, 30. September kam ich ins ausrückende 
Piquet. Nichts neues. Gutes Wetter. 


* Bedford. 
9 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Dienstag, 1. Oktober. Morgens 9 Uhr veränderte 
unſere Brigade das Lager und rückte vor unſere Grenadiere, um 
deren ſo ſtarken Dienſt ſowohl etwas zu erleichtern, als auch um 
deswillen, damit ſolche um ſo geſchwinder zum Aufbruch fertig 
fein konnten. Wir ſchlugen unfer Lager dicht an dem Nord-River 
auf und unſer Regiment hatte den linken Flügel. Wir beſetzten 
hier die Schanzen, welche teils von uns und den Engländern 
angelegt waren, und die unweit der feindlichen Linien eine Kette 
ausmachten; ein ſtarker Wald von ungefähr 14 Stunde ſchied 
nur unſer Lager. Die Vorpoſten der Engländer des rechten 
Flügels nahe am Harlems⸗Fluß ſtanden kaum einen Büchſenſchuß 
von denen der Rebellen. Unſer Haupt⸗Kommando ſtand in einem 
vor unſerem Lager ganz nahe liegenden Gentlemans-Haus, 
daraus die Einwohner geflüchtet, aber in welchem ungemein viele 
Sachen angetroffen worden ſind. Unter andern eine Menge 
Wein, Silberzeug und Komoden, unter denen eine insbeſondere 
von großem Wert und wohl nach unſerem Gelde auf 200 und mehr 
Thaler zu ſchätzen war. In dieſem Haus lagen auch ſämtliche 
Jäger, die zwar nunmehr, da unſere Brigade die Kommandos 
gab, keinen Dienſt taten, gleichwohl aber nach Patrouillen gehen 
mußten. 


Mittwoch, 2. Oktober kam ich mit dem Kapitän Wintel- 
mann vom Regiment Erb-Brinz auf Kommando, und zwar in 
das gedachte Haus. Der älteſte Offizier wurde mit 30 Mann 
von dem Kommando des Kapitäns 50 Schritte mehr vorwärts 
detaſchiert, und vor dieſem Offizier ſtand wiederum ein Sergeant 
mit 12 Mann, der ben äußerſten Poſten hatte. Alle diefe Rom- 
mandos traten morgens 4 Uhr auf ihre Poſten. 


Donnerstag, 3. Oktober. Während dem Kommando 
war nichts neues vorgefallen. Die Nacht kalt und ſind jetzt über- 
haupt die Nächte ſehr kalt. 14 Segler mit einem engliſchen 
Regiment leichter Dragoner kamen heute an und wurden zu New 
Pork einſtweilen einquartiert. 


Freitag, 4. Oktober. Nichts neues; gutes Wetter. 
Ich ritt nach New Pork. | 


Sonnabend, 5. Oktober. Nichts neues; gutes Wetter. 
— m 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichts blätter 


Sonnt ag, 6. Oktober. Nichts neues; gutes Wetter. 


Montag, 7. Oktober kam ich auf die ee 
Gutes Wetter; nicht neues. 


Dienstag, 8. Oktober. Nichts; gutes Wetter. 


Mittwoch, 9. Oktober. Morgens 7 Uhr gingen drei 
Kriegsſchiffe nahe vor unſerem Lager den Nord-River hinauf und 
legten ſich unweit Königsbrück. Dieſe Schiffe zogen ein heftiges 
Feuer auf ſich, ſowohl von dem auf Jerſey längſt an deſſen Ufer 
angelegten Fort Lee, als auch von dem des Waſhington und denen 
daneben liegenden Batterien wurde wechſelweiſe eine ſo ſtarke 
Kanonade gemacht, daß man an dem glücklichen Durchgang der 
Schiffe faſt zweifeln ſollte. Indeß ungeachtet deſſen paſſierten 
ſelbige zwiſchen dieſen beiden Feuern ohne Schaden ganz gut 
durch. Gutes Wetter, etwas kalt. 


Donnerstag, 10. Oktober. Morgens 4 Uhr auf 


Kommando in die Fleſhek vor dem Haupt⸗Kommando. Gutes 
Wetter. 


Freitag, 11. Oktober. Nichts neues bei meinem Kom⸗ 
mando. Die Nacht war ſehr kalt geweſen. Abends 10 Uhr mar- 
ſchierten unſere Grenadiere und leichte Infanterie zum Embarque- 
ment nad) dem Oſt-River. General-Lt. Percy hatte nunmehr das 
Kommando über die hier noch ſtehenden drei Brigaden, als die 
Brigaden des Generals Stirns, Grand und Johns. Ich badete 
mich nachmittags im Nord-River. 


Sonnabend, 12. Oktober. In der letzten Nacht 1 Uhr 
wurden die Grenadiere und engliſche leichte Infanterie embar- 
quiert, und zwar bei Hell Gad** auf 80 Chaloupen. Eins von 
dieſen Booten, beſetzt mit drei Kanonen und 25 Mann engliſcher 
Artillerie, ſtrandeten hierſelbſt. Die Kanonen und 13 Mann 
gingen verloren und der Reſt rettete ſich. Um 9 Uhr morgens 
landeten dieſe Truppen auf Connecticut, 15 engliſche Meilen vom 
Embarquement-Ort, marſchierten ſodann ins Land, ohne eben 


* Fleſche. 
** Hellgate. 


LIE... 


Deutſch-Amerikaniſche Gefhihtsblätter 


großen Widerſtand zu finden. Nachmittags ging Herrn General: 
Lt. v. Heiſter mit deſſen Corps von ſechs Regimentern Engländer 
und der Brigade v. Mirbach von Lang Island nach Connecticut 
über und vereinigte ſich mit jenen. Gutes Wetter. Ich badete 
mich. Das Waſſer war ſehr kalt, bekam mir aber vortrefflich. 


Sonntag, 13. Oktober kam ich ins Piquet. Nichts 
neues; gutes Wetter. f 


Montag, 14. Oktober. Nichts neues; gutes Wetter. 
20 Proviant⸗Schiffe nebſt 600 Rekruten kamen an. Diejenigen 
Rekruten ſo in Deutſchland für das Scheiteriſche Corps ange— 
worben, wurden alsbald unter die Engländer verlooſt. 


Dienstag, 15. Oktober. Auf der Feldwache; gutes 
Wetter. . 


Mittwoch, 16. Oktober. Nichts neues; gutes Wetter. 


Donnerstag, 17. Oktober. Nichts neues; er regnete 
nachmittags. 


Freitag, 18. Oktober ließ ſich Sr. Exzellenz Herr 
General-Lieut. Howe mit dem bei fic) habenden Corps auf einer 
anderen Seite von Connecticut ſetzen, New Rochelle genannt. 
Herr Oberſt v. Losberg, welcher bisher auf Staten Island ge— 
ſtanden, traf mit den Regimentern v. Dithfurth, Leib-Regiment 
und Prinz Carl daſelbſt bet der Armee ein, und war das Trum- 
bach Regiment nur allein auf Staten Island. 


Sonnabend, 19. Oktober. Ins ausrückende Piquet. 
Gutes Wetter. 


Sonntag, 20. Oktober. Nichts neues; gutes Wetter. 
Herr General-Lieut. v. Kniphauſen Compagnie mit der zweiten 
Diviſion traf ein, und hatten am 11. Mai 1776 Heſſen verlaſſen. 


Montag, 21. Oktober. Nichts neues; gutes Wetter. 


Dienstag, 22. Oktober. Mit 30 Mann auf Kom— 
mando; gutes Wetter. Die zweite Diviſion ſegelte von hier ab, 
um ſich mit der Armee des Herrn Generals Howe zu vereinigen. 


LIH oo. 


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8. Die Kämpfe bei White Plains. 


Mittwoch, 23. Oktober. Nichts neues; gutes Wetter. 
Landete die zweite Diviſion in der Gegend von New Rochelle auf 
White Plaine. | 


Donnerstag, 24 Oktober hatten wir Order zu mar- 
ſchieren. Gutes Wetter. 


Sonnabend, 26. Oktober. Morgens kam zwar die 
Order uns abermals zum Aufbruch fertig zu halten, allein nicht 
lange hernach wieder Contre Order. Gutes Wetter. 


Sonntag, 27. Oktober. Morgens 6 Uhr erhielten 
wir Order, uns unverzüglich marſchfertig zu machen. Um 8 Uhr 
rückte unſere Brigade, Regiment v. Mirbach ausgenommen, die 
das Lager beſetzen mußte, und die Engländer vor die feindlichen 
Linien, unweit des Fort Waſhington. Nahe und ungefähr 2000 
Schritte vor ihre Verhaue machten wir Halt, führten Kanonen 
auf und feuerten faſt den ganzen Tag auf ihre Laufgräben. Der 
Feind ſchien ſo wie wir es zu merken, daß unſere Attacke falſch 
und nicht ernſtlich ſein ſollte. Sie blieben ganz ruhig in ihren 
Gräben und belachten uns, daß wir ſo hitzig kanonieren ließen. 
Ungeachtet wir einige Tauſend Schritte von ihnen entfernt ſtan— 
den, ſchoſſen ſie mit ihren Büchſen noch mit ſo guter Wirkung auf 
unſere Kommandos, daß zwei Kerls vom Regiment Crb-Pring 
hart verwundet wurden. Bei dem Durchmarſch des vor unſerem 
Lager liegenden Waldes führte ich die Blänkler und wurde, nach— 
dem die Regimenter Halt machten, ſobald auf Kommando kom— 
mandiert. Alle Kommandos mußten ſich einige hundert Schritte 
vor ihren Regiment poſtieren. Regiment v. Donop hatte den linken 
Flügel und die Seite vom Nord-River durch das Kommando zu 
beſetzen. Regiment Erb⸗Prinz ſtand rechts neben uns vor einem 
Walde und deſſen Kommando etwas jenſeits desſelben. Engländer 
den rechten Flügel und dehnten ſich dieſe bis nahe des Harlem 
Flußes, das Ende der feindlichen Linien. Nach allen dieſen Kom⸗ 
mandos feuerten die Rebellen dermalen, daß ſich niemand blicken 
laſſen durfte, und ſo oft ſie merkten, daß unſere Poſten abgelöſt 
wurden, feuerten 10—15 Mann auf einmal. Gegen Abend wurde 


s (7 ee 


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alles ruhig. 7 Uhr abends löſte mich Lt. Hausmann ab und 
blieben die Regimenter auf dem Platz, worauf wir gleich anfangs 
Poſten ſtanden, zu Bivac. Gutes Wetter. 


Montag, 28. Oktober. Die Nacht war alles ruhig 
geweſen und geſchah auch dieſen ganzen Tag von unſerer Seite 
kein Schuß. Die Rebellen feuerten zu Zeiten auf unſere Kom— 
mandog. Abends 7 Uhr verließen wir dieſen Poſten und rückten 
in aller Stille wieder ins Lager, ohne daß der Feind etwas davon 
merkte. Eben dieſen Tag hatte Herrn General-Lieutenant v. 
Kniphauſen einiger vor Königsbrück gelegene Forts ſich bemäch— 
tigt. Dieſen nämlichen Tag ließ Sr. Exzellenz Herr General-Lieut. 
v. Howe den auf White Plaine ſtehenden Feind angreifen. Und 
damit derſelbe von da her detaſchieren möchte, mußten wir geſtern 
hier vorrücken. Die Rebellen hatten ſich auf White Plaine vor— 
züglich und mehr wie jemals ſtandhaft bewieſen und ungewöhnlich 
lange hartnäckig ihre Poſten behauptet. Bei dieſer Affäre ver— 
loren die Engländer tot: Stabs⸗Offiziere 1, Subaltern-Offziere 
4, Gemeine 58; verwundet: Stab3-Offiziere 1, Subaltern-Offi⸗ 
ziere 8, Gemeine 137. Heſſen tot: Gemeine 42; verwundet: zwei 
Offiziere, Lt. Mülhauſen und Rau, Gemeine 96. Gutes Wetter. 


Dienstag, 29. Oktober. Nichts neues bei uns. Ich 
ging auf die Jagd, ſchoß aber nichts. Gutes Wetter. 


Mittwoch, 30. Oktober marſchierte die Brigade des 
Herrn Generals Grands nach Connecticut zu der Armee. Es 
blieben alſo noch vier engliſche und drei heſſiſche Regimenter hier 
ſtehen. Regiment Erb-⸗-Prinz rückte rechts und die Regimenter 
v. Donop und v. Mirbach dehnten ihr Lager ebenfalls weiter aus. 
Ich hatte die Feldwache. 


Donnerstag, 31. Oktober. Die vergangene Nacht 
regnete es unaufhörlich und keinen trockenen Faden hatte ich mehr. 
Den Tag über regnet es nicht weniger abwechſelnd und war dabei 
etwas kalt. | 


Freitag, 1. November hatte fid) der Feind auf White 
Plaine, auf die Nachricht nochmals angegriffen zu werden, zurück— 
gezogen und ſeine Anhöhen unweit der Stadt White Plaine ver— 


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laſſen, jedoch vor dieſem Rückzug einige Häuſer in und außerhalb 
der gedachten Stadt in Brand geſteckt. Unſere Truppen beſetzten 
alsbald ihre verlaſſenen Anhöhen und Retrenchments und ſchlugen 
daſelbſt das Lager auf. | 


Sonnabend, 2. November. Herr General-Lieut. v. 
Kniphauſen ging mit dem Köhlerſchen Batail. Wutgenau, Stein 
und Wiſſebach über die Königs⸗Brück auf Pork Island. Der Feind 
zog ſich auf dieſer Anhöhe nach denen vor dem Fort Waſhington 
angelegten Werken. Jene Regimenter ſchlugen ihr Lager hier 
auf. In unſerem Lager nicht neues. Die vergangene Nacht hatte 
es feſt gefroren, doch aber nicht ſtark. 


Sonntag, 3. November. Nicht neues, etwas kalt. In 
der vergangenen Nacht hatte es wieder gefroren. Die Nächte ſind 
jetzt ſehr kalt und bald unerträglich. Faſt ſämtliche Herren Offi- 
ziere, auch ſehr viele Gemeine haben ſich Hütten gebaut. Sr. 
Exzellenz ließ Löcher in die Erde graben und von Raſen Dächer. 
Um auch die ſtrenge Kälte leicht ertragen zu können, vermied ich 
alle Hütten. Faſt unſer ganzes Lager war mit Erdhütten be- 
baut und ſah recht wüſte aus. 


Montag, 4. November. Nichts neues, etwas kalt. 
Unſere Leute kranken und ſterben noch immer ſo fort. Herr 
Oberſtlieut. Heymell, Major Hinte, Kapitän v. Donop liegen ſchon 
ſeit einigen Wochen ſehr gefährlich krank an der Diſſentrie. 


Dienstag, 5. November. Nachmittags 4 Uhr war 
eine heftige Kanonade. Zwei Proviant-Schiffe unter Bedeckung 
einer Fregatte gingen den Nord-River hinauf, denen nunmehr 
dicht von Kingsbridge Lebensmittel zuzuführen. Die Rebellen 
machten von Fort Lee und Waſhington ein lebhaftes Feuer auf 
dieſe Schiffe und ſo viel man im Lager ſehen konnte, verlor die 
Fregatte einen Segel. Abends 5 Uhr wurde ich mit 24 Mann 
ins Piquet kommandiert und mußte mich ungefähr ½ Stunde 
hinter unſerer Front und nahe am Nord-River poſtieren, und zwar 
um deswillen, damit der Feind nicht etwa von Jerſey aus in 
Booten ſich überſetzen möchte. Der Abend war ungemein an— 
genehm. 


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Mittwoch, 6 November. Morgens 7 Uhr ging id) 
wieder bon Piquet ab. Den Tag über wurde dieſer Poſten nicht 
beſetzt. Die Nacht war ſehr kalt geweſen und hatte ſtark gereift. 
Dieſer Tag aber angenehm und fait fo heiß wie im hohen Som- 
mer. Herrn General-Lieut. Lord Howe verließ die Anhöhen bei 
White Plaine und ſtand nunmehr ebenfalls und nur einige eng— 
liſche Meilen vor Kings Bridge, unweit des Nord-River. 


Donnerstag, 7. November. Morgens früh 
wurde ich nach New Nork kommandiert, um daſelbſt mir ein Haus 
für die Bagage des Regiments anweiſen zu laſſen. Die Bagage 
ſämtlicher Regimenter hatte noch immer auf den Transport— 
Schiffen gelegen und wurde allererſt nun ausgeladen. Abends 
ſpät kam ich retour. Gutes Wetter. 


Freitag, 8. November. Morgens 4 Uhr auf Kom— 
mando mit 37 Mann, und zwar in die vor dem Haupt-Kommando 
gemachte Fleſche. Weil Herr General-Lieut. v. Kniphauſen Exzel— 
lenz gegen das Fort Waſhington Batterien aufführen ließ, ſo 
hörte man heute den ganzen Tag eine heftige Kanonade. 


Sonnabend, 9. November. Morgens 7 Uhr ging 
das Kommando ab, es war nichts neues dabei vorgefallen. Die 
vergangene Nacht aber nicht kalt; gutes Wetter. Abends kam 
ich ins Reſerve Piquet. Herr General-Lieut. v. Kniphauſen hatte 
ſeine Vorpoſten zwiſchen zwei Wälder und der nach New Nork 
gehenden Straße ausgeſetzt. Dieſes Kommando griffen die Re— 
bellen heute an und wurde dabei der Lieutenant Schwain vom 
Regiment v. Stein erſchoſſen, auch daneben verſchiedene ſeiner 
Leute bleſſiert. 


Sonntag, 10. November. Nichts neues; in unſerem 
Lager alles ruhig; gutes Wetter. 


Montag, 11. November. Die vergangene ganze Nacht 
hatte es außerordentlich geregnet und unter ſchrecklichen Sturm— 
winde. Mein Zelt war voller Waſſer und faſt nichts trockenes 
darin. Den Tag über rauhes Wetter. 


Dienstag, 12. November. In unſerem Lager nichts 
neues; gutes Wetter. 


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Mittwoch, 13. November. Nichts neues; gutes 
Wetter. An dieſem Tage rückte der kommandierende General 
Lord Howe mit der Armee von White Plaine und lagerte ſich 
vor der Kings Bridge auf die daneben liegenden Anhöhen. 

Donnerstag, 14. November. Nichts neues; ziem⸗ 
liches Wetter. 


9. Eroberung von Fort Waſhington und Fort Lee. 


Freitag, 15. November. Um 5 Uhr abends erhielten 
wir Order, uns auf morgen fertig zu halten, die feindlichen Linien 
vor dem Fort Waſhington zu attackieren. Nachmittags badete ich 
mich im Nord-River, und zwar ganz entkleidet. Es war zwar 
kalt und hatte die vorige Nacht Eis gefroren; indeß weil ich eben 
auf der Jagd war und es mir ſo einfiel, auch ſolches für geſund 
hielt, wagte ichs und es bekam mir ungemein gut. 


Sonnabend, 16. November. Morgens 5 Uhr gin— 
gen wir unter Gewehr, marſchierten aber allererſt 7 Uhr ab und 
gegen die feindlichen Linien. Nach einem Marſch von ½ Stunde 
kamen wir vor ſelbige an. Sämtliche Regimenter formierten 
ſich alsbald en odre auf denen gerade den feindlichen Werken 
gegenüber gelegenen kleinen Anhöhen. Nachdem hierauf alle 
Regiments⸗Stücke, auch einige engliſche 12-Bfünder aufgeführt, 
wurde vom rechten Flügel der Engländer und unſerem linken auf 
ihre Laufgräben ein lang anhaltendes Feuer gemacht, unter welcher 
Kanonade denn zuvorderſt die Avantgarde durch ein vor uns 
liegendes Tal auf ſelbige los rückten und gleich hiernächſt jene zu 
unterſtützen ſelbſt die Regimenter folgten. Regiment v. Donop 
poſtierte fih dicht am Nord-River und deckte mit fünf bei fid) 
habenden Kanonen die linke Flanke. Die Rebellen, welche hier— 
ſelbſt in ihren Linien kein ſchwaches Geſchütz hatten, taten aus den 
Laufgräben auf bie Avant-Garde nur einige Büchſen⸗Schüſſe und 
nahmen ſobald die Flucht. Auf jener Seite des Forts Waſhington 
bei Kings Bridge attackierte Sr. Exzellenz Herr General-Lieut. v. 
Kniphauſen mit den Regimentern, Grenadier-Bataillon v. Köhler, 
v. Losberg, v. Rall, Waldeck, erſte Colonne; v. Wutgenau, v. 
Kniphauſen, v. Heine, v. Birnau, zweite Colonne. Und das über 


ed iss 


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der Kings Bridge ſtehende Corps war ebenfalls ſowohl zur Unter⸗ 
ſtützung jener, als auch um den auf White Plaine noch zurück⸗ 
gelaſſenen Feind bei etwaigen Vorfällen Tete bieten zu können, 
während der Attacke unter Gewehr. Die gedachten acht Regimenter 
hatten eine ungleich beſchwerlichere und gefährlichere Attacke, als 
wir dieſerſeits. Natur und Kunſt hatten auf jener ganzen Seite 
alles aufs beſte und feſteſte bearbeitet. Alle um das Fort Waſh⸗ 
ington aufgerichteten feindlichen Batterien lagen auf Felſen, 
deren unbeſchreiblich tiefe Abhänge wieder ſo felſicht und durch 
die durch einander gelegten ſtarken Bäume faſt unüberſteiglich 
hätten ſein müſſen. Indeß, und ungeachtet aller dieſer Hinder⸗ 
niſſe, erſtiegen hier dieſe zwei Kolonen mit einem höchſt ruhm⸗ 
würdigen Eifer alle die fährlichen Klippen und ſchlugen den Feind 
mit der gefallenſten Lebhaftigkeit aus ſeinen Verſchanzungen und 
ſolchergeſtalt, daß er in größter Verwirrung ins Haupt⸗Fort 
flüchten mußte, und zwar bald darauf zu kapitulieren ſich genötigt 
fand. Um 4 Uhr nachmittags hatte alles Feuern ein Ende und 
wurde der Vergleich wegen der gänzlichen Übergabe getroffen. 
Die Rebellen verlangten anfangs einen freien Abzug; allein da 
dieſes ihnen nicht geſtattet, erbaten ſie ſich, ihre Equipage mit⸗ 
nehmen zu dürfen. Unter dieſer zugeſtandenen Bedingung ſich 
ſodann ihre 3000 an der Zahl ohne weitere Umſtände ergaben. 
Bei dieſer Affäre verloren die Heſſen an toten Offizieren zwei Kapi⸗ 
täne und drei Subaltern-Offiziere und an Gemeinen 172; ferner 
an Verwundeten: Stabs⸗Offiziere, zwei Kapitäne, Subaltern-Offi- 
ziere ſechs, und an Gemeinen 274. Engländer: tot, ein Kapitän, 19 
Gemeine; verwundet: vier Offiziere und 90 Gemeine. Der Feind 
an Toten, drei Offiziere und 60 Gemeine; an Bleſſierten, zehn 
Offiziere und 100 Gemeine. An Artillerie wurde erbeutet: vier 
32⸗Pfünder, zwei 18-Pfünder, fieben 12-Pfünder, fünf 9-Pfünder, 
fünfzehn 6⸗Pfünder, acht 3-Pfünder und zwei Haubitzen. Muni- 
tion und Proviſion in Menge. Dieſer Tag gereichte unſeren 
Truppen zur vielen Ehre und um ſo mehr, da dieſe Eroberung 
in vieler Betracht ſehr beträchtlich, insbeſondere aber um des— 
willen vorzüglich vorteilhaft war, weil nunmehr die Stadt New 
Pork völlig geſchützt. Unſere Brigade rückte abends 9 Uhr wieder 
ins Lager, ausgenommen das Regiment v. Mirbach blieb zurück, 


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mußte die gemachten Gefangenen nach Harlem transportieren 
und ſelbige daſelbſt bewahren. 


Sonntag, 17. November. | Nichts neues; ich badete 
mich heute im Nord-River; es war etwas kalt. 


Montag, 18. November. Marſchierten zwei Brigaden 
Heſſen, Oberſt v. Losberg und v. Huine, von Kings Bridge bis 
vor New Pork, um nach Rhode Island zu gehen und bezogen bis 
zur Einſchiffung bei der Stadt ein Lager. Regimenter: Leib⸗ 
Regiment, Prinz Carl, Wutgenau, v. Huine, b. Bünau, v. Dith⸗ 
furth. Mein Bruder, der ſeit einiger Zeit nicht wohl geweſen, und 
jetzt beſonders krank war, bezog ein dicht an der Straße und nahe 
bei New Pork gelegenes Haus. Ziemlich gute Witterung. 


Dienstag, 19. November. Marſchierte die noch hier 
ſtehende Brigade Engländer ebenfalls bei Vork, um mit jenen nach 
Rhode Island embarquiert zu werden. Die Brigade des Herrn 
General Stirns bleibt alſo allein in den alten Verſchanzungen 
ſtehen. Ich ging nachmittags auf die Jagd und ſchoß ein großes 
Huhn, dem Anſehen nach ein Auer-Huhn, auch einige Eichhörnchen, 
die hier zu Lande eßbar. Haſen oder eigentlich Kaninchen ſind 
nicht viele; indeß kein Wunder, da alle Plätze und Plätzchen immer 
mit Menſchen beſetzt e Hühner gab es in Menge, aber zu 
flüchtig. 


Mittwoch, 20. November. Marſchierten unſere Gre— 
nadiere und Jäger, die engliſchen Grenadiere, leichte Truppen und 
Schotten unter der Order des Herrn General-Lieut. Milord 
Cornwallis von Königs-Brück und wurden mit Booten über den 
Nord⸗River auf New Jerſey geſetzt. Der Feind ließ fein nahe 
am Fort Lee habendes Lager ſtehen und unſere Leute eroberten 
ſolches, machten auch noch einen Lieutenant, einen Fähnrich, einen 
Quartiermeiſter, drei Feldſcheere und 99 Gemeine zu Gefangenen. 
Das jenſeitige Ufer, wo dieſe Truppen debarquierten, war mit 
lauter Felſen von einer fährlichen Höhe umgeben und nur durch 
einen kleinen Fußweg von einigen Schritten breit, mußte dies 
ganze Corps die hohen Felſen zu erſteigen ſuchen. Die Höhe vom 
Ufer bis zu einem vor demſelben gelegenen Walde, der nicht weni- 


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ger mit Felſen umgeben, war von ungefähr ½ Stunde und einige 
100 auf dieſer Anhöhe poſtierte Menſchen von Mut würden nicht 
nur unſer ganzes Corps haben abhalten, ſondern auch den größten 
Teil desſelben zu Grunde ſchießen können. Die Rebellen, noch 
erſchrocken über die Einnahme des Fort Waſhington und die un⸗ 
verhoffte und mutige Landung unſerer Truppen flüchteten aber 
und verließen ein eben nicht minder ſtarkes Fort als jenes. Dieſes 
Fort liegt dem Fort Waſhington gerade gegenüber und hat den 
Namen Lee. Unſere Leute fanden 26 Stück Kanonen, ſehr viele 
Munition und Proviſion darinnen vor, unter dieſer über 2000 
Tonnen des beſten Weizen. 


Donnerstag, 21. November. Nichts neues. Rauhe 
Witterung auf der Feldwache. 


Freitag, 22. November. Alles ganz ruhig. Kaltes 
Wetter. 


Sonnabend, 23. November. Nichts neues; dieſelbe 
Witterung. Ich beſuchte meinen Bruder, der noch fort krank 
darnieder lag. 


Sonntag, 24. Novem ber. Nichts neues. Die 2. 
und 4. engliſche Brigade und 1. Bataillon vom 71. Regiment 
ſtießen zum Cornwallis auf Jerſey. . 

Montag, 25. November. Nichts neues. General 
Cornwallis verließ die Gegend von Fort Lee, kam zu Häckinſäck 
heute an und lagerte ſich auf den daſelbſt befindlichen Anhöhen. 

Dienstag, 26. November. Nichts neues. Obiges 
gedachtes Corps ſetzte ſeinen Marſch weiter, mußte aber übler 
Witterung wegen ſich dieſen Tag lange verzögern und bei Ein— 
bruch der Nacht biwakieren. 

Mittwoch, 27. November. Nichts neues. Ich ritt 
zu meinem Bruder, der ſich nunmehr etwas beſſer befand. 


Donnerstag, 28. November. Nichts neues. Das 
Corps des General Cornwallis kam heute bei New Warf* an 
und lagerte ſich daſelbſt. 


* Newark. 
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Freitag, 29. November. Nichts neues; ſchlechtes 
Wetter. Cornwallis kam heute zu Eliſabethon an, welches die 
Rebellen in der vergangenen Nacht verlaſſen hatten. 


Sonnabend, 30. November. Nichts neues. Das 
Corps kam heute zu Voutbrüſch an. 


Sonntag, 1. Dezember. Nichts neues; helles Wetter. 
badete mich im Nord-River. New Braunſchweig,“ bis hierher 
war General Cornvallis ohne vom Feinde Hinderniſſe zu finden, 
angekommen. Die Rebellen, welche Braunſchweig noch beſetzt 
hatten, machten hier ein heftiges Feuer auf dieſes Corps und 
wollten ſowohl einen da paſſierenden Fluß, als die Stadt ſelbſt 
ſtrittig machen. Indeß verließen ſie abends Braunſchweig. 


Montag, 2. Dezember. Nichts neues; etwas kalt. Der 
geſtern bei Braunſchweig verwundete Kapitän v. Weitershauſen 
ſtarb heute. 


Dienstag, 3. Dezember. Nichts neues, ich ging auf 
die Jagd. 


Mittwoch, 4. Dezember. Nichts neues. Wir bekamen 
Order, uns auf Morgen fertig zu machen, in die Stadt marſchieren 
zu können. Es wurde dieſerhalb ſchon heute viele Bagage dahin 
abgeſchickt. Gutes Wetter. | 


10. Winterquartier in New Pork. 


Donnerstag, 5. Dezember. Morgens 9 Uhr mar- 
ſchierte unſere Brigade in die Winter-Quartiere nad) New Yorf, 
desgleichen das Regiment v. Trümbach. Dieſes und Erb-Brinz 
kamen durch das Los der Würfel in die Kaſerne, Donop und Mir— 
bach bezogen verſchiedene von denen verlaſſenen Rebellen-Häuſer 
und kamen in jedes Haus 100, auch 200 Mann. Die Herren 
Offiziere blieben bei ihren Leuten, je nachdem es eingerichtet 
werden konnte, und logierten deren zwei und zwei auf einer Stube. 
Die notwendigen Möbel und Betten, Tiſche und Bänke wurden 
geliefert. Holz, Steinkohlen, Lichter, ziemlich gute Proviſion, 


* New Brunswick. 
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auch eiſerne Töpfe zum Kochen, überhaupt alles nötige fehlte nicht. 
Fähnrich v. Trot und ich, beide von einer Kompagnie, logierten 
beiſammen. In eben dieſem Hauſe lagen Kapitän Giſſot, Kapitän 
v. Gall, Lieut. Hausman, Fähnrich Freyenhagen und Lieut. Kayſer 
von der Artillerie, und endlich 160 Mann. Die heutige Witterung 
war vortrefflich und wie im Sommer. 


Freitag, 6. Dezember. Es ſcheint nunmehr alles 
ruhig ſein zu wollen. Die hieſige Stadt iſt ziemlich geſichert und 
beſteht die Garniſon aus vier heſſiſchen und drei engliſchen Regi— 
mentern, und außerhalb der Stadt liegen hin und wieder ſtarke 
Truppen Engländer. Zu Kings Bridge ſind die heſſiſchen Negi- 
menter v. Trümbach, v. Stein, v. Wiſſebach und einige engliſche 
Regimenter; alle dieſe haben daſelbſt ihre Baraques. Ein eng— 
liſches Regiment liegt in Harlem, den Oſt-River rein zu halten. 
Unſere Grenadiere kamen heute zu Baum Brück“ an, wo ein Ma⸗ 
gazin von Mehl und Rum vorgefunden wurde. 


Sonnabend, 7. Dezember. Nichts neues. Erb-Rrinz 
Regiment gab heute die Wacht. Zur Hauptwache iſt das hieſige 
Rathaus genommen und beſteht ſelbige aus ein Kapitän, zwei 
Leutnants und 63 Gemeine. Die übrigen Wachen, wo deren ſind, 
beſtehen aus 2—24 Mann, und haben dieſe nun blos auf Maga⸗ 
zine acht zu geben. Außen-Poſten ſind hingegen viele, überhaupt 
gibt das zum Dienſt kommende Regiment ungefähr 35 Mann und 
faſt der ganze Reſt desſelben ſteht in Piquet. Ein jedes Regiment 
gibt täglich einen Kapitän, zwei Leutnants und 50 Mann zum 
Piquet, damit bei allenfalſigem Allarm dieſe alsbald ausrücken 
können. 

Sonntag, 8. Dezember. Damit wir unſere eigenen 
Gottesdienſte halten konnten, wurde uns eine Lutheriſche und 
Reformierte Kirche angewieſen. Das auf Jerſey ſtehende Corps 
kam zu Trenton an; der Feind hatte die Stadt eben die vorige 


Nacht auf den Anmarſch unſerer Truppen verlaſſen, ſich über den 
Delaware ſetzen laſſen und Jerſey völlig geräumt. 


Montag, 9. Dezember. Nichts neues. 


* Bound Brook. 
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Dienstag, 10. Dezember. Marſchierte das Regiment 
v. Trumbach nach Kings Bridge, um den Platz des nach Jerſey 
übergegangenen Grenadier-Bataillons v. Köhler zu erſetzen. 


Mittwoch, 11. Dezember. Nichts neues; etwas kalt. 


Donnerstag, 12. Dezember. Der Winter ſchien 
heute ſeinen eigentlichen Anfang zu nehmen; es ſchneite und fror, 
jedoch eben nicht gar ſtark. 


Vom Freitag, 13. bis 25. Dezember. Nichts neues. 
Das Wetter unter dieſer Zeit ſehr abwechſelnd, bald Kälte, Schnee, 
Regen, doch dabei ganz angenehm und geſunde Luft. Herr Major 
Hinte, Leutnant Murhard, Leutnant Nagell, Sr., Leutnant Nagell, 
Ir., Fähnrich Trott, Fähnrich Knoblauch waren krank. 


11. Der überfall zu Trenton. 


Donnerstag, 26. Dezember. In der Nacht vom 
25.— 26. dieſes (Weihnachtsfeſt) wurde die Brigade von Rall 
überfallen und faſt gänzlich aufgehoben. Waſhington paſſierte 
mit ſeinem Corps den Delaware, einige Stücke über Trenton, 
worinnen dieſe Brigade als das Regiment v. Kniphauſen, v. Los⸗ 
berg, v. Rall einquartiert waren und den rechten Flügel des Corps 
zu decken hatten; dasſelbe die Winterquartiere in den Städtchen 
Prinzthon, Braunſchweig, Amboi, Eliſabethon und Newark be- 
zogen. Die Brigade des Herrn Oberſt v. Donop lag in Borden- 
thon und Barlingthon, um mit jener v. Ralls ſo viel möglichſt 
das Ufer von Delaware beſetzen zu können. Das auf Jerſey 
ſtehende Corps ſo am 11. dieſes daſelbſt die Winterquartiere be— 
zog, hatte in allem Betracht eine zu weitläufige Poſtierung. Waſh⸗ 
ington, der nun während der Nacht unerachtet eines ganz ſchreck— 
lichen und mit Schnee und ſtarken Schloſſen vermiſchten Sturm— 
wetters, im Walde verborgen ſich aufgehalten, umzingelte vor 
Tagesanbruch die Stadt und brach mit aller Macht in ſelbige ein. 
Der Feind war alſo ſo plötzlich in der Stadt und vor denen Häu— 
ſern poſtiert, daß faſt nichts zur Gegenwehr mehr kommen konnte. 
Die Rebellen, vorzüglich bemüht, ſich gleich der ſechs Kanonen 
der Brigade zu bemächtigen, nahmen ſolche alsbald zu ihrem 


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eigenen Gebrauch und feuerten heftig auf alle diejenigen, welche 
ſich zu ſammeln anfangen wollten, oder ſonſt zu entgehen ſich 
merken ließen. Oberſt v. Rall wurde gleich anfangs, und zwar 
von ſeinem eigenen Wirte aus deſſen Haus verwundet, und weil 
er weiter zu leben ſich weigerte, bekam er noch einige Bajonett— 
Stiche und verſchied darauf ſobald. Über dieſes unglückliche Er— 
eignis wird gar mancherlei kritiſiert und raiſoniert. Was darüber 
verlautet geziemt einem 18-jährigen Menſchen nicht, jetzt ſchon 
nach zu erzählen, zumalen der Subaltern-Offizier kaum mehr er— 
fährt, als etwa in dem Regiment vorgeht. Jedoch genieße ich 
den Vorteil, daß ich bei der ganzen Generalität und anderen 
Stabs⸗Offizieren und Kapitänen, auch bei allen meinen Kameraden, 
in einem beſonderen Kredit ſtehe, ſo wie denn auch die Unter— 
offiziere und Gemeine mich vom Herzen lieben. Bei dieſen glück— 
lichen Verhältniſſen finde ich mehr Gelegenheiten manches zu er— 
fahren, was außerdem nicht zu meiner Kenntnis würde kommen 
können. Aber ſelbſt der Weiſeſte unter den Weiſeſten der Deut— 
ſchen dürfte den eigentlichen Sinn des Verfahrens der Engländer 
gegen die Amerikaner durchaus verſtehen. Und vermag denn der 
eigentliche Laie von meinem Alter und Schlage um ſo weniger. 


12. Winterquartier in New York. 


Feitag, 27.—3 1. Dezember. Nichts neues. Unter 
dieſer Zeit ziemlich kalt, aber immer ſehr helles Wetter. 


Oberſt⸗Leut. Harcourt der Königin Dragoner machte mit 30 
ſeiner Leute auf Jerſey eine Patrouille, des Feindes Lage aus— 
zumachen. Nach einigen zurückgelegten engliſchen Meilen nahm 
er einen feindlichen Kapitän gefangen, von dem er dann ber- 
ſchiedene Nachrichten einzog. Unter anderen, daß General Lee 
ungefähr noch ſieben engliſche Meilen weiter in einem Hauſe ſich 
aufhielt und nur eine Wache bei ſich habe. Oberſt-Leut. Harcourt 
marſchierte mit ſeinem Detachment unverzüglich zu jenem Hauſe, 
wohin ihm der gefangene Kapitän den Weg zeigen mußte. So— 
bald bejagter Oberſt⸗-Leutnant nahe genug war, teilte er feine 
Leute in verſchiedene Teile und ſprengte von allen Seiten gegen 
das Haus. Der Adjutant vom General Lee wollte ſich zwar mit 


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der Wache zur Wehr ſetzen, allein die Entſchloſſenheit des Oberſt— 
Leutnants machte ſie bald zur Flucht und General Lee mit deſſen 
Adjutant wurden glücklich nach Braunſchweig gebracht. 


Mittwoch, 1. Januar. Das bei uns faſt für den 
weſentlichſten Teil der Höflichkeit zu geltende Ceremoniel im Neu- 
jahrwünſchen wurde hier ganz unbeachtet gelaſſen. 


Von Donnerstag, 12.—17. Januar. Nichts mer- 
kenswertes; immer ziemlich kalt. Am 4. dieſes kam Feuer aus, 
indeß ohne viel Schaden zu tun. 


Sonnabend, 18. Januar. Schon ſeit einiger Zeit 
haben die Rebellen auf Kings Bridge ihr Augenmerk gehabt und 
fait täglich truppenweiſe fic) daſelbſt nahe ſehen laffen; auch ofter- 
malen Verſuche auf die Vorpoſten gewagt. Ihre Hoffnung ging 
noch beſtändig dahin, das Fort Waſhington wieder zu erobern. 
Früh morgens dieſes Tages rückten die Rebellen mit einem eben— 
mäßigen Corps vor die Linien bei Kings Bridge und forderten 
daſelbſt eine der Haupt⸗Schanzen auf, mit der Bedrohung ohne 
Widerſtand ſich daraus zu ergeben. Bald nach der Abfertigung 
führt der Feind ſeine Kanonen auf und ein wechſelſeitiges ſtarkes 
Feuern erfolgte. Die heftige Kanonade unſererſeits und einige 
glücklich angebrachte Schüſſe, dadurch ſie eine ihrer Kanonen und 
verſchiedene Menſchen verloren, ſchreckte ſie ſo ſehr ab, daß ſie 
für diesmal ihre Anſprüche fahren ließen und einen freiwilligen 
Abzug für dienlich fanden. Wir verloren einen Artilleriſten, der 
durch eine Kanonen-Kugel in der Schanze erſchlagen wurde. Der 
heutige Tag ſchien den Rebellen zu ihrer Abſicht um deswillen 
günſtig zu ſein, weil der Königin von England Geburtstag mit 
großen Umſtänden eben gefeiert werden ſollte und ſchon früh 
morgens viele Menſchen in einem ungewöhnlich fröhlichen Taumel 
ſich befanden. Sr. Exzellenz der Herr General-Lieut. Lord Howe 
hatte dieſem Tag zufolge alles das zurichten laſſen, was das An— 
denken desſelben feierlich machen konnte. Abends 8 Uhr wurde 
dicht vor dem Hauſe des Lord Howes eine ziemlich beträchtliches 
Feuerwerk angezündet. Hiernächſt wurde ein Ball eröffnet und 
en grand ſoupiert. Alle Subaltern-Offiziere hatten nicht weniger 
die Erlaubnis dieſen Feierlichkeiten mit beizuwohnen; allein da 


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die meiſten derſelben im Dienſte waren, genoſſen wenige davon. 
Zur Sicherheit der Stadt wurde neben der ordinären Wache, von 
jedem Regiment das auch ſonſt immer kommandierte Piquet von 
einem Kapitän, zwei Offizieren und 50 Gemeinen am Abend zum 
Ausrücken befehligt, und durch dem Herrn Oberſt-Lieut. v. Schieck 
als Stabs⸗Offizier du jour teils außer- und innerhalb der Stadt 
ſo poſtiert, daß alles in der ganzen Stadt zu beobachten war. Ich, 
zwar frei von allem Dienſt, ließ mir's genug ſein in der Stille ein 
Gläschen Wein zu trinken. 


Sonnabend, 19. Januar. Nichts neues; ſehr kalt, 
doch nicht ſo kalt als in Heſſen. Überhaupt N die Witterung 
im Winter überall ſehr gelinde zu ſein. 


Montag, 20. Januar. Nichts neues; heute auf der 
Wacht. 


Dienstag, 21. Januar. Abends 9 Uhr kam nicht fern 
von meinem Quartier Feuer aus. Bei dieſem Allarm hatte ich 
das Schickſal, meine Cdjarpe* und alles Geld, ungefähr 30 Thaler, 
zu verlieren, und zwar auf eine ganz unſchuldige Art. Gleich 
nach Ausbruch des Feuers war ich bemüht, die in meinem Logis 
zum Piquet kommandierte Mannſchaft ſo wohl, als die außerhalb 
liegende alsbald zuſammen zu bringen, daß, wenn die hierzu kom— 
mandierten Offiziere kämen, ſie die Leute fertig vorfinden möch— 
ten und ſogleich abmarſchieren zu können. Nächſt dieſer Beſor⸗ 
gung lief ich zum Feuer und weil ich nun ſah, daß noch kein einzi— 
ges Piquet ausgerückt und um Hilfe ſehr gebeten wurde, kehrte 
ich wieder zurück, um zu ſehen, ob die Offiziere angekommen. 
Allein die Leute ſtanden noch ſo, wie ich ſie verlaſſen hatte. Aus 
Furcht, es möchten meine Kameraden über ihr ſo langes Aus— 
bleiben zur Verantwortung kommen, nahm ich das Piquet, mar- 
ſchierte nach dem Feuer und ſuchte das nötige daſelbſt zu ver— 
anſtalten. Noch immer kam niemand von denen Herren und am 
Ende des Feuers merkte ich allererſt den Verluſt meiner Schärpe. 
Und vergeblich war ich bemüht, ſie wiederzufinden. Die Menge 
der Menſchen war zu anſehnlich, als dieſerwegen etwas erforſchen 


* Schärpe. 
ic oc 


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zu können. Von allen Schiffen waren Matroſen zur Hilfe geſchickt. 
Dieſes geſchieht bei jeglichem Feuerallarm. 


Mittwoch, 22. Januar. Nichts neues. Ich ließ es 
bekannt machen, daß eine Schärpe verloren gegangen ſei, und wer 
ſelbige finden. möchte, ſollte eine Guinee erhalten. 


Donnerstag, 23. Januar. Einige Herren Offiziere 
hatten die Veranſtaltungen getroffen, zweimal in der Woche, näm⸗ 
lich Montags und Donnerstags, Konzert halten zu können, welches 
denn heute ſeinen Anfang nahm. Sämtliche Herren Stab3- 
und Subaltern-Offiziere, ſo Engländer als Heſſen, waren nach 
Gefallen in dieſer Geſellſchaft und zahlten zur Beſtreitung des 
Holzes und Lichter. 


Donnerstag, 6. Februar. Gegen Abend ging ich an 
den Oſt⸗River, Enten zu ſchießen. Bei dieſer Gelegenheit, es 
fehlte nicht viel, hätte ich faſt mein Leben verloren. Eine Kugel 
ſtrich keine Handbreit von meinem Ohr vorbei und ohne aus— 
machen zu können, woher ſelbige kam. Zu dergleichen feindſeligen 
Handlungen ſind die hieſigen Einwohner noch immer ſehr geneigt 
und üben deren faſt täglich aus. 


Freitag, 7. Februar. Nichts neues. Die Kälte hatte 
nachgelaſſen. Die hieſigen Einwohner erinnern ſich nie einen ſo 
gelinden Winter gehabt zu haben. 


Sonnabend, 8. Februar. Das von der Rall-Brigade 
kombinierte Bataillon von 5—600 Mann marſchierte hente unter 
dem Kommando des Herrn Ober-Lieut. v. Schieck vom Regiment 
v. Mirbach von hier nach New Jerſey. ö 


Sonntag, 9.—1 3. Febrnuar. Nichts neues; gelindes 
Wetter. 


Freitag, 14. Februar. Nachmittags kam Feuer aus, 
wurde aber bald gelöſcht. Ich war heute auf der Wacht. 


Sonnabend, 15. Februar. Gegen Abend abermals 
Feuer in der Stadt. So ſehr auch die böſe Nation bemüht iſt, die 
Stadt nach und nach einzuäſchern, ſo unwahrſcheinlich ſcheint ihre 


1 


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Abſicht ereicht werden zu können, denn die Feuer-Anſtalten ſind 
die allerbeſten und höchſtens nur ein Haus kann die Flamme ver- 
zehren. Gutes Wetter. Meiſter Lepner hatte ich zu Gaſt und wir 
aßen im Grim's Haus. 


Sonntag, 16. Fbruar. Gegen Abend Feuer; ein Haus 
wurde zur Aſche. Zum Mittagseſſen hatte ich zwei engliſche Ka- 
pitäne zu Gäſten. Wir hielten unſer Dinner in Grim's Haus. 
Bei dieſen zwei Herren hatte ich zwar nicht gegeſſen, indeß bei ver— 
ſchiedenen Gelegenheiten und ganz zufälligerweiſe erwieſen dieſe 
mir ſolche Höflichkeiten, und nolens volens, es koſteten mich dieſe 
zwei Tage mehr als 15 heſſiſche Gulden. 


Montag, 17. Februar. Abermals Feuer. Sonſt nichts 
neues; ziemlich kalt. 


Dienstag, 18. Februar. Nichts neues; kalt. 


Mittwoch, 19.—2 0. Februar. Nichts neues; heftig 
kalt. 


Freitag, 21. Februar. Sr. Exzellenz dem Herrn 
General-Lieut. von Heiſter wurde von Kings Bridge gemeldet, 
daß der Fähnrich Cleve vom Regiment v. Trümbach geſtern Abend 
bei einer Geſellſchaft verſchiedener Herren Offiziere erſtochen ſei, 
jedoch nicht im Duell, ſondern auf eine noch unbekannte Art. 
Heute war die Kälte ſo heftig, daß ein in meiner Stube ſtehendes 
Glas mit Waſſer zu Eis fror. 


Sonnabend, 22. Februar. Die Kälte hielt noch ſo 
fort an. Sonſt nichts neues. 


Sonnta g, 23. Februar. Meiſter Lepner hatte mich 
geſtern zum Eſſen bitten laſſen; ich ging alſo hin zu ihm. Ganz 
angenehme Witterung. 


Montag, 24. Februar. Ich kam heute mit dem Kapi— 
tän Donop auf die Hauptwache. Nachmittags und gegen Abend 
brannte es in der Stadt, doch ohne großen Schaden zu tun. Auch 
wurde 9 Uhr abends auf eine unſerer Schildwachen geſchoſſen. Es 
war ein Neger, und wurde arretiert. Den ganzen Tag ſchneite es. 


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Dienstag, 25. Februar. Die vergangene Nacht hatte 
es ſo fort geſchneit und hörte allererſt dieſen Mittag auf. Der 
Schnee lag ziemlich hoch. Abends hielten einige Herren Offiziere 
von unſerem Regiment und Erb⸗Prinz im Grim Haus eine 
Piquet. Ich war nicht von der Geſellſchaft. 


Mittwoch, 26. Februar. Nichts neues; ganz gelindes 
Wetter. Es taute. 


Donnerstag, 27. Februar. Tau⸗Wetter. 


Freitag, 28. Februar bis 3. März. Nichts neues; 
ſehr kaltes Wetter und fror ſtark. 


Dienstag, 4. März. Kapitän Venator und ich kom— 
municierten in ſeinem Quartier. 


Mittwoch, 5. März. Ich aß mittags bei meinem Schiffs⸗ 
Kapitän auf deſſen Schiff. Helles aber kaltes Wetter. 


Donnerstag, 6. März. Kam ich auf die Wacht. Den 
Tag über regnete und ſchneite es. 


Freitag, 7. März. Kapitän Hamilton und ein anderer 
Schiffs⸗Kapitän aßen mittags bei mir. 


Sonnabend, 8.—1 0. März. Nichts neues; ſehr an- 
genehm und ziemlich warmes Wetter. 


Dienstag, 11. Mär z. Auf der heutigen Parade gaben 
mir einige Herrn Offiziere von unſerem Regiment weitläufig zu 
verſtehen, daß man Nachricht hätte, daß meine Mutter zwar nicht 
tot, doch vielleicht ohne Hoffnung zum Leben gefährlich krank dar— 
nieder liege. Lieutenant Nagell, Sr., entdeckte mir indeß bald, 
daß der Kapitän Venator mit dem vor einigen Tagen hier ein— 
gegangenen Paquet-Boot diefe Nachricht von feiner Frau Ge- 
mahlin erhalten und wie dieſer ihm verſichert, ganz gegründet ſei. 
Ein Fall der mich ungemein kränkte und unter mancherlei Um— 
ſtänden traurige Bilder mir ins Gemüt rief; doch aber weil der 
Kapitän Venator mir dies Geheimnis nicht eröffnen wollte, ich 
auch weiter nichts beſtimmteres zu erforſchen im Stande war, 
ſetzte ich in allen Sagen noch ein Mißtrauen. 


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Mittwoch, 12. März. In dieſer vergangenen Nacht 
hatte ſich der hier in York krank liegende und beim Regiment 
von Huine ſtehende Kapitän Wagener durch zwei Schnitte in den 
Hals entleibt. Die Beweggründe dieſer ſchrecklichen Tat ſind un⸗ 
bekannt. Ungemein ſchwühles Wetter, es nebelte und am Abend 
blitzte es. 


Donnerstag, 13.—1 4. Mär z. Nichts neues; ange- 
nehm und ziemlich warmes Wetter. 


Sonnabend, 15. Mär z. Weil die Witterung nunmehr 
immer wärmer zu werden anfing, wurde heute zum Exerzieren 
der Anfang gemacht. Nachmittags 3 Uhr marſchierten die Regi⸗ 
menter außerhalb der Stadt auf einige vor derſelben gelegene 
Wieſen; es wurde wie gewöhnlich Glieder weiſe exerziert. 


Sonnabend, 16. Mär z. Nachmittags 4 Uhr ritt ich zu 
Meiſter Lepner. Angenehmes Wetter. 


Sonntag, 17. März. Ein aus Heſſen mit uns anher 
gekommener Bote ging mit einigen von hier nach England gehen— 
den leeren Proviſion⸗Schiffen wieder zurück; bei dieſer Gelegenheit 
ich denn teils verſchiedene ſchon im Februar fertig liegende, aber 
aus Mangel der Gelegenheit zurück gebliebene Briefe und teils 
aufs neue geſchriebene mit nach Heſſen ſchickte, nämlich nach Gilſa, 
nach Moiſchete, an die Frau v. Stuckrad, nach Caſſel an den 
Lieut. v. Gilſa, nach Cattenbruch und Sippenhauſen. Ich kam 
den ganzen Tag nicht aus meinem Logis. Ziemlich warmes 
Wetter. 


Dienstag, 18. März. Vormittags exerzierten wir. Nad- 
mittags ritt ich ſpazieren. 


Mittwoch, 19. Mär z. Nachmittags ritt ich einige Mugen- 
blicke umher. Das Wetter war ſehr angenehm. 

Donnerstag, 20. Mär z. Den ganzen Tag regnete es. 

Freitag, 21. März. Sehr gutes Wetter. Nachmittags 
ritt ich ſpazieren. 


Sonnabend, 22. Mär z. Nichts neues, ziemlich gutes 
Wetter. 


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Sonntag, 23. März. Kapitän Gall war geſchrieben. 
Hierdurch erhielt ich die Nachricht, daß meine Mutter geſtorben 
ſei, daß mein älteſter Bruder die Frl. Caroline v. Gilſa aus dem 
Stifte Obernkirch geheiratet und deren Frl. Schweſter Charlotte 
den Stiftsplatz wieder erhalten habe. So wäre denn der Tod 
meiner lieben Mutter genügſam bekannt; traurig in Betracht ſo 
vieler Umſtände. Indeß was helfen alle Beſorgniſſe und wozu 
bie finſteren Bilder, welche der Gedanke der Zukunft zu vermehren - 
noch ſo geneigt iſt. Unbeſorgt will ich alſo alles Zukünftige, was 
ich weder voraus ſehen, noch ändern kann, dem großen Regierer 
der Welt überlaſſen. 


Montag, 24. Mär z. Nachmittags 2 Uhr ging Lieut. 
Kümell, v. Anderſon, v. Eſchwege, v. Nagell, Ir., und ich auf die 
Jagd. Lieut. Eſchwege ſchoß eine Schnepfe und ich eine Pecca- 
ſina.“ Es werden jetzt viele Schnepfen geſchoſſen, zum Teil aber 
junge und daß fie hier hecken, ijt wohl gewiß, weil Herr Oberft . 
v. Hachenberg's Jäger vor einigen Tagen eine auf ihren Eiern 
erſchoſſen. Wir fanden auf unſerer Rücktour faſt an allen Wegen 
totes Vieh liegen und das blos aus Mangel der Fourage hat um⸗ 
kommen müſſen. Überhaupt ſind gegenwärtig die Unterhaltungs⸗ 
mittel für Vieh ſehr rar, daß viele Landsleute entweder ihr Vieh 
verſchenken, oder ſelbſt tot ſtechen müſſen. Auch die Lebensmittel 
für Menſchen werden gering und kommen täglich höher im Preis. 


Dienstag, 25. März. Von morgens 8 bis 10 Uhr 
exerzierten die Regiments⸗-Kompagnien. 


Mittwoch, 2 6.—3 0. März, Ditern Nichts neues; 
ziemlich gutes Wetter. 


Montag, 31. März. Wurde ein Corps Engländer von 
500 Mann unterm Kommando des Oberſt Byrd dahier am Nord⸗ 
River embarquiert, fuhren abends von hier ab und landeten zu 
Peckskil, 30 engliſche Meilen von Pork, woſelbſt die Rebellen einige 
Magazine angelegt hatten. Die Rebellen, ganz erſchrocken über 
die unerwartete Ankunft unſerer Leute, nahmen die Flucht, nach⸗ 
dem fie hin und wieder einige Store-Häuſer in Feuer geſetzt und 


* Becaſſine, Waſſerſchnepfe. 
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verhinderten nicht, daß folgendes laut vorgefundenen Spezifika— 
tionen verbrannt und verwüſtet wurde, als: 1. 700 Fäſſer mit 
Mehl; 2. 2000 Buſchel Waizen, ein Buſchel hält 2½ deuſche 
Metzen; 3. 500 Buſchel anderes Korn für Vieh; 4. 800 Buſchel 
Buch⸗Weizen; 300 Fäſſer mit Rum; 6. 500 Stück Waffen; 7. 150 
Fäſſer mit Molaſſes Zucker; 8. 250 Fäſſer mit Mehl und Schweine- 
fleiſch. Im zweiten Store-Haus: 9. 2500 Buſchel Weizen; 10. 
10 Faß Rum; 11. 17 Fäſſer mit Pech und Teer; 12. 20 Fäſſer 
mit Schweinefleiſch. Überdies iſt noch eine Menge zerſtreut wor— 
den, was nicht eigentlich hat beſtimmt werden können. Man ſchätzt 
überhaupt den ganzen Wert der Sachen auf 70,000 Pfund Ster- 
ling. Unſere Truppen konnten von dieſen allen ſehr wenig mit— 
nehmen, denn weil hier die Rebellen nicht gar ferne noch ein 
ſtarkes Corps ſtehen hatten, durften ſie nicht lange zögern, ſondern 
alsbald nach Erreichung ihres Zweckes nach York wieder zurück— 
fahren. Bei dieſer Expedition ging kein Mann von uns verloren. 
Ich war heute auf der Wacht. 


Dienstag, 1. April. Nichts neues; rauhe Luft. 


Mittwoch, 2. April. Nichts neues, wenigſtens auf mei- 
ner Stube, was außerhalb vorgeht, kann ich um deswillen doch 
nicht wiſſen, weil ich faſt immer und in Zeit zu Hauſe bin. 


Donnerstag, 3. April. Nichts neues; den ganzen 
Tag zu Hauſe, war kaltes Wetter. 


Freitag, 4. April. Mein guter Freund Lieut. Berdot 
vom Regiment Landgrave war geſtern hier angekommen und 
logierte im Grims Haus. Ich aß mittags daſelbſt bei ihm und 
wir waren höchſt vergnügt uns zu ſehen. 


Sonnabend, 5. April. Mittags 12 Uhr wurden zwei 
zum Tode Verurteilte gehenkt, ein Soldat, der deſertiert und im 
Scharmützel mit einem Troup Rebellen zugleich gefangen genom- 
men worden; der andere war ein Matroſe und ein Dieb. Dieſe 
beide hatten ſich ungemein gut bekehrt und gingen mit vielem Mut 
ihrem Tode entgegen. Mittags mußte ich bei Berdot im Grims 
Haus eſſen. Ziemlich kaltes Wetter. 


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Sonntag, 6. April. Ich kam auf die Wacht an das 
Proviſion Tor. Lieutenant Berdot aß bei mir und ging abends 
wieder ab. | 


Montag, 7. April. Berdot war mein Gaft und wir aßen 
im Grims Haus. 


Dienstag, 8. April. Von morgens 8 bis 10 Uhr 
exerzierten wir kompagnieweiſe; ſchon ſehr warmes Wetter. Lieut. 
Berdot ging heute wieder nach Braunſchweig ab. 


Mittwoch, 9. April. Von morgens 8 bis 10 Uhr wurde 
exerziert; ſehr warm, den Nachmittag zu Hauſe. 


Donnerstag, 10. April. Das Exerzieren blieb heute 
wie geſtern. Sehr warm und faſt ſo heftig wie in Heſſen im 
hohen Sommer. 


Freitag, 11. April. Wir exerzierten wie geſtern. Nicht 
zu heiß; ich war den ganzen Nachmittag wie ſonſt zu Hauſe. 


Sonnabend, 12. April. Es wurde nicht exerziert. 
Abends 10 Uhr kam Herr Pfarrer Cöſter von unſerem Regiment 
(aber der Grenadier-Brigade ſeit einiger Zeit beigegeben) von 
Braunſchweig hier an und nahm bei mir das Logis. Weil mein 
Bett zu klein, machten wir ein Lager auf der Erde. 


Sonntag, 13. April. Ich ging in die Kirche. Herr 
Paſtor Cöſter aß bei mir. 


Montag, 14. April. Vor morgens 8 bis 10 Uhr wurde 
exerziert. Herr Pfarrer aß bei mir. 


Dienstag, 15. April. Das Exerzieren blieb von 8 bis 
10 Uhr; unſer Regiment war davon frei. Es gab heute die Wacht. 
Fähnrich v. Trott zog für mich auf die Wacht. 


Mittwoch, 16. Apriln. Nichts neues. Herr Pfarrer 
aß bei mir. 


Donnerstag, 1-7. April. Von 8—11 Uhr wurde 
exerziert und manöveriert. 


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Freitag, 18. April. Das Exerzieren und Manöverieren 
blieb heute wie geſtern. Herr Pfarrer Cöſter aß nicht bei mir. 
Abends 7 Uhr war in des Grims Haus eine kleine Luſtbarkeit. 
Meiſter Grim hatte ſichs einfallen laſſen, unſeren Herrn Landgraf 
in Lebensgröße abgemalt zu haben und ſolchen als ein Schild an 
ſeinem Hauſe zu ſehen. Der heutige Tag war zu dieſer Feierlich— 
feit beſtimmt. Das Porträt wurde ausgehängt. Man trank hier- 
nächſt noch in der Stille im Hauſe das hohe Wohlergehen unſeres 
Fürſten. Bald darauf wurde die Geſellſchaft zahlreicher; Chape⸗ 
aux“ und Damen fanden fih ein und das Picnic wurde eröffnet. 
Ich war mit von dieſer Geſellſchaft und nie gewohnt ein Sonder— 
ling zu ſein, tanzte ich, und zwar erſtlich ein Solo und hierauf 
einen Schottiſchen Driller mit zwei Nimpfen. Mit dieſem machte 
ich den Schluß und es war 8 Uhr abends, da ich wieder nach Hauſe 
ging. 

Sonnabend, 19. April. Es wurde nicht exerziert. 
Morgens 9 Uhr wurden die Kompagnie gemeſſen. Eine ziemliche 
Anzahl deſertiert. Rebellen kamen heute hier an. Nach der von 
Sr. Exzellenz Herrn General-Lieut. Howe ausgeſchriebenen Prok— 
lamation, daß nämlich alle diejenigen, ſo vor dem 1. Mai dieſes 
Jahres ſich freiwillig einfinden ſollten, wenn ſie mit Waffen 
kamen, nicht allein dieſe mit 24 Gulden das Stück bezahlt be— 
kommen, ſondern auch Dienſte oder nach Gefallen ihre vorige 
Freiheit wieder haben. Herr Pfarrer aß bei mir. Das geſtrige 
Piquet endigte ſich dieſen Morgen 5 Uhr. 


Sonntag, 20. April. Unſer Regiment gab heute die 
Wacht; ich war frei. Herr Pfarrer aß bei Herrn Oberſten v. Goſen. 
Ich ging morgens in die Kirche und war ſonſt zu Hauſe. 


Montag, 21. April. Nachmittags 1 Uhr wurden die 
hier in und außerhalb der Stadt liegenden engliſchen Regimenter 
dicht bei New York am Nord-River embarquiert. Wozu dieſe 
Truppen beſtimmt ijt noch ein Geheimnis. Die drei heſſiſchen 
Regimenter haben nunmehr allein den Dienſt hier zu verſehen. 
Regiment Erb-Pring exerzierte heute um die gewöhnliche Zeit, 
und regnete es. v. Mirbach gab die Wache. 


* Mannsperſonen. 
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Dienstag, 22. April. Von morgens 8—11 Uhr erer- 
zierte unfer Regiment. Erb-Prinz kam auf die Wache und Mir- 
bach ab; folglich manöverierten wir allein. Herr Pfarrer Cöſter 
aß bei mir. | 


Mittwoch, 2 3. Apriln. Unſer Regiment gab die Wache. 
Ich kam auch dran. Morgens 9 Uhr ging mein Gaſt Herr Pfarrer 
Cöſter wieder nach Braunſchweig. 


Donnerstag, 2 4. April. Es regnete den ganzen Tag, 
die Luft war warm und der Regen furchtbar. Den ganzen Nad- 
mittag zu Hauſe. 


Freitag, 25. April. Es wurde nicht exerziert. Sehr 
gutes Wetter; ich blieb zu Hauſe. Ich erhielt einen Brief von 
Lieut. Berdot von Braunſchweig. 


Sonnabend, 26. April. Unſer Regiment gab heute 
die Wache; ich war frei. Den ganzen Tag April-Wetter; das 
Glück nimmt oft wunderbare Wege. Ein Metzger aus Deutſch— 
land reiſte auf ſein Handwerk und das Schickſal führt ihn auch 
hier nach Amerika. überdrüßig feiner Profeſſion, wird Rebelion- 
Soldat, bringt es auch hoch und heißt gegenwärtig Herr General 


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Sonntag, 27. April. Den ganzen Tag zu Haufe. Ich 
erhielt ein Schreiben vom Lieut. Berdot, und zwar mit einer bei⸗ 
gelegten Aſſignation von 25 Johanniter, die ich zu meinem allen⸗ 
falſigen Gebrauch von ihm unerbeten annehmen ſollte. Dies 
Anerbieten hat in der Tat einen großen Zug der beſten Freund— 
ſchaft und ich würde eine Ungerechtigkeit begehen, wenn ich ſolche 
nicht als einen Beweis ſeines guten und uneigennützigen Herzens 
anſehen wollte. Indeß ſo wenig ich auch dieſe Gefälligkeit meines 
Freundes für nichts weniger als Zwang zu halten brauchte und 
obwohl dieſe Handlung eine Folge ſeiner edlen Geſinnungen war, 
jo war es gleichwohl meiner Natur völlig zuwider hiervon Ge- 
brauch zu machen, denn ferne ſei es von dieſer Seite, ſich deſſen 
zu bedienen, was nur allein ein gewiſſes Alter der Freundſchaft 
fordern darf. Ich verehre indeſſen ein ſolches Herz und freue 
mich unendlich, wenn ich ein dergleichen finden kann. 


— 99 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Montag, 28. April. Morgens 8—10 Uhr wurde exer⸗ 
ziert, und zwar wie gewöhnlich. Es war etwas kalt. Ich ſchrieb 
nachmittags an Lieut. Verdot und ſchickte denſelben die Aſſignation 
wieder zurück. | 


Dienstag, 29. April. Das Regiment v. Donop gab 
heute die Stadt⸗Wache. Ich war frei, ein guter Freund erbot 
ſich meinen Dienſt zu verrichten. Nach der Wache-Parade war ich 
ſofort nach Hauſe. 


Mittwoch, 3 0. A pril. Nichts neues; kalte und rauhe 
Witterung. Der April Monat endigte mit vielem Regen. 


Donnerstag, 1. Mai. Das am 21. April von hier ab- 
gegangene Corps beſtehend aus 1600 Mann mit ſechs Kanonen 
und unter Kommando derer Generäle Tryon und Erſkin, rückte 
morgens 6 Uhr wieder in ihre Quartiere. Dieſes Detachment, 
ſo wie ſchon gedacht, am 21. April embarquiert wurde, ging den 
Oſt⸗River hinauf und landete den 25. April, abends 6 Uhr, nahe 
bei Norwalck. Um 10 Uhr war die Landung vollendet und die 
Truppen marſchierten 25 engliſche Meilen ins Land und kamen 
ohne Widerſtand den 26. April, nachmittags 3 Uhr, zu Danbury 
an. Der übrige Tag und ein Teil des nächſten Morgens wurden 
angewandt den feindlichen Vorrat hierſelbſt zu zerſtreuen. Um 
9 Uhr morgens dieſes 27. April gingen die Truppen von hier 
wieder zurück zu ihren Schiffen und rückten von da unverzüglich 
weiter fort bis nahe bei Ridgefield, wo ſie denn allererſt ein Corps 
Rebellen antrafen, die den Paß vorerwähnter Stadt befeſtigt 
hatten, den ſie aber gleichwohl nach einem geringen Angriffe ver— 
laſſen mußten und zur Erhaltung ihrer hier ebenfalls errichteten 
Magazine nichts zu tun vermochten. Nach völliger Verwüſtung 
aller feindlicher Sachen begaben ſich unſere Truppen den 28. April, 
morgens 4 Uhr, wieder auf den Marſch, um nach Pork zurück zu 
gehen. Die Rebellen verfolgten fie auf dem Fuße nach und ſchoſſen 
unſeren Truppen in die Flanke. Arriere Garde ſehr ſtark. Da 
das Corps ungefähr nod) 1% Meile von den Schiffen Halt machte, 
fing eine Partie Rebellen von beinahe 4000 Mann, die allent- 
halben hinter den Steinmauern (wie dieſe dahier um die Acker 
gelegt zu werden pflegen) lagen, ein heftiges Feuer an. Zwei 


— 100 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Kolonnen von uns machten hierauf eine falſche Attacke auf ſie und 
während dieſer drang der General Erſkin mit einem anderen Teil 
mit gefälltem Bajonet auf ſie los und zerſtreute ſie mit einer ziem⸗ 
lichen Metzelung. Hiernächſt eilten ſodann die Truppen zu den 
Schiffen und wurden ſofort embarquiert. Der Verluſt dieſer 
Expedition der engliſchen Truppen beſtand aus 14 Gemeinen 
an Toten und 10 Offiziere und 80 Gemeine an Verwundeten. Fol⸗ 
gender Vorrat, ſo genau er beſtimmt werden kann, iſt zu Danbury 
und ſonſtigen Orten auf Connecticut zerſtreut: 1. Eine Menge 
Artillerie Zeug und Eiſen; 2. 4000 Fäſſer mit Rind- und 
Schweinefleiſch; 3. 1000 Fäſſer mit Mehl; 4. 100 große Fäſſer 
mit Schiffsbroden; 5. 89 Fäſſer mit Reis; 6. 120 Fäſſer (je 84 
Gallonen) mit Rum; 7. großer Vorrat von Waizen und Indiani⸗ 
ſchen Korn, alles in Haufen; 8. 30 Fäſſer Wein; 9. 150 Fäſſer 
Molaſſes; 10. 20 Fäſſer mit Kaffee; 11. 15 große Kiſten mit 
Medizin; 12. 10 Fäſſer mit Salpeter; 13. 1020 Zelte mit Mar⸗ 
quis; 14. eine Anzahl eiſerne Kochkeſſel; 15. eine große Anzahl 
Hoſpital⸗Betten; 16. Ingenieur, Pionier und Zimmerleute Werk⸗ 
zeug; 17. eine vollſtändige Buchdruckerei; 18. Teer und Unſchlitt; 
19. 5000 Paar Schuhe und Strümpfe. Bei Ridgefield: 20. 100 
Fäſſer mit Mehl und eine Menge Indianiſches Korn; 21. 100 
Fäſſer mit Rum; 22. viele Verſchläge mit Waffen; 23. die Feld⸗ 
Schmieden; 24. 300 Zelte. Von allen dieſen konnte wegen der 
eiligſt zu machenden Retraite nichts nach New York mitgenommen 
werden. Ein Glück für dieſes Corps, daß ſolches keinen Tag 
ſeinen Rückweg verzögerte, widrigenfalls es ohne Rettung hätte 
fein dürfen. Gleich nach ihrer Abfahrt nach Vork bekamen die 
Rebellen eine Verſtärkung von 4000 Mann. Der heutige Tag 
war ziemlich angenehm. Morgens nach Tagesanbruch ging ich 
ſpazieren und fand die Bäume faſt zum Teil in voller Blüte. 


Freitag, 2. Mai. Morgens ſehr früh ging ich ſpazieren. 
Das Wetter war ungemein gut. Unſer Regiment gab die Wache, 
ich blieb frei und war nach Parade zu Hauſe. | 


Sonnabend, 3. Mai. Nichts neues; ungemein gutes 
Wetter. Ich war den Tag über zu Hauſe und überhaupt gar nicht 
ausgegangen geweſen. 


— 101 — 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Sonntag, 4. Mai. Vormittags 10 Uhr ging ich in die 
Kirche und war ſonſt übrigens zu Hauſe. Den ganzen Tag regnete 
es feſt. 


Montag, 5. Mai. Morgens 9 Uhr marſchierte das Regi— 
ment v. Donop und v. Mirbach zum Exerzieren und mittags 12 
Uhr wieder in die Stadt. Ziemlich gutes Wetter. 


Dienstag, 6. Mai. Es wurde nicht exerziert. Die Re— 
kruten ausgenommen, welche ich vor morgens 8 bis 10 Uhr zu 
exerzieren hatte. Das Wetter war ziemlich gut und ſonſt nichts 
neues. 


Mittwoch, 7. Mai. Das Regiment v. Donop gab heute 
die Stadt⸗Wache. Ich war ebenfalls hierzu mitkommandiert. 
Den ganzen Tag nebelig und regnete abwechſelnd. 


Himmelfahrt Donnerstag, 8. Mai. Nichts neues. 
Nach Abkomen der Wache ſofort zu Hauſe. Ziemlich gutes Wetter. 


Freitag, 9. Mai. Weil es heute den ganzen Tag regnete, 
wurde nicht exerziert. Ich blieb zu Hauſe. 


Sonnabend, 10. Mai. Es wurde nicht exerziert. Das 
Wetter war wieder ziemlich gut. | 

Sonntag, 11. März Morgens 1510 Uhr wurde Qir- 
chen⸗Parade gemacht. Ich ging in die Kirche und war übrigens 
zu Hauſe. p. ^ 

Montag, 12. Mai. Das Regiment v. Donop gab bie 
Stadt⸗Wache. Ich blieb frei. Regiment Erb-Prinz und v. Mir— 
bach marſchierten morgens 9 Uhr zum Exerzieren und machten mit 
dem Feuern den Anfang; jeder Kerl bekam acht Patronen. 


Dienstag, 13. Mai. Es wurde heute nicht exerziert. 
Ziemlich gutes Wetter. 

Mittwoch, 14. Mai. Morgens 9 Uhr marſchierten Erb- 
Prinz und v. Donop zum Exerzieren. Jeder Kerl hatte acht Pa— 
tronen zu verfeuern. 

Donnerstag, 15. Mai. Wurde nicht exerziert. Gutes 
Wetter. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Freitag, 16. Mai. Weil die heutige Witterung zu übel, 
wurde nicht exerziert. 


Sonnabend, 17. Mai. Regiment v. Donop gab die 
Stadt⸗Wache. Ich blieb frei. Das Wetter war ziemlich. 


Sonntag, 18. Mai. Erſter Pfingſttag. Morgens 1510 
Uhr wurde Kirchen-Parade gemacht. Ich ging in die Kirche. Man 
hatte dieſe, wie bei uns gewöhnlich, mit lauter grünen belaubten 
Aſten beſetzt. Gutes Wetter. 


Montag, 19. Mai. Zweiter Pfingſttag. Ich ging bor- 
mittags in die Kirche; ſonſt zu Hauſe; etwas Regen. 


Dienstag, 20. Mai. Der heutige Tag war zwar nicht 
mehr gefeiert, gleichwohl aber herrſchte noch eine feierliche Stille 
und die hieſigen Einwohner der Stadt unterließen alles Arbeiten. 
Wir hatten indeß Order zu exerzieren; da es aber morgens regnete, 
wurde ſolches abgeändert. 


Mittwoch, 21. Mai. Morgens 9 Uhr marſchierte das 
Regiment v. Donop und v. Mirbach zum Exerzieren. Pro Mann 
bekam 12 Stück Patronen. Kapitän Krug exerzierte die Artillerie 
und feuerte mit den Kanonen ebenfalls. Gutes Wetter. 


Donnerstag, 22. Mai. Das Regiment v. Donop gab 
heute die Stadt⸗Wache. Ich kam auch dazu. Ungemein gutes 
Wetter. 


Freitag, 23. Mai. Während das Regiment v. Mirbach 
uns ablöſte, exerzierte Erb⸗-Prinz nur allein. Sämtliche Regi- 
menter Engländer ſowohl als Heſſen bekamen die Order, ſich 
marſchfertig zu machen. Oberſt Block hatte für einige Tage Dienſt— 
Urſachen halber dem Major v. Bieſenroth Stubenarrejt auferlegt; 
derſelbe denn dieſerwegen heute ein Verhör über ſich halten ließ. 
Indeß wurde dieſe Sache durch vieler Vermittlung dahin gelenkt, 
daß alles gütlich beigelegt werden mußte. Vortreffliches Wetter. 


Sonnabend, 24. Mai. Vormittags ½10 Uhr gingen 
wir zum Exerzieren und weil dies das letztemal, wurden die Fahnen 
mitgenommen. In der Vorſtadt mußten die Regimenter laden 
(per Mann erhält 12. Stück Patronen), hiernächſt ein jedes vor 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ſich links abmarſchieren, ſodann auf dem Exerzierplatz den Contre⸗ 
Marſch machen; in Diviſionen geſetzt, und in du colonne zu einem 
gewiſſen Point de vue marſchiert, nämlich Erb-Prinz rechts, und 
Donop links, Regiment Mirbach hielt die Stadt-Wieſen, darauf 
rechts und links ein Daploint gerichtet, zweimal mit Pelotons auf 
der Stelle, zweimal mit ganzem Bataillon; desgleichen im Rechts⸗ 
umkehren und Avanzieren ebenſo viele mal. Nach einem kleinen 
Halt wurden aus jedem Regiment zwei Bataillone formiert, einige 
Manöver gemacht, als die neue Art durchzuziehen, Brückenmarſch 
und dergleichen. Nachdem alles dies gemacht, marſchierten wir, 
da es 1 Uhr mittags war, wiederum in unſere Quartiere. Die 
Witterung ungemein gut. 


Sonntag, 25. Mai. Vormittags ging ich in die Kirche. 
Nachmittags blieb ich zu Hauſe. Sehr heißes Wetter. 


Montag, 26. Mai. Ich blieb den ganzen Tag zu Hauſe 
und verfertigte eine Relation! von unſerer Kompagnie des 1776er 
Jahres, welche ſodann an Sr. Exzellenz Herrn General-Lieut. v. 
Donop abgeſchickt werden ſollte. Mit dem geſtrigen hier ein⸗ 
laufenden Baquet-Boot erhielt ich endlich einen Brief von Sippen⸗ 
hauſen. Es war derſelbe von meiner zweiten Schweſter, die mir 
von dem Tode meiner Mutter Nachricht gab. Daß auch mein 
alter Vater bald hernach verſtorben, wurde mir von Schultz, un— 
ſerem Wagenmeiſter, hinterbracht. 


13. Vorbereitungen zum neuen Feldzug. 


Dienstag, 27. Mai. Zu der neuen und zweiten Ram- 
pagne wurden nunmehr alle Veranſtaltungen getroffen. Es gin- 
gen deshalb auch ſchon die vor der Stadt im Winterquartier ge— 
legenen zwei engliſchen Regimenter dicht der Stadt am Nord- 
River zu Schiffe. Die heſſiſchen Regimenter (nämlich die Stirnſche 
Brigade) hatten ebenfalls Order, in allem ſich zum Embarque- 
ment fertig zu halten und deren ſchwere Bagage zuſammen zu 
bringen zu laſſen und einen Offizier dabei zu beſtellen, den das 
Regiment v. Donop eben zu geben hatte. Dieſem zufolge ließ 


* Bericht. 
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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Herr Oberſt v. Goſen mich dieſen Morgen zu ſich rufen und trug 
mir dieſes Kommando auf. Ob es nun gleich meine Tour nicht 
war, auch ohne dieſem verſchiedene andere Kommandos hatte tun 
müſſen und die mir gelegentlich zu vergüten verſprochen waren, 
ſo vermochte ich jedoch durch alle meine desfalſigen Vorſtellungen 
es nicht dahin zu bringen, mich von dieſem Dienſte los zu machen. 
Die Gütigkeit, mit welcher mein würdiger Oberſt mich widerlegte, 
ſetzte meine Beſtimmung feſt. Die heutige Witterung war etwas 
rauh. 


Mittwoch, 28. Mai. Kam das Leib⸗Regiment und 
Prince Carl, auch das 63. engliſche Regiment von Rhode Island 
hier an. Nachmittags wurde Herr General-Lieut. v. Heiſter von 
Kings Bridge gemeldet, daß der im Regiment v. Wiſſebach ſtehende 
Kapitän Stöbell ſich durch einige Schnitte in den Hals entleibt 
habe, deſſen Urſache aber unbekannt ſei. Die von der Krone Eng— 
lands einem jeden Offzier verwilligte Douceur-Gelder wurden 
heute empfangen, nämlich Oberſte 100 Pfund Sterling, Oberit- 
lieut. und Majore jeder 50 Pfund Sterling, Kapitäne jeder 20 
Pfund, und Subaltern-Offigiere jeder 8 Pfund 12 P. 


Donnerstag, 29. Mai. Wurden die von Rhode Island 
hier angekommenen drei Regimenter debarquiert und mußten auf 
einem vor der Stadt liegenden großen Raſenplatz ein Lager be⸗ 
ziehen. Ich ging nachmittags hierhin und beſuchte einige meiner 
Bekannten. Gutes Wetter und nicht zu warm. 


Freitag, 30. Mai. Nichts neues. Ich blieb den ganzen 
Tag zu Hauſe, ſchrieb nach Sippenhauſen, Cattenbruch und weil 
von denen nach dem Abſterben meiner Eltern gemachten Cin- 
richtungen gar keine Nachricht erhalten konnte, ſchrieb ich auch an 
den bei meinen Eltern vormals geweſenen Verwalter Dieckmann. 
Gutes Wetter. 


Sonnabend, 31. Mai. Dieſen Morgen marſchierte das 
Regiment Prinz Carl nach Kings Bridge. Leib⸗Regiment hin⸗ 
gegen blieb vor der Stadt im Lager ſtehen und ward, weil das 
Regiment Erb⸗Prinz etwas ſchwach, der Brigade des Herrn General 
Stirns beigegeben. Sehr angenehme Witterung. 


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: Deutfh-Amerilfanifhe Geſchichtsblätter 


Sonntag, 1. Juni. Gab unfer Regiment die Stadt- 
Wachen. Ich war ebenfalls dazu kommandiert. Sehr heißes 
Wetter. 


Montag, 2. Juni. Nichts neues. Nach Ablöſung der 
Wache blieb ich ſofort zu Hauſe. Sehr warm. 


Dienstag, 3. Juni. Nachmittags 3 Uhr lief eine Flotte 
von 16 Seglern in den Hafen allhier ein. Es waren 450 heſſiſche 
und engliſche Rekruten, auch zwei Regimenter oder 1200 Mann, 
Anspachs dabei befindlich. Das Regiment Anspach hatte eine 
Kompagnie Jäger und welche mit den unſerigen gemeinſchaftlich 
logieren. Nachmittags 4 Uhr bekam ich einen ganz unerwarteten 
Beſuch. Herr Oberſtlieut. Heymell und Herr Major Hinte, welche 
von einem Spaziergang zurückkamen und eben, da es ſtark zu 
regnen anfing, vor meinem Quartier eintrafen, eilten, um dem 
Regen zu entgehen, in ein Quartier zu kommen. Ich hatte 
eben Beſuch bekommen, einen engliſchen Kapitän, den ich gelegent— 
lich hatte kennen lernen und wir beide ließen uns den Punſch 
vortrefflich ſchmecken. 


Mittwoch, 4. Juni. War des Königs von England Ge— 
burtstag; dieſenfalls geſchahen mittags 12 Uhr von Fort George 
einige Kanonenſchüſſe und hiernächſt 1 Uhr feuerten alle Kriegs- 
ſchiffe und verſchiedene Transporte. Abends 9 Uhr ſodann wurde 
die ganze Stadt allarmiert, zum Beweis, daß alle Einwohner 
wenigſtens zum Schein gut geſinnte Untertanen des Königs wären. 
Das Feuern der Schiffe, welches ich mit anſah, gab dem Auge viel 
Angenehmes. Nachdem ich von hier wieder zurückkam, verſchickte 
mich Herr General Stirn, hin und wieder der Bagage wegen, 
Beſtellungen zu machen. Etwas kalte Luft. 


Donnerstag, 5. Juni. Gleich nach Tagesanbruch ließen 
die Regimenter der Stirn-Brigade ſämtliche ſchwere Bagage in 
das Bagage⸗Haus zuſammen fahren, wo ich ſodann das weitere 
zu verſehen hatte. Morgens 5 Uhr marſchierten hiernächſt obige 
Regimenter, als Leib-—Regiment, v. Donop und v. Mirbach zum 
Embarquement, gleich dicht der Stadt am Nord-River. Der Ab— 
zug des Donop Regiments war mir, da ich nur allein zurück— 
bleiben mußte, höchſt empfindlich und rührend. Der Herr Oberſt 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


v. Gofen nahm auf die gnädigſte und freundſchaftlichſte Art Ab— 
ſchied von mir. Er gab mir ſeine während dem hier gehaltenen 
Winter⸗Quartier gehabte Wohnſtube mit verſchiedenen Möbeln 
und das mir um ſo angenehmer war, da die ganze Bagage der 
Stirn'ſchen Brigade in dieſem Hauſe gepackt lag. Auch vertraute 
er mir die Schlüſſel zu allen ſeinen Koffern an, in deren einen 
150 Stück Guinies ſich befanden. 


Verſchiedene engliſche Regimenter wurden heute ebenfalls em- 
barquiert, deren einige ſchon die vorigen Tage eingeſchifft worden. 
Nachmittags wurden die am 3. dieſes hier angekommenen Heffen- 
Jäger und Rekruten der Brigade debarquiert, verſammelten ſich 
alsbald auf dem hier in der Stadt gewöhnlichen Paradeplatz und 
wurden ſodann in Gegenwart der Herren Generäle v. Heiſter und 
v. Kniphauſen gemuſtert und die Einteilung, wie viel Mann jedes 
Regiment allenfalls haben könne, gemacht. Nach geſchehener 
Teilung bekamen ſämtliche Rekruten eine Kirche zu ihren Quar— 
tieren, ſollten aber folgenden Tages zu ihre reſpektiven Regi- 
mentern ſtoßen, weswegen Herr General Stirn mich zu den Kom⸗ 
mandeuren der Regimenter auf den Transport-Schiffen hinſchickte, 
und zwar mit der Order, daß zur Abholung beſagter Rekruten 
jedes Regiment einen Offizier, jede Kompagnie aber einen Fr. 
und zwei Gemeine den kommenden Morgen 5 Uhr nach York 
ſchicken möchten. Dieſe Beſtellung hatte viel Schwieriges, indem 
ich kein Boot gleich aufzubringen im Stande war. Indeß, nach 
vielen Umſtänden erhielt ich endlich eine Schaluppe, welche mich 
denn auf das Schiff vom Herrn Oberſten v. Wurmb brachte, wo⸗ 
ſelbſt ich wegen Dunkelheit des Abends, meinen ganzen Auftrag 
zur weiteren Beſorgung übergeben mußte, kam alſo abends 8 Uhr 
wieder zurück, tat Rapport und ging hiernächſt nach Hauſe. 


Freitag, 6. Juni. Zufolge geſtriger Order holten die 
Regimenter die ihnen zugefallenen Rekruten ab und führten ſolche 
ſobald auf ihre Schiffe, welche noch ſämtlich vor Anker hielten. 
Herr Oberſt⸗Lieut. Heymell beehrte mich dieſen Morgen mit einem 
Beſuch, wie auch Kapitän Venator, Lieut. v. Nagell, Ir., v. Lepell 
und v. Losberg. Die zwei Regimenter Anspacher wurden debar⸗ 
quiert, und bezogen auf Staten Island ein Lager. Ich befand 
mich faſt den ganzen Tag zu Hauſe. Sehr warm. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


14. Feldzug in New Jerſey. 


Sonnabend, 7. Juni. Nachmittags 2 Uhr ſegelten die 
ſeit einigen Tagen embarquierten Truppen von hier nach Jerſey 
ab, um ſich mit den daſelbſt befindlichen Haupt⸗Corps unterm Lord 
Cornwallis zu vereinigen, und ſollen nun, nach allen zu machenden 
Veranſtaltungen, auf New Jerſey die Operationen angefangen 
werden. Herr General Lord Howe, General-Lieut. v. Heiſter und 
Herr General Stirn verblieben noch in Vork. Vormittags ging 
ich in Geſchäften zu Herrn General Stirn, die übrige Zeit aber 
war ich zu Hauſe. Warmes Wetter. 


Sonntag, 8. Juni. Obige beſagte Truppen kamen zu 
Amboi an und ſchlugen daſelbſt einige Engländer von dieſer 
Stadt bei den daſtehenden Corps ein Lager auf. Die bei Amboi 
zuſammengezogenen Truppen beſtanden alſo aus dem 42., 71. 
Regiment Schotten, welches letztere drei Regimenter hält, 4., 10., 
15., 17., 23., 27., 35., 38., 40., 44., 46., 55. und 64. engliſchen 
Regiment Infanterie. Ferner aus bem 17. Dragoner Regiment, 
der Stirn'ſchen Brigade, dem kombinierten Bataillon unterm 
Oberſt v. Loos, dem Waldeck'ſchen Regiment. Beſagte Truppen 
lagerten ſich auf die Anhöhen bei dem Sund bis längſt an das 
Ufer des Rariton Flußes. 


Das Corps vom General Cornwallis beſtand aus den 2 Heſſen⸗ 
Jäger Kompagnien, 2 Bat. engl. leichte Infanterie, 2 Bat. engl. 
Grenadiere, 4 Bat. Hejfen-Grenadiere inkl. v. Köhler, 2 Bat. 
Garde, aus den 5., 7., 26., 33., 37., 49., 52. engliſchen Infanterie 
Regiment. Dieſes Corps war teils jenſeits Braunſchweig von 
Rariton, bis an Landing gelegen, wo denn die Jäger diesſeits dem 
Rariton ſtanden und die hinter ſich die zwei Bat. Garde auf der 
Anhöhe hatten, welche von da aus die Straße nach Bannington 
frei hielten. 


General Waſhington hatte jetzt ſeine Poſtierung von Eliſabeth⸗ 
town bis Bound Brock genommen und beſtand ſeine Armee aus 
ungefähr 12—14,000 Mann, welche auf denen bei Bound Brock 
aneinander hängenden Gebirgen, Blew (Blue) Mountains ge- 
nannt, ſtanden. 


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Deutſch-⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Dieſen ganzen Tag regnete es. Ich verblieb den Tag über zu 
Hauſe. Abends ging ich ins Grims Haus, trank daſelbſt eine 
Peint Schottiſche Ale und ſobald wieder in mein Logis. 


Montag, 9. Juni. Herr General-Lieut. Howe und v. 
Heiſter gingen zur Armee nach Jerſey ab. Ich ging morgens 
zum Kriegs⸗Kaſſier Schmid und empfing für meine Rommandier- 
ten die Löhnungsgelder. Übrigens war ich ſofort zu Hauſe. Den 
ganzen Tag regnete es. 


Dienstag, 10. Juni. Nichts neues; ſehr warm. Ich 
befand mich den ganzen Tag zu Hauſe. Abends 8 Uhr badete ich 
mich gleich hinter meinem Lager im Nord-Niver. 


Mittwoch, 11. Juni. Das 71. und 42. Regiment Schot⸗ 
ten mit dem kombinierten Battaillon zogen ſich nahe an Braun⸗ 
ſchweig; letzteres lagerte ſich diesſeits Braunſchweig und die beiden 
erſteren bei Bonington. | 


Die zwei Regimenter Anspachs wurden von Staten Island 
nach Amboi übergeſchickt, woſelbſt ſie ſich ebenfalls lagerten. 


Abends kam ein Transport⸗Bagage vom Leib-Regiment an, 
welche ich bei der übrigen ſchweren Bagage, jedoch beſonders, auf⸗ 
behalten ſollte. | 


Ich blieb den ganzen Tag zu Haufe, verfertigte einige Briefe, 
nämlich an Herrn Oberſt⸗Lieut. Minnigerode, Kapitän v. Eſchwege, 
Lieut. Freyenhagen und Paſtor Cöſter. Zwei erſteren ſchickte ich 
Briefe, welche vor einigen Tagen aus Heſſen anher gekommen und 
die ich zur weiteren Beſorgung übernommen hatte, bei welcher 
Gelegenheit ich denn Höflichkeit halben ſchrieb. 


Donnerstag, 12. Juni. Morgens 3 Uhr brachen Herr 
General-⸗Lieut. Heiſter und die General⸗Majore Stirn, Gray, 
Vaughan und Brigade-General Agneau mit nachſtehenden Regi- 
mentern von Amboi aus, als: Dragoner zu Fuß, Anspacher und 
engliſche Jäger, den 17. Dragoner Regiment zu Pferde, der Stirn- 
ſchen Brigade, dem 4., 44., 15., 17., 64., 38., 27., 46., 10., 23. 
und 40. engliſchen Regiment nebſt zwölf leichten 12⸗Pfündigen 
Kanonen und den Queens Lanzers, welche die Flanken deckten. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Dieſes Corps marſchierte nach Braunſchweig und lagerte ſich 
dieſeits von Beckers Mühle bis Bonington in einzelne Lagers. 
Bei dem Annähern beſagten Corps ſtieß das kombinierte Bataillon 
und die zwei Heſſen⸗Jäger Kompagnien zu dem Corps vom 
General Cornwallis hinter Braunſchweig. Die zwei Regimenter 
Anspachs, das Regiment Waldeck und 55. Regiment verblieben 
bei Amboi, um daſelbſt die Verſchanzungen, welche zur Erhaltung 
der Kommunikation zwiſchen Braunſchweig und Amboi aufge— 
richtet, zu decken. Das erſte Bat. Anspach bezog dieſerhalb links 
und längſt dem Ufer des Raritons ein Lager. Das Regiment 
Waldeck beſetzte die über Amboi an den Sund belegenen Anhöhen, 
und das 55. Regiment rückte mehr vorwärts, um die Straße nach 
Woodbridge beobachten zu können. | 


e 


Der kommandierende General Lord Home” machte bei den 
gegenwärtig auf New Jerſey jid) befindlichen engliſchen Regi- 
mentern folgende Brigade-Einteilung: 


Die 1. Brigade, unterm Oberſt-Lieut. Trelawney, beſtand aus 
1 Bat. Garde, dem 23. und 40. Regiment. 


Die 3. Brigade, Oberſt-Lieut. Markham, beſtand aus dem 
10., 27., 46. Regiment und welche beide Brigaden, nämlich 1. und 
3., General Vaughan kommandierte. 


Die 2. Brigade, Brigade General Agneau, mit dem 4., 15., 44. 
Regiment. 


Die 4. Brigade, Oberjt-Lieut. Mawhood, mit dem 17., 38. 
und 64. Regiment. 


Beide Brigaden unter Order des General-Majors Gray. 


Die 5. Brigade, General Leslie, mit dem 71. Regiment Schot- 
ten von 3 Battaillonen. 


Die 6. Brigade, General Mathiew, mit 1 Bat. Garde, 7. und 
26. Regiment. 


Alle diefe Brigaden machten die Haupt-Armee aus. 


Lord Cornwallis Corps beſtand aus nachſtehenden Regimen- 
tern: | 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


1. Brigade, Oberſt⸗Lieut. Sterling, mit dem 33. und 44. Re⸗ 
giment. 


2. Brigade, Oberſt⸗Lieut. Calder, mit dem 5., 49., 55. und 
37. Regiment. 


Ich blieb den ganzen Tag zu Hauſe und arrangierte die noch 
nachgekommene Bagage. 


Ich erhielt von Braunſchweig einen Brief, darin mir unter 
anderem geſchrieben wurde, daß vom 6. Regiment daſelbſt ein 
Spion gehenkt worden fei, der mit einem Rebellen⸗General Briefe 
gewechſelt und einen engl. Grenadier zur Deſertion verführen 
wollte. Nämlich beſagter Spion ſucht einen englild)én Grenadier 
durch ſo viele Mittel an ſich zu bringen, daß er endlich gewiß ver— 
mutet, der Grenadier ſei ſein Freund und ſein alles. Der Spion 
gibt ihm alſo einen Brief an einen General der Rebellen, und 
zwar mit dem Inhalt: Braunſchweig wäre gegenwärtig ſo ſchwach 
beſetzt, daß es nicht viel Mühe koſten würde, es einzunehmen. Und 
damit es umſo ſicherer ginge, wollte er, beſagter Spion, ſobald 
man ihm dieſerhalb zuvor Nachricht gäbe, die Stadt in Feuer 
ſetzen, und während dieſem Allarm da ſodann alles in einer ge— 
wiſſen Beſchäftigung ſich befinden würde, könnte die Attacke ge— 
macht werden. 


Der Grenadier beſaß indeß ſo viel Aufrichtigkeit, daß er dieſe 
Abſicht zeitig entdeckte und ſobald anzeigte. | 


Der Spion fol auf bie großmütigſte Art geitorben fein und 
jeinen Tod als ein feierliches Opfer der Freiheit gehalten haben; 
nämlich: Er habe noch auf der Leiter geſagt, ich ſterbe für die 
Freiheit und ich tue es gern, da meine Sache zu gerecht iſt. 


Die vergangene Nacht und dieſen ganzen Vormittag regnete es. 


Freitag, 13. Juni. Nichts neues; die heutige Witterung 
war etwas rauh, jedoch ohne Regen. Ich ſchrieb an Herrn Oberſt 
Wurmb, der letzthin angekommenen Bagage wegen. Nachmit- 
tags beſuchte ich den Lieut. Schatter und ging hiernächſt ſpazieren. 


Sonnabend, 14. Juni. In der verwichenen Nacht 
mußte die Armee bei Braunſchweig die Zelte abbrechen, und zwar 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Kolonnen formieren, mit dem Vorhaben ſich dem Feind zu nähern, 
welcher bei Boundbroock im Lager ſtand. 


Die Kolonne des Lord Cornwallis marſchierte in folgender 
Ordnung: Die heſſiſchen und Anspacher Jäger, 2 Bat. leichte 
Infanterie (welche aber 4 Kompagnien unterm Major Gray an 
den Oberſt⸗Lieut. Twiſtleton abgeben mußte). Die engliſchen 
Grenadiere, Brigade des Oberſt⸗Lieut. Sterling, Brigade des 
Oberſt⸗Lieut. Colder, die Heſſiſchen Grenadiere, das 16. Dragoner- 
Regiment, wovon aber 1 Offizier mit 16 Mann in Braunſchweig 
zurückblieb, 2 leichte 12-Pfünder unb 4 6⸗Pfünder Kanonen. 


Kolonne des General Heiſter mit den Generälen Stirn, 
Vaughan, Gray, Brigade-General Agneau und Lesly, diefe folg- 
ten jener Kolonne mit 4 Komp. leichte Infanterie unterm Major 
Gray. Die leichte Infanterie Komp. der Garde und der engl. 
Jäger Kompagnie und ſämtlich unter Order des Oberſt-Lieut. 
Twiſtleton. 1 Corps Pioniere, Brigade des Oberſt-Lieut. Tre⸗ 
lawney. Brigade Stirn. Die 2., 4., und 3. Brigade, welche 2 
leichte 12-pfündige und 8 6⸗pfündige Kanonen bei ſich führten. 
Das 17. Dragoner Regiment zu Pferde und zu Fuß. 


Die Brigade des General Lesly machte die Tete, und folgte 
gleich auf die Kolonne des General Cornwallis. 


Die Regimenter ließen Zelte und Bagage zurück und durften 
nur zwei Wagen per Bataillon mitnehmen, um die Proviſion der 
Offziere nachzufahren, welche a la Tete jeder Brigade waren. 


Außer dieſen Wagen hatte die Armee noch 300 andere, die 
mit Salzfleiſch und Rum beladen waren und welche zwiſchen der 
Kolonne fuhren. 


| Der Brigade-General Mathiew verblieb mit dem 7. englifden 
Regiment, dem kombinierten Bataillon und bem Köhler'ſchen Gre- 
nadier-Bataillon zurück, Braunſchweig zu bedecken. 


Am geſtrigen Abend 11 Uhr ſetzte ſich alſo die Armee nach 
vorbeſchriebener Ordnung in Bewegung und marſchierten auf dem 
Weg nad) Princetown, woſelbſt auf zwei Stunden Halt gemacht 
werden mußte, ehe alles in gehörige Verfaſſung kam. Hiernächſt 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


wurde indeß der Marſch weiter fortgeſetzt. Und weil der Feind 
die Brücke bei Kingſton und die bei Roky Hills über den Milſton 
River gemachte Brücke abgebrochen hatte, mußte ſich die erſte 
Kolonne ſich mehr rechts ziehen und den Weg über Midlebuſch 
nach Hillsborough nehmen, woſelbſt ſie denn auch nach einem 
Marſch von ſieben Stunden dieſen Morgen 10 Uhr ungehindert 
ankam und ſich dergeſtalt lagerten, daß deren rechter Flügel an 
den Millſton River ſich erſtreckte und ſodann über Hillsborough 
gleichſam einen Haken formierte. Kapitän v. Wreeden mit der 
erſten Jäger Kompagnie und einem Teil Anspacher Jäger wurden 
vorwärts, wo der Haken anfing, und Kapitän Ewald mit den 
übrigen Jägern links zur Deckung dieſer Flanke poſtiert. 


Die Piquets dieſer Kolonne formierten die Chains des Smi- 
ſchenraums beider Jäger-Kompagnien und dehnten fid bis an 
das Ufer des Millſton River aus. 


Die Feinde hatten in dem Walde, der vor dieſer Kolonne lag, 
ſtarke Detachments; ſie zogen ſolche gegen ein links ſtehendes 
Haupt⸗Piquet, von welchem wieder rechts und links Offiziere mit 
30 Mann detachiert waren. Gegen dieſe zwei Poſten verſuchte der 
Feind mit ungefähr 200 einen Angriff und weil beſagte Detach⸗ 
ments in Gefahr ſtanden abgeſchnitten zu werden, zogen ſich ſelbige 
etwas zurück, wo denn alsbald der Kapitän vom Haupt-Piquet 
zur Unterſtützung vorrückte und die Rebellen wiederum zurück 
tieb. Zwei Grenadiere vom Minnigerode Bataillon wurden 
hierbei verwundet. 


Die zweite Kolonne zog ſich, wo ſich der Weg nach Hills— 
borough ſchneidet, nach Midlebuſch in Sommerſeth County, daſelbſt 
ſich der linke Flügel über dieſen Ort ausdehnte, allwo das Garde⸗ 
Bataillon mit der leichten Infanterie und der engliſchen Jäger⸗ 
Kompagnien in Gefahr, nach der Straße nach Braunſchweig. 
Regiment v. Donop und v. Mirbach hatte mit dieſen eine gerade 
Linie. Leib⸗Regiment formierte bis zu dieſer Straße einen ftum- 
pfen Winkel, welcher von den engliſchen Regimentern bis zum 
64. Regiment fortgerückt ward, welches die Flanke machte, die 
zweite Linie mit der erſten verband und die Front nach Prince- 
town hatte, welche denn wieder über Midlebuſch durch das 71. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Regiment Schotten, hinter welchem das 17. Dragoner Regiment, 
die Artillerie, das Ingenieur und Pionier Corps ſtand, und mit 
der erſten Linie verbunden wurde, mithin dieſe Kolonne ein un⸗ 
gleichſeitiges Fünfeck formierte. Außer dieſen war das 4. Regi⸗ 
ment auf der Straße nach Boundbrood fo poſtiert, daß der linke 
Flügel das Leib⸗Regiment fid) verband und einen Haken aus- 
machte. 


Die engliſchen Jäger mit der leichten Infanterie deckten die 
linke Flanke und diejenigen des 4. Regiments, zwiſchen welchen 
die Piquets der übrigen Regimenter der erſten Linie ſich ver— 
banden, deckten die rechte Flanke. 


Die Piquets des 6. Regiments und derer von der anderen 
Linie wurden, wie ſie gelagert waren, eine halbe engliſche Meile 
vor ihrer Front angeſtellt. 


Dieſen Morgen 8 Uhr ging ich zu Herrn Major Bauermeiſter 
und trank daſelbſt den Thee. Hiernächſt machte ich Herrn Oberſt— 
Lieutenant v. Cochenhauſen meine Viſite, und ſodann von da nach 
Hauſe. Um 5 Uhr gegen Abend beſuchte ich den Meiſter Lepner 
und trank den Thee bei demſelben. Nachdem ich mich einige Augen— 
blicke hierſelbſt aufgehalten hatte, ging ich in das Erb-Prinz Lager, 
wo ich bis zur Dämmerung verblieb. Im nach Hauſe gehen ſprach 
ich beim Doktor Eskuchen an, bei welchem ich in Geſellſchaft ver— 
ſchiedener unſerer Geiſtlichen und einem Anspacher Doktor zu 
Abend aß. Und da es 10 Uhr war, befand ich mich wieder in 
meinem Quartier. Ziemlich warmes Wetter. 


Sonntag, 15. Juni. Eine Jäger⸗-Patrouille, welche 
dieſen Morgen einige vor ihrer Front liegende Häuſer durchſuchen 
ſollte, ob ſich etwa in ſelbigen Rebellen aufhielten, wurde, da ſie, 
die gedachte Patrouille, vor die Häuſer ankam, von einem aus 

denſelben ſtürmenden feindlichen Trupp von ungefähr 200 Mann 
angegriffen, jedoch aber vermittelſt einer Unterſtützung von den 
Jägern wieder in den Wald zurück getrieben. Unſere Patrouille 
hatte hierbei einen bleſſiert, einen gefangen und einen Feldſcheer 
verwundet. 

Weil die Armee in ihrer Stellung verblieb, und nicht weiter 
vorrückte, mußte aus dem Lager der Gegend Midlebuſch ein 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Detachment von 140 Mann vom 40. Regiment zwei Kompagnien 
vom 17. Dragoner Regiment und der engliſchen Jäger Kompagnie 
mit 100 Wagen nach Braunſchweig abgehen, um von daher für die 
Armee Proviſion zu holen. 


Morgens ging ich in die Kirche und da ſolche 10 Uhr geendigt 
war, machte ich Herrn Oberſt Block mein Kompliment, der dieſen 
Morgen, ſeiner ſchwächlichen Umſtände halber, von Jerſey anher 
gekommen war. 


Nachmittags 3 Uhr beſuchten mich Doktor Eskuchen und Paſtor 
Hausknecht, tranken den Kaffee bei mir und bald hiernach ver— 
ließen fie mich wieder. Sobald dieſe Herren abgegangen waren, 
kamen zwei Offiziere, ein Schottiſcher und ein Kapitän vom Kriegs⸗ 
Schiff, dieſen letzteren hatte ich nie geſehen und geſtern nur einige⸗ 
male auf der Straße im Vorbeigehen geſprochen. Da derſelbe 
aber, wie alle ſeine Landsleute gegen uns Heſſen ſehr freundſchaft⸗ 
lich dachte, wollte er auch mich hiervon beſonders überzeugen und 
führte jenen Kapitän, welcher ebenfalls ein ſchottiſcher Lieutenant 
war, mit ſich. Wir tranken einige Boutellen Wein und gegen 
Abend befand ich mich ſodann wiederum allein. Den ganzen Nach⸗ 
mittag regnete es und ziemlich ſtark. 


Montag, 16. Juni. Auf Jerſey blieb alles ruhig und 
in der Poſtierung unverändert. 


Unter einer ſtarken engliſchen Bedeckung gingen heute aber- 
mals 100 Wagen nach Brannſchweig ab, daſelbſt für die Armee 
Proviſion zu empfangen. 


Von 2 bis 3 Uhr ging ich dieſen Nachmittag ſpazieren, übri⸗ 
gens war ich ſofort zu Hauſe. Um 4 Uhr nachmittags fiel ein 
ſchreckliches Donnerwetter ein und hielt ſolches unter dem ſtärkſten 
Regenguß über drei Stunden an. Es ging indeß ohne Schaden 
zu tun hiernächſt glücklich vorüber. 


Dienstag, 17. Juni. Auf Jerſey befand ſich unſere 
Armee noch immer in der vorigen Lage und war alles ganz ruhig. 

Geſtern Abend ſpät lief ein Paquet⸗Boot ein, und hatte viele 
heſſiſche Briefe mitgebracht; allein obgleich fait ein jeder Briefe 
erhielt, war ich dennoch nicht ſo glücklich einen zu erhalten. 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Diefen Abend ſpät lief ein Transport Heſſen-Jäger ein, wo- 
von aber ein Schiff mit 60 Jägern in feindliche Hände gefallen 
war. Ziemlich gutes Wetter. Ich war den ganzen Tag zu Hauſe. 


Mittwoch, 18. Juni. Mit Anbruch des Tages zog ſich 
ein feindliches Corps nach der linken Flanke des Cornwallis'ſchen 
Corps. Das vorwärts ſtehende Heſſiſche Grenadier Piquet ſchickte 
alsbald eine Patrouille aus, den Feind zu rekognoszieren; kaum 
hatte ſich aber dieſe Patrouille dem vor unſerer Front liegenden 
Wald genähert, drangen die Rebellen mit einer beträchtlichen 
Macht aus demſelben vor und hätten unſer Piquet beinahe um— 
ringt, wenn nicht eine Jäger-Kompagnie mit ihren Amuſetten un- 
verzüglich zu Hilfe gekommen wäre und durch deren Feuer den 
Feind weiter vorzurücken abgehalten hätte. Die Rebellen flüch⸗ 
teten alſo in den hinter ſich habenden Wald und wir hatten zwei 
Offiziere, einen Gemeinen tot, drei Grenadiere und zwei Jäger 
bleſſiert, welche letztere der Feind gefangen machte. Außerdem 
verblieb die Armee ganz ruhig. 


Nachmittags ging ich einige Augenblicke in die, Stadt, und 
zwar nach einigen Wachen, welche heute das Regiment Erb-Prinz 
beſetzt hielt. Die übrige Zeit war ich zu Hauſe. Mittags 12 Uhr 
ſegelten die vorgeſtern hier angekommenen Heſſiſchen Jäger, 300 
Mann, nach Jerſey ab. 


Donnerstag, 19. Juni. Weil der Feind die bei 
Bound Brock ſogenannten Blew⸗Montains beſetzten Gebirge nicht 
verlaſſen, auch auf keinerlei Art ſich mit uns einlaſſen wollte und 
da ohne den ſchrecklichſten Verluſt gegen den Feind in ſeiner der— 
maligen Poſtierung nichts unternommen werden konnte, ſo ver— 
ließ unſere Armee ihre Poſition, um ſodann anderweitige Ver— 
ſuche zu machen. Dieſenfalls mußte die Armee mit S'agesanbrud) 
aufbrechen unb fih in zwei Kolonnen ſetzen. 


Die Kolonne des General-Lieutenant Heiſter machte die Tete 
und ſetzte ſich eine Stunde eher als jene in Marſch. Das 23. und 
40. Regiment aber mußten zuvor bis halben Weges nach Braun- 
ſchweig marſchieren und daſelbſt Poſto faſſen. 


— 116 — 


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Die leichte Infanterie mit den engliſchen Jägern, unter Order 
des Oberſt⸗Lieut. Twiſtleton, deckten die rechte und das 71. Regi- 
ment die linke Flanke. Die Kolonne ſelbſt aber marſchierte in 
folgender Ordnung: Die Grenadier-Kompagnie der Garde, das 
Garde Bataillon, 3. Brigade, 4. Brigade, 2. Brigade, an dieſe 
letztere jene beiden Regimenter, nämlich das 23. und 40., nachdem 
die Kolonne bis dahin angerückt, ſchloſſen die Stirn-ſche Brigade 
mit der Kavallerie und ſämtlichen Piquets. 


Die Bagage⸗Wagen marſchierten a la tete ihrer Brigaden; 
und die Munitions- nebſt den Proviſions⸗Wagen teils a la tete 
der Kolonne, teils neben derſelben gleich an der rechten Flanke 
des leichten Corps unterm Oberſt⸗Lieut. Twiſtletons. Nach einem 
halbſtündigen Marſch machte die Kolonne ſo lange Halt, bis die 
7. an fie ſchloß, bei der die Brigade des Oberſt⸗Lieut. Sterling 
beide Flanken deckte. 


Die Brigade des Oberfi-Lieut. Calders formierte die Tete, ihr 
folgten die Heſſiſchen Grenadiere, dieſen die engliſchen Grenadiere, 
ſodann die engliſche leichte Infanterie mit, den Heſſen⸗Jägern, 
welche denn die Arriere Garde machten. Die Wagen wurden wie 
bei jener Kolonne eingeteilt. 


Bei dem Rückzug dieſer beiden Kolonnen ließ ſich der Feind 
hin und wieder mit kleinen Detachments ſehen, feuerte auch, jedoch 
ſehr entfernt, auf die Arriere Garde; allein gleichwohl wagte er 
nichts weiter und die Armee kam ungehindert bei Braunſchweig an. 


Die Kolonne des Generals v. Heiſter ging bis auf die Stirn'ſche 
Brigade bei Braunſchweig über die von uns über den Rariton 
erbaute Brücke und lagerte fid) von Bonington, wo das 1. Garbe- 
Bat. ſein Emplacement erhielt, bis Beckers Mühle. Die Stirn- 
ſche Brigade paſſierte bei Landing die Brücke und lagerte ſich 
jenſeits dieſes Ortes auf den Anhöhen. Die Kolonne des Lord 
Cornwallis lagerte ſich teils diesſeits, teils jenſeits Braunſchweig 
und die Jäger faſten neben der Stirn'ſche Brigade auf dem Wege 
nach Boundbrook Poſten, und zwar ſo, daß ſolche den Rariton auf 
ihrer linken Flanke hatten. 


— 117 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 
| 


In New Yorf nicht neues, gutes Wetter und ziemlich heiß. 
Nachmittags ging ich einige Augenblicke an den Nord-River fpa- 
zieren und war ſonſt die übrige Zeit zu Hauſe. 


Freitag, 20. Juni. Auf Jerſey verhielt ſich alles ruhig 
und ließ ſich weiter nichts vom Feind ſehen, als einzelne Truppen, 
welche ſich unſeren Piquets ſehr entfernt näherten, die zuſammen— 
hängend diesſeits des Raritons hinter den Jägern auf einige bun- 
dert Schritte von den Feldwachen bis nach Bonington ausgeſetzt 
waren. 


Die Munitions-Wagen mit den Pontons und Flachbooten 
gingen unter Bedeckung des 31., 38., 52. und dem 17. Dragoner 
Regiments nach Amboi. Die Kranken wurden ſämtlich nach 
Braunſchweig transportiert, um ebenfalls und mit denen hier 
liegenden Schiffen nach Amboi abzyfahren. 


Nach dem Mittagseſſen ging ich eine Stunde weit den Oſt— 
River hinauf und weil es ziemlich heiß war, badete ich mich; hier— 
nächſt aber, 4 Uhr nachmittags, befand ich mich wiederum zu 
Hauſe. 

Dieſen Nachmittag hatten boshafte rebelliſch Geſinnte ganz 
nahe an meinem Logis in einem von Stroh, Holz und dergl. auf— 
geworfenen Haufen Feuer angelegt, das nach ihrer Meinung zwar 
allererſt bei Nachtzeit ausbrechen ſollte, allein durch ein in dem 
Haufen. zu ſtark angelegtes brennendes Material frühzeitig ent— 
deckt und durch meine Leute gelöſcht wurde. 


Sonnabend, 21. Juni. Auf Jerſey verhielt ſich alles 
ruhig und die Armee verblieb noch ſo fort bei Braunſchweig in 
ihrer Stellung, ausgenommen das Grenadier-Bataillon Köhler 
marſchierte dieſen Morgen nach Amboi. 


Dieſen Morgen 5 Uhr ging ich an den Nord-River eine 
Stunde ſpazieren und hiernächſt nach Hauſe. Vormittags 9 Uhr 
machte ich Herrn Oberſt v. Hachenberg in deſſen Lager mein Kom— 
pliment. Um 4 Uhr nachmittags beſuchte ich einige Augenblicke 
den Kapitän Kümell, der, weil das Erb-Prinz Regiment heute 
die Stadtwache gab, die Hauptwache hatte; übrigens immer zu 
Haufe. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Sonntag, 22. Juni. Weil des Feindes Poſtierung zu 
vorteilhaft und dieſerwegen ganz unwahrſcheinlich war, die vor— 
habenden Okkupationen auf New Jerſey fortſetzen zu können, ſo 
beſchloß der kommandierende General Lord Howe ſich von da 
weg zu begeben. Um deswillen mußte die Armee dieſen Morgen 
4 Uhr die Gegend von Braunſchweig verlaſſen und ſich nach Amboi 
ziehen, in der Abſicht, von da aus mit den Truppen alsbald nach 
Staten Island überzugehen, allwo ſodann ſelbige zu einer anderen 
Beſtimmung eingeſchifft werden ſollten. 


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Aus meinem Leben während der Gefangenſchaft unter den 
Conföderierten in Texas. 


Von Otto Rein,“ 
Private of Battery G, 5. U. S. Artillerie. 


Mitgeteilt von Profeſſor Dr. Adolf Rein, Univerſität Hamburg. 


Da ich glaube, daß es den Leſern nicht unintereſſant ſein wird 
zu erfahren, wie ich in die Hände der Rebellen fiel, ſo will ich 
hier, bevor ich zum eigentlichen Thema übergehe, erſt ganz kurz 
unſeren Marſch durch das nordweſtliche Louiſiana und ſchließlich 
den Platz meiner Gefangennahme, die Schlacht an der Sabine, 
Groß-Roads oder kurz geſagt: Schlacht bei Mansfields berühren. 


Es war Anfang März 1864, als unſere jo glorreiche (2) 
Expedition unter Anführung der beiden ſo berühmten General— 
majore Franklin und Banks — erſterer berühmt durch ſeine offen— 
baren Sympathien für den Süden, letzterer (ein übrigens ſonſt 
bekannter Staatsmann und Bürokrat aus Maſſachuſetts) durch 
feine fabelhaften Buder- und Baumwolle⸗Spekulationen von 
New Orleans und Franklin, einem ſehr niedlichen Städtchen an 
der Bayou Teche und Hauptquartier des 19. Armeekorps, auf⸗ 
brach. Dieſe Expedition galt zunächſt der ſtark befeſtigten ſüd⸗ 
lichen Stadt Shreveport am Red River, dem letzten Bollwerk der 
ſüdlichen, reſp. Texasarmee im Staate Louiſiana, und nach Ein— 
nahme dieſer Stadt, einem kleinen Zuge nach dem nordöſtlichen 
Texas, ich will gleich ſagen, den beiden Städten Marſhall und 
Tyler, als Arſenalen der ſüdlichen Armee. Leider bekamen wir, 
d. h. unſere Armee, dieſe Städte niemals zu ſehen, nur ein kleiner 
Teil derſelben erlebte es, und dieſer in der bejammernswerten 


* Otto Rein ift 1839 in Eiſenach geboren; er hat in Weyenſtephan 
und in Jena Landwirtſchaft ſtudiert. Im September 1862 wanderte er 
nach Nordamerika aus. Er nahm am Bürgerkrieg teil, worüber die obigen 
Aufzeichnungen aus der Gefangenſchaft berichten. Später iſt er Farmer 
in White Plains, N. Y., geweſen und dort 1903 geſtorben. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Lage von Kriegsgefangenen; unter ihnen auch ich. Hätten an 
der Spitze dieſer ſo unglücklichen Expedition tüchtige Generale 
als Kommandeure geſtanden, ſo war es ein Ding der Unmög⸗ 


lichkeit, daß dieſelbe ſo unglücklich für uns ausfiel, und ich glaube, 


daß während der ganzen Dauer dieſes Bürgerkrieges keine Ex⸗ 
pedition ſo glanzvoll, möchte ich ſagen, ausgeſtattet war, wie dieſe. 
Zu gleicher Zeit mit der Banks'ſchen Armee von New Orleans 
aus, zunächſt längs der Bayou Teche, dann von Alexandria aus 
längs des Red River immer im Schutze einer gewaltigen, durch⸗ 
weg eiſengepanzerten Flotte (einige 20 ſchwimmende Batterien, 
Kanonenboote und kleine Monitoren) operierte von Norden her, 
aus Arkanſas aufbrechend, von ſeinem Winterquartier Little 
Rock, zwar nur mit einer kleinen, etwa 6—8000 ſtarken, aber 
feldtüchtigen, langgedienten Armee, einer unſerer tiidjtigiten 
Generäle, Generalmajor Price. 


Unſere, reſp. Banks' Armee, ſammelte ſich alſo, wie ſchon er- 
wähnt, in Franklin an der Bayou Teche. Von hier aus bewegte 
ſich dieſelbe, mit etwa fünf reitenden Batterien voraus, zunächſt 
immer längs der Bayou nach New⸗Town. Während nun bie. 
Armee von der Bayou Teche abging und durch die Prärien über 
Vermillion und St. Martinsville, die Känguruh-Bayou über⸗ 
ſchreitend nach Opelouſas, und von da nach Alexandia gelangte, 
ritt die Avantgarde in ſtarken Märſchen, die Arrieregarde der 
Rebellen immer vor jid) herjagend, immer längs der Bayou über 
Opelouſas, Little Waſhington, (bei dieſer Stadt die Bayou über- 
ſchreitend) gleichfalls nach Alexandria, einer ſchönen und vor dem 
Kriege ſehr belebten Stadt, am Red River gelegen. Als wir in 
dieſe Stadt einrückten, während unſere Kanonenbootflotte ſtolz 
einhergeſchwommen kam auf dem beſagten Roten Fluß, an den 
Maſten das Sternenbanner der United States entfaltend, ver— 
ließen auf der anderen Seite die Rebellen in größter Eile die 
Stadt. 


Bevor ich jedoch weitererzähle, glaube ich einſchalten zu müſſen, 
daß ich das Vergnügen hatte, als Freiwilliger zu der Avantgarde 
zu gehören, und zwar zu einer der reitenden Batterien, nämlich 
Batterie G (7. Batterie) des 5. regulären U. S. Artillerie-Re- 
gimentes, welche der erſten Brigade der Kavallerie-Diviſion (kom⸗ 


— 121 — 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


mandiert von einem Brigade-General, namens Lee, einem, wie 
man ſagte, ſehr befähigten jungen Manne), zugeteilt worden war. 
Dieſe Brigade beſtehend aus Batteries, zwei Miſſouri, dem 18. 
New Yorfer- unb einem New Hampſhire Kavallerie-Regiment, 
wurde von einem Colonel namens Robertſon, einem Miſſourier 
und äußerſt tapferem Manne kommandiert. Nachdem wir, gefolgt 
von zwei Brigaden Infanterie des 16. Armeekorps, welche auf 
einigen Transportſchiffen unter dem Schutz der Kanonenbootflotte 
den Roten Fluß heraufgekommen waren, die Stadt in Beſitz ge- 
nommen, (welche übrigens gänzlich von den Bürgern verlaſſen 
war und nur noch einige Neger als Bewohner hatte), hatten wir 
eine kurze Raſt in den Straßen der Stadt, die jedoch ſehr un— 
erfreulich war, denn ein ſtrömender ſüdlicher Frühjahrsregen 
ergoß ſich über uns Armſte und unſere armen Pferde, die durch 
eine Parforcejagd von einigen Meilen mit Schaum bedeckt waren. 
Wir waren von den Pferden abgeſtiegen und ſtanden, ſie an den 
Zügeln haltend, teils in unſere Mäntel, teils in Indian-Rubber— 
decken gehüllt, unter dem Schutze der Veranden, welche in allen 
ſüdlichen Städten vor den Häuſern angebracht ſind, und warteten 
auf das Signal zum Aufſteigen; denn daß wir einen weiteren 
Marſch vor uns hatten, bewieſen uns die am frühen Morgen vom 
Quartiermeiſter ausgegebenen Rationen auf zwei Tage, ſowie die 
auf die Kanonen und Munitionswagen gepackten Säcke voll Hafer 
für unſere Pferde. Plötzlich ertönt erſt das Brigade, dann das 
Zeichen der Batterie zum Fertigmachen und nach dem Kommando: 
„Mounted“! jagten wir in völliger Karriere, von den Klängen der 
verſchiedenen Infanterie-Regiments-Hörnern verfolgt, durch die 
Straßen der Stadt, wie es hieß, auf eine kleine Rekogniszierung, 
da die Rebellen dicht vor uns ſeien. Unſer kleines Korps beſtand 
aus zwei Brigaden Kavallerie, meiner Batterie und einigen Re— 
gimentern „Mounted“ (berittenen) Infanterie, welche uns ſtets 
ſehr gute Dienſte leiſteten. Anfangs ging der Weg längſt des 
Red River, doch ſchon kurze Zeit nachher bogen wir von dem bis- 
herigen Wege ab, und durch das flache Feld, dem Landwege 
folgend, galopierten wir, an herrlichen Plantagen und Farmen 
vorüber; die überall brennende Baumwolle, Haufen und Preſſen, 
die einen ſchändlichen Geſtank verbreiteten, bewieſen uns den 


— 122 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


eiligen und eben erſt erfolgten Rückzug der Rebellen, welche, da 
ſie die Baumwolle nicht hatten forttransportieren können, nicht 
geſonnen waren, dieſelbe in die Hände unſeres Baumwolleſpeku⸗ 
lanten G. M. Banks fallen zu laſſen. Nachdem wir auf einer 
Jagd von etwa 30 Meilen mehrere Pferde und Leute, die der 
Nachtrab der Rebellen aus dem Hinterhalt erſchoſſen hatte, ver- 
loren hatten, machten wir auf einem großen, freien ehemaligen 
Zuckerrohrfelde Halt, in Front eine kleine Bayou (den Namen 
habe ich leider vergeſſen), mit einer etwas zerbrechlichen Holz⸗ 
brücke darüber und jenſeits derſelben ein ziemlich ſteil abfallender 
Hügel mit Nadelholz bewachſen. Doch nicht lange ſollten wir in 
Untätigkeit bleiben; die Rebellen hatten ſich nämlich ganz unber- 
mutet auf der Spitze des Hügels, der mit einem ſchönen, weithin 
ſichtbaren, weißen Hauſe gekrönt war, geſtellt. Wie ſtark ſie 
waren, wußten wir ſelber nicht, ſie empfingen uns, d. h. die in 
Front reitende Kavallerie, aus freiem Himmel mit einem Hagel 
von Kartätſchen und Bomben, welche jedoch hoch über uns Hin- 
wegflogen; ſie hatten nämlich eine ganze ſechs-pfündige Batterie, 
die 1. Texas Batterie, welche bei uns durch ihre Tüchtigkeit in 
gutem Renomee ſtand, auf die Spitze des Hügels an der rechten 
Seite des weißen Hauſes aufgeſtellt. Nach verſchiedenen, jedoch 
vergeblichen Verſuchen unſererſeits, den Hügel im Sturm zu 
nehmen, eine Sache der Mounted-Infanterie, welche, von den 
Pferden abgeſtiegen, mußte mit aufgepflanzten Bajonetten jetzt 
Infanteriedienſt tun, während meine Batterie, die ziemlich nahe 
der Bayou aufgefahren war, ein unaufhörliches Bombardement 
des Hauſes und der daneben in Poſition gebrachten feindlichen 
Batterie fortſetzte, leider mit wenig Erfolg, da der Hügel zu hoch 
war, um mit der nötigen Sicherheit ſchießen zu können. Wir 
verſuchten ein anderes, für uns glückliches Manöver; nämlich, 
unſer Korps in zwei Teile teilend, überſchritten wir die Bayou, 
und während ein Teil mit der Hälfte der Batterie die Rebellen 
von der Front her beſchäftigte, ſuchte der andere Teil, und bei 
dieſem leider meine Sektion (3. und 4. Geſchütz), dem Feind in 
den Rücken zu kommen und ihm ſo den Rückzug abzuſchneiden. 
Auf bodenloſen Wegen mit unſeren ſchweren Zwölfpfündern, 
Schritt für Schritt durch den Wald vorrückend, unter fortwähren⸗ 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


dem Regen, gelangten wir endlich nach unſäglichen Mühen und 
Anſtrengungen, der Spitze des Hügels, welchen der Feind inne 
hatte, gerade gegenüber, auf einen etwas höheren Punkt, mitten 
im Pinienwalde liegend, ohne alle Ausſicht. Da die Nacht ein- 
brach, konnten wir nichts mehr machen und, unſeren Pferden die 
Zäume abnehmend und die Futterbeutel anhängend, ſtanden wir 
Soldaten mit triefenden Kleidern, vor Kälte und Näſſe zitternd, 
ohne ein Feuer anmachen zu dürfen (denn der helle Schein des— 
ſelben hätte uns ja verraten) um die Geſchütze herum, unſer 
kaltes Abendbrot aus gekochtem Schweinefleiſch mit Crakers (einer 
Art Schiffszwieback) beſtehend, verzehrend. In der Nacht, es 
mochte gegen 2 Uhr fein, erſchreckte uns plötzlich furchtbares Ge- 
heul, doch wie ſehr erſtaunten wir, als die Nachricht kam, unſere 
brave Miſſouri⸗Kavallerie hat das Loſungswort der feindlichen 
Vorpoſten erlauſcht, dann, die ganze Vorpoſtenlinie ablöſend, das 
in tiefer Ruhe liegende Rebellenlager überfallen und alles, Xn- 
fanterie und Artillerie, zu Gefangenen gemacht. Ein ungeheurer 
Jubel unſererſeits brach nun los, und ſofort große Feuer an- 
zündend, wurde gleich Kaffee gekocht und die Kleider, um das 
Feuer herumſtehend, getrocknet, ſodaß wir bald alle überſtandenen 
Mühſeligkeiten vergeſſen hatten und uns wieder recht behaglich 
fühlten, zumal als der ewige Regen etwas nachließ. Zum Schlafen 
kam man natürlich nicht, und kaum brach der Morgen an, ſo blies 
der Trompeter das Zeichen zum Fertigmachen und kurze Zeit 
darauf zum Abmarſch. Unterwegs ſtießen dann auch bald ein- 
zelne kleine Trupps Rebellen, von unſerer Kavallerie begleitet, zu 
uns, und als wir gegen Mittag, die Bayou überſchreitend, an 
unſerem alten Standpunkt ankamen, ſahen wir den Reſt der Ge⸗ 
fangenen (ein vollſtändiges Regiment Infanterie mit Bagage— 
wagen, Ambulanzen uſw.) aufgeſtellt, ebenſo die feindliche Bat- 
terie, jetzt von unſeren Leuten bedient, aufgefahren. (Es war 
eine wirklich ſchöne Batterie mit ſtarken großen Pferden und von 
einer ſchönen Mannſchaft bedient.) 


Unſere Gefangenen nun in die Mitte nehmend brachen wir 
auf und ziemlich ſcharf marſchierend, gelangten wir gegen Anbruch 
der Nacht nach Alexandria, wo wir ins Lager gingen, während 
die Gefangenen gleich in Transportſchiffe kamen und nach New 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Orleans geſchafft wurden. So endete dieſe kleine zweitägige 

Rekognoszierung mit dem Gefecht in den Pine Woods, oder auch 

am weißen Hauſe, zu unſerer großen Zufriedenheit, beſonders als 
wir unſeren Lagerplatz erblickten. 


Anderen Morgens, ich war eben im Begriffe mit einigen 
Deutſchen meines Geſchützes ein Zelt aufzuſchlagen, erhielt ich 
plötzlich die Ordre, mein Pferd zu ſatteln, abermals für zwei 
Tage Rationen zu faſſen und mich mit zwei anderen der Batterie 
in Alexandria bei dem Quartiermeiſter-Depot zu rapportieren. 
Nachdem wir, (ich hatte zuvor einen vergeblichen Verſuch gemacht, 
an meiner Stelle einen anderen zu ſchicken, es wollte jedoch keiner 
gehen) unſere Rationen, Schinken und Biskuits, Kaffee und Zucker 
in unſere Brotbeutel gepackt, Mantel und Decken auf die Sättel 
geſchnallt, galloppierten wir nach der etwa 10 Minuten entfernt 
liegenden Stadt, zu beiden Seiten des Weges, abwechſelnd an 
Kavallerie, Artillerie und Infanterielagern vorüberreitend; ein 
wirklich intereſſantes Schauſpiel gewährte es mir, dieſe Armee im 
Lager in ihren verſchiedenartigſten Beſchäftigungen zu ſehen. An 
Ort und Stelle angekommen erhielten wir Befehl, an Bord eines 
Steambootes auf dem Red River zu reiten, welches, als wir dahin 
kamen, ſchon fertig zum Abgehen war. An Bord gehend fanden 
wir fünf andere reitende Artilleriſten von der berühmten Nimms⸗ 
Batterie mit einem Leutnant und eine ganze Kompagnie Infan⸗ 
terie vom 8. Maſſachuſetts Regiment vor. „Eine kleine Fourage⸗ 
Partie, auf Maultiere und Pferde der Plantagenbeſitzer längs 
des Fluſſes ausgehend“, ſagte uns der kommandierende Offizier, 
ein geborener Amerikaner, als wir uns meldeten. Gleich darauf 
ertönte das ſchreckliche Gebrüll aus der gewaltigen Pfeife der 
Maſchine, das Brett wurde eingezogen und wir bewegten uns 
den Red River hinunter, nach dem Miſſiſſippi zu. Vier Tage 
brachten wir zu, bis wir volle Ladung hatten. Jedesmal, wenn wir 
Artilleriſten ausritten, ſtellte die Infanterie im weiten Halbkreis 
um das Schiff Vorpoſten aus, zum Schutz gegen die zahlreichen 
Guerillabanden, welche beide Seiten des Flußufers unſicher mach— 
ten; wir verließen uns, außer auf unſere guten ſechsſchüſſigen 
Navy⸗Revolver hauptſächlich auch auf unſere guten Pferde; außer⸗ 
dem hatten wir ja die Schwarzen, welche in zahlreicher Menge 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


noch auf den Plantagen zurückgeblieben waren, zu Verbündeten. 
Ohne Störung verlief jedoch unſere Fourage-Partie, und mit 
etwa 30 Pferden (zum Teil ſehr edle, wertvolle Tiere) und 80 
Maultieren zurückkehrend, fanden wir die Kavallerie-Diviſion be⸗ 
reits 1½ Tage aufgebrochen, nachdem ſie vorher vom Zahlmeiſter 
ausbezahlt worden war (16 Dollar monatlich für die Gemeinen). 
Das Gros der Armee, unterdeſſen noch verſtärkt durch einige 
Brigaden Nigger, lag noch ruhig im Lager und hatte erſt für 
den folgenden Tag Marſchordre. Da wir keine Luſt hatten, den- 
ſelben Abend noch aufzubrechen, quartierten wir uns in dem nád- 
iten Hauſe, einer ehemaligen Schreiner- und Sargmacherwerk— 
ſtätte ein und nachdem wir unſere Pferde beſorgt, abgeſattelt, an 
die Fence angebunden und gefüttert (d. h. einige Ahren Welſch— 
korn vorgeworfen hatten), machten wir von dem daliegenden Holz— 
vorrat ein Feuer an und in den alten Küchengerätſchaften einen 
großen Keſſel auffindend ſtellten wir denſelben ſofort an das Feuer 
und kochten drei große, ſehr fette Enten und ebenſoviele Kapaune 
(ein kleines Ergebnis dieſer Fourage-Partie für unſere Mägen). 
Es war beinahe Mitternacht bis wir zum Eſſen kamen; eine fa- 
moie Suppe nebſt 15 Ente, Kapaun und Entenreſte wurden für 
den Ritt des nächſten Tages aufgehoben, und in den Haberſack 
geſteckt. (Bemerken will ich gleich, daß die fünf Mann der Nimms⸗ 
Batterie uns verlaſſen hatten und wir zu dreien alleine waren.) 
Am nächſten Morgen brachen wir bei Zeiten auf (nachdem fid 
unſere Pferde an geſtohlenem Hafer recht gütlich getan), und 
denſelben Weg einſchlagend, den wir ſechs Tage zurück, freilich 
in ganz anderer Weiſe, geritten waren, kamen wir gegen Abend 
an dem Pine Wood an und fanden die vormalige Poſition des 
Feindes am weißen Haufe von der 3. Kavallerie-Brigade unſerer⸗ 
ſeits beſetzt. Da es uns noch zu früh war, ins Camp zu gehen, 
ritten wir noch bis Einbruch der Nacht, etwa zehn engliſche Meilen 
weiter und quartierten uns wahrſcheinlich zur größten Freude 
unſerer Pferde auf einer großen Plantage in einem Kornſchuppen 
ein. Unſere Pferde abſattelnd und in den Schuppen jagend 
machten wir noch eine kleine Runde in den Niggerhäuſern, um ein 
Abendeſſen aufzutreiben; gebratenes Spanferkel mit Sweet⸗ 
Potatoes befriedigte endlich unſere etwas knurrenden Mägen, die 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


nach einem Ritt von 40 Meilen freilich alle Urſache hatten, un⸗ 
zufrieden zu ſein. Anderen morgens brachen wir, beiderſeits ſehr 
zufrieden mit dieſem Nachtquartier (nämlich wir drei und unſere 
drei Pferde) ſehr zeitig auf, gelangten nach einem kurzen Ritt 
an den Red River und an demſelben weiter gegen Mittag in das 
Camp der Avantgarde, wo wir unſere Batterie ſchon von weitem 
aufgepflanzt erblicken konnten. Nachdem wir uns bei dem kom⸗ 
mandierenden Offizier zurückrapportiert, ſattelten wir ab und 
wurden, da wir nach der Meinung des Offiziers zu lange aus⸗ 
geblieben, d. h. nicht ſcharf genug geritten waren, ſofort unter 
Arreſt geſteckt. Wir mußten uns nämlich mit allen unſeren Hab⸗ 
ſeligkeiten bei dem die Lagerwache kommandierenden Unteroffizier 
rapportieren und in dem aufgeſchlagenen Wachzelt kampieren. 
Doch nicht lange folte unfer Arreſt dauern, ſchon nad 2—3 
Stunden mußten wir aufbrechen und in die Pine Woods ein⸗ 
rückend, marſchierten wir durch dieſelben bis gegen Abend, wo 
wir, aus demſelben herauskommend, auf einer von unſerer 
Pionier⸗Abteilung geſchlagenen Pontonbrücke den Kane River 
überſchritten, welcher einige Meilen davon ſich in den Red River 
ergießt. Dieſer halbtägige Marſch durch die Pine Woods war 
ſehr anſtrengend für uns und unſere Lungen, denn die vor uns 
her flüchtenden Rebellen hatten rechts und links das dürre, ſchilfige 
Gras und die Nadeln angeſteckt und der Wind blies das Feuer 
und den dicken Qualm öfters ſo, daß der Weg unpaſſierbar war 
und wir einen großen Umweg machen mußten, wodurch wir ſehr 
aufgehalten wurden, während ſie die Zeit zur Flucht gewannen. 


Nach überſchreitung des Kane River hofften wir alle, ein Lager 
zu beziehen, denn wir hatten bereits einen tüchtigen Tagesmarſch 
gehabt; aber wie groß war unſer Erſtaunen und Entſetzen, als 
es hieß: „Pferde gewäſſert, wir haben noch einen großen Ritt bor 
uns!“ Wirklich kam es ſo, nachdem wir unſere Pferde getränkt, 
ritten wir weiter, öfter im geſtreckten Galopp, und gingen erſt 
kurz vor Mitternacht in einer großartigen Beſitzung, dicht am 
Fluß gelegen, ins Quartier. An Plündern und Fouragieren war 
in dieſer Nacht nicht mehr zu denken, denn die meiſten legten ſich 
ſofort nieder, nachdem ſie ihre Pferde beſorgt, ohne auf das 
Abendbrot zu warten, was die Kompagnieköche noch bereiteten. 


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Ich glaube, nur die unglücklichen Camp-Guards labten jid) für 
dieſes Mal daran, und zwar als Erſatz für den Schlaf. Am nächſten 
Tag ſetzten wir über den Kane River, aber nicht auf einer Brücke, 
ſondern wir ritten gerade durch, obgleich das Waſſer über die 
Geſchütze ging und wir bis an den Säbelgürtel naß wurden. Wir 
machten abermals einen ſehr anſtrengenden Ritt, immer längs 
des Flußes, mitunter prachtvolle Plantagen paſſierend. Nach 
einem ununterbrochenen zweitägigen Ritt längs des Fluſſes ver- 
ließen wir denſelben und betraten die Urwälder, welche immer 
noch den nordweſtlichen Teil von Louiſiana ſtrichweiſe bedecken. 
Nur ſelten trifft man in denſelben eine Farm, mit einer größeren 
Fläche geklärten Landes, und ſo oft wir auf eine ſolche ſtießen, 
konnten wir auch auf ein Gefecht mit der ausgezeichnet berittenen 
Arrieregarde der fliehenden feindlichen Armee rechnen. Seit wir das 
offene Feld verlaſſen hatten, konnten wir gegen früher nur kleine 
Märſche machen und äußerſt langſam vorrücken, denn an jeder 
nur einigermaßen günſtigen Stellung lieferten uns die Rebellen 
ein kleines, mitunter jedoch ſehr heißes Gefecht, in denen nicht 
ſelten unſere Geſchütze bedroht wurden, in dem größtenteils un⸗ 
druchdringbaren Urwalde und auf dem einzigen febr ſchmalen 
Wege war durchaus kein Platz für uns mit den ſchweren acht⸗ 
ſpännigen Zwölfpfündern zu manöverieren. Ofter ſagten meine 
Kameraden am Geſchütz, die bis auf zwei lauter Deutſche waren, 
zu mir: „Paßt auf, die Rebellen locken uns, ſo weit ſie uns haben 
wollen, d. h. in eine böſe Falle, und es geht uns dieſes Mal ſehr 
ſchmutzig!“ Dieſes waren zwar auch meine Gedanken von Anfang 
an, aber ich hatte dieſelben noch nie laut werden laſſen, immer 
das Beſte hoffend, wenigſtens eine Anderung in unſerem Marſche; 
da wir aber ſtets denſelben unglückſeligen Weg beibehielten, ver⸗ 
zweifelte ich auch ſehr bald an dieſer ſo glänzend ausgerüſteten 
Expedition, und ſah uns alle im Geiſte ſchon als Gefangene, wie 
es denn auch wirklich kam. 


Am 7. April hatten wir, nachdem wir nach einem kurzen Ritt. 
von unſerem letzten Lagerplatz Pleaſant⸗Hill, einem kleinen Dorf 
mitten im Walde gelegen, paſſiert, im Verlauf des Tages drei 
ziemlich heftige Gefechte, und gerade aus dieſem wiederholten 
Widerſtande des Feindes konnte man merken, daß in der Front 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


etwas Ungewöhnliches vor ſich gehe. So war es auch. Nachdem 
wir bei einbrechender Dämmerung noch ein Gefecht gehabt, zogen 
wir uns, ich habe nicht erfahren können aus welchem Grunde, 
wieder einige Meilen zurück, und kampierten an einer etwas 
lichteren Stelle des Waldes zu beiden Seiten des Weges. Es 
mußte alles gerüſtet bleiben, die Pferde an den Geſchützen ange⸗ 
ſpannt und unſere Reitpferde geſattelt und gepackt, wir ſelbſt 
unter den Waffen. Dieſes war eine der ſchlechteſten Nächte wäh⸗ 
rend meiner Dienſtzeit; abgeſpannt und total erſchöpft von dem 
Ritt und den Gefechten des letzten Tages konnten wir nichts zu 
eſſen bekommen, da unſere Wagen in der Arriere halten bleiben 
müſſen, aus Beſorgnis, mit dem Feind ernſtlicher zuſammen zu 
ſtoßen; außerdem fing es noch an zu regnen und hielt die ganze 
Nacht an, ſodaß an Schlaf nicht zu denken war. So verſtrich 
für mich die letzte Nacht in meiner Batterie und dämmerte 
der für uns ſo unglückliche Tag; es war der 8. April 1864. 
Kaum war es hell, ſo brachen wir auf, ohne unſer Frühſtück, 
den wärmenden Kaffee, genoſſen zu haben, und nach kurzem 
Ritt, zum erſten Mal ſeit wir Alexandria verlaſſen hatten mit 
einer anderen. Batterie vor uns, hörten wir ſchon ein lebhaftes 
Gewehrfeuer, dazwiſchen die Sechspfünder der Nimms⸗ Batterie 
als Poſaunen. Sofort erſcholl von dem Brigadetrompeter das 
Zeichen: „Marſch, Marſch,“ und in geſtrecktem Gallopp ging es 
fort in der Richtung des Gefechtes; plötzlich wurde es hell vor 
unſeren Augen, ein weites freies Feld, etwas anſteigend mit etwa 
drei Farmen, deren Gebäude aus den Gebüſchen, die ſie um⸗ 
ſtanden, hervorſchimmerten, lag vor unſeren Augen; und wir 
ſahen obengenannte Nimms⸗-Batterie auf der Höhe dieſes geklärten 
Feldes aufgefahren, während zwei Brigaden Kavallerie, zu beiden 
Seiten der Batterie, in Schlachtlinie aufgeſtellt waren. Als wir 
herankamen, war das Feuern ſchon verſtummt, doch da man den 
Feind hier zu erwarten ſchien, ſo wurde meine Batterie zur rechten 
Flankendeckung an der rechten Seite des Weges aufgefahren, um 
ein Ausbrechen des Feindes aus dem das Feld begrenzenden 
Walde, der nur von einer einfachen Fence eingezäunt war, zu 
verhindern. Vor uns wurde noch eine kleine zwölfpfündige Berg⸗ 
haubitzen⸗Batterie aufgefahren, unſere Kavallerie und einige 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichts blätter. 


währenddeſſen angekommene Infanterie⸗Brigaden des 13. Armee- 
korps lagen zu unſerer Deckung hinter dem Zaun am Walde, 
während unſere Tirailleurkette im Walde manöverierte und ein 
ununterbrochenes Feuern unterhielt. Die Rebellen, welche ſich 
bei der, etwa vier engliſche Meilen von uns liegenden Stadt' 
Mansfield endlich geſammelt hatten, wurden von den Generälen 
Magruder, Kirby Smith und Dick Taylor kommandiert und be- 
trugen etwa 25,000 Mann, während wir, alles zuſammen etwa 
8—9000 Mann waren. Es dauerte auch nicht lange, jo wurden 
unſere Tirailleure zurückgedrängt und unſere Artillerie begann 
ein furchtbares, ununterbrochenes Bombardement der Wälder, um 
das Vorwärtsrücken der Rebellen durch dieſelben aufzuhalten. 
Die wirkliche Schlacht begann nun; unſere Truppen, welche teils 
am Waldſaum, teils im Walde ihre Linien formiert hatten, mach— 
ten einige gelungene Attacken auf die heranſtürmenden Rebellen 
und es wurde lange mit abwechſelndem Glücke gefochten; einige— 
male wurden die unſrigen, dann wieder die Rebellen zurück— 
gedrängt, doch nachdem die unſrigen alle ihre Munition ver— 
ſchoſſen hatten (80 Schuß), mußten fie endlich der Übermacht 
weichen, beſonders nachdem der Rebellengeneral Price aus Miſ— 
ſouri noch mit 6000 Hilfstruppen angekommen war. Während 
in unſerer Front die Schlacht wütete, bildete unſere Artil— 
lerie, die jetzt untätig war bis auf die leichten Batterien, die 
durch den Wald hindurch mit in die äußerſte Front gegangen 
waren, eine dreifache Schlachtlinie auf dem freien Felde; es kam 
nämlich von dem Gros der Armee, welche etwa 25 Meilen von 
hier in Pleaſant Hill ruhig weiter kampierte, fortwährend kleine 
Verſtärkungen an, d. h. immer einzelne Regimenter Infanterie, 
jedoch mit einer beträchtlichen Anzahl von Fußbatterien, die zum 
Teil gar nicht aufgefahren, ſondern ſofort wieder zurück geſchickt 
wurden. Plötzlich brachen auf unſerer Seite, d. h. der rechten 
Flanke, unſere Kavallerie in voller Karriere aus dem Walde her— 
vor mit dem Rufe: „Rettet euch, rettet euch! Es iſt alles verloren!“ 
und galloppierten an uns vorüber auf Pleaſant Hill zu; der 
Kavallerie folgte die Infanterie, jedoch in geringer Anzahl (der 
größte Teil war durch die Übermacht des Feindes gleich in ganzen 
Regimentern ſchon in Gefangenſchaft geraten), und dieſen nach 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


drängte die Rebellenkavallerie. Nun begann unſere Arbeit wieder 
und den nachdrängenden Feind mit einem furchtbaren Kartätſchen⸗ 
feuer empfangend gelang es uns, dieſelben zum Weichen zu brin- 
gen. So hielten wir den Feind eine geraume Zeit in Schach, 
während es den Unſrigen gelang, ihren Rückzug anzutreten; doch 
endlich, nachdem die Zwölfpfünder⸗Haubitzen⸗Batterie vor uns 
ſchon von den Rebellen genommen, mußten auch wir an den Rück⸗ 
zug denken und mit knapper Not konnten wir fertig werden, ſo 
war auch der Feind hinter uns. In ſauſender Karriere ging es 
nun auf dem Wege dahin, der von flüchtigen Kavalleriſten, deren 
Pferde erſchoſſen, und verwundeten Infanteriſten ober Nachzüg⸗ 
lern bedeckt und mit Waffen aller Art, Gewehren, Karabinern, 
Revolvern, Säbeln jeglicher Gattung, ſelbſt Offiziersſäbeln, Pa- 
tronentaſchen, Torniſtern, Mänteln, kurz Kleidungsſtücken aller 
Art, ſogar ausgezogenen Stiefeln und Schuhen, um das Aus— 
reißen zu erleichtern, förmlich überſät war. Über alles dahin⸗ 
jagend wurden wir jedoch bald aufgehalten; der Weg war ver⸗ 
ſtopft mit Wagen aller Art, Munitionswagen, Geſchützen, Ambu- 
lanzen mit ſtöhnenden Verwundeten, Trainwagen mit Zelten und 
Lagergerätſchaften beladen und Küchenwagen, alles war inein— 
ander gefahren; die Treiber hatten ihre Geſpanne verlaſſen und 
ſich auf die Flucht begeben und die Tiere, von einigen Bomben, 
welche die Rebellen den Flüchtigen noch nachſandten, ſcheu ge- 
macht, hatten ſich derartig ineinander verwirrt, daß es nicht 
möglich war, dieſes Chaos zu löſen. Indem wir noch ratlos da 
hielten, von unſerem kommandierenden Offizier, einem feigen 
Amerikaner, verlaſſen, welcher uns übrigens auch nicht viel genützt 
hätte, da er aus der Whiskyflaſche ſich Courage holend ſich ſo 
berauſcht hatte, daß er kaum auf dem Pferde hängen und nicht 
mehr kommandieren konnte, umzingelten uns einige Kompagnien 
Rebelleninfanterie vom 17. Texas Regiment und plötzlich er- 
ſcholl der Ruf: „Ergebt euch, ihr Hankees!“ Säbel und Revolver 
an unſere Beſieger abgebend, die übrigens auch gleich unſerem 
Offizier von dem Genuſſe geiſtiger vor der Schlacht genommener 
Getränke ziemlich berauſcht waren, wurden wir beiſeite geführt, 
nachdem wir zuvor tüchtig hatten helfen müſſen, unſere eigenen 
Geſchütze und Munitionswagen nach Mansfield zu herumzudrehen. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Unſere Beſieger waren übrigens ſehr großmütig, denn ſie ließen 
uns armen Gefangenen alles, was wir an uns und bei uns 
hatten; nicht ganz fo hatten fie während des Aktes der Gefangen- 
nahme gehandelt, denn gleichzeitig mit der Aufforderung zur 
Übergabe ſchoſſen fie noch fortwährend auf uns, und id jab mit 
eigenen Augen noch drei meiner armen Kameraden (Treiber) aus 
meiner Batterie tödlich verwundet von den Pferden herabſinken, 
ohne ihnen helfen zu können. 


So war ich denn Gefangener der Rebellen und eine Leidens⸗ 
zeit begann. Es dauerte gar nicht lange, ſo waren wir etwa 
6—800 Gefangene beieinander. Wir hatten gerade noch Zeit, 
auf eine nahe Farm zu eilen und unſere Feldflaſchen mit Waſſer 
zu füllen, da erſcholl das Kommando „Vorwärts“, und im Ge⸗ 
ſchwindſchritt, auf allen Seiten ſcharf bewacht (17. Texas Infan⸗ 
terie⸗Regiment) hatten wir das Vergnügen, in der Dunkelheit auf 
Abwegen durch Baumwollfelder und über Gräben und andere 
Hinderniſſe weg nach dem fünf Meilen fort liegendem Mansfield 
marſchieren zu müſſen. Erſt im Hofe des Courthouſe unter— 
gebracht mußten wir, da immer mehr Gefangene eingebracht wur- 
den, wieder aufbrechen und durch die Stadt marſchierend brachte 
man uns in ein großes Gatter an den letzten Häuſern der Stadt. 
Da der Mond aufgegangen war und alles hell beleuchtete, ſo 
konnte ich während des Marſches durch die Stadt alles beobachten 
und ſah dabei deutlich einmal, daß die Rebellen darauf gefaßt 
geweſen waren, die Schlacht zu verlieren, denn alle Straßen waren 
mit gepackten Wagen angefüllt, alſo alles war zur Flucht fertig 
gemacht, dann aber, daß unſere Feinde in der Schlacht furchtbare 
Verluſte erlitten haben mußten, denn wir kamen an mehreren 
Hoſpitälern und Privathäuſern vorüber, die überfüllt waren mit 
verwundeten Rebellen; übrigens kamen immer noch Ambulanzen 
mit Verwundeten ganz überladen an. Dieſes war alſo die erſte 
Nacht in ſüdſtaatlicher Gefangenſchaft, und fürwahr, ein traurige 
Nacht, ſie gab uns einen kleinen Vorgeſchmack der Leiden, die 
noch kommen ſollten. An Eſſen war nicht zu denken, wir konnten 
nicht einmal Waſſer haben; im Freien, der Kälte ausgeſetzt, ohne 
Decken und Mäntel konnten wir nicht einmal hinlänglich Holz 
bekommen, um ein ordentliches Feuer zur Erwärmung angu. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


zünden. So ſaßen und lagen wir denn auf dem naſſen kalten 
Boden umher und erwarteten ſehnſüchtig den Tag mit ſeinem 
erwärmenden Sonnenſchein. Endlich brach er an, aber nicht, um 
unſere Lage in irgend etwas zu verbeſſern, denn nachdem man 
zwei kleine Körbchen ausgetrocknetes altes Kornbrot (nicht etwa 
Brot aus Roggen, ſondern aus geſchrotenem Welſchkorn und 
türkiſchen Weizen) unter uns geworfen, das etwa für den vierten 
Teil von uns ausreichte, kam ein, in früheren Schlachten ſchon 
ſehr dezimiertes Louiſiana Kavallerie Regiment, das beſtimmt 
war, uns auf dem Marſche zu bewachen, an und nachdem wir und 
die übrigen Gefangenen aus der Stadt herzugebracht worden 
waren, wurden wir in eine lange Linie, vier Mann hoch aufge- 
. ftellt, das Kavallerie-Regiment nahm uns in die Mitte und fort 
ging's nach der Texasgrenze zu. Wir waren noch keine vier 
Meilen marſchiert, ſo ſtieß noch ein Zug Gefangener zu uns, der 
hier in einer alten Zuckerfabrik kampiert hatte, ſodaß wir nun 
etwa 1800 Mann waren, ein ganz netter Zug, der auch zum 
größten Jubel aller Farmer und anderen Bewohner dahinge- 
trieben wurde. Den erſten Tag verfolgten wir die Straße nach 
Shreveport und nachdem wir etwa 25 Meilen zurückgelegt hatten, 
gingen wir, von der Straße abbiegend etwa zwei Meilen auf 
Seitenwegen mitten im freien Felde in der Nähe einer kleinen 
Farm mit einbrechender Nacht ins Lager. Es war dieſes eine 
Sicherheitsmaßregel gegen eine etwaige Verfolgung unſerer Ka⸗ 
vallerie, die von den Rebellen ihrer ausgezeichneten Armatur 
wegen ungemein gefürchtet wurde, da ihre eigene Kavallerie außer 
guten Pferden nichts als Büchſen von allen möglichen Kalibern 
hatte, ſodaß ſie nicht einmal einen Bajonettangriff machen konnte. 
Nachdem die Rebellen einige Stücke mageren Viehes zuſammen⸗ 
getrieben und geſchlachtet hatten, warf man uns das Fleiſch vor, 
welches wir ohne Salz und ohne Brot am Feuer röſteten, d. h. 
von außen halb verbrannten, während es innen noch roh blieb; 
doch das Sprichwort: „Hunger iſt der beſte Koch“ bewährte ſich 
auch hier, denn kein einziger verſchmähte dieſes halbverbrannte, 


rohe Fleiſch. 


Doch ich denke, dieſes ſollte nach einem Marſche von 27 Meilen 
niemandem auffallen. Den dritten Tag in aller Frühe auf- 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


brechend, natürlich gerade wie am erſten Tage ohne Frühſtück, 
marſchierten wir etwa drei Meilen den geſtrigen Weg nad) Mans- 
field zu zurück und bogen dann direkt, von unſerer bisher nörd— 
lichen in eine rein weſtliche Richtung abweichend, in die Texas⸗ 
Route ein und überſchritten gegen Abend, nach einem Marſche von 
etwa 18 Meilen die Louiſiana-Texas⸗Linie, eine etwa vier Ruten 
breite, in ſchnurgerader Richtung durch den Urwald gehauene 
Trift. Noch vier Meilen hatten wir zu marſchieren, und nachdem 
wir vorher erft noch einmal von den Bewohnern einer Country- 
Schule höhniſch in Texas willkommen geheißen worden waren, 
gingen wir, abermals dicht bei einer kleinen Farm, in eine Fence 
getrieben, zum erſten Mal auf Texasboden ins Lager. Für dieſen 
Abend erhielten wir reichlich zu eſſen, nämlich rohes Kornmehl, 
Salz und etwas mageren Speck. Als der ſüdliche Quartiermeiſter 
alles unter uns ausgeteilt hatte, erhob ſich mit einem Male im 
Lager eine große Rührigkeit; Holz wurde herbei geſchleppt, Feuer 
angemacht, Kornmehl mit Waſſer und etwas Salz zu einem Teig 
angemengt und dann entweder auf platten Stückchen Holz oder 
Rinde am Feuer gebacken oder in Kugeln geformt und in die 
Kohlen und glühende Mihe gelegt und derart gar gemacht; einige 
alte Blechſchalen, Blechbecher und alte Bratpfannen, unterwegs 
aufgeleſen oder von Niggern dankbar als Geſchenke angenommen, 
zirkulierten im Lager und wurden benutzt, um den Speck am 
Feuer auszulaſſen, um ſo gewiſſermaßen eine Sauce für das 

ſchrecklich rauhe und ſtachliche Korngebäck zu haben, welches un- 
bedingt geſchmiert werden mußte, damit es unſere Kehlen paſſieren 
und in den Magen hinabfahren konnte. Überall fah man Tätig- 
keit um das Mal vorzubereiten, überall beſchäftigte Soldaten und 
kurze Zeit nachher, als die Nacht eingebrochen, eine Unmenge 
kleiner Feuerchen mit darum ſitzenden oder liegenden Soldaten, 
die längere Zeit alles um ſich her vergaßen und nur darauf be— 
dacht waren, ihre Zähne in der nötigen Tätigkeit zu halten. Das⸗ 
ſelbe Bild ſah man bei unſerer „Garde“, welche gruppenweiſe 
um ihre Lagerfeuer ſaßen, das gleiche Abendbrot wie wir ver⸗ 
zehrend, während die an den Feuern angebundenen Pferde ihr 
auch aus Korn, jedoch ganzen Kolben, beſtehendes Futter erhielten. 
Nur die Lagerwache, die ziemlich dicht um uns herumſtand und 


Bee 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


mit den ſtrengſten Befehlen verſehen war, ſodaß an einen Flucht⸗ 
verſuch gar nicht zu denken war, marſchierte mit geſchuldertem 
Gewehr pfeifend und zuweilen höchſt unharmoniſche Kriegslieder 
brummend auf und ab. Aber bald ſah man ein Feuer nach dem 
anderen kleiner werden, die Mannſchaften nahmen, ſo gut ſich 
das tun ließ, ihre Lagerſtätten ein und bald lag alles, auch ich, 
im tiefen Schlafe. Anderen Morgens wieder aufbrechend mar— 
ſchierten wir, gegen Mittag ein kleines Städtchen Kitſchy paf- 
ſierend, wieder etwas über 20 Meilen und lagerten nachts vor 
dem kleinen Städtchen Elieſenfield, aus dem vor Einbruch der 
Nacht eine Menge Ladies und Kinder kamen, die uns zum Teil 
ſehr verhöhnten und fogar beſchimpften und anſpieen (ein Schick⸗ 
ſal, das uns armen Gefangenen zu wiederholten Malen unter 
Gelächter unſerer nebenher reitenden Guards beinahe alle Tage 
widerfuhr); teilweiſe ſprachen ſie uns aber auch ſehr freundlich 
an und verſuchten, uns zu tröſten. Ja, einige derſelben kamen 
fogar ſpäter wieder und brachten uns Zucker und Melaſſe-Syrup, 
auch einige ältere und neuere Zeitungen, Dinge, die fie uns natür- 
lich verſtohlen zuſtecken mußten. Ich ſelbſt war auch ſo glücklich, 
eine kleine Flaſche ſehr guten Syrups zu bekommen, welcher mir 
auf dem Marſche ſowohl in Waſſer, als auch abends zum Korn— 
brod, ſehr gut ſchmeckte. Nächſten Tages, es war der 12. April, 
der vierte Tag ſeit unſerem Aufbruch von Mansfield, hatten wir 
wieder einen anſtrengenden Marſch, bis wir gegen Abend plötzlich 
das Gebrüll einiger Lokomotiven hörten und, aus dem Walde 
tretend auf dem jenſeitigen Hügel (es war nämlich ein kleines 
Tal, durch das ein kleiner Bach floß, dazwiſchen) eine hübſche 
Stadt erblickten. Wir waren in Marſhall, einer ſchon bedeuten- 
deren Stadt und hörten mit Vergnügen, nicht allein, daß wir 
hier die Nacht bleiben, ſondern, daß wir ſogar einen Ruhetag 
haben ſollten, da wir ja nun aus dem Bereich der Unſrigen waren. 
Wir hatten dieſe Nacht einen ſchönen Lagerplatz inmitten einer 
großen Fence den Hügel hinunter bis an den Bach, welcher uns 
ſchönes klares Trink- und Waſchwaſſer bot. Am anderen Tage 
kamen ſchon frühzeitig Beſucher, d. h. Neugierige beiderlei Ge- 
ſchlechtes, aus der Stadt, um uns zu ſehen und zu ſprechen, denn: 
„Die Yankees kommen, die Yankees kommen!“ tönte es jedesmal 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


von Mund zu Munde, ſobald wir in Sicht einer Farm oder eines 
Städtchen kamen. Wir hatten wirklich einen Raſttag, welcher 
meinen ermüdeten, des Gehens gänzlich ungewohnten und deshalb 
angeſchwollenen Füßen ſehr erwünſcht kam. Gegen Nachmittag 
kamen ſehr viele Evatöchter aus der Stadt, einige auch mit Back⸗ 
werk und Tabak, jedoch nicht, um es uns zu ſchenken, ſondern um 
es zu vertauſchen oder zu verkaufen; eine Gelegenheit, die alle, 
die noch etwas Geld oder etwas, das man zum Tauſch benutzen 
konnte, Brieftaſchen, Geldbörſen uſw. benutzten, ſodaß in kurzer 
Zeit alles ausverkauft war. Am 14. früh brachen wir wieder 
auf und durch Marſhall unter dem großen Jubel der Bevölkerung 
hindurchmarſchierend, ging unſer Weg beinahe den ganzen Tag 
ununterbrochen durch Urwald, bis wir abends, dicht an der Great 
Weſtern Railway (von New Orleans über Franklin — Alexandria 
—Marſhall durch die ungeheuren Prärien von Texas nach Mata- 
moras in Mexico laufend) bei einer herrlichen großen Schwefel⸗ 
quelle mitten im Urwald ins Lager gingen. Am nächſten Morgen, 
wie gewöhnlich wieder mit Tagesanbruch aufbrechend, marſchierten 
wir, dieſen Tag nicht aus dem Urwald herauskommend, bis an 
den Sabine River, welcher, aus dem nordöſtlichen Texas kommend 
durch den Sabine See in den mexikaniſchen Golf läuft. Da es 
noch hell war, als wir denſelben erreichten, ie begann ſofort noch 
der übergang, welcher mit einem großen Fährboote bewerkſtelligt 
wurde, nachdem zuvor die Hälfte des uns begleitenden Kavallerie⸗ 
Regiments durch den Fluß geſchwommen und auf der anderen 
Seite Vorpoſten aufgeſtellt hatte. Bis die Trainwagen, die 
Pferde des Regiments und wir Gefangenen alle übergeſetzt waren, 
begann es ſchon zu dunkeln und ſo gingen wir denn gerade am 
Flußufer ins Lager unter dem Schutze mächtiger Waldrieſen, 
Eichen und Ahorn, welche längs des Flußes in einer gewiſſen 
Ordnung, ja faſt reihenweiſe, ſtanden. Am nächſten Tag, nach— 
dem wir wie alle anderen Tage beinahe nur durch Urwald mar— 
ſchiert waren, kamen wir am Nachmittag in ein ſehr nettes Städt⸗ 
chen namens Starville, an zwei Hügelabhängen gelegen, unten 
im Tal lagen ſchöne Wieſen und Gärten, von einem kleinen Bache 
durchſtrömt, der alſo Starville in zwei Hälften zerteilte. Am 
anderen Ende der Stadt, deren Bewohner wie die aller übrigen 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


paſſierten Städte eingefleiſchte Rebellen waren, was wir bei un- 
lerem Marſche durch die Stadt an den Außerungen der Leute 
hörten, die uns ſchrecklich verhöhnten und beſchimpften, hatten 
wir eine längere Raſt, etwa eine Stunde (ſonſt hatten wir jedes⸗ 
mal, wenn wir 2—2 ½ Meilen marſchiert waren nur 10—15 
Minuten Raſt). Da dieſe Raſt länger als wir ſonſt gewohnt 
wareh, dauerte, gaben wir uns ſchon der frohen Hoffnung hin, 
wir würden hier ins Lager gehen, denn wir waren ſchon gegen 
18 Meilen marſchiert und alle ſchon ſehr ermüdet, als plötzlich 
der Oberſt des Regiments den Befehl: „Vorwärts Marſch“ gab. 
Aufbrechend ſetzte ſich der Zug wieder langſam in Bewegung und 
nach einem kurzen Marſche befanden wir uns wieder mitten im 
dickſten Urwalde und am Fuße eines Berges; dies mar der erſte 
Berg, den wir ſeit langer Zeit erblickten, und daher für uns ein 
ungewohnter Anblick. Obgleich derſelbe nicht ſehr hoch war, 
wurde uns das Erſteigen doch ſehr ſauer, aber oben wurden wir 
für alles entſchädigt: eine koſtbare Ausſicht über Berge und Täler 
mit einem unüberſehbaren Wäldermeer, bot ſich nach allen Seiten 
unſeren entzückten Augen dar. Er war eine äußerſt wilde, aber 
romantiſche Ausſicht, da man in dieſem ungeheuren grünen Blät⸗ 
termeer weder eine Farm noch eine Stadt noch irgend ein anderes 
Zeichen menſchlicher Ziviliſation erblicken konnte, nur unmittelbar 
am Fuße des Berges lag eine einzelne große Farm, mit Saat⸗ 
feldern und großen Flächen eingefriedigten, urbar gemachten 
Landes. Leider gönnten uns unſere unwillkommenen Begleiter 
nicht lange Zeit, uns an dieſer eigentümlich anziehenden Ausſicht 
zu erfreuen, ſondern bald ging es die andere Seite des Berges 
hinunter und nach kurzer Zeit, an den Feldern der von oben 
geſehenen Farm vorübermarſchierend, waren wir wieder im Ur— 
wald. über einen Knüppeldamm, der wahrſcheinlich von benach— 
barten Farmern gebaut worden war, weil es ringsum ſehr ſumpfig 
war, unſere lahmen Beine hinſchleppend, bald über einen hervor- 
ſpringenden Stamm hinwegſtolpernd, bald in ein tiefes Loch faſt 
verſinkend, kamen wir nun eine Zeit lang in eine etwas hellere 
Gegend; der Urwald war hier nicht mehr ſo dick und die Farmen 
wurden häufiger. Gegen Abend ſchlugen wir nach einem ſehr 
anſtrengendem Marſche, ich glaube es war der längſte ſeit unſerer 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Reiſe, 26 Meilen, an einem kleinen waſſerreichen Bache unſer 
Lager auf, nicht ahnend, daß wir ganz nahe von unſerem Beſtim⸗ 
mungsorte, nur zwei Meilen davon entfernt waren. Ich war 
dieſen Abend ſo ermüdet, daß ich mich nur in dem Bache etwas 
wuſch und mich dann ſofort, ohne etwas zu eſſen, unter einem 
Baume zur Ruhe begab und auch gleich in tiefen Schlaf verſank, 
aus dem mich meine Kameraden erſt am anderen Morgen erweck— 
ten, als die Sonne ſchon am Himmel ſtand. Es war am 17. April 
1865, als wir gegen Mittag aufbrachen und nach einem ganz 
kurzen Marſche unſeren Beſtimmungsort, Camp Ford, ein von 
hohen Palliſadenſtöcken eingefriedigter Platz etwa acht Acker groß 
erblickten. Das Tor öffnete ſich vor uns und von den ſchon darin 
befindlichen Yanfees-Gefangenen, etwa 250 an der Zahl, mit 
Jubel begrüßt und in Empfang genommen, betraten wir unſeren 
zukünftigen Wohnort. Dieſer lag an dem ſüdlichen Hange eines 
allmählich ſteigenden Hügels, inmitten des Urwaldes, in Form 
eines Quadrates und war, wie ſchon erwähnt, eingezäunt mit 
einer etwa zwölf Fuß hohen, ſtarken Palliſadenwand, in der man 
nur zwei Ausgänge gelaſſen hatte, den einen an der nördlichen, 
den anderen an der weſtlichen Seite. Der nach Norden führte 
unmittelbar in den Urwald und wurde anfänglich von den Ochfen- 
wagen benutzt, ſolange wir noch Holz geliefert bekamen, dann aber, 
als dieſe Lieferungen aufhörten, wurde er für unnötig gehalten 
und von den Rebellen verpalliſadiert, weil ſie dadurch zwei Mann 
Wache erſparten. Der Ausgang oder das Tor auf der Weſtſeite 
führte auf die Straße, auf welcher wir gekommen und welche 
an der Weſtſeite des Staketzaunes hinlief und nach Tyler, einem 
kleinen, etwa vier Meilen entfernt liegenden Städtchen führte. 
Die Nord- und Oſtſeite unſeres Staketes wurden von Urwald 
begrenzt und an der Südſeite, gerade unſerem Lagerplatz gegen— 
über, ebenfalls auf einem ſandigen Hügel, befand ſich das Haupt— 
quartier des Kommandeurs dieſes Poſtens nebſt dem Rebellen— 
lager, welches aus einigen rohgezimmerten Blockhäuſern beſtand. 
Hinter dieſem Lager, zur rechten Seite des nach Tyler führenden 
Weges lag ein ſchönes, etwa 25 Ades großes Kornfeld, das ein- 
zige Zeichen menſchlicher Kultur, denn außer dieſem ſahen wir 
nur Urwald. Das Terrain um uns war nur nach Norden zu 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


eben, ſodann aber plötzlich abfallend bis an den Bach, an welchem 
wir auf unſerem letzten Marſche gelagert haten; nach Oſten zu 
erhob ſich ein ziemlich ſteiler Hügel, bis oben auf dem Gipfel mit 
den herrlichſten Urwaldrieſen beſtanden; nach Süden und Weſten 
ſtiegen ſanfte Hügel wellenförmig an, meiſt mit Hochwald be- 
wachſen. Man ſieht alſo, unſere Umgebung war zwar ſchön, 
ſtellenweiſe ſogar romantiſch durch die rieſenhaften Bäume mit 
ihrem verſchiedenartigen Grün, das Terrain ſelbſt aber deſto ein- 
förmiger und trauriger im Winter. Als wir in das Staket ein⸗ 
rückten, fanden wir außer etwa 20—30 rohen Blockhütten, von 
den ſchon acht Monate darin befindlichen Leidensgefährten errichtet 
und natürlich mit Beſchlag belegt, nichts als einen unebenen ſandi— 
gen, mit großen Baumfſtümpfen bedeckten Platz, welchen man für 
ein Gefangenenlager erſt kurz zuvor hatte klären laſſen, es ſtanden 
ſogar noch einzelne von den ſtärkeren Eichen darin. Das einzige 
Gute und Schöne, das wir vorfanden war in der ſüdweſtlichen Ecke 
des Stafete3 eine prachtvolle Quelle mit kriſtallhellem und ge- 
ſunden Waſſer, dabei ſo ſtark quellend, daß wir kaum die Hälfte 
des fließenden Waſſers gebrauchten, während das übrige längs 
des Staketes erft inſeits, dann unter demſelben fort in einen 
kleinen Bach floß. Jetzt begann für uns Neuangekommene ein 
trauriges Leben, ohne Obdach, viele ſogar ohne gehörige Be— 
kleidung waren wir den Frühjahrsregengüſſen und den naßkalten 
Nächten ausgeſetzt und ich glaube, wir hatten es nur unſeren ſchon 
abgehärteten Naturen zu verdanken, daß nicht ein anſteckendes 
Fieber oder ähnliches ausbrach. Tagelang wurden wir nicht 
trocken, da es von unſerem Ankunftstage bis Anfang des nächſten 
Monats faſt ununterbrochen regnete und da infolge dieſes Regens 
das ohnehin grüne, in Saft ſtehende Brennholz durchaus naß war, 
ſo war es ſelbſtverſtändlich ſehr ſchwer, ein Feuer zu unterhalten 
und fic) Etwas zum Effen zu bereiten oder wenigſtens nachts fidh 
daran zu wärmen. Ich ſuchte mir jede Nacht mein Lager auf 
einem Holzhaufen, wickelte mich in meinen naſſen Mantel und 
ſchlief ſo lange, bis mich Kälte und Hunger wieder weckten, worauf 
ich an ein Feuer zu kommen oder mich durch Herumlaufen zu 
erwärmen ſuchte. Wie glücklich und beneidet waren die, welche 
Indian Rubber oder auch nur wollene Decken beſaſſen und dieſe 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


in Form eines Daches zum Schutz gegen den Regen aufſpannen 
konnten. Dieſe traurige, ſchlechteſte Zeit meiner Gefangenſchaft 
dauerte bis Ausgang des Monates, dann bekamen wir mit einem 
Male warmes, herrliches Wetter, welches 7 Monate lang anhielt 
und höchſtens von einem Gewitterguß unterbrochen wurde. Mit 
Beginn dieſes trockenen Wetters wurden jeden Tag etwa 200—250 
Mann von uns neu angekommenen und obdachloſen unter Pe- 
gleitung von etwa 3—4 Mann Wache in den Urwald hinaus- 
gelaſſen, um Laub zu holen oder Grünes, und eine leichte Hütte 
zu bauen. Nachdem ich mit zwei Deutſchen meiner Batterie einige 
Male im Urwalde geweſen war, hatten wir ſo viel Laub, Aſte und 
Strauchwerk zuſammen, daß wir an den Bau eines Sommerpalais 
denken konnten. In einem Tage war dieſes aufgebaut und ein- 
gerichtet, und wer war nun glücklicher als wir? Die Wände 
unſeres Häuschens, welches für drei Mann beſtimmt und etwa 
zehn Fuß lang und acht Fuß breit war, waren dünn aus Straud)- 
werk geflochten, während das Dach etwa einen Fuß dicht mit 
Grünem bedeckt war, ſodaß uns kein Sonnenſtrahl incomodierte; 
vor dem Eingang hatten wir noch ein Schutzdach gegen die Sonne. 
Der Boden war über ein Fuß hoch mit dürrem Laube beſtreut, 
darüber wurden unſere Mäntel, der eine war ſogar im Beſitz einer 
wollenen Decke, alſo auch dieſe mit ausgebreitet, ſodaß wir ein 
herrliches Lagerbett hatten. Der einzige Fehler war der, daß 
wir unſer Dach nicht regenfeſt machen konnten, ſodaß wir jedesmal 
bei Gewittergüſſen ausziehen mußten, nachdem wir zuvor das 
Laub auf einen Haufen gebracht und zugedeckt hatten. Da ſich 
jeder anſiedeln konnte, wo er wollte, natürlich inſeits und ein 
gutes Stück ab vom Staket, ſo bot das Lager von außen beſehen 
einen wunderbaren Anblick dar; die verſchiedenartigſten Laub— 
hütten von allen nur denkbaren Größen und Formen konnte man 
ſehen. Noch bunter wurde es, als Ende Mai noch ein Transport 
von 1200 Gefangenen dazukam, unter denen fih echte Hinter- 
wäldler und Söhne der weſtlichen Prärien befanden, auch einige 
20—30 Indianer den Cherokes und Choctaws⸗Stämmen an- 
gehörig, diner war ſogar ein ſehr berühmter Häuplingsſohn 
namens Rhoß, vom Stamme einer Shawanees. Dieſe Neuange⸗ 
kommenen, meiſtens zur Kavallerie oder Artillerie belangend, ge- 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


hörten zur Price'ſchen Armee und waren nach der für uns jo un- 
glücklichen Schlacht bei Mansfield als Bedeckung des Trains auf 
ihrem Rückzuge nach Little Rock, verfolgt von einer ſtarken Rebellen⸗ 
armee, welche ſich von uns weg ſofort Price entgegenwarf, bevor 
dieſer noch die Nachricht von unſerer erlittenen Niederlage erhalten 
hatte, zu Gefangenen gemacht. So betrug denn Anfang Juni 
unſere geſamte Zahl innerhalb des Staketes etwa 3200 Mann, 
aber dieſe Zahl war ſtets im Wachſen begriffen, da beinahe jede 
Woche kleine Verſtärkungen für uns hinzukamen. Dieſe kamen 
immer noch teils von der Price'ſchen Armee, teils von Blonds 
Kavalleriekorps aus dem Indian⸗Territorium, doch in der Mehr⸗ 
zahl von unſerer bei Mansfield geſchlagenen Armee, welche ſeither 
immer auf dem ſchleunigſten Rückzug begriffen war, die auch nicht 
endete, bis ſie an die Mündung des Red Rivers in den Miſſiſſippi 
nach Mayenſie gekommen waren, wo ſie unter dem Schutze der 
eiſengepanzerten Flotte waren. 


Unjere Nahrungsmittel beſtanden in Kornmehl und Rind- 
fleiſch, beides wurde uns roh geliefert und mußte von uns ſelber 
zubereitet werden. Das Kornmehl wurde bon dem Conföderierten⸗ 
Quartiermeiſter aus einer Dampfmühle in dem benachbarten 
Tyler geholt und in einen dazu beſtimmten Kaſten inſeits des 
Staketes abgeladen, von wo aus dann einer unſerer Quartier- 
meiſter, ein kleines altes Männchen von einem Jowa Infanterie⸗ 
Regiment das Mehl unter uns verteilte; die Rationen waren bei- 
nahe jeden Tag verſchieden bemeſſen, einmal V5 amerf. Pfund, 
denn 1 bis 1½ Pfund, alſo eine ſehr kleine Portion für einen 
Mann. Ebenſo wurde mit dem Fleiſch verfahren, welches jedoch 
von acht unſerer eigenen Leute geſchlachtet werden mußte; war 
viel Schlachtvieh aus den benachbarten Prärien angekommen, ſo 
wurde viel geſchlachtet und es kam bis 114 Pfund größtenteils 
ſehr fettes und zartes Rindfleiſch auf den Mann; war aber wenig 
Vorrat da, jo mußten wir uns auch mit 14, ſelbſt aud) 14 Pfund 
für einen Mann als Ration eines ganzen Tages begnügen. Außer— 
dem wurde alle zehn Tage Salz ausgeteilt, und einige male 
Bohnen, reſp. eine Art Lupinen, welche nicht beſonders ſchmeckten, 
da ſie etwas bitter waren. Die Zubereitung überließen die Re⸗ 

bellen alſo ganz dem Geſchmack der Gefangenen; und während 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


viele ihr Mehl zu einem Brei kochten (Maſch genannt) ſo buken 
andere Brod daraus und röſteten ihr Fleiſch am Feuer oder koch— 
ten es. Ich erwähne es jetzt nur oberflächlich, weil ich ſpäter noch 
einmal darauf zurückkomme, wenn ich von der Einrichtung der 
Blockhäuſer und dem Leben darin ſprechen werde. Unſere Be- 
ſchäftigungen waren ſehr wenige, denn am Tage wurde wegen 
der ungewöhnlichen Hitze faſt gar nichts getan; da in den ſüdlichen 
Ländern die Nächte bekanntlich angenehmer ſind wie die Tage, 
jo pflegten wir am Tage der Ruhe im Schatten unſerer Kaub- 
hütten; die Zubereitung der Speiſen machte uns nicht viel zu 
ſchaffen, denn da infolge der großen Hitze der Appetit nicht ſehr 
ſtark war, ſo hatten wir an zwei Mahlzeiten, morgens zwiſchen 
9—10 ein Frühſtück und abends zwiſchen 5—6 Mittag unb Abend- 
brot zuſammen, vollſtändig genug und verbrachten daher beinahe 
den ganzen Tag mit Schlafen. Unſere einzige Arbeit beſtand 
eigentlich nur in dieſem bischen Kochen und jede Woche einmal im 
Waſchen unſerer ſämtlichen Kleider; dieſes war wegen der un— 
geheuren Maſſe von Erdflöhen, an denen Texas ſo reich iſt, und 
anderem Ungeziefer unbedingt nötig. Nur die peinlichſte Sauber— 
keit konnte uns geſund erhalten, dies ſah man in der erſten Zeit 
bei den beinahe täglich vorkommenden Todesfällen, wo die Ster— 
benden geradezu halb aufgefreſſen waren von Ungeziefer. Dieſes 
war hauptſächlich eine Folge von Unſauberkeit, welche freilich 
erſt bei großer Schwäche vorkam, ſodaß es den Kranken unmöglich 
war, ſich reinlich zu halten, und in einer ſo zuſammengewürfelten 
Armee wie die der öſtlichen Staaten der United States iſt von 
Kameradſchaft ja keine Rede. Da war ſich jeder ſelbſt der Nächſte 
und jeder ſorgte nur für ſich ſelber; mochte der Kamerad totkrank 
und in den furchtbarſten Qualen daliegen, danach wurde nicht 
gefragt, dicht daneben war der furchtbarſte Spektakel, man ſang, 
würfelte, ſpielte Lotto uſw. Um dergleichen ſcheußlichen Szenen 
nicht zu begegnen bin ich den ganzen Sommer nicht aus meiner 
Hütte gegangen, außer abends, wo ich zu tun hatte, um mir Waſſer 
zu holen zum Waſchen, denn nie vergaß ich, abends ein Douche— 
Bad zu nehmen, meine Kameraden mußten mir einige Eimer 
kalten Waſſers über den Rücken gießen. So ging es bis zum 
Monat Juni, wo ſich ein freudiges Ereignis begab. Es war näm— 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


lich zwiſchen den Conföderierten und unſerem Gouvernement das 
Übereinkommen geſchloſſen, gegenſeitig Gefangene auszutauſchen. 
Der Süden beſaß zu derſelben Zeit etwa 30,000 Gefangene von 
uns, 25,000 in Anderſonville, 5000 in Camp Ford, während in 
den nördlichen Staaten gegen 80,000 ſüdliche Gefangene ſaßen. 
Wirklich erſchien in den letzten Tagen des Monats Juni der ſüd⸗ 
liche Exchange⸗Adjutant und begann zu parolieren. Etwa 800 
Mann hatten diesmal das Glück, ihren Namen in dem Parole- 
buch aufzeichnen zu müſſen, was beinahe drei Tage dauerte, da 
beinahe die Hälfte nicht ſchreiben konnte und der Parole-Offigier 
für ſie unterzeichnen mußte. Bis dann die Wagen mit Proviant 
für den Marſch und für Marrodeure beſtimmt, zuſammengebracht. 
waren, vergingen noch drei Tage; endlich traf auch ein Ravallerie- 
Regiment ein, welches dieſen Trupp nach Shreveport eskortieren 
mußte, ſodaß alſo nach Ablauf einer Woche alles zur Abreiſe 
vorbereitet war, welche denn auch in den erſten Tagen des Juli 
erfolgte. Im Monat Auguſt erſchien unſer Befreier abermals 
und nahm dieſes Mal in zwei Abteilungen etwa 1200 Mann mit 
fort, aber wieder war mir und meinen Kameraden von der Bat- 
terie Fortuna nicht günſtig, denn das Schickſal hatte uns zu den 
letzten, die das Staket verlaſſen ſollten beſtimmt. Nachdem wir 
dieſen Monat und den folgenden September noch in der alten 
Weiſe verlebt hatten, dachten wir allmählich an das Erbauen von 
Winterquartieren, d. h. Blockhäuſern. Da von unſerem Gouverne— 
ment außer wollenen Decken und Kleidungsſtücken auch Axte und 
Schaufeln geſchickt worden waren, ſo war uns dies ein Fingerzeig, 
daß wir uns ſo komfortabel wie nur möglich einrichten ſollten, 
mit der Ausſicht, noch geraume Zeit hierbleiben zu müſſen. Mitte 
Oktober bekam auch ich mit meinen Kameraden und ſechs anderen 
freiwilligen Gehilfen aus einem Kanſas und Illinois Regiment, 
alfo zu zehn Mann mit drei Arten bewaffnet, die Erlaubnis, für 
zwei Tage in den Wald gehen zu dürfen. In dieſer Zeit ſchlugen 
vier Mann die nötigen paſſenden Bäume um und ſchnitten fie in fo- 
genannte Riegel, während die ſechs anderen das Holz auf der Achſel 
nach dem Stafet trugen und unter dem Schutze der Wachtpoſten Tie- 
Ben. Das waren zwei mühſelige Tage für mich und die, denen ſolche 
Arbeit ungewohnt war, aber es mußte ſein, denn Ende November 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ſchon tritt kaltes Wetter nachts ein und dann beginnt die Winter- 
oder Regenzeit in Texas, von den ſchrecklichen weſtlichen Prärie— 
ſtürmen, die unter dem Namen Texican bekannt ſind, begleitet, 
und wehe dann denen, die ohne ein Obdach nachts auf freiem 
Felde kampieren müſſen. In dieſen zwei Tagen alſo trugen wir 
von dem Hügel, der über dem Kirchhof lag, unſer Bauholz heran, 
und nachdem ich den Bauplan entworfen und wir das Fundament 
etwa zwei Fuß tief in die Erde gegraben hatten, begannen wir 
den Bau. Unſer neues Haus, für fünf Mann beſtimmt, hatte 
zwölf Fuß Länge und zehn Fuß Breite, an der niedrigen Seite 
etwa ſieben Fuß, an der anderen aber etwa elf Fuß Höhe, alſo 
hatte unſer einfaches Dach ein Regen-Gefälle von vier Fuß, was 
meiner Anſicht nach genügend war und ſich durch den folgenden 
Winter auch herrlich bewährte. Es war mit doppelten, ſelbſt ge- 
machten Schindeln bedeckt und dann mit ſtarken Baumſtämmen 
zum Schutze gegen die erwähnte Texicans beſchwert. Unſer 
Schornſtein erhob ſich an der weſtlichen Seite unſeres Hauſes etwa 
215 Fuß über das Dach und diente uns dieſen Herbſt und das 
nächſte Frühjahr als Räucherkammer, in dem wir einige Ochſen— 
zungen und teils erkauftes, teils erſpartes Fleiſch räucherten. 
Das Innere unſerer Hütte war ſehr einfach, an der linken (Weſt) 
Seite des Einganges, welcher ſich an der Süd- oder Sonnenſeite 
befand, war ein Feuerlokal, eine Art ruſſiſcher Kamin angebracht, 
dieſem gegenüber an der rechten (Oſt) Seite des Einganges be- 
fand ſich eine Pritſche aus Schindeln gemacht als Tiſch und Bank 
am Tage, nachts als Bett dienend, auf welches wir uns alle fünf, 
die Füße nach dem Feuer zugekehrt, einträchtig nebeneinander 
niederlegten; an der nördlichen Seite, dem Eingang gegenüber 
war ein Geſtell für Koch- und Eßgeſchirre angebracht, forie einige 
Pflöcke, zum Aufhängen von Kleidern und Fleiſch beſtimmt. Links 
und rechts vom Feuer waren hohe Holzſtöße aufgeſpeichert, ebenſo 
war der Raum unter der Pritſche mit Holz vollgeſtopft; dieſe 
Raumbenutzung war deshalb nötig, um immer trockenes Brenn- 
holz zu haben, was bekanntlich keinen oder nur wenig Rauch 
gibt, und Rauch in einer ſolchen Blockhütte ohne Fenſter, nur mit 
einer ſchmalen Türe verſehen iſt ein ſehr unangenehmer Gaſt. 
Bis alles eingerichtet, das Außere ſowohl wie das Innere der 


WR 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Hütte mit Lehm beworfen, ſodaß kein Regen und keine Kälte ein⸗ 
dringen konnte; dann zwei Fuß hoch um die Hütte Sand auf- 
geworfen, war der November gekommen, und wie froh waren 
wir, daß wir der Winterzeit nun geborgen in einem guten, warmen 
Häuschen entgegenſehen konnten, brauchten wir doch nicht mehr 
wie im Sommer daran zu denken, wohin wir uns bei einem Ge⸗ 
witterguß mit unſeren paar Habſeligkeiten retten ſollten. Nun 
begann überhaupt ein regelmäßiges und geregeltes Leben. Selbſt 
das Lager bekam ein regelmäßigeres Ausſehen als vorher mit 
den Laubhütten, denn die neuerrichteten Blockhäuſer mußten mit 
etwas mehr Ordnung aufgeſtellt werden, ſodaß förmliche Straßen” 
entſtanden, denen dann auch Namen beigelegt wurden. So hatten 
wir einen Broadway, einen Bowery uſw., Straßen, in denen eine 
Menge von Spekulanten wohnten, die nun alle Arten von Ver— 
kaufslokalen errichteten; d. h. ſie machten nach der Straße heraus 
ein Schaufenſter, in dem von allem, was inſeits zu verkaufen war, 
etwas ausgelegt war. In dem einen Schaufenſter ſah man Tabak, 
ſelbſtgekochte Seife (freilich ſehr ſchwarz ausſehend und ſehr übel 
riechend, mit der man ſich aber ſehr gut waſchen konnte), Zwirn, 
Zigarren (im Lager verfertigt), Briefpapier, ſelbſtverfertigte 
Tinte und Talglichter, in einem anderen Schaufenſter ſah man 
Flower (Weizenmehl) ausgeſtellt, nebſt Backwerk, Weißbrod und 
Pies (eine Art runder Kuchen von Weizenmehl, gefüllt mit Kom⸗ 
poft von wilden Weintrauben, ſüßen Kartoffeln uſw.) Dieſe 
Schaufenſter waren ſtets belagert von einer Menge eßluſtiger und 
hungriger Amerikaner, zu deren Charakteriſtik eine unbeſtreitbare 
Vorliebe für Süßigkeiten, beſonders aber für Pies gehört, ohne 
die keine Mahlzeit vergeht, bei den Armen ſowohl wie bei den 
Reichen; daher war das Geſchäft des Pie-Bäckers das einträglichſte 
im Lager, trotzdem eine ſtarke Konkurrenz gerade hierin beſtand, 
denn es hatten fid) zuletzt etwa 30—40 ſolcher Bäckereien etabliert 
und alle fanden ihr Auskommen, d. h. bekammen ſo nach und 
nach das meiſte von dem Geld, was im Camp zirkulierte in die 
Hände. Außer den Schaufenſtern und Verkaufslokalen ſah man 
noch wie auf den deutſchen Jahrmärkten an den belebteſten Stra- 
ßen Tiſche errichtet, auf denen meiſtens Rohprodukte wie Bohnen, 
Sweet⸗Potatoes, Kornmehl, Flour und Tabak zum Verkauf aus⸗ 


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Deutfh-Amerilanifde Geſchichtsblätter 


geſtellt waren. Auch bie notwendigſten Handwerke wurden im 
Lager betrieben; es gab Schuhmacher⸗ und Schneiderwerkſtätten 
zum Flicken oder Umändern; drei Drechsler, welche vollſtändiges 
Handwerkzeug, Drehbank uſw. beſaßen, lieferten Pfeifenrohre 
und Spitzen aus Horn, Schachbretter und Schachfiguren von 
Horn und Holz ganz nach Beſtellung, zum Teil ſehr nett und ge- 
ſchickt ausgeführt, Spinnräder für die Conföderierten-Ladies in 
Tyler uſw. Am ſogenannten Broadway hatten zwei Barbiere 
und Haarſchneider ihre Geſchäfte aufgetan, daneben waren Spiel- 
buden, in denen Lotto uſw. geſpielt wurde; ſogar Speiſelokale gab 
es, allerdings nicht permanent ſondern nur zeitweiſe, in denen 
man Kaffee und Weißbrod mit Butter, Pies, Beefſteak mit Süß⸗ 
kartoffeln oder Roſtbeef mit gebackenen Bohnen uſw., natürlich 
zu äußerſt anſtändigen Preiſen bekam. Auch für die Kunſt war 
geſorgt, denn einige deutſche Holzſchnitzer lieferten ſehr ſchöne ge— 
ſchnitzte hölzerne Pfeifenköpfe, Trinkhörner, Zahnſtocher von 
weiß⸗ſchwarzem Horn uſw., einige Indianer und Kanſas Hinter- 
wäldler ſchnitzten mit Meſſern Trinkpokale in Form deutſcher 
Weisbierkännchen oder lieferten an Stelle von Böttchern Eimer 
im jeder beliebigen Größe und Geſtalt, und ein gut Teil Ameri⸗ 
kaner endlich, meiſtens aus den weſtlichen Staaten Indiana, Illi⸗ 
nois, Soma und Ohio, ſchnitzten Geigen und ſelbſt kleine Bak- 
geigen, ſowie Guitarren und Banjos, ein mexikaniſches Muſik⸗ 
inſtrument, und leimten ſie dann kunſtvoll zuſammen. Letztere 
Klaſſe von Arbeitern war ſehr tätig und lieferte ſoviel Inſtru— 
mente, daß nicht allein abends in allen Ecken und Enden des 
Camps Konzertmuſik erſcholl, ſondern ſogar ſehr viele Beſtellungen 
der Rebellen ausgeführt wurden. Viele Farmer aus der benad)- 
barten Gegend und Städter aus Tyler und Starville kamen zu 
uns zu Beſuch, denn die Conföderierten-Zeitungen aus Houſton, 
Galveſton und Tyler prieſen unſer Staket, nicht unter dem Namen 
Camp ſondern City Ford, ſie nannten es alſo eine Stadt, als ein 
ſehr gewerktätiges Städtchen, was dann die Neugierde vieler er- 
regte. Auf dieſe Weiſe bekamen wir ſehr viel Beſuch, welche dann 
jedesmal ein Andenken an City Ford mitnahmen, entweder eine 
Geige, oder einen Pfeifenkopf oder Zahnſtocher, auch wohl ein 
Spinnrad. Außerdem ſetzten ſie die Pie-Bäcker häufig in Nahrung, 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


indem ſie, wohl der Kurioſität halber, oft Pies mitnahmen. Auf 
dieſe Weiſe kam Silbergeld in das Camp, denn dieſe auswärtigen 
Käufer bezahlten alles in ſpecies, waren es Farmer, ſo tauſchten 
fie gegen Flour, Sweet⸗Potatoes, Bohnen, Eier, Honig, Zucker, 
Butter uſw. ein. Auf dieſe Weiſe entſtand ein reger Tauſchhandel 
zwiſchen den außen Wohnenden und allen gewerktätigen und 
ſpekulierenden Gefangenen im Camp. Dieſe Gewerktätigkeit im 
Camp aber trug nicht allein zum Nutzen der einzelnen bei, ſondern 
auch zur Erheiterung und Beſchäftigung vieler, beſonders waren 
es die Geigen- und Schachſpielfabrikanten, die zur Erheiterung 
der Allgemeinheit beitrugen, denn nun lag man nicht wie im 
Sommer den ganzen Tag in fauler Ruhe und ſich trüben Gedanken 
hingebend, ſondern vertrieb ſich die Langeweile mit Schach oder 
Dameſpiel; die Yankees ſpielten den ganzen Abend und die halbe 
Nacht auf ihren Inſtrumenten und tanzten dazu. Von dem Leben 
und Treiben der Gefangenen im allgemeinen habe ich nun genug 
geſagt, ich möchte nun noch mein eigenes Leben in der letzten Zeit 
ſchildern, das Leben, welches ich mit meinen Kameraden ſeit der 
Errichtung unſeres Blockhauſes während des ganzen Winters und 
überhaupt der ganzen übrigen Zeit unſerer Gefangenſchaft führte. 
Ich glaube dies um ſo eher tun zu können, da meiner Beobachtung 
nach die Lebensweiſe aller ziemlich dieſelbe war, was wohl ziemlich 
natürlich ſchon durch die herrſchenden Umſtände geboten war; die 
Schilderung meines Lebens und das meiner Haus- und ehemaligen 
Kriegsgenoſſen kann daher für eine allgemeine Schilderung gelten. 
Ich glaube, es iſt eigentlich lächerlich von mir, wenn ich ſo viele 
Worte mache, denn wie kann man, genau genommen, von einer 
Schilderung, Beſchreibung uſw. ſprechen von dem Leben, da doch 
ein Tag genau ſo wie der andere, eine Woche wie die andere und 
jetzt in der Regenzeit ein Monat wie der andere verſtrich. Doch 
ſei es, wie es ſei, ich beginne: 


Verſetze dich, lieber Lefer, in mein, dir von der kurzen Schil— 
derung wohl bekanntes Blockhäuschen; es iſt Mittag. Da wir 
unſerer fünf find und unſerer Übereinkunft nach jeder feinen Rod- 
tag hat, jo beginne. ich mit der Schilderung des meinigen. Wie 
im Sommer, ſo aßen wir auch jetzt noch nur zwei mal des Tages, 
es ſind die Arbeiten alſo nicht übermäßig. Da mit dem Kochtag 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


auch die Arbeiten, Waſſer zu holen, ſo viel wir zum Kochen und 
den Tag über an Trinken brauchten, und unſere Rationen für den 
Tag zu faſſen, verbunden ſind, ſo findet der Beſucher zwei volle 
Eimer Waſſer in der einen Ecke des Hauſes reſp. Zimmers, und 
nachdem ich einen kleinen Sack, zu dieſem Zwecke beſtimmt von 
dem bekannten Geſtelle an der Wand der Tür gegenüber genom⸗ 
men, marſchiere ich durch den Broadway an die Mehlwage, und 
beziehe daſelbſt, wenn die Reihe an mich gekommen iſt, d. h. der 
Name Batterie G. 5 U. S. Artillerie vorgeleſen wird, mein Mehl. 
Nachdem ich dasſelbe nach Hauſe getragen und die erſte Frage: 
wieviel Mehl hat es heute gegeben? beantwortet habe, gehe ich 
nach der Fleiſchbank, welche neben der Mehlwage aufgeſchlagen 
iſt, und beziehe dort, wie vorher das Mehl, ſo jetzt meine und 
meiner Kameraden Fleiſchrationen. Nach Hauſe gekommen habe 
ich dieſelbe Frage: Wieviel Fleiſch haſt Du gefaßt? zu beantworten. 
Während vielleicht zwei meiner Kameraden zu Beſuch in eine 
andere ähnliche Hütte gegangen ſind, ſitzen die anderen zwei auf 
dem Bett und ſpielen Schach, der eine Tabak kauend, der andere 
mit ſeiner kurzen Holzpfeife einen anſtändigen Hecht durch das 
Haus verbreitend. Meine auswärtigen Angelegenheiten ſind mit 
den erwähnten Gängen abgemacht und meine häuslichen Geſchäfte 
nehmen mich jetzt in Anſpruch. Es iſt Mittag, nach der Sonne 
zu Schließen zwiſchen 11—12 Uhr, es iſt alſo Zeit für mich, das 
Mittag⸗ reſp. Abendeſſen aufs Feuer zubringen, denn nach 3 Uhr 
wird gegeſſen, da es bald Nacht wird. Nachdem ich die geſtrige 
Ration Fleiſch von dem dazu beſtimmten Pflocke genommen und 
dafür die heutige drangehängt habe, (wir hatten uns nämlich aus 
Geſundheits⸗Rückſichten gleich von Anfang an ſo eingerichtet, daß 
wir immer eine Ration Fleiſch und zwei Rationen Mehl im Vor⸗ 
rat hatten, für den Fall. daß, was öfters, beſonders in der Regen⸗ 
zeit im Winter vorkam, die Rationen ausblieben; alsdann konnten 
wir doch unſere Mahlzeiten einhalten und mußten nicht wie viele 
andere hungern,) ſchneide ich dieſelben in mittelgroße Stücke, und 
nachdem ich fie ſorgſam abgewaſchen, tue id) fie in unſeren Fami- 
lienkeſſel, gieße Waſſer hinzu und ſetze den Keſſel aufs Feuer. 
Nachdem ich das Fleiſch einige Male ordentlich abgeſchäumt, dann 
den Keſſel mit Waſſer nochmals gefüllt und mit einem Deckel 


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Deutfh-Amerilanifhe Geſchichtsblätter 


zugedeckt, ergreife auch id) meine unvermeidliche kurze Pfeife, fege 
ſie in Brand und, mich gleichfalls auf das Bett niederlaſſend ſchaue 
ich entweder dem Schachſpiel zu oder ruhe auf den bisherigen 
Lorbeeren aus. Wenn das Fleiſch meiner Berechnung nach etwa 
zwei Stunden auf dem Feuer ſteht, hole ich das zweite Koch— 
Inventarſtück hervor, das ſogenannte Skillet, eine runde, eiſerne 
Pfanne mit einem ungefähr drei Zoll hohem Rande und einem 
eiſernen Deckel, der mit einem Henkel und, was das Wichtigſte iſt, 
mit einem ein Zoll hohen Rande verſehen iſt, um darauf Feuer 
machen zu können. Nachdem ich dasſelbe mit einem Putzlappen 
ausgewiſcht und nebſt dem Deckel ans Feuer geſtellt habe, damit 
beides ordentlich heiß werde, hole ich den Brodteig herbei und, 
die Pfanne nun vom Feuer nehmend und mit etwas Fett, Talg 
oder Speck ausſchmierend ſchütte ich den Brodteig hinein und 
mache ihn etwas eben; ſodann decke ich den Deckel darauf, auf 
welchem ich nun ein ſchwaches Feuer anmache und unterhalte, 
während die Pfanne ſelbſt nur auf Kohlen geſtellt wird, ſodaß 
das Brod langſam und von beiden Seiten zugleich gebacken wird. 
In der Zeit von ½ Stunde iſt das Brod gebacken und ich nehme 
es heraus und ſchneide es in fünf gleiche Teile, damit es etwas 
abkühlt; ſodann nehme ich die große hölzerne Fleiſchgabel, und 
damit das nun ganz weiche Fleiſch aus dem Keſſel in das heiße 
Skillet tuend laſſe ich dieſes noch etwas ſchmoren, während ich noch 
etwas Waſſer an die Buillon gieße und, wenn dieſe ordentlich im 
Kochen iſt, zwei Hände voll feingeſiebtes Kornmehl daranrühre, 
ſodaß es eine dünne Mehlſuppe wird. Iſt dieſes geſchehen, 
— währenddeſſen habe fid) alle eingefunden und das noch fehlende 
Eßgeſchirr in der Nachbarſchaft zuſammengeborgt, — ſo verteile 
ich das Fleiſch und nehme endlich die Suppe vom Feuer ab, zum 
Beſchluß auch dieſe noch austeilend. Wenn wir unſer einfaches 
Mahl genoſſen, mache ich im Keſſel etwas Waſſer heiß, worauf 
ich zum Schluß meines Tagewerkes komme, einer mit ſehr unan— 
genehmen und verhaßten Arbeit, nämlich das Aufwaſchen des Eh- 
geſchirrs. Iſt dieſes rein, unſer eigenes wieder an ſeinen Platz 
geſtellt, das geborgte wieder zurückgetragen, ſo tritt die vielgeliebte 
Pfeife wieder in Tätigkeit und ich bin für dieſen Tag meiner 
Arbeit enthoben. Doch kaum habe ich mich geſetzt, ſo erinnert 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


mich mein Kamerad daran, daß ich doch noch etwas vergeſſen habe, 
er fragt: „Haſt du den Brodteig für morgen ſchon angemacht?“ 
Dieſes wichtige Geſchäft hätte ich beinahe vergeſſen und ſofort 
geht es ans Werk. Feuer iſt ja im Kamin, alſo Waſſer angeſtellt 
und heiß gemacht, während ich den Mehlſack vom Wandgeſtell 
und das Backtrögelchen (eigenes Fabrikat) vom Holzſtoße her— 
unternehme, dann in die Nachbarſchaft eile, um ein Mehlſieb zu 
borgen; bis ich endlich fertig bin, Mehl für den Brodteig in das 
Tröglein zu ſieben, eine Handvoll Salz darunter zu mengen, fängt 
das Waſſer zu ſieden an. Nachdem ich den Keſſel abgenommen, 
gieße ich einen Teil des Waſſers über das Mehl und mit einem 
großen hölzernen Rührſtock fange ijt an zu rühren, noch einmal 
Waſſer zuſchüttend, menge ich ſo lange, bis ich einen ziemlich 
dicken Teig zuſtande gebracht, den ich dann zum Schluß in der 
Nähe des Kamins gut zugedeckt, zum Schutze gegen unſere unge— 
rufenen Gäſte, die Mäuſe, hinſtelle. Auf dieſe Weiſe ſauert der 
Teig bis zum anderen Morgen, wodurch das Brod nicht nur einen 
ſaueren, alſo beſſeren Geſchmack bekommt, ſondern auch lockerer 
und beſſer zu verdauen wird. So wie mit dem Brodbacken hatten 
wir uns auch mit den meiſten anderen Dingen während der 
langen Zeit unſerer Gefangenſchaft vervollkommnet, und endlich 
das Beſte oder den beſten Weg gefunden, etwas zu fabrizieren. 
Nun ſind meine Tagesbeſchäftigungen alſo wirklich beendigt, und 
nachdem ich wieder nach meinem erloſchenen Pfeifchen gegriffen, 
und dieſes in Gang gebracht habe, mache auch ich mich auf den 
Weg zuerſt das Sieb zurückzutragen, dann ein paar Eimer Waſſer 
zu holen zum Trinken für den Abend und Kaffeewaſſer für den 
nächſten Morgen. Nach dieſer kleinen Motion ſetze ich mich, wenn 
das Wetter ſchön ift, außerhalb unſeres Haufes in die erquickende 
Abendluft, oder, iſt es zu kalt und regneriſch, an das Feuer. Mei— 
nem Beiſpiel folgen meine Kameraden, und nachdem vielleicht 
noch einige Bekannte hinzukommen, wird der Kreis erweitert; 
einige von uns ſetzen ſich auf das Bett oder legen ſich hin, den 
Beſuchern die Stühle, von denen wir fünf Stück aus eigener 
Fabrik beſaßen, überlaſſend und nachdem noch einige tüchtige Holz— 
blöcke in den Kamin ans Feuer geſchoben worden ſind, und alle 
ihre Pfeifen entzündet oder ihre Backentaſchen mit neuem Tabak 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


verſorgt haben beginnt die Unterhaltung. Nach Art der deutſchen 
Kaffeegeſellſchaften kommen nun zuerſt die Tagesneuigkeiten zur 
Sprache, dann gehen wir zur Politik über, ſtreiten uns gehörig 
ab, ſodaß ſchließlich einer, um dem Streit ein Ende zu machen, 
den Vorſchlag macht, es ſollte doch einer eine Geſchichte erzählen 
und ſo verſtummen wir endlich, wenn die Erzählung beginnt. 
Einer meiner Bekannten, ein Braſilianer, ſeit Beginn des Krieges 
in der Flotte der Vereinigten Staaten, hatte beſdnders viel Talent 
zum Erzählen, ſodaß es jeden Abend hieß: C. D., erzähle doch 
eine Geſchichte, eines deiner Seeabenteuer oder etwas aus Bra— 
ſilien uſw. So ſaßen wir oft bis 11—12 Uhr zuſammen. Nachts 
wußten wir nämlich immer, wie viel die Uhr war, weil die außen— 
ſtehenden Wachen der Rebellen alle Stunden die Uhr laut ab- 
ſchreien mußten (3. B. Poſten No. 10 — 8 Uhr; alles in Ord- 
nung), ſodaß die Offiziere der Wache eine Kontrolle hatten, ob 
alle Poſten munter und am Platze wären, ohne daß ſie nötig 
hätten, eine Runde zu machen und die Poſten einzeln zu viſitieren 
(bei Regenwetter ein angenehmes Ding für einen Wachoffizier). 
Durch das Sitzen, Sprechen und Zuhören ermüdet ſagten wir uns 
endlich „Gute Nacht“, und während die Beſucher nach ihren 
Hütten eilen, legen wir fünf uns wieder auf unſer freilich ſehr 
hartes Lager, unebene Schindeln ohne alle Unterlage, doch ein 
amerikaniſcher Soldat gewöhnt ſich an nichts leichter als an das 
Schlafen auf harter Erde, Holz uſw., da er während ſeiner Dienſt— 
zeit nie ein Bett zu ſehen bekommt. So ſchlafen wir denn auch 
bald ein, und, von den lieben Angehörigen und der Heimat ſüß 
träumend, ſchlummern wir bis der Anbruch des Tages und mit 
dieſem das Signal unſerer Gefängniswärter, welches vom gegen— 
überliegenden Hügel am Hauptquartier ertönt, uns aufweckt. 
Nachdem wir uns erhoben, mache ich mich gleich an den Kamin, 
ich habe ja die andere Hälfte meines Kochtages noch vor mir — 
ſcharre Kohlen zuſammen und entfache dann ein gehöriges Feuer, 
an welches ich nun unſeren Keſſel voll Waſſer für Kaffee anſetze. 
Bis das Waſſer kocht, habe ich Zeit mich zu waſchen und Toilette 
zu machen, auch noch ein paar Eimer Waſſer zu holen, denn 
Waſſer trinken wir ziemlich viel zu jeder Mahlzeit. Iſt der 
Kaffee gekocht, ſo wird er zur Seite des Feuers geſetzt und ich 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ſchütte nun, wie geſtern, in mein vorher heiß gemachtes Skillet 
den Brodteig, um das Frühſtücksbrod zu backen. Bis alles fertig 
iſt, iſt ungefähr eine Stunde vergangen und demnach — das 
Signal für das Aufſtehen im Hauptquartier ertönt nämlich um 
7 Uhr — ungefähr 8 Uhr, da aber um dieſe Zeit jeden Morgen 
Roll⸗Call, eine Zählung der Gefangenen ſtattfindet, zu welcher 
jeder, ausgenommen die Kranken, welche bettlägerig ſind, aus— 
rücken muß, ſo beginnen wir nicht eher mit dem Frühſtück, bis 
Roll⸗Call vorüber ijt, und ich laffe daher alles am Feuer ſtehen. 
Nachdem außerhalb des Staketes mit einem Horn (eigentlich das 
Zeichen für die Bluthunde oder das im Buſch weidende Vieh) 
das Zeichen gegeben worden iſt, tut ſich das Tor auf und eine 
Schar bewaffneter Rebellen erſcheinen, um uns arme Gefangene 
aus den Hütten zu holen und in einer Linie aufzuſtellen, worauf 
wir gezählt werden und die Nummer dann an die Adjutantur des 
Hauptquartieres rapportiert wird. Wiederum ertönt das Horn, 
wenn die Zählung vorüber iſt (was übrigens ſehr lange, mitunter 
über ½ Stunde dauert, denn dieſe Söhne des Waldes ſind nicht 
im Stande zu rechnen und verzählen ſich mitunter drei bis viermal) 
und wir ſind gnädig entlaſſen. Nachdem unſere Phalanx ſich mit 
großem Geſchrei aufgelöſt hat, verſchwinden auch unſere Peiniger 
wieder durch das einzige Tor, welches ſich hinter ihnen wieder 
ſchließt und uns von der geliebten Freiheit abſperrt. Zur Ent- 
ſchädigung dafür machen wir uns nun an das Frühſtück, beſtehend 
aus Kornkaffee, Kornbrod und einem Stück kalten Rindfleiſches, 
dem überbleibſel des vorigen Mittagsmahles. Sit das Frühſtück 
eingenommen, ſo mache ich das Geſchirr wiederum rein, ſetze alles 
an Ort und Stelle und ſage: „Mein Kochtag iſt vorüber. Gott 
jei Lob und Dank, nun habe ich wieder für vier Tage Ruhe.“ 
Vollſtändige Ruhe habe ich aber erſt dann, wenn man den Ruf: 
Der Mehlwagen iſt da“ oder „Das Fleiſch kommt herein“ hört, 
worauf mein Nachfolger ſeine Funktion beginnt. Dieſer ſowohl 
wie alle übrigen machen alles ſo wie ich und nur ſelten tritt eine 
kleine Anderung ein, daß es z. B. zum Frühſtück Beefſteak oder 
gebratene Leber zum Mittagbrod oder Bohnen oder Nudelſuppe 
oder gar Mehlklöße mit geſchmortem Rindfleiſch und Sauce gibt, 
Pfannkuchen zum Kaffee oder abends nochmals ein Extraeſſen 


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Deutſch⸗-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


kommt häufiger vor. Ich habe mich zwar nie in derartige kunſt— 
volle Kochereien eingelaſſen, aber ein Bäcker, den wir unter uns 
hatten, machte dies alles ſehr gern, und zwar, wie er ſagte: zur 
Veränderung, hauptſächlich aber wohl deshalb, weil er, ſogut wie 
wir, derartige Gerichte dem allnäglichen Kornbrod mit Suppe 
und Fleiſch vorzog, zugleich aber, weil er wußte, daß es riskant 
war, einen von uns kochen zu laſſen, denn außer ihm war keiner 
von uns in dieſer Behauſung, der von der höheren Back- und 
Kochkunſt etwas verſtand. Dies war alſo die Beſchreibung eines 
Arbeitstages, welcher ſechsmal im Monat an mich und ebenſo oft 
an jeden meiner Kameraden kam. Doch zu unſerem Schrecken, 
allein nur zu unſerem Beſten entſtand noch eine neue Art von 
Arbeitstagen, welche allerdings nur alle fünf Wochen an einen 
von uns ſechs famen. Mit einem Mal ſchafften die Rebellen näm- 
lich die bisherige Sitte, uns Brennholz zu liefern, d. h. es uns 
mit einigen Ochſenwagen in das Staket fahren zu laſſen, ab und 
brachten dafür die neue Ordnung auf, daß der Reihe nach alle 
Tage Abteilungen von 20—30 Mann auf einige Stunden teils 
bor- teils nachmittags unter Begleitung einer Wache von 4—5 
Mann in den Wald hinausgelaſſen wurden, um Brennholz zu 
hauen und für ſich hereinzutragen ins Camp. Freilich war es 
ſehr beſchwerlich, das Holz herbeizuſchaffen, da der Wald in der 
Nähe ganz abgeſchlagen und zum Teil für Blockhütten teils zum 
Brennholz für uns und die außen lagernden Rebellen benutzt war, 
und in der letzten Zeit mußten wir das Holz 3—4 Meilen weit 
auf der Achſel hertragen; doch die Bewegung in der friſchen freien 
Luft, und das bischen angeſtrengte Arbeit für wenige Stunden 
war unſeren Füßen und unſerer ganzen Geſundheit jedenfalls 
nur ſehr dienlich. Gab es doch dann wenigſtens einen Tag 
im Monat, an dem man abends ſagen konnte: Ich bin müde und 
lege mich nieder, und eine Nacht im Monat, in der man feit und 
ohne aufzuwachen ſchlief. Hauptſächlich aus dieſem Grunde liebte 
ich den Arbeitstag ungemein, denn ſonſt war es mir nie vergönnt, 
auch nur eine Nacht ruhig zu ſchlafen; entweder plagten mich die 
häßlichſten Träume, oder ich wurde von der Kälte erweckt oder 
ich konnte überhaupt nicht einſchlafen, weil ich die dumme Ange— 
wohnheit hatte, am Tage zu viel zu ſchlafen, mitunter von 9 Uhr 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


morgens, alſo gleich nach unſerem Frühſtück bis zum Mittageſſen, 
alfo 4—5 Uhr; es waren dies ja nur 7—8 Stündchen. Einfacher 
iſt die Beſchreibung eines der vielen Ruhetage, an denen Schlafen, 
Eſſen und Rauchen die Hauptrolle ſpielen. Ich pflegte an ſolchen 
Tagen bis 9tolf-Gall zu ſchlafen, reip. jo lange liegen zu bleiben; 
nachdem dieſes vorüber, mich zu waſchen und hierauf meinen Mokka 
ſchlürfen. Bekam ich vormittags Beſuch, ſo unterhielten wir uns 
mitunter 5—6 Stunden mit Schachſpielen, woran ſich teils zwei, 
teils vier Mann beteiligten. So verging die Zeit bis zum Abend— 
eſſen; nach dieſem wurde, wie geſagt, der Unterhaltung gepflogen 
oder etwas im Broadway oder auf der Höhe des Hügels, einem 
großen freien Platz, des Tages über von den Yankees zum Ball⸗ 
ſpielen, abends aber von den Gefangenen zum Spaziergang De- 
nutzt und daher von mir nur die Rennbahn getauft, ein Name, 
deſſen ſich dann alle meine Bekannten bedienten, ſpazieren ge— 
gangen oder gelaufen. Hat man ſich müde gelaufen in dem 
weichen Flugſand und die erquickende Abendluft ſattſam genoſſen, 
ſo ſchlägt man den Nachhauſeweg ein, wo dann wie immer ent— 
weder durch Unterhaltung die Langeweile vertrieben wird, oder 
auch nach Art der Indianer durch ſtilles Sitzen und Hinbrüten 
am Feuer, wobei nur die Friedenspfeife zirkuliert; denn da wir 
zu fünft nur zwei, mitunter nur eine Pfeife im Vermögen hatten, 
jo mußten wir ſchon die Sitte der Indianer, eine Pfeife zirku— 
lieren zu laſſen (allerdings keine ſehr nachahmenswerte Sitte) 
nachmachen. Dieſe Ruhetage waren die langweiligſten Tage für 
mich, und nur ſelten fand ſich an ihnen eine angenehme Beſchäfti— 
gung; einige Male hatte ich das Glück, Bücher, und zwar einen 
lateiniſchen Caeſar, eine franzöſiſche Lektüre von A. Dumas und 
einmal etwas Geſchichtliches in deutſch, mehrmals eine deutſche 
Bibel geliehen zu bekommen; doch da dieſe Bücher einem deutſchen 
Rebellenhauptmann gehörten und im ganzen Staket unter allen 
Deutſchen zirkulierten, ſo kam das Vergnügen, für ein oder mehrere 
Tage etwas geiſtige Beſchäftigung zu haben, nur ſelten vor. Einige 
Male hatte ich auch Gelegenheit, etwas amerikaniſche Geographie 
treiben zu können, indem ich längere Zeit eine, allerdings ſehr 
zerfetzte War⸗Map, Karten der Vereinigten Staaten, jedoch haupt— 
ſächlich für die Kriegsſchauplätze bearbeitet, geliehen bekam. Eine 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


andere Beſchäftigung, der ich mich zwar nicht gerne, aber in pe— 
kuniärer Hinſicht doch unterzog, war das Zeichnen von Block— 
hütten, ſowohl das Außere, als auch das Inſeitige, zum Andenken 
für die Gefangenen an ihre Gefangenſchaft in Texas; mit mehr 
Intereſſe arbeitete ich mitunter das Bild vom Camp nach meinem 
Eintritt, wofür ich mich dann mit Tabak oder barem Gelde be— 
zahlen ließ, welches dann, in die Wirtſchaftskaſſe getan, mitunter 
ein etwas beſſeres Mittageſſen oder Frühſtück gab. In dieſer 
und ähnlicher Weiſe verſtrichen mir und meinen Leidensgefährten 
bie ſogenannten Ruhetage. Der Hauptruhetag, der Sonntag, 
wurde auch kirchlich gefeiert. Am ſogenannten Broadway, der 
Straße, welche ſich vom Haupteingang an der Mehlwage, dem 
ſogenannten Börſenplatz (weil in deren Umgebung die meiſten, 
reſp. größten und reichſten Spekulanten wohnten) vorüber in der 
Richtung nach Norden hinzog, war ein etwas freies Plätzchen. 
Dieſes hatte man mit einem grünen Laubdach überwölbt und es 
wurde nun als Kirche betrachtet und gebraucht. Geiſtliche aus 
dem benachbarten Tyler kamen öfters, um das Wort Gottes zu 
lehren, ober, wie e$ bet ben Methodiſten der Brauch iſt, einer aus 
der Mitte der kleinen Gemeinde fühlte ſich vom heiligen Geiſt 
erhoben und begann eine erbauliche Rede, und wie viel Stoff zum 
Reden bot ſich nicht in einer ſolchen Lage wie die unſrige. Die 
Beſucher der Kirche brauchten nur, wenn ſie ſtanden, etwas über 
das Staket ſchauen, und einige Schritte entfernt nach Weſten blicken, 
ſo ſahen ſie unſeren Friedhof am Saume des Waldes einſam und 
ungeſtört liegen. Hunderte unſerer braven Kameraden ſchlum— 
merten hier den ewigen Schlaf fern von den Ihrigen, welche viel— 
leicht keine Nachricht davon hatten und in banger Sorge den Ge- 
liebten oder wenigſtens Nachricht von ihm erwarteten. Und der 
Tod forderte beinahe täglich ein Opfer, denn da keine ärztliche 
Hilfe und keine Medikamente da waren, war es nicht möglich, 
einem gefährlich Erkrankten Hilfe zu leiſten. Auch ich war während 
meiner langen Gefangenſchaft öfter von böſen Krankheiten heim- 
geſucht und habe die wunderbare Erhaltung meines Lebens nächſt 
der Güte des Allmächtigen nur meiner geſunden und kräftigen 
Konſtitution zu verdanken. Im Sommer lag ich längere Zeit 
ſchwer danieder an Blutruhr infolge des ungewohnten Lebens und 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


der nachteiligen Speiſen, und kaum war ich davon geneſen befiel 
mich erſt das Wechſelfieber, dann das kalte Fieber, welches ſich 
dann öfters einſtellte; doch nicht genug damit, ſollte ich im Winter 
auch der häßlichen Krankheit des Südens, dem Skorbut anheim⸗ 
fallen. Das Zahnfleiſch, gefüllt mit einer übelriechenden Sub- 
ſtanz, ſchwillt an und wird ſchwarz, ebenſo die Zähne, welche aus 
dem Munde zu fallen drohen; endlich färben ſich auch die Schenkel, 
anſchwellend, erſt blau, dann dunkel, worauf der Tod eintritt; 
da man: nicht im Stande ijt zu kauen, weil die Zähne zu locker 
und der Schmerz zu groß iſt, ſo verhungert man halb. Die 
Haupturſache dieſer Krankheit war einmal das ewige Einerlei im 
Eſſen, und dann die Unregelmäßigkeit; auch ſoll der ſchlechte Speck, 
welchen wir ſeit Neujahr anſtatt des bisherigen Rindfleiſches be— 
kamen (zwar nur 2—3 oder 3—4 Lot den Tag für einen Mann) 
und der in der Regel ranzig oder voller Würmer, ſelten aber gut 
war, viel mit dazu beigetragen haben. Da ich der Krankheit zeitig 
genug vorgebeugt hatte durch ein fortwährendes Einreiben mit 
Salz und Aſche, Effen von rohen Sweet-Potatoes und Sforbut- 
Roots, wilde Zwiebeln uſw, ſo konnte ſich dieſelbe nicht ausbreiten 
und verlor ſich bald wieder, aber viele meiner Leidensgefährten, 
die die Sache zu leicht nahmen und nichts taten, wurden eine 
Beute des Todes. 


Da ich glaube, daß der Lefer aus dem, was ich über ımfer 
Leben geſchrieben habe, ſich ein ziemlich genaues Bild von dem 
Leben, das wir führten, machen kann, ſo ſchließe ich damit, und, 
indem ich nur noch erwähne, daß im Monat Februar unſer Be— 
freier noch einmal kam, um diesmal etwa 600 Mann der lang— 
erſehnten Freiheit wiederzugeben, welche Anfang März von Camp 
Ford abmarſchierten, glaube ich, daß es nun Zeit für mich iſt, 
auch von unſerer endlichen Befreiung etwas zu ſagen. Der März, 
alſo das Frühjahr, war endlich gekommen und die Zeit, welcher 
wir mit ſo großem Bangen entgegenſahen, nämlich die trübe und 
für uns ſo harte Regen- und Winterzeit war vorüber. Alles 
freute ſich, als die Bäume um uns her wieder ihr ſchönes grünes 
Kleid anlegten und wir nicht mehr in das öde dunkle Grau der 
blattloſen Baumrieſen zu ſchauen brauchten; dieſe Freude war 
aber auch außerdem ſehr materiell, denn wir bekamen nun ſtatt 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


des miſerablen und ungeſunden Speckes wieder unſer altes und 
beliebtes Rindfleiſch. Ein ungewohntes Ereignis erlebten wir 
noch im Staket; nämlich am 4. März, dem Tage der Wahl des 
Präſidenten der Vereingten Staaten ſchickte der Oberſt, der Kom⸗ 
mandant des Poſtens, Papier zu Stimmzetteln für uns, um aus 
dieſer Wahl im kleinen die Wahl im großen im Voraus zu erraten 
(ebenfalls ein charakteriſtiſcher Zug der Amerikaner, nämlich ent- 
ſetzliche Neugierde). Zweidrittel ſtimmten für den Vater Abraham, 
oder wie die Amerikaner nur ſagten: der alte Abe; während ein⸗ 
drittel für MeClellen, den Generalmajor und früheren Ober- 
kommandeur der Potomac-Armee ſtimmte; auf ihn fiel auch meine 
Wahl. Im Staket wurde dieſe Feſtivität von den Bemittelten 
durch einen großen Schmaus begangen, welchen einer der Reſtau⸗ 
ranten am Broadway, das Couvert zu viel Dollar, arrangiert 
hatte; auch ich beteiligte mich daran, da ich zufällig bei Kaſſe war. 
Die Hauptſache beim Eſſen war das Deſſert, welches aus einer 
Menge verſchiedenartiger Pies uſw. beſtand, doch auch ſonſt waren 
verſchiedene Gemüſe und Salat, ſelbſt einige Gänſebraten und 
ſonſtige ungewohnte Leckerbiſſen, freilich nicht ſo wie ſie ſein 
ſollten, zubereitet. Dieſes war das letzte merkwürdige Ereignis 
im Camp. Nachdem wir uns in ſtiller Reſignation ſchon dem 
Gedanken hingegeben hatten, nod) einen Sommer im Camp ber- 
leben zu müſſen und uns ſchon darauf vorbereiteten; denn viele 
hatten, wie auch ich und meine Kameraden, eine ſchön belaubte 
Veranda vor dem Hauſe errichtet, unter deren kühlen Schatten 
wir nun Schach ſpielten oder unſere Sieſta abhielten, erhielten wir 
plötzlich die Nachricht von dem Tode des alten Vater Abraham. 
Groß war unſere Entrüſtung über dieſe ſcheußliche Tat; ſelbſt 
die uns bewachenden Rebellen äußerten ſich ſehr mißliebig und 
ſprachen nur ſelten darüber; höchſtens beläſtigten ſie uns mit der 
neugierigen Frage: Was glaubſt Du, wer wird wohl jetzt Präſi⸗ 
dent? Als fie erfuhren, daß Johnſton gewählt fet, war eine Ber- 
ſtimmung aller Rebellenoffiziere leicht zu bemerken, die mit den 
von Richmond eintreffenden Nachrichten noch ſtieg. Wir erfuhren 
alles: den Fall Richmonds, Übergabe Lees und feiner Armee (ein 
Ereignis, welches bei uns ungeheuren Jubel erregte) durch die 
Rebellen ſelbſt, welche nun ſelber von nichts weiter als vom 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Frieden und unſerer Befreiung ſprachen. Unſere Freude war 
unausſprechlich und der Jubel, als der Parol-Offizier eines Tages, 
es war Ende April, eintraf, kannte keine Grenzen; alte Soldaten 
ſtanden ſprachlos und weinten vor Freude, wieder andere tanzten 
und ſprangen in wilder Luft; bie jüngſten endlich ſtanden auf 
den Dächern der Blockhütten und winkten mit Tüchern und Mützen 
unſerem Befreier entgegen, das herzlichſte Willkomm, das wohl 
jemals einem zuteil geworden. Nachdem einige Tage vergangen, 
begann das Parolen, und ſobald für die ärgſten Kranken einige 
notwendige Wagen angeſchafft worden waren, ſchlug der Tag 
der Befreiung. Es war der 8. Mai 1865, ein Tag, welcher mir 
ewig unvergeßlich bleiben wird. Endlich, nachdem wir ein Jahr, 
einen Monat hier an dieſem Platze nach Freiheit geſchmachtet, war 
der langerſehnte Tag der Abreiſe erſchienen. Vergeblich warteten 
wir auf die Garde, welche uns nach Shreverport bringen ſollte, 
und da der größte Teil des Milizregimentes, welches uns bisher 
bewacht hatte, in der Nacht und den Tag vor unſerer Abreiſe die 
Waffen niedergelegt und ausgeriſſen war, ſo mußte der Reſt des 
Regimentes, der uns treu geblieben war, uns nach Marſhall brin- 
gen. Wie verſchieden waren unſere Gefühle auf dem uns be— 
kannten Wege nach Marſhall gegen damals, wo man uns von 
Marſhall in die Gefangenſchaft führte, und wie verſchieden der 
Marſch überhaupt! Während wir damals, vier Mann hoch, immer 
aufgeſchloſſen marſchieren und mitunter laufen mußten, ſtreng 
bewacht auf allen Seiten, ſahen wir jetzt unſere paar Mann Wache, 
— etwa 15 Mann und einen Offizier, dieſe aber gingen nur zu 
unſerem perſönlichen Schutze mit und um etwaige Plünderungen 
unſererſeits zu verhindern, — beinahe den ganzen Tag nicht, denn 
ſie ritten bald in unſerer Front, bald in unſerem Rücken und wir 
ſelbſt marſchierten ganz nach unſerer Bequemlichkeit. War einer 
müde, ſo legte er ſich in den Schatten eines Baumes am Wege 
und ſchlief, bis ihn die langſam nachkommenden Krankenwagen, 
zum Teil mit Ochſen beſpannt und die, den Zug beſchließenden Re- 
bellen aufweckten und mitnahmen, ſo dehnte ſich unſer Zug mehrere 
engliſche Meilen aus und rückte nur langſam vorwärts. Am 
vierten Tage, ganz in der Frühe trafen wir in Marſhall ein. 
Hier wurden unſere Kranken und alle die, welche über zu große 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Mattigkeit klagten, auf den Bahnhof gebracht und mit einem Zuge 
nach Greenwood, einem kleinen Städtchen dicht an der Grenze von 
Louiſiana⸗Texas gefahren, von wo fie dann den Weg nach Shrever⸗ 
port, eine Entfernung von ungefähr 25 Meilen, marſchieren 
mußten. Da ich ziemlich gut zu Fuß war, blieb ich bei dem Zuge. 
Nach einem kurzen Aufenthalt in Marſhall, wo uns unſere bis⸗ 
herige Wache verließ, um nach Camp Ford und von da ſofort nach 
ihrer Heimat zurückzukehren, und an ihre Stelle eine Kompagnie 
Infanterie zu uns ſtieß, brachen wir auf, und Marſhall mit ſeiner 
ſchönen Umgebung Lebewohl ſagend ſchlugen wir ſtatt des, uns 
{don bekannten Weges nach Mansfield, den Weg nach Shrever- 
port am Red River ein. Der Weg von Marſhall nach Shreverport, 
etwa 60—65 engl. Meilen lang, führt, ähnlich dem ſchon von 
mir beſchriebenen von Marſhall nach Mansfield bald durch Ur⸗ 
wald, bald durch ſchmale angebaute Striche, deren Enden man 
aber immer von Urwald begrenzt findet. Nachdem wir noch zwei⸗ 
mal nachts auf Texasboden unſer Lager aufgeſchlagen hatten, 
paſſierten wir am dritten Tage, ſeit wir Marſhall verlaſſen hatten, 
vormittags die Texas⸗Louiſiana⸗Grenze, und nachdem wir das 
Städtchen Greenwood mit ſeinen großen ſüdlichen Hoſpitälern, 
derzeit noch angefüllt mit Verwundeten, erreicht hatten, befanden 
wir uns wieder ganz in Louiſiana. 214 Meilen hinter Greenwood 
gingen wir ins Lager, mitten im dichten Buſch an einem kleinen 
Bach, der aber, halb eingetrocknet, nur trübes und ſchlammiges 
Trinkwaſſer hatte. Dieſes war unſer letzter Abend auf dem Marſche 
und wir alle freuten uns ſchon auf den nächſten Tag, wo wir 
erlöſt von allen Leiden, nach Shreverport und auf Steamboote 
zu kommen hofften. Nachdem ſich nachts der größte Teil unſerer 
Wache und ſämtliche Maultiertreiber, ihre Wagen im Stiche 
laſſend, mit den Maultieren aus dem Staube gemacht hatten, 
ſodaß wir Gefangenen uns nur noch von einem Offizier und 4—5 
Mann der Conföderierten bewacht ſahen, traten wir morgens ſchon 
vor 3 Uhr den Reſt unſeres Marſches an. Auf dem heutigen 
Wege ſahen wir deutlich, daß wir uns in einer anderen Gegend, 
d. h. in einem anderen Staate befanden, denn mit einem Male 
hörte der Wald ganz auf und wir ſahen nun wieder die ſchönſten 
Plantagen mit ihren Welſchkorn-, Zuckerrohr⸗ und weißen Baum- 


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Deutſch⸗-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


wollfeldern, ja, fogar einige Weizen-, Roggen- und Gerſtenfelder, 
die freilich zum größten Teil ſchon gemäht waren. Nachmittags, 
nachdem wir, wie auch in Marſhall, eine Menge von Mebellen- 
lagern, teils Infanterie, teils Kavallerie paſſiert hatten, ſahen wir 
von weitem ſchon die Befeſtigungswerke und auf den, die Stadt 
beherrſchenden Hügeln ſtarke Forts, alle mit ſchweren Geſchützen 
armiert. Dicht an der Stadt, in der Nähe des roten Flußes, an 
einer prachtvollen, großen überbauten Quelle, welche die Stadt 
Shreverport mit Trinkwaſſer verſieht, gingen wir ins Lager. 


Ein Teil der Kranken und Maroden, welche von Marſhall nach 
Greenwood mit der Bahn gefahren waren, war ſchon am Abend 
zuvor hier angekommen; der größte Teil wurde freilich noch erſt 
erwartet, da ihr Marſch nur langſam von Statten ging. Am 
anderen Tag hatten wir einen Raſttag, hauptſächlich weil immer 
noch Marodeure und Kranke, auch einige freiwillige Nachzügler 
eintrafen, aber niemand war froher als wir, da wir uns ſo wieder 
etwas von den Anſtrengungen des letzten Marſches erholen konn⸗ 
ten. Da im Verlauf dieſes Tages unſere Leute alle noch glücklich 
hier eintrafen, ſo erhielten wir am Abend für drei Tage Rationen, 
beſtehend aus Biskuits aus Roggenmehl gebacken, Kornmehl und 
Speck und, was wir mit Jubel begrüßten, Lincoln⸗Kaffee und 
Zucker, mit der Ordre, das Kornmehl zu Brod aufzubacken, da 
wir am nächſten Morgen auf die ſchon bereit liegenden Dampf⸗ 
ſchiffe kämen. Dieſe Nachricht verbreitete einen ungeheuren Jubel 
unter uns und hatte eine wunderbare Tätigkeit zur Folge; die 
ganze Nacht ſah man brennende Feuer und mit Brod backen und 
Kaffee brennen beſchäftigte Gefangene, welche alle mit Sehnſucht 
den folgenden Tag erwarteten. Endlich brad) derſelbe an; nad- 
dem man uns aufgeſtellt und geordnet hatte, marſchierten wir ohne 
Bedeckung durch die Feſtungswerke und die Stadt und durch dieſe 
hindurch an den Fluß, wo drei, für unſere Aufnahme beſtimmte 
Dampfboote lagen. Am Fluß angekommen hatten wir noch erſt 
eine kurze Raſt, dann ging es ans „Verladen“, ich kann wirklich 
dieſen Ausdruck gebrauchen, da wir einzeln an Bord marſchieren 
mußten und von dem an Bord ſtehenden Austauſchoffizier wie 
Güterſtücke gezählt und dann verpackt wurden, d. h. unfer Plätz⸗ 
chen angewieſen bekamen. Die Kranken aus dem Hoſpital wurden 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


- auf ein Schiff geladen, wir übrigen auf die beiden anderen Schiffe 
verteilt; ich kam auf das größte mit Namen „General Quittmann“, 
ein gewaltiger Dampfer mit Seitenrädern, berühmt durch ſeine 
früheren ſchnellen Fahrten auf dem Miſſiſſippi zwiſchen New 
Orleans und St. Louis. (Dann im Verlauf des Krieges, als der 
föderierte General Buttler und der Admiral Faragut den Miſſiſſippi 
anfangs blockierten, dann aber nach einem Bombardement der 
beiden Forts Jackſon und Philipps vor New Orleans rückten, 
hatte man die dort liegenden Miſſiſſippi⸗Steamer teils verbrannt, 
teils den Miſſiſſippi hinauf und nach der Einnahme der Feſtung 
Port Huron, dem ſogenannten Miſſiſſippi⸗Gibraltar, in den Red 
River hinein nach Shreverport geſchafft.) Zum Glück für uns 
war der Fluß ſehr hoch, ſodaß ſolche großen Dampfboote fahren 
konnten, da wir ſonſt das Vergnügen gehabt hätten, etwa 250 
engl. Meilen laufen zu müſſen. Nachdem wir alle an Bord waren 
(auf „General Quittmann“ allein über 800 Mann) ſetzten ſich 
unſere drei Boote in Bewegung, und unter unſerem größten Syubel- 
geſchrei fuhren wir langſam längs der Stadt hin, welche ſich ſehr 
maleriſch terraſſenförmig vom Fluß aus den Hang eines Hügels 
hinaufzieht. Die noch in der Stadt befindlichen Einwohner, dar— 
unter viele Deutſche und beſonders Juden, hatten ſich am Ufer 
verſammelt, um unſere Abreiſe anzuſehen, und während ſie zum 
Abſchied mit weißen Tüchern wehten, erwiderten die Rebellen⸗ 
truppen unſer Freudengeſchrei auf gleiche Weiſe und dadurch, daß 
ſie ihre Gewehre abſchoſſen; es war ja bereits Frieden geſchloſſen. 
Bald war die Stadt unſeren Blicken entſchwunden und an mehreren 
ſtarken Forts vorbei fuhren wir ſozuſagen in den Urwald hinein, 
da derſelbe links und rechts bis an die Ufer reicht, welche jetzt frei— 
lich, des hohen Waſſerſtandes wegen, nicht zu erkennen waren, 
ſodaß zwiſchen den Baumrieſen, ſo weit man ſehen konnte, nichts 
als Waſſer ſtand. 


Anfänglich, ſo lange der Fluß noch ziemlich gerade Richtung 
hatte, lief unſer Schiff mit großer Schnelligkeit, ſeinen alten Ruf 
bewährend, ſodaß die Wälder mit ihren gewaltigen Eichen, Ahorn, 
Magnolien, Pinien uſw. an unſeren Blicken vorüberflogen, allein 
ſchon am zweiten Tag begann die Schnelligkeit nachzulaſſen, denn 
der Fluß wurde immer enger und ſeine Krümmungen immer ſchlan— 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


genartiger. Da unſer rieſiges Boot bei den vielen Krümmungen des 
Flußes gewaltig arbeiten mußte, indem das Hinter- ober Vorderteil 
desſelben mitunter in den Büſchen und Aſten der Bäume hing oder 
in der unſichtbaren Uferbank feſtſaß, ſodaß es jedes Mal geraume 
Zeit dauerte, bis es gewendet hatte, ſo paſſierten uns nachmittags 
die beiden anderen Boote, die wir anfangs weit hinter uns ge— 
laſſen hatten. Zu unſerem Unglück brachen in dem einen Seiten- 
rad mehrere Schaufeln ab, denn ſchonungslos ging unſere Fahrt 
mitunter über Büſche und junge Bäume hin, die zu weit im 
Waſſer, reſp. zu nahe an der Uferbank ſtanden, ſodaß es ſtets an 
einer Seite von abgebrochenen Baumſtämmen und Kſten krachte 
und praſſelte. Endlich, als wir gar mit dem einen Rade hängen 
blieben, brach dasſelbe und wir mußten liegen bleiben, um es zu 
reparieren. Zufällig befanden wir uns gerade einer Farm gegen— 
über, auf der ſich eine kleine Dampfſchneidemühle befand; nachdem 
die Nigger, welche wir an Bord hatten, etwa 24 an der Zahl, 
Baumſtämme und Bohlen angeſchleppt und zerſägt, dann an Bord 
des Schiffes geſchleppt hatten, begannen unſere Zimmerleute und 
Ingenieure das Rad zu reparieren, welches bis Mitternacht endlich 
fertig wurde. Da die Nächte aber zu dunkel und nebelig waren, 
konnten wir mit unſerem gewaltigen Krachkaſten nur bei Tage 
fahren und mußten alſo nachts ſtill liegen, während die beiden 
anderen, jetzt vor uns fahrenden Schiffe, da ſie bedeutend kleiner 
waren, auch nachts laufen konnten. Am anderen Morgen, nach— 
dem alle wieder an Bord waren, — es ſtand uns nämlich frei, 
an Land oder an Bord zu ſchlafen, — ging unſere Reiſe langſam 
und etwas vorſichtiger weiter; abwechſelnd im Urwald oder an 
fruchtbaren, angebauten Feldern und ſchönen Plantagen vorbei, 
mitunter zwiſchen bewaldeten Hügeln, dann wieder im flachen 
Lande; ſo ging unſere Fahrt nach dem kleinen Städtchen Grand— 
duccorps, ſteil über dem Fluß auf einem von den Rebellen ſtark 
befeſtigten Bergrücken hängend. Hier nahmen wir Paſſagiere ein, 
zum Teil Rebellenoffiziere der dortigen Garniſon, teils Farmer— 
familien, die nach New Orleans wollten. Noch zwei volle Tage 
dauerte unſere Fahrt, nachdem wir noch einmal mit unſerem 
Schiffe Pech hatten, indem nämlich das andere Rad auf dieſelbe 
Art zerbrach, wodurch wir wieder einen ganzen Vierteltag auf— 


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Deutfh-Amerifanifhe Geſchichtsblätter 


gehalten wurden. Am zweiten Tag nachmittags paſſierten wir 
ein den Rebellen gehörendes Widderſchiff „Miſſouri“, mit Eiſen⸗ 
bahnſchienen gepanzert und mit ſchweren gezogenen Geſchützen 
armiert, welches uns ſalutierte, indem es die konföderierte Flagge 
hißte. Nachdem wir nachmittags gegen 4 Uhr bei Fort Randolph, 
einer im Verlaufe des letzten Jahres von den Rebellen erbauten 
kleinen ſtarken Feſtung, welche auf einer ziemlich ſteilen Anhöhe 
liegt und ſo den Fluß und darüber hin die Stadt Alexandria be⸗ 
herrſcht, angekommen waren, konnten wir, um eine ungeheure 
Biegung herumfahrend, die Häuſer der Stadt erblicken und in 
wenigen Minuten lagen wir vor Alexandria, welches den Leſern 
ſchon vom Anfang meiner Erzählung bekannt iſt. Da wir hier 
wegen eines Konfliktes zwiſchen dem Platzkommandanten und 
unſerem Schiffskapitän gegen zwei Stunden liegen mußten, jtie- 
gen wir ans Land und gingen etwas in die uns wohlbekannte 
Stadt; aber ach — ein ſchauriges Bild der Zerſtörung bot ſich 
unſeren Augen dar. Kaum die Hälfte des Städtchens ſtand noch; 
überall ſahen wir die Ruinen von ſchönen Gebäuden, die von 
unſeren Truppen bei dem Rückzug nach der unglücklichen Schlacht 
bei Mansfield in Aſche gelegt worden waren. Abgeſchreckt durch 
dieſes häßliche Bild und die Verwünſchungen der einzelnen umber- 
ſtehenden Einwohner der einſtmals ſo ſchönen Stadt, begaben wir 
uns wieder an Bord unſeres „General Quittmann“, welcher nach 
Verlauf von etwa zwei Stunden ſeine Räder wieder in Bewegung 
ſetzte. Da von hier der Fluß eine ſtellenweiſe koloſſale Breite be- 
kommt, ſo begann unſer Steamer, eingedenk ſeiner früheren be— 
rühmten Fahrten, eine ungemeine Schnelligkeit zu entwickeln, fo- 
daß die prachtvollen Plantagen und das herrliche, fruchtbare Land 
auf beiden Ufern an unſeren Blicken dahintanzten. Die Fahrt 
ging mit unverminderter Schnelligkeit die ganze Nacht hindurch 
und als der 22. Mai anbrach, befanden wir uns an der Mündung 
des Red River in den Vater der Gewäſſer, den Miſſiſſippi. Wegen 
des dichten Nebels und der unbekannten Lage unſerer Kanonen— 
boote, welche den Red River blockierten, mußten wir eine Zeitlang 
ſtill liegen. Endlich hob ſich der Schleier, der uns bisher alles 
umher verhüllte, und eine wunderbare Ausſicht bot ſich unſeren 
Blicken dar. Zu unſerer Linken teilte ſich der rote Fluß (dieſen 


— 163 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Namen haben ihm die Indianer wegen der Farbe des Waſſers, 
welches, ſtets trüb und ſchlammig, eine rote Farbe hat, gegeben) 
in mehrere Arme, ſodaß wir eine Menge von Eilanden, alle mit 
dichtem Urwald bis an die Uferbänke bewachſen, erblickten; zu - 
unſerer Rechten war das Ufer gleichfalls mit dichtem Urwald ein⸗ 
gelaumt, ber jid) etwa 80—90 Meilen von der Mündung nach 
Alexandria zu an beiden Seiten des Flußes hinzieht; vor uns 
aber in majeſtätiſcher Breite die grünlichen Wellen des Miſſiſſippi, 
welcher mit einem wahren Wald von Schloten bedeckt war. Unſere 
gewaltigen eiſengepanzerten Monitors kamen uns entgegen, und, 
das ſo lange nicht mehr erblickte Sternenbanner der U. S. A. 
hiſſend, donnerten ſie aus ihren rieſigen Feuerſchlünden uns ein 
dreifaches Willkommen entgegen. Auf dieſe Einladung hin ſetzte 
ſich unſer Boot, welches bis dahin ſtill gelegen hatte, wieder in 
Bewegung, und unter dem Jubelgeſchrei der uns am Ufer erwar— 
tenden Menge ſtiegen wir, von unſerem Parole⸗Agent in Empfang 
genommen, bei Magenſia ans Land. Hier logierten wir uns in 
einer gewaltigen, jetzt freilich ſtill liegenden Zuckerfabrik ein, doch 
ſchon nachmitags wurden wir auf unſere eigenen Booten, d. h. 
Boote unſeres eigenen Gouvernements, umquartiert und, während 
die weſtlichen Truppen nach St. Louis hinaufgingen, dampfte ich 
ſtromab nach New Orleans, der Königin des Südens. — 


— 164 — 


Friedrich Lift in Amerika.“ 


Von William Notz, 


Dr. phil., Profeſſor an der Georgetown⸗-Univerſity, 
Abteilungsvorſteher am Department of Commerce, Waſhington. 


Unter den Söhnen Deutſchlands, die am wirtſchaftlichen und 
kulturellen Aufbau der Vereinigten Staaten einen hervorragen⸗ 
den Anteil genommen haben und die auf den Entwicklungsgang 
des amerikaniſchen Volkes und deſſen Inſtitutionen von beſtimmen⸗ 
dem und dauerndem Einfluß geweſen ſind, iſt Deutſchlands großer 
Volkswirtſchaftler Friedrich Liſt mit an erſter Stelle zu nennen. 
Wie ſo oft im Laufe der Geſchichte wahrhaft Großes erſt durch 
die Perſpektive der Zeit ins rechte Licht gerückt und ſeinem vollen 
Wert nach beurteilt werden kann, ſo auch mit den Verdienſten, 
die ſich Liſt um ſeine neue nicht weniger als um ſeine alte Heimat 
in ſo hohem Maße erworben hat. 


Heute, am Schluſſe eines Jahrhunderts ſeit dem Jahre, da 
der junge 36jährige Liſt als Exulant das Geſtade der neuen 
Welt betrat, die ihm freundliche Aufnahme gewährte, reiche 
Schätze des Wiſſens und der Erfahrung ſchenkte, und der er wieder- 
um mit hingebender Treue ſich widmete, dürfte es wohl ange⸗ 
bracht ſein, der Verdienſte dieſes berühmten Sohnes der alten und 
der neuen Welt zu gedenken. 


Leider ſind im Laufe der Jahre Liſts Verdienſte um Amerika 
faſt gänzlich in Vergeſſenheit geraten. Nicht nur der neueren 
amerikaniſchen Volkswirtſchaftsliteratur, ſondern auch der deutſch⸗ 
amerikaniſchen Geſchichtsforſchung iſt die Wirkſamkeit Liſts in 
Amerika kaum bekannt geworden. Erſt den Bemühungen des 
Herrn Geheimrat Profeſſor Harms, Kiel, der auf einer Studien⸗ 


* Vortrag, gehalten in der alten Aula ber Univerſität Berlin am 29. 
Mai 1926. 


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Deutfh-Amerifanifdhe Geſchichtsblätter 


reife in Amerika vor drei Jahren die hin und her zerſtreut wohnen- 
den Liſtfreunde miteinander in Kontakt brachte, iſt es zu verdanken, 
daß das Andenken Liſts wieder aufs neue wachgerufen und ſeine 
Verdienſte um die Vereinigten Staaten von Amerika und be⸗ 
ſonders um den Staat Pennſylvanien in weiten Kreiſen bekannt 
und gewürdigt wurden. So wurde in der amerikaniſchen Tages- 
preſſe der hundertjährigen Wiederkehr des Tages, an dem Fried- 
rich Liſt in den Vereinigten Staaten von Amerika landete, in 
zahlreichen Aufſätzen gedacht, und die am heutigen Tage erjchei- 
nende Nummer der American Economic Review, des Organs der 
American Economic Aſſociation, enthält einen längeren Aufſatz 
über „Frederick Liſt in America“. An etwa einem Dutzend ameri- 
kaniſcher Colleges und Univerſitäten ſtanden im vergangenen 
Jahre Magifter- und Doktorarbeiten über Liſt in Arbeit. — 


Liſt kam auf das dringende Zureden des ihm befreundeten 
franzöſiſchen Marquis de Lafayette nach Amerika, des bekannten 
Mitkämpfers Waſhingtons im amerikaniſchen Befreiungskriege. 
Dieſem gefeierten Nationalhelden, der als Gaſt des amerikaniſchen 
Volkes in den Vereinigten Staaten weilte, ſchloß ſich Liſt zunächſt 
auf einer Reiſe an, die ihn durch einen großen Teil der Union 
führte. So hatte er von vornherein Gelegenheit, Land und Leute 
unter den günſtigſten Verhältniſſen kennenzulernen. Drei Monate 
hindurch führte ihn die Reiſe durch die am dichteſten beſiedelten 
und blühendſten Gegenden der Union, von Maine im Norden 
Neuenglands durch die nordatlantiſchen Staaten bis nach Mary— 
land und Virginia im Süden. Und nicht minder intereſſant als 
das ſoziale und wirtſchaftliche Leben, das da an feinem Auge vor- 
überzog, dürften ſeinem regen Geſchichtsſinne die Bilder aus der 
politiſchen und kulturhiſtoriſchen Entwicklung feiner neuen Heimat 
geweſen fein, die ihm auf den Schlachtfeldern des Revolutions- 
krieges, wo die Unabhängigkeit der Nation erkämpft, und an 
den Stätten, wo das Fundament des neuen Staatsweſens ge— 
ſchaffen worden war, ſowie in den Induſtriezentren und Ackerbau— 
gegenden ſo unmittelbar entgegentraten. 


Durch Lafayette wurde er mit den führenden Kreiſen Amerikas 
bekannt, unter anderen mit den früheren Präſidenten John Adams, 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Jefferſon, Madiſon und Monroe, wie auch mit dem damaligen 
Bundesoberhaupt John Quincy Adams; ferner mit Andrew Jad- 
ſon, Daniel Webſter, Clay, Calhoun, Richard Ruſh, mit dem be- 
deutendſten Juriſten, dem Chief Juſtice John Marſhall, dem 
ſpäter als Eſſayiſt und Dichter bekannt gewordenen Ralph Waldo 
Emerſon u. a. m. 


Mit Ausnahme von Carl Schurz iſt wohl kein anderer ein— 
gewanderter Deutſcher jemals mit jo vielen der leitenden Staats- 
männer, Politiker, Induſtriellen, Literaten und überhaupt den 
führenden amerikaniſchen Kreiſen ſeiner Zeit in Berührung ge— 
kommen wie Friedrich Liſt. Es liegt auf der Hand, daß dies für 
einen Mann wie Liſt, mit ſolch lebhafter Beobachtungsgabe, ſolch 
feinem Verſtändnis für die Eigenart anderer und ſolchen um— 
faſſenden Kenntniſſen wirtſchaftlicher, politiſcher und ſozialer 
Fragen feiner Zeit von unſchätzbarem Wert war, rind dies erklärt 
zum großen Teil die erfolgreiche Tätigkeit, die er in dem ver— 
hältnismäßig kurzem Zeitraum von fünfundeinhalb Jahren in 
Amerika ausübte. 


Lafayette trat im September die Heimreiſe an. Noch vom 
Schiffe aus richtete er einen Abſchiedsgruß an Liſt und deſſen 
Familie und wies den jungen Freund daraufhin, wie nötig es 
ſei, die engliſche Sprache zu beherrſchen, wenn man ſich in Amerika 
erfolgreich betätigen wolle. 


Für Lift war nun die Zeit gekommen, ernitfid) nach einem 
dauernden Unterkommen Umſchau zu halten. Hatte er in der 
Begleitung Lafayettes zunächſt den Oſten des Landes und einen 
Teil der Südſtaaten zu ſehen bekommen, ſo beſchloß er nun, etwas 
vom damaligen Weſten kennenzulernen. Er unternahm zu dieſem 
Zweck eine Reiſe, die ihn durch den Staat Pennſylvanien bis nach 
dem 350 Meilen von Philadelphia entfernten Pittsburg führte, 
dem weſtlichſten Punkt, den Liſt während ſeines Aufenthaltes in 
den Vereinigten Staaten zu ſehen bekam, damals hart an der 
Grenze des nur ſpärlich von Weißen beſiedelten Weſtens gelegen. 
Dort, inmitten des Urwaldes, wo der Indianer erſt langſam 
dem europäiſchen Koloniſten Platz zu machen begann, hatten 
ſchwäbiſche Landsleute unter ihrem Führer, Georg Rapp, ſich 


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Deutfh-Amerilanijhe Geſchichtsblätter 


Heimſtätten gegründet. Dorthin, nach Economy und Harmony, 
zog es Liſt. Anſchaulich berichtet er in ſeinem Notizbuch: „Hier 
haben vor kurzer Zeit erft die Söhne der Wälder vor den mäd)- 
tigen Streichen der Schwaben ſich gebeugt. Es iſt Dämmerung. 
Ich ſtehe an. Währenddeſſen ertönt die Glocke. Es läutet wie 
im heimatlichen Schwabenland. Sehe endlich eine Menge Lichter. 
Schöne breite Straßen, ſchöne Forſten, hier muß es economical 
zugehen. Großes Wirtshaus. Jacob Ebenſperger der Wirt. 
Guten Abend. Woher die Reiſe? Vom Asperg. Ich gebe meinen 
Namen an. Die Leute freuen ſich und empfangen mich herzlich. 
Sie wußten meine Geſchichte aus den Blättern. Sie kommen 
auf der Straße zu mir herangelaufen. Des Fragens und Ant: . 
wortens iſt kein Ende. Nach Tiſch gehe ich zu Rapp. Empfängt 
mich herzlich, ein kräftiger Alter. Um ihn her ſitzen die Nachbarn 
und Nachbarinnen, die bei ihm auf Beſuch ſind. Wir ſprechen 
vom Vaterland. Dieſe Leute haben hier ihr Vaterland, Bruder, 
Schweſter und Freunde, Gleichheit unter fid) — ein Gemeinsinn, 
deſſen Bewußtſein jeden Augenblick freuen muß, deſſen Anblick 
jeden zur Arbeit ſtärkt.“ 


Mit einem Gefühl der Wohlwollens nahm Liſt Abſchied von 
den braven Koloniſten und bewahrte ihnen, wie die häufigen Hin- 
weiſe auf die Rappiſten in ſeinen ſpäteren Schriften dies be— 
zeugen, Zeit ſeines Lebens ein lebhaftes, warmes Intereſſe. 


Nach einem kurzen Verſuch als praktiſcher Landwirt in der 
Nähe von Harrisburg, der Hauptſtadt von Pennſylvanien, ſiedelte 
er mit ſeiner Familie im Jahre 1826 nach dem Städtchen Reading 
in Berks County. Maleriſch inmitten der „blauen Berge“ an 
einer Biegung des Schuylkillflußes gelegen, zählte es damals 
etwa 5000 Einwohner, von denen neun Zehntel deutſcher, haupt— 


ſächlich ſchwäbiſcher und heſſiſcher Abkunft waren. Rings um das 


Städtchen dehnte ſich fruchtbares Ackerland aus, das ebenfalls 
meiſtens in den Händen von deutſchen Farmern lag, deren Fleiß 
und Tüchtigkeit die ganze Umgegend ihren Wohlſtand verdankte. 


Dort übernahm Lift die Schriftleitung des Readinger „Adler“, 
einer der älteſten und verbreitetſten deutſchen Wochenzeitungen 
in Amerika. Hier entwickelte er gar bald eine in der Geſchichte 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


der deutſch⸗amerikaniſchen Preſſe bis dahin geradezu einzigartige. 
journaliſtiſche Tätigkeit, ſo daß der Einfluß des „Adlers“ bald 
weit über die unmittelbare Nachbarſchaft Readings hinausreichte. 
Die Beiträge aus feiner Feder, beſonders feine wöchentliche Rund- 
ſchau der Weltlage zogen bald die Aufmerkſamkeit weiter Kreiſe 
auf ſich und wurden vielfach von Wechſelblättern abgedruckt. Seine 
Aufſätze über vollkswirtſchaftliche Fragen haben noch heute, nach 
hundert Jahren, an Wert kaum etwas eingebüßt. So ſchrieb er 
längere Artikel über den Weinbau in Pennſylvanien, den Seiden⸗ 
und Tabakbau, die Lohnverhältniſſe in amerikaniſchen Fabriken, 
über das Thema „Wie aus einer kleinen Stadt eine große zu 
machen ſei“, ſowie über die Frage: „Warum iſt das Geld ſo rar?“ 
Vor allem aber wandte er ſich fort und fort handelspolitiſchen 
Fragen zu und befürwortete aufs eifrigſte ein Syſtem von Cin- 
fuhrzöllen zum Schutz der damals noch in ihren Anfängen ftehen- 
den amerikaniſchen Induſtrie, die aber nach dem Kriege mit 
England im Jahre 1812 aufs ſchwerſte von dem ehemaligen 
Mutterlande bedroht wurde. Mit großem Fleiß und Eifer, ſowie 
mit der ihm eigenen praktiſchen Beobachtungsgabe, ſammelte und 
verarbeitete er das ihm zugängliche Material und verſtand es 
dann meiſterhaft, mit ſeinem packenden, volkstümlichen Stil das 
Inkereſſe ſeiner Leſer für die Förderung der amerikaniſchen In⸗ 
duſtrie zu wecken. So ſchreibt er gelegentlich ber engliſchen Corn- 
bill des Lord Canning vom Jahre 1827: „Guter Bruder Jona— 
than! Deine Hoffnung auf hohe Kornpreiſe iſt zerronnen. John 
Bull, dein Rabenvater, kann es Dir immer noch nicht vergeſſen, 
daß Du für Dich ſelber aufgeſetzt haſt. Er will immer noch Dein 
Brot nicht in Tauſch nehmen für die ſchönen Kleider, die er Dir 
verkauft, und begünſtigt lieber den faulen, jungen Sohn am 
Lorenzfluß, der ihm Knechtsdienſte leiſtet. Dir wird wohl nichts 
übrigbleiben, als ihm ſeine Kleider zu laſſen, wie er Dir Deinen 
Weizen läßt, und Dich ſelbſt hinter den Webſtuhl zu ſetzen. Ich 
denke, du wärſt alt genug, um klug zu ſein.“ 

Unter der überſchrift „Die Blinden werden ſehend“ bemerkt 
Lift: „Unſere Baumwollpflanzer im Süden fangen bereits an, 
ihren wahren Vorteil zu begreifen, indem ſie allerlei Vorſchläge 
machen, die inländiſchen Baumwollfabriken zu heben, um für 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ihre Baumwolle im Inland Abſatz zu finden. Es ſind dies die— 
ſelben Leute, die von wenigen Jahren den Untergang der Union 
weisſagten, im Fall die inländiſche Fabrikation durch einen Tarif 
begünſtigt würde.“ 


Mit dem ihm eigenen ſtark entwickelten Gemeinſinn des ge— 
borenen Reichsſtädters war Liſt allzeit auf das Wohl ſeiner 
engeren neuen Heimat bedacht. In dem bereits angedeuteten 
Aufſatz: „Rezept, aus einer kleinen Stadt eine große zu machen“, 
wandte er jid) insbeſondere an die Bürger Readings mit Bor- 
ſchlägen, wie dem lokalen Handel und Gewerbe zu neuer Blüte 
zu verhelfen kei. Heute — nach hundert Jahren — erſcheint ſo 
mancher in jenem Aufſatz geäußerte Gedanke Liſts, im Lichte der 
Gegenwart und in Anbetracht der Tatſache, daß Reading heute 
neben Philadelphia und Pittsburg unter den Großinduſtrieſtädten 
Pennſylvaniens an dritter Stelle ſteht, wie ein Prophetenwort. — 


Liſts ſcharfer Blick, ſowie ſein reges hiſtoriſches Intereſſe tritt 
einem beſonders entgegen in den kurzen, erläuternden Anmerkun— 
gen, die er den wichtigeren in- und ausländiſchen Nachrichten bei- 
zufügen pflegte. Dazu boten ihm die Vorgänge in Rußland 
häufig Gelegenheit. Als ſich im Jahre 1828 die Anzeichen des 
ruſſiſch⸗-türkiſchen Krieges immer deutlicher zeigten, heißt es in 
einem Artikel über „Die jetzige Lage von Europa“ u. a.: „Der 
Rieſe vom Norden ſteht am Pruth, mit anſcheinend friedfertigen, 
diplomatiſch⸗klugen und ſogar auch philoſophiſch-enthaltſamen 
Gedanken, aber in ſeinen Adern rauſcht ein wildes, hitziges Blut 
und die Kraft ſeiner Muskeln und Nerven, der langen Ruhe und 
Tatenloſigkeit müde, reißt ihn unwillkürlich hin, Schlacht und 
Kampf zu wagen, um ſich einmal wieder zu vertoben. Wie lange 
er dieſem Inſtinkt noch wird widerſtehen können, iſt mit Beſtimmt— 
heit noch nicht zu ſagen. Aber einmal wird er losbrechen — 
früher oder ſpäter. Rußland iſt ein Rieſe und hat Appetit wie 
ein Rieſe. Ein halber Weltteil, weit entfernt ihn zu ſättigen, 
erregt nur noch ſeine Begierde zur anderen Hälfte.“ Ein anderes 
Mal heißt es: „Rußland und die Vereinigten Staaten werden 
alſo nach hundert Jahren die zwei volkreichſten Reiche der Erde 
ſein. Jedes wird ſo viel Einwohner haben, als gegenwärtig alle 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Staaten von Europa zuſammengenommen. Sie werden, in ihren 
Intereſſen wie in ihren Verfaſſungen einander entgegengeſtzt, jedes 
in ſeiner Art ein Rieſe ſein, Amerika eine koloſſale Republik, 
Rußland eine koloſſale Monarchie. Daß diefe zwei ſo verſchie— 
denen Rieſenkörper dermaleinſt feindlich aufeinanderſtoßen werden, 
wenn Frankreich und England längſt in Unbedeutſamkeit ver— 
fallen ſind, kann wohl kaum fehlen und es iſt ſehr bedeutungsvoll, 
daß ſie, obwohl in ihren ſtärkſten Punkten weit voneinander ge— 
trennt, fid) doch in ihren ſchwächſten berühren, nämlich im Nord- 
weſten von Amerika und im Nordoſten von Aſien.“ 


Liſts ſachliche Darſtellungsweiſe und ſichere, ja überragende 
Beherrſchung nationaler und internationaler politiſcher Vorgänge 
wirkten fo überzeugend, daß der „Adler“ allgemein im Volks- 
munde die „Berks County Bibel“ hieß. So konnte es nicht fehlen, 
daß, als in dem mit maßloſer Heftigkeit geführten Kampf zwiſchen 
John Quincy Adams und Andrew Jackſon um das Amt des 
Bundespräſidenten bie Entſcheidung von der Stellungnahme Penn- 
ſylvaniens abhing, und die Mehrzahl der deutſch-amerikaniſchen 
Zeitungen, allen voran der „Adler“, für Jackſon eintraten, das 
nach Tauſenden zählende pennſylvaniſch-deutſche Votum dem 
Volksmann Jackſon, dem „Sieger von New Orleans“, am 4. 
November 1828, zum Siege verhalf. Es iſt in der ganzen partei— 
politiſchen Geſchichte der Vereinigten Staaten wohl kaum jemals 
von einem deutſchamerikaniſchen Journaliſten auf den Ausfall 
einer Nationalwahl ein ähnlich entſcheidender Einfluß ausgeübt 
worden, wie damals von Liſt. 


Bezeichnend für Liſt iſt, daß er während ſeines Aufenthaltes 
in Amerika gleich von Anfang an zu den führenden anglo-ameri— 
kaniſchen Kreiſen in Beziehung trat, daß er es verſtand, ſich ſofort 
in ſpezifiſch national-amerikaniſche Probleme einzufühlen, und 
daß ſein ſtets auf das Große, Allgemeine gerichteter Blick ihn 
raſch die Kernpunkte erkennen ließ, um die es ſich jeweils handelte. 


So trieb es denn bald den ſchaffensfreudigen Mann in die 
vorderſte Reihe derer, die in der wirtſchaftlichen Unabhängigkeit 
der Vereinigten Staaten von dem Joche Englands das Heil der 
amerikaniſchen Induſtrie erblickten. Liſt wurde ein Vorkämpfer 


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Deutfdh@-Amerifanifhe Geſchichtsblätter 


u 


des ſogenannten „amerikaniſchen Syſtems“. Am eingehendſten 
ſetzte er ſeine Anſichten darüber, ſoweit er ſich dazu der Spalten 
des „Adlers“ bediente, in folgendem Aufſatz, betitelt „Das ameri- 
kaniſche Syſtem“, auseinander: „Die Vereinigten Staaten können 
füglich in zwei große Abteilungen geſchieden werden, nicht nach 
ihrer geographiſchen Lage, ſondern nach der Natur und Beſchaffen⸗ 
heit des verſchiedenen Erwerbfleißes ihrer Bürger. In einem 
Teil derſelben beſchäftigt ſich das Volk mit Landwirtſchaft, Hand⸗ 
lung, Schiffahrt und Manufakturen, während in dem anderen 
Teil das Pflanzen gewiſſer eigentümlicher Landesprodukte die 
vornehmſte und beinahe ausſchließliche Beſchäftigung ausmacht. 
Zu unſerem Glück bildet die Sklaverei, obſchon fie in allen Pflanz⸗ 
Staaten exiſtiert, feine Unterſcheidungslinie. Delaware, Mary- 
land und Virginien haben ſich ſo ſehr den Manufakturen, der 
Handlung und dem Ackerbau gewidmet, und Kentucky und Miſſouri 
fühlen in einem ſo hohen Grade die Notwendigkeit, einheimiſchen 
Erwerbsfleiß zu nähren und zu unterſtützen, daß zwiſchen dieſen 
und mehr Ackerbau und Manufakturen betreibenden Staaten eine 
direkte und unauflösliche Gemeinſchaft von Intereſſe ſtatthaben 
muß — daß jedoch irgendein wirkliches Gegeneinanderſtreiten ver- 
ſchiedener Intereſſen zwiſchen irgend einigen Teilen der Union 
obwaltet, wird hier gänzlich geleugnet. Wir verbrauchen die 
Baumwolle, den Reis, den Zucker, den Indigo, den Tabak, die 
Seide: ſollten wir dafür nur allein bares Geld, ſollten wir nicht 
auch die Erzeugniſſe unſeres Gewerbfleißes zu geben haben? 
Wenn mir fie mit mancherlei Fabrikwaren, mit Eiſen und Schneide- 
geſchirr ebenſo wohlfeil oder vielleicht noch wohlfeiler verſehen 
können, als ſie dieſelben vom Auslande zu erhalten imſtande ſind, 
iſt es nicht recht und billig, daß uns die Mittel werden ſollten, 
dies zu tun? In vielen von den am weiteſten gegen Süden ge- 
legenen Pflanz⸗Staaten exiſtiert jedoch irrigerweiſe ein ſtarker 
Widerwille gegen die Staatsklugheit, wobei Pennſylvanien tief 
intereſiert ift. Woher kommt das wohl? Die vornehmſten Landes⸗ 
produkte der ſüdlichen Gegenden haben bis jetzt noch immer einen 
guten Markt, hohe Preiſe und ſchnellen Abſatz gehabt, und es 
kümmerte ſie wenig, daß für unſere Erzeugniſſe dagegen ſchon 
lange Zeit nur ſchlechte Nachfrage war und äußerſt niedrige Preiſe 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


geboten wurden. Zehn Jahre ſchon hat der Landeigentümer in 
den mittleren Staaten kaum ein bequemes Auskommen erſchwin⸗ 
gen können, während das durch Sklaverei in Gang gehaltene 
Kapital einen jährlichen Profit von zwanzig Prozent abwarf. 
Wo und wie ſollen wir ein Hilfsmittel für dieſen Zuſtand der 
Dinge finden? Es wäre jedoch ebenſo unvernünftig, plötzlich und 
auf einmal Befreiung von aller Not zu erwarten, als dieſelbe gar 
nicht ſuchen zu wollen. Wir müſſen unſere Zuflucht nehmen zu 
derjenigen Verfahrungsart, welche ſo nachdrücklich und mit ſo 
vollem Recht das Amerikaniſche Syſtem genannt wird. Dieſes 
Syſtem muß am Ende jeder Abteilung der Vereinigten Staaten 
zu gleichem Vorteil gereichen. Es allein iſt es, das uns unab⸗ 
hängig machen und uns einen gewiſſen und hohen Grad von 
Wohlfahrt zuſichern kann. Dem Erwerbfleiß unſerer Bürger 
muß durch Errichtung und kräftige Unterſtützung einheimiſcher 
Manufakturen aufgeholfen werden. Es muß dem Bauern ein⸗ 
leuchten, daß er darauf bedacht ſein ſollte, die Erzeugniſſe ſeiner 
Felder gegen ſolche Bedürfniſſe auszutauſchen, welche unſere Werk⸗ 
ſtätten in der Heimat ihm zu liefern fähig ſind, da es nicht länger 
möglich iſt, ſie gegen ausländiſche Produkte abzuſetzen. Ein Teil 
von unſerer Bevölkerung muß dem Ackerbau und der Landwirt⸗ 
ſchaft entzogen werden, damit diejenigen, welche noch ferner dabei 
verharren wollen, einen bequemen Lebensunterhalt von ihrem 
Fleiß zu erhalten hoffen dürfen. So ſehr ſich ein Teil unſerer 
Bürger auf eine ſehr ungeziemende Weiſe dieſem mit Recht ſo 
genannten Amerikaniſchen Syſtem widerſetzt, ſo gewinnt es den⸗ 
noch mit jedem Tag mehr Freunde unter uns, und ſelbſt in den 
ſüdlichen Staaten wird die Zahl ſeiner Anhänger immer ſtärker.“ 


Im Auftrage der Pennſylvania Society for Promotion of 
Manufactures, die den Mittelpunkt der damaligen Schutzzoll⸗ 
bewegung bildete, griff Liſt nun ſachkundig und zielbewußt in die 
alle Schichten des amerikaniſchen Volkes bewegende handelspoli⸗ 
tiſche Kontroverſe ein, bekämpfte die Freihandelslehren Adam 
Smiths und Says und zeigte, wie ein gedeihliches Wachstum der 
amerikaniſchen Induſtrie eine Schutzzollgeſetzgebung bedinge. 

Seine damals veröffentlichten Outlines of American Po- 
litical Economy” wurden in tauſenden von Exemplaren ver— 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


breitet und find zweifelllos die bedeutendſte amerikaniſche Handels- 
politiſche Shift jener Zeit. Die Hauptſtreitſchrift der Freihandels⸗ 
partei, der ſogenannte „Boſton Report“, wurde von ihm in einer 
Gegenſchrift im Namen der Pennſylvania Society beantwortet. 
Eine Reihe von Briefen, die er an den Gouverneur Giles von 
Virginien richtete, fanden in den Pflanzerſtaaten des Südens 
allgemeine Beachtung. Vor den Mitgliedern der Legislatur von 
Pennſylvanien in Harrisburg behandelte er das Tarifproblem 
in einem längeren Vortrage, auf welchen ſpäter in den Debatten 
im Bundeskongreß wiederholt Bezug genommen wurde. In einer 
weiteren im Auftrage der Pa. Society verfaßten Schrift unterzog 
er einen von dem Senate Committee of Ways and Means ver— 
öffentlichten Bericht einer ſcharfen Kritik und trat für die Vor— 
ſchläge des ihm befreundeten Schatzamtminiſters Ruſh in die 
Schranken. 


Es fehlte ſeinen Bemühungen denn auch nicht an Erfolg und 
Anerkennung. Er hatte es verſtanden, in überaus geſchickter 
Weiſe ſich den amerikaniſchen Verhältniſſen anzupaſſen. Sein 
gewandter Stil, die populär-wiſſenſchaftliche Einkleidung, die 
Methode, die ſtrittigen Fragen vom hiſtoriſchen Geſichtspunkt aus 
zu behandeln, das loyale Eintreten für amerikaniſche gegenüber 
britiſchen Handelsintereſſen — all dies fand beim Publikum einen 
ſympathiſchen Widerhall. Es lag zutage, daß die Sachkenntnis 
Liſts und ſeine Vertrautheit mit handelspolitiſchen Fragen der 
Sache der Schutzzollbefürworter erhebliches Preſtige verlieh. 


Seine engeren Gönner von der Pa. Society waren ſichtlich 
ſtolz auf ſeine Leiſtungen und bekundeten dies öffentlich durch ein 
Feſtmahl, das ihm zu Ehren in Philadelphia veranſtaltet wurde. 
Bei dieſer Gelegenheit hielt Liſt eine bemerkenswerte Rede, in 
der er u. a. die Kernpunkte feiner wirtſchaftstheoretiſchen An- 
ſichtn darlegte und in deren Verlauf er jid) dann auch noch über 
einen anderen Gegenſtand' verbreitete, dem er, ſolange er in 
Amerika lebte, großes Intereſſe entgegenbrachte: das amerika— 
niſche Erziehungsweſen. 


Liſts auf das Praktiſche gerichteter Blick hatte nämlich auch 
das Fehlen einer techniſchen Hochſchule in Amerika erkannt. In 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


jener Bhiladelphiaer Rede nun nahm er die Gelegenheit wahr 
unter Hinweis auf ähnliche Inſtitute in Bayern, der Schweiz und 
Frankreich den großen Nutzen hervorzuheben, der aus der Griin- 
dung eines nationalen Polytechnikums in Philadelphia für die 
Hebung der amerikaniſchen Induſtrie zu erwarten ſtünde. Es iſt 
daher als ein weiteres Verdienſt Liſts anzuſehen, daß er, als einer 
der erſten, leitende Kreiſe Amerikas auf die wirtſchaftliche Be- 
deutung eines techniſchen Erziehungsweſens hinwies und prak⸗ 
tiſche Vorſchläge für deſſen Aufbau machte. Liſts Name darf 
daher mit Fug und Recht in dieſer Hinſicht neben dem Benjamin 
Franklins genannt werden. — 


Als dann im April 1828 der Kongreß ein neues Schutzzoll— 
geſetz ſchuf, war der Erfolg zum großen Teil der Tätigkeit der 
Pa. Society zu verdanken, ſowie ihrem gewandten Konſulenten 
Liſt. 

Leider ſind die Verdienſte Liſts um die Handelspolitik der 
Vereinigten Staaten ſpäter mehr und mehr in Vergeſſenheit ge— 
raten. Es mag dies u. a. darauf zurückzuführen ſein, daß Liſt 
nur eine verhältnismäßig kurze Reihe von Jahren in Amerika 
lebte und daß ſeine amerikaniſchen Schriften zumeiſt anonym und 
in Form von Pamphleten und Zeitungsartikeln erſchienen. Aus 
ſeinen vorhin genannten, neuerdings wiedergefundenen, Handels- 
politiſchen Schriften, die er in den Jahren 1827—29 ſchrieb, 
ſowie aus den Spalten der maßgebenden Tagespreſſe jener Zeit, 
iſt jedoch zu erſehen, daß Liſt in viel größerem Umfange an der 
Geſtaltung der Handelspolitik der Vereinigten Staaten im zweiten 
Viertel des vorigen Jahrhunderts teilnahm, als bisher bekannt 
war. Ferner läßt ſich jetzt feſtſtellen, daß Liſt die zwei damals 
bekannteſten Vertreter der Schutzzollbewegung, Matthew Carey 
und Hezekiah Niles, an Sachkenntnis, Methode und Theorie weit 
überragte. Mit Fug und Recht iſt deshalb Liſt als einer der 
Väter des amerikaniſchen Schutzzollſyſtems anzuſehen, ja als deſſen 
bedeutendſter Theoretiker. Zudem iſt darauf hinzuweiſen, daß 
die Grundſätze, die Liſt damals vertrat, von Unterbrechungen ab— 
geſehen, bis in die Gegenwart die Handelspolitik der Vereinigten 
Staaten beherrſcht haben und noch heute einen Hauptbeſtandteil 
des Programms der herrſchenden republikaniſchen Partei bilden. 


— 175 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Liſt war jedoch nicht Schutzzöllner um des Prinzips willen. 
Im Hintergrunde ſeines „nationalen Syſtems“ ſtand vielmehr 
die Freiheit des Weltverkehrs. Das betonte er von vornherein 
in ſeinen „Outlines“ im Jahre 1827. Weiteres Zeugnis davon 
findet ſich in einem Konſularbericht, den er im Jahre 1835 von 
Leipzig aus, in ſeiner Eigenſchaft als Konſul der Vereinigten 
Staaten, an den damaligen Außenminiſter Forſyth nad) Waih- 
ington erſtattete. Liſt macht darin den Vorſchlag, daß Präſident 
Jackſon einen internationalen Kongreß einberufe, der beraten ſolle, 
auf welche Weiſe die der internationalen Handelsfreiheit im Wege 
ſtehenden Hinderniſſe am beſten zu beſeitigen wären: „Ich hoffe,“ 
ſchreibt Liſt, „Sie werden geſtatten, daß ich mich wegen eines 
Gegenstandes an Sie wende, der eigentlich nicht in meine Amts— 
ſphäre fällt, durch deſſen Erörterung ich aber möglicherweiſe mei— 
nem Adoptivvaterlande — ſind doch ſeine Wohlfahrt und ſein 
Ruhm das Hauptziel meiner Nachforſchungen geweſen, ſeit ich 
ein Einwohner und Bürger der Vereinigten Staaten bin — einen 
Dienſt erweiſen dürfte.“ Liſt erinnert dann daran, daß die Ver— 
einigten Staaten durch Tarifermäßigung vom Jahre 1833 mehr 
als irgendein anderes Land der ziviliſierten Welt dazu beigetragen 
hätten „jenes große Prinzip in die Praxis einzuführen, durch das 
die Wohlfahrt der Menſchheit mehr gefördert werden will, als 
durch irgendein anderes: die Handelsfreiheit“. Es ſei zu be- 
dauern, daß die führenden Staaten Europas dem großen Vorbild 
nicht gefolgt, ſondern teilweiſe ſogar zu Prohibitivſyſtemen über— 
gegangen jeien.. „Dieſe Politik hat ihren Grund nicht fo ſehr in 
dem Mangel an Intelligenz der Regierungen, als vielmehr in 
den Privatintereſſen und Vorurteilen des Volkes und folglich 
auch ſeiner Vertreter. Daher iſt keine Anderung zu erwarten, 
bis die öffentliche Meinung zur anderen Seite hinneigen wird.“ 


Nichts dürfte ſo ſehr dazu beitragen, fährt Liſt fort, einen 
Wechſel der öffentlichen Meinung herbeizuführen, wie ein Kongreß 
von Vertretern der leitenden Völker, deſſen Aufgabe es wäre, 
gemeinſam über die Hinderniſſe der Handelsfreiheit ſowie über 
die Art und Weiſe, wie das erſtrebenswerte Ziel erreicht werden 
könne, zu beraten. „Sie würden keine Verträge abzuſchließen, 
noch auch beſtimmte Vorſchläge zu machen haben, ſondern hätten 


— 176 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


lediglich den Grundſatz klar herauszuſtellen, daß die Zugeſtänd⸗ 
niſſe jedes Volkes zur Förderung des allgemeinen Freihandels 
auf den Zugeſtändniſſen aller anderen Völker beruhen müſſen, 
um ſo die öffentliche Meinung auf dieſe Veränderungen vorzu⸗ 
bereiten und die Regierungen in ihren Vorſchlägen an die Ver⸗ 
treter des Volkes zu unterſtützen.“ „Ob nun ein ſolcher Bor- 
ſchlag die ſofortige Zuſtimmung der einzelnen Regierungen finden 
würde, mag dahingeſtellt bleiben; ſoviel ſteht feſt, daß er ſpäter 
einmal auf⸗ und angenommen wird. Auf jeden Fall würde es 
die Zuſtimmung aller aufgeklärten Geiſter unſeres Zeitalters 
finden und deshalb viel zum Anſehen der gegenwärtigen Re⸗ 
gierung beitragen, wenn der Präſident der Vereinigten Staaten 
ſich in ſeiner nächſten Botſchaft an den Kongreß über dieſen Gegen⸗ 
ſtand äußern würde, wenn auch nicht durch einen formellen Vor- 
ſchlag, ſo doch wenigſtens auf die Weiſe, daß er den Gedanken 
«einer ſolchen Maßnahme anregt.“ 


Am Schluſſe dieſes Berichts ſagte Liſt wörtlich das Folgende: 
„Ich hätte nur noch hinzuzufügen, daß dieſe Vorſchläge im vollen 
Einklange mit den Anſichten ſtehen, die ich bei früheren Gelegen⸗ 
heiten geäußert habe; denn ich bin ſtets ein Befürworter der 
Handelsfreiheit geweſen, vorausgeſetzt, daß alle anderen leitenden 
Völker ſich dieſem Ziele in dem gleichen geraden und aufrichtigen 
Sinne nähern. Ich habe nur behauptet, daß keine Nation dieſen 
Weg allein gehen kann, ohne dem Grunde ihrer Proſperität zu 
ſchaden.“ — 


Liſt hat ſich aber auch noch auf anderen Gebieten um ſein 
Adoptivvaterland verdient gemacht. Sein weitblickendes Auge 
erkannte gar bald die Zukunftsmöglichkeiten der reichen Boden⸗ 
ſchätze Pennſylvaniens. Es war ihm geglückt, wertvolle Anthrazit⸗ 
kohlenflöße in dem benachbarten Schuylkill County, an der Mün⸗ 
dung des Little Schuylkill⸗Fluſſes, eines Zweiges des Schuylkill, 
zu entdecken. Mit dem ihm eigenen Unternehmungsgeiſt ging er 
ſofort daran, eine Geſellſchaft, die „Little Schuylkill Navigation 
Railroad & Canal Company“ zu gründen, um die Kohle von den 
Gruben per Eiſenbahn zu dem zwanzig Meilen entfernten Schuyl⸗ 
kill⸗Kanal und von dort nach Philadelphia zu befördern. Im 
November des Jahres 1831 wurde die Bahn dem Betrieb über⸗ 


— 177 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


geben, und das Unternehmen erwies ſich, trotz aller Schwierig— 
keiten und anfänglichen Mißerfolge, im Laufe der Jahre als 
überaus erfolgreich und wurde ſpäter zu einem integrierenden 
Beſtandteil der Philadelphia & Reading R. R. Co., eines der be⸗ 
deutendſten Eiſenbahnſyſteme Amerikas. Auch die damals von 
Liſt erworbenen Kohlenländereien haben ſich im Laufe der Zeit 
als ein wertvolles und ergiebiges Eigentum erwieſen und haben 
jahrzehntelang eine vorzügliche Qualität Kohle geliefert, von der 
alljährlich gewaltige Mengen nach New Pork und den Neuengland 
Staaten befördert wurden und dort mit dazu beitrugen, das zu 
verwirklichen, was Liſt vorausgeſehen und für deſſen Schöpfung 
er mit ſo glühenden Worten geworben hatte: eine lebenskräftige 
amerikaniſche Induſtrie. 


Trotz aller Erfolge und glänzenden Ausſichten hielt es Liſt 
auf die Dauer nicht in Amerika. Eine tiefe Sehnſucht nach der, | 
deutſchen Heimat hatte jid) feiner bemächtigt. Davon zeugt ihon 
ein Paſſus in den von ihm an den bayeriſchen Oberbergrat Joſef 
von Baader in München im Jahre 1827 gerichteten Briefen, 
worin Liſt über die Entwicklung des amerikaniſchen Transport- 
weſens des längeren berichtete. Dort heißt es: „Ich kann nicht 
umhin, Ihnen einige der Beobachtungen, die ſich mir bei Betrach— 
tung dieſes Landes aufgedrungen haben, mitzuteilen, in der Hoff— 
nung, daß Sie vielleicht dieſelben zum Beſten Ihres Vaterlandes 
benutzen könnten. Wo nicht, ſo nehmen Sie den guten Willen für 
die Tat. Mein Herz hat immer das Bedürfnis gefühlt, zum 
Beſten meines Vaterlandes nach Kräften mitzuwirken; ich kann 
auch im fernen Weltteile, obwohl ohne Hoffnung, das ſchöne 
deutſche Land wiederzuſehen und mich der Redlichkeit, der Gemitt- 
lichkeit, des Fleißes und des echt ſittlichen Strebens ſeiner Be— 
wohner zu erfreuen, nicht davon laſſen. Alles, was ſich hier mir 
zeigt, betrachte ich mit Beziehung auf Deutſchland.“ Und ein 
Jahr ſpäter ſchreibt er: „Ich war in Philadelphia auf Beſuch und 
habe dort Hamburger Zeitungen geleſen. Ich kann Dir nicht be— 
ſchreiben, was ich fühlte. Gleich bei meiner Zurückkunft habe ich 
die Handelsvereins-Korreſpondenz, die ſeit Jahren in einem 
Winkel liegt, durchſtöbert. Welche Erinnerungen! Das waren 
die goldenen Tage der Hoffnungen. Nun habe ich wieder Heim— 


— 178 — 


Deutfh-Amerilanifde Geſchichtsblätter 


weh für ſechs Wochen und bin folange für amerikaniſche Geſchäfte 
faſt nicht zu gebrauchen. Mir geht's mit meinem Vaterlande wie 
den Müttern mit krüppelhaften Kindern, ſie lieben ſie um ſo ſtär⸗ 
ker, je krüppelhafter fie find. Im Gintergrunde aller meiner 
Pläne liegt Deutſchland.“ 


Die Ausführung ſeines Wunſches, in die Heimat zurückzu⸗ 
kehren, wurde ihm im Jahre 1830 dadurch ermöglicht, daß Präſi— 
dent Jackſon ihn zum amerikaniſchen Konſul in Hamburg und 
ſpäter für Baden, dann, 1934, für Leipzig, und zuletzt, 1943—45, 
was ſeither vergeſſen war, auch für Württemberg ernannte. Er 
blieb im amerikaniſchen Konſulardienſt bis zum Jahre 1845 und 
feine jetzt im Archiv des U. S. Dpt. of State in Waſhington auf- 
bewahrten offiziellen Berichte an die Außenminiſter van Buren, 
Livingſton und Forſyth legen ein beredtes Zeugnis ab von der 
ſtaatsmänniſchen Begabung, der Pflichttreue und der Loyalität 
dieſes verdienſtvollen Deutſch-Amerikaners. — 


Die Stellung Liſts als amerikaniſcher Konſul war für ihn ſchon 
deshalb von größtem Wert, weil es ihm dadurch ermöglicht wurde, 
in Deutſchland trotz der feindſeligen Stellung der Behörden wieder 
Fuß zu faſſen und weil ihm ſeine amtliche Stellung ein Preſtige 
verlieh, das ſeiner damaligen Tätigkeit ſehr zuſtatten kam. Ge⸗ 
rade während ſeiner Leipziger Konſularzeit hat er ſeine Haupt⸗ 
arbeit für ein deutſches Eiſenbahnſyſtem geleiſtet, und vor allem 
hat er in dieſer Zeit am Zuſtandekommen der Bahn von Leipzig 
nach Dresden mitgewirkt. Die Möglichkeit, auf dieſe Weiſe ſeine 
in Amerika geſammelten Erfahrungen für Deutſchland zu ver- 
werten und ſeine Ideen und Pläne praktiſch zur Ausführung zu 
bringen, hätte ihm eben gefehlt, wenn er nicht das Anſehen und 
den politiſchen Rückhalt gehabt hätte, die das Amt eines Konſuls 
der Vereinigten Staaten mit ſich brachte. — 


Um Liſts Amerika⸗Epoche richtig einzuſchätzen, wird man 
zweierlei im Auge behalten müſſen: einmal die nachhaltigen Ein⸗ 
wirkungen, die von ihm auf das politiſche, ſoziale und wirtſchaft⸗ 
liche Leben der Vereinigten Staaten ausgegangen ſind, und zum 
anderen die Bedeutung, die ſeine Amerikajahre für ſeine ſpätere 
Lebensarbeit hatten. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Zunächſt war es ja ſeine journaliſtiſche Tätigkeit, die er als 
Schriftleiter des Readinger Adler ausübte und die ſeinen Haupt⸗ 
beruf bildete, ſolange er in Amerika weilte, die ſeinem dortigen 
Wirken den Stempel aufdrückte. Es lag in der Natur der Sache, 
daß Liſts Beziehungen hier in erſter Linie auf deutſch⸗amerika⸗ 
niſche Kreiſe ſich bezogen, aber gerade die eigentümliche Rolle, die 
der Readinger Adler bei der deutſchen Bevölkerung Pennſylvaniens 
damals ſpielte, als Mentor, als Ratgeber, als Hauptkulturver⸗ 
mittler neben der deutſchen Bibel, brachte es mit ſich, daß Liſts 
Einfluß viel weiter reichte und nachhaltiger wirkte, als es bei 
irgend ſonſt einem der vielen deutſchamerikaniſchen Journaliſten 
mit Ausnahme von Carl Schurz je der Fall war. Ja, Liſts ſichere, 
geniale Beherrſchung nationaler und vor allem internationaler 
politiſcher und wirtſchaftlicher Vorgänge berechtigt dazu, ihn unter 
die beſten und vornehmſten Führer zu reihen, die die amerikaniſche 
Preſſe hervorgebracht hat. 


Erſtreckte ſich Liſts journaliſtiſche Tätigkeit aber mehr auf das 
Deutſch⸗Amerikanertum, fo kamen feine Eiſenbahn⸗ und Kohlen⸗ 
minengründungen dem pennſylvaniſchen Gemeinweſen im allge⸗ 
meinen zugute. Sie bildeten einen wichtigen Beitrag zum wirt⸗ 
ſchaftlichen Aufbau jenes Staates; denn Liſts weiter Blick, die 
praktiſche Durchführbarkeit ſeiner Pläne und ſein beharrliches 
und überzeugendes Werben und Agitieren dafür ſchufen die Grund⸗ 
lage für den ſpäteren gewaltigen Konzern der Phila. & Readg. 
Coal & Iron Co., noch heute eine der bedeutendſten ,,coal-carrier3” 
der Vereingten Staaten. 


Pennſylvanien ſchuldet Liſt noch weiteren Dank, denn jener 
blühende Induſtrieſtaat verdankt ſeinen heutigen Wohlſtand zum 
großen Teil der amerikaniſchen Schutzzollpolitik, die in Friedrich 
Liſt einer ihrer ſchöpferiſchen Pioniere und Wegbereiter fand. Auf 
dieſem Gebiete reichte Liſts Einfluß weit über die Grenzen Penn⸗ 
ſylvaniens hinaus. Hier griff er als einer der Führer in Fragen 
ein, die von nationaler, ja internationaler Tragweite waren und 
übte einen beſtimmenden Einfluß auf den Gang der Dinge aus. 


Neben Alexander Hamilton, Matthew Carey und Hezekiah 
Niles iſt Liſt als einer der bedeutendſten handelspolitiſchen Schrift⸗ 


— 180. — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ſteller des erſten Viertels des 18. Jahrhunderts in der Geſchichte 
der Vereinigten Staaten anzuſehen. Von den Dreien iſt er der 
bedeutendſte Theoretiker der amerikaniſchen Schutzzollbewegung 
und zweifellos neben Hamilton deren vornehmſter wiſſenſchaftlicher 
Vertreter geweſen. 


Auch vom praktiſchen Geſichtspunkt aus betrachtet läßt ſich 
Liſts Einfluß auf die amerikaniſche Handelspolitik bis auf die 
Gegenwart verfolgen, denn jener handelspolitiſchen Doktrin, die 
damals vor hunhert Jahren in Pennſylvanien ihren Anfang nahm, 
und in Liſt einen ihrer hervorragendſten Vertreter fand, iſt jener 
Staat bis heute treu geblieben und die Grundſätze des „amerifa- 
niſchen Syſtems“, zu. deſſen Ausbau Lift ganz weſentlich mithalf, 
finden noch heute ihren Niederſchlag im jetzigen U. S. Tariff law. 


Aber auch für Liſts ſpätere Lebensarbeit waren die Jahre, die 
er in Amerika zubrachte, von tiefgreifender Bedeutung und Roſcher 
hat mit Recht Amerika die hohe Schule genannt, wo Liſt für ſeine 
Hauptlebensarbeit vorbereitet wurde. In der Tat, wenn man 
den ſpäteren Werdegang Liſts überblickt, ſo wird man unſchwer 
bei jeder Etappe, ja faſt auf Schritt und Tritt unſchwer Anhalts⸗ 
punkten begegnen, die auf Amerika zurückführen, deſſen Leben 
und Treiben, deſſen Land und Leute, deſſen Inſtitutionen und 
Geſchichte, wie er ſpäter in feinem Nationalſyſtem ſelber bemerkte, 
für ihn ein großes Buch bildeten, das er begierig und fleißig ge— 
leſen und die daraus geſchöpften Lehren mit den Reſultaten ſeiner 
früheren Studien, Erfahrungen und Reflexionen in Einklang zu 
ſtellen geſucht habe. 


Liſt war „ein Bürger zweier Welten“, der alten und der 
neuen. Er hat nicht nur als erſter Deutſcher die Weltwirtſchaft 
der Vereinigten Staaten wiſſenſchaftlich durchforſcht, ſondern hat 
aͤuch, als hervorragender Bildner am werdenden Kulturtypus 
Amerikas, dieſem fein Siegel aufgedrückt. Und in den Werf- 
ſtätten der neuen Welt, wo man ihn vorurteilslos zur Mitarbeit 
willkommen hieß, hat er ſich die Rüſtung geſchmiedet, die es ihm 
ermöglichte, mit erneuter Kraft bahnbrechend in die Kulturarbeit 
der alten Welt einzugreifen. 


So iſt denn Liſt ein Mittler zwiſchen Deutſchland und den 
— 181 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Vereinigten Staaten, beide haben ein Anrecht auf ihn und dürfen 
auf ihn ſtolz ſein, beide ſind ihm aber auch den größten Dank 
ſchuldig. i 


Heute, wo die Fäden wieder mühſam gezogen werden, die das 
Wirtſchaftsleben Deutſchlands und das der Vereinigten Staaten 
menſchenalterlang verbunden haben, die dann der Weltkrieg mit 
rauher Hand zerriß, iſt das Lebenswerk Liſts wie das keines 
anderen ſeiner Zeitgenoſſen dazu geeignet, anregend, verſtändi— 
gend, verbindend zu wirken. Er hat beide Länder im reichſten 
Maße beglückt, ſein Name iſt unauslöſchlich mit der Geſchichte 
beider verwoben, ſeine Gedanken leben und ſproßen noch heute 
nach hundert Jahren diesſeits wie jenſeits des Weltmeeres. 


Und ſo möge denn heute, in Deutſchland und in Amerika, die 
Erinnerung an Friedrich Liſt, den beide ſtolz zu den ihrigen 
zählen, dazu beitragen, den Geiſt aufs neue zur Entfaltung zu 
bringen, der ihn daheim und in der Fremde beſeelte und den er 
zum Wahlſpruch ſeines Lebens wählte: 


“Et la patrie et l'humanité." 


Aufruf der deutſchen Friedrich Liſt Geſellſchaft. 


Wenn wir den nachſtehenden Aufruf den Leſern des Jahr— 
buches unterbreiten, ſo leitet uns hierbei die Abſicht, noch 
einmal laut und vernehmlich auf das Werk der Liſt-Geſell— 
ſchaft hinzuweiſen und um die Unterſtützung weiteſter Kreiſe 
zu werben. Nichts braucht mehr geſagt zu werden über 
die Bedeutung Friedrich Liſts und einer Geſamtausgabe feiner 
Werke. Daß Liſt zu den größten Deutſchen gehört, die im 19. 
Jahrhundert handelnd und leitend in unſere Geſchicke eingegriffen 
haben, iſt bereits wieder das lebendige Bewußtſein der Mit— 
lebenden; daß er als Politiker wie als Wirtſchaftler wie als 
Wiſſenſchaftler, als Eiſenbahn- wie als Zollfachmann ſpezialiſtiſche 
Kenntniſſe von ſeltenem Ausmaß und ſpezialiſtiſche Leiſtungen von 
bis heute nachwirkender Bedeutung aufwies, iſt dankbar aner— 
kannt von den Fachvertretern der verſchiedenſten Gebiete; daß er 
in der Reinheit ſeines menſchlichen und politiſchen Wollens vor— 


— 182 — 


Deutſch-Amerilaniſche Geſchichtsblätter 


bildlich iſt für alle tätige Mitarbeit auch an den heutigen Fragen 
von Volk und Staat und Welt, macht ihn zum Helden und Vor— 
bild neuer deutſcher Jugend. Aber ſo ſicher gegründet heute der 
Ruhm ſeines Namens iſt, ſo undeutlich im Einzelnen iſt Liſts 
Bild in der Geſchichte, und nur die Geſamtausgabe ſeiner Schrif— 
ten, Reden und Briefe wird imſtande ſein, die ganze Fülle ſeines 
Geiſtes, ſeines Planens und Handelns, ſeiner glückhaften Ein- 
ſichten und Programme und ſeiner glückloſen Werke und Schöpfun— 
gen ſichtbar zu machen. 


Dieſes iſt der Plan der Geſamtausgabe, ſo wie er aus vor— 
läufiger überſicht über den vorhandenen Stoff ſich ergab: 

I. Band. Schriften des jungen Liſt. (1815— 
1825). Herausgegeben von Dr. Karl Goeſer, Stuttgart. 


II. Band. Die amerikaniſchen Schriften. Her⸗ 
ausgegeben von Prof. Dr. William Notz, Waſhington. 


III. Band. Schriften zur Verkehrspolitik. Her⸗ 
ausgegeben von Prof. Dr. E. v. Beckerath, Köln. 


IV. Band. Vorbereitungsſchriften für das 
Nationale Syſtem. Bearbeitet von Dr. Artur So m- 
mer, Heidelberg. 


V. Band. Das Nationale Syſtem der politi⸗ 
iden Okonomie. Bearbeitet von Dr. Artur Som- 
mer, Heidelberg. 


VI. Band. Schriften der Spätzeit (1842 — 1846). 
Herausgegeben von Prof. Dr. Friedrich Lenz, Gießen. 

VII. Band. Nachleſe. Perſönliche Dokumente. 
Briefe von und an Friedrich Liſt. Herausgegeben 
von Prof. Dr. Edgar Salin, Heidelberg. 

Als Ergänzungsband wird im Auftrage der Friedrich Liſt— 
Geſellſchaft und der Deutſchen Akademie von Prof. E. Salin 
eine Biographie Friedrich Liſts erſcheinen. 

Reiche Ernte dürfen wir ſchon jetzt von unſerer Arbeit ver- 
ſprechen. Eine Fülle unbekannten Materials iſt in Amerika durch 
die hingebungsvolle Arbeit von Prof. Notz zutage gekommen — 


— 183 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ſein Vortrag, der im Vorſtehenden abgedruckt iſt, gibt eine 
erſte überſicht über die Bedeutung dieſes Stoffes. Wichtiger noch 
iſt, daß es Dr. Sommer gelang, in Paris jene Preisſchrift 
aufzufinden, die Liſt im Jahre 1838 der Pariſer Akademie ein- 
gereicht hat — ſie iſt ein Werk, deſſen Gehalt und Stärke kaum 
hinter dem „Nationalen Syſtem“ zurückbleibt. Band IV unjerer 
Ausgabe, den wir zu Beginn des nächſten Jahres herauszubringen 
hoffen, wird dieſes Liſtſche Hauptwerk enthalten. 


Aber unſere Ausgabe will und darf nicht totes Material blei- 
ben; ſie will geleſen und verarbeitet werden und die Grundlage 
neuer wiſſenſchaftlicher Erkenntnis und neuen politiſchen Handelns 
bilden. So ergeht unſer Ruf an alle Intereſſenten — und wer 
wäre nicht Intereſſent an dieſem großen Werk, ſei er Politiker 
oder Gelehrter, Unternehmer oder Ingenieur, Kaufmann oder 
Journaliſt, fei er Deutſcher oder Amerikaner, Sſterreicher oder 
Ungar oder zu welcher ſelbſtbewußten Nation auch immer ge— 
hörig: tretet der Liſt-Geſellſchaft bei und ſubſkibiert 
die Liſtſchen Werke. Ebenſo ergeht unſere Bitte an alle, 
die noch Liſt-Material beſitzen oder den Zugang dazu uns öffnen 
können (Zeitungen, Antiquariate): uns alles, in ihrem Beſitz 
befindliche Material zur Verfügung zu ſtellen und auf alles, ihnen 
ſonſtwie bekannte Material uns aufmerkſam zu machen, damit 
unſere Ausgabe den höchſtmöglichen Grad der Vollſtändigkeit 
erreicht. 

Die Friedrich Liſt⸗Geſ. e. V. 


— 184 — 


A Letter from a German Jew to the President of the 
American Continental Congress 


By Epwin H. Z£vpEL, PH. D., University of Cincinnati. 


In the Library of Congress at Washington, among the books 
pertaining to Moses Mendelssohn, there is a small duodecimo 
pamphlet of 23 pages bearing the following title: “Schreiben 
eines deutschen Juden an den amerikanischen Präsidenten 
O* *, Herausgegeben von Moses Mendelssohn. Frankfurth 
und Leipzig, 1787." The title-page bears the stamp “Smith- 
sonian deposit," and the last page shows that the work came 
into the possession of the Smithsonian Institution on May 18, 
1860. From there, apparently, it went over to the Library of 
Congress. The fly-leaf contains, in German script, the name 
"Edmund Hy. Locella," evidently an early owner. 


The pamphlet seems to be an extremely rare and unknown 
-work. It is listed nowhere in Goedeke's Grundriss zur Ge- 
schichte der deutschen Dichtung, neither under Mendelssohn 
nor anonymously, nor do the other German bibliographical 
works, such as Kayser's Bücherlexikon contain any reference 
to it. The only references to it that I have been able to find 
are in the Publications of the American Jewish Historical 
Society, vol. 6, p. 5, and vol. 9, p. 94, and in an article "German 
American Jews" by Herman Eliassof in Deutsch-Amerikanische 
Geschichtsblätter, vol. XIV (Jahrgang 1914), p. 327 f. 


The fact that it was published by Moses Mendelssohn makes 
it all the more interesting, of course. Judging by its date— 
178/—it seems to have appeared posthumously, for Mendels- 
sohn died in January, 1786. On the other hand there is the 
possibility that it was antedated—a frequent practise in those 
days. As a matter of fact, the work itself had already ap- 
peared earlier—in June, 1783—as an article in the Deutsches 
Museum. 


— 185 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Who the author was is impossible to say with any degree of 
certainty. It is not likely that Mendelssohn himself wrote the 
pamphlet. Both the style and certain details of orthography 
argue against his authorship. It is rather more plausible to 
assume that the author is to be found among his wide circle 
of Jewish friends in Berlin, perhaps Markus Herz (1749-1803), 
the Berlin physician who was the husband of Henriette Herz 
and the anonymous translator of the English work of Manasseh 
ben Israel on the salvation of the Jews.“ The anonymity in 
both cases, the fact that Mendelssohn contributed a preface for 
each work, the frank dependence of each of the two writings 
upon the book of Christian Wilhelm von Dohm, Ueber die 
bürgerliche Verbesserung der Juden,? and finally the general. 
similarity of subject-matter and purpose—a plea in the interest 
of better living conditions for the Jews,—all these things tend 
to confirm the conjecture that Herz is the author of the 
Schreiben. 


The reason for Mendelssohn's endorsement and publication 
of the pamphlet is not difficult to ind. No Jew wielded greater 
moral influence over his own race in all civilized countries, and 
at the same time enjoyed more profound respect among Chris- 
tians than did Moses Mendelssohn.“ Of the interest in Men- 
delssohn, even in England and America, we have proof not 
only in a host of more or less spurious anecdotes, but also in 
the following publications: 


Elegy on the death of Moses Mendelssohn. From the 
Hebrew of Wesseley. As published in 1786. By 


t Manasseh ben Israel, Rettung der Juden. Aus dem Englischen 
übersetzt. Nebst einer Vorrede von Moses Mendelssohn. Als ein 
Anhang zu des Herrn Kriegsrats Dom Abhandlung: Ueber die bür- 
gerliche Verbesserung der Juden. Berlin und Stettin 1782. Here 
the name of Herz, who preferred to remain anonymous in such cases, 
is not mentioned either. The translation is usually included among 
Mendelssohn's works. See Goedeke, IV, 163. For the literary ac- 
tivity of Herz generally see Goedeke, IV, 165-166. 


? Berlin und Stettin, bei Friedrich Nicolai, 1781. 


* For evidence of this see the “Lebensgeschichte” of Moses by his 
son Dr. G. B. Mendelssohn in the latter's edition of Moses Mendels- 
sohn’s gesammelte Schriften, 1. Band, Leipzig, 1843, p. 43 ft. 


— 186 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Felix Adler. Broadside. (Copy in New York 
Public Library). 


Moses Mendelssohn. Letter to Lavater. New York, 
1821. (Copy ibid.) 


M. Samuels, Memoirs of Moses Mendelssohn, 2 vols., 
London, 1827. (Copy ibid.) 


A. S. Isaacs, Step by Step. A Story of the Early Days 
of Moses Mendelssohn. Philadelphia. The Jewish 
Publication Society of America, 1910. (Copy ibid.) 


Although Mendelssohn's biographer M. Kayserling* says 
(p. 270) : 

Von den Kabinetten der Grossen und von Allem, was auf 
dieselben Einfluss hat, war er allzuweit entfernt, um an dem 
grossen Geschäfte der politischen Verbesserung der Juden auch 
nur den mindesten Anteil nehmen und mitwirken zu können 

it is a matter of record that Mendelssohn attempted to inter- 
cede for the Jews in Switzerland and Saxony, that he gave his 
introduction to Herz's translation of Manasseh's work the form 
of a strong plea for religious toleration, and that in another 
work, Jerusalem oder über religiöse Macht und Judenthum 
(1783), he repeated this plea. Hence it is not surprising that 
he took an interest in the effort of his anonymous friend— 
Herz or some other Jewish writer—to draw the attention of the 
government of the newly born republic of the United States of 
America to the sad plight of the German Jews. It should be 
remembered, incidentally, that it was an age abounding in 
lively discussion of religious tolerance, particularly toward the 
Jews, but that the condition of the Jews in Prussia, economical- 
ly, politically and socially, was still wretched indeed. No one 
had made this clearer than C. W. von Dohm in the work which 
has already been mentioned. 


There are at least two passages in Mendelssohn's own works 
revealing an interest in America. One of them is a footnote at 


* Moses Mendelssohn. Sein Leben und seine Werke, Leipzig, 1862. 
* Kayserling, op. cit., p. 271 ff. l 


— 187 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


the very end of his Jerusalem, oder über religiöse Macht und 
Judenthum. Speaking of religious prejudices, he says: 
Leider! hören wir auch schon den Congress in Amerika das 


alte Lied anstimmen, und von einer herrschenden Religion 
sprechen.“ 


The other is No. IX of “Einzelne Gedanken” among the Kleine 
vermischte Schriften”: 


It has been noticed, perhaps, that our Schreiben is addressed 
"an den amerikanischen Präsidenten O* *”—a rather puzzling 
designation when one considers that Washington did not be- 
come president until 1789. But this difficulty is explained in 
part by the fuller, more exact title of the letter as given on 
page 4: "Schreiben eines deutschen Juden an den Präsidenten 
des Kongresses der vereinigten Staaten von Amerika.” A note 
on the entry card of the Library of Congress (E 184 J 5 537) 
states that "the president of the Continental Congress in 1784 
was Arthur St. Clair.” The cryptic O* * of the title-page, 
then, simply indicates that the name of the addressee was not 
known to the writer and that he did not take the trouble to as- 
certain it, or that he purposely suppressed it. At any rate, if 
the Schreiben was delivered at all, it probably went to Arthur 
St. Clair. But there is nothing to indicate that any action what- 
ever was taken upon it by the hard-pressed Continental Con- 
gress. And yet, in spite of this, the present writer cannot help 
but feel that the pamphlet is an important document, both from 
the point of view of the history of the German Jews and from 
that of early American history as well. The following is a 
faithful transcription of the entire letter. The page numbers of 
the original are given in brackets. 


[3] Moses Mendelssohn an Isak Tr...... n. 


* Moses Mendelssohn’s sämmtliche Werke. Ausgabe in einem Bande 
als Nationaldenkmal, Wien, 1838, p. 291. 


Die Europäer würgen sich einander um den Ohiofluss, und 
kein Amerikaner hat sich je gelüsten lassen, die Spree zu be- 
kriegen. Und dennoch nennen wir die Amerikaner die Wilden. 
Nun möchte ich einen amerikanischen Sittenlehrer vom Hoch- 
mute reden hören.’ 


Ibid., p. 1004. 
— 188 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Werthester Freund! Vermutlich haben Sie Hrn. D.. . s vortreff- 
liche Schrift von der politischen Verbesserung der Juden gelesen? Wo 
nicht, so lesen Sie diesen kurzen Aufsatz in Form eines Briefes von 

einem deutschen Juden an den Präsidenten des Kongresses der 
Vereinigten Staaten in Amerika; der Verfasser dieser kleinen Schrift 
hat gewissermassen alles konzentrirt, was Sie in der oben ange- 
führten D... schen Schrift weitläufiger finden können. 


[4] Schreiben eines deutschen Juden an den Präsidenten des 
Kongresses der Vereinigten Staaten von Amerika. | 


Ehrenvoller Herr Präsident! Verzeihen Sie mir vor allen Dingen, 
wenn ich Ihnen nicht den gewöhnlichen Titel gebe; denn dieser ist 
mir unbekannt. Sie könnten als ein Mann, der an der Spitze eines 
vereinigten Staates steht, welcher mit dem mächtigsten Königreiche 
der Welt Krieg geführt, und noch mehr als das, warum er kriegte, 
gewonnen hat, als solcher allein könnten Sie von jedem europäischen 
Hofe (wie viel mehr von einem Juden) den Titel: Durchlauchtigster 
eher fodern, als mancher Durchlauchtige bei uns der jährlich keine 
500 Pf. St. zu [5] zehren, und etwann fünf Bedienten zu befehlen 
hat, dessen Vorfahren auch irgend einmal weniger gewesen sind, 
als ihr Herr Vater und Grossvater. Ich werd’ es noch erleben, dass 
die Gesandten der Könige, welche die Freundschaft ihres Staats aus 
Politik oder Interesse suchen, Ihnen ihr Beglaubigungsschreiben mit 
tiefen Bücklingen überreichen, oder dass die Fürsten, welche vor 
einigen Jahren ie. (Hier ist etwas ausgelassen, das ohnehin nicht 
zur Sache gehört.) 


Einem solchen Manne kann es so wenig auf eine vollständige 
Titulatur ankommen, als den grossen Joseph von Österreich der die 
seine ganz, oder auch nur zum zehnten Teil hinzusetzen verboten 
hat; denn gesetzt, dass Sie nach holländischem Style auch nur ein 
wohledler Herr wären; so hörten sie darum dennoch nicht [6] auf, 
für ganz Europa eine wichtigere Person zu seyn; als die mehresten 
Durchlauchtigkeiten Deutschlands. 


Einem Manne, der diesen Schnickschnack verachtet; weil er sich 
über seinem Titel erhaben fühlt, sollte in Deutschland schon fast 
desshalb die Lust zum Auswandern ankommen; weil er aus der 
Titulatur ein Studium zu machen gezwungen ist, wenn er nicht alle 
Augenblicke sich Verdrüsslichkeiten aussetzen will. Aber leider! 
Haben wir arme Juden noch unendlich wichtigere Ursachen ein 
anders Vaterland — aber was sag ich ein anders? Da wir gar keins 
haben — zu suchen. 


Wo man uns duldet! und wieder Gewaltthätigkeiten, aber nicht 
wieder Verachtung schützt, da müssen wir diesen Schutz sehr theuer 


— 189 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


bezahlen. Der Schutz [7] welchen die Christen von ihrer Landes- 
herrschaft geniessen, ist zwar auch nicht wohlfeil, und macht in 
manchen Provinzen gerade so viel aus, als das, was sie unter diesem 
Schutze verdienen, um ihren Hunger zu stillen, und ihre Blösse zu 
decken. Aber sie sind doch wenigstens darinn unendlich glücklicher, 
dass ihnen hundert Wege offen stehen, ihr Salz Brod und ihre Kar- 
toffeln zu erwerben. Wir Juden haben nur einen, und dieser eine 
ist so schmal, so holpricht, und auf beiden Seiten mit so vielen Dorn- 
büschen versehen; dass wir wohl das geduldigste Volk auf Erden 
sein müssen, weil man dennoch unter uns nur ausserordentlich selten 
von einem Selbstmorde hört. Auf diesem Wege sein Glück machen 
ist schwer, und dieses setzt schon eine von den Vorfahren erhaltene 
Anlage voraus: Eine solche Anlage durch sich selbst zu erwerben, 
[8] ist beinah ganz und gar unmöglich, wenn man dabei ein ehr- 
licher Mann seyn will. Von hundert Juden, die Vermögen besitzen 
müssen neun und neunzig ihrer Väter Betrüger gewesen seyn. Ich 
würde nothwendig über ein solches Geständniss von einer Nation, zu 
der ich selbst gehöre, errathen müssen; wenn die Schuld des Ver- 
brechens unserer Väter und Grossväter zunächt auf sie fiele. Aber 
wenn Jemand schlechterdings verdammt ist, einen holprichten mit 
Dornhecken besetzten Fusssteig zu gehn; so wird man sich wohl 
nicht wundern dürfen, wenn er jede Gelegenheit wahrnimmt, um aus- 
zubiegen, gesetzt auch, dass er den Bauer seinen Flachs, und den 
Edelmann seinen Spargel niederträte, oder ihm gar etwa dabei die 
Lust ankäme, von jenem etwas auszuziehen, und diesen zu stechen. 
Die Christen wollen bemerkt haben, dass selten eine Diebs- [9] 
bande eingezogen werde, worunter nicht ein- oder mehrere Juden 
befindlich wären. Ich wundre mich nicht weit mehr darüber, dass 
solche Banden nicht grösstentheils aus Juden bestehen. Sobald ein 
Jude durch irgend einen Zufall um das kleine Kapital kömmt, durch 
dessen Umsatz er sich bisher erhalten hat, so bleibt ihm nur die 
Wahl: Ob er entweder ein umherschweifendes Bettlerleben führen, 
oder ein Spitzbub werden will, denn von seiner Hände Arbeit kann 
er sich nicht ernähren, und als Soldat nicht anwerben lassen. Ge- 
wöhnlich ergreift er die erste Lebensart; allein der Uibergang von 
dieser zur zweyten ist so leicht, besonders wo der jüdische Bettler 
von einer Gränze immer wieder nach der andern zurück gewiesen 
wird; dass alle unsere Unterstützung nicht hinreicht die Armen von 
Betteln, und den Bettler von Stehlen abzuhalten. [10] Dennoch 
erinner’ ich mich nicht jemals gehört zu haben, dass irgend. ein 
Richter bei dem Verhör eines jüdischen Diebes schon untersucht 
hätte, wie der Jude der sein Leben so lieb hat, und den Strang so 
sehr fürchtet, auf den Entschluss fallen konnte, einen Weg zu gehn, 
dessen Grenzpfahl gewöhnlich der Galgen ist. Der Richter glaubt 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


genug gethan zu haben, wenn er ausfindig gemacht hat, dass der Jude 
wirklich gestohlen habe, um dann sicher das Urtheil sprechen zu 
können: Du musst hängen! Unter hundert gefangenen Juden ist 
indess noch nicht einer gewesen, den Liederlichkeit an Galgen ge- 
bracht hätte. Sie würden hochgebietender Herr Präsident über die 
Unverdrossenheit eines deutschen Juden erstaunen, wenn sie eben 
so gut Zeuge davon seyn sollten, als ich. Ein grosser, ja vielleicht 
der grösste Theil von ihnen bringt sein Leben fast immer auf [11] 
der Landstrasse zu, um den kleinen Handel’ nachzugehn, und der 
Handelnde verzehrt für seine Person weiter nichts dabei, als täglich 
einen Hering und ein Kreuzerbrod, seinen Trunk muss ihm der erste 
Bach oder nächste Brunnen geben. Alles was er sonst erwirbt, hebt 
er gewissenhaft auf, um es am Freytage mit nach Haus zu bringen, 
Weib und Kindern Nahrung und Kleider zu geben. Uiber die an- 
derthalb Tage, die er dann im Schosse seiner Familie bei etwas 
besserer Kost zubringt, vergiesst er das elende Leben, welches er 
den nächsten Sonntag wieder anzufangen genötigt ist. Und wollen 
sie wohl glauben, dass selbst dieser Elende, der allen seinen Witz 
anstrengen muss um ein Kapital von 50 fl. fast eben so vielmal im 
Jahre umzusetzen; wenn er mit einer Familie davon leben will, den- 
noch von anderen Juden nicht selten beneidet wird? [12] Diess 
würde ganz unbegreiflich seyn, wenn der Trieb sich zu verheurathen 
nicht dadurch bei uns verstärkt würde, weil die Ausschweifungen 
bei uns mit grösserer Schande verknüpft sind, und die Christen uns 
das Heurathen erschweren. Gesetzt, ein Jude ist endlich Herr über 
ein Kapital geworden das in seinen Händen hinreichend wäre, eine 
Familie davon zu ernähren; so ist er dennoch nicht im Stande, sich 
mit dem Mägdchen, das er liebt zu verbinden. Die mehreste Zeit, 
und in den mehresten deutschen Provinzen ist er gezwungen, das 
Schutzrecht um eine gewisse Summe zu erkaufen, die sein Eigenthum 
wieder auf die Hälfte; oder ein Drittel herab bringt. Aber die Liebe 
überwindet auch diese Schwierigkeit. Er strengt sich von neuem an, 
macht sein Kapital wieder vollzählig, und sucht nun die Erlaubniss 
an, sich verheurathen zu dür- [13] fen. Erhält er sie, geht's ihm aber- 
mal so wie vorhin; denn er muss diese Erlaubniss theuer bezahlen, und 
die Kosten einer Hochzeit (wiewohl diess freylich unsere eigene 
Schuld ist) sind unter den Juden nicht geringer, als unter den Chris- 
ten. Freylich würde er noch immer im Stande seyn, sich und seine 
Frau zu ernähren, wenn er wirklich das Vermögen besässe, welches er 
in einigen Ländern vor seiner Verheurathung beschwören muss; denn 
die festgesetzte Summe, ohne deren beschworenes Eigenthum kein 
Jude einen Taufschein erhält, beläuft sich in manchen Provinzen auf 
1500 fl. Allein unter allen Menschen, von welcher Religion sie auch 
immer seyn möchten, wird die Liebe zu Meineiden verführen; wenn 


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Deutfh-Amerilanifde Geſchichtsblätter 


ein solches Gesetz ihr im Wege steht, und sich Sophisten finden, die 
das Gewissen durch irgend eine Mentalreservation zu beruhigen 
[14] wissen. Gesetzt aber auch, was ich zur Ehre meiner Nation 
glauben muss, dass selten oder nie ein solcher falscher Eid von einem 
Juden geschworen werde, und dass in denen Ländern, worin die 
Söhne Erlaubniss haben, sich auf das Schutzrecht ihres Vaters anzu- 
setzen, die Verheurathung weniger schwierig und kostbar sind; so 
muss doch ein Jud ein viermal grösseres Kapital in Händen haben, 
wenn er es wagen will, eine Familie zu ernähren, als der Christ unter 
gleichen Umständen nöthig hat; oder der Jud' muss sich gezwungen 
sehn, viermal elender zu leben, als unter gleichen Umständen der 
Christ. Man wird durch ganz Deutschland finden, dass ein Christ, 
der 100 fl. zur Anlage hat, darauf heurathet, Kinder zeugt, das Feld 
baut, oder ein Handwerk treibt, bei minderer Anstrengung seine 
Steuern bezahlt, alle Tage warm isst, geräumiger [15] wohnt, und 
sich mit Frau und, Kindern besser kleidet, als der Jud, der 200 fl. im 
Verkehre hat. Freylich bringt das Kapital des letzteren zehnmal 
so viel im Handel ein, als ein Grundstück, das 200 fl. kostet. Aber 
was hilft das dem Juden? Er muss von seinen 100 fl. mehr Steuer 
bezahlen, als der Christ von seinen zwey Hunderten, und zur Unter- 
haltung der öffentlichen Bedienten zehnmal mehr beitragen, als der 
Christ zur Besoldung der obrigkeitlichen Personen. Der Jud ist 
überdiess dem Betruge weit mehr ausgesetzt; weil er theils keine 
Grundstücke erwerben darf, theils um der höhern Zinsen willen, die 
selbst ihm die Rechte gestatten, gezwungen ist, sein Geld auf Wechsel 
auszuleihen. Der Pöbel unter den Christen hat sich aber noch immer 
eben so wenig ein Gewissen daraus gemacht, einen Juden zu be- 
triegen, als der Pöbel unter [16] den Juden es für Schande hält einen 
Christen auf alle mögliche Art zu bevortheilen. Hierinn, und nicht in 
zu gewagten Unternehmungen, noch weniger in der Verschwendung 
muss der Grund liegen, dass selten das Vermögen einer Judenfamille 
auf den dritten Erben kömmt. Wollten die Christen sagen: eben 
dieses sei ein Beweis von der Wahrheit des Sprichworts, dass unge- 
rechtes Gut dieses Schicksal habe; so würden sie gestehen müssen, 
Gott mache bei den Christen allein Ausnahmen, welches sich nicht 
denken lässt. Zeitliches Gut kömmt und geht, ohne zu fragen, wie 
gut oder böse der Mensch sei. Wenn man das zusammen rechnen 
wollte, was die deutschen Juden nur seit einigen Jahren durch die 
Wechselschuldner verloren haben; so würden sicher einige Millionen 
herauskommen. Ja selbst angenommen, dass die [17] Gläubiger 
dieses Geld vorher erst auf eine unerlaubte Weise erworben hätten, 
könnte dieses ihren Schuldnern wohl zustatten kommen?  Stiehlt 
der nicht auch, wer dem Diebe das Gestohlene nimmt, um es selbst 
zu behalten? 


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Deutfh-Ameritanifhe Geſchichtsblätter 


Bei diesem drückenden Sturm, diesen lästigen Gemeindebeiträgen, 
wozu noch die den Juden so kostbare Unterhaltung ihrer Armen 
kömmt, bei dieser Einschränkung im Ansetzen, Heurathen und Er- 
werben, bei dieser Ausschliessung von allen Hantierungen, Künsten 
und Wissenschaften, die ein wenig mühsames Brod, und mehr bür- 
gerliche Ehre geben, bei dieser wenigen Sicherheit des erworbenen 
Eigenthums verlangt man, das die ganze Nation (denn einzelne Glie- 
der von ihr dürfen sich kühn neben die edelsten Christen stellen) 
besser, und edler seyn soll? Wel- [18] cher Menschenkenner muss 
sich nicht wundern, dass sie nicht noch tiefer in dem Schlamme 
versunken ist, in welche sie gestossen ward? 


Was auch einige Menschenfreunde unter den Christen wünschen! 
Und die armen Juden hoffen mögen; so lässt sich doch nicht er- 
warten, dass unsere Nation in Deutschland ein ertráglicheres Schick- 
sal haben werde. Wenn man hier und dort etwas für uns gethan, aber 
das ist grad, als wenn man einem Menschen, der zwey Zentner 
schleppt, zwey Pfunde davon abnimmt. Ich sage gar nicht, dass es 
unrecht sey uns in Deutschland, wo man am meisten von Duldung 
schreibt, und spricht, noch immer so sehr unter dem Drucke zu 
halten, denn die Regenten mögen es vielleicht unbillig finden, uns 
denen im Lande gleich, oder áhnlich zu ma- [19] chen, die durch 
ihre Vorfahren ein näher Recht an Grund und Boden, und dürch die 
Landesreligion ein Vorrecht zum Erwerb aller Arten von zeitlichen 
Gütern haben. | 


Aber was für ein Bedenken könnte den Staat abhalten, uns auf- 
zunehmen, der noch grosse unbewohnte Strecken Landes hat? Dass 
es Gottes Wille sey, dass auch wir leben sollen, davon wird wohl 
jeder dadurch überzeugt seyn, dass wir wirklich leben. Es macht 
dem Menschen mehr Freude, wenn er ein Stück Land mit Rocken 
bestellt, als mit Disteln überwachsen sieht, wenn er gleich von jenem . 
für sich kein Brod backen, und mit diesen nie seinen Esel füttern 
wird. Sollte sich wohl diese Freude blos desshalb in Aerger ver- 
kehren; weil ein Jud den Rocken gesät hat? Ich hoffe das nicht we- 
[20] nigstens hab ich nie etwas ähnliches bei dem Rocken der Chris- 
ten gefunden, wenn er gleich auf einem Acker stand der neben einem 
Judenhause lag. 


Das phisische Wohl meiner Brüder, hochgebietender Herr Prà- 
sident geht mir zwar nah; aber das moralische noch ungleich näher. 
Dieses in ihrer gegenwärtigen Lage verbessern wollen, wäre thöricht. 
Die Nation muss sich im Gegentheil immer mehr verschlimmern. 
Dass die Christen selbst unter dieser Verschlimmerung mit leiden 
müssen, sehen die Weisen des Landes wohl ein, und wünschen eine 
Revolution in unserer ganzen Lebens- und Denkart, die niemand als 


— 193 — 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Sie gnädiger Herr Präsident hervorzubringen vermag; wenn sie an- 
ders geruhen wollen eine Bitte den hochlöbl. Kon- [21] gress vor- 
zulegen, deren Gewährung der Menschheit Ehre machen würde. 


Mit grosser Theilnehmung haben viele von uns aus dem von den 
hochmögenden amerikanischen Staaten mit England geschlossenen 
Frieden ersehn, dass ihnen darinn grosse Strecken Landes einge- 
räumt werden, die so gut als gar nicht bewohnt sind. Es kann noch 
mehr als ein Jahrhundert vergehn, eh die Einwohner der 13 ver- 
einigten Provinzen sich so sehr vermehren, dass sie nur einmal das- 
jenige Land, welches diese Provinzen an sich schon besassen, in 
dem Grunde zu bevölkern, und zu bebauen im Stande seyn sollten, 
als: z. E. Bei uns das Herzogthum Württemberg bevölkert und be- 
bauet ist. Sollten nun jene Strecken während den hundert Jahren 
wüst liegen, oder ein zu grosses Jagdrevier für wenig her- [22] 
umstreifende Wilde bleiben? Ihre Religion kann Ihnen nicht ver- 
bieten uns diese Wiesen zum Ackerbau zu überlassen; auch dulden 
Sie ja schon Juden unter sich. Ob die Politik Ihnen solches unter- 
sagen könne? Weiss ich nicht. Indess haben Sie die gesetzgebende 
Macht in Händen, und wir verlangen weiter nichts, als Unterthanen 
der 13 Provinzen zu werden, die gern zweyfache Steuern für das 
Beste dieser Provinzen beitragen wollen, wenn sie nur die Erlaub- 
niss erhalten auf ihre Kosten Kolonien anzulegen, Ackerbau, Handel, 
Künste und Wissenschaften treiben zu dürfen. Glauben wir nicht 
an denselbigen Gott, an welchen die (Juäker glauben? Kann unsre 
Aufnahme gefährlicher oder bedenklicher seyn, als dieser ihre? Ge- 
setzt, dass 2000 Familien von ung sich in einer Wüste von Amerika 
niederliessen, und sie zu einen fruchtbaren Lande [23] machten? 
Würden die alten Einwohner der Provinzen darunter leiden? Lassen 
sie uns gnädiger Herr, Bedingungen vorschreiben, unter denen sie 
uns aufnehmen wollen. Wir werden überlegen, ob wir sie annehmen 
und halten können. In wiefern durch diese Verpflanzung unser 
moralisches Wohl sich verbessern würde, will ich sodann ebenfalls 
darthun. 


Ich bin etc. 


— 194 — 


Gin ungedrudter Brief von Friedrich Geritader. 


Von Profeffor Alfred Edwin Lukty, 
Univerſity of Kanſas. 


„Ew. Exzellenz möchte ich hiermit eine Sache an's Herz legen, 
die wohl ſchon in kurzer Zeit, und ſobald ſich unſere äußeren Ver— 
hältniſſe nur erſt geregelt haben, Ihre und des Landes ganze 
Aufmerkſamkeit in Anſpruch nehmen wird — die Sache des 
armen Erzgebirges und ſeiner unglücklichen Bewohner. 


Ich habe in dieſem Winter das Gebirge durchſtreift, die Leute 
dort kennen gelernt und Ew. Exzellenz Vorgänger, dem Herrn 
von Falkenſtein, den nachfolgenden Bericht darüber geliefert; die 
Revolution kam aber dazwiſchen, und das Gebirge mußte ſich für 
den Augenblick ſelber überlaſſen bleiben. Für dieſes Jahr iſt denn 
auch in ſolcher Art, wie ich ſie als die allein mögliche zur Rettung 
der Unglücklichen erkenne, die Zeit verfloſſen, daß dieſes aber 
nicht auch für das folgende geſchieht, da vorbereitende 
Schritte noch in dieſem Sommer nötig ſind, bitte ich Ew. 
Exzellenz die nachſtehenden Zeilen zu erwägen und zu berüd- 
ſichtigen. 


Ich bin feſt davon überzeugt, daß der Not und dem nackten 
Elend unſeres Erzgebirges auf keine andere Art abgeholfen wer— 
den kann, als durch eine Auswanderung, und zwar Aus⸗ 
wanderung, nach einem großartigen allgemeinen Plan, der von 
der Regierung ſelbſt ausgeht und geleitet werden muß. Das Ge⸗ 
ſchlecht jener Gebirge iſt durch Not und Mangel langer Leidens⸗ 
jahre entnervt und erſchlafft, und die ungeheure Bevölkerung 
jenes armen Landſtriches hat es, allen Bemühungen der Re⸗ 
gierung zum Trotz, unmöglich gemacht, ſo auf die Erziehung der 
heranwachſenden Jugend einwirken zu können, um das unwiſſende 
Geſchlecht aus ſeiner Lethargie aufrütteln, und mit dem jetzt 
raſend ſchnell weiter treibenden Leben fortreißen zu können. In 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ſeine Berge eingeſchloſſen, deren Horizont ihm die Welt ſcheint, 
verbrütet der Gebirgler ſeine Tage, und kommt er je einmal hinaus 
in's flache Land, treibt ihn die entſetzlichſte Not den heimiſchen 
Herd zu verlaſſen, ſo ſieht er ſich bald, ſeiner Ungeſchicklichkeit 
wegen, verlacht, oder die Umgebung fehlt ihm auch nur, die Um- 
gebung der eigenen Familie, die er von früheſter Jugend an nicht 
einen einzigen Tag gewohnt war zu vermiſſen — die Familie, 
mit der er Mangel und Elend getragen, und zurück flieht er, in 
einem Anfall von Heimweh, dem ſeine, keiner Energie fähige 
Natur nicht zu widerſtehen vermag. ' 


Es ift denn aud, meiner Anſicht nad, mehr die geiftige 
Stumpfheit die den Armen gleichſam in den Fluch feiner Um- 
gebung bannt, und es würde den angeſtregteſten Bemühungen 
des Staates ſicherlich nur nach langen langen Jahren und mit 
ungeheuren Opfern — wenn je — gelingen, ihn ſoweit Heran- 
zubilden, um diefe Art von Wahnſinn (wie in ſolchen Verhält⸗ 
niſſen ein Heimweh faſt genannt werden kann) zu beſiegen. Die 
Not iſt dort aber gegenwärtig zu einem Grad geſtiegen, der jeden 
Menſchenfreund mit der größten Beſorgnis erfüllen muß. Die 
Arbeiter jener Diſtrikte, denen das engliſche Fabrikweſen eine ſo 
fürchterliche und nicht zu bekämpfende Konkurrenz eröffnet hat, 
gehen nicht mehr mit langſamen Schritten, nein, ſie fliegen förm⸗ 
lich ihrem Verderben entgegen. Im vorigen Jahre war die Not 
im Gebirge groß — der Preis der Lebensmittel war zu einer 
faſt unbezahlbaren Höhe geſtiegen und ſelbſt um ſolche Summe 
kaum zu bekommen; dennoch erhielten die Arbeiter auch einen 
Lohn, der ſie, mit den zahlreichen Unterſtützungen des Staates 
und der Privaten wenigſtens vor dem Verhungern ſchützte. Die 
Lebensmittel ſind nun in dieſem Jahr um ein Bedeutendes ge— 
fallen, aber — dasſelbe tiit mit dem Arbeitslohn 
geſchehen. Viele der Armen, und zwar nicht nur die Inſaſſen 
eines einzigen Dorfes, ſondern überall, in den verſchiedenen 
Diſtrikten, wo ich ſie aufſuchte, antworteten mir auf meine Frage, 
ob es denn dies Jahr beſſer gehe als das vorige: „Ach, nicht viel 
— voriges Jahr bekamen wir für unſere Arbeit teueres, 
dies Jahr kriegen wir billiges Brod dafür — aber auch 
nicht mehr. | 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Die Arbeit- wie die Brodpreiſe find gefallen; die erſten werden 
aber n i e wieder ſteigen, im Gegenteil ſteht zu erwarten, daß jid) 
die engliſchen Fabrikate immer mehr vervollkommnen und ſogar 
noch billiger geliefert werden — was aber nun, wenn einmal ein 
neues Teuerungsjahr das ganze Land wieder heimſucht, wie es 
von 46—47 geweſen? Wenn dann die Unglücklichen mit den 
heruntergedrückten Löhnen nicht einmal mehr imſtande ſind ihr 
elendes Leben zu friſten und nun gänzlich vom Staat erhalten 
werden müſſen, wenn ſie nicht elendiglich verderben ſollen, denn 
jenes entnervte Geſchlecht der Klöppler fiele eher verhungert von 
ſeinen Stühlen, ehe es ſich von der ihm zur anderen Natur ge- 
wordenen Gewohnheit losreißen könnte. 


. Allerdigs tragen bie ſogenannten Faktoren oder Verleger eben- 

falls große Schuld mit an den nicht ſelten heruntergedrückten 
Preiſen, und viele von ihnen ſtehen mit dem Fluch der Armen 
gebrandmarkt, indem ſich der unglückliche Klöppler, der ſeine Ar— 
beit augenblicklich verkaufen m u B, um nur das notwendigſte Brod 
zu haben, gezwungen ſieht, ihren oft niederträchtigen Bedingungen 
nachzugeben. Auch das ſcheußliche Truckſyſtem fängt an von eini⸗ 
gen dieſer Menſchen wieder eingeführt zu werden. Beſonders 
hörte ich in dieſer Hinſicht über einen gewiſſen Carl Grund in 
Buchholz und Ficker in Großböhla klagen. 


Freilich ſind unter den jetzigen Verhältniſſen, dieſe Faktoren, 
zwiſchen denen es jedoch auch rechtliche und brave Leute gibt, eine 
Art notwendigen Übels, und nicht allein die Urſache des Erz— 
gebirgiſchen Elends, ſondern eher eine Folge desſelben. Denn 
wären die Armen eben in beſſeren Umſtänden, ſo brauchten ſie 
ſich nicht ſolchen Bedingungen zu fügen, und könnten ihre Preiſe 
ſelber ſtellen. Aber auch das würde ihre Lage nur um ein ſehr 
Geringes verbeſſern; die Zeit für ſolche Arbeit iſt vorüber, ſie 
ſchützt nicht einmal mehr vor dem Hungertod und Tauſende, in 
milden Gaben hinausgeworfen, ſind immer nur Mittel, die für 
den Augenblick eine Thräne trocknen, einen hungrigen Magen 
füllen, den Geſättigten aber nur mit deſto größerer Angſt auf 
den folgenden Tag blicken laſſen, der ihm ja unrettbar das alte 
Elend zurückbringen muß. 


— 17 — 


Deutſch-⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Hier, in dieſem fürchterlichen, endloſen Jammer, iſt es nur 
die Auswanderung die helfen, retten kann — mir brach faſt das 
Herz, als ich in die Hütten der Elenden trat, als ich die Sammer- 
geſtalten ſah, die hier vergingen und verdarben, und mir nun 
jagen mußte, „dort, dort liegt ein Land, in dem alle diefe Elenden - 
glücklich werden könnten, — gar nicht ſoweit von hier, dehnt 
es ſich mit ſeinen fruchtbaren Flächen und Wäldern aus, für alle 
— alle eine Heimat, aber ſie können es nicht erreichen, die Hände 
ſind ihnen gebunden, nicht einmal ein Blick nach dem hoffnungs— 
leuchtenden Geſtade iſt ihnen vergönnt, der ſie zu höherer Energie 
antreiben könnte und müßte — ihr Geiſt wie ihr Körper liegen 
in den Banden der Gewohnheit und des Elends. Aber welch ein 
Gefühl wäre das auch für den Einzelnen, für Sie, Exzellenz, 
dieſen Tauſenden geholfen, dieſe Tauſende gerettet zu haben; die 
Segenswünſche eines ganzen Volkes würden für Sie zum Himmel 
emporſteigen und Sie brauchten das nicht einmal — Sie trügen 
den Himmel in der eigenen Bruſt. 


Vielleicht glauben Sie, Exzellenz, daß ich die Überſiedlung ſo 
vieler Tauſende zu leicht nehme, und es iſt möglich, daß ich, mit 
dem herrlichen Ziel im Auge, manche Schwierigkeit die noch auf— 
ſteigen wird, leicht anſchlage, nichtsdeſtoweniger kenne ich ſie aber 
alle und bin nur der überzeugung, daß bei einem ſolchen Schritt 
nicht allein die kalte und allerdings höchſt nötige Berechnung, ſon— 
dern auch ein fröhliches Vertrauen dazu gehören, es gut und 
glücklich zu Ende zu führen. 

Die größte Schwierigkeit übrigens, und gerade die, welche bei 
uns zu einem allgemeinen Vorurteil geworden zu ſein ſcheint, 
halte ich für leichter überwunden als ſie gemacht wird. Es iſt die, 
welche ſich im Charakter des Erzgebirgiſchen Volkes ſelbſt zeigt. 
Der Einwand, daß es zu ſchwach und entkräftet, zu entnervt und 
verwöhnt in ſeiner Klöppelarbeit fei, muß mit der Auswanderung 
ſelbſt verſchwinden, denn Schwäche und Entnervung ſind wahrlich 
nur eine ganz natürliche und unausbleibliche Folge ihres jetzigen 
Lebens und werden ſich, ſobald dieſes aufhört, auch von ſelbſt 
wieder heben. Und ſind das wirklich ſchwächliche Naturen, die 
im Stande waren Jahre lang mit ſolchen Nahrungsmitteln 
ſolche Not und ſolches Elend zu ertragen? Werden die nur aus 


— 198 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ihrem Jammer herausgeriſſen, hat nur erſt, was ſchon während 
der überfahrt geſchieht, eine geſunde nahrhafte Koſt ihren Körper 
geſtärkt und gekräftigt, dann werden ſie auch leichten Mutes jede 
Arbeit verrichten, die im Anfang auch nicht einmal übermäßig 
zu ſein braucht. Es gilt ja doch zuerſt nur einzig und allein 
ihren Unterhalt zu erwerben, den ihnen der dortige Boden reich— 
lich liefern wird, reichlich und im Übermaß, denn verwöhnt 
ſind die Erzgebirgler in der Hinſicht nicht. 


Und wie leicht arbeitet ſich's, wenn jeder Axtſchlag für das 
Eigentum geſchieht, und der Vater jetzt plötzlich in Erſtaunen und 
Freude ſieht, wie ihm die Kinder zum Segen werden, die ihm 
in Europa nur ein Fluch geweſen, ſo daß ſelbſt die Erzgebirgiſche 
Mutter, als ſie das Begräbnis eines Kindes wohlhabender 
Eltern jab, mit thränenloſem ſtieren Blicke ſagte: „Mir ſtir be 
keins!“ 

Nichtsdeſtoweniger iſt, wie ich recht gut weiß, eine Auswan⸗ 
derung ſo vieler und ſolcher Menſchen, mit ungeheuren anderen 
Schwierigkeiten verknüpft, aber es find doch immer nur Schwierig- 
keiten und nicht unüberwindlich —eine ſolche Answanderung iſt 
keine Unmöglichkeit. So will ich denn verſuchen meine, vielleicht 
in mancher Hinſicht noch einer Verbeſſerung fähige Anſicht über 
die Hauptzüge derſelben zu geben, die wenigſtens aus gut ge- 
meinten Herzen kommt und fo kurz als möglich fein fol. Vorher 
aber möchte ich noch ein paar Worte über eine, dies ſelbe Thema 
behandelnde Broſchüre des Herrn Traugott Bromme ſagen, die 
neben mir liegt und ebenfalls einen Auswanderungsplan für 
Proletarier enthält. 


Bromme ſagt darin, daß man den Regierungen nicht 
zumuten ſolle, ſolche Auswanderungen zu leiten, ſondern fordert 
zur Gründung eines Anſiedlungsvereins für deut- 
ſche Proletarier auf und fährt fort: 

„Nur dieſen Zweck verfolgend, der nicht durch Anleihen, nicht 
durch Aktienunternehmungen, ſondern lediglich durch den 
Wohltätigkeitsſinn der Vaterlandsfreunde erreicht werden kann, 
zur Ausführung aber, wenn achthundert bis tauſend Armen eine 
frohe Zukunft in Ausſicht geſtellt werden ſoll, ein Betriebskapital 


— 199 — 


£ 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


von 50,000 fl. erfordert, tritt ein Verein zuſammen, der durch 
eine freiwillige, größere oder geringere unverzinsliche Einzahlung, 
durch Eröffnung einer Kollekte und durch Beteiligung wohl— 
habender Menſchenfreunde, die im Bezirke des zu gründenden 
Aſyls Land erwerben wollen, das erforderliche Kapital zuſammen— 
zubringen ſucht, in einer Generalverſammlung den nachfolgenden 
Entwurf feiner Statuten diskutiert, etc. etc.“ 


Nun kennt Herr Bromme allerdings, durch einen längeren 
Aufenthalt dort, Amerika genau genug, und weiß ebenſogut wie 
ich, von wie ſegensreicher Wirkung eine Überſiedlung von Pro— 
letariern dorthin, und zwar nicht allein für die liberfiedelten, fon- 
dern auch für die, durch Hinwegſchafſung fo bedeutender Kon- 
kurenz ſich freier regenden Zurückbleibenden ſein würde, er ſcheint 
aber die Menge unſerer Proletarier doch noch nicht in's Auge 
gefaßt zu haben, er hat noch keinen Blick in des maſſenhafte Elend 
getan, er würde ſonſt nicht von 800 —1000 Auswanderern für 
ganz Deutſchland reden, wo, meiner Meinung nach, 20,000 
allein aus dem Erzgebirge fortgeſchafft werden müßten, wenn 
nicht ſelbſt die Auswanderung nur zu einem der alljährlich ange— 
wandten Palliativmitteln werden ſoll. 


Er hegt auch da einen ſchönen Glauben an die Menſchlichkeit 
und den Eifer der Vereine, den ich aber, durch viele trübe Er— 
fahrungen leider belehrt, keineswegs teilen kann. 50,000 fl. 
wären allerdings vielleicht zuſammenzubringen, was aber iſt eine 
ſolche Summe, einem ſolchen Unternehmen gegenüber. Dann 
hofft und baut er auch zu viel auf die Uneigennützigkeit freiwilli⸗ 
ger Agenten, denn Leute, die gewöhnlich am meiſten befähigt ſind 
ſolche Sachen zu leiten, werden auch, wenn ſie wirklich den guten 
Willen hätten, gewiß nur ſehr ſelten im Stande ſein, ihre Zeit 
und Tätigkeit einem derartigen Unternehmen zu opfern, wo ſie 
ſich ſelbſt und ihre Familien zu unterhalten haben. Und wer 
bürgte denn auch, nicht allein dieſen Vereinen, nein auch der 
Regierung dafür, daß ſich nicht gerade gewiſſenloſe Agenten unter 
menſchen freundlichem Vorwand hinzudrängten, und namenloſes 
Elend über die armen Auswanderer brächten —wo das Aas iſt 
ſammeln ſich die Adler — und eine ſo gute Gelegenheit würde 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


gewiß von manchem heimlichen Blutſauger mit nur zu großer 
Freude ergriffen werden. 


Meiner Anſicht nach müßten aus dem Diſtrikt der Klöppel⸗ 
bevölkerung, da gerade das Klöppeln ſeine Opfer dem gewiſſen 
Verderben entgegenführt, zwanzig Tauſend Arme, und 
zwar keineswegs durch Vereine, deren Kräfte das weit überſtiege, 
nein, durch die Regierung ſelbſt, in drei oder vier hintereinander 
folgenden Jahren, oder womöglich in noch kürzerer Friſt nach 
Nordamerika übergeſiedelt und der Anfang damit, da eine ſolche 
Auswanderung nicht ſo raſch ausgeführt iſt, ſobald als moa) 
gemacht und eröffnet werden. 


Das Nötigſte, was in dem Fall geſchehen müßte, wäre: zwei 
tüchtige ehrliche Männer, die aber womöglich nicht ſelbſt durch 
dortigen Landbeſitz intereſſiert ſein dürfen, voraus zu ſenden, um 
nicht ſowohl den Ankauf, als die Wahl einer paſſenden Land— 
ſtrecke zu ermitteln; gekauft iſt das Land bald, denn Millionen 
Acker liegen noch der Axt und des Pfluges gewärtig, aber die 
Wahl iſt ſchwierig und müßte, mit den Bedürfniſſen und Eigen- 
ſchaften der Auswanderer im Auge, geſchehen. Beſonders muß, 
neben einer geſunden Lage, auch das berückſichtigt werden, daß 
der Boden nicht ſo ſchwierig zum Bebauen iſt und auch wieder 
nicht zu weit entfernt von einem Waſſercours liegt, damit der 
Binnentransport der überſiedelten ſoviel als möglich erleichtert 
werde. 


Iſt dies geſchehen und die Überſiedlung ſelbſt eingeleitet, fo 
müſſen zu gleicher Zeit von eben dieſen Beauftragten oder von 
anderen, aber gut beſoldeten Agenten Lebensmittel 
und Ackerwerkzeuge beſorgt und angekauft und temporäre Woh— 
nungen errichtet werden. Gut beſoldet ſollten aber meiner Mei⸗ 
nung nach dieſe Agenten ſein, damit ſie nicht, wie das leider ſchon 
ſo häufig der Fall geweſen, in Verſuchung kommen, ſich durch 
den Mißbrauch des ihnen geſchenkten Vertrauens ſelbſt zu be— 
reichern, wodurch dann nicht allein viel bedeutendere Summen 
verloren gingen, während die Armen, für deren Unterhalt doch 
eigentlich geſorgt werden ſollte, ebenfalls entſetzlich darunter litten. 
Selbſt dem Vorwurf möchte ich bei dieſer Bemerkung im Voraus 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichts blätter 


begegnen, daß man zu ſolchem Auftrag natürlich nur Ehren— 
männer wählen würde — man kann niemanden in's Herz ſehen 
und die Erfahrung hat eine derartige Vorſicht gewiß beſtätigt, 
denn wer dabei unehrlich fein will, kann es, trotz aller ein- 
gelegten Kaution nur zu leicht, ſelbſt ohne große Gefahr entdeckt 
zu werden. 


Die amerikaniſche Regierung wird einer ſolchen Überſiedlung 
ſicherlich keine Schwierigkeiten in den Weg legen, ſondern ſie im 
Gegenteil eher noch zu befördern ſuchen, denn ſo ſehr ſie ſich, und 
mit Recht, dagegen ſträubt den Auswurf unſerer Gefängniſſe auf— 
zunehmen, ſo willkommen ſind ihr beſonders in jetziger Zeit ehr— 
liche und fleißige Arbeiter, die Arme mitbringen ihr Land zu 
kultivieren, denn das dehnt ſich mit jedem Jahre mehr nach Weſten 
und Süden, ja vielleicht auch bald ſogar nach Norden aus. Eine 
vorherige Erlaubnis derſelben brauchte aber keineswegs eingeholt 
zu werden, denn es ſoll ja für die überſiedelten nichts erbeten, 
ſondern ihnen von hier aus gleich der Platz angewieſen werden, 
auf dem ſie ihre Tätigkeit beginnen können. 


Was nun die Auswanderer ſelbſt betrifft, ſo zweifle ich keines— 
wegs daran, daß fid) fogar dort noch Schwierigkeiten zeigen wer- 
den, wo man ſie am wenigſten erwarten ſollte, und daß ein Teil 
von denen, zu deren Rettung das ganze Unternehmen eingeleitet 
wurde, vor der Ausführung desſelben zittern wird. Wie iſt das 
auch anders möglich, ihre Begriffe erſtreckten ſich bisher nicht 
über ihre heimatlichen Berge hinaus, Amerika war ihnen ein 
Fabelland, aus dem nur manchmal wunderliche geheimnisvolle 
Klänge, wie wirklich aus einer „anderen Welt“ zu ihnen herüber— 
drangen. Wenn es nun auch bei ihnen, in ihrer Not und Sorge, 
oft Seelenwunſch geweſen ſein mag, das ſchöne fruchtbare Land 
dort zu betreten, mußten ſie nicht, da ſelbſt der mögliche Gedanke 
einer ſolchen Ausführung ihre Begriffe weit weit überſtieg, vor 
demſelben zurückſchrecken? Die Armſten von ihnen fand ich freilich 
durch den immerwährenden Jammer endlich dahin gebracht, daß 
ſie auf meine Fragen: ob ſie denn nicht Luſt hätten, und ſei es 
auch noch ſo weit, nach einem Land zu ziehen, wo ſie dieſem Elend 
enthoben würden,“ antworteten: „Ach Gott ja, wir gingen wohin 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


es wäre, wo wir nur nicht, wie hier, verhungern müſſen, aber 
wovon? —“ 


Tauſende gibt es dagegen die, wenn auch in Jammer und 
Elend, doch noch einer Auswanderung, in Angſt vor dem Unbe⸗ 
kannten, widerſtreben würden. Für dieſe möchte es daher wohl 
geraten fein, da kein Staat feine Untertanen gewaltſam fort- 
ſchaffen darf und wird, eine kurze, leicht faßliche Schrift über die 
Auswanderung an die Schullehrer und Paſtoren zu verteilen, 
damit dieſe, denen der Gebirgler mehr glauben wird als fremden 
Menſchen, die beabſichtigten Auswanderer keineswegs durch über- 
triebene Schilderungen, aber wohl mit wahren Worten auf das 
vorbereiten könnten, was ſie dort hoffen und erwarten dürften. 
In Amerika iſt denn auch weit weniger als in ihrer nächſten Nähe 
ein Heimweh zu fürchten, ba fie ja dort mit ihren Familien zu- 
ſammen leben und arbeiten können und bald nur noch mit Schau- 
dern, nein, auch die Regierung ſegnend, die ihre Untertanen als 
Kinder betrachtete und die eigenen Opfer nicht ſcheute jene glüd- 
lich zu machen. 


Wohl mag ſich freilich bei ſolch gewaltiger Auswanderung ein 
Gedanke in die Bruſt ſtehlen, der ſie mit Angſt und Zittern für 
die Folgen erfüllt — der Gedanke an bie Verantwort- 
lichkeit, welche ſich der Staat ſcheinbar auflädt, indem er ſo 
viele Tauſende in ein anderes Land und Klima verſetzt, wo gewiß 
viele dem ungewohnten Leben und Wirken, vielleicht noch ehe ſie 
die ſegensreichen Folgen ſolcher Tat begriffen, erliegen werden. 
Das find aber immer nur einzelne — hier dagegen iſt die 
Gewißheit, daß das ganze Volk verderben muß, 
wenn es ſich nur noch wenige Jahre auf ſolche Art ſelbſt überlaſſen 
bleibt. Und wer von den Auswanderern wird untergehen? Die 
Alten und Schwachen, die den Todeskeim ſchon jetzt im Herzen 
tragen, und das Gift auch, falls ſie noch länger in den alten Ver— 
hältniſſen blieben, auf die jüngere Generation vererbt hätten, wie 
ſie es ſelbſt von ihren Eltern geerbt. Das junge Volk aber 
wird wie aus einem Traum erwachen und luſtig keimen und 
blühen, und die Kinder, wenn ſie einmal herangewachſen ſind, 
und von den älteren Geſchwiſtern das früher erlebte erzählen 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


hören, werden es gar nicht mehr glauben, daß ihre Großeltern 
hatten ſolchen Jammer ertragen können. 

Nein, unglückliche Folgen ſind hier, und unter richtiger Lei— 
tung, nicht zu fürchten, im Gegenteil muß eine ſolche Auswan⸗ 
derung nur zum Segen werden, da die Ausſicht auf das fürchter⸗ 
lichſte, was in Schleſien ſchon feinen unſeligen Anfang genommen 
(dieſe Zeilen ſind anfangs Februar niedergeſchrieben) auch hier 
vor Augen liegt. Das arme Volk des Erzgebirges lebt jetzt faſt 
nur von faulen Kartoffeln, von denen es, beſonders in Breiten— 
brunn, den etwas wohlhabenderen Bauern ſolche Frucht für 
ſchweres Geld abgekauft hat, die dieſe als Schweinefutter zurück— 
geworfen. Gebe Gott, daß ich mich irre, aber ich fürchte, wir 
haben ſogar ſchon in dieſem Frühjahr eine Seuche im Erzgebirge 
zu erwarten. Unter ſolchen Verhältniſſen, und da Hilfe auf 

andere Art zur Unmöglichkeit geworden, wird denn auch gewiß 

nicht die Furcht vor ſchlimmen Folgen die hilfreiche Hand der 
Regierung zurückhalten dürfen. Tauſend und Tauſend ſind dafür 
gerettet und ſelbſt der Tod der wenigen, die noch an den Folgen 
des alten Leides ſterben, wird eher einen Dank als ein Wort des 
Vorwurfes auf die Lippen der Hinterbliebenen rufen. 


Und nicht allein die ſind gerettet, die ihrem Elend hier ent— 
riſſen wurden, und jetzt in einem neuen Weltteil ein neues Leben 
beginnen, nein, auch die Zurückbleibenden, und ob ſie ſelbſt ſo arm 
wären als die, welche man fortſchafft, könnten in dem Fall frei 
aufatmen. Zwanzigtauſend Weſen fehlen plötzlich, die bis dahin, 
durch eine nicht zu vermeidende Arbeitsmaſſe, die überdies ſchon 
ruinierten Preiſe noch mehr und mehr herunterdrängten. Zwan- 
zig tauſend Mägen fehlen plötzlich, die bis dahin mit den übrigen 
dem beſchränkten, unfruchtbaren Boden ihrer Heimat eine Exiſtenz 
abforderten. Und doch iſt das alles nur Nebenſache, kaum der 
Rede wert, gegen den moraliſchen Eindruck, den ein 
ſolcher Schritt auf die Zurückbleibenden faſt hervorbringen muß. 
Der zurückbleibende Erzgebirgler nämlich, der ſich bis dahin faſt 
krampfhaft an die Scholle klammerte die ihn hervorgebracht, ſieht 
jetzt zu ſeinem unbegrenzten Erſtaunen, wie ein ganzes Volk den 
heimiſchen Herd verläßt und nach dem fabelhaften Amerika hin- 
überzieht; gewaltſam wird er aus ſeinem Starrſinn aufgerüttelt, 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ehe er es nur ſelber ahnt, ſteht er mit dem Land ſeiner Träume 
in inniger Verbindung. Verwandte und Freunde von ihm ſind 
dort drüben, und er fühlt den Drang in ſich — einen Drang, 
den er bis dahin weder kannte noch zu kennen verlangte — von 
ihnen, von der Außenwelt etwas zu erfahren. Er will jetzt 
wiſſen, wie es ihnen dort geht, was ſie treiben, wovon ſie leben. 
und ob das, was er bis jetzt noch gar nicht faſſen, nicht begreifen 
kann, was ihm aber ſchon ſein Paſtor und andere erfahrene Leute 
gejagt haben, wirklich wahr und begründet fei: daß fie nämlich 
dort leben und exiſtieren, ja ſogar an nichts Mangel leiden, und 
das alles ohne zu klöppeln. Das Eis iſt gebrochen, der 
ſeinen Geiſt bis dahin in düſtere Banden ſchlug — die Kriſis der 
Krankheit iſt gehoben und jetzt, wo auch die Maſſe der Schul⸗ 
kinder den einzelnen nur dürftig beſoldeten Schullehrer nicht mehr 
zur Verzweiflung bringt, jetzt iſt die Zeit gekommen, an dem 
alten Erzübel der Gebirgler zu rütteln und den Schaden mit der 
Wurzel auszureißen. Gleich werden ſie ſich freilich nicht fügen, 
zu feſt hängen ſie noch an ihren alten Vorurteilen, an ihren alten 
Gewohnheiten, aber die Bahn iſt geebnet, die ſie in das Leben 
einführen ſoll, ſie fangen an zu begreifen, ſie fangen an zu 
denken; wenn dann tüchtige und eifrige Lehrer nur die rechten 
Saiten anſchlagen, die rechten Herzensfaſern der Jugend treffen, 
dann dürfen wir nachher auch hoffen die jetzt nur vegetierende 
Bevölkerung jener ſchönen Berge zu wirklichen Menſchen, zu Eben— 
bildern ihres Gottes und nicht blos ſeelenloſen Klöppelmaſchinen 
heranzubilden. | 

Ebenſowohl aber, wie eine ſolche Operation dem Volke hilft 
das es betrifft, ſo nützt ſie auch unſerem ganzen ſchönen Land; 
geheilt wird dann vielleicht das alte Krebsübel, das jetzt mit un- 
ermüdlicher Gier an ſeinen Säften zehrt, und nicht das allein — 
Sachſen hat auch dann dem ganzen übrigen Europa die Bahn 
gezeigt, und mit großmütiger Liebe ſelbſt das ſchwerſte Opfer 
gebracht ſein Volk glücklich zu machen. 


Wie die Auswanderer im Frühjahr an die Seehäfen zu ſchaffen 
und dort auf Schiffe zu verteilen ſeien, darüber würde der Rat 
beſſer unterrichteter Perſonen als ich es hierin bin, ſicherlich ge— 
nügende Auskunft geben, das geringſte Kapital aber, womit die 


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Deutfh-Ameritanifde Geſchichtsblätter 


Regierung eine foldje Auswanderung von 20,000 Perſonen be: 
ginnen könnte, wäre: Eine Million, wobei ich 50 fl. durd- 
ſchnittlich auf den Kopf gerechnet, mögen dann noch die Bemittelten 
zu freiwilligen Beiträgen aufgefordert werden, dann noch Ber- 
eine, wie ſie Herr Bromme vorſchlägt, zuſammentreten und Geld- 
vorſchüſſe liefern und Kollekten ſammeln, es wird fein Thaler 
Überſchuß bleiben, denn einesteils müſſen die Armſten nicht allein 
wie unmündige Kinder geleitet, hier ſogar mit Matratzen und 
Kleidungsſtücken förmlich ausgeſtattet, dort mit Land und Acker⸗ 
gerät verſorgt werden, um nur erſt einmal ein menſchliches Leben 
beginnen zu können, und anderenteils gibt es noch immer Tauſende 
von Armen hier, die mit dem Reſte, und nur zu ihrem und des 
Landes Vorteil nachgeſchickt werden könnten. Eine Million, vom 
Lande dazu bewilligt, iſt aber auch, wie ich feſt glaube, genügend, 
denn aus den Beiſteuern der Privaten, die dadurch endlich einmal 
eine wirkliche Heilung ſähen, würden noch Tauſende zufließen, um 
wenigſtens die erſte Ausſtattung und den Transport bis zur See- 
küſte beſtreiten zu können. 


Das, Exzellenz, iſt nur der flüchtige Plan eines großen Werkes, 
den ich, gleich nach meiner Rückkehr aus dem Erzgebirge, dem 
damaligen Miniſter des Innern, dem Herrn von Falkenſtein, 
vorlegte, nachdem ich ihm vorher mündlich mitgeteilt, was mich, 
nach einem ſechsjährigen Aufenthalt in Amerika berechtigte, ein 
ſolch ſchwieriges Unternehmen mit ſolcher Zuverſicht anzuraten. 
Ich würde es aber ſicherlich jetzt unterlaſſen haben einen Plan in 
Anregung zu bringen, wo Ew. Exzellenz zu derſelben Zeit von 
anderen Geſchäften bedrängt ſind, der erſt im nächſten Frühjahr 
ſeine Erledigung finden ſollte, wären nicht vorbereitende 
Schritte nötig, die unerläßlich zu feiner ſegensreichen Mus- 
führung find. Das Wichtigſte jener Überfiedlung iit eine glückliche 
Wahl des Landes, wohin man die Auswanderer ſchaffen will und 
eine ſolche iſt im Winter, wenn Schnee den Boden 
bedeckt, nicht möglich, ſie muß im Sommer, und wenn das 
irgend ſein könnte, noch im Frühſommer geſchehen, wird aber 
dieſer Sommer verſäumt, jo rückt dadurch auch das ganze Unter⸗ 
nehmen um noch ein Jahr weiter hinaus und wehe dann unſeren 
armen Gebirglern. | 


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Deutfh-Amerilanifde Geſchichtsblätter 


Was Amerika ſelbſt betrifft, fo konnte ich hier, ohne zu breit 
zu werden, nicht gut näher darauf eingehen, erbiete mich aber, 
jener armen Leute wegen, mit Freuden und zu jeder Zeit, wenn 
Ew. Exzellenz freimütigen und offenen Bericht darüber wünſchen 
ſollten, nach Dresden hinaufzukommen und das, was ich an man⸗ 
chen Erfahrungen in jenem Weltteil geſammelt, zu Ihrer Dis⸗ 
poſition zu ſtellen. Ich ſtehe dabei der Sache vollkommen un⸗ 
parteiiſch und neutral gegenüber, verlange nichts für mich ſelber, 
will keineswegs dabei beteiligt ſein und trage Ihnen, Exzellenz, 
nur den wahren Tatbeſtand und meine innige Überzeugung des- 
halb vor, weil ich es für meine Pflicht halte nicht zu ſchweigen, 
wo ich mir bewußt bin nicht blos nach leeren Vermutungen und 
Phantaſien zu reden. 


Das Weitere Ihrer eigenen höheren Einſicht anheimgebend, 
zeichne ich mit mit wahrer Hochachtung als Ew. Exzellenz 
| treu ergebenſter 


Friedrich Gerftà d er.“ 
Leipzig, den 15. April 1848. 


Das Original des hier mitgeteilten Briefes Gerſtäckers be— 
findet ſich gegenwärtig im Beſitze des Herrn J. N. Heiskell, Her⸗ 
ausgeber der Arkanſas Gazette in Little Rock, der fid) 
ſchon jahrelang wegen des einſtigen längeren Aufenthaltes Ger- 
ſtäckers in genanntem Staate für dieſen Schriftſteller intereſſiert. 
Derſelbe hat dieſes wertvolle Schriftſtück vor einiger Zeit von 
einem Buchhändler namens Otto Lange in Florenz in Italien 
erſtanden und dem Schreiber dieſer Zeilen für den Druck gütigſt 
zur Verfügung geſtellt. Auf dem Umſchlag des Briefes iſt mit 
Bleiſtift, wohl von einem deutſchländiſchen Antiquar, folgende 
Bemerkung gemacht: „Friedr. Gerſtäcker an den Staatsminiſter 
Oberländer. Auswanderung nach Amerika und Erzgebirge 
betreffend. Reife- u. Romanſchriftſteller. 10/5. 1816, in Ham- 
burg. f 31/5. 1872, in Braunſchweig. Eigenh. Br. in U. 14 ©. 
v. 15/4. 1848.“ 


Dieſer Brief Gerſtäckers bezieht ſich auf die Klöppler in dem 
ſächſiſchen Erzgebirge und ihre überaus traurige Lage. Das 


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Deutſch-Amerikaniſſche Geſchichtsblätter 


Klöppeln war damals eine jenem Gebirge faſt eigentümliche Kunſt 
und beſtand darin, aus Gold- und Silberdrähten oder ſonſtigen 
Geſpinnſten Spitzen und allerlei Geflechte herzuſtellen. Barbara 
Uttmann hatte zuerſt dieſe Kunſt im ſächſiſchen Erzgebirge ein— 
geführt, wo ſich dieſelbe zu einer wichtigen Erwerbsquelle ent- 
wickelte und in vielen vom Staate unterſtützten Schulen zumal 
der weiblichen Jugend beigebracht wurde.! Die einzige Weſſe, 
die man nämlich in den erſten Zeiten kannte, dieſe Kunſtgeflechte 
herzuſtellen, war die durch geſchickte menſchliche Hände; als aber 
ſpäter dieſe Herſtellungsweiſe durch die Klöppelmaſchine erſetzt 
wurde, gerieten die Klöppler in Not und Elend. Gerſtäcker wandte 
ſich nun, um dieſen Unglücklichen zu helfen, an den Staatsminiſter. 


In dieſem Briefe Gerſtäckers findet ſich aber auch ein Hinweis 
auf die entſetzlichen Zuſtände, die ebenfalls in dem nahe benad)- 
barten Eulengebirge herrſchten und welche die dortigen ſchleſiſchen 
Weber nur wenige Jahre zuvor ſogar zum Aufſtand getrieben 
hatten.? Bekanntlich fand ſpäter Gerhart Hauptmann in dieſer 
Not der Schleſier den Stoff zu ſeinem gewaltigen Drama Die 
Weber, in welchem er eine ergreifende Schilderung des ſchleſi— 
ſchen Weberelends gibt. Gerſtäcker hat freilich das Elend der 
ſächſiſchen Klöppler nicht in ſo künſtleriſcher Weiſe beſchrieben und 
in dauernder literariſcher Form feſtgelegt, wie der Verfaſſer jenes 
Dramas das inbetreff der ſchleſiſchen Weber getan hat; aber das 
war ja auch gar nicht Gerſtäckers Abſicht. In allem jedoch was 
ſoziales Mitleid, ſtrengſten Uneigennutz und praktiſche Nächſten⸗ 
liebe zu den Armen und Verwahrloſten betrifft, darin ſteht der 
Verfaſſer des oben wiedergegebenen bisher ungedruckten Briefes 
Hauptman keineswegs nach. Es verdient daher gewiß dieſer 
ſchwungvolle, edel begeiſterte Brief der Offentlichkeit übergeben zu 
werden, damit er als beredter Zeuge für die Herzensgüte des 
Verfaſſers daſtehe, den gelegentlich ſelbſt ein hochanſehener Litera- 


Brockhaus' Konverſations⸗Lexikon, Brockhaus, Leipzig, 1908, Bd. X, 
S. 419, ſiehe unter Klöppeln. 


Paul Schlenther, Gerhart Hauptmann Leben und Werke, S. Fiſcher 
Verlag, Berlin, 1912, S. 86. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


turhiſtoriker geringſchätzig den „harmlos-heiteren“ Gerſtäcker 
nennt.“ 


Daß der damalige Staatsminiſter Oberländer auf Gerſtäckers 
Schreiben geantwortet hat, dafür zeugt eine wahrſcheinlich von 
jenem ſelbſt oben am Briefe gemachte Notiz: „Beantwortet d. 
23/ IV. 48. Obl.“; daß es aber eine abſchlägige Antwort geweſen, 
die dem Bittſteller geworden, iſt faſt als gewiß anzunehmen, denn es 
wird nirgends erwähnt, daß auch nur ein Verſuch gemacht worden 
wäre, den gutgemeinten Plan Gerſtäckers zur Ausführung zu 
bringen. | 


Bei dem Leſen des hier mitgeteilten Briefes ſteigt vielleicht 
in manchem, der Gerſtäckers Schriften kennt, die Frage auf: 
Sollte Gerſtäcker wohl im Sinne gehabt haben, die von ihm vor⸗ 
geſchlagene Auswanderung nach Arkanſas zu lenken? Er ſelbſt 
macht freilich hiervon in ſeinem Schreiben an den Staatsminiſter 
keine Andeutung, aber darf man aus ſeinen ſonſtigen Schriften 
einen Schluß ziehen, ſo möchte man wohl geneigt ſein, das als 
nicht unwahrſcheinlich anzunehmen. Denn erſt vor fünf Jahren 
war er ja von einem mehrjährigen Aufenthalt in jenem Staate 
voll Begeiſterung für denſelben in ſeine Heimat zurückgekehrt; 
und wie hoch er von Arkanſas dachte, dafür zeigen Stellen wie 
dieſe aus ſeinem erſt etliche Jahre vor Abfaſſung ſeines Briefes 
geſchriebenen Roman Die Regulatoren in Arkanſas: 
„Gentlemen, dies iſt das Land, um drinnen zu leben — es geht 
nichts über Arkanſas,“ oder auch dieſe Stelle aus ſeiner kleinen 
Geſchichte „Ein Verſuch. zur Anſiedlung, oder: Wie's dem Herrn 
v. Sechingen im Urwald gefiel“: „Ich halte Arkanſas für den 
beſten Staat der Union, das heißt, er iſt mir der liebſte; ich möchte 
in keinem andern wohnen, und hoffentlich werden Sie dasſelbe 
ſagen, wenn Sie erſt einmal im Land umhergeſtreift ſind und 


* 8R. M. Meyer, Die deutſche Literatur des Neunzehnten Jahrhunderts, 
Bondi, Berlin, 1912, S. 85. 


„Friedrich Gerſtäcker, Ausgewählte Werke, amans Coſtenoble, Jena, 
Neunte Auflage, Bd. 1, S. 104. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 
die verſchiedenen Gegenden ſelbſt beſucht haben.““ So intereſſant 
nun auch dieſe Frage iſt, ſo läßt ſie ſich doch nicht mit Beſtimmt⸗ 
heit beantworten. Vielleicht findet ſich aber mit der Zeit irgendwo 
noch etwas, was auch darüber Auskunft gibt. 


»Ibid., Bd. 19, S. 508. 


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Zur Geſchichte des Deutſchtums von New Haven, Conn.“ 
Von Charles F. Vollmann. 


Ein würdiges Begehen des deutſchen Tages bedingt vor Allem 
einen Rückblick auf Amerikas deutſche Einwanderung, ſowie auf 
das Entſtehen und Wachstum der Stadt, die wir uns zur Heimat 
erwählt haben, und dann, beſonders, ein treues Gedenken Derer, 
die uns den Weg nach hier gezeigt und die vor uns, oder an 
unſerer Seite, dazu beigetragen haben, uns dieſe Stätte zuerſt 
erträglich und ſpäter angenehm zu machen. Zu einem derartigen 
Rückblick ſoll Nachſtehendes einladen und als Leitfaden dienen; 
es fol aber außerdem den Pionieren des New Havener Deutſch⸗ 
tums gewiſſermaßen einen, wenn auch nur beſcheidenen, Gedenk⸗ 
ſtein ſetzen, der ſie uns oft in Erinnerung bringen und ſie auch 
noch nach uns vor zu frühem Vergeſſen ſchützen wird. Wohl mögen 
nicht alle dieſe Pioniere von gleicher Bedeutung ſein; doch iſt ihre 
hierin enthaltene Aufzählung ſchon deshalb ſo vollſtändig wie 
möglich gemacht, weil ein Jeder von ihnen doch noch irgend jemand 
von Wichtigkeit fein dürfte. Auch ijt, dem Beiſpiele unſerer Bor- 
gänger folgend, kein engherziger Maßſtab betreffs der Lands⸗ 
mannſchaft angelegt worden. Was Ernſt Moritz Arndt geſungen, 
das wurde hier ausgeführt; wer ſich zur deutſchen Zunge bekannte 
und ſich deutſchen Gebräuchen anſchloß, der wurde als Deutſcher 
angenommen, wenn auch ſeine Wiege etwas außerhalb der ſtrikten 
Landesgrenzen geſtanden hat. 


* Die hier abgedruckte Studie zur Geſchichte des Deutſchtums von 
New Haven, Conn., erſchien urſprünglich als Beitrag zur Feier des 
deutſchen Tages 1905 und wurde dem Jahrbuch durch Herrn Dr. E. H. 
Arnold in New Haven zur Verfügung geſtellt. Ihr jetzt verſtorbener 
Verfaſſer war Advokat in New Haven, wo er jahrelang das Amt als 
„coroner“ und ſpäter als Polizeichef bekleidete. Die treffliche Studie 
hat mit den Jahren an geſchichtlichem Wert für die deutſche Einwan⸗ 
derung in New England nicht verloren und regt hoffentlich in anderen 
Teilen des Landes zu ähnlicher Forſchung an. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Deutſche Einwanderung. 


Es ſcheint eine Hauptbeſtimmung des deutſchen Volksſtammes 
zu ſein, anderen gefährdeten, doch erhaltungswerten Völkern in 
den richtigen Momenten ſtarke geſchickte Arme und gutes lebens⸗ 
kräftiges Blut zuzuführen, um jo die Verbeſſerung des Menſchen— 
geſchlechts zu fördern. Schon vor Chriſti Geburt ſehen wir 
Deutſche unter Arioviſt in der Ausübung dieſer Miſſion bei den 
Galliern im heutigen Elſaß; andere Beiſpiele während der erſten 
ſiebenhundert Jahre der jetzigen Zeitrechnung zeigt die Geſchichte 
in Italien, Frankreich, England, Spanien und Portugal, ja, 
unter Genſerich mit ſeinen ſchwer verläumdeten Vandalen, ſogar 
im nördlichen Afrika. In allen dieſen Ländern blieb der ge— 
wordene deutſche Zuzug und verbeſſerte durch Miſchung die vor— 
gefundene Bevölkerung. So führte denn auch der lenkende Welten— 
geiſt Germaniens Söhne, trotz Meer und Sturmesgraus, nach 
dem entdeckten Amerika mit ſeinen faſt unendlichen Länderſtrecken. 
Das Lichten der Wälder, der Bau der Städte erforderten ſtarke, 
geſchickte, deutſche Arme; die ſchwache weiße Bevölkerung bedurfte 
der Miſchung mit kräftig zeugungsfähigem deutſchem Blute, um 
mit dem Lande auch die Bewohner desſelben in Einklang zu 
bringen. 


Auch nicht als ungeladene Gäſte kamen die Deutſchen nach 
dieſem Lande. William Penn, der Gründer und erſte Governor 
von Pennſylvania, bereiſte Deutſchland in eigener Perſon, um 
es zur Hauptquelle der Einwanderer für fein amerikaniſches Land⸗ 
gebiet zu machen. Von dortan bis in die Neuzeit hat es an Ioden- 
den Einladungen zur Einwanderung ſeitens der amerikaniſchen 
Bundesregierung, der einzelnen Staaten, der Städte und großer 
Privat⸗Unternehmer nie gefehlt. Unſer New Haven hatte von 
1784 bis '85 eine derartige vom Stadtrat beſchloſſene Einladung 
als ſtehende Annonce in jeder Nummer der damaligen zwei lokalen 
Zeitungen. (S. Barber's Hiſt. N. H., S. 43.) 


Es liegt in der Natur der Sache, daß bei dieſer Einwanderung 
der größere Gewinn dem neuen Lande wurde. Aber, trotzdem 
wohl die meiſten Zugezogenen in den erſten Jahren ihres Hier— 
ſeins gern wieder bleibend nach der alten Heimat zurückgekehrt 


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Deutfh-Amerilaniide Geſchichtsblätter 


wären, jo haben doch auch jie Schließlich im großen Ganzen durch 
dieſen Landeswechſel gewonnen. Des vielen Guten, das die neue 
Welt den aus Deutſchland Gekommenen geboten und gegeben hat, 
ſtets in erkenntlicher Weiſe eingedenk zu ſein, iſt unſere und zwar 
nicht geringſte, Pflicht: dabei iſt es indeſſen nicht erforderlich die 
Wahrheit außer Acht zu laſſen, daß dieſem zum großen Teil un⸗ 
bewohnten Lande die Einwanderer notwendiger waren, als es dies 
Land den Einwanderern war. 


Als Anfang der deutſchen Einwanderung in Nord-Amerika 
gilt der 6. Oktober 1683, der Tag, an dem Daniel Paſtorius aus 
Sommershauſen mit einer beträchtlichen Anzahl ſeiner Lands— 
leute in Philadelphia landete und damit anfing, Pennſylvania 
zu einem zweiten Vaterlande der Deutſchen zu machen. Ahnliche, 
doch kleinere, deutſche Anſiedlungen finden wir während der 
darauf folgenden 5 Jahre in New Yorf, New Jerſey, Maryland, 
Virginia, North Carolina und South Carolina, 1739 in Maine 
und 1753 in Nova Scotia. Unſer Unäbhängigkeitskrieg von 
1775—1783, dann die Napoleoniſchen Umwälzungen und unfer 
letzter Krieg mit England von 1812 bis 1814 machten alle Ein- 
wanderung faſt unmöglich. Doch bald nach 1815 fingen Europa— 
Müde wieder an, ihre Schritte nach hier zu lenken. 


Beſonders zahlreich war dieſes Kommen in den einzelnen 
Jahren 1852, 1853 und 1854, — wohl weil der Staatsſtreich 
Napoleon III., ausgangs 1851, die Unausführbarkeit des euro- 
päiſchen Freiheitstraumes der vierziger Jahre beſiegelte und die 
Befürchtung eines baldigen großen Krieges (Krim-Krieg 1854) 
erregte. Von 1850 bis 1859 kamen Deutſche nach den Vereinig— 
ten Staaten, wie folgt: 


o psi Ls 63,182 1888 88 71,918 
r tides 88,196 1856 ............. 71,028 
VV 145,918: / REESE: 91,781 
1899. graue 8 141,946 1858 ............. 45,310 
J tage ts 215,009 1859 ............. 31,784 


Und im Jahre 1862, infolge unſeres Bürgerkrieges, kamen 
nur, 27,529. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Rodenberg — Quinnipiac, New Haven. 


Der erſte Weiße, der je die Stätte ſah und betrat, wo jetzt 
unſere Ulmenſtadt New Haven liegt, war der niederdeutſche See— 
fahrer Adrian Block, und es war dies im Jahre 1614. Nach den 
roten, ſteilen Süd⸗Seiten des Eaſt Rock und Weſt Rock, die vom 
Hafen aus zuerſt in die Augen fielen, wurde die Stätte von ihm 
„Rodenberg“ getauft und unter dieſem Namen auf der von ihm 
aufgenommenen Küſtenkarte verzeichnet. Dieſe Karte liegt noch 
im Landes⸗Muſeum zu Haag. Allerdings war Block ein Hollän— 
der, da aber Holland damals, und noch bis zum weſtphäliſchen 
Frieden 1648, als Reichslehn, wenn auch nur in loſer Weiſe, zum 
deutſchen Reiche gehörte, ſo ſind wir gewiſſermaßen berechtigt ihn 
als unſeren Landsmann zu betrachten. Die Holländer hatten 
bekanntlich im Jahre 1609 Manhattan Island entdeckt und darauf 
ihr New Amſterdam, das jetzige New Pork, gegründet. Von dort 
aus machte Block 1614 mehrere Reiſen durch den „Long Island 
Sund“ und bis „Cape Cod“, teils um Karten aufzunehmen von 
den gänzlich unbekannten Küſten, teils um Tauſchhandel mit den 
Indianern einzuleiten. „Block Island“ am Nord-Oſt⸗Ende des 
Sundes erhielt von ihm ſeinen Namen. In unſerem Hafen 
„Rodenberg“ landete er bei zwei Gelegenheiten, verhandelte mit 
dem hier anſäſſigen Stamme der Quinnipiacs, ſah wie dieſe im 
Hafen mit ihren Füßen geſchickt „Clams“ und andere Schaltiere 
aufzufinden und aufzuwühlen verſtanden, konnte jedoch keinen 
lohnenden Verkehr mit ihnen anbahnen. 


Erſt 23 bis 24 Jahre ſpäter kamen engliſche Koloniſten; — 
7 in 1637 und ungefähr 250 in 1638, — unter der Leitung von 
Theophilus Eaton und John Davenport und legten den Anfang 
zu unſerer Stadt, die ſie zuerſt nach den Indianern „Quinnipiac“, 
1640 aber ſchon „New Haven“ nannten. Tüchtige Männer waren 
dieſe engliſchen Gründer, denen wir alle Achtung ſchulden. Ihre 
ſtrengen religiöſen Anſichten find nach dem Maßſtabe der damali- 
gen Zeit und Umſtände zu beurteilen; ihr moraliſcher und phyſi— 
ſcher Mut erregt noch heute unſere Bewunderung. Vor Allem 
wußten ſie ſtets, ſelbſt unter den ſchwierigſten Verhältniſſen, prak— 
tiſch Hand ans Werk zu legen. 


— 214 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Die zuerſt gegründete Gemeinde New Haven hatte ein be— 
deutendes Areal. Es erſtreckte ſich über die jetzigen Nachbar⸗ 
gemeinden Eaſt Haven, North Haven, Hamden, Woodbridge und 
zum Teil auch über Orange, hatte 5085 Einwohner im Jahre 
1756 und 8295 in 1774. Der Kern dieſer Gemeinde lag aber 
gleich von Anfang an in den neun gleich großen Quadraten, von 
denen die jetzige „Green“ den Mittelpunkt bildet. Dieſer Kern 
wurde im Jahre 1784 zur Stadt (City) erhoben, deren Wachstum 
folgende, den Zenſus-Angaben entnommene Zahlen veranſchau⸗ 
lichen. | l 

Einwohnerzahl der Stadt (City) New Haven. 


Sahr Jahr 

Fo gan 3,5410. T850 uueiuRPAE ES 29,599 
ITO Sa sre E 4484 1855 ............. 31,549 
1800 PEE 5,197. 8600 39,267 
IST EEE 6967 1870 ............. 50,886 
152 * ˙·1 8,327 1880. sonet es 62,889 
S eeu. 10,678 89000 U 81,298 
TSAO: ( 14,390 1900 0 REA 108,027 


Deutſche Einwohner. 


Soweit ermittelt wurde, haben ſich Deutſche hier nieder— 
gelaſſen: 


Von 1750 bis inkluſive 184 i ſMꝓ O [ ini 23 
1841 bis inkluſive 1850 nn. . O··o [P u ee nenn 103 
1851 bis inkluſive 186 mm ti w. Pee ee 1241 


laut Adreßbücher jener Jahre. 


Und im Jahre 1861 wohnten hier laut Adreßbuch 738. Wie 
ſie alle hießen, was ihre Beſchäftigung und wo ihre Wohnung 
war, wird im Nachſtehenden angegeben werden. Man vergeſſe 
nicht, daß dieſe Aufzählung nur erwachſene Männer enthält. Um 
die geſamte Seelenzahl der Deutſchen, einſchließlich der Frauen 
und der Jugend, annähernd zu beſtimmen, multipliziere man die 
Zahl der Männer mit etwa fünf; doch erſt von ungefähr 1860 
ab; denn vorher war der Frauen- und Kinder-Segen noch nicht 


— 215 — 


Deutih-Amerifaniide Geſchichtsblätter 


genügend angewachſen. Demnach wäre bei Anfang des Biirger- 
krieges unſer Deutſchtum ungefähr 3700 Seelen ſtark geweſen. 


Die erſten dentſchen Ankömmlinge in New Haven. 


Daß ſchon bor der großen Einwanderungs-Periode, die bald 
nach 1830 ihren Anfang und 1854 ihren Höhepunkt hatte, 
Deutſche in New Haven ihre bleibende Heimat gehabt haben, wer- 
den die meiſten Leſer jetzt zum erſten Male erfahren. Dennoch 
ift aus hieſigen Kirchenbüchern, Stadt-Archiven und Grabſteinen 
klar zu erſehen, daß unſer altes deutſches Vaterland ſeit 1750 
wohl nie ohne ſeinen oder ſeine Vertreter in der heute feiernden 
Ulmenſtadt geweſen iſt. Man iſt nur deswegen darüber unwiſſend 
geblieben, weil bisher niemand Zeit und Neigung hatte, darüber 
ernſtlich nachzuſtöbern. 


Soweit aus den ſoeben angedeuteten und einigen anderen zu— 
verläſſigen Quellen erſichtbar, war der erſte Deutſche, der zu den 
Einwohnern New Havens gezählt hat, Johann Rhode, Doktor der 
Medizin, gebürtig aus Preußen. 


Dr. Johann Rhode, 1723 — 1775. 


Die ſchon angedeuteten Bücher und Archive, ferner das „Con— 
necticut Journal“ vom 25. Januar 1775 und die veröffentlichten 
Geſchichten der Familien Bonticou und Starr ſtimmen darin 
überein, daß Dr. Rhode, geboren im Dezember 1723 in Heiligen⸗ 
bad (ſoll wohl Heiligenſtadt heißen) in Preußen, am 23. Sep⸗ 
tember 1756 hier durch den Paſtor Ruſſell mit der Witwe Rebecca 
Tyler, geb. Starr, ehelich verbunden wurde und am 24. Januar 
1775, im Alter von 51 Jahren, dahier verſtarb. 


Dieſem Anfänger kann eine etwas eingehendere Betrachtung, 
als ſie den Nachfolgenden wegen Mangel an Raum zu Teil werden 
wird, nicht wohl verſagt werden. Bei ſeiner gemeldeten Trauung 
war Dr. Rhode nahe 33 und ſeine Frau 23 Jahre alt. Letztere 
war eins von 18 Kindern des Schneidermeiſters, Conſtables und 
Grand Jurors Joſeph Starr aus Middletown, Conn., eine lang 
gefeierte Schönheit, die im Laufe der Zeit vier Ehemänner hatte 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


und überlebte.“ Aus ihrer erſten Ehe mit Thomas Tyler aus 
Middletown, Con., von Juli 1753 bis 7. November 1754, führte 
ſie dem Dr. Rhode eine 2½ Jahre alte Tochter „Miriam“ zu, 
deren Vormund Letzterer unter Bürgſchaft von 400 Pfund im 
Mai 1767 wurde (Band 10 S. 114). Thomas Tyler, wahrſchein⸗ 
lich ein Seekapitän, war auf der weſtindiſchen Inſel St. Euſtache 
1754 geſtorben. Verſchiedene Anzeichen deuten darauf hin, daß 
auch Dr. Rhode, ehe er hierher fam, fid) in Weſt Indien aufge- 
halten hatte. Das Datum ſeiner Landung oder Ankunft in New 
Haven iſt bisher nicht genau feſtgeſtellt. Nach Allem, was über 
ihn bekannt iſt, muß es jedoch um 1750 geweſen ſein. 


Gar nicht unintereſſant iſt es, ſich in jene Zeit zurück zu denken 
und ſich ein Bild davon zu entwerfen, wie es in dieſer heute 
125,000 Seelen zählenden Stadt ausſah, als ſie vor 155 Jahren 
unſer Landsmann Dr Rhode zuerſt betrat. 

Eine vom General Wadsworth in 1748 aufgenommene Spe— 
zial⸗Karte New Havens, ſowie andere Quellen, geben darüber 
recht ausführlichen Aufſchluß. Die ungefähr 1800 Einwohner 
wohnten in 180, meiſt zweiſtöckigen Holzhäuſern, von denen 8 
blau, 37 rot und die übrigen gar nicht angeſtrichen waren. Zwei 
Drittel davon lagen innerhalb der durch ſpätere Straßen noch 
ungeteilten, neun großen Gevierte des Anſiedlungsplans; alſo 
innerhalb des jetzt durch die Straßen Yorf, Grove, State und 
George begrenzten Terrains. Die anderen Häuſer ſtanden am 
Hafen entlang, auch an der jetzigen Meadow Street und am 
Strom, wo jetzt die Commerce Street iſt. Der Hafen beſpülte 
die Eaſt und Weſt Water Streets und der Strom, von dem aus 
in 1638 die erſten engliſchen Ankömmlinge an der George Street, 
am Fuße der College Street, gelandet waren, war noch ſchiffbar 
bis zur Broad Street. Ein durch Ebbe und Flut bedeutender 
Buch floß, wo jetzt Eiſenbahnſchienen liegen, von der Grand Street 
Brücke nahe Elm bis in den Hafen. In dieſen Bach ergoß ſich, 
nahe State Street, ein zweiter der ſeinen Anfang nahm, wo jetzt 
die Orange Street in die Crown Street mündet. Die Straßen 
waren noch ohne amtliche Namen, ohne Pflaſter und ohne Be— 
leuchtung. Beim abendlichen Ausgehen bediente man ſich der 
Handlaternen. Die „Green“, noch „Marktplatz“ geheißen, lag 


— 217 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ohne jedwede Umzäunung offen da, diente zum Teil als Weide— 
platz und entbehrte aller Baume. (Das Ulmenpflanzen nahm 
erſt 1759 ſeinen Anfang.) Auf der „Green“ befanden ſich, in 
der Mitte der unteren Hälfte, die 1668 gebaute Kirche; zwiſchen 
dieſer und der College Street der Gemeinde-Kirchhof unb, zwischen 
Kirchhof und Elm Street, an der College Street entlang, Schul⸗ 
haus, Gefängnis und das 1717 errichtete County-Gerichtsgebäude. 
Sonſt nichts. An der N. W. Ecke von Chapel und College Streets, 
beſtehend aus einem einzigen und zwar dreiſtöckigen Gebäude, lag 
Pale College, von Saybrook im Jahre 1718 nach hier verpflanzt. 
Außer der erwähnten Kirche auf der „Green“ hatte New Haven 
nur noch eine zweite, die 1748 fertig geworden war und an der 
S. O. Ecke von Church und Elm Street ſtand. Eine dritte errich— 
tete man 1753 an der O. Seite von Church Street, ſüdlich von 
und nahe Chapel Street. Gaſthöfe mit Unterkommen für Mann 
und Fuhrwerk hatte man vier; gelegen waren dieſe, — das von 
Samuel Cook, wo A. Träger zuletzt war, S. Seite der Chapel 
Str., zwiſchen College und Temple; — das von Mr. Mix, N. W. 
Ecke von College und Elm; das von Israel Munſon, N. W. Ecke 
von College und Wall — und das von J. Peck, am Wharf, jetzt 
Cuſtom Houſe Square. In allen war Ausſchank nach engliſchem 
Muſter. Lokale Zeitung keine; 1755 machte die N. H. Gazette 
den Anfang. 


Unter den ca. 1800 zählenden Einwohnern wurden unſerem 
ſtudierten Landsmanne ſeine Kollegen, die Aerzte, und dann die 
Advokaten und Paſtoren wohl zuerſt bekannt. Ohne Zeitverluſt 
machte er gewiß den drei Doktoren, John Hubbard, L. Hubbard 
und Timothy Mix, ſeine Aufwartung. Dieſe wohnten reſpektive 
. Chapel Street, neben und nördlich vom Cook'ſchen Gaſthauſe, — 
N. W. Ecke von College und Elm, — und Nord-Seite von Elm ` 
Street, öſtlich von Church Street. Die Paſtoren James Noyes 
und Curtis fand er an der Elm Street, nahe der Church Street, 
und die Advokaten Jared Ingerſoll und Samuel Darling, den 
erſten an der Weſt⸗Seite der Church Street, wo jetzt Crown Street, 
und den zweiten an der Nord-Seite der Elm Street, zwiſchen 
York und High. Auch die Barbiere und Friſierer wird er in 
jener Sopf- und Perrücken-Zeit recht bald aufgeſucht haben; von 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


dieſen fand er hier drei, nämlich J. Townſend, N. O. Ede von 
Elm und College; Wm. Scott, S. O. Ecke von Elm und High, 
und einen Ungenannten auf dem „Campus“. 


Man vergeſſe nicht, daß Dr. Rhode, als Kavalier jener Zeit, 
einen Dreimaſter auf' dem Kopfe hatte, darunter gepuderte Per- 
rücke und Zopf, (in ſeinem Nachlaſſe waren deren 12), daß er 
einen halblangen offenen Rock mit langer geſtickter Sammt- oder 
Seidenweſte trug, auch Spitzenkravatte und Spitzenmanchetten, 
ſowie Kniehoſen und Schuhe mit Silber-Schnallen uſw. und an 
der Seite den unentbehrlichen Kavaliers-Degen. — Nun iſt ja 
keiner der Eingeborenen ſo anſtändig gekleidet in dies Land ge— 
kommen, wie wir Mdoptiv-Bürger; doch gewiß recht wenige von 
ſeinen Landsleuten haben es im Punkte der Garderobe dem Dr. 
Rhode gleichgetan. 

Die früheſte beurkundete, hier von Dr. Rhode vollzogene Hand— 
lung iſt ſeine ſchon erwähnte Verheiratung 1756. Drei Monate 
ſpäter finden wir ihn tätig in dem langen erſten Kirchenzwiſt auf 
hieſigem Boden, in dem es ſich darum handelte, ob die einzige 
Kirchengemeinde, mit Paſtor Noyes als Hauptprediger, ungeteilt 
fortbeſtehen, oder ob man, angeſichts der vermehrten Bevölkerung 
und der teilweiſen Unzufriedenheit mit dem alten Geiſtlichen, 
nicht eine neue Gemeinde unter Paſtor Samuel Bird in's Leben 
rufen ſollte. Schließlich, am 10. Januar 1757, wurden in der 
Kirche zwei Liſten aufgelegt, eine für und eine gegen die neue 
Gemeinde. Dr. Rhode unterſchrieb zu Gunſten der letzteren und 
dieſe ſeine eigenhändige Unterſchrift iſt noch heute in Band 1, 
Seite 78, der Archiven der I. Eccleſtaſtiſchen Gemeinde von New 
Haven einzuſehen. Sie lautet „John Rhode, M. D.“ Die Staat3- 
geſetzgebung bewilligte ſpäter die Trennung und unter Leitung 
des General David Wooſter zogen Rhode und viele andere zum 
Rev. Samuel Bird nach der „White Haven Church“, im „Blue 
Meeting Houſe“, Ecke Church und Elm Streets. Von hier ſcheint 
er ſpäter zur episkopaliſchen Trinity-Gemeinde, die ihre Kirche 
von 1753 bis 1815 an der Oſt-Seite der Church Street, ſüdlich 
von Chapel Street, hatte, übergeſiedelt zu ſein; denn in den 
Büchern der Gemeinde befindet ſich die Eintragung ſeines Be- 
gräbniſſes, am 26. Jannar 1775. 


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Deutfh-Amerilanifde Geſchichtsblätter 


Rhode's hieſige Praxis war eine nach damaligen Zeiten be- 
deutende und einträgliche. In den Archiven unſeres Probate- 
Gerichts zeugen davon verſchiedene, ganz anſehnliche, Rechnungen, 
die er gegen Nachlaſſe geſtorbener Patienten eingereicht hat; z. B. 
eine von über 27 Pfund in Band 12, S. 95. Zu verſchiedenen 
Malen wurde ihm auch als Sicherheit oder Zahlung für ſeine 
Dienſte Grundeigentum übertragen. Siehe Grundbücher, Band 
25, 26 und 38. Band 26, Seite 271, zeigt gleichfalls, daß er ſich 
„John Rhode“ zeichnete, obgleich andere feinen Namen Rhodes 
und auch Rhoads ſchrieben. Trotzdem er ſeine Rechnungen ge- 
ſchäftsmäßig und vorſichtig eintrieb, ſchuldete man ihm doch, als 
er ſtarb, über 141 Pfund, alſo über 700 Dollars nach jetzigem 
Gelde, denn damals gab es Leute, die nicht gern Doktor-Rech⸗ 
nungen zahlten. H., ein Kollege unſeres Landsmannes, konnte 
davon eine ſchnurrige Geſchichte erzählen. Am ſtürmiſchen Winter— 
abend kommt zu ihm ein Farmer aus Hamden und wünſcht ſeine 
ſofortige Hilfe für die ſchwer erkrankte Ehefrau, die bisher unter 
Behandlung eines anderen Jüngers der Heilkunſt geweſen war. 
H. zögert und zögert lange. „Stirbt ihre Frau, wie wahrſchein— 
lich, dann heißt es, ich habe ſie umgebracht, geſundet ſie, dann 
dankt man das dem erſten Arzte“, erklärt er dem Farmer. Dieſer 
aber, in ſeiner Herzensangſt, fleht: „Bitte, bitte, liebſter Doktor, 
nur ſchnell mitkommen; ich zahle ihnen $10, „kill or cure.“ Der 
Angeflehte geht nun mit; die Frau ſtirbt und der Farmer braucht 
ſpäter nicht zu zahlen, weil der klagbar gewordene Doktor die 
Frau nicht „kuriert“ hatte und nicht beſchwören kann, oder will, 
daß er fie ge, killed“. — Doch zurück zum Dr. Rhode. 


Seine Wohnung in den letzten 16 oder 17 Jahren befand 
ſich an der Südweſt⸗Ecke von Chapel und Olive Streets, ziemlich 
zurück von der Chapel Street, wo die Stadt damals aufhörte und 
die Felder anfingen. Die dazu gehörigen 48 / Rods Land hatte 
ihm 26. April 1758 Theophilus Munſon verkauft. Hier, am 
„Rhode's Ecke“, wie man ſie noch lange nachher allgemein nannte 
(ſiehe „City Record“ vom 22. Sept. 1784), führte unſer Lands⸗ 
mann einen nicht unbedeutenden Hausſtand und, nach aller Wahr- 
ſcheinlichkeit, ein behagliches Leben. Im Stalle, oder auf der 
nahen Weide, hatte er fein gutes Roß, auch zwei Kühe, zwei Jähr⸗ 

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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


linge und drei Schweine; während vier Puter, drei Enten und 
anderes Federvieh die Hofmuſik lieferten. Eine alte Negerin, 
eine jüngere Schwarze, „Flora“ genannt, und ein farbiges Mäd⸗ 
chen „Sylvia“, alle natürlich Rhode's Sklaven, machten die weib⸗ 
liche Bedienung aus. Um 1773 gebar „Flora“ eine Tochter, die 
den Namen „Jennie“ erhielt. Ja, unſer Doktor war wirklicher 
Sklavenhalter und es gab deren hier nie ſehr viele, doch bis gegen 
1825, als der letzte Sklavenverkauf in New Haven ſtattfand, 
immerhin einige. Hinterlaſſene „Decanters“ und „Mugs“ uſw. 
belehren uns, daß dieſer Sklavenhalter auch kein Temperenzler 
war. Zog es ihn trotz des vielen Angenehmen, das ſeine Häus⸗ 
lichkeit bot, hinaus ins Freie, dann nahm er eins von ſeinen ſechs 
Gewehren und ging oder ritt als wilder Jäger hinüber in die 
Jagdgefilde von North Branford. Geleſen hat er hier nicht viel, 
denn er hinterließ keine Bücher und hatte auch keine Gelegenheit, 
ſich ſolche oft zu borgen; dafür blies er aber, wie ſein früherer 
Landesherr, der „Alte Fritz“, deſto eifriger die Flöte, das damalige 
Mode-Inſtrument. — In dieſer Wohnung fand am 28. Oktober 
1773 die Hochzeit ſeiner 19jährigen Stieftochter Miriam Tyler 
mit dem in England geborenen Seekapitän Wm. Powell ſtatt. 
Sie ſtarb kinderlos im Jahre 1808. 


Sieben Söhne und eine Tochter jedoch gebar ihre Mutter dem 
Dr. Rhode in einer 18jährigen Ehe. Schon ſehr früh ſtarben die 
Tochter und zwei der Söhne. Ihr gemeinſamer Grabſtein wurde 
1821 von der Green nach dem Grove Street-Kirchhofe gebracht 
und dort, an bie Nord-Mauer angelehnt, ſteht er noch heute. Seine 
Inſchrift lautet in der überſetzung: „Dem Andenken der Kinder 
von Dr. John und Rebecca Rhode: Frederick, geb. 14. Jan. 1759, 
ſtarb 22. Nov. 1759; Catharine, geb. 27. Jan. 1770, ftarb 14. 
Jan. 1773; ein totgeborener Sohn 8. Juli 1772.“ 


Rhode's Teſtament finden wir in Band 12, Seite 23, im 
Probate⸗Gericht. Es iſt datiert 19. Jan. 1775, — fünf Tage vor 
ſeinem Tode, — beglaubigt von ſeinem Freunde, Nachbar und 
Glaubensgenoſſen, dem Friedensrichter, Kaufmann und General 
David Wooſter, und gab der Witwe den lebenslänglichen Nieß⸗ 
brauch von einem Drittel der Hinterlaſſenſchaft. Alles übrige 
gleichmäßig den überlebenden Kindern. Merkwürdigerweiſe be- 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


nennt das Teſtament als ſolche nur vier, nämlich: 1) Thomas, 
geb. 10. Sept. 1760; 2) Joſeph, geb. 12. Nov. 1763; 3) William 
Fred., geb. 24. Jan. 1766, und 4) Andreas Southmayd, geb. 
9. April 1768; alſo reſpektive 14, 11, 9 und 7 Jahre alt beim 
Ableben ihres Vaters. Was aus einem anderen Sohne „John“ 
geworden iſt, der ſchon am 4. März 1757 geboren wurde, kann 
nicht konſtatiert werden. Von den Genannten überlebte Joſeph 
feinen Vater nur um ein Jahr. Über Thomas liegt, außer Land- 
übertragung, Band 43, Seite 26, und daß er hier noch Abkömm— 
linge hat, weitere Auskunft jetzt nicht vor. William Frederick 
Rhode (s) blieb in New Haven, war Schiffskapitän und Hinter- 
ließ Kinder. Ein Enkel von ihm war der Marinelieutenant John 
Underwood Rhodes, der vor ca. 25 Jahren wegen außergewöhn⸗ 
licher Tapferkeit beim Untergang eines Schiffes vom Congreß 
mit einer Ehren⸗Medaille belohnt wurde. Andreas Southmayd 
bereiſte früh Weſt⸗Indien, kehrte jedoch nach den Vereinigten 
Staaten zurück und war laut Brief vom 4. April 1816 in Char⸗ 
leſton, S. C., verheiratet; wenigſtens zwei ſeiner Nachkommen 
fielen im Bürgerkriege als konföderierte Offiziere. 


Laut Inventar in Band 12, Seite 43, und Band 13, Seite 
63, war die Hinterlaſſenſchaft des Verſtorbenen von einem Werte 
von 1354 Pfund, 6 Shilling und 11 Pence. Dieſer, wie aus 
ſpäteren Verkäufen hervorgeht, viel zu niedrig taxierte Nachlaß, 
repräſentiert für jene Zeiten einen ganz anſtändigen Wert. Das 
Grundeigentum war auf 900 Pfund, die bewegliche Habe auf 312 
Pfund, 15 Schillinge und die ausſtehenden Guthaben auf 141 
Pfund, 11 Shilling und 9 Pence abgeſchätzt. 

Unter der beweglichen Habe ſind aufgeführt: 1 goldene Uhr 
im Werte von 12 Pfund; 12 Perrücken; eine Anzahl Silber⸗ 
ſchnallen und „Claſps“; 1 Degen; 1 Fernrohr; 6 Gewehre; 1 
Flöte; eine Anzahl „Decanters“, „Mugs“, Flaſchen und Körbe; 
1 Pferd; eine Kutſche; 1 Schlitten; 1 Sattel; 2 Kühe; 2 Jähr⸗ 
linge; 3 Schweine; 4 Puter und 3 Enten. 

Auch eine alte Negerin im Werte von 33 Pfund (wurde nach 
Weſt⸗Indien verkauft), ein Neger⸗-Mädchen, „Sylvia“, wert 35 
Pfund, eine Negerin, „Flora“, mit ihrem Kinde „Jennie“, wert 
30 Pfund. Dieſe „Jennie“ wurde am 1. Sept. 1780, als 7jährig, 


de 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


von der Frau Rebecca Bonticou an Job. Potter für 30 Pfund 
verkauft; ihre Mutter „Flora“ war ſchon früher an den Dr. 
Daniel Bonticou käuflich übergegangen, blieb aber im Haushalte 
der ehemaligen Frau Rhode, wie wir bald ſehen werden. 

Dr. Rhode's Begräbnisplatz war zweifelsohne auf dem Kirch⸗ 
hofe auf der Green, doch ſcheint weder ihm nod) feinem Nachfolger 
in der Ehe ein Grabſtein zu Teil geworden zu ſein. 


Dieſer Nachfolger war der ſchon genannte Dr. Daniel Bon⸗ 
ticou, ein jüngerer Arzt, der 1771 ſeine Praxis hier eröffnet hatte. 
Er war franzöſiſch-hugenottiſcher Abſtammung, hier geboren, hatte 
jedoch in Frankreich ſtudiert und war auch dort Militär-Arzt ge- 
weſen. Nach ſeiner Rückkehr 1771 bewohnte er das ſeinem Vater 
Timothy, oder ſeinem Onkel Peter, Bonticou gehörende, jetzt 
noch vorhandene Haus an der N. O. Ecke von Wooſter und Olive 
Street. Als Nachbar und Kollege war er mit Dr. Rhode be⸗ 
freundet geworden und nach deſſen Tode in 1775 fungierte er als 
einer der Taxatoren ſeines Nachlaſſes, ſowie als Vormund des 
14jährigen Thomas Rhode. In dieſen Eigenſchaften hatte er 
natürlich regen Verkehr mit der ihm um vier Jahre älteren, aber 
immer noch ſchönen und anziehenden Witwe Rebecca und ſchon 
am 12. Sept. desſelben Jahres, in dem Dr. Rhode das Zeitliche 
geſegnet hatte, heiratete er fie. Am 20. Auguſt 1778 rieß ibn der 
Tod von ihrer Seite, nachdem er in der dreijährigen Ehe mit ihr 
zwei Kinder gezeugt hatte, Rebecca und Daniel, die zahlreiche 
Nachkommen hinterlaſſen haben. Sein Nachlaß (Band 16, Seite 
86) wurde auf 38 Pfund abgeſchätzt; er enthielt unter anderem 
unſere Bekannte „Flora“, die zur Zeit nicht viel wert geweſen zu 
ſein ſcheint und nur auf 10 Pfund taxiert wurde; außerdem eine 
„geborſtene“ Punch⸗Bowle und drei Bände Tacitus, — die einzi⸗ 
gen Bücher, die in der Geſchichte beider genannter Arzte vor⸗ 
kommen. Auch iſt weder bei dem einen noch dem anderen irgend 
welche Spur von ärztlichen Inſtrumenten oder Apparaten vor⸗ 
zufinden. Die Perſon des Arztes allein war alles, was in den 
damaligen „guten“ Zeiten zum Kurieren oder Sterben nötig war. 


Noch einmal, zwei Tage vor Weihnachten 1787, alſo neun 
Jahre nach dem Tode ihres dritten Mannes, machte die viel⸗ 
begehrte Witwe den vierten Gang als Hauptperſon zum Trau⸗ 


— 223 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


altar. Jetzt mit dem 68 jährigen, reichen Kapitän (der Miliz?) 
Ephraim Peaſe aus Enfield, Conn., der außer Friedensrichter 
auch Mitglied der damaligen Staats-Legislatur war. Kapitän 
Peaſe, ein erfahrener und vorſichtiger Mann, fand, daß in der 
Nachlaß-Regulierung feiner beiden Vorgänger Rhode und Bon- 
ticou nicht alles genau ſo hergegangen war, wie es das Geſetz 
vorſchrieb, und veranlaßte 1788 eine neue Regulierung beider 
Nachlaſſe. (Band 15, S. 215—216). Nach einer faſt 14jährigen, 
diesmal kinderloſen, Ehe mit der früheren Doktoren-Witwe und 
nachdem er derſelben die, trotz Verkauf ihrer Tochter, treue und 
ausharrende Sklavin „Flora“ teſtamentariſch vermacht hatte 
(Allen, Hiſt. Enfield, Band III, S. 2252 und 2366), erreichte 
Kapitän Peaſe am 22. Juni 1801, im Alter von 82 Jahren, ſein 
Lebensende und am 6. April 1802, im Alter von 69 Jahren, 
wurde auch feine Witwe in Enfield, Conn., zur letzten Ruhe be- 
ſtattet. Sie hatte das ſeltene Los, vier wohlangeſehene Ehe— 
männer zu haben und einer beträchtlichen Anzahl von Kindern 
das Leben und eine gute Erziehung zu geben; Kindern, die trotz 
ihrer verſchiedenen Vaternamen getreulich zu einander gehalten 
haben. Schwerlich hat fie geahnt, daß fie nach mehr als Hundert- 
jähriger Ruhe im Schoße der Erde, als Ehefrau des in New Haven 
zuerſt anſäſſigen Deutſchen den heutigen Deutſchen dahier Gegen— 
ſtand reger und pietätvoller Betrachtung ſein würde. 


Weitere deutſche Ankömmlinge vor 1800. 


Elieſer Oswald ließ ſich in New Haven um 1770 
nieder, half 1774 die „Foot Guards“ gründen und unterſchrieb 
am 2. März 1775 eine Petition an die Staats-Legislatur. In 
Thomſon's kurzer Geſchichte der „Foot Guards“, N. H. S. Re⸗ 
giſter, 1, Juli 1894, wird er als ein gebildeter Ausländer, ein 
Mann der Muſe und ſtarker Freund der Freiheit beſchrieben. 


Joſeph Knevals, deutſch Kniefels, geb. in Han- 
nover, 1757, wurde als reiſender Schneider in Heſſen unter das 
Militär geſteckt und an England verkauft. Er gehörte zu den 
engliſch⸗heſſiſchen Truppen, die am 5. und 6. Juli 1779 New 
Haven beſetzt hielten, und blieb bei dieſer Gelegenheit auf eigene 


— 224 — 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Fauſt hier. Er heiratete, ſchloß ſich der 2. Presbyterianiſchen 
Kirche an, ſtarb am Schlagfluß 23. März 1830 und liegt am Grove 
Street⸗Kirchhofe, Reihe 8, Platz 50, begraben. Sein Grabſtein 
bekundet, daß er ein Hannoveraner war. Sein Sohn „Jeſſe“ war 
New Haven's erſter und langjähriger Polizei-Chef ohne Mann⸗ 
ſchaft. Andere Söhne, oder Enkel, Sherman W. und Stephen M., 
führten bis 1870 an der Chapel Street ein bedeutendes Kleider— 
Magazin. Ein Enkel war als Advokat in New Nork mit dem 
ſpäteren Präſidenten Arthur aſſoziiert. 


Einige andere heſſiſche Soldaten, worunter Le Forge, 
Clyme und Brumley genannt werden, blieben gleichfalls 
am 6. Juli 1779 in unſerer Stadt ohne Erlaubnis ihrer Vor— 
geſetzten zurück und wohnten ſpäter am oder in der Nähe vom 
Broadway. Nachkommen von Le Forge und Brumley (Bromley) 
ſind noch unter uns. (Atwater, H. N. H. 402.) 


John Heyliger war Großgmeiſter der hieſigen Frei— 
maurer-Xoge „Hiram“ von 1785 bis 1790. Nach Ausſagen feines 
am 5. Juli 1863 im Alter von 71 Jahren hier verſtorbenen 
Sohnes (oder Enkels?) Alfred Heyliger, war er im Hannöverſchen 
gebürtig, in Virginien zum wohlhabenden Manne geworden und 
behufs Erziehung ſeiner Kinder nach New Haven gekommen. 
Wann, iſt nicht feſtgeſtellt. Seine Frau Eliſabeth ſtarb 1802, 
47 Jahre alt, und ift in Reihe 2, Platz 40, im Grove Street- Kirch— 
hofe begraben. Genannter Alfred graduierte 1809 in Yale. John 
Heyliger's Wohnung war an der N. W. Ecke von Chapel und 
Olive Street, gegenüber dem Rhodeſchen Grundſtück. 


Zuwachs von 1800 bis 1840. 


John Chriſtian Duntze, geb. in Bremen 1787, landete 
im 4. Lebensjahre mit ſeiner Mutter in Charleſton, S. C. Um 
1803 kam Duntze nach hier und ſtarb hier am 20. Oktober 1862 
als Beſitzer einer Töpferei an der Water Street, wo jetzt die Holz— 
ſtrecke von der J. Gibb Smith Lumber Co. Unter anderen ar— 
beitete dort für ihn um 1858 Jacob Kraus. Duntze war früher 
Mitglied der Governor's Foot Guards. Am 6. September 1814 
wurde dieſe Kompagnie alarmiert, um eine drohende Landung 


— 225 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


der Engländer in Branford zu verhindern. Die „Muſter-Roll“ 
für dieſe Gelegenheit zeigt, daß unſere Landsleute: Duntze (als 
Pfeifer), Le Forge, (der Heſſe, oder ſchon ſein Sohn), und Lewis 
Albrecht, der Sohn des folgenden, als Mitglieder der Foot Guards 
an jenem Tage dem Landesfeinde mutig entgegen zogen. Da die 
Engländer nun nicht zu landen wagten, ſo ging es ohne Blutver— 
gießen ab; aber den guten Willen hatte man gezeigt. (Thompſons 
Geſchichte der Foot Guards, und Sund. Regiſter, 1. Juli 1894.) 
Duntze hatte eine Amerikanerin zur Frau und hinterließ drei 
Kinder: Henry A., John, und Maria S. Er ruht Reihe 5, Platz 
9, Grove Street Cemetery. l | 


G. Frederick Albrecht, gewöhnlich Albright, genannt, 
Landsmann und Freund des 1783 eingewanderten, ſpäteren Mil— 
lionärs Johann Jacob Aſtor in New Pork, kam gleichfalls vor 
1804 nach New Haven, betrieb, von Aſtor unterſtützt (ſiehe Grund— 
bücher), ein Pelzwaren-Geſchäft an der Oſt-Seite der State Str., 
nahe und nördlich von Chapel Street und ſtarb 4. Jan. 1821 im 
Alter von 74 Jahren. Sein Sohn Lewis Frederick betrieb das 
Geſchäft weiter, wurde 1. März 1810 als „Albrecht“ Mitglied 
der Hiram Loge, heiratete Betſy Wallace und zeugte vier Kinder. 


William Myers, geboren in Hannover 1769, war wider 
Willen in die engliſche Armee geſteckt worden, entwich in Weſt 
Indien und kam um 1804 nach New Haven. Er betrieb hier 
das Geſchäft eines Fuhrherrn, wurde Mitglied der „North 
Church“ und am 7. Januar 1813 Mitglied der „Hiram“ Loge, 
war als lokaler Politiker tätig, heiratete zweimal; ſeine erſte Frau 
war eine geb. Adams, ſeine zweite hieß Eliſabeth Allen. Er 
wohnte in der kleinen Orange Street, ſpäter an Crown Street 
und wurde von dort aus am 11. März 1846 im Alter von 77 
Jahren in Reihe 5, Platz 38, Grove Street Kirchhof begraben. 
Noch viele werden fid) feines Sohnes, des 1884 verſtorbenen 
Fracht⸗Agenten John Allen Myers erinnern. Ein anderer Sohn 
war Frederick Myers, der 1846 in Weſt Point graduierte und 
unter dem Beinamen „Old Honeſty“ in der Potomac Armee be— 
kannt war. Letzterer ſtarb 1874 in Santa Fe als Brigade— 
General der Ver. Staaten Armee. Eine Enkelin vom Erſtge— 


— 226 — 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


nannten wohnt noch hier. Wm. Myers wird eines abends in den 
dreißiger Jahren in Biſhop's Hotel (wo jetzt die Poſt,) gerufen, 
um, wie ſchon öfter, den Dolmetſcher zu ſpielen. Man wünſcht 
einem ſoeben angekommenen Fremden verſtändlich zu machen, 
daß kein Platz mehr im Hotel für ihn ſei und wohin er ſich wenden 
ſolle. Myers findet der Fremde ſpricht deutſch, erklärt ihm das 
ſchon Angedeutete und fragt ihn darauf beiläufig, woher er ſei, 
wie er hieße und ähnliches. Plötzlich, zum großen Erſtaunen 
aller Anweſenden und beſonders der Fremden, fällt Myers dieſem 
mit Tränen in den Augen um den Hals unter dem Ausrufe: 
„Mein Gott, Du biſt mein Bruder.“ (Atwater Hiſt., N. H. S. 
401.) 


Henry Gruenert, 1784 bei Kiel in Schleswig geboren, 
war Matroſe, wurde New Havener um 1804, (nach anderen in 
1807 infolge des „Embargo“ Geſetzes,) fabrizierte „Wurzelbier“ 
und ähnliche leichte Getränke und hielt zum Verkauf dieſer. und 
anderer, hauptſächlich anderer, eine Wirtſchaft an der Meadow 
Str., wo ſich jetzt die „Armory“ befindet. Seine Frau war viel— 
leicht die zuerſt hier geſehene Deutſche. Sie hieß Eliſabeth, geb. 
Semler, und war am 31. Mai 1789 im Dorfe Uttershauſen bei 
Kaſſel, in Heſſen geboren. Wann und wie ſie hier angekommen, 
ob nicht die erwähnten am Broadway wohnhaft geweſenen heſſi— 
ſchen Veteranen damit in Verbindung ſtanden, iſt unbekannt; 
ebenſo wann und wo Gruenert und ſie ſich verheiratet haben. Am 
11. September 1819 ließen fie hier eine 1½ jährige Tochter be— 
graben und am 26. April 1838 ſtarb die Frau. Später nahm 
Gruenert eine Engländerin zur zweiten Frau. Gruenert, ein 
kleiner hagerer Mann mit ſehr rundem Kopf, auf dem faſt immer 
ein unentbehrlicher hoher Zylinderhut thronte, war ſeiner Zeit 
eine ſehr bekannte und allgemein beliebte Perſönlichkeit. Manche 
drollige Geſchichte erzählten alte Amerikaner von ihm. Eines 
Abends auf dem Wege vom luſtigen Kreiſe nach Hauſe wird er 
irre, wo er iſt, obgleich nicht mehr weit von ſeiner Wohnung. 
Höflich frägt er einen Vorübergehenden, ob er ihm nicht zeigen 
könne, wo Henry Gruenert wohnt. „Recht gerne,“ ſagte dieſer 
willig, bückt ſich, ſieht unter den Zylinder und dann: „Aber Sie 
find doch wohl Herr Gruenert ſelber.“ Darauf unſer Freund: 


— 227 — 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


„Gewiß, der bin ich ſelber; aber ich möchte wiſſen, wo der wohnt.“ 
Der Mann zeigte es ihm. Gruenert ſtarb am 12. Auguſt 1857 
und liegt in Reihe 9, Platz 14, im Grove Street Kirchhofe be- 
graben. Am 20. Oktober 1819 war er ſchon zur Hiram Loge 
gegangen. Vor kurzem wohnte noch eine Tochter von ihm in 
New Haven. | 


John F. Uhlhorn, geb. in Bremen 30. November 1785, 
war als Kaufherr auf der weft-indifden Inſel St. Thomas, kam 
von dort 1810 und holte ſich aus Fair Haven eine Frau, (Harriet 
Barnes ?). 1816 kam er mit derſelben nach hier zurück, nahm 
ſeine Wohnung No. 37 Meadow Str. und blieb bis zu ſeinem 
Tode 12. Auguſt 1822, Einwohner unſerer Stadt. Er galt als 
ſehr reich. Von ſeinen drei Töchtern wurde eine die Frau von 
Hayes Trowbridge aus der bekannten New Havener Trowbridge 
Familie; eine zweite heiratete P. N. Lorillard, den bekannten New 
Morfer Millionär und eine dritte den Advokaten Cone in Hart— 
ford. Ein Sohn, Charles L. Uhlhorn, führte unter der Firma 
Young & Uhlhorn einen Bücherladen im Exchange Gebäude an 
der Church Street; er und ſein Bruder John E. waren Mitglieder 
der Hiram Loge. 


L. Lehmann und Charles Lehmann waren anfangs 
der dreißiger Jahre gleichfalls hier heimiſch geworden. Beide 
hatten Kleidergeſchäfte, der eine an der Church Street, der andere 
an der Fleet Street. Deren Nachkommen (Schulhafer, Fierſtein 
u. A.) zählen noch zu unſeren Einwohnern. 


Frederick Wohlrabe, gebürtig aus Frankfurt a. Main, 
ein gelernter Bäcker, wurde hier am 19. Mai 1833 mit der Jung- 
frau Betſy Smith ehelich verbunden und fing in demſelben Jahre 
an der N. W. Ecke von Wooſter und Cheſtnut Street (wo jetzt 
Dietter,) eine Bäckerei an. Bis dahin hatten die New Havener 
Hausfrauen ihr Brod ſelber gebacken; Wohlrabe war der erſte, 
der es im Großen fabrizierte und auch ausfahren ließ. Im Jahre 
1839 erkrankte er, ging zur Kur nach New Pork, ſtarb dort und 
wurde auf dem dortigen Trinity Kirchhofe begraben. Wohlrabe's 
Witwe führte das hieſige Geſchäft fort und ſeine Nachkommen 
ſind noch jetzt in New Haven und Weſt Haven vertreten. 


— 228 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Erſter Keim des deutſchen Vereinsweſens. 


Noch zu Wohlrabe's Lebzeiten eröffneten auch Gorham & 
Smith (ſpäter Gorham & Klein, jetzt S. S. Thompſon) an der 
Port Street eine zweite große Bäckerei. Hier, ſowohl wie bei 
Wohlrabe, waren die Arbeiter alle kürzlich eingewanderte Deutſche, 
meiſtens ledige Süddeutſche. Da ihnen alle Kenntnis der eng— 
liſchen Sprache fehlte, ſo waren dieſe notgedrungen für jedweden 
Gedankenaustauſch auf einander angewieſen und ſo kam es denn, 
daß ſie bald, verſtärkt durch einige gleichfalls „grüne“ Schneider 
und andere, an jedem Sonnabend im Wohlrabe's Hauſe regel— 
mäßig ihre geſelligen Zuſammenkünfte abhielten, bei denen „Der 
Jäger aus Kurpfalz“ und derartige alte Volkslieder tapfer her— 
halten mußten. Als der alte Bäcker George Root, ein EL 
ſäſſer, 1838 dieſem Kreiſe beitrat, fand er dort die Bäcker A dam 
Ahlheit aus Süddeutſchland, John Chriſtian Klein 
aus Butzbach, Heſſen, Jofeph Plotz aus Rhein-Bayern, 
Wohlrabe's Ausfahrer Philipp A. Schmahl aus Eichloch 
bei Mainz, der ein jtudierter Apotheker war und Deutſchland. 
verlaſſen hatte, weil ſeine Jugendliebe einen anderen hatte freien 
müſſen; ferner die Schneider Fritz Lander und Theodor 
Denecke, den „Carriage-Trimmer“ John C. Petzold aus 
Preußen und ein paar andere, deren Namen der Vergeſſenheit 
anheimgefallen ſind. Ungefähr ein Dutzend waren es, und ſie 
bildeten das „Deutſchtum der Dreißiger Jahre“ und den erſten 
Keim des ſpäter üppig wuchernden hieſigen Vereinsweſens. Mit 
Duntze und Myers kamen dieſe nie und mit Henry Gruenert nur 
hie und da in Berührung. Die amerikaniſch geführte Wirtſchaft 
des Letztgenannten, obgleich ſo ziemlich die einzige, die ſich bot, 
war ihnen nicht heimiſch, und dem alten däniſch-amerikaniſchen 
Deutſchen waren dieſe „Grünhörner“, die mit dem Trinken durch— 
aus immer das Singen verbinden wollten, auch mehr ſtörend als 
nutzbringend und angenehm. Außer dem Singen war auch die 
dem Stamme der Germanen ſeit Jahrtauſenden innewohnende 
Jagdluſt bei ihnen hier wieder zum ſtarken Ausbruch gekommen. 
Zu paſſenden Zeiten unternahmen ſie Jagdzüge außerhalb der 
Stadt und brachten auch hier und da zum Leidweſen der betreffen— 
den Farmer, doch in unſchuldiger Unkenntnis des hieſigen Wildes, 


— 229 — 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ein erlegtes Hühn- oder Hähnlein mit. Für den 3. März 1838 
war wieder ein ſolcher Zug angeſetzt. Alle erſchienen und zogen 
hinaus nach Fair Haven und Umgegend, nur der 26jährige 
Philipp A. Schmahl nicht. Ob aus Furcht vor den in den Händen 
ſeiner Freunde nicht ungefährlichen Gewehren, oder weil er un— 
geſtörter ſeinem geſcheiterten Liebestraum nachdenken wollte, 
man weiß das nicht. Er war mit Gewehr und allein nach Weſt 
Haven gegangen und auf ſeinem Rückwege am Abend ertrank er 
im Weſt River. Das Eis, das ihn wenige Stunden vorher ſicher 
getragen, war infolge der eingetretenen Flut aufgebrochen. Hilfe— 
rufe wurden gehört aber nicht verſtanden und brachten ihm keinen 
Retter. Erſt am 9. März wurde durch Auffinden der Leiche ſein 
Schickſal bekannt und zwei Tage ſpäter wurde er, gefolgt von 
ſämtlichen Kameraden, im Grove Street-Kirchhofe zur Ruhe ge— 
legt, und zwar in Gruenert's großem Begräbnisplatze, den letzterer 
bereitwilligſt angeboten hatte. Dort ſetzten ihm ſeine Gefährten 
einen paſſenden Grabſtein, der noch ſteht, aber nur noch auf kurze 
Zeit lesbar ſein wird. Bei dieſem traurigen Vorfalle kam auch 
Gruenert's wirklich gutes Herz und gutmütige Natur, die er aber 
beide gern unter einem ſchroffen Außeren verſteckte, wieder einmal 
zum Vorſchein. Später jedoch, wenn ihm die „Grünhörner“ und 
„Schreihälſe“ gelegentlich wieder zu laut wurden, konnte er es 
ſich nicht verſagen, ihnen ſcheinbar zornig zu erklären, ſie wären 
ihm alle viel willkommener in ſeinem Begräbnisplatze als in ſeiner 
Wirtſchaft. 


Von 1840 bis 1861. 


Von 1840 ab bekam New Haven jährliche Adreßbücher, die 
zwar anfänglich nicht ſo zuverläſſig waren, wie jetzt, die aber trotz 
ihrer Mängel die beſte Auskunft darüber geben, wie im großen 
Ganzen die Deutſchen ſich hier niedergelaſſen haben. Mancher 
von ihnen machte ſich freilich im Adreßbuche erſt bemerkbar, nach— 
dem er ſchon einige Jahre hier geweilt hatte; ſein Name wurde 
auch wohl dann und wann zur Abwechslung wieder einmal aus— 
gelaſſen oder fo verdrückt, daß der richtige Träger nicht erkenntlich 
war; trotzdem liefern die genannten alten Bücher wichtiges Ma— 
terial. Laut dieſer Quelle gewann das New Havener Deutſchtum 
von 1840 bis 1850 inkl. einen Zuwachs von 128 und von 1851 


— 230 — 


Deutſch-⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


bis 1860 inkl. von 1216 ſelbſtändigen Männern und der Jabr- 
gang von 1861 enthält 38 deutſche Namen. Die große Welle 
der Einwanderung hatte alſo in den fünfziger Jahren in New 
Haven ein Deutſchtum abgeſetzt, das, was Zahlen anbetrifft, man- 
chem Städtchen im alten Vaterlande nicht nachſtand. 


Mangel an Frauen. 


Aber fajt nur Männer brachte anfangs -dieje große Welle. 
Manche derſelben hatten Frau und Kinder nur einſtweilen in der 
alten Heimat gelaſſen, doch die meiſten waren noch unverheiratet. 
Infolge deſſen machte ſich großer Mangel an und noch größeres 
Verlangen nach paſſenden Jungfrauen bald unangenehm fühlbar 
in den Reihen der früh Angekommenen, die mit oder ohne Schiller, 
den hohen Wert der Frauen und die von ihnen in's irdiſche Leben 
hineingewebten himmliſchen Roſen zu ahnen glaubten. Wenige 
heirateten Amerikanerinnen, Engländerinnen oder Irländerinnen. 
Die Mehrheit wollten eine Lebensgefährtin, die vor allem deutſch 
reden und auch anderen deutſchen Eigentümlichkeiten Rechnung 
tragen konnte. Bei ihnen, wie bei allen normalmäßigen Män- 
nern, ging der Weg zum Herzen durch den Magen. Die amerifa- 
niſchen Mädchen waren ganz fein und lieblich anzuſchauen, hatten 
auch ſonſtige gute Eigenſchaften, aber Speiſen nach deutſchem 
Geſchmack zu bereiten verſtanden ſie damals noch nicht; konnte 
auch nicht erwartet werden. Dieſer Umſtand hinderte in der Hus- 
übung des Miſſionszweckes; denn deutſche Küche, von der ja in 
jenen Jahren die amerikaniſche noch himmelweit verſchieden war, 
wurde von unſeren Miſſionären meiſtens zur Vorbedingung der 
Ehe gemacht. Mancher mußte lange warten bis er erhielt, was 
er wünſchte. Als mit der Zeit auch arbeits- und heiratsfähige 
deutſche Mädchen nach hier kamen, um lohnende Stellungen zu 
ſuchen, da war Stellung und Mann oft ſchon gefunden, ehe der 
große deutſche Koffer ausgepackt war. Sogar ſchon in „Eaitle 
Garden“, dem New Yorker Landungsplatze, harrten ihrer zahl— 
reiche unbekannte Freier. Sobald die Kunde von dieſem Zuſtande 
daheim bekannt wurde, kam bald mehr weiblicher Zuwachs und 
ſchließlich wurde ſo ziemlich jedem Deutſchen die Gelegenheit eine 
Frau heimzuführen, die deutſch reden und kochen konnte, was zur 


— 231 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Folge hatte, daß die geſchichtlich gebotene Miſchung den nächſt— 
kommenden Generationen überlaſſen wurde. Folgender Fall, biel- 
leicht der einzige ſeiner Art, der wirklich in unſerer Stadt vor- 
gekommen iſt, gehört in jene Zeit des Frauenmangels: Ein New 
Havener Deutſcher, im Begriff mit dem Dampfboot nach New 
Nork zu fahren, um ſich dort unter den einwandernden Lands— 
männinnen in Caſtle Garden auf „dieſem nicht mehr ungewöhn— 
lichen Wege“ eine Gattin zu ſuchen, kehrt gewohnheitmäßig erſt 
noch in einer hieſigen Wirtſchaft ein. Beim Glaſe erzählt er den 
Zweck feiner Reife. Nach längerer Beſprechung desſelben gibt | 
ihm beim Aufbruch ein Bekannter $5 mit der Bitte: „Du, bring 
mir auch gleich eine mit, hier ſind die Reiſekoſten.“ Und die 
mitgebrachte lebte und ſtarb hier als tüchtige und geachtete Haus— 
und Ehefrau. 


Koſt⸗ und Gaſthäuſer. 


Sobald man nun die vielbegehrte beſſere Hälfte ergattert hatte, 
wurde ſofort ein eigener Hausſtand mit deutſchem Herde gegrün— 
det, wer aber noch auf ſein holdes Weibchen zu warten hatte, der 
mußte in einem deutſchen Koſt- oder Gaſthauſe den nötigen Unter— 
ſchlupf ſuchen. Derartige Unternehmungen waren natürlich ent— 
ſtanden und vermehrten ſich je nach Bedürfnis. Das beliebteſte 
deutſche Koſthaus von Mitte der vierziger bis zu den ſechziger 
Jahren war in dem großen Gebäude damals No. 32, jetzt 132— 
136 Congreß Avenue (vis-a-vis von Linde's Apotheke), geführt 
zuerſt von Joſeph Hallauer und nach 1851 von Henry Kapmeyer. 
Dort war auch Platz zum Tanzen und bei mancher Gelegenheit 
ward dort auf deutſche Art das Tanzbein geſchwungen — wenn auch 
zuerſt auf zehn Mann höchſtens eine Tänzerin kam. Später be— 
nutzte man für dieſen Zweck auch „Boardman's Hall“ an der Oſt— 
Seite der Church Street, und auch „Smith's Hall“ an der Süd— 
Seite der Chapel Street, zwiſchen Temple und College Street. 
Am häufigſten und liebſten aber übte man den deutſchen Walzer 
an der Congreß Avenue. Lange Jahre nachher noch konnte man 
die in der Erinnerung ihrer rüſtigen Jugend ſchwelgenden Alten 
oft ſagen hören: „Ach ja, das war zu der Zeit, als wir noch bei 
Kapmeyer's tanzten.“ 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Weitere frühe Koſt⸗ oder Gaſthäuſer hielten: A. L. Lauten⸗ 
bach, No. 16 State Street; Joſeph Kern, der das erſte Lagerbier 
eingeführt haben ſoll, anfänglich No. 11 Fleet Street, dann 12 
Grand Avenue; Franz Bickner, No. 40 Church Street; Charles 
Katſch, zuerſt No. 39 dann No. 33 Church Street; P. Schloſſer, 
Henry Leyerzapf und Jacob Schmauder, an drei Ecken von Lef— 
fingwell und Greyſon Alleys; Frank Palman, No. 46 Pork 
Street; John Ernſt, No. 5 Spruce Street, und Joſeph Backmann, 

No. 178 George Street, nahe State. 


Einige wenige Landsleute, die ſchon in den beſchriebenen 
Zeiten in New Haven wohnten, leben noch heute in unſerer Mitte. 
Mögen ihnen dieſe Seiten ein Stündchen angenehmer Erinnerun- 
gen bereiten. 

: Schluß. 


Als Millionäre, Bankiers oder Rentiers ſind keine Deutſchen 
gekommen, auch äußerſt wenige, die nur mit dem Kopfe oder 
höchſtens mit der Feder zu wirken verſtanden; aber es kam gerade, 
was dieſes Land in jener Periode am Notwendigſten haben m.ıBte, 
nämlich fleißige und arbeitsfähige Männer, die nur geringe Geld— 
mittel beſaßen, die aber ein nützliches Handwerk gut gelernt hatten 
und denen auch dann hier lohnende Beſchäftigung wurde. Den 
Bäckern, Schneidern und Schuhmachern folgten in Kürze gründlich 
gelernte deutſche Schreiner, Drechsler, Zimmerleute, Stellmacher, 
Schmiede, Schloſſer, Maſchiniſten, Klempner, Eiſengießer, Stein- 
metzen, Sattler, Polſterer, Bildhauer, Vergolder und Angehörige 
anderer, ähnlicher Gewerbe und in kurzer Zeit wurden ſie die 
geſuchteſten Leute. Gerade fie, mehr als irgend ein anderes 
Element, haben damals dazu beigetragen, den erfreulichen 
Aufbau dieſer jugendlichen Stadt und unſeres Adoptiv-Vater⸗ 
landes tatkräftig zu fördern und in beiden das Wort „Deutſch“ 
gleichbedeutend zu machen mit Fleiß, Ehrlichkeit und Gründlich— 
keit. 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Anhang. 


Im Nachſtehenden hat der Verfaſſer die in den Adreßbüchern von New 
Haven in den Jahren 1840—60 (I) und im Jahre 1861 (II) erſcheinen⸗ 
den Deutſchen nach ihrer Beſchäftigung gruppiert und uns auf dieſe Weiſe 
einen wertvollen Einblick in den Charakter der deutſchen Einwanderung 
jener Jahre gegeben. 


A. Produktive Arbeit. 


1 II 
Mathemat. Inſtrumentenma chen.. 2 — 
Optiker e 2 
Ingenieure. be 0X Xx Ub oH E xb Uh owe EE 2 
Graveure Sas Y Yo IS Xp odo ce. Ewe we 42 — 
Lithograpbhee sss 4 3 
Zeichner . Ee cu UL ee ee V 9 
Taſchen⸗ Uhrmacher QUE C: 3 
Stand» und Wand- Uhrmacher. Sh ee BO 4 
Mafchiniften . . See BE aree ie DE 10 
Metallfpinner . . „ ee 2 
Eiſen- und Siege Gießer „. e e ee - 11 
Schloſſer. . „ ee te dà E wy we ED 4 
Schleifer . „ 5 3 
Büchſenſchmiede b. eee fe e Oe. Bo ua ee O 1 
Blecharbeiter . . . . . . . . . . . . 3 4 
Kutſchenmacher . "ES. 30 
„ Staffierer (Trimmer) 20... . . 40 19 
„ Schmiede. uM. 13 
„ Schmied— Gehülfen „ sue. um XO 6 
„ Maler Kenn x xe SEO 12 
m Geſtellmacher (Body Makers) B 0 8 
Seilmader . . . — — . — 2 
Radmacher 2 2 
Lampenmacher 3 — 
Achſenmacher . 1 1 
Globusmacher 1 1 
Springfedermacher 9 6 
Bolzenmader . 2 1 
Grobſchmiede . 74 30 
Bildſchnitzer (Carvers) 26 6 
Drechsler. 5 2 
Tapezierer (Upholsterer) . 7 5 
Plattierer . . 3 1 
Cpibeniveber . 18 9 
Seidenweber 4 — 
Sattler. 37 11 
Suspender- -Weber 11 2 
Weber : 7 2 
Zimmerleute . 9 1 
Tiſchler und Schreiner 40 26 
Maurer ; f 8 2 
Steinhauer und Marmoricleifer 11 6 
Straßenpflaſterer — 2 
Töpfer : 1 


Saffian⸗ „Bereiter ( (Morocco Dresser) 
— 234 — 


Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Färber 

Maler und niteeidier 
Vergolder 
Photographen. 
Etuimacher (Dag: Case Maker) 
Buchdrucker 

Buchbinder ; 
Papier- Schachtelmacher À 
Schirmmader . Ex 
Zuckerbäcker 

Seifenſieder 
Cigarrenmacher 

Brauer . 

Bäcker . 
Schneider und Zuſchneider ; 
Schuhmacher. . 
Fleiſcher 

Gärtenr 

Landwirte 

Tagelöhner 


B. Verteilende Arbeit. 


Ladenbeſitzer: 

Kleiderladen .. 

Materialladen (Grocery) . 

Schnittwaren . . 

Schmuckſachen (Jewelry) . 

Schuhwaren . 

Weine unb Spirituoſen 

Taback und Cigarren * 5 

Modewaren (Fancy Goods) 

Handelsſchneider N Tailors) 

Reifröcke ; 

Früchte 

Juckerbäckereien 

Apotheken. 

Zwirn und Nadeln 

Kohlen und LE 

Aleild) . 

Cefen . 

Spiegel und Gold- Rahmen 
Gaſt- und Koſthäuſer 
Schankwirtſchaften 
Hauſierer 
Handlungsdiener (Clerks) . 
Buchhalter. . 


C. Andere Beſchäftigung. 


Paſtoren (Popp, Freund, Eberle) 
(Deininger, Bentel) 


— 235 — 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


1 II 

Aerzte (Seeberger, Hagler, Arndt, Funck). 4 
(Funck, Stockmann, ee 3 
Schullehrer . e) .. „ Pe 1 
Muſiklehrer . os a ee A. 9h 4 
Zeichenlehrer (Bail) : 1 1 
Andere Lehrer . 8 1 
RititeneBernteffer . . . > 2 nn nn. 4d — 
Architekten 1 — 
Barbiere 13 9 
39 21 
D Beſchäftigung nicht angegeben . . 57 39 
E Beſchäftigung nicht klaſſifiziert . . 43 30 

Rekapitulation. 

Produktive Arbe˙ ie 993 493 
Verteilende Arbeit . . . . . . . . . 208 155 
Andere BefHäftigung . . . . . . . 89 21 
Beſchäftigung nicht angegeben.. . 57 39 
Beſchäftigung nicht klaſſifizierrr . . . . 43 30 
1340 738 


Nach ber Konfeſſion teilt jid) Anhang I in 1125 Chriſten und 215 
Juden und Anhang II in 618 Chriften und 120 Juden und nach ber Bez 
ſchäftigung pruppieren fid) bie in beiden Anhängen aufgeführten Juden: 


SabenbeliBer . . . . . . . . . . 60 B4 
Hauſierer . EF m uL CUP ue ox. de b sux. DD 21 
Handlungsdiener . e e e ES ee ae oe 13 
Cdneiber . . . . . . 20 6 
Schuhmacher . 9 4 
Cigarrenmacher 4 1 
Bäcker. E. 3 1 
Schankwirte : 3 2 
Gaitz und Koſtwirte 3 1 
Lehrer 2 — 
Kutſchen⸗ Staffierer 1 3 
Ctuimader . ' 1 1 
Beſchäftigung nicht angegeben : 1 5 
Beſchäftigung nicht klaſſifiziert 6 8 


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— 236 — 


Some Practical Influences of German Thought Upon 
the United States.* 


By ANDREW D. WHITE. 


PREFATORY NOTE 


The present address, the original print of which has become very 
scarce, is republished here because of its outstanding value to the 
student of American civilization and of German-American history. 


With profound historical insight Andrew D. White, the distin- 
guished historian and statesman, sums up and gratefully acknowledges 
in this address the remarkable influence which German thought, 
emanating either directly from Germany or indirectly from German- 
American citizens, has had upon the political and cultural develop- 
ment of this country during the nineteenth century. Paradoxical as it 
may seem to the prejudiced student of today, the speaker holds that 
the chief contribution of German thought to American political theory 
and practice consisted in its deeper conception of freedom, and of 
what this conception implies, thus “modifying healthfully the tendency 
toward democracy.” 


No less important according to our distinguished historian has 
been the influence of German thought upon the theory of life, the 
moral, intellectual and aesthetic development of America, in short 
upon the growth of a culture distinctively American. Quite signifi- 
cantly the speaker recognizes the source of this regenerative and 
elevating influence in the study of German philosophy and literature. 
It is, therefore, with painful reminiscences of recent events that we 
hear one of the finest representatives of American culture before the 
war exclaim: “I trust the time may never come when the study of 
the German language shall be banished from our schools." 


Unfortunately this time did come, and its disastrous effects upon 
the development of American civilization are today quite manifest. 
Nevertheless the speaker's vision at the close of his address is bound 
to be realized as soon as we take courage to return to the healthful 
elements of German thought that will “aid us powerfully in evolving 
a future for this land purer in politics, nobler in the conception of 
life, more beautiful in the bloom of art, more precious in the fruitage 
of character." 

J. G. 


MR. CHAIRMAN, LADIES AND GENTLEMEN : 


This honorable society has now extended its activity over a 
full century. It represents to-day a hundred years of self- 


*An Address Delivered at the Centennial Celebration of the 
German Society of New York, October 4th, 1884. | 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


sacrificing effort, in many channels, for those who, having re- 
linquished their dear Fatherland on the other side of the At- 
lantic, have cast in their lot with this Republic. Who can sum 
up its healthful labors? Who can estimate the evils it has 
prevented, the sorrows it has mitigated, the wounds it has 
healed? Others may more fittingly bring to you on this occasion 
the thanks of those born in the old Fatherland; I bring the 
thanks and congratulations of every right thinking citizen born 
on American soil. I bring you also their good wishes: in their 
name I bid the German Society of New York Godspeed. 


But our meeting prompts more than congratulations and 
good wishes: it suggests to my mind a topic upon which Ger- 
many and America have evidently thought but little, yet upon 
which they might well think much. And that subject to which 
I briefly ask your attention is“ Some Practical Influences of 
German Thought upon the United States." Of course, in the 
short space which we now have together, I can do no more than 
give some few leading indications as to the past, and some few 
hints as to the future. 


Every one who has given even superficial attention to the 
history of the United States must acknowledge that Germans 
have taken a most honorable part in our national development 
thus far. 

General Influences. 


In the colonial period one of the first heroic efforts made to 
prevent this continent from becoming a mere satrapy, subject 
only to British imperial brutality, was made on this Manhattan 
Island by a German, Jacob Leisler; and he atoned for his 
temerity with his blood. Here, too, the first determined asser- 
tion of the liberty of the press was made by another German, 
John Peter Zenger. In the Revolutionary struggle the organiz- 
ing power of Steuben, the devotion of Kalb, and the rude 
courage of Herckheimer, were precious in establishing the 
liberties of the country. At the close of the Revolution the 
recognition of our Republic by Frederick the Great, first of all 
European rulers, did much to establish its prestige. In the 


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Deutſch-⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


struggle for freedom against slavery the earnestness of German- 
American thinkers, so long as the struggle was carried on with 
the pen, and the bravery of German- American soldiers, when 
it was carried on by the sword, are forever memorable. And in 
that fearful darkness and distress of the civil war, when other 
European powers failed us and sent taunts and vitriolic criti- 
cisms and threats, from Germany alone came words and deeds 
of sympathy. When one English historian at Oxford had made 
haste to recant his former opinions and stirred English students 
to support the rebellion and slavery, and when another English 
historian had made haste to proclaim on the title page of his 
greatest work the downfall of the American Union, then it 
was that German scholars and thinkers, men like Theodore 
Mommsen and his compeers, proclaimed their detestation of 
slavery and their hope for the American Union. 


Influence Upon the Basis of American Politics. 


No one who has given any real thought to this nineteenth 
century can fail to note, first of all, two great tendencies ex- 
tending throughout the civilized world, but especially strong on 
this continent. First of these is the tendency toward govern- 
ment for the people and by the people; call it, if you like, the 
tendency toward democracy. The second is the tendency to- 
ward exceeding devotion to the material side of national and 
individual prosperity, toward the realization of what may be 
measured in money; you may call this mercantilism or ma- 
terialism. 


The influence of German thought in the United States has, 
in my opinion, been useful in developing and modifying health- 
fully both these tendencies. Take first the tendency toward 
purely popular government. The whole history of the world 
shows that popular government requires more education, more 
thought, more self-restraint than any other; that when nations 
have plunged into it without proper training and without con- 
stitutional safeguards the despotism of the mob has become 
more cruel and odious than the despotism of any individual. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


I count it, then, a good thing that the best German thought 
has tended among us to strengthen the old Teutonic and Anglo- 
Saxon feeling that freedom implies, not only rights, but 
duties. This old German idea chimes in well with the old 
New England idea that an individual, if he has to exercise 
power, must fit himself to exercise power; that the school must 
go before the ballot; that an uninstructed, unthinking democracy 
is sure to become a crushing tyranny; that unenlightened de- 
votion to republican principles is sure to be supplanted by 
slavery to demagogues: that instead of healthful evolution in 
obedience to the best thoughts of the nation there will come 
spasms of diseased action and reaction in obedience to 
schemers and dreamers. 


Strange would it be if Germans, the sons of those brought 
up under the reforms of Stein, the appeals of Fichte, and the 
songs of Arndt and Koerner, should forget that democracy 
means not only rights, but duties; that to be free, men must 
fit themselves for freedom. I conjure you, my fellow citi- 
zens of German birth and descent, by all your memories of 
the old world, and by all your hopes of the new, stand by 
these ideas, and especially in the interest of fitness for freedom 
never allow the educational system of our country, organized 
by the people and for the people, to be undermined. Stand 
firmly by it; never allow it to be warped in obedience to any 
creed, or party, or class, but insist that its sole aim shall be 
the promotion of the moral, intellectual, and political growth 
of the whole body of our citizens. 


Influence Upon Political Methods. 


So much for the influence of German thought upon the 
basis of American Politics. Next, as to its influence on politi- 
cal methods. As to general methods, our country, while it has 
inherited from Great Britain some political ideas very precious, 
has also inherited some modes of political action very brutal. 
At the Parliamentary elections in England, down to a very 
recent period, brutality and corruption were dominant. An 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


English election was too often a carnival of bribery and drunk- 
enness and personal outrage: the candidates were likely to be 
assaulted not only with the vilest epithets, but with the foulest 
missiles. Something of this system we in America have in- 
herited. We have, indeed, introduced far better order and self- 
restraint in the ordinary conduct of elections; but the old spirit 
is wretchedly apparent, especially in our elections to the Presi- 
dency. For in these, discussion is confined not merely to the 
political records of men, to their statesmanlike fitness, to the 
policies represented by their respective parties, but it is ex- 
tended into the most contemptible vilification of personal and 
non- political characteristics. Even women and children are 
dragged in on either side. Where those English blackguards 
of the olden time hurled a spoiled egg or a dead cat at a candi- 
date, our blackguards charge that at some time in the past 
ten years or thirty years ago the candidate violated the 
seventh commandment, and insinuate that he probably stewed 
and ate his grandmother. | 


Nor is the more thoughtful discussion of our political ques- 
tions thoroughly satisfactory. Very rarely indeed, does such 
discussion go down deep into the really vital questions under- 
lying the issues which appear upon the surface. A few years 
since I was asked by that great statesman who has gained a 
world-wide fame by the building up of a United Germany, 
regarding the reasons for the success of an American states- 
man of German descent whom we all admire and respect, and 
with whom, whatever momentary political differences may 
exist between us, I feel it an honor to appear to-day upon this 
platform. My answer was, that while in the great anti-slavery 
struggle, the American orators took up the question generally 
either from a purely sentimental point of view, or from a legal 
and Constitutional point of view, Carl Schurz, first of all the 
recent American thinkers, in the great Lincoln campaign re- 
vived the early traditions of the Republic, went down into the 
ethical and philosophical basis of the great questions at issue, 
and struck a deeper vein of thought in every man and woman 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


capable of thinking. Then it was that I heard from Bismarck 
these words: As a German, I am proud of the success of 
Carl Schurz.” 


This habit of penetrating into the philosophical groundwork 
of political thought seems to me one of the most important con- 
tributions which Germany can make to American political 
methods, this habit of clear, pure thinking upon the underlying 
realities of things, not running into sentimentalism on the one 
hand, or into pedantry on the other, not making a mere at- 
torney's argument on the letter of the Constitution, still less 
appealing to temporary passion and prejudice, but in every 
case developing the argument out of that eternal groundwork 
of truth and justice which is the beginning and result of all 
earthly institutions which are to be of permanent good. It may, 
indeed, be said that Germany has given us some political 
thoughts not so healthy, but to this I answer that if Germany 
has sent us Most she has trained such Americans as Professors 
Ely and Adams to answer him. 


Influence on the Idea of Liberty and Unity. 


Still another point in which German political thought has 
been of good tendency is in its idea of the relations of na- 
tional liberty to national unity. The founders of this Republic 
had constantly before them two great dangers: first, the danger 
of excessive centralization of power, leading to despotism; 
and secondly, the danger of too great localization of power, 
leading to anarchy. The result was the Constitution of the 
United States,—a wonder of its kind, which has blessed this 
country, which has, indeed, blessed other countries. It is cer- 
tainly no small tribute to its value that some of its main features 
were adopted into the new Federal Constitution of the German 
Empire. But of those two old fears the fear of excessive cen- 
tralization proved the stronger, and then grew up a powerful 
school of political thinkers whose tendencies were really 
anarchical—men to whom the individual and local organization 
were everything and the nation virtually nothing. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


No current of thought has been poured more steadily in 
the right direction on this question than that which has come 
to us from German publicists. Not to refer to others, I might 
mention the late Francis Lieber - clarum et venerabile nomen. 
He is a type of those who stood by the proper development of 
nationalism on the one side, and of localism on the other :— 
nay, more, Francis Lieber is a type of those noble souls, who, 
in allages and in all nations, have stood for all that is eternally 
just and true against all that is base and false. 


Strange would it be if German thought were not tightly 
impressed on this point. A nation which has suffered as 
Germany has, at some bygone periods from excessive centrali- 
zation, but at most periods from excessive localization, could 
hardly fail to give us healthful views on this subject. National 
unity and individual freedom go together. The necessity of 
both is stamped on all human history. Devotion to them is 
stamped on all good German thinking. I call on you to stand 
by these principles still, and to insist that, whatever powers 
may be attributed to States or individuals, this Republic is not 
a mere confederacy, not a mere league, but a nation with a 
national consciousness, national powers, national hopes, na- 
tional destinies. 


Influence in Favor of a Better System of State Service. 


And, finally, in the political field, the dominant German in- 
fluence has stood in favor of the only sane idea of State service. 
The monstrous theory and shameless practice that have grown 
up in recent times among us—a system which makes State 
officials the servants of parties, and indeed of individuals, giv- 
ing the sworn servants of the State, as a main duty, the pro- 
motion of the political fortunes of this man and that combina- 
tion of men— strange would it be if Germans could tamely 
acquiesce in this for any great length of time. Their liberty- 
loving instincts would forbid it; their good sense would forbid 
it The spoils system of the United States is not democratic ; 
it is not republican: it is simply oligarchic, aristocratic in the 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


worst sense. The system which was supported in our early 
days by American statesmen, which has been so well thought 
out since by German statesmen, that system based upon duty to 
the whole country, is alone democratic, and I summon all 
American citizens of German birth and descent, now that the 
reform has been acted on, to stand firm in the idea that the 
public service is not a slavery to demagogues, but an honorable 
service to the interests of the whole people, and that the ex- 
perience of Germany teaches America to persist in Civil Service 
Reform. 


So much for German influence in modifying healthfully 
the tendency toward democracy. 


Influence Upon the Tendency Toward Materialism. 


And now I shall ask your attention to the same influence 
upon the tendency toward materialism or mercantilism. The 
view of life now dominant in the United States is the nat- 
ural result of our history. It is a phase which a nation 
developed as ours has been, must enter and hold for some 
time. We have had a vast continent to clear up from ocean 
to ocean, and almost from the frigid to the torrid zone. 
First of all, then, has come dealing with the rude forces of 
nature and the establishment of a material basis of civilization. 
I must confess as an American citizen to much pride in the 
career of this nation in this respect thus far. A vast pre- 
liminary work has been done with great intrepidity and energy, 
and is still carried on with amazing vigor. But one of the 
greatest dangers to American civilization now, is that these 
material successes may so dazzle our people, that the laying of 
these material bases shall be considered as an end, and not as a 
means; and especially that the sinking of mines, the building 
of railways, the erection of manufactories, the organization of 
financial institutions, will all be considered as the result to be 
aimed at rather than as the first condition of greater and 
nobler results, intellectual and moral. 


The question then really is, what shall grow out of this 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


political basis, and what shall be the bloom and fruitage of 
American civilization? Many good germs have already been 
planted, but how shall we best develop these? How shall we 
give them the growth demanded by the higher interests of the 
nation and of mankind? 


Influence Upon the Theory of Life. 


German thought comes in to help us answer these questions 
by revealing to us a better theory of life. No one who knows 
Germany well can think the Germans remiss in their devotion 
to commerce and industry. Proofs that Germany has not been 
crippled in her efforts for the real by striving after the ideal 
meet us on every hand, —in the great wharves of Bremen and 
Hamburg, in the great foundries of Essen and Wernigerode 
and Munich, in the mining and weaving districts of Saxony, 
in the chemical manufactories of Thuringia, in all that healthful 
development of industry which dots every part of German 
soil with centers of industrial activity, and in that spirit of en- 
lightened enterprise which has given great technical schools 
to her principal cities. But the main thing in Germany is that 
there is a controlling body of thought which regards all this 
material development not as an end, but as a means. The 
dominant German idea is, as I understand it, that the ultimate 
end of a great modern nation is something beside manufactur- 
ing, or carrying, or buying or selling products; that art, litera- 
ture, science, and thought in its highest flights and widest 
ranges, are greater and more important; and that highest of 
all- as the one growth for which all wealth exists —is the higher 
and better development of man, not merely as a planner, or 
a worker, or a carrier, or a buyer and seller, but as a man. In 
no land has this idea penetrated more deeply than in Germany, 
and it is this idea which should penetrate more and more 
American thought and practice. 


Influence Upon the Moral Development. 


And first as to its ethical or moral groundwork. It would 
be strange if the land of Immanuel Kant did not recognize a 


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moral nature in man, and its supreme value. The ethical prin- 
ciples developed in the Critique of the Practical Reason were 
a power in the regeneration of Germany after the Napoleonic 
despotism. Such principles should be a power in the regenera- 
tion and higher development of this Republic. Men of all 
creeds. and parties may unite in it. More and more I trust 
that the descendants of those who have promoted instruction 
in morals as the basis of all sound manhood in Germany will 
endeavor to promote that same instruction in this country. 


Influence Upon the Intellectual Development. 


And next as to the intellectual development. Whatever may 
be said regarding certain limitations of German thought, I am 
simply stating what the scholars of the whole world acknowl- 
edge, that the leading characteristic of German intellectual 
effort has long been and still is a sturdy loyalty to truth as 
truth.. It is of good omen that for the last thirty years it has 
been a growing custom among the more devoted students of 
our American institutions of learning to go after graduation 
here to the German Universities. This fact is already acting 
powerfully upon the development of the highest American edu- 
cation. On all sides of us we see pupils of Boeckh, Liebig, 
Hoffman, Helmholtz, Lepsins, DuBois Reymond, the brothers 
Curtius, Gneist, Grimm, Ranke, Mommsen, Droysen, Oncken, 
Roscher, Conrad, Scherer, Ebers, and a host of others. Hence 
more and more strong grow our universities in the true sense 
of the word ; institutions sufficiently endowed to call full corps 
of professors, and supply large means of investigation and 
illustration; institutions rising above the character and scope 
of the little sectarian college, and unfettered by the demands 
of sect or party. 


Influence Upon the Aesthetic Development. 


Next as to the aesthetic development. To be good for much, 
literature and art must grow out of American life; but they 
may well be stimulated and fed in the future, as to an appre- 


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Deutſch⸗-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


ciable extent they have been in the past, by German influence. 
There can be no better enrichment for the minds of our more 
cultivated young men than a study of the masterpieces of 
German literature. I trust the time may never come when 
the study of the German language shall be banished from our 
preparatory schools, and am glad to state that more and more 
in our higher institutions of learning careful study of the 
masterpieces of German thought is steadily gaining ground. 
German thinkers and men of letters are wielding an influence 


on this continent. Here, too, I would urge Germans to resist. 


rationally the current of mercantile thought and to strengthen 
the development of literature, science and art. Every symphony 
of Bach, Beethoven, or Mozart, and their great successors, well 
performed ; every drama of Goethe, Lessing, Schiller, or Gutz- 
kow, well represented ; every picture, statue, or bust from the 
hand of a German master ; every building reared in accordance 
with the eternal principles of fitness and beauty, and not in ac- 
cordance with the latest whimsey, whether called “Eastlake” 
or “Queen Anne,” is a gain to American civilization. 


Soundness of American Life in General. 


And here let me say, in conclusion, that I welcome the in- 
fluence of German thought and of German views of life, not 
because our condition 1s hopeless, but because it is full of hope. 
Understand me, my fellow-citizens of German descent, in ap- 
pealing to you, I do not sue in forma pauperis. I am no pes- 
simist. Close observation and study of the American people 
in all parts of the country lead me far more strongly toward 
optimism than pessimism. I believe that the great currents of 
life in this Republic are sound. There are, indeed, many things 
which trouble and disgust us. When some of my German 
friends have censured some of the evil things which appear in 
American life, I have answered, “Yes, every great, seething, 
boiling cauldron throws to the surface the worst that is in it, 
and almost all that we can see is the scum upon its surface; 
but he is a very poor political philosopher who thinks that be- 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


cause there is scum upon the surface of the boiling cauldron 
there is nothing save scum in its contents.” Down below the 
surface of this boiling, bubbling, seething American life is a 
vast mass of noble endeavor, of earnest purpose, of determined 
effort for good. This it is which has carried our country through 
the terrific crises of the anti-slavery agitation, of the civil war, 
of the reconstruction since the war, and which is to give us 
yet a nobler and higher evolution as a nation. 


German influence here is to be exerted, then, not in the at- 
tempt to rescue an effete nation, not in attempting to furbish 
up a worn-out people, not in galvanizing the corpse of a civiliza- 
tion really dead, but in influencing for good a civilization which, 
imperfect though it may be as yet, is still underlaid by great 
principles, permeated by vigorous conceptions of right, and 
tending steadily toward a better future. 


Out of this basis of American life, as it now exists, let us 
trust that the healthful elements of German thought will aid 
powerfully in evolving a future for this land purer in its.politics, 
nobler in its conception of life, more beautiful in the bloom of 
art, more precious in the fruitage of character. 


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Franz Daniel Paſtorius. 
Von Emil Doernenburg. 


Biſt Du vergeſſen ſchon? Wird keine Kunde 

Uns Spätgeborenen mehr von deinem Leben? — 
Erlauchter Geiſt, nicht ſollſt zu dieſer Stunde 

Du ruhmlos in Vergeſſenheit ſchon ſchweben! 
So helft mir, Muſen, die ihr ſtets im Bunde 

Mit Dichterherzen, die aus Träumen weben 
Gebilde her, in Dankbarkeit zu krönen 

Dich edlen Sproß von Baldurs Lichtesſöhnen! — 


Hier, wo die Rieſenſtadt der Bruderliebe 

Mit tauſend Armen Land und Fluß umgittert, 

— Ihr Freunde, Dank! Die ihr im Wahngetriebe 
Uns Brüder wart, von Mitgefühl durchzittert! 

Daß noch ein Reſt von Menſchlichkeit verbliebe 

In einer Welt von Lüge, haßverbittert! — 

Hier war das Paradies, das lichtbetaute, 

Wo deutſches Volk ſich erſte Hütten baute. 


Denn einmal ſchon half Quäckerliebe retten, 

So einſt wie heut, aus trüben Schmerzenstagen 
Um Gott und Glauben, als in Schinderketten, 
Die Mennoniten man zum Pfahl getragen. 

Als Prieſterhaß, zur Zeit der Abendmetten, 

In Feuermantel ihren Leib geſchlagen. ! 

Und unter Pſalmgeſang und Weihrauchſchwehlen 
Zum Himmel ſtiegen leiderlöſte Seelen. 


Da war es William Penn, der ohne Wanken 

Die Brüder ſuchte auf verſchwiegenen Pfaden. 

Da ließ er tief in bange Seelen ranken 
Verheißung hehr, und Worte voller Gnaden. 

Sein heißes Herz, es wußte nichts von Schranken! 
War nicht mit Vorurteil und Stolz beladen! 

Ein Jünger Chriſti, jeder Zoll ein Held, 

Trat für die Wahrheit kühnlich er ins Feld. 


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Deutſch-Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Und als ihm Gott ein Herrſcherreich gegeben 
Fern überm Meer, noch unberührt vom Grauen 
Das tief im Blut, vor dem die Kinder beben 
Der alten Mutter, die da weſtwärts ſchauen, 
Zum neuen Zion ihre Ketten heben, 

Wo frei der Menſch darf Heimathütten bauen: 
Da rief er ſie, Germane die Germanen, 

Zu wandeln treuvereint die gleichen Bahnen. 


Von Karſt und Webſtuhl waren ſie gekommen, 

Die Glaubenshaß vom Väterherd getrieben, 

An Gütern arm, war ihnen unbenommen 

Die Kraft der Fäuſte, und die Glut zum Lieben. 
Auf ſchwankem Kiel das Weltenmeer durchſchwommen, 
So Mann wie Weib, von Sturmesnot zerrieben. 
Doch hielt die kleine Concord tapfer Stand, 

Bis aus den Fluten ſtieg erſehntes Land. 


Zwar nicht wie heute. — Weite Wälder decken 
Wo nun erſchallt der Hämmer dröhnend Pochen. 
Aus Schlamm und Ried ſich Büffel träge recken. 
Das Meer durchfurcht Seehund und Zitterrochen. 
Fuchs, Bär und Panter ſpielen ſcheu Verſtecken 
In Urgeſteines blitzzerſpellten Knochen; 

Denn ihre Fährten kreuzt, ein Heldenbild, 

Der Wildnis Herrſcher, ſpähend nach dem Wild. 


Und wo heut' Turmgebäude ſchwindelnd ragen, 
Uneingedenk des Looſes der Titanen, 

Hört man des Whippoorwills beſeeltes Klagen 
Aus grüner Dämmerung, wo im Sterbeahnen 
Tagfalter, bunt, mit ſchwerem Flügelſchlagen 

Um Blüten taumeln. — Fröſtelnd Wintermahnen 
Streut Gold und Purpur durch die Märchenwelt, 
Noch unberührt vom Kampf um Macht und Geld. 


Da hieß es denn die fleißigen Hände rühren, 

Eh' Eiſesrieſen Hauch den Boden ſteinte. 

Schon wuchs es hoch, mit Fenſtern, Firſt und Türen: 
Das deutſche Haus! — Manch ſtarker Axthieb kleinte 
Den Eichenſtamm. Selbſt zarte Frauen führen 

Was feſtgezimmert bald den Herd umſchreinte. 

Zuerſt kam Kirch' und Schulhaus unter Dach, 

Der Jugend Schutz vor Winters Ungemach. — 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblälter 


Doch allzuſchnell nur brach der Nord herein. — 
Da ſchlich ein Weib durch ſchneeverwehte Gaſſen, 
Grauſträhnig, hager. — Manchen Kinderſchrein 
Trug man hinaus, den Mutterarm will faſſen, 
Brennenden Wehs. — Man ſcharrt ſie wahllos ein, 
Die kaum geblüht: der Tod kennt keine Klaſſen! 
Doch ſang von Glaubenstroſt und Leidverwinden 
Das Kirchenglöcklein, ſeligem Wiederfinden. 


Wie Moſes ragteſt du in jenen Tagen, 

Die bleiern⸗ſchwer in zage Seelen ſanken, 
Paſtorius, da Hunger, Heimwehklagen, 

Wie Schlinggewächſe, die erſtickend ranken. 

Die zweifelnd, hoffnungslos am Boden lagen, 
Entriß dein kräftig Wort dem Grübeln, Schwanken. 
Bis Auferſtehungsruf im Föhngebraus, 

Zu neuem Tun ſpannt Leib und Seele aus. — 


Denn wieder hieß es roden, Pfade hauen 

Durch tiefen Urwald, weglos, graunumſponnen. 
Hell klang das Lied der Arbeit da in rauhen 
Schwieligen Fäuſten, bis der Tag verronnen. 
Bei Regen, Sturm und Blitzen, ſchwefelblauen, 
Ward Ackergrund der Wildnis abgewonnen, 
Bis ſchweißgedüngt des Bodens Ernten ſproſſen, 
Sie ihrer Mühen erſte Frucht genoſſen. — 


Und „Germantown“ genannt, der Deutſchen Stadt, 
Wuchs auf der Ort, wie eine Wunderblume 

Sich ſtill erſchließt: welteinſam, farbenſatt, 
Köſtlicher Schrein im Tempelheiligtume 
Rauſchender Wälder, wo von Aſt und Blatt 

Der Vogel ſang ein Lied zu Gottes Ruhme. 

Auf grüne Hügel lieblich hingebettet, 

Zuflucht der Wegemüden, herzverkettet. 


Wohl mochte es an Heimatluſt gemahnen, 

Das Friedensbild, wie treulich es beſchrieben 
Chronikenſtift; an ſtille Rheineslahnen. 

Doch ach! vorbei! — Was einzig noch geblieben 
Aus jener Zeit, wie ſie durchkämpft die Ahnen: 
Einſame Gräber, wo in Staub zerſtieben 

Die Leiber derer, die den Grundſtein legten 
Zum Wunderbau, dem hehren, treuumhegten. 


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Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Geh' mit im Geiſt durch freundlich ſtille Gaſſen, 
Wo lärmend Spatzenvolk im Sande badet. 
Weinlaub und Epheu liebevoll umfaſſen 
Steinhäuslein wie Madonnen, liebbegnadet. 

Vom Fenſterſims läßt Schweſternſchönheit blaſſen 
Purpur der Roſen. An die Heimat mahnet 
Vorgärtchen auch mit Obſtbaum, Immenſchwärmen: 
Hier rinnt das Leben ohne Haſt und Lärmen. 


Geht dann zur Ruh das letzte Neſtgeflitter 

Des Sängervölkleins, nach des Tages Fleiß 

Singt trauerſüß ein Lied der Heimat Zither 
Erinn'rungsmahnend; und in Wehmut leis 

Tropft manches Aug. Doch wie durch Sturmgewitter 
Die Sonne bricht, erquickend Kind und Greis, 

Zwingt neue Hoffnung alte Träume nieder, 
Schwingt ſtark ſich hoch mit klingendem Gefieder. 


Auf rohgefügten Tiſches Mitte liegt 

Das Lutherbuch, und Böhmes tiefſtes Schauen, 
Die „Morgenröte“. — Wer den Stern erfliegt, 
Der iſt gefeit vor allem Erdengrauen. 

Wie Morgenlicht die Finſterniß beſiegt, 

Wie ſie vereint Erkenntnisſtufen bauen: 

Urrätſel ſchwer! Du ſuchteſt fie zu Töfen; 

Nach „göttlicher Erleuchtung“, frei vom Böſen. 


Und die ſich deiner Sehnſucht Jünger nannten, 
Teutonicus: In göttlich hohen Schauern, 

Geſtreift vom Hauch des großen Ungenannten, 
Ward ihnen bald zu eng der Kirche Mauern. 

Ob Prieſtermächte auch die Form einſt bannten: 

Es wird der Geiſt ſie brechen, überdauern! 

Der Wahrheit Geiſt! Aus Blut und Hexenflammen, 
Halfſt irrer Menſchheit neuen Weg du rammen! 


Tief klingt dein Wort, das Heldengeiſt umſchwebt, 
Vor dem ſich Engel herzerſchauernd neigen. 

Wer aber enggeſtirnt an Schalen klebt, 

Dem taut umſonſt der Ewigkeiten Schweigen. 

Ob er verzweifelt auch die Hände hebt: 

Nie wird Erlöſung zu ihm niederſteigen. 
Gottſucherglück. — Auch ſolchen wird's beſchieden. 
Doch nur im Tode finden ſie den Frieden. 


— 252 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichts blätter 


Vom Fluß herauf zieht eine kleine Schaar, 

Wie Philadelphia ſie noch nie geſehen. 

In Kleidung buntgemiſcht und ſonderbar, 
Unſicheren Schritts, im ſcharfen Windeswehen. 
Ein Jüngling führt ſie an im Amtstalar, 

Durch ſeine Seele große Stürme wehen. 

Wer ſind die Fremden, hört man ſtaunend fragen? 
Doch Keiner weiß die Antwort d' rauf zu fagen. 


Auf einen Hügel, deſſen Gipfel ſchon 

Die Nacht mit ihrem Mantel zugedeckt, 

Geht ſtumm ihr Weg. In heimlich⸗ſtiller Frohn 
Wächſt Reiſig hoch, und eine Flamme leckt 
Sturmhauchentfacht, der heißen Mühe Lohn. 
Die Menge ſtaunt, verwirrt und halb erſchreckt. 
Der Winterſonnenwende erſtes Grüßen 
Legt flammend ſich der neuen Welt zu Füßen. 


Johannes Kelpius, friedloſer Mann, 

Nach höchſten Zielen ſpannteſt du den Bogen. 
Mit Seufzern, Tränen, haft im tiefen Tann 
Sophia minnend du ans Herz gezogen. 

Du irrteſt ſchwer. Dein großer Traum zerrann. 
Nicht fuhrſt zum Himmel du auf Sturmeswogen. 
Dein Wahn, er ſtarb mit dir; doch deine Seele 
Ging ein zum Feſt des Lammes, ohne Fehle. 


Wie anders du, edler Paſtorius. 

Wohl war's dein heiß Bemühn in Gott zu leben, 
Doch fanden Herz und Geiſt in friſchem Fluß 
Sich auch zur Welt im dienlichen Beſtreben. 

Dir blühte Frauentreu und Liebeskuß, 

Und Söhne durfteſt ſtolz zum Licht du heben. 

Dein grader Sinn ließ ſich durch nichts verwirren, 
Vom klar erkannten Weg der Pflicht zu irren. 


Und Pflicht auch war dir jene große Tat, 
Die dich unſterblich Geiſtern zugeſellt, 

Die machtvoll ſtreuen ihrer Liebesſaat 
Knospendes Drängen weit ins Zukunftsfeld. 
Du haſt des ſchwarzen Bruders Leidenspfad, 
Anwalt urewiger Rechte, lichterhellt. 

Was einſt aus heißem Herzen dir entfloſſen, 
Hat Lincoln dann in dauernd Erz gegoſſen. 


— 253 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


So lebteſt du, ein Führer und Prophet, 

Still in Gerechtigkeit vor deiner Herde, 

Dem Herrn vertrauend, der vorübergeht 

Lächeln im Antlitz, wie in Zorngebärde. 

Ihm beugteſt du dein Knie ſtill im Gebet, 
Den Himmel zwangſt du auf dein Stücklein Erde, 
Wo froh im Takt das Weberſchifflein ſchnurrte, 
Im grünen Laubgezweig die Taube gurrte. 


Zwar warft du Bürgermeiſter, Richter auch; 

Doch ſelten nur gab's einen Streit zu ſchlichten. 
Vergeſſen ſchien der alte, deutſche Brauch: 

Neid, Zorn und Klatſchſucht, hähmiſch Splitterrichten. 
Wenn dann im Winter ſtand des Herdes Rauch 
Steil über'm Dach: Da zwang es dich zum Dichten! 
Was deinem Leben Kraft und Sinn gegeben, 

Gabſt du Geſtalt aus dämmerndem Verſchweben! 


Manch zierlich Verslein wuchs dir in die Hand, 
Sahſt fröhlich du die Immenvölker fliegen, 

Mit ſüßer Fracht durch Abendſonnenbrand, 

Wo Feuernelken ihre Kelche wiegen. 

Ringsum ein Summen, Duften: Friedensland! 
Vom Dach ein Taubengurren, ſüß verſchwiegen. 
„He, Nachbar Witt, wie ſteht es um den Baum? 
Ich ſah auf ihm die Feigen ſchon im Traum!“ 


Was dir das Leben gab an Luſt und Leid, 

Das legteſt treu im „Bienenkorb“ du nieder: 
Sentenzen, meiſterklug, und Proſa breit, 
Umrahmt vom Wohlklang deiner Schäferlieder. 
Hier ſpricht dein Herz: gefeſtigt, hilfsbereit, 
Wie's magiſch glänzt aus ſeinen Tiefen wieder! 
Aus Blättern, brüchig alt und wurmzerfreſſen, 
Steigt eine Welt von Güte, unermeſſen! 


Deutſch war dein Herz, und Deutſch bis in den Tod 
Bliebſt du in deinem Denken, Fühlen, Träumen! 
Die Stirn umglänzt von Zukunftmorgenrot 

Galt deutſchem Volke letztes Erdenſäumen. 

Ihm ſchriebſt du nieder, wie's der Geiſt gebot, 
Dein Teſtament, im Herzensüberſchäumen: — 
„Salve Poſteritas“. — In Stein gehauen, 

Will's mahnend auf die Enkel niederſchauen. 


— 254 — e reg 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


„Heil dir, Nachkommenſchaft! 
Nachkommenſchaft in Germanopolis! 
Und erfahre zuvördeſt aus dem Inhalte der folgenden Seite, 
Daß deine Eltern und Vorfahren 
Deutſchland 
Das holde Land, das ſie geboren und genährt, in freiwilliger 
Verbannung 
Verlaſſen haben. 
(O ihr heimiſchen Herde!) 
Um in dieſem waldreichen Pennſylvanien, 
In der öden Einſamkeit 
Minder ſorgenvoll 
Den Reſt ihres Lebens 
In deutſcher Weiſe, d. h. wie Brüder hinzubringen. 
Erfahre auch ferner 
Wie mühfelig es war, 
Nach Ueberſchiffung des atlantiſchen Meeres, 
In dieſem Nord-Amerika 
Den deutſchen Stamm zu gründen. 
Und du, 
Geliebte Reihe der Enkel, 
Wo wir ein Muſter des Rechten waren, 
Ahme unſer Beiſpiel nach; 
Wo wir aber von dem ſo ſchwierigen Pfade abgewichen ſind, 
Was reumütig anerkannt wird, 
Vergib uns, 
Und mögen die Gefahren, die Andere liefen, dich vorſichtig 
machen. 
Lebe wohl, Nachkommenſchaft! 
Lebe wohl, deutſches Brudervolk! 
Für immer lebe wohl! — 


— 255 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Guſtav A. Berkes. 


Am 29. Februar 1928 entriß der Schnitter Tod einen der 
bekannteſten und beliebteſten Männer aus den Reihen des Deutſch⸗ 
Amerikanertums, aus den Reihen der Pioniere, deren Zahl ſich 
von Jahr zu Jahr verringert — Guſtav A. Berkes, welcher ſeit 
der Gründung der Deutſch⸗Amerikaniſchen Hiſtoriſchen Geſell⸗ 
ſchaft von Illinois ſtets ein eifriges und ſtets hilfreich bemühtes 
Mitglied war. 


Guſtav A. Berkes wurde am 15. April 1861 in Oppenheim 
am Rhein geboren, wo er eine gute Schulbildung genoß und wo 
er bis zu ſeinem 17. Lebensjahre in einem Schnittwarengeſchäft 
tätig war. Dann arbeitete er eine Zeit lang in Marburg an der 
Lahn, nahm dann die Stelle eines Reiſenden für eine große Tuch⸗ 
fabrik in Großenheim an, welche er bis zum Jahre 1884 inne 
hatte. Dann wurde ihm die Heimat zu enge und er faßte den 
Entſchluß, in der Neuen Welt ſein Glück zu verſuchen. Ein Bremer 
Dampfer brachte ihn im September desſelben Jahres nach New 
Pork, wo er ein Jahr verweilte, um dann über Boſton, Philadel- 
phia und Buffalo, in welchen Städten er ſich nur kurze Zeit auf— 
hielt, dem Zug nach bem Weſten Folge au leiſten. Die Wunder- 
ſtadt am Michiganſee war ſein Ziel, wo er im Jahre 1886 
anlangte. Bald fand er eine Stelle in dem großen Spielwaren⸗ 
Geſchäft von D. Zernitz & Co., wo er ſich in kurzer Zeit gut 
emporarbeitete. Er blieb dort bis zum Jahre 1895, um welche 
Zeit der langjährige Verwalter der Nordſeite Turnhalle, Adolph 
Georg, fein Amt niederlegte. Die Turngemeinde tat einen glück⸗ 
lichen Griff, als fie Guftad A. Berkes zu ſeinem Nachfolger er- 
nannte. Wie ſehr zufrieden man mit ſeiner Verwaltung war, 
geht aus der Tatſache hervor, daß er mehrfach wiedererwählt 
wurde, bis er im Jahre 1901 ſeine Stelle aufgab, um mit ſeiner 
Familie eine Reiſe nach Deutſchland anzutreten. Bei ſeiner Rück⸗ 
kehr eröffnete er an der Sheffield Avenue eine Engros-Wein⸗ 
handlung, wie auch eine Weinſchenke in dem Hauſe 73 Dearborn 
Straße, damals in der Nähe der Randolph Straße. 


— 256 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Im Jahre 1895 hatte ſich Herr Berkes mit Frl. Suſanne 
Ehmann verheiratet, welcher Ehe drei Kinder entſproßten, die ihn 
überleben. 


Im Jahre 1906 übernahm er wiederum die Verwaltung der 
Nordſeite Turnhalle, welche Stelle er bis 1914 wieder mit beſtem 
Erfolg ausfüllte. 

Innig, wie die Geſchichte der Chicago Turngemeinde mit der 
des hieſigen Deutſchtums verknüpft iſt, ſo iſt auch die Perſönlich— 
keit Guſtav Berkes mit der Nordſeite Turnhalle verknüpft. Unter 
ſeiner Leitung wurde das bekannte Lokal das Zentrum aller kul⸗ 
turellen Beſtrebungen des Deutſchtums und auf dieſe Weiſe gelang 
es ihm die Bekanntſchaft mit Tauſenden und die Freundſchaft 
mit Hunderten und Aberhunderten zu knüpfen. Manche wich⸗ 
tige Verſammlung ſah ihn als Vorſitzenden die Geſchäfte in um⸗ 
ſichtiger Weiſe leiten; manch großes Turnfeſt oder Sängerfeſi ver- 
dankt ſeinen Erfolg der nimmerraſtenden Tätigkeit von Guſtav 
A. Berkes. Noch im letzten Jahre war es ihm vergönnt, ſeinen 
Teil zu dem großen Erfolg des 75. Stiftungsfeſtes der Chicago 
Turngemeinde beizutragen. 

Am 2. März wurde ſeine Leiche auf dem Graceland Fried— 
hofe verbrannt und beigeſetzt. 

Herr Berkes gehörte außer der Deutſch-Amerikaniſchen Hiſtori— 
ſchen Geſellſchaft von Illinois, der Chicago Turngemeinde, dem 
Schwaben⸗Verein, der Leſſing Loge der deutſchen Freimaurer, 
dem Heſſen⸗Verein, dem Körner Unit der Steuben-Geſellſchaft, 
dem German Club und mehreren anderen deutſchen Vereinen an. 
Sein Name wird für lange Zeit in der Geſchichte des Deutſchtums 
von Chicago fortleben . | 


Fred H. Bergmann. 


Am 6. März 1928 verſchied in Los Gatos, Californien, im 
71. Lebensjahre Fred H. Bergmann, eine impoſſante Erſcheinung 
des Deutſchtums in Amerika, ein Mann, der auch in den härteſten 
Zeiten nicht vergaß, daß er ein Deutſcher war, ein Mann, der 
ſowohl innerhalb ſeiner Familie, als auch in der breiten Oeffent— 


— 257 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


lichkeit für Alles, was deutſch iſt, mit Wort und Tat einſtand, 
ein Mann, der es in genialer Weiſe verſtand, zu gleicher Zeit 
Freund von Arbeitern und einflußreichen Millionären zu ſein. 


Am 26. Februar 1857 in Punkewitz in Thüringen in der 
Nähe von Naumburg a. d. Saale, als Sproß einer alten Bauern— 
familie, die ſeit 400 Jahren in der dortigen Gegend anſäſſig iſt, 
geboren, lernte er zunächſt in einer Droguen- und Farbenhandlung 
in Naumburg, ging aber, da er ſchon von Kindheit an ein großer 
Freund der Natur war und es liebte, in der friſchen Luft zu 
arbeiten, in den Weinbau über. Von dort wanderte er nach 
Amerika aus. | 

In den erjten Jahren feines Hierſeins durchzog er als 
„Tramp“, wie man zu ſagen pflegt, den Weſten und Südweſten 
des Landes, die damals noch als „Wild-Weſt“ bezeichnet wurden. 
So führte er ein freies und ungebundenes Leben und gab fid) 
ganz ſeinen Neigungen für die Natur hin. Vor allem hatte es 
ihm der nächtliche Sternenhimmel des Weſtens angetan und 
während ſeines ſpäteren Aufenthaltes hier in Chicago hat er recht 
oft den Wunſch geäußert, noch einmal „dort draußen bei klarer 
Nacht zu den Sternen empor ſchauen zu können.“ So ſehr rief 
und zog es ihn nach den Stätten, die er einſt in tiefem Jugend— 
gefühl durchzogen hatte, daß er vor ungefähr zwei Jahren von 
Chicago nach Los Gatos umſiedelte, um dort in Ruhe ſeinen 
Lebensabend zu beſchließen. 
| Nach einigen Jahren femes Wanderlebens wurde Bergmann 

ſchließlich Angeſtellter einer großen kaliforniſchen Weinhandlung 
und arbeitete ſich vom Kellermann bis zum Reiſenden empor. Er 
verblieb 25 Jahre bei derſelben Firma, um ſich dann ein eigenes 
Geſchäft zu gründen. 

In den hieſigen Vereinskreiſen, beſonders in den Turn- und 
Geſangvereinen, war der Dahingeſchiedene eine markante Per— 
ſönlichkeit. Aber auch in den aufregenden Tagen des Jahres 
1886 ſpielte er als Führer der Streikenden eine hervorragende 
Rolle. Enge war er mit den Arbeiterverbänden verknüpft und 
ſtand er bis zu ſeinem Lebensende an der Spitze der Vereinigung, 
die alljährlich das Grabmal der infolge des Haymarket Riots 
Geopferten an deren Todestage bekränzte. (11. November.) 


— 258 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Seit ſeiner Jugend ſchon hatte Fred Bergmann den Drang, 
alles, was er ſah oder was ihn intereſſierte, geiſtig in ſich auf— 
zunehmen; er war von einem unbeſchreiblichen Wiſſensdurſt. Mit 
der alten und neueren Geſchichte, ſowie der deutſchen und eng— 
liſchen Literatur war er beſonders vertraut. Als großer Muſik⸗ 
freund fehlte er nur ſelten bei einem Konzert. | 


Sein unermüdlicher Fleiß und ein guter Optimismus waren 
ſeine Helfer, die ihn aus den kleinſten Anfängen zu ſeiner Höhe 
führten. Wenn auch ſein Lebensweg durch manche Tiefen ging, 
ſo hielt er doch den Kopf ſtets hoch, voller Mut und berechtigtem 
Stolz. Er war aufrichtig und treu ſich ſelbſt und ſeinen Freunden 
gegenüber, er kannte keine Furcht, weder vor den Drängniſſen des 
Lebens noch dem Tod. Er war ein Freidenker mit jeder Faſer 
ſeines Weſens. | 

Seine Leiche wurde von Los Gatos, Californien, nach Chicago 
gebracht und in der Lincoln Turnhalle aufgebahrt wo für den Ver— 
ſtorbenen eine paſſende Trauerfeier ſtattfand. Auf ſeinen Wunſch 
hin, wurde ſeine Leiche in der Graceland Kapelle eingeäſchert und 
dann auf dem Waldheim Friedhof in der Nähe der Begräbnis— 
ſtätte ſeines Freundes Auguſt Spies und deſſen Genoſſen beigeſetzt. 

Mit ſeinem Tode verlor die Deutſch-Amerikaniſche Hiſtoriſche 
Geſellſchaft von Illinois eines ihrer treueſten Mitglieder. 


— —280 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Hiſtoriſche Geſellſchaft von Illinois. 


Bericht des Schriftführers. 


Infolge fortgeſetzter Verhinderung unſeres Herrn Präſidenten Dr. 
Otto L. Schmidt durch Krankheit und anderer wichtigen Urſachen, wie 
auch andauernder Krankheit des Schriftführers während der letzten 
lieben Monate, war es nicht möglich eine General⸗-Verſammlung der Ge- 
ſellſchaft vor Erſcheinen dieſes Jahrbuches (XXVIII— 1928) einzu⸗ 
berufen. 


Wie aus dem Bericht, enthalten in dem Jahrbuch 1926—1927 
(XXVI—XXVII), hervorgeht, hat uns die Germaniſtic Society oj 
America für dieſes Jahrbuch mit einem Beitrag von $500.00 unterſtützt, 
wofür an alle Mitglieder der Germaniſtic SERIE ein Exemplar des 
Jahrbuches geſandt wurde. 


Dieſe Unterſtützung erleichterte es uns, unſere Druckerrechnungen zu 
bezahlen, trotzdem wir trotz alledem uns auch gezwungen ſahen, die Hilfe 
unſeres Präſidenten in Anſpruch zu nehmen, was auch in reichlicher 
Weiſe geſchah, wie aus unſerem diesjährigen Finanzbericht zu erſehen iſt. 


Es wurde im Verlaufe der letzten vier Monate der Verſuch gemacht 
vermittels Rundſchreiben neue Mitglieder zu gewinnen. Zu dem Zwecke 
wurde ein Inhaltsverzeichnis der bisher von der Geſellſchaft veröffent- 
lichten Druckſachen einſchließlich des Jahres 1927 mit einem Werbe⸗ 
ſchreiben, dem ebenfalls ein Inhaltsverzeichnis dieſes neuen Jahrbuches 
beigefügt war, an über 400 Namen von Deutſch- Amerikanern, meiſtens 
außerhalb Chicagos, verſandt, doch iſt ſoweit kein Erfolg davon zu 
berichten. 


Die Rechnung für das Inhaltsverzeichnis und der nötigen Brief- 
bogen ijt noch nicht bezahlt und beträgt $127.00, doch hofft der Schrift⸗ 
führer eine Herabſetzung der Rechnung zu erzielen. 


Während wir nun einen kaum nennenswerten Zuſchlag bon Mit- 
gliedern erwähnen können, iſt der Abgang ein dementſprechend größerer, 
beſonders durch Todesfall, aber auch infolge von Abmeldung, wie folgt: 


Geſtorben find die Herren Guſtav A. Berkes, Fred H. Bergmann, 
Max Klee, Louis Rückheim, Geo. A. Schmidt, Earl Stierlin, Sr., alles 
Mitglieder, die die Geſellſchaft ſtets in jeder Weiſe unterſtützt hatten. 
Die Nachrufe, kurze Biographien von Guſtav A. Berkes und Fred H. 


— 260 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Bergmann ſind in dieſem Jahrbuche enthalten, während das Gedächtnis 
der anderen Herrn erſt im kommenden Jahrbuch durch Veröffentlichung 
ihres Lebenslaufes geehrt werden kann. 


Abgemeldet haben ſich Herr Dr. Roskotten in Peoria, Herr A. G. 
Reimer, Chicago, während Herr Henry Suder nach Deutſchland ver⸗ 
zogen ijt. Auch haben die Herren Hermann Horn und Guſtav Ringe, 
New Pork, ihre Reſignation angemeldet. 


Es bleibt uns nun nur noch der Wunſch übrig, daß die Mitglieder 
es ſich zur Aufgabe machen ſollten, uns die Namen paſſender Perſonen 
anzugeben, an welche wir unſere Werbegeſuche für Mitgliederſchaft 
richten können, oder beſſer noch, ſelbſt Mitglieder für uns zu werben, 
und ſtellen wir gerne jedem eine Anzahl der Inhaltsverzeichniſſe der 
bisher veröffentlichten Jahrbücher zur Verfügung. 


Ergebenſt unterbreitet, 
Max Baum, Schriftführer. 


Finanzbericht. 
1927 Mai 3. Kaſſenbeſtand a ie ee eee § 236.26 
Juni 17. Carl C. Roeßler, extra 10.00 
20. Julius Schmidt, extra . 5.00 
Albert Breitung, extra... ww 2.00 
22. Mar Klee, egtra.... ae EE nes 10.00 
Edgar J. Uihlein, extra UU P P 25.00 
23. Albert F. Madlener, extra 20.00 
24. Emil Baenſch, Beitraa nnd 5.00 
25. Max L. Teich, extraa RER 20.00 
Emil Eitel, extra. 5.00 
27. S. P. Anneke, extra PERS DEN 10.00 
Juli 1. Chas. F. Lomb, extra.. T 2.50 
C. Gallauer, ertra.............. 19000 
Louiſe Tewes, extra eee 10.00 
Louis Guenzel, extra . 10.00 
21. Rud. Pagenſtecher, Beitrag 5.00 
Univerſity of Chicago Preß, Bücher 6.00 
30. Carl E. Schmidt, extra lq onanan 25.00 
Aug. 6. Henry J. Brendel, Beitrag.............. 5.00 
20. Fred H. Bergmann, extra 5.00 
Sep. 16. Columbia Univerfity, Bücher ·ꝛUV ir 24.00 
28. F. Diehl, extra HP 5.00 
Okt. 3. D. Recher, Beitrag.................0.. 5.00 
Th. Otterſtroem, BücheD· 15.00 


— 261 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


5. 

17. 

Nov. 8. 
Dez. 12. 


1928 Jan. 1. 
30. 


Feb. 14. 


März 1. 


Germanijtic Gociety q ꝓ hh me 500.00 
Th. Otterſtroem oe 15.00 
Schwaben⸗Verein ũñ n 50.00 
Wuslands-Deutidtum ............. sss. 4.96 
Dr. O. L. Schmidt, extra... a. 70.00 

$1115.72 


Ausgaben: 


Gantel Printing Co -p mwN $350.00 
Gantel Printing C o UUUUP 500.00 
Univerſity of Chicago Breß........ 50.95 
Gantel Printing Coñ;m UU LL. 200.00 

1100.95 
Ka ſſenbe ſtandſ ·O UDP PP PH UꝛmH ee ees $ 14.77 
International News CTL Od—e ww. $ 3.33 
Dr. O. J. Roskotten, Beoria............. 5.00 
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Dr. Otto L. Schmidt, extra m 75.00 
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e "n 5.00 
Julius Schmid T 5.00 
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W. A, Wie bold RA eee 5.00 
Magda Heuermann m ᷓ [h(lFé u ee 5.00 
Richard Waſſermaunnnn nnn 5.00 
John Prochaska, Orange, N. M ·ſy-ſ wn“ 5.00 
Paul Mauſolf, New Pork A [U e U 5.00 
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Mar Ce , tind ex d eres Ra gus 5.00 
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Alb Rehling, e EE dene 5.00 
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— 262 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


St 


13. 


14. 


Max J. Kohler, New Horf.......22...... 
John M. Wulfing, St. Louis 
Theo. Stempfel, Indianapolis 
Jacob Rue ͤ 
Richard Barthold, St. Louis 
F. C. Gaertner... U. 
Auguft Fitger, Los Angeles 
Dr. E. H. Arnold, New Haven, coun: ET 
Chicago Turn-Gemeinde ........... lusu. 
H. von Wacderbarth.................... 
Phil. €. S$ilg............. prn 
Oelltid) “One? elucet rire Sam 
Michael F. Girten n 
Edgar J. Uihlein q -pwͥ fir 
R. G. Scheunemſaunnn 
Auguft Blum, Paſadena, Cal 
Col. Francis Lackner, Los Angeles De 
Henry Schoellkopſ [P “ Vw P een 
John Großgebauer, Paterſon, N. S........ 
Prof. Ferdinand Schevilll Dm. 
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Herm. Hachme iſten (wt 
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Horace L. and 
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H. Behr, Bloomington, SU...........22.. 
Frl. Louiſe Tewes :: mn“ 
Albert Breitünn gs ON 
Louis J. Sehring, Joliet, Ill.. 
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Henry W. Brendel, Buffalo, N. l. 
German Society of Penna . 
Chriſtian Dod, Hinsdale, Ill Ui 
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Auguſt Goertz, Newark, N. IJ 
Ad. C. Dick, Milwaukee, Wiss n 
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War Seld) ver vat 4 o RO eas eae & 
Dr. Carl E. Schmidt, Oscoda, Mich. 
Carl F. Lomb, Rocheſter, N. m m ʒ VP. 
Herm. Wollenbergen n iuU w 
Richard E. Schmidt VVꝛnw llle. 


— 263 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


15. A. C. E. Schmideuue tt 5.00 
17. Hugo F. Koehler, St. Louis . 5.00 
Karlie Ub ES 5.00 
Chas. H. Wacken mi 5.00 
rr y Po e wees 5.00 
21. Ernſt hell, Edi Sce 5.00 
24. Carl Gallauer ................. esee 10.00 
26. Jof. Matt, St. Paual“lllnln 5.00 
232. R: C RHODE 5.00 
29. Ludwig W. $8aeufff.. llle. 10.00 
Albert Kuhlmeeeou nn 5.00 
April 2. Leopold Grand ............... leeren 5.00 
12. F. C. Habicht, New Mork. 5.00 
J. H. A. Lacher, Waukeſhͥ Aa 5.00 
Henry Bartholomahhhhhs e 5.00 
Hans bon Reinsper g i 5.00 
Adolph ; rus cet ĩ 5.00 
Auguft Lueders, Hinsd ale 5.00 
26. Ernſt C. Krohn, St. Louis 5.00 
Chas. Lenker, Freeport, N. Mm̃we .. 10.00 
Mai 28. Yale Univerfith, New Haven i 6.70 
e,, ubere Seres 5.00 
Columbia Univerſit en ꝛꝛ ee eee 3.50 
Carl Bochwitz, New Yorf.......... PPM 5.00 
$ 658.30 
Feb. 14. Hankel Printing Gompang............... 81.00 
Juni 5. Kaſſenbeſ tand $ 577.30 
Verwaltungsrat. 
Dr. Otto L. Schmidt M. E. J. Papke 
Hon. Michael F. Girten H. von Wackerbarth 
Prof. Julius Goebel 
Beamte 
Or Lig d Schmid Präſident 
Ma ( Ee noce ³ / 8 Schriftführer 
M aße win ga ae Schatzmeiſter 
Mitgliederliſte. 


Ehrenmitglieder: 


Prof. Evarts B. Greene, Columbia Univerſität. 
Prof. F. J. Herriott, Drake Univerſität. 
Prof. Hermann Oncken, München. 


— 264 — 


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Mitglieder: 


Berlin 
Univerſitäts⸗Biblitohek 
Miniſterium des Innern 

Bismarck, N. D. 

State Hiſtorical Society 


Bloomington, Ill. 


Behr, Heinrich 
Brooklyn, N. Y. 
Neumerkel, Waldemar 


Buffalo, N. Y. 
Brendel, Henry W. 
Chicago, Ill. 
Abele, Dr. L. H. 
Bartholomah, Henry 
Baum, Max 
Brammer, F. H. 
Brand, Horace L. 
Breitung, Albert 
Bühler, Carl 
Chicago Hiſtorical Society 
Chicago Turn⸗Gemeinde 
Diehl, Fred 
Dilg, Phil. H. 
Dircks, Herm. J. 
Dod, Chriſtian 
Ebel, Ernſt 
Eitel, Emil 
Eitel, Karl 
Ernſt, Leo 
Fleiſcher, Chas. H. 
Franz, Dr. Hugo 
Gallauer, Carl 
Gärtner, C. F. 
Gill, Adolph 
Girten, Hon. Michael F. 
Grand, Leopold l 
Günzel, Louis 
Hachmeiſter, Herm. 
Heine, Heinrich 
Heinen, Dr. Aloys 


Heuermann, Frl. Magda 
Hummel, Ernſt 
Holinger, Dr. J. 
Käuffl, Ludwig W. 
Klein, Fred 

Köpcke, Chas. A. 
Kohtz, Louis O. 
Kroch, Md. 
Kuhlmey, Albert 
Lange, H. O. 

Leight, Edw. A. 
Lueders, Arthur 
Madlener, Albert F. 
Mannhardt, Wm. 
Mees, Fred 
Newberry Library 
Papke, Max E. J. 
Peterſen, Dr. Wm. F. 
Public Library 
Recher, D. 
Reinsperg, Hans von 
Rhode, R. E. 
Röhling, Albert 
Roſenfield, S. W. 
Rößler, Carl C. 
Rühl, Jacob 

Schevill, Prof. Ferdinand 
Schlachter, J. W. 
Scheunemann, R. G. 
Schmidt, A. C. E. 
Schmidt, Julius 
Schmidt, Dr. O. L. 
Schmidt, Richard E. 


Schoellkopf, Henry 


Schulze, Paul 
Schulze, Wm. 
Schwaben⸗Verein 
Schwefer, Wm. 
Seifert, Rudolf 
Senefelder Liederkranz 
Trick, Joſeph 

Teich, Max L. 

Tewes, Frl. Louiſe 


— 265 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Träger, Hon. John B. 
Uihlein, Edgar J. 
Wackerbarth, H. von 
Wacker, Chas. H. 
Wieboldt, Wm. A. 
Waſſermann, Richard 
Woltersdorf, Arthur 
Wollenberger, Herm. 
Wyhſow, Felix F. W. von 
Zimmermann, W. F. 
Columbia, Mo. 
State Hiſtorical Society 
of Miſſouri 
Cincinnati, O. 
Nippert, Hon. Alfred 
Davenport, Jowa 
Ficke, Hon. C. A. 
Turngemeinde 
Des Moines, Jo wa 
Hiſtorical State Department 
Eaſt Orange, N. Y. 
Prochaska, John 
Frankfurt a. M. 
Städtiſche Bibliothek 
Freeport, L. J., N. Y. 
Lenker, Chas. 
Ft. Thomas, Kb. 
Horſt, Walter 
Heidelberg 
Univerſitäts⸗Bibliothek 
Hamilton, O. 
Benninghofen, C. 
Indianapolis, Ind. 
Stempel, Theo. 


Soma City, Soma 
State Hiſtorical Society 


Joliet, Ill.“ 
Louis J. Sehring 
Latimer, Jowa 
Janſſen, Rev. W. T. 


Los Angeles, Cal. 
Aneke, Percy S. 
Fitger, Auguſt 
Madiſon, Wis. 
State Hiſtorical Society 
of Wisconſin 
Manitowoc, Wis. 
Baenſch, Hon. Emil 


Milwaukee, Wis. 
Dick, Ad. C. 
Public Library 

New Haven, Conn. 
Arnold, Dr. E. H. 

New Pork City, N. Y. 
Glogauer, Or. Otto 
Habicht, F. C. 
Hanſen, Ferdinand 
Kohler, Max J. 
Pagenſtecher, Rud. 
Scharke, Julius 
Maursholf, Paul 

Newark, N. J. 
Görtz, Auguſt 

Oscoda, Mich. 
Schmidt, Dr. Carl E. 


Paſadena, Cal. 
Blum, Auguſt 
Lackner, Col. Francis 

Paſſaic, N. J. 
Rolle, A. J. 

Paterſon, N. J. 
Großgebauer, John 


— 266 — 


Deutſch⸗Amerikaniſche Geſchichtsblätter 


Philadelphia, Pa. Walter, A. J. 

Zeits, Anthony J. | Wulfing, John M. 

German Society of Pennſylvania St. Paul, Minn. 
Rocheſter, N. Y. Matt, Joſ. 

Lomb, Carl F. Techny, Ill. 
San Franzisko, Cal. Society of the Divine World 


Spindler, Chas. Topeka, Kan. 
Springfield, SIL State Hiſtorical Society 


Illinois State Hiſtorical Library Urbana, Ill. 
Goebel, Prof. Julius 
St. Louis, Mo. 


Bartholdt, Hon. Richard nn 1 n, D. C. 
Homeyer, H. Aug. ibrary of Congreß 


Köhler, Hugo A. Waukeſha, Wis. 
Schultz, E. H. Lacher, J. A. 


— 267 — 


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